Edo Osterloh - Vom Theologen zum christlichen Politiker: Eine Fallstudie zum Verhältnis von Theologie und Politik im 20. Jahrhundert 9783525557501, 3525557507

Anhand der Biografie des lutherischen Theologen Edo Osterloh (1909-1964) beschreibt Peter Zocher exemplarisch den Weg de

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German Pages 728 Year 2007

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Edo Osterloh - Vom Theologen zum christlichen Politiker: Eine Fallstudie zum Verhältnis von Theologie und Politik im 20. Jahrhundert
 9783525557501, 3525557507

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Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Siegfried Hermle und Harry Oelke

Reihe B: Darstellungen Band 48

Vandenhoeck & Ruprecht

Peter Zocher

Edo Osterloh – Vom Theologen zum christlichen Politiker Eine Fallstudie zum Verhältnis von Theologie und Politik im 20. Jahrhundert

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-55750-1

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Oberkirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg und der Wilhelm-Julius-Bobbert-Stiftung (Münster/Westf.).

© 2007, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen. Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Daniela Weiland, Göttingen. Druck und Bindung: d Hubert & Co., Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Herkunft und Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Elternhaus und Schulzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Studium und Assistentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Vikariat bei Heinz Kloppenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Gründung der Kirchlichen Hochschule Berlin . . . . . . . . . . . 2.2 Die Berufung Osterlohs – der Wechsel nach Berlin . . . . . . . . . . . 2.3 Vorbehalte gegen die Kirchliche Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Lehrbetrieb und Studentenarbeit an der Kirchlichen Hochschule 2.4.1 Beginn und Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Die ersten Semester – „Normalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Weiterarbeit trotz zunehmenden Drucks . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Osterloh als Dozent und Vertrauter seiner Studenten . . . . . . . . . . 2.6 Osterloh als Studentenpfarrer der Bekennenden Kirche in Berlin 2.7 Illegal in Berlin – „Legalisiert“ in Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Osterlohs wissenschaftliches Arbeiten an der Kirchlichen Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Osterloh in Berlin – Leben im Widerstand? . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Soldat im Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.1 Militärische Laufbahn und persönliches Schicksal . . . . . . . . . . . . 93 3.2 Osterloh als Pastor der Gemeinde Holle 1941–1945 . . . . . . . . . . 103 3.3 Kirchenpolitische und theologische Orientierung in der Katastrophe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.3.1 Stellungnahmen zu den kirchenpolitischen Entwicklungen 107

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Inhalt

3.3.2 „Revolutionär des Glaubens“ – Osterloh in der Auseinandersetzung um Bultmanns Programm der „Entmythologisierung“ des Neuen Testaments . . . . . . . 115 3.4 Kriegsende, Gefangenschaft und Flucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4. Pfarrer und Oberkirchenrat in Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die kirchliche Neuordnung in Oldenburg – Weichenstellungen 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Erste personelle Veränderungen im Oberkirchenrat . . . . . . 4.1.2 Der Weg zu einer neuen Landessynode . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Die außerordentliche Landessynode vom 23. bis 26. Oktober 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Neuorientierung nach der Katastrophe – der Auftrag, nicht die Kirche als Ausgangspunkt der Überlegungen . . . . . . . . . 4.2.1 „Die theologische Wissenschaft und die Kirche“ . . . . . . . . 4.2.2 „Ein Wort zur Lage unseres Volkes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Osterloh als Pfarrer in Holle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Osterloh als Oberkirchenrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Die Auseinandersetzungen um die weiteren Schritte der kirchlichen Neuordnung in Oldenburg nach 1945 . . . . 4.4.2 Schulreferent der oldenburgischen Landeskirche . . . . . . . . 4.4.3 Osterloh und die Auseinandersetzungen im Oberkirchenrat 4.5 Abschied von Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Der neue theologische Referent der Kirchenkanzlei und der Richtungsstreit in der EKD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Der scheidende Oberkirchenrat als Kronzeuge der kirchlichen Opposition? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD . . . . . . . . . . . . 5.1 „Alles, was in der EKD wichtig ist, geht über meinen Schreibtisch“ 5.2 Schulpolitik und Elternarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Staatliche und evangelische Schulpolitik zwischen 1945 und 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Osterloh als Schulreferent der Kirchenkanzlei der EKD . . . 5.3 Familienpolitik und Eherechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Die Familie am Beginn der 1950er Jahre – bedroht durch die wirtschaftlich-sozialen Umstände und durch den Gesetzgeber? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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5.3.2 Der Schutz der Familie als Anliegen der Kirche . . . . . . . . . 5.3.3 Die Kirche und die Gleichberechtigung – vom schwierigen Ausgleich zwischen Recht und Tradition . . . . . . . . . . . . . . Der Aufbau einer Seelsorge an den „Displaced Persons“ (DPs) . . . 5.4.1 Displaced Persons – eine lange Zeit vergessene Randgruppe der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Der Aufbau einer Seelsorge an DPs als Aufgabe der Kirchenkanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Konflikt mit Heinz Kloppenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Aufbau einer Lagerseelsorge für die Arbeitsdiensteinheiten im Bereich der US-Streitkräfte – Testfall für die kommende Militärseelsorge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Der Aufbau einer Lagerseelsorge für die Arbeitsdiensteinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Die Wiederbewaffnungsdebatte bis 1952/53 und die offizielle Haltung der EKD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Die Seelsorge an den Arbeitsdiensteinheiten als ein Schritt auf dem Weg zur späteren Militärseelsorge . . . . . . . . . . . . . Stellungnahmen zum Themenbereich Wiederbewaffnung – Osterlohs Position in der innerkirchlichen Auseinandersetzung 1950 bis 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Noch einmal Oldenburg: Osterloh und die „Bischofskrise“. . . . . .

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6. Ministerialbeamter in Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Ministerialrat im Bundesinnenministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Ministerialdirektor im Bundesfamilienministerium . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Konrad Adenauers Wahlsieg 1953 und die Gründung des Bundesministeriums für Familienfragen . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Kontroverse Diskussionen um das Ministerium und seine Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Osterloh als Anwalt des Ministeriums, der Familien und des christlichen Familienbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Kultusminister in Niedersachsen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Eintritt in die Parteipolitik – Osterloh im Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU (EAK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Gründung und Frühphase des EAK . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Osterloh und der EAK bis zum Tode von Robert Tillmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

7. Kultusminister in Schleswig-Holstein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Berufung und Amtsantritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Edo Osterlohs Wechsel von Bonn nach Kiel . . . . . . . . . . . 7.1.2 Die politische Situation in Schleswig-Holstein 1955/56 . . . 7.1.3 Amtsübernahme und Amtsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Die wichtigen Gesetze der Anfangsjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Das Schulunterhaltungs- und Schulverwaltungsgesetz vom 28. März 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Der Staatskirchenvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Kirchen in Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Osterloh in der schleswig-holsteinischen Landespolitik . . . . . . . . . 7.3.1 Osterlohs politische Verankerung im Land . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Kulturpolitische Aufgaben und Zielsetzungen . . . . . . . . . . 7.3.3 Osterloh und die „Fälle“ – Vergangenheitsaufarbeitung in Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Osterloh in der Bundespolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Kultusministerkonferenz und Wissenschaftsrat . . . . . . . . . . 7.4.2 Mitglied im Bundesvorstand der CDU . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3 Der EAK und die „Evangelische Verantwortung“ seit 1956 7.4.4 Der Kronberger Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.5 Osterloh als Mahner und Kritiker seiner Partei . . . . . . . . . 7.5 Das kirchliche Engagement Osterlohs nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst der EKD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1 Die Kammer für öffentliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . 7.5.2 Der Deutsche Evangelische Kirchentag . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Osterlohs Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Edo Osterloh – ein Beispiel für den Weg der evangelischen Kirche in die Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Bibliographie Edo Osterloh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 Personenregister / Biographische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661

Vorwort

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die geringfügig überarbeitete Fassung der Untersuchung, die im Sommersemester 2005 von der EvangelischTheologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen wurde. Das Gelingen einer solchen Arbeit hängt immer auch von der Unterstützung vieler Menschen ab, für die ich allen sehr danken möchte. Der erste Dank gilt Professor Dr. Wolf-Dieter Hauschild für seine umfangreiche Betreuung, seine zahlreichen Hinweise und häufigen Ermunterungen. In seinem Doktorandenkolloquium wie auch in vielen Gesprächen erwies sich die Güte seines persönlichen Konzeptes vom „Fördern und Fordern“. Nicht zuletzt sei ihm wie auch Professor Dr. Albrecht Beutel für die Erstellung der Gutachten gedankt. Einige der schönsten Erfahrungen während der Recherchen zu dieser Arbeit sind verbunden mit den Zeitzeugen, die ich kennenlernen durfte. Hervorheben möchte ich Frau Gertrud Osterloh, deren beeindruckende Persönlichkeit ich in mehreren langen Gesprächen erleben durfte; sie wird mir unvergessen bleiben, und ihre Hinweise und Auskünfte waren für mich unverzichtbar. Ohne die freundliche Unterstützung vieler Mitarbeiter in kirchlichen und staatlichen Archiven wäre auch dort keine fruchtbare Arbeit möglich gewesen, ihnen allen sei dafür herzlich gedankt. Angesichts der Vielzahl der besuchten Archive soll stellvertretend für alle Frau Christiane Mokroß vom Evangelischen Zentralarchiv in Berlin genannt werden. Herzlich bedanke ich mich auch bei Pfr. Reinhard Rittner und Dr. Hartmut Ludwig für wertvolle Hinweise auf interessantes Material in von mir noch nicht durchgesehenen Aktenbeständen. Der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte und den beiden Herausgebern Professor Dr. Siegfried Hermle und Professor Dr. Harry Oelke danke ich für die Aufnahme in die Reihe „Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte“. Finanziell unterstützt wurde die Drucklegung der Arbeit durch großzügige Zuschüsse des Oberkirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg und der Wilhelm-Julius-Bobbert-Stiftung (Münster/Westf.); beiden Institutionen bzw. den Entscheidungsträgern in ihnen sei dafür sehr gedankt. Ausgeschlossen gewesen wäre der Abschluss dieser Arbeit ohne die Unterstützung und den Halt durch meine Familie. Den Dank an meine Frau Astrid

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Vorwort

Schulte am Hülse angemessen in Worte zu fassen, ist hier nicht der Platz. Ihr wie auch meinen Schwiegereltern Christa und Dr. Heinrich Schulte am Hülse sei an dieser Stelle dafür gedankt, dass sie mir in mancher Hinsicht den Rücken freigehalten haben und mir immer wieder dabei halfen, das Ziel, diese Arbeit zu beenden, nicht aus den Augen zu verlieren. Gewidmet aber sei dieses Buch schließlich meiner Mutter Margot Zocher, die entscheidend dazu beigetragen hat, mich auf einen Weg zu bringen, der die Abfassung einer solchen Arbeit überhaupt erst ermöglichte. Dafür soll diese Widmung ein kleiner Dank sein. Bremerhaven, im September 2006

Peter Zocher

Einleitung

Das Nachdenken über das richtige Verhältnis von Theologie und Politik kann ohne Übertreibung als eines der Themen der Theologie des 20. Jahrhunderts angesehen werden. Eine Ausarbeitung dazu bedarf kaum einer Begründung, beide Bereiche sind einer ständigen Veränderlichkeit unterworfen, die allein schon die Unerschöpflichkeit dieses Themas garantiert. Das 20. Jahrhundert mit den vier großen Politikumbrüchen in Deutschland (1918/19, 1933, 1945/49, im Osten Deutschlands außerdem 1989/90) liefert dafür reichlich Belegmaterial, waren doch in Kirche und Theologie alle diese Umbrüche von einer beredten Diskussion begleitet, wie man sich theologisch bzw. als Kirche in oder auch gegenüber dem neuen Staat zu positionieren habe, wie die Kirche oder auch der einzelne Christ sich jeweils politisch zu verhalten habe. Die Verknüpfung dieser Thematik mit einem konkreten historischen Kontext, das Nachzeichnen der Bewährung oder des Versagens verschiedener Versuche, dieses Verhältnis auszudeuten, die Rekonstruktion der Auswirkungen, die von der Festlegung auf eine der verschiedenen theologischen Positionen zu diesem Problemkreis auf das Leben eines Einzelnen, einer Gruppe oder der Kirche ausgingen, mit einem Wort: die kirchengeschichtliche Betrachtung erhält in diesem Bereich theologischer Diskussion besondere Bedeutung. Schließlich hat jede zu einer gewissen Geltung kommende Bestimmung des Verhältnisses von Theologie und Politik unmittelbare Konsequenzen für das Leben und die Bedeutung der Kirche im Bezugsfeld der Politik, also in Staat und Gesellschaft, letzten Endes aber auch im Erleben jedes einzelnen Christen. Eine besondere Aktualität gewinnt das Thema in Deutschland durch die Ereignisse seit der Wiedervereinigung 1989/90, die zu einem interessanten Prozess der Anpassung zweier sehr verschiedener Konzepte des Miteinanders von Kirche und Staat aneinander führte, der allenfalls äußerlich abgeschlossen ist. Als Stichworte seien hier nur genannt die Frage der Militärseelsorge und die des konfessionellen Religionsunterrichtes an staatlichen Schulen. Die Angleichung an das in der alten Bundesrepublik etablierte Modell, die weitgehend – aber eben nicht vollständig – dem Vorbild der Politik folgte, stieß im Bereich der Kirchen in der ehemaligen DDR auf eine ausgeprägte und weiter als erwartet verbreitete Opposition, deren Widerspruch bis heute vernehmbar ist. Daneben tritt inzwischen – vermehrt seit dem Regierungswechsel 1998 – das Gefühl schwindender Einflussmöglichkeiten vor allem der protestantischen Kirchen auf die Politik im

Einleitung

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Allgemeinen, insbesondere aber auch, wenn kirchliche Anliegen zur Debatte stehen, sei es die sehr zögerlich geführte Auseinandersetzung um den Erhalt des Buß- und Bettages als eines arbeitsfreien Feiertages, sei es die neuerlich entbrandete Diskussion um die Sonntagsarbeit. Hier wie auch bei großen gesellschaftlichen Diskursen – z. B. um die Novellierung des § 218 oder um Einsatz und Grenzen der Verwendung von Gentechnik und Biotechnologie – scheint man beiden Kirchen immer weniger zugestehen zu wollen, an führender Stelle zum Meinungsbildungsprozess beizutragen. Dies und verbunden damit der seit Jahren anhaltende reale Verlust an Mitgliederzahlen und zuletzt auch an Finanzmitteln führen zu verstärktem Zweifel, ob das Verhältnis von Kirche und Staat so bleiben kann, wie es ist, und ob insbesondere die immer noch relativ starke Rolle der Kirche in der Öffentlichkeit erhalten bleiben wird. Die hier bewusst nur skizzierte Situation wirft wieder neu die Frage auf nach den Wurzeln des in der alten Bundesrepublik und inzwischen auch im wiedervereinigten Deutschland praktizierten Miteinanders von Kirche und Staat, nach der Neubestimmung des Verhältnisses von Theologie, persönlichem Glauben und Politik in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, in der unmittelbaren Nachkriegszeit und in der Aufbauzeit der 1950er Jahre. Hans-Peter Schwarz hat diese Jahre „jenen historischen Beschleunigungsphasen“ zugeordnet, „während derer sich in einem oder in zwei Jahren mehr verändert als sonst in Jahrzehnten“1. Der letzte der genannten Zeitabschnitte, die 1950er Jahre, unterlag in der historischen Betrachtung lange Zeit dem Verdikt, eine Zeit der Restauration gewesen zu sein, und zwar politisch, gesellschaftlich und kirchlich. Für den politischen und den gesellschaftlichen Bereich wurde diese einseitige Sicht schon längst in Zweifel gezogen2; die seriöse Diskussion hat sich hier mehr zum Paradigma „Modernisierung im Wiederaufbau“ hin verlagert3, und der Bezug, unter dem die 1950er Jahre betrachtet werden, entfernt sich von der rückwärts gewandten Fixierung auf die Bewältigung des Nationalsozialismus hin zu der nach vorn gerichteten Frage, inwieweit in diesen und den darauf folgenden Jahren das Fundament gelegt wurde für die moderne Bundesrepublik Deutschland4. Für den Bereich der kirchlichen Zeitgeschichte fehlt zum genannten Zeitraum immer noch eine übergreifende Darstellung, die den Vergleich mit den vorhandenen historischen Überblicken standhält, und auch in Bezug auf die 1

H.-P. SCHWARZ, Fragen, S. 33. Vgl. H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, bes. S. 375–417. 3 Vgl. den gleichnamigen Sammelband, hg. von A. Schildt u. A. Sywottek. 4 Vgl. P. NOLTE, Einführung. Anselm Doering-Manteuffel plädiert darüber hinaus für die Herauslösung der Zeitgeschichte „aus ihrer zeitlichen Verkrustung“, für eine übergreifende, „integrierte“ Betrachtung derselben: Es sei an der Zeit, „davon abzulassen, die Epochen des 20. Jahrhunderts als Blöcke zu denken und gegeneinander abzuschotten“ (DERS., Zeitgeschichte, bes. S. 620ff., Zitate: S. 620f.). 2

Einleitung

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Reflexion der Vielschichtigkeit und Verwobenheit historischer Prozesse hinkt die kirchliche Zeitgeschichte den Erkenntnissen der allgemeinen Geschichtswissenschaft, zu der sie doch „methodisch ganz und gar … gehört“5, hinterher. Der Kirchenkampf, die Nachkriegszeit und die 1950er Jahre werden zumeist isoliert betrachtet, das einzig verbindende Element, auf das hingewiesen wird, sind die aus der Zeit des Kirchenkampfes herrührenden Antagonismen, von denen die vorliegenden kirchengeschichtlichen Betrachtungen zur Nachkriegszeit nach wie vor zu einem großen Teil beherrscht werden. Auch hier wird von Restauration und Neubeginn gesprochen, aber man meint, diese Begriffe eindeutig kirchenpolitischen Richtungen zuordnen zu können. „Restauration“ oder „Tradition“ stehen hier synonym für die „Dibelius-Kirche“, für die konfessionell geprägten Lutheraner, „Aufbruch“ und „Neubeginn“ dagegen meinen in erster Linie die vom Kirchenkampf her dahlemitisch-barthianisch geprägte „Linke“ der Kirche6. Martin Greschat hat – bezogen auf die unmittelbare Nachkriegszeit bis 1949 – schon 1986 in der Abwehr solcher Gegenüberstellungen von einem „Modernisierungsschub“ in den unterschiedlichen Gruppierungen des deutschen Protestantismus gesprochen, der die Voraussetzungen geschaffen habe, „von eigenen Ansätzen her einen wirklichen Zugang zur Demokratie zu finden“7. Die Frage jedoch, ob sich dies schon in den 1950er Jahren auswirkte, ob es also schon in der „Adenauer-Ära“ in beiden evangelischen „Lagern“ erkennbare Anzeichen dafür gab, dass das Verständnis des Verhältnisses von Politik und Theologie, von politischem Engagement und persönlichem Glauben sich wandelte, ließ er offen. Der – sicher zu Recht – konstatierte Umbruch im Demokratieverständnis in den frühen 1960er Jahren wird auf den Generationenwechsel in leitenden Positionen von Kirche und Theologie sowie auf die Überzeugungskraft der nun etablierten und mit einem Wirtschaftsaufschwung ohne Beispiel verbundenen staatlichen Ordnung der Bundesrepublik zurückgeführt, erhält aber keine Anbindung an die vorhergehenden Jahre, die lediglich als Negativfolie erscheinen8. Einen ersten, lange vereinzelt gebliebenen Hinweis auf eine größere Vielschichtigkeit des angedeuteten Prozesses schon in den 1950er Jahren gab Frederic Spotts 1976, breiteren Raum in der Fachliteratur nimmt die Diskussion dieser These jedoch erst seit gut zehn Jahren ein9. 5

K. NOWAK, Wie theologisch ist die Kirchengeschichte?, Sp. 11. Vgl. C. VOLLNHALS, Kirchliche Zeitgeschichte, S. 181f.; T. SAUER, Geschichte, S. 300f. 7 Vgl. M. GRESCHAT, Neuanfang, Zitat: S. 178; ähnlich: M. KLEIN, Protestantismus, S. 468. 8 Vgl. etwa K. NOWAK, Evangelische Kirche in Deutschland, S. 267; CHR. HANKE, Deutschlandpolitik, S. 164ff. 9 Vgl. F. SPOTTS, Kirchen, S. 305f. Zur neueren Diskussion: CHR. KLESSMANN, Kontinuitäten, bes. S. 404; M. J. INACKER, Transzendenz, bes. S. 292–353; T. SAUER, Westorientierung; A. SCHILDT, Modernisierung, S. 32–36. 6

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Einleitung

Eine neue Untersuchung der Entwicklungen und Veränderungen, denen das Nachdenken über das angemessene Verhältnis von Theologie und Politik in dieser Zeit ausgesetzt war, erscheint um so vielversprechender, als es vielleicht jetzt, nach dem Ende der damals als alles beherrschend empfundenen Ost-West-Konfrontation, möglich ist, die unter diesen Vorzeichen vollzogene Neubestimmung vorurteilsfreier, sachlicher und neutraler zu analysieren als noch vor zwanzig Jahren. Der Blick hinter die schon damals und bis heute leider oft sehr grell und recht parteiisch beschriebenen Auseinandersetzungen der frühen Nachkriegszeit und der 1950er Jahre um die rechte Stellungnahme der Kirche zur politischen und gesellschaftlichen Grundorientierung der Bundesrepublik fällt jetzt leichter, nachdem klar geworden ist, dass es sich etwa bei der Wiederbewaffnung zwar um eine Entscheidung handelte, die langfristig den Primat der Westintegration vor der Wiedervereinigung festschrieb, letztere aber eben nicht endgültig von der Tagesordnung der Geschichte verabschiedete. Damit wird die Wichtigkeit dieser Grundentscheidungen und der innerkirchlichen Auseinandersetzung keineswegs relativiert, doch sollte es kirchengeschichtlicher Forschung jetzt und in Zukunft ein Anliegen sein, zunehmend hinter diese spektakulären Diskussionen zurückzufragen nach dem kirchlichen Alltag, nach den Bedingungen, unter denen die Träger auch der „großen“ Entscheidungen der Nachkriegszeit und der 1950er Jahre lebten und von denen sie beeinflusst waren. Von dort aus kann dann eine von ideologischem Ballast befreite Neubewertung der damals vollzogenen Entscheidungen erfolgen. Denn über dem oft beschriebenen kirchlichen Neuaufbau in der unmittelbaren Nachkriegszeit, der Gründung von EKD und VELKD und dem spannungsreichen Verhältnis der bruderrätlichen Ordnung zu ihnen, der 1949/50 noch längst nicht abgeschlossenen Leistung der großen Hilfswerke und dem Aufbranden der innerkirchlichen Auseinandersetzung um Westintegration, Wiederbewaffnung und Wiedervereinigung, um nur einige der „großen“ und vielfach behandelten Themen zu nennen, darf nicht vergessen werden, dass die in der Kirche damals Handelnden vor den gleichen vielfältigen und existenziellen Sorgen und Nöten standen wie fast alle ihre Landsleute. Auch ihr Überleben in Kriegszeiten war ja nicht besser gesichert gewesen als das vieler anderer, auch sie mussten sich nach Kriegsende in vielen Fällen buchstäblich „um das tägliche Brot“ für sich und ihre Familien kümmern und hatten oft ein zerstörtes Zuhause oder in einem verschont gebliebenen Heim zahlreiche Einquartierungen von Flüchtlingen, denen es noch schlechter ergangen war als ihnen. Aus der in der unmittelbaren Nachkriegszeit bereitwillig angenommenen, von den Besatzungsmächten akzeptierten und geförderten Orientierungsfunktion für weite Teile der Bevölkerung folgte schließlich für die evangelische Kirche, aber auch und gerade für die einzelnen Funktionsträger in ihr, eine besonders

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drängende eigene Suche nach (Neu-)Orientierung und Besinnung darauf, was man während des Nationalsozialismus und auch schon zuvor falsch gemacht hatte und dementsprechend jetzt ändern mußte. Wer als Kirchenleitung oder auch als einzelner Pfarrer bzw. (damals) einzelne Vikarin auf die Erwartung stieß und selbst den Anspruch hatte, Wegweisung zu geben und Probleme zu benennen, musste sich ja zunächst selbst über diese Zusammenhänge klar werden, musste vor sich selbst und vor Gott Rechenschaft ablegen über das Getane, und das trotz aller Not. Dem Großteil der Bevölkerung fiel die – angesichts der äußeren Umstände verständliche – Verdrängung des Gewesenen sicher um einiges leichter, und es mag angesichts der zu vollziehenden Aufbauleistungen volkspsychologisch sogar sinnvoll gewesen sein, den Blick zunächst nach vorn zu richten. Kirche und Theologie, und damit letztlich jedem einzelnen Theologen aber war – unabhängig davon, wie viele diesem Anspruch tatsächlich nachkamen – gerade in dieser Zeit auferlegt, ganz prinzipiell über das Verhältnis von Staat, Gesellschaft, Öffentlichkeit und Kirche nachzudenken, sich selbst zu fragen, wie sich die eigene Theologie, der persönliche Glauben in Beziehung setzt zur Gesellschaft, zur Sphäre des Politischen. Diesen Aspekt mit in den Blick zu nehmen, den Versuch zu unternehmen, das Wachsen einer neuen Einstellung zu dieser Thematik nachzuzeichnen, kann einer übergreifenden Darstellung kaum gelingen, da sie sich zwangsläufig eben doch an den „großen“ Themen orientieren muss und schon dadurch eine Überfülle an Stoff erhält. Daher wird in der vorliegenden Untersuchung die Methode einer biographisch orientierten Darstellung gewählt, die in den letzten zwanzig Jahren – wiederum zuerst in der allgemeinen Geschichtsschreibung – gegenüber einer ausschließlich an Strukturen interessierten Forschung an Reputation zurückgewann10 und in der Kirchengeschichte geradezu eine „Renaissance“ erlebt11 – nur noch nicht recht in der kirchlichen Zeitgeschichte: „Biographische Studien, die nicht nur die Lebensgeschichten von wichtigen Akteuren der evangelischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg nachzeichnen, sondern auch deren soziale und ideelle Herkunft untersuchen, sind nach wie vor ein Desiderat der Protestantismusforschung.“12 Bei der Auswahl der Person für ein derartiges Unterfangen waren einige Kriterien zu beachten: Es muss sich um eine Person handeln, anhand deren Lebensweges sich die Problematik auch wirklich aussagekräftig darstellen lässt, d. h., 10 Vgl. O. HÄHNER, Historische Biographik, S. 4–8; H. G. HOCKERTS, Zeitgeschichte, S. 117; E. WOLFRUM, Geschichte; A. GALLUS, Biographik. 11 K. NOWAK, Biographie, S. 45. 12 T. SAUER, Geschichte, S. 303. Auch bei Anerkennung der prinzipiellen Richtigkeit dieser Aussage sollte man auf Ausnahmen aufmerksam machen: Schon J. BENTLEY, Martin Niemöller, und jüngst z. B. auch P. NOSS, Martin Albertz, versuchten, dem geschilderten Anliegen gerecht zu werden.

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die betreffende Person muss in allen hier in Frage kommenden Zeitabschnitten (Zeit des Widerstands während der NS-Herrschaft, Zeit der [Neu-]Orientierung unmittelbar nach dem Krieg, Zeit des Wiederaufbaus bzw. der Konsolidierung in den 1950er Jahren) an einer Stelle gewirkt haben, deren Berücksichtigung für eine Erörterung der Thematik mindestens aufschlussreich ist. Dann sollte die betreffende Person eben nicht in vorderster Linie einer innerhalb des Spektrums der vertretenen Meinungen radikalen Position zu finden sein. Es ist zumindest zweifelhaft, ob die zahlreichen Anfeindungen, denen sich jemand in einer solchen Position in den scharfen Auseinandersetzungen der 1940er und 1950er Jahre ausgesetzt sah, eine konstruktive Auseinandersetzung mit anderen Positionen, ein prinzipielles Infragestellen der eigenen Gedanken gerade zur gewählten Thematik, überhaupt noch möglich machte. Und schließlich muss die betreffende Person die Entwicklungen der damaligen Zeit im besten Fall nachlesbar verfolgt haben, wofür eine breitere publizistische Tätigkeit des Betreffenden eine ideale Basis bietet. Sicher gibt es mehrere Persönlichkeiten, von denen die genannten Bedingungen mehr oder weniger alle erfüllt werden, so dass die Entscheidung für den Oldenburger Theologen und späteren Politiker Edo Osterloh zuletzt auch mit regionalgeschichtlichen Präferenzen und landsmannschaftlicher Verbundenheit des Verfassers zu erklären ist. Jedoch spiegelt sich in Osterlohs Leben besonders anschaulich die Spannweite, die eine Biographie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben konnte: Bauernkind, trotzdem Besuch der höheren Schule, Studium der Theologe, (illegale) Arbeit als Dozent an der Kirchlichen Hochschule (zusammen mit Theologen wie Asmussen, Gollwitzer und Niemöller), Soldat im Zweiten Weltkrieg mit abenteuerlicher Flucht aus russischer Gefangenschaft, Pfarrer und Oberkirchenrat in der Oldenburgischen Kirche (zeitgleich mit Kloppenburg, Stählin und Ehlers), theologischer Referent der Kirchenkanzlei, Ministerialbeamter in Bonn und zuletzt acht Jahre Kultusminister in Schleswig-Holstein. Ein fast geradliniger Weg – äußerlich gesehen – von einer bekenntniskirchlichen Theologie über die Kirchenpolitik hinein in die Parteipolitik auf Bundes- und Landesebene. Zugleich jedoch ein Weg von einem „Dahlemiten“, der die Beschlüsse dieser Synode konsequent mittrug und dafür des Öfteren einzustehen hatte, über einen Kirchenpolitiker, der in Oldenburg mithelfen wollte, überkommene Kirchenstrukturen mit Elementen der Bekennenden Kirche zu verknüpfen, zu einem lutherisch geprägten CDU-Politiker, der zu seiner Zeit hochgeachtet war, nach seinem frühen Tod aber dem die ganzen 1950er Jahre betreffenden Vergessen der späten 1960er und 1970er Jahre anheim fiel. An Osterlohs Weg, der in vielem quer zu denen der bekannteren Personen verlief, die auf dem rechten und dem linken Flügel in Kirche und Politik diese Zeit zu prägen scheinen, lässt sich verdeutlichen, warum die nach 1945 ein-

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setzende Neuordnung in Kirche und Politik im Großen und Ganzen nie die Chance hatte, so radikal zu werden, wie sich viele das versprochen hatten. Es kann gezeigt werden, wie Politik und Theologie/Kirche sich wechselseitig beeinflussten, ohne dass dies an bekannten Namen festzumachen wäre oder auch nur einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Besonders reizvoll an Osterlohs Biographie im Rahmen der zu behandelnden Thematik ist der 1953 erfolgte Wechsel in die Politik, zumal Osterloh auch hier den Bereichen verbunden blieb, die ihn schon in seinen kirchlichen Funktionen beschäftigten: Familien-, Schul- und Kulturpolitik. Dies führte dazu, dass er als Kultusminister in Schleswig-Holstein, also als Vertreter der Politik, maßgeblich an der Aushandlung des Staatskirchenvertrages mit den schleswig-holsteinischen evangelischen Kirchen beteiligt war. Nicht nur anhand dieser biographischen Pointe lassen sich einige dem Thema zuzuordnende Fragen, die den Einzelnen und dessen Verhältnisbestimmung von Glauben und Politik betreffen, anschaulich problematisieren, etwa inwieweit sich eine Existenz als Theologe in konkreter Politik spiegeln kann, darf oder soll, aber auch, von welcher theologischen Position her ein Eintritt in die Politik überhaupt möglich, und wenn ja, wann er sogar gefordert sein kann. Der bedeutendste Abschnitt von Osterlohs Biographie, auch und gerade unter dem Aspekt des Oberthemas, liegt in den Jahren nach 1945, in denen er in unterschiedlichen Funktionen die je verschiedenen Stadien der kirchlichen und staatlichen Neuordnung kritisch begleitet hat und zum Teil mitgestalten konnte. Die Jahre vor 1945 stellen eine durch die politischen Umstände verzögerte, aber gerade so sehr prägend gewordene „Vorbereitungszeit“ dar, die im Rahmen dieser Arbeit knapper behandelt werden kann. Vorgeschaltet vor die wichtigste Station dieser Jahre, Osterlohs Tätigkeit an der Kirchlichen Hochschule in Berlin mit dem Erleben einer kirchlichen Tätigkeit im Untergrund (Kap. 2), wird ein biographisch gehaltener Überblick über Kindheit, Jugend und Ausbildungszeit (Kap. 1). Eine Darstellung seiner Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg (Kap. 3) beschließt diesen Abschnitt über den Theologen Edo Osterloh13. Die unmittelbare Nachkriegszeit bis in die frühen 1950er Jahre hinein erlebt Osterloh schon nach kürzester Zeit als Theologe und Kirchenpolitiker. In diesem zweiten Abschnitt werden daher die Tätigkeiten Osterlohs als Oberkirchenrat in Oldenburg (Kap. 4) sowie als theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD in Hannover (Kap. 5) ausführlicher beschrieben. Hier fächert sich das 13 Die hier verwendeten Bezeichnungen „Theologe“, „Kirchenpolitiker“ und „Politiker“ sollen nur den beruflichen Schwerpunkt der Tätigkeit schlagwortartig beleuchten und nicht den Schluss erlauben, dass Osterloh nicht auch schon vor 1945 kirchenpolitisch denken und handeln konnte; ebenso blieb er nach 1945 natürlich zeitlebens Theologe.

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Spektrum der dem Oberthema dieser Arbeit zuzurechnenden Aspekte, zu denen Osterloh wesentliche Beiträge geleistet hat oder zu denen aus seinem Werdegang und der Entwicklung seiner Position wichtige Schlüsse gezogen werden können, so weit auf, dass nur eine an der Biographie orientierte Grobgliederung sinnvoll erscheint, in der die einzelnen Aspekte des Oberthemas an geeigneter Stelle eingefügt sind. Dabei wird immer auch Biographisches vermerkt, dies wird – wie auch die dem Oberthema dieser Arbeit nicht unterzuordnenden Arbeitsbereiche – aber entsprechend knapp behandelt. Der dritte Abschnitt über den Politiker Osterloh ist ebenfalls nach dem Muster des zweiten Abschnitts gegliedert und behandelt Osterlohs Zeit als Ministerialbeamter in Bonn (Kap. 6) und als Kultusminister in Schleswig-Holstein (Kap. 7). Beschlossen wird die Arbeit von einem die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassenden Abschnitt, ihre biographischen Elemente werden durch eine im Anhang beigefügte Bibliographie der Schriften Edo Osterlohs abgerundet. Schon die allgemeine historische und kirchengeschichtliche Forschung zu den diese Arbeit betreffenden Zeitabschnitten und Themen (Kirchenkampf, kirchliche Neuordnung in der Nachkriegszeit, theologisch-politische Auseinandersetzungen in den 1950er Jahren) ist inzwischen unüberschaubar. Dazu bedingt die weite Fächerung der Tätigkeiten Osterlohs im kirchlichen und politischen Raum das Einbeziehen politikwissenschaftlicher, juristischer bzw. kirchenrechtlicher, sozialgeschichtlicher sowie pädagogischer und religionspädagogischer Literatur, so dass eine Aufarbeitung innerhalb eines gesonderten Kapitels oder in diesem einleitenden Abschnitt auch nur ansatzweise undurchführbar ist. Thematisch ausgerichtete Forschungsüberblicke sind daher den betreffenden Kapiteln vorgeschaltet, aber auch dort werden nur neueste bzw. für den Zusammenhang dieser Arbeit besonders wichtige Werke eingehender behandelt. Für die Auseinandersetzung mit der übrigen Literatur sei auf die Fußnoten verwiesen. Ausführliche Darstellungen zu Edo Osterloh fehlen. Die biographische Literatur beschränkt sich bislang auf zwei Artikel in biographischen Lexika14, neben denen sich nur kurze, biogrammartige Notizen finden15. Die sonstige historische Beschäftigung mit Edo Osterloh konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte. Zum einen seine auch zeitgenössisch viel beachtete Rede „Wenn Christen politische Gegner sind“, gehalten auf dem Münchener Kirchentag 1959, die gern als Beispiel dafür genannt wird, dass im Rahmen des Deutschen Evangelischen Kirchentages auch in Zeiten scharfer politischer Konfrontationen zwischen 14

H. JACOBY, Art. „Osterloh, Edo“; M. WOLFES, Art. „Osterloh, Edo“. Vgl. DBE 7, S. 516; NDB 19, S. 618f. Charakteristisch für die zeitgeschichtliche Beschäftigung mit Osterloh ist der Umstand, dass nahezu alle Biogramme, die sich im Anhang wissenschaftlicher Literatur finden, fehlerhaft sind. 15

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CDU/CSU und SPD ganz andere, aufeinander eingehende Töne möglich waren16. Der andere Bereich, in dem Osterloh auch in der Forschung eine gewisse Rolle spielt, ist die in den letzten Jahren intensivierte Erforschung der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte auf landeskirchlicher Ebene. Hier kommt man für den Oldenburger Bereich an seinem vierjährigen Wirken als Oberkirchenrat natürlich nicht vorbei, zumal ein in seiner Zuständigkeit liegender Bereich, „Kirche und Schule“, zu den zentralen und zugleich umstrittensten Themen der damaligen Zeit gehörte. Zu nennen sind hier in erster Linie die Arbeiten Christian Simons17 sowie der betreffende Abschnitt in der Kirchengeschichte Oldenburgs18. Andere Literatur mit Hinweisen auf Osterloh oder längeren Texten von ihm ist in erster Linie dokumentarischer Art, zu nennen sind hier vor allem die Protokolle des Bundesvorstandes der CDU19 und Sebastian Müller-Rollis Überblick „Evangelische Schulpolitik in Deutschland 1918–1958“20; dasselbe gilt für die landesgeschichtliche bzw. -kirchengeschichtliche Literatur, die sich mit seinem Wirken in Schleswig-Holstein befasst, speziell mit seiner Beteiligung an den Verhandlungen über den Staatskirchenvertrag von 195721. In einzelnen Biographien und Autobiographien finden sich kurze Erwähnungen Osterlohs, die sich aber in aller Regel auf die bloße Tatsache seiner Tätigkeit an der Kirchlichen Hochschule beziehen22. Dies ist in den weitaus meisten Fällen auch der Grund für die Erwähnung Osterlohs in der übrigen wissenschaftlichen Literatur. Die Quellenlage zu Osterloh ist sehr disparat. Sehr gut dokumentiert ist sein Wirken in Oldenburg, Hannover und Kiel in den einschlägigen Archiven23, für 16 Diese Rede wurde aufgenommen in den Band: HÖREN – HANDELN – HOFFEN, S. 72–76, und findet Erwähnung in Richard von Weizsäckers Erinnerungen (Vier Zeiten, S. 161; der betreffende Abschnitt ist auch abgedruckt in: 50 JAHRE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, S. 289–292, hier: S. 290). In beiden Fällen geschieht dies jedoch ohne ein näheres Eingehen auf die Person Edo Osterloh. 17 CHR. SIMON, Kirchen, passim. Vgl. auch DERS., Schulpolitik ohne Schulkampf. 18 R. RITTNER, Die evangelische Kirche, geht besonders im Abschnitt „Schule und Kirche“ (S. 762–767) auf Osterloh ein. 19 ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“; ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN.“; ADENAUER: „STETIGKEIT IN DER POLITIK“. 20 Vgl. bes. S. 382f., 613f., 637–650. 21 Vgl. bes. K. JÜRGENSEN, Stunde, S. 145–160 u. S. 326–329; 30 JAHRE STAATSKIRCHENVERTRAG – 10 JAHRE EV.-LUTH. NORDELBISCHE KIRCHE, S. 9–37. 22 Ausnahmen sind die Autobiographien von O. DIBELIUS, Ein Christ, der sich über Osterlohs besondere Fähigkeiten und seinen Wechsel in den Staatsdienst äußert (S. 275f.), sowie W. STÄHLIN, Via Vitae, der bei der Beschreibung seiner eigenen Oldenburger Zeit auch auf Osterloh eingeht (S. 427–461). Gleiches gilt für A. MEIER, Hermann Ehlers, passim. In den Biographien über Kai-Uwe von Hassel (M. SPEICH, Kai-Uwe von Hassel) und Gerhard Schröder (T. OPPELLAND, Gerhard Schröder) spielt Osterlohs politisches Wirken in Schleswig-Holstein bzw. im Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU jeweils am Rande eine Rolle, wird aber nicht näher beleuchtet. 23 Für Oldenburg das Archiv des Evangelisch-lutherischen Oberkirchenrats (AELOKR OLDENBURG), dessen Bestände z. T. in das Niedersächsische Staatsarchiv, Abteilung Oldenburg überführt sind

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die Bonner Zeit als Ministerialbeamter wirkt sich seine nachgeordnete Stellung im Innenministerium nachteilig auf die Menge der erhaltenen Aktenstücke aus, die ersten turbulenteren Jahre des Familienministeriums sind im Bundesarchiv insgesamt nur bruchstückhaft dokumentiert24. Sehr wenig Archivmaterial findet sich verständlicherweise zu Osterlohs Zeit an der nach Auffassung der nationalsozialistischen Machthaber illegalen Kirchlichen Hochschule, das Wenige ist noch dazu sehr verstreut und oft nur zufällig zu entdecken25. Für die frühen Abschnitte seines Lebens kann nur auf wenige eigene Äußerungen Osterlohs zurückgegriffen werden, zum Beispiel auf von ihm verfasste Lebensläufe26 oder seinen besonders für die Studienzeit wertvollen Briefwechsel mit Rudolf Bultmann27. So bleibt für die Beschreibung des persönlichen Lebensweges Osterlohs in weiten Teilen nur die zum Glück noch bestehende Möglichkeit, auf die Aussagen von Zeitzeugen zurückzugreifen. Für diese „privaten“ Interviews wurde wie auch für diejenigen mit Persönlichkeiten außerhalb von Familie und Freundeskreis, von gelegentlichen einleitenden Fragen abgesehen, die Form des freien bzw. narrativen Interviews gewählt28. Da es darum ging, vierzig und zum Teil noch mehr Jahre Zurückliegendes zu erinnern, hätte sich jede andere Form29 als zu einengend verboten. Für die Nachzeichnung der Meinung Osterlohs zu den wichtigen Aspekten des Oberthemas stehen dagegen zahlreiche von ihm veröffentlichte Kommentare und Artikel zur Verfügung30. Für die Aussagen und Tätigkeiten Osterlohs, die zentrale Bedeutung für die Verknüpfung des biogra(NdsStA OLDENBURG). Für die Zeit in der Kirchenkanzlei in Hannover im Wesentlichen das Evangelische Zentralarchiv in Berlin (EZA BERLIN), für die Kieler Zeit das Landesarchiv Schleswig-Holstein (LASH SCHLESWIG) und das Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Augustin (ACDP ST. AUGUSTIN), das den offiziellen Nachlass Osterlohs besitzt. Dieser Nachlass (ACDP ST. AUGUSTIN, I-262) enthält überwiegend Material aus den Jahren nach 1956, kaum private Aufzeichnungen und entgegen der Kurzübersicht über die Bestände des Archivs auch keine Tagebücher (lediglich Taschenkalender mit Notizen zu Reden und Wahlkampfauftritten). 24 Vgl. BA KOBLENZ, B 106 (Innenministerium) bzw. B 153 (Ministerium für Familie und Jugend). 25 Interessante Funde ergaben sich im Kirchenkampfarchiv innerhalb des EZA BERLIN (Bestand 50) sowie im Nachlass Wilhelm Niesels (EZA BERLIN, 619). Vieles findet sich nur vereinzelt in privaten Nachlässen oder Briefwechseln. Auf die Sammlung von Belegen oder Akten wurde damals aus begreiflichen Gründen weitgehend verzichtet, das an Verwaltungsakten angelegte Minimum wurde durch eigene Vernichtung aus Gründen der Vorsicht weiter dezimiert (vgl. H. VOGEL, Stadium, S. 7). 26 Lebensläufe Osterlohs finden sich u. a. in seinem Nachlass (ACDP ST. AUGUSTIN, I-262/001). 27 UB TÜBINGEN, NL Rudolf Bultmann, Mn 2-1505. Erhalten sind 17 Briefe von Osterloh an Bultmann. Der erste datiert vom 7. 6. 1931, der letzte vom 21. 6. 1948. Die Briefe Bultmanns an Osterloh sind leider nicht auffindbar. 28 Vgl. R. GIRTLER, Methoden. 29 Zu den weiteren Formen strukturierter oder standardisierter Interviews vgl. J. FRIEDRICHS, Methoden, S. 189–224, bes. S. 207–224. Das hier gewählte freie Interview fiele bei Friedrichs in die Kategorie eines „Intensivinterviews“ (vgl. EBD., S. 224–236). 30 Siehe die Bibliographie im Anhang.

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phischen Ansatzes mit dem Oberthema haben, stehen somit genügend „sichere“ Quellen zur Verfügung. Die Risiken von Interviews – das Vergessen, Verdrängen und Verändern in der Erinnerung – sind hier also bewusst eingegangen, aber nur zur Aufhellung des biographischen Hintergrundes. Kernaussagen werden in keinem Fall davon berührt. Zuletzt sei nicht verschwiegen, dass es ein beabsichtigter Nebeneffekt dieser Arbeit ist, Person und Wirken Edo Osterlohs ein wenig aus dem verbreiteten Vergessen herauszuheben und in dem ihm zukommenden Maß – nach Gerhard Besier handelt es sich immerhin um einen der „führende[n] Köpfe des deutschen Protestantismus“ in der Nachkriegszeit31 – wieder bekannt zu machen.

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G. BESIER, Kirche, Politik und Gesellschaft, S. 37. Für eine nähere Beschäftigung Besiers mit Osterloh spricht seine an anderer Stelle vorgenommene Beschreibung von dessen im ACDP ST. AUGUSTIN gesammelten Nachlass als „allerdings mager“ (DERS., Geschichte, S. 262, Anm. 54).

1. Herkunft und Ausbildung

1.1 Elternhaus und Schulzeit Er lag auf der Pritsche des Pferdefuhrwerks seines Vaters, mit dem dieser sehr früh am Morgen das in der Nacht gebackene Brot ausfuhr, und sah in die Sterne. Dieses Kindheitserlebnis, in dem sich die Erfahrung der Mühe des Alltags mit dem Blick in eine weite Ferne verbindet, ist das früheste, an das sich Edo Osterloh in späteren Gesprächen mit seiner Frau zurückerinnern konnte1 – und man könnte es charakteristisch nennen für seinen Lebensweg, der ihn von seiner bäuerlichen Herkunft wegführte erst in theologisch-akademische, dann in hohe und höchste politische Kreise. Edo Osterloh wurde in ländliche und ausgesprochen „kleine“ Verhältnisse hineingeboren. Sein Vater, Johann Hinrich Osterloh2, hatte in Rotenhahn bei Varel in Oldenburg einen kleinen Bauernhof samt Ausschank und Schwarzbrotbäckerei von seinen Eltern (Heinrich und Anna Katharine, geb. Frerichs) übernommen, die zuvor eine Gastwirtschaft in Altjührden, einem etwas größeren Ort in der Nähe, betrieben hatten3. Johann Hinrich Osterloh heiratete am 26. Mai 1908 in Borgstede die aus einer Handwerkerfamilie stammende häusliche Gehilfin Anna Catharina Janssen aus Tange4. Ein knappes Jahr später wurde am 2. April 1909 Edo als ältester Sohn des Ehepaares geboren. Ihm folgten noch drei Schwestern (Helene 1911, Martha 1912, Adele 1913), bevor am 2. April 1920, also am elften Geburtstag des Ältesten, der zweite Sohn der Familie, Arnold, zur Welt kam5. Das Zusammenleben der Geschwister gestaltete sich nach Angaben der ältesten Schwester sehr harmonisch, Edo als der Älteste trug die damit verbundene Verantwortung gern und war ein lebhafter und fröhlicher Junge, der in 1 Diese Information verdanke ich wie alle anderen nicht gekennzeichneten Auskünfte in den Abschnitten 1.1 und 1.2 ausführlichen Gesprächen mit Gertrud Osterloh (5./6. 2. 1996). 2 Geb. am 6. 4. 1875 in Altjührden. 3 Rotenhahn besteht auch heute noch lediglich aus einer Reihe von Bauernhäusern, die etwa 5 km westlich von Varel entlang einer Straße auf einem kleinen Hügel liegen. – Der Osterloh-Hof wurde nach dem Tode Arnolds, des jüngsten Sohnes (s. u.), der ihn vom Vater übernommen hatte, bis auf eine Scheune abgerissen. Heute wohnt auf dem gleichen Grundstück eine der beiden Töchter Arnolds. 4 Heiratsurkunde: Standesamt Varel Land, Nr. 29/1908; Geburtsurkunde der Mutter: Standesamt Varel Land, Nr. 118/1881 (beide auch im Besitz von Gertrud Osterloh [Brief vom 26. 2. 1996]). 5 Auskunft Helene Kohlwes, Brief vom 3. 5. 1996.

Elternhaus und Schulzeit

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Rotenhahn und den umliegenden Orten viele Freunde hatte6. Die Erziehung im Elternhaus war von der Mutter bestimmt, die jeden Abend mit den Kindern betete und viel mit ihnen sang, während der Vater religiösen Gefühlen gegenüber eine eher skeptische Haltung einnahm7, den Kindern gegenüber strenger und im Ganzen eher verschlossen und in sich gekehrt war 8. Edo Osterloh wurde also nicht dezidiert religiös erzogen, auch wenn der sonntägliche Kirchgang selbstverständlich war. Vom Vater, über den seine Kinder später sagten, er sei nie ein richtiger Bauer gewesen, kam auch ein schwermütig-phantasievoller Zug in die Familie hinein. Nach dem Krieg erzählte er seinen Kindern oft von den riesigen Gehöften, die er in den Weiten Russlands gesehen habe. Auf solch einem Hof, so meinte er, würde es ihm Spaß machen Bauer zu sein. Der eigene Hof genügte wohl gerade, um die Familie zu ernähren. Während der Abwesenheit des Vaters im Ersten Weltkrieg hatte die Mutter Bäckerei und Ausschank nicht erhalten können; Ausgleich für die eingetretenen Verluste brachte zugepachtetes Land, das aber entsprechend Mehrarbeit bedeutete. So konnte die Mutter eine ihr vom Arzt empfohlene vierteljährige Arbeitspause zur Heilung ihrer offenen Beine nicht einhalten. Insgesamt war das Familienleben sehr von der schweren Hofarbeit geprägt, bei der Edo als ältester Sohn schon früh mithelfen musste. Die in den 1920er Jahren einsetzende Krise der Landwirtschaft, durch welche sich die allgemein bescheidene wirtschaftliche Lage im ländlich strukturierten Nordoldenburg verschärfte, traf damit auch die Osterlohs hart9. Der Schulbesuch Edo Osterlohs begann, wie für alle Kinder des Ortes, in der einklassigen Volksschule in Jeringhave, einem Nachbardorf Rotenhahns10. Er besuchte diese Schule von 1915 bis 1922. Ein rückblickender Bericht über seine Einschulung nach Ostern 1915 gibt Aufschluss auch über die wirtschaftliche Lage der Familie: „Einen Lederranzen hatte ich von meinem Vetter Georg geerbt […]. Tafel mit Wischlappen und Griffelkasten und Griffeln und die Fibel hatte ich schon zu Weihnachten bekommen.“11 An gleicher Stelle führte Osterloh aus, wieviel insbesondere seiner Mutter an einem guten Abschneiden des Sohnes lag: „Sie erwartete sehr viel von der Schule 6

Auskunft Helene Kohlwes, ebd. Auf die Ankündigung seines Sohnes, Theologie studieren zu wollen, reagierte er mit der Aussage: „Also, lügen, das hast du nicht nötig.“ 8 Auskunft Helene Kohlwes, Gespräch vom 29. 4. 1996. 9 Eine Sammlung zeitgenössischer Berichte findet sich bei K. SCHAAP, Oldenburgs Weg, S. 38–53. Die Lage im nahen Tossens beschreibt G. RAMSAUER, Kirche, bes. S. 32. 10 Die Volksschule Jeringhave wurde wenig später von Karl Prelle zu „einer Modellschule in der Landschulreform“ gemacht, indem er seine „innovative Unterrichtsgestaltung mit einer bekennenden christlichen Haltung von ausgeprägter Frömmigkeit“ verband (H. SCHIRMER, Volksschullehrer, S. 264f.). 11 E. OSTERLOH, ABC-Schützen [1948]. 7

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Herkunft und Ausbildung

für ihre Kinder. Die Schule war ihr der Maßstab für ihre Erziehungsarbeit an uns.“12 Er sollte diese Erwartungshaltung nicht enttäuschen: Turnen und Singen lagen ihm gar nicht, ansonsten muss er aber ein auffallender, nachdenklicher Schüler gewesen sein, da einer seiner Lehrer seinem Vater empfahl, ihn doch bei der höheren Schule in Varel anzumelden13. Osterloh erzählte später, dass er aber trotzdem nicht angemeldet worden wäre, wenn nicht zufällig am gleichen Tag – am 19. April 192214 – sein Vater nach Varel gemusst hätte, um dort ein Schwein zu verkaufen. An der damaligen Oberrealschule, dem jetzigen Lothar Meyer-Gymnasium in Varel, bekam Edo Osterloh zunächst mit vier weiteren Schülern als Aufbauschüler Sonderunterricht erteilt, v. a. in den Sprachen, aber auch in Mathematik. Dieser Aufbauunterricht wurde dort seit kurzem erprobt und sollte der Förderung schwächerer Schüler dienen bzw. solchen wie Edo Osterloh, der von einer nicht-weiterführenden Schule kam, den Anschluss an den Wissensstand der anderen Schüler ermöglichen15. Den sechs Kilometer weiten Schulweg legte er in der Regel zusammen mit einem Mitschüler mit dem Fahrrad zurück, wenn das nicht möglich war, zu Fuß16. Offenbar fügte Osterloh sich in die neue Schule und das damit verbundene soziale Umfeld sehr bald ein. Mitschüler schildern ihn als gleichmäßig begabt in allen Fächern – bis auf Sport17. Näheren Kontakt hatte er zu seinem Lehrer Hermann Thyen, in dessen Haus er zeitweise übernachtete und für dessen Sohn Hartwig seine Schwester Adele später als Kindermädchen angestellt wurde18. Aber auch zu anderen Lehrern entwickelte er ein gutes Verhältnis, namentlich zu seinem Lateinlehrer Heinrich Schütte19. Im Sommer 1924 musste Edo Osterloh trotzdem die Schule verlassen. Für das ganze erste Drittel der Untersekunda erhielt er zum Michaelis-Zeugnister12

EBD. Nach Auskunft seiner Schwester Helene war dies ein Junglehrer namens Hörmann, der zu dieser Zeit dem seit 25 Jahren in Jeringhave unterrichtenden Lehrer Munderloh an die Seite gestellt war (Brief vom 3. 5. 1996; zu Munderloh vgl. E. OSTERLOH, ABC-Schützen [1948]; EDO OSTERLOH: BERUFUNG NACH KIEL). 14 Auf diesen Tag ist die Eintragung in die Stammliste der damaligen „Städtischen Oberrealschule zu Varel i. O.“ datiert (Nr. 1279; heute im Archiv des Lothar Meyer-Gymnasiums, Varel). 15 Auskunft Marie Bayer, Gespräch am 19. 5. 1996. 16 Auskunft Erich Weingardt, Brief vom 19. 7. 1996. 17 Auskünfte Marie Bayer, Gespräch am 19. 5. 1996, und Erich Weingardt, Brief vom 19. 7. 1996. Aber auch in diesem Fach reichte es in allen sechs Oberschuljahren immer mindestens zu einer befriedigenden Note (s. Stammliste Nr. 1279 [vgl. oben Anm. 14]). 18 Hermann Thyen (1897–1976) unterrichtete von 1923–1935 Mathematik, Biologie, Chemie und Physik an der Oberrealschule in Varel (Auskünfte Hartwig Thyen, Brief vom 2. 3. 1996). 19 Auskunft Rüdiger Schmidt, Gespräch am 18. 1. 1998. 13

Elternhaus und Schulzeit

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min keine Noten20. Sein Vater war schwer erkrankt, und er musste ihn auf dem Hof vertreten. Seinen eigenen Schilderungen zufolge hat ihm dieser erneute Milieuwechsel schwer zugesetzt, auch wenn er die ihm zufallenden Aufgaben ohne Widerspruch auf sich nahm. Als im Herbst des Jahres zwei seiner Lehrer, darunter Hermann Thyen, auf dem Hof erschienen, um seinen Vater zu überreden, ihn erneut zur Schule zu schicken, versteckte Edo Osterloh sich auf dem Heuboden der Scheune, weil er Angst bekam. Nicht etwa Angst vor dem erneuten Besuch der Schule, wohl aber davor, nach einiger Zeit eventuell wieder auf den elterlichen Hof zurückkehren zu müssen21 und so wieder hin- und hergerissen zu werden. In späteren Gesprächen erinnerte er sich voller Dankbarkeit jener Lehrer, die ihm mit diesem fürsorglichen Verhalten erst die Chance gaben, dem bäuerlichen Milieu zu entwachsen und mit Abitur und anschließendem Studium eine Laufbahn einzuschlagen, die ihm gewiss nicht in die Wiege gelegt war. Den weiteren Schulbesuch konnte Osterloh reibungslos absolvieren. Schon mit Abschluss der Untersekunda zu Ostern 1925 entwickelte er sich zum Klassenprimus, der er bis zum Schulabschluss bleiben sollte22. Zu seinen Mitschülern – an seiner Schule wurde bereits koedukativ unterrichtet23 – hatte er relativ wenig Kontakt. Er wirkte auf sie verschlossen und eigenbrötlerisch, hatte nicht viele enge Freunde und erzählte kaum etwas über sich. Sein Hobby war die Philosophie24. Am 27. Februar 1928 erhielt Osterloh als Jahrgangsbester seiner Schule sein Reifezeugnis, in dem er in allen Fächern mit „sehr gut“ oder „gut“ benotet wurde, so dass ihm als Auszeichnung dafür die mündliche Prüfung erlassen wurde25. Thema seines Abituraufsatzes war: „Persönliche Freiheit und ihre Bedeutung für mein späteres Leben“. 28 Jahre danach – Osterloh sprach im Rahmen der Hundertjahrfeier der Stadt Varel am 11. Mai 1956 in der Aula der Oberschule zum Thema „Der geistige Auftrag Deutschlands in unserer Gegenwart“26 – zitierte Albert Gloy, sein Klassenlehrer der letzten drei Schul20

Vgl. Stammliste, Nr. 1279 (vgl. oben Anm. 14). Bis später klar wurde, dass sein jüngerer Bruder den Hof übernehmen würde, war letztlich er derjenige, der im Falle eines Falles die Hofarbeit leisten und die Familie ernähren musste. 1958 erzählte Osterloh rückblickend: „Ich tat die Bauernarbeit und ich traue mir noch heute zu, sowohl als Knecht auf einem Bauernhof zu arbeiten, als auch die Verwaltung eines Hofes zu übernehmen. Aber ich tat das alles ohne die rechte Freude. Ich hatte mich damit abgefunden, nun Bauer zu bleiben“ (EDO OSTERLOH: BERUFUNG NACH KIEL). 22 Vgl. Stammliste, Nr. 1279 (vgl. oben Anm. 14). 23 Auskunft Marie Bayer, Gespräch am 19. 5. 1996. Hermann Thyen schrieb damals an seiner Dissertation zum Thema: „Über Geschlechtsunterschiede der intellektuellen Leistungsfähigkeit auf Grund statistischer Erhebungen an höheren Koedukationsschulen“ (Langensalza 1929). 24 Auskünfte Marie Bayer, Gespräch am 19. 5. 1996, und Erich Weingardt, Brief vom 19. 7. 1996. 25 Reifezeugnis Osterlohs vom 27. 2. 1928 (Archiv Lothar Meyer-Gymnasium, Varel). 26 Ein Ankündigungsplakat für diesen Vortrag findet sich in ACDP ST. AUGUSTIN, I-262/005. 21

Herkunft und Ausbildung

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jahre27, in einem Zeitungsartikel die wohl zentralen Sätze aus diesem Abituraufsatz: „Ich glaube, daß das ununterbrochene Streben nach dem Zustand der persönlichen Freiheit meinen inneren Reifungsprozeß ausmacht. Ich erwarte von ihr die notwendige Unerschütterlichkeit und Selbständigkeit gegenüber jeder Lebenslage, die es mir ermöglichen, das im Bewußtsein der innigsten Verbindung mit dem All und der Unwiderrufbarkeit meiner Handlungen Beschlossene unerschrocken und unbeirrbar durchzuführen. Aus dieser bestimmten Hoffnung heraus halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß ich nach einem noch zu durchlaufenden Reifungsvorgang es als eins meiner höchsten Lebensziele ansehen werde, anderen Menschen diese persönliche Freiheit als etwas Erlösendes durch mein Wirken näher zu bringen.“28

Einer seiner Lehrer, vermutlich Hermann Thyen oder Albert Gloy, schlug ihn im Anschluss als Stipendiaten für die Studienstiftung des Deutschen Volkes vor, die ihn auch in ihre Förderung aufnahm29. Auch der Schritt in die akademische Ausbildung wurde Osterloh somit – unbeschadet seiner Intelligenz und seiner guten Noten – letztlich erst durch die Fürsprache seiner Lehrer ermöglicht, denn es wäre ihm und seiner Familie sicher unmöglich gewesen, ein Hochschulstudium allein zu finanzieren. Zwischen Schul- und Studienzeit fiel das für Studienstiftler damals obligatorische sog. Werksemester, das Osterloh bei der I. G. Farben in Leverkusen ableistete. Später sprach er anlässlich einer Landtagsdebatte davon, dass diese und die weiteren Zeiten als Werkstudent30 ihm ein gutes Gewissen gegeben hätten angesichts der Tatsache, dass sein Staatsstipendium auch von Handarbeitern mit

27

Vgl. Reifezeugnis Osterlohs vom 27. 2. 1928 (Archiv Lothar Meyer-Gymnasium, Varel). Der Abituraufsatz selbst ist im heutigen Lothar Meyer-Gymnasium nicht erhalten (Auskunft Oberstudiendirektor Zulauf, 19. 7. 1999). Das Zitat findet sich in einem ohne Angabe des Fundortes archivierten Artikel („Streben nach der persönlichen Freiheit“ ) im Nachlass Osterlohs (ACDP ST. AUGUSTIN, I-262/006). 29 Leider sind die Unterlagen der Studienstiftung über ihre Stipendiaten aus dieser Zeit im Zweiten Weltkrieg in Dresden vollständig vernichtet worden (Brief Marius Böger, Studienstiftung, vom 7. 11. 1997). 30 In einem am 7. 3. 1952 verfassten Lebenslauf (ACDP ST. AUGUSTIN I-262/001) erwähnt Osterloh als weitere Tätigkeiten während seiner Studienzeit eine dreimonatige Zeit als Erziehungsgehilfe in Freistadt bei Sulingen, eine Assistentur von zwei Monaten an der Apologetischen Centrale in BerlinSpandau, wobei er die Beschäftigung mit der Gottlosenbewegung hervorhebt (vgl. zur Arbeit der Apologetischen Centrale: M. PÖHLMANN, Kampf; zur Anfang der 1930er Jahre verstärkten Bekämpfung der Gottlosenbewegung, bes. EBD., S. 176–183), sowie die neunmonatige Mitarbeit am Hebräischen Lexikon bei Ludwig Köhler (vgl. unten S. 31). Osterloh hatte somit als Stipendiat und mit einigen Ferienjobs ausgestattet weniger unter der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage der Studenten seit Mitte der 1920er Jahre (vgl. dazu C. H. MEISIEK, Theologiestudium, S. 63, im Anschluss an M. H. KATER, Studenten, S. 28) zu leiden. 28

Studium und Assistentur

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aufgebracht worden sei31. Seiner Frau gegenüber nannte er diese erste Arbeit bei der I. G. Farben die schwerste, die man sich denken könne, da es sich eben um Schwerstarbeit handelte, die noch dazu im Schichtdienst geleistet werden musste.

1.2 Studium und Assistentur Zum Sommer 1929 nahm Edo Osterloh in Bethel das Studium der Theologie auf. Schon bei seiner Austragung aus der Stammliste der Oberrealschule Varel am 27. Februar 1928 war dies als sein Ziel vermerkt worden32. Ausschlaggebend für diese Wahl war wohl sein Wille, einen Beruf zu ergreifen, in dem zu arbeiten sich „lohnt“ in dem Sinn, dass man in ihm an das innere Erleben der Menschen herankommt, an die Dinge, die ihnen wirklich wichtig sind, die ihnen eine Orientierung für ihr Leben geben. Neben seiner zwar zurückhaltenden, aber keineswegs negativen religiösen Sozialisation, wird dabei die seit Beginn seiner Oberschulzeit intensive Beschäftigung mit philosophischen Fragestellungen wegweisend gewesen sein, die unterstützt wurde durch den engen Kontakt zu seinen Lehrern, vor allem zu Hermann Thyen. Daneben gab es aber auch noch eine besondere Beziehung zu dem Heimatschriftsteller Veit Bürkle, der mit Martha Bischoff, einer Cousine aus dem nicht-bäuerlichen Teil seiner Familie, verheiratet war. Über ihn, den er z. B. auch in den wenigen Urlaubstagen im Zweiten Weltkrieg zu besuchen nicht versäumte, sagte er später zu seiner Frau: „Der erwartet sehr viel von mir, der erwartet von mir auch viel für die Kirche.“ Er dürfte gerade mit ihm auch den Entschluß, Theologie zu studieren, intensiv besprochen haben. In Bethel, wo er nur ein Jahr blieb, holte Edo Osterloh die ihm noch fehlenden alten Sprachen Griechisch und Hebräisch nach, beeindruckt haben ihn dort besonders die Dozenten Wilhelm Brandt und Robert Frick. Von der Studentenschaft wurde er zum Senior gewählt, wobei eine Eigenschaft Osterlohs zum Tragen kam, die ihn auch später in ähnlichen Situationen auszeichnete: er konnte sich ohne größere Vorbereitung rasch und mit einer sehr lebendigen Sprache vor einem Auditorium jedweder Größe äußern und mit seinem Temperament seine Zuhörer begeistern und mitziehen. Auf einem von der Theologischen Schule organisierten Ausflug lernte Osterloh seine spätere erste Ehefrau, Anneliese Hübner, kennen. Ein Jahr jünger als er, entstammte sie als ältestes von sieben Kindern einer Pfarrersfamilie und hat31 32

Vgl. Schl.-Holst. Landtag, 3. Wahlperiode, Stenographische Berichte, S. 3124. Vgl. Stammliste, Nr. 1279 (vgl. oben Anm. 14).

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Herkunft und Ausbildung

te ebenfalls in diesem Semester das Studium der Theologie aufgenommen, das sie mit dem Staatsexamen beenden wollte. Ihrer Freundin Gertrud Wilmanns, gleichaltrig und ihr schon aus Wuppertaler Kindertagen bekannt, die mit ihr gemeinsam auf das gleiche Ziel hin studierte, vertraute sie schon in einem sehr frühen Stadium ihre Beziehung zu Edo Osterloh an33. Gertrud Wilmanns sollte nach Annelieses frühem Tod Edo Osterlohs zweite Frau werden. Der Entschluss, nach einem Jahr zum Sommersemester 1930 nach Marburg zu wechseln, hing wesentlich mit dem dort lehrenden, aus einer Oldenburger Pfarrerfamilie stammenden Rudolf Bultmann zusammen. Von seinem Freund Rudolf Meyer, der schon ein Semester früher dorthin gegangen war, erfuhr Osterloh, bei Bultmann seien seine dem Freund bekannten Probleme mit der Übersetzbarkeit und Verstehbarkeit der Bibel und der Vermittelbarkeit der kirchlichen Anliegen aufgenommen und verarbeitet. In Marburg verbrachte Osterloh zunächst nur zwei Semester 34 und belegte in dieser Zeit bei Bultmann35, Hans von Soden und Heinrich Schlier allein sieben Vorlesungen und Seminare im Bereich Neues Testament. Daneben besuchte er nur noch insgesamt drei Veranstaltungen aus den Gebieten Kirchengeschichte und Altes Testament, jedoch zusätzlich vier philosophische, u. a. bei Hans-Georg Gadamer und Karl Löwith. In diesen beiden Marburger Semestern entwickelte Osterloh sich zu einem Schüler Bultmanns, mit dem er auch persönlich in engere Verbindung trat, die sich nach seinem Weggang von Marburg in einem längeren Briefwechsel fortsetzte36. Hier spätestens muss Osterloh auch seine Vorliebe für das Alte Testament entdeckt haben, denn für die nächsten beiden Semester wechselte er nach Zürich, um dort im ersten halben Jahr fast nur die alttestamentlichen Veranstaltungen von Ludwig Köhler zu besuchen: „Was ich sonst an wissenschaftlicher Arbeit treibe, dient grundsätzlich nur dazu, die andern Disciplinen gänzlich vor der Versenkung zu retten.“37 Auch privat konnte er Kontakt zu Köhler knüpfen und

33 Nach Auskunft von Gertrud Osterloh sei es wohl der von Beginn an selbstverständliche Umgang miteinander gewesen, der sie ihm nach dem Tod seiner ersten Frau so vertraut gemacht habe. 34 Seine Exmatrikulation erfolgte am 20. 4. 1931 (HessStA MARBURG, 305a, Acc. 1959/09, Nr. 805; vgl. zu den belegten Veranstaltungen EBD., Acc. 1963/13, Nr. 100, Nr. 105). 35 Sein erstes Hauptseminar bei Bultmann (Thema: Neutestamentliche Grundbegriffe) belegte er im Wintersemester 1930/31 (vgl. B. JASPERT, Exegese, S. 67–71). 36 UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505. 37 Brief Osterlohs an Bultmann, 7. 6. 1931 (EBD.). Immatrikuliert wurde Osterloh in Zürich am 27. 4. 1931; im Sommersemester 1931 belegte er bei Ludwig Köhler ein Seminar über Jesaja und eine Veranstaltung über „Land und Leute der Bibel“, daneben ein Homiletisches Seminar bei Emil Brunner (alle Angaben UA ZÜRICH, Auskunft G. A. Nogler, Brief vom 10. 8. 1998). Zusätzlich besuchte er mit zwei Kommilitonen eine zweistündige Arbeitsgemeinschaft bei Ludwig Köhler über Leviticus und beschäftigte sich auch privat intensiv mit dem Alten Testament (Brief Osterlohs an Bultmann [UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505]).

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wohnte zeitweise in dessen Haus38. Seine Mitarbeit an dessen hebräischem Wörterbuch39 ermöglichte den Verbleib in Zürich, wo Stipendiaten ein zweisemestriger Aufenthalt nur dann gestattet war, wenn sie auch in den Semesterferien am Studienort blieben40. Im zweiten Zürcher Semester vertiefte Osterloh seine Studien bei Köhler noch durch die Teilnahme an dessen fünfstündigem Kolleg „Einleitung in das Alte Testament“41 und an seinem Homiletischen Seminar, belegte aber daneben auch mehrere Veranstaltungen anderer Disziplinen42, wobei er sich besonders intensiv und kritisch mit Emil Brunners Ethik auseinandersetzte43. Nach Ablauf seiner beiden Zürcher Semester 44 im Frühjahr 1932 wollte Osterloh von den ihm noch verbleibenden drei Studiensemestern nochmals zwei in Marburg verbringen, wurde aber vom Oberkirchenrat in Oldenburg darauf hingewiesen, dass er seine künftige Tätigkeit in einer lutherisch geprägten Umgebung ausüben werde und es daher ratsam sei, die Zeit bis zum Studienende an der Göttinger Fakultät zu verbringen45. So musste er sich mit dem Sommersemester 1932 in Marburg begnügen, nach dessen Ende er bei Rudolf Bultmann eine Seminararbeit über den „Begriff der Liebe im Johannesevangelium und in den Johannes-Briefen“ schrieb46. Der – zu diesem frühen Zeitpunkt ungeliebte – Wechsel nach Göttingen sollte Osterloh zu einer ersten Zäsur in seiner „theologischen Existenz“ bringen, 38

Brief Osterlohs an Bultmann, 24./27. 10. 1931 (EBD.). LEXICON IN VETERIS TESTAMENTI LIBROS, edidit Ludwig Köhler et Walter Baumgartner, Leiden 1953. Das Lexikon, für dessen überwiegenden hebräischen Teil Köhler zuständig war, erschien zwar erst 1953, entstand aber „in rund vierzigjähriger Arbeit, Stück um Stück, Schritt um Schritt“ (Vorwort, S. IX). 40 Vgl. Brief Osterlohs an Bultmann, 7. 6. 1931 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). Einen Teil dieser Semesterferien verbrachte er im Kanton Wallis „als Teilnehmer an einer studentischen Arbeitskolonie“ (Brief Osterlohs an Bultmann, 24./27. 10. 1931 [EBD.]). 41 Vgl. Brief Osterlohs an Bultmann, 24./27. 10. 1931 (EBD.); UA ZÜRICH, Auskunft G. A. Nogler, Brief vom 10. 8. 1998. 42 Die Ethik-Vorlesung Emil Brunners, ein systematisches Seminar über Kierkegaard und Blumhardt und eine Psychologie-Vorlesung bei Eberhard Griesebach. Vgl. UA ZÜRICH, ebd. 43 „In einer Arbeitsgemeinschaft von 4 Marburger Studenten behandeln wir mit Brunner zusammen das Manuskript seiner im Frühjahr erscheinenden Ethik. Es ist uns dabei immerhin schon an einigen Punkten gelungen, Brunner zu klareren und präziseren Formulierungen zu zwingen“ (Brief Osterlohs an Bultmann, 24./27. 10. 1931 [UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505]). Gemeint ist: E. BRUNNER, Das Gebot und die Ordnungen, Zürich 1932. 44 Die Exmatrikulation in Zürich erfolgte am 25. 2. 1932 (UA ZÜRICH, Auskunft G. A. Nogler, Brief vom 10. 8. 1998). 45 Vgl. Brief Osterlohs an Bultmann, 24./27. 10. 1931 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 46 Osterloh hatte am Seminar „Synoptische Probleme“ teilgenommen (vgl. B. JASPERT, Exegese, S. 75–78) und schickte Bultmann die Arbeit am 12. 9. 1932 mit der Bitte um Einsendung eines entsprechenden Zeugnisses an den Oberkirchenrat in Oldenburg. Schon am 4. 10. 1932 bedankte er sich in einem weiteren Brief an Bultmann für die Korrektur und die Ausstellung des Zeugnisses (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 39

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Herkunft und Ausbildung

denn er führte ihn 1932/33, im Jahr des ungebremsten Siegeszuges der „Deutschen Christen“47, ausgerechnet an die Fakultät, an der mit Emanuel Hirsch der führende theologische Repräsentant dieser von den Nationalsozialisten massiv unterstützten kirchenpolitischen Bewegung entscheidenden Einfluß besaß48. Osterloh hatte während des rapiden Anwachsens nationalsozialistischer Gesinnung unter den deutschen Studenten in den Jahren 1931/3249 einen Großteil der Zeit in der Schweiz und im relativ geschlossenen Kreis der Bultmann-Schüler in Marburg verbracht und im Frühsommer 1932 auf einer Fachschaftsleitertagung in Schmalkalden sogar noch für den aus nationalen und völkischen Kreisen stark angegriffenen Günther Dehn Partei ergriffen50. Doch in Göttingen berührte ihn dieses Phänomen, verstärkt noch durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und die seit dem Frühjahr im Zuge der Diskussion um die Bildung einer evangelischen Reichskirche einsetzende Propaganda der „Deutschen Christen“, um so stärker 51 – und er hatte ihm theologisch (noch) nicht genug entgegenzusetzen. Vermutlich beeindruckte ihn wie viele andere der volksmissionarische Impetus, den die „Deutschen Christen“ für sich reklamierten, der immer wieder behauptete Willen, die Entfremdung zwischen Amtskirche und Kirchenvolk bekämpfen zu wollen52. Eine ähnliche Motivation 47

Vgl. K. SCHOLDER, Kirchen, Bd. 1, S. 239–274, 397–406, 562–570; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 1, S. 56–76, 85–90, 109–116; DERS., Die Deutschen Christen, bes. S. 10–37. 48 Über Hirschs Einstellung zu dieser Zeit gibt Aufschluss seine Broschüre „Das kirchliche Wollen der Deutschen Christen“, Berlin 1933. Zur Art seiner Einflussnahme in Göttingen schrieb er selbst in einem Brief vom 26. 4. 1933 an den Rektor der Universität: „Ich habe in der Öffentlichkeit in und außerhalb Göttingens als Kämpfer für eine vorbehaltlose Anerkennung der rassischen Grundgesetze eine markante Stellung eingenommen, auch als Helfer nationalsozialistischer Erziehung und Bildung unter den Studenten mich exponiert gestellt“ (zit. in: M. WOLFES, Theologie, S. 382f., hier: S. 383). Vgl. zu seiner beherrschenden Stellung in Göttingen auch: R. P. ERICKSEN, Emanuel Hirsch; W. TRILLHAAS, Emanuel Hirsch; H.-W. KRUMWIEDE, Theologie, bes. S. 167–175. – Schon 1931 betrug in Göttingen der Anteil der Theologiestudenten im „Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund“ (NSDStB) fast 28%, während ihr Anteil an der Gesamtzahl der Studierenden bei lediglich 8,7% lag (vgl. C. H. MEISIEK, Theologiestudium, S. 67). 49 Vgl. M. H. KATER, Studenten, 33; C. H. MEISIEK, Theologiestudium, S. 64–73. 50 Vgl. G. DEHN, Zeit, S. 284. 51 Seine Begeisterung für die Nationalsozialisten in dieser Zeit dürfte sich wie bei so vielen auch aus der Hoffnung gespeist haben, diese würden die – im Nordoldenburgischen besonders schlechte – wirtschaftliche Lage (vgl. oben S. 25, Anm. 9) wirksam verbessern können. Osterloh hatte diese Not gerade im Sommer 1932 während eines längeren Aufenthalts zu Hause zu spüren bekommen (Brief an Bultmann, 12. 9. 1932, geschrieben in Rotenhahn [UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505]). Zur zum Teil wahlentscheidenden Rolle der den Nationalsozialisten zugebilligten Kompetenz in der Wirtschaftspolitik vgl. W. ABELSHAUSER, Kriegswirtschaft, S. 505–512. 52 Auskunft G. Osterloh, Gespräch am 5. 2. 1996. Eine solche Annahme hat für sich, dass auf theologischem Gebiet bei seiner Hinwendung zur Theologie Bultmanns eine sehr ähnliche Motivation ausschlaggebend war (vgl. oben S. 30). – Zur Attraktivität der „Deutschen Christen“ in dieser Hinsicht vgl. N. SLENCZKA, ‚Ende der Neuzeit‘; S. HERMLE, Aufstieg.

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trieb auch seinen ihm damals sicher schon bekannten späteren Mentor Heinz Kloppenburg53 dazu, sich entsprechend zu engagieren54. Osterloh begann, in Göttingen Propaganda im Sinne der „Deutschen Christen“ zu betreiben, und er wurde innerhalb kurzer Zeit Führer von deren Göttinger Hochschulgruppe55, der im Sommersemester 1933 mehr als die Hälfte aller Göttinger Theologiestudenten angehörten56. Er setzte sich im Namen der Göttinger Studentenschaft bei August Marahrens für Ludwig Müller als Reichsbischof ein57 und warb in Göttingen und Umgebung für sie in der kurzen Zeit des Wahlkampfes vor den Kirchenwahlen vom 23. Juli 193358. Außerdem trat er in die NSDAP und in die SA ein. Hervorgehoben werden muss, dass Osterloh sich schon relativ früh von dieser Haltung löste, bereits vor dem Sportpalastskandal, der Anfang November 1933 die wahren Absichten der „Deutschen Christen“ auch breiten Kreisen innerhalb der evangelischen Kirche offenbarte. Zupass kam ihm die aufgrund seines Examens erfolgte räumliche und geistige Trennung vom Göttinger Umfeld. Am 12. Dezember 1933 schrieb er rückblickend an Bultmann: „Ich habe mich in dem Irrtum befunden, innerhalb der Organisation der ‚Glaubensbewegung‘ für die ‚Freiheit eines Christenmenschen‘ kämpfen zu können. Von dieser Illusion bin ich restlos und endgültig durch die faktischen Erfahrungen und durch mein Lutherstudium befreit worden. Mein Examen hat mir geholfen, zunächst einmal äußerlich den Bruch mit Göttingen zu vollziehen […] und mich dann auch innerlich aus einer Situation herauszulösen, in der ich nicht mehr zu eindeutiger Klarheit durchstoßen konnte. Ich will mich durch den Hinweis auf die ‚theologische‘ und ‚menschliche‘ ‚Luft‘ Göttingens nicht vor der Anerkennung meiner persönlichen Schuld und Unzulänglichkeit drücken [...].“59 53 Kloppenburg hatte schon 1933 großen Einfluß auf Gemeinden, Pfarrerschaft und Landeskirche (vgl. H. HARMS, Geschichte I, S. 79). 54 Vgl. EBD., S. 78ff. Kloppenburgs Auftreten auf der ersten Reichstagung der „Deutschen Christen“ im April 1933 in Berlin ist dokumentiert in: „VOLK UND KIRCHE“, S. 37 (vgl. auch: R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 704, 706, wo ein Bericht Kloppenburgs über diese Tagung in der „Wilhelmshavener Zeitung“ vom 8. 4. 1933 in Auszügen wiedergegeben wird). Kloppenburgs Ausschluss aus der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ erfolgte allerdings schon im Juni 1933 wegen seines Eintretens für von Bodelschwingh in der Reichsbischofsfrage (vgl. H. HARMS, Geschichte I, S. 79f.). 55 Brief an Bultmann, 22. 10. 1933 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). Der sog. Studentenkampfbund „Deutsche Christen“ war Ende Mai 1933 gegründet, aber bereits im November 1933 wieder aufgelöst worden; vgl. C. H. MEISIEK, Theologiestudium, S. 189–198. 56 Vgl. EBD., S. 192. Der dort angegebene Führer der Gruppe, Nobiling, dürfte Osterlohs Nachfolger gewesen sein. 57 Telegramm Osterlohs im Namen der Theologenschaft Göttingen an Marahrens, 30. 5. 1933 (LKA HANNOVER, L 2, Nr. 4a], II,1). 58 Auskunft G. Osterloh, Gespräch am 5. 2. 1996. 59 UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505. Osterloh erwägt in diesem Brief auch den Austritt aus der NSDAP und der SA (siehe unten).

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Herkunft und Ausbildung

Schon im Oktober aber hatte Osterloh sich in einem Bittbrief für einen ehemaligen Göttinger „Mitstreiter“ deutlich von seinen ehemaligen Meinungen distanziert, indem er dessen Eintreten für von Bodelschwingh positiv dem seinerzeitigen eigenen Votum für Müller gegenüberstellte und darauf hinwies, dass er durch die Arbeit in der Göttinger Hochschulgruppe dem Kurs der „Deutschen Christen“ in Göttingen, aber auch in der hannoverschen Landeskirche eine andere, theologisch abgesicherte Richtung geben wollte60. Die kirchenpolitische Wende fand ihr Pendant auch in einem politischen Umdenken: „Ich selbst werde auch auf rein politischem Gebiet immer mehr in die Opposition gedrängt und überlege meinen Austritt aus der SA und der Partei.“61 Die Zeit seiner Examensvorbereitung verbrachte Osterloh zu einem großen Teil im elterlichen Pfarrhaus seiner späteren Frau62, wo ihm die Atmosphäre für ein intensives theologisches Arbeiten fruchtbarer erschien als auf dem Hof in Rotenhahn63. Derart vorbereitet legte er am 30. April 1934 sein erstes theologisches Examen, das Tentamen, vor dem Oberkirchenrat in Oldenburg ab und erhielt als Gesamtnote ein „gut“64. Hierbei handelte es sich – einen Monat vor der Bekenntnissynode in Barmen – um die vorerst letzte Prüfung, an der alle, auch die bekenntniskirchlich orientierten Kandidaten, teilnahmen65. Ein Ruf aus Bethel eröffnete Osterloh unmittelbar nach dem ersten Examen

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Brief an Bultmann, 22. 10. 1933 (EBD.). In dem Brief ging es um die Habilitation Werner Wiesners in Marburg, die aber letztlich doch abgelehnt wurde. 61 Brief an Bultmann, 12. 12. 1933 (EBD.). – Der Eintritt in die NSDAP war am 1. 5. 1933 erfolgt (BA BERLIN, NSDAP-Gaukartei, Mitgliedsnr. 3187251). Tatsächlich folgte jedoch der hier geäußerten Einsicht nicht der Austritt aus der Partei. Bis November 1935 sind sämtliche Wohnungswechsel in seiner Mitgliedskarte vermerkt (EBD.). Für die Zeit danach ist ein erklärter Austritt Osterlohs schon aus taktischen Gründen eher unwahrscheinlich. – Über Osterlohs SA-Zugehörigkeit ließ sich kein Nachweis ermitteln (Auskunft BA BERLIN, Schreiben vom 11. 7. 2001). 62 Die Briefe an Bultmann von Oktober und Dezember 1933 sind beide in Wuppertal-Oberbarmen geschrieben. 63 Im Brief an Bultmann vom 12. 12. 1933 schreibt Osterloh, er habe „selten mit solcher Freude und Ruhe gearbeitet wie jetzt“ (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 64 DIE PREDIGER DES HERZOGTUMS OLDENBURG, S. 59. Das Examenszeugnis oder weitere Unterlagen zu Studium und Examen sind nicht auffindbar. In Oldenburg findet sich auf Osterlohs Personalaktendeckel der Hinweis „Abgegeben an die Kirchenkanzlei“ (AELOKR OLDENBURG, B XXIXa – 513,5, Pers.Nr. 140); die im Zentralarchiv in Berlin erhaltene Personalakte umfasst jedoch nur Vorgänge zwischen 1949 und 1953 (EZA BERLIN, 2 / P 154). Aus einem späteren Brief Osterlohs ist aber das Thema seiner Examensarbeit bekannt: „Luther und die Schwärmer – historisch untersucht – systematisch beurteilt“ (Brief an Dr. John Schmidt vom 18. 12. 1951 [EZA BERLIN, 2/4162]). Die Note „gut“ ist in einer Liste mit Angaben zu den Personalien der Bewerber um die Pfarrstelle in Holle (vgl. unten, Abschnitt 3.2) vermerkt (AELOKR OLDENBURG, C XXXV – 39, Bl. 4). 65 Nach Auskunft von Archivar Wilhelm Friedrich Meyer (AELOKR OLDENBURG) müssten Unterlagen zu Studium und Examen Osterlohs aus diesem Grund im Niedersächsischen Staatsarchiv Oldenburg zu finden sein. Aber auch dort fand sich keine entsprechende Akte.

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die Möglichkeit, den kirchenpolitischen Wirren etwas aus dem Wege zu gehen und zugleich die eigenen wissenschaftlichen Ambitionen voranzutreiben: Er sollte als wissenschaftlicher Assistent für die hebräische Sprache und das Alte Testament an die dortige Theologische Schule kommen66. Das DozentenKollegium der Theologischen Schule Bethel war überwiegend der werdenden Bekennenden Kirche zugeneigt67, lediglich der bald nach Münster berufene Systematiker Hans Wilhelm Schmidt gehörte den „Deutschen Christen“ an68. Trotzdem war es nicht gelungen, die Suspendierung des Alttestamentlers Wilhelm Vischer vom 19. Mai 1933, ausgesprochen in Folge seiner kritischen Einstellung zum nationalsozialistischen Staat, speziell wegen einer karikierenden Äußerung über Hitlers Aussehen, rückgängig zu machen69. Im Mai 1934 gab Vischer resigniert dem Kuratorium der Theologischen Schule seinen Lehrauftrag zurück70. In dieser Übergangssituation wandte man sich an Osterloh. Die Entscheidung für ihn fiel am 20. Februar 1934: „Als Assistent für das Sommersemester wird der frühere Senior Osterloh ins Auge gefaßt“71; doch geschah die definitive Aufgabenzuweisung offenbar sehr kurzfristig: „Die alttestamentliche Arbeit wurde von einem Assistenten weitergeführt, der sich dankenswerterweise erfolgreich und freudig für die Arbeit einsetzte, die ihm teilweise plötzlich übertragen werden mußte.“72 Im Sommersemester 1934 bot Osterloh neben einem fünfstündigen Hebräisch-Sprachkurs eine alttestamentliche Übung zur Geschichte des Prophetentums vor den Schriftpropheten und eine „Kursorische Lektüre der Psalmen“ an73, wofür er „neben freier Station eine Barvergütung von 80,-- RM monatlich“ erhielt74. Er muss sich in diesem Semester einen guten Ruf erworben haben, denn schon am 7. Juni 1934 entschied man sich für seine Weiterbeschäftigung auch im Wintersemester 75, und ein Jahr später würdigte Wilhelm Brandt ihn in seinem Jahresrückblick über die Arbeit der Theologischen

66 Der Entschluss, mit Osterloh über diese Assistentur zu verhandeln, fiel auf der Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses der Theologischen Schule vom 30. 12. 1933 (HA BETHEL, 2/41–40). 67 Vgl. B. HEY, Kirchenprovinz, S. 313f. 68 Vgl. G. MICHAELIS, Fall Vischer, S. 149–156. 69 Vgl. EBD., bes. S. 29–60; S. FELBER, Wilhelm Vischer, S. 59–77. 70 Das entsprechende Schreiben findet sich bei G. MICHAELIS, Fall Vischer, S. 159f.; S. FELBER, Wilhelm Vischer, S. 71f. 71 Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses der Theologischen Schule vom 20. 2. 1934 (HA BETHEL, 2/41–40). 72 W. BRANDT, Jahresbericht 1933/34, S. 125. 73 Vgl. DIE ARBEITSPLÄNE DER THEOLOGISCHEN SCHULE, S. 149.150. 74 Anweisung der Verwaltungsabteilung der Hauptkanzlei an die Hauptkassenverwaltung vom 12. 6. 1934 (HA BETHEL 2/41–62). 75 Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses der Theologischen Schule vom 7. 6. 1934 (HA BETHEL 2/41–10a).

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Schule als „bewährte[n] Assistent[en]“ und „Freund unserer Studenten aus dem S.-S. 1934“76. Dennoch fand die Tätigkeit in Bethel schnell ein abruptes Ende. Während der Sommersemesterferien 1934 erkrankte Osterloh, soeben verlobt mit Anneliese Hübner, die zu dieser Zeit als Hauslehrerin in Hannover wirkte77, an Meningitis. Er hatte sich wieder in Wuppertal aufgehalten, um dort wissenschaftlich zu arbeiten78, als die Krankheit ausbrach79. Nach einer Woche im Krankenhaus entließ man ihn mit der wenig hoffnungsvollen Mitteilung, dass man nichts für ihn tun könne. Es sei damit zu rechnen, dass er nicht wieder würde gehen können, eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion sei ebenfalls möglich. Der Kranke, zeitweise halbseitig gelähmt und nicht immer völlig klar ansprechbar, wurde von seiner Braut und ihren Eltern hingebungsvoll gepflegt, und nach einigen bangen Wochen trat dann doch eine Besserung ein. Er reiste zu einem Kuraufenthalt nach Skanfs in die Schweiz80 und nahm danach seine Arbeiten wieder auf. Nach Bethel zurück konnte er jedoch nicht, da seine Stelle dort inzwischen natürlich besetzt worden war 81, und so entschied er sich dafür, nun doch sein Vikariat in der Landeskirche fortzusetzen.

1.3 Vikariat bei Heinz Kloppenburg Es sind sicher nur wenige Vikariatsplätze – in Oldenburg, aber auch darüber hinaus – denkbar, die exponierter sein könnten als der, den Osterloh 1935 antrat: Die Assistentur bei Heinz Kloppenburg, dem unbestrittenen „Kopf“ der Bekennenden Kirche des Landes. 76 W. BRANDT, Jahresbericht 1934/35, S. 109. – Osterloh hatte auch außerhalb der Lehrveranstaltungen den Kontakt mit den Studenten gesucht, etwa bei einem „verpflichtenden Vortrag“ vor den Studenten am 10. 7. 1934 zum Thema: „Die Verantwortung des Theologiestudenten im Dritten Reich“ (vgl. die Dokumentation der „Dienstbücher“ des Betheler Studentenwohnheims Jaegerstift in: G. MICHAELIS/ A. LINDEMANN, Lehren, S. 51–99, hier S. 58). 77 Auskunft Heidi Leonhardt, Gespräch am 28. 4. 1996. 78 Vermutlich handelte es sich um erste Vorarbeiten zu seiner angestrebten Dissertation (vgl. unten S. 54). 79 Die Auskünfte zu Osterlohs Erkrankung verdanke ich Irmela Jacoby (Gespräch am 4. 4. 1996). 80 Auskunft Heidi Leonhardt, Gespräch am 28. 4. 1996. In einem Brief an Bultmann bedankte er sich „für die schönen Stunden […], die ich auf meiner Heimreise aus der Schweiz in Ihrem Hause verweilen durfte“ (Brief an Bultmann vom 2. 4. 1935 [UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505]). 81 W. BRANDT, Jahresbericht 1934/35, S. 110, sprach davon, dass man „mehrere Wochen um den in Barmen schwer erkrankten jüngeren Freund [habe] bangen müssen.“ Man musste „für ihn einen Ersatz suchen“, den man in cand. theol. Hans Klevinghaus fand, „einem alten Schüler unserer Schule“ (EBD.). Zugleich wurde im Wintersemester 1934/35 Volkmar Herntrich Nachfolger Wilhelm Vischers als ATDozent (vgl. EBD., S. 109).

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Zur Geschichte des Kirchenkampfes in der Oldenburgischen Landeskirche liegen inzwischen eine Reihe beachtlicher Arbeiten vor. Mit ihrer Fülle an Archivmaterial ist immer noch von großem Nutzen die aus der Sicht eines betroffenen Pfarrers geschriebene „Geschichte des Kirchenkampfes“ von Hugo Harms82, der in den Bänden I–III chronologisch vorgeht, während in Bd. IV einzelne Vorkommnisse auf Gemeindeebene dargestellt sind. Ein Nachteil dieser Arbeit besteht allerdings darin, dass zwischen dokumentierten Archivstücken und erzählendem Text nicht immer klar getrennt wird. An zusammenhängenden Darstellungen in Überblicksform sind in chronologischer Folge zu nennen die Passagen über Oldenburg in Kurt Meiers dreibändigem Werk „Der evangelische Kirchenkampf“, die ebenfalls auf der Basis von Archivmaterial, aber auch mit Hilfe der Darstellung von Hugo Harms erarbeitet sind83, ferner die kürzeren Darstellungen von Rolf Schäfer im Rahmen der „Geschichte des Landes Oldenburg“84 und Hans-Walter Krumwiede in der Festschrift zum 750. Jahrestag der ersten urkundlichen Erwähnung der Lamberti-Kirche in Oldenburg85. Der noch von Krumwiede beklagte Mangel, dass „für den Oldenburger Kirchenkampf noch kein umfassendes Werk“ vorliege86, wurde mit der ausführlichen Studie von Karl-Ludwig Sommer behoben, die auf seiner im Sommer 1991 von der Carl-vonOssietzky-Universität Oldenburg angenommenen Habilitationsschrift basiert87. Sommer geht von einem stark sozialgeschichtlichen Ansatz aus, der vor allem nach der Funktion von Kirche und Kirchenkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem und in den einzelnen Gemeinden fragt und zugleich untersucht, welche Auswirkungen das Geschehen des Kirchenkampfes auf das Verhältnis von Mitgliedern der BK zum Staat bzw. den lokalen Vertretern des Regimes am Ort hatte88. Sommers Thesen, die darauf hinauslaufen, dass er das Verhalten der Bekennenden Kirche – aufgrund der Selbstbescheidung ihres Widerstandes auf den kirchlichen Bereich – im letzten Satz seines Buches „als letztendlich die nationalsozialistische Herrschaft stabilisierende[n] Faktor“ bezeichnet, provozierten Krumwiede zu einer umfangreichen Rezension89. Er stellte Sommer eine Konzeption gegenüber, in der er die Bedeutung des kirchlichen Widerstands für den aktiven Widerstand hervorhebt, selbst wenn die Bekennende Kirche selbst keinen aktiven Widerstand leistete und sich auf den kirchlichen Bereich beschränkte. Diese Konzeption liegt auch den sich mit dem Kirchenkampf befassenden Abschnitten seiner „Kirchengeschichte Niedersachsens“

82 Die Bände, verfasst in den sechziger Jahren, enthalten hektographierte Typoskripte und finden sich unter anderem in der Bibliothek des Evangelischen Oberkirchenrats in Oldenburg. 83 Bd. 1, S. 396–404; Bd. 2, S. 285–292; Bd. 3, S. 407–414. 84 R. Schäfer, Kirchen, S. 819–821. EBD., S. 821–824, geht Schäfer auf die katholische Kirche ein. Vgl. dazu auch: J. POHLSCHNEIDER, Kirchenkampf; J. KUROPKA, Die katholische Kirche, bes. S. 550–604. 85 H.-W. KRUMWIEDE, Kirchenkampf. 86 EBD., S. 212, Anm. 3. 87 K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft. Vom gleichen Autor ist 1992 ein zusammenfassender Artikel erschienen: DERS., Herrschaft. 88 Vgl. K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, bes. S. 32–35. An anderer Stelle (DERS., Herrschaft, S. 164) beklagt Sommer ausdrücklich die Beschränkung der einschlägigen Untersuchungen „auf die amtskirchliche Ebene“. 89 H.-W. KRUMWIEDE, Widerstand.

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zugrunde90. Ebenfalls von der Auseinandersetzung mit Sommer bestimmt ist die vorerst letzte umfangreichere Studie zum Kirchenkampf in Oldenburg, die Reinhard Rittner im Rahmen der voluminösen „Oldenburgischen Kirchengeschichte“ verfasst hat91. Sie basiert trotz des beschränkten Umfanges, den der Handbuchcharakter des Gesamtwerks bedingt, auf teils noch nicht herangezogenem Archivmaterial und bringt eine Fülle neuer Aspekte zum Vorschein92.

Bis Januar 1934 hatten auch in Oldenburg, dem ersten nationalsozialistisch regierten Land des Deutschen Reiches93, die „Deutschen Christen“ aufgrund des Ergebnisses der manipulierten Kirchenwahl vom 23. Juli 193394 und ihres auch im Weiteren fragwürdigen Vorgehens95 alle wichtigen Machtpositionen inner-

90 H.-W. KRUMWIEDE, Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 467ff., 501–503, 524–527, 544ff. Vgl. EBD., S. 562–584, die abschließenden Gedanken über „Anpassung und Widerstand in den niedersächsischen Landeskirchen“. 91 R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 695–749. Die Auseinandersetzung mit Sommer findet zwar zumeist nur sehr kurz in den ohnehin knapp gehaltenen Anmerkungen statt, spiegelt sich jedoch auch in den punktuellen Andeutungen grundlegender Differenzen zwischen Pastoren und Gemeindekirchenräten (S. 710, 723, 742) und in der Betonung der kritischen Haltung des Oberkirchenrats gegenüber dem Nationalsozialismus vor und zum Teil auch noch im Jahre 1933 (vgl. S. 697–702, 704, 707f., 710f.). 92 Leider gelingt es aber auch dieser Darstellung nicht, die gesellschaftlichen Auswirkungen des Kirchenkampfes so in den Blick zu nehmen, wie es im Vorwort des Gesamtwerkes als eine Intention des Bandes angegeben wird (vgl. EBD., S. VI). Auch bei Rittner findet eine Konzentration auf einige in führender Stellung beteiligte Personen statt, die nur an wenigen Stellen durchbrochen wird. 93 Vgl. W. GÜNTHER, Land Oldenburg, S. 112; DERS., Freistaat, S. 440; K. SCHAAP, Oldenburgs Weg, S. 109–120; K.-L. SOMMER, Durchsetzung, bes. S. 55–62. Die NSDAP hatte in der Landtagswahl vom 29. 5. 1932 mit 48,4% der Stimmen zwar die absolute Mehrheit der Stimmen knapp verfehlt, die der Mandate im Landtag aber mit 24 von 46 Sitzen erhalten. Dieses Ergebnis wurde in allen folgenden Wahlen nicht wieder erreicht (vgl. die Übersicht bei K. SCHAAP, Oldenburgs Weg, S. 201; W. GÜNTHER, Freistaat, S. 441–448; K.-L. SOMMER, Durchsetzung, S. 60f.). 94 Lediglich in den Gemeinden Elisabethfehn, Fedderwarden, Holle und Neuenkirchen fanden überhaupt Wahlen statt, sonst wurden einvernehmliche Wahlvorschläge aufgestellt, die den „Deutschen Christen“ durchweg eine Zwei-Drittel-Mehrheit sicherten. Da – entgegen dem Usus – zeitgleich durch die Kreissynoden auch die Zusammensetzung der neuen Landessynode bestimmt wurde, kam es auch hier zu einer deutschchristlichen Mehrheit (vgl. K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 69ff.; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 710). Das Delmenhorster Kreisblatt konnte somit bereits am 22. Juli das Ergebnis der „Wahl“ vom folgenden Tage mitteilen (vgl. R. RITTNER, ebd., Anm. 64). 95 In das Präsidium der Synode wurden nur den „Deutschen Christen“ nahestehende Personen gewählt und ein neu installierter „Landeskirchenausschuss“, der eigentlich nur die ständige Vertretung der Synode gegenüber dem Oberkirchenrat sein sollte, dominierte und kontrollierte dessen Arbeit faktisch von Beginn an. Dazu wurde mit Ernst Hollje, einem aus Gesundheitsgründen pensionierten Pfarrer, der Führer der Oldenburger „Deutschen Christen“ sowohl in den Landeskirchenausschuss, als auch – gegen die Ordnung – anstelle des aus Altersgründen zurückgetretenen Heinrich Iben zum kommissarischen Oberkirchenrat gewählt. Vgl. H. HARMS, Geschichte I, S. 48–60; R. SCHÄFER, Kirchen, S. 820; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 1, S. 398f.; H.-W. KRUMWIEDE, Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 484f.; K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 69–75; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 710ff.

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halb der Landeskirche an sich gebracht. Die überwiegende Zahl der Pfarrer, die bis dahin unter wesentlicher Mitwirkung Heinz Kloppenburgs den auf Ausgleich bedachten Kurs des bisherigen Oberkirchenratspräsidenten Heinrich Tilemann mitgetragen hatte96, sammelte sich daraufhin umgehend im „Pfarrernotbund“, dessen Führung in Oldenburg Kloppenburg übernahm97. Zwar hatten die „Deutschen Christen“ in Oldenburg – wohl in Anerkennung der faktischen Machtverhältnisse innerhalb der Pfarrerschaft – mit Johannes Volkers einen relativ gemäßigten Vertreter zum neuen Präsidenten des Oberkirchenrats und späteren „Bischof“ gewählt98, doch bildete die werdende Bekennende Kirche auch hier unter Bestreitung der Rechtmäßigkeit der Kirchenleitung – insbesondere der am 11. Juni 1934 beschlossenen Eingliederung in die Reichskirche unter Ludwig Müller 99 – eigene Notkirchenorgane. Zunächst konstituierte sich schon Mitte Juni 1934 die oldenburgische „Bekenntnisgemeinschaft“100; am 27. Februar 1935 schließlich tagte die erste Bekenntnissynode der Landeskirche in Varel und setzte als Leitungsorgan ein Präsidium ein, dem als Vorsitzender Amtsgerichtsrat i. R. Friedrich Ricklefs und neben ihm die Pastoren Kloppenburg, Johannes Rühe und Hans Schmidt angehörten. Man band sich an die Synodalbeschlüsse von Barmen und Dahlem 1934 und unterstellte sich der bekenntniskirchlichen Vorläufigen Kirchenleitung101. So galt die Oldenburgische Kirche 1934/35 als „zerstörte“ Landeskirche102, was sich auch nach der weitgehenden Entmachtung

96 Vgl. H. HARMS, Geschichte I, S. 65ff.; H.-W. KRUMWIEDE, Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 486. Zu Heinrich Tilemann: H. HÖPKEN, Art. „Tilemann, Heinrich“. 97 Vgl. H.-W. KRUMWIEDE, Kirchenkampf, S. 203; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 714, bes. mit Anm. 89. Nach K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 78ff., gründete sich diese Opposition aber mehr auf die Sympathie zum zurückgetretenen Kirchenpräsidenten als auf inhaltliche Aspekte. 98 Volkers war als Pfarrer in Ganderkesee zuvor kaum in Erscheinung getreten (so K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 78). Er trat nach seiner Wahl sogar aus der Bewegung der DC aus, blieb aber trotzdem innerlich und kirchenpolitisch abhängig von den DC (vgl. H. HARMS, Geschichte I–III, passim; K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 81–91; R. HEINONEN, Anpassung, S. 92; H. HÖPKEN, Evangelisch-Lutherische Kirche, S. 16). Zur Charakterisierung Volkers‘ vgl. auch H.-W. KRUMWIEDE, Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 501; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 721f.; DERS., Art. „Volkers, Johannes“. 99 Vgl. H. HARMS, Geschichte I, S. 137–150; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 1, S. 400f.; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 717–720. 100 Vgl. K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 91f. 101 Verlauf und Beschlüsse der Synode sind dokumentiert in: E. OSTERLOH (Hg.), Bekenntniskirche [1935], S. 3–13. – Vgl. H. HARMS, Geschichte II, S. 136–142; H.-W. KRUMWIEDE, Kirchenkampf, S. 205.207; DERS., Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 524f.; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 1, S. 403f.; Bd. 2, S. 285f.; R. SCHÄFER, Kirchen, S. 821; K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 124–131, 134; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 726f. 102 Vgl. R. RITTNER, Intakte oder zerstörte Kirche, S. 161f.; H.-W. KRUMWIEDE, Kirchenkampf, S. 205; DERS., Kirchengeschichte, Bd. 2, S. 503ff.. Zur Diskussion um die Terminologie vgl. R. RITTNER, Intakte oder zerstörte Kirche, S. 159ff. u. 182; DERS., Die evangelische Kirche, S. 727.

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des Reichsbischofs Müller, der Rücknahme der Eingliederungsgesetze und dem Zerfall der deutschchristlichen Bewegung insgesamt nicht änderte103. In diese Situation hinein begann Osterloh am 5. März 1935 seine Tätigkeit als Assistenzprediger, deren gemeindlichen Teil in Oldenburg und dessen Schwierigkeit er einen Monat später so beschrieb: „Ich mußte gleich wöchentlich 5 Std. Katechumenen- und Konfirmandenunterricht übernehmen. Erst hat es mich bedrückt, wie wenig Rat ich bei den verantwortlichen Pfarrern finden konnte. Jetzt bin ich froh, daß man mich in Ruhe meine eigenen Erfahrungen machen läßt […]. Gepredigt habe ich drei Mal in Huntlosen […]. Am sog. Heldengedenktag mußte ich den Gottesdienst in Neuenbrok halten. Ich habe der Predigt Röm. 13,1 und Acta 5,29 zu Grunde gelegt und vom Altar das Königsrecht 1. Sam. 8 gelesen.“104

Gleichzeitig klagte er bereits über mangelnde „[t]heologische Diskussion“, die nur dreimal in diesem Monat möglich gewesen sei105: privat mit einem Pfarrer der hessischen Renitenz über Vilmars Theologie, bei einem Vortrag über Hauer sowie in der theologischen Arbeitsgemeinschaft des Pfarrers Walter Spitta106. Die wohl mehr Zeit beanspruchende Tätigkeit jedoch übte Osterloh in Wilhelmshaven-Rüstringen aus. Für seine dortige Aufgabe als direkter Assistent Kloppenburgs in der Geschäftsstelle der Bekenntnissynode mag der Titel der unter seiner Verantwortung im Sommer 1935 erschienenen Broschüre programmatisch sein, in der die Verhandlungen und Beschlüsse der ersten beiden Tagungen der oldenburgischen Bekenntnissynode am 27. Februar 1935 in Varel und am 7. Juli 1935 in Kirchhatten dokumentiert sind: „Die Oldenburgische Bekenntniskirche im Aufbau“107. Wie vor allem Karl-Ludwig Sommer herausgearbeitet hat, konnte von einer Bekenntniskirche in Oldenburg vorher kaum die Rede sein: Zwar waren etwa 75% der Pfarrer und sogar neun von zehn Kreis103 Im Weiteren verlief der Kirchenkampf in Oldenburg trotz mancher Repressalien vor allem gegen Kloppenburg eher glimpflich und mündete in einen 1939/40 auf so gut wie keinen Widerstand treffenden „Burgfrieden“ für die Zeit des Krieges (vgl. unten S. 81). Zur Entwicklung nach dem turbulenten Jahr 1935, in dem Osterloh unmittelbar am Geschehen beteiligt war, vgl. die im Forschungsüberblick angegebene Literatur. 104 Brief Osterlohs an Bultmann, 2. 4. 1935 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 105 EBD. 106 Spitta war im Spätherbst 1935 Begründer der „Rasteder Konferenz“, einer theologischen Arbeitsgemeinschaft von Bekenntnis-Pfarrern, die sich einmal monatlich traf und im Lauf der Zeit immer mehr zum „geistlichen Zentrum“ für die Pfarrer – aber durchaus nicht nur für sie – der Bekennenden Kirche Oldenburgs wurde. Vgl. A.-W. SCHMIDT, Geschichte; B. UEBACHS, Walter Spitta, S. 64–67. Spitta hatte auch vorher schon „Anstrengungen unternommen, eine solche ‚Pfarrerbruderschaft‘ ins Leben zu rufen, war jedoch erfolglos geblieben“ (B. UEBACHS, ebd., S. 64). Um einen dieser Versuche muss es sich hier gehandelt haben. 107 Vgl. oben Anm. 101.

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pfarrern dem Kurs Kloppenburgs zugetan, diesem theologischen „Kopf“ aber fehlte weithin der „Körper“, nachdem der zunächst unternommene Versuch, die bestehenden Gemeindekirchenräte – und damit die Gemeinden von den sie vertretenden Körperschaften her – auf die bekenntniskirchliche Linie zu führen, letztlich fehlgeschlagen war108. In den ersten drei Monaten der Tätigkeit Osterlohs für Kloppenburg nahm die Mitgliederzahl der Bekenntnisgemeinschaft um ein gutes Drittel auf mehr als 6.100 zu109. Dieser Aufschwung verdankte sich vor allem einer inhaltlichformalen Veränderung der Arbeit110, wurde aber auch durch eine verbesserte Organisation gefördert – zu der nicht zuletzt die Einrichtung der Stelle Osterlohs zählte. Osterloh übernahm große Teile des Schriftverkehrs für Kloppenburg, so ist beispielsweise das erste Schreiben des neuen, „indirekten“ Geschäftsverkehrs mit dem Oberkirchenrat111 vom 16. Juli 1935 von Osterloh in Vertretung unterzeichnet112. Der Aufbruch hin zu einer stark dahlemitisch organisierten Bekennenden Kirche, der sich vorher allenfalls erahnen ließ113, wurde in erster Linie von den jüngeren Theologen getragen, wie aus einem Brief des Kandidaten Gerhard Wintermann hervorgeht: „Über unsere oldenburgische Lage ist nur zu sagen, daß wir jetzt tun, was wir im Herbst hätten tun sollen, nämlich die Beschlüsse der Dahlemer Synode durchzuführen, wobei wir hier nun weithin der Versuchung erliegen, uns mehr als zuträglich auf das Juristische zu versteifen. Wir Kandidaten mußten in dieser Aktion natürlich wieder den ersten Graben besetzen, in dem wir auf ein Schreiben des Oldenburger OKR, wonach die Ausbildung durch eine andere Instanz als den OKR […] den Verzicht auf den Dienst in der Oldenburger Landeskirche bedeute, das im ‚Gesetzblatt der Ev. Landeskirche in Oldenburg‘ abgedruckte [sic!] Schreiben sandten, wonach wir uns vom Präsidium der 108 Vgl. K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 131ff.; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 723. 109 Ergebnis Sommers aufgrund der laufend durchnummerierten Mitgliedskarten, die von der Geschäftsstelle der Bekenntnissynode ausgegeben wurden (Nr. 4540 vom 8. 3. 1935 und Nr. 6162 vom 12. 6. 1935). Vgl. K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 135. 110 Im Einzelnen handelte es sich um folgende Maßnahmen: Bildung der Bekenntnissynode als Ausdruck des Anspruches, innerhalb der Landeskirche die eigentlich rechtmäßige Kirche zu verkörpern; Aufbau einer parallelen Leitungsstruktur inklusive eines eigenen Prüfungsamtes usw.; Abwehr bzw. kritische Auseinandersetzung mit der in Oldenburg seit Anfang 1935 verstärkten Propaganda der „Deutschen Glaubensbewegung“ und mit Alfred Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts“. Vgl. EBD., S. 133–137. 111 Die Post in Verwaltungs- und Finanzfragen, in denen auch die Bekenntnispfarrer weiter mit der Kirchenleitung zusammenarbeiteten, lief, um die formale Ablehnung der Behörde zu unterstreichen, auf dem Umweg über das Präsidium der Bekenntnissynode, das sie an den Oberkirchenrat weiterleitete. Vgl. R. RITTNER, Intakte oder zerstörte Kirche, S. 182; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 2, S. 286. 112 Vgl. H. HARMS, Geschichte II, S. 152. 113 Heinz Kloppenburg schrieb bereits am 22. 12. 1934 in einem Brief an Karl Barth: „in unsere Kirche hier oben kommt ein Erwachen“ (KBA BASEL, Briefwechsel).

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Herkunft und Ausbildung Bekenntnissynode im Verfolge der Dahlemer Beschlüsse ausbilden, examinieren und ordinieren zu lassen gedächten, ohne auf den Dienst in der Oldenburgischen Landeskirche damit zu verzichten […].“114

Charakteristisch für die Oldenburger Situation und in ihrem Pragmatismus angesichts des herrschenden Kandidatenmangels ein Indiz dafür, warum es hier trotz aller verhängten Strafen und Repressalien nie zu einer solchen Eskalation gekommen ist, wie es sie in den großen zerstörten Landeskirchen gegeben hat, ist die Reaktion des Oberkirchenrates, in der nach den Worten Wintermanns „uns eröffnet wurde, daß wir künftig für den Dienst in der Oldenburgischen Landeskirche nicht mehr in Frage kämen, allerdings ohne daß wir damit auch von unseren derzeitigen Posten abgerufen wurden, oder von der Kandidatenliste gestrichen wurden“115. Bei allen Auseinandersetzungen, die auch Oldenburg besonders im Jahre 1935 erschütterten, sorgten die zahlen- und flächenmäßig überschaubaren Verhältnisse dieser Landeskirche, in der man sich eben kannte und sehr häufig begegnete, dafür, dass der Gesprächsfaden im Grunde niemals ganz abriss. Dazu kam, dass die „Deutschen Christen“ Oldenburgs in ihren Spitzenpositionen mit Hollje (Jahrgang 1866) und Volkers (Jahrgang 1878) nicht, wie anderswo, eine vollkommen neue Theologengeneration repräsentierten, mit der das Gespräch schon aufgrund der demonstrativen Ablehnung des alten „Systems“ in allen seinen Bestandteilen und eines oftmals herablassenden Umgangs mit seinen Repräsentanten schwierig war. Dennoch begann gerade 1935, als die Bekennende Kirche Oldenburgs auf einen dahlemitisch ausgerichteten Kurs einschwenkte, eine Zeit großer Unruhe, eine Phase, in der es hier sehr wohl einen Kirchenkampf gegeben hat116, in den auch Osterloh in der kurzen Zeit seines ersten Wirkens in der Landeskir114 Brief Wintermanns an Karl Barth vom 20. 5. 1935 (KBA BASEL; Flüchtigkeitsfehler sind um der besseren Lesbarkeit willen verbessert worden). – Die Zuneigung zum „Juristischen“ innerhalb der Bekennenden Kirche Oldenburgs dürfte auf die Prägung durch den seinerzeitigen Reichsgerichtsrat Wilhelm Flor zurückzuführen sein, der bis 1933 nebenamtlicher Oberkirchenrat in Oldenburg gewesen war und auch darüber hinaus erheblichen Einfluss behielt (vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 729–732). – Der Brief der Kandidaten an den Oberkirchenrat datiert vom 29. 4. 1935 (vgl. H. HARMS, Geschichte II, S. 94). Osterloh war an dieser Aktion nicht beteiligt, vielleicht, um ihn als direkten Assistenten Kloppenburgs ein wenig im Hintergrund zu halten. 115 Brief Wintermanns an Barth vom 20. 5. 1935. Die hier inhaltlich wiedergegebene Antwort des Oberkirchenrats findet sich bei H. HARMS, ebd. 116 Dies bemerkten auch die staatlichen Stellen. Im Monatsbericht der Gestapo Oldenburg vom 12. 3. 1935 hieß es: „Eine gewisse Unruhe und Sorge trägt der evangelische Kirchenstreit, der hier stärker wieder aufgeflammt ist, […] ins Volk hinein.“ Und an anderer Stelle, wo den „Evangelischen Organisationen“ unter der Oberrubrik „Staatsfeindliche Bewegungen“ ein eigener Abschnitt gewidmet war: „Die Versammlungstätigkeit der Bekenntnisgemeinschaft war hier bisher gering. Aus diesem Grunde ist ein allgemeines Verbot öffentlicher Veranstaltungen kirchlich-konfessionellen Charakters noch nicht erfolgt. Ein solches Verbot ist aber jetzt in Aussicht genommen, denn im letzten Monat ist die Bekenntnis-

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che verwickelt war. Über die Landesgrenzen hinweg erregte der „Fall Wiefels“117 Aufmerksamkeit: Der dortige Vakanzprediger Heinz Lübben hatte sich geweigert, gemeinsam mit den anderen Kandidaten von Bischof Volkers ordiniert zu werden, da dies die Anerkennung der Zuständigkeit des Oberkirchenrates zur Voraussetzung gehabt hätte. Anfang April 1935 war er daraufhin – inzwischen durch den hannoverschen Bischof Marahrens ordiniert – vom Oberkirchenrat aus Wiefels abberufen und sein Dienst in der Landeskirche für beendet erklärt worden. Die Bekenntnissynode und der überwiegende Teil der Gemeinde und ihres Kirchenrates hielten jedoch an Lübben fest, ebenso der vakanzverwaltende Pfarrer Hans Thorade, dem deshalb Geldstrafen in Höhe von insgesamt 800 Reichsmark auferlegt wurden. Zu Lübben stehende Kirchenälteste wurden gegen jede Ordnung aus dem Amt gedrängt. Schließlich entstand die groteske Situation, dass die vom Oberkirchenrat eingesetzten neuen Vakanzprediger in der Kirche des Ortes mit verschwindend wenigen Gemeindegliedern Gottesdienst feierten, während der zu Lübben haltende Teil der Gemeinde in ostfriesischen Nachbargemeinden oder in einer Bauernküche Gottesdienst hielt – mit teilweise bis zu 70 Gemeindegliedern bei einer Gesamteinwohnerzahl von 340118! Im Juni 1935 hielt auch Osterloh zwei solcher Gottesdienste, den des Pfingstsonntags119 und zwei Wochen später am 23. Juni120.

gemeinschaft wesentlich aktiver vorgegangen“ (GESTAPO OLDENBURG MELDET..., S. 193, 195f.; vgl. auch EBD., S. 200, 216). Dass dieser Kampf sich hier zumeist auf lokaler Ebene entzündete, vielleicht sogar vor Ort oft auf ältere, mit den damaligen Auseinandersetzungen kaum in Zusammenhang zu bringende Rivalitäten und Streite zurückzuführen war, wie Sommer nachzuweisen versucht (DERS., Bekenntnisgemeinschaft, bes. S. 307–354), widerlegt diese These meines Erachtens nicht: erstens spricht schon die Häufigkeit der Auseinandersetzungen gerade in der Zeitspanne ab 1935 gegen eine zufällige Koinzidenz, und zweitens ist es ja nicht selten so, dass man sich eines zwar neuen, aber nichtsdestotrotz vorhandenen Konfliktes bedient, um auch alte Rechnungen zu begleichen, indem man sich auf die vermeintlich richtige Seite stellt. – Sommers These, dass dieser Kampf sich im Bewusstsein der Bekenntnispfarrer nicht gegen das NS-Regime bzw. die Nationalsozialisten als solche richtete (vgl. EBD., S. 310), ist im Prinzip richtig, muss jedoch relativiert werden im Blick auf solche, die wie Osterloh schon recht früh bemerkten, dass ein verantwortlich gelebtes Christentum sich mit den Prinzipien des Nationalsozialismus nicht überein bringen ließ und deshalb von sich aus einen Parteiaustritt erwogen. 117 Der Sonderdruck „Der Fall Wiefels“, für den Osterloh verantwortlich zeichnete (Bibliographie, 1935), fand weite Verbreitung und diente unter anderem als Material für „Die oldenburgische Landeskirche im Jahre 1935“, in: J. GAUGER, Chronik III, S. 465, 467, 469. Vgl. zum „Fall Wiefels“ jetzt auch: A. FLESSNER, Verarbeitung, bes. S. 13–53. 118 Vgl. Rundschreiben Nr. 68/1935 des Bruderrates der ev.-luth. Kirche in Oldenburg vom 14. 6. 1935 (enthalten u. a. in: LKA BIELEFELD, Best. 5.1, 199/1). 119 EBD. 120 Vgl. Rundschreiben Nr. 70/1935 des Bruderrates … vom 27. 6. 1935 (enthalten u. a. in: LKA BIELEFELD, Best. 5.1, 822/2).

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Vermutlich steht der Entzug der Predigterlaubnis, mit dem Osterloh im Juli 1935 bestraft wurde121, in direktem Zusammenhang mit diesem Engagement in Wiefels. Die Strafe hinderte ihn aber nicht, zum Abschluss seiner Tätigkeit, am Reformationstag 1935, in Oldenburg-Osternburg eine „biblische Ansprache“ zum Thema „Evangelische Freiheit“ zu halten, in der er sich mit den „Volksreligionen“ auseinandersetzte, die jeweils dem Christentum entgegenstehen, dabei aktuell die Deutschgläubigen im Blick hatte, aber das Judentum zu Zeiten des Paulus und die römisch-katholische Religiosität zu Luthers Zeit damit durchaus in einem Atemzug nennen konnte: „Denn die Volksreligion, das Judentum wie jede andere, die römisch-katholische, wie sie Luther begegnet ist, und die deutschgläubige, knechten die Seele des Menschen mit Forderungen und Anschauungen, die sie zwingen sollen, den Weg von der Erde zum Himmel zu erklimmen. Christus allein befreit uns von der Sklaverei dieses ohnmächtigen Versuches […]. Christus vertritt Gott den Vater auf Erden und macht die Menschen zu der großen Familie, in der die Volksreligionen ihre trennende und knechtende Macht verloren haben.“122

Osterlohs Tätigkeit erstreckte sich daneben auf Vorträge innerhalb der Landeskirche, belegt sind am 26. Juni 1935 ein Vortrag vor der Bekenntnisgemeinschaft in Ihausen über „Die Lage in der Kirche und die Lage der Kirche“ sowie im Juli/August 1935 die Rede: „Kirchen-Geschichte als kirchliches Geschehen“ vor der Bekenntnisversammlung in Oldenburg-Osternburg123. Neben diese für eine Zeitspanne von nur gut sechs Monaten doch erstaunliche Vielzahl von Aktivitäten innerhalb der Landeskirche trat sehr schnell auch das Engagement über deren Grenzen hinaus. Vom 3. bis 5. Juli 1935 war Osterloh einziger Vertreter Oldenburgs bei den Beratungen des Deutschen Lutherischen Tages in Hannover124. Ähnlich wie Kloppenburg, als dessen Stellvertreter er wenige Tage später vom Fortsetzungsausschuss des Lutherischen Tages zusammen mit Georg Merz und Hermann Sasse in den Hochschulausschuss berufen wurde125, stand er den Bestrebungen zur Bildung einer „bekennenden lutherischen 121 Vgl. Rundschreiben Nr. 88/1935 des Bruderrates … vom 29. 10. 1935, das u. a. eine Liste der 1935 verhängten Disziplinarmaßnahmen beinhaltet (enthalten u. a. in: LKA BIELEFELD, Best. 5.1, 822/3). 122 E. OSTERLOH, Evangelische Freiheit (1935). 123 Der Vortrag in Ihausen findet Erwähnung im Rundschreiben Nr. 70/1935 des Bruderrates … (vgl. oben Anm. 120), die Rede in Osternburg führt Osterloh in einem Brief an Georg Merz vom 16. 8. 1935 (ABS OLDENBURG, I.A.7) an, weil er in ihr auf die Beratungen des Luthertages in Hannover (vgl. unten in diesem Abschnitt) eingegangen war, ohne sie jedoch näher zu datieren oder mehr über ihren Inhalt zu schreiben. 124 Zum „Deutschen Lutherischen Tag“ vgl. AELKZ 68, 1935, Sp. 657–664; JK 3, 1935, S. 669ff.; VERANTWORTUNG FÜR DIE KIRCHE I, S. 403–410; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 2, S. 113f.; M. M. LICHTENFELD, Georg Merz, S. 522–534. 125 Vgl. VERANTWORTUNG FÜR DIE KIRCHE I, S. 412; M. M. LICHTENFELD, ebd., S. 535 mit Anm. 154.

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Kirche Deutschlands“ eher skeptisch und abwartend gegenüber126. Diese Skepsis bezog sich nicht primär auf die inhaltliche Arbeit, sondern mehr auf die vermuteten konfessionalistischen Intentionen der beteiligten Personen, die seiner Meinung nach nicht im Einklang mit dem Wortlaut der Beschlüsse standen: „Die Hannoversche Erklärung über ‚Lehre, Ordnung und Gestalt der lutherischen Kirche‘ halte ich nach wie vor sachlich für richtig […]. Grundsätzlich bin ich aber der Ansicht, daß man kirchliche Arbeit primär nach ihrem Inhalt und nicht nach ihren Trägern beurteilen muß, darum habe ich bisher die Frage der Zusammensetzung des lutherischen Tages prinzipiell als Angelegenheit zweiten Ranges betrachtet. Aus diesem Grund bejahe ich den lutherischen Tag nach wie vor von seinem Ergebnis aus, obgleich ich […] in der Zwischenzeit durch gewisse Berichterstattungen in Sorge geraten bin, daß dieses Ergebnis in einflußreichen Teilen des eigenen Lagers verfälscht wird.“127

Grund für diese Stellungnahme war die von Merz zuvor ausgesprochene Befürchtung, Osterloh habe sich in die „von Asmussen und Niemöller beabsichtigte Kampffront“ begeben und sich der „Bekämpfung des luth. Tages“ bzw. der „Kampfansage an die dort gebildete Arbeitsgemeinschaft“ verschrieben128. Merz hatte den Anlass zu diesen Vermutungen offenbar in der Zugehörigkeit Osterlohs zum Kreis derjenigen Theologen des Pfarrernotbundes gesehen, die von Martin Niemöller für Ende Juli 1935 zu Beratungen nach Berlin-Dahlem gerufen worden waren. Diese sollten nach Niemöllers Willen dem Ziel dienen, „die Einheit der Bekennenden Kirche, wie sie im Pfarrernotbund und später in Barmen und Dahlem tatkräftig zu Tage getreten ist, lebendig zu erhalten und wirksam zu gestalten“129. Zu den Eingeladenen gehörten u. a. Martin Albertz, Hans Asmussen, Dietrich Bonhoeffer, Franz Hildebrandt, Karl Immer, Günter Jacob, Friedrich Müller-Dahlem, Wilhelm Niesel, Eitel Friedrich von Rabenau und Heinrich Vogel, allesamt führende Mitglieder des Pfarrernotbundes bzw. der Bruderräte. Aus Oldenburg waren neben Osterloh auch Kloppenburg und Wilhelm Wilkens vertreten130. Die eben erfolgte Vertreibung Karl Barths in die Schweiz131 hatte den Gegensatz zwischen diesem bruderrätlichen und jenem lan126 Kloppenburg trat bereits im August 1935 wieder aus den Ausschüssen des Lutherischen Tages aus (vgl. M. M. LICHTENFELD, ebd., S. 533f. mit Anm. 148). Zu seiner innerhalb Oldenburgs nicht unumstrittenen Haltung vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 732f. 127 Brief Osterlohs an Georg Merz (vgl. oben Anm. 123). Die angesprochene Erklärung ist abgedruckt in: K. D. SCHMIDT, Bekenntnisse, Bd. 3, S. 146f. 128 Im genannten Brief zitiert Osterloh diese Aussagen. 129 Aus dem Einladungsschreiben Niemöllers vom 26. 7. 1935, zit. bei: J. SCHMIDT, Martin Niemöller, S. 295; vgl. zu den Beratungen EBD., S. 294–297; H. PROLINGHEUER, Karl Barth, S. 217ff. 130 Insgesamt haben 49 teilnehmende Theologen den auf dieser Zusammenkunft beschlossenen Aufruf (siehe unten) unterzeichnet. 131 Zwar war das Disziplinarverfahren gegen Barth wegen seiner Verweigerung, den Hitlereid in der vorgeschriebenen Form zu leisten, letztlich gescheitert und hatte mit seiner Wiedereinsetzung in die

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Herkunft und Ausbildung

deskirchlich-lutherischen Flügel, an dem die Bekennende Kirche ein Jahr später auseinanderbrechen sollte, keineswegs obsolet gemacht; schon im Januar 1935 vermutete Georg Merz hinter den Aktivitäten Niemöllers einen „Kampf […] gegen die ‚intakten Landeskirchen‘ und gegen die restaurativer Gelüste verdächtigen Bischöfe“, aufgrund dessen das alte (lutherische) Bekenntnis nun als „Waffe […] in der Hand des ‚Gegners‘ […] abgestumpft“ werden müsse132. Barmen werde für die „reformierten Freunde“ und die, „die ihnen nahestehen“ (!), so als „Stunde der Kirche von 1934“ zur „Grundlage des Handelns“ wie es „bei den Deutschen Christen die Stunde der Nation von 1933“ sei133! Es zeigt sich an der Kontinuität solcher Äußerungen, wie sie hier von Merz zwischen Januar und Juli 1935 wiedergegeben sind, dass die Bekenntnissynode von Augsburg134, von der man Barth absichtlich ferngehalten hatte135, trotz ihrer zur Schau gestellten Einmütigkeit136 nur ein kaum gelungener Versuch war, diese Differenzen zu überbrücken. Schon die zwischen beiden Lagern kontrovers geführte Diskussion um die Kirchlichen Hochschulen137 zeigte wenig später überdeutlich die kaum mehr vereinbaren Argumentationsmuster – und dass Osterloh, der im Juli noch an beiden Veranstaltungen teilnahm und beide gutheißen konnte, wenig später Dozent an der Kirchlichen Hochschule wurde, zeigt, wie berechtigt die Befürchtung von Georg Merz war, Osterloh könne von Theologen wie Niemöller, Bonhoeffer, Asmussen und Immer mehr beeindruckt sein als von den lutherischkonfessionellen Vereinigungsbemühungen138. Bonner Professur geendet, doch war Barth unmittelbar darauf in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Er nahm daraufhin den Ruf an die Universität Basel an. Vgl. H. PROLINGHEUER, Karl Barth; E. BUSCH, Lebenslauf, S. 268–275. 132 Brief Merz’ an Christian Stoll und Kloppenburg vom 19. 1. 1935 (ABS OLDENBURG, I.A.7). 133 EBD. 134 Verlauf, Vorträge und Beschlüsse sind dokumentiert in: BEKENNTNISSYNODE DER DEUTSCHEN EVANGELISCHEN KIRCHE. DRITTE TAGUNG IN AUGSBURG VOM 4.–6. JUNI 1935, Wuppertal [1935]. 135 Eine missverständliche Äußerung Barths zur Notwendigkeit der Verteidigung der Nordgrenze der Schweiz – von Ludwig Müllers Umgebung genüsslich weiterverbreitet – gab die Gelegenheit, den spätestens seit seiner scharfen Kritik am Zustandekommen der ersten Vorläufigen Kirchenleitung im November 1934 unliebsamen Vordenker der Bekennenden Kirche mit vorgeblich guten Gründen ausladen zu können. Insbesondere der bayrische Landesbischof Meiser machte Barths Nichtteilnahme zur Bedingung, damit die Synode überhaupt in Bayern stattfinden konnte. Vgl. G. BESIER, Kirchen, Bd. 3, S. 82f.; H. PROLINGHEUER, Karl Barth, S. 172–187; K. BARTH – E. THURNEYSEN. Briefwechsel, Bd. III, S. 887f., Anm. 3. 136 Karl Immer sprach in seinem Nachwort zur Dokumentation der Synode von der „in Augsburg geschenkte[n] Einmütigkeit“ (BEKENNTNISSYNODE DER DEUTSCHEN EVANGELISCHEN KIRCHE [Anm. 134], S. 94). Auch die übrige Berichterstattung folgte diesem Tenor (JK 3, 1935, S. 603–607, bes. S. 605; AELKZ 68, 1935, Sp. 569f.; RKZ 85, 1935, S. 149). Vgl. G. BESIER, Kirchen, Bd. 3, S. 88–96. 137 Vgl. unten S. 50f., 57. 138 Trotzdem sollte Osterloh noch im Dezember 1935 den aus seinem Amt ausgeschiedenen Vertreter Oldenburgs im Fortsetzungsausschuss des Lutherischen Tages, Oberkirchenrat Ahlhorn, vertreten (Brief

Vikariat bei Heinz Kloppenburg

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Ergebnis der Beratungen in Berlin war der Aufruf „An unsere Brüder im Amt!“ vom 30. Juli 1935139, in dem von den Ergebnissen der Bekenntnissynoden von Barmen und Dahlem aus gegen alle falschen Kompromisse Stellung bezogen wird: „[W]ir sind in Gefahr, uns durch eigene Untreue um Gottes Gaben zu bringen[…] Wir sind der Überzeugung, daß der Gemeinde ein neuer, vielleicht der schwerste Kampf bevorsteht. Wir können die Maßnahmen der letzten Zeit (Finanzabteilung, Beschlußstelle, Umlageordnung, Einsetzung des Ministeriums für kirchliche Angelegenheiten, bei dem gleichzeitigen Weiterbestehen von Beschränkungen und Ausweisungen) nicht anders sehen, als daß die Kirchenfrage im Widerspruch zu Barmen und Dahlem gelöst werden soll.“140

Schon zu diesem frühen Zeitpunkt also eine von Kloppenburg und Osterloh unterzeichnete prinzipielle Absage an alle Bestrebungen, den Kirchenkampf durch einen Kompromiss mit allen Lagern zu lösen. Die Entscheidung gegen die Zusammenarbeit mit den bald darauf mit eben diesem Ziel eingesetzten Reichskirchenausschüssen141 – in der Bekennenden Kirche Oldenburgs durchaus nicht unumstritten142 – war damit ebenso angelegt wie die gegen eine an bestehende intakte Kirchenstrukturen angebundene lutherische Sammlungspolitik143, denn darüber hinaus hieß es: Kloppenburgs an Meiser vom 14. 12. 1935 bzw. Brief Stolls an Kloppenburg vom 24. 12. 1935, beide in: ABS OLDENBURG, I.A.7). 139 Abdruck: D. BONHOEFFER, GS 2, S. 205–209; DBW 14, S. 66ff.; H. PROLINGHEUER, Karl Barth, S. 368f. Die Abdrucke weichen in einigen Punkten voneinander ab. Zitate richten sich nach DBW. 140 DBW 14, S. 66. 141 Im Juli 1935 war Reichsminister Hanns Kerrl die Zuständigkeit für kirchliche Angelegenheiten übertragen worden. Seit Oktober 1935 versuchte er bei der Bildung eines Reichskirchenausschusses und einiger Landeskirchenausschüsse auch „gemäßigte“ Kreise der Bekennenden Kirche zur Mitarbeit in diesen Gremien zu gewinnen, die bis Herbst 1937 die jeweiligen Kirchen leiten und neu ordnen sollten. Vgl. J. S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 147–159; K. MEIER, Kreuz, S. 127–136; DERS., Kirchenkampf, Bd. 2, S. 78–101.115–129; K. SCHOLDER, Kirchenkampf, S. 140–143. Quellen: K. D. SCHMIDT, Dokumente II; DKPDR III. 142 Prominente Vertreter einer kompromissbereiteren Haltung waren u. a. der ehemalige Präsident des Oberkirchenrats Tilemann, Oberlandesgerichtsrat Albrecht Hoyer und der ehemalige Oberkirchenrat Flor. Das Missfallen über Kloppenburgs Kurs führte dazu, dass man 1936 erwog, eigene Vertreter zur Reichs-Bekenntnissynode in Bad Oeynhausen zu entsenden (vgl. R. RITTNER, Intakte oder zerstörte Kirche, S. 168–172; K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 158–161). 143 Kloppenburg, kurz zuvor vom Deutschen Lutherischen Tag als Kandidat für einen geplanten Hochschulausschuss in Aussicht genommen, schlug dieses Angebot aus (vgl. oben Anm. 126) und nahm wenig später als Vertreter der „zerstörten“ norddeutschen Landeskirchen an der Auswahl der lutherischen Dozenten für die von den Bruderräten ins Leben gerufenen Kirchlichen Hochschulen teil (vgl. unten S. 52). – Von dieser Kursbestimmung im Juli/August 1935 lässt sich eine Linie ziehen bis zur Neuordnung der Kirche nach 1945, als die oldenburgische Kirche in der sich bildenden VELKD eine Gefahr für das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Lutheranern, Reformierten und Unierten sah und deshalb auf eine Mitgliedschaft verzichtete (vgl. unten S. 161f.).

Herkunft und Ausbildung

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„Wir sind in den letzten Monaten in unserem Warten auf einen durchschlagenden Erfolg unserer Kirchenleitung und auf die Anerkennung der Bekennenden Kirche durch den Staat von einer Enttäuschung zur anderen gegangen. […] wir hatten verleugnet, was Gott uns in Barmen und Dahlem anvertraut hat. Beide Synoden haben die Kirche unter die Alleinherrschaft des Herrn Jesus Christus gerufen; Barmen so, daß ihre Verkündigung und Lehre, Dahlem so, daß ihre Gestalt und Ordnung sich allein auf das eine Wort der Offenbarung Gottes gründen […]. Geboten ist uns, die Sammlung und Gestaltung der Bekennenden Kirche weiterzuführen, unabhängig von den jeweiligen Schwankungen der Kirchenpolitik […]. Geboten ist uns vor dem allen und über dem allen, in unserem Amt und in unserer Gemeinde Ernst zu machen damit, daß die Bekennende Kirche allein aus dem Wort, allein aus der Gnade, allein aus dem Glauben lebt.“144

Für Osterloh scheint der Aufruf eine Art „Befreiung“ von den Zwängen der auf immer verschlungeneren Pfaden sich bewegenden Kirchenpolitik gewesen zu sein: „Das ‚Wort an die Brüder im Amt‘ von Dahlem enthält für mich zunächst als das Entscheidende ein Bekenntnis meiner Angst und meiner Sünde gegenüber der Welt und Gott. Für mich ist es der Ruf: ‚Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben.‘ Ich habe mir von unseren Studenten ihr Leid klagen lassen, ich habe von vielen Gemeindegliedern Fragen des Zweifels an der Bek. Kirche hören müssen, mich selbst habe ich immer wieder auf falschen Hoffnungen ertappt – […] ein Mal mußte ich das, was mich jetzt dabei bewegt, aussprechen, ein Mal mußte der Schrei heraus nach Klarheit und Eindeutigkeit. Mein Gewissen trieb mich, dieses Wort von ganzem Herzen zu bejahen […].“145

Die Mitarbeit an diesem Aufruf, bzw. in diesem Kreis, wird es gewesen sein, die Osterloh wenig später für die alttestamentliche Dozentur an der Kirchlichen Hochschule in Berlin geeignet erscheinen ließ146. Auch nach Abschluss seiner Tätigkeit in Oldenburg blieb Osterloh in Kontakt zum Geschehen in der Landeskirche, wie sein umfangreicher Briefwechsel mit Kloppenburg belegt147.

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DBW 14, S. 67, 68. Brief Osterlohs an Merz vom 16. 8. 1935 (ABS OLDENBURG, I.A.7). 146 Mit Albertz, Asmussen, Hildebrandt, Niesel und Vogel nahmen fünf seiner späteren Kollegen ebenfalls an den Beratungen teil, dazu mit Niemöller und Kloppenburg zwei entscheidend an seiner Berufung beteiligte Personen (vgl. unten S. 53f.). 147 Zwischen 1935 und 1941 sind – ohne Feldpostbriefe (dazu siehe Abschnitt 3) – 19 Briefe und Karten Osterlohs und 14 Briefe und Karten Kloppenburgs erhalten (ABS OLDENBURG, V.10.3; zusätzlich findet sich ein [undatierter] Brief Kloppenburgs an Osterloh [vermutlich vom Frühjahr 1937] in: LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 642/2). 145

2. Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

Der Wechsel nach Berlin brachte für Osterloh Veränderungen mit sich, wie man sie sich einschneidender kaum denken kann: Eben noch im überschaubaren Oldenburg, dazu nur in zweiter Reihe als Assistent Kloppenburgs am Geschehen beteiligt und trotz aller Vorkommnisse in den relativ sicheren Strukturen der Bekennenden Kirche Oldenburgs gut aufgehoben – jetzt eigenverantwortlich als Dozent in der Millionenmetropole Berlin, Zentrum des politischen wie des Unterdrückungsapparates der nationalsozialistischen Diktatur, und noch dazu in einer von kirchenamtlichen und staatlichen Organen eindeutig als illegal gebrandmarkten, gerade gegründeten Kirchlichen Hochschule, die auch vom Großteil der Bekennenden Kirche allenfalls toleriert, niemals jedoch offensiv unterstützt wurde.

2.1 Die Gründung der Kirchlichen Hochschule Berlin Die Forschung zur Geschichte der Kirchlichen Hochschule Berlin muss mit einem Manko leben, das sich aus der Illegalität des Lehrbetriebs ergab und schon 1956 von Heinrich Vogel so beschrieben wurde: „Die Akten und Quellen […] sind in jenen Jahren des Kampfes dem Zugriff der Gestapo auf die denkbar gründlichste Weise entzogen worden, nämlich durch ihre nahezu vollständige Vernichtung.“1 Auch seine Folgerung, „daß spätere Forschungen hinter das von uns statuierte Ergebnis schwerlich werden zurückgehen können“2, sollte sich als wegweisend erweisen: Lange Zeit fand so gut wie gar keine weitere Erforschung der Geschichte der Kirchlichen Hochschule statt, und auch die seit etwa Mitte der 1980er Jahre intensivere Beschäftigung damit beleuchtet in aller Regel lediglich einige Einzelheiten stärker oder ergänzt da und dort einige Angaben Vogels durch Erinnerungen Dritter3. Einzig die Bereiche, zu denen doch noch Akten – von außen – vorliegen, 1

H. VOGEL, Stadium, S. 7. Vogel selbst hatte niedergeschrieben, was sich in gemeinsamen Sitzungen mit seinen Dozentenkollegen Martin Albertz und Günther Harder sowie Friedrich Smend als „gemeinsame Erinnerung“ herauskristallisierte (EBD.). Die Veröffentlichung – zusammen mit einem parallelen Text Harders über die Zeit von 1945–1955 und einigen wichtigen Dokumenten – erfolgte anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens. 2 EBD. 3 Zu nennen sind v. a.: KIRCHLICHE HOCHSCHULE BERLIN 1935–1985; G. RUHBACH, Art. „Hochschulen, Kirchliche“; G. BESIER, Geschichte; C. H. MEISIEK, Theologiestudium, S. 238–248; A. KERSTING, Kirchenordnung, S. 342–354; K. MEIER, Fakultäten, S. 189–210.

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Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

sind inzwischen wirklich über Vogels Bericht hinausgehend beschrieben, so vor allem die Gründungsphase der Hochschule4 und die Tätigkeit der Dozenten im Bruderrat, speziell im Prüfungsamt der Bekennenden Kirche von Berlin und Brandenburg5. Darüber hinaus ist nur noch auf biographisch orientierte Literatur zu verweisen, die zum Teil erhebliche Abschnitte der Tätigkeit bzw. dem Studium an der Kirchlichen Hochschule widmet6.

Den unmittelbaren Anstoß zur Gründung einer eigenen Kirchlichen Hochschule der Bekennenden Kirche hatte der Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust vom 28. Februar 19357 gegeben, in dem er den Fakultäten „jede öffentliche Stellungnahme im Kirchenstreit“ verbot und den Lehrenden die Mitarbeit in den parallel zum Studium an staatlichen Fakultäten angebotenen Ersatzveranstaltungen der Bekennenden Kirche8 sowie die Teilnahme an deren Prüfungen untersagte. Bis dahin war es auch für sich der Bekennenden Kirche zurechnende Studenten üblich, ihr Studium auf staatlichen Fakultäten zu verbringen9. Der vom 26. bis 28. März 1935 in Siegen tagenden zweiten reformierten Bekenntnissynode10 war es vorbehalten, angesichts der anhaltenden staatlichen Eingriffe und Repressalien an den Fakul-

4 Die Gründungsphase ist für beide Zweige der Kirchlichen Hochschule in Berlin und Wuppertal naturgemäß weitgehend parallel zu beschreiben. Aufgrund der Materialfülle grundlegend: H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 1–104. Vgl. auch G. BESIER, Gründung, S. 325–336; G. VAN NORDEN, Kirchliche Hochschule, bes. S. 277–282. 5 Vgl. W. NIESEL, Kirche, passim; G. HARDER, Tätigkeit; P. NOSS, Martin Albertz, S. 229–261. 6 Hier sind v. a. zu nennen: G. DEHN, Zeit, S. 309–314; E. KONUKIEWITZ, Hans Asmussen, bes. S. 148f., 172, 178ff., 217ff.; W. LEHMANN, Hans Asmussen, S. 253–272 (mit zahlreichen Zeichnungen des Verfassers, der Student an der Kirchlichen Hochschule war); H. ROGGELIN, Franz Hildebrandt, S. 104ff.; R. SCHATZ-HURSCHMANN, Frau, bes. S. 123–130; P. NOSS, Martin Albertz, S. 261–271. – Im Blick darauf, dass viele dieser Darstellungen die Zeit an der Kirchlichen Hochschule bruchstückhaft und aus der – oft jahrzehntealten – Erinnerung wiedergeben, erscheint es jedoch unangemessen, davon zu sprechen, zum Studienalltag an der Kirchlichen Hochschule Berlin lägen „umfangreiche Forschungsergebnisse“ vor (so C. H. MEISIEK, Theologiestudium, S. 238). Dies mag im Blick auf den Wuppertaler Zweig zutreffen (darauf lässt auch die angegebene Literatur schließen [EBD., Anm. 889]), für Berlin – auch nach Erscheinen der Albertz-Biographie von Peter Noss (vgl. oben) – sicher nicht. 7 J. GAUGER, Chronik III, S. 462, 464; DKPDR II, S. 271f. 8 Vgl. J. THIERFELDER, Ersatzveranstaltungen; A. KERSTING, Kirchenordnung, S. 342–348. 9 Insofern ist Kurt Meier deutlich zu korrigieren, der den Eindruck erweckt, die Wurzeln der Kirchlichen Hochschulen reichten schon bis zu den Bekenntnissynoden des Jahres 1934 zurück (vgl. K. MEIER, Fakultäten, S. 191). In den von ihm als Beleg angeführten „Grundsätze[n]“ der altpreußischen Bekenntnissynode vom 29. 5. 1934 ist ganz allgemein von der „Ausbildung des Pfarrernachwuchses“, in den Ausführungsbestimmungen zu den Dahlemer Beschlüssen vom 30. 10. 1934 ist eindeutig nur von „Kandidaten und Hilfsprediger[n]“ die Rede, für welche die Provinzialsynode bzw. der Bruderrat Verantwortung tragen (KJ 60–71, 1933–1944 [1948], S. 61, 78). Vgl. auch A. KERSTING, Kirchenordnung, S. 328–342. 10 Die Vorträge und Beschlüsse der Synode sind dokumentiert in: ZWEITE FREIE REFORMIERTE SYNODE IN SIEGEN VOM 26. BIS 28. MÄRZ 1935. Vgl. auch S. LEKEBUSCH, Die Reformierten, S. 222–233.

Die Gründung der Kirchlichen Hochschule Berlin

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täten11 – im Hintergrund stand ganz besonders der Fall des dort anwesenden Karl Barth12 – den Aufbau einer eigenen, bekenntniskirchlichen Hochschule zu initiieren. Ursprünglich hatte man an die Gründung einer eigenen reformierten Hochschule bzw. den entsprechenden Ausbau der Theologischen Schule in Elberfeld gedacht, um Karl Barth in Deutschland halten zu können13, doch wurde im Vortrag Niesels mit dem programmatischen Titel „Kirchliche Hochschule für reformatorische Theologie“14 als ausschlaggebend nun die allgemeine Sorge um den Zustand der Theologenausbildung benannt. Die 1934 gewonnenen Erkenntnisse um das Gemeinsame zwischen Reformierten und Lutheranern sollten im Konzept der zu gründenden Hochschule zum Tragen kommen. Insbesondere Karl Immer ging – im Namen eines von der Siegener Synode beauftragten Ausschusses – in den folgenden Wochen daran, die Vorbereitungen zur Gründung der Hochschule voranzutreiben15. Georg Merz, der als Vorsitzender eines vom Bruderrat der EKapU nominierten parallelen, lutherischen Ausschusses angefragt war, sagte mit dem Hinweis auf eine lutherischerseits erwogene eigene, konfessionell geprägte Ausbildungsstätte ab16. Diese Pläne zerschlugen sich zwar bald, vereitelten aber die ursprünglich noch für den Mai 1935 angesetzte Eröffnung der Hochschule. Die dritte Bekenntnissynode der DEK in Augsburg vom 4. bis 6. Juni 1935 nahm sich des strittigen Themas in eher allgemeiner Form an. Die Bekenntniskirchenleitungen wurden aufgefordert, „für Ersatz solcher Vorlesungen und Übungen Sorge zu tragen, deren Besuch den Studenten

11 Die evangelisch-theologischen Fakultäten standen unter dem Schutz der formal nie aufgehobenen Weimarer Reichsverfassung, die Fakultäten in Preußen hatten zusätzlich eine Bestandsgarantie im preußischen Kirchenvertrag von 1931 erhalten. Trotzdem konnte staatlicherseits natürlich Einfluss genommen werden, vor allem durch das von den Nationalsozialisten exzessiv genutzte Mittel der Versetzung einzelner Professoren, durch Beurlaubungen, vorzeitig angeordneten Ruhestand sowie die Berufung erwünschter Kandidaten auf die frei werdenden Professuren. Eike Wolgast spricht im Ergebnis seiner Untersuchung zum Thema daher von der „weitgehende[n] Zerstörung der theologischen Fakultäten bei institutioneller Fortexistenz“ (DERS., Hochschulpolitik, S. 78). Vgl. auch A. KERSTING, Kirchenordnung, S. 294–316; G. BESIER, Gründung, S. 325f. 12 Grundlegend – bei gebotener kritischer Distanz – immer noch: H. PROLINGHEUER, Karl Barth. Vgl. auch J. F. G. GOETERS, Karl Barth, bes. S. 145–150; H.-P. HÖPFNER, Universität Bonn, S. 151–160; G. BESIER, Kirchen, Bd. 3, S. 40–43. 13 Vgl. K. MEIER, Fakultäten, S. 191f.; S. LEKEBUSCH, Die Reformierten, S. 226; H. ASCHERMANN/ W. SCHNEIDER, Studium, S. 34–37; G. VAN NORDEN, Kirchliche Hochschule, S. 278, G. BESIER, Gründung, S. 326. 14 ZWEITE FREIE REFORMIERTE SYNODE IN SIEGEN VOM 26. BIS 28. MÄRZ 1935, S. 43–52. Vgl. W. NIESEL, Kirche, S. 96f.; H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 45–54; G. BESIER, Gründung, S. 326. 15 Diese unmittelbare Gründungsgeschichte ist am ausführlichsten dargeboten bei H. ASCHERMANN/ W. SCHNEIDER, Studium, S. 69–85 (mit den wichtigsten zugehörigen Dokumenten im Anhang), an denen sich die folgende kurze Schilderung im Wesentlichen orientiert. 16 Vgl. M. M. LICHTENFELD, Georg Merz, S. 604–611.

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Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

um des Gewissens willen nicht zugemutet werden kann“17. Konkrete Aktivitäten entwickelten sich wieder ab Juli 1935, erneut auf Drängen Immers. Als entscheidendes Datum kann der 22. Juli 1935 gelten, an dem sich Immer mit Martin Niemöller und Wilhelm Niesel im Anschluss an eine Sitzung des Reichsbruderrates traf, um die bisherigen Überlegungen zu bündeln und in die konkrete Aufbauphase überzugehen. Auf dieser Sitzung wurde erstmals die Eröffnung der Hochschule an zwei Orten vorgeschlagen, mit einer schwerpunktmäßig lutherischen Abteilung in Berlin und einer reformierten in Wuppertal-Elberfeld. Träger sollte die Bekenntnissynode der EKapU sein, dazu die freie reformierte Synode und die Bekenntnissynoden der zerstörten lutherischen Landeskirchen, die Finanzierung über Gebühren, Spenden und Kollekten erfolgen – man rechnete mit einem Bedarf von je RM 50.000.– jährlich für beide Abteilungen. Von den späteren Berliner Dozenten wurden bereits Asmussen und Vogel vorgeschlagen18. Der altpreußische Bruderrat erklärte sich am 1. August 1935 mit den Vorschlägen im Wesentlichen einverstanden. Bedenken wurden vor allem in Bezug auf die finanzielle Absicherung und wegen des nicht geklärten Verhältnisses zu den herkömmlichen Fakultäten geäußert19. In den vorbereitenden Ausschuss wurde nun – als Vertreter der zerstörten lutherischen Landeskirchen – auch Heinz Kloppenburg berufen20. Der endgültige Beschluss, die Kirchliche Hochschule zum Beginn des Wintersemesters ins Leben zu rufen, fiel in der nächsten Sitzung, am 14. August 193521. Bereits am 19. bzw. 21. August tagten die beiden, nach Konfessionen getrennten Berufungsausschüsse und legten dem altpreußischen Bruderrat am 28. August die fast komplette Berufungsliste vor22. Unter dem Termindruck, der nun einsetzte – insbesondere das Vorlesungsverzeichnis musste rechtzeitig vor dem geplanten Beginn der Veranstaltungen am 1. November 1935 erscheinen –, setzte sich der Bruderrat auch über von ihm zuvor benannte, jedoch nicht erreichte finanzielle Vorbedingungen hinweg, ließ das Vorlesungsverzeichnis in Druck gehen und sprach die vorläufigen Berufungen aus23. Am 21. September 17

Beschluss bzgl. Vorbildung und Prüfung der Pfarrer der Bekennenden Kirche: BEKENNTNISSYNODE DEUTSCHEN EVANGELISCHEN KIRCHE. DRITTE TAGUNG IN AUGSBURG VOM 4.–6. JUNI 1935, S. 75f., zit. S. 76. 18 Vgl. H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 72ff.; G. BESIER, Die Gründung, S. 328. 19 Vgl. H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 74f. 20 Vgl. EBD., S. 75. 21 Vgl. EBD.; G. BESIER, Gründung, S. 328. 22 Bericht Fritz Müllers an Niesel vom 30. 8. 1935 (EZA BERLIN, 50/471, 5). Vgl. H. ASCHERMANN/ W. SCHNEIDER, Studium, S. 77f. Vgl. G. BESIER, Gründung, S. 329. Von den späteren Dozenten waren lediglich Heinrich Vogel und Johannes Wolff noch nicht auf dieser Liste vertreten, die stattdessen noch die Namen Wolfgang Trillhaas und Siegfried Knak enthielt. 23 Bericht Fritz Müllers an Niesel vom 30. 8. 1935 (EZA BERLIN, 50/471, 5). Vgl. H. ASCHERMANN/ W. SCHNEIDER, Studium, S. 79f.

DER

Die Berufung Osterlohs – der Wechsel nach Berlin

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1935 erhielten die Dozenten ihre Berufungsurkunden; schon zuvor, am 10. September, war es zu einer ersten Sitzung aller Dozenten beider Abteilungen mit den Mitgliedern des Bruderrates der EKapU in Berlin gekommen. Hier wurden innere Angelegenheiten der Hochschule besprochen, etwa die endgültige personelle Zusammensetzung der Abteilungen, Fächerverteilung, Vorlesungsverzeichnis usw. Auf einer zweiten solchen Sitzung, am 26. September, wurde das endgültige Vorlesungsverzeichnis beider Abteilungen erstellt und das Statut der Hochschule beraten, das am 28. Oktober 1935 vom Bruderrat beschlossen wurde24. Das Statut beschrieb die Kirchliche Hochschule als eine selbständige „Einrichtung der Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union“, die ihre Aufgaben – Forschung, Ausbildung und Fortbildung – in Bindung an Schrift und Bekenntnis (einschließlich der Barmer Theologischen Erklärung) zu erfüllen hat und von einem sechsköpfigen Kuratorium verwaltet wird25. Der Inhalt der im Statut angesprochenen Verpflichtung der Dozenten auf das Lehramt wurde ebenfalls in derselben Sitzung beraten und beschlossen. Das von Asmussen erstellte Formular orientierte sich an Ordinations- und Fakultätszeugnissen Luthers26. In den für den 1. November 193527 vorgesehenen Eröffnungsgottesdiensten sollte auch die Einführung der Dozenten stattfinden.

2.2 Die Berufung Osterlohs – der Wechsel nach Berlin Zwar sind weder ein offizielles Berufungsschreiben noch sonstige schriftliche Mitteilungen Osterlohs über seinen Weg an die Kirchliche Hochschule erhalten, doch lässt die personelle Konstellation kaum Zweifel offen: In den Hochschulausschuss, der bei den Gründungsvorbereitungen und bei der Benennung der Dozenten die entscheidende Rolle gespielt hatte, war am 1. August 1935 auch Heinz Kloppenburg als Vertreter der zerstörten lutherischen Kirchen berufen worden28. Er wird es gewesen sein, der den gerade einem größeren Berliner Kreis bekannt gewordenen29 Osterloh – wissend um dessen Tätigkeit in Bethel und 24

Vgl. H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 82. Ein Abdruck des Statuts findet sich EBD., S. 312ff. 26 Vgl. EBD., S. 82ff. Das Formular für den Eröffnungsgottesdienst ist dokumentiert EBD., S. 315–318. 27 H. VOGEL, Stadium, S. 12, und mit ihm G. BESIER, Gründung, S. 330, sprechen vom 3. 11. 1935. Richtig ist, dass Freitag, der 1. 11., 20 Uhr (Berlin-Dahlem) bzw. 20.15 Uhr (Barmen-Gemarke) der vorgesehene Termin war. Vgl. auch H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 84. Laut „Merkblatt für die Studierenden in der Kirchlichen Hochschule in Berlin“ sollte der Gottesdienst in Dahlem 20.30 Uhr beginnen (EZA BERLIN, 50/471, 6), diese Uhrzeit nannte auch Asmussen in einem Brief an die Berliner Dozenten vom 25. 10. 1935 (EZA BERLIN, 619/14, 13). 28 Vgl. oben S. 52. 29 Vgl. oben S. 45–48. 25

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seine wissenschaftlichen Ambitionen – als Kandidaten für das Alte Testament vorschlug. Dass laut Beschluss des altpreußischen Bruderrates Hans von Soden, Professor für Kirchengeschichte und Neues Testament in Marburg, um Rat bei der Berufung der Dozenten gebeten wurde30, dürfte ihm ebenso wenig geschadet haben wie die Erkundigungen, die Niemöller über ihn noch bei Kloppenburg einzog31. Osterloh selbst wird diese Chance freudig ergriffen haben, hatte er sich doch schon bei Bultmann darüber beklagt, im Vikariat kaum wissenschaftlich gefordert zu werden32. In einem späteren Brief an seinen Lehrer nannte er folgende Gründe für seinen Entschluss, nach Berlin zu gehen: er hielt „mit Schlier die Position der theol[ogischen] Fakultäten an den staatl[ichen] Universitäten grundsätzlich für verloren“ und er hoffte, neben seiner Repetententätigkeit seine Promotion erarbeiten zu können33. Die nun folgenden Jahre in Berlin gehörten sicher zu den schönsten Zeiten in Osterlohs Leben, trotz Bedrängnis und wachsender Gefährdung, trotz aller Unzulänglichkeiten, von denen noch zu berichten sein wird. Frisch verheiratet bezog er mit seiner Frau die erste gemeinsame Wohnung in einem kleinen Häuschen in Berlin-Zehlendorf34, die sich bald zu einem der vielen Treffpunkte der Kirchlichen Hochschule, aber auch der Bekennenden Kirche Berlins entwickelte. Auch vom äußeren Druck erzwungen, erlebten Anneliese und Edo Osterloh eine Zeit intensiver Gemeinsamkeit: in ihrer Wohnung fanden nicht nur beratende Gespräche mit Studenten und gemütliche Abende mit Kollegen statt, sondern auch einige der „geselligen Abende“ mit Studenten und Dozenten, dazu viele Seminarsitzungen und Vorlesungsstunden35. Anneliese Osterloh war natürlich in die Vorbereitung, oft aber auch in den Ablauf solcher Veranstaltungen stark einbezogen: „Bei Treffen im Hause Osterloh […] war sie eine prächtige Hauswirtin. Sie nahm intensiv Anteil an seiner Arbeit und an der Betreuung der Studenten. Sie spielte als Akademikerin eine sehr selbstbewußte Rolle, aber ‚in Bescheidenheit‘, womit gerade sie sich durchzusetzen pflegte“36. An Freizeiten, die Edo 30

Vgl. H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 75. Vgl. EBD., S. 77. 32 Brief an Bultmann vom 2. 4. 1935 (UB TÜBINGEN, NL Rudolf Bultmann, Mn 2-1505). 33 Brief an Bultmann vom 4. 10. 1936 (EBD.). Bultmann hatte in einem nicht erhaltenen Glückwunsch zu seiner Hochzeit davon abgeraten, den Ruf an die Kirchliche Hochschule anzunehmen (vgl. EBD.). 34 Am Fuchspaß 19, nahe am Grunewald und unweit der S-Bahn-Haltestelle „Onkel Toms Hütte“. 35 Von solchen Abenden berichtet Sieghild Jungklaus, Studentin an der Kirchlichen Hochschule: „Das war da sehr einfach, da waren um den großen Tisch alle Stühle und Hocker zusammengestellt. Da saßen wir dann, Frau Osterloh hatte Tee gekocht, und es gab ein paar Stullen zu essen. Aber die Hautsache war, daß wir zusammen waren und daß wir miteinander reden konnten“ (Gespräch am 23. 9. 1996). 36 Auskunft Wolfgang Lehmann, Gespräch am 5. 4. 1996. Hartmut Jacoby, als angehender bekenntniskirchlich orientierter Theologiestudent im Jahre 1937 zu Gast beim Studentenpfarrer Osterloh, zeigte 31

Die Berufung Osterlohs – der Wechsel nach Berlin

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Osterloh organisierte und leitete, nahm sie ebenso selbstverständlich teil wie ihre Schwestern, wenn sie zur fraglichen Zeit in Berlin zu Besuch waren37. Dazu kam, dass bereits im Herbst 1935 in der gemeinsamen Wohnung ein zweites, zur Sicherheit angelegtes Büro des altpreußischen Bruderrates eingerichtet worden war38. Auch das Verhältnis beider zu den übrigen Dozenten und ihren Frauen war gut, man traf sich häufiger auch privat und hatte freundschaftlichen Kontakt auch zu Niemöllers und deren Umfeld39. Trübungen durch kleinere Reibereien oder dienstliche Probleme blieben natürlich nicht aus40, konnten aber die durch den nur gemeinsam zu ertragenden äußeren Druck gestählten Bande nie ernsthaft gefährden. Osterloh war geachtet und anerkannt als einziger Alttestamentler. Trotz seiner Jugend und trotzdem er zu Beginn seiner Tätigkeit noch nicht einmal das zweite theologische Examen abgelegt hatte41, war er in das Miteinander gleichberechtigt einbezogen. Ein Zeichen dafür war die Übernahme des Patenamtes für den ältesten Sohn der Familie42, den am 8. September 1938 geborenen Eilert, durch Helmut Gollwitzer und Else Niemöller43. Im gleichen Jahr waren die Osterlohs innerhalb Berlins in eine größere Wohnung umgezogen, die am Holsteiner Ufer im Bezirk Tiergarten lag. Der Umzug war notwendig geworden, um die nach der Übernahme des Studentenpfarramtes44 gewachsene sich besonders von der Persönlichkeit seiner Frau sehr beeindruckt, „durch die Art und Weise, wie sie den ängstlichen Noch-Schüler empfing“ (Gespräch am 4. 4. 1996). 37 Auskunft Heidi Leonhardt, Gespräch am 3. 5. 1996. 38 Vgl. W. NIESEL, Kirche, S. 151f. Das Büro wurde verlegt, nachdem Osterlohs Name der Gestapo bekannt geworden war (vgl. EBD., S. 152, Anm.48). 39 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5. 2. 1996. Nach ihrer Aussage gehörte auch Anneliese Osterloh zum „Dahlemer Kreis“, der sich regelmäßig um Martin Niemöller versammelte. 40 Die Auseinandersetzung zwischen Osterloh und Asmussen um die Zuweisung eines Vikars – Asmussen sollte Unterstützung für seine Führungsaufgaben bekommen, Osterloh für seine Tätigkeit im Rahmen des Studentenpfarramtes (vgl. unten S. 74–77), und beide wollten den gleichen Kandidaten haben – hielt Wolfgang Lehmann im Rahmen seiner karikaturistischen Wochenschauen fest (vgl. W. LEHMANN, Hans Asmussen, S. 270). 41 Die Prüfung zum zweiten theologischen Examen fand am 11. 4. 1936 – illegal – im Hinterzimmer des Oldenburger Hauptbahnhofs statt. Der Prüfungskommission der Bekennenden Kirche stand sein Kollege Asmussen vor. Die Prüfung wurde mit „sehr gut“ benotet. Die Ordination erfolgte einen Tag später (vgl. Angaben in der Kandidatenliste der Bewerber um das Pfarramt in Holle 1941: AELOKR OLDENBURG, C XXXV – 39, Bl. 4). 42 Ein erstes Kind hatte Anneliese Osterloh bereits Ende 1935 durch eine Fehlgeburt verloren, die sie auf ihre panische Angst vor der Gestapo zurückführte: Am Abend zuvor war Edo Osterloh viel später als erwartet nach Hause gekommen … (Auskunft Heidi Leonhardt, die sie in den ersten Wochen nach diesem Schicksalsschlag betreute; Gespräch am 3. 5. 1996). 43 Weitere Paten waren Wolfgang Lehmann, Hans Jürgen Hübner, ein Bruder Annelieses, und Frau Freudenberg, deren Mann Adolf wegen der jüdischen Abstammung seiner Frau gezwungen worden war, seinen Dienst als Legationsrat im Auswärtigen Amt zu quittieren, und nun an der Kirchlichen Hochschule Theologie studierte; vgl. W. LEHMANN, Hans Asmussen, S. 179. 44 Vgl. unten S. 74–77.

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Besucherzahl besser und vor allem unauffälliger bewirten zu können45, aber wohl auch, weil die anstehende Geburt des ersten Sohnes, dem nach dem Willen der Eltern weitere Kinder folgen sollten, eine größere Wohnung voraussetzte, wenn die intensiven Studien und Vorbereitungen, die Edo Osterloh zu Hause betrieb, weiter möglich sein sollten. Diese Planungen wurden, wie die von so vielen anderen in dieser Zeit, durch den von Hitler entfesselten Krieg jäh und unerbittlich durchkreuzt, denn das am 8. Juli 1940 geborene zweite Kind, Heidi, sah Osterloh schon nur noch „zu Besuch“, und das auch nur, weil er das Glück hatte, nach seiner Einberufung zum Kriegsdienst am 6. Juni 1940 in einem heimatnahen Ausbildungsort (Frankfurt/ Oder) stationiert zu sein46.

2.3 Vorbehalte gegen die Kirchliche Hochschule Von Anfang an hatte es starke Vorbehalte gegen die geplante Kirchliche Hochschule gegeben, die sich – abgesehen von der zu erwartenden Kritik seitens der den „Deutschen Christen“ nahestehenden Dozenten47 – im Wesentlichen drei inhaltlichen Schwerpunkten zurechnen lassen: Kritisiert wurde das ungeklärte Verhältnis zu den staatlichen Fakultäten48, die unklare Gesamtkonzeption überhaupt, hinter der man das Bestreben vermutete, die Ausbildung der Theologiestudenten wieder ganz unter kirchliche Obhut und Aufsicht zu nehmen, inklusive der Vermittlung der erwünschten Lehrmei45

„Sie hatten dann am Holsteiner Ufer eine große Wohnung mit einem Berliner Zimmer, das sind diese mittleren Räume, die sehr groß sind. Da wurden dann auch Seminare abgehalten“ (Auskunft Heidi Leonhardt, Gespräch am 3. 5. 1996). 46 In einem kurzen Dankbrief an Bultmann für dessen Glückwünsche zur Geburt erwähnt Osterloh einen eintägigen Besuch bei seiner Frau „und den beiden Kleinen“ am 21. 7. 1940 (Brief vom 28. 7. 1940 [UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505]). Zu Osterlohs Militärdienstzeit vgl. unten S. 93–121. 47 Als Beispiel sei genannt die Broschüre „Theologisches Lehramt in Kirche und Reich. Ein Wort zur geschichtlichen Stellung und Aufgabe der Theologischen Fakultäten“ von Ethelbert Stauffer (Bonn 1935), in der er von „Kirchenseminarien“ einer „Sekte“ sprach. Stauffer war 1934 im Zuge der o. g. Versetzungspolitik Professor für Neues Testament in Bonn geworden. Vgl. H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 90ff.; C. H. MEISIEK, Theologiestudium, S. 241–244; G. VAN NORDEN, Kirchliche Hochschule, S. 279. 48 Dies war einer der Punkte, die Niesel nach seinem Bericht über die Gründungsvorbereitungen in der Sitzung der Vorläufigen Leitung der DEK vom 23. 10. 1935 entgegengehalten wurden: die Gründung bringe die bekenntnistreuen Professoren an den Fakultäten in eine missliche Lage und könnte den Staat dazu provozieren, gegen die theologischen Fakultäten insgesamt vorzugehen (EZA BERLIN, 619/14, 8–10). In dieser Argumentationslinie liegt auch das häufig zitierte Diktum Hans Emil Webers in einem Brief an Paul Humburg: „Die Bekennende Kirche gibt die Fakultäten preis, fällt uns in den Rücken!“ (zit. in H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 94; vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 88). Vgl. auch G. VAN NORDEN, Kirchliche Hochschule, S. 280; A. KERSTING, Kirchenordnung, S. 352.

Vorbehalte gegen die Kirchliche Hochschule

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nungen49. Befördert wurde diese Kritik durch die Besetzung des neugeschaffenen „Lehramtes“ der Bekennenden Kirche der altpreußischen Union, das die Aufsicht über die Kirchliche Hochschule führen und ihre enge Bindung an die Kirche gewährleisten sollte, mit Hans Asmussen50, von jeher ein Verfechter der kirchlichen Autorität gegenüber der Wissenschaft. Aber auch an den Namen der Initiatoren und ersten Dozenten war abzulesen, dass an der Kirchlichen Hochschule eine Theologie dominieren würde, die sich ganz stark an den Einsichten der Dahlemer Bekenntnissynode orientierte51. Ein zweiter, weitverbreiteter Vorwurf gegen die Kirchliche Hochschule bzw. gegen die an ihr Lehrenden, der sich mit dem ersten verschränkte und wechselseitig verstärkte, war der ihrer mangelnden Wissenschaftlichkeit bzw. wissenschaftlichen Qualifikation52. Tatsächlich hatte kein ordentlicher Professor freiwillig seinen gutdotierten und sicheren Lehrstuhl an einer staatlichen Fakultät zugunsten der unsicheren Existenz an der Kirchlichen Hochschule preisgegeben. Und wenn auch der spätere wissenschaftliche Werdegang vieler Dozenten und Studenten der Kirchlichen Hochschule diesen Vorwurf im Nachhinein relativieren dürfte, war er in den ersten Jahren ihres Bestehens doch stets präsent und nicht gänzlich unbegründet53. Die dritte Art Bedenken gegenüber der Kirchlichen Hochschule war konfessioneller Natur, vor allem aus den intakten lutherischen Landeskirchen des Südens wurde immer wieder geäußert, die Kirchliche Hochschule sei zu stark reformiert geprägt und vertrete eine unionistische Theologie54. 49 Diesen Vorwurf äußerte Hans von Soden schon im Juli 1935 anlässlich der Verpflichtung der Mitglieder der bekenntniskirchlichen Prüfungskommissionen auf eine Erklärung, die ausdrücklich auf Barmen und Dahlem Bezug nahm (vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 86f.). Zur entsprechenden Diskussion um die Kirchliche Hochschule selbst vgl. H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 92f.; G. BESIER, Geschichte, S. 251–254; G. VAN NORDEN, Kirchliche Hochschule, S. 280f.; A. KERSTING, Kirchenordnung, S. 352. Laut Heinrich Vogel war es aber nicht Anliegen der Initiatoren, eine neue Konzeption „von dem Wesen und der Aufgabe theologischer Ausbildung in der Entgegenstellung eines Prinzips Kirchlicher Hochschulen gegenüber der tradierten Gestalt theologischer Fakultäten“ zu verwirklichen (DERS., Stadium, S. 8). – Zu späteren Überlegungen zur Reform des Theologiestudiums in Kreisen der Kirchlichen Hochschule vgl. G. BESIER, Geschichte, S. 265–268. 50 Vgl. A. KERSTING, Kirchenordnung, S. 350. 51 Zu den ausgeprägten Beziehungen der Berliner Dozenten zu Karl Barth vgl. G. BESIER, In der Kirche leiten. 52 So bedauerte z. B. der Leiter des rheinischen Theologiestudentenamtes, Hans Walter Wolff, die Studenten der Kirchlichen Hochschule, weil sie jetzt die „Universitas“ missen müssten, was „nichts Geringes“ sei (vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 88). Vgl. H. VOGEL, Stadium, S. 15f.; G. BESIER, Geschichte, S. 256. 53 Vgl. unten S. 82f., bes. Anm. 190. 54 Auch dies kritisierte die Vorläufige Leitung der DEK bereits am 23. 10. 1935: der konfessionelle Lehrunterschied werde aufgegeben, für lutherische Arbeit fehle gerade in Berlin jegliche Verankerung in der lebendigen Kirche (vgl. oben Anm. 48). Deshalb auch war Georg Merz dem Ruf zur Mitarbeit nicht

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Neben diese Vorbehalte trat erschwerend die viele enttäuschende Haltung des altpreußischen Bruderrates, der sich im Konflikt mit den traditionellen Fakultäten und in der weiteren Unterstützung „seiner“ Kirchlichen Hochschule auffallend zurückhielt und offenbar keine weiteren Konfrontationen riskieren wollte55.

2.4 Lehrbetrieb und Studentenarbeit an der Kirchlichen Hochschule 2.4.1 Beginn und Verbot Problematischer als die genannten Vorbehalte aber war die kompromisslose Ablehnung der Kirchlichen Hochschule durch die zuständigen kirchenamtlichen und staatlichen Stellen. Schon der Eröffnungsgottesdienst wurde von der Gestapo verboten56; die Dozenten wurden gleich am ersten Tag zu stundenlangen Verhören geladen57, denen im Lauf der Jahre zahlreiche folgen sollten. Trotzdem konnten die Vorlesungen zunächst planmäßig aufgenommen werden. Als erster las am Montag, dem 4. November 1935, Osterloh im Haus des Altfreunde-Verbandes der Deutschen Christlichen Studenten-Vereinigung (DCSV) hinter der Friedrich-Werderschen Kirche von 10.00 bis 11.00 Uhr über die „Auslegung des gefolgt: es störte ihn das Vorgehen des unierten altpreußischen Bruderrates, ihn auf Vorschlag der reformierten freien Synode zum Vorsitzenden eines lutherischen Berufungsausschusses zu machen (vgl. M. M. LICHTENFELD, Georg Merz, S. 609). In der Publizistik wandte sich mit diesem Argument unter anderem Hermann Sasse gegen die Kirchliche Hochschule: DERS., Hochschule. Vgl. auch H. ASCHERMANN/ W. SCHNEIDER, Studium, S. 95f. 55 Vgl. A. KERSTING, Kirchenordnung, S. 352. – Heinrich Schlier, Leiter der Abteilung Wuppertal, äußerte entsprechende Kritik bereits am 22. 10. 1935 brieflich (abgedruckt bei: H. ASCHERMANN/ W. SCHNEIDER, Studium, S. 305–308). Schlier ist auch Verfasser zweier Broschüren, die das Konzept der Kirchlichen Hochschule offensiv verteidigten: Die Verantwortung der Kirche für den theologischen Unterricht; Die kirchliche Verantwortung des Theologiestudenten. – W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 88f., führt als Beispiel für die beschriebene Haltung den rheinischen und westfälischen Bruderrat an, der statt der Kirchlichen Hochschule Wuppertal die Fakultät Münster als „westfälisch-rheinische Heimatfakultät“ ansah, und kommt bezüglich der Kirchlichen Hochschule zu dem Schluss: „Vielen in der BK erschien sie wie ein Privatunternehmen einiger engagierter Glieder der BK (vor allem Pastor Karl Immers und der beteiligten Dozenten)“ (EBD., S. 88). Vgl. auch H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 94; G. BESIER, Geschichte, S. 255f. 56 Martin Niemöller als dem geschäftsführenden Pfarrer der Gemeinde Dahlem, in der man den Gottesdienst begehen wollte, „wurde auferlegt, die Kirchentüren verschlossen zu halten und auf denselben Plakate mit der Bezeichnung: ‚Der heutige Gottesdienst fällt aus‘ anzubringen. So fand die Gemeinde […] dieses Gotteshaus zum ersten Mal seit Beginn des Kirchenkampfes verschlossen vor“ (Bericht des altpreußischen Bruderrates über die Vorkommnisse in Wuppertal-Elberfeld und Berlin vom 11. 11. 1935 [EZA BERLIN, 50/69, 9–11, Zitat: 10]). 57 In einem aus den Amtskalendern Wilhelm Niesels zusammengestellten Kalendarium von 1934– 1945 ist am 1. 11. 1935, 11.45 bis 16.45 Uhr ein Verhör „im Alex“ (= Untersuchungsgefängnis am Alexanderplatz) durch Kriminalrat Küßner und Dr. Dittler verzeichnet (EZA BERLIN, 50/470, 4).

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Buches Ezechiel“58. Mit Osterloh (Altes Testament und Philosophie) begannen die Dozenten Lic. Martin Albertz (Neues Testament), Hans Asmussen (Praktische Theologie und Exegese), Joseph Chambon (Reformierte Kirchengeschichte), Lic. Franz Hildebrandt (Lutherische Theologie), Lic. Wilhelm Niesel (Reformierte Dogmatik), Heinrich Vogel (Lutherische Dogmatik) und Johannes Wolff (Kirchengeschichte)59. Doch schon Mittwoch, der 6. November 1935, brachte das Ende des legalen Lehrbetriebs der Kirchlichen Hochschule Berlin. Es „erschienen […] nach der dritten Vorlesung Beamte der Staatspolizeistelle Berlin und erklärten dem Leiter der Hochschule, Pastor Asmussen, gegenüber die Hochschule für verboten und aufgelöst“60. Der große Saal des DCSV-Hauses wurde versiegelt, weshalb die Veranstaltungen, die man weiterzuführen entschlossen war, nun auf verschiedene Räumlichkeiten verteilt werden mussten, v. a. Gemeindehäuser, Konfirmandenräume und das Studentenkonvikt in der Charitéstraße61. Trotz des Verbotes fanden die Veranstaltungen also noch in der Öffentlichkeit statt und wurden in dieser Form in den ersten beiden Semestern auch toleriert. Diese kaum zu erwartende Toleranz des nationalsozialistischen Staates dem Fortbestehen einer von seinen Behörden verbotenen Institution gegenüber wird vor allem zwei Ursachen gehabt haben: Seit Mitte 1935 hatte man in der Kirchenpolitik einen anderen Kurs eingeschlagen. Mit Erlass vom 16. Juli 1935 hatte Hitler Reichsminister Hans Kerrl mit der Zuständigkeit für die kirchlichen Angelegenheiten betraut62. Das neue „Reichskirchenministerium“, das zwar nicht durch diesen Erlass begründet worden war, sich aber durch die Initiative Kerrls schnellstmöglich daraus entwickelte, versuchte seit Herbst 1935 bei der Bildung eines Reichskirchenausschusses und einiger Landeskirchenausschüsse auch „gemäßigte“ Kreise der Bekennenden Kirche zur Mitarbeit in diesen Gremien zu gewinnen, die bis Herbst 1937 die jeweiligen Kirchen leiten und neu ordnen sollten63. Diese „Befriedungspolitik“ sollte sicher nicht durch ein allzu rigides Vorgehen, das den gemäßigten Teil der Bekennenden Kirche nur enger 58 Vgl. KIRCHLICHE HOCHSCHULE. VORLESUNGSVERZEICHNIS FÜR DAS WINTERSEMESTER 1935/36 (u. a. in: EZA BERLIN, 50/101; ein Faksimileabdruck: H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 107–110); vgl. auch H. VOGEL, Stadium, S. 12. 59 Vgl. H. VOGEL, Stadium, S. 12. – 1936/37 traten noch Prof. D. Günther Dehn (Praktische Theologie), Lic. Dr. Günther Harder (Neues Testament), Lic. Walter Dreß (Kirchengeschichte) und Helmut Gollwitzer (Dogmatik) in das Kollegium ein, das damit seine wissenschaftliche Reputation nach und nach verbessern konnte (vgl. EBD., S. 13; G. BESIER, Gründung, S. 329). 60 Zit. aus dem Bericht des altpreußischen Bruderrates vom 11. 11. 1935 (vgl. oben Anm. 56), 2. 61 Vgl. H. VOGEL, Stadium, S. 16. Wolfgang Lehmann erinnerte sich an Räumlichkeiten v. a. in Pankow und in der Innenstadt, kaum in Dahlem, weil es dort an geeigneten Räumen mangelte (Gespräch am 5. 4. 1996). 62 Vgl. DKPDR II, S. 333. 63 Vgl. jetzt: H. KREUTZER, Reichskirchenministerium, bes. S. 263–285. Siehe auch: H. BOBERACH, Organe; J. S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 147–159; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 2, S. 78–101, 115–129;

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an den radikalen herangeführt hätte, gefährdet werden. Ein weiterer Grund erschließt sich beim Blick auf das allgemeine Zeitgeschehen: Die Olympischen Spiele von Berlin, die dem Regime einen unerhörten Propagandaerfolg bringen sollten, standen an. Die Rücksichtnahme auf ausländische Berichterstattung im Zeichen dieser Spiele ließ hier wie in anderen Bereichen eine Atempause zu. Jeder neue Konflikt, der das Interesse des Auslands hätte hervorrufen können, war zu vermeiden, um das positive Bild des neuen nationalsozialistischen Deutschland, das dem Ausland vermittelt werden sollte, nicht zu gefährden64.

2.4.2 Die ersten Semester – „Normalität“ So waren die Probleme und Belastungen, die sich am Beginn der Dozententätigkeit Osterlohs und der anderen ergaben, gar nicht einmal primär auf das Verbot zurückzuführen, sondern profanerer Natur: Die Hochschulgründung barg unter den gegebenen Umständen natürlich allerlei Risiken und Ungewissheiten auf dem Gebiet von Organisation und Verwaltung. Speziell betraf das die Finanzierung des ganzen Unternehmens wie auch die bis kurz vor Beginn des Semesters unklare Frage der Besoldung der einzelnen Dozenten65. Alles, was in der Hektik der Gründungsphase liegen geblieben oder offen gelassen worden war, musste nun zu Beginn des ersten Semesters auf Treffen von Dozentenschaft und Kuratorium der Hochschule gelöst werden. Zu einer ersten solchen Beratung hatte Hans Asmussen schon für den 6. November 1935 eingeladen66, DERS., Kreuz, S. 127–136; K. SCHOLDER, Kirchenkampf, S. 140–143. Quellen: DKPDR III; K. D. SCHMIDT, Dokumente II. 64 Vgl. H.-U. THAMER, Verführung, S. 425f.; P. REICHEL, Schein, S. 264–268; G. BESIER, Kirchen, Bd. 3, S. 488, 543–551; J. S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 183; C. P. WAGENER, Kirchenpolitik, S. 83f. – Den „Erfolg“ dieser Politik schildert der amerikanische Korrespondent William L. Shirer: „Sie [= andere Amerikaner] hatten mit Göring gesprochen, und dieser meinte, wir amerikanischen Korrespondenten verhielten uns gegenüber den Nazis unfair. ‚Hat er Ihnen von der Unterdrückung zum Beispiel der Kirche durch die Nazis etwas gesagt?‘ fragte ich. ‚Ja‘, versicherte einer der Männer, ‚und er machte uns klar, daß alles, was ihr Kerle über Religionsverfolgung hier schreibt, unwahr ist.‘“ (W. L. SHIRER, Berliner Tagebuch [Eintrag vom 16. 8. 1936], S. 68). 65 Vom 30. 8. 1935 datiert die Zusage an Osterloh, er solle für die Tätigkeit an der Kirchlichen Hochschule seine bisherigen Bezüge und eine „besondere Teuerungsentschädigung etwa in Höhe des Zuschusses für doppelten Haushalt nach den staatlichen Sätzen“ erhalten (LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 115). Aber noch nach seinem zweiten Examen musste Osterloh am 25. 4. 1936 in einem Brief an Kloppenburg folgende Bitte äußern: „Teile Asmussen bitte offiziell mit, welches Gehalt ein ordinierter Hilfsprediger in Oldenburg bezieht. Ich möchte von den großen Schulden gerne bald etwas abtragen“ (ABS OLDENBURG, V.10.3). Die mit der Ordination (der unterzeichnete Ordinationseid lag dem Brief bei) verbundene Gehaltsaufbesserung wurde offenbar dringend benötigt. 66 Brief Asmussens an die Dozenten der Kirchlichen Hochschule Berlin vom 25. 10. 1935 (EZA BERLIN, 619/14, 13). Der Brief ist bezeichnend für die Ungewissheit der Situation und den völlig unbüro-

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und ein wesentlicher, zum Zeitpunkt der Einladung noch nicht absehbarer Programmpunkt dürften auch die Probleme infolge des Verbots gewesen sein. In besonderer Weise wurde Osterloh von dem Umstand getroffen, dass es nicht gelungen war, einen weiteren Fachvertreter für das Alte Testament zur Mitarbeit zu gewinnen: die Übernahme aller alttestamentlichen Veranstaltungen brachte erhebliche Mehrarbeit67. Dazu traten verschiedene Verpflichtungen innerhalb der Bekennenden Kirche, z. B. Vorträge in Gemeinden, die theologische Leitung eines Berliner Pfarrkonventes, die Vorbereitung und Durchführung von Freizeiten und schließlich die Mitarbeit im Prüfungsamt von Berlin-Brandenburg. Dies alles beanspruchte ihn so stark, dass das Arbeiten an der von ihm erstrebten Promotion in Systematischer Theologie ganz unterbleiben musste68. Der Studienbetrieb begann dafür umso erfolgversprechender und verlief fast „normal“, denn innerhalb des ersten Jahres stieg die Studentenzahl auf etwa 100. Trotz des in Geltung befindlichen Verbotes fanden Zusammenkünfte aller Dozenten statt, am 26. Juni 1936 wurde sogar ein Lehrgespräch über die Unterschiede von reformierter und lutherischer Lehre mit Dozenten und Studenten veranstaltet69. Die Dozenten kümmerten sich unter der Leitung von Hans Asmussen – ab 1937 Heinrich Vogel – gemeinsam um die Angelegenheiten der Hochschule und trafen sich reihum in den Wohnungen derer, die in Berlin lebten70. Im April 1936 nahm der Großteil von ihnen an der sog. „Tulpenfahrt“ nach Holland teil, um dort gemeinsam mit anderen Theologen einer Disputation mit Karl Barth über „Gesetz und Evangelium“ beizuwohnen, auf der es zum Konflikt zwischen Barth und Asmussen kam71. Zum Sommersemester 1936 wurden die Vorlesungen und Seminare angekündigt als vom „Lehramt der Evang. Kirche der altpr. Union“ veranstaltete „Arbeitsgemeinschaften“72, gemeinkratischen Umgang damit. So schrieb Asmussen – sechs Tage vor Eröffnung! –, er habe sich aufgrund der immer noch nicht vorliegenden Genehmigung der Wahl der Dozenten durch den Preußischen Bruderrat bisher nicht äußern können, wolle es nun aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, „daß noch außerordentlich viele Fragen ungeklärt sind“. Und weiter, wichtig gerade auch für Osterloh: „Diejenigen Brüder, welche am 1. November bereits von der Hochschule Gehalt beziehen müssen, bitte ich hiermit, mir die auf Grund ihrer Anstellungsurkunde nach ihrer Meinung zustehende Summe umgehend anzuzeigen, damit ich mich um rechtzeitige Auszahlung mühen kann.“ 67 Vgl. Brief Osterlohs an Bultmann vom 4. 10. 1936 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 68 Vgl. EBD. – Näheres zu dieser Arbeit, die anscheinend nicht einmal begonnen wurde und fernerhin in Briefen Osterlohs keine Erwähnung mehr fand, ist wohl nicht zu ermitteln. 69 Vgl. H. VOGEL, Stadium, S. 16. 70 Vgl. EBD., S. 13, 16 71 Vgl. G. BESIER, Auseinandersetzung, S. 114f.; DERS., In der Kirche leiten, S. 469f.; H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 158ff.; G. VAN NORDEN, Kirchliche Hochschule, S. 281f. – Ein Typoskript der Thesen Asmussens sowie eine handschriftliche Fassung des Vortrages und eine Mitschrift der Diskussion finden sich in LKA BIELEFELD, 5.1, 785/2. 72 Veranstaltungsankündigung u. a. in: EZA BERLIN, 50/471, 10.

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same Vorlesungsverzeichnisse von Berlin und Wuppertal hat es nach dem Verbot des ersten Semesters nicht mehr gegeben. Ein weiterer Höhepunkt der ersten Zeit mit großer Außenwirkung war der „Theologische Kursus“, der vom 1. bis 30. September 1936 in Dahlem durch die Dozenten organisiert und vom altpreußischen Bruderrat als „Ersatzveranstaltung“ für die Studenten an staatlichen Fakultäten angekündigt wurde. Der gewünschten Verbindung von Lehre und Leben dienten die Unterbringung der ca. 120 Teilnehmer bei Gemeindegliedern in Dahlem, zahlreiche „Offene Abende“ in den Wohnungen der Dozenten, die Möglichkeit der Teilnahme an Martin Niemöllers „Bekenntnisabenden“, bei denen auch Anneliese und Edo Osterloh regelmäßig anwesend waren, sowie ein Ausflug von Dozenten und Studenten zu Heinrich Vogel nach Dobbrikow im Spreewald73. In nahezu allen Berichten über das damalige Studium an der Kirchlichen Hochschule wird das besondere Verhältnis zwischen Dozenten und Studenten, aber auch der Dozenten und Studenten untereinander angesprochen. Die Illegalität des ganzen Unternehmens, das Gefühl, aufeinander angewiesen zu sein, die Mischung aus Vertrauen untereinander und Verschwiegenheit gegenüber Dritten, verbunden mit dem Bewusstsein, hier etwas wirklich Neues mitzugestalten bzw. mitzuerleben, dürften hierfür mitbestimmend gewesen sein. Eindrucksvoll illustriert wurde diese Grundstimmung wohl schon zu Beginn des ersten Semesters, als am 25. November 1935 die „Einweisung“ der Dozenten „in das Kirchliche Lehramt“ nun doch noch vorgenommen werden konnte – im Notkirchensaal der Spandauer Bekenntnisgemeinde74. Eine Teilnehmerin behielt Folgendes in Erinnerung: „Dieser Gottesdienst ist mir unvergeßlich, denn damals begann ich zu ahnen, daß wir bereit sein müßten, eine Katakombenkirche zu werden.“75 Verstärkt wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl sicher durch die auch innerhalb der Bekennenden Kirche nicht abreißende Diskussion über Sinn und Unsinn der Hochschule. Besonders heftig entbrannte der Streit an der Frage, ob BK-Theologen an Veranstaltungen der „kirchlichen Mitte“ teilnehmen durften, die von den staatlichen Kirchenausschüssen unterstützt wurden. Wolfgang Trillhaas hatte dies getan und wurde dafür von Wilhelm Niesel scharf angegriffen. Hier zeigte sich die nicht nur bei 73 Vgl. H. ROGGELIN, Franz Hildebrandt, S. 105f.; G. BESIER, Gründung, S. 331; W. SCHWEITZER, Schatten, S. 93f.; W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 115f. – Ein Foto der in Dobbrikow versammelten Dozenten (ohne Osterloh) findet sich bei G. BESIER, In der Kirche leiten, S. 463, ein ganz ähnliches in: R. LANGE/P. NOSS, Bekennende Kirche, S. 129. 74 Vgl. H. VOGEL, Stadium, S. 14f. Die Spandauer Bekenntnisgemeinde war durch ihren Pfarrer Martin Albertz besonders eng mit der Kirchlichen Hochschule verbunden und stellte oft Räumlichkeiten für deren Veranstaltungen (vgl. P. NOSS, Berlin-Spandau, S. 511f.). 75 A. GROSCH, Vergangenheit, S. 31.

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Niesel vorfindbare Tendenz, die eigene, „radikal dahlemitische“ Position absolut zu setzen und jede Abweichung davon in Richtung Kompromiss gleich mit dem Verdikt des eintretenden status confessionis zu belegen76. Diese Haltung verfestigte sich noch unter dem bald wieder steigenden Druck von außen, denn das Jahr 1937 brachte die Rückkehr der staatlichen Stellen zur Konfrontationspolitik.

2.4.3 Weiterarbeit trotz zunehmenden Drucks Schon am 18. September 1936 hatte Reichserziehungsminister Rust die Gestapo ersucht, den Ferienkurs in Dahlem aufzulösen und die für das Wintersemester geplanten Veranstaltungen zu verbieten77. Auf Druck der staatlichen theologischen Fakultäten verbot Rust in einem weiteren Erlass vom 17. November 1936 allen Theologiestudenten an staatlichen Fakultäten den Besuch von „Ersatzkurse[n] und ähnliche[n] Einrichtungen an Stelle der Hochschulvorlesungen“ und die weitere Beteiligung „am Boykott gegen Hochschullehrer“78. Selbst danach geschah in Berlin noch nichts79, obwohl man im Wintersemester 1936/37 wie gewohnt weiterarbeitete. Selbst ein am 12. Februar 1937, dem Tag des Rücktritts des Reichskirchenausschusses, gegenüber Asmussen erneut ausgesprochenes Verbot der Veranstaltungen80 – immerhin das dritte dieser Art innerhalb von eineinhalb Jahren – konnte noch einige Zeit erfolgreich ignoriert werden. Auch diesmal lag die Ursache für die staatliche „Toleranz“ gegenüber diesem Verhalten in der übergeordneten politischen Konstellation: Hitler hatte gehofft, beide Kirchen angesichts des 1936 ausgebrochenen Spanischen Bürgerkriegs für eine „antibolschewistische Front“ gewinnen zu können81. Schon das Scheitern der Kirchenausschusspolitik konnte ihm da nicht gefallen, zumal es in der Auslandspresse bereits zu Berichten über einen sich wieder verschärfenden Kirchenkampf gekommen war82. Am 15. Februar 1937 gestand Hitler deshalb der evangelischen Kirche überraschend sogar die Neuwahl einer Generalsynode zu, die ihr „in voller Freiheit […] die neue Verfassung und damit eine neue Ordnung ge-

76

Vgl. G. BESIER, Geschichte, S. 257–260. Vgl. H. LUDWIG, Theologiestudium, S. 303 mit Anm. 3. 78 Abdruck: DKPDR III, S. 276f; K. D. SCHMIDT, Dokumente II, S. 1174, Anm. 151. 79 Dagegen waren die Verbote einer Theologiestudenten-Freizeit Ende Oktober in Sachsenhausen und einer „Theologischen Woche“ Ende November in Breslau durchgesetzt worden (vgl. G. BESIER, Geschichte, S. 257). 80 Vgl. H. LUDWIG, Theologiestudium, S. 307. 81 Vgl. K. SCHOLDER, Politik, S. 213–224; G. BESIER, Kirchen, Bd. 3, S. 761–775. 82 Vgl. K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 2, S. 148; G. BESIER, Kirchen, Bd. 3, S. 640ff. 77

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Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

ben“ können sollte83. Sich damit verbindende Hoffnungen waren jedoch nur von kurzer Dauer: Das Bekanntwerden der Enzyklika „Mit brennender Sorge“84, in der Papst Pius XI. die Zustände in Deutschland scharf angriff, bereitete Hitlers Überlegungen ein jähes Ende. Er verlor jegliches Interesse an der Kirchenfrage und ließ nun den Protagonisten eines ganz anders gearteten Umgangs mit den Kirchen, die es in der NSDAP immer gegeben hatte, weitgehend freie Hand, sich gegen die bisher die Kirchenpolitik bestimmenden Einflüsse zu behaupten85. Auch personell lässt sich der Umschwung festmachen: Kurze Zeit zuvor war der Posten des Stellvertreters des Reichskirchenministers von Hermann von Detten auf Hermann Muhs übergegangen86. Der Kurswechsel gegenüber den Kirchen fand seinen augenfälligsten Ausdruck in einer Welle von Verhaftungen, die mit Martin Niemöller, dem „spiritus rector“ der Kirchlichen Hochschule Berlin, am 1. Juli 1937 ihr prominentestes Opfer fand87; aber beispielsweise auch Wilhelm Niesel wurde zweimal kurzzeitig verhaftet88. Einschneidendere Konsequenzen für den Lehrbetrieb aber hatte das am 29. August 1937 ausgesprochene Verbot aller Art theologischer Ausbildung durch die Bekennende Kirche89 und die Relegierung von insgesamt 29 Studenten von der Berliner Universität, weil sie auch Veranstaltungen der Kirchlichen Hochschule besucht hatten90. Die Mehrheit der Dozenten (unter ihnen Osterloh) sprach sich trotz dieser Eskalation für die Fortsetzung der Arbeit aus91. Nun allerdings musste man den Lehrbetrieb völlig dezentralisieren und ging „in die Katakomben“, die Heinrich Vogel später so beschrieb: „Ein möglichst unauffälliges Privatzimmer, die Giebelstube auf einem Pfarrhausboden in der Umgebung von Berlin, der Hinterraum einer Kneipe, das Schlafzimmer der Pfarrersleute, eine 83 DKPDR III, S. 321. – Die EBD., S. 321f., abgedruckte Tagebuchaufzeichnung Goebbels’ stellt allerdings klar, dass es sich hier nicht um einen echten Sinneswandel, sondern um ein taktisches Manöver handelte, das die Kirche angesichts des kommenden Krieges ruhig stellen sollte. Vgl. auch H. KREUTZER, Reichskirchenministerium, S. 286–291; G. BESIER, Kirchen, Bd. 3, S. 640ff. 84 Text: DER NOTENWECHSEL ZWISCHEN DEM HEILIGEN STUHL UND DER DEUTSCHEN REICHSREGIERUNG, Bd. 1, S. 404–443 (rechte Spalte). Auszüge: KTGQ IV/2, S. 147ff. (Neuauflage = V, S. 135ff.). 85 Vgl. K. SCHOLDER, Politik, S. 224–227; H. BOBERACH, Organe, S. 316f. 86 „Der Sicherheitsdienst resümierte rückblickend, daß in der Zeit von Kerrls Stellvertreter Hermann von Detten von Juli 1935 bis November 1936 eine eher bekenntnisfreundliche Politik betrieben worden sei, hingegen sei unter Muhs die Politik eindeutig in die Richtung hin zur staatlichen Förderung der Deutschen Christen geschwenkt“ (H. KREUTZER, Reichskirchenministerium, S. 303). 87 Vgl. J. SCHMIDT, Martin Niemöller, S. 428–433. 88 Kalendarium aus Niesels Amtskalendern, Einträge vom 14. 6. und 28. 7. 1937 (EZA BERLIN, 50/470, 8). Einen Eindruck von der Art des Vorgehens liefert W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 3, S. 5f. 89 Vgl. DKPDR IV, S. 106f. 90 Vgl. H. LUDWIG, Theologiestudium, S. 307–315. 91 Vgl. H. VOGEL, Stadium, S. 18f. Asmussen und andere hatten für eine Sistierung der Arbeit plädiert, weil die Gefahr für die Studenten zu groß geworden sei (vgl. EBD.).

Osterloh als Dozent und Vertrauter seiner Studenten

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Studentenbude“92. Fortan durften nur noch höchstens zehn Studenten an einer Veranstaltung teilnehmen, und auch diese mussten sich unauffällig verhalten, durften den Versammlungsraum, der zudem nach Ablauf einiger Wochen aus Sicherheitsgründen gewechselt wurde, nur in größeren Abständen betreten und auch wieder verlassen93. Der Wechsel eines solchen Ortes konnte nur per Flüsterpropaganda bekannt gemacht werden, aufgrund des engen Kontaktes untereinander klappte dies aber fast immer94. Auf diese Art wurde der Lehrbetrieb bis in den Krieg hinein fortgesetzt. Das Aus für die Kirchliche Hochschule in Berlin kam im Mai 1941, als alle noch anwesenden Dozenten wegen der Teilnahme an illegalen Prüfungen der Bekennenden Kirche festgenommen wurden95.

2.5 Osterloh als Dozent und Vertrauter seiner Studenten Die Veranstaltungen, die Osterloh anbot, sind aus den Akten nur für die ersten Semester rekonstruierbar, in denen es reguläre Vorlesungsverzeichnisse (Wintersemester 1935/36) oder zumindest vervielfältigte Veranstaltungsankündigungen (Sommersemester 1936 bis Sommersemester 1937) gab. In dieser Zeit las er: Wintersemester 1935/3696

Auslegung des Buches Ezechiel (Mo 10–11, Di u. Mi 8–9, Fr 10–11)97 Sünde und Sühnung im Alten Testament, Übung (Mo 16–18)

Sommersemester 193698

Amos und Hosea (Mo u. Do 11–13) Besprechung über Deuterojesaja (Fr 16–18) Besprechung über Sein und Zeit (Mo 15–17)

92

EBD., S. 20. Vgl. EBD. 94 Auskunft Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996. 95 Der Prozess zog sich bis Dezember 1941 hin und endete mit Freisprüchen für die meisten Angeklagten. Günther Dehn verurteilte man zu einem Jahr, Martin Albertz zu eineinhalb Jahren Gefängnis. Friedel Arnheim, aus einer jüdischen Familie stammende Sekretärin im Lehr- und Prüfungsamt, musste ebenfalls in Haft bleiben, wurde später deportiert und im Wald von Riga umgebracht. Vgl. H. VOGEL, Stadium, S. 14, 21ff.; W. NIESEL, Kirche, S. 224; G. BESIER, Gründung, S. 332. – Zum Umfang des illegalen Prüfungswesens allein in Berlin-Brandenburg vgl. G. HARDER, Tätigkeit, bes. S. 190–198. 96 Vgl. KIRCHLICHE HOCHSCHULE. VORLESUNGSVERZEICHNIS FÜR DAS WINTERSEMESTER 1935/36, u. a. in: EZA BERLIN, 50/101. Faksimile-Abdruck: H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 107–110. 97 Laut „Merkblatt für die Studierenden in der Kirchlichen Hochschule in Berlin“ (EZA BERLIN, 619/14, 23) abgeändert in: Mo, Di, Do u. Fr 10–11. 98 Vgl. Typoskript „Das Lehramt der Evang. Kirche der altpr. Union veranstaltet die nachstehenden Arbeitsgemeinschaften: …“ (EZA BERLIN, 619/14, 26). 93

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Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

Wintersemester 1936/3799

Jesaja 1–39 (Di u. Fr 11–13) Besprechung über Gericht und Heil im AT (Di 17–19) Besprechung über Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (Mi oder Do, ab 20 Uhr) Offener Abend: 8. Februar 1937

Sommersemester 1937100

Das Buch Jeremia (Mo, Di, Do u. Fr 8–9) Besprechung über ausgewählte Psalmen (Mo 16–18) Besprechung über Kierkegaards Die Krankheit zum Tode (nach Vereinbarung)

Über Osterlohs Seminargestaltung berichtet Wolfgang Lehmann, 1936 Student, später Vikar bei Asmussen und mit Osterloh befreundet101: „Er pflegte höchst intensiv zu dozieren und stand dann immer vorne mit einer völlig zusammengekniffenen Stirn. Er forderte viel und konnte sehr ärgerlich werden, wenn man nichts wußte; somit trug er sehr dazu bei, daß man wirklich arbeitete. Sich drücken gab es bei ihm nicht […]. Nach dem Dozieren sehr gut vorbereiteter Texte gab es eine Diskussion über den Sachverhalt, in der er von den Studenten dann auch eigene Stellungnahmen und Mitarbeit forderte.“102

Besonders wichtig war ihm die Kenntnis des Hebräischen, so dass er für diejenigen, die damit Probleme hatten, einen Hebräisch-Sonderkurs initiierte, der von Dr. Adolf Freudenberg geleitet wurde103. Mitunter kokettierte er auch mit seinem jungen Alter, etwa wenn er in seiner Jeremia-Vorlesung sehr dezidiert das „Ich bin zu jung“ des Propheten (Jer 1,6f.) betonte104. Aber gerade diese Jugend brachte ihn seinen Studenten, zum Teil gerade ein oder zwei Jahre jünger als er, besonders nahe. Zwar waren seine Kollegen, besonders Asmussen, Niesel und Albertz, in einer ganz anderen Weise angesehen als er, weil natürlich bekannt war, was im Kirchenkampf um sie herum schon alles

99 Vgl. Typoskript: „Das Lehramt der Evangelischen Kirche der altpr. Union veranstaltet in der Zeit von November bis Februar nachstehende Arbeitsgemeinschaften: …“ (EZA BERLIN, 50/471, 13). Die wahrscheinlichen Zeiten und der Termin des Offenen Abends (beides nicht auf diesem Typoskript vermerkt) lassen sich aus dem Typoskript „Verzeichnis der Lehramtsveranstaltungen im WS 36/37“ entnehmen (EBD., 12). 100 Vgl. „Theologische Ausbildungsstätte Berlin. Veranstaltungen Sommer 1937“ (EBD., 15). 101 Lehmann erlitt 1937 eine schwere Wirbelsäulenfraktur, die ihn ein halbes Jahr lang in ein Gipsbett zwang. Danach wohnte er einige Wochen in der Wohnung der Osterlohs, kurierte sich aus und legte sein erstes Examen ab – unter anderem vor Edo Osterloh (Gespräch am 5. 4. 1996). 102 Gespräch am 5. 4. 1996. Ähnlich äußerte sich Sieghild Jungklaus (Gespräch am 23. 9. 1996). 103 Auskunft Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996. – Zu Adolf Freudenberg vgl. oben Anm. 43. 104 Auskunft Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996.

Osterloh als Dozent und Vertrauter seiner Studenten

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geschehen war. Doch hatte Osterloh dafür umso mehr direkten Kontakt zu ihnen: „Das lag natürlich auch daran, daß er jung war und sich vielleicht manchmal auch ein bißchen zu sehr fraternisiert hat mit den Studenten, nicht so einen furchtbaren Abstand hielt […]. Er hat ja auch unsere Fahrten und Rüstzeiten mitgemacht, wir machten zum Beispiel mit den Rädern Fahrten nach Rheinsberg und haben dort auf einem Gutshof in Scheunen genächtigt; Osterlohs hatten dann wohl ein Zimmer für sich, aber da war er immer mit dabei und hat alles mitgemacht.“105

Alles letztlich nicht, denn mit einer dieser Freizeiten verbinden Teilnehmer die Erinnerung, dass er sehr ungehalten reagierte, als seine Gruppe eine zufällig in einem Pfarrhaus ebenfalls anwesende, sehr sangesfreudige Studentengruppe dadurch zur Ruhe brachte, dass sie ihr im aufgenötigten „Wettsingen“ eine derbe Spottversion des „Jäger aus Kurpfalz“ entgegenschmetterte. Dies habe er im Nachhinein als schlechtes Benehmen den Gastgebern gegenüber bezeichnet und wurde nur noch wütender, als seine Schwägerin, die zu Besuch und mit auf diese Fahrt gekommen war, ihm daraufhin Spießbürgerlichkeit vorwarf106. Trotz solcher Begebenheiten ließen sich Osterlohs Studenten aber nicht davon abhalten, ihm etwa bei seinem Umzug an das Holsteiner Ufer tatkräftig zur Seite zu stehen107 – wohl auch ein Dankeschön für so manche intensive Betreuung und Hilfe, etwa wenn es wegen der Illegalität des Studiums an der Kirchlichen Hochschule Schwierigkeiten mit der Familie gab108. Zudem muss es Osterloh aber auch gegeben gewesen sein, trotz der insgesamt bedrohlichen und mitunter auch gefährlichen Lage der ganzen Hochschule, also auch der Studenten und Dozenten, sich ein gewisses Maß an Humor und Fröhlichkeit zu erhalten, besonders bei den Abenden gemütlichen Beisammenseins. Auch dies blieb seinen Studenten in Erinnerung109. Eine intensive Erinnerung ganz anderer Art haben viele an jene Tätigkeit Osterlohs behalten, die ihm genau wie ihnen viel Mühsal und Arbeit bereitete: Seine Mitgliedschaft im Theologischen Lehramt der Bekennenden Kirche von Berlin105

Auskunft Sieghild Jungklaus, ebd. Auskünfte Sieghild Jungklaus, ebd.; Heidi Leonhardt, Gespräch am 3. 5. 1996. – Dieser Vorfall, der ihm wirklich peinlich gewesen sein muss, spielte jedoch nach einer Entschuldigung seiner Schwägerin im Verhältnis der beiden zueinander keine Rolle mehr: „Nachtragend war er wirklich nicht“ (Auskunft Heidi Leonhardt, ebd.). 107 Auskunft Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996. 108 Solche Probleme fielen nach Übernahme des Studentenpfarramts der Bekennenden Kirche auch offiziell in Osterlohs Aufgabenbereich (vgl. unten S. 74–77). 109 Auskünfte Wolfgang Lehmann, Gespräch am 5. 4. 1996; Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996. 106

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Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

Brandenburg110 und damit auch in der Prüfungskommission111. Seine Prüfungstätigkeit begann gleich nach der Aufnahme des Lehrbetriebs112 – und noch bevor er selbst sein zweites theologisches Examen abgelegt hatte113. Eine der letzten von Osterloh mitunterzeichneten Prüfungsurkunden dürfte die von Ilse Fredrichsdorff sein, die am 14. Februar 1940 ihr erstes Examen bestand114. Über die Belastung durch das Prüfen berichtete er Bultmann schon 1936: „Außerordentlich beansprucht werde ich durch die Arbeit in der Prüfungskommission […]. Zur Bewertung der eingelieferten wissenschaftlichen Arbeiten muß ich eben häufig doch die entsprechende Literatur ganz neu durcharbeiten.“115 Hinzu trat die große Gefahr, die gerade mit dieser Tätigkeit verbunden war, dass nämlich „jeder Pfarrer oder Professor, der dort sich beteiligte, damit rechnen mußte, daß er verhaftet wurde, wenn der Prüfungstermin und der Ort, an dem sie stattfand, der Geheimen Staatspolizei bekannt wurde“116. Schließlich waren es dann ja auch die illegalen Prüfungen, die 1941 den Vorwand lieferten, die verbliebenen Dozenten der Kirchlichen Hochschule zu verhaften und deren Betrieb damit zum Erliegen zu bringen117. Unmittelbar mit der Dozententätigkeit verbunden waren Vorträge bei Veranstaltungen der Bekennenden Kirche innerhalb Berlins, aber auch im ganzen damaligen Reichsgebiet, sowie die Vorbereitung und Mitarbeit am großen „Theologischen Kursus“ in Berlin-Dahlem im September 1936118, in dessen Rahmen Osterloh einen Vortrag hielt über „Gottes Gerechtigkeit im Alten 110

Zu Aufbau und Arbeit der Bekennenden Kirche speziell in Berlin vgl. W. NIESEL, Kirche; H. LUDEntstehung, bes. S. 275–289; R. LANGE/P. NOSS, Bekennende Kirche; G. BESIER, Begeisterung. Das gemeinsame Prüfungsamt blieb nach der Trennung der Berlin-Brandenburgischen Bekenntnissynoden das einzige Gremium der Bekennenden Kirche, das für Berlin und Brandenburg (und darüber hinaus für die „Grenzmark“ Posen-Westpreußen) zuständig war. Vgl. R. LANGE/P. NOSS, Bekennende Kirche, S. 133; G. BESIER, Begeisterung, S. 725f. 112 Da nach dem Verbot vom 28. 2. 1935 (vgl. oben S. 50, Anm. 7) beamtete Hochschullehrer keine Prüfungen für die Bekennende Kirche mehr abnehmen durften, mussten alle Dozenten der Kirchlichen Hochschulen diese Tätigkeit übernehmen (vgl. H. LUDWIG, Entstehung, S. 287; P. NOSS, Martin Albertz, S. 247, 263). 113 Vgl. G. DEHN, Zeit, S. 312. 114 Vgl. R. SCHATZ-HURSCHMANN, Frau, S. 130. – Von Prüfungen bei Osterloh berichteten Wolfgang Lehmann (Gespräch am 5. 4. 1996), Sieghild Jungklaus (Gespräch am 23. 9. 1996), Siegfried Lange (Brief vom 24. 8. 1996) und Hartmut Jacoby von der Prüfung eines Schwagers (Gespräch am 4. 4. 1996). 115 Brief an Bultmann vom 4. 10. 1936 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 116 H. REIFFEN, Entwicklung, S. 132. 117 Vgl. oben S. 65. 118 Vgl. oben S. 62. – Osterloh war auch an der Vorbereitung eines ähnlichen Ferienkurses, der im Sommersemester 1937 in Bielefeld stattfinden sollte, jedoch nicht zustande kam, entscheidend beteiligt (vgl. Brief Walter Herrenbrücks an Osterloh vom 21. 8. 1937 [LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 119]).

WIG, 111

Osterloh als Dozent und Vertrauter seiner Studenten

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Testament“119. Hinweise in der Literatur oder von Zeitzeugen gibt es auf folgende auswärtige Vorträge oder Diskussionen, neben denen es aber zahlreiche andere gegeben haben wird: 28. Juni bis 1. Juli 1936

Tilsit, Vortrag: „Der Mensch in der Verkündigung der Kirche – Vergebung der Sünden“ während einer theologischen Freizeit, mit Günter Bornkamm, Ernst Wolf, Hans Joachim Iwand und dessen damaligem Assistenten Wilhelm Hahn120

Oktober 1936

Vortrag in Dresden121

24./26. November 1936

Breslau, Predigt in St. Barbara (24.) anstelle des erkrankten Heinrich Vogel122 und Vortrag „Die Bedeutung des Alten Testaments für den christlichen Glauben“ anlässlich einer Theologischen Woche der Bekennenden Kirche Schlesiens in Verbindung mit dem Lehramt der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union123

Sommersemester 1937

Halle/Saale, Bibelarbeit im Tholuck-Konvikt124

7. Juli 1937

Würzburg, Vortrag „Der unbekannte Gott wird bekannt“ im Rahmen der 42. Deutschen Evangelischen Studenten-Tagung (5.–11.7.), zu der er selbst mit eingeladen hatte125

119 Vgl. Brief Siegfried Langes – Teilnehmer des Kurses – vom 24. 8. 1996. Der Vortrag wird Eingang gefunden haben in E. OSTERLOH, Gottes Gerechtigkeit (1940). Der umfangreichste Unterabschnitt behandelt „Das Zeugnis des Alten Testamentes von Gottes Gerechtigkeit“ (S. 8–28). 120 Vgl. J. SEIM, Hans Joachim Iwand, S. 180. In den Jahren zuvor hatte zu diesem Termin die theologische Fachschaft der Königsberger Fakultät zu ihrem Wissenschaftslager geladen, diesmal erfolgte die Einladung durch einen „Fördererausschuß […], der sich aus ostpreußischen Pfarrern, Vikaren und Studenten zusammensetzte“. – „Die Beteiligung war trotz mancher ungünstiger Umstände recht gut (100 Studenten, 70 Pfarrer und Vikare)“ (JK 4, 1936, S. 735). 121 Vgl. Karte Osterlohs an Kloppenburg vom 31. 10. 1936 (ABS OLDENBURG, V.10.3). 122 Vgl. Rundbrief des Rates der Bekennenden Kirche Schlesiens vom 30. 11. 1936 (LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 223/3). 123 Die erhaltenen Schriftstücke (EZA BERLIN, 619/14, 48 V u. R) lassen keinen Schluss zu, ob dieser Vortrag wirklich gehalten wurde. Die Woche wurde am 21. November verboten, doch fanden am Montag, 23. November, die geplanten Veranstaltungen trotzdem statt. Am Abend desselben Tages erhielt der gastgebende Pastor Benckert schriftlich ein Aufenthaltsverbot für die Provinz Schlesien, dessen Empfang er aber nicht bestätigte, da die Begründung dieser Anordnung nicht korrekt war. Die Kanzelabkündigung der schlesischen Bekennenden Kirche vom 2. Advent 1936 erwähnte lediglich das ergangene Verbot (EZA BERLIN, 50/467, 33). Vgl. G. EHRENFORTH, Kirche, S. 135. 124 Vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 261. 125 Tagungsprogramm: LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 119. Die Tagung mit 320 Teilnehmern „unterschied sich von früheren Konferenzen eben dadurch, daß sie nicht den Freizeitcharakter eines geschlossenen Lagerlebens trug, sondern mit den öffentlichen Hauptveranstaltungen auf das Zusammensein mit der Gemeinde abgestellt war, in deren Häusern die studentischen Teilnehmer auch Quartier gefunden hatten“ (K. KUPISCH, Studenten, S. 209). In Würzburg begannen konkrete Schritte, die Arbeit von BK und DCSV verstärkt zu koordinieren (vgl. EBD., S. 209f.).

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Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

Nach August 1937

Marburg, Vortrag mit anschließender Diskussion bei den dortigen Studenten der Bekennenden Kirche, zu denen ein Teil der in Berlin relegierten Studenten gehörte126

Dezember 1938

„Dienstreise nach Greifswald“127

8. März 1939

Hamm, Zusammenkunft sog. „renitenter“ Kandidaten der westfälischen Provinzialkirche128, die sich dem in der Frage der Anerkennung von Prüfungen durch Konsistorium und Oberkirchenrat kompromissbereiten Kurs von Präses Koch nicht anschließen wollten129

Schon diese Aufzählung seiner Besuche zeigt, wem Osterlohs Sympathien galten, besonders nach der vollständigen Illegalisierung 1937: den Studenten, die der kompromisslosen Linie treu blieben, den „radikalen“ Dahlemiten130. Schon im Juli 1935 hatte er dem von ihm mitunterzeichneten Aufruf „An unsere Brüder im Amt“ innerlich wohl deutlich mehr Sympathie entgegengebracht als den zeitgleichen Bemühungen um eine größere Einigkeit der Lutheraner unterein126 Auskunft Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996; vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 3, S. 56. – Laut Auskunft Siegfried Langes hat Osterloh die in Marburg untergekommenen ehemaligen Berliner Studenten in dieser Zeit „mehrmals“ besucht (Brief vom 24. 8. 1996). 127 Brief Martin Blankenburgs in Vertretung Osterlohs an Kloppenburg vom 18. 12. 1938 (ABS OLDENBURG, V.10.3). 128 Vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 3, S. 183. 129 Vgl. H. LUDWIG, Die „Illegalen“, S. 65. 130 Mit Günter van Norden halte ich den Streit um die Bezeichnung dieser Position (vgl. dazu H. LUDWIG, Die „Illegalen“, S. 23–31), die an den Ergebnissen der Synoden von Barmen und Dahlem konsequent festhalten wollte, für müßig (G. VAN NORDEN, „Dahlem“, S. 90, Anm. 44), solange man „radikal“ nicht im pejorativen Sinn benutzt – wird es doch in diesem Sinn benutzt, ist die Benennung aufschlussreich im Blick auf den Verfasser, weniger im Blick auf die Vorgänge, über die er schreibt. Letztlich ist es doch eine Frage der Logik: Wenn man „Bekennende Kirche“ so und nur so definiert, wie sie sich in Barmen und Dahlem konstituiert hat (so etwa H. LUDWIG, Die „Illegalen“, S. 30), dann haben sich natürlich alle, die diese Linie aus welchen Gründen auch immer verlassen haben, von der Bekennenden Kirche geschieden, dann muss dieses Verhalten auch konsequent so benannt werden (EBD.). Unabhängig davon ist aber doch zu fragen, ob es nicht auch in Barmen und Dahlem schon eine Reihe von Synodalen gegeben hat, die das kirchliche Notrecht von Anfang an nur als Notrecht angesehen haben, das nur so lange und dort zu gelten habe, wo es keine unabhängigen, d. h. „intakten“ Landeskirchen gibt. Die Namensgebung jedenfalls legt das nahe. Dann aber hat natürlich auch der taktische, am Erhalt dieser unabhängigen Landeskirchen orientierte Kurs das Recht, sich als zur Bekennenden Kirche gehörig zu definieren. – Vgl. die aufschlussreiche Position, die Hans Meinzolt schon im Juli 1934 Präses Koch gegenüber einnahm: „Wir müssen doch wohl wünschen und festhalten, daß unsere Bekenntnisgemeinschaft nur ein notwendiges Übel ist, ein Übel, das dazu da ist, um möglichst bald beseitigt zu werden“ (Brief vom 6. 7. 1934 [LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 701/1]). Zu den Zwiespältigkeiten, die einen solchen taktisch orientierten Kurs in einer Diktatur immer begleiten und im Nachhinein peinlich sind, gehört allerdings auch, dass man selbst sich 1936, als dies opportun schien, eben nicht mehr als „Bekennende Kirche“ bezeichnen wollte (vgl. H. LUDWIG, Die „Illegalen“, S. 25f.).

Osterloh als Dozent und Vertrauter seiner Studenten

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ander131. Und diese Einstellung verfestigte sich zusehends, je bedrohlicher die Lage in Berlin wurde. 1937, als nach der Relegation zahlreicher Studenten die Sistierung der Arbeit vorgeschlagen wurde, weil man mögliche Verhaftungen und Einweisungen in Konzentrationslager nicht verantworten könne132, gehörte Osterloh zu den entschiedensten Befürwortern einer Weiterarbeit. Seine innere Einstellung wird deutlich in einem Brief vom 24. August 1937, knappe zwei Monate nach Niemöllers Verhaftung: „Uns allen wird der Herr und einziger [sic!] Heiland der Gemeinde noch viele äußerliche und innerliche Sicherheiten zerschlagen, bis wir eitlen Rauhbeine uns ganz auf die Gewißheit seines Sieges verlassen […]. Die Bekennende Kirche ruft uns in Sturmtrupps hinein, die sich auf die Vergebung ihrer Sünden verlassen um Christi willen und alle Fragen und alle Zweifel gegenüber der BK zunächst in ihrem eigenen Herzen und Gewissen besiegen lassen […]. Wir sind Bekennende Kirche immer als eine Menschenschar, die tatsächlich nur durch Christus mittels Seines Wortes zusammengehalten, getröstet und geführt wird. Gott sei Lob und Dank: das geschieht heute wirklich.“133

Bei einer solchen, sich wohl dem engen Kontakt zu Niemöller verdankenden Haltung134 verwundert es keineswegs, dass dieser unter anderem Osterloh aus dem Gefängnis heraus als Predigtvertretung für Dahlem vorschlug135. Noch Anfang 1939, als der Wuppertaler Zweig der Kirchlichen Hochschule de facto bereits aufgelöst war und dort nur noch in Kleinstgruppen an wechselnden Orten unterrichtet wurde136, wehrte Osterloh sich mit sieben anderen Vertretern der „jungen Theologenbruderschaften“137 gegen die wieder auftretende Neigung zum Kompromiss mit Staat und Kirchenführung, diesmal im Gefolge der schweren Krise, der die Bekennende Kirche durch die Treueidkampagne und die „Gebetsliturgie“ im Jahre 1938 ausgesetzt war138. Wieder ging es zentral um die Frage der nachträglichen Legalisierung theologischer Prüfungen und um Kompromisse mit den Kirchenleitungen hinsichtlich der Stellenbesetzung, im Prinzip also um die Aufgabe des Notkirchenregiments, für die im Gegenzug die Theologen, die sich ihm unterstellt hatten, der Amtskirche wieder eingegliedert, also „legalisiert“ werden sollten. Auch in den daraufhin am 4. Januar 1939 in 131

Vgl. oben S. 45–48. Vgl. oben S. 64, Anm. 91. 133 Brief an Wolfgang Lehmann. Auszug abgedruckt in: W. LEHMANN, Hans Asmussen, S. 180. 134 Auskunft Wolfgang Lehmann, Gespräch vom 5. 4. 1996. 135 Brief Niemöllers an seine Frau vom 3. 11. 1937 (M. NIEMÖLLER, Briefe, S. 82f.). 136 Vgl. H. ASCHERMANN/W. SCHNEIDER, Studium, S. 225–254; W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 3, S. 73f. 137 Zum Weg der „Theologenbruderschaften“ von Vikaren und Hilfspredigern der Bekennenden Kirche vgl. W. Scherffig, Theologen, Bd. 1–3. 138 Vgl. K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 3, 43–62; A. GERLACH-PRAETORIUS, Eidesfrage, bes. S. 92–170. 132

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Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

Berlin verfassten „6 Leitsätzen“, die dem Bruderrat der Bekenntnissynode der altpreußischen Union vorgelegt wurden, wandte sich der Kreis – man kann fast sagen: ohne Rücksicht auf Verluste – gegen jede Abweichung vom auf Schrift und Bekenntnis gegründeten Weg: „2. Einmal als bekenntnismäßig erkannte Notwendigkeiten dürfen nicht stillschweigend preisgegeben werden. 3. Wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten dürfen nicht zu Entscheidungen führen, die das in Gottes Wort gebundene Gewissen verletzen. […] 5. Eine Nachprüfung beim Konsistorium stellt eine tatsächliche Anerkennung des Kirchenregimentes der Konsistorien dar. 6. Auch eine scheinbar ausweglose Lage entbindet die Kirchenleitung der Bekennenden Kirche nicht von ihren konkreten Verpflichtungen in Vorbildung, Prüfung und Weiterbildung der Diener am Wort.“139

Am darauffolgenden Tag entwarf der Kreis in leicht veränderter Zusammensetzung140 ein Rundschreiben, in welchem die Meinung der Verfasser, dass nämlich „die BK bei den Beschlüssen von Barmen und Dahlem zu beharren habe und darum die Ausübung von Kirchenleitung und Abhaltung von Prüfungen unter den gegenwärtigen Umständen nicht preisgeben dürfe“141, anhand von Fragen erläutert wurde, die mögliche Einwände aufgriffen und zu entkräften suchten142. Den Abschluss dieser Reihe von Stellungnahmen Osterlohs, die sich direkt oder indirekt auf die Arbeit des Prüfungsamtes und der Kirchlichen Hochschule bezogen, bildet seine ausführliche, undatierte „Denkschrift“143, die in zeitlicher Nähe zu den „6 Leitsätzen“ und zum Rundschreiben entstanden sein dürfte144. Osterloh verschickte sie mit der Bitte um Stellungnahme an ausgewählte Reprä139 Abdruck der „6 Leitsätze“ in: W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 3, S. 159f. Mitunterzeichner waren u. a. Osterlohs Assistent Blankenburg, Erich Klapproth, Martin Fischer und Wolfgang Scherffig. Vgl. auch G. HARDER, Tätigkeit, S. 195, Anm. 18. 140 Dazugekommen waren Horst Bannach und Gerhard Ebeling, es fehlte Erich Klapproth; der Vertreter Sachsens hatte gewechselt (vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 3, S. 160). 141 Rundschreiben vom 5. 1. 1939 (aus Sicherheitsgründen im Original ohne Ort und Datum). Abdruck: EBD., S. 160f. Mit der Angabe „Berlin, am 6.1.1939“ als Abschrift auch in: LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 122. 142 Vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 3, S. 161. 143 EZA BERLIN, 50/474, 30–34. – Der Begriff „Denkschrift“ geht zurück auf Günther Harder, der den Text, bei dem es sich formal um einen Brief handelt, unter dem Titel „Denkschrift Osterloh zur Lage der BK“ in seinem Kirchenkampfarchiv ablegte. Das fünfseitige Typoskript, in der Literatur bisher unerwähnt, ist im Dokumentenanhang vollständig wiedergegeben (Nr. 1, S. 551–555). 144 Die Datierung kann aus dem Inhalt und den nahezu wortgleichen Beschreibungen der Lage abgeleitet werden. Die Erwähnung der Treueidkampagne schließt zudem eine Datierung vor April/Mai 1938 aus.

Osterloh als Dozent und Vertrauter seiner Studenten

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sentanten der Bekennenden Kirche, denen er eindringlich seine Sicht der Lage darlegte. Er schildert die Bedrückung, unter der man zu leiden hat, das Gottvertrauen, das in dieser Situation geschenkt wurde, und kommt zu dem Schluss: „Wir sind gewürdigt worden, im Namen Jesu das Leid auf uns zu nehmen und dabei in der Freude zu bleiben.“145 Im Weiteren wirft er denjenigen, die zum Kompromiss bereit sind, da es „so nicht weitergehen könnte“, vor, Scheinargumente zu benutzen: „In den bedrückten Aussprachen über diese Lage hat sich sogar der Begriff der ‚öffentlich-rechtlichen Kanzel‘ gebildet mit dem Anspruch, daß die Beziehung zu ihm den Pfarrer vom Diakonen unterscheide. Niemand will wahr haben, daß es ihm auf wirtschaftliche Sicherheit ankomme, aber viele rechtfertigen sich selbst bei ihrem Krebsgang mit dieser ‚Notwendigkeit des öffentlichen Rechtes für die Kirche‘ und der anerkannten Kanzel für die Predigt des Evangeliums […]. Vor der unlöslichen Bindung der Konsistorien an antikirchliche Mächte und Gewalten schließt man beide Augen, um sich selber und anderen vormachen zu können, es handle sich um neutrale Verwaltungsdinge – auch bei der Erteilung der Erlaubnis zu Predigt und Sakramentsverwaltung […]. Das ‚öffentlich-rechtliche Siegel‘ ist die Anfechtung für das einzige Amt auf Erden geworden, das sich auf göttliches Recht berufen darf, das Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung.“146

Konsequent bevorzugt Osterloh am Ende seiner Ausführungen den Weg in eine Freikirche: „Die Zugehörigkeit zur Kirche Jesu Christi wird ja nicht auf den Amtsgerichten entschieden, sondern gegenüber dem Amt der Verkündigung und der Schlüsselgewalt. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, das zur Zeit Konstantins des Großen begründet worden ist, kann heute weder von Seiten der Kirche, noch von Seiten des Staates aufrecht erhalten werden. Wir haben gar keine Wahl zwischen ‚Staatskirche‘ und ‚Freikirche‘, sondern nur die Wahl zwischen Gehorsam und Ungehorsam gegenüber dem Herrn aller Herrn, der Seine Gemeinde heute jenseits des Schutzes durch das öffentliche Recht sammelt.“147

Die in diesen Stellungnahmen über die Jahre hinweg erkennbare Kontinuität unterstreicht, was Wolfgang Lehmann, Student und Freund Osterlohs in den Berliner Jahren, auf die Frage nach dessen hervorstechenden Charaktereigenschaften sagte: „Er konnte sehr prinzipiell werden und eine Sache, die ihm am Herzen lag, dann auch sehr konsequent durchziehen.“148

145

DENKSCHRIFT (s. Anm. 143), S. 2 (S. 552). EBD., S. 3f. (S. 553f.). 147 EBD., S. 4f. (S. 554). 148 Gespräch am 5. 4. 1996. 146

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Die Bedeutung, die Osterloh dank seiner besonderen Eigenschaften und seiner guten Beziehung zu den Studenten für die Kirchliche Hochschule bekam, unterstreicht Heinrich Vogel, wenn er in seinem rückblickenden Bericht über die Jahre nach 1935 einzig seine Arbeit gesondert erwähnt: „Eine besonders zentrale Funktion hatte Edo Osterloh, der als Studentenpfarrer nicht nur der seelsorgerliche Freund der Studenten war, sondern auch in der Regelung der in unserm Notstand wahrhaftig nicht einfachen Fragen der äußeren Gestaltung unserer Arbeit überaus wichtige Dienste leistete.“149 Aber auch noch während seiner Aktivität für die Hochschule verdient Beachtung, dass der altpreußische Bruderrat am 23. Januar 1940 die Berufung Osterlohs, des „einzigen hauptamtlichen Dozenten neben Hans Asmussen, der aber noch andere Aufgaben wahrnahm“150, ausdrücklich aufrechterhielt151.

2.6 Osterloh als Studentenpfarrer der Bekennenden Kirche in Berlin Sicher waren es der relativ geringe Altersunterschied zwischen Osterloh und den Studenten sowie seine Beliebtheit bei ihnen, die den altpreußischen Bruderrat dazu bewogen, ihn im Jahre 1936 zusätzlich zu seiner Dozentur auch noch zum Studentenpfarrer der Bekennenden Kirche für Berlin zu ernennen152. In diesem Amt unterstützte ihn ein Assistent bzw. Vikar, zunächst wohl Martin Arndt, später Martin Blankenburg und zuletzt Siegfried Anz153. Zu Osterlohs Aufgaben zählten natürlich die ohnehin intensiv ausgeübte Betreuung der Stu149

H. VOGEL, Stadium, S. 13 (im Orig. „Getaltung“ statt „Gestaltung“). W. NIESEL, Kirche, S. 224. 151 Vgl. EBD. 152 Nach seinem eigenen Lebenslauf ist ihm dieses Amt schon im Mai 1936 übertragen worden (ACDP ST. AUGUSTIN, I-262/001). Andererseits gibt Hansgeorg Hootz an, bis zum 31. März 1937 Vikar bei Hellmut Hitzigrath gewesen zu sein, den er als „offiziellen Studentenpfarrer“ der Berliner Bekennenden Kirche bezeichnet (Brief Hootz‘ vom 14. 8. 1996; vgl. auch R. LANGE/P. NOSS, Bekennende Kirche, S. 127). Es mag sein, dass Osterloh zunächst nur für die Kirchliche Hochschule als Studentenpfarrer amtierte und erst ab 1. 4. 1937 Hitzigraths Zuständigkeiten mit übernahm. – Der Konflikt um das Studentenpfarramt für ganz Berlin war es wohl, der Osterloh fast zur Aufgabe seiner Berliner Arbeit trieb. Er fragte bei Kloppenburg an, ob er „eventuell vom 1. März 1937 an im Dienst der Oldbg. Kirche Verwendung finden könnte. Wenn das nicht in Frage kommt und in meiner Behandlung durch den Preußischen Rat keine grundsätzliche Wende eintritt, dann werde ich gezwungen sein, mich um eine kirchliche Arbeit im ‚Ausland‘ zu bemühen“ (Karte vom 16. 1. 1937, in: ABS OLDENBURG, V.10.3). 153 Arndt war Osterloh wohl nur als „Hilfskraft“ an die Seite gestellt worden (vgl. H.-W. WÖRMANN, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, S. 269) und übernahm u. a. Teile der Korrespondenz des Studentenpfarramtes (vgl. z. B.: Brief des Studentenpfarramtes vom 2. Advent 1937, in: LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 119). Martin Blankenburg fungierte 1938/39 als Osterlohs Assistent, Siegfried Anz für nur noch kurze Zeit 1940, bevor er und dann ja auch Osterloh eingezogen wurden (Auskünfte Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996; Wolfgang Lehmann, Gespräch am 5. 4. 1996). 150

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denten durch Hilfestellungen, Hinweise, Gespräche, Freizeiten usw., aber auch die Einrichtung einer Bibelstunde am Karlsplatz154, eine Ferienbibelstunde in der Charité155, regelmäßige Treffen der Vertrauensleute des Theologie-Studentenamtes156 sowie nun vermehrt gesellige Abende in der eigenen Wohnung157. Viele der zu lösenden Probleme betrafen Nöte und Ängste vieler Studenten, aber auch ihrer Eltern, die zu Grenzgängern zwischen Legalität und Illegalität geworden waren: „Manche waren ja in schwierigen Verhältnissen, manche waren auch offiziell an der Humboldt-Universität eingeschrieben und studierten gegen den Willen ihrer Eltern an der Kirchlichen Hochschule. Es gab aber auch Väter, die selber für die Bekennende Kirche tätig waren, aber doch aus Sorge um das Fortkommen ihrer Söhne nicht wollten, daß diese so ganz in die Illegalität gingen. Da hat er sich dann manchmal eingeschaltet und mit allen Betroffenen geredet.“158

Der – traurige – Höhepunkt seiner Aktivitäten in dieser Richtung kam mit der Relegation zahlreicher Studenten der Kirchlichen Hochschule von der Berliner Humboldt-Universität im Jahre 1937159. Während des laufenden Prozesses, aber auch danach kümmerte Osterloh sich um die betroffenen Studenten und ihre Eltern und versuchte, Auswege zu finden. Für einige führte der Weg nach Marburg, vielleicht auch ein Verdienst seiner guten Kontakte zur Fakultät seines Lehrers Bultmann. Trotzdem wird sein Verhalten in dieser Zeit unterschiedlich beurteilt, so spricht Sieghild Jungklaus von einer „wirklichen Enttäuschung“, weil Osterloh während des Prozesses gegen die Relegierten nicht wie Albertz und Asmussen aus den Ferien zurückkam, sondern „sich dann später von uns erzählen ließ, was sich begeben hatte“160. Andererseits empfahl Hans von Soden ein 154

Auskunft Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996. Die erste dieser Stunden fand am 24. 8. 1937 statt. Vgl. Brief Osterlohs vom selben Tage an Wolfgang Lehmann, in Auszügen abgedruckt in: W. LEHMANN, Hans Asmussen, S. 180. 156 Vgl. „Arbeitspläne der Theologie-Studentenämter an den altpreußischen Universitäten im SS. 1937“, in: LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 119. Einer dieser Vertrauensleute war Siegfried Lange, der als Kontaktperson für die im Nordosten Berlins wohnenden Studenten fungierte und Nachrichten an sie weiterleitete. Er berichtete von mindestens drei Treffen, an denen er teilnahm (Brief vom 24. 8. 1996). 157 Auskunft Sieghild Jungklaus, Gespräch am 23. 9. 1996. 158 EBD. 159 Vgl. oben S. 64. 160 Gespräch am 23. 9. 1996. – Das Urteil gegen Sieghild Jungklaus und elf Kommilitonen und Kommilitoninnen erging am 14. 7. 1937 (vgl. H. LUDWIG, Theologiestudium, S. 313). In der Woche zuvor nahm Osterloh als Einladender an der 42. Deutschen Evangelischen Studenten-Tagung in Würzburg teil (vgl. oben S. 69, Anm. 125). An den an die Tagung anschließenden Fahrten und Freizeiten hat er nicht mehr teilgenommen (Brief Siegfried Langes vom 24. 6. 1996). Er fuhr mit seiner Frau von Würzburg aus in den Urlaub ins Allgäu (auf einem Brief vom 19. 7. 1937 an Kloppenburg [ABS OLDENBURG, 10.V.3] ist als Ortsangabe „Hindelang bei Sonthofen“ vermerkt). – Eine im Anschluss geplante vierwöchige Vertretung Kloppenburgs in Wilhelmshaven zerschlug sich aufgrund der dramatischen Ereignisse in Berlin, 155

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knappes Jahr später, als Bernhard Schöne161 in Marburg wegen eines Flugblattes zur Eidesfrage erneut verhaftet wurde, dessen Vater die Kontaktaufnahme mit Osterloh, weil dieser „in diesen Tagen hier war und sich über die Angelegenheit unterrichtete“162, eine Fürsorge auch über die unmittelbare „Zuständigkeit“ hinaus. Ähnliches berichtet Siegfried Lange, der ebenfalls in Marburg erneut relegiert worden war: Osterloh habe die Gruppe in Marburg „mehrmals besucht“ und sich für ihn und drei weitere Kommilitonen später bei der Brüdergemeine in Herrnhut verwendet, die ihnen schließlich erlaubt habe, ihr Studium am dortigen Theologischen Seminar fortzusetzen163. Solche Aufgaben wurden natürlich erleichtert durch die überregionalen Kontakte, die Osterloh aufgrund seiner Tätigkeit als Studentenpfarrer knüpfen konnte, so zum Beispiel zur Deutschen Christlichen Studenten-Verbindung, mit deren Vertretern er und Gollwitzer gemeinsam den Studententag 1937 in Würzburg organisierten164. Es kam bei dieser überregionalen Arbeit aber auch immer wieder zu Enttäuschungen bzw. Unstimmigkeiten, die sich bei den Treffen der mit der Studentenarbeit an den verschiedenen Hochschulorten befassten Gremien regelmäßig anhand der Frage ergaben, ob man die Mitarbeit des Berliner Theologiestudentenamtes der Bekennenden Kirche als rechtmäßig anzusehen habe. Das im Sommer 1937 erneuerte und durch die Relegationen diesmal unterstrichene Verbot der Arbeit der Kirchlichen Hochschule hatte die Konsequenz, das die gemeinsame Weiterarbeit eine gewisse Furchtlosigkeit vor Repressalien auch auf Seiten der „legalen“ Studentenvertretungen erforderte165. Auch vor Ort hatte die neue Lage nach dem Sommer 1937 schließlich die Folge, dass die Arbeit noch mehr als zuvor im Verborgenen stattfinden musste. Vorträge, Wanderungen mit anschließender „theologischer Diskussion“, wie für den 19. Dezember 1937 vorgesehen, aber auch „Offene Abende“ wurden jetzt nur noch brieflich angekündigt166. die Osterloh also nicht gänzlich unberührt ließen (vgl. insgesamt sieben Briefe an und von Kloppenburg vom 17.–31. 7. 1937 [EBD.]). 161 Schöne war schon am 28. 5. 1937 zusammen mit Siegfried Anz und Hermann Andrä „mit Entfernung von der Universität Berlin bestraft“ worden (Urteil in: EZA BERLIN, 50/104, 24–26). 162 THEOLOGIE UND KIRCHE IM WIRKEN HANS VON SODENS, S. 274. 163 Brief Siegfried Langes vom 24. 6. 1996. 164 Vgl. oben S. 69, Anm. 125. 165 Vgl. den Briefwechsel des Berliner Theologiestudentenamtes (Martin Blankenburg und Edo Osterloh) mit Martin Fischer aus dem Dezember 1939, der sich mit Konsequenzen aus der angestrebten Neuordnung der christlichen Studentenarbeit in einer – legalisierten – „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Evangelischen Studentenpfarrer“ (gegr. März 1939) befasste, in der auch die Studentenarbeit von DCSV und Bekennender Kirche aufgehen sollte. Zu Tagungen der Obleute waren Vertreter Berlins zuvor wiederholt nicht eingeladen worden (EZA BERLIN, 50/138). 166 Der Brief des Studentenpfarramtes der Bekennenden Kirche von Berlin-Brandenburg vom 2. Advent 1937 (gez. Martin Arndt) kündigte entsprechende Veranstaltungen an. Am Ende der Wanderung

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Den „Erfolg“ einer Tätigkeit als Studentenpfarrer messen zu wollen, dürfte schon unter normalen Umständen sehr schwierig sein, ganz unmöglich aber wird es unter den Bedingungen der Konspiration und Heimlichkeit, von denen Osterlohs Aktivitäten in diesem Amt nahezu ständig begleitet wurden. Ein – unfreiwilliger – Gradmesser dafür, dass diese nicht ganz verborgen blieben und auch über den Kreis der Angesprochenen hinaus Beachtung fanden, mag eine Äußerung des „regulären“ Studentenpfarrers von Berlin, Ernst Bronisch-Holtze, sein. Er unterrichtete am 14. Februar 1939 Konsistorialrat Paul Fahland davon, dass „die B.K. seit einigen Semestern wider Recht und Gesetz einen eigenen Studentenpfarrer in die Arbeit gesetzt hat. Es ist der junge B.K.-Pfarrer Osterloh, der Amt und Titel eines Studentenpfarrers usurpiert hat.“ Dem Hinweis darauf, dass sein Einfluss sich nur auf die bekenntniskirchlich gebundenen Studenten erstrecke, folgt der wohl eigentliche Grund der ganzen Mitteilung, nämlich die Bitte, „die Situation auch in dieser Hinsicht der Finanzabteilung gegenüber klarzustellen“167. So wenig einflussreich kann Osterlohs Arbeit kaum gewesen sein, wenn eine solche Klarstellung dem „regulären“ Amtsinhaber notwendig erschien. Laut Martin Fischers Bericht aus dem Jahre 1947 jedenfalls hat er „als Studentenpfarrer das entscheidende Verdienst für den inneren Zusammenhalt der Studenten unter dem Wort Gottes gehabt“168. Nachfolger Osterlohs, als dieser zur Wehrmacht eingezogen worden war, wurde für die verbleibende Zeit D. Dr. Bruno Violet, Pfarrer an der Friedrichwerderschen Kirche169.

2.7 Illegal in Berlin – „Legalisiert“ in Oldenburg Es muss angesichts der bisher festgestellten Eindeutigkeit der Osterlohschen Position zunächst irritieren, dass der Oberkirchenrat in Oldenburg auf seiner Sitzung vom 24. Januar 1939 unter Tagesordnungspunkt 2 beschloss, dem „Antrag des Kandidaten Osterloh zu entsprechen“170 – es handelte schließlich um nicht weniger als seinen „Legalisierungsantrag“171! Was war geschehen?

sollte über eine Abhandlung Osterlohs zu Gen 1 und 2 (E. OSTERLOH, Weltentstehung [Typoskripte]) gesprochen werden, die dem Brief beilag (beides in: LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 119). Mit demselben Brief wurde ein Treffen für die nicht in der Stadt studierenden Berliner BK-Studenten angekündigt, das in den Weihnachtsferien in der Wohnung der Osterlohs stattfinden sollte. 167 EZA BERLIN, 14/1614. Den Hinweis auf diesen Brief verdanke ich Dr. Hartmut Ludwig, Schöneiche. 168 M. FISCHER, Kirchliche Hochschule, S. 7. 169 Vgl. EBD. 170 AELOKR OLDENBURG, A III – 37–2. 171 So Osterloh selbst (Brief an Kloppenburg vom 6. 1. 1939 [ABS OLDENBURG, V.10.3]).

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Seit 1938 wurden in Oldenburg Verhandlungen über die Legalisierung der durch die Bekennende Kirche ordinierten Hilfsprediger geführt. Wie schon gezeigt, war der Umgang mit ihnen in Oldenburg von Beginn an von einem gewissen Pragmatismus geprägt172. Die Verhandlungsführer waren Erich Chemnitz, Vorsitzender des Generalpredigervereins und Schwiegervater Kloppenburgs, und der nebenamtliche Oberkirchenratsjurist Franz Hartong. Beide duzten sich und suchten sehr intensiv beim jeweiligen Verhandlungspartner Verständnis für die Probleme der eigenen Seite zu wecken. Strittig war v. a. die Frage, ob eine formale Aufnahme in den Dienst der Landeskirche beantragt werden müsse, so der Oberkirchenrat, oder nicht, so das Präsidium der Bekenntnissynode, das damit seinen Anspruch gewahrt sehen wollte, als rechtmäßige Vertretung der Landeskirchenleitung zu arbeiten. Nach in der Regel ausführlichen Besprechungen konnte dieser Streitpunkt jedoch in den Fällen, in denen man sich nicht einigen konnte, aus den Verhandlungen einfach ausgeklammert werden: Chemnitz und Hartong hatten für den angesprochenen Streitpunkt eine gemeinsame Formulierung für die Regelung der Hilfspredigerübernahme gefunden: „Jeder der 12 Herren kann beim Oberkirchenrat den Antrag stellen, daß sein bisheriger Dienst als in der Landeskirche geleistet anerkannt wird.“ Auf die innerhalb des Oberkirchenrats in diesem Zusammenhang meistdiskutierte Frage nach der Finanzierung der anfallenden Nachzahlungen bei Anerkennung dieser Dienstzeiten reagierte vermutlich der von Hartong geäußerte Wunsch, diese Formulierung durch „[…], um damit auch förmlich in den Dienst der Landeskirche aufgenommen zu werden“ zu ergänzen. Diesem Zusatz wollte wiederum Heinz Kloppenburg nur zustimmen, wenn ein weiterer Satz angeschlossen worden wäre: „Die grundsätzliche kirchenrechtliche Frage nach dem Verhältnis von Landeskirche und Bekennender Kirche soll hiermit nicht präjudiziert (oder ‚vorweggenommen‘) werden.“ Auf diesen Vorschlag hin schrieb Hartong am 7. September 1938 an Chemnitz: „Die Formulierung, die wir […] gemeinsam gesucht und gefunden haben, war ja schon eine Kompromißformulierung, an der wir gegenseitig bei den einzelnen Punkten nach einer Formulierung gesucht haben, um zu einer Verständigung auf beiden Seiten zu kommen. Es ist von daher schon grundlegend unrichtig, wenn Pastor Kloppenburg von meinem Entwurf spricht und dann zu dem tatsächlich ja gemeinsamen Vorschlag nun Formulierungen wünscht, die das Trennende geradezu wieder dick unterstreichen.“ Chemnitz antwortete gleich am nächsten Tag: „Es handelt sich ja wirklich nicht um Pastor Kloppenburg. Er selbst hat bereits bei der Eidesfrage unter Beweis gestellt jetzt wieder erklärt, daß an ihm und seiner Sache nichts scheitern soll. Es steht hinter den fraglichen Punkten Grundsätzliches, hinter Punkt 1: daß von Seiten der 172

Vgl. oben S. 42.

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BK der Anspruch nicht aufgegeben werden kann, im Rahmen der Landeskirche gehandelt zu haben und zu handeln und für ihr Handeln kirchlich – wenn auch nicht staatlich – von Schrift und Bekenntnis her legitimiert zu sein. Es besteht die Befürchtung, daß, wenn dieser Anspruch in Punkt 1 verhüllt wird, von der anderen Seite vor Gericht oder bei sonstigen Verhandlungen unterstellt werden kann, die BK habe ihren Standpunkt aufgegeben.“ Schon in diesem Brief folgte noch der Kompromissvorschlag, diesen Punkt aus der Vereinbarung am besten ganz herauszunehmen.173 Anfang Januar schienen die Verhandlungen vor einem Durchbruch zu stehen. Aufgrund des erreichten Ergebnisses übersandte Kloppenburg im Namen des Präsidiums der Bekenntnissynode am 30. Dezember 1938 sechs „Anträge auf Anerkennung der Prüfungen und Ordination“ an den Oberkirchenrat174. Zur gleichen Zeit muss er auch Osterloh in Berlin vom Stand dieser Verhandlungen informiert haben, wohl mit der Bitte, sich den übrigen oldenburgischen Hilfspredigern anzuschließen, um die Einheit des Auftretens zu wahren175 – schließlich gehörte ja auch Osterloh zum Kreis der Betroffenen. Daraufhin schickte Osterloh nach Rücksprache mit dem Berliner Bruderrat folgendes Gesuch über den verhandelnden Chemnitz an den Oberkirchenrat: „Der Unterzeichnete bittet den Oberkirchenrat 1. sein am 11. April 1936 vor der Prüfungskommission des Präsidiums der Bekenntnissynode der Evg. Luth. Kirche des Landesteils Oldenburg in Gemäßheit der kirchengesetzlichen Vorschriften abgelegtes Examen pro ministerio als für die Landeskirche rechtsgültig zu erklären, 2. seine am 12. April 1936 in der Kirche zu Rüstringen-Heppens im Gottesdienst der Gemeinde erfolgte Ordination als für die Landeskirche rechtsgültig zu erklären und 3. ihn in der Liste der Geistlichen der Landeskirche als zur Zeit beurlaubt zu führen.“176

In Begleitschreiben an Chemnitz und an Kloppenburg, dem er einen Durchschlag des Gesuchs zukommen ließ, legte Osterloh besonderen Wert darauf, in keinem Fall eine Sonderbehandlung zu erfahren, sondern so behandelt zu werden wie die übrigen in Oldenburg von den Verhandlungen Betroffenen auch. Dafür erteilte er sogar die Erlaubnis, gegebenenfalls den Text seines Gesuchs entsprechend zu ändern177. Sein Antrag sollte „auf jeden Fall denselben Sinn 173

Vgl. zum Ganzen AELOKR OLDENBURG, A XXVIII – 28, 1–11. Zit. Begleitschreiben Kloppenburgs (EBD., 12). 175 Das ergibt sich aus Osterlohs Antwortschreiben vom 6. 1. 1939 (vgl. unten). 176 Beilage (Durchschlag des an Chemnitz geschickten Originals) zum Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 6. 1. 1939 (ABS OLDENBURG, V.10.3). 177 Vgl. die Briefe Osterlohs an Chemnitz und Kloppenburg vom 6. 1. 1939 (EBD.). 174

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habe[n] wie die übrigen Oldenburger Anträge“178. Für den Fall, dass der Oberkirchenrat seine Zustimmung von einer Rückkehr nach Oldenburg abhängig machen sollte, erklärte er sich dazu grundsätzlich bereit. Dabei ging er davon aus, dass dem Oberkirchenrat seine „kirchliche Bindung […] amtlich und persönlich so genau bekannt“ sei, dass er meinte, „auf einen besonderen Hinweis darauf verzichten zu können“179. In Oldenburg entwickelten sich die Dinge jedoch wieder ungünstig: Ein weiteres Schreiben Kloppenburgs vom 9. Januar 1939 mit den Anträgen sechs anderer Kandidaten180, unter ihnen auch der Osterlohs, traf im Oberkirchenrat ein, als dort intern bereits negativ über die ersten sechs Anträge entschieden worden war, weil für den Oberkirchenrat entscheidende Bedingungen erneut nicht erfüllt waren: „1. die Kandidaten reichen wieder durch das Präsidium ihre Anträge ein, sind also nicht, wie s. Zt. von Pfr. Kloppenburg an Herrn Hartong mitgeteilt, frei gegeben, 2. ein Gesuch um Übernahme in die Landeskirche ist nicht ausgesprochen. Es wird also offenbar der bisherige Standpunkt festgehalten und die Landeskirche, die schon mit soviel Bek.Pfrn. belastet ist und keinen einzigen anderswo unterbringen kann, wird mit Kandidaten belastet, die weiterhin ihre eigenen Wege gehen wollen.“181

Die Hauptbedingung, das verlangte Abrücken der Kandidaten vom Präsidium der Bekenntnissynode, führte zum Scheitern der Verhandlungen. Obwohl in einem weiteren Gespräch im Oberkirchenrat am 23. Januar 1939 ein Entgegenkommen besonders der Juristen des Oberkirchenrats zu erkennen war, ging man ohne Ergebnis auseinander182. Die Hoffnung, in Oldenburg zu einer Legalisierung der Kandidaten zu kommen, hatte sich vorerst zerschlagen – für alle bis auf einen! Denn den Antrag Osterlohs beurteilte man im Oberkirchenrat anders: „Inzwischen ist noch eine Eingabe von Osterloh-Berlin eingegangen, in der er um Übernahme in den Dienst der Landeskirche unter Anrechnung seiner bisherigen Dienstzeit nachsucht, also offenbar auf die Anregung des OKR, unbeeinflußt durch das oldbg. Präs., eingeht.“183

178

Brief an Chemnitz vom 6. 1. 1939 (EBD.). Brief an Kloppenburg vom 6. 1. 1939 (EBD.). 180 AELOKR OLDENBURG, B XXVIII – 28, 13. 181 Notiz des hauptamtlichen juristischen Oberkirchenrats Müller-Jürgens vom 5. 1. 1939 auf der Abschrift des Textes der ersten von Kloppenburg eingereichten Kandidatenanträge (AELOKR OLDENBURG, B XXVIII – 28, 12). 182 Besprechung zwischen Volkers, Hartong, Müller-Jürgens und den Hilfspredigern Schmidt, Höpken, Harbsmeier und Wintermann (AELOKR OLDENBURG, A III – 37,2). 183 Notiz Müller-Jürgens’ vom 24. 1. 1939, in der er im Weiteren die Ablehnung der übrigen Anträge empfahl (AELOKR OLDENBURG, A XXVIII – 28, 18). Nicht klar ist, ob dieser Notiz a) eine weitere von Osterloh selbst ausgehende Eingabe voranging, oder ob b) Chemnitz/Kloppenburg gemäß seinen Anweisungen eine erforderliche Zusatzerklärung in seinem Namen einreichten, oder ob c) der Ober179

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Osterlohs Antrag wurde also angenommen, während die Legalisierung aller anderen Kandidaten weiter auf sich warten ließ. Sie erfolgte im Allgemeinen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, im Rahmen der Geschehnisse, die unter dem Stichwort „Burgfrieden“ zusammenzufassen sind184, aber der an den Verhandlungen 1938/39 mitbeteiligte Götz Harbsmeier z. B. war auch im Dezember 1939 noch nicht legalisiert185. Es ist wohl bezeichnend für den Kirchenkampf in Oldenburg, wie intensiv und um Verständnis bemüht man hier an führender Stelle miteinander verhandelte, ohne dass irgend jemand an diesen Verhandlungen als solchen etwas auszusetzen gehabt hätte. Grundsätzliche Bedenken theologischer Art tauchten nicht auf, bestimmende Faktoren waren Prestige und Finanzargumente auf der einen, der Wunsch, eine bestimmte juristische und moralische Integrität v. a. gegenüber dem Staat zu wahren, auf der anderen Seite. Daneben spielte die Machtfrage eine Rolle, denn im Grunde verhandelte man in Oldenburg auf gleicher Höhe: Hier der Oberkirchenrat mit der Amts- und Finanzgewalt der Behörde, dort das Präsidium der Bekenntnissynode mit der überwiegenden Mehrzahl der Pfarrer hinter sich, ohne deren Arbeit der Oberkirchenrat in der Luft schwebte, die sich aber andererseits von diesem Oberkirchenrat bezahlen ließen. Jedes Nachgeben am entscheidenden Punkt der Bindung an das Präsidium der Bekenntnissynode hätte dieses Gleichgewicht natürlich ins Wanken gebracht. Verhandlungen von der Art, wie sie hier geführt wurden, lassen eine Auseinandersetzung um den rechten Glauben, die evangeliumsgemäße Verkündigung und ein Kirchenregiment auf der Grundlage der Bekenntnisschriften und der Verfassung, einen Kirchenkampf also, der ja tatsächlich auch in Oldenburg geführt worden war, kaum noch erahnen. Hier begegnete man sich mit Respekt und beinahe Verständnis für die Probleme der anderen Seite, natürlich nicht, ohne zu versuchen, doch die eigene Position durchzusetzen, aber zunächst darauf bedacht, sie gegenüber dem Anderen und Dritten zu behaupten. Das „Du“ zwischen Chemnitz und Hartong ist dabei nur sinnfälliger Ausdruck für die ganze Atmosphäre. So verwundert es kaum noch, wenn der Oberkirchenrat das Gesuch Osterlohs, von dem er wusste, dass er an der illegalen Kirchlichen Hochschule arbeitete und für die in den Augen der Behörde ebenfalls illegale Bekennende Kirche von Berlin als damit ebenso illegaler Studentenpfarrer tätig war, positiv beschied, kirchenrat evtl. den dritten Punkt des ursprünglichen Osterlohschen Antrags so verstanden hat oder verstehen wollte, dass er den Kriterien entsprach. 184 Vgl. H. HARMS, Geschichte III, S. 223–242; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 410ff.; R. SCHÄFER, Kirchen, S. 821; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 746f. 185 Vgl. H. HARMS, Geschichte III, S. 240f. (Ergebnis der Verhandlungen im Landeskirchenausschuss vom 14. 12. 1939 über die Legalisierung einzelner Pfarrer).

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nur weil es bestimmten formalen Gesichtspunkten genügte (vielleicht auch mit dem Hintergedanken, damit in die Reihe der Bekenntnispfarrer und -kandidaten einen kleinen Keil zu treiben). Für Kloppenburg und Chemnitz dürfte andererseits Osterlohs Legalisierung ebenfalls kein Problem dargestellt haben, denn er war ja nun wirklich außerhalb der Landeskirche beschäftigt und ein Gesuch um Aufnahme stellte damit die Rechtmäßigkeit der Bekenntnissynode nicht in Frage. Der für Osterloh entscheidende Punkt der Gleichbehandlung war damit für sie von vornherein nicht ausschlaggebend. Dazu dürfte die Sorge um eine Absicherung Osterlohs eine Rolle gespielt haben, denn die offizielle Aufnahme in die Landeskirche gab immerhin eine gewisse Garantie dafür, dass er in Oldenburg würde arbeiten können, falls dies in Berlin nicht mehr möglich wäre. Und davon hätte ja auch die Bekennende Kirche Oldenburgs profitiert186. Erstaunlicher ist schon, dass dieses Kapitel intensiver Verhandlungen in den Darstellungen des oldenburgischen Kirchenkampfes – auch in den neuesten – völlig fehlt. Es wird das Bild anhaltender Auseinandersetzungen bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges gezeichnet187. Dies ist zwar nicht falsch, aber eben auch nicht vollständig, wie am Beispiel der Legalisierung Osterlohs und der vorlaufenden Gespräche gezeigt werden kann.

2.8 Osterlohs wissenschaftliches Arbeiten an der Kirchlichen Hochschule Kritik an der mangelnden Wissenschaftlichkeit der Kirchlichen Hochschule war schon vor ihrer Gründung laut geworden – und Aussagen von Osterloh und anderen bestätigten diese Stimmen zunächst. Osterloh klagte gegenüber Bultmann, wie sehr ihn allein die Prüfungstätigkeit belaste188. Zunächst war es ihm nicht einmal möglich, die Arbeiten an der geplanten Dissertation aufzunehmen189, doch nach und nach – Osterloh reflektierte das Problem und gestand der Kritik an der Kirchlichen Hochschule in diesem Punkt eine gewisse Be186 Nicht auszuschließen ist letztlich auch, dass es einfach Abstimmungsprobleme zwischen Osterloh und den Oldenburgern, vielleicht Überschneidungen zwischen Briefen Osterlohs und Geschehnissen in Oldenburg gab, so dass Osterlohs Antrag nicht mehr dem inzwischen eingetretenen Scheitern der Verhandlungen entsprach. Dann beträfen die o. g. Gründe das Aufrechterhalten dieses Antrags. 187 Auszunehmen aus dieser allgemeinen Feststellung ist natürlich das kritische Werk Karl-Ludwig Sommers (DERS., Bekenntnisgemeinschaft), der aber – seiner eher sozialgeschichtlichen und von der Ebene der Gemeinden her argumentieren Intention gemäß – diesen Vorgang auch nicht in den Blick nimmt, obwohl er in den Duktus seiner Aussagen passen würde. 188 Vgl. oben S. 68, Anm. 115. 189 Vgl. oben S. 61, Anm. 68.

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rechtigung zu190 – gelang es ihm, eigene Publikationen in Angriff zu nehmen. Ein erstes Forum bot ihm dazu v. a. die „Junge Kirche“. In den ersten Monaten des Jahres 1936 erschienen dort eine ganze Reihe von eher konventionell gehaltenen biblischen Besinnungen191. Gegen das Missverständnis, mit dieser Reihe die „Flucht in die Erbaulichkeit“ anzutreten, rechtfertigten Autor und Schriftleitung der „Jungen Kirche“ sich durch den Abdruck von „Das Kirchenjahr und der Kampf um die junge Kirche“192. Hier versuchte Osterloh die Wichtigkeit einer schriftgemäßen kirchlichen Verkündigung gerade für das Bestehen in den aktuellen Anfechtungen nachzuweisen. Maßgebend für Osterloh war dabei das Anliegen, „daß jede Predigt auf dem Grunde eines Schriftwortes den Christus zu bezeugen hat, der allein Rechtfertigung von den Sünden und ewiges Leben für uns in die Welt hineingebracht hat“193. Die Verkündigung des Wortes stand für ihn absolut im Mittelpunkt jedes Gottesdienstes194, äußere Einflüsse sollten weitestgehend ausgeschlossen werden: „Der Prediger tut nur dann seine Schuldigkeit, wenn er nachspricht, was die Schrift ihm von Christus bezeugt. Dabei soll er die Schrift nicht nach seinen Gedanken umdeuten oder für die Bedürfnisse bestimmter Anlässe mißbrauchen, sondern sie so verstehen, wie sie von sich aus verstanden werden will.“195

Größere Fachpublikationen im Bereich Altes Testament folgten alsbald, von denen hier zwei signifikante näher betrachtet werden sollen. Zunächst handelte es sich um den Aufsatz „Die Geschichte vom Sündenfall in der christlichen 190 Am 4. 10. 1936 schrieb er an Bultmann: „Ihre Befürchtungen bezüglich des wissenschaftlichen Niveaus unserer Arbeit sind in der Zwischenzeit leider auch nicht zerstreut worden. Keiner von uns hat bisher die Forschung im strengen Sinne geführt; ich sehe dabei ab von dem, was Schlier u[nd] einige vorher geleistet haben.“ (UB TÜBINGEN, NL Rudolf Bultmann, Mn 2-1505). – Im Rückblick urteilte er 1949: „Die Anfechtbarkeit der wenigen damals im Drange mancherlei verschiedenartigster Verpflichtungen unter stetiger Bedrohung mit Schikanen und Haft entstandenen Veröffentlichungen darf den Blick nicht dafür trüben, daß in ihnen prinzipiell der Maßstab der Wissenschaftlichkeit anerkannt und das Gespräch mit der Forschung bejaht und gesucht wird“ (E. OSTERLOH, Angefeindete Theologie [1949], Sp. 436). 191 Zu Epiphanias und dem 1. Sonntag nach Epiphanias erschienen dort „Besinnungen über das Evangelium“, vom 3. Sonntag nach Epiphanias bis zum Trinitatisfest insgesamt 21 „Besinnungen über Evangelium und Epistel“ (Bibliographie, 1936). Diese Besinnungen sollten ursprünglich Teil eines über das ganze Jahr 1936 sich erstreckenden Vorhabens sein. Hans Asmussen sollte Betrachtungen über die Abschnitte des Kirchenjahres schreiben, Osterloh die Besinnungen zu den einzelnen Sonntagen (vgl. JK 4, 1936, 15). Dies Vorhaben scheiterte an der Arbeitsbelastung Asmussens (Anmerkung der Schriftleitung in: JK 4, 1936, 473). Nach Pfingsten erschienen keine weiteren Besinnungen Osterlohs mehr in der „Jungen Kirche“. Im Jahre 1937 erschienen an anderer Stelle drei Bibelarbeiten Osterlohs zu Abschnitten der Offenbarung (Bibliographie, 1937). 192 Vgl. die Anmerkung der Schriftleitung an Osterlohs Text, in: JK 4, 1936, 473. 193 E. OSTERLOH, Kirchenjahr (1936), S. 472. 194 Vgl. EBD., S. 471. 195 EBD., S. 470f.

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Verkündigung und in der Theologie des Alten Testaments“196, veröffentlicht in der „Evangelischen Theologie“, die als Nachfolgezeitschrift für „Zwischen den Zeiten“ 1934 gegründet worden war. In diesem für sein weiteres exegetisches Werk richtungweisenden Aufsatz, den er selbst einen „Beitrag zu den Auseinandersetzungen über eine sachgemäße Auslegung des Alten Testamentes“ nannte197, setzt Osterloh sich zunächst kritisch mit Ludwig Köhlers „Theologie des Alten Testamentes“198 auseinander, mit der er sich schon seit ihrem Erscheinen näher befasst hatte199. Als Ansatzpunkt der Kritik an einem seiner Lehrer diente ihm Köhlers Verständnis von Genesis 3. Köhler hatte behauptet, das von Luther bzw. Paulus vorgeprägte Verständnis dieses Kapitels als „Sündenfall-Paradigma“ laufe dem ursprünglichen Sinn der Perikope völlig zuwider und sei im ganzen Alten Testament so nicht vorhanden200. Diesem Ansatz, der die Schriften des Alten Testaments samt ihren Vorstufen als eigene Größen wahrnimmt und sie von ihrem ursprünglichen Gehalt her gewürdigt wissen will, setzte Osterloh seine exegetisch-theologische Grundüberzeugung entgegen, die einer „biblischen Theologie“ nahe kommt: „Das theologische Ziel ist die Erkenntnis der inneren Einheit und der von ihr aus theologisch sinnvollen Vielgestaltigkeit des ganzen Kanons. In einer christlichen Theologie kann man keines der beiden Testamente ohne das andere verstehen, wenn man nicht das zentrale Thema von vornherein preisgeben will. Es gibt keine Möglichkeit zu theologisch treffenden Aussagen über den ‚Gott für uns‘ in Jesus Christus ohne Bezugnahme auf das Alte Testament, und es gibt keine Möglichkeit, das Thema des Alten Testaments theologisch richtig zu erfassen ohne den Glauben, daß Jesus von Nazareth der Christus sei.“201

Diese Position bleibt bestimmend für Osterlohs exegetische Werke. Wichtig ist ihm der Text in seiner kanonischen Gestalt, in der er „uns zunächst auch rein literarisch nur zugänglich ist“. Über dieses methodische Argument hinaus aber ist diese Zugangsweise für ihn viel grundsätzlicher die einzig angemessene: „Es

196

Veröffentlicht 1936. E. OSTERLOH, Sündenfall (1936), S. 193, Anm.1. 198 Erschienen Tübingen 1936. 199 Köhler hatte Osterloh ein Exemplar zukommen lassen. Osterloh zeigte sich davon „an entscheidenden Punkten enttäuscht“ und konkretisierte dies schon im Dezember 1936 gegenüber Bultmann: „ich vermisse eine echte Bestimmung dessen, was ‚Theol. des A.T.‘ ist (seine Ausführungen darüber halte einfach für unzulänglich) und die unbedingt notwendige Fragestellung nach der Beziehung der ‚Wörter‘ im A.T. zu dem ‚fleischgewordenen Wort‘ im N.T […]. Auch seine Aussagen über die Sünde im A.T. stellen keine theologische Ausschöpfung der tatsächlichen Aussagen des A.T. dar“ (Brief vom 4. 10. 1936, UB TÜBINGEN, NL Rudolf Bultmann, Mn 2-1505). 200 Vgl. E. OSTERLOH, Sündenfall (1936), S. 193f. 201 EBD., S. 198. 197

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ist der Inhalt des Kanons und keines anderen Buches, durch den Gott sich von uns finden lassen will.“202 Das heißt keineswegs, dass die üblichen exegetischen Methoden dabei außen vor bleiben müssen, aber sie werden zu reinen Hilfsmitteln; die mit ihrer Hilfe rekonstruierten literarischen Formen oder Urtexte sind nur der Hintergrund, vor dem das eigentlich Wichtige sich umso deutlicher erkennen lässt: „Wenn ich hypothetisch die vorkanonische Gestalt und den Gehalt eines biblischen Stoffes rekonstruiere, so kann mir das dazu dienen, in Spannung dazu seine theologische Bedeutung im Kanon deutlicher zu erkennen.“203

Den Höhepunkt von Osterlohs wissenschaftlicher Tätigkeit in dieser Zeit bildete sicher sein Hesekiel-Buch „Die Offenbarung Gottes in der Fremde“204, das ihm unter anderen Umständen mit einiger Sicherheit zum Titel eines lic. theol. bzw. Dr. theol. verholfen hätte. In dem flüssig geschriebenen und gut lesbaren Buch, mit dem Osterloh sich dezidiert nicht nur an Fachtheologen wenden, sondern auch „für gebildete Nicht-Theologen verständlich“ sein wollte205, verzichtete er bewusst darauf, einen fortlaufenden Kommentar zu Hesekiel zu bieten206. Er stellte eigene Übersetzungen der für ihn wichtigsten Abschnitte jeweils den Erläuterungen voran. In diesen Erläuterungen versuchte Osterloh, die Botschaft des vorliegenden Textes in seiner biblischen Gestalt herauszuarbeiten, und unterließ es deshalb, textkritische Untersuchungen zur Frage nach der vorkanonischen Gestalt des Prophetenbuches in die Auslegung einzuarbeiten. Sie standen für ihn – ganz seinem oben ausgeführten Ansatz gemäß – als „[rein] historische Problemstellungen“ im Hintergrund, beschäftigten ihn zwar bei seinen Vorarbeiten, sollten aber in der Endfassung zugunsten der selbstgestellten Aufgabe zurückstehen207. In Osterlohs Verständnis sollte sich der Ausleger durch konsequente Exegese vor allem von einer allzu direkten Übertragung der Worte des Propheten auf die Gegenwart abgrenzen: „Was geht er uns an, was hat er uns zu sagen, was haben wir Glieder der Kirche Christi heute in Deutschland mit ihm zu tun? Unsere Fragen werden ihre richtigen Antworten erhalten, wenn wir bereit sind, hinzuhören auf den Auftrag, den er von Gott zunächst für seine Gegenwart erhielt, wenn wir auf die Verkündigung und das Leben unter diesem Auftrage aufmerken, so wie sein Buch es bezeugt. Indem wir von Ezechiel und

202

EBD. EBD. 204 Erschienen 1939. 205 E. Osterloh, Offenbarung (1939), Klappentext. 206 Vgl. EBD., S. 155 (Nachwort). 207 Vgl. EBD. – Dies konnte natürlich spätere Leser leicht dazu verleiten, das Fehlen einer „streng wissenschaftlichen Exegese“ zu konstatieren (vgl. unten Anm. 210). 203

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seinem Dienst unter der Offenbarung Gottes an seinen Brüdern und Schwestern in der Gemeinschaft des Volkes und des Glaubens lesen, horchen wir bereits auf die Stimme des Redenden, der uns selber mit seinem Wort meint.“208 „Die Worte des Buches Ezechiel stammen aus fernen Zeiten und von einem Mann fremder Sprache. Ich habe sie nur ‚übersetzt‘ und nicht unserer Zeit gemäß ‚verdeutscht‘, um daran zu erinnern, daß wir ein altes, fremdes und nicht immer ganz leserliches Schriftstück buchstabieren und verstehen wollen.“209

Im Hintergrund bleibt bei Osterlohs Vorgehensweise eine vergleichende Betrachtung. Man vermisst die Einordnung der Figur Hesekiels und seiner Prophetie in den alttestamentlichen, erst recht religionsgeschichtlichen Kontext: „[D]as Beiseitelassen einer streng wissenschaftlichen Exegese bringt eben doch mit sich, daß der Prophet isoliert gesehen wird.“210 Daneben fällt auf, dass Osterloh dem, vor dem er eindringlich warnt, selbst nicht immer entgeht: einer manchmal zu schnellen Übertragung der Aussagen des Prophetenbuches auf die Gegenwart. Begünstigt wird diese doch oft direkte Übertragung durch Osterlohs theologischen Ansatz seiner alttestamentlichen Arbeit. Bemüht, durch „eine theologische Auslegung […] die inhaltlichen Beziehungen zwischen dem Alten und dem Neuen Testament aufzudecken“211, werden Volk Israel und Kirche ebenso als direkt miteinander verbunden betrachtet wie alttestamentliche Heilsverkündigung und Christusgeschehen. Dies und die von Osterloh selbst hervorgehobene persönliche Betroffenheit durch das Prophetenbuch212 scheinen ihn an vielen Stellen – mehr als nach seinem eigenen exegetischen Verständnis wünschenswert wäre – dazu verleitet zu haben, sehr direkte Parallelen zu ziehen zwischen der Situation Hesekiels und der Lage der Bekennenden Kirche, zwischen der Verstocktheit Israels und der auf die völkisch-nationalsozialistische Ideologie gegründeten Christentumsfeindlichkeit der Gegenwart: „Ob seine Volksgenossen auf ihn hören, oder ob sie es lassen, darauf darf Ezechiel keine Rücksicht nehmen […]. Die Worte der Gegner sollen ihn nicht beeindrucken. Er soll sich gegen sie mit Gleichmut wappnen […]. Er darf sich stets daran erinnern, daß seine Mitmenschen gar nicht anders können, als ihn quälen und ihm Kummer und Schmerz bereiten, sie können nicht anders, aber sie können auch nicht mehr.“213

208

EBD., S. 18. EBD., S. 155 (Nachwort). 210 H.-W. BARTSCH, Handbuch, S. 82. 211 EBD., S. 79, Anm.1. 212 „Das Buch Ezechiel hat zu mir geredet. Es hat mir Fragen gestellt und Antworten gegeben, die mich heute bei jeder kirchlichen Arbeit bewegen“ (E. OSTERLOH, Offenbarung [1939], S. 155 [Nachwort]). 213 EBD., S. 22f. 209

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„Optimismus über den Erfolg der Predigt im Namen Gottes unter den eigenen Volksgenossen ist daher fehl am Platze […]. Soll er bei dieser Situation seinen Volksgenossen nicht entgegenkommen? Muß er da nicht wenigstens zunächst, – um überhaupt ernst genommen zu werden, – gute Miene zum bösen Spiel machen? […] Muß er nicht gerade im wohlverstandenen Interesse seiner Sache zunächst einmal sein eigentliches Anliegen zurückstellen und ein wenig mit den Wölfen heulen, um überhaupt in ihre Gesellschaft aufgenommen zu werden? Muß er sich nicht für den Anfang freundlich und positiv […] zu den Zuständen stellen, wie sie nun einmal sind? Mag das alles gegebenenfalls notwendig und richtig sein, es sollte jedem Bejaher der obigen Fragen zu denken geben, daß Ezechiel jedenfalls den Weg des geringsten Widerstandes nicht gehen durfte[…].“214 „Es muß in jeder Epoche der Geschichte neu und konkret bezeugt werden, daß die sich jeweils am Werk befindlichen Mächte der Anfechtung unter der endgültigen Herrschaft des bekannten Gottes stehen. Der Glaube bedarf immer neu der Vergewisserung, daß der Unglaube mit seiner Manifestation im jeweils modernen Ammon, Moab oder Edom gar nicht von uns überwunden zu werden braucht, sondern unter das Gericht Gottes fällt.“215

Daneben erschienen noch die Aufsätze „Der Schöpfungsbericht der Bibel“, „Christlicher Glaube oder eine neue Religion“ und „Die Gottebenbildlichkeit des Menschen. Eine exegetisch-systematische Untersuchung zu Gen. 1,27“216 sowie ein Heft in der Reihe „Theologische Existenz heute“ („Gottes Gerechtigkeit und menschliches Recht im Alten Testament“217), bevor der Krieg auch hier alle weiteren Pläne zunichte machte. Der kriegsbedingte Abbruch seiner Serie von Veröffentlichungen, die bis dahin durchaus ansehnlich geworden war – immerhin hatte er im Alter von 31 Jahren bereits eine Monographie, sieben Aufsätze in renommierten Zeitschriften 214

EBD., S. 28f. EBD., S. 131. 216 Erschienen 1938 und 1939. Bis auf den am 14. 7. 1939 in Berlin gehaltenen Vortrag „Christlicher Glaube oder eine neue Religion“, in dem Osterloh sich mit den Herausforderungen des Christentums durch die „neuen Religionen“ (Atheismus, Materialismus, Deutschglaube usw.) befasste, handelt es sich um exegetische Aufsätze. 217 Erschienen 1940. Auch hier handelt es sich um eine exegetische Arbeit, die erst in einem zusammenfassenden Abschnitt ganz am Ende die vom Gegenstand der Beschäftigung her naheliegenden Anspielungen auf die Gegenwart enthält: „Nur der Glaubende erkennt diese Beziehung zwischen dem weltlichen Recht und der Gerechtigkeit Gottes. Aber auch er kann aus der Gerechtigkeit Gottes kein Rechtsprinzip für das weltliche Recht machen. Wohl aber vermag er Recht und Mißbrauch des Rechtes zu unterscheiden. Für das Gottesvolk ist das Recht eine der Verwirklichungen der Gerechtigkeit Gottes. Sein Rechtsleben muß sich bewußt in den Dienst dieser Gerechtigkeit stellen. In ihm gibt es kein Recht, das sich nicht vor der Gerechtigkeit Gottes ausweisen müßte“ (E. OSTERLOH, Gerechtigkeit, S. 32). Osterloh schließt diesen Aufsatz, und damit seine letzte Veröffentlichung vor Kriegsende mit einem Bibelwort: „Auf der ganzen Welt gilt zu allen Zeiten: Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben. Spr. 14,34“ (EBD.). 215

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und zahlreiche Predigtmeditationen veröffentlicht –, kam für Osterlohs wissenschaftliche Ambitionen natürlich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, als er gerade dabei war, sich in der Fachwelt einen Namen zu machen218. Seine wichtigsten Arbeiten erschienen kurz vor oder bereits im Krieg, so dass ihnen kaum noch eine große Aufmerksamkeit zuteil werden konnte. Dazu kam, dass es ihm im Krieg eben nicht vergönnt war, weiter publizieren zu können, während viele Fachkollegen nun sogar mehr Zeit hatten, sich um wissenschaftliche Arbeiten zu kümmern, einfach weil an den Fakultäten die Studenten ausblieben219. Eine weitere, über den engeren Horizont eigener Veröffentlichungen hinausgehende Initiative zur Förderung der Theologie als Wissenschaft innerhalb der Bekennenden Kirche unternahm Osterloh zusammen mit Joachim Beckmann, dem Präses der rheinischen Bekenntnissynode. Beide luden Anfang 1940 mehrere Theologen und theologisch interessierte Laien für den 7. und 8. Februar nach Berlin zu einer theologischen Konferenz ein, um dort die „Gesellschaft für evangelische Theologie“ zu gründen220. Diese bis in die Nachkriegszeit richtungweisende Gesellschaft sollte der theologischen Wissenschaft ein Forum innerhalb der Bekennenden Kirche und zugleich den Theologen Gelegenheit zu wissenschaftlichem Austausch an den offiziellen Organen vorbei bieten221. Auch der Mitarbeit Osterlohs an diesem Projekt über die Gründungsphase hinaus setzte seine Einberufung zum Militär ein jähes Ende.

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H.-W. BARTSCH, Handbuch, verfasst 1949, erwähnt Osterloh noch, diskutiert sogar kurz seinen Ansatz (EBD., S. 79, Anm. 1; vgl. S. 81f.). K. KOENEN, Dröhnen, verfasst 1998, dagegen geht – aus weit größerer Distanz zurückblickend – über seine Arbeiten hinweg. Wenn P. NOSS, Martin Albertz, zum Studienalltag an der Kirchlichen Hochschule lediglich einen Zeitzeugen zu Wort kommen lässt, der darauf hinweist, dass alle (sic!) Dozenten Barth-Schüler waren und dementsprechend „nichts“ von einer historisch-kritischen Forschung hielten (EBD., S. 268), dann erliegt er durch die zitierte Aussage wohl doch einer unzulässigen Vereinfachung. Auch der Hinweis auf „Theologia viatorum“ als „einzige Veröffentlichung der KiHo“ – gedacht als Beleg für die mangelnde Wissenschaftlichkeit (EBD., S. 269) – kann hier nur irritieren. Wie gezeigt hatte selbst Osterloh es als sicher nicht renommiertester Fachtheologe der Kirchlichen Hochschule bis 1940 zu einer beachtlichen Liste von Veröffentlichungen gebracht. Und es war und ist doch wohl auch an „normalen“ Fakultäten nicht üblich, dass der Grad an Wissenschaftlichkeit anhand gemeinsamer Veröffentlichungen bestimmt wird. So trifft wohl Osterloh selbst eher die Wahrheit, wenn er im Jahre 1949 rückblickend auf entsprechende Kritik eingeht, ihr gegenüber jedoch darauf verweist, „daß Schlier in Elberfeld nie seine Herkunft aus der kritischen Schule Marburgs verleugnet hat, und daß neben anderen auch Peter Brunner in Elberfeld, Harder, Albertz, Dreß und Osterloh in Berlin energisch für die Notwendigkeit exakter wissenschaftlicher und historischer Forschung eingetreten sind“ (E. OSTERLOH, Angefeindete Theologie [1949], Sp. 436). 219 Vgl. K. KOENEN, Dröhnen, S. 108f., 115, Anm. 199. 220 Vgl. THEOLOGIE UND KIRCHE IM WIRKEN HANS VON SODENS, S. 321. 221 Vgl. E. WOLF, Art. „Gesellschaft für evangelische Theologie“.

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2.9 Osterloh in Berlin – Leben im Widerstand? Die Meinungen darüber, inwieweit die bekennende evangelische Kirche dem Nationalsozialismus Widerstand leistete, sind in der Forschung der letzten sechzig Jahre weit auseinander gegangen. Die Emphase der unmittelbaren Nachkriegszeit, in der – mit dem Wohlwollen der (West-)Alliierten – überspitzt gesagt vielfach schon die bloße Mitgliedschaft in der Bekennenden Kirche als fast gleichbedeutend mit einem Leben im Widerstand und in ständiger Gefahr vor der Gestapo ausgegeben wurde, hielt sich in der – nicht immer – wissenschaftlichen Auseinandersetzung bis in die 1960er Jahre hinein222 und wurde dann von einer Phase weitgehenden Desinteresses abgelöst. Ab etwa Mitte der 1970er Jahre begann das Pendel in die andere Richtung auszuschlagen: Am Verhalten einiger weniger – vorwiegend politisch links orientierter – leuchtender Ausnahmen wurde nun das fast völlige Versagen der Bekennenden Kirche vor dem Nationalsozialismus herausgestellt223. Spätestens seit dem Erscheinen der für die Erforschung der wichtigen Jahre 1933 und 1934 maßgeblichen Bände Klaus Scholders224 treten zunehmend differenziertere Betrachtungsweisen in den Vordergrund. Gerade bei der in jüngster Zeit stark zunehmenden Zahl von regionalen, gruppen- oder personenspezifischen Untersuchungen wird verstärkt nach dem persönlichen, sozialen und politischen Umfeld der Handelnden gefragt225. Nur so kann damaliges Handeln korrekt beschrieben und auf sein „Widerstandspotential“ hin befragt werden. Daneben sind inzwischen eine Reihe von wichtigen und ausgewogenen Spezialuntersuchungen zum Thema „Kirche und Widerstand“ erschienen226. Als vorläufiges Ergebnis lässt sich im Anschluss an Hans Maier festhalten227: 1.) Wenn Widerstand aus christlichen Motiven geleistet wurde, dann von Einzelnen, kaum von den Kirchen im Ganzen. 2.) Dieser christliche Widerstand Einzelner musste sich gegen zahlreiche Hemmnisse und Gegenargumente entwickeln und behaupten228:

222 Als Beispiele seien genannt: KIRCHE IM KAMPF; DIE STUNDE DER VERSUCHUNG. Aber auch die frühen Monographien der Reihe „Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes“, zum Teil von direkt Beteiligten geschrieben, kommen in einigen Fällen über dieses Niveau kaum hinaus. 223 Vgl. z. B. H. PROLINGHEUER, Karl Barth; DERS., Der rote Pfarrer; E. KLEE, „Die SA Jesu Christi“. 224 K. SCHOLDER, Kirchen, Bd. 1 u. 2. 225 K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft; G. ABRATH, Subjekt; FRAUEN IN DUNKLER ZEIT; KIRCHENKAMPF IN BERLIN. 226 K. VON KLEMPERER, Glaube; K. SCHOLDER, Widerstand; G. BESIER, Widerstand; CHR. STROHM, Theologische Ethik; J. MEHLHAUSEN, Widerstand; H. MAIER, Christlicher Widerstand. – Vgl. auch K. MEIER, Kreuz. 227 H. MAIER, Christlicher Widerstand. 228 Hierzu vgl. J. MEHLHAUSEN, Widerstand, bes. S. 25–28, der zu dem Schluss kommt: „Die wenigen evangelischen Christen, die sich über Resistenz, Abwehr und Protest hinaus zur Fundamentalopposition gegen den politischen Totalitarismus der Nationalsozialisten hindurchrangen, wurden bei dieser Entscheidung von ihrer Kirche und der in Deutschland öffentlich anerkannten Theologie ihrer Zeit völlig alleine gelassen“ (S. 28).

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– in der kirchlichen Tradition (Röm 13, der Gedanke des Erduldens von Unrecht, eine jahrhundertelang überzogen interpretierte Zwei-Reiche-Lehre), – in der deutsch-evangelischen Besonderheit des Verhältnisses von Staat und Kirche (gläubiges Vertrauen zu einer guten Obrigkeit; enge, zum Teil symbiotische Beziehung von Thron und Altar über lange Zeit), – bei den Kirchenbehörden (vorrangiges Achten auf die Selbstbewahrung der „sicheren“ Institution), – in der zeitgenössischen Lage und Mentalität (Sehnsucht nach den „geordneten Zuständen“ des Kaiserreiches und nach starker Führung; mangelnde Verankerung demokratischer Tugenden). 3.) Wenn es trotzdem zu christlichem Widerstand kam, entzündete er sich – in reformatorischer Tradition – vor allem dort, wo der Eindruck aufkam, der nationalsozialistische Staat verfolge die Kirche oder das Christentum. 4.) Christlicher Widerstand hatte im Ganzen eher defensiven Charakter (Abschottung gegen Übergriffe des Staates, gegen seinen Konformitätsdruck und seine Ideologie). 5.) Nur sehr vereinzelt führte das im Angesicht des nationalsozialistischen Terrors begonnene Umdenken bezüglich des Rechtes zum Widerstand bis hin zu einer Wiederaufnahme des Gedankens eines gerechten Tyrannenmordes.

Ein grundlegender Unterschied zwischen der Bekennenden Kirche und der Kirchlichen Hochschule liegt auf der Hand: Während es die Bekennende Kirche im Ganzen tunlichst vermied, den Anschein von Abneigung oder auch nur Neutralität gegenüber dem nationalsozialistischen Staat zu erwecken, sondern im Gegenteil ihr Handeln lange Zeit zu einem großen Teil darauf abzielte, die Unterstützung dieses Staates gegen die innerkirchlichen Gegner, zumindest aber seine Neutralität in dieser Auseinandersetzung zu erlangen, waren die Fronten zwischen dem nationalsozialistischen Staat und der Kirchlichen Hochschule von Beginn an klar: Die Hochschule wurde vom Staat – nicht etwa „nur“ von deutschchristlich dominierten Landeskirchenleitungen – als illegal gebrandmarkt, ihr Betrieb nach wenigen Tagen und danach mehrmals verboten, und dieses Verbot wurde von der Gestapo ausgesprochen und überwacht – oder eben nicht, wie die dennoch mögliche Weiterführung der Arbeit zeigt. Jedenfalls war aber eines klar: Es bedurfte keiner Denunziation „staatsfeindlicher Äußerungen“ von Dozenten, um dem Staat die Möglichkeit zum Handeln zu geben. Der Betrieb der Hochschule als solcher war verboten und damit ein Akt des Widerstands gegen staatliche Willkür229. Dass er über lange Zeit hinweg staatlicherseits als offenbar nicht sonderlich gefährlich eingestuft und deshalb toleriert wurde, spielt bei dieser Einschätzung keine Rolle. Gerade die Ereignisse von 1989/90 229 „Dessen ungeachtet, daß der NS-Staat theologisch-konfessionelle Fakultäten an den Universitäten und Hochschulen für obsolet hielt, konnte er gleichzeitig doch die Eigenständigkeit eines von der Bekennenden Kirche getragenen Ausbildungswesens nicht hinnehmen“ (L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Problemanzeige, S. 17).

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haben anschaulich gemacht, wie wichtig soziale und geistige Freiräume in einer „totalen“ Diktatur sind, Räume, in denen Menschen sich dem Konformitätsdruck der vorgefertigten Meinungen entziehen können. – Einen solchen Raum bot die Kirchliche Hochschule Berlin ihren Studenten und Dozenten. Osterloh war sich dieser Tatsachen durchaus bewusst. Das Verhältnis von Staat und Kirche beurteilte er schon recht früh sehr skeptisch und sah grundlegende Änderungen voraus: „Seinem Wesen nach kann der heutige Staat dem Christentum nicht die Stellung in seinem Leben gewähren, die es in der Vergangenheit gehabt hat. Es handelt sich darum m. E. nicht um gelegentliche Übergriffe, sondern um symptomatische und konsequente Vorgänge, wenn das öffentliche Recht gegen die christliche Kirche praktisch eingesetzt wird. Seitdem der Staat das ‚Dahlemer Notrecht‘ als für ihn belanglos ansieht, ist die wirkliche evangelische Kirche in Deutschland nicht mehr eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Ich befürchte, daß es schlechte Gründe sind, die uns hemmen, daraus die Folgerungen zu ziehen.“230

Gleichzeitig musste ihm die Abneigung, die sich gegen die Arbeit der Kirchlichen Hochschule auch in der Bekennenden Kirche zeigte, deutlich machen, dass eine solche Meinung auch hier eine klare Minderheitenposition und keineswegs erwünscht war. In der Berliner Arbeit selbst fochten ihn solche Bedenken nicht an, wie sein kontinuierliches Engagement für „seine“ „illegalen“ Studenten zeigt. Er hielt im kleinen Kreis kaum mit seiner Meinung zurück und ließ sich auch von der Überwachung und Bedrückung durch die Gestapo231 nicht beirren. Sein Umgang mit jüdischen bzw. von der nationalsozialistischen Juden-Gesetzgebung betroffenen Bekannten oder Freunden wie Adolf Freudenberg232 und Harry Richard Loewenberg233 zeigt zudem, dass er sich von der staatlichen Propaganda keineswegs beeindrucken ließ; er verkehrte nach wie vor völlig selbstverständlich mit ihnen. Wie die Kirchliche Hochschule und der Dahlemer Kreis um Niemöller überhaupt versuchte er – wenn auch sicher unzureichend und zunächst kaum die Dringlichkeit ahnend –, seiner mitmenschlichen Pflicht gegenüber den Nächsten nachzukommen. 230

Brief an Bultmann vom 4. 10. 1936 (UB TÜBINGEN, NL Rudolf Bultmann, Mn 2-1505). Zur Tätigkeit der Gestapo im Bereich der berlin-brandenburgischen Kirche vgl. L. HOHRMANN, Kirchengemeinden. 232 Vgl. oben S. 55, Anm. 43, und S. 66. 233 Zwei Tage nach der Reichspogromnacht erhielt der frühere leitende Redakteur der in Berlin erscheinenden „Textil-Woche“ von einem Arbeitskollegen den Hinweis, dass Juden verhaftet und ins Konzentrationslager eingewiesen würden. Er tauchte in Berlin unter und fand auf Vermittlung Gollwitzers Unterschlupf u. a. bei den Osterlohs (vgl. E. RÖHM/J. THIERFELDER, Juden – Christen – Deutsche, Bd. 3/I, S. 63). 231

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Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Berlin

Ein vorläufiges Fazit zeigt Osterloh somit als einen Menschen, den staatlicher Widerspruch und der Bruch mit kirchlich-traditioneller Mehrheitsmeinung nicht dazu bringen konnten, von einem Weg abzuweichen, den er einmal als kirchlich einzig verantwortbaren erkannt hatte. Die Konsequenz in Bezug auf das Verhältnis von Staat und Kirche war er bereit zu ziehen, was ihm umso leichter fallen musste, da er sowieso der Meinung war, vom Staat sei in Zukunft gegenüber den Kirchen keinerlei Entgegenkommen zu erwarten, und die überkommenen staatskirchlichen Regelungen seien faktisch obsolet. Dies kann aber nicht verdecken, dass sich dieser Widerstand aktiv nur auf den kirchlichen Bereich bezog. Es gab – wie auch sonst an der Kirchlichen Hochschule234 – keinen ernstzunehmenden aktiven politischen Widerstand, auch das Engagement für Juden blieb eher passiv bzw. auf punktuelle Hilfe für einzelne Bedrängte beschränkt. Erklärungsbedürftig bleibt – trotz der offensichtlich mit dem Vorgang verbundenen Missverständnisse – sein Gesuch um „Legalisierung“ in Oldenburg. Neben der von ihm selbst angeführten Rücksicht auf die Situation in Oldenburg – wie er sie vor allem durch Kloppenburg vermittelt bekam – und dem Wunsch nach Gleichbehandlung mit den übrigen Kandidaten könnte auch eine gewisse Zermürbung eine Rolle gespielt haben, der Wunsch, nach Jahren der Unsicherheit doch wieder in den Rahmen einer festen Institution eingebunden zu sein. Im Hintergrund dessen muss sicher auch die familiäre Situation berücksichtigt werden: inzwischen trugen die Osterlohs Verantwortung für ein Kind und mussten im scheinbar festgefügten politischen Umfeld des Jahres 1939 auch für dessen Zukunft planen. Berücksichtigt man schließlich seine auch in den folgenden Jahren unverändert negative Einschätzung der Zukunft der deutschen Landeskirchen und die Tatsache, dass Osterloh 1938/39 keineswegs ernsthaft daran dachte, in Oldenburg zu arbeiten, wird klar, dass es sich, wenn nicht um einen eklatanten Selbstwiderspruch, dann eigentlich nur um ein taktisches Manöver gehandelt haben kann, dessen Motivation wohl in einem Konglomerat der gerade beschriebenen Umstände zu suchen ist.

234 Bezeichnend für die Einstellung auch dieser wirklichen Kirchenkämpfer zur Politik und zum Dritten Reich ist die Reaktion Hans Asmussens auf Karl Barths Schrift „Rechtfertigung und Recht“: „Ebenfalls halte ich es für eine Entgleisung, wenn Karl Barth in einer anderen Fußnote die verschiedenen Staatsformen einander gegenüberstellt. Es wird noch darüber zu reden sein, daß die Ableitung seiner Zuneigung zur demokratischen Staatsform aus der Fürbitte theologisch nicht haltbar ist. Hier will ich nur darauf zurückgreifen, daß die Art, wie er von der Demokratie einerseits und von der Diktatur andererseits spricht, als Unrecht zu bezeichnen ist […]. Wie ganz anders hat doch Martin Niemöller gestanden! Er hat nie einen Zweifel darüber gelassen, daß unser Kampf ein rein kirchlicher Kampf sei. Er hat es immer abgelehnt, sich auf die Ebene der Politik zu begeben […].“ (Brief Asmussens an Osterloh vom 10. 8. 1938, in: LKA BIELEFELD, 5.1, Nr. 310). Leider ist eine Antwort Osterlohs nicht erhalten. Sie wird aber in Stil und Argumentation wohl ähnlich gewesen sein.

3. Soldat im Zweiten Weltkrieg

3.1 Militärische Laufbahn und persönliches Schicksal Die Literatur zum Zweiten Weltkrieg, insbesondere zum Krieg gegen die Sowjetunion 1941 bis 1945, an dem auch Osterloh während des überwiegenden Teiles seiner Militärdienstzeit teilnahm, ist „selbst für den Fachmann unüberschaubar“1 und reicht von wissenschaftlich-fundierten Gesamtüberblicken bis hin zur Darstellung des Werdegangs kleiner Einheiten oder sogar einzelner Soldaten, letzteres zumeist in Form von autobiographischen Erzählungen mit oft apologetischem Charakter. Es kann im Rahmen dieser Arbeit nicht sinnvoll sein, einen forschungsgeschichtlichen Überblick zu geben, der denen der anderen Abschnitte ähnelt. Denn die Einbettung des Osterlohschen Weges in die Gesamtzusammenhänge dieser Jahre trägt für die Thematik „Theologie und Politik“ nichts aus. Wichtig für Osterlohs weiteren Weg und damit indirekt auch für die Gesamtthematik dieser Arbeit können nur die persönlichen, zum Teil einschneidenden Erlebnisse sein, die wohl jeder Soldat im Krieg, Osterloh jedoch in besonderer Weise durchlebt und durchlitten hat. Auf diese ist daher einzugehen, aber Hinweise auf sie finden sich natürlich lediglich in den autobiographischen Zeugnissen Osterlohs aus dieser Zeit2. An dieser Stelle soll sich der Überblick über die einschlägige Forschung daher auf die Nennung für die Arbeit an diesem Abschnitt wichtiger Werke beschränken. Erleichtert wird dies durch die Existenz der vorzüglichen, auch auf die internationale Forschung ausgerichteten und recht aktuellen Bibliographie von Rolf-Dieter Müller und Gerd R. Ueberschär3. Neben einer chronologisch am Kriegsverlauf orientierten Darbietung der Literatur zu den militärischen Ereignissen auf dem östlichen Kriegsschauplatz beinhaltet sie die maßgeblichen Beiträge zu Themen wie „Weltanschauungs- und Vernichtungskrieg“, „Besatzungspolitik“ oder „Verdrängung und Vergangenheitsbewältigung“4. Einen Gesamtüberblick bieten die Monographien von Gerhard E. Weinberg5 und Lothar Gruchmann6 mit jeweils zahlreichen weiteren Literaturangaben. Kriegsführung und Kriegsziele der deutschen Seite erschließen sich aus dem unverzichtbaren „Kriegstagebuch des Oberkomman1

L. GRUCHMANN, Totaler Krieg, S. 256. Zu nennen sind hier vor allem seine Briefwechsel mit Rudolf Bultmann (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505) und Heinz Kloppenburg (ABS OLDENBURG, V.03.B 02; V.01.B02 [2]). Eine Einsicht in den Briefwechsel mit seiner Frau Gertrud wurde ihrerseits wegen des privaten Charakters dieser Briefe nicht gewährt. 3 R.-D. MÜLLER/G. R. UEBERSCHÄR, Hitlers Krieg im Osten. 4 EBD., S. 225–309, 310–373, 410–434. 5 G. E. WEINBERG, Welt in Waffen. 6 L. GRUCHMANN, Totaler Krieg. 2

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dos der Wehrmacht“7, als unentbehrlich erwies sich außerdem das Standardwerk Georg Tessins über das Schicksal der einzelnen Wehrmachtsverbände im Zweiten Weltkrieg8. Für die Angabe weiterer, für einzelne Abschnitte wichtiger Literatur sei auf die Anmerkungen verwiesen.

Mitte des Jahres 1940 schien sich Hitlers politisch-militärisches Vabanque-Spiel noch einmal durchgesetzt zu haben. Nach dem triumphalen Sieg der deutschen Wehrmacht über Frankreich wurde den deutschen Truppen alles zugetraut, auch eine erfolgreiche Invasion Englands, das auf die zweifelhaften Friedensangebote ablehnend reagiert hatte. Diese Invasion, das „Unternehmen Seelöwe“, ließ Hitler seit Mitte Juli vorbereiten9. Zu den Truppen, die dafür bereitgestellt wurden, gehörte nach Abschluss seiner am 6. Juni 1940 begonnenen Grundausbildung auch Edo Osterlohs Einheit. Seine erste Meldung ist auf den 5. Juli 1940 datiert, an dem er seinen Dienst in der motorisierten schweren Artillerie-Ersatz-Abteilung 59 in Frankfurt/Oder antrat10. Die Nähe zu Berlin erlaubte ihm noch Familienbesuche – am 8. Juli 1940 war Tochter Heidi geboren worden11. Im September 1940, noch bevor Hitler „Unternehmen Seelöwe“ auf unbestimmte Zeit verschob, wurde er zur schweren Artillerie-Abteilung 101 nach Frankreich abkommandiert, deren Bewaffnung aus 15cm-Feldhaubitzen bestand12. Mit der Überführung von Teilen dieser Einheit in die motorisierte Heeres-Flak-Artillerie-Abteilung 274, die wohl im Zuge der großen Umgruppierung der deutschen Streitkräfte Richtung Osten erfolgte, trat auch Osterloh im Frühjahr 1941 dort seinen Dienst an13, der ihn zunächst zu einer Umschulung nach Hannover führte14. In dieser Einheit erlebte der inzwischen zum Gefreiten Beförderte15 am 22. Juni 1941 den Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion an einem der Brennpunkte des Geschehens dieser ersten Tage: 7 KRIEGSTAGEBUCH DES OBERKOMMANDOS DER WEHRMACHT, Bd. 1–8. Hingewiesen sei vor allem auch auf die Einleitungen durch die Bearbeiter der verschiedenen Bände. 8 G. TESSIN, Verbände, Bd. 1–16. 9 Vgl. DOKUMENTE ZUM UNTERNEHMEN „SEELÖWE“; L. GRUCHMANN, Totaler Krieg, S. 79–86; G. E. WEINBERG, Welt in Waffen, S. 168ff., 202ff. 10 Die Auskünfte darüber, in welchen Truppeneinheiten Osterloh diente, verdanken sich der „Deutschen Dienststelle (Wehrmachtsauskunftsstelle [WASt]) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht“ (Brief vom 18. 10. 2001). 11 Vgl. Brief an Bultmann vom 28. 7. 1940 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 12 Osterloh meldete sich dort am 15. 9. 1940 (Auskunft Deutsche Dienststelle [WASt]). Zur schweren Artillerie-Abteilung 101 vgl. G. TESSIN, Verbände, Bd. 6, S. 172. 13 Osterlohs Meldung dort ist auf den 10. 3. 1941 datiert (Auskunft Deutsche Dienststelle [WASt]); die Einheit wurde seit Februar 1941 aufgestellt (vgl. G. TESSIN, Verbände und Truppen, Bd. 8, S. 316). 14 Vgl. Brief an Bultmann vom 11. 5. 1941 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 15 Im Brief an Bultmann vom 11. 5. 1941 benutzt Osterloh als Absenderangabe zum ersten Mal die Abkürzung „Gefr.“ (EBD.).

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„[A]m 22.6. haben wir früh 3.15 Uhr aus nächster Nähe das Trommelfeuer gegen BrestLitowsk miterlebt. Zwei weittragende Eisenbahngeschütze konnten wir mit dem Doppelglas gut beobachten. Unsere Einheit schützte ein Kraftstofflager gegen Luftangriffe. Die Abteilung hat am 1. Tage einen Abschuß erzielt. Vor unseren Augen wurden aber schon in den Morgenstunden mehr als 20 russische Kampfflugzeuge von deutschen Jägern abgeschossen. Ein einziger russischer Flieger in unserm Abschnitt konnte über die Grenze zurückfliegen.“16

Als Teil der 2. Armee rückte seine Einheit im mittleren Abschnitt der Front vor17. Osterloh erlebte den raschen Vormarsch der deutschen Armeen in den ersten Tagen und Wochen18 und zog – vorsichtiger zwar als viele andere19 und die Bedenken nicht verschweigend – daraus den falschen Schluss: „Der moderne Krieg ist in seiner Durchführung weitgehend ein technisches Problem geworden, das gilt sowohl für die ‚Kriegsmaschinen‘ als auch für das ‚Soldatenmaterial‘. Die gegenwärtige strategische Aufgabe scheint mir darin zu bestehen, die Russen an dem Rückzug, der Sammlung und der Reorganisation einer aktionsfähigen Streitmacht östlich vom Ural zu hindern. Von der Lösung dieser Aufgabe hängt vermutlich der Ausgang dieses Krieges ab. Ein nicht ganz leichtes Problem wird außerdem mit der Abwehr eines amerikanischen Einsatzes in Afrika gestellt werden. Ich habe aber das Gefühl, daß dieser Krieg trotz aller Schwierigkeiten mit einem Siege Deutschlands endet. Auf unserer Seite stehen das klarere Ziel, die größere Konsequenz und die rücksichtslosere Sachlichkeit als beim Gegner.“20

Mitten hinein in den weiteren schnellen Vormarsch des Sommers 1941 mit seinen riesigen Kesselschlachten traf Osterloh dann ein Schicksalsschlag, der vermutlich umso schwerer wog, weil er zu Kriegszeiten in dieser Konstellation eben nicht dem Wahrscheinlichen entsprach. Während die Witwen oder Eltern von bereits Tausenden seiner Kameraden in der damaligen Situation wussten, dass ihr Mann oder Sohn an der Front ständig in Lebensgefahr schwebte, traf es ihn 16

Brief an Bultmann vom 5. 7. 1941 (EBD.). Vgl. G. TESSIN, Verbände, Bd. 8, S. 316. 18 „Inzwischen haben wir auf unserem weiteren Vormarsch nach Osten zahlreiche russische Panzerwagen und Geschütze liegen sehen, die die Gegner zu einem großen Teil augenscheinlich im Stich gelassen hatten, ohne sie überhaupt eingesetzt zu haben. Auch die Kasernen und Zeltlager des Feindes, die ich gesehen habe, machen den Eindruck, als ob die Russen Hals über Kopf geflohen seien. Die Motorisierung ihrer schweren Artillerie durch Traktoren ist unserer Verwendung von Zugmaschinen weit unterlegen. Die Panzer sind veraltet und dünnwandig“ (Brief an Bultmann vom 5. 7. 1941 [UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505]). 19 Selbst Generalstabschef Franz Halder notierte am 3. Juli in seinem Tagebuch, die deutsche Wehrmacht habe den Feldzug „innerhalb 14 Tagen gewonnen“, lediglich die Weite des russischen Raumes und die Zähigkeit der russischen Verteidiger würden den Krieg noch viele Wochen verlängern (F. HALDER, Kriegstagebuch, S. 38; vgl. L. GRUCHMANN, Totaler Krieg, S. 117). 20 Brief an Bultmann vom 5. 7. 1941 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 17

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völlig unvorbereitet: Seine Frau, die wegen der beginnenden Bombenangriffe auf Berlin mit den beiden Kindern zu Bekannten an die Ostsee nach Köslin gereist war, infizierte sich dort bei der Pflege eines der Kinder, das an Kinderlähmung erkrankt war, und verstarb nach wenigen Tagen am 28. August 194121. Osterloh erhielt die Nachricht von ihrer Erkrankung erst mit einiger Verzögerung, glücklicherweise, wie er selbst später sagte, aber einige Stunden vor der Nachricht von ihrem Tode22. Er eilte, so schnell er konnte, nach Wuppertal, wohin die Mutter und drei der Schwestern der Toten die beiden Kinder mitgenommen hatten. Dort, bei der Familie der Toten, konnten die Kinder auch bleiben, als Osterloh zurück zu seiner Einheit musste23. Zugleich war noch eine gewichtige Entscheidung gefallen: Osterloh hatte sich auf die Pfarrstelle in Holle beworben, war dort auch gewählt worden und deshalb mit dem 30. November 1941 aus dem Dienst in der Bekennenden Kirche Berlin-Brandenburgs ausgeschieden24. Das Schreiben des Oberkirchenrats mit seiner Ernennung zum Pfarrer in Holle erreichte Osterloh am 13. November 1941 in Stettin-Altdamm25, wohin er zu einem ausgedehnten Lehrgang für Unteroffiziere abkommandiert worden war26. Dieser Lehrgang endete am 15. Februar 1942 mit Osterlohs Beförderung zum Leutnant27 und seiner Überstellung in die Heeres-Flak-Artillerie-Abteilung 279 21

Auskünfte von Irmela Jacoby (Gespräch am 4. 4. 1996) und Heidi Leonhardt (Telefonat am 28. 4. 1996). 22 Dass dies keineswegs selbstverständlich war, zeigt sich daran, dass er einen Brief seiner Frau vom 24. 8. 1941, geschrieben vier Tage vor ihrem Tod, erst am 13. 11. 1941 erhielt (Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 13. 11. 1941 [ABS OLDENBURG, V.03. B02]). – Mit Aussagen darüber, wie er mit dem Tod seiner Frau leben konnte und umging, hielt Osterloh sich in den vorliegenden Briefen eher zurück. Die seltenen Sätze darüber klingen fast formelhaft, so als habe er in den Worten, mit denen er einst die so ähnliche Situation des Ezechiel (vgl. Hes. 24,15ff.) beschrieben hatte (E. OSTERLOH, Offenbarung [1938], S. 66f.), auch selbst Trost gefunden. Vgl. z. B.: „Annelieses Sterben kann für uns alle ein ‚Beweis‘ der Dynamis des Evangeliums von des Herrn Tod und Auferstehung sein“ (Brief an Wolfgang Lehmann vom 16. 11. 1941, Abdruck: W. LEHMANN, Hans Asmussen, S. 180f, Zitat: S. 181). 23 Auskünfte Heidi Leonhardt (Telefonat am 28. 4. 1996); Irmela Jacoby (Gespräch am 4. 4. 1996); Gertrud Osterloh (Gespräch am 5./6. 2. 1996). 24 Vgl. unten S. 104f. 25 Vgl. Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 13. 11. 1941 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). Die Ernennung sollte erst mit dem offiziellen Ausscheiden aus dem Dienst der Berlin-Brandenburgischen Kirche erfolgen, das Osterloh daraufhin zum 30. 11. 1941 ankündigen ließ (vgl. EBD.). 26 Der Lehrgang in Stettin dauerte von September/Oktober 1941 bis Mitte Februar 1942 (der Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 13.10.1941 [ABS OLDENBURG, V.10.3] ist der erste von dort, am 15. Februar 1942 meldete Osterloh sich in Gotha [s. u.]) und ersparte Osterloh somit die Teilnahme an den verlustreichen Abwehrschlachten des Winters 1941/42. 27 Den militärischen Teil des Lehrgangs hatte er schon im Dezember bestanden, nach einem Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 24. 12. 1941 (ABS OLDENBURG, V.03. B02) hing die Beförderung zum Offizier aber „auch von Gutachten verschiedener Stellen über die vormilitärische Zeit ab“. Osterlohs schneller „Aufstieg“ zum Offizier innerhalb von weniger als eindreiviertel Jahren verdankte sich natürlich seinem artilleristischen Talent, seinem sicheren Auftreten auch unter Stress und vor vielen Zuhörern, ist

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in Gotha28. In dieser Einheit blieb er noch bis in das Spätfrühjahr hinein als Ausbilder und Batterieführer in der Heimat. Ab Juni 1942 stand seine Einheit wieder im Einsatz und Osterloh als Batterieführer an der Ostfront, meist jedoch nicht an vorderster Front, sondern mit der Sicherung von Flugplätzen oder wichtigen Verkehrsverbindungen betraut29. Deshalb erlebte Osterloh dort mitunter fast idyllische Momente, der todbringende Ernst und die brutale Realität traten aber nie vollends zurück30. Die breite Diskussion über die Rolle der deutschen Wehrmacht im Vernichtungsapparat, die im Gefolge der ersten „Wehrmachtsausstellung“31 aufkam32, ist jenseits aller fachlichen Ungenauigkeiten und angreifbaren Einzelbehauptungen deren bleibendes Verdienst33. Sie macht es unausweichlich, auch im Falle Osterloh, dessen Fronteinsatzgebiete innerhalb seines fünfjährigen Militärdienstes ausschließlich an der Ostfront lagen, nach seinem Wissen und seiner eventuellen Mittäterschaft zu fragen. Von der Waffengattung her ist seine Flakartillerieeinheit in diesem Zusammenhang weniger verdächtig, weil ihr Einsatzgebiet natürlich eher unmittelbar an oder hinter der Front lag34. In einem Brief vom Juni aber in dieser Zeit der ersten hohen Verluste auch innerhalb des Offizierskorps nicht so außergewöhnlich, wie man zunächst vermutet. Zwar fällt seine Beförderung zum Offizier noch nicht in die Zeit, in der zunehmend ideologische Motive eine Rolle bei der Auswahl der Bewerber spielten, der Abschied vom traditionellen, ständisch geprägten Offizierskorps war aber schon längst im Gang. Vgl. B. R. KROENER, Weg, bes. S. 653–656; A. DOERING-MANTEUFFEL, Ethos, S. 49f. 28 Auskunft Deutsche Dienststelle (WASt), 18. 10. 2001. Diese Abteilung wurde im Frühjahr aus Abgaben verschiedener Feldabteilungen zusammengelegt (vgl. G. TESSIN, Verbände, Bd. 8, S. 336). 29 Vgl. Briefe Osterlohs an Kloppenburg vom 3. 6. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03. B02) und an Bultmann vom 12. 6. 1942 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505) 30 Dafür sorgten schon die bereits 1942 immer wieder auftauchenden russischen Flieger (vgl. EBD.). Aber auch Partisanen waren – gerade im rückwärtigen Gebiet – eine ständige Bedrohung. So wäre Osterloh bei einer Erkundungsfahrt von seiner rückwärtigen Einheit an der Front entlang zum Gefechtsstand seiner Batterie am 23. 8. 1942 beinahe einer von Partisanen gelegten Mine zum Opfer gefallen. Er verfasste über die Erlebnisse dieses Tages ein achtseitiges Typoskript, das offenbar einem Brief an Kloppenburg beilag (ABS OLDENBURG, V.03. B02). 31 Vgl. VERNICHTUNGSKRIEG. 32 An wichtigen, z. T. ebenfalls sehr umstrittenen Titeln seien genannt: O. BARTOV, Hitlers Wehrmacht; D. J. GOLDHAGEN, Hitlers willige Vollstrecker; EIN VOLK VON MÖRDERN?; H. HEER, Schwierigkeit; WEHRMACHTSVERBRECHEN; S. GREEN-MESCHKE, Reemtsma-Ausstellung; EINE AUSSTELLUNG UND IHRE FOLGEN; WEHRMACHT UND VERNICHTUNGSPOLITIK; M. KLUNDT, Geschichtspolitik; CHR. HARTMANN, Verbrecherischer Krieg. 33 Peter Steinbach hat pointiert auf diesen Sachverhalt hingewiesen: „Es muß uns, den Nachlebenden, bewußt werden, daß unser Bild vom Krieg in der schriftlichen Form zu einem ganz erheblichen Teil durch Erinnerungen hoher Militärs bestimmt wird. An dieser Stelle setzt die Ausstellung an und hält eine ganz andere und deshalb schockierende Perspektive dagegen“ (DERS., Krieg, 14). 34 Es besteht weithin Einigkeit, dass die unabweisbaren Gräueltaten gegenüber der Zivilbevölkerung zunächst ganz überwiegend nicht von Fronttruppen begangen wurden (vgl. CHR. GERLACH, Verbrechen; CHR. HARTMANN, Verbrecherischer Krieg, bes. S. 47–57). Zur Zeit des Rückzuges 1943/44, als v. a. in

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1942 erwähnte Osterloh allerdings ein Vorgehen gegen Partisanen, denen man „einen derartigen Schrecken eingejagt“ habe, dass sie sich kaum wieder in den Bereich seiner Einheit wagen würden35. Wie dies geschah, wird nicht geschildert. Aber schon die Wortwahl und die Einbettung im Brief, in dem es an dieser Stelle nur darum ging, die Ursache für die momentane relative Ruhe zu benennen, sprechen dagegen, dass es ein Verbrechen an der Zivilbevölkerung gab. Darüber hinaus gibt es kein direktes Zeugnis Osterlohs oder über ihn, was ihn in einen Zusammenhang mit Kriegsverbrechen bringt. Eine andere Frage ist, was Osterloh „gewusst“ hat. Seiner Frau berichtete er von Gerüchten über Vergasungen und Massenexekutionen von Juden36, und als ein offenbar näher beteiligter Freund der Familie 1943 gefallen war, sagte Osterloh, dieser habe sich bewusst auf ein Himmelfahrtskommando gemeldet, er habe „es nicht mehr ausgehalten“37. Man muss also annehmen, dass Osterloh ab etwa 1942 sehr wohl zumindest eine konkrete Ahnung von den Dimensionen des Verbrechens hatte, das im Rücken der Front an großen Teilen der einheimischen Bevölkerung, insbesondere an den Juden, verübt wurde38.

Weißrussland lagebedingt auch Fronttruppen verstärkt Aufgaben der rückwärtigen Einheiten übernahmen und damit die Verstrickung in Verbrechen wahrscheinlicher wurde (vgl. CHR. GERLACH, Verbrechen, S. 101–104; CHR. HARTMANN, Verbrecherischer Krieg, S. 59–64), war Osterloh in Rerik. 35 Brief Osterlohs an Oberregierungsrat Varrentrapp vom 27. 6. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). 36 Auskunft G. Osterloh (Gespräch am 5./6. 2. 1996). 37 Auskunft G. Osterloh (Ebd.). 38 Heinz Eduard Tödt geht in den entsprechenden autobiographischen Teilen seiner Vorlesung über die „innere Geschichte“ von protestantischer Theologie und Kirche im „Dritten Reich“ noch nicht auf die sog. „Wehrmachtsverbrechen“ ein, von denen hier die Rede ist. Ausführlich widmet er sich nur den Konzentrationslagern, über deren Existenz er „so gut wie nichts“ gewusst habe (vgl. DERS., Komplizen, S. 352–361). Er betont deren Unterstellung unter die SS, diese aber „schwieg eisern über die Vernichtungsaktionen und vernebelte das ganze Geschehen meisterhaft“ (EBD., S. 356). An erlebten Erschießungen von „Partisanen“ schon im Polenfeldzug war seine Einheit unbeteiligt (vgl. EBD., S. 306). Einsprüche von Wehrmachtsoffizieren gegen das brutale Vorgehen von Einsatzgruppen der SS und ihr unterstellter Polizeieinheiten hätten nur die völlige Verdrängung der Wehrmacht aus der Verwaltung der besetzten Gebiete zur Folge gehabt (vgl. EBD., S. 353). Ohne dass Tödt also auf sein damaliges persönliches Wissen oder Nichtwissen um die Verbrechen hinter der Front eingeht, erscheint eine direkte Beteiligung von Soldaten der Wehrmacht am mörderischen Vorgehen in den besetzten Gebieten beinahe ausgeschlossen. Selbst von den Judenmorden habe er nur in einer „grotesken Zusammenstellung“ Kenntnis bekommen, als ihm nämlich ein „Unbekannter“ in einem „dunklen Abteil“ des die beiden an die Front bringenden Zuges von „Nazi-Aktionen“ gegen Mitglieder des Hauses Hohenzollern und die Juden erzählt habe (EBD., 358). Es mag weitere Einzelfälle gegeben haben, auf die solche Aussagen zutreffen, aber: Auch Frontsoldaten sind bei Fahrten nach Hause oder Verlegungen durch rückwärtiges Gebiet gekommen, haben Informationen von Kameraden hinter vorgehaltener Hand erhalten. Pars pro toto sei mein Vater, Johannes Zocher, genannt, der im Herbst 1942 direkt von der Schulbank in die Wehrmacht kam und nach seiner Grundausbildung sofort nach Stalingrad verlegt wurde. Er war kaum drei Monate in Russland, wurde als Verwundeter mit „Heimatschuss“ mit einer der letzten Maschinen aus Stalingrad ausgeflogen, hatte

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Im September 1942 endlich gelang es Osterloh, Urlaub zu bekommen, den er für die längst angestrebte, aber zwangsläufig immer wieder verschobene Einführung als Pfarrer in Holle nutzte, die am 27. September 1942 stattfand39. Während der Besuche in Wuppertal bei seinen Kindern muss Osterloh im Jahre 1942 auch Gertrud Wilmanns wiedergetroffen haben, die Freundin seiner Frau aus gemeinsamer Schul- und Studienzeit. Sie hatte aus ihrer ersten, geschiedenen Ehe einen Sohn und arbeitete inzwischen in Leipzig beim Hirt-Verlag als Verlagsredakteurin40. Beide kamen sich in ihrer nicht ganz unähnlichen Situation und wohl auch aufgrund der schon früher vorhandenen Sympathie näher und entschlossen sich zu heiraten. Die standesamtliche Hochzeit beging man am 18. Januar 1943 in Leipzig, die kirchliche Trauung vollzog vier Tage später in Wuppertal-Barmen Osterlohs Schwiegervater aus erster Ehe – auch ein Zeichen der fortbestehenden gegenseitigen Verbundenheit41. Der zehntägige Urlaub, den Osterloh aus diesem Anlass bekam, rettete ihm wohl das Leben, da seine Einheit – jetzt die Heeres-Flak-Artillerie-Ersatz-Abteilung 276 – in diesen Wochen bei schweren Abwehrkämpfen fast vollständig aufgerieben wurde42. Zurück an die Front kam Osterloh Anfang Februar 194343; Stalingrad war gerade gefallen, mit der Zweiten Armee befanden sich auch die Reste seiner Einheit zwischen Woronesch und Kursk in stetigem Rückzug44. Dafür, dass Osterloh auf einem von ihm befehligten Panzerfahrzeug im gleichen Monat als letzter deutscher Offizier Kursk verließ, erhielt er das Eiserne Kreuz zweiter Klasse verliehen45. also eigentlich nur „Fronterfahrung“ erlebt, und berichtete später, natürlich habe man dort „in etwa“ gewusst, was hinter der Front geschehe. Bei alledem sind die Umstände zu berücksichtigen, und es mutet ein wenig naiv an, auch denjenigen Frontsoldaten moralische Vorhaltungen zu machen, die nicht direkt in Verbrechen verwickelt waren. Wer interessiert sich schon für Vorgänge hinter der Front, wenn er selbst dort tagtäglich in Todesgefahr ist, wer wird in einer solchen existenziellen Bedrohung schon nachfragen, ob bei „Partisanenerschießungen“ wirklich nur Partisanen erschossen wurden, was mit den Einwohnern eines vollständig niedergebrannten Dorfes geschehen ist, usw. Diese Art von „Verdrängung“ zu verurteilen setzt wohl voraus, sich in eine solche Situation nicht hineinversetzen zu können. 39 Vgl. unten S. 105. 40 Alle Auskünfte verdanke ich Gertrud Osterloh selbst (Gespräch am 5./6. 2. 1996). Vgl. auch Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 31. 1. 1943 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). 41 Auskünfte G. Osterloh bzw. Abschrift der Heiratsurkunde (Brief vom 26. 2. 1996). 42 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996. 43 Vgl. Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 31. 1. 1943 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). 44 Ende Januar/Anfang Februar 1943 musste sich die 2. Armee ständiger Angriffe erwehren und stand vor der Gefahr, eingekesselt zu werden. Vgl. KRIEGSTAGEBUCH DES OBERKOMMANDOS DER WEHRMACHT, Bd. 5, S. 56, 67, 68, 72, 74, 78, 86, 90; G. E. WEINBERG, Welt in Waffen, S. 494. 45 Vgl. Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 15. 5. 1943 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). Kursk war am 8./9. 2. nach schweren Kämpfen geräumt worden und konnte auch während der im März folgenden Gegenoffensive nicht wieder eingenommen werden. Vgl. KRIEGSTAGEBUCH DES OBERKOMMANDOS DER WEHRMACHT, Bd. 5, S. 110; G. E. WEINBERG, Welt in Waffen, S. 497; L. GRUCHMANN, Totaler Krieg,

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Bald darauf hatte er ein weiteres Mal in diesem Krieg großes Glück. Die „Heimatfront“, immer stärker von alliierten Bomberflotten gepeinigt, brauchte verstärkten Flak-Schutz – und der musste ausgebildet werden. So wurde Osterloh – übrigens gemeinsam mit Franz Josef Strauß46 – im März 1943 zu einem Lehrgang nach Stolpmünde kommandiert und daran anschließend zum 17. Mai 1943 als Lehrer an die Waffenschule für werdende Batteriechefs und Abteilungskommandeure der Flakartillerie in Rerik (Mecklenburg) geschickt47. Er war damit in den besonders verlustreichen Monaten ab Sommer 1943 aus dem Frontgeschehen zunächst herausgenommen. Was ihm an kirchlich-theologischer Arbeit bisher nur sporadisch in Urlauben oder ausnahmsweise vor der Truppe möglich war, erlangte nun eine gewisse Kontinuität: Predigten in Gemeindegottesdiensten, theologische Vorträge vor interessierten Laien48, vor allem aber ein intensiverer Kontakt nach Oldenburg49. Nun, da es eine „gesicherte“ Perspektive von zumindest einem Jahr gab, fasste das Ehepaar auch den Entschluss, mit den drei Kindern Brun, Eilert und Heidi erstmals in ein gemeinsames Häuschen in Kühlungsborn zu ziehen50. Im Wege stehende finanzielle Probleme konnten durch eine Ausgleichszahlung der BK gemildert werden, bevor der Oberkirchenrat in S. 180f. – Osterloh erzählte später einmal seiner Frau, dies sei für ihn einer der gefährlichsten Momente im Krieg gewesen, weil es eine kurze Zeit lang nur noch darauf ankam, wer schneller war: er oder der erste russische Panzer (Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996). 46 Nach Auskunft von Gertrud Osterloh (Brief vom 11. 1. 1996) haben beide damals auf einer Stube gelegen und sich auch einmal ausgemalt, welches Amt sie in einer zukünftigen deutschen Regierung nach dem Krieg übernehmen möchten. Strauß habe damals Innen-, Osterloh Kultusminister werden wollen. Strauß erwähnt den Lehrgang in Stolpmünde in seinen „Erinnerungen“ (EBD., S. 51). 47 Vgl. Briefe Osterlohs an Kloppenburg vom 15. 5. 1943 (ABS OLDENBURG, V.03. B02) und an Bultmann vom 31. 5. 1943 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 48 Schon zuvor hatte Osterloh auch während seiner Militärdienstzeit sporadisch predigen können, etwa bei einem seiner Besuche in Wuppertal Karfreitag 1942 (vgl. z. B. Brief an Kloppenburg vom 10./14. 4. 1942 [ABS OLDENBURG, V.03. B02]). Nun berichtete er von einer Predigt und einem Vortrag in Köslin sowie einem für den 6. 6. 1943 geplanten Aufenthalt in Stettin mit ähnlichem Programm (Brief an Kloppenburg vom 15. 5. 1943 [ABS OLDENBURG, V.03. B02]). 49 Der Kontakt beschränkte sich zuvor – mit Ausnahme der kurzen Aufenthalte in Holle anlässlich seiner Probepredigt und seiner Einführung dort (vgl. unten S. 103–105) – im Wesentlichen auf briefliche Anteilnahme und Berichterstattung. Gerade aus den Briefen an Kloppenburg ist zu entnehmen, wie Osterloh immer wieder um konkrete Informationen über das Leben in der oldenburgischen Kirche bittet, die er anscheinend fast ausschließlich über ihn bezog (vgl. z. B. Brief an Kloppenburg vom 27. 7. 1942 [ABS OLDENBURG, V.03. B02]). 50 Der Aufenthalt der Kinder in Wuppertal schien ihren Großeltern nach den ersten schweren Angriffen auf die Stadt nicht mehr sicher zu sein, so dass sie wechselnde Quartiere bei Verwandten bezogen. Diesen Zustand wollten die Osterlohs nun beenden, wobei ihnen zu Hilfe kam, dass die Kinder als „Ausgebombte“ Anspruch auf ein entsprechendes Quartier hatten, das so nicht zu bekommen gewesen wäre. Es fand sich im wenige Kilometer von Rerik entfernten Kühlungsborn (Auskunft G. Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996; vgl. den Brief Osterlohs an Hans Asmussen vom 14. 11. 1943 [ABS OLDENBURG, V.03. B02]).

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Oldenburg sich doch noch entschloss, den beständigen Anträgen Osterlohs auf eine dem Usus entsprechende Heraufsetzung seines Dienstalters stattzugeben51. Auch die Gemeinde in Holle konnte Osterloh nun regelmäßiger besuchen und im August 1943 erstmals einige Urlaubswochen lang dort arbeiten52. Ganz besonders genoss das Ehepaar Osterloh im Anschluss an diesen „Urlaub“ jedoch die viele Zeit, die es nach Dienstschluss gemeinsam mit den Kindern verbringen konnte. Was in anderen Zeiten für die meisten Jungverheirateten selbstverständlich ist, war damals für die Osterlohs ein ganz außergewöhnliches Geschenk, und sie empfanden es auch als ein solches. Kein Wunder, dass Edo Osterloh in einem Brief an Kloppenburg schrieb: „Wir haben es schon unverschämt gut. Gertrud und ich empfinden es als ein großes Geschenk, daß wir nun schon 2 Wochen hier mit der ganzen Familie abend für abend gemeinsam singen und beten dürfen.“53 Der Aufenthalt in Rerik erstreckte sich bis in den September 1944. Osterloh erlebte hier auch den 20. Juli 1944, über dessen Ereignisse er – hinter zwei verschlossenen Türen – von seinem Kommandeur noch am selben Tag informiert wurde. Beide waren sich in ihren Sympathien für den Widerstand einig54 und wussten, dass die Lage aussichtslos und der Krieg verloren war, aber beide konnten einen eigenen aktiven Widerstand nicht mit ihrem Gewissen und ihrem soldatischen Eid vereinbaren55. Ähnlich wie schon in Berlin beschränkte sich Osterlohs „widerständiges Verhalten“ auf eng umgrenzte Bereiche: So wie er es sich nicht nehmen ließ, weiter – in dem ihm noch möglichen Maß – für die Bekennende Kirche zu arbeiten, so wenig ließ er der vorgeschriebenen Ideologie in seiner Familie Raum. Darüber hinaus aber war er zu aktivem, womöglich gar gewalttätigem Widerstand gegen die Staatsordnung im Ganzen nicht bereit, 51 Der Oberkirchenrat in Oldenburg hatte sich geweigert, wie üblich Osterlohs Zeit in Berlin bei der Berechnung seines Dienstalters einzubeziehen. Osterloh hatte dies – Ende 1941 alleinstehend und mit vielen anderen Problemen belastet – zunächst nicht moniert, nun, mit Frau und drei Kindern, aber unter dem daraus resultierenden geringeren Diensteinkommen zu leiden. Nach mehreren Interventionen, vor allem über Heinz Kloppenburg, erklärte sich der Pfarrernotbund bereit, die Differenz zum üblichen Gehalt in Höhe von monatlich RM 91,19 (später, nach einer Erhöhung der Gehaltszahlung durch den Oberkirchenrat, noch RM 58,47) zu zahlen. Vgl. den Briefwechsel zwischen Osterloh und Kloppenburg von Januar bis September 1943 und den Brief Osterlohs an Gerhard Jacobi vom 2. 7. 1943 (alles in: ABS OLDENBURG, V.03. B02). 52 Vgl. unten S. 105. 53 Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 19. 9. 1943 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). 54 Seiner Frau berichtete Osterloh später, sein Kommandeur habe das Gespräch mit dem Satz „Osterloh, jetzt ist meine letzte Hoffnung vorbei“ eröffnet (Auskunft G. Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996). Osterloh selbst konnte die Lage zwar nüchtern genug analysieren, um auch zu dem Ergebnis zu kommen, wenn man etwas tun wollte, müsste man „ihn umbringen“ (Auskunft G. Osterloh, ebd.), aber er vermied es, Kontakt zu Widerstandsgruppen zu suchen. 55 Auskunft G. Osterloh, ebd.

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stellte den Krieg als solchen und den Dienst in der Wehrmacht, den er ohne Begeisterung als unabwendbar empfand, nicht in Frage, und befand sich damit in Einklang mit der damals fast ausschließlich vorherrschenden Meinung im Protestantismus56. Am Ende der Reriker Zeit wurde Osterloh als Fachoffizier für Artilleristik in den Generalstab der Heeresgruppe Mitte berufen57; schon zuvor war er öfters als Kurier in Berlin, aber auch in Dänemark gewesen58. Er gewann also einen immer besseren Überblick über die Lage, wie sie wirklich war, und hielt mit seiner Meinung darüber in vertrauter Runde auch nicht hinter dem Berg59. Auf einem seiner letzten Besuche der „Rasteder Konferenz“ vertraute er im Herbst 1944 den dort Versammelten an, sie müssten damit rechnen, dass die sowjetische Armee bis zur Elbe, vielleicht sogar bis zur Weser vorrücken werde60. Die

56 Anschaulich schildert Heinz Eduard Tödt diese Einstellung zum Kriegsausbruch: „Ich bin sicherlich ohne den Krieg zu wollen, ohne persönlichen Haß gegen Polen in diesen Feldzug gegangen. Die NSPropaganda machte mir keinen Eindruck. Aber ich bin auch nicht gegen meinen Willen mitmarschiert. Gewiß hatte Hitler einen ungerechten Krieg vom Zaune gebrochen. Aber Luthers Weisung an die Christen, an einem offensichtlich ungerechten Krieg nicht teilzunehmen, war mir damals unbekannt. […] Ich führte den Krieg ja auch – subjektiv – nicht für Hitler, sondern für mein deutsches Vaterland, und unglücklicherweise war das nicht zu trennen. Gedanken habe ich mir schon gemacht über dieses Problem, aber es war jetzt, als ich Soldat war, unlösbar. Es schien keine Alternativen zu geben außer der einen, sich als Kriegsdienstverweigerer erschießen zu lassen. Und dazu fehlten mir, abgesehen von der Frage, ob ich den Mut dazu aufgebracht hätte, alle gedanklichen Voraussetzungen. Teilnahme am Geschick des eigenen Volkes – in Recht und Unrecht –, das hielten wir für unsere Pflicht, und durch die Theologen, deren Stimmen mich erreichten, bin ich nicht anders unterrichtet worden“ (DERS., Komplizen, S. 307f ). Vgl. G. VAN NORDEN, Kriegsausbruch; J.-CHR. KAISER, Protestantismus; M. ROHKRÄMER, Rußlandkrieg, S. 285–287. 57 Siehe seinen Lebenslauf vom 7. 3. 1952 sowie die biographischen Angaben, die von der Pressestelle der Landesregierung anlässlich seiner Ernennung zum Kultusminister in Schleswig-Holstein am 17. 1. 1956 veröffentlicht wurde (beides in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/001). Vgl. den Brief Osterlohs an seine Frau vom 10. 10. 1944 (diesen Brief erhielt ich von Frau Osterloh in Kopie zugeschickt, die ansonsten eine Einsichtnahme in ihre private Korrespondenz mit ihrem Mann ablehnte): „Nun gibt es schon ein paar Befehle der Heeresgruppe an die ihr unterstellten Armeen, Armeekorps und Divisionen, die von mir formuliert worden sind und am Ende des Textes vor der Unterschrift des Chefs des Generalstabs mein ‚Osth.‘ haben.“ 58 Vgl. Briefe Osterlohs an Asmussen vom 14. 11. 1943 (ABS OLDENBURG, V.03. B02) und an Kloppenburg vom 8. 3. 1944 (EBD.). 59 Seiner Frau gegenüber äußerte er schon 1943, man dürfe von nun an keine Weltkarten mehr aufhängen, weil dann jeder sähe, wie die Lage wirklich sei (Auskunft G. Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996). 60 Vgl. H. HÖPKEN, Ev.-Luth. Kirche, S. 14f. Höpken nennt als Zeitangabe „Sommer 1944“. Osterloh wollte im Juli 1944 während eines eingereichten zweiwöchigen Urlaubs in Holle auch an der für den 5. Juli angesetzten Konferenz teilnehmen (Briefe zwischen Osterloh und Kloppenburg vom 4. u. 7. 6. 1944 [ABS OLDENBURG, V.03. B02]). Anfang Juli aber befahl Hitler eine allgemeine Urlaubssperre, die ihm eine Reise nach Oldenburg unmöglich machte. Osterloh selbst schrieb daraufhin an Kloppenburg: „Möglicherweise kann ich erst während meines ‚Einsatzurlaubs‘ unmittelbar vor meiner neuen

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militärisch immer aussichtslosere Lage61, in der mit dem sog. „Volkssturm“ die allerletzten Reserven mobilisiert wurden, ersparte es auch Osterloh nicht, Anfang 1945 nochmals an die Front kommandiert zu werden. Als Batteriechef in der 8. Panzer-Division erlebte er das Kriegsende in Mähren62.

3.2 Osterloh als Pastor der Gemeinde Holle 1941–1945 Am 26. Juli 1941 teilte Friedrich Bultmann, Pfarrer i. R. und Vertreter des erkrankten langjährigen Pfarrers der Gemeinde Holle, Johann Wilhelm Albrecht Rathe, dem Oberkirchenrat brieflich mit, dass Rathe am 24. Juli im Oldenburger Pius-Hospital verstorben war. Bultmann wurde daraufhin am 29. Juli mit der Vakanzverwaltung beauftragt, die Stelle zusammen mit der Pfarrstelle in Stuhr am 1. August 1941 zur Neubesetzung ausgeschrieben63. Bis zur gesetzten Frist am 10. September gingen zwei Bewerbungen der Hilfsprediger Friedrich Haas und Werner Miehe ein64, neun Tage darauf erreichte den Oberkirchenrat eine Feldpostkarte Osterlohs, auf der er mit Datum vom 27. August 1941 in flüchtiger Handschrift seine recht formlose Bewerbung niedergeschrieben hatte: „Auf Grund Ihres Schreibens vom 1. 8. 41 (Poststempel vom 7. 8. 41, hier angekommen am 26. 8. 41) bewerbe ich mich hiermit um die Pfarrstelle in Holle oder, falls diese anderweitig besetzt ist, um die Pfarrstelle in Stuhr.“65

Volkers verhielt sich dieser verspätet eingegangenen Bewerbung gegenüber fair und notierte am Tage Ihres Eingehens, die Verzögerung sei nicht Osterloh zuzuschreiben, sondern Folge des Krieges. Leicht resigniert bemerkte er weiter: „Wollen wir dann diese 3 Bewerber dem L[andes]K[irchen-]Ausschuß vorschlagen? Sie haben alle drei dieselbe kirchenpolitische Richtung. Es wäre gut, wenn eine Wahl zustande käme.“66 Der Landeskirchenausschuss genehmigte am 30. September diesen Wahlvorschlag, und in Abstimmung mit den Bewerbern wurden die ProFrontverwendung wieder nach Oldenburg kommen (Sept./Okt.)“ (Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 2. 7. 1944 [EBD.]). 61 Vgl. M. ZEIDLER, Kriegsende, bes. S. 75–95; G. E. WEINBERG, Welt in Waffen, S. 836–840, 857–863; L. GRUCHMANN, Totaler Krieg, S. 211–216, 223–226. 62 Vgl. Lebenslauf vom 7. 3. 1952; Veröffentlichung der Pressestelle der Landesregierung SchleswigHolstein vom 17. 1. 1956 (beides in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/001). 63 Vgl. AELOKR OLDENBURG, C XXXV – 39, Bl. 1 u. 2. 64 Vgl. EBD., Bl. 3. 65 EBD. – Die Feldpostkarte „schmückte“ das eingedruckte Hitler-Zitat: „Keine Macht und keine Unterstützung der Welt werden am Ausgang dieses Kampfes etwas ändern. England wird fallen!“ 66 EBD. – Auch Miehe und Haas hatten sich der Bekenntnissynode unterstellt und waren bis 1939 „illegal“ (DIE PREDIGER DES HERZOGTUMS OLDENBURG, S. 43, 96f.).

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bepredigten und Katechesen auf den 12., 19. und 26. Oktober festgesetzt. Osterloh hatte unmittelbar zuvor telegrafisch mitgeteilt, dass er für den 19. Oktober Urlaub genehmigt bekommen hatte67. Die am 2. November 1941 unter der Leitung von Landesbischof Volkers im Anschluss an den Gottesdienst durchgeführte Wahl brachte ein wirklich eindeutiges Ergebnis. Von 41 abgegebenen Stimmen entfielen 40 auf Osterloh, eine Stimme wurde für Haas abgegeben68. So konnte auch Volkers nur schlussfolgern: „Osterloh wird zu ernennen sein“69, und telegrafierte dieses Ergebnis umgehend nach Stettin70. Der November brachte zunächst einiges Hin und Her wegen des Ernennungstermins, ab dem – und dies war das gewichtigste Argument – die Besoldung Osterlohs von der oldenburgischen Kirche zu übernehmen war71. Der Oberkirchenrat machte zudem eine Ernennung abhängig vom Ausscheiden Osterlohs aus dem Dienst der Bekennenden Kirche Berlin-Brandenburgs72, woraufhin dieser in Berlin um eine offizielle Beendigung des Dienstverhältnisses zum 30. November bat73. Ihm kam sehr viel darauf an, dass man gerade in Berlin die Gründe für sein Handeln verstehen könne und ihn nicht dafür verurteilte. Er bat deshalb Heinz Kloppenburg, in Berlin „sein Mund“ zu sein und für ihn dort in Gesprächen einzutreten74. Die Bestätigung aus 67 Vgl. AELOKR OLDENBURG, C XXXV – 39, Bl. 7–12. An Kloppenburg, mit dem er unbedingt ein Treffen arrangieren wollte, schrieb Osterloh: „Mein Urlaub – der vom OKH genehmigt werden mußte – ist aber auf Berlin und Holle beschränkt. 18.–20. 10. 41.“ (Karte vom 13. 10. 1941 [ABS OLDENBURG, V.10.3]) – Zu Osterlohs Eindrücken vom Tag seiner Probepredigt vgl. E. OSTERLOH, Erfahrungen (1949), S. 65f. 68 Vgl. die Niederschrift über die Wahl in Holle am 2. 11. 1941 (AELOKR OLDENBURG, C XXXV – 39, Bl. 16). 69 Handschriftlicher Zusatz auf der genannten Niederschrift (EBD.). 70 Vgl. den Antwortbrief Osterlohs noch vom 2. 11. 1941, in dem er sich auch schon nach den Unterbringungsmöglichkeiten für seine Familie und seinen Haushalt während der Zeit seiner Wehrmachtszugehörigkeit erkundigte (EBD., Bl. 18). 71 Die Bedenken brachte der juristische Oberkirchenrat Müller-Jürgens wohl auf den Punkt, als er den Entwurf eines Briefes an Osterloh am Rand kommentierte: „Die Ernennung läßt sich wohl nicht hinausschieben, obwohl sie z. Zt. keine andere Wirkung hat, als daß Pfr. Osterloh in Oldenburg statt von seiner bisherigen Dienststelle besoldet werden muß“ (EBD., Bl. 17). 72 Briefentwurf des Oberkirchenrats an Osterloh vom 5. 11. 1941 (EBD.). 73 Vgl. die Briefe Osterlohs an Kloppenburg (ABS OLDENBURG, V.03.B02) und an den Oberkirchenrat vom 13. 11. 1941 (AELOKR OLDENBURG, C XXXV – 39, Bl. 20). 74 Vgl. Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 13. 11. 1941 (ABS OLDENBURG, V.03.B02). – Die Gründe für die Bewerbung in Holle sind angesichts seiner dezidierten Meinung zur Zukunft der Landeskirchen schwer nachvollziehbar. Er sprach zwar später – und sicher glaubhaft – gegenüber seiner Schwägerin davon, er habe nach dem Tod seiner Frau in Berlin, wo er die Jahre bisher nur mit ihr verbracht hatte, nicht mehr leben können (Auskunft Heidi Leonhardt, Gespräch am 3. 5. 1996). Beworben hatte er sich jedoch einen Tag vor dem Tod seiner Frau, als er also nicht einmal von ihrer Erkrankung wissen konnte – wenn man nicht annimmt, er habe die Bewerbung zurückdatiert, damit er überhaupt noch zugelassen würde, wofür es aber keinen Anhaltspunkt gibt. Ins Gewicht fallen sicher trotzdem die Sorge um das Auskommen seiner Familie und ihre Bedrohtheit in Berlin, von wo aus man ja in Köslin hatte Schutz suchen wollen. Daneben spielten eine Rolle wohl auch der Prozess gegen die Mitarbeiter und

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Berlin traf am 19. November 1941 in Oldenburg ein75. Osterloh wurde daraufhin mit Wirkung vom 1. Dezember 1941 zum Pfarrer in Holle ernannt, dessen Amtsgeschäfte bis zu seiner Rückkehr aus dem Krieg weiter Friedrich Bultmann führen sollte76. Weil es Osterloh über Monate hinweg nicht gelang, einen passenden Urlaub genehmigt zu bekommen, musste die Einführung dort immer wieder verschoben werden, bis sie endlich am 27. September 1942 stattfinden konnte77. Osterloh hatte kurz zuvor telegrafisch darum gebeten, von Kloppenburg eingeführt zu werden78, aber so weit wollte man im Oberkirchenrat dann doch nicht gehen. Die Einführung vollzog Hans Rühe (Oldenburg), assistiert von Hans Roth (Ahlhorn) und Wilhelm Wilkens (Wilhelmshaven-Rüstringen). Der Gottesdienst, in dem Osterloh über 1. Kor. 2,2 predigte, fand unter „erfreulich starker Beteiligung der Gemeinde“ statt, die nach dem Eindruck Rühes „wirklich froh darüber war, wieder einen eigenen Pfarrer zu haben“79. Diesen Pfarrer „hatte“ die Gemeinde aber zunächst nur sehr sporadisch. Einen ersten längeren Aufenthalt konnte Osterloh mit seiner Frau Gertrud erst im August 1943 ermöglichen, als beide seinen Urlaub dazu nutzten, mehrere Wochen in Holle zu verbringen. Er versuchte, in dieser kurzen Zeit intensiv Anteil zu nehmen am Leben der Gemeinde, der er sehr dankbar dafür war, dass sie ihn in seiner sehr unsicheren persönlichen Lage zu ihrem Pfarrer gewählt hatte. In einem Brief, den er nach diesen Wochen an Kloppenburg schrieb, schilderte er die Arbeit in seiner Gemeinde als eine wahre Freude. Er schrieb von Gottesdiensten und Kindergottesdiensten, deren Besuch ihn „jedes Mal beschämt“ habe, und dass er in der kurzen Zeit drei Taufen vorzunehmen hatte. Er schmiedete auch schon Pläne für die Zeit nach dem Krieg. Dazu gehörte, eine Hilfe zu suchen, die der Gemeinde gesanglich aufhelfen könnte: „Die Gemeinde in Holle singt schlecht, und ich kann sie da nicht heben.“80

damit die völlige Zerschlagung der Strukturen der Kirchlichen Hochschule, die eine Weiterarbeit an gleicher Stelle als unmöglich erscheinen ließen. Leider liegt kein Aufschluss bietendes Zeugnis von Osterloh selbst vor. 75 Die Bestätigung, datiert auf den 17. 11. 1941, ist unterzeichnet vom Mitglied des Provinzialbruderrats Berlin-Brandenburg, Pfarrer Gunnar Buhre (AELOKR OLDENBURG, C XXXV – 39, Bl. 23). 76 Entwürfe der Schreiben vom 20. 11. 1941 an Osterloh und Bultmann finden sich EBD., Bl. 22. 77 Osterloh wollte Weihnachten 1941 in Holle verbringen, um dort zu predigen, und hatte in Aussicht gestellt, im Februar 1942, nach dem Ende seines Stettiner Lehrgangs, Urlaub zu beantragen, musste aber beides absagen, da ihm jeweils kein Urlaub genehmigt wurde (vgl. die Schreiben Osterlohs an Bischof Volkers vom 10. 12. 1941 und 10. 2. 1942 [EBD., Bl. 24]) 78 Telegramm Osterlohs vom September 1942 (Tagesdatum durchlocht), aufgegeben in WuppertalBarmen, auf das Volkers unter dem Datum des 24. 9. 1942 bereits seine von Osterlohs Bitte abweichende Entscheidung für Hans Rühe notierte (EBD., Bl. 25). 79 Bericht über die Einführung, den Rühe dem Oberkirchenrat übersandte (EBD., Bl. 27). 80 Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 31. 8. 1943 (ABS OLDENBURG, V.03.B02).

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Anfang September 1944, als Osterlohs Reriker Zeit an ihr Ende gekommen war, übersiedelte die hochschwangere Gertrud Osterloh mit den drei Kindern nach Holle in das Pfarrhaus, wo wenig später als erstes gemeinsames Kind des Ehepaares ihre Tochter Lerke geboren wurde. Auf den Familienvater und Pfarrer Osterloh aber mussten Frau, Kinder und Gemeinde noch fast ein Jahr warten.

3.3 Kirchenpolitische und theologische Orientierung in der Katastrophe Die Literatur zum Thema „Kirche im Zweiten Weltkrieg“ ist noch immer vergleichsweise überschaubar, eine annehmbare Gesamtdarstellung fehlt81. Titel wie „Evangelische Kirche im Zweiten Weltkrieg“ oder „Kirche im Krieg“ führen irre, denn der eine bietet nur z. T. sehr spezielle Aufsätze, während der andere sich auf einen kurzen Zeitraum beschränkt82. Stark zugenommen hat in den letzten Jahren die Anzahl überzeugender Arbeiten zu einzelnen Themen wie dem weitgehenden Versagen der Kirche gegenüber der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik83, dem Kirchlichen Einigungswerk84, dem Geistlichen Vertrauensrat85, der Arbeit Bischof Heckels im Kirchlichen Außenamt86, der Militärseelsorge87 oder dem Streit um die Frauenordination88. Für den Zusammenhang und Hintergrund einiger der hier vorzustellenden theologischen und kirchenpolitischen Äußerungen Osterlohs wichtig sind Arbeiten zu den Anfängen bzw. zur Entwicklung des ökumenischen Dialogs im Zweiten Weltkrieg89. Darüber hinaus liegen biographische Darstellungen mit Passagen über die Tätigkeit der jeweiligen Akteure während des Zweiten 81 Auch in Kurt Meiers dreibändigem Werk bleibt die Phase des Zweiten Weltkrieges, die rein zeitlich die Hälfte des Darstellungszeitraumes abdeckt, relativ kurz behandelt (DERS., Kirchenkampf, Bd. 3, S. 101–180, dazu jeweils wenige Seiten im Großexkurs über den Weg der einzelnen Landeskirchen), und es werden vor allem einige wenige Themen ausführlicher beleuchtet, so die Kirchenpolitik im „Warthegau“, das Kirchliche Einigungswerk und der Partikularismus der kirchlichen Gremien. Schon aufgrund der Kürze des Aufsatzes zwangsläufig nur fragmentarisch bleibt auch L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Kirche. 82 Jetzt auch noch: KIRCHLICHES LEBEN IM ZWEITEN WELTKRIEG, ein sich stärker auf die Sozial- und Mentalitätsgeschichte der evangelischen Kirche im Zweiten Weltkrieg konzentrierender Sammelband, sowie der die Beiträge einer Tagung der Kommission für kirchliche Zeitgeschichte der Evangelischen Kirche von Westfalen darbietende Band KIRCHE IN DER KRIEGSZEIT. 83 Aus der zahlreichen Literatur zu diesem Themenkomplex seien hier nur genannt: DER HOLOCAUST UND DIE PROTESTANTEN; W. GERLACH, Zeugen; E. RÖHM/J. THIERFELDER, Juden – Christen – Deutsche, Bd. 3; U. BÜTTNER, „Die Judenfrage...“. 84 J. THIERFELDER, Einigungswerk; DERS., Das Kirchliche Einigungswerk … und seine Kritiker. 85 K.-H. MELZER, Der Geistliche Vertrauensrat. 86 R.-U. KUNZE, Theodor Heckel. 87 D. BEESE, Seelsorger; DERS., Evangelische Kirche; M. MESSERSCHMIDT, Militärseelsorgepolitik; GOTT LÄSST SICH NICHT SPOTTEN. 88 DER STREIT UM DIE FRAUENORDINATION; D. HERBRECHT, Emanzipation. 89 J. THIERFELDER, Ökumene der Bedrängten; CHR. MEHL/J. THIERFELDER, Ökumene im Krieg.

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Weltkrieges vor90, während die Schilderungen in der regionalen Historiographie des Kirchenkampfes in der Regel unter dem Manko leiden, auf die Kriegszeit nur unzureichend einzugehen91.

3.3.1 Stellungnahmen zu den kirchenpolitischen Entwicklungen Aus den Briefen, die Osterloh aus dem Feld geschrieben hat, gewinnt man den Eindruck, er habe sich in seiner Freizeit fortwährend mit theologischen Fragen beschäftigt, vielfach mit solchen, die ihm von Rudolf Bultmann nahegelegt wurden bzw. Bultmann betrafen92. Seine existenziellen Erfahrungen im Krieg bestärkten Osterloh dabei in seinem generellen Infragestellen der traditionellen Kirchlichkeit, das sich in seinen Stellungnahmen aus den späten 1930er Jahren schon angekündigt hatte93. Die gesamtkirchliche Situation in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs war ja auch so, dass er sich in seiner Kritik nur bestätigt fühlen konnte: „Es gab in den Jahren 1941 bis 1945 so gut wie keine evangelische Kirche, sondern nur Rudimente von kirchlicher Organisation. So existierten noch die Kirchenkanzlei, das Kirchliche Außenamt unter Bischof Heckel, die Kirchenführerkonferenz oder der sogenannte Geistliche Vertrauensrat, […]. Auf der anderen Seite gab es bei der Bekennenden Kirche die Konferenz der Landesbruderräte (Kodlab), den Bruderrat der altpreußischen Union und den Lutherrat. Und natürlich gab es die Gemeinden unter dem Wort. Keine Institution, kein Gremium aber hatte noch einen nennenswerten Aktionsradius. Sie erreichten die Öffentlichkeit nicht mehr. Eigentlich kann man in unserem Zeitraum nicht von einer Kirche, kaum von kirchlichen Organisationsformen reden. Man muß primär nach einzelnen Christen fragen […].“94

Im Rahmen seiner während der Militärdienstzeit recht eingeschränkten Möglichkeiten versuchte auch Osterloh immer wieder, sich dem Einzelnen zuzu90 Z. B.: E. BETHGE, Dietrich Bonhoeffer, S. 744–1038; E. KONUKIEWITZ, Hans Asmussen, S. 217–252; P. NOSS, Martin Albertz, S. 417–502. 91 Wichtige Ausnahmen stellen dar: W. NIESEL, Kirche, S. 208–303; W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 3, S. 255–433 (Scherffig behandelt den Weg der Theologischen Bruderschaften in der EKapU, besonders im Rheinland); G. SCHÄFER, Württemberg, Bd. 6, S. 672–1369. 92 Vgl. z. B. die Briefe Osterlohs an Bultmann vom 28. 7. 1940, 5. 2. 1941, 11. 5. 1941 und 8. 5. 1942 (alle: UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 93 Vgl. oben S. 70–73. 94 M. ROHKRÄMER, Rußlandkrieg, S. 271. Vgl. J. THIERFELDER, Das Kirchliche Einigungswerk … und seine Kritiker, S. 243; DERS., Einigungswerk, S. 18–30. Nicht berücksichtigt sind in der Auflistung Rohkrämers die Landeskirchen. Diese waren – ob „intakt“ oder „zerstört“ – natürlich organisatorisch erhalten, litten aber unter Pfarrermangel und waren in ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit schon allein durch den akuten Papiermangel und zahlreiche andere Restriktionen ebenso behindert wie durch die eigene Rücksichtnahme auf eventuelle Konsequenzen einer öffentlichen Meinungsäußerung.

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wenden, und war mehrfach überrascht, wie sich ihm auf diese Weise doch noch Möglichkeiten zur Verkündigung boten95. Seine Erfahrungen dabei bestärkten ihn in Überlegungen, die ihn schon seit Beginn seines Studiums begleiteten: Kirche bzw. die Geistlichkeit muss verständlich sein, sie muss die Menschen innerhalb ihrer Lebenswelt ansprechen, und zwar in einer Sprache, die von ihnen verstanden werden kann. Daher rührte auch sein heftiges Aufbegehren gegen Hans Asmussens pauschale und ein Gespräch definitiv ausschließende Kritik an Bultmanns Programm der „Entmythologisierung“96, vor allem aber gegen jeden Hang zum Klerikalismus und Liturgismus, den er bei Asmussen aufkommen sah. Osterloh vermutete dahinter eine Tendenz zur Abkapselung, zum Traditionalismus und damit zur dogmatischen Engführung und Erstarrung97. Ganz auf dieser Linie lag es, dass Osterloh zur Frage, ob oder wie sich die Lage der Kirche in Deutschland durch die Kriegssituation verändert hätte, eine sehr bestimmte, frühere Gedanken ebenfalls aufgreifende Meinung vertrat: „Ich glaube nicht, daß der Krieg als solcher predigen lehrt. Die Echtheit der Predigt kann nur zurückgewonnen werden zusammen mit der Eindeutigkeit und Wahrhaftigkeit der Situation. Ich meine das so: Gegenwärtig besteht die kirchliche Situation in der sich immer stärker selbst auflösenden Illusion der Volkskirche. Die sich zur Predigt versammelnde Gemeinde mitsamt dem Prediger haben durchschnittlich keinerlei klares Bewußtsein von dem Verhältnis der Existenz der ‚Gemeinde‘ zur natürlichen eigenen Existenz, zum ‚Zeitgeist‘ und zum ‚Volk‘. Gewöhnlich wird eine irgendwie ‚noch‘ festgehaltene ‚Frömmigkeit‘ mit dem christlichen

95 Zunächst bot sich ihm noch der eher ernüchternde Eindruck, „daß der Mensch durch das Militär menschlich auf eine Bewährungsprobe gestellt wird, daß er substantiell aber außerordentlich unbeweglich wird. Er lernt menschlich so gut wie nichts dazu“ (Brief an Bultmann vom 5. 2. 1941, in: UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). Aber, nur wenige Monate später: „Ich habe Gespräche mit Kameraden und Offizieren gehabt, an denen in verborgener Weise Sören Kierkegaard und Paulus teilgenommen haben […], es ereignen sich unter uns erste Kommunikationen von Mensch zu Mensch in erkannter Gegenwart Gottes“ (Brief an Bultmann vom 11. 5. 1941 [EBD.]). Zudem hatte Osterloh offenbar das Glück, Kommandeuren unterstellt zu sein, denen der christliche Glaube etwas bedeutete: „Ich habe das einzigartige Glück, einen Kommandeur bekommen zu haben, der mit mir über Probleme des Römerbriefes und der christlichen Erziehung seiner Kinder spricht […]. Und unser Inspekteur, ein Generalmajor, hat mich nach der Gesamtsituation der Kirche eingehend und mit echtem Verständnis ausgefragt“ (Brief an Bultmann vom 12. 6. 1942 [EBD.]). Diese guten Gesprächsmöglichkeiten haben sich jedoch nicht nur auf Vorgesetzte und Offiziere beschränkt, denn in der Auseinandersetzung mit Asmussen und Kloppenburg konnte er darauf verweisen, dass alle seine „ganz weltlichen Kameraden“ ihn „nicht nur für einen ganz ausgesprochenen und eindeutigen Christen halten“, sondern auch meinten, er könne ihnen „Auskünfte geben, was der entscheidende Inhalt des christlichen Glaubens sei“ (Brief an Asmussen und Kloppenburg vom 8. 12. 1942 [Dokument 2; s. unten S. 555–559]). 96 Vgl. unten S. 115–117. 97 Vgl. unten S. 117; vgl. Dokumente 4 u. 6 ( S. 563–566, 572–575). Interessanterweise berührten Osterlohs Gedanken sich hier eng mit denen Dietrich Bonhoeffers; vgl. E. BETHGE, Dietrich Bonhoeffer, S. 800f.

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Glauben verwechselt. Prediger und Gemeinde meinen nun, diese ‚Frömmigkeit‘ pflegen und für sie werben zu müssen. Die Eigenart ‚christlicher Existenz‘ in gegenwärtiger Antwort auf den gegenwärtigen Ruf Gottes ist bis zur Unkenntlichkeit getarnt durch die Unlauterkeit, in der die Kirche in Europa faktisch existiert.“ Zusammenfassend gab er seiner Überzeugung Ausdruck, „daß Gottes Wort gegenwärtig von uns Pfarrern aktiven Einsatz für eine neue Gestalt des kirchlichen Lebens verlangt“, und nannte als konkrete Beispiele: „Die Predigt kann nicht aktuell sein, wenn sie den Hörer nur theoretisch vor eine Entscheidung stellt. Die Kindertaufe ist unhaltbar. Die weitgehende Identität von politischer und kirchlicher Gemeinde ist unhaltbar.“98

Trotzdem bewarb Osterloh sich noch vor Ablauf eines Jahres nach Niederschrift dieser Zeilen als Pfarrer der oldenburgischen Landeskirche um das Holler Gemeindepfarramt. Ein Schritt, der für erhebliche Irritationen vor allem bei den Berliner Gefährten sorgte. Kloppenburg schrieb ihm umgehend, was Friedrich Smend von den Verhandlungen über Osterlohs Freistellung von seinen Berliner Aufgaben mitgeteilt hatte: Er habe Osterlohs Entschluss unterstützt, „aber bei den anderen Brüdern ein volles Verständnis nicht erreicht.“ Man konnte in Berlin – und sicher nicht nur dort – nicht ganz nachvollziehen, wie er dies tun konnte angesichts der von ihm „vertretenen Position in der Frage der Stellung zu den Landeskirchen überhaupt“99. Ausführlich äußerte sich Osterloh selbst wieder im Juni 1942 zum Thema, diesmal als Reaktion auf die einsetzenden Konsensbestrebungen Theophil Wurms, der in seinem „Kirchlichen Einigungswerk“ alle kirchenpolitischen Gruppen mit Ausnahme der „Deutschen Christen“ zusammenfassen wollte, um auf diese Weise die Basis für eine Neuordnung der evangelischen Kirche zu gewinnen100, und im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Bultmannsche Theologie. Er verschickte drei Stellungnahmen grundsätzlicher Art101, in denen er seine Meinung über die Bekennende Kirche und das Verhältnis einer zukünftigen Kirche zur Theologie darlegte. Ton und Ausdrucksweise 98

Brief an Bultmann vom 5. 2. 1941 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). Bericht Kloppenburgs in seinem Brief an Osterloh vom 20. 11. 1941 (ABS OLDENBURG, V.03 B.02). 100 Vgl. J. THIERFELDER, Einigungswerk; G. SCHÄFER, Württemberg, Bd. 6, S. 848–1100. In Oldenburg unterstützte Kloppenburg und mit ihm der überwiegende Teil der Pfarrerschaft diese Bestrebungen (vgl. die beiden bei G. SCHÄFER, ebd., S. 1016–1019, abgedruckten Briefe Kloppenburgs an Wurm vom 1. 10. 1943 und 14. 9. 1944; vgl. auch R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 748; P. ZOCHER, Neuordnung, S. 40). 101 Es handelt sich um einen maschinenschriftlichen Brief an Oberregierungsrat Varrentrap vom 27. 6. 1942, den dieser an Kloppenburg weiterleiten sollte (verschiedene Abschriften in: UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505; ABS OLDENBURG, V.03. B.02), eine nicht adressierte zweiseitige maschinenschriftliche Stellungnahme, die Kloppenburg handschriftlich auf „Ende Juni 1942“ datierte (Abschriften EBD.), und als umfassendste Stellungnahme einen Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 19. 6. 1942, den 99

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zeigen deutlich, wie sehr Osterloh darunter gelitten haben muss, nicht direkt in das Geschehen eingreifen zu können, und wie groß seine Besorgnis war, die in der Heimat verbliebenen Akteure würden die Erfordernisse der Situation, so wie er sie sah, nicht genügend berücksichtigen: „Vergeßt bitte uns nicht, die wir an der Erde liegen, schreien, schießen, befehlen, ums nackte Dasein kämpfen mit den modernsten Mitteln der Technik, vergeßt uns nicht, uns, die Gott zu Mitträgern des gegenwärtigen Krieges macht. Uns erreicht keine Liturgie, wenige, sehr wenige von uns erreicht innerlich ein Zitat aus der Bibel oder aus dem Gesangbuch.“102

Vor allem insistierte Osterloh auf der wichtigen Rolle, die – gerade auch in der damaligen schwierigen Gesamtlage – die Theologie innerhalb der Bekennenden Kirche spielen müsse: „Sie macht das Vernehmen der göttlichen Botschaft immer von neuem bewußt, sie klärt das Wissen von ihr und sie wacht darüber, daß Gottes Wort nicht mit menschlicher Religiosität verwechselt wird, daß die Prediger den Hörern nicht Steine statt Brot geben […]. Nur in der Theologie kann die Kirche zur Klarheit über ihr Verhältnis zur Welt und zu den Gegebenheiten und Forderungen der Zeit kommen […]. Wir stehen jetzt zweifellos in der Gefahr, in den kommenden Jahrzehnten aus der Not eine Tugend zu machen und so zu tun, als ob theologische Forschung und theologisches Lehren für den Bestand der Kirche und für das Leben des Glaubens nebensächlich wären. In Wirklichkeit werden wir in nächster Zukunft echter Theologie mehr als je bedürfen, um uns bewahren zu lassen vor papalistischer Glaubensdiktatur einiger Größen einerseits und vor sektiererischer Schwärmerei lebendigster Gemeinden andererseits.“103

Konkret nannte Osterloh an drohenden Gefahren a) die Verwischung der Unterschiede zur katholischen Kirche, die er als „Tempel menschlicher Religiosität“ und eine „mit anderen Weltmächten konkurrierende Weltmacht“ kennzeichnete104, b) das Abdriften in eine liturgisch geprägte Sprache und Form des Christener selbst als „Brief über die Aufgabe der BK“ bezeichnete (ABS OLDENBURG, V.01 Bd. 2[2]; vgl. Anhang, Dokument 2 [S. 555–559]). 102 Stellungnahme von Ende Juni 1942 (vgl. oben Anm. 101). – Der erste Satz ist in den Abschriften als Aussage in einem Gespräch mit Heinz Kloppenburg gekennzeichnet. 103 Brief Osterlohs an Varrentrap vom 27. 6. 1942 (vgl. oben Anm. 101). 104 Man wird davon ausgehen können, dass Osterloh aus mehreren Quellen über die Gespräche informiert war, die seit 1940/41 in Berlin von Sympathisanten der Una-Sancta-Bewegung innerhalb der Bekennenden Kirche initiiert wurden und an denen Asmussen und Kloppenburg profiliert teilnahmen (vgl. CHR. MEHL/J. THIERFELDER, Ökumene im Krieg, bes. S. 351–356; E. KONUKIEWITZ, Hans Asmussen, S. 227–230). Die Polemik Osterlohs von 1942, die in der Auseinandersetzung mit Asmussen ebenfalls eine wichtige Rolle spielte (vgl. unten S. 116–119, sowie Dokument 3–6 [S. 559–575]), dürfte in Zusammenhang stehen mit den hochkarätig besetzten Tagungen über das Verhältnis zur katholischen Kirche, die im Rahmen des Kirchlichen Einigungswerks der Klärung der eigenen Position dienen sollten und deren erstes im September 1942 in Stuttgart stattfand (vgl. CHR. MEHL/J. THIERFELDER, Ökumene

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tums, die von den einfachen Gemeindegliedern nicht mehr verstanden werden kann, c) das Abtauchen der Kirche vor dem äußeren Druck und der feindlichen Umwelt, d. h. den weitgehenden Verzicht auf Mission und Außenwirkung über den Kernbestand der Gemeinden hinaus, von Osterloh als „Programm vom ‚Überwintern‘“ bezeichnet105. Dem stellte er immer wieder die Wichtigkeit der theologischen Arbeit entgegen: „Wir müssen mit gleicher Leidenschaft an der Erkenntnis des Wortes und an seiner Übersetzung arbeiten. Beides hängt innerlich absolut zusammen. Die Erkenntnis selbst ist Übersetzung, ist Annahme der Fleischwerdung.“106 Deshalb drängte Osterloh auf eine forcierte Fortsetzung der Arbeit der „Gesellschaft für evangelische Theologie“107, deshalb auch seine schroffe Absage an jede voreilige Verdammung der Theologie Bultmanns108. Vor allem diese Theologie konnte nach Osterlohs Meinung seinen Wunsch der Realität näher bringen, dass auch eine zukünftige Freikirche eine weltoffene Kirche bleiben, Aufgabenstellung und Wesen einer Volkskirche in sich aufnehmen würde109. Osterloh kritisierte aber nicht nur, er hatte auch eine Vorstellung davon, wie eine evangelische Kirche in Zukunft auszusehen hätte. Sie basierte auf seinen unverändert negativen Prognosen über die Zukunft der deutschen Landeskirchen und der theologischen Ausbildung an staatlichen Fakultäten110, also auf seiner grundsätzlichen Kritik am damaligen Zustand des Verhältnisses von Staat und Kirche: „Darum ist die Fortsetzung der Synoden der BK eine Lebensfrage für die evangelische Kirche überhaupt, denn diese Synoden sind die allerersten Anfänge eines eigenen selbständigen Weges der Kirche in die Zukunft hinein. Sie sind das positivste Element im ganzen Kirchenkampf.“111 im Krieg, S. 359f.). Sein eigenes Entferntsein vom Ort des Geschehens und eventueller Entscheidungen trug wohl zur ins Persönliche abgleitenden Schärfe und Härte seiner Argumente bei, der allerdings diejenigen Asmussens nicht nachstanden. 105 Vgl. Brief Osterlohs an Varrentrap sowie Osterlohs Stellungnahme von Ende Juni 1942 (vgl. oben Anm. 101). 106 Stellungnahme von Ende Juni 1942 (vgl. oben Anm. 101). 107 Brief an Varrentrap vom 27. 6. 1942 (vgl. oben Anm. 101). 108 Vgl. unten S. 115–117. 109 Er fasste seine Stellungnahme von Ende Juni 1942 zusammen: „Also: Inhaltlich = theologisch die ‚Weltoffenheit‘ erhalten, auch als Freikirche, in der Aufgabenstellung und im Wesen Volkskirche bleiben“ (Brief an Varrentrap vom 27. 6. 1942 [vgl. oben Anm. 101]). 110 „Mit geschichtlicher Notwendigkeit werden die Landeskirchen zusammenbrechen und damit wird zu Tage treten, daß die bisherigen Formen kirchlicher Organisation hinfällig geworden sind. Aus gleichem Grunde wird die Theologie ihren Platz an der deutschen Universität der Zukunft verlieren“ (Brief an Varrentrap vom 27. 6. 1942 [vgl. oben Anm. 101]). Vgl. auch Osterlohs „Brief über die Aufgaben der BK“ (Dokument 2 [S. 555–559]). 111 Brief an Varrentrap vom 27. 6. 1942 (vgl. oben Anm. 101); vgl. den Schlussabschnitt „Was ist nun von uns zu tun?“ im „Brief über die Aufgaben der BK“ (Dokument 2 [S. 555–559, bes. 557–559]).

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Einigermaßen überraschend, und wohl auf seine Lutherstudien und seine praktischen Erfahrungen der Jahre 1935–1940 zurückzuführen, seine anschließende Überlegung: „Sie [die Synoden] werden allerdings nur entscheidend fruchtbar werden können für das kirchliche Leben, wenn man es wagt, Bischöfe zu ordinieren, deren Amt im Dienst an der Auswirkung und Vorbereitung der Synoden besteht.“112

Kloppenburg, mit dem Osterloh sich wohl weitgehend einig glaubte, wich in seiner ausführlichen Antwort auf Osterlohs Stellungnahmen deutlich von dessen Grundhaltung ab und kritisierte vor allem die harschen Worte gegenüber dem Katholizismus und der liturgischen Bewegung113, der er selbst inzwischen nahe stand und die er mit den Traditionen der Bekennenden Kirche zu verbinden suchte114. Dabei spielte eine große Rolle die persönliche Beziehung beider zu Hans Asmussen, den Osterloh vor allem, aber nicht nur aufgrund seiner Kritik an Bultmann, namentlich scharf kritisiert hatte115. Es traf Osterloh sehr, dass Kloppenburg ihm – in einer etwas missverständlichen Formulierung – nahe legte, seine durch seinen Fronteinsatz bedingte Ferne zum Geschehen zu berücksichtigen und daher mit seinen Urteilen vorsichtiger zu sein116. Es ist schwer auszumachen, warum Osterloh in den verbleibenden Jahren bis zum Kriegsende deutlich mildere Formulierungen in Bezug auf die Zukunft konkret der oldenburgischen Landeskirche fand. Vielleicht war es zu einem Teil die Kritik Kloppenburgs, mit der er so nicht gerechnet hatte, vielleicht war es auch ein Gefühl von Heimat, das ihm diese Landeskirche trotz allem gab. Zum ersten Mal, seitdem er Berlin verlassen hatte, konnte Osterloh im August/September 1943, während des zweiwöchigen Urlaubs mit der Familie in Holle, das Gefühl haben, „nach Hause“ zu kommen. Und erstmals äußerte er nun auch konkrete Pläne für das „Danach“. Er berichtete in einem Brief an Kloppenburg davon, was er in seiner Gemeinde tun und verändern könnte, wenn der Krieg vorbei sein würde117. Bedenkt man weiter, dass die oldenburgische Kirche bzw. viele der in ihr arbeitenden Menschen Osterloh seit jeher das Gefühl 112 Brief an Varrentrap vom 27. 6. 1942 (vgl. oben Anm. 101) Im Anschluss schlug er – „nur als Beispiele“ – für Bayern Meiser, für Württemberg Pressel (mit Fragezeichen versehen), für Preußen Scharf, für Oldenburg Kloppenburg und für das Reich Wurm vor. Am Schluss seiner Stellungnahme hob er diesen Gedanken nochmals hervor: „Nicht an die Unfehlbarkeit des Anti-Führer-Prinzips glauben!“ 113 Vgl. Brief Kloppenburgs an Osterloh vom 1. 9. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03 B.02). 114 Die Hochschätzung der Absichten dieser Bewegung kommt in dem vorstehend genannten Brief deutlich zum Ausdruck. Vgl. auch: P. ZOCHER, Neuordnung, S. 40. 115 Vgl. unten S. 115–117. 116 Vgl. die Briefe Kloppenburgs an Osterloh vom 27. 11. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03 B.02) und Osterlohs an Asmussen und Kloppenburg vom 8.12.1942 (EBD.) = Dokumente 5 und 6 (S. 567–575). 117 Vgl. oben S. 105.

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von Zugehörigkeit vermittelten, das sich unter anderem in zahlreichen Nachfragen bei Kloppenburg ausdrückte, verwundert es kaum, dass er begann, sich mit einer Zukunft in Oldenburg anzufreunden. Direkt nach dem genannten Aufenthalt in seiner Gemeinde schrieb Osterloh in einem nun eher besorgten Tonfall: „[I]mmer wieder suchen meine Gedanken die Gemeinde in Holle und die Kirche in Oldenburg und in Deutschland. Hoffentlich könnt Ihr etwas dafür tun, daß unter allen Umständen irgendwer irgendwo die Kunde von dem ausruft, der das Leid der Welt trägt aus Liebe und den Weg darstellt, der schon selber das Leben ist. Im Auf und Ab und in aller Undurchsichtigkeit gegenwärtiger ‚Weltgeschichte‘ bleibt mein Bewußtsein dafür wach und klar, daß wir einsame Vögel auf dem Dorf sind und bleiben werden, daß aber an dem, was uns aufgetragen ist, auch das ganz profane Schicksal der Welt hängt. Ich denke jetzt viel über das nach, was unbedingt als das Echte der hinter uns liegenden 10 Jahre auch gegen jede Reaktion festgehalten werden muß.“118

Für eine abschließende Würdigung der Entwicklung von Osterlohs Gedanken zu diesem Komplex muss immer die damalige absolute Ungewissheit darüber in Betracht gezogen werden, was nach dem Ende des Krieges geschehen würde. Welche Macht, welches System würde sich nach der immer wahrscheinlicheren Niederlage in Deutschland etablieren? Mit einem kirchenfeindlichen musste man rechnen, auf ein in dieser Frage neutrales durfte man vielleicht hoffen, aber mehr war von innen her gesehen realistisch wohl kaum zu erwarten. Den Fortbestand der volks- und amtskirchlichen Strukturen, so wie sie geschichtlich gewachsen und von vielen als selbstverständlich betrachtet oder hingenommen wurden, hielt Osterloh daher weiterhin für unsicher und trauerte ihnen auch nicht sonderlich hinterher: „Wahrscheinlich sind die Monate bereits gezählt, die uns noch zur Verfügung stehen, um die Kirche Christi darauf vorzubereiten, um uns selber darauf einzustellen, daß wir als Gemeinde unter ‚Gottes freiem Himmel‘ und nach außen hin totaliter aliter als bisher existieren müssen und dürfen.“119

Gleichzeitig aber hielt er diese Kirche Christi als solche für „unüberwindlich“ und sah z. B. in der Tätigkeit Wurms eines ihrer „gute[n] Lebenszeichen“120, auch wenn seiner Meinung nach – hier wieder von den bestehenden kirchlichen 118

Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 19. 9. 1943 (ABS OLDENBURG, V.03 B.02). Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 14. 11. 1943 (EBD.). 120 Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 4. 6. 1944 (EBD.). – Die Äußerung bezieht sich auf einen „Fragebogen“ Wurms, womit eigentlich nur dessen zwischen Ostern und Pfingsten 1944 verfasster Hirtenbrief gemeint sein kann, dem sich ein in den am Einigungswerk beteiligten Gruppen zu diskutierender Fragenkatalog theologisch-kirchenpolitischer Grundfragen anschloss (Abdruck: G. SCHÄFER, Württemberg, Bd. 6, S. 1060–1064). 119

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Strukturen her gedacht – dessen Ideen kein fortdauernder Erfolg beschieden sein würde: „Ich befürchte, daß Wurms innerkirchliche Autorität zum großen Teil darauf basiert, daß es nichts kostet, ihr zuzustimmen.“121 Alle wechselnden Gemütslagen und Gedanken über die Lage der Kirche beherrschte jedoch Osterlohs unbändiger Wunsch, „mittun“ zu können in der unmittelbar bevorstehenden Zeit der von ihm vorausgesehenen Entscheidungen122. Als eine solche in Oldenburg noch im Krieg anstand, nämlich nach dem Tode des deutsch-christlichen Landesbischofs Johannes Volkers, versuchte er aus der Ferne, seine Gedanken und Vorschläge durch einen Brief an Kloppenburg mit ins Spiel zu bringen: „Rein grundsätzlich sehe ich 2 Möglichkeiten: 1) Man macht einen vermittelnden Mann der BK zum Landesbischof, etwa Deinen Schwiegervater, und versucht durch ihn, geistlich Ordentliches zu erwirken. 2) Man überläßt die Landeskirche den Juristen und verzichtet auf ein geistliches Mitglied im Oberkirchenrat. Du müßtest dann mit allen Mitteln Dein Not-Episkopat so ausbauen und auf alle Gemeinden des Landes ausdehnen, daß das kirchliche Leben in seiner Substanz von den Juristen nicht tangiert werden könnte. Ich persönlich bejahe den 2. Weg als den Weg, den die Zukunft verlangt.“123

Vielleicht war der unmittelbar nachstehende Wunsch schon Ausdruck seiner Skepsis, dass sich diese seine Auffassung durchsetzen könnte: „Könnte ich jetzt doch ein paar Wochen in Oldenburg und in meiner Gemeinde sein!“124 Als wichtige und bleibende Eckpunkte in Osterlohs Verhältnis zur „Kirche“ sind festzuhalten: – eine kategoriale Unterscheidung von Kirche Jesu Christi und verfasster (Landes-) Kirche; erstere hält er für unüberwindbar, letztere für schon im Absterben begriffen; – eine tiefgreifende Unterscheidung zwischen den Menschen, die einer Kirche wie auch immer angehören, und dieser Kirchenorganisation als solcher; erstere sind ihm wichtig, er fühlt sich ihnen persönlich verbunden und durch Gottes Auftrag an sie gebunden, letztere ist allenfalls nützlich, manchmal hinderlich, aber im Zweifelsfall immer entbehrlich – eine Verstärkung der schon in seinem Hesekiel-Buch angelegten Tendenz, die Gestalt der verfassten Kirche zu hinterfragen und die Gebundenheit an den feststehenden und 121

Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 8. 3. 1944 (ABS OLDENBURG, V.03 B.02). „Vielleicht ist es ja nicht einmal ein Nachteil, wenn man mal wirklich Abstand bekommt, aber ich entbehre Euch und habe Verlangen nach richtiger Arbeit als ‚Botschafter der guten Meldung‘“ (EBD.). 123 Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 2. 7. 1944 (EBD.). 124 EBD. 122

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haltgebenden persönlichen Auftrag Gottes hoch über die Gebundenheit an eine konkrete, orts- und zeitabhängige und damit vergängliche Institution zu stellen; – schließlich und daraus folgernd, eine Absage an alle Versuche, die Institution Kirche, die in ihr üblichen Riten, Gewohnheiten und sonstigen Gegebenheiten in irgendeiner Form zu überhöhen, ihr einen Selbstzweck zuzuschreiben, der darüber hinausgeht, die Ausführung des Auftrages Gottes an Einzelne oder an Gemeinschaften zu ermöglichen.

3.3.2 „Revolutionär des Glaubens“ – Osterloh in der Auseinandersetzung um Bultmanns Programm der „Entmythologisierung“ des Neuen Testaments Osterloh erfuhr von Bultmanns Vortrag „Neues Testament und Mythologie“125 zuerst durch Kloppenburg, der ihm die Druckfassung126 zusammen mit ablehnenden Stellungnahmen Asmussens zugeschickt hatte127. Dessen Gründe für seine schroffe Kritik, die den Vorwurf der Häresie und der Parallelität zur Theologie der „Deutschen Christen“ in sich schloss, lassen sich in drei Punkten zusammenfassen128:

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Bultmann hatte diesen Vortrag am 1. 6. 1941 auf der Pfingsttagung der von Osterloh mitgegründeten „Gesellschaft für evangelische Theologie“ (vgl. oben S. 88) im Kloster Alpirsbach gehalten (vgl. E. KONUKIEWITZ, Hans Asmussen, S. 235; E. BETHGE, Dietrich Bonhoeffer, S. 798f.). – Wie gezeigt werden wird, brach der Streit um Bultmanns Entmythologisierung keinesfalls erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs voll aus (so J. THIERFELDER, Einigungswerk, S. 216). Im Gegenteil, unter den zu berücksichtigenden Umständen der eingeschränkten Publikationsmöglichkeiten, des Bombenkrieges und des Fronteinsatzes vieler Theologen erstaunt die Intensität, mit der bereits im Krieg dieses Thema die Gemüter erhitzte (vgl. – außer der unten beschriebenen konkreten Auseinandersetzung – H.-W. BARTSCH, Handbuch, S. 59–63; E. KONUKIEWITZ, Hans Asmussen, S. 235f., Anm. 395; H. FRITZ, Otto Dibelius, S. 245ff.; E. BETHGE, Dietrich Bonhoeffer, S. 798–801). H. J. GENTHE, Geschichte, S. 261, spricht von einer sofort einsetzenden „lebhaften“ Debatte „unter den Sachkundigen im deutschen Sprachraum“, die sich „nach dem Krieg“ derart ausdehnte, dass nun „jeder evangelische Theologe deutscher Sprache“ sich veranlasst sah, „oft auch ohne sonderliche Sachkunde“ seine Meinung zu Bultmann zu äußern. 126 R. BULTMANN, Neues Testament; Neuabdruck: KERYGMA UND MYTHOS, Bd. 1, S. 15–48. Asmussen hatte sich besonders bei Ernst Wolf gegen den Abdruck des Bultmannschen Aufsatzes in den Beiheften zur „Evangelischen Theologie“ verwahrt, weil dieser den Eindruck erweckte, Bultmanns Thesen wären BK-Theologie (vgl. E. KONUKIEWITZ, Hans Asmussen, S. 236ff.). 127 Vgl. Brief vom 19. 5. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03. B02), dem Kloppenburg einen Brief Asmussens an Otto Dilschneider und eine Erklärung Asmussens vor dem Generalkonvent der BK in Berlin beigelegt hatte. 128 Zu Asmussens an vielen Stellen geäußerter Kritik vgl. E. KONUKIEWITZ, Hans Asmussen, S. 235– 238, 244f.; W. LEHMANN, Hans Asmussen, S. 106ff. Brieflich wandte sich Asmussen mit denselben Grundaussagen u. a. an Helmut Thielicke (Brief vom 14. 3. 1943 [EZA 50/544, Bl. 252–258]).

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1. In Asmussens Augen rührt Bultmann am Grundkonsens des christlichen Glaubens, dessen fundamentale Aussagen er mit der „Entmythologisierung“ in Frage stellt. 2. Die Spannung zwischen modernem, wissenschaftlich geprägtem Weltbild und der biblischen Botschaft kann nach Asmussen nur dahingehend gelöst werden, dass das Evangelium die Wissenschaftlichkeit der Moderne von Grund auf richtet. Er wirft Bultmann vor, die moderne Weltanschauung zu verabsolutieren. 3. Parallel dazu denkt Asmussen hermeneutisch in völlig anderen Kategorien als Bultmann: Für ihn ist nicht entscheidend, wie die Botschaft in der Moderne dem Hörer nahe gebracht werden kann, er fragt danach, wie die Botschaft, wie Jesus Christus sich selbst heute dem Hörer nahe bringt, bzw. warum er dies nicht mehr so tut, dass er allgemein verstanden wird. Wenn also etwas zu tun ist, dann beim Hörer bzw. bei der modernen Weltanschauung oder der Sprache, in die hinein übersetzt wird, nicht bei der Botschaft. Osterlohs vehemente Verteidigung des Bultmannschen Ansatzes überrascht nicht. Sie führte zu einer persönliche Züge annehmenden Kontroverse mit Hans Asmussen, die sich besonders im Briefwechsel mit Heinz Kloppenburg spiegelt, der sich mit Asmussen ebenso austauschte wie mit Osterloh – und mit beiden auch über den jeweils Dritten. Für Osterloh kam eine vorschnelle Verurteilung Bultmanns überhaupt nicht in Frage. Direkt nachdem er von dem Aufsatz und dem Wirbel darum erfahren hatte, schrieb er an Kloppenburg: „Auf keinen Fall werde ich Bultmann nach einem einzigen Aufsatz als Häretiker abtun“129. Und nach der Lektüre: „Bultmanns Aufsatz habe ich ein 2. Mal durchgelesen. Dann habe ich ihm meine – horribile dictu – grundsätzliche Zustimmung geschrieben.“130 Osterlohs Argumentation führte sehr bald von der Verteidigung Bultmanns zu Angriffen auf Asmussens Theologie. Neben recht ausgewogene Urteile traten bald auch persönliche Angriffe gegen Asmussen: „Um der Sache willen müssen Bultmann und Asmussen an den gleichen Tisch gezwungen werden. Nur so kann etwas für die Zukunft Ersprießliches erreicht werden. Es ist unmöglich und beruht auf einem verhängnisvollen Kurzschluß, mit Asmussen

129

Brief an Kloppenburg vom 13. 5. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). Karte an Kloppenburg vom 17. 6. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). An Bultmann schrieb Osterloh am 12. 6. 1942, er vermöge trotz seiner beschränkten wissenschaftlichen Hilfsmittel an der Front „grundsätzlich die Problemstellung und auch die Sachgemäßheit der Methode ihrer Lösung zu durchdenken“ und wundere sich, „daß auch Heinz Kloppenburg nicht deutlich zu sehen scheint, daß die Entmythologisierung ein Gebot der Übersetzung ist und in Wahrheit die Exegese erst zum Ziele führt.“ Und: „Mit Asmussens Protest und auch mit seinem sich überschlagenden Mangel an Verständnis für kritische Exegese am NT mußte man ja nach vorhergegangenen Erfahrungen rechnen“ (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). 130

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anzunehmen, die historisch-kritische Arbeit am NT könne theologisch außer Acht gelassen werden. Auf der anderen Seite aber muß auch Bultmann sich zwingen, immer wieder das Phänomen ‚unmittelbarer‘ Auslegung des NT zur Kenntnis zu nehmen. Asmussen muß vor der Verwilderung seiner Theologie bewahrt werden. Bultmann vor der Ansicht, man müsse in Marburg studiert haben, um in echter Weise die Botschaft des NT verstehen zu können. Leider habe ich den Eindruck – nach Berichten und Zusendungen von Kloppenburg –, daß Asmussen gegenwärtig taub und blind ist gegenüber dem theologischen Recht in der Arbeit von Bultmann. Es ist für den Wissenden eine groteske Borniertheit, wenn er ernsthaft glaubt, Bultmann und Hirsch theologisch auf einen Nenner bringen zu können. Ich denke mit Schrecken an Asmussens verhängnisvolle ‚Theologie des Überwinterns‘, der ‚inneren Linie‘, der ‚Kursänderung‘ der BK. Ich denke auch an sein katastrophal schlechtes Gedächtnis für eigene kirchenpolitische Fehler und an seine Unfähigkeit, in ruhiger Beständigkeit einen bestimmten Weg in stiller Arbeit weiterzugehen. Ich wünsche nicht, daß Asmussen diese Sätze liest, aber ich werde ihm selbst schreiben, daß ich aus brüderlicher Liebe zu ihm den Kampf gegen seine papalistischen Neigungen aufnehmen werde.“131

Es spricht für Osterlohs Gutgläubigkeit von der Ferne der Front her, dass er annehmen konnte, eine solche Stellungnahme würde nicht weitergetragen. Jedenfalls war es ausgerechnet Kloppenburg selbst, der einen Durchschlag dieses Briefes zusammen mit anderen Äußerungen, die er von Osterloh erhalten hatte, an Asmussen weiterleitete und dies auch ganz offen mitteilte132. Das ohnehin schon belastete Verhältnis Asmussens zu Osterloh konnte dadurch natürlich kaum verbessert werden. Sodann ging Osterloh im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit Asmussen133 dazu über – in diesem Argumentationsmuster dem Zeitgeist folgend –, harte Gegensätze zwischen sich und Asmussen zu konstatieren. Er sprach ihm zwar noch den gleichen Glauben zu, sah sich aber ansonsten fast völlig von ihm unterschieden: „Wir haben den gleichen Glauben, aber Sie sind Reaktionär und ich bin Revolutionär geworden. Sie gehören der Vergangenheit und den Alten, ich gehöre der Zukunft und den Jungen.“134 131

Brief Osterlohs an Oberregierungsrat Varrentrapp vom 27. 6. 1942 (vgl. oben Anm. 101). Brief Kloppenburgs an Osterloh vom 1. 9. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). 133 Osterloh muss sich noch im Juni, vielleicht Anfang Juli 1942 auch an Asmussen persönlich gewandt haben, denn ein erster Antwortbrief Asmussens ist unter dem Datum des 20. 7. 1942 verfasst (ABS OLDENBURG, V.01 Bd. 2[2]; der Briefwechsel Osterloh/Asmussen ist aufgrund der Ausbombung Asmussens wohl nicht erhalten, sofern nicht Kopien oder Durchschläge an Kloppenburg gelangten). Die Diskussion wurde zunächst noch relativ sachlich geführt, wenngleich ein gereizter Unterton schon auftaucht. Die das Endstadium der Auseinandersetzung bildenden Briefe von Asmussen an Osterloh vom 17. 9. 1942, von Osterloh an Asmussen vom 1. 11. 1942, von Kloppenburg an Osterloh vom 27. 11. 1942 und von Osterloh an Asmussen und Kloppenburg vom 8. 12. 1942 sind im Anhang abgedruckt (Dokumente 3–6 [S. 559–575]). 134 Brief Osterlohs an Asmussen vom 1. 11. 1942 (ABS OLDENBURG, V.01 Bd.2[2] = Dokument 4 [S. 563–566]). 132

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Kloppenburg rückte nun inhaltlich in dem persönlich und polemisch gewordenen Streit immer stärker an die Seite Asmussens, nachdem Osterloh ihn zuvor so verstehen musste, dass er seine Kritik an Asmussen nachvollziehen konnte135. Schließlich teilte Kloppenburg ihm mit: „[I]ch glaube, daß Du ihn sachlich falsch beurteilst und außerdem ihm persönliche Vorwürfe machst, die nicht berechtigt sind.“136 Kloppenburg erwähnte Osterlohs Ferne vom theologischen Gespräch in der Heimat und gemahnte ihn zur „Zurückhaltung in letzten Urteilen“. Im Einzelnen hinterfragte er die Letztgültigkeit auch des Bultmannschen Weltbildes und stellte es dem Wahrheitsanspruch Christi gegenüber, er wies Osterlohs Vermutung, Asmussen und andere flüchteten sich lediglich in den Kultus, um der konkreten Verkündigung auszuweichen, gerade im Falle Asmussens kategorisch zurück und verteidigte zugleich die Bedeutung des Kultischen. Schließlich griff er Osterlohs persönliche Attacken gegen Asmussen auf und kritisierte sie in aller Schärfe137. Osterloh – spürbar davon getroffen, nun gegen Asmussen und Kloppenburg zu stehen – antwortete am 8. Dezember 1942 mit einem längeren Brief an beide, in dem er versuchte, seinen Standpunkt in den entscheidenden Bereichen noch einmal grundsätzlich deutlich zu machen138. Asmussen beendete daraufhin den Disput, indem er auf die Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Positionen hinwies: „Wir reden verschiedene Sprachen.“ Weiter führte er aus: „Ich fühle mich durch die von Ihnen geforderte Kirchenpolitik ähnlich beansprucht, wie sie sich von meinem Wahrheitsverständnis beansprucht fühlen.“139 Das schroffe Schlusswort Asmussens hat Osterloh stark berührt, er bat über Kloppenburg um Verzeihung für seine persönlichen Angriffe und fühlte sich verkannt: „‚Geistlich urteilen‘ heißt doch nicht, einen scharfen Angriff als Symptom des Abfalles vom Glauben verstehen […]. Wißt Ihr nicht, daß ich Euer täglich im Gebet gedenke, daß meine ganze Existenz im Wunder lebt?“140 135 In einem Brief vom 16. 7. 1942 äußerte Kloppenburg nach einer Aufzählung des zwischenzeitlich von Osterloh erhaltenen Materials zur Frage des zukünftigen Weges der Kirche und zur Kontroverse Bultmann/Asmussen: „Ich danke Dir für alles sehr und schreibe noch dazu. Ich halte das Ganze für eine entscheidend wichtige Frage an die BK und werde den Brüdern die Sachen vorlegen. Es ist notwendig, daß wir uns zu einer grundsätzlichen Besinnung rufen lassen. Dir gebührt großer Dank für Deine Fragestellungen!“ 136 Brief Kloppenburgs an Osterloh vom 27. 11. 1942 (Dokument 5 [S. 567–571]). 137 Vgl. EBD. 138 Abdruck im Anhang, Dokument 6 (S. 572–575). 139 Brief Asmussens an Osterloh vom 23. 12. 1942 (ABS OLDENBURG, V.03. B02). 140 Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 1. 1. 1943, von diesem in Abschrift an Asmussen weitergeleitet (EBD.). – Kloppenburg versuchte daraufhin erneut zu schlichten, es kam auch später zu weiteren Briefen zwischen Asmussen und Osterloh, das Problem an sich wurde aber nicht weiterdiskutiert. Beide gingen sich so weit wie möglich aus dem Weg, während Osterlohs Verhältnis zu Kloppenburg sich zunächst schnell wieder stabilisierte und freundschaftlich blieb.

Kirchenpolitische und theologische Orientierung in der Katastrophe

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Die Auseinandersetzung zwischen Asmussen und Osterloh, in Teilen auch zwischen Osterloh und Kloppenburg, dessen Vermittlerrolle, wenn sie denn als solche gedacht war, nicht immer glücklich war, kann man als richtungweisend für die Jahre in Oldenburg ansehen. Schon anhand dieser brieflich ausgetauschten Positionen, des harten, auch ins Persönliche führenden Angriffs gegen die Meinung des Anderen, verbunden mit zahlreichen gezielten oder auch unbewussten Indiskretionen gegenüber Dritten, wird deutlich, wie ausgeprägt die persönlichen Gegensätze unter aktiven „Kirchenkämpfern“ schon während des Zweiten Weltkriegs waren. In Oldenburg sollten sie in der „Bischofskrise“ 1952/53 schließlich kulminieren, aber auch anderswo und mit anderen Frontstellungen brachen sie wieder auf. Wohl allein die Zwangslage direkt nach dem Ende des Krieges, die Notwendigkeit, angesichts von Hunger, Elend und mangelnder geistiger oder politischer Führung zumindest eine handlungsfähige Kirchenstruktur zu erhalten oder aufzubauen, hat dazu geführt, dass diese Gegensätze eine Zeit lang – schon damals nur notdürftig – überbrückt werden konnten, so dass der Eindruck aufkommen konnte, sie seien erst nach dem Krieg entstanden. Man sieht Osterloh schon in diesen Briefen mit Problemen und Spannungen konfrontiert, die in ihren Auswirkungen und ihrer weiteren Entwicklung bestimmend für die Zeit nach 1945 werden sollten: – das unklare Verhältnis zweier großer Erneuerungsbewegungen innerhalb der evangelischen Kirche der 1920er bzw. 1930er Jahre, der Liturgischen Bewegung und der Bekennenden Kirche, zueinander, daneben und darin auch noch die Frage nach der Einheit und der Theologie der Bekennenden Kirche, die spätestens dann akut werden sollte, als der gemeinsame Gegner wegfiel; – die schwieriger werdende Beziehung zu Kloppenburg, der in seinem subjektiv wohl aufrichtigen Versuch, allen zu ihrem Recht zu verhelfen, hier manches Mal eher Öl ins Feuer goss – es kommt zum ersten größeren theologischen und kirchenpolitischen Disput zwischen Osterloh und Kloppenburg; – schließlich, im Zuge der Diskussion um die kirchenpolitische Orientierung der Bekennenden Kirche bzw. der evangelischen Kirche in Deutschland, die sich mit der persönlichen Auseinandersetzung vielfach überschnitt und verschränkte, die Fragen nach den Landeskirchen und ihrem Verhältnis zur Bekennenden Kirche und nach dem Verhältnis der Kirchen und Konfessionen untereinander.

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Soldat im Zweiten Weltkrieg

3.4 Kriegsende, Gefangenschaft und Flucht141 Am Ende des Krieges gab es für Osterloh und die ihm unterstellte Einheit wie für alle Soldaten des östlichen Kriegsschauplatzes, denen sich eine realistische Möglichkeit dazu bot, nur eine Richtung, die einzuschlagen war: nach Westen, zu den Amerikanern, um bloß nicht in sowjetische Kriegsgefangenschaft zu geraten. Im Gegensatz zu vielen anderen schaffte er das tatsächlich – er sagte später zu seiner Frau, das gehortete Benzin hätte bis nach Spanien gereicht – und ergab sich mit seiner Einheit am 10. Mai 1945 an der Moldau den Amerikanern142. Das sollte jedoch nicht viel nützen, da die Amerikaner ihre Gefangenen des östlichen Kriegsschauplatzes zunächst an die Sowjets auslieferten. Osterloh widerfuhr dies am 18. Mai 1945143. Zunächst verbrachte er einige Wochen in einem Gefangenenlager in der Tschechei, bevor das ganze Lager zu einem Sammelplatz auf österreichischem Gebiet verlegt wurde. Von dort aus sollte der Abtransport nach Russland beginnen. Auf tschechischem Gebiet hatten die Gefangenen erlebt, wie hasserfüllt die einheimische Bevölkerung ihnen begegnete, während man ihnen in Österreich Wassereimer anreichte. Daher fasste Osterloh gemeinsam mit einem weiteren Kameraden den Plan, eine Flucht auf österreichischem Gebiet zu versuchen, wo man mit einer gewissen Unterstützung der Bevölkerung rechnen konnte – später wäre dies aussichtslos gewesen. In einem unbeobachteten Augenblick gelang es beiden, sich am 1. August 1945144 in einem Waldstück vom Gefangenenzug zu entfernen. Sie bewegten sich in den folgenden Wochen nur nachts vorwärts nach Westen, versteckten sich an jedem Morgen in der Scheune eines Bauernhofes, bei dessen Besitzern sie sich immer erst am Abend meldeten und um Hilfe baten. Und wieder hatte Osterloh Glück: Immer bekamen beide etwas zu Essen und auch genaue Auskunft über den weiteren Weg. Als ersten größeren Ort auf deutschem Territorium erreichten sie Deggendorf; Osterlohs Kamerad konnte wegen wunder Füße nicht mehr weiter und meldete sich bald darauf den Behörden145. Osterloh aber hatte Angst, erneut von den Amerikanern ausgeliefert zu werden, und ist bis nach Fulda in die britische Besatzungszone weitergewandert. Dort erst bestieg er einen Zug, der ihn nach Hause brachte.

141 Die Auskünfte zu diesem Abschnitt verdanke ich im Wesentlichen dem Gespräch mit Gertrud Osterloh vom 5./6. 2. 1996. 142 Angabe nach der Veröffentlichung der Pressestelle der Landesregierung Schleswig-Holstein vom 17. 1. 1956 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/001). 143 Vgl. EBD. 144 Angabe aus Osterlohs Lebenslauf vom 7. 3. 1952 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/ 001). 145 Er wurde nicht zurückgeschickt und meldete sich einige Zeit später noch einmal bei Osterloh, der Kontakt brach aber schnell ab (Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996).

Kriegsende, Gefangenschaft und Flucht

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Am 24. August 1945146 erreichte er Oldenburg, wo er sich zunächst noch eine Weile versteckte. Er war abgemagert und völlig verausgabt, trug im Nachhinein noch eine Lungenentzündung davon, aber er hatte überlebt und war zu Hause. Das Kapitel „Wehrmacht“ endete für ihn endgültig am 4. März 1947, an dem er sich bei einer britischen Entlassungsstelle registrieren ließ147.

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Angabe aus Osterlohs Lebenslauf vom 7. 3. 1952 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/001). Auskunft Deutsche Dienststelle (WASt), Brief vom 18. 10. 2001.

4. Pfarrer und Oberkirchenrat in Oldenburg

Die Klage über die mangelhafte Erforschung der oldenburgischen Kirchengeschichte nach 1945, die 1993 mit gutem Recht geführt werden konnte, muss jetzt eingeschränkt werden. Neben der Arbeit des Verfassers über die institutionelle Seite der Neuordnung nach 19451 sind weitere Aufsätze und Abschnitte in größeren Werken von Bedeutung: Zunächst der Aufsatz von Enno Konukiewitz über die sehr frühe Auseinandersetzung mit der Schuldproblematik in Oldenburg im Jahre 1945 sowie die Ausführungen zum „Anschreiben an die Pfarrämter wegen der Verpflichtung der Gemeinden gegenüber den Juden“ von 1947 in der Monographie Siegfried Hermles zu den Stationen im Verhältnis von Evangelischer Kirche und Judentum nach 19452. Aus anderer Perspektive eng mit dem Aufsatz von Konukiewitz verbunden ist Udo Schulzes Beitrag über die Rolle Wilhelm Stählins beim Neuanfang 19453. Zu dem anlässlich dieses Jubiläums erschienenen Band „150 Jahre oldenburgische Kirchenverfassung“ trug wiederum Enno Konukiewitz einen Überblick zur Entstehung der Kirchenordnung von 1950 bei4. Von Reinhard Rittner stammt der entsprechende umfangreichere Abschnitt in der „Oldenburgischen Kirchengeschichte“, der – dem Handbuch-Charakter des Gesamtwerkes gemäß – einen bis in die 1960er und 1970er Jahre fortgeführten Überblick vermittelt5. Wichtige Stationen der Entwicklung in der Nachkriegszeit können aufgrund dieser Beiträge nachvollzogen werden. Eine umfassendere Arbeit aber, wie sie für einige Landeskirchen schon vorliegt6, fehlt noch immer. Beschränken sich die Aufsätze naturgemäß auf eine kurze Zeitspanne oder eine einzige, um nicht zu sagen einseitige Perspektive, versucht 1 P. ZOCHER, Neuordnung. Die – vergleichsweise wenige – sich speziell auf die oldenburgische Kirche in der Nachkriegszeit beziehende ältere Literatur, die dort bereits aufgenommen wurde, sei hier summarisch genannt: E. OSTERLOH, Oberkirchenrat (1955); W. BIELFELD, Kirchengeschichte; R. SCHMIDT, Rückblicke; G. WACHSMANN, Oldenburg; H. HARMS, Geschichte III, S. 256–261; H.-U. MINKE, Aspekte; U. SCHULZE, Wilhelm Stählin – Lehrer; K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 413f.; CHR. REENTS, Neubeginn; A. MEIER, Hermann Ehlers, bes. S. 137–191, 384–394; W.-F. MEYER, Neuanfang; K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, S. 436–444, 450–455; R. RITTNER, Neuanfang. 2 E. KONUKIEWITZ, Rezeption; S. HERMLE, Kirche, S. 309–314. Diese Arbeiten gehören chronologisch, aber auch deshalb an die erste Stelle, weil sie in o. g. Arbeit leider unerwähnt geblieben sind! 3 U. SCHULZE, Wilhelm Stählin und der Neuanfang. 4 E. KONUKIEWITZ, Neuordnung. 5 R. RITTNER, Die evangelische Kirche. 6 Vgl. K. JÜRGENSEN, Stunde; DER SCHWIERIGE WEG IN DIE NACHKRIEGSZEIT; J. THIERFELDER, Zusammenbruch; KONTINUITÄT UND NEUBEGINN; H. BLENDINGER, Aufbruch, bes. S. 24–118; NEUBEGINN NACH DER NS-HERRSCHAFT?; M. HEIN, Landeskirche Sachsens; TH. A. SEIDEL, Übergang. – Die neue übergreifende Studie von Martin Greschat (DERS., Christenheit) geht anhand der übergeordneten Themen immer wieder auch auf die einzelnen Landeskirchen ein, behandelt dabei aber die kleineren Landeskirchen wie Oldenburg nur recht kurz und z. T. fehlerhaft (vgl. zu Oldenburg z. B. EBD., S. 81f.).

Pfarrer und Oberkirchenrat in Oldenburg

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Rittner dieser Gefahr auszuweichen, indem er – für eine Arbeit dieser Art in diesem Ausmaß ungewöhnlich – reichlich nicht publiziertes Quellenmaterial verwendet. In summa merkt man den Arbeiten zu diesem Abschnitt der landeskirchlichen Geschichte immer noch vielfach an, welch tiefe Wunden vor allem die Art, wie die Auseinandersetzungen in dieser Zeit geführt wurden, hinterlassen hat. Sehr lange musste man den Eindruck haben, dass die – oft persönlich eng mit der Kirchenleitung verbundenen – Autoren es weit über jede angemessene Vorsicht im historischen Urteil hinaus um jeden Preis vermeiden wollten, „vermintes“ Gelände zu betreten7. Um das Wirken Osterlohs in seinen landeskirchlichen, aber nun zunehmend auch weiteren Hintergrund einzeichnen zu können, ist die intensive Recherche in den umfangreichen Archivbeständen von Land und Oberkirchenrat8 daher immer noch unabdingbar. Schon einige Grundlinien der Entwicklung, gerade auch zum besonders wichtigen Thema „Kirche und Schule“, mit dem sich Osterloh in dieser Zeit erstmals intensiv beschäftigte, lassen sich aus der Literatur allein nicht ableiten. Angesichts des Umstandes, dass aber auch das Archivmaterial in Teilen nicht vollständig ist und mitunter den Eindruck vermittelt, vermutlich schon sehr frühzeitig „vorsortiert“ worden zu sein9, ist der Blick in die

7 Ein Beleg für diese These ist die lange Zeitspanne, die zwischen den eher rechtfertigenden Charakter tragenden Publikationen in AUF DEM WEGE (1961/62) und von Hugo Harms (1963) und der erst in den späten 1970er Jahren wieder einsetzenden historischen Forschung liegt (vgl. oben Anm. 1). Diese Zeitspanne nur mit Archivsperrfristen persönlicher Akten u. ä. erklären zu wollen, greift sicher zu kurz, es gab und gibt genügend frei zugängliches Material. – Man beachte aber die Art, mit der etwa Rolf Schäfer noch 1987 in seiner Darstellung mit der sog. „Bischofskrise“ (vgl. unten S. 333–347) umging. Es finden sich – ohne dass die Konflikte im Oberkirchenrat zuvor auch nur angedeutet werden – zwei für sich selbst sprechende Sätze: „Bischof Stählin trat 1952 in den Ruhestand. Es sollte fast zwei Jahre dauern, bis das Bischofsamt wieder besetzt war, da die Anhänger und die Gegner Kloppenburgs, der sich inzwischen der kirchenpolitischen Linie Martin Niemöllers angeschlossen hatte, sich gegenseitig blockierten“ (R. SCHÄFER, Kirchen, S. 833). Die erste ausführlichere Darstellung des „Bischofsstreites“ verdankt sich einem Nicht-Oldenburger, sie ließ bis 1991 auf sich warten und widmete der dem Streit vorausgehenden tiefen Zerrüttung der persönlichen Beziehungen im Oberkirchenrat nur wenig Beachtung (A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 384–394). Dies gilt auch für die erste „einheimische“, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Darstellung der Vorgänge (R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 773–778). 8 Zu nennen sind, besonders zum Verhältnis von Kirche und Staat bzw. Schule, die Bestände des Niedersächsischen Staatsarchivs, Abteilung Oldenburg (NdsStA OLDENBURG), sowie das Archiv des ev.luth. Oberkirchenrats (AELOKR OLDENBURG), in dem sich – trotz der Auslagerung von Beständen in das Niedersächsische Staatsarchiv – im Wesentlichen alle von kirchlicher Seite aus relevanten Akten befinden. Hervorzuheben sind dort die „Handakten“ innerhalb des Nachlasses von Oberkirchenrat Dr. Johannes (Hans) Schmidt. Schmidt war Osterlohs Nachfolger, und ein Blick in diese Akten zeigt, dass es sich hierbei ursprünglich um die Handakten Osterlohs gehandelt haben muss, die Schmidt übernommen und weitergeführt hat. 9 Auffallend ist beispielsweise das Fehlen des Wortprotokolls der Tagung der Synode im Herbst 1949. Auf dieser Tagung übte Osterloh in einer Erklärung scharfe Kritik an Bischof Stählin (vgl. unten S. 208–215), der eine Diskussion gefolgt sein dürfte. Ein Wortprotokoll hat zumindest im Frühjahr 1950 vorgelegen, denn auf der nächsten Tagung der Synode wird in einem Bericht darauf verwiesen. Während Protokolle aller anderen Tagungen im Umfeld vorhanden sind, fehlt ausgerechnet das vom Herbst 1949. Weiter waren keine direkten Aktenhinweise auf die in den folgenden Monaten geführten

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Pfarrer und Oberkirchenrat in Oldenburg

Nachlässe der wichtigsten beteiligten Personen unverzichtbar, soweit er einem denn erlaubt wird10! Angesichts dieser trotz der Fülle an Material zum Teil etwas problematischen Quellenlage ist das Einsetzen der regen Publikationstätigkeit Osterlohs umso erfreulicher. In den Grenzen der gegenüber einer veröffentlichten eigenen Meinung gebotenen Zurückhaltung bietet sie reichlich Belegmaterial.

4.1 Die kirchliche Neuordnung in Oldenburg – Weichenstellungen 1945 Als Osterloh Ende August 1945 in Oldenburg eintraf, fand er eine Landeskirche vor, in der die wichtigsten – und im Nachhinein auch umstrittensten – Weichenstellungen für ihre Neuordnung bereits vorgenommen waren11.

4.1.1 Erste personelle Veränderungen im Oberkirchenrat Noch während des Krieges war im September 1944 Wilhelm Stählin, führender Theologe der Liturgie-Bewegung seit den 1920er Jahren und Professor für Praktische Theologie an der Universität Münster, nach Oldenburg berufen worden; formal nur als Pfarrer und beauftragt mit der Pfarrerfortbildung, gedacht aber von Beginn an als Nachfolger des verstorbenen Volkers im Amt des Bischofs12. Kloppenburg als Initiator dieser Berufung konnte mit diesem Schritt in mehrGespräche u. a. zwischen Stählin und Osterloh und im Zusammenhang mit der Einführung von Hans Schmidt zu finden, die nur aus brieflichen Äußerungen und Mitteilungen Dritter zu erschließen sind. 10 Lange Zeit gesperrt war der Nachlass Heinz Kloppenburgs auch in seinen nicht im Privatbesitz befindlichen Teilen (EZA BERLIN, 613). Im Privatbesitz sind große Teile des Stählin-Nachlasses, interessante Stücke finden sich hier aber im Landeskirchlichen Archiv Nürnberg (LKA NÜRNBERG, Pers. XVIII, Nr. 121). Private Äußerungen von Hermann Ehlers – besonders zur „Bischofskrise“ –, die dem Oberkirchenrat in Oldenburg übergeben wurden, waren der Forschung aufgrund ihres persönlichen Charakters und aus Gründen der Rücksichtnahme auf noch lebende Personen lange nicht zugänglich (vgl. A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 385), dann im AELOKR OLDENBURG nicht auffindbar (Mitteilung Reinhard Rittners vom 12. 10. 2005, der sie jüngst „nach zehnjähriger Fahndung“ wieder auffand [R. RITTNER, Personen, S. 179]). Zu Osterlohs „Nachlass“ vgl. oben, S. 22, Anm. 23. – Wichtig sind auch die frei zugänglichen Nachlässe von Hans Schmidt (vgl. oben Anm. 9) und Alfred Gramsch, der als Synodalpräsident und Widerpart zu Kloppenburg eine zentrale Rolle im „Bischofsstreit“ spielte. In seinem Nachlass (ACDP ST. AUGUSTIN, I-191) findet sich u. a. sein Briefwechsel mit Osterloh. 11 Da vom Verfasser eine Arbeit zur institutionellen Neuordnung der Landeskirche vorliegt (vgl. oben Anm. 1), soll diese Neuordnung hier lediglich skizziert werden. 12 Auch der Auftrag zur Fortbildung der Geistlichen wurde vom „Rest-Oberkirchenrat“ nach der Intervention des Reichskirchenministeriums wieder zurückgezogen, so dass Stählin diese Funktion in den folgenden sieben Monaten nur inoffiziell ausüben konnte. Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 49–54; U. SCHULZE, Wilhelm Stählin und der Neuanfang, S. 262ff.

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facher Hinsicht zufrieden sein: Er pries die erreichte Einmütigkeit der Wahl – die DC hatten auf einen eigenen Kandidaten verzichtet, an der entscheidenden Pfarrerzusammenkunft hatte auch der ehemalige Oberkirchenratspräsident Tilemann teilgenommen, ohne gegen Stählin zu intervenieren – und sah in ihr auch ein Ergebnis der Bemühungen im Rahmen des von ihm unterstützten Kirchlichen Einigungswerkes13. Daneben gelang ihm mit dieser Berufung zumindest äußerlich die angestrebte Verbindung der Traditionen von Bekennender Kirche und Liturgischer Bewegung. Kloppenburg selbst wäre zu diesem Zeitpunkt, wenn das NS-Regime seine Wahl überhaupt zugelassen hätte, mit Sicherheit nicht so einmütig gewählt worden. Dies hätte die erreichte Geschlossenheit der Landeskirche sofort wieder in Frage gestellt und den Eindruck, es ginge der Bekennenden Kirche in Wirklichkeit doch nur selbst um die Macht, dem mit der Berufung Stählins bewusst entgegengetreten werden sollte14, erneut und umso stärker in das Bewusstsein geprägt. Kloppenburg war damit also den Ratschlägen Osterlohs15 im Wortsinn gefolgt, faktisch aber nicht: Auf eine Besetzung des Bischofspostens war formal verzichtet worden, der Oberkirchenrat bestand bis kurz vor Ende des Krieges nur noch aus den beiden Juristen Franz Hartong und Dr. Georg Müller-Jürgens. Doch war mit Stählin ein Mann nach Oldenburg geholt worden, der aufgrund seiner theologischen Lebensleistung Kloppenburg die Rolle des geistigen Führers der Landeskirche gut streitig machen konnte. Osterloh dagegen hatte gehofft, Kloppenburg würde sich in der bis zum Ende des Krieges verbleibenden Zeit umso mehr als eigentlicher Bischof der Landeskirche profilieren können. Sein alternativer Vorschlag, nämlich eine von allen Seiten in Oldenburg geachtete und mit Kloppenburg eng verbundene Person wie Erich Chemnitz, Kreispfarrer und Vorsitzender des Generalpredigervereins, auf den leitenden Posten des Oberkirchenrats zu wählen, wurde insofern noch aufgegriffen, als dieser am 27. April 1945 in aller Eile „gemäß § 3 der 17. Verordnung zur Durchfüh13 „Es ist zum ersten Mal seit 1934 und doch wohl auch erstmalig innerhalb der DEK, daß eine Landeskirche wieder so völlig einmütig votiert hat.“ – „Ich habe an Herrn Landesbischof Marahrens geschrieben, daß dieses auch eine Frucht Ihres Einigungswerkes sei. Ohne Ihre vorhergehende Arbeit, hochverehrter Herr Landesbischof, wäre der Boden nicht so gelockert worden, wie er es tatsächlich inzwischen ist“ (Brief Kloppenburgs an Wurm vom 14. 9. 1944; Abdruck: P. ZOCHER, Neuordnung, S. 100f.; G. SCHÄFER, Württemberg, Bd. 6, S. 1018f.). 14 „Wir glauben, hier auch unter Beweis gestellt zu haben, daß es der BK um die Sache und nicht um Personen geht“ (EBD.). Der württembergische Oberkirchenrat Pressel schrieb am 21. 9. 1944 aufgrund dieser Ereignisse an Kloppenburg: „Das wird zur Folge haben, daß viel unsachliche und unberechtigte Kritik und Unterstellungen der BK gegenüber zum Schweigen gebracht und daß Vorurteile, Vorwände und Hemmungen auf Seiten der Mitte und anderer leichter überwunden werden können“ (ABS OLDENBURG, V.01, Bd. 2 [2]). 15 Vgl. oben S. 114.

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rung des Reichsgesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 25. Juni 1937 […] mit sofortiger Wirkung zum nebenamtlichen Mitglied des Oberkirchenrats, […], ernannt“ wurde, und es somit rechtzeitig vor der Ankunft der Besatzungstruppen wieder eine leidlich vorzeigbare Leitung der Landeskirche gab16. So war es nach dem glücklicherweise kampflosen Einmarsch zunächst der 2. kanadischen Division, der bald englische Besatzungstruppen folgten17, in Oldenburg wie auch sonst: Die neuen Herren fanden eigentlich nur eine einigermaßen intakte und noch dazu flächendeckende Organisation vor, die auf den ersten Blick unbelastet erschien – die Kirche18. Es verwundert daher kaum, dass die britische Besatzungsmacht auch in Oldenburg die Aktivitäten der Kirche nicht einschränkte, sondern förderte, ihr darüber hinaus Unabhängigkeit und den Erhalt der Privilegien aufgrund der besonderen staatskirchenrechtlichen Situation in Deutschland zusicherte19. Im Oberkirchenrat stand unmittelbar nach Kriegsende die weitere personelle Umbesetzung20 an: Bereits am 9. Mai 1945 war Stählin gebeten worden, dem ihm ursprünglich erteilten Auftrag zur Fortbildung der Pfarrer nun nachzukommen21; in der Sitzung des Oberkirchenrats vom 9. Juni, in der dem – nicht ganz freiwilligen – Rücktrittsgesuch des juristischen Mitglieds Dr. Müller-Jürgens vom 5. Juni stattgegeben wurde, war neben den verbliebenen Mitgliedern Chemnitz und Hartong auch Stählin bereits anwesend22. Ihnen und auch Kloppenburg stellte sich nun die Frage, wie der Oberkirchenrat zu der, wie man wohl meinte, allseits gewünschten personellen Zusammensetzung zu bringen war. Es muss betont werden, dass aufgrund der unsicheren Rechtslage sowohl der inzwischen von den Engländern eingesetzte Ministerpräsident Oldenburgs, Theodor Tantzen23, als auch über diesen die englische Besatzungsbehörde selbst 16 Ernennungsschreiben: AELOKR OLDENBURG, A III-7-7a, 1. Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 54f. 17 Zu den dramatischen Ereignissen der letzten Kriegstage, in denen Oldenburg noch zur Festung erklärt werden sollte, wodurch der Stadt eine Vernichtung in letzter Stunde gedroht hätte, vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 10ff.; H. FRITSCH, Zeuge, S. 14–30; F. KOCH, Oldenburg, S. 12–34; H. RABELING, Besetzung. 18 Vgl. für diese Einschätzung auch: A. M. BIRKE, Nation, S. 31f.; M. GRESCHAT, Aufbruch, S. 100; CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 59; C. VOLLNHALS, Die Evangelische Kirche, S. 115f. 19 Vgl. M. GRESCHAT, Christenheit, S. 30–35; M. J. INACKER, Transzendenz, S. 165–168; P. ZOCHER, Neuordnung, S. 28–31. 20 Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 54–57. 21 AELOKR OLDENBURG, A III-7-1a, 37f. (Aktenvermerk über die Besprechung im Oberkirchenrat, Entwurf des Schreibens an Stählin). 22 Vgl. AELOKR OLDENBURG, A III-7-8, 45. 23 Tantzen, schon von 1919–1923 Ministerpräsident des Freistaates Oldenburg, später Mitglied des Reichstages, entwickelte sich während des Dritten Reiches von einem Linksliberalen, der Kirche eher

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konsultiert wurden, und dass beide Stellen das in Aussicht genommene Verfahren guthießen24, wenn man darüber nachdenkt, ob es wirklich vernünftig war, einen guten Monat nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes den Oberkirchenrat erneut mit Hilfe der 17. Durchführungsverordnung des Gesetzes zur Sicherung der DEK vom 10. Dezember 1937 umzubilden. Im verständlichen Streben nach Rechtskontinuität nahm man hier zur formaljuristischen Absicherung ein Gesetz zu Hilfe, das wie die gesamte Kirchengesetzgebung des Dritten Reiches sicher nicht in Rechtskontinuität zu Weimar oder zum Kaiserreich gestanden hatte. Ein Gesetz eines Unrechtsregimes, dessen man sich bediente, um den ehedem deutsch-christlich besetzten und de facto nicht mehr arbeitsfähigen Landeskirchenausschuss umgehen zu können, der wiederum selbst auch erst im Zuge der nationalsozialistischen Kirchenpolitik installiert worden war25. Man trieb also gewissermaßen den Teufel mit dem Beelzebub aus, und es ist schon zu fragen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, der Vorläufigkeit dadurch Ausdruck zu verleihen, dass man auf eine im Nachhinein so zweifelhafte „rechtliche“ Absicherung verzichtet, die Behörde durch einfaches Kooptieren ergänzt und dann durch eine möglichst schnell einzuberufende Synode die formellen Voraussetzungen für eine endgültige Wahl geschaffen hätte26. Auf dieser Grundlage nun wurde der Oberkirchenrat in der Sitzung vom 14. Juni 1945 durch Stählin (Verwalter des Bischofsamtes und Vorsitzender) und Kloppenburg (hauptamtliches geistliches Mitglied) ergänzt. Chemnitz wurde nun offiziell zum nebenamtlichen geistlichen Mitglied ernannt, zog sich aber zunehmend aus den Geschäften des Oberkirchenrats zurück27.

distanziert gegenüberstehenden, zu einem dem Christentum gegenüber aufgeschlossenen Politiker. Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 35f.; THEODOR TANTZEN, S. 13, 17, 21. 24 Die Bestätigung Tantzens ist abgedruckt bei P. ZOCHER, Neuordnung, S. 56. Vgl. EBD. 25 Vgl. oben S. 38, Anm. 95. 26 Im Vorhinein wurde in Richtung auf eine rechtliche Absicherung keinerlei Druck seitens der englischen Besatzungsbehörden ausgeübt, wie es etwa – unter expliziter Bezugnahme auf das bisherige Vorgehen! – bei den Beratungen über den richtigen Weg zu einer Synode der Fall war (vgl. unten Anm. 33). Die Anfrage bei den örtlichen Vertretern der Militärregierung belegt die Zweifel im Oberkirchenrat über die weitere Geltung der angewendeten Verordnung. Dass man aber nach Kenntnisnahme des Wolfschen Gutachtens, das die 17. Durchführungsverordnung als eindeutig rechtswidrig brandmarkte, weiter mit ihr arbeitete, spricht nicht unbedingt für ein hohes rechtstheoretisches Problembewusstsein im damaligen Oberkirchenrat, dem Hermann Ehlers noch nicht angehörte (vgl. unten Anm. 30 u. 35). 27 Vgl. das entsprechende offizielle Mitteilungsschreiben an Tantzen vom 3. 7. 1945 (NdsStA OLDENBURG, 134–21, 171; Abdruck bei P. ZOCHER, Neuordnung, S. 105f.). Im Geschäftsverteilungsplan (vgl. unten Anm. 28) wurde Chemnitz, der sich wohl auch selbst nur als Übergangskandidaten sah, dementsprechend kein eigener Zuständigkeitsbereich zugewiesen.

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4.1.2 Der Weg zu einer neuen Landessynode Der nächste Schritt auf dem Weg zur Neuordnung war, neben einer provisorischen Verteilung der Geschäfte zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben des Behördenalltags28, die Einberufung einer Synode, welche die getroffenen Entscheidungen bestätigen und die weiteren notwendigen Schritte beschließen sollte. Schwierig wurde dies, weil man nicht an die alte Landessynode anknüpfen wollte und konnte, die deutschchristlich beherrscht war und sich im Wesentlichen durch Übertragung ihrer Vollmachten auf den Landeskirchenausschuss selbst entmachtet hatte29. Andererseits aber wollte man auch nicht einfach auf die Organe der BK zurückgreifen, weil dies dem Gedanken der Erneuerung und dem Willen zur Geschlossenheit zuwider gelaufen wäre. Es blieb also nur ein Weg: Die Einberufung einer neuen, außerordentlichen Synode. Die einfachste Möglichkeit, eine Urwahl, wie in der Verfassung von 1920 vorgesehen, wurde von der Militärbehörde für noch nicht durchführbar erklärt und war wohl auch im Oberkirchenrat nicht unbedingt erwünscht30. Es kam also nur eine indirekte Wahl in Betracht, eine Beschickung durch die Gemeinde- oder die Kreiskirchenräte. Erstere waren mehrheitlich noch nicht wieder funktionsfähig und zudem ehemals deutsch-christlich dominiert, worauf durch den Beschluss zur Umbildung der Gemeindekirchenräte vom 29. Juni 1945 reagiert werden sollte31. So einigte man sich darauf, die Synodalen der Landessynode aus dem Kreis der Kreissynodalen wählen zu lassen, die man, weil tiefer im kirchlichen 28 Der vorläufige Geschäftsverteilungsplan wurde am 29. 6. 1945 beschlossen; bemerkenswert ist, wie selbstverständlich Stählin, aber wohl auch alle anderen den Titel „Landesbischof“ verwendeten, obwohl Stählin vorerst nur zum Verwalter dieses Amtes ernannt worden war. Es störte anscheinend niemanden, dass ein solches Amt erst seit 1934 in der Landeskirche existierte. Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 57f. 29 Vgl. oben S. 38, Anm. 95. 30 Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 60f. – Im Oberkirchenrat hielt man eine Rechtskontinuität zum Zustand vor 1933 für nicht mehr gegeben und berief sich dabei auf ein Gutachten Erik Wolfs, eines wichtigen Rechtsberaters der Bekennenden Kirche, das dieser zur Konferenz von Treysa für Theophil Wurm angefertigt hatte (Text: TREYSA 1945, S. 181–195). Dass Wolfs Gutachten diesen Gedanken in Bezug auf die Landeskirchen differenzierte und dabei deutlich von seiner eindeutigen Haltung, was die Kontinuität DEK – EKD anbelangte, abwich, sah man nicht oder wollte es nicht sehen (vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 754, mit Anm. 21 u. 23). Ein auf der Konferenz selbst vorgestelltes Gutachten von Carl Mensing kam auch hinsichtlich des Verhältnisses von DEK und EKD zu einem anderen Ergebnis als Wolf (Text: DER KOMPROMISS VON TREYSA, S. 296–308). 31 Durch diesen Beschluss sollten die der NSDAP nahestehenden Mitglieder dieser Gremien ausgesondert werden. Die Gemeindekirchenräte hatten sich – übrigens auch in Anlehnung an die 17. Durchführungsverordnung zum Sicherungsgesetz von 1937 – bis zur in der Verfassung von 1920 vorgesehenen Zahl zu vergrößern und sollten dabei darauf achten, dass nur solche Kirchenräte gewählt würden, welche die nötigen und in der Verfassung angegebenen Qualifikationen erfüllten. Vgl. die Erläuterung des Oberkirchenrats zu diesem Beschluß vom September 1945 (AELOKR OLDENBURG, Rundschreiben 1945, 76; Abdruck: P. ZOCHER, Neuordnung, S. 114ff.).

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Leben verwurzelt, für berechenbarer in ihrem Willen zu einer kirchlichen Neuordnung hielt32. Dem dringenden Wunsch der Besatzungsbehörde, die auch von ihr angesichts erster Zweifel an der Rechtsgrundlage des bisherigen Vorgehens für notwendig erachtete Einberufung einer Synode in Einklang mit einem Kirchengesetz der Vergangenheit zu bringen33, konnte entsprochen werden: In der Verfassung von 1853 war eine Wahl wie die jetzt angestrebte, indirekt durch die Kreissynoden, vorgesehen34. Trotz der schon bestehenden Bedenken nahm der Oberkirchenrat auch bei der Einberufung der Synode noch Bezug auf die 17. Durchführungsverordnung35. Am 5. September genehmigte die Militärregierung offiziell die so vorbereitete Synode, am 21. September wurde die Verordnung über die Wahl der Synode und die Umbildung der Gemeindekirchenräte veröffentlicht36. Laut dieser Verordnung sollte die Synode folgende Aufgaben erfüllen: „a) die Neuordnung des Kirchenregiments b) die Überprüfung der kirchlichen Verfassung vom 12.11.1920 c) die Überprüfung der seit 1933 ergangenen kirchlichen Verordnungen und kirchlichen Gesetze d) Vorbereitung und Beratung von Gesetzen zur Ordnung des kirchlichen Lebens.“37

Osterloh, am Tage der Veröffentlichung dieser Verordnung noch keine vier Wochen wieder zu Hause und bisher am Geschehen weitgehend unbeteiligt, konnte mit dem Verlauf der Neuordnung bis dahin kaum zufrieden sein – und nach späteren, allerdings nicht unvoreingenommenen Äußerungen Dritter war er es

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Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 61; A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 141. Zwei belastete Pfarrer, gegen die der Oberkirchenrat vorgegangen war, hatten sich bei der Militärregierung darüber mit dem Hinweis darauf beschwert, der Oberkirchenrat sei aufgrund von NaziGesetzen und deshalb illegal zustande gekommen. Die zuständigen Besatzungsbehörden hatten sich dieser Auffassung zunächst angeschlossen und ihre eigene Rechtsauskunft vom Juni für falsch erklärt. Aufgrund dessen fand am 29. 7. 1945 eine kontroverse Besprechung Kloppenburgs mit Vertretern der Militärregierung statt, in der diese Kloppenburg letztlich versicherten, die Militärregierung würde aufgrund der komplizierten Lage die erfolgten Ernennungen der Oberkirchenräte bis zum Zusammentritt einer Synode absichern (Bericht Kloppenburgs vom 30. 7. 1945 über ein Gespräch mit Vertretern der Militärregierung [AELOKR OLDENBURG, A III-7–1a, Handakte „Mil.-Reg.“; Abdruck: P. ZOCHER, Neuordnung, S. 110–114]). 34 Vgl. R. SCHÄFER, Kirchenverfassungsgesetz, S. 15–18. 35 Dass gerade auch diese Durchführungsverordnung mit vielen anderen Gesetzen in dem Gutachten Erik Wolfs, auf das man sich zu anderen Zwecken gerne berief (vgl. oben Anm. 30), als eindeutig rechtswidrig und nicht mehr in Geltung stehend charakterisiert worden war (vgl. TREYSA 1945, S. 184f.), schien hier nicht weiter zu stören. 36 Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 63. Die Verordnung (AELOKR OLDENBURG, Rundschreiben 1945, 94) ist abgedruckt in: EBD., S. 116ff. 37 EBD., S. 117. 33

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auch nicht38. Das so hoch gehaltene Gemeindeprinzip, der Neuaufbau einer bekenntnisorientierten Kirche von unten her, den auch Kloppenburg eigentlich angestrebt hatte, war aufgegeben worden zugunsten einer obrigkeitlich anmutenden, auf zweifelhafte, nationalsozialistische oder längst überholte Gesetze gegründeten Neuordnung durch die oberste Kirchenbehörde, die – sicher mit bestem Gewissen der Beteiligten – jeden „störenden“ oder unpassenden Einfluss auszuschalten bestrebt war. Natürlich gab es je und je objektive Faktoren, die damals vielleicht sogar übermächtig erschienen. Aber der Kern des Problems war hausgemacht: Man hatte für die ersten und (zu) viele weitere Schritte der Neuordnung eine zweifelhafte Rechtsgrundlage gewählt. Der eigene Drang, die Neuordnung so rasch wie möglich fortzusetzen und zu Ende zu bringen, führte dann, als Zweifel an dieser Grundlage laut wurden, in eine derartige zeitliche Bedrängnis, dass es unmöglich erschien, abzuwarten, bis eine ordentliche neue Synode einberufen werden konnte39. Böswillige Zeitgenossen (und die gab es reichlich, wie sich bald zeigen sollte) konnten unterstellen, dies alles sei von vornherein mit der Absicht geschehen, „putschartig“ die „Macht“ zu übernehmen, um sich dann mit allerlei Tricks eine genehme Synode wählen zu lassen, die alles absegnet. Aber auch dem neutralen Beobachter drängt sich die Frage auf, ob hier nicht von Kräften, denen der Verlauf des Kirchenkampfes „recht“ gegeben zu haben schien, allzu sehr darauf vertraut wurde, sie wüssten schon, was das Beste für die Kirche wäre, und deshalb seien Fragen des Verfahrens, der Legitimität und der Mitbestimmung der Gemeinden zweitrangig. Denn an der ganzen Verfahrensfindung war außer dem Oberkirchenrat und den Staats- und Militärbehörden eigentlich niemand beteiligt. Ein Pfarrkonvent soll laut einer aus oppositionellen Kreisen kolportierten Äußerung Kloppenburgs lediglich vor folgende Alternative gestellt worden sein: „Entweder nimmt die Pfarrerschaft den Vorschlag des Oberkirchenrats [Wahl der Synodalen durch die Kreiskirchenräte] an, oder der Oberkirchenrat verzichtet auf die Synode.“40 Zusammen 38 In einem Artikel aus dem Jahre 1951 berief sich der in heftige Auseinandersetzungen mit dem Oberkirchenrat verwickelte Carl Töpken (vgl. unten Anm. 40) bei seiner umfassenden Kritik an der Neuordnung der Landeskirche auf Osterloh, der ihm gegenüber am 16. August 1949 erklärt haben sollte: „Die Anwendung der 17. Verordnung ist die düsterste Angelegenheit in unserer Landeskirche. Ich habe zu Kloppenburg gesagt: Damit hast Du den Ast abgesägt, auf dem Du bis jetzt gesessen hast“ (C. TÖPKEN, Reformation). 39 Die schleswig-holsteinische Vorläufige Synode beispielsweise, deren Vorgeschichte viele Ähnlichkeiten aufweist (indirekte Wahlen, sehr früher Termin schon im August 1945, problematisches Anknüpfen an personelle Entscheidungen aus der Zeit des „Dritten Reiches“), hatte nicht mit ähnlichen Legitimitätsproblemen zu kämpfen, weil ihr Auftrag ein vergleichsweise begrenzter war und ihr Handeln sehr bewusst als „vorläufig“ gekennzeichnet wurde (vgl. K. JÜRGENSEN, Stunde, S. 51, 63f.). 40 Nach Darstellung Carl Töpkens, der zu den beiden vom Oberkirchenrat gemaßregelten Pfarrern gehörte, die sich daraufhin bei der Militärregierung beschwerten (vgl. oben Anm. 33), fiel diese Äußerung auf dem Pfarrerkonvent vom 22. August 1945, nachdem Töpken den vom Oberkirchenrat angestrebten

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mit der bekannten skeptischen Haltung Stählins, was innerkirchliche Demokratie anbelangte, musste eine solche Äußerung aufhorchen lassen und Unterstellungen wie der oben angedeuteten Nahrung geben. Andererseits ist zu bedenken, dass die damals Handelnden mit innerkirchlicher „Demokratie“ in den Jahren 1933/34 nun wirklich keine guten Erfahrungen gemacht hatten. Überzeugte „Demokraten“ in politischer und noch mehr in kirchlicher Hinsicht wird man unter den führenden Kirchenmännern aller Gruppierungen in jenen Tagen nur sehr, sehr wenige finden41. Dazu kam der unklare Kurs der zuständigen Stellen bei der Militärregierung, deren Rechtsauffassung sich schnell ändern konnte, die aber trotzdem mit sehr eindeutigen Interventionen ihre Vorstellungen von der Synode und den sie vorbereitenden Gesetzen durchzusetzen pflegte: So erfuhr die schwankende Haltung der Militärregierung hinsichtlich der für den Oberkirchenrat eminent wichtigen Gültigkeit der 17. Durchführungsverordnung42 keinerlei Stabilisierung, eher das Gegenteil war der Fall43. Zugleich drängten die zuständigen Stellen darauf, die noch amtierenden Mitglieder der alten Synode zu entfernen, wünschten sehr konkret Gemeindekirchenräte mit mindestens acht Mitgliedern und dachten daran, die Amtszeit der Synode auf ein Jahr beschränken zu lassen44, so dass man im Oberkirchenrat nur noch entnervt feststellen konnte: „Es bleibt abzuwarten, welche Änderungswünsche nun wieder auftauchen“.45 Kann man im Nachhinein ernsthaft verurteilen, dass Kloppenburg und Stählin als die Haupthandelnden vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der chaotischen Situation im ganzen Land allemal eher darauf bedacht waren, schnell zu einer neuen Synode mit kirchlich verantwortbarer Haltung zu kommen, als sich Gedanken über einen möglichst demokratischen und juristisch einwandfreien Ablauf des Geschehens Wahlmodus als „revolutionären Akt“ bezeichnet hatte (C. TÖPKEN, Reformation). Vgl. A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 142; P. ZOCHER, Neuordnung, S. 62. 41 Karl Barth schrieb im Juli 1945 in einem offenen Brief, dass „auch unter den besten BK-Theologen die Meisten schon vor dem Worte ‚Demokratie‘ noch immer scheuen […] wie die Kuh vor dem neuen Scheunentor“ (An die deutschen Theologen in der Kriegsgefangenschaft, 7.–8. 7. 1945, in: DERS., Offene Briefe 1945–1968, S. 62). Vgl. mit beredten Beispielen A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 233ff. Ähnlich M. GRESCHAT, Kirche, S. 104f.; H. RUDDIES, Protestantismus, bes. S. 209ff.; M. J. INACKER, Transzendenz, S. 170–173. 42 Vgl. oben Anm. 33 43 Nach der Intervention Kloppenburgs war die Militärregierung zwar wieder der Meinung, diese Verordnung sei noch in Kraft, wollte dies „aber nicht offiziell und schriftlich von sich geben“ (zit. aus einem Sitzungsbeschluss des Oberkirchenrats vom 7. 8. 1945 [AELOKR OLDENBURG, A III-37-2]); gerade eine Woche später aber drängten die Briten auf die Anwendung des Synodalgesetzes von 1853, weil sie „möglichst vermeiden“ wollten, dass „auf Grund der 17. Verordnung 1937 operiert wird“ (Bericht Kloppenburg in der Sitzung des Oberkirchenrats vom 14. 8. 1945 [EBD.]). 44 Vgl. Sitzungsbeschlüsse vom 14. 7., 24. 7. und 7. 8. 1945 (EBD.). 45 Sitzungsbeschluss vom 7. 8. 1945 (EBD.).

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zu machen? Schließlich stand man vor großen Herausforderungen, für die man einen funktionsfähigen und abgesicherten Verwaltungsapparat brauchte46, allein im Blick auf die kolossalen Aufgaben im Zusammenhang mit der riesigen Zahl der Flüchtlinge, dem sich abzeichnenden Ernährungsnotstand, der großen Wohnungsnot usw.47. Das im Entstehen begriffene Kirchliche Hilfswerk, die Seelsorge in der Gemeinde, die Stellung der Pfarrer wie der ganzen Landeskirche in den Auseinandersetzungen z. B. um die Gestalt des Religionsunterrichts an den Schulen, die aufgedrängte, aber auch gern angenommene Anwaltschaft der Kirchen für das entmündigte und ohne echte politische Vertretung existierende deutsche Volk – all dies wäre vielleicht nicht gleich zusammengebrochen, hätte aber ohne das schnelle Zustandekommen einer ordentlichen Kirchenleitung Schaden nehmen bzw. verzögert oder in seiner Wirkung vermindert werden können. Welchem Blickwinkel man auch den Vorzug geben mag, eines ist sicher: Der heimgekehrte Osterloh fand eine ungeheuer spannende Lage vor, in der er sogleich als einer der wichtigeren Akteure in Erscheinung trat: Schon am 11. September 1945, keine drei Wochen nach seiner Rückkehr, erteilte man ihm den „Auftrag der Betreuung von jungen Leuten, die sich auf das geistliche Amt vorbereiten“48. Man sah ihn bei seiner Wahl zum nebenamtlichen geistlichen Mitglied des Oberkirchenrats, wie es Heinrich Höpken später schrieb, von vornherein als „Gegenüber“ oder „Korrektur“ zum Bischof an49. Das heißt aber auch, dass die Kreise, die seine Kandidatur betrieben – und das können in Anbetracht der Verhältnisse nur bekenntniskirchliche gewesen sein –, von Beginn an Stählins Theologie keinen dominierenden Einfluss in Oldenburg zubilligen wollten.

46 Vgl. auch M. GRESCHAT, Christenheit, S. 78: „Wie konnte man hoffen, die gewaltigen Herausforderungen zu bewältigen, mit denen sich die Kirche konfrontiert sah, als eben mit der Hilfe der landeskirchlichen Institution und ihres Apparates? Angesichts der Verhältnisse in Deutschland im Frühjahr 1945 war es jedenfalls unrealistisch, mehr in Angriff zu nehmen als einige notwendige Reparaturen an dem, was die Katastrophe relativ unversehrt überstanden hatte.“ 47 Vgl. die eindringliche Schilderung EBD., S. 53–63. Für Oldenburg: P. ZOCHER, Neuordnung, S. 12–16. Einen Einblick in die verschiedensten Lebensbereiche im ersten Nachkriegsjahrzehnt bietet: OLDENBURG UM 1950. 48 Sitzungsbeschluss des Oberkirchenrats vom 11. 9. 1945 (AELOKR OLDENBURG, A III-37-2). 49 Vgl. H. HÖPKEN, Ev.-Luth. Kirche, S. 15. Osterloh jedenfalls stellte an den Beginn seines Abschiedswortes an die Synode die Vermutung, er sei in den Oberkirchenrat gewählt worden als Repräsentant jener, „die eine Bedrohung durch einfließende römisch-katholische Ideen befürchteten“ (Abdruck: Dokument Nr. 7 [ S. 576ff.]).

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4.1.3 Die außerordentliche Landessynode vom 23. bis 26. Oktober 1945 Am 23. Oktober 1946 um 11.00 Uhr eröffnete als Alterspräsident der Landwirt Mindermann aus Kirchkimmen die Synode im Gebäude der Handelskammer in Oldenburg50. Die geladenen Gäste, Col. Dillon von der Militärregierung und Ministerpräsident Tantzen als Vertreter des Staatsministeriums, sprachen ihre Grußworte zu den gewählten Mitgliedern, unter ihnen auch Osterloh51, anschließend äußerte Stählin sich unter dem prägnanten Bibelwort „Pflüget ein Neues!“ (Jer 4,3) grundsätzlich zur Zukunft der oldenburgischen Landeskirche52. Stählin warnte davor, zu großen Respekt vor Äußerlichkeiten oder Finanzfragen zu haben, und beschwor einen neuen Anfang, gerade auch – und das überrascht, wenn man an die bisher angewandten mühsamen Rechtskonstrukte denkt – im Blick auf die nicht mehr vorhandene Rechtskontinuität. Stählin warnte vor Restauration und versuchte die Synode davon zu überzeugen, dass eine große Chance darin liege, nun zwar nicht mehr unter dem Schutz, „aber auch ohne die Fessel einer ununterbrochenen Rechtstradition“ an den Neubau der Kirche gehen zu können. Dieser Neubau sollte glaubwürdig werden durch seine Ausrichtung auf die Zukunft, in Stählins Worten: „durch die Schau und die Kühnheit, mit der wir dem neuen Geschlecht unseres Volkes seine Kirche bauen“. Die ihm vorschwebende Kirche der Zukunft sollte keine Körperschaft nach politischem Vorbild, sondern ein ganzheitlicher Organismus sein. Dass dies verbunden sein sollte mit der Theologie, die Stählin vertrat, mit der Herausstellung des bischöflichen Amtes, der kirchlichen Lehre, des gemeinsamen Dienstes und der ökumenischen Verantwortung, mit der „Wiederentdeckung des Sakraments“ und der „Heimkehr zum Altar“, kann nicht verwundern.

Den Dank der Synode an den beauftragten Landesbischof und eine Bekundung ihres Vertrauens in ihn sprach Osterloh aus – wohl ein Indiz dafür, dass ihm auch hier durch sein überzeugendes Auftreten vor Publikum schnell eine Führungsrolle zugefallen war. Dann wurde in geheimer Wahl der pensionierte Bezirksamtmann Walther Ahlhorn mit 39 von 45 Stimmen zum Präsidenten der Synode gewählt53, bevor man an die Bildung und Besetzung der Ausschüsse

50 Ablauf und Wahlergebnisse sind entnommen dem „Protokoll über die Verhandlungen der außerordentlichen Landessynode“ (AELKOR OLDENBURG, A IV-45). Vgl. auch P. ZOCHER, Neuordnung, S. 64–68; U. SCHULZE, Wilhelm Stählin und der Neuanfang, S. 272–277; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 754–758. 51 Ein Verzeichnis aller 46 Abgeordneten, von denen laut Protokoll an den beiden ersten Tagen 45, am dritten Tag 44 und am letzten Tag 43 anwesend waren, findet sich in: AELOKR OLDENBURG, Rundschreiben 1945, 111. 52 Abdruck: GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil II, Nr. 1 (5. 12. 1945), S. 1–8. Hieraus auch die folgenden Zitate. – Vgl. U. SCHULZE, Wilhelm Stählin und der Neuanfang, S. 274–277, der die Rede jedoch irrtümlich auf den 25. 10. datiert. 53 Gegenkandidat war Erich Chemnitz.

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ging54, an die anschließend die zu beratenden Verfassungsänderungen, Gesetzesentwürfe und Eingaben verteilt wurden55. Den Schlusspunkt des ersten Tages der Synode bildete der Rechenschaftsbericht, den Kloppenburg über die Entwicklung der Landeskirche seit 1934 und besonders nach der Besetzung durch die Alliierten gab56. Der zweite Tag der Synode brachte bei der Wahl des Oberkirchenrats einen ersten auf Osterloh zurückgehenden Missklang inmitten der Einmütigkeit: Chemnitz hatte gerade seinen Wahlvorschlag eingebracht, nach dem Stählin als Bischof, Kloppenburg als hauptamtliches geistliches, Hermann Ehlers als hauptund Franz Hartong als nebenamtliches juristisches Mitglied gewählt bzw. bestätigt werden sollten, als Osterloh „Bedenken gegen Amt und Person des nebenamtl. juristischen Mitglieds“ äußerte57. Er sah wohl gerade die „Kontinuität“, die Hartong verkörperte58, eher mit Skepsis als mit Wohlwollen, zog seine Einwände aber nach vertraulicher Beratung zurück. Anschließend beschloss die Synode, die zur Disposition gestellte Stelle eines nebenamtlichen geistlichen Mitglieds des Oberkirchenrats doch wieder zu besetzen59. Die folgenden Wahlen zum Oberkirchenrat ergaben bei den vier vorgeschlagenen Kandidaten eindeutige Mehrheiten ohne jede Gegenstimme – alle traten aber auch ohne Gegenkandidaten

54 Osterloh wurde in den Verfassungsausschuss gewählt, dem er, wie auch der Synode überhaupt, aber nur zwei Tage angehörte (vgl. unten). 55 Hervorgehoben sei hier der Antrag Osterlohs auf Bildung eines „ständigen Ausschusses für theologische Forschung, kirchliche Unterweisung und geistliche Ausbildung“. Dem Ausschuss sollten zwei geistliche und zwei weltliche Mitglieder angehören. Unterstützt wurde sein Antrag u. a. durch die Pastoren Hinrichs, Ramsauer und Maas. Da fraglich war, ob diese beantragte „Einführung eines weiteren Organes der Landeskirche eine Abänderung der grundlegenden Bestimmungen“ (Protokoll [vgl. oben Anm. 50]) erforderte, überwies man seinen Antrag zunächst an den Verfassungsausschuss. Am nächsten Tag zog Osterloh seinen Antrag zurück, da Stählin schon vorher die Absicht gehabt hatte, eine theologische Kammer zu berufen. 56 Auszüge aus diesem Bericht scheinen bei H. HARMS, Geschichte III, S. 256–259, wiedergegeben zu sein. 57 Vgl. Protokoll (vgl. oben Anm. 50) vom zweiten Sitzungstag. 58 R. SCHÄFER, Kirchen, S. 831: „Die Kontinuität repräsentierte weiterhin das nebenamtliche rechtskundige Mitglied Franz Hartong.“ Schäfer problematisiert diese Art von „Kontinuität“ im Weiteren nicht. 59 Der Antrag auf Beibehaltung dieses Amtes wurde mit 26 zu zwölf Stimmen bei sechs Enthaltungen angenommen (vgl. Protokoll [vgl. oben Anm. 50] vom zweiten Sitzungstag). Ein direkter Zusammenhang zwischen Osterlohs Rücknahme seiner Bedenken gegen Amt und Person des nebenamtlichen juristischen Mitglieds und der entgegen dem ursprünglichen Plan erfolgten Wahl auch eines nebenamtlichen geistlichen Mitglieds des Oberkirchenrats lässt sich nicht nachweisen. Der Ablauf der Ereignisse spricht aber stark dafür. Wäre es so gewesen, hätte Osterloh durch seinen Protest gegen Hartong die Beibehaltung des Amtes, das er kurz darauf bekleiden sollte, erst selbst veranlasst. Dabei könnte ein im Taschenkalender von Kloppenburg vermerkter Besuch bei Osterloh am 16. 10. von Bedeutung sein, bei dem Gelegenheit bestanden hätte, ein Vorgehen in dieser Richtung zu koordinieren (EZA BERLIN, 613/81).

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an60. Einzig für den Posten des nebenamtlichen geistlichen Mitglieds gab es zwei Kandidaten: Kreispfarrer Johannes (Hans) Rühe aus Oldenburg und eben Edo Osterloh. Es spricht erneut für das überzeugende Auftreten Osterlohs und sein Ansehen im Kreis der Synodalen, dass er sich gegen den fast 23 Jahre älteren und hochangesehenen Rühe mit 30 zu 13 Stimmen bei zwei Enthaltungen durchsetzen konnte61. An die Wahl des Oberkirchenrats schlossen sich die Wahl eines Dienstgerichts und längere Beratungen über die tags zuvor an die Ausschüsse überwiesenen Gesetzesvorlagen und Eingaben an, die daraufhin in erster Lesung angenommen wurden. Das Protokoll gibt keinen Aufschluss darüber, vor welchem Hintergrund der Hinweis des Pfarrers Wilhelm Wilkens zu sehen ist, „daß ein von OKR und Synode zu erlassendes Wort an die Gemeinden vorbereitet werden müsse“62. Handelte es sich um eine von vornherein geplante Erklärung als Reaktion auf die, vielleicht sogar als Abgrenzung von der Stuttgarter Schulderklärung, über die einen Tag darauf Hans-Werner Jensen, ein Mitarbeiter Asmussens, vor der Synode berichten sollte? Gingen die Synodalen davon aus, dass die Oldenburger Synode in Anbetracht des erwarteten Besuches von Lordbischof George Bell ein Wort zur deutschen Schuld sprechen „muss“? In den vorbereitenden Ausschuss, der das Wort erarbeiten sollte, wurden Osterloh, Ehlers, Bürgermeister Böning (Hohenkirchen) und Oberstudienrat Dr. Alfred Gramsch gewählt63. Bevor der Sitzungstag mit der Wahl des Synodalausschusses und der Verpflichtung des Bischofs und der weiteren Oberkirchenratsmitglieder endete, widmete man sich den Berichten über Schulfragen, die von Kloppenburg (Bedeutung der Christlichen Unterweisung) und Stählin (Lehrplangestaltung) gegeben wurden64. Der dritte Sitzungstag brachte zunächst Osterlohs schnelles Ausscheiden aus der Synode, da man im Verfassungsausschuss zu der Entscheidung gekommen war, dass „ein nebenamtliches geistliches Mitglied des Oberkirchenrates nicht gleichzeitig Mitglied der Synode sein könnte“65. Wichtigster Vorgang dieses Sitzungstages aber war die zweite Lesung folgender Gesetzesentwürfe, die einstimmig angenommen wurden: 1.) Gesetzentwurf betr. Bestätigung der Verordnungen und Erlasse des OKR seit dem 14. Juni 1945; 2.) Gesetzentwurf betr. 60 Von den 45 anwesenden Synodalen erhielt Stählin 42 Stimmen (ein Synodaler gab seine Stimme irrtümlich für Osterloh ab), Kloppenburg und Ehlers 43 Stimmen, Hartong 39 Stimmen. Zur Berufung von Hermann Ehlers vgl. A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 140; P. ZOCHER, Neuordnung, S. 64f. 61 Vgl. Protokoll (vgl. oben Anm. 50) vom zweiten Sitzungstag. 62 EBD. 63 Vgl. EBD. 64 Vgl. EBD. 65 Protokoll (vgl. oben Anm. 50) vom dritten Sitzungstag.

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Die Überprüfung der kirchlichen Rechtsetzung seit 1933; 3.) Gesetzentwurf betr. Das Disziplinarrecht der Geistlichen und der Kirchenbeamten66. Zusammen mit dem am vierten Sitzungstag nach dritter Lesung angenommenen Gesetzentwurf zur vorläufigen Abgrenzung des Bischofsamtes wurden alle Entwürfe mit Datum vom 6. November 1945 als Gesetz verkündet67. Den repräsentativen Höhepunkt der Synode stellte am vierten Sitzungstag (26. Oktober) der Besuch des Lordbischofs von Chichester, George Bell, dar, der in seiner Rede seine Verbundenheit mit den Christen in Deutschland, besonders auch mit Stählin, zum Ausdruck brachte, sein Eintreten für sie und auf Nachfrage auch konkrete Hilfe zusagte68. Im Anschluss an die Rede und ihre Übersetzung sowie den von Ahlhorn zum Ausdruck gebrachten Dank der Synode trug Gramsch das von ihm, Böning, Ehlers und Osterloh erarbeitete „Wort an die Gemeinden“ vor69. Das Wort bleibt im Rahmen der damals in der Kirche üblichen Deutungsmuster für das Geschehen der vergangenen zwölf Jahre70. Die versuchte Aufrichtung eines „ewigen Reiches“ wird interpretiert als „Aufstand gegen Gott“, dessen Folgen nun vor aller Augen stünden. Anhand der Zehn Gebote wird mit einem jeweils prononciert vorangestellten „Wir“ recht konkret Schuld bekannt, etwas verklausuliert werden – und das hebt dieses Wort von der Stuttgarter Schulderklärung ab – auch die Verbrechen an den Juden als solche Schuld benannt. Nach einer Besinnung darüber, wie auch in der tiefsten Not und Verwüstung der Kirche Positives wachsen konnte, neue Besinnung darüber, „wo ihre wirklichen Grundlagen sind“, werden der begonnene Neubau der Kirche im Land, aber auch die einmütige Bischofswahl als Zeichen dafür gepriesen, dass Gott einen Weg aus der Ausweglosigkeit zeigt, die Besinnung auf ihn und seine Gebote einen Neuanfang ermöglicht. Wiederum anhand der Gebote wird der jetzt einzuschlagende Weg beschrieben. Die Beispiele reichen dabei von der Unterstützung des eben gegründeten Hilfswerks bis hin zu ethisch-moralischen Vorhaltungen über Zucht und Sitte, Denunziantentum, die Ermahnung an Eltern und Lehrer (!), „Vorbild eines christlichen Lebens“ zu sein, usw. Auch hier also das Programm der „Rechristianisierung“ gegen die zuvor herrschende Gottlosigkeit als Folge der „Säkularisierung“. Auch dieses Wort betont, dass die Schuld vor Gott größer sei als die vor den Menschen, wendet sich aber ausdrücklich gegen das Aufrechnen von Schuld: „Es hilft uns nichts, wenn wir uns darauf berufen, daß auch andere Völker Schuld tragen. Vor Gott 66 Vgl. EBD. Durch die beiden letzteren Gesetze sollten die Eingriffe des deutsch-christlichen Kirchenregiments rückgängig gemacht werden. 67 GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil 1, Bd. 13, Nr. 1 vom 14. 11. 1945, Nr. 5–8. 68 Vgl. den Bericht im Oldenburger Anzeiger vom 30. 10. 1945. Vgl. auch W. STÄHLIN, Via vitae, S. 429. Nach W.-F. MEYER, Neuanfang, S. 8f., trug Bells Einfluss zur großen Wertschätzung Stählins und der Oldenburger Kirche durch die britische Besatzungsmacht bei. 69 Vgl. Protokoll (vgl. oben Anm. 50) vom vierten Sitzungstag. Erstabdruck: GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil 1, Bd. 13, Nr. 1 vom 14. 11. 1945, Nr. 1. – Vgl. E. KONUKIEWITZ, Rezeption, bes. S. 219–243; P. ZOCHER, Neuordnung, S. 67f.; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 756ff. 70 Vgl. E. WOLGAST, Wahrnehmung, bes. S. 226–284.

Neuorientierung nach der Katastrophe

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hilft kein Vergleich mit anderen Menschen.“ Welchen Anteil am gesamten Text die einzelnen Bearbeiter hatten, wie viel also z. B. Osterloh beigesteuert hat, ist nicht zu ermitteln, da Akten, in denen die redaktionelle Arbeit des Ausschusses dokumentiert ist, im Archiv nicht auffindbar sind. Duktus und Sprache sind stark vom Katechismus geprägt, lassen sich also kaum einer Person zuordnen. Dass Osterloh „wichtige Impulse“ gegeben hat, dürfte bei einem nur vier Personen umfassenden Ausschuss, dem er als einziger voll ausgebildeter Theologe angehörte, nicht nur „auf dem Hintergrund seiner alttestamentlichen Kenntnisse“ selbstverständlich sein71.

Das „Wort an die Gemeinden“ sollte laut Anweisung des Oberkirchenrats am Buß- und Bettag oder am Totensonntag in den Gemeinden verlesen werden. Wohl im Aufgriff der scharfen Reaktionen auf die ungewollte Veröffentlichung des Stuttgarter Schuldbekenntnisses formulierte Stählin eine Einleitung72, in der er das Wort ausdrücklich von jeder politischen Intention abgrenzt: „Es redet nicht die Sprache einer politischen Kundgebung, sondern die Sprache des christlichen Gewissens“. Vielleicht auch deshalb blieb die weitere Wirkungsgeschichte des so schon vorsorglich mit einer entschärfenden Einleitung versehenen Wortes begrenzt73. Das Wort wurde von der Synode einstimmig angenommen. Bald danach endete um 11.00 Uhr die erste Landessynode nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Schlusswort ihres Präsidenten, einem Schlussgebet Stählins und dem Gesang des Lutherliedes74.

4.2 Neuorientierung nach der Katastrophe – der Auftrag, nicht die Kirche als Ausgangspunkt der Überlegungen Die erste Konsequenz, die Osterloh aus dem Geschehen der Jahre bis 1945 für sich zog, war die Entscheidung für seine Gemeinde und gegen die Wiederaufnahme einer akademischen Lehrtätigkeit. Bereits im September 1945 war er gebeten worden, in Bethel die Dozentur für das Alte Testament zu übernehmen. Osterloh lehnte ab mit Rücksicht auf seine Gemeinde und auch aus Dankbarkeit dafür, dass sie ihn zu einem Zeitpunkt zu ihrem Pastoren gewählt hatte, als 71

Zur unmittelbaren Entstehungsgeschichte des „Wortes an die Gemeinden“ vgl. E. KONUKIEWITZ, Rezeption, S. 221f., Zitat: S. 222. 72 Die Einleitung ist mit dem „Wort“ gemeinsam abgedruckt als Aufmacher der ersten Ausgabe des Gesetz- und Verordnungsblattes nach dem Krieg (vgl. oben Anm. 69). Eine Abbildung der ersten Seite findet sich bei: R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 757. 73 Vgl. E. KONUKIEWITZ, Rezeption, S. 228. 74 Vgl. Protokoll (vgl. oben Anm. 50) vom vierten Sitzungstag.

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niemand sagen konnte, ob er dieses Amt jemals wirklich würde übernehmen können75. Allerdings sagte er zu, den Bethelern für drei Wochen aus der unmittelbaren Bedrängnis auszuhelfen, denn für das Wintersemester gab es dort keinen anderen Alttestamentler76. Er übernahm im November eine Gastvorlesung zum Thema „Genesis 1–25“ und bot an, für den Notfall auch im Januar 1946 eine Vorlesung zu halten77. Während der Wochen in Bethel hielt er am 14. November 1945 einen zeitbezogenen Gastvortrag zum Thema „Die Bedeutung des Krieges für gegenwärtige und zukünftige Aufgaben der Theologie“78. Hier sprach er die Studenten u. a. darauf an, dass sie allesamt „Zöglinge“ seien, d. h. nationalsozialistisch erzogen und indoktriniert, wovon sie sich befreien müssten, um nun neu anfangen zu können79. Bei diesem neuen Anfangen möglichst vielen, insbesondere jungen Menschen zu helfen, hatte Osterloh sich zum Ziel seiner Arbeit gesetzt. 4.2.1 „Die theologische Wissenschaft und die Kirche“ Abgesehen von seinen Aufgaben im Pfarramt wollte Osterloh sich zunächst vor allem um die Ausbildung der Theologiestudenten kümmern80. So widmete er 75

Auskunft Gertrud Osterloh (Gespräch am 5./6. 2. 1996). Vgl. den Briefwechsel zwischen Robert Frick (Bethel), Kloppenburg und Osterloh von Sept./Okt. 1945 (AELOKR OLDENBURG, B XXVIII-30, 1–3) 77 „Bruder Osterloh kam für 16 Tage aus seiner Oldenburger Gemeinde zu Gastvorlesungen über Altes Testament und will nach Weihnachten erneut für etwa drei Wochen kommen“ (Brief Friedrich von Bodelschwinghs an Georg Merz und Volkmar Herntrich vom 27. 11. 1945 [HA BETHEL, Best. 2, 41–29]). Osterloh sollte für beide Aufenthalte zusammen eine Vergütung von RM 500,- erhalten, dazu freie Unterkunft sowie Erstattung der Reisekosten (vgl. Protokoll der Sitzung des Kuratoriums der Theologischen Schule Bethel vom 22. 11. 1945 [HA BETHEL, Best. 2, 41–43]). Der zweite Aufenthalt erübrigte sich jedoch, nachdem sich Mitte Januar mit Hellmuth Frey ein Dozent für Altes Testament gefunden hatte (Protokoll der Sitzung des Kuratoriums vom 18. 1. 1946 [EBD.]). Als Mitte 1948 die Wahl eines weiteren Alttestamentlers anstand, wurde an zweiter Stelle – nach Herntrich und vor Hans Walter Wolff – Osterloh vorgeschlagen, gewählt wurde jedoch Johannes Fichtner aus Greifswald (Protokoll der Sitzung des Kuratoriums vom 10. 6. 1948 [EBD.]). 78 Es handelte sich um den ersten Vortrag dieser Art in Bethel, dem in den ersten Semestern nach dem Krieg noch viele folgen sollten. Vgl. WuD.NF 1, 1948, S. 137 (Übersicht über die Vorträge im Wintersemester 1945/46); vgl. A. LINDEMANN, Schicksal, S. 48. 79 Auskunft Arnold Haumann (Dortmund), damals Student in Bethel (mir freundlicherweise mitgeteilt durch Hartmut Ludwig [Brief vom 20. 3. 1996]). Leider ist es bisher nicht gelungen, ein Skript oder eine Mitschrift dieses Vortrages ausfindig zu machen. Osterlohs Vortragsstil – nach Auskunft seiner Frau bedachte er den Inhalt sehr lange, bevor er ihn schnell im Kopf konzipierte und dann frei vortrug (Gertrud Osterloh, Brief vom 12. 5. 1996) – macht die Existenz von längeren Ausführungen aus seiner Feder als Grundlage wenig wahrscheinlich. 80 Auskunft Gertrud Osterloh (Gespräch am 5./6. 2. 1996). Im März 1946 erhielt er offiziell den Auftrag, sich um die Theologiestudenten der Landeskirche zu kümmern (GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil I, Bd. 13, Nr. 4, 6. 3. 1946, S. 37; vgl. unten S. 152). 76

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sich in den ersten Monaten nach dem Krieg weiter dem Verhältnis von Kirche und Theologie, speziell von Kirche und Universitätstheologie unter den neuen Gegebenheiten. Er hatte die Auseinandersetzung um Bultmanns Entmythologisierungsprogramm im Hinterkopf und sah auch weiter die Gefahr, dass eine starre, einzig auf Erhalt von Organisation und Tradition bedachte Kirchlichkeit unweigerlich ins gesellschaftliche Ghetto führt, während er es doch als seinen Auftrag verstand, das Evangelium zu verkünden, es zu den Menschen zu bringen und nicht vor ihnen zu verstecken. Eine Bündelung seiner diesbezüglichen Gedanken liegt in dem im Herbst 1946 an vergleichsweise prominenter Stelle veröffentlichten Aufsatz „Die theologische Wissenschaft und die Kirche“81 vor, der hier wegen seiner grundlegenden Bedeutung ausführlicher vorzustellen ist. Ausgehend von der Frage, ob die evangelische Kirche die von ihr eingerichteten eigenen Ausbildungsstätten angesichts des Neuaufbaus der evangelischtheologischen Fakultäten an den Universitäten erhalten sollte oder nicht, erörtert Osterloh zunächst, wie das Verhältnis von wissenschaftlicher Theologie und Kirche sich seit der Reformation, besonders aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte. Die Frage nach dem Verhältnis zu den theologischen Fakultäten ist für ihn die Frage nach dem Verständnis der Kirche von der theologischen Wissenschaft und ihrer Bedeutung für das kirchliche Leben. In einem zweiten Abschnitt beschreibt Osterloh die Problematik der wissenschaftlichen Theologie, die in ihrem spannungsvollen Standort zwischen Glauben und kirchlichem Leben auf der einen und den übrigen Wissenschaften auf der anderen Seite begründet ist. Getrennt von den übrigen Wissenschaften sieht er sie dadurch, dass ihre Kontrolle, ein Überprüfen ihres sachgemäßen Umganges mit ihrem Gegenstand nur vom Raum der Kirche aus, nicht aber vom Unglauben aus erfolgen kann. Andererseits liegt in der wissenschaftlichen Theologie nach Osterloh das Fundament des Glaubens begründet, der sie dann immer wieder neu hervorruft: Wort und Sakrament, welche den Glauben wecken sollen, können auf Dauer nur dann recht verkündet und verwaltet werden, wenn sie immer wieder neu wissenschaftlich-theologisch erarbeitet werden. Deutlich tritt auch hier Osterlohs theologischer Ansatz hervor: „Es gibt keinen Glauben, bei dem die Einsicht in der Weise geopfert werden könnte, daß der Mensche kraft seiner Vernunft etwas als falsch beurteilt und im gleichen Akt ‚im Glauben‘ ‚für wahr hält‘“ (S. 65).

Die christliche Kirche muss also „Raum schaffen für die Arbeit wissenschaftlicher Theologie“ (S. 69). Im Anschluss daran erläutert Osterloh, dass die wis81 Erschienen im zweiten Heft der wiederbegründeten „Evangelischen Theologie“: EvTh 6, 1946/47, S. 57–82 (hierauf beziehen sich die folgenden, in den Text eingefügten Belegstellen).

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senschaftliche Theologie notwendig einen Platz „in der Gemeinschaft der Wissenschaften“ erhalten muss, solange „anerkannt wird, daß die christliche Kirche und damit der christliche Glaube ein Faktum in dieser zu durchforschenden Welt darstellt“ (S. 70). Dies aber sieht Osterloh nicht als selbstverständlich an: „Lebensrecht wird der theologischen Fakultät zugesprochen, solange das Dasein der Kirche aus irgendwelchen Gründen noch als zweckvoll erscheint. Gewöhnlich rechnet man mit einem langsamen, aber sich in den letzten Jahrzehnten sichtbar beschleunigenden Prozeß des Absterbens“ (S. 72).

Und, ein Beleg dafür, dass Osterloh der Illusion einer möglichen „Rechristianisierung“ Deutschlands als Allheilmittel gegen alle vermeintlichen Irrwege seit der Aufklärung persönlich nicht erlegen sein dürfte: „Für den tiefer Blickenden hat sich dieser Vorgang durch die Ereignisse des Jahres 1945 im deutschen Bereich zwar verzögert, aber im wesentlichen nicht geändert“ (S. 72)82. Trotzdem kommt Osterloh mit einer über den konkreten Fall hinaus bemerkenswerten Begründung zu der Ansicht, dass die Kirche an den theologischen Fakultäten festhalten muss: „Es ist das Kennzeichen der geistigen Situation des Abendlandes in der Gegenwart, daß die echten Entscheidungen noch auf des Messers Schneide stehen. Die Universitäten ringen noch um ihre geistige Grundlage und um das ihr entsprechende und sie in Zukunft beherrschende Lebensgesetz. Aber es ist wahrscheinlich, daß wir in einer vor ihrem Abschluß stehenden Übergangszeit leben, in der die Festlegungen für die kommenden Generationen erfolgen. Darum darf die evangelische Kirche sich nicht damit begnügen, die innere Entwicklung der Universitäten mit sorgfältiger Aufmerksamkeit zu verfolgen, sie muß vielmehr mitverantwortlich daran teilnehmen“ (S. 73). „Solange die Universität von sich aus Leben und Arbeit einer theologischen Fakultät in ihrem Raum zuläßt, ist die Kirche um ihres Auftrages willen verpflichtet, an der Arbeit dieser theologischen Fakultäten in dem ihr gebotenen Sinne teilzunehmen“ (S. 74).83

Osterloh beschwört dabei die Notwendigkeit der steten Kontrolle durch Kirchenleitung und Theologieprofessoren, ob die Existenz solcher Fakultäten noch dem „Leben des Glaubens“ diene oder nicht. Er vergleicht dies mit dem Wächteramt, das der Kirche gegenüber der Welt aufgetragen sei. Dabei erinnert er an die

82

Zu konstatieren ist, dass Osterloh trotzdem zur gleichen Zeit (vgl. unten S. 142–147) mit Überzeugung um Mitarbeit beim Aufbau einer Demokratie warb. Das Fazit Inackers, die evangelische Kirche habe die Entwicklung der Demokratie vor allem deshalb so aktiv gefördert, weil sie die für sie negativen Folgen einer religiös neutralen und pluralistischen Demokratie unterschätzt und die Stärke ihrer eigenen Position im Gefühl einer nach 1945 einsetzenden Rechristianisierung überschätzt habe (vgl. DERS., Transzendenz, S. 244ff.), erweist sich in diesem Fall als nicht zutreffend. 83 Im Original keine Hervorhebungen.

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Symptome der Krise der Universität schon vor 1933, warnt davor, allzu schnell und unüberlegt an diese Zeit anzuknüpfen, und stellt klar, „daß die Rückgabe ihrer früheren Position an die Theologie wenig mehr als ein äußerlicher Akt“ sei (S. 74). Das Verbleiben der Fakultäten, „das ja lediglich eine Fortsetzung bisheriger Tradition“ bedeute, muss daher in seinen möglichen Auswirkungen abgewogen werden mit einer „Loslösung der Theologie aus ihrer bisherigen Verbundenheit mit den übrigen Wissenschaften, durch die ja ein neuer Tatbestand geschaffen würde“ (S. 74). In einer zusammenfassend wiederholenden Erläuterung der notwendigen Nähe und inneren Verbundenheit von Kirche und wissenschaftlicher Theologie stehen einige Sätze, die noch einmal aufzeigen, wie weit Osterloh innerlich von der auf Festigung der Strukturen angelegten kirchenpolitischen Praxis der Mehrheit der evangelischen, besonders der lutherischen Kirchenführer und sicher auch seiner Kollegen im Oberkirchenrat entfernt war84: „Die christliche Kirche lebt nicht durch unbeirrbares Festhalten an überkommenen Institutionen und Traditionen, sondern nur durch die von jeder Generation und in jedem Zeitalter neu zu vollziehende, verantwortliche Aneignung dessen, was Gott ihr gegeben hat. Dazu aber bedarf es einer wissenschaftlich kritisch arbeitenden Theologie, die in der alleinigen Bindung an ihren Ursprung in der Tat Gottes die Freiheit hat, jede gewachsene und sich gegenwärtig breitmachende Form und Äußerung des kirchlichen Lebens von seinen Wurzeln her in Frage zu stellen.“ […] Die Kirche bleibt, „auch und gerade als Bau, in dem die Menschen Zuflucht finden, in der Unzuverlässigkeit und Unbeständigkeit ihrer Welt das Instrument in der Hand Gottes, durch das er sich der ganzen Welt in Erinnerung bringt. Die Kirche ist damit menschlicher Planung, menschlicher Machtpolitik, psychologisch-pädagogischer Ausnutzung und politischer Auswertung, aber auch jeder kirchenpolitischen oder hierarchischen Verfestigung und Selbstsicherung entzogen. Sie ist als Kirche ganz und gar auf das Gebrauchtwerden von Gott in der Welt angewiesen“ (S. 76).

Zum Schluss dieses Abschnittes kommt Osterloh auf die als notwendige Konsequenz aus der Situation durchaus mögliche Einrichtung eigener Ausbildungsstätten zu sprechen, als Ansätze dazu bezeichnet er die Kirchlichen Hochschulen. 84 Man wird sicher die völlig unterschiedliche Kriegserfahrung berücksichtigen müssen: Während Osterloh über Monate und Jahre hinweg das Fehlen jeder Sicherheit bietenden Zuflucht erleben musste und schon seit spätestens 1935 nicht mehr den z. B. rechtlichen Schutz bietenden Rahmen einer verfassten Landeskirche um sich hatte, hatte die Mehrheit der Kirchenführer und letztlich auch bruderrätlich orientierte Theologen wie Kloppenburg sicher mit guten Gründen genau auf den Erhalt dieser Strukturen gesetzt, um aus dieser – vielfach nur scheinbaren – Sicherheit heraus Angriffe auf den christlichen Glauben abwehren zu können. Anhand der unterschiedlichen Auffassungen im Rat der EKD stellt ähnliche Überlegungen an G. BESIER, In der Kirche neu anfangen, S. 45.

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Er geht auf die Kritik an ihnen ein, die ihm zwei „in der Zukunft zu behebende Mängel“ aufdeckt: Erstens dürfe das wissenschaftliche Niveau solcher Einrichtungen keinesfalls unter der Ferne zur Universität leiden, zweitens dürfe die „Universitas litterarum“ der Bildung, der Zusammenhang des einen Faches mit allen anderen Wissenschaften nicht verstellt werden durch die Verengung auf ein begrenztes Gebiet (S. 77f.)85. Um beidem zu entgehen rät er zur Erweiterung der kirchlichen Ausbildungsstätten durch Angliederung „freie[r] Akademien christlicher Wissenschaftler aller Disziplinen“, die das notwendige Gespräch zwischen Theologen, Juristen, Historikern, Medizinern und allen anderen Wissenschaftlern ermöglichen sollen (S. 79). Zuletzt geht Osterloh darauf ein, dass das Theologiestudium „weitgehend nicht mehr als ausreichende Berufsvorbereitung anerkannt wird“ (S. 79) und allenthalben der Ruf nach Zusatzstudien und praktischen Ausbildungsabschnitten ertönt. Osterloh setzt dagegen die notwendige Verwurzelung des Theologiestudiums „in einem mit dem Leben christlicher Gemeinde verbundenen Dasein“. Wissenschaftliche Theologie dürfe nicht als notwendig nur für das Examen angesehen werden, sie müsse als „das Feld der Entscheidung […], auf dem die Schlacht zwischen Glaube und Unglaube unter Einsatz der Existenz des Theologen geschlagen wird“, anerkannt werden. Nach Osterloh entlässt sie niemanden „mit der Ablegung eines Examens, sondern beansprucht ihn sein Leben lang“ (S. 81).

4.2.2 „Ein Wort zur Lage unseres Volkes“ Im Oberkirchenrat beschäftigte man sich recht früh und ausführlich damit, in welcher Weise sich Kirche und Pfarrer gegenüber den neu entstehenden politischen Parteien zu verhalten hätten, deren (Wieder-) Gründung in der britischen Zone bereits am 15. September 1945 erlaubt worden war86. Noch vor dem Eintritt Osterlohs in den Oberkirchenrat hatte Stählin in einem Rundschreiben an alle Pfarrer die Verantwortung der Kirche für das Wohl des ganzen Volkes betont87. Weil eine einseitige politische Stellungnahme den auferlegten Dienst an allen Gemeindegliedern gefährde, und weil die Pfarrer ihrer Pflicht 85

Zu diesen schon zur Gründung der Kirchlichen Hochschulen aufgekommenen Vorwürfen vgl. oben S. 56f. 86 Verordnung Nr. 12 der Militärregierung zur Bildung von politischen Parteien (DOKUMENTE ZUR PARTEIPOLITISCHEN ENTWICKLUNG, Bd. 1, S. 109–112; Abb. eines Originalplakates: K. WASMUND, Plakate, S. 47). Vgl. A. M. BIRKE, Nation, S. 97f. 87 Ev.-luth. Oberkirchenrat an sämtliche Herrn Pfarrer, 1. 10. 1945 (AELOKR OLDENBURG, Rundschreiben 1945, 101).

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dem Gemeinwesen gegenüber am besten nachkämen, wenn sie sich ganz auf ihren kirchlichen Dienst konzentrierten – ohne dabei in eine falsche Innerlichkeit abzugleiten –, riet Stählin von einem parteipolitischen Engagement der Pfarrer, erst recht von einem Eintritt in eine Partei ab88. Dieser Linie blieb der Oberkirchenrat zunächst treu. Hermann Ehlers stellte in einem seiner ersten „Sonntagsspiegel“89 im Mai 1946 kategorisch fest: „Darum hat die Oldenburgische Kirche ihren Pfarrern Weisung gegeben, daß keiner von ihnen in eine politische Partei eintritt. Dieser Grundsatz wird niemals durchbrochen werden.“90 Osterloh selbst hielt schon im März 1946 im Rahmen einer Kirchlichen Woche in Delmenhorst einen Vortrag zum Thema „Politik und Kirche“91. Im August 1946 hatte sich die soziale, wirtschaftliche und politische Gesamtlage weiter verschlechtert: Demontagen, der Strom der Flüchtlinge und die damit unmittelbar zusammenhängende Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und der weitverbreitete Hunger der Bevölkerung hatten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes noch weiter abgesenkt und das schon 1945 kaum vorhandene Interesse an der politischen Ausgestaltung der Zukunft nicht eben befördert92. So sah sich der Oberkirchenrat genötigt, erneut als „Anwalt“ der deutschen Bevölkerung in doppelter Hinsicht Stellung zu beziehen: als Appell an die Bevölkerung, sich zu engagieren, und als Appell an die „Verantwortlichen im Staatsleben und alle politischen Parteien“, die Bewältigung der größten Nöte voranzutreiben. Das „Wort zur Lage unseres Volkes“93 bringt zuvorderst die Ansicht der Unterzeichner zum Ausdruck, es sei die „Pflicht eines jeden Christen, sich am politischen Leben verantwortlich zu beteiligen“. Eine Präferenz für eine einzelne Partei wird abgelehnt, so wie „die Kirche ihre Glieder nicht an eine einzelne Partei weisen kann, so kann sie auch keiner einzelnen Partei das Recht zuerkennen, 88

EBD. Der „Sonntagsspiegel“ war eine regelmäßige, sehr häufig von Ehlers verfasste Kolumne im „Oldenburger Sonntagsblatt“, das seit Frühjahr 1946 erschien und von Heinz Kloppenburg herausgegeben wurde. Vgl. H. EHLERS, Gedanken zur Zeit, S. 205. 90 OlSbl., Nr. 5, 5. 5. 1946. 91 Vgl. die Rubrik: „Aus den Oldenburger Gemeinden“, in: OlSbl. Jg. 1, Nr. 1, Ausgabe Judica/Palmarum 1946. Leider konnten weder eine schriftliche Ausarbeitung dieses Vortrages noch ein Bericht über ihn ermittelt werden. 92 Nach einem Bericht des US-Geheimdienstes hatten im August 1945 90% der Befragten „politische Müdigkeit“ gezeigt (vgl. CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 373). Als Hauptsorgen bezeichneten im Spätsommer 1946 jeweils mehr als 30% der Befragten die Sorge um Nahrung sowie Kleidung und Schuhe, so das Ergebnis einer OMGUS-Umfrage (EBD., 376). Die allgemeine wirtschaftliche Situation verschlechterte sich 1947 sogar noch weiter, bevor es ab 1948/49 zu spürbaren Verbesserungen kam (vgl. EBD., S. 46–53; A. M. BIRKE, Nation, S. 126–133). 93 Abdruck: OlSbl., Jg. 1, Nr. 20 vom 18. 8. 1946 (hieraus auch die folgenden Zitate). Ein ansonsten mit dem Abdruck identisches Flugblatt-Exemplar (AELOKR OLDENBURG, A LVI-126) ist datiert: „Oldenburg (Oldb.), den 7. August 1946“. Diese Angabe fehlt im Abdruck. 89

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die Stimmen aller Christen zu fordern.“ Jedoch wird als Entscheidungsgrundlage empfohlen zu prüfen, ob Zielsetzung und Methoden einer Partei es dem Christen erlauben, in ihr Christ zu bleiben, eingedenk dessen, dass es kein Auseinanderfallen des Lebens in einen christlich-kirchlichen und einen politisch-wirtschaftlichen Bereich geben dürfe. Schon damals konnte der erste Punkt nur als Absage an den „Alleinvertretungsanspruch“ der christlich-demokratischen Parteigründungen94 verstanden werden, während der zweite Punkt es nahe legte, das Programm einer Partei, die sich dezidiert auf den Boden der christlichen Religion und ihrer Werte und Moralvorstellungen stellte, besonders wohlwollend zu prüfen95. Eine Ambivalenz, die bestehen bleiben musste, solange die sich wieder gründende SPD nicht auf sozialistische und kirchenfeindliche Relikte in ihrem Programm verzichtete. Im Anschluss dann die Mahnung an diejenigen Christen, die sich in einer Partei engagieren wollten, dies zwar ruhig nach den persönlichen, „weltlichen“ Erfordernissen und Präferenzen zu tun, dabei aber nicht die rechten Maßstäbe zu vergessen, die Partei nicht über Christus zu stellen: „Niemals darf die Zugehörigkeit zu verschiedenen Parteien die Gemeinschaft der Christen zerbrechen.“ Eine zentrale Einsicht, die Osterlohs Stil später auch in der politischen Laufbahn prägte und ihm in seiner Partei nicht nur Unterstützung eintrug. Zuletzt wurde die Weisung an die Pfarrer wiederholt, um ihres der ganzen Gemeinde geltenden Auftrages willen keiner Partei beizutreten. Insgesamt liefert dieser erste Teil des „Wortes“ mit seinen Ermahnungen zur Mitarbeit und Übernahme von Verantwortung in welcher Partei auch immer einen Beleg, dass die parla94 Seit Sommer 1945 hatten sich dezentral bürgerliche Sammlungsbewegungen gegründet mit dem Ziel, die christlichen Kräfte beider großen Konfessionen in einer „Union“ zusammenzufassen, um es nicht wieder zum Erfolg konfessionell einseitig ausgerichteter Parteien und damit zur Schwächung des bürgerlichen Lagers kommen zu lassen. Bestimmende Schwerpunkte dieser Gründungen waren zunächst Berlin um Andreas Hermes und Jakob Kaiser und das Rheinland um Konrad Adenauer, der sich schnell zur beherrschenden Figur entwickelte. Schon lange vor ihrer eigentlichen Gründung als Bundespartei wurde die „Union“ als einheitliche Größe wahrgenommen. Vgl. unten S. 484f. 95 Gleichwohl hat die „Empfehlung“ hier nicht annähernd die Deutlichkeit wie im „Wort zur Verantwortung der Kirche für das öffentliche Leben“, das in Treysa diskutiert worden war und später durch Hans Asmussen über die Kanzlei der EKD den Landeskirchen und Bruderräten mitgeteilt wurde. Dieser Text sprach davon, dass die „Bemühungen katholischer [!] Prälaten und Laienkreise, ein Wiederaufleben der ehemaligen Zentrumspartei zu verhindern und statt dessen ein politisches Zusammengehen beider Konfessionen auf dem Boden christlicher Union zu ermöglichen“, Unterstützung verdienten (Abdrucke: TREYSA 1945, S. 102ff.; DER KOMPROMISS VON TREYSA, S. 325–328). Die deutliche abgeschwächte Formulierung des Oldenburger „Wortes“ könnte damit zusammenhängen, dass sich die örtliche CDU damals als nahezu ausschließlich katholische Partei präsentierte: Bei den Kommunalwahlen des Septembers 1945 gewann sie in den südoldenburgischen, überwiegend katholischen Kreisen Cloppenburg und Vechta 95 bzw. 90% der Stimmen, in den mehrheitlich evangelischen Kreisen Ammerland und Wesermarsch dagegen nur 29 bzw. 9%, im fast rein evangelischen Friesland sogar nur 3% (vgl. W. BECKER, CDU und CSU, S. 132–150; M. Greschat, Christenheit, S. 223f.).

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mentarische Demokratie als Staatsform der Zukunft im Oberkirchenrat schon zu diesem frühen Zeitpunkt akzeptiert und offiziell nicht mehr in Frage gestellt wurde. Im zweiten Teil wendet sich das „Wort“ an die Machthabenden, zur Lösung der konkreten Probleme beizutragen. Die Unterzeichner berufen sich auf die „Liebe zum Nächsten“ und „die Verantwortung für unser Volk und die Welt“, also auf die aus dem an die Kirche ergangenen Auftrag Gottes gefolgerte Notwendigkeit, durch eigene Stellungnahmen Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen sowie ein „Wächteramt“96 in der und für die Welt auszuüben. Konkret erhob man folgende Forderungen: eine gerechte und gesetzlich geregelte Umverteilung zwischen Besitzenden und Heimatlosen zur Linderung der Not und Verzweiflung der Vertriebenen, da das auf Freiwilligkeit basierende Verfahren nicht ausreiche (ein Anklang an das viel später beschlossene Lastenausgleichsgesetz); eine gesetzliche Regelung zur gerechten Verteilung des vorhandenen Wohnraumes, zu der auch die Besatzungsbehörden durch Selbstbeschränkung beizutragen hätten; ein zweckmäßiges Einsetzen der Umgesiedelten in ihren erlernten Berufen, besonders in Bezug auf die Bauern, damit das Land besser bewirtschaftet werde könne (die dazu nötige Bodenreform sollte „geltendes Eigentumsrecht“ und „soziale und ernährungspolitische Notwendigkeiten“ aufeinander abstimmen); eine bessere Lebensmittelversorgung, an der sich niemand bereichern dürfe, zur Abwehr von Verzweiflung und umstürzlerischer Propaganda; die Stärkung der „inneren Moral unseres Volkes“ durch eine Währungsreform und ein gerechtes Verfahren bei der Be- und Verurteilung politisch Belasteter im Zuge der Entnazifizierung, bei dem sie „zur Rechenschaft gezogen, aber nicht in Ausweglosigkeit und Verzweiflung getrieben werden.“ Alles in allem ein den damaligen Umständen entsprechender, eher gemäßigter und „vernünftiger“ Forderungskatalog, dessen sofortige Realisierung natürlich nicht zu erwarten war und wohl auch nicht erwartet wurde. Im Blick auf die Entnazifizierung wird zwar im Trend der damaligen kirchlichen Verlautbarungen davor gewarnt, dass der „jetzige Zustand“ die „Gefahr des Nihilismus“ heraufbeschwöre, „der nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt bedroht“, aber es erfolgt keine, auch keine indirekte Gleichsetzung von Entnazifizierung und NS96 Nach den Erfahrungen des Dritten Reiches war die Ausdehnung des traditionellen, prophetischen „Wächteramtes“ (vgl. Ez. 33 und 34!) der Kirche auf den Bereich der Politik üblich geworden (vgl. E. WOLF, Art. „Bekennende Kirche“, Sp. 988; W. SCHWEITZER, Art. „Sozialethik“, Sp. 165). Neben Osterloh selbst (DERS., Wissenschaft [1946], S. 73; vgl. oben S. 140f.) hatte auch Hermann Ehlers diesen Terminus schon verwendet: „Die Kirche hat niemals ein politisches Tagesprogramm zu vertreten, aber sie hat die Herrschaft Gottes über alle Menschen, auch soweit sie im Raum der Politik wandeln, zu verkünden. Und dieser Herrschaft Gottes unterstehen auch Staaten und Völker. Die Kirche hat hier als Hüterin des Gesetzes Gottes ein Wächteramt“ (OlSbl., Jg. 1, Nr. 5, 5. 5. 1946).

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Willkürherrschaft, und das prinzipielle Recht zur Entnazifizierung wird nicht in Frage gestellt97. Es ist davon auszugehen, dass sich in diesen Forderungen die politische Haltung Osterlohs spiegelt, auch wenn die drei Mitverfasser an der Entstehung des Textes sicher nicht weniger maßgeblich beteiligt waren. Jedenfalls gibt es aus den Jahren seiner Tätigkeit in Oldenburg kein Zeugnis, das den besonders im ersten Teil entwickelten Grundgedanken entgegenliefe, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: – Notwendigkeit der Beteiligung an den politischen Prozessen, und zwar aus Verantwortung gegenüber dem Nächsten und dem Gemeinwesen, der die Kirche und die einzelnen Christen nur gerecht werden können, wenn sie an den entscheidenden Prozessen beteiligt sind und dabei auch ihr „Wächteramt“ ausüben; – Abweisung eines Absolutheitsanspruchs einer Partei in jeder Hinsicht, die Entscheidung für eine Partei folgt immer innerweltlichen Zweckmäßigkeiten und Interessen und darf nicht aus einer religiösen Grundlage heraus zwingend gefordert werden; gleichfalls dürfen die Interessen einer Partei niemals über die Verbundenheit in der Gemeinschaft der christlichen Kirche gestellt werden; – Absage an die radikale Trennung von christlich-kirchlichem und politischwirtschaftlichem Bereich des Lebens; in beiden hat sich der Christ als Christ zu entscheiden, und zwar dergestalt, dass die Entscheidungen im politischwirtschaftlichem Bereich zwar aus politischen und wirtschaftlichen Gründen zu erfolgen haben sollten, aber dabei nicht mit den Grundwerten des christlichen Glaubens in Konflikt geraten dürfen; man könnte dahinter die Modifizierung einer strikten Zwei-Regimenter-Lehre durch Elemente aus der Lehre von der Königsherrschaft Christi über alle Bereiche des Lebens sehen; – Ablehnung eines politischen Engagements kirchlicher Amtsträger. 97 Die Kritik auch an diesem Wort wegen der Verwendung der Begriffe „Ausweglosigkeit“ und „Verzweiflung“ (vgl. M. GRESCHAT, Christenheit, S. 235) erscheint mir nicht angemessen. In der Rückschau mag die Entnazifizierung in Oldenburg sicher als eher vorsichtig, wenig konsequent und in ihren Folgen kaum spürbar erscheinen. Für den Einzelnen jedoch, der von der zunächst äußerst pauschalen Durchführung betroffen war und deshalb oft wegen bloßer Mitgliedschaft in einer NS-Vereinigung Lohn und Brot verlor, war die Situation im Jahre 1946 viel ernster. Schließlich ahnte damals niemand, wie schnell die rigiden Ausführungsbestimmungen über Bord geworfen werden konnten, als sie in der beginnenden Konfrontation zwischen Ost und West nicht mehr opportun erschienen. Deshalb und im Vergleich mit dem Wort der außerordentlichen Landessynode vom 13. 2. 1947, das von einem „unblutigen Bürgerkrieg“ sprach, erscheint die hier geäußerte Kritik geradezu sachlich. Das generelle Nicht-Infragestellen des Rechtes zur Entnazifizierung seitens der oldenburgischen Kirche hebt hervor C. VOLLNHALS, Entnazifizierung, S. 98. Zur Haltung der oldenburgischen Landeskirche zum Problem der Entnazifizierung insbesondere der Pfarrerschaft vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 31–34; R. RITTNER, Die evangelische Landeskirche, S. 758.

Osterloh als Pfarrer in Holle

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Bemerkenswert, und vielleicht in diesem Punkt wirklich auf Osterloh zurückzuführen, ist die Begründung für das gebotene politische Engagement der Christen und dessen Grenze: Verwiesen wird auf die Verantwortlichkeit des einzelnen Christen vor Gott – nicht etwa vor der Kirche oder der kirchlichen Lehre oder christlichen Ethik –, die ihn, damit er seinem Auftrag gerecht wird, sowohl zum politischen Engagement als auch immer wieder zu dessen kritischer Überprüfung verpflichtet.

4.3 Osterloh als Pfarrer in Holle Die Gemeinde Holle hatte im Krieg wie die meisten Landgemeinden Oldenburgs kaum Schaden genommen – bis zum 2. Mai 1945. In der Absicht, den vorrückenden kanadischen Truppen die Einsicht in das nördlich des als neue Verteidigungslinie gedachten Küstenkanals gelegene Gebiet zu verwehren, sprengten deutsche Einheiten den hoch über das Land ragenden Turm der Holler Kirche, dessen Zusammensturz große Teile der Kirche mitbeschädigte98. In den Wochen unmittelbar vor und nach Kriegsende, als die Verkehrsanbindung praktisch in alle Richtungen abgeschnitten und an eine geordnete kirchliche Versorgung der Gemeinden, deren Pfarrer im Krieg waren, somit nicht zu denken war, hat in Holle wie wohl auch an vielen anderen Orten die Pfarrfrau viele der pfarramtlichen Tätigkeiten ausgeführt, darunter auch Beerdigungen99. Aber auch nachdem die Zustände sich wieder zu normalisieren begannen, war Gertrud Osterloh in Vertretung ihres Mannes für vieles, was die Gemeinde betraf, zuständig, für die Organisation des kirchlichen Unterrichts, aber z. B. auch für etwas so Profanes wie die Beschaffung einer Kochplatte für die Gemeindeschwesternstation100. Edo Osterloh predigte in seinem ersten Gottesdienst nach seiner Rückkehr über Gen 1,1, weil er meinte, mit schöpfungstheologischen Themen seine fast ausschließlich bäuerliche Gemeinde am besten erreichen zu können101. Überhaupt hatte er den Vorteil, dass er – selbst auf einem Bauernhof groß gewor98

Vgl. W. RUNGE, Die St.-Dionysius-Kirche in Holle, S. 2. Auskunft Hartmut Jacoby, Gespräch am 4. 4. 1996. Gertrud Osterloh war im September 1944 mit den drei Kindern nach Holle gekommen und hatte am dort am 29. 9. 1944 die erste gemeinsame Tochter Lerke zur Welt gebracht. 100 Eingabe G. Osterlohs an den Oberkirchenrat vom 4. 7. 1945, in: AELOKR OLDENBURG, C XXXV40. Vgl. die Notiz, die Kloppenburg nach einem Gespräch mit ihr in seinem Taschenkalender festhielt: „Frau Osterloh, Holle: 1) Diakonissen für Unterr., 2) Raum für Unterr., 3) NSV-Schwester, 4) Kirchl. Versorgung“ (EZA BERLIN, 613/81 – Taschenkalender 1945). 101 Vgl. E. OSTERLOH, Erfahrungen (1949), S. 68. 99

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den – die Menschen einfach verstand, ihre Sprache sprach, vor allem konnte er Plattdeutsch! Daher konnte er mit ihnen umgehen, ohne sich über sie zu erheben, aber auch ohne sich bei ihnen anzubiedern. Etwas davon schwingt in den Sätzen mit, mit denen er beschrieb, wie ein Pfarrer mit „dem Landmenschen“ umzugehen habe: „Man muß sein Leben, seinen Alltag, seine Arbeit und sein Schicksal mit ihm teilen. Im Wort darf man sich ihm nicht angleichen. Niemand meine, mit Halbheiten langsam zur Wahrheit führen zu können. Der Bauer hat eher Zutrauen zu dem, der ihm widerspricht, als zu dem, der ihm nach dem Munde redet. Einer Grobheit muß gewöhnlich auch mit einer Grobheit begegnet werden. Aber der Pastor muß dem Landmenschen zur Seite stehen. Er darf ihn nicht allein lassen in seinen täglichen Nöten und Sorgen.“102

Die Arbeitsbedingungen für den durch Gefangenschaft und Flucht geschwächten Osterloh waren hart: Seine Gemeinde bestand aus fünf verstreut liegenden Kleindörfern. Man kann wohl davon ausgehen, dass die vorherrschende bäuerliche Lebensweise vor dem schlimmsten Hunger bewahrte, aber auch für Osterloh wird gegolten haben, was Martin Greschat über den Nachkriegsalltag seines Amtskollegen in Hatten schreibt: „Die Kirche schien wieder gefragt. Und eindeutig waren es ihre Pastoren. Es gab so viel zu tun, resümierte ein Oldenburger Pfarrer, ‚daß man mitunter nicht wußte, wo man anfangen sollte‘.“103 Es galt mit sprunghaft steigenden Kasualien (besonders Taufen und Beerdigungen) fertig zu werden, es fehlten Materialien aller Art, und es kam – gerade in relativ unzerstörten Orten wie Holle – zu einem dramatischen Anstieg der Zahl der Gemeindeglieder mit allen damit verbundenen Problemen104. Osterlohs traf Letzteres besonders, da das damals heruntergekommene und recht primitiv ausgestattete Pfarrhaus noch über Jahre hinweg mit Einquartierungen belegt war, u. a. mit einem Lehrer, der im „Dritten Reich“ aus der Kirche ausgetreten war und antichristliche Propaganda betrieben hatte105. Osterloh protestierte erst, als der Großfamilie auch noch das Amtszimmer weggenommen werden sollte, das ihm zugleich als Arbeits- und Studierzimmer diente106. Berücksichtigt man, dass vielerorts die Zustände noch viel schlimmer waren, dass oftmals auch die Pfarrfamilien hungerten, froren und nicht wussten, wie 102

EBD., S. 67. M. GRESCHAT, Christenheit, S. 67. 104 Vgl. EBD., S. 67–72. 105 Auskunft Hartmut Jacoby, Gespräch vom 4. 4. 1996. 106 Vgl. die Eingabe Osterlohs an den Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg vom 30. 8. 1948 (NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 280). Eine Einigung erfolgte dahingehend, dass zur Einquartierung von Flüchtlingen so schnell wie möglich zwei weitere, zuvor ungenutzte Zimmer im Haus ausgebaut werden sollten (Aktennotiz vom September 1948 [EBD.]). 103

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es weitergehen sollte, wird einsichtig, warum damals viele weder Kraft noch Interesse hatten, einen radikalen Neuanfang zu wagen, theologisch wie kirchenpolitisch. Das Wenige, was an haltgebenden kirchlichen Strukturen noch vorhanden war, einfach erst einmal über Bord zu werfen, um die „Chance“, die in der sog. „Stunde Null“ lag, richtig zu nutzen und sich im Weiteren nicht an den Beharrungskräften aufzureiben, die jeder bürokratischen (Leitungs-) Struktur innewohnen – auf diese Idee kamen damals die Wenigsten. Die meisten hatten andere, viel konkretere Sorgen. Neben diesen vielen eher äußerlichen Hindernissen stand Osterlohs „normaler“ Gemeindearbeit vor allem eine bei der einheimischen Bevölkerung tief eingewurzelte Maxime im Weg: „Es muß alles beim Alten bleiben.“107 Gerade dem neuen, voller Ideen für das Gemeindeleben steckenden Pfarrer bereitete diese Mentalität vielerlei Verdruss, es galt sie beinahe jedes Mal von Neuem zu überwinden. So bei der Einrichtung von Bibelstunden gerade in den weiter entfernt liegenden Bauernhäusern, die dann während der ersten Nachkriegswinter – die Landarbeit ließ von Frühjahr bis Herbst keinerlei Zeit für den Besuch – „jedesmal überfüllt“ waren. Aber auch bei der Feier eines monatlichen Abendmahlsgottesdienstes, den es vor Osterlohs Zeit ebenso wenig gegeben hatte wie einen Gottesdienst am Heiligen Abend oder an Silvester. Letztere waren am Ende von Osterlohs Amtszeit weit stärker besucht als die regulären Gottesdienste, und die Teilnahme am Abendmahl stieg stetig an – und das in einer Gemeinde, über deren Kirchlichkeit Osterloh einmal scherzhaft sagte: „Wenn einmal jemand Weihnachten in die Kirche geht, ist er prädestiniert zum Kirchenältesten!“108 Oder beim besonders dringenden Problem des Wiederaufbaus der Kirche im Herbst 1945. Natürlich sollte alles wieder so werden wie früher, es sollte originalgetreu sein oder gar nicht. Und das angesichts des Notbehelfs, den Gottesdienst in dem im Pfarrhaus befindlichen Konfirmandensaal zu halten. Es bedurfte hier einiger Überredungskunst an Ort und Stelle „in den Trümmern der Kirche“, bevor sich die Gemeinde davon überzeugen ließ, dass eine genaue Wiederherstellung zur damaligen Zeit unmöglich – und vielleicht auch gar nicht wünschenswert war. Dann aber gab es plötzlich so viele helfende Hände in der Gemeinde, dass Osterloh den schon zum Erntedankfest 1945 abgeschlossenen behelfsmäßigen Wiederaufbau der Holler Kirche im „Sonntagsblatt“ als ein Beispiel gelungener „Männerarbeit“ in der Kirche pries109.

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Dieser Maxime und wie er mit der dahinter stehenden Mentalität umging, widmete Osterloh einen eigenen Abschnitt in seinem Rückblick auf die Holler Zeit: E. OSTERLOH, Erfahrungen (1949), S. 72f. Daraus auch die folgenden Beispiele und Zitate. 108 Auskunft Hartmut Jacoby, Gespräch am 4. 4. 1996. 109 E. OSTERLOH, Männerarbeit (1946).

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Pfarrer und Oberkirchenrat in Oldenburg

Der Jugend wandte sich Osterloh in den ersten Monaten seiner Tätigkeit besonders zu. Er lud in den Konfirmandensaal ein zu „Leseabenden“ mit einer anschließenden geistlichen Besinnung – und fand unter der geistig ausgehungerten Landjugend, der andere Angebote im weiten Umkreis nicht gemacht wurden, zahlreiche Interessierte. Um die Jugendarbeit in der Gemeinde, die bis 1945 weitgehend brach gelegen hatte, kümmerten sich nach Osterlohs Wahl in den Oberkirchenrat dann immer die Vikare, von denen Osterloh nacheinander drei in seiner Gemeinde hatte110. Der erste war sein Schwager Hans Jürgen Hübner, der schwerverletzt aus dem Krieg gekommen war und in Holle erst wieder gesunden musste, der zweite war Erwin Heger, der mit seiner großen Familie in die ihm zugewiesene Zweizimmerwohnung in einem entfernteren Dorf der Gemeinde nicht einziehen konnte, daher in Oldenburg wohnen blieb und bald nach Sande versetzt wurde. Der letzte war wieder ein Schwager Osterlohs, Hartmut Jacoby, der in der Gemeinde nach nicht einmal einem Jahr so beliebt war, dass der Gemeindekirchenrat den Oberkirchenrat bat, Osterloh nach seinem Weggang weiter als Vakanzverwalter zu führen und die Stelle so lange nicht auszuschreiben, bis Jacoby nach Ablegung seines zweiten Examens selbst Amtsinhaber werden konnte. Viele der Amtsgeschäfte hatten diese Vikare, insbesondere nach Osterlohs Wahl zum hauptamtlichen Mitglied des Oberkirchenrats am 1. August 1947, sowieso schon übernommen, offiziell war Osterloh nur noch Vakanzverwalter. Seitdem war er in der Woche tagsüber nicht mehr häufig in seiner Gemeinde, sein Arbeitsschwerpunkt verlagerte sich ganz nach Oldenburg. Die zahlreichen Wege – täglich zwischen Oldenburg und Holle, praktisch durch das ganze Oldenburger Land zu Visitationen, Vorträgen usw., aber auch weiter weg zu Konferenzen u. ä. – bewältigte er mit seinem Wagen, einem alten DKW, wobei sein rasanter Fahrstil nicht überall auf Gefallen stieß111. Osterloh predigte aber nach wie vor an jedem Sonntag, an dem er anwesend sein konnte, was auch nötig war, hatte die Gemeinde doch aufgrund ihrer großen räumlichen Ausdehnung eine zweite Predigtstelle in der Schule in Wüsting. Dabei hatte er in seiner großen Kladde links immer die Disposition der Predigt, rechts in Stichpunkten seine Gedanken dazu. Er formulierte wie auch bei vielen seiner Vorträge im Vorhinein kaum aus, sondern trug weitgehend frei

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Auskunft Hartmut Jacoby, Gespräch am 4. 4. 1996. Auskunft Hartmut Jacoby, Gespräch am 4. 4. 1996. – Den Wagen hatte er gleich nach seiner Ankunft von Pfarrer Ketelhut gekauft, der kurzzeitig in Holle als Vertreter eingewiesen war und bei seinem Umzug nach Oldenburg dort keine Erlaubnis bekam, den Wagen zu behalten. Osterloh, für seine vielen Fahrten auf einen Wagen angewiesen und als Oberkirchenrat berechtigt, Benzin zu beziehen, griff sofort zu (Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996). 111

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vor112. Die theologischen Vorstellungen Stählins teilte er zwar im Wesentlichen nicht, ließ sich aber von dessen liturgischen Ambitionen durchaus zu einer entsprechenden Umgestaltung des Gottesdienstes anregen, bis dahin, dass er – durch Verspätungen und Missverständnisse ohnehin schon gereizt – am Tag der Einweihung der nun ganz wieder aufgebauten Holler Kirche mit der Frau seines Vikars und daraufhin auch mit Hartmut Jacoby selbst einen lautstarken Streit darüber führen konnte, dass Efeu nicht auf den Altar gehöre113. Diese Wiedereinweihung der Kirche, in der er vor ihrer Zerstörung die ersten Predigten in Holle gehalten hatte, fand am 10. April 1949 statt und war für Osterloh sicher ein Höhepunkt des Gemeindelebens114. Das Gefühl, dass eine kleine Dorfgemeinde nicht das Terrain war, auf dem allein Edo Osterloh sich befriedigend betätigen konnte, wird nicht nur seine Frau gehabt haben115. Die Gemeinde, die ihn „bestaunte und sich ein bißchen vor ihm fürchtete“116, sah ihn in den Jahren 1947 bis 1949 kaum noch einmal mehrere Tage hintereinander im Pfarrhaus. Sein eigenes trotz Rheumaleiden117 durchgehaltenes Arbeitspensum ließ ihn in Holle zunehmend als „Durchreisenden“ erscheinen, auch wenn er sicherlich und seine Frau ganz bestimmt an Holle hingen118. Hier kamen vier ihrer Kinder zur Welt119, hier konnten sie erstmals in Frieden häusliche Gemeinschaft haben, hier war ihr erstes richtiges gemeinsames Zuhause.

112 Auskunft Hartmut Jacoby, Gespräch am 4. 4. 1996. – Nach Auskunft seiner Frau konnte Osterloh Predigt und Gottesdienst, über die er sich schon auf der Nachhausefahrt aus Oldenburg Gedanken machte, mitunter in weniger als einer halben Stunde vorbereiten (Gespräch am 5./6. 2. 1996). 113 Auskunft Hartmut Jacoby, Gespräch am 4. 4. 1996. Er konnte aber auch hier seinen Fehler einsehen und sich für diesen Ausbruch im Nachhinein entschuldigen. 114 Vgl. E. OSTERLOH, Die erneuerte Kirche (1949). 115 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996. 116 Hartmut Jacoby, Gespräch am 4. 4. 1996. 117 Wie Osterloh in einem Brief an Karl Barth schrieb, den er aus diesem Grund um Vermittlung eines Aufenthaltes in der Schweiz bat, litt er seit 1945 an Rheuma, befand sich deshalb Mitte 1946 zur Kur in Bad Kissingen und im Februar 1948 im Krankenhaus in Oldenburg (Brief an Barth vom 21. 2. 1948 [KBA BASEL]). Barth ermöglichte ihm die Teilnahme an einem Lehrgang am ökumenischen Seminar in Bossey und einen einmonatigen Schweizaufenthalt (vgl. Dankesschreiben Osterlohs an Barth vom 11. 6. 1948 [EBD.]). 118 Nach eigener Auskunft hätte Gertrud Osterloh sich schon wegen der Kinder gewünscht, ein paar Jahre am selben Ort zu bleiben (Gespräch am 5./6. 2. 1996) 119 Nach Lerke (vgl. oben Anm. 99) noch Wiebke (geb. 9. 6. 1946), Ahlke (geb. 13. 12. 1947) und Arn (geb. 29. 6. 1949).

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4.4 Osterloh als Oberkirchenrat Der Wahl zum nebenamtlichen theologischen Mitglied des Oberkirchenrats folgte erst einmal – nichts. Osterlohs dreiwöchiger Aufenthalt in Bethel, seine allgemein schwache Konstitution im Herbst 1945 und dazu der Ausbruch seiner Rheumaerkrankung dürften die Gründe dafür gewesen sein, ihn zunächst noch weitgehend zu schonen120. Erst mit Datum vom 6. März 1946 wurde bekannt gegeben, welche Aufgaben er übernommen hatte, nämlich die Leitung der Männerarbeit, die Betreuung des theologischen Nachwuchses und die Leitung des Volksmissionarischen Amtes in der Oldenburgischen Kirche121. Bei dieser Gelegenheit noch als „Pfarrer in Holle“ bezeichnet, wurde ihm bald darauf „für die Dauer seiner Tätigkeit im Oberkirchenrat die Dienstbezeichnung ‚Oberkirchenrat‘ verliehen“122. Im Geschäftsverteilungsplan, der am 4. April 1946 an die Kirchenkanzlei geschickt wurde, ist seinem Referat neben den gen. Aufgaben noch die „Theologische Kammer“ zugeordnet, um deren Einberufung er sich ja bemüht hatte123. Schon am 11. November 1946 wurden hinzugefügt die Zuständigkeiten für die Volkshochschule, die Pädagogische Akademie und den Katechetischen Lehrgang124. Zum 1. August 1947 wurde Osterloh mit Zustimmung des Synodalausschusses zum hauptamtlichen Mitglied des Oberkirchenrats gewählt125. Hatte er zu Beginn dieses Jahres Kloppenburg bereits während eines achtwöchigen Urlaubs vertreten126, so wurde nun eine ständige Vertretung Kloppenburgs nötig, da diesen seine Berufung als Sekretär in die Flüchtlingskommission des Ökumenischen Rates mehr und mehr beanspruchte. Kloppenburgs Beurlaubung erfolgte schließlich zum 1. Januar 1948127, bis dahin aber waren seine Tätigkeiten im Oberkirchenrat schon aufgeteilt worden. Einen großen Teil übernahmen die an seiner Stelle als nebenamtliche theologische Mitglieder in den Oberkirchenrat aufgenommenen Pastoren Heinrich Höpken und Dr. Hans 120 Zwischen seiner Wahl in den Oberkirchenrat und Mitte Februar 1946 nahm Osterloh nur an zwei der in der Regel wöchentlichen Oberkirchenratssitzungen teil, davon fand eine am 5. 12. 1945 in Holle statt (vgl. AELOKR OLDENBURG, A III-37-2). 121 GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil I, Bd. 13, Nr. 4 vom 6. 3. 1946, S. 37. 122 Aus der Landeskirche, in: OlSbl., 1. Jg., Nr. 5, 5. 5. 1946. 123 AELOKR OLDENBURG, A III-3, Bl. 7. 124 Auszug aus dem Sitzungsbericht des Oberkirchenrats vom 11. 11. 1946, in: EBD., Bl. 83. 125 Sitzungsbeschluss Nr. 17 der gemeinsamen Sitzung von Oberkirchenrat und Synodalausschuss vom 26. 6. 1947 (AELOKR OLDENBURG, A III-37–2; vgl. EBD., A III-27 [„Wahlen zum Oberkirchenrat“]). 126 Sitzungsbeschluss Nr. 22 des Oberkirchenrats vom 10. 1. 1947 (AELOKR OLDENBURG, A III-37-2). 127 Vgl. GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil 1, Bd. 13, Nr. 14 vom 15. 11. 1947, S. 95. Das Datum seiner Beurlaubung gibt ein mit H. K. gezeichneter, also wohl von Kloppenburg selbst verfasster Rückblick auf „Die Oldenburgische Kirche im Jahre 1947“ (OlSbl, Nr. 6 [8. 2. 1948]) mit „[z]um 1. November 1947“ an.

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Schmidt128, mit dem zentralen Referat „Schule und Kirche“ aber befasste sich schon im Jahre 1947 ganz überwiegend Edo Osterloh129. Anzufügen ist schon hier aber auch, dass er eben erst 1947 die formale Zuständigkeit für dieses Thema erlangte, zu einem Zeitpunkt, als die ganz wichtigen Entscheidungen über die Fortgeltung der überkommenen Schulgesetzgebung in Oldenburg nach dem Krieg und insbesondere nach dem Aufgehen des Landes Oldenburg im neugegründeten Niedersachsen bereits getroffen waren130. Wenn im Folgenden aus dem Tätigkeitsfeld Osterlohs – man muss fast sagen: leider – einmal mehr nur das Schulreferat detaillierter dargestellt wird131, liegt dies daran, dass dieses Referat im Blick auf Osterlohs weiteren Werdegang, im Rahmen der übergeordneten Thematik dieser Arbeit und auch schon im Urteil der Zeitgenossen natürlich das Bedeutsamste ist. Man sollte dabei aber nicht unterschlagen, dass Osterloh selbst auch der Arbeit mit den Studenten (in gewisser Weise ja ein Anknüpfen an seine Berliner Tätigkeit), der Männerarbeit (besonders mit den aus dem Krieg heimgekehrten Soldaten, gegen deren Abstumpfung er auch an der Front schon anzuarbeiten versuchte) und dem Aufbau der Bäuerlichen Volkshochschule, den er selbst initiierte und – sicher nicht nur zur Freude der bald eingesetzten Leitung – überaus kritisch und engagiert weiter begleitete, große Bedeutung zumaß und viel Zeit widmete. Osterloh diente die Volkshochschule wie auch die Männerarbeit vor allem dem Ziel, aus der „einfachen“ und oft an übergeordneten Vorgängen kaum interessierten Landbevölkerung mündige Christen und mündige Bürger zu machen132. Dieses Feld seiner Tätigkeit reiht sich somit als ein kleiner Beitrag ein in die Geschichte der evangelischen Akademien, deren Aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg man 128 Vgl. EBD. sowie den Sitzungsbeschluss Nr. 12 der gemeinsamen Sitzung von Oberkirchenrat und Synodalausschuss vom 11. 10. 1947 (AELOKR OLDENBURG, A III-37-2). 129 Osterloh übersandte seine Schrift „Schule und Kirche II“ (1947 [vgl. unten S. 182ff.]) u. a. an HansJoachim Iwand, Ernst Wolf und Hermann Dörries und schrieb in seinem Begleitbrief vom 6. 12. 1947: „In dem zu Ende gehenden Jahr habe ich ¾ meiner Arbeitskraft in Vorträgen vor der Oldenburger Lehrerschaft eingesetzt“ (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 6). 130 Vgl. dazu unten S. 173ff. 131 Vgl. unten S. 162–196. 132 „Bäuerliche Jugend vom Lande soll in einem Leben der Gemeinschaft gefördert werden für die Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft. Der innere und der äußere Mensch sollen sich stärken für die Kämpfe, in denen wir stehen und denen wir entgegengehen. Der geistige und seelische Horizont junger Menschen soll erweitert werden. Wir wollen darum ringen, wieder urteilsfähig zu werden und Verantwortung übernehmen zu können für unsere Arbeiten und unsere Pläne […]. [E]s wird Menschen geholfen, auch in Dingen des Glaubens zur Selbständigkeit und eigener Entscheidung zu gelangen. Junge Menschen, die zu dieser Volkshochschule gehören, […], werden wissen, was sie tun, wenn sie im christlichen Glauben leben oder wenn sie das ablehnen.“ (E. OSTERLOH, Bäuerliche Volkshochschule [1949]). In seinem Abschiedswort an die Synode (Text: Dokumentenanhang Nr. 7 [ S. 576ff.]; vgl. unten S. 211f.) bezeichnete Osterloh die Arbeit am Aufbau der Bäuerlichen Volkshochschule als sein „Lieblingsgebiet“ und hob auch die halbjährlichen Studentenrüstzeiten hervor.

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sicher als eine der erfolgreichsten Neuerungen in der kirchlichen Landschaft dieser Zeit bezeichnen kann133. Über Oldenburg hinaus wirksam war Osterloh, abgesehen von seinem Engagement in Bethel134 und einigen Vorträgen135, zunächst kaum, und wenn, dann vor allem themenbezogen auf Schulreferententagungen. Vielleicht wegen seiner Erfahrungen aus der Auseinandersetzung mit Asmussen, der als Präsident der Kirchenkanzlei der EKD zunächst eine wichtige Funktion in der evangelischen Kirche einnahm, agierte Osterloh auf gesamtkirchlicher Ebene eher zurückhaltend. Eine Rolle spielte aber sicher auch das schon bei seiner Entscheidung für das oldenburgische Pfarramt mitentscheidende Gefühl, nach dem Krieg nicht einfach dort wieder anfangen zu können, wo er vor dem Krieg unter völlig anderen Bedingungen aufgehört hatte. Der Name Asmussen aber ließ ihn noch nicht los: Auf einer Reichsbruderratssitzung am 16./17. Juli 1946, an der er (als Vertreter Kloppenburgs?) ausnahmsweise teilnahm, stimmte er aufgrund der heftigen Auseinandersetzungen Asmussens mit Niemöller, Barth und Diem für die Dispensierung Asmussens vom Amt des Vorsitzenden136, startete aber im August 1946 einen Versuch, den weiter eskalierenden Streit durch einen an Asmussen und Niemöller gerichteten brieflichen Aufruf zur Mäßigung, Einsicht und Rücksichtnahme um der gemeinsamen Sache willen zu schlichten137. Ob Osterloh in Anbetracht der Genese seines Verhältnisses zu Asmussen wirklich der Richtige für einen solchen Versuch war, mag dahingestellt bleiben, er scheiterte damit jedoch offenkundig. Mehr Aufmerksamkeit auf dieser Bühne erhielt Osterloh erst dann wieder, als man begann, seinen Namen mit dem Amt des theologischen Referenten der Kirchenkanzlei in Verbindung zu bringen.

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Vgl. J. TREIDEL, Akademien; L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, „Hofprediger der Demokratie“. Vgl. oben S. 137f. 135 Einige Verbreitung fand der unveröffentlichte Vortrag „Not und Verheißung der Predigt im Gottesdienst der Gegenwart“ (Bibliographie, Typoskripte), den Osterloh am 25. 6. 1946 auf einem Mitarbeiterlehrgang im Anschluss an das 110. Jahresfest der Norddeutschen Missions-Gesellschaft in Bremen gehalten hatte (z. B. im Besitz Martin Niemöllers [ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677] und in der im Kirchenkampfarchiv aufgegangenen Sammlung Friedrich Middendorfs [LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 646/1]); vgl. dazu auch Osterlohs Artikel über diese Tagung (E. OSTERLOH, Kirchenfrage [1946]). 136 Vgl. G. BESIER, Kirchenversammlung, S. 77, Anm. 82. 137 Brief an Asmussen und Niemöller vom 8. 8. 1946 (ZEKHN DARMSTADT, 62/677). 134

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4.4.1 Die Auseinandersetzungen um die weiteren Schritte der kirchlichen Neuordnung in Oldenburg nach 1945138 Zwar beschränkte Edo Osterloh seine Aktivität bis 1949 weitgehend auf Oldenburg und konnte sich so den Auseinandersetzungen zwischen Bruderräten, Landeskirchen und neu gebildeter EKD um die Neuordnung der evangelischen Kirche in Deutschland ein wenig entziehen, über einen Mangel an Streit aber konnte er sich auch hier nicht beklagen: Abgesehen von den teils harten Kontroversen um die Schulpolitik, auf die näher einzugehen sein wird, führte fast jedes vom neuen Oberkirchenrat durchgesetzte Element der kirchlichen Neuordnung in Oldenburg nach 1945 in bestimmten Teilen der Pfarrerschaft und der kirchlichen Öffentlichkeit zu heftigem Widerspruch, der einherging mit persönlichen Angriffen besonders auf Heinz Kloppenburg und Wilhelm Stählin. Kein Wunder, war das Ziel der neuen Führung doch nichts Geringeres als die Schaffung eines neuartigen „lutherischen Kirchentyps“, in dem die Traditionen von Bekennender Kirche und Berneuchener Bewegung zusammenfließen sollten139. Die Gegner einer solchen Neuordnung sammelten sich zunächst vor allem um den ehemaligen Oberkirchenratspräsidenten Tilemann, der noch im Kirchenkampf eine wichtige Rolle in der Bekennenden Kirche Oldenburgs innehatte und sich nun, angesichts des ohne seine Mitwirkung erneuerten Oberkirchenrats, übergangen und regelrecht ausgebootet fühlte. Offenbar hatte Tilemann es falsch eingeschätzt, dass Stählin, dessen Berufung nach Oldenburg er ja zugestimmt hatte, im Kriege nicht gleich zum Bischof berufen worden war140, und schien 1945 zu meinen, die Situation sei völlig offen und eine Beteiligung seiner Person, des letzten rechtmäßigen Präsidenten des Oberkirchenrats, werde sich von selbst ergeben. Jedenfalls legt dies die Notiz Kloppenburgs über seinen Informationsbesuch bei Tilemann nahe: „28.5.[1945:] 11.30 bei Tilemann wg. Stählins Nominierung. T. schmerzlich überrascht“.141 Nur wenig später machte Tilemann Kloppenburg konkrete Vorwürfe, die das Zustandekommen und Vorgehen des neuen Oberkirchenrats betrafen. Kloppenburg notierte als Fazit seines Besuches am 19. Juni 1945:

138 Es soll hier nicht um eine Nachzeichnung der Neuordnung gehen, die bereits vorliegt (P. ZOCHER, Neuordnung, bes. S. 68–72). Hier sollen die Auseinandersetzungen um diese Neuordnung in den Blickpunkt gerückt werden, da sie den Hintergrund und die Basis bilden für die Konflikte, die sich bald auch im Oberkirchenrat selbst ergaben und in denen Osterloh später eine zentrale Rolle spielen sollte. 139 Vgl. entsprechende Ausführungen Kloppenburgs in einem Brief an Joachim Beckmann vom 29. 5. 1945 (KIRCHE NACH DER KAPITULATION, Bd. 1, S. 171). 140 Vgl. oben S. 124f.; vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 51f. 141 EZA BERLIN, 613/81 – Taschenkalender 1945.

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„16h bei Tilemann; sehr verbittert a) man habe ihn getäuscht b) es sei keine Rechtsbasis, sond[ern] kleiner Kreis, der alles mache c) ich persönl[ich] sei undankbar + illoyal gewesen.“142

Schon im Jahr 1945 begannen die Angriffe auf Kloppenburg wegen seiner kurzzeitigen Zugehörigkeit zu den „Deutschen Christen“. Von persönlichen Auseinandersetzungen, in denen sich Kloppenburg nicht immer mäßigend verhielt, angeheizt, sorgten sie in den folgenden zwei Jahren für einigen Wirbel, fanden auf Dauer jedoch keinen Widerhall und verliefen spätestens mit Kloppenburgs Beurlaubung 1947 im Sande143. Tilemann agierte in dieser Zeit zunächst nicht öffentlich144. Er unterstützte u. a. Pfarrer Carl Töpken, der, selbst einer der wenigen für sein Verhalten im „Dritten Reich“ gemaßregelten Pfarrer, sich gegen Stählin zur Wehr setzte, indem er ihn aufgrund von angeblichen Informationen aus einem Rundschreiben der Michaelsbruderschaft in ein schlechtes Licht zu rücken versuchte. Daneben schrieb Tilemann mehrmals an Bischof Wurm, um ihn über seine Sicht der Zustände in Oldenburg zu informieren und ihm von einer Teilnahme an der Einführung Stählins in das Bischofsamt abzuraten. Schließlich bemängelte er im März 1947 gegenüber dem für die Kirchen zuständigen Minister Kaestner ganz offen die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Landessynode. Den Anlass zum Schritt in die Öffentlichkeit boten dann die weiteren Schritte der Neuordnung, die zunächst vorläufige Definition des Bischofsamtes vom November 1945, in der ihm die „geistliche Leitung“ der Kirche zugeschrieben wurde145, die Gemeindewahlordnung vom März 1946, die ein Wahlrecht 142

EBD. Ausführlicher zu den Vorwürfen und ihrer Berechtigung: P. ZOCHER, Neuordnung, S. 78–81. 144 Vgl. für das Folgende: EBD., S. 74. 145 GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil 1, Bd. 13, Nr. 1, 14. 11. 1945, S. 4. Es wurde schon damals und wird bis heute gerne darauf verwiesen, dass die Aufgabenzuweisung dieses Gesetzes – der Bischof sollte die Kirche nach außen vertreten, Ansprachen und Kundgebungen erlassen, das Hirtenamt über die Geistlichen und die Zurüstung aller Amtsträger übernehmen, die theologischen Prüfungen leiten und sich auch sonst um den theologischen Nachwuchs kümmern – die anderen Mitglieder des Oberkirchenrats zurücksetzte, ins „zweite Glied rückte“ (so zuletzt R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 767). Das hat einerseits eine gewisse Berechtigung, andererseits sollte auch § 4 dieses Gesetzes erwähnt werden, der „Verwaltungsakte“ im Gefolge dieser geistlichen Leitung in die Hände des Oberkirchenrats legte und zugleich bestimmte, dass „dessen Befugnisse auf Grund der Verfassung vom 12. 11. 1920 nicht verändert“ wurden. Bei der Umsetzung der vage bestimmten „geistlichen Leitung“ des Bischofs hatte der Oberkirchenrat, in dem der Bischof eben nur einer unter mehreren war, denn doch ein gewichtiges Wort mitzureden. Auch sollte sich schon bald zeigen, dass die meisten der dem Bischof zugeschriebenen Aufgaben keinesfalls automatisch eine Macht- oder Autoritätsstellung begründeten, die sich im Vollzug dieser Aufgaben allenfalls aus der Persönlichkeit und Überzeugungskraft des jeweiligen Amtsträgers ergeben konnte. Vielleicht sollte man auch erwähnen, dass Stählin z. B. die Sorge um den theologischen Nachwuchs sehr bald an Osterloh delegierte (vgl. oben S. 152). Und, abschließend zu diesem Thema: Wenn man schon ein Bischofsamt installiert – und grundsätzliche Kritik daran gab es zunächst nicht –, 143

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nur für aktive Gemeindeglieder, die sog. Wahlgemeinde, vorsah146, sowie der Entwurf der Kirchenordnung vom Juni 1947147. Am 20. November 1947 hielt Tilemann vor einer großen Zuhörerschaft in der Aula der Pädagogischen Akademie eine Rede148, in der er sich gegen diese Kirchenordnung wandte und dabei vor allem folgende Punkte bemängelte: die Zunahme amtskirchlicher Strukturen durch das Bischofsgesetz und das vorgeschlagene Propstamt als Instanz zwischen Kirchenleitung und Gemeinde, damit verbunden die Schwächung der Stellung der Gemeinden, schließlich die angestrebte Bildung von Kerngemeinden durch das seines Erachtens in der Wahlgesetzgebung enthaltene „Zweiklassenwahlrecht“. Seine Ausführungen zur Kirchenordnung gipfelten in dem Diktum, sie sei „unlutherisch, unevangelisch, sektiererisch“. Darüber hinaus kritisierte er die von Stählin propagierten liturgischen Vorstellungen sowie dessen Hochschätzung des Kultus und klagte über das mangelnde Interesse der Kirchenleitung am Religionsunterricht. Im Anschluss an diese Rede gründete sich der „Arbeitsausschuß für Kirchensachen“, der in Zukunft der Opposition gegen den Oberkirchenrat eine breitere Plattform bieten sollte und neben Tilemann mit Albrecht Hoyer einen weiteren führenden Vertreter der Bekennenden Kirche der Stadt Oldenburg und mehrere andere ehemals hohe Beamte aus Staat, Justiz und Kirche in sich vereinte149. Diese Angriffe und vor allem die Resonanz, die sie in Oldenburg fanden, konnten den Oberkirchenrat nicht unberührt lassen, er musste Stellung beziehen. Als erster tat dies öffentlich in einem größeren Rahmen Edo Osterloh. An gleicher Stelle wie Tilemann hielt Osterloh sechs Tage später seinen Gegenvortrag, über den das „Oldenburger Sonntagsblatt“ ausführlich berichtete150. In seinen Ausführungen konzentrierte Osterloh sich zunächst auf die verschiedenen was läge dann näher als bei diesem Amt repräsentative, nach außen gerichtete Tätigkeiten ebenso anzusiedeln wie seelsorgerliche Funktionen gegenüber den Amtsträgern? 146 GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil 1, Bd. 13, Nr. 4, 6. 3. 1946, S. 23–27. Vgl. O. KÜHN, Gestaltung, S. 95–107; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 767f.; P. ZOCHER, Neuordnung, S. 70. 147 GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Beiheft 2, 1947, S. 3–24. 148 Vervielfältigtes Rede-Typoskript in: LKA HANNOVER, D 15 V, Nr. 10. Vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 770, der das Verdienst hat, mit Tilemann auch die „andere Seite“ der Auseinandersetzungen um die Kirchenordnung ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Vgl. aber auch schon P. ZOCHER, Neuordnung, S. 74f., 118f. 149 Tilemann und Hoyer hatten sich schon im Kirchenkampf gegen die dahlemitische Linie Kloppenburgs ausgesprochen, das Verhältnis zwischen ihnen und Kloppenburg dürfte also auch von daher belastet gewesen sein (vgl. R. RITTNER, Intakte oder zerstörte Kirche, S. 168–172; P. ZOCHER, Neuordnung, S. 23f., 72). 150 Art. „Gespräch über die Kirchenordnung“, in: OlSbl, Nr. 47, 7. 12. 1947. Hieraus auch die folgende Zusammenfassung. Der Bericht beginnt mit einer Zusammenfassung der Vorwürfe Tilemanns aus der Sicht des Oberkirchenrats, bevor er Osterlohs Antwort in vier Hauptaspekten entfaltet. Vgl. auch den Artikel: „Rechte der evangelischen Gemeindechristen“ (Nordwest-Zeitung, 29. 11. 1947).

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Vorwürfe gegen die neue Kirchenordnung, besonders gegen die Gemeindewahlordnung. Unter dem Vorbehalt, über einen dauerhaften Erfolg nichts aussagen zu können, hob er hervor, dass sie zu einer Intensivierung des Gemeindelebens geführt habe, während die nach der Wahlordnung der Kirchenverfassung von 1920 gewählten Gemeindekirchenräte den „Einbruch der Irrlehre“ in die Kirche nicht hätten verhindern können151. Osterloh verteidigte sodann den aufgrund der größeren Anforderungen nötigen Aufbau einer Mittelinstanz, welche die Zusammenarbeit der Pfarrer und Gemeinden in den Kirchenkreisen stärken und nicht etwa den Kontakt zwischen Gemeinden und Oberkirchenrat unterbinden solle. Seine eigenen Bedenken gegen den Titel eines Propstes verschwieg er dabei nicht. Zur Frage des Verhältnisses von Bischof und Kirchenleitung stellte er fest: „In der lutherischen Kirche unterscheide sich der Bischof in der Würde seines Amtes nicht von dem Pfarrer der Gemeinde, er sei der Pfarrer der Pfarrer aller Gemeinden im Lande. Im übrigen sei er auch dort, wo seine Arbeit persönliche Führung und persönlichen Dienst bedinge, nicht ein Inhaber einer rechtlichen Gewalt über Pfarrer und Gemeinden. Die rechtlichen Funktionen der Kirchenleitung blieben weiterhin [bei] den dafür vorgesehenen kollegialen Organen, und der Bischof sei tätig in seiner Eigenschaft als Mitglied dieser Organe.“152

151 Dazu schreibt Rittner, leicht ironisch: „Offenbar haben Osterloh und seine Hörer vergessen – oder auch nie nachgeprüft –, daß nicht das Wahlrecht sämtlicher Kirchensteuerzahler am Einbruch der Irrlehre in die Kirche schuld war, sondern gerade die seit langem übliche Verachtung des Wählens“ (DERS., Die evangelische Kirche, S. 770). Ganz abgesehen davon, dass diese Bemerkung suggeriert, eine sehr hohe Wahlbeteiligung bzw. eine entsprechende Wahlbegeisterung hätte 1933 den Sieg der „Deutschen Christen“ verhindern können – was zu bezweifeln ist –, ist die Unterstellung, Osterloh habe dem Wahlrecht die Schuld am Aufkommen der „Deutschen Christen“ gegeben, einfach falsch. Osterloh hatte lediglich klargestellt, dass das sehr demokratische Wahlrecht von 1920 Gemeindekirchenräte hervorgebracht hatte, die zwar keine direkte Schuld am Geschehen hatten, in ihrer Gesamtheit aber eben auch kein Hindernis für den Aufstieg der „Deutschen Christen“ waren. Beleg genug dafür dürfte sein, dass es auch in Oldenburg in den allermeisten Fällen ja gar keine Wahl gegeben hatte, sondern eine einheitliche Liste mit entsprechender DC-Mehrheit vor dem Wahltermin ausgehandelt worden war (vgl. oben S. 38, Anm. 94), und das in der Regel sicher mit Beteiligung des demokratisch gewählten Gemeindekirchenrats! Widerstand kam erst von den Gemeinden der Bekennenden Kirche, die in ihrer Zusammensetzung und Organisation (Mitgliederausweise nur für aktive Mitglieder, Orientierung am Bekenntnis, zumeist intensive Kirchlichkeit usw.) deutliche Ähnlichkeit mit den jetzt angestrebten Wahlgemeinden hatten. Kurzum: Intention von Osterloh war der Nachweis, dass eine konsequente Anwendung des demokratischen Prinzips im Raum der Kirche nicht automatisch zur demokratischen Verteilung des Heiligen Geistes führt, und man deshalb durchaus auch ein neues Wahlrecht ausprobieren dürfe, auf dass es sich besser bewährt – oder eben nicht. 152 Art. „Gespräch über die Kirchenordnung“ (OlSbl., Nr. 47, 7. 12. 1947). Nach dem Art. „Rechte der evangelischen Gemeindechristen“ (Nordwest-Zeitung, 29. 11. 1947) sagte Osterloh, „Oldenburg werde kein Bischofsgesetz bekommen, das diesen zu einem kleinen Papst mache“.

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Weiter verteidigte Osterloh die eingeführten neuen Gottesdienstformen, besonders die Aufwertung des Abendmahls. Es handle sich bei der versuchsweise in der Garnisonkirche zu Oldenburg eingeführten vollen Form des Gottesdienstes um einen „zweifellos lutherischen Gottesdienst“, den man nicht nach dem „Gefühl“ beurteilen dürfe, er mache einen „katholischen Eindruck“. Besonders gereizt dürfte Osterloh auf den Vorwurf der Vernachlässigung des Religionsunterrichts reagiert haben. Er verwies auf die hohe Zahl von 70 inzwischen installierten Arbeitsgemeinschaften zwischen Pfarrern und Lehrern der christlichen Unterweisung, auf seine zahlreichen Vorträge vor Lehrervereinen und darauf, dass es „kaum einen Lehrer der christlichen Unterweisung in Oldenburg gibt, mit dem er nicht persönliche Fühlung gehabt habe.“ Schließlich machte er aus seiner Meinung keinen Hehl, dass die Kritik an Kirchenordnung und Gottesdienstform nur als Teil einer umfassenden „Agitation“ gegen den Oberkirchenrat und insbesondere den Bischof anzusehen sei. Die Versammlung endete in einer dem Bericht zufolge recht hitzigen Aussprache, in der Tilemann ein weiteres Mal seine Kritik vortrug, während Rektor Franz Kiesewetter sich namens der Lehrerschaft gegen die geistliche Schulaufsicht verwahrte, von der er befürchtete, dass der Oberkirchenrat sie durchzusetzen bestrebt war153. Pikanterweise zitierte Hermann Ehlers gegen Ende der Aussprache Äußerungen Tilemanns aus den Synodalberatungen zur Kirchenverfassung von 1920, in denen dieser Auffassungen vertrat, die seinen jetzigen Standpunkten widersprachen – sicher kein Votum, das die „angespannte Atmosphäre“, die „einem sachlichen Gespräch über die Dinge nicht von Vorteil war“, entkrampfen konnte154. Die sich bis nach 23.00 Uhr hinziehende Aussprache wurde dann wegen der vorgerückten Zeit abgebro153 Es mutet etwas eigentümlich an, dass Heinrich Tilemann dem Oberkirchenrat vorwarf, sich nicht um den Religionsunterricht zu kümmern, während sein Mitstreiter Kiesewetter demselben Gremium Pläne zur Wiederherstellung der geistlichen Schulaufsicht vorwarf und, wie unten gezeigt (S. 170f., 175), auch ansonsten gegen jedes „Zuviel“ an kirchlichem Einfluss auf die Schule stritt – Indiz dafür, wie wenig konsistent die Opposition gegen den Oberkirchenrat war. 154 Zur Polemik, mit der besonders Hermann Ehlers für „seinen“ Entwurf einer Kirchenordnung focht, vgl. seinen „Sonntagsspiegel“ in: OlSbl., Nr. 45, 23. 11. 1947. Dort heißt es u. a.: „Es scheint nicht erforderlich, zur Frage des ‚Warum‘ [einer neuen Kirchenordnung, P.Z.] noch Längeres zu bemerken, wenn auch nicht verschwiegen werden kann, daß es unter uns Menschen gibt, die die Verfassung der Kirche von 1920 für die Spitzenleistung kirchlicher Rechtssetzung halten und ihr – auch in Prozessen – eine Ewigkeitsgeltung zu verschaffen trachten.“ Und, direkte Antwort auf Tilemanns Vortrag: „Es mag sein, daß jemand gegen den Bischof oder gegen die übrigen Mitglieder des Oberkirchenrats Bedenken hat, es geht aber fehl, wenn er meinen sollte, er könne diese Bedenken, statt sie in der gebotenen – kirchlich gebotenen! – Weise auszusprechen, nun aus voller Deckung in einer Erörterung über die Kirchenordnung zum Ausdruck bringen. Es mag sein, daß Menschen in unserer Kirche gegenüber dem Versuch der probeweisen Einführung der vollen Form des Gottesdienstes in einer stadtoldenburgischen Kirche Fragen und Zweifel haben. Es scheint wenig förderlich, wenn sie das in den Gesprächen über eine Kirchenordnung auch dort merken lassen, wo jede sachliche Verbindung zu diesen Fragen fehlt.“

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chen, weitere Vorträge und Diskussionen – nun über Einzelthemen – fanden im Januar 1948 statt155. Bei näherem Hinsehen erkennt man unschwer eine differenzierte Verteidigung des „Anwalts in eigener Sache“156 Edo Osterloh: Die Gemeindewahlordnung schien ihm ein echtes Anliegen zu sein, auch wenn er ihren Erfolg, ihre „Bewährung“ keinesfalls für einen Automatismus hielt, sie also einer kritischen Überprüfung durchaus auszusetzen gedachte. Mit dem Einziehen der Mittelinstanz in die Organisation der Landeskirche verband er dagegen nur praktische Erwägungen. Eine übermäßige Machtfülle dieser Instanz, einen trennenden Riegel zwischen Gemeinden und Kirchenleitung lehnte er strikt ab, schon seine Bedenken gegen die Bezeichnung „Propst“ für das leitende Amt auf dieser Ebene machen deutlich, dass Osterloh hier keinesfalls eine Art von Regionalbischof installiert sehen wollte, an den Aufbau einer echten episkopalen Hierarchie also keinen Gedanken verschwendete. Dem folgen auch seine Ausführungen über das Bischofsamt, in denen er – nach der unstreitigen Anerkennung der Verwurzelung dieses Amtes in der Tradition der lutherischen Kirchen – fast ausschließlich auf seine seelsorgerlichen Aufgabenbereiche zu sprechen kam und eine hierarchische Überordnung etwa über die anderen Mitglieder des Oberkirchenrats verneinte. Diese Vorstellung vom Bischofsamt war doch deutlich unterschieden von der Stählins. Beachtet man außerdem, dass Osterloh zwar einen „Versuchsgottesdienst“ in der vollen Form verteidigte, es aber ansonsten vermied, zu den liturgisch-kultischen Vorstellungen Stählins Stellung zu nehmen, wird spürbar, wie wenig einheitlich die Anschauungen im Oberkirchenrat damals schon waren. Auch wenn Osterloh es weitgehend vermied, den Gegnern der Neuordnung direkte Argumente zu liefern, sind die „Sollbruchstellen“ im Verhältnis besonders zu Stählin hier schon zu erahnen. Die öffentliche Auseinandersetzung jedoch sollte sich mit der Klage des Pfarrers Carl Woebcken gegen seine Zurruhesetzung im Jahre 1947, die schließlich – mit Unterstützung des „Arbeitsausschusses“ – bis vor den Bundesgerichtshof ging, auf die rechtliche Grundlage der Tätigkeit des Oberkirchenrats seit Kriegsende verlagern157. Hier aber war Osterloh trotz seiner eigenen Bedenken gegen die Berufung auf die nationalsozialistische Gesetzgebung fest an der Seite 155 Am 15. 1. sprach Heinrich Höpken über „Die Gemeinde und das qualifizierte Wahlrecht“, am 22. 1. Hans Schmidt über „Das Bischofsamt in der evangelischen Kirche“ und am 29. 1. Wilhelm Wilkens (damals Pfarrer in Oldenburg-Osternburg) über „Die Gestalt des Gottesdienstes“. Die sich jeweils anschließenden Diskussionen leitete Edo Osterloh und antwortete dabei „auf alle Fragen und Einwände mit großer Ausführlichkeit“ (vgl. Art. „Gespräch über die Kirchenordnung“, in: OlSbl., Nr. 7, 15. 2. 1948). 156 So R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 770. 157 Vgl. P. ZOCHER, Neuordnung, S. 76ff.

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seiner Oberkirchenratskollegen. Das letztinstanzliche Urteil des Bundesgerichtshofs wies die Klage gegen den Oberkirchenrat ab. Es lehnte eine Entscheidung darüber, ob die Berufung auf die NS-Gesetzgebung nun rechtens war oder nicht, jedoch ab und verwies auf die weitgehende Autonomie der Körperschaft Kirche. Es sei staatlichen Instanzen prinzipiell nicht erlaubt, die Rechtsauffassung der Kirche in internen Angelegenheiten in Frage zu stellen, soweit sie in deren zuständigen Gremien als ordnungsgemäß betrachtet werde158. Diese Urteilsbegründung verdeutlicht, warum die gleich zu Beginn seiner Tätigkeit vom „Arbeitsausschuß für Kirchensachen“ getroffene Entscheidung, nicht in den neu gebildeten Gremien der Landeskirche mitzuarbeiten, deren korrektes Zustandekommen man anzweifelte, juristisch schon den Keim der Erfolglosigkeit in sich trug. Aber auch davon abgesehen hat diese selbst auferlegte Abstinenz wohl eher kontraproduktiv gewirkt, selbst wenn etwas von den Argumenten des Ausschusses sicher bei einigen Abänderungen am ersten Entwurf der Kirchenordnung eine Rolle gespielt haben wird: Kritische Stimmen kamen so an die Synode nur von außen heran, was immer zu einer Stärkung der Solidarität derjenigen untereinander führt, die in den zuständigen Gremien mitarbeiten. Dadurch aber wurden Vorbehalte gegenüber dem Vorgehen des Oberkirchenrats, die sicher auch bei einigen Synodalen vorhanden waren, eher geschwächt als gestärkt. Bedenkt man weiter, wie schnell einige der Neuerungen der Kirchenordnung wieder abgeschwächt wurden, weil sie sich im traditionell liberalen und „unkirchlichen“ Oldenburg eben nicht auf Dauer durchsetzen ließen, wird man wohl vermuten dürfen, dass etwa ein Heinrich Tilemann mit einigen seiner Mitstreiter in der Synode wesentlich mehr hätte bewirken können. Bis heute richtungweisend – und gerade heute wieder hochaktuell – war die Ablehnung eines Beitritts Oldenburgs zur VELKD. Stählin, Kloppenburg, Ehlers und Osterloh begründeten diese Entscheidung 1947 in einer 15seitigen Erklärung159, in der Osterlohs Zweifel am Sinn des Landeskirchentums ebenso anklingen wie seine Hochschätzung der Barmer Theologischen Erklärung, wenn erläutert wird, warum ein konfessioneller Zusammenschluss nach Art der VELKD nicht mehr opportun sei: Er gefährde die Gemeinsamkeit des Glaubens und Bekennens, die sich in Barmen zwischen Lutheranern und Reformierten erwiesen und nun unter dem Dach der EKD ihre Fortsetzung gefunden habe. Es sei auch nicht dem lutherischen Verständnis von Kirche gemäß, die Zugehörigkeit zur lutherischen Kirche nach territorialen Gesichtspunkten zu definieren; durch 158

Vollständiger Abdruck des Urteils: EBD., S. 119–126. ZUR FRAGE DER ‚VEREINIGTEN EVANGELISCH-LUTHERISCHEN KIRCHE DEUTSCHLANDS‘ (1947). Hieraus auch die folgenden Zitate. 159

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die konfessionelle Zersplitterung in Folge von Krieg und Vertreibung entspreche dies zudem der Realität weniger denn je. Schon der Wegfall des landesherrlichen Summepiskopats und spätestens die Auflösung der alten Länder hätten dem Landeskirchentum seine innere Berechtigung genommen. Lutherische Kirche wird, auch hier ein Anklang an die Wertschätzung der Basisarbeit in der Gemeinde durch Osterloh während des Krieges, so definiert: „Wo das Evangelium nach lutherischem Verständnis lauter und rein gepredigt wird, und wo die Sakramente nach lutherischem Verständnis rein und recht verwaltet werden, da ist lutherische Kirche“,

woraus sich ergibt: „[E]s darf nicht die Frage irgendeiner Verfassung sein, ob solche lutherischen Gemeinden und Kirchen zum ‚Beitritt‘ zu einer lutherischen Kirche aufgefordert werden oder nicht. Eine lutherische Kirche, die nicht den wirklichen Konfessionsstand der Gemeinde, sondern die geographische Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kirchengebiet zum Maßstab macht, ist gerade in der Art dieser ihrer Entstehung nicht wirklich lutherisch.“

Schließlich sprechen sich die Verfasser für eine Stärkung der EKD aus, die nicht ein bloßer Kirchenbund sein dürfe. Sie verweisen darauf, welche Bedeutung es gerade gegenüber der Ökumene habe, dass die EKD als Kirche anerkannt werde, was durch die Entstehung konfessionell definierter Zusammenschlüsse innerhalb der EKD unterlaufen werde160.

4.4.2 Schulreferent der oldenburgischen Landeskirche Mit dem Schulreferat hatte Osterloh die Aufgabe übernommen, die ihn in den folgenden Jahren am meisten beschäftigen sollte. Mit dem Thema „Schule“ wurde er schnell identifiziert und zunächst im norddeutschen Raum, bald auch bundesweit als einer der kompetentesten evangelischen Sprecher zu Schulthemen anerkannt. Das Verhältnis von Schule und Kirche in Oldenburg nach 1945 ist bisher noch nicht umfassend und wissenschaftlichen Ansprüchen voll genügend untersucht worden. Die ersten Aufsätze zum Thema von Hans Schmidt bzw. Klaus Stein sind sehr persönlich gehaltene Rückblicke Beteiligter, die wissenschaftlichen Anspruch nicht erhoben161.

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Die Erklärung – lange Jahre „weithin unbekannt und ohne Resonanz geblieben“ (R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 761) – fand jüngst im Zuge der Diskussion um die Reform der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse und zur Zukunft der EKD erneut eine positive Würdigung im „Statement zum EKD-Studientag am 19. Oktober 2002 in Oldenburg“ von Bischof Peter Krug. 161 H. SCHMIDT, Kirche und Schule; K. STEIN, Religionsunterricht.

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Danach litt auch hier die Forschung unter dem allgemeinen Desinteresse an der Nachkriegskirchengeschichte Oldenburgs, bevor es seit Mitte der 1980er Jahre zur Publikation einiger interessanter, aber sehr spezifischer Artikel vor allem aus pädadogisch-schulgeschichtlichem Blickwinkel kam, in denen die Kirche nur am Rande auftaucht, ohne dass über einen eigenen, konstruktiven Beitrag dieser Seite viele Worte verloren werden162. Die katholische Kirchengeschichtsschreibung zum Thema konzentriert sich stark auf den Kampf um die Konfessionsschule in Niedersachsen. Oldenburg taucht hier zumeist als der glückliche Ausnahmefall auf, weil die Volksschulen dort in der Regel wieder als Konfessionsschulen eingerichtet wurden, und man diesen Zustand auch lange nach dem Aufgehen Oldenburgs in Niedersachsen nicht antastete163. In überblicksartigen Darstellungen zur Schulpolitik in Niedersachsen werden die Oldenburger Besonderheiten allenfalls kurz erwähnt, die Rolle der Kirchen aber weitgehend ausgeklammert164. Eine löbliche Ausnahme stellt dar Christian Simons leider nur entlegen publizierte Dissertation „Die Evangelischen Kirchen und das Volksschulwesen in Niedersachsen 1945 bis 1955“, in der er den oldenburgischen Gegebenheiten einen eigenen Abschnitt widmet und dabei auch die Rolle Osterlohs zu würdigen weiß165. Für das entsprechende Kapitel der ansonsten äußerst inhaltsreichen Gesamtdarstellung von Sebastian Müller-Rolli über die Evangelische Schulpolitik dagegen ist die Situation in Oldenburg nur einen Satz in einer Fußnote wert166. Innerhalb der großen Werke zur Landes- bzw. Kirchengeschichte Oldenburgs erfährt das Thema „Kirche und Schule nach 1945“ eine sehr unterschiedliche Behandlung. Während Rolf Schäfer167 sich in seiner Darstellung darauf beschränkt, in zwei Absätzen zu erläutern, warum es in Oldenburg nicht zur Gründung von Gemeinschaftsschulen kam, widmet Reinhard Rittner diesem Komplex in einem eigenen Unterabschnitt nicht weniger als fünf Seiten168, bringt darin aber keinen brauchbaren Abriss der Entwicklungen, sondern berichtet weit überwiegend von der Auseinandersetzung, die sich an Osterlohs recht theoretischer Schrift „Schule und Kirche“ entzündete169. Die auch hier somit notwendige Nachzeichnung schon des bloßen Ablaufes der Ereignisse mit Hilfe von Archivmaterial kann sich glücklicherweise auf reiche Bestände im nie162 Vgl. u. a.: CHR. REENTS, Neubeginn; H. GÜNTHER-ARNDT, Lehrerseminar; DIES., Schulen. – Auszunehmen von dieser Kritik ist H. SCHIRMER, Schule; in diesem jüngst erschienenen Aufsatz ist aus Volksschullehrer-Sicht das Verhältnis von Schule und Kirche in der Nachkriegszeit skizziert, dabei wird Vertretern und Konzepten aus dem kirchlichen Bereich durchaus Raum gegeben, auch wenn der Autor gewissen, sich wohl aus dem Blickwinkel ergebenden Perspektivverengungen nicht ganz entgeht. 163 J. KUROPKA, Minderheit, scheut sich nicht, angesichts der skizzierten Auseinandersetzungen die zeitgenössische Zeitungsüberschrift „Niedersachsen vor einem Kulturkampf“ zu zitieren (EBD., S. 200 bzw. 205), was einmal mehr die Zweifelhaftigkeit vorschneller historischer Vergleiche aufzeigt. Vgl. auch DERS., Die katholische Kirche, bes. S. 624–627. 164 Vgl. H. MORAWIETZ, 50 Jahre Schulpolitik; B. LINKE, Rückkehr; H. HACKER, Grundlegende Bildung. 165 CHR. SIMON, Kirchen, S. 162–171. 166 S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 372, Anm. 92. 167 R. SCHÄFER, Kirchen, S. 836. 168 R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 762–767. 169 Vgl. dazu unten S. 177–190.

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dersächsischen Staatsarchiv, Abt. Oldenburg, und im Archiv des Ev.-luth. Oberkirchenrats stützen, in Letzterem besonders auf die Handakten Hans Schmidts170.

4.4.2.1 Das Verhältnis von Schule und Kirche in Oldenburg bis 1945 Das Thema „Schule und Kirche“ war in Oldenburg auf beiden Seiten schwer vorbelastet. Die Lehrer, insbesondere die Volksschullehrer, litten immer noch unter dem Trauma der geistlichen Schulaufsicht aus großherzoglichen Zeiten. Hatten sie gehofft, die neue Republik werde die Kirche ganz aus der Schule verbannen, sahen sie sich durch die kirchenfreundlichen Regelungen der Weimarer Reichsverfassung und die Entwicklung im Lande Oldenburg darin getäuscht. Der Religionsunterricht blieb ordentliches Lehrfach an den Schulen und war in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der entsprechenden Religionsgemeinschaft, also unter deren Einfluss, zu erteilen. Das Volksschulwesen in Oldenburg blieb konfessionell ausgerichtet, und zum Religionsunterricht verfügte § 24 der Verfassung des Freistaates: „Der Religionsunterricht in den katholischen Schulen wird von der katholischen Kirche überwacht. Für den evangelischen Religionsunterricht ist ein Zusammenwirken von Kirche und Schule durch einen Ausschuß sicherzustellen, an dem evangelische Geistliche beteiligt sind.“171

Gegenseitiges Misstrauen und grundsätzliche Bedenken172 verzögerten die Einsetzung dieses Sachverständigenausschusses, belasteten seine Beratungen und führten trotz der recht schnell vorgelegten und ausgewogenen Richtlinien für den Religionsunterricht vom 1. Juni 1922173 immer wieder zu schweren Verstimmungen bei Lehrern und Kirchenvertretern174. Auf Drängen des Oberkirchen170

Vgl. dazu oben S. 123, Anm. 8. Die Abbildung eines Auszuges aus der Verfassung, der die staatskirchenrechtlichen Regelungen beinhaltet, bietet R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 671. Zu den Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung vgl. L. RICHTER, Kirche und Schule, bes. S. 639–672. 172 Während der Oberkirchenrat im Verfassungsentwurf von 1920 den Anspruch erhob, über die Erteilung des Religionsunterrichts zu „wachen“ (§ 119, 3, in der endgültigen Fassung [§ 105, 3 der Kirchenverfassung] semantisch abgemildert; vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 672f.), setzte der langjährige Vorsitzende des Oldenburger Landeslehrervereins, Wilhelm Schwecke, dagegen: „Das ist es ja gerade, was wir nicht wollen und was wir als Schulmänner nie zugeben können. Für den Religionsunterricht der Schule müssen unter allen Umständen die Bedürfnisse der Kinderseele maß- und richtungsgebend sein, die Bedürfnisse der Kirche dagegen können und müssen im Konfirmandenunterricht zu Raum kommen“ (DERS., Stellungnahme zum Religionsunterricht, in: Oldenburgisches Schulblatt 45, 1920, S. 203, zit. n. H. SCHIRMER, Volksschullehrer, S. 51). 173 Abdruck: H. SCHIRMER, Volksschullehrer, Anlage 1. 174 Auseinandersetzungen flammten verstärkt 1925 im Anschluss an Gemeindevisitationen durch den Oberkirchenrat auf. Zum Teil waren dabei erschreckende Wissensdefizite bei Konfirmanden, aber auch 171

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rats, aber auch der oberen Schulbehörden, die weiteren Ärger vermeiden wollten, sollten schließlich „freiwillige“ Arbeitsgemeinschaften zwischen Volksschullehrern und Pfarrern vor Ort eingerichtet werden; wachsender Druck auf die Lehrer zur Erfüllung der kirchlichen Ansprüche an die Stoffvermittlung hielt ihr inneres Entgegenkommen aber in engen Grenzen175. Wie weit die Volksschullehrer Oldenburgs sich von der evangelischen Kirche entfremdet hatten, sollte sich mit der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten im Freistaat Oldenburg am 29. Mai 1932, erst recht nach Hitlers „Machtübernahme“ im Deutschen Reich herausstellen: Viel früher und häufiger als in anderen deutschen Ländern lehnten die Volksschullehrer die weitere Erteilung von Religionsunterricht ab und traten aus der Kirche aus176. Häufig waren sie es sogar, die vor Ort den Hauptanteil am Kirchenkampf gegen die Pfarrer der Bekennenden Kirche trugen177. Obwohl es keinerlei gesetzliche Grundlage gab, den konfessionellen Religionsunterricht aus der Schule zu verbannen, und dementsprechend kein Lehrer ernsthafte Konsequenzen zu befürchten gehabt hätte, erteilten im Land Oldenburg im Sommer 1942 nur noch sieben Lehrkräfte überhaupt Religionsunterricht178. 4.4.2.2 Die vergebene Chance zum Neubeginn im Jahre 1945 Von der Möglichkeit eines vorurteilslosen Neuanfangs auf dem Gebiet des Religionsunterrichts wie auch der Volksschule insgesamt konnte 1945 also keine Rede sein. Der Besatzungsmacht war in Oldenburg wie überall daran gelegen, den schulischen Bereich so schnell wie möglich wieder in Gang zu bringen, weshalb man auf ursprünglich angestrebte Reformen weitestgehend verzichtete und den Zustand vor 1933 wiederherstellte. Überhaupt funktionierende Schulen zu haben erschien schnell dringlicher als nach demokratischen Gesichtspunkten reformierte Schulen erst mühsam auf den Weg zu bringen. Für Oldenburg bebei Gemeindekirchenratsmitgliedern zu Tage getreten. Öffentlich monierte man daraufhin Versäumnisse des schulischen Religionsunterrichts und erweckte in Lehrerkreisen den Eindruck, diesen nun wieder stärker kontrollieren zu wollen. Vgl. hierzu die stark unterschiedlich akzentuierten Darstellungen von R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 673f., und H. SCHIRMER, Volksschullehrer, S. 61–84. 175 Vgl. H. SCHIRMER, Volksschullehrer, S. 85–95. Von einem „bewährten Muster“ der Beziehungen, das 1918/19 entwickelt worden sei (so R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 767), kann man nur aus Sicht der Kirche reden, die – wohl entgegen eigener Erwartung – mit Hilfe der kooperationswilligen staatlichen Instanzen nahezu alle ihre Vorstellungen durchsetzen konnte, auch ohne die Lehrerschaft zu überzeugen. Eingedenk der weiteren Entwicklung des Verhältnisses von Lehrerschaft und Kirche ist eine allzu positive Bewertung dieser Umstände jedoch zu hinterfragen. 176 Vgl. H. SCHIRMER, Volksschullehrer, S. 196–201. 177 Vgl. K.-L. SOMMER, Bekenntnisgemeinschaft, bes. S. 307–354. Beispiele bringt auch H. SCHIRMER, Volksschullehrer, u. a. S. 288–292. Gerade einen solchen Lehrer hatte man in einen Raum des Holler Pfarrhauses einquartiert (vgl. oben S. 148). 178 Vgl. H. SCHIRMER, Volksschullehrer, S. 311f.

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deutete dies die Rückkehr der konfessionell ausgerichteten Volksschulen, ohne dass es darum Auseinandersetzungen gab. Leitende Vertreter der Kirchen und des wieder etablierten Landes Oldenburg waren sich ohnehin einig, dass das alte oldenburgische Schulgesetz nach wie vor in Geltung stehe179. Die Auseinandersetzung um „Bekenntnisschule oder Gemeinschaftsschule“, die in anderen Ländern und nach seiner Gründung auch im restlichen Niedersachsen die Beziehungen zwischen Staat und Kirche sowie Lehrerschaft und Kirche nachhaltig bestimmte, war also in Oldenburg von vornherein entschieden. Dabei trug der Oberkirchenrat den faktischen Gegebenheiten durchaus Rechnung. Seit Kriegsende hatte infolge des Flüchtlingsstroms die Größe der konfessionellen Minderheit in den katholisch bzw. evangelisch dominierten Teilen des Landes deutlich zugenommen, war aber trotzdem nicht so groß, dass ihr Anteil an der Bevölkerung in vielen kleineren Orten für den Aufbau einer eigenen Volksschule ausreichend gewesen wäre. Man versicherte daher schon früh, dass man nicht daran denke, konfessionell „reine“ Schulen zu fordern180. Das Hauptaugenmerk konnte der Oberkirchenrat daher von Anfang an auf den Neuaufbau des Religionsunterrichtes legen. Dabei ging es zunächst ganz formal um eine ausreichende Versorgung der Schulen mit Lehrern, die herzustellen schon schwierig genug war. Außer der massiven Austrittswelle hatten gezielte Versetzungen evangelischer Lehrer in den katholischen Süden des Landes und umgekehrt, die Kriegsverluste auch unter Volksschullehrern und schließlich die einsetzende Entnazifizierung181 für einen spürbaren Mangel an geeig179 Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 164f. R. SCHÄFER, Kirchen, S. 836, stellt fest, es habe an der bei Politikern und Kirchen gleich starken Ablehnung nationalsozialistischer Schulpolitik gelegen, dass „die Wiederbelebung der Konfessionsschule geradezu als natürlich erschien“. Einschränkend muss bedacht werden, dass die Entscheidungen zunächst bei den Besatzungsmächten lagen, die eher formal vorgingen und den zuständigen deutschen Stellen weitgehend freie Hand ließen. Deren Leiter aber rekrutierten sich vorwiegend aus den wenigen nicht belasteten Eliten, die auch schon vor 1933 entsprechend tätig waren. Wo es vor 1933 Gemeinschaftsschulen gab, wurden diese deshalb ebenso „natürlich“ nach 1945 wieder eingerichtet wie in Oldenburg die Konfessionsschulen. Übrigens gab es eben auch in Oldenburg durchaus Stimmen – nur eben nicht an leitender Stelle der Politik oder der Kirche –, denen die Wiedereinrichtung der Bekenntnisschulen überhaupt nicht „natürlich“ erschien, wie sich in der weiteren Auseinandersetzung zeigen sollte. 180 In einem Aktenvermerk teilte Osterloh am 13. 1. 1947 mit, seitens des Oberkirchenrates sei schon anlässlich der von der Militärregierung auch für Oldenburg geforderten Schulabstimmung, die im Einvernehmen mit dem Ministerium unter Verweis auf das geltende Schulgesetz abgelehnt wurde, zum Ausdruck gebracht worden, „daß die Durchführung einer Bekenntnisschule im strengen Sinne in Oldenburg nicht möglich sei und auch von uns nicht gefordert werde“ (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 6). Zur Schulabstimmung in Niedersachsen vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 214–236. 181 Die Überprüfung der Lehrer – Voraussetzung der Militärregierung für eine Wiedereröffnung der Schulen – begann schon Anfang Juli. Tantzen selbst hatte angeregt, „bei der Auswahl der Lehrkräfte auch die Erfahrungen der Geistlichkeit nutzbar“ zu machen (Schreiben Nr. IV 2980 an den Oberkirchenrat vom 5. 7. 1945), was Stählin aufgriff und hinsichtlich des Kirchlichen Unterrichts um die Bitte

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neten Kräften gesorgt182. Die Einschaltung der Kirche in die Auswahl der Lehrer für den Religionsunterricht und die Art und Weise, in der besonders Stählin, aber auch einige Pfarrer diese Beteiligung ausübten – nämlich mitunter ohne Rücksprache mit staatlichen Instanzen, zum Teil auch unter Hinzuziehung von nicht autorisierten Dritten –, führten zu Verstimmungen und Protesten, die eine schnelle Bewältigung dieses Problems erschwerten183. Andererseits gab es für das Anliegen der Kirche in den ersten Monaten nach dem Krieg eine große Resonanz in Lehrerkreisen. Hier spielte die starke Verunsicherung nach dem völligen Zusammenbruch der nationalsozialistischen Ideologie, der man sich begeistert angeschlossen hatte, ebenso eine Rolle wie sicher auch der Wunsch, sich von diesem katastrophalen Irrtum durch die einzig verbliebene moralische Instanz „reinwaschen“ zu lassen184. So war die mangelnde Zahl der Lehrer bald nicht mehr das größte Problem, das Ministerium für Kirchen und Schulen konnte dem Oberkirchenrat schon am 10. Dezember 1945 eine flächendeckende Versorgung mit Lehrkräften bestätigen, machte allerdings eine gewichtige Einschränkung: „Von allen Schulräten wird bestätigt, dass überall christliche Unterweisung erteilt wird, mindestens 1 Stunde in der Woche. Es wird überall angestrebt, mindestens 2 Wochenstunden zu erteilen. Hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung soll noch viel Unklarheit bestehen. Auch die Geistlichen sollen sich vielfach noch kein rechtes Bild machen können. Aufklärende Arbeit ist also sehr notwendig.“185

Zum Neuaufbau gehörte nämlich in Oldenburg wie anderswo auch ein völlig neuartiger Unterricht, die Evangelische oder Christliche Unterweisung, deren Grundzüge von Gerhard Bohne und Oskar Hammelsbeck bereits in den 1930er Jahren erarbeitet worden waren, bevor Helmuth Kittel diese Überlegungen zu einem vollständigen Konzept entwickelte186. In Aufnahme der Theologie Karl Barths und als Reaktion auf den Kirchenkampf wurde an die Stelle des hererweiterte, „dass in erster Linie die Kirche Vorschläge für die Auswahl der mit dieser Unterweisung zu betrauenden Lehrer und anderer Persönlichkeiten machen darf“ (Briefwechsel in: AELOKR OLDENBURG, A XIII-4.4, Bl. 1 u. 6). 182 Vgl. J. KUROPKA, Die katholische Kirche, S. 624; H. GÜNTHER-ARNDT, Schulen, S. 182. 183 In einem Bericht, den der Schulrat des Stadtkreises Oldenburg unter dem Datum des 26. 10. 1945 dem Staatsministerium vorlegte, sind entsprechende Eigenmächtigkeiten aufgelistet (NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 753f.). 184 Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 167. Entsprechende Gesuche von Lehrern finden sich in: AELOKR OLDENBURG, A XIV-26/I. 185 Schreiben vom 10. 12. 1945, als Entwurf mit dem Vermerk „Abgesandt 12. Dez. 1945“ in: NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 790. 186 Grundlegende Quellen: G. BOHNE, Wort; O. HAMMELSBECK, Unterricht; H. KITTEL, Religionsunterricht; M. RANG, Unterricht. Vgl. auch: K. FRÖR, Art. „Kirchliche Unterweisung II.“; EVANGELISCHER RELIGIONSUNTERRICHT IN EINER SÄKULARISIERTEN GESELLSCHAFT, bes. S. 9–82; G. LÄMMERMANN, Religi-

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kömmlichen Religionsunterrichts, dem man vorwarf, den christlichen Glauben zu einem leblosen Lehrgegenstand gemacht zu haben, eine Unterweisung gesetzt, deren Auftrag sich nicht aus der Schule, sondern aus der Gemeinde herleitete. Man wandte sich gegen die Einordnung in den verobjektivierenden Lehrbetrieb und strebte statt dessen als „Kirche in der Schule“ (Martin Rang) die Eingliederung der Schüler als aktive Glieder in das Leben der christlichen Gemeinde an. Entsprechend war der Lehrer in diesem Konzept nicht nur Staatsbeamter, sondern hatte ein kirchliches Amt inne, zu dem er bevollmächtigt werden musste. Weit mehr als normaler Unterricht, von dem sie sich schon durch die liturgische Gestaltung der Stunden187 abhob, war Evangelische Unterweisung Verkündigung. Es überrascht nicht, dass Osterloh diesem vom Kirchenkampf geprägten Konzept zuneigte188. Aber hier ergaben sich auch Berührungen zur Theologie Wilhelm Stählins, der sich bereits 1942 sehr ähnlich zum Thema geäußert hatte189. Darüber hinaus muss im Blick auf die jüngst wieder zitierte Kritik Bultmanns190 an Osterlohs vehementer Verteidigung der Evangelischen Unterweisung darauf hingewiesen werden, dass sie nicht nur in Oldenburg, sondern in ganz Deutschland das religionspädagogische Konzept der Nachkriegszeit war. Bis weit in die 1950er Jahre hinein von der großen Mehrzahl auch der religionspädagogischen Fachleute vertreten, konnte man sich in Oldenburg bei der Einführung dieser Art von Unterricht damals auf der „sicheren Seite“ wähnen191. Dies umso mehr, onspädagogik, S. 62–94; K. WEGENAST, Art. „Religionspädagogik“, bes. S. 708–711; D. STOODT, Art. „Religionsunterricht“. 187 Vgl. für Oldenburg die schon im Sommer 1945 erarbeitete „Ordnung“, in der zu Beginn und am Ende jeder Stunde ein möglichst im Wechsel zu singendes Psalmgebet, dazu zu Beginn ein Lied und noch ein Gebet, am Ende jeder Stunde ein Segen vorgeschlagen sind (ein Exemplar in: NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 738). 188 Hammelsbeck war ab 1937 Leiter des Katechetischen Seminars der Bekennenden Kirche. Lämmermann bezeichnet ihn als „Schulmann der Bekennenden Kirche“ und als einzig „wirklichen Oppositionellen“ unter den genannten Religionspädagogen (G. LÄMMERMANN, Religionspädagogik, S. 66), aus Osterlohs gutem Verhältnis zu Bohne erwuchs 1960 ein Beitrag in der Festschrift zu dessen 65. Geburtstag (E. OSTERLOH, Aufgabe [1960]). 189 „Alle Unterweisung in den gesunden Zeiten der Kirche stand im engsten Zusammenhang mit dem gottesdienstlichen Leben, mit dem Gebet und Sakrament der Kirche, und sie wollte zugleich dazu helfen, das eigene Leben aus den Kräften der göttlichen Welt heraus zu leben; sie diente der Einübung in das Leben der Kirche und in ein persönliches Leben der Heiligung. Wenn man die lehrhafte Unterweisung aus diesem doppelten Zusammenhang, aus dem geistlichen Raum und der darin erwachsenden Verpflichtung herauslöst, entsteht das, was wir ‚Religionsunterricht‘ genannt haben“ (W. STÄHLIN, Kirche, S. 59). 190 Vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 764ff. 191 Horst Gloy konstatiert rückblickend den „durchschlagenden Erfolg“ der Evangelischen Unterweisung nach 1945, deren Forderungen „die ersten Jahrgänge der wiedererscheinenden Zeitschriften nahezu unangefochten beherrschte[n]“ (EVANGELISCHER RELIGIONSUNTERRICHT IN EINER SÄKULARISIERTEN

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als schnell klar wurde, dass von staatlicher Seite dieser neue Ansatz nicht abgelehnt, sondern sogar ausdrücklich begrüßt wurde192. Damit aber baute sich nur wenige Monate nach Kriegsende in Oldenburg ein altbekannter Konflikt neu auf, dessen Frontlinien vielen vertraut erschienen: Die Lehrer nämlich waren vom neuen Konzept bei weitem nicht so angetan wie ihre vorgesetzten Behörden und der Oberkirchenrat. Sie verspürten ein grundsätzliches Unbehagen, quasi „Erfüllungsgehilfe“ der Kirche bei der inneren religiösen Entwicklung der Schüler zu sein, sie also nicht nur mit dem christlichen Glauben und seinen wesentlichen Inhalten bekannt zu machen, sondern diesen Glauben in ihnen zu wecken.193 Dazu kam Kritik am Vorgehen der Kirche, die das außerordentliche Wohlwollen der staatlichen Instanzen194 genutzt hatte, um sich große Mitsprache- und Aufsichtsrechte im Bereich der Christlichen Unterweisung zu sichern. Schon im Juli 1945 herrschte „vollstes Einvernehmen“ zwischen Schulbehörde und Oberkirchenrat über die Frage des Religionsunterrichts. Die „Leitung“ des Unterrichts sollte die Kirche haben und damit auch den Inhalt bestimmen, die „Aufsicht“ der Staat führen195. In enger Fühlungnahme mit Vertretern der Kirche wurde im Staatsministerium – gegen schon einsetGESELLSCHAFT, S. 12), und führt dies auf das Zusammentreffen verschiedener Faktoren zurück: In der Umbruchssituation der Nachkriegszeit sei die Hoffnung, Christentum und Kirche trügen u. a. durch ihren Religionsunterricht zur sittlichen und geistigen Erneuerung des Lebens bei, auf das neue, die Erfahrungen des Kirchenkampfes verarbeitende und damit „theologische und politisch glaubwürdige pädagogische Angebot der ‚E[vangelischen] U[nterweisung‘“ getroffen (EBD., S. 17). Vgl. auch G. LÄMMERMANN, Religionspädagogik, S. 67. 192 So hatte Ministerpräsident Tantzen der Kirche zunächst angeboten, die Auswahl der Lehrer, die für die Christliche Unterweisung geeignet schienen, selbst vorzunehmen (Brief Nr. IV 2980 an den evangelischen Oberkirchenrat vom 5. 7. 1945 (AELOKR OLDENBURG, A XIII-4.4). Im Entwurf einer Rundverfügung „an alle Lehrpersonen“ vom 5. 11. 1945 warb der Referent für das evangelische Schulwesen, Alfred Gramsch, wortreich auch inhaltlich für die Christliche Unterweisung: „Schule und Kirche wollen in der christlichen Unterweisung gemeinsam neue Wege öffnen in ein Land, das den Pfarrern zunächst noch ebenso unbekannt ist wie den Lehrern.“ Den Grundgedanken der Ausrichtung des Unterrichts am Kirchenjahr bezeichnete er als „genial“ und erläuterte die Abgrenzung vom normalen Unterricht fast schwärmerisch: „Eine Stunde christlicher Unterweisung soll die Würde und Wärme eines christlichen Miteinander atmen.“ Gramsch schloss seine „Erläuterung“: „Der Segen, der hier erwachsen kann, wird ein Segen sein für die ganze Schule“ (AELOKR OLDENBURG, A XIII-4.4). 193 Exponent dieser Kritik sollte Wilhelm Schwecke werden, der in seiner Schrift gegen Osterloh von einer „Art von höherem Küsterdienst“ sprach (W. SCHWECKE, Bemerkungen [siehe auch unten S. 180ff.], S. 7). 194 Ministerpräsident Tantzen sprach sich selbst für eine „Erneuerung der Schulen im christlichen Geist“ aus (H. GÜNTHER-ARNDT, Schulen, S. 180). Dr. Alfred Gramsch (vgl. oben Anm. 192) hatte 1937 schriftlich beim Oberkirchenrat gegen die Versetzung Kloppenburgs in den Ruhestand protestiert und war 1945 Synodaler, später Präsident der Synode (vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 742 mit Anm. 207). 195 Vgl. den Tantzen vorgelegten Vermerk über eine Besprechung zwischen Stählin, Kloppenburg, Gramsch und Oberschulrat Stukenberg vom 28. 7. 1945 (NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 731).

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zende Klagen von einzelnen Schulräten und Lehrern – in mehreren Schritten die Rolle der evangelischen Kirche bei der Erteilung der Christlichen Unterweisung definiert196. Vorläufiger Schlusspunkt dieser Entwicklung war die Anweisung an alle Schulräte vom 2. Oktober 1945, in der es hieß: „Unter Leitung des Religionsunterrichtes durch die Kirche ist zu verstehen, daß a) die Kirche die Lehrpläne vorlegt; b) die Einführung neuer Lehrbücher für die christliche Unterweisung der vorherigen Zustimmung der kirchlichen Behörde bedarf; c) die Kirche die Lehrkräfte durch Anweisung, gegebf. auch durch Konferenzen für ihre Arbeit rüstet; d) der Kreisbeauftragte der Kirche die christliche Unterweisung besuchen darf, nach Möglichkeit gemeinsam mit dem Schulrat; e) Anordnungen über die Art der Zeugniserteilung der Kirche überlassen bleiben.“197

Weiter wurde bestimmt: „Die Auswahl der Lehrkräfte für die christliche Unterweisung (Lehr- und Laienkräfte) erfolgt in gemeinsamer Beratung zwischen Kreisschulrat und dem Kreisbeauftragten der Kirche […]. Vorschläge, über die keine Einigung erzielt wird, gelten als abgelehnt.“198

Viele Lehrer sahen ihre grundsätzlichen Bedenken durch die Art und Weise, in der Amtsträger der Kirche mit ihnen umgingen, bestätigt. Ihre Bedenken bündelten sich in einem Bericht Franz Kiesewetters über lange Besprechungen des Religionsausschusses der Lehrerschaft der Stadt Oldenburg mit Stählin und Kloppenburg im Dezember 1945 bzw. Januar 1946199. Neben den Eigenmächtigkeiten bei der Begutachtung und Beauftragung der Lehrkräfte, die sie z. B. in Hannover „wesentlich anders und für die Lehrerschaft in entgegenkommenderer Weise geregelt“ sahen200, monierten die Lehrer aus pädagogisch-methodischen Überlegungen heraus den Grundsatz, die Christliche Unterweisung alljährlich wiederkehrend am Kirchenjahr zu orientieren201. Kiesewetter führte die weit aus196 Die entsprechenden Gesprächsnotizen, Berichte, Anweisungen und Eingaben sind dokumentiert in folgenden Aktenbeständen: NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194; AELOKR OLDENBURG, A XIII4.4; EBD., NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 15. 197 Beglaubigte Abschrift in: NdsStA Oldenburg, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 747. 198 EBD. 199 EBD., Bl. 817–820. 200 Kiesewetter vermerkte das Befremden der Lehrerschaft über das Procedere in Oldenburg angesichts von Nachrichten aus Hannover, „nach denen dort der Religionsunterricht sogleich nach Wiedereröffnung der Schulen aufgenommen worden sei, ohne daß von seiten der Kirche irgendwelche Bedingungen an die Lehrerschaft gestellt worden wären, als die, daß der Religionslehrer Mitglied der Kirche sein müsse“ (EBD., Bl. 818 R). 201 Dazu notierte Kiesewetter: „Drohen da nicht jene methodischen Grundsätze in etwas veränderter Gestalt in die Schulstube wieder einzuschleichen, denen wir schon vor mehr als 40 Jahren die Tür gewiesen haben, den ‚konzentrischen Kreisen‘, die im Gesinnungsunterricht am allerwenigsten am Platz sein

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einander gehenden Meinungen vielleicht nicht zu Unrecht darauf zurück, dass „der Pfarrer den darzustellenden Stoff in Auswahl, Anordnung und Behandlung viel zu sehr von der theologischen, kirchlichen, gottesdienstlichen Seite sieht, und wir ihn vom Kinde aus schauen und schauen müssen, wenn anders wir uns nicht selbst aufgeben wollen“202. Größter Kritikpunkt und nach Meinung der Lehrer ausschlaggebend für den schleppenden Beginn des neuartigen Unterrichts aber war das Fehlen eines verbindlichen und ausführlichen Stoffplanes. Die vom Oberkirchenrat verausgabten „Hilfen für den katechetischen Dienst“203 wurden als nicht geeignet angesehen, gegen einen von Rektor Kiesewetter ausgearbeiteten vorläufigen Stoffplan erhob der Oberkirchenrat Einspruch, weil ihm allein das Recht zustünde, einen Stoffplan zu erstellen. Dies aber, so wurde die andauernde Verzögerung begründet, beanspruche aufgrund der weitreichenden Bedeutung und Geltung, die ein solcher Plan erlangen würde, Zeit, Gründlichkeit und Bedachtsamkeit204. Im Gegensatz dazu war es in kürzester Zeit möglich gewesen, einen Entwurf für die liturgische Gestaltung der Christlichen Unterweisung vorzulegen205. Und später die „Ordnung der Einsegnung für das Amt der Christlichen Unterweisung“ vom 22. Januar 1946206, ohne Fühlungnahme mit dem Ministerium erstellt, was von diesem recht scharf gerügt wurde207. Für Außenstehende, und als solche fühlten sich die Lehrer ganz offenbar, konnte schon der Eindruck entstehen, das Äußerliche, das Demonstrieren und Ausspielen von Macht und Einfluss, sei wichtiger als die eigentliche inhaltliche Absicht. Jedenfalls waren diejenigen Lehrer, die der Christlichen Unterweisung aufgeschlossen gegenüberstanden, bei deren Umsetzung bis in das Jahr 1947 hinein weitgehend auf sich allein gestellt. Und wenn Stählin der Erklärung, dass dürften.“ Und weiter, eingehend auf den Umstand, dass die Kinder auf diese Weise in jedem Jahr wieder kurz etwas über bestimmte Personen der Bibel erfahren: „Wo bleibt das für den Erfolg des Unterrichts so wichtige Interesse am Neuen? Zum anderen: Lernt man eine Person nicht viel gründlicher kennen, wenn man einmal acht Tage mit ihr verkehrt, als wenn man in acht Jahren je einen Tag mit ihr zusammen verbringt?“ (EBD., Bl. 818 V). Die entsprechenden Grundgedanken hatte Stählin im Begleitschreiben zur ersten der seit November 1945 regelmäßig erscheinenden „Hilfen für den katechetischen Dienst“ formuliert (EBD., Bl. 776). 202 EBD., Bl. 819 V. 203 Zum GVbl. für die Landeskirche erschien schon 1945 eine „Amtliche Beilage: Hilfen für den katechetischen Dienst“, die allen denen, „die im Dienst der Christlichen Unterweisung mitwirken“, über die Schulverwaltung zugehen sollten, wie es im Begleitschreiben Stählins zur ersten Ausgabe hieß (Exemplare in: NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 776; AELOKR OLDENBURG, A XIV-25; Entwurf: AELOKR OLDENBURG, A XIII-10, Bl. 17f.). 204 Vgl. Kiesewetters Bericht (NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, hier Bl. 818 R bzw. 819 V). 205 Vgl. oben S. 168, Anm. 187. 206 GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil I, Bd. 13, Nr. 2 (16. 2. 1946), S. 11f. 207 NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 811.

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die „Hilfen für den katechetischen Dienst“ lediglich einen Rahmen für den Unterricht, keinen Lehrplan boten, den Satz anschloss: „Wie der Stoff den einzelnen Altersstufen entsprechend ausgewählt und gestaltet werden soll, bleibt als hohe Aufgabe der schulmeisterlichen Kunst und Einfühlungskraft überlassen“208, dann konnten betroffene Lehrer dies entweder nur als Hohn empfinden oder sich wundern über die Leichtigkeit, mit der eine Institution, die ihren Anspruch auf die inhaltliche Aufsicht über die Christliche Unterweisung so vehement einklagte, die aus diesem Anspruch resultierende Bringschuld ausgerechnet auf diejenigen abwälzte, die sie vom Sinn der Christlichen Unterweisung eigentlich erst überzeugen wollte. Kein Wunder also, dass es mit der Umsetzung im tatsächlichen Unterricht oft haperte209. Aber nicht nur die Lehrerschaft bemerkte die Schwierigkeiten, auch Stählin selbst stellte nach einem Bericht210 in der Sitzung der Kreisbeauftragten für christliche Erziehung am 20. Februar 1947 resümierend fest: „Die geleistete Arbeit (Arbeitsgemeinschaften zwischen Pastoren und Lehrern, Lehrerfreizeiten, Lehrgänge) hat im Ganzen gesehen noch verhältnismässig wenig Erfolg gehabt. Wachsender Widerstand der Lehrerschaft und der staatlichen Schulverwaltung. Inhalt der christlichen Unterweisung entspricht nicht dem, was die Kirche fordern muss. Arbeitsgemeinschaften zwischen Lehrern und Pastoren sind langsam in Gang gekommen. Visitationen sind mit Ausnahme von Vechta noch nicht durchgeführt worden. Alternative: entweder Kapitulation vor offenem Widerstand und christlichem Humanismus, oder aber Inangriffnahme dessen, was zu tun nötig ist.“

Ausgehend von der für die Kirche äußerst günstigen Situation des Jahres 1945 kann man ein solches Fazit nach fast eineinhalb Jahren der Bemühungen nur als niederschmetternd bezeichnen211. Das tun, „was zu tun nötig ist“, das sollte von nun an im Wesentlichen Edo Osterloh übernehmen. 208

Zit. aus der Erläuterung zu den „Hilfen für den katechetischen Dienst“ (vgl. oben Anm. 203). Dies belegen u. a. Berichte über den 1. katechetischen Lehrgang im Seminar am Quellenweg vom 17. 1. 1947 (Reinhard Mumm) und über die „katechetische Arbeit in Einswarden“ vom 3. 10. 1946 (Ludwig Bultmann). Klagte Mumm, unter der Chiffre „Christliche Unterweisung“ werde häufig der gewöhnliche alte Religionsunterricht erteilt, berichtete Bultmann von einer Anordnung des Schulamtes Wesermarsch, nach welcher der alte Lehrplan von 1928 weiterhin gültig wäre. Beide konnten aber auch positive Beispiele gelingenden Unterrichts beibringen (beide Berichte in: AELOKR OLDENBURG, A XIII-10). 210 AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 21. 211 Stählin spricht in seinen Lebenserinnerungen in Bezug auf die Einsegnungsordnung und die liturgische Gestaltung der Stunden von einem „Schlag ins Wasser“. Die „revolutionäre Idee“ der Bindung der Christlichen Unterweisung an das Kirchenjahr sei nirgendwo „in nennenswertem Maße durchgeführt worden“. Nach einer nur kurzen Übergangszeit hätten die Lehrer nicht mehr daran gedacht, die Erteilung des Religionsunterrichtes „als ein kirchliches Amt zu verstehen und auszuüben“, und sich gegen das Recht der Kirche zur Einsichtnahme gewehrt. Der Kirche wiederum habe es aber auch an geeigneten Persönlichkeiten für die Aufgabe auf Kreisebene gefehlt (W. STÄHLIN, Via Vitae, S. 458–461). 209

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4.4.2.3 Osterlohs Neuansatz Osterloh ging diese Aufgabe auf seine Art und Weise, nämlich konsequent und systematisch an. Er konzentrierte seine Bemühungen nicht so sehr auf die führenden Vertreter der Lehrerschaft, die ohnehin in ihrer kritischen Haltung verharrten, sondern begann eine Art Basisarbeit, deren Anfänge schon in seinen regelmäßigen Vorlesungen an der im Herbst 1945 eröffneten Pädagogischen Akademie Oldenburg gelegt waren. Auf diese Weise gelang es ihm, mit jedem Jahrgang der kommenden Lehrerschaft Oldenburgs schon vor dessen Eintritt in den Schuldienst Kontakt aufzunehmen212. In der gleichen Sitzung, in der Stählin sein bitteres Resümee zog, stellte Osterloh als Basis seiner zukünftigen Arbeit die kurz zuvor durch den Oberkirchenrat einberufene Kammer für Erziehungsfragen213 vor, deren vier Arbeitskreise die Hauptfelder der weiteren Arbeit beschrieben: die Vorlage eines Lehr- und Stoffplans, die Vorbereitung von Unterrichtshilfen im weitesten Umfang, das Erarbeiten einer kirchlichen Stellungnahme zur Schulgesetzgebung in Niedersachsen und schließlich die Gründung eines „Bundes für evangelische Erziehung“ mit dem Ziel einer „Mobilisierung der Elternschaft“214. Auch Osterloh wird nicht ohne Vorbehalte an diese Aufgabe herangegangen sein, und der Umgang bestimmter Lehrer mit einem Kollegen wie Karl Prelle, als bekennender Christ einer der ganz wenigen oldenburgischen Volksschullehrer, der den Nationalsozialisten so kritisch gegenüberstand, dass diese ihn schließlich aus seinem Amt entfernten215, dürfte ihn in seiner Skepsis bestärkt haben. Denn Prelle, der sich nun u. a. in der Kammer für christliche Erziehung engagierte, half dem Kreisbeauftragten der Kirche z. B. bei der Beurteilung von Lehrern, 212 Der Direktor der Akademie, Dr. Karl-Eduard Hollweg, über Osterlohs Tätigkeit: „Oberkirchenrat Osterloh hat inzwischen seine zwölfstündige Gastvorlesung in dem Sonderlehrgang (III), der unser Haus zuerst wieder verlassen wird, begonnen. In Lehrgang II wird er sich nach den Weihnachtsferien für drei Wochen einsetzen, wenn Fräulein Dr. Ramsauer den Urlaub antritt, den sie wegen ihrer Erkrankung noch braucht. Sein Einsatz im Normallehrgang (I) wird erst später erfolgen, so daß er dann in jedem Lehrgang für kurze Zeit mit den Studierenden das Gespräch von Seiten der Kirche aufgenommen hat“ (Brief an das Staatsministerium, Abt. Kirchen und Schulen, vom 15. 11. 1946, in: AELOKR OLDENBURG, A XIII-10 [Hervorhebungen i. Orig. gesperrt]). Zu Dr. Helene Ramsauer, der ersten Dozentin für „Evangelische Religion und Methodik des evangelischen Religionsunterrichts“, vgl. CHR. REENTS, Neubeginn. 213 Die Kammer trat erstmals am 8. 2. 1947 zusammen, die oben skizzierte Aufteilung der Aufgaben auf verschiedene Arbeitskreise ging auf Osterloh zurück, wurde von der Kammer einstimmig gebilligt und schon am 10. 2. vom Oberkirchenrat genehmigt. Der Kammer gehörten u. a. Ministerialrat Dr. Gramsch, der Direktor der Pädagogischen Akademie, Dr. Hollweg, die dortige Dozentin Dr. Ramsauer, Hauptlehrer Karl Prelle und Pfarrer Dr. Hans Schmidt an; vgl. GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Teil II, Nr. 5 (30. 5. 1947), S. 32. 214 Vgl. unten in diesem Abschnitt. 215 Vgl. H. SCHIRMER, Volksschullehrer, S. 264–275.

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die sich als Lehrkraft für Christliche Unterweisung beworben hatten, und war damit auf so große Vorbehalte gestoßen, dass sich der Schulrat ausdrücklich gegen seine Verwendung in dieser Funktion aussprach216. Kein Ruhmesblatt in der Geschichte der oldenburgischen Lehrerschaft, und ein wacher Beobachter wie Edo Osterloh konnte so sicher Zweifel an der Aufrichtigkeit des Wunsches nach Zusammenarbeit mit der Kirche bekommen. Jedenfalls verfolgte Osterloh ganz offensichtlich die Strategie, durch die Heranführung der Jung-Lehrer an die Christliche Unterweisung bei gleichzeitigem Aufbau einer die Interessen der Kirche offensiv vertretenden Elternschaft den „alten“ Lehrern und insbesondere ihrer der Kirche sehr skeptisch gegenüberstehenden Interessenvertretung, dem Oldenburgischen Landeslehrerverein (VOLL)217, das Wasser abzugraben, sie als in dieser Frage nicht mehr die Mehrheit repräsentierend darzustellen. Deshalb bemühte er sich rastlos um den Aufbau der längst angestrebten Arbeitsgemeinschaften von Lehrern und Pfarrern vor Ort, die Fremdheit und Vorbehalte abbauen und das gegenseitige Verständnis fördern sollten. Er hielt zahlreiche Vorträge vor Eltern und Lehrern und war nach eigener Aussage zunächst dreiviertel seiner Arbeitszeit allein mit dieser Thematik beschäftigt218. Damit wie mit seinen Vorlesungen an der Pädagogischen Akademie wollte er die theologische Sachkenntnis auch der Lehrer verbessern helfen, denen das, was Osterloh in der ihm eigenen Art vortrug, manchmal neue Horizonte öffnete219, jedoch manches Mal auch fremd blieb220. Der Erfolg der Bemühungen blieb nicht aus. Schon im März 1947 gab Pastor Dr. Otto Schlißke die Gründung eines Arbeitskreises für Evangelische Erziehung in Oldenburg bekannt, dem bald ähnliche Einrichtungen im ganzen Land folgten, die zu besuchen Osterloh sich redlich bemühte221. Einen Vortrag vor evangelischen Eltern im südoldenburgischen Loh216 Vgl. den Bericht über die Lehrerauswahl für die Christliche Unterweisung in der Stadt Oldenburg, den Schulrat Jacobs mit Datum vom 26. 10. 1945 dem Staatsministerium vorlegte (NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 753f ); vgl. auch H. SCHIRMER, Schule, S. 154. 217 Zu Geschichte, Zielsetzung und Struktur des Landeslehrervereins vgl. HUNDERT JAHRE OLDENBURGISCHER LANDESLEHRERVEREIN; H. GÜNTHER-ARNDT, Volksschullehrer, bes. S. 19–22. 218 Vgl. oben S. 153, Anm. 129. 219 Als Beispiel sei der im OlSbl. veröffentlichte Dank des Sprechers der Studentenschaft der Pädagogischen Akademie Oldenburg, Peltner, an Stählin und Osterloh wiedergegeben: durch deren Wirken an der Akademie habe „eine große Zahl von Studierenden […] wieder Zugang zur christlichen Religion gefunden“. Dadurch seien „die schlimmen Folgen beseitigt worden, die ihre letzten Ursachen neben der eigenen menschlichen Unvollkommenheit in einem völlig unzureichenden Religionsunterricht der Schule und einem kultlosen Gottesdienst einer verweltlichten Kirche“ gehabt hätten (OlSbl., Nr. 5, 1. 2. 1948). 220 Vgl. H. SCHIRMER, Schule, S. 174. 221 Allein in OlSbl., Nr. 48, 14. 12. 1947, werden Besuche in Burhave und Westerstede kurz notiert, daneben noch ein Vortrag vor Lehrern und Lehrerinnen in Wilhelmshaven und ein Gemeindevortrag,

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ne hielt er am 12. Februar 1948 vor mehr als 200 Teilnehmern, im Anschluss referierte er vor der dortigen Lehrerarbeitsgemeinschaft über „Die Trinitätslehre und die Wundergeschichten der Bibel“222. Dass dieses Vorgehen die Position der Kirche verbesserte, zeigte sich deutlich an der zunehmenden Schärfe der Angriffe, die sich nun auch gegen Osterloh richteten223. Auch der Umstand, dass Rektor Kiesewetter in seinem Streben nach Minimierung des Kircheneinflusses auf die Schule nun gerade an der Seite Tilemanns auftrat224, des Repräsentanten jenes Kirchenregimentes, das die Volksschullehrer in ihrer eigenen Wahrnehmung in die Arme der Nationalsozialisten getrieben hatte, entbehrt nicht einer gewissen Komik und konnte damals wohl auch als Beleg dafür verstanden werden, dass die „andere Seite“ sich beinahe um jeden Preis um mehr Unterstützung bemühen zu müssen glaubte. Denn wer gemeint hatte, mit der Eingliederung Oldenburgs in das neue Land Niedersachsen werde sich die oldenburgische Gesetzgebung in Fragen der Bekenntnisschulen oder des Religionsunterrichtes von selbst erübrigen, sah sich getäuscht. Unter Adolf Grimme wie auch unter seinem Nachfolger Richard Voigt, wegen seiner größeren Nähe zur Programmatik der SPD in kirchlichen Kreisen zunächst gefürchtet225, wurden die Sonderregelungen Oldenburgs nicht angetastet, man schrieb sie im Gegenteil fort, z. T. bis weit in die 1960er Jahre hinein226. Die eindeutige Position der katholischen Kirche führte dabei zwangsläufig zur Erhaltung auch des evangelischen Bekenntnisschulwesens in Oldenburg. Gespräche mit Kultusbeamten aus Hannover verliefen so in einer recht freundlichen Atmosphäre, unter vier Augen sprach z. B. Ministerialrat Dr. Rönnebeck am 30. Oktober 1947 nach Osterlohs vertraulichem Aktenvermerk227 mit ihm offen auch verbunden mit dem Besuch des Arbeitskreises, in Burhave. Seine dem Vorwurf der Vernachlässigung des Religionsunterrichts entgegengehaltene Aussage vom November 1947, er kenne inzwischen beinahe jeden Lehrer der Christlichen Unterweisung im Lande persönlich („Gespräch über die Kirchenordnung“, in: OlSbl., Nr. 47, 7. 12. 1947; vgl. oben S. 159), erscheint durchaus glaubhaft. 222 OlSbl., Nr. 10, 7. 3. 1948. Zur Beurteilung der Teilnehmerzahl sei darauf verwiesen, dass Lohne erst 1948 eine eigene Pfarrstelle erhielt (vgl. DIE PREDIGER DES HERZOGTUMS OLDENBURG, S. 66). 223 Vgl. als Beispiel den Aufsatz von Emil Kraft: „Schulpolitik auf Gegenkurs“ (Nordwestdeutsche Rundschau, 5. 2. 1948), der Osterlohs Vorstellungen vornehmlich mit der Konnotation „mittelalterlich“ versah und sie in vermeintlichem Gegensatz zur Reichsverfassung sah, was Hermann Ehlers in seinem „Sonntagsspiegel“ gut drei Wochen später genüsslich widerlegte (OlSbl., Nr. 9, 29. 2. 1948). 224 Vgl. oben S. 159. 225 So wurde in einer Besprechung der Schulreferenten von Hannover, Braunschweig, Lippe und Oldenburg am 22.11.1948 behauptet, der Nachfolger Grimmes sei „erst kürzlich wieder in die Kirche eingetreten“ (Aktennotiz Osterlohs vom 23. 11. 1948, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 19). Zum Übergang von Grimme zu Voigt vgl. CHR. SIMON, Schule und Schulpolitik; DERS., Kirchen, S. 113–127; T. FRANKE, Anfänge, S. 149ff. 226 Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 170f. 227 „Aktenvermerk über Besprechung mit Ministerialrat Dr. Rönnebeck, Kultusministerium Hannover am 30.10.1947“, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 3.

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über Vorgänge in der Schulbürokratie und in der SPD, wohl in der Hoffnung, einen „strategischen Partner“ für die weitere Ausgestaltung des Schulwesen zu gewinnen, der nicht in einer ähnlich starren Haltung verblieb wie die katholische Kirche: „Das Kultusministerium geht davon aus, dass die römisch-katholische Kirche nicht auf den konfessionellen Charakter des Volksschulwesens verzichten wird. Dr. Rönnebeck persönlich glaubt nicht, dass in absehbarer Zeit ein Schulgesetz vom niedersächsischen Landtag verabschiedet werden kann. Er befürchtet, dass bei der Vorlage eines solchen Gesetzes das gegenwärtige Kabinett gestürzt werden würde. Aus verschiedenen Äusserungen muss man entnehmen, dass er folgende Ansicht vertritt: I. Der konfessionelle Charakter der katholischen Volksschule kann weder praktisch noch juristisch angetastet werden, da es dann zu einem öffentlichen Kampf mit der römisch-katholischen Kirche und zu einer eindeutigen Gegnerschaft zwischen SPD und Katholizismus kommt. II. Der juristische Charakter der konfessionellen evangelischen Volksschule wird voraussichtlich aus dem gleichen Grunde nicht offen verändert werden können. Faktisch hofft Dr. Rönnebeck, in stillschweigendem Einvernehmen mit den Kirchen Braunschweig, Lippe, Hannover und Oldenburg die konfessionelle evangelische Volksschule in eine christliche Gemeinschaftsschule verwandeln zu können. Dabei habe ich nicht die Überzeugung gewonnen, dass Dr. Rönnebeck eine auch nur annähernd klare Vorstellung von dem ‚christlichen Charakter‘ einer solchen Gemeinschaftsschule hat.“228

Zum in Oldenburg besonders sensiblen Problem der rechtlich fixierten Möglichkeit, dass Kreisbeauftragte der Kirche Einsicht in die Erteilung der Christlichen Unterweisung nehmen konnten, musste Osterloh sich vorsichtige Kritik gefallen lassen: „Dr. Rönnebeck betont, dass das Kultusministerium Wert auf Einvernehmen mit der Kirche legt, er hält aber die in Oldenburg durchgeführte Lösung auf dem Gebiet der Volksschulen für psychologisch unhaltbar im Blick auf die Geschichte der Landeslehrervereine.“229

Osterloh fasste seinen Eindruck dieses ersten Gesprächs mit Rönnebeck so zusammen: „Ich wurde persönlich ausserordentlich freundlich und entgegenkommend behandelt. Es wurde auch offen über die gesamtpolitische Lage und insbesondere über Bewegungen innerhalb der sozialdemokratischen Partei mit mir verhandelt. Ministerialrat Dr.

228

EBD. Zuvor hatte man unter anderem über die Frage verhandelt, welcher Schulrat für den zu besetzenden Posten eines Oberschulrats in Frage kommt. 229 EBD.

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Rönnebeck betonte, dass ihm an einer Fortsetzung dieser Aussprache läge, und dass er die nächste Gelegenheit ausnutzen werde, um nach Oldenburg zu kommen. Mein Gesamteindruck lässt mich befürchten, dass das Niedersächsische Kultusministerium kein klares inhaltliches Ziel verfolgt, insbesondere aber keineswegs entschlossen ist, sich wirklich dafür einzusetzen, dass der christlichen Kirche auf dem Gebiet der Kultur die ihrem Wesen entsprechende Wirkungsmöglichkeit seitens des Staates freigehalten wird.“230

Unter anderem aus dem Kontakt zum Kultusministerium Hannover zog Osterloh interessante politische Schlussfolgerungen, die im Blick auf seinen eigenen weiteren Weg recht bedeutsam klingen: „Es könnte sein, dass in den nächsten Jahren der Katholizismus gerade auf dem Gebiet des Schulwesens einen gefährlichen Vorsprung erreicht gegenüber der evangelischen Kirche, die wegen ihrer politischen Schwäche praktisch immer weiter zurückgedrängt wird. Meiner Ansicht nach müssen wir unbedingt zwei Dinge geltend machen: 1. Auf dem Gebiet des geltenden Rechtes und in der Praxis der Schulverwaltung müssen evangelische und katholische Schulen gleichberechtigt behandelt werden. 2. Die evangelische Kirche, ev. Gemeinden, ev. Elternkreise, müssen gesetzlich klar umschriebene Möglichkeiten haben, konfessionell bestimmte ev. Schulen zu unterhalten.“231

Die politische Schwäche der Kirche im Vergleich mit dem Katholizismus, deren nachteilige Folgen man durch das Recht und die Praxis der Schulverwaltung versucht auszugleichen, dazu eine Art „Sammlung“ evangelischer Interessen: im Kleinen und sehr verkürzt hat man hier eine Art politischen Wegweiser für Osterlohs weiteren Werdegang. 4.4.2.4 „Schule und Kirche“ – Osterlohs Konzept und seine Kritiker Seine eigene grundsätzliche Haltung zum Thema Kirche und Schule hatte Osterloh in einer Abhandlung zum Ausdruck gebracht, die im Juni 1947 als Beiheft 1 zum GVbl. der Landeskirche Oldenburg erschien232. Osterloh gliedert seine Schrift in fünf Abschnitte. Unter Verweis auf die grundlegende Bedeutung der Schule für die Ausbildung der Jugend wendet er sich gegen die Heranbildung dieser Jugend nach einem vom Staat vorgegebenen Ideal und begründet dies mit den verheerenden Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus: jedes „Menschen-Ideal“ habe „für den heute lebenden 230

EBD. Osterloh an Oberlandeskirchenrat Brunotte (Hannover), 4. 11. 1947 („Vertraulich!“), in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 3. 232 E. OSTERLOH, Schule und Kirche. Hieraus auch die folgenden Zitate. 231

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Deutschen seine umwandelnde Zauberkraft endgültig verloren“. Die Ansicht, der Staat sei „oberste Instanz auch für das gesamte kulturelle Leben“, sei „Aberglaube an die Allmacht des Staates“ (S. 2). In einem zweiten Abschnitt folgt die theologische Grundlegung der Osterlohschen Aussagen: Die Kirche vertrete, auch wenn ihre „Lebenswirklichkeit“ nicht allgemein zugänglich sei, „im entscheidenden Sinn die Sache aller Menschen“, denn ihr Wesen „besteht in der Verbundenheit Gottes mit ihren Gliedern“. Auf die „religiöse Schicksalsfrage für das Abendland“: „‚Ist Gott wirklich da?‘“, könne nur streng dichotom mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet werden, können daher nur der Atheismus oder der christliche Glaube Antwort geben. Diese Entscheidung aber ist zugleich „die Entscheidung für oder gegen die christliche Kirche“, deren von Menschen wahrgenommenes Amt es sei, „Gottes Wirklichkeit gelten zu lassen auf Grund der geschehenen Begegnung mit ihr und in Spannung zu unserer ‚natürlichen‘, ‚gottlosen‘ Welterfahrung“ (S. 3f.). Im entscheidenden dritten Abschnitt (S. 4–6) kommt Osterloh auf die Zusammenarbeit von Kirche und Schule zu sprechen und nennt zuerst deren Grundvoraussetzungen (S. 4): „Die Schule muß sich offen halten für die Tatsache, daß die Kirche im Vollsinne des Wortes Wirklichkeit ist. Sie darf den prinzipiellen Atheismus nicht zu ihrem Dogma machen. Das geschieht aber praktisch nicht nur weitgehend im Osten, sondern das liegt auch im tiefsten Grunde überall da vor, wo der ‚Religionsunterricht‘ grundsätzlich vom ‚christlichen Glauben‘ auf der gleichen Ebene wie von anderen ‚Religionen‘ handelt und also davon ausgeht, daß es eine Offenbarung Gottes nicht gibt, sondern nur verschiedene religiöse Ansichten über Gott. Die Kirche darf von der Schule als solcher nicht die Erziehung zum christlichen Glauben verlangen. Die Kirche muß die Grenze sehen, die den Bildungsmöglichkeiten der Schule gezogen sind. Sie darf nicht den Aberglauben stärken, als könne die Schule durch Erziehung das Wesen des Menschen verwandeln. Die Kirche muß anerkennen, daß die moderne Staatsschule aus innerer Notwendigkeit heraus immer auch Ausdruck und mitwirkende Kraft der Verweltlichung der Gegenwart ist. – Wo die Konfessionsschule als Regelschule verlangt wird, da wird – wenigstens in vielen evangelischen Gebieten – die moderne Schule überfordert, da werden die Gewissen von Lehrern, Eltern und Schülern vergewaltigt.“

Die Anerkennung dieser Voraussetzungen zeige sich darin, dass die Schule Platz lässt für Christliche Unterweisung: „Im Gebäude der Schule und innerhalb ihres Stundenplanes wird die Wirklichkeit der Kirche durch die Erteilung dieses ‚Unterrichtsfaches‘ respektiert“. Für Osterloh ist es „eine notwendige Folgerung, daß die christliche Kirche die inhaltliche Verantwortung für das übernehmen muß, was in der ‚Christlichen Unterweisung‘ geschieht, und zugleich, daß die allgemeine Schulpflicht nicht für die Teilnahme an der christlichen Unterweisung gelten darf“. Außerdem sei allein die Kirche in der Lage zu beurteilen, wer über

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die für den Lehrerberuf vom Staat verlangten Voraussetzungen hinaus „über die Möglichkeit verfügt, Kinder christlich zu unterweisen“ (S. 5). Unterricht über andere Religionen vermittele lediglich „museales Wissen“ und helfe nicht, „reif zu werden für die Teilnahme am Weltanschauungskampf der Gegenwart“, weil er „weder eine klare Entscheidung für den Osten oder für den Westen noch die Behauptung einer geistig selbständigen Mitte zu fördern“ vermöge und zugleich der Meinung Vorschub leiste, „dass es sich bei allem ‚Glauben‘ um unverbindliche Meinungen und Vorstellungen handele“. Dagegen stellt Osterloh axiomatisch fest: „Die christliche Kirche aber stellt mit ihrer Lebenswirklichkeit die Hilfe dar, die der Mensch heute nötig hat, um die Prüfung der Zeit zu bestehen.“ (S. 5). Ausdrücklich lehnt Osterloh jeden Zwang über die rechtliche Verankerung der Christlichen Unterweisung und der kirchlichen Beauftragung der Lehrkräfte hinaus ab, wendet sich aber auch gegen jede Behinderung kirchlicher Aktivität (S. 6): „Die ‚geistliche Schulaufsicht‘ muß endgültig zu den verbannten Gespenstern der Vergangenheit gehören. Auf Eltern und Kinder darf auch nicht in versteckter Weise ein Druck ausgeübt werden, an dieser ‚Christlichen Unterweisung‘ teilzunehmen. Andererseits darf aber auch keine geheime Propaganda dagegen getrieben werden. Die ‚Religionsstunden‘ dürfen nicht die ungünstigste Stelle des Stundenplanes füllen.“

Anschließend greift Osterloh in einem weiteren Abschnitt das Vorurteil auf, das Wesen der Kirche lasse sich ablesen an Bibel und Bekenntnis. Dies führe zu einem statischen Bild von Kirche, welches „das Geheimnis ihres Lebens“ verwechsele „mit den Mitteln, durch die es sich auswirkt“. Erkannt werde Kirche nur dort, „wo wenigstens geahnt wird, daß sie von der verborgenen aber wirklichen Gegenwart ihres Herrn Jesus Christus lebt“, was zu einer Art Zirkelschluss führt (S. 6f.): „In einem letzten Sinn kann die Kirche also nur angeredet und zur Ordnung gerufen werden, kann man mit ihr als Kirche überhaupt nur sprechen, wenn man selber vor der Wirklichkeit des gegenwärtigen Christus steht.“

Schließlich beschreibt Osterloh in Stichpunkten das, was sich „nach dem Urteil der Kirche in der Christlichen Unterweisung ereignen“ solle (S. 7f.): Sie lebe von dem gleichen Geheimnis Christi wie Sakrament und Verkündigung und dürfe von diesen daher nicht getrennt werden. In ihr müsse sich eine „Begegnung ereignen zwischen Christus und den Unterwiesenen“, die „Wirklichkeit Gottes und die Wirklichkeit des Menschen ohne Gott“ müssten „einander gegenübertreten“. Religionsgeschichte habe dem Nachweis zu dienen, dass „Christus nicht eine Religion neben anderen gestiftet“, „sondern daß er das Ende und die Erfüllung aller Religionen gebracht“ habe. Vermittelt werden müsse das Wissen um

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die „unausweichliche Entscheidung“, um die Unmöglichkeit einer distanziert betrachtenden Neutralität Gott gegenüber. Die Zugehörigkeit zu Gott werde nur erfahren „in der Entscheidung für Gott, also in der Nachfolge Christi, und das heißt, im Leben der Kirche“, in das einzuüben in Form von Gebet, Lied, liturgischem Sprechen, Umgang mit der Bibel und Miterleben des Kirchenjahres wesentlicher Bestandteil der Christlichen Unterweisung sein müsse. Über allem aber müsse gewiss sein und vermittelt werden, dass hier die „Gnade am Werk“ sei: „Als Motiv für die Christliche Unterweisung kann nur die Liebe gelten, die weiß, daß nichts besser für den Menschen ist als die Begegnung mit Christus.“ Ein Entwurf, der, auf dem Boden der Dialektischen Theologie stehend, durchaus konsequent deren fast schon zu Schlagworten gewordene Grundeinsichten in sich aufnimmt: Christus als Ende und Erfüllung der Religionen, Unterscheidung von Christentum und Religion, Ruf zur Entscheidung, Unterscheidung zwischen Gottes Wirklichkeit und der vom Menschen erkennbaren Wirklichkeit, die „Kirche Jesu Christi“ als in der Welt und notwendig zugleich in Spannung mit der Welt stehendes Zeichen von Gottes Wirken233. Osterlohs Gedanken provozierten Wilhelm Schwecke, den ehemaligen Vorsitzenden des Oldenburger Landeslehrervereins, zu einer Antwort. Der 92jährige veröffentlichte – im Einvernehmen mit dem VOLL und mit dessen Unterstützung – im Oktober 1947 „Einige Bemerkungen zu dem Aufsatz von Oberkir233

Ein Problem schon auf der theologischen Ebene liegt, jenseits der Diskussion um das Für und Wider der Dialektischen Theologie überhaupt, darin, dass Osterloh den Kirchenbegriff nicht eindeutig fasst. Zwar meint er fast durchgängig Kirche im umfassenden Sinn, die durch den Geist mit Gott verbundene Gemeinschaft aller Gläubigen, doch er unterscheidet dies begrifflich nicht von der an einigen Stellen eben auch gemeinten konkreten Gestalt der (Landes-)Kirche, die z. B. als Verhandlungspartner von Staat oder Schule auftritt. Wer Osterlohs Ansichten über das traditionelle Landeskirchentum kannte und in der Begrifflichkeit der Dialektischen Theologie zu Hause war, musste erkennen können, wo welche Art Kirche gemeint war, davon unberührte Leser konnte diese Uneindeutigkeit jedoch offensichtlich verwirren. Insgesamt problematisch wird die Argumentation dort, wo sie „weltlich“ wird, wenn etwa bestimmte Tugenden exklusiv für das Christentum vereinnahmt werden, nachdem vorher vom „Ideal“ welcher Art auch immer als Ziel der schulischen Bildung Abschied genommen wurde, wenn man den Eindruck hat, das Ziel, zu dem schulische Erziehung führen soll, sei reduziert auf die Entscheidung zwischen Ost und West – als ein auch eine Rolle spielender Gedanke erklärbar in der Situation des Jahres 1947, aber doch nicht als allgemeingültig zu vermitteln. Die praktische Seite lässt ebenfalls Fragen offen: Malt Osterloh hier nicht ein in vielerlei Hinsicht allzu geschöntes Bild von den Möglichkeiten? Ist eine Schule außerhalb des Bekenntnisschulwesens denkbar, die solche Vorbedingungen der Kirche anerkennt? Ist ein Unterricht denkbar, wie frei und von welchen Lehrkräften auch immer erteilt, in dem sich eine solche Begegnung mit Gott, oder auch nur mit dem „Leben“ der Kirche ereignen kann? Wäre nicht auch eine am Kirchenjahr orientierte Unterweisung immer noch Unterweisung und nicht Miterleben der Wirklichkeit der Kirche? Geht die theologische Grundlegung und das daraus abgeleitete Bild der „wirklichen“ Wirklichkeit nicht an der Realität der Lehrer, der Schule und der Schüler vorbei? Aus dem Abstand von 60 Jahren und in Kenntnis der Entwicklung alles Fragen, deren Beantwortung eindeutig erscheint.

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chenrat Osterloh ‚Schule und Kirche‘“234, die er an Zitaten Osterlohs, von ihm im Weiteren nur noch „Okr. O.“ genannt, entlang gliederte. Zunächst verteidigte er die Schul- und Kulturhoheit des Staates und fragte unter Hinweis auf die Vergangenheit („Wir alten Lehrer, die wir noch im Kampfe um die Unabhängigkeit der Schule von der Kirche gestanden haben […]“ [S. 1]) und auf die Vielzahl der Konfessionen, Kirchen und Sekten nach der Alternative. Er sprach sich für die Ausrichtung schulischer Erziehung an einem Ideal aus, dessen Erfüllbarkeit er mit der Erfüllbarkeit der Vaterunserbitten verglich. Zur theologischen Grundlegung Osterlohs konnte er nur sein Nichtverstehen berichten: „Ich habe mich damit getröstet: du bist zu alt, um einen geraden Weg durch alle diese Wirklichkeiten zu finden“ (S. 2). Zum dritten Abschnitt wies er wiederum auf die anderen Kirchen und Konfessionen hin, die – unabhängig von der seiner Meinung nach sowieso bestehenden rechtlichen Schwierigkeit einer „kirchliche[n] Enklave in der staatlichen Schule“ – mit Recht gleiche Privilegien beanspruchen würden. Schwecke verneinte den kirchlichen Anspruch auf alleinige Auswahl der Religionslehrer und wies die Kritik Osterlohs am bisherigen Religionsunterricht als unbegründet zurück. Er bezeichnete es als Ziel dieses Unterrichts, „die Schüler, soweit das überhaupt möglich“ sei, „zu Gott“ zu führen, nicht primär zur Kirche, allerdings im Bewusstsein dessen, „daß wahre Religiosität nicht lehrbar“ sei (S. 4f.). Die Ausführungen Osterlohs zu Wesen und Wirklichkeit der Kirche kamen ihm dann erneut nur „geheimnisvoll“ und „mystisch“ vor, und er kommentierte sie ironisch: „Ich fürchte, wenn das der Fall ist, wenn die Existenz der Kirche von der persönlichen Anwesenheit Jesu abhängt, dann existiert sie überhaupt nicht“ (S. 5). Dementsprechend konnte Schwecke in der Konsequenz auch mit den Vorstellungen Osterlohs zur Gestaltung der Christlichen Unterweisung nicht anders umgehen als dazu fast spöttisch zu bemerken: „Christus hat nicht eine Religion neben anderen gestiftet? Ich meine: doch. – Er ist das Ende und die Erfüllung aller Religionen? Woher weiß Okr. O. das?“, um sich dann auf den Standpunkt Lessings in der Ringparabel zurückzuziehen (S. 6). Das Amt eines Lehrers der Christlichen Unterweisung bezeichnete er zuletzt als „eine Art von höherem Küsterdienst“ für die Kirche (S. 7). Abschließend fasste Schwecke seine Gedanken zum Unterschied von Christentum und Kirche zusammen. Es gebe zwei Arten von Evangelium, das von Jesus und das in der kirchlichen Tradition entstandene über Jesus. Dazu träten noch die „Formen, in denen das Christentum im kirchlichen Leben dargestellt und erlebt wird“. Er kritisierte die Bekennende Kirche, die ihren Gliedern das vielen nicht mehr 234

Separatdruck, Oldenburg (Sußmann) 1947, 8 S. Ein Exemplar in: NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 930–933. Hieraus auch die folgenden Zitate. Zur Entstehung der Schrift Schweckes vgl. H. SCHIRMER, Schule, S. 166.

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eingängige Evangelium über Jesus auferlege, und verwies zum Beleg auf den Zweiten Artikel. Nach Schwecke gehörte in den Religionsunterricht lediglich das Evangelium von Jesus. Osterlohs Ausführungen aber warf er vor, als Inhalt der Christlichen Unterweisung „in erster Linie und vor allen Dingen“ die „Einführung in das kirchliche Leben“ anzugeben (S. 7f.). Osterloh fühlte sich von dieser Antwort zu einer weiteren Schrift235 veranlasst, mit der er im November 1947 nicht nur Schwecke antworten wollte. Sein Eindruck war vielmehr, dass der unbelastete Schwecke nur das aussprach, was die meisten sich nicht zu sagen trauten, „daß die weitaus größte Zahl der Lehrer gegenwärtig in den ‚Bemerkungen‘ von Wilhelm Schwecke ihr Wort zur Sache sieht“ (S. 3). Zunächst spricht Osterloh sich gegen das Aufrechnen vergangener Schuld auf beiden Seiten aus. Beide, Schule und Kirche, dürften nicht an den Zustand vor 1933 anknüpfen, sondern müssten sich im Interesse der Jugend „freimachen von der Sorge um Standesinteressen und von dem Kampf um Einflußsphären, aber auch von dem Aberglauben an Schlagworte“. Als Beispiel führt er Schweckes in seinen Augen „demagogische Redeweise“ vom „höheren Küsterdienst“ an und stellt klar, dass niemand in der Kirche in der Verschiedenheit der Ämter „‚Klassen‘-Unterschiede“ sehe (S. 2). Zugleich analysiert er, dass die „Fronten im Gespräch über die Christliche Unterweisung“ keineswegs klar getrennt seien: „Wilhelm Schwecke kann ebensowenig einfach im Namen der ‚jetzigen Lehrergeneration‘ sprechen, wie ich behaupten kann, alle Pfarrer auf meiner Seite zu haben“ (S. 3). In den weiteren Abschnitten spricht Osterloh Schwecke persönlich an. Zunächst fragt er: „Wofür tritt Wilhelm Schwecke ein?“, und charakterisiert die Argumentation Schweckes für den Religionsunterricht an Schulen als kulturprotestantisch mit einer Verwandtschaft zu Argumenten der deutsch-christlichen Theologie. Religion erscheine hier als „ein Stück unserer Kultur“, „auf einer Ebene mit den ‚Schätzen unserer Literatur‘ und eindeutig als Ersatz für ‚philosophische Gedankengänge‘“. Ziel eines solchen Unterrichts sei nur noch, „‚materiellen Strömungen im Geistesleben der Gegenwart entgegenzuwirken‘“, was Osterloh gefährlich nahe bei der Einstellung verortet, Religion sei „Opium fürs Volk“. Zwar grenzt er davon das ab, was Schwecke von seinem eigenen Religionsunterricht berichtete – „In diesen Sätzen schlägt das Herz des alten Lehrers. Sie berühren mich so, daß ich dieses Herz lieben und verehren muß.“ –, dies aber sei auch nach Schwecke „Vergangenheit“: „Er sagt nicht, daß es in der Gegenwart und in der Zukunft so sein muß.“ Zudem sei auch dieser Religionsunterricht nicht der vom christlichen Glauben aus gebotene, denn Schwecke kenne seinen Jesus nicht aus den Schriften des Neuen Testaments, sondern 235

E. OSTERLOH, Schule und Kirche II (1947). Hieraus auch die folgenden Zitate.

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von dem „großen liberalen Theologen und Historiker von Harnack und seiner Schule“ (S. 4f.). Daher kenne er Jesus als „den Lehrer“, der „für niemanden grundsätzlich mehr bedeuten kann als andere Geistesgrößen der Vergangenheit auch“, und lehne „einen qualitativen Unterschied zwischen Christus und anderen Religionsstiftern ab“. Osterlohs Fazit: Schwecke kenne Jesus „gar nicht“, denn es gebe keinen christlichen Glauben, „der nicht an den auferstandenen Jesus Christus glaubt“. Das Gleiche gelte für Schweckes Gottesbild: Osterloh nimmt an, Schwecke stehe auf dem gleichen Standpunkt wie Lessing in „Nathan der Weise“, dies aber sei nicht der Gott, „der sich in Jesus Christus geoffenbart“ habe als der Gott, der „‚keine anderen Götter neben sich‘ duldet“ (S. 5f.). Schweckes Ablehnung der Christlichen Unterweisung in der vorgestellten Form impliziere eine Ablehnung des kompletten Zweiten Artikels, aber: „Eine Schule, die den 2. Artikel inhaltlich prinzipiell ablehnt, ist eine unchristliche Schule“ (S. 6f.). Nach Meinung Osterlohs hat Schwecke „‚Die Wirklichkeit der Kirche Jesu Christi‘“ nicht verstanden. Dies liege nur zum Teil an seiner eigenen, wie er zugibt, nicht immer klaren und logischen Ausdrucksweise; für Osterloh ist Schweckes Aufzählung von Kirchen, Konfessionen und Sekten ein Beispiel für das grundlegende Missverständnis Schweckes, Kirche als „‚Verband‘“ zu sehen. Osterloh schließt seine in gewohnter Manier ohne „falsche Schonung“ vorgelegte zweite Schrift ab mit einem Aufruf zur notwendigen Zusammenarbeit (S. 8): „Was ist mein Ziel? Eine echte Arbeitsgemeinschaft von Pädagogen und Theologen, die einander als gleichberechtigte Glieder der christlichen Kirche begegnen und helfen, wieder aufzubauen, was in Jahrhunderten zerstört worden ist. Ich weiß mich im Konfirmandenunterricht und in der Predigt am besten beraten und gefördert vom echten Pädagogen, und ich kenne mehr als einen Pädagogen, der die Zusammenarbeit mit mir als dem Theologen sucht. Jeder Theologe im Amt muß zugleich Pädagoge sein, und jeder Pädagoge muß auch Theologe sein, denn es geht vor Gott immer um den Menschen, und es geht in der Verantwortung für Menschen immer um Gott. Wer Mensch und Gott auseinanderreißt und jede Seite für sich losgelöst von der anderen gewissermaßen ‚eigengesetzlich‘ behandeln will, der verliert Gott und wird ein Unmensch. Wenn die Schule in keinem Sinne eine ‚kirchliche Enklave‘ behält und wenn die Kirche die Schule nicht in ihr Leben hineinragen läßt, dann entartet die Schule zur ‚Menschenfabrik‘ und die Kirche zur Sekte.“

Seiner Schrift als Beilage hinzugefügt hatte Osterloh einen Brief Karl-Eduard Hollwegs236, des Direktors der Pädagogischen Akademie, dem Schwecke seine „Bemerkungen“ hatte zukommen lassen. Hollweg widersprach Schwecke hier

236

GVBL. LANDESKIRCHE OLDENBURG, Beilage zu Heft 4 (1947), 4 S.

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vor allem hinsichtlich seiner im Humanitätsideal wurzelnden Anthropologie237 und seiner Auffassung von der Rolle des Staates238 und verteidigte den Gedanken, Christliche Unterweisung habe in das kirchliche Leben einzuführen, gegen ein einzuübendes „private[s] Christentum auf humaner Grundlage“239. Schwecke antwortete auf beide in einer weiteren Schrift240, mit der er die seines Erachtens gröbsten Missverständnisse aufklären wollte, de facto das Gespräch aber abbrach, denn er hatte erkannt: „Wir stehen in unseren Auffassungen auf ganz verschiedenem Boden.“241 Im Einzelnen wies er die Vorwürfe zurück, er verabsolutiere den Staat, er meine, Religion sei „Opium fürs Volk“, und er sehe im Christentum nur eine Religion neben vielen anderen242. Schließlich bedauerte er, dass Osterloh durch die Art seiner Anrede („‚Was Wilhelm Schwecke ablehnt, was er nicht versteht, woher er seinen Jesus kennt, wie er über Gott denkt‘“) die Diskussion vom Fachlichen ins Persönliche gezogen habe243. Schwecke schloss seine Antwort an Osterloh mit einem flammenden, fett gedruckten Appell zum Widerstand gegen eine wieder drohende Abhängigkeit der Schule von der Kirche244, bevor er auf die Kritik Hollwegs einging, dabei aber im Grunde nur die Gegensätzlichkeit der Anschauungen bestätigte245. 237 „Die apokalyptische Geschichte der letzten Jahrzehnte hat uns mit aller Deutlichkeit enthüllt, daß der ‚Humanismus‘ auch in seinen sublimsten Formen vor der menschlichen Wirklichkeit nicht standhalten konnte“ (EBD., S. 1). 238 „Sie scheinen allen Ernstes anzunehmen, die nationalsozialistische Abirrung sei eine einmalige, ganz und gar ungewöhnliche, in der Weltgeschichte nie dagewesene und voraussichtlich auch nie wiederkehrende Erscheinung.“ „Nein, der Sinn, der hohe und weitgreifende Sinn des Staates kann nur ein sehr vorläufiger und relativer sein: die tierischen in uns schlummernden Triebe zu bändigen mit den Mitteln der Macht“ (EBD., S. 2). 239 EBD., S. 3. 240 W. SCHWECKE, Noch einmal „Schule und Kirche“ (ein Exemplar in: NdsStA OLDENBURG, Best. 134, Nr. 1194, Bl. 934f.). 241 EBD., [S. 1]. 242 Vgl. EBD., [S. 1f.]. 243 Vgl. EBD., [S. 2f.]. Schwecke pochte darauf, sein persönlicher Glaube sei etwas, in das er sich von niemandem, auch von der Kirche nicht, hineinreden lasse, ließ bei seiner Kritik aber außer acht, dass er selbst es in seiner ersten Schrift gewesen war, der die persönliche Anrede durch sein häufiges „Okr. O. schreibt, denkt, gibt Auskunft usw.“ in die Diskussion gebracht hatte. Auch die, wie oben gezeigt, von ihm benutzte Ironie dient ja im Allgemeinen nicht der Versachlichung eines solchen Gesprächs. 244 „Vergeßt nicht, daß frühere Lehrergeschlechter ein Jahrhundert lang gerungen und gekämpft haben, um die Schule aus der Abhängigkeit von der Kirche zu lösen, und hütet Euch, daß nicht spätere Lehrergeschlechter Euch den Vorwurf machen müssen, Ihr hättet in einer kritischen Zeit Eure Pflicht versäumt und zugelassen, daß die Schule in ein neues Abhängigkeitsverhältnis hineingeraten sei!“ (EBD., [S. 3]). 245 Vgl. EBD., [S. 3f.]. Interessant ist hier seine Sorge in Bezug auf Veröffentlichungen der „Liturgischen Kammer“ über die Neuordnung des Gottesdienstes ([S. 4]) – ein Beleg, dass auch bei ihm die Kritik an den liturgischen Vorstellungen, die in Oldenburg durchgesetzt werden sollten, auf offene Ohren gestoßen war. Man muss sich allerdings fragen, was diese Bemerkung hier zur Sache und zur Sachlichkeit beitrug, denn dass Schwecke anders argumentiert hätte, wenn diese liturgischen Vorstellungen nicht zum

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Soweit der Teil der sich an Osterlohs erste Schrift „Schule und Kirche“ anschließenden Diskussion, der publiziert und dem in Oldenburg viel Aufmerksamkeit in beiden „Lagern“ zuteil wurde. Privat schloss sich daran noch ein Brief Osterlohs an Schwecke an, in dem er noch einmal beteuerte, in keiner Weise die Mündigkeit der Pädagogik oder die Unabhängigkeit der Lehrerschaft in Frage stellen zu wollen246. In der Auseinandersetzung habe er nicht Schweckes private Überzeugungen angegriffen: „Abgelehnt und bekämpft habe ich Ihre sachlichen Auffassungen, nicht aber Ihre Freiheit, sich persönliche Urteile zu bilden.“247 Schweckes „sachliche Auffassungen“ aber konnte er auch in diesem Schlusswort nicht unwidersprochen lassen: „Ihre Darlegung über die Bedeutung Ihrer persönlichen Auffassung von Gott und Jesus und ihrem Verhältnis zueinander bestätigen meine Behauptung, dass Sie als Religionsunterricht eine Sache vertreten, die sich nicht deckt mit dem, was die Kirche als christliche Unterweisung den Kindern schuldig ist.“248

Es gibt noch eine Reaktion auf die Auseinandersetzung, die zeitgenössisch nicht zur Veröffentlichung kam. Sie stammt von dem bedeutendsten Oldenburger Theologen des 20. Jahrhunderts, der zugleich Osterlohs Lehrer im Studium war: Rudolf Bultmann. Unter dem Datum des 7. Mai 1948 nahm er zu den vorliegenden Texten249 der Diskussion Stellung250. Gleich zu Beginn fasste er zusammen:

Tragen gekommen wären, war doch wohl nicht zu erwarten, und außerdem hatte er sich selbst ja nicht gerade als besonders kirchenverbundenen Christen dargestellt. 246 Brief an Schwecke vom 16. 1. 1948 (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 6). In einer vollständigen Darstellung der Auseinandersetzung sollte dieses Schlusswort Osterlohs nicht fehlen. 247 EBD. 248 EBD. 249 Zusätzlich zu den hier vorgestellten noch ein Osterloh zustimmender, von Studienrat Dr. Wawrzinek verfasster Artikel „Schule und Kirche“ (OlSbl., Nr. 2, 11. 1. 1948). 250 Es handelt sich um ein sechsseitiges Typoskript (DIN A 4), das dem Verf. von Reinhard Rittner freundlicherweise in Kopie zur Verfügung gestellt worden ist. Abdrucke: G. EBERHARD, Existentiale Theologie, S. 332–336 (EBD., S. 295–331 die Bezugstexte von Osterloh, Schwecke und Hollweg); H. STOCK, Nachtrag, S. 166–171. Eine kommentierende Zusammenfassung liegt vor bei R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 765f. Das Zustandekommen dieses Textes ist offen. Stock schreibt ohne einen Beleg, Osterloh habe darum gebeten (vgl. DERS., Nachtrag, S. 165), Rudolf Lennert, der schon 1951 mit Erlaubnis Bultmanns Teile dieses Textes in einem eigenen Aufsatz zitierte (DERS., Immer noch), gibt an, Bultmann sei „von den Parteien eines in einer norddeutschen Stadt zwischen den Anhängern kirchlichen und nichtkirchlichen Religionsunterrichtes ausgebrochenen Streites als ‚Sachverständiger‘ angerufen worden“ (EBD., S. 253). Dass der Text nicht unbedingt auf die Verbindung Osterloh/Bultmann zurückgehen muss, zeigen die Kontakte, die Bultmann augenscheinlich auch sonst mit Anhängern der kirchlichen Opposition in Oldenburg hatte (vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 764 mit Anm. 69).

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„Die Ausführungen Osterlohs vermögen offenbar seinen Gegner Schwecke nicht in eine wirkliche Diskussion hineinzuziehen, – m. E. weil sie an drei Schwächen kranken: 1) am unklaren, zweideutigen Begriff von Kirche, 2) an der Unklarheit des Erziehungsgedankens, 3) an der für Laien notwendiger Weise unverständlichen Sprache.“251

Hier soll weder auf die durchaus vorhandene Kritik auch an Schweckes Argumentation eingegangen werden noch soll die berechtigte Kritik an Osterloh relativiert werden. Da Bultmanns Aussagen aber dort, wo sie überhaupt in ihren Kontext eingeordnet werden, präsentiert werden, als stünden sie für das Urteil der Geschichte über Osterlohs Konzeption252, muss gestattet sein, auch einen solchen Text kritisch zu betrachten: Zunächst trennt Bultmann scharf in Kirche des Glaubens und institutionelle Kirche und fragt, warum die Kirche des Glaubens nicht auch in den Lehrern „Subjekt der christlichen Unterweisung“ sein könne, die „ohne Legitimation durch die institutionelle Kirche Religionsunterricht erteilen“253. Bultmann gesteht aber zu, dass die eigentlich unnötige Prozedur einer kirchlichen Legitimation „heute, angesichts der tatsächlichen Verhältnisse vielleicht wünschenswert“ sei, auch wenn dies ein „testimonium paupertatis für die institutionelle Kirche“ sei, deren Verkündigung die „bürgerliche Gemeinde“ offensichtlich nicht genügend durchdrungen habe254. Es scheint also bei näherer Betrachtung so, dass Osterlohs Forderung angesichts der tatsächlichen Verhältnisse – man bedenke die Situation gerade in Oldenburg im Dritten Reich – auch in Bultmanns Augen einige Berechtigung hat, denn Schulpolitik findet eben nicht nur idealtypische dogmatische Bedingungen vor. Den umfangreichsten Teil seiner Ausführungen widmet Bultmann der Frage, ob die Schule ein Erziehungsideal braucht, bzw. dem Erziehungsgedanken als solchem. Bultmann spricht sich mit Osterloh für die Charakterbildung der Schüler aus, sieht ein Erziehungsideal aber als dafür notwendig an. Dies kann für ihn nur das humanistische Bildungsideal sein, bestimmt durch die „platonische Weise des Philosophierens“. Ein davon bestimmter Unterricht wecke „dieselben existentiellen Fragen“, „um die es sich in der christlichen Religion handelt“. Deshalb und weil die christlich geprägte Kultur – Bultmann nennt explizit Literatur und Geschichte – sonst gar nicht adäquat erfasst werden könne, müsse die Schule 251

Typoskript Bultmann, S. 1. Stock beschreibt den Bultmann-Text als ein „historisch bedeutsame[s] und sachlich nach wie vor aktuelle[s] Dokument der Religionspädagogik der Nachkriegszeit“ (H. STOCK, Nachtrag, S. 166 [i. Orig. hervorgehoben]); bei R. RITTNER, Die evangelische Kirche, spricht schon der Umstand, dass er ein solches, damals nicht publiziertes Dokument in seinem Beitrag zur handbuchartigen „Kirchengeschichte Oldenburgs“ in dieser Breite und am Ende des Abschnittes über „Schule und Kirche“ nach 1945 präsentiert, für eine solche Auffassung, zumal bestätigende Kommentare in das Referat des Textes eingestreut sind (siehe unten). Beide sprechen zudem von einem „Gutachten“ (H. STOCK, Nachtrag, S. 165; R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 765), Bultmann selbst beließ es etwas bescheidener bei der Überschrift: „Einige Bemerkungen zu: […]“ (Typoskript Bultmann, S. 1). H. SCHIRMER, Schule, S. 166–173, beschränkt sich in seiner Darstellung im Wesentlichen auf die Positionen Osterlohs und Schweckes. 253 Typoskript Bultmann, S. 1. 254 EBD., S. 1f. 252

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auch das Recht behaupten, „den Religionsunterricht aus eigener Kraft zu erteilen“. Dabei sei indirekte Verkündigung ausreichend, weil sie das Hören der direkten Verkündigung „sachgemäß“ vorbereite. Den Versuch, das Erfahren der „Wirklichkeit Gottes“ durch Einübung in das kirchliche Leben „in Gang bringen zu wollen“, bezeichnet Bultmann als „hybrides Unterfangen“. Stattdessen solle die Kirche die „Erschließung der Kinder für den Glauben und die Kirche“ in der Familie fördern, die er – neben einer interessanten Verkündigung – als unabdingbare Basis für eine erfolgreiche christliche Unterweisung ansieht255. Harte Kritik, die Reinhard Rittner mit dem Wissen des Nachgeborenen in seiner kommentierenden Zusammenfassung bestätigt: „Offensichtlich hat sich die Evangelische Unterweisung in der Aufgabe übernommen, denn die Krise dieses Religionsunterrichts folgte in der Tat wenig später.“256 Es sollte aber nicht verschwiegen werden, dass auch Bultmann von seiner eigenen aufklärerischen, historisch-kritischen Theologie aus gegen Osterlohs Konzept argumentiert, das ganz stark von der dialektischen Theologie Barthscher Prägung bestimmt ist. Damit ist ein „Verriss“ beinahe zwangsläufig, denn „Mitstreiter der dialektischen Theologie“257 im Sinne einer weitgehenden Übereinstimmung mit Barth war Bultmann (wenn überhaupt jemals ganz) in den 1920er Jahren, aber schon in den 1930er Jahren nicht mehr258. Wenn unter solchen Umständen schon nachträglich mit Erfolg oder Nichterfolg argumentiert wird, sollte man ebenfalls bedenken, dass auch Bultmanns Prämissen, die platonische Art des Philosophierens, so wie er sie verstand, sein Idealismus, sein humanistisch geprägter bürgerlicher Bildungsbegriff, bei aller Sympathie dafür ja keineswegs überzeitliche, über jede Kritik erhabene Normgrößen sind, wie sich 20 Jahre später zeigen sollte259. Auch Bultmanns Pathos bei der Berufung auf Platon – zu Osterlohs Äußerung, eine Schule ohne rechte christliche Unterweisung entarte zu einer „Menschen-Fabrik“ bemerkt er: „Wie kann das jemand sagen, der in seinem Leben einmal Platon gelesen hat, er müßte ihn dann vollständig vergessen haben!“ – verliert an intellektueller Ausstrahlung, wenn man bei einem anderen ehemaligen Schüler des Oldenburger humanistischen Gymnasiums nachliest, dessen Analysen ebenfalls von bemerkenswerter Klarheit waren: Karl Jaspers. Jaspers vermerkt in seiner Auseinandersetzung mit dem Entmythologisierungsprogramm Bultmanns u. a.: „Sooft Bultmann philosophiegeschichtliche

255

EBD., S. 2–5. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 766. Die „Krise“ des im Wesentlichen von Bultmanns Theologie geprägten hermeneutischen Religionsunterrichtes der 1960er Jahre folgte übrigens im Vergleich sehr viel schneller, so dass dieses historische Argument hier nur bedingt taugt (vgl. G. LÄMMERMANN, Religionspädagogik, S. 125–129). 257 So R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 766. 258 Schon in KD I/1, S. 36, 38, wendete sich Barth gegen Bultmanns vorgeblichen Liberalismus und die bei ihm auszumachende Bevormundung der Theologie durch die Philosophie. Wenig später rechnete Barth auch Bultmann zu der „moderne[n] Theologie des ‚und‘“, die neben die Offenbarung in Jesus Christus jeweils noch etwas anderes, vermeintlich gleich Wichtiges stellen zu müssen meinte. Gegen das auf Bultmann anspielende „Neues Testament und menschliche Existenz“ betonte Barth die alleinige Offenbarung in Jesus Christus und richtete in seiner Polemik an Bultmann die Frage: „Ob Theologie und Anthropologie nun wirklich auswechselbare Begriffe sein sollen?“ (K. BARTH, Gebot, S. 137, 138, 141). 259 Vgl. G. EBERHARD, Existentiale Theologie, bes. S. 145f. 256

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Tatbestände bei seinen Forschungen berichtet, handelt es sich um Aussagen, die man referieren kann, um jenen Bestand vordergründiger Richtigkeiten historischer Wiedergabe, nicht um die Philosophie selber. Kein Hauch etwa kantischen oder platonischen Denkens scheint ihn berührt zu haben.“260 Zur Kritik Bultmanns an Osterlohs unverständlicher Sprache ist auf dessen Eingeständnis in seiner Antwort an Schwecke hinzuweisen261. Dass darüber hinaus Schweckes eigenes Unwissen über die neuere Theologie eine große Rolle spielte, hatte schon Osterloh unterstellt. Aber auch Bultmanns Kommentar dazu ist vielsagend: Schweckes Fragen demonstrieren „ad oculos […], wie wichtig ein einfacher Unterricht über die Christliche Religion im Sinne schlichter Belehrung ist“262. Abschließend sei auf das verwiesen, was Osterloh selbst an Bultmann als Reaktion auf dessen Stellungnahme schrieb: „Meine bisherigen schriftlichen Äußerungen zum Thema sind nach einer Seite hin zu stark durch meine heikle Situation in Oldenburg bestimmt.“263 Was er damit meinte, muss leider offen bleiben, da keine weitergehende Äußerung Bultmann gegenüber vorliegt. Anbieten würden sich eine (Über-)Betonung der Kirchlichkeit, um den theologischen Widersachern im Umfeld Stählins im Vorfeld des Ahlhorner Gespräches keine Angriffspunkte zu bieten264, oder eine zu große Schärfe im Umgang mit Schwecke, um damit die Schwäche der eigenen Position im Vorfeld des sich anbahnenden Kompromisses hinsichtlich der Einsichtnahme in die Christliche Unterweisung zu kaschieren265.

Unabhängig vom Bultmann-Gutachten, das in Oldenburg wie auch sonst weitgehend unbeachtet blieb266, kann man die Diskussion nur als ernüchternd bezeichnen. Schwecke verstand offenbar den theologischen Ansatz hinter der 260

K. JASPERS, Wahrheit, S. 13. Siehe oben in diesem Abschnitt. 262 Typoskript Bultmann (vgl. oben Anm. 250), S. 6. 263 Karte an Bultmann vom 21. 6. 1948 (UB TÜBINGEN, NL Bultmann, Mn 2-1505). Die Übertragung Rittners und seine sich daran anschließende Erklärung beruhen auf einem Lesefehler („frühere“ statt „heikle“; vgl. R RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 766 [nach einem Hinweis des Verfassers in der 2. Auflage korrigiert]). Es mutet auch etwas merkwürdig an, dass jemanden, der den Kirchenkampf in der altpreußischen Union mitgemacht hat und mehrfach verhaftet war, „die schroffe Auseinandersetzung in der NS-Zeit“ (so EBD.) in Oldenburg derart geprägt haben sollte. Osterlohs Wirken in Oldenburg während der NS-Zeit erstreckte sich, wie oben gezeigt, nur über wenige Monate im Jahre 1935. 264 Vgl. unten S. 199ff. 265 Vgl. unten S. 190–196. 266 Bis 1974, als Gertraud Eberhard Bultmanns Stellungnahme im Anhang ihrer Dissertation vollständig abdruckte, waren die im Aufsatz von Rudolf Lennert 1951 zitierten Auszüge die einzigen der Öffentlichkeit zugänglichen Abschnitte des Textes (zu Beiden vgl. oben Anm. 250). In der Sitzung der Erziehungskammer am 18. 5. 1948 bezog sich jedoch einer der Teilnehmer, Herr Heinen, bei seinem Plädoyer dafür, den Lehrern mehr Vertrauen entgegenzubringen, auf „das Schreiben von Professor Bultmann“, bei dem es sich eigentlich nur um die oben vorgestellte Stellungnahme handeln kann. Das hieße, dass Osterloh es zumindest in dieser Kammer hatte kursieren lassen, sich also vor der darin enthaltenen Kritik nicht versteckte (vgl. Protokoll der Sitzung, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr 21). – Fraglich ist, ob die erneute Veröffentlichung des zentralen dritten Teiles der Ausführungen Osterlohs in „Schule und Kirche“ am 16. 5. 1948 unter dem Titel „Kirche und Schule im Dienste der christlichen Unterweisung“ schon mit Wissen um die Stellungnahme Bultmanns erfolgte oder nicht. 261

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Christlichen Unterweisung in keiner Weise, was nicht verwundern kann bei jemandem, der in den 1920er Jahren, als die dialektische Theologie begann, in Fachkreisen für Aufregung zu sorgen, bereits pensioniert war267. Osterloh wiederum konnte Schweckes Denken aufgrund eben dieses theologischen Ansatzes und im Blick auf die Realität kaum akzeptieren268. Er konnte auch die aus dessen Lebenserfahrung begründete Aversion Schweckes gegen jede kirchliche Einflussnahme auf den Bereich der Schule nicht annähernd nachempfinden. Im Gegenteil, die Erfahrungen mit den Lehrern im „Dritten Reich“ mussten ihn gerade hier stutzig machen. Das Pathos Schweckes, etwa bei seinem Schlussaufruf, musste ihm entsprechend fremd bleiben und völlig unangemessen erscheinen, denn die Redlichkeit wissenschaftlichen Diskurses hätte es gebieten müssen, dass seine explizite Ablehnung jedes Gedankens an eine geistliche Schulaufsicht ernstgenommen wird. Hier besonders zeigte sich, dass es nicht unproblematisch war, wenn ein 92jähriger das Wort für die Lehrerschaft ergriff. Dazu kamen gravierende Unterschiede in der Beurteilung der Geistesgeschichte der Neuzeit, bei denen der Altersunterschied zumindest auch eine Rolle gespielt haben dürfte: Schwecke musste es im Rückblick auf sein Lebenswerk unvergleichlich schwerer fallen, angesichts der Katastrophe des Nationalsozialismus ein Versagen der humanistisch geprägten Bildung zuzugeben; er hätte damit die Grundlage dessen in Frage gestellt, wofür er jahrzehntelang gearbeitet hatte. Die Diskussion, deren Ausgang man wohl kaum bewerten kann269, weil man nicht wirklich aufeinander einging, sondern mehr aneinander vorbei redete, wird Falls ja, wäre auch dies ein Zeichen dafür, dass Osterloh sich zumindest inhaltlich nicht sonderlich davon beeindrucken ließ. 267 Für Osterloh dürfte diese Auseinandersetzung ein Beleg mehr dafür gewesen sein, „dass die gesamte alte Lehrergeneration völlig befangen ist von den Ansichten und Vorstellungen einer seit 1920 überwundenen Phase liberaler Theologie“ (aus einem Brief an Ministerialrat Dr. Rönnebeck vom 6. 1. 1948 [AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 3]). 268 An Ministerialrat Dr. Rönnebeck schrieb Osterloh, was er als Folge eines solchen „gutgemeinten Religionsunterrichtes“ ansah, nämlich, „dass die Kinder spätestens im Alter von 11–16 Jahren die in einem solchen Religionsunterricht übermittelten Werte über Bord werfen, weil sie damit angesichts der Härte des Lebens und der in Zeitung, Rundfunk, Film und öffentlichem Gespräch vertretenen Weltanschauung nichts anfangen können“ (EBD.). Osterlohs Eintreten für die Christliche Unterweisung war also nicht in einem Verschließen der Augen vor der Realität begründet, er meinte im Gegenteil, mit diesem Konzept gerade der Realität gegenüber bestehen zu können. 269 Wie problematisch es für nicht sachkundige Leser ist, wenn R. RITTNER, Die evangelische Kirche, in seinem Abschnitt „Kirche und Schule“ das Geschehen der Jahre 1945 bis 1947 weitestgehend ausblendet, dann diese Diskussion in den Mittelpunkt seiner Darstellung rückt und sie mit wertenden Kommentaren versieht, verdeutlicht eine Rezension Bernhard Felmbergs (zum Zeitpunkt der Niederschrift Bundesgeschäftsführer des EAK !), der aus der verkürzten Darstellung Rittners eine wohl absichtlich flapsig formulierte Karikatur macht: „Dem Oberkirchenrat gehörte nach 1945 ebenfalls Edo Osterloh an. Der Schüler Rudolf Bultmanns vergaloppierte sich bei der Neuordnung von Kirche und Schule (sic!), indem er die Lehrerschaft wie den Religionsunterricht unter die Fittiche der Institution

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Osterloh in seinem Vorgehen bestärkt haben: Das Gespräch mit altgedienten Repräsentanten der Lehrerschaft war viel zu vorbelastet und festgefahren, um fruchtbar sein zu können. 4.4.2.5 Der schwierige Weg zum Kompromiss Auf anderem Gebiet brachte Osterlohs Initiative Bewegung in festgefahrene Verhältnisse, denn noch 1947 konnte ein durch alle Instanzen hindurch genehmigter „Lehrplan für Evangelische Unterweisung an den Oldenburger Volksschulen“ fertiggestellt werden270. Die kirchliche Seite war kompromissbereiter geworden und hatte sich von pädagogischen Argumenten offenbar beeindrucken lassen, denn die ganz strenge Bindung an das Kirchenjahr war nicht mehr vorgesehen. Verteilt auf die verschiedenen Schuljahre sollten nun bestimmte Komplexe von biblischen Geschichten durchgenommen, z. T. auch wiederholt werden. Zum Kirchenjahr hieß es explizit nur noch: „In Lesungen und Andachten kann dem Jahre der Kirche gefolgt und gezeigt werden, wie die heilige Schrift unser tägliches Leben ordnet und wie aus ihr die Ordnungen unserer Kirche erwachsen sind.“271 „Kompromiss“ ist auch das entscheidende Stichwort für die Beilegung des Streites um das Recht kirchlicher Kreisbeauftragter, Visitationen der Christlichen Unterweisung an der Schule vorzunehmen. Diese Regelung, schon 1945 beschlossen, hatte seitdem die heftigsten Proteste aus der Lehrerschaft hervorgerufen272. Kirche stellen wollte und damit nicht nur Protest bei den Betroffenen erntete, sondern auch von seinem Landsmann auf dem Marburger Katheder getadelt wurde. Kirchenpolitik und zeitbedingter kirchlicher Überschwang hatten die Theologie in der zweiten Reihe plaziert“ (B. FELMBERG, Rez.). Einen differenzierten und fundierten Kommentar zur Einführung der „Evangelischen Unterweisung“ nach 1945 (hier am Beispiel Badens und Württembergs) bietet J. THIERFELDER, Kirche und Schule, S. 150f. Er bezeichnet diesen Schritt als einen „Neuanfang“, fragt aber zugleich, „ob dieses Konzept, das in einer ganz anderen Situation konzipiert worden war, nicht von Anfang an auch Probleme in sich barg.“ Als Beispiel dafür nennt er die Überforderung von Lehrern und Schülern, um trotzdem zu dem Schluss zu kommen: „Doch verhinderte dieses und andere Probleme nicht, daß sich die neue Konzeption jahrzehntelang als tragfähig erwies.“ 270 Sonderdruck Oldenburg (Stalling), Nov. 1947, 12 S. (ein Exemplar in: AELOKR OLDENBURG, A XIII-4III). In diesem Lehrplan wird durchgehend „Evangelische Unterweisung“ geschrieben, während im vorgeschalteten Anschreiben Fritz Kaestners noch von „Christlicher Unterweisung“ die Rede ist. 271 EBD., S. 3. 272 In einem Gespräch mit Staatssekretär Dr. Wende und Ministerialrat Dr. Rönnebeck, das Hermann Ehlers in Vertretung Osterlohs führte, hieß es: „Von besonderer Bedeutung war das Gespräch über die Einsichtnahme in die christliche Unterweisung. Offenbar sind in dieser Richtung die meisten Vorstösse des Landeslehrervereins erfolgt. Das in der Anweisung des Oldenburgischen Staatsministeriums enthaltene Wort ‚Besuch‘ der christlichen Unterweisung wird als besonders belastend empfunden, da mehrfach die Geistlichen, die den Unterricht ‚besucht‘ hätten, insofern eine Aufsicht ausgeübt hätten, als sie den Unterricht selbst in die Hand genommen und während der Stunde weitergeführt hätten. Dies werde

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Dagegen sahen Osterloh und Stählin273 im Recht zur Einsichtnahme durch Vertreter der Kirche eine unabdingbare Voraussetzung des Miteinanders von Schule und Kirche im Bereich der Christlichen Unterweisung. Zwar beteuerte gerade Osterloh immer wieder sein Streben nach Gegenseitigkeit, nach einem partnerschaftlichen Miteinander von Pfarrern und Lehrern, das auch eine Einsicht von Lehrern in Konfirmandenunterricht beinhalten sollte, nach echten Arbeitsgemeinschaften, in denen die Ergebnisse eines solchen Miteinanders besprochen werden sollten274, doch fand er damit kaum Gehör. Das Interesse der Lehrer an einer Einsichtnahme in den Konfirmandenunterricht hielt sich wohl in sehr engen Grenzen, und andererseits war sicher vielen ein gegenseitiger, partnerschaftlicher Austausch über den eigenen Unterricht schwer vorstellbar, wenn dabei Theologen am Tisch saßen, die kurz zuvor noch in selbstherrlicher Manier den zu visitierenden Unterricht einfach übernommen hatten275. Einzelfälle, sicherlich, die sich jedoch dem Gesamtbild einer von einem Bischof wie Stählin geleiteten Kirche stimmig einzufügen schienen. Die Zustimmung und bereitwillige Mitarbeit der Lehrer war hier also nach wie vor nicht zu erreichen. Weitaus gewichtigere Probleme bei der Durchsetzung der kirchlichen Position ergaben sich an anderen Stellen: Zum einen gelang es trotz gewisser Erfolge offensichtlich nicht, eine evangelische Elternschaft „aufzubauen“, die sich für die kirchlichen Anliegen ähnlich stark engagierte wie es katholische Eltern vielfach taten. Zum anderen hatten die Kreisbeauftragten, in der Mehrzahl Pfarrer, große organisatorische Probleme, das Visitationsrecht der Kirche umzusetzen276. Ob man dahinter auch einen Widerwillen gegen die Übernahme dieser umstrittenen Dienstpflicht vermuten darf, muss dahingestellt bleiben, jedenfalls brachten alle anwesenden Kreisbeauftragten in einer Sitzung der Erziehungskammer am 18. Mai 1948 zum Ausdruck, „dass eine Einsichtnahme in die Christliche Unterweisung praktisch undurchführbar sei“277. Ein anderer Umstand stellte die Position der oldenburgischen Kirchenleitung noch mehr in Frage: in der Olals geistliche Schulaufsicht empfunden“ (Aktennotiz über das Gespräch vom 23. 6. 1948, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 3). 273 Stählin hatte ebenfalls noch am 23. 6. 1948 mit Wende und Rönnebeck gesprochen und dabei erklärt, „daß die Kirche auf diese Einsichtnahme unter keinen Umständen verzichten könne“ (Aktennotiz über das Gespräch: EBD.). Zu Osterlohs Position vgl. den vorhergehenden Abschnitt. 274 Osterloh skizzierte seine auch in zahlreichen Briefen vorgetragenen Gedanken im oben zitierten Schlussabschnitt seiner Antwort an Wilhelm Schwecke (vgl. oben S. 183). 275 Vgl. oben Anm. 272. 276 Im schon erwähnten Gespräch mit Staatssekretär Dr. Wende und Ministerialrat Rönnebeck hatte Stählin zugegeben, dass die Durchführung der Christlichen Unterweisung vor allem deshalb so unbefriedigend sei, „weil die meisten Kreisbeauftragten infolge beruflicher Überlastung und mangelnder Transportmittel dieses Amt gar nicht richtig hätten ausüben können“ (vgl. oben Anm. 273). 277 Protokoll der Sitzung, unterzeichnet von Osterloh, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 21.

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denburg umschließenden Landeskirche von Hannover war das Visitationsrecht gleich nach seiner Festschreibung an die zuständigen Kreisschulräte delegiert worden278. Da halfen auch unterstützende Worte aus der Ministerialebene279 nichts mehr. Bei starkem Widerstand der Lehrer, mangelndem Elternwillen und einer unentschlossenen Pfarrerschaft, die sich gar nicht in der Lage sah, die Visitationen selbst durchzuführen, konnte niemand mehr plausibel machen, warum ausgerechnet in Oldenburg diese Visitationen nur von eigens dazu bestimmten Kreisbeauftragten unternommen werden durften. Osterloh, inzwischen schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht worden280, muss dies wohl eingesehen haben, brachte in der gleichen Sitzung der Erziehungskammer die hannoversche Lösung ins Gespräch – und fand dafür trotz allem keine Mehrheit281! Die Kammer gab dem Oberkirchenrat aber den Rat, die Einsichtnahme in die Christliche Unterweisung durch die Kreisbeauftragten abzubrechen und – an die Regelung der 1920er Jahre erinnernd – „die Arbeit des Verständigungsausschusses unter einem anderen Namen wieder aufzunehmen“282. An dieses Protokoll notierte Hermann Ehlers handschriftlich: „Ich empfinde die Gesamtentwicklung als höchst unbefriedigend. Aus dem Wegfall der Einsichtnahme muß sich der Wegfall der Beauftragung entwickeln.“ Stählin stimmte ihm zu: „Grundsätzlich teile ich die Bedenken von Dr. E.“283. Osterlohs nun vermittelnder Kurs stieß bei seinen Oberkirchenratskollegen, die 1945 an der Festschreibung des Rechtes der Einsichtnahme beteiligt waren, auf wenig Verständnis. Zu einer längeren Aussprache zwischen Osterloh und Stählin kam es am 8. Oktober 1948, nachdem Osterloh sich tags zuvor erneut mit Oberschulrat Rieckhoff besprochen hatte. Stählin wünschte, vor einer amtlichen Stellungnahme des Oberkirchenrats persönlich an einer Zusammenkunft mit allen evangelischen Schulräten teilzunehmen; Osterloh stimmte dem zu und bat Rieckhoff um Vermittlung 278 Osterloh hatte sich über diese Regelung mit Oberlandeskirchenrat Heinz Brunotte ausgetauscht (Briefe vom 17. 1. und 26. 1. 1948,in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 3). 279 In dem Brief an Brunotte vom 17. 1. 1948 hatte Osterloh darauf hingewiesen, dass „Minister Kaestner […] den Standpunkt vertreten“ habe, „dass wir die oldenburger Regelung nicht aufgeben sollen“ (EBD.). 280 Siehe den oben schon zitierten Hinweis Dr. Rönnebecks vom Kultusministerium (Anm. 229). Zuletzt hatte auch Prof. Rieckhoff, Oberschulrat und Mitglied der Erziehungskammer, seiner Meinung Ausdruck verliehen, „dass die Kreisbeauftragten für christliche Unterweisung eine so starke Belastung des Verhältnisses von Kirche und Schule darstellen, dass er es für richtiger halten würde, auf eine Einsichtnahme in den Unterricht zu verzichten abgesehen von der Einsichtnahme anlässlich der ordentlichen Kirchenvisitation“ (Aktenvermerk Osterlohs über das Gespräch mit Rieckhoff am 9. 1. 1948, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 6). 281 Laut Protokoll (vgl. oben Anm. 277) stimmten von den Anwesenden acht gegen Osterloh, fünf enthielten sich und nur vier stimmten ihm zu. Die letzteren vier waren alle Lehrer. 282 EBD. 283 EBD.

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eines geeigneten Termins284. Das Treffen fand in Anwesenheit Fritz Kaestners am 27. Oktober 1948 statt – ohne Bischof Stählin. Nach dem Bericht, den Kaestner dem Oberkirchenrat übersandte285, hatte Osterloh weitreichende Zugeständnisse gemacht: „Sowohl von kirchlicher Seite wie von Seiten der staatlichen Unterrichtsverwaltung wurde es für wünschenswert gehalten, dass die Schulräte die Aufgaben der Einsichtnahme mit übernehmen. Hierzu ist es erforderlich, dass sie das Vertrauen der Kirche besitzen, so dass die Kirche bereit ist, ihnen den Auftrag zur Einsichtnahme zu erteilen. Herr Oberkirchenrat Osterloh brachte zum Ausdruck, dass die Kirche gegebenenfalls bereit sei, sämtlichen 7 evangelischen Schulräten diesen Auftrag zu erteilen, sofern diese bereit seien, den Auftrag anzunehmen. Aufgrund einer eingehenden Aussprache über Wesen und Zweck dieser Einsicht erklärten sich sämtliche Schulräte bereit, einen solchen Auftrag zu übernehmen.“286

Leider ist aus den Akten nicht ersichtlich, ob man vorher im Oberkirchenrat über diesen Termin gesprochen hatte, aufgrund der Anmerkungen, die Ehlers und Stählin dem Text anfügten, erscheint es aber wahrscheinlicher, dass Osterloh hier im Alleingang gehandelt hatte: Ehlers notierte: „Ist diese erhebliche Abweichung im OKR besprochen?“287 Stählin dagegen protestierte zunächst gegen das Vorgehen: „Ich hatte ausdrücklich erklärt, daß ich Wert darauf legen muß, bei der geplanten Besprechung mit den Schulräten zugegen zu sein, und hätte in dieser Besprechung entschieden darauf hingewiesen, daß eine so weitgehende Bindung nur der OKR beschlußmäßig eingehen könne. Die Besprechung wurde dann gehalten, während ich auf einer Dienstreise abwesend war. Nach meiner Meinung können wir eine so weitgehende Erklärung, wie sie hier vorläufig als die persönliche Meinung des Referenten abgegeben ist, nicht abgeben.“288

Sieht es in diesen Bemerkungen so aus, als hätte Osterloh sich zu weit vorgewagt und nun die Konsequenzen dafür zu tragen, scheint er sich im Oberkirchenrat dennoch schnell durchgesetzt zu haben, denn schon am 9. November 1948 wurde als Sitzungsbeschluss festgehalten: 284 Vgl. Brief Osterlohs an Rieckhoff vom 8. 10. 1948 (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 21). 285 Bericht vom November 1948 (ohne Tagesdatum, von Osterloh mit der Bitte um „vorläufige schriftliche Stellungnahme“ in den Umlauf gegeben am 4. 11. 1948), in: EBD. 286 EBD. 287 EBD. Die Bemerkung, es werde für wünschenswert gehalten, dass die Schulräte die Einsichtnahme „mit übernehmen“ (siehe oben), hatte Ehlers offensichtlich falsch verstanden und gab mit seiner Frage: „Wer prüft [sic !] mit?“, einen deutlichen Hinweis darauf, wie er die Einsichtnahmen beurteilte, nämlich wohl genau so, wie zahlreiche Lehrer es befürchteten. Tatsächlich gemeint war aber, dass die Schulräte diese Aufgabe zusätzlich zu ihren anderen übernehmen. 288 EBD. (Hervorhebung i. Orig. unterstrichen).

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„Oberkirchenrat Osterloh berichtet über seine Besprechung mit den evangelischen Schulräten des Verwaltungsbezirks Oldenburg. Oberkirchenrat Osterloh soll zunächst mit den Kreisbeauftragten sprechen. Dann sollen die Schulräte mit der Visitation der christlichen Unterweisung in den Volksschulen einzeln beauftragt werden unter Mitteilung der vorgeschlagenen Vereinbarungen. Dem Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg soll mitgeteilt werden, daß die Kirche sich damit die Freiheit vorbehält, auch andere Personen zu beauftragen, die die christliche Unterweisung visitieren, und daß im Süden des Bezirks die bisherige Regelung beibehalten wird.“289

Trotz dieser grundsätzlichen Zustimmung konnte Stählin es nicht unterlassen, in drastischen Worten auszumalen, wozu diese Entscheidung seiner Meinung nach führen würde, und schließlich sogar zur Obstruktion des gerade erst gefassten Beschlusses aufzurufen: „Bischof D. Stählin führt auf Grund dieses Beschlusses aus, daß diese Entscheidung nun nicht mehr zu umgehen ist, aber ein Schritt auf dem Wege der Rekatholisierung des Landes ist. Die katholische Kirche wird niemals auf die Einsichtnahme verzichten. Wenn es möglich wäre zu erreichen, daß ein Schulrat diese Beauftragung ablehnt, wäre etwas gewonnen. Bischof D. Stählin weist hin auf das Beispiel der Beauftragung des Landesherrn durch Luther. Oberkirchenrat Osterloh sieht dasselbe Beispiel und bemerkt, daß mit der Ablehnung der gottesdienstlichen Beauftragung in der Lehrerschaft die eigentliche Position schon aufgegeben werden mußte.“290

Nicht zuletzt der Druck der finanziellen Gegebenheiten ließ solche Pläne von vornherein als unbotmäßig erscheinen. Der Oberkirchenrat war im Gefolge der Währungsreform zum Jahreswechsel 1948/49 so sehr in Bedrängnis, dass es nicht einmal möglich schien, die (ehemaligen) Kreisbeauftragten zu einer Besprechung zu versammeln291. Die von Osterloh ausgehandelte Regelung trat in 289 AELOKR OLDENBURG, A III-37–5 (Sitzungsbeschlüsse OKR 1948/49). Die vorgeschlagenen Vereinbarungen hatte Osterloh den Schulräten erläutert (vgl. den Bericht Kaestners [vgl. oben Anm. 285]). Sie bestanden im Wesentlichen aus der Bereitschaft zum gegenseitigen Austausch mit dem Oberkirchenrat über die vorgenommenen Einsichtnahmen und zur jährlichen Teilnahme an einer Besprechung mit einem Vertreter des Oberkirchenrats. 290 EBD. Man sollte beachten, dass dies nur der in den Sitzungsbeschlüssen wiedergegebene Teil der Diskussion ist, wenn man darüber nachdenkt, in welcher Atmosphäre diese Sitzung wohl stattgefunden hat. In seinen Erinnerungen (W. STÄHLIN, Via Vitae, S. 460) hat Stählin seine scharfe Kritik an Osterlohs Vorgehen weitestgehend unerwähnt gelassen. Nach der Feststellung, die Umsetzung des 1945 festgeschriebenen Rechtes sei am Mangel an geeigneten Persönlichkeiten ebenso gescheitert wie am heftigen Widerstand der Lehrerschaft, schreibt er weiter: „Osterloh erfand dann eine Kompromißlösung, wonach die Kirche die Kreisschulräte mit dieser Aufgabe betraute. Natürlich war das eine ziemlich fragwürdige Notlösung; aber sie hat sich dann im allgemeinen gut bewährt.“ 291 So Osterloh in seinem Brief an die Kreisbeauftragten für Christliche Unterweisung vom 12. 1. 1949, in denen er ihnen das Ergebnis der Verhandlungen des Oberkirchenrats mit der Schulbehörde mitteilte (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 21).

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Kraft; zu Beginn des Jahres 1949 erhielten die ersten sieben evangelischen Schulräte durch Bischof Stählin ihre Urkunden überreicht, ausweislich derer sie nunmehr das Amt des Beauftragten für die christliche Unterweisung ausübten292. Festgehalten werden muss, dass die Basis für das weitere, eher partnerschaftliche Zusammenwirken von Schule und Kirche, das in der Arbeit des unter der Beteiligung Franz Kiesewetters (sic !) wieder eingerichteten Verständigungsausschusses seinen sichtbaren Ausdruck fand und sich auf die Tätigkeit zahlreicher Arbeitsgemeinschaften zwischen Lehrern und Pfarrern vor Ort gründete293, noch von Edo Osterloh gelegt wurde294, und zwar gegen die Kritik seiner Oberkirchenratskollegen. Umso erstaunlicher, da seine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Entwicklung des Schulwesens keineswegs ausgeräumt waren, wie sich u. a. im Artikel „Die Schulfrage in Deutschland als theologisches Problem“ vom April 1949 zeigt295. Nachdem er die Diskussion um die Schulformen in ihrer Vielfältigkeit nachgezeichnet hatte und die politische und wirtschaftliche Abhängigkeit der Schul-, wie der Kulturpolitik insgesamt analysiert hatte, kam er in Bezug auf die „theologische Grundfrage“ zu dem Schluss: „Die letzte Ursache für die Ergebnislosigkeit und Ausweglosigkeit aller gegenwärtigen Verhandlungen der Schulfrage in Deutschland ist die dabei immer erfolgende Ausklammerung der Glaubensentscheidung. Es gibt immer eine große Anzahl politischer und kultureller Proklamationen, die davon ausgehen, daß die Glaubensfrage (konfessionelle Frage) unlösbar sei und das gesamte Schulproblem deshalb rein vom Menschen her gelöst werden müsse. In dieser Grundhaltung besteht unter Pädagogen und Politikern der Gegenwart eine die meisten Standpunkte umgreifende Einigkeit. Aber gerade diese Grundhaltung hat in der Glaubensfrage zum Teil unbewußt eine eindeutige Entscheidung gefällt, daß sie nämlich ihrem Wesen nach für die Schule belanglos sei. Sie unterstellt, daß man die Schulfrage in Deutschland lösen könne ohne Rücksicht auf die 292

Vgl. EBD. Vgl. H. SCHMIDT, Kirche und Schule, S. 193–197. Man beachte dabei aber, wie Schmidt z. B. auf die in diesem Abschnitt geschilderten Auseinandersetzungen eingeht: „Es ist bekannt, daß Oldenburg dadurch, daß durchgängig die Schulräte mit dem Dienst eines Kreisbeauftragten für die Christliche Unterweisung beauftragt wurden, vorangegangen ist und diese Einrichtung schon hatte, als sie in § 5 des neuen Schulgesetzes empfohlen wurde“ (EBD., S. 197). 294 Vgl. JK 10, 1950, S. 561: „Oberkirchenrat Osterloh […], der an erster Stelle bei der Bildung des Ausschusses beteiligt ist, wies darauf hin, daß mit der Bildung dieses Ausschusses der Verdacht entkräftet sei, als wolle die Kirche wieder zum Recht der geistlichen Schulaufsicht zurück.“ Genauere Angaben zu Funktion und Zusammensetzung des Ausschusses finden sich in: EvW 3, 1949, S. 579. Zwar stand auch über diesem Gremium „kein guter Stern“, es verschwand bereits 1952 „ruhmlos […] in den Akten“ (H. SCHIRMER, Schule, S. 163), doch kam es daraufhin schon im Sommer 1953 zu einer – wiederum auf die beharrliche Mitarbeit Kiesewetters sich gründenden – nun tragfähigen Verständigung zwischen VOLL und Oberkirchenrat (vgl. EBD.). 295 E. OSTERLOH, Schulfrage (1949). Vgl. auch DERS., Anspruch (1949), basierend auf einem Vortrag, den Osterloh am 7. und 18. 6. 1949 auf zwei Theologentagungen in Bad Boll vor Vertretern des deutschen und amerikanischen Luthertums gehalten hatte. 293

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Glaubensfrage. Sie vertritt den Aberglauben, man habe es mit dem wirklichen Menschen zu tun, wenn man absieht davon, daß der Mensch tatsächlich immer der durch Jesus Christus im Angesicht Gottes lebende Mensch ist.“296

Seine Grundüberzeugung blieb also gleich, er wollte Lehrern und Schulpolitikern auch weiterhin klarmachen, dass sie es erst dann mit dem wirklichen Menschen zu tun haben, wenn sie ihn sehen als Menschen vor Gott. Dies war es auch in Oldenburg gewesen, was er Lehrern, Lehrervertretern und Schulpolitikern vermitteln wollte. Und zwar nicht oder nicht in erster Linie für die Kirche, schon gar nicht, um einer bestimmten Landeskirche Machtpositionen zu sichern, sondern weil er als Christ daran glaubte, dass es zu einem wirklichen Bildungsgeschehen nur dann kommen kann, wenn man diese Erkenntnis einbringt und zur Grundlage aller pädagogischen Bemühungen macht – zum Wohle der Schule, zum Wohle der Lehrer, vor allem aber zum Wohle der Kinder.

4.4.3 Osterloh und die Auseinandersetzungen im Oberkirchenrat Schon aus dem vorhergehenden Abschnitt lässt sich eines der Grundprobleme im Oberkirchenrat der Jahre 1945 bis 1949 erkennen: Man hatte zwar nach außen eine relativ eindeutige Kompetenzverteilung, hielt sich aber gleichwohl auf dem Gebiet des/der Kollegen allemal für kompetent genug, um deren Tun in Frage zu stellen. Die in einer solchen Situation dringend gebotene Abstimmung untereinander vor wichtigen Entscheidungen aber unterblieb von Fall zu Fall, weil offenbar jeder wiederum auf seinem Gebiet allein zu wissen glaubte, was das Beste für die oldenburgische Kirche sei, und dementsprechend auch seine eigenen Wege ging297. So ließ allein schon die personelle Zusammensetzung des Oberkirchenrats – mit Kloppenburg, Osterloh und Stählin allein drei Theologen mit theologisch-kirchlichem Führungsanspruch, dazu mit Ehlers ein der Kirche eng verbundener Jurist, den es in die Politik drängte, der aber immer bemüht blieb, dem Geschehen in Oldenburg seinen Stempel aufzudrücken – eine rei-

296 E. OSTERLOH, Schulfrage (1949), S. 118. Vgl. auch die Schlussaussagen in: DERS., Schulmonopol (1949), wo er als Konsequenz die „staatsrechtliche Zulassung weltlicher unchristlicher Schulen“ neben christlichen Bekenntnisschulen forderte, denn: „Eine christliche Kirche, die für sich um Tolerierung durch den Staat und echte Gewissensfreiheit kämpft, wird wahrscheinlich die ‚Christlichkeit‘ ihres Kampfes nicht besser dokumentieren können, als indem sie zugleich eintritt für das Recht zum Leben und zur Kulturgestaltung auch für die überzeugten Nichtchristen.“ 297 Anschaulich beschreibt – aus seiner Sicht – Stählin die Folgen: „[E]s konnte vorkommen, daß ich am Sonntagabend zufällig erfuhr, daß ich in der ganzen darauf folgenden Woche das einzige ortsanwesende Mitglied der Behörde sein würde“ (DERS., Via Vitae, S. 438; vgl. zu Stählins Sicht des schwierigen Miteinanders EBD., S. 435–440).

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bungslose Zusammenarbeit kaum möglich erscheinen. Auch größere Landeskirchen als Oldenburg hätten schwerlich vier solchen Persönlichkeiten, ausgestattet mit hoher Intelligenz und einem ausgeprägten Charisma, zur gleichen Zeit Betätigungsfelder bieten können, in denen sie ihre Qualitäten frei hätten entfalten können, ohne einander sehr schnell im Wege zu stehen. Ergab es sich also fast von selbst, dass es im Oberkirchenrat immer wieder zu Spannungen kommen musste, so traten einige Faktoren erschwerend hinzu: Stählin war zu einem guten Teil aus taktischen Erwägungen nach Oldenburg geholt worden, es gab von Beginn an einen „heimlichen“ Bischof Kloppenburg. Der ehemalige Präsident Tilemann, und mit ihm ein guter Teil zumindest des stadtoldenburgischen kirchlichen „Establishments“, fühlte sich bei dieser Art der Neuordnung übergangen und beäugte die umstrittene Theologie des Bischofs extrem kritisch. Das wiederum führte bei dessen Unterstützern, angeführt von Kloppenburg, nicht etwa dazu, sich nun erst recht um Stählin zu scharen; nein, die bereits 1945 vorhandene Vorsicht, die sich schon in der Berufung Osterlohs ausdrückte, wuchs weiter an. Schon dass man, wie Osterloh in seiner Antwort auf Tilemann, überhaupt so ausführlich auf eine Kritik reagierte und sich in seiner eigenen Stellungnahme der angegriffenen Theologie gegenüber auch noch recht differenziert verhielt298, zeigte, dass man von der Grundlosigkeit der Vorwürfe wohl selbst nicht so ganz überzeugt war. Dazu kam Misstrauen: Nachdem Tilemann verbreitet hatte, Stählins Theologie sei in Göttingen nach einem Vortrag von der versammelten Professorenschaft einhellig niedergemacht worden, und Stählin dagegen behauptet hatte, er habe lediglich vor Studenten gesprochen und von Professoren allenfalls vereinzelt Kritik erfahren, fragte Osterloh schriftlich bei ihm bekannten Professoren in Göttingen nach, wie es denn nun gewesen sei299. Mit der Beurlaubung Kloppenburgs für seine Tätigkeit in Genf wurden Osterloh und Dr. Hans Schmidt, Bruderratsvorsitzender in Oldenburg und zusammen mit Heinrich Höpken nun nebenamtlicher Oberkirchenrat, im Kreis der in der Rasteder Konferenz versammelten ehemaligen Mitglieder der Bekennenden Kirche vollends zum Kristallisationspunkt für einen Widerstand gegen Stählins theologische Vorstellungen. Vorsichtig deutete Osterloh das Vorhandensein von Spannungen an, wenn er in einem offensichtlich auf Kritik und Misstrauen von außen reagierenden Beitrag für die „Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung“ vom 31. Januar 1948 über die Arbeit der Rasteder Konferenz schrieb:

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Vgl. oben S. 157–160. Vgl. Brief an Hans-Joachim Iwand, Ernst Wolf und Hermann Dörries vom 6. 12. 1947 (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 6). 299

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Pfarrer und Oberkirchenrat in Oldenburg

„Von der ‚Rasteder Konferenz‘ aus hat die Bekennende Kirche in Oldenburg ihr ‚Gesicht‘ bekommen […]. Liturgische Übungen haben nur vorübergehend einen begrenzten Raum in Rastede gefunden. Kennzeichnend für die theologische Arbeit in Rastede ist ihre Unabhängigkeit und in der Tradition begründete Skepsis gegenüber der Kirchenleitung […]. An der Rasteder Konferenz nehmen auch Michaelsbrüder teil, und die meisten Oldenburger Michaelsbrüder sind wohl Glieder der Bekennenden Kirche […]. Alle Arbeiten an der Gestaltung des Gottesdienstes in unserer Kirche stehen in Kontakt mit ‚Berneuchen‘. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß Oldenburg sich wohl von den Michaelsbrüdern helfen läßt, zu einer lutherischen Gestalt des Gottesdienstes zurückzukehren, trotzdem aber als Kirche eine andere theologische Grundhaltung findet als ‚Berneuchen‘“.300

Im gleichen Artikel machte er öffentlich, wie groß die Skepsis gegenüber Stählin schon zu Beginn von dessen Tätigkeit war: „[D]ie jetzt tagende Landessynode hat ihre endgültige Zustimmung zur Einführung des Bischofs erst gegeben, als alle theologischen Probleme gegenüber seiner ‚Richtung‘ offen zur Sprache gebracht worden waren, und nachdem der Bischof eine Erklärung über seine Stellung zu den strittigen Fragen, besonders über das Verhältnis der evang.-luth. Kirche zur römisch-katholischen Kirche gegeben hatte.“301

Ein Bischof, der eine Erklärung zu seiner Theologie abgeben muss! Was als Würdigung der theologischen Arbeit der Synode ausgegeben wurde, kann auch als Zurechtweisung des Bischofs gelesen werden, gegen dessen theologische Vorstellungen die letztlich entscheidende Kompetenz der Synode gestellt wird. Kein Wunder, dass Osterloh auch eine wichtige Rolle spielte, als es zur großen Aussprache zwischen Stählin und seinen theologischen Kritikern kommen sollte. Schon im Februar 1947 hatte ein Gespräch zwischen dem oldenburgischen Bruderrat und Stählin über die Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung stattgefunden, das auf der Rasteder Konferenz vorbereitet worden war. Am 20. August 1947 verhandelte der Bruderrat dann ohne Stählin mit einem Kreis „alter Oldenburger Amtsbrüder“ über die „Bedeutung der Begegnung der Rasteder Konferenz mit der Michaelsbruderschaft“302. Heinrich Höpken, inzwischen selbst Angehöriger der Bruderschaft, berichtete über seinen Weg dorthin, für ihn eine „gradlinige Fortsetzung der Rasteder Anfänge“. Kloppenburg verteidigte die Bruderschaft, obwohl er zugab, aus „persönlichen Gründen“ einen Austritt zu erwägen, gegen „törichte“ Fragen und Verdächte. Trotzdem wurde deutlich, dass die „alten“ Oldenburger den neu ins Land gekommenen Amtsbrüdern aus der 300

E. OSTERLOH, Bericht (1948), S. 13. EBD. 302 Aktenvermerk über diese Besprechung am Mittwoch, dem 20. 8. 1947 (verfasst von Kloppenburg), in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 35. Hieraus auch die folgenden Zitate. 301

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Michaelsbruderschaft misstrauisch gegenüberstanden, sie gar als „Fremdkörper“ betrachteten, da ihre Bindung an die Bruderschaft stärker sei als die an „die Gemeinschaft der Brüder der Oldenburgischen Kirche“. Zugleich unterstellte man dem Bischof, zu Michaelsbrüdern ein engeres und persönlicheres Verhältnis zu pflegen als zu den anderen Pfarrern, und äußerte gar den Verdacht, „dass die Michaelsbrüder den Auftrag hätten, dem Bischof direkt zu berichten, was sie auf Kreiskonferenzen usw. erführen“. Anfang 1948 eskalierte der Streit. Ein kritischer Satz Stählins über den Umgang der Bekennenden Kirche mit denen, die den Kirchenausschüssen gegenüber eine kompromissbereite Haltung befürwortet hatten, wurde über eine Eingabe Gerhard Wintermanns zu einem Tagesordnungspunkt der Sitzung des Bruderrats am 26. Januar, auf der auch über eine „Erklärung zur innerkirchlichen Lage in Oldenburg“ verhandelt werden sollte303. Vorher schon hatte Osterloh erklärt, von nun an stärker ein „Wächteramt“ ausüben zu wollen gegen die Gefahren römischen Denkens, das aufzusteigen drohe304; Hans Schmidt gar hatte in einem Brief an Stählin vom 20. Januar 1948 diesen offen bezichtigt, auf dem Weg zur „römischen Irrlehre“ zu sein, da er sich den „articulus stantes et cadentis ecclesiae unmerklich aus der Mitte [habe] verrücken lassen“305. Schmidt hatte sich zuvor mit Osterloh darüber verständigt, seinen Brief dem Landesbruderrat vorzulegen und diesem vorzuschlagen, aufgrund des theologischen Risses, der quer durch die oldenburgische Kirche ginge, auf die Feier der Messe zu Beginn der nachfolgenden Rasteder Konferenz zu verzichten306. Beide waren zu der Überzeugung gelangt, die Auseinandersetzung sei Teil des Versuchs, „die Bekennende Kirche in eine theologische Schule abzudrängen und damit auch die Geschichte der Bekennenden Kirche die Geschichte einer kirchlichen Richtung neben anderen sein zu lassen“307. Nach dem Bericht Stählins hatte Osterloh ihm gleichzeitig versichert, das Vorgehen gründe sich auf den Wunsch nach „Ausweitung und Intensivierung“ des Gesprächs, nicht nach „Maßnahmen gegen Ihre Person und Ihr Amt“.308 Dieses Gespräch sollte in eine Diskussion zwischen Bruderrat und Bischof münden, und man begann, dafür

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Eingabe Wintermanns an den Landesbruderrat und Einladung zur Sitzung (EBD.). So formuliert von Herbert Goltzen, einem Anhänger von Stählins theologischem Denken, in einem kritischen Brief an Osterloh vom 29. 1. 1948 (EBD.). 305 AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 36. Vgl. W. STÄHLIN, Via Vitae, S. 437. 306 Vgl. seinen Brief an Stählin (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 36). 307 Brief Schmidts an Götz Harbsmeier vom 2. 3. 1948, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 35. 308 W. STÄHLIN, Via Vitae, S. 437. Berücksichtigt man die genaue Wiedergabe der Grundgedanken des Briefes von Hans Schmidt kann man diesem Zitat aus Stählins Erinnerungen wohl Vertrauen schenken, auch wenn das Original des Briefes Osterlohs nicht vorliegt. 304

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die Liste der „entscheidenden Gravamina“ zusammenzustellen309. Zum ersten der sog. „Ahlhorner Gespräche“ kam es dann am 1. November 1948. Osterloh hielt das Eingangsreferat zum Thema „Amt in der Kirche“. Nach dem Bericht Hans Schmidts bot das Kaminzimmer des Blockhauses in Ahlhorn – noch heute eine Tagungsstätte der Oldenburgischen Kirche – einen „sehr netten“ Rahmen für ein von großer gegenseitiger Aufgeschlossenheit geprägtes Gespräch310. Schmidts Anliegen war, herauszukommen „aus dieser vergifteten Atmosphäre, in der jeder hinter dem Rücken des anderen seine Überzeug[ung] Gleichgesinnten, oft genug bösartig triumphierend, mitteilt, ohne es dem zu sagen, gegen den er sich damit stellt“311. Diese Situationsbeschreibung eines Mitglieds des Oberkirchenrats, der hier im Kreise der vom Bruderrat Beauftragten, zu denen drei weitere Oberkirchenratskollegen zählten, über die Theologie des Bischofs stritt, gibt wohl hinreichend Aufschluss über das Verhältnis unter den Mitgliedern der leitenden Behörde der oldenburgischen Kirche. Stählin, der die Gelegenheit zum Gespräch begrüßte, sah im Nachhinein hinter dem konkreten Geschehen den Konflikt zwischen dem Anspruch der Bekennenden Kirche auf „Alleingeltung ihrer theologischen Schulmeinungen“ und denjenigen, die ihr diesen Anspruch bestritten312. Er deutete dies schon vor Ort an, wenn er in seinen einleitenden Sätzen meinte, die Versammlung täte „stellvertretend für die EKiD und für die ganze Christenheit an einem kleinen Punkte einen entscheidenden Dienst“313. In der Diskussion selbst314 ergab sich in den meisten Punkten völlige Übereinstimmung, lediglich in der Frage der Berechtigung der Hierarchie in der Kirche und – eng damit verknüpft – der Frage nach dem Propstamt gab es Differenzen, in denen Hermann Ehlers sich auf Stählins Seite stellte. Beide betonten die Notwendigkeit von Hierarchien auch in der Kirche, wo es sich aber um Hierarchien der Funktion, nicht der Amtsträger handeln müsse. Den Gegnern eines Propstamtes unterstellte Stählin erneut Angst vor einer besseren Kontrolle ihres Tuns. 309 Vgl. Brief Schmidts an Harbsmeier (vgl. oben Anm. 307). Die Liste enthielt schließlich die kurz erläuterten fünf Punkte: 1. Die Lehre vom Amt (hierzu sollte Osterloh das Gespräch eröffnen), 2. Die Haltung zur Bekennenden Kirche, 3. Rechtfertigung und Heiligung, 4. Wort Gottes – hören – sehen – schauen, 5. Kirche als Abbild der ecclesia triumphans. Zugleich schlug der Bruderrat Teilnehmer am Gespräch vor: Osterloh, Ehlers, Gerhard Wintermann, Hans Roth, Wilhelm Wilkens, Heinrich Höpken, Herbert Goltzen, Dr. Hans Engelland, Chemnitz, Hans Rühe und Hermann Pleus. Vgl. den Brief Schmidts an die Genannten vom 21. 4. 1948 (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 36). 310 Vgl. Brief Schmidts an Kloppenburg vom 9. 11. 1948 (EBD.). 311 EBD. 312 W. STÄHLIN, Via Vitae, S. 439f., Zitat: S. 440. Stählin lag damit nahe bei der oben wiedergegebenen Einschätzung von Schmidt und Osterloh. 313 Zit. nach dem Bericht Schmidts im Brief an Kloppenburg (vgl. oben Anm. 310). 314 Vom ersten Ahlhorner Gespräch liegt ein maschinenschriftlicher, siebenseitiger Bericht vor (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 36).

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Osterloh wandte sich mit der Mehrheit wiederum gegen das Propstamt und wies auf die „geistliche Situation“ hin, die man nicht ausblenden dürfe. Seine Ablehnung gründe sich auf sein Urteil, „dass die evangelische Kirche in Gefahr ist, einen römisch-katholischen Weg zu gehen, und dass also jenes von uns abgelehnte Verständnis der Hierarchie seinen Einzug hält in Pfarrer- und Laienkreise“.315 Dass das Verhältnis Osterlohs zu Stählin sich nicht auf den theologischen Gegensatz reduzieren lässt, zeigen Äußerungen, in denen Osterloh die theologischen Differenzen zwar nicht verschwieg, aber gleichzeitig seine hohe Achtung vor der Persönlichkeit Stählins und seiner Arbeit in Oldenburg zum Ausdruck brachte316. Hier zeigt sich, wie schon im Falle Wilhelm Schweckes und Hans Asmussens, eine Eigenschaft Osterlohs, die damals viele verwirrte und auch heute von vielen für nicht nachvollziehbar gehalten wird: die strikte Trennung und das mögliche Nebeneinander von scharfem sachlichem Gegensatz und persönlicher Hochachtung oder sogar Freundschaft. Es scheint, als habe Osterloh sich selbst immer wieder erschrocken, wenn einer der von ihm Attackierten einen sachlich gemeinten Angriff persönlich nahm – so wie schließlich auch Wilhelm Stählin317. Stehen jedoch der Ausdruck persönlicher Wertschätzung und der Vorwurf katholisierender Tendenzen so eng beisammen wie in diesem Fall, kann es kaum verwundern, dass die Aufspaltung des Urteiles in zwei so gegensätzliche Aspekte für nicht glaubhaft gehalten wurde und deshalb umso mehr Verärgerung hervorrief. Das Verhältnis zu den übrigen Oberkirchenratskollegen war weit weniger angespannt, bis zum Ende von Osterlohs Zeit in Oldenburg kann man bei Kloppenburg, aber auch bei Höpken und Schmidt wohl von einem freundschaftlichen Umgang miteinander reden, der allenfalls durch Osterlohs offenbar nicht abgestimmten Abschiedsauftritt vor der Synode und die Reaktionen darauf getrübt wurde318. Gleichwohl bestand gegenüber Kloppenburg eine gewisse „Rivalität“, die anscheinend beim Entschluss, in die Kirchenkanzlei zu wechseln, eine Rolle spielte319 und von Osterloh her ihren Ursprung darin gehabt haben dürfte, 315

EBD., S. 7. Vgl. E. OSTERLOH, Sieben Jahre (1952). Vgl. auch den Brief Osterlohs zu Stählins 66. Geburtstag am 24. 9. 1949 (LKA NÜRNBERG, Pers. XVIII, Nr. 121; vgl. unten S. 209). 317 Vgl. unten S. 209–214. 318 Vgl. ebd. 319 In einem Brief an Osterloh vom 30. 5. 1949 (der vorhergehende Brief Osterlohs lag leider nicht vor, von „Rivalität“ im Verhältnis zu Kloppenburg hatte Osterloh aber auch in einem Brief an Martin Niemöller vom 13. 5. 1949 gesprochen; vgl. unten S. 206) bedauerte Kloppenburg diesen von Osterloh verwendeten Ausdruck und versuchte in einer etwas väterlichen Art, Osterloh seine Sicht der Dinge darzulegen: „Wenn ich an unseren Dienst in Oldenburg denke, so denke ich nicht an Probleme der Hierarchie, sondern ich fühle mich einfach verpflichtet, soviel an mir ist, meinen Dienst in dem Teil der Kirche weiter zu tun, in dem ich bisher zum Dienst gerufen war und der mir bis heute nicht erklärt 316

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dass er sich dem faktisch übergeordneten Kloppenburg theologisch überlegen fühlte320. Ehlers und Osterloh kannten sich aus gemeinsamen Berliner Tagen. Nach dem Tode Ehlers’ schrieb Osterloh im Gedenkband für ihn den Artikel über dessen Oldenburger Jahre, in dem er ihn und seine Leistungen – dem Anlass entsprechend – natürlich in einem sehr positiven Licht darstellte321. Dass ihr Verhältnis trotz grundlegender Übereinstimmungen während der gemeinsamen Jahre in Oldenburg nicht ungetrübt war, lässt sich aus Äußerungen gegenüber Dritten ableiten. So schrieb Ehlers, als sich abzeichnete, dass Osterloh Kandidat für das Bischofsamt in der Nachfolge Stählins sein könnte, Osterloh sei kein idealer Kandidat, „weil er viele Eigenschaften mit Kloppenburg gemeinsam hat“322. Osterloh wiederum schrieb in einem Brief an Chemnitz, der zu einer Art „Generalabrechnung“ geriet323: „Der Synodalausschuß sollte wirklich einmal nüchtern überprüfen, was in der von [der] Synode angenommenen Verfassung noch übrig geblieben ist von dem ursprünglichen Entwurf, den Dr. Ehlers vorgelegt hat. Es scheint mir auch nötig zu sein, nüchtern zu prüfen, wie die Finanzlage der Landeskirche aussieht und welche Voraussagen für die Entwicklung Ehlers vor etwa ¾ Jahren gemacht hat.“

Und, seine Kritik auf Stählin ausweitend: „Zu allen meinen Sorgen tritt die Furcht, daß die Allianz zwischen Stählin und Ehlers das Bündnis der Nichtoldenburger gegen die Oldenburger ist. Beide lieben uns nicht, sondern verachten uns. Beide sehen uns an, so wie der Pharisäer den Zöllner angesehen hat.“

Ein bitteres Fazit für das menschliche Miteinander nach vier Jahren gemeinsamer Arbeit. Dass dies nicht alles war, und Osterloh innerlich in der Beurteilung der Zeit in Oldenburg wohl stark hin- und hergerissen war, zeigt der Satz, mit dem er selbst seinen Brief einzuordnen versuchte: „Es ist nur ein Teil eines Monologs, dessen anderer Teil positiv und fruchtbar ist. Aber diesen anderen, den guten Teil des Monologs, habe ich von 1945 bis 1949 in Oldenburg gesprochen.“324

hat, daß er eine Fortsetzung dieses Dienstes nicht wünscht. Ich fürchte, daß Du ein wenig zu stark in der Kategorie Deines und meines Ich denkst. Man kann diese Kategorie nicht ausschalten, aber man kann sie bändigen“ (EZA BERLIN, 613/53). Man kann wohl davon ausgehen, dass diese Zeilen Osterlohs Befürchtung hinsichtlich einer Rivalität nicht gemildert haben. 320 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996. 321 E. OSTERLOH, Oberkirchenrat (1955). 322 Brief Ehlers’ an Alfred Gramsch vom 28. 2. 1952 (ACDP ST. AUGUSTIN, I-191-004/1). 323 Brief Osterlohs an Chemnitz vom 22. 3. 1950 (EZA BERLIN, 613/53). Hieraus auch die folgenden Zitate. 324 EBD.

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4.5 Abschied von Oldenburg Nachdem Osterloh mehrere Angebote, Oldenburg zu verlassen, ausgeschlagen hatte325, ergab sich im Frühjahr 1949 eine neue Gelegenheit, den weiteren Lebensweg völlig umzugestalten.

4.5.1 Der neue theologische Referent der Kirchenkanzlei und der Richtungsstreit in der EKD Auf der ersten Tagung der neugewählten Synode der EKD vom 9. bis 13. Januar 1949 in Bethel war Otto Dibelius, Bischof von Berlin-Brandenburg, zum neuen Vorsitzenden des Rates der EKD gewählt worden. Martin Niemöller, Stellvertreter des ersten Ratsvorsitzenden Theophil Wurm, wurde aufgrund der angestrebten konfessionellen Balance nicht einmal in dieses Amt wiedergewählt; er unterlag Hanns Lilje, seit 1947 Bischof von Hannover. Für Niemöller und den bruderrätlichen Flügel der evangelischen Kirche war diese Wahl ein Schock, da man aufgrund seiner führenden Rolle im Kirchenkampf und wegen seines Ansehens im Ausland wohl allzu selbstverständlich davon ausgegangen war, dass der bisherige Stellvertreter zum Nachfolger Wurms gewählt würde326. Nun aber hatten sich mit der aus den Kirchen der sowjetisch besetzten Zone vorgetragenen Bitte, angesichts von Berliner Blockade und der sich abzeichnenden Zweistaatlichkeit möge der neue Ratsvorsitzende aus ihrem Bereich kommen, auch die Antipathien jener Synodaler aus vornehmlich lutherischen Landeskirchen verbunden, denen die kirchenpolitische Haltung des Bruderrats, das Auftreten Niemöllers und seine enge Verbindung mit Karl Barth schon lange ein Dorn im Auge waren327.

325 Neben dem Ruf aus Bethel, den er selbst mit Rücksicht auf seine Gemeinde ausgeschlagen hatte (vgl. oben S. 137f.), gab es unter anderem eine Anfrage Gerhard von Rads aus Göttingen, ob Osterloh bereit wäre, eine alttestamentliche Professur zu übernehmen. Während Stählin angibt, Osterloh habe 1947 dieses Angebot von sich aus abgelehnt, weil er die kirchliche Arbeit für wichtiger hielt und ihn, Stählin, nicht im Stich lassen wollte (DERS., Via Vitae, S. 436), berichtete Gertrud Osterloh, Stählin habe ihm die für die Übernahme einer Professur notwendige Beurlaubung verweigert (Brief vom 12. 2. 1996). 326 Übrigens eine erstaunliche Parallele zum Schicksal Kloppenburgs, als die Wahl des Nachfolgers von Wilhelm Stählin anstand (vgl. unten S. 334–339). 327 Dokumentiert ist die Betheler Tagung in: BETHEL 1949. Vgl. KJ 76, 1949, S. 10–24. Vgl. auch M. GRESCHAT, Christenheit, S. 369f.; G. BESIER, Kirchenversammlung, S. 73–76; K. HERBERT, Kirche, S. 142–146; CHR. SIMON, Hannover, S. 123–127 (mit besonderem Augenmerk auf der Wahl Liljes zum Stellvertreter des Ratsvorsitzenden).

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Niemöller und der Bruderrat, durch die Ereignisse in Bethel in ihrem ohnehin vorhandenen Misstrauen gegen die EKD bestärkt, in der sie allerorten restaurative Kräfte am Werk sahen, mussten sich bestätigt fühlen, als Dibelius seinen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kirchenkanzlei gegen ihren starken Widerstand durchsetzte. Nachfolger Asmussens, der sein Amt nach quälend langen Auseinandersetzungen aufgeben musste328, sollte dessen „Vorgänger“ werden, Heinz Brunotte, 1945 als dienstältester Mitarbeiter kommissarischer Leiter der Kirchenkanzlei der DEK, seitdem Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt Hannover329. Dass Brunotte gleichzeitig Präsident des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD in Hannover war, konnte man als Beleg dafür ansehen, wie sehr sich der Einfluss der VELKD erweiterte330 – man konnte, wie Dibelius es später tat, darin aber auch eine Garantie dafür sehen, „daß sich die Lutherische Kirche nicht aus der EKiD hinausentwickeln würde“331. Auch die nahezu gleichzeitige Einrichtung der Stelle eines vornehmlich für Schulfragen zuständigen theologischen Referenten in der Kanzlei barg einigen Zündstoff in der Auseinandersetzung zwischen den kirchenpolitischen Fronten. In den Augen Brunottes diente diese Stelle vor allem dazu, Kompetenzen, die bisher bei Oskar Hammelsbeck – eindeutig dem bruderrätlichen Flügel der EKD zuzurechnen – und der unter seinem Vorsitz tagenden Kammer für Erziehungsfragen lagen, in der Kanzlei zu bündeln332. Dibelius’ Kandidat für diese Stelle des theologischen Referenten war Edo Osterloh. Schon aus Berliner Zeiten miteinander bekannt, gehörte Osterloh inzwischen zum weiteren Familienkreis von Dibelius: seine Frau Gertrud ist eine Nichte des Berliner Bischofs. Schon auf der Ratssitzung vom 17./18 Februar 1949 in Darmstadt schlug Dibelius Osterloh vor333, der unter den gegebenen Umständen gleich in mehrfacher Hinsicht ein idealer Kandidat war: Unbestritten kompetent und inzwischen durch über328

Vgl. G. BESIER, Kirchenversammlung. Vgl. EBD., S. 76; K. HERBERT, Kirche, S. 146. Zwischen Hans Asmussen und Heinz Brunotte war es bereits im Gefolge der Amtsübernahme Asmussens zu erheblichen Kontroversen gekommen, so dass es Asmussen besonders demütigen musste, Brunotte nun als seinen Nachfolger zu sehen (vgl. N. A. SCHULZE, „Ein anderer Kurs fordert andere Menschen“). 330 Vgl. die Entschließung des Landeskirchenvorstands der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland vom 16. 5. 1949, die von der „in Gang befindliche[n] Wahl des Präsidenten der Kirchenkanzlei“ behauptete, dass sie „die Gefahr einer Beherrschung der EKD durch die VELKD praktisch naherückt“ (KJ 76, 1949, S. 26). 331 O. DIBELIUS, Christ, S. 275. 332 Vgl. unten S. 227ff. 333 Im Protokoll nicht erwähnt; vgl. EZA BERLIN, 2/63; DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 3, S. 44–65. Vgl. aber den Brief Niemöllers an Osterloh vom 19. 2. 1949, in dem er sich nach Osterlohs Meinung zu diesem Vorschlag erkundigt. Da Dibelius nicht mitgeteilt hatte, woher er die Anregung zu seinem Entschluss bekam, vermutete Niemöller, dass die „sehr in grosser Kirchenpolitik“ machende VELKD dahinter steckte: „[I]ch könnte mir vorstellen, dass man Stälin [sic!] für den Anschluss an die VELKD 329

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regionale Veröffentlichungen zum Thema auch einer größeren Öffentlichkeit als sachverständig bekannt334, gehörte er einer nicht der VELKD beigetretenen lutherischen Kirche an und wurde in der kirchlichen Öffentlichkeit eindeutig dem bruderrätlichen Flügel zugerechnet. Osterloh fand sich damit unvermutet mitten im zu diesem Zeitpunkt anhand von Personalentscheidungen ausgefochtenen Richtungsstreit innerhalb der EKD wieder und versuchte zunächst, es allen Seiten einigermaßen recht zu machen. Niemöllers ihm schriftlich mitgeteilte Bedenken hinsichtlich des Verhältnisses von VELKD und oldenburgischer Kirche335 meinte er zerstreuen zu können und versicherte ihm, er würde sich nicht vereinnahmen lassen. Er sei mit Kloppenburg in der „konfessionspolitischen Linie einig“, würde auf die Meinung der „Brüder der Bekennenden Kirche in Oldenburg“ Rücksicht nehmen und werde versuchen, sollte er tatsächlich in die Kanzlei berufen werden, „auf dem Gebiet der einzelnen Referate die persönlichen Fehlentscheidungen von Bethel wenigstens zum Teil wieder auszugleichen“336. Auf Ausgleich legte man damals aber nicht sehr viel Wert. Niemöller verwies auf die Art und Weise der Berufung Brunottes, beschrieb die vorherrschende Tendenz in der EKD als eine „Restauration jener geistlichen oder ungeistlichen Haltung […], die uns vor einem Dutzend Jahren die Kirchenausschüsse beschert hat“, und riet Osterloh, den er offensichtlich noch ganz auf seiner Seite wähnte, grundsätzlich ab: „Mein Eindruck ist nunmehr der, dass es keinen Zweck hat, wenn ein ausgesprochener Mann der Bekennenden Kirche in die Verwaltung der EKD, unter der Führung von Dibelius, hineingeht […]. So lange die Dinge so stehen (und ich sehe nicht, wie sie anders werden könnten), sollten wir von aussen arbeiten.“337 Jedoch, der Name Brunotte – er kannte ihn von diversen Besprechungen und Tagungen und traf ihn zwischenzeitlich zu einer Aussprache über die möglichen Arbeitsbedingungen – schreckte Osterloh nicht, und die Aussicht auf eine Zusammenarbeit mit Dibelius auch nicht. Die Aufgabe reizte ihn einfach, denn er sah die Notwendigkeit einer „ordentlich arbeitenden Kanzlei“ und hielt die Schulpolitik der EKD unter der bisherigen Federführung von Oskar Hammelsbeck für zu wenig realitätsnah338. Er empfand – wohl erneut ein Rekurs auf seine Kritik am hergebrachten Landeskirchentum und sein Eintreten für ein stärkeres Miteinander reifmachen möchte, indem man die Gegenkräfte in Oldenburg bzw. im Kirchenregiment schwächt“ (ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677). 334 Vgl. dazu unten S. 229f. 335 Vgl. oben Anm. 333. 336 Brief Osterlohs an Niemöller vom 25. 2. 1949 (ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677). 337 Antwort Niemöllers an Osterloh vom 24. 3. 1949 (EBD.). 338 Zu dieser und den folgenden Aussagen vgl. Brief Osterlohs an Niemöller vom 13. 5. 1949 (EBD.).

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von Lutheranern und Reformierten in der EKD – die harsche Kritik seitens der Bruderräte an der Leitung der EKD als sachlich falsch und den angedeuteten Vergleich mit den Kirchenausschüssen konnte er schon gar nicht nachvollziehen. Schließlich fühlte er sich der „Bekennende[n] Kirche des Ostens“ verpflichtet, deren Zustimmung zu Brunotte in der Erwartung zustande gekommen sei, dass er ebenfalls Mitarbeiter der Kanzlei würde, wie ihm Präses Kurt Scharf auf der Hamburger Kirchenführerkonferenz Anfang Mai 1949 mitgeteilt hatte. Er hatte sich also de facto bereits entschieden und vertraute Niemöller an, dass diese Entscheidung auch mit der bevorstehenden Rückkehr Kloppenburgs aus Genf zu tun habe: „Kloppenburg und ich zusammen in Oldenburg sind […] zu viel für unser Land. Ich bitte Sie herzlich, von dieser meiner Äußerung nicht Gebrauch zu machen, aber ich möchte Ihnen ganz freimütig sagen, daß ich geneigt bin, vor Kloppenburg und einer möglichen Situation der Rivalität auszuweichen.“339

Ein solches Abwägen des Für und Wider – noch dazu ein Verhandeln mit der „anderen Seite“ –, das war nicht nach Niemöllers Geschmack. Er antwortete Osterloh in einem schon etwas distanzierteren Ton, sein Brief habe ihn „unvorbereitet und überraschend“ getroffen, äußerte nochmals Bedenken, der EKiD in einer „ungeklärten Situation“ „Vorschußvertrauen“ zu bewilligen, resümierte dann aber: „[N]atürlich kann ich Ihnen keinen Rat geben, um den Sie mich nicht angegangen haben.“340 Seine abschließend geäußerte Annahme, die „Lage in der Ökumene und das Verhältnis der EKiD zu ihr“ werde ihm nach der nächsten Ratssitzung den „vollkommenen Rückzug aus der EKiD sowohl wie aus dem Außenamt und der Ökumene aufnötigen“341, schreckte Osterloh wohl deutlich mehr als die zuvor angebrachten Bedenken, denn nach wie vor war er auf Ausgleich bedacht und wollte Niemöller unbedingt in Amt und Würden innerhalb der EKD halten. Osterloh bemühte sich daher um ein klärendes Gespräch und teilte Brunotte seine Hoffnung mit, dass Niemöller doch im Amt bleibe342. Das Gespräch, das nach mehreren Anläufen am 15. Juni 1949 in Wiesbaden zustande kam, brachte jedoch keine abschließende Klärung: Niemöller notierte als Ergebnis: „Besprechung durchgeführt am 15. 6. 49. Non liquet in bezug auf Kanzlei und Politik der ‚EKD‘.“343 Kein Wunder, denn inzwischen war Osterloh 339

EBD. – Vgl. auch oben Anm. 319. Brief Niemöllers an Osterloh vom 17. 5. 1949 (ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677). 341 EBD. 342 „Es wird Sie interessieren, dass ich inzwischen mit Niemöller eine längere Unterredung gehabt habe, die sich in einem Briefwechsel fortsetzt. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die Mitarbeit von Niemöller erhalten bleibt“ (Brief an Brunotte vom 24. 6. 1949, in: EZA BERLIN, 2/P 154). 343 Notiz auf dem Durchschlag eines Briefes an Osterloh vom 2. 6. 1949, in dem Niemöller den Termin für das Gespräch vorgab (ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677). 340

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in der Sitzung des Rates vom 31. Mai 1949 „auf einen Vortrag von Dibelius“ hin „ohne Abstimmung und ohne Aussprache“ zum theologischen Referenten der Kirchenkanzlei ernannt worden – und Niemöller hatte aufgrund dieses Procedere im Nachhinein seine Stimmenthaltung zu Protokoll gegeben344. Auch ein nochmaliger, sehr emotionaler Appell an Niemöllers Mitverantwortung für das gesamte Geschehen in der evangelischen Kirche in Deutschland und gerade auch für seinen, Osterlohs, Werdegang konnte an Niemöllers grundsätzlicher Haltung nichts ändern345. Zwar nahm er Osterloh persönlich aus, machte aus seiner Meinung über dessen künftiges Umfeld aber keinen Hehl: „Es tut mir nur weh, Sie in dieser Gesellschaft Ihren künftigen Weg ziehen zu sehen, auf dem Ihre Brüder nicht Ihnen das Geleit versagen, vielleicht aber sehr bald denen das Geleit aufsagen müssen, die es uns niemals haben gewähren wollen […].“346

Zwar blieb Niemöller – noch – im Dienst der EKD, doch war er hier wohl weitsichtiger als Osterloh, der immer noch auf einen Ausgleich der Kontrahenten setzte und auch öffentlich darum warb347. Ein echtes Aufeinanderzugehen, ein Ausgleich zwischen „links“ und „rechts“, zwischen den alten, vom Kirchenkampf herkommenden Fronten „Bruderrat“ und „(lutherischer) Konfessionalismus“ war mehrheitlich nicht erwünscht, und es war wohl deshalb nicht erwünscht, weil nicht nur die Machtverhältnisse in der EKD sich bereits eindeutig zuungunsten der Niemöllerschen Linie verschoben hatten, sondern diese kirchenpolitisch-theologische Sicht einfach auch nicht die Mehrheit der evangelischen Christen in Deutschland überzeugte. Ihr scheinbarer ‚Sieg‘ unmittelbar nach dem Krieg war den besonderen Umständen zuzuschreiben gewesen und spiegelte wohl auch damals nicht das wahre Meinungsbild wider, denn „in Wahrheit war der bruderrätliche Flügel der Kirche 1945 eine minoritäre Gruppe“348. Niemöller aber setzte nach wie vor darauf, die „Wahrheit“, von der sich 344 Vgl. EBD. – Mit Datum vom 1. 6. 1949 hatte Dibelius Osterloh von dieser Beauftragung unterrichtet und um seine Antwort gebeten (EZA BERLIN, 2/P 154). 345 Osterloh hatte nach der Unterredung vom 15. 6. 1949 noch im Hotel u. a. geschrieben: „Sie tragen durch Ihre ausschlaggebende Beteiligung an meiner Berufung nach Berlin im Herbst 1935 die Mitverantwortung dafür, daß ich äußerlich und innerlich an dem Geschehen der gesamten Evangelischen Kirche in Deutschland teilnehme. Sie sollten mich nicht allein lassen, wenn ich – auch gegen Ihre Neigung – den schweren Gang in die Kanzlei hinein gehe. Falls Sie mir mißtrauisch gegenüberstehen […], warum sprechen Sie es nicht aus?“ (Brief an Niemöller vom 15. 6. 1949, in: ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677). 346 Brief Niemöllers an Osterloh vom 17. 6. 1949 (EBD.). 347 Vgl. z. B. E. OSTERLOH, Bewegung (1950). 348 K. NOWAK, Die Evangelische Kirche im Jahr 1945, S. 32. Im Anschluss zitiert Nowak eine hellsichtige Analyse von Otto Dibelius aus einem Brief vom 17. 7. 1945: „Die Bekennende Kirche ist dem elfjährigen Zermürbungskrieg weithin erlegen, äußerlich und innerlich […]. Die alleinige Verantwor-

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ja im Kirchenkampf gezeigt hätte, auf welcher Seite sie stand, müsse sich auch jetzt durchsetzen. Kein Platz also für Kompromisse, und so endete der persönliche Austausch zwischen Osterloh und Niemöller (abgesehen von Grüßen zu Festtagen und besonderen Ereignissen) mit dessen Feststellung: „Wir werden uns damit zu bescheiden haben, daß geschrieben steht: ‚Ein jeglicher sei seiner Meinung gewiß!‘ – Mehr kann ich nicht tun, und mehr können Sie nicht tun!“349

4.5.2 Der scheidende Oberkirchenrat als Kronzeuge der kirchlichen Opposition? Anfang Mai hatte Osterloh sich wohl entschieden, den Ruf in die Kirchenkanzlei anzunehmen. Hatte Osterloh bereits im Februar 1949 mit seinen Kollegen Ehlers, Höpken und Schmidt darüber gesprochen, ob sich sein etwaiges Ausscheiden auf das Verhältnis Oldenburgs zur VELKD auswirken würde350, wusste der immer noch beurlaubte Kloppenburg spätestens seit Osterlohs Brief vom Mai 1949351 direkt davon, vermutlich aber durch Niemöller schon viel früher352. Vielleicht war Stählin der einzige, der nicht frühzeitig eingeweiht war – eingedenk dessen, wie sein Bischof sich früher gegenüber entsprechenden Plänen verhalten hatte, könnte man es Osterloh kaum verdenken353 –, denn er beschwerte sich Kloppenburg gegenüber, „Osterloh sei in die Kanzlei gegangen, ohne mit

tung zu tragen, dazu ist dieser Kreis zu klein und hat viel zu wenig Persönlichkeiten mit geistlicher Führungsqualität“ (EBD.). 349 Brief Niemöllers an Osterloh vom 17. 6. 1949 (ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677). Wie wichtig Niemöller auch diese Personalentscheidung nahm, zeigt seine Stellungnahme in der Sitzung des Rates der EKD vom 19. 6. 1952, in der er seine Bereitschaft zum Rücktritt vom Amt des Leiters des Kirchlichen Außenamtes erklärte. Zur Illustration dessen, dass es der Bekennenden Kirche nie um Machtpositionen gegangen sei, anderen aber schon, zählte er als Beispiele auf: „Brunotte, Osterloh, Wahl in Bethel.“ (abgedruckter Auszug in: D. BUCHHAAS-BIRKHOLZ, Weg, S. 160–166, Zitat: S. 164). 350 In einem Brief an Martin Niemöller vom 25. 2. 1949 (ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677) berichtete Osterloh von einem Gespräch mit den dreien, dessen Ergebnis es gewesen sei, dass „an einen Anschluss Oldenburgs an die VELKD selbst dann nicht zu denken“ sei, wenn er aus dem Dienst in Oldenburg ausscheide. 351 Vgl. oben Anm. 319. 352 Beim Briefwechsel Niemöller-Osterloh findet sich eine kurze maschinenschriftliche Notiz, die offenbar auf eine schnelle Nachfrage Niemöllers bei Kloppenburg hindeutet: „Kloppenburg Ist Osterloh geeignet für die Stellung eines Schulreferenten in der West-Kanzlei (Ratssitzung vom 18.2.)?“ (ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677). 353 Vgl. oben Anm. 325.

Abschied von Oldenburg

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jemand rechtzeitig darüber zu sprechen“354. Andererseits blieb Osterloh aufgrund von Schwierigkeiten bei der Suche nach geeignetem Wohnraum auch über seinen Dienstantritt in der Kanzlei am 1. September 1949 hinaus in Oldenburg und war bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten weiter im Oberkirchenrat Dienst zu tun355. Trotzdem war der Abschied auch so nur hinausgezögert, und die Zeit, gegen ihm nicht legitim erscheinende theologische oder kirchenpolitische Tendenzen des Bischofs zu protestieren, wurde knapper. Vermutlich deshalb wurden Osterlohs Stellungnahmen nun ungeschützter. Sein kompliziertes Verhältnis zu Stählin zeigte sich nie deutlicher als in den letzten gut zwei Monaten seines Wirkens in Oldenburg. Zu Stählins 66. Geburtstag am 24. September 1949 schrieb er ihm noch einen persönlichen, in einem sehr herzlichen und dankbaren, fast überschwänglichen Ton gehaltenen Brief. Er bedankte sich zunächst für die persönliche Anteilnahme Stählins und seiner Frau in den vergangenen Monaten356 und wünschte ihm für seine neues Lebensjahr „weniger Unverstand und mehr Verständnis unter Freunden und Feinden gegenüber Ihrem Werk“357. Und weiter, sein gebrochenes Verhältnis zum Werk Stählins selbst ansprechend: „Ich habe wohl viel Törichtes und vielleicht ja auch ein ganz klein wenig Richtiges Ihnen ins Gesicht und – ja – auch hinter Ihrem Rücken gegen sie gesagt. Aber das habe ich nie verschwiegen und das werde ich immer wieder bezeugen: Sie haben Samen ins Land Oldenburg geworfen, Samen aus der Hand Gottes. Ich durfte dabeisein.“358

Dann aber war die Feier vorbei, und im Alltag hörte Osterloh wenige Wochen später kurz vor Beginn einer Pfarrerversammlung davon, dass Stählin sich in einem Vier-Augen-Gespräch mit Hans Schmidt eindeutig gegen diesen und für Heinrich Höpken als Nachfolger Osterlohs ausgesprochen hatte359. Zuvor schon war ihm ein in seiner Abwesenheit beschlossener Antrag des Oberkirchenrats bekannt geworden, die Pfarrerversammlung möge dem Oberkirchenrat und dem Bischof das Vertrauen aussprechen und das bei der Einführung des Bischofs 354 Niederschrift Kloppenburgs über ein Gespräch mit Stählin am 27. 10. 1949 (EZA BERLIN 613/53). 355 Sitzungsbeschluss des Oberkirchenrats vom 16. 8. 1949 (AELOKR OLDENBURG, A III-37-5). 356 Der am 29. 6. 1949 geborene Sohn Arn wäre an einer Unverträglichkeit des einheimischen Wassers beinahe gestorben, seine Mutter wurde nach seiner Geburt schwer krank und konnte ihn nicht stillen (Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996). 357 Brief Osterlohs an Stählin zum 24. 9. 1949 (LKA NÜRNBERG, Pers. XVIII, Nr. 121). 358 EBD. 359 Vgl. zum Folgenden die Niederschrift Kloppenburgs über ein Gespräch mit Stählin am 27. 10. 1949 (EZA BERLIN, 613/53). In einer Dienstbesprechung des Oberkirchenrats, an der neben Osterloh Schmidt, Höpken und Stählin teilgenommen hatten, war am 23. 6. 1949 verabredet worden, dem Synodalausschuss Hans Schmidt als Nachfolger Osterlohs vorzuschlagen (Bericht in: AELOKR OLDENBURG, A III-37-3).

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abgegebene Treueversprechen ausdrücklich erneuern. Beides zusammen ging in den Augen Osterlohs derart unerträglich in Richtung eines monarchischen Episkopats, dass er fünf Minuten vor Versammlungsbeginn dem Bischof damit drohte, auf der Versammlung dagegen zu votieren, wenn der Satz über die Erneuerung des Treueversprechens nicht aus dem Antrag gestrichen würde. Der Satz wurde schließlich gestrichen, was im Nachhinein auch Kloppenburg missfiel und Stählin gar zu der Aussage brachte, „Edo Osterloh dürfe ihm nicht mehr ins Haus kommen“360. In einem Brief vom 30. Oktober 1949 bat Osterloh Stählin daraufhin um Verzeihung, falls er ihn „persönlich gekränkt habe“361. Weiter versicherte er, jetzt zu schreiben, was viele Amtsbrüder genauso empfänden, aus persönlicher Rücksichtnahme und Ehrfurcht vor dem Bischofsamt aber verschweigen würden: „Ich habe mich durch Ihr Verhalten und Ihre Worte wiederholt und besonders in letzter Zeit tief verwundet und ungerecht beleidigt gefühlt“, und führte folgende Beispiele dafür an: „1. Die Art, wie Sie auf dem letzten Pfarrkonvent das Rauchen verboten haben, hätte sich kein Offizier in einem Kreis unterstellter Kameraden erlaubt.362 2. Bruder Schmidt ist durch die Abendunterhaltung mit Ihnen tief verletzt worden. 3. Ihre Anspielung, ich solle im Konvent keine Spannungen zum OKR sichtbar werden lassen, weil dies meinem Rufe schade, wurde von mir als eine schwere Beleidigung empfunden. 4. Kloppenburg hat den Ton, in dem Sie von ‚Mitarbeitern‘ (nicht den Begriff ) sprechen, immer als unerträglich empfunden.363 5. In Ihrem Beitrag zu ‚Die Hand am Pfluge‘ haben Sie Aussagen gemacht über die Theologen, die die Kirche als ‚Ereignis‘ verstehen, welche von vielen Amtsbrüdern in

360

Niederschrift Kloppenburgs (vgl. oben Anm. 359). LKA NÜRNBERG, Pers. XVIII, Nr. 121. 362 Zum Thema „Rauchen“ äußerte sich Stählin auch im 8. Pfarrerbrief des Bischofs, in dem es zum Beginn der Fastenzeit u. a. hieß: „Es tut mir leid, daß es notwendig ist, solche selbstverständlichen Dinge der äußeren Zucht immer wieder anzusprechen. Wenn man nicht annehmen darf, daß es irgend jemand für einen Erweis evangelischer Freiheit hält, geflissentlich das zu tun, was sich nicht ziemt, und wovon man weiß, daß es andere ärgert oder ihnen gesundheitlich lästig ist, dann ist es doch das Anzeichen einer Sucht, die selbst für die wenigen Stunden eines amtlichen Konvents auf ein Reizmittel nicht verzichten kann, und diese unbeherrschte Süchtigkeit ist das, was mit der notwendigen Zucht und Verantwortung unseres Amtes schwer zusammenzureimen ist“ (ein Exemplar in: EZA BERLIN, 613/53). 363 In seinen Lebenserinnerungen geht Stählin auch auf diesen Vorfall ein: „Ein Mitglied des Oberkirchenrates machte mir einmal telefonisch die schwersten Vorwürfe, daß ich in einem Brief von ihm als meinem ‚Mitarbeiter‘ gesprochen hätte; das sei eine ‚Bezeichnung für Putzfrauen‘ und dergl. Ich konnte nur mit der Frage erwidern, ob er es vorziehe mein ‚Gegenarbeiter‘ zu sein“ (W. STÄHLIN, Via Vitae, S. 438). In einem Brief an Ministerialrat Dr. Gramsch vom 6. 6. 1952 nannte Stählin in Zusammenhang mit diesem Vorfall Kloppenburg beim Namen (ACDP ST. AUGUSTIN, I-191-003/1). 361

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Oldenburg und auch von mir als eine schwere sachliche und persönliche Belastung empfunden werden.364“365

Wohl richtig analysierte Osterloh: „Die entstandenen Spannungen zwischen Ihnen und mir sind die Symptome eines tiefen sachlichen Kampfes um den inneren Weg der Kirche“, und verwahrte sich abschließend gegen Versuche, ihn mit formalen Mitteln an der Fortführung der Auseinandersetzung zu hindern: „Die Synode hat mich in mein Amt berufen. Sie allein kann mich von der damit verbundenen Mitverantwortung für die Evangel. luth. Kirche in Oldenburg entbinden […]. Wegen des Tentamens am 3. 11. 49 werde ich mich, falls Sie mich an der Teilnahme hindern werden, nicht an den G. P. V., sondern an den Synodal-Ausschuß wenden.“366

Auch nach solch harten Worten aber schloss der Brief: „Ich ehrte und ehre Sie als Bischof, in Ehrerbietung Ihr Edo Osterloh.“367 Hatte der Versuch, auf diese Art und Weise mit dem Geschehen in der Landeskirche aktiv verbunden zu bleiben, schon nicht besonders hohe Erfolgschancen, so verbaute Osterloh sich dies vorerst vollends, als er seine Bedenken gegen bestimmte Elemente der Theologie Stählins ganz am Ende seiner Oldenburger Tätigkeit am 22. November 1949 auch vor die Synode brachte und dabei vom Wirksamwerden „römisch-katholische[r] Ideen“ sprach, ganz nahe dran am Vorwurf „katholisierender Tendenzen“, einer Art Kampfbegriff der Opposition um Tilemann368. Zwar geschah dies nur halböffentlich – Zuhörer waren für die Dauer von Osterlohs Erklärung nicht zugelassen –, aber bei der Anzahl der Synodalen öffentlich genug, dass es auch in den Kreisen Aufmerksamkeit erregte, auf die Osterloh damit nun überhaupt nicht zugehen wollte369. Bei genauerem Lesen zeigt sich auch, dass die Erklärung im Ganzen milder ausfiel als manche 364 „Wo ein individualistisches Erbauungschristentum die große Gemeinschaft der Kirche meidet und verachtet, und wo ein geschichtslos punktuelles Denken die Kirche nur als ein immer neues ‚Ereignis‘ und nicht als die durch die Jahrhunderte dauernde kennt und kennen will, da kann kein Verständnis für die Liturgie erhofft werden. Es kann nicht überraschen, daß wir eine bestimmte Art von Pietisten und ebenso jene Theologen, deren kirchliches Ideal die ‚Revolution in Permanenz‘ ist, nicht zu Freunden liturgischer Erneuerung gewinnen können; aber an ihrer Stellung zur Liturgie wird nur offenbar, daß sie nicht wissen, was Kirche ist, oder daß sie nicht mit der Kirche leben wollen“ (W. STÄHLIN, Erneuerung, S. 136). 365 Brief Osterlohs an Stählin vom 30. 10. 1949 (LKA NÜRNBERG, Pers. XVIII, Nr. 121). 366 EBD. 367 EBD. 368 Vgl. den Abdruck seiner Erklärung im Dokumentenanhang (Nr. 7 [S. 576ff.]). 369 Dies zeigt sich schon darin, dass er den Versuch einer Kontaktaufnahme durch Oberstadtdirektor i. R. Oltmanns, der zur kirchlichen Opposition gehörte, in einem Brief an Stählin vom 30. 11. 1949 (LKA NÜRNBERG, Pers. XVIII, Nr. 121) sofort meldete und den Briefwechsel mit seiner ablehnenden Antwort dem Oberkirchenrat zur Verfügung stellte (vgl. Sitzungsbeschluss Nr. 3 des Oberkirchenrats vom 6. 12. 1949 [AELOKR OLDENBURG, A III-37-5]).

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Pfarrer und Oberkirchenrat in Oldenburg

zuvor gegenüber Stählin geäußerte Kritik: Grundsätzlich lobte Osterloh Stählins Tätigkeit als Bischof und bejahte lediglich das „Recht zur Befürchtung“, dass „römisch-katholische Ideen zur Wirksamkeit kommen“. Er erklärte für seine Person, er halte bestimmte Auffassungen des Bischofs für nicht reformatorisch, was auch die Ansicht vieler Brüder sei, schränkte dies aber zugleich ein, indem er an dieser Stelle eine „echte Überprüfung der reformatorischen Position“ einforderte. Darüber hinaus sollte die Stoßrichtung der Erklärung nicht vergessen werden. Es ging Osterloh gar nicht darum, den Bischof unmöglich zu machen, erst recht nicht um einen persönlichen Angriff, sondern nur darum, einem Bischof mit dieser Theologie (dem er die Eignung zum Bischofsamt auch hier nicht absprach) einen Oberkirchenrat an die Seite gestellt zu sehen, der Paroli bieten konnte, der dafür sorgen konnte, dass die angeprangerten Tendenzen, die nach seiner Meinung einer Prüfung bedurften, nicht überhand nahmen, bevor diese vollzogen war. Osterloh meinte, in Hans Schmidt, bisher schon nebenamtliches Mitglied des Oberkirchenrates und als solches schon im August für die Übernahme des Referates Osterlohs vorgesehen, einen geeigneten Nachfolger zu sehen, den er erstens protegieren370 und zweitens für seine Aufgabe eine Sicherung in Form der Hauptamtlichkeit verschaffen wollte. In summa: Osterloh wollte, dass das „Machtgefüge“ im Oberkirchenrat auch nach seinem Weggang so bliebe wie es zuvor war. Natürlich distanzierte sich der Oberkirchenrat betont scharf von dieser Erklärung. In einer von Ehlers gezeichneten Stellungnahme vom folgenden Tag wurde erklärt, man könne in Osterlohs Stellungnahme keinen sachlichen Beitrag zum theologischen Gespräch innerhalb des Oberkirchenrats erblicken, bevor in mehreren Punkten die Untragbarkeit und Schädlichkeit von Osterlohs Vorgehen herausgestrichen wurde: „Es erscheint dem Oberkirchenrat völlig untragbar, daß ein ehemaliges Mitglied des Oberkirchenrats die Gelegenheit einer Abschiedsansprache an die Synode dazu benutzt, dem Bischof der Kirche vorzuwerfen, daß durch seine Theologie auch römischkatholische Ideen zur Wirksamkeit kommen. Damit werden in untragbarer Weise Fragen, die ein sachlich-theologisches Gespräch sind, zu Vorwürfen verdichtet, die von Nichtteilnehmern an dem Gespräch nicht beurteilt werden können, und die das Recht der Amtsführung des Bischofs in Frage stellen.“ „Der Oberkirchenrat vermag das von Oberkirchenrat Osterloh gewählte Verfahren nur als untragbar und schädlich zu bezeichnen, insbesondere angesichts der Tatsache, daß diese Erklärung in dieser Form und vor diesem Forum nach Abschluß einer vier370 Die Auseinandersetzung wurde verschärft durch den Umstand, dass der von Stählin bevorzugte Heinrich Höpken zwar Mitglied der Bekennenden Kirche, aber auch der Michaelsbruderschaft war, was nach Aussage Stählins als Gegenargument gegen ihn verwendet wurde (Brief an Ministerialrat Dr. Gramsch vom 6. 6. 1952 [ACDP ST. AUGUSTIN, I-191-003/1]).

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jährigen Tätigkeit des Oberkirchenrats Osterloh als Mitglied des Oberkirchenrats abgegeben wird.“ „Der Oberkirchenrat bedauert darüber hinaus, daß OKR Osterloh in seinen Ausführungen die Frage der Berufung seines Nachfolgers in Verbindung zu seinen Vorwürfen gebracht und damit versucht hat, die Entscheidung der mit dieser Frage noch nicht befaßten Synode vorweg zu beeinflussen.“371

Die sehr viel moderatere Erklärung der Synode fügt sich nicht so recht in die Einmütigkeit der Empörung, die der Oberkirchenrat nach außen gezeigt hatte, und von der man annehmen kann, dass er sie auch von der Synode erwartet hätte: „Im Bewusstsein ihrer Verantwortung für die Evang.-luth. Kirche in Oldenburg erklärt die Synode zu den Ausführungen des Oberkirchenrats Osterloh folgendes: 1. Die Synode sieht in der Erklärung des Oberkirchenrats Osterloh ein persönliches Wort der Sorge um die rechte Weiterführung des ihm seinerzeit anvertrauten Amtes. 2. Die Synode ist durch die Erklärung des Oberkirchenrats Osterloh überrascht worden; sie bedauert, dass er sie in dieser Form und in diesem Zusammenhang abgab. Die Synode muß es missbilligen, dass ihre Tagung zum Ort einer einseitigen Erklärung gemacht wurde. 3. Die Synode hält es für unangemessen, dass Oberkirchenrat Osterloh zu theologischen Fragen, die dauernd Gegenstand ernstester Gespräche sind, in einer Form Stellung genommen hat, die teilweise wie abschliessende Urteile verstanden werden mussten. 4. Die Synode steht zu dem Auftrag, den sie dem Bischof durch die Berufung in das erste geistliche Amt erteilt hat. 5. Die Synode dankt mit Oberkirchenrat Osterloh dem Bischof, dass unter ihm in der Evang.-luth. Kirche in Oldenburg um kirchliche Grundfragen in einer Freimütigkeit gerungen wird, die dem Wesen der Kirche der Reformation entspricht, sich ständig im Hören auf das Wort der Heiligen Schrift erneuern zu lassen.“372

Osterloh bejahte im Nachhinein ausdrücklich alle Beschlüsse der Synode, also auch diesen, gab menschliche Fehler seines Vorgehens zu373 und weigerte sich im Einklang damit, seine Erklärung dem „Arbeitsausschuß für Kirchensachen“ zur Verfügung zu stellen374. Die Zerrüttung im Verhältnis zum Oberkirchenrat wur371

Typoskript der Erklärung des Oberkirchenrats (LKA NÜRNBERG, Pers. XVIII, Nr. 121). Typoskript der Erklärung der Synode (EBD.). 373 Vgl. Brief Osterlohs an Chemnitz vom 15. 1. 1950 (EZA BERLIN, 613/53). Bei der Art und Weise, in der Osterloh seine Kritik vorbrachte, könnte auch der Zeitdruck eine Rolle gespielt haben, unter dem er gerade in diesen Wochen stand. Blickt man auf sein Reiseprogramm in seiner Eigenschaft als Referent der Kirchenkanzlei (vgl. unten S. 218f., Anm. 13), so war seine Verabschiedung von der Synode nur ein Termin in einer Reihe von wichtigen Dienstreisen, die sich über den Zeitraum von fast einem Monat erstreckten. 374 Am zweiten Verhandlungstag der vierten Tagung der kirchenordnungsgebenden Landessynode vom Frühjahr 1950 gab der Synodale Dr. Koch eine Stellungnahme zu einem Briefwechsel zwischen dem Arbeitsausschuss und dem Oberkirchenrat ab, in der er u. a. feststellte: „Es darf nicht unerwähnt blei372

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de daran sichtbar, dass Osterloh „auf seine Bitte“ hin aus der Prüfungskommission ausschied375, an der mitzuwirken er Ende Oktober noch mit allen Mitteln festgehalten hatte. Zu Gesprächen mit Stählin kam es in Hannover und noch einmal am 29. Dezember 1949 in Oldenburg, sie endeten jedoch unversöhnlich. Osterloh berichtete davon gute zwei Wochen später in einem Brief an Erich Chemnitz: „Vor unserer ersten Aussprache hier in meinem Dienstzimmer in Hannover hat der Bischof mir gesagt, die Voraussetzung des Gesprächs zwischen ihm und mir sei die Erklärung des Oberkirchenrats und der Beschluß der Synode. Diese Voraussetzung habe ich stillschweigend unmißverständlich bejaht. Für mich stellt die Unterredung zwischen dem Bischof und mir am 29. 12. 1949 in Oldenburg wegen ihres Inhaltes eine Belastung der Situation dar, da die Aussagen des Bischofs nach meiner Erkenntnis eine Vertiefung meiner Sorgen und Bedenken zur Folge haben.“376

Hans Schmidt berichtete Kloppenburg, nachdem er unmittelbar im Anschluss an das zweite Gespräch beide Seiten gehört hatte: „Heute nachmittag hatte Edo mit dem Bischof das geplante Gespräch, von dem er in großer Gelöstheit nachher ein wenig erzählte. Es sind dabei sehr tiefgehende theologische Unterschiede zum Ausdruck gekommen. Der Bischof hatte das Urteil, daß Osterloh ein hoffnungsloser Fall sei, weil er sich geistlich nicht zur Ordnung rufen lassen wolle. Das hat er mir gesagt, als ich auf seinen Wunsch anschließend bei ihm war.“377

Ergebnis der Synode in dem Osterloh entscheidend interessierenden Punkt war jedenfalls – die Wahl von Hans Schmidt zum hauptamtlichen Oberkirchenrat. Dessen Verbundenheit mit Osterloh aber sollte noch zu größeren Schwierigkeiten führen, denn Schmidt fuhr in seinem Bericht fort: „Bei dieser Gelegenheit habe ich dem Bischof erklärt, daß ich ohne das Dabeisein von Osterloh nicht eingeführt werden könnte. Und noch in derselben Stunde wurde die Absage der Einführung formuliert und verschickt. Es ist mir völlig klar, daß ich jetzt einen sehr schweren Stand im Oberkirchenrat haben werde, denn Ehlers steht völlig auf der Seite des Bischofs. Es ist mir heute besonders klar geworden, daß mich von der theologischen Auffassung des Bischofs, ben, daß der Arbeitsausschuß sich an Herrn OKR Osterloh gewandt und ihn um die Herausgabe seiner Erklärung gebeten hatte. Das ist von Herrn OKR Osterloh ausdrücklich unter der Berufung darauf abgelehnt worden, daß er sich auf den Boden der Erklärung der Synode stelle“ (AELOKR OLDENBURG, Berichte. Vierte Tagung der kirchenordnungsgebenden Landessynode: Frühjahr 1950, S. II/78). 375 Vgl. Beschluss Nr. 1 der Sitzung des Oberkirchenrats vom 6. 12. 1949 (AELOKR OLDENBURG, A III-37-5). 376 Brief vom 15. 1. 1950 (EZA BERLIN, 613/53). 377 Brief Schmidts an Kloppenburg vom 29. 12. 1949 (EBD.).

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seiner Ansicht vom geistlichen Leben und vom Amt geradezu Welten trennen. Er hat eine Anschauung von der Autorität des bischöflichen Amtes, die ich mir niemals eigen machen kann, und wo ich nur von der Autorität des Wortes oder des Herrn Christus selber reden kann.“378

Zwar blickte Osterloh schon Ende des Jahres dem Eindruck Schmidts nach „mit einer wirklichen Gelöstheit auf diese Dinge“ zurück, zumal er sich sachlich im Recht wähnte und dies auch von seinen langjährigen Mitstreitern im Wesentlichen bestätigt bekam379. Doch muss es im Verhältnis zu Oldenburg und besonders zu Kloppenburg schon einen gewissen Bruch gegeben haben, denn letztlich war er, Osterloh, ja nur derjenige gewesen, der – in Form und Zeitpunkt sicher angreifbar – das ausgesprochen hatte, was die meisten seiner „Brüder“ auch dachten. Im Blick auf das weitere Geschehen in Oldenburg und Osterlohs Rolle darin380 ist von Bedeutung, dass Osterloh bei seinem Vorgehen ausdrücklich nicht daran interessiert gewesen war, Stählin als Bischof an sich in Frage zu stellen, selbst wenn das nach außen so erscheinen musste: „Nach wie vor behaupte ich nicht, daß ein Mann wie Stählin als lutherischer Bischof untragbar ist. Ich behaupte aber, und das mit steigendem Nachdruck, daß Stählin als Bischof nur dann tragbar ist, wenn neben ihm an der geistlichen Leitung der Kirche Männer beteiligt sind, die theologisch ihm gegenüber antipolare Kräfte vertreten und durchsetzen können.“381

378

EBD. Schmidt berichtet im selben Brief vom Treffen eines „Kreis[es] von Brüdern und ihre[r] Frauen in Holle“, in der man Osterloh zwar „uneingeschränkt kritisch gesagt“ habe, „was gesagt werden mußte“, ihm aber auch zu verstehen gab, dass man „sachlich theologisch weithin einer Meinung“ war (EBD.). 380 Vgl. unten S. 333–347. 381 Brief Osterlohs an Chemnitz vom 22. 3. 1950 (EZA BERLIN, 613/53). 379

5. Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

Bei der kirchengeschichtlichen Beschäftigung mit den 1950er Jahren trifft man im evangelischen Bereich auf mehr und weitaus größere Desiderate als bei der Erforschung der unmittelbaren Nachkriegszeit1. Schon ein wissenschaftlich fundierter Überblick fehlt2. Zwar steigt die Zahl der Arbeiten, die sich mit der Kirchengeschichte dieser Zeit beschäftigen, stark an, doch begegnet man nach wie vor einer Konzentration auf einige wenige Themen. Im Vordergrund stehen – leider zumeist recht einseitig dargestellt, so dass die starke Polarisierung jener Zeit vielfach noch nach 40 Jahren über eine nüchterne Betrachtung obsiegt – die großen „Streite“ der fünfziger Jahre, die innerkirchlichen Auseinandersetzungen um Wiederbewaffnung, Militärseelsorge und später die atomare Bewaffnung der Bundeswehr3, um Westbindung und Wiedervereinigung4, um die „Politisierung“ der Kirche bzw. ihr Verhältnis zu den einzelnen Parteien5 und um die Rolle des bruderrätlich organisierten Flügels der EKD um Martin Niemöller6. Daneben konnte bisher lediglich das – zeitgenössisch 1 Für die spezielle Literatur zu unten behandelten Themen sei auf die entsprechenden Abschnitte verwiesen. Literaturüberblicke zur Geschichte der evangelischen Kirche in den 1950er Jahren liegen inzwischen, teils kommentiert, mehrfach vor: vgl. z. B. C. VOLLNHALS, Kirchliche Zeitgeschichte; T. SAUER, Geschichte; N. FRIEDRICH, Erforschung. Sehr knapp: G. BESIER, Kirche, Politik und Gesellschaft, S. 70ff. 2 Auch K. HERBERT, Kirche, bildet hier keine Ausnahme. Schon der Autor selbst „erhebt nicht den Anspruch, eine Kirchengeschichte dieser Jahrzehnte zu bieten“; er habe lediglich „zusammengetragen, was ihm in der Literatur, aus Synodalprotokollen und Archivmaterialien zugänglich war und zum Verständnis der Zusammenhänge wesentlich erschien“ (EBD., S. 10). Seine 24jährige Tätigkeit im „‚Leitenden Geistlichen Amt‘ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“ hat dabei leider nicht nur zu einem „lebendigeren Bild“ beigetragen (EBD., S. 10f.), sondern wohl auch eine gewisse Einseitigkeit der Darstellung zugunsten der Position Niemöllers und der Bruderräte bzw. Kirchlichen Bruderschaften verursacht. – Sehr auf das Verhältnis Staat-Kirche bzw. die spezielle Deutschland-Problematik beschränkt bleibt: EVANGELISCHE KIRCHE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND. 3 Vgl. K. STEUBER, Militärseelsorge; A. CREMERS, Staat; B. W. KUBBIG, Kriegsdienstverweigerung; J. VOGEL, Wiederbewaffnung; EVANGELISCHE KIRCHE UND DIE WIEDERAUFRÜSTUNGSDISKUSSION; J. MÜLLER-KENT, Militärseelsorge; A. PERMIEN, Protestantismus; A. DOERING-MANTEUFFEL, Religionspolitik; U. MÖLLER, Prozeß. 4 Vgl. M. LOTZ, Evangelische Kirche; CHR. HANKE, Deutschlandpolitik, bes. S. 107–186; T. SAUER, Westorientierung; C. LEPP, Tabu der Einheit?. 5 Vgl. H. G. FISCHER, Demokratie; F. SPOTTS, Kirchen; M. MÖLLER, Sozialdemokratische Partei; D. BUCHHAAS-BIRKHOLZ, Weg; CHRISTENTUM UND POLITISCHE VERANTWORTUNG; PROTESTANTEN IN DER DEMOKRATIE; M. J. INACKER, Transzendenz; ADENAUER UND DIE KIRCHEN; M. KLEIN, Protestantismus; sehr knapp: G. BESIER, Kirche, Politik und Gesellschaft, S. 37–40. Zur Literatur über die Entstehung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU und seine frühe Geschichte vgl. unten S. 384f. 6 Vgl. D. BUCHSTÄDT, Kirche.

„Alles, was in der EKD wichtig ist, geht über meinen Schreibtisch“

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ebenfalls heiß debattierte – Thema „Kirche und Schule“ größeres Interesse auf sich ziehen7. Nur vereinzelt und meist regional beschränkt gibt es Versuche, die ganze Bandbreite kirchlichen Handelns in dieser Zeit in den Blick zu bekommen8. Ein Blick hinter die Kulissen auf das, was abseits der großen Schlagzeilen in unspektakulärer und mühevoller Kleinarbeit geleistet wurde, wodurch oft aber wesentliche Entscheidungen maßgeblich beeinflusst oder gar vorweggenommen wurden, bleibt die Ausnahme9. Die Frage schließlich, wie weit die genannten, das wissenschaftliche Interesse weitgehend auf sich vereinigenden Themen die Kirche im Ganzen berührten, ob sie also unterhalb der Führungsebenen der EKD und der Gliedkirchen kirchliches Leben bis in die Gemeinden hinein prägten, scheint bisher – in auffallender Parallele zu langjährigen Tendenzen in der Geschichte der Kirchenkampfgeschichtsschreibung – so gut wie niemanden interessiert zu haben10. Im folgenden Abschnitt sollen in Auswahl auch Bereiche aus der Tätigkeit Osterlohs in der Kirchenkanzlei gewürdigt werden, die schon damals weniger medienwirksam waren, dafür aber je und je große Bedeutsamkeit für den kirchlichen Alltag erlangten. Ebenso wie die auch in Osterlohs Zuständigkeitsbereich fallenden ‚großen‘ Streitthemen „Kirche und Politik“, „Kirche und Wiederbewaffnung“ sowie „Kirche und Schule“ werden daher die Elternarbeit und Familienpolitik sowie die Bemühungen um die Seelsorge an den „Displaced Persons“ genauer in den Blick genommen.

5.1 „Alles, was in der EKD wichtig ist, geht über meinen Schreibtisch“ In einem Brief, den Udo Smidt, damals noch Pfarrer in Bremerhaven, am 5. Dezember 1950 an Edo Osterloh schrieb, bat er ihn um die Übermittlung der richtigen Adresse Gustav Heinemanns und begründete seine Bitte mit dem Hinweis darauf, Osterloh habe ihm einmal gesagt, alles, was in der EKD wichtig sei, ginge nun irgendwie über seinen Schreibtisch, weshalb er ihm vielleicht helfen könne11. Diese Wendung, von Osterloh wohl etwas im Scherz, aber ganz bestimmt nicht ohne einen Anflug von Stolz gebraucht, klingt zunächst recht 7

Vgl. unten S. 221ff. Vgl. KIRCHE IN DEN FÜNFZIGER JAHREN; H. BLENDINGER, Aufbruch; CHR. KLESSMANN, Kontinuitäten; GESELLSCHAFTSPOLITISCHE NEUORIENTIERUNGEN DES PROTESTANTISMUS. 9 Erst aus jüngster Zeit stammen Christian Simons Darstellung der Auseinandersetzung zwischen der Kanzlei in Person von Osterloh und Oskar Hammelsbeck (CHR. SIMON, Kirchen, bes. S. 60–75; zu Simons pointierten Thesen vgl. unten S. 257–261) sowie die Nachzeichnung der Zusammenarbeit von Justizministerium und Kirchenkanzlei in der Walter Strauß-Biographie von F. UTZ, Preuße, bes. S. 445–452. 10 Dass die in der Tat kontroversen und immer wieder gern angeführten Diskussionen z. B. in der rheinischen oder der westfälischen Kirche allein kein vollständiges Bild liefern, zeigt Hans-Ulrich Ludewig am Beispiel der braunschweigischen Landeskirche: „Weder von den Leitungsgremien noch von den Gemeinden wurden Fragen der Wiederbewaffnung intensiv diskutiert. Es waren nur wenige Personen, die sich zu Wort meldeten“ (H.-U. LUDEWIG, Wiederbewaffnung, S. 87). 11 EZA BERLIN, 2/1754. 8

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

überheblich. Dieses erste Gefühl dürfte sich aber bei jedem verflüchtigen, der einmal den Referatsverteilungsplan der Kirchenkanzlei zur Hand nimmt. Dem theologischen Referenten der Kirchenkanzlei waren auf den wechselnden Plänen über 20 Referate zugeordnet, im letzten für Osterloh gültigen Plan vom 1. Mai 1952 waren dies: „1. Vertretung des Präsidenten in theologischen Angelegenheiten 2. Bekenntnisgrundlagen der EKD und der Gliedkirchen 3. Bekennende Kirche 4. VELKD 5. Theologische Wissenschaft; Theologische Fakultäten; Kirchliche Hochschulen 6. Wortverkündigung 7. Gottesdienst und Amtshandlungen 8. Gesangbuch 9. Angelegenheiten der Kammer für öffentliche Verantwortung der Kirche 10. Ausbildung, Rechtsverhältnisse und Gliederung der Pfarrerschaft 11. Sonstige Amtsträger der Kirche 12. Katechumenat der Kirche (einschl. Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht) 13. Evangelische Unterweisung und Schule 14. Kirche und Schule (einschl. Lehrerbildung) 15. Evangelische Elternschaft 16. Katechismus und sonstiges Unterrichtsmaterial für die evangelische Unterweisung 17. Kammer für Erziehung und Unterweisung 18. Studentenseelsorge, Hochschulfragen 19. Seelsorge an lager-, heim- und kasernenmäßig untergebrachten Männern 20. Fürsorge für Kriegsgefangene und Internierte 21. Geistliche Angelegenheiten folgender Gliedkirchen: Bayern, Braunschweig, Hamburg, Hannover, Lübeck, Mecklenburg, Sachsen, Schaumburg-Lippe, Schleswig-Holstein, Thüringen, Oldenburg, Württemberg, Eutin“.12

Dementsprechend gestaltete sich zunächst der Dienstreiseplan Osterlohs, der in den ersten Wochen und Monaten seiner Tätigkeit auf einer Art „Vorstellungsreise“ mehr in ganz Deutschland unterwegs als in Hannover am Dienstort war13, 12

Dazu kamen noch diverse Korreferate im Zuständigkeitsbereich anderer Mitarbeiter der Kanzlei (Hausverfügung Nr. 61: Geschäftsverteilungsplan für die Kirchenkanzlei in Hannover [EZA BERLIN, 2/1844]). 13 Laut einem eigenen Kurzbericht über seine Dienstreisen (EZA BERLIN, 2/3583) zwischen Ende Oktober und Ende November 1949 war Osterloh bei den Landeskirchenämtern in Hamburg und Lübeck (28. 10.), in Eutin und Kiel (29. 10.), zweimal in Hannover (2. und 23. 11.), in Bremen (4. 11.), Kassel (5. 11.), Wiesbaden (7. 11.), Speyer und Karlsruhe (8. 11.), in Stuttgart (9. 11.), München (10. 11.), Wolfenbüttel (12. 11.), Bielefeld (14. 11.) und Düsseldorf (15. u. 16. 11.), schließlich noch in Aurich (21. 11.) und Detmold (24. 11.). Vertreter Schaumburg-Lippes suchten ihn am 23. 11. in Hannover auf.

„Alles, was in der EKD wichtig ist, geht über meinen Schreibtisch“

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wozu noch erschwerend hinzukam, dass seine Familie erst zum Jahreswechsel 1949/50 nach Hannover umziehen konnte. Aber auch nach der „Einarbeitungsphase“ nahm die Zahl seiner auswärtigen Verpflichtungen kaum ab14. Die notorische Arbeitsüberlastung, die über die Jahre seiner Tätigkeit in Hannover andauerte, hielt Osterloh jedoch nicht davon ab, eine Erweiterung des Einflusses der Kirchenkanzlei mindestens zum Nebenziel seiner Arbeit zu machen, um damit in Fortführung seiner seit je vertretenen kirchenpolitischen Linie die EKD gegenüber den Landeskirchen aufzuwerten15. Erstaunlich genug, dass Osterloh darüber hinaus noch Zeit fand, weiter an Artikeln für das „Biblisch-Theologische Handwörterbuch“ zu arbeiten, das er noch in Oldenburg gemeinsam mit seinem Co-Herausgeber Hans Engelland auf den Weg gebracht hatte. Die Zeit für diese Arbeit hatte er sich ausbedungen, und in den Jahren in Hannover entstanden die meisten seiner insgesamt 62 Artikel zu diesem Werk16. Für weitere fachtheologische Arbeit konnte unter diesen Umständen kaum noch Zeit bleiben. Trotzdem finden sich in den Veröffentlichungen Osterlohs neben einigen biblischen Besinnungen, für die ihm vor allem das „Sonntagsblatt“ ein Forum bot17, eine Würdigung Rudolf Bultmanns und seiner Theologie18, zu deren prinzipieller Um den Eindruck zu vervollständigen: Am 27. 10. hielt er in Hamburg einen Vortrag im Gewerkschaftshaus, an den sich eine Diskussion mit Landesschulrat Matthewes über Kirche, Schule, Elternschaft anschloss, am 31. 10. sprach er auf der Hermannsburger Flüchtlingstagung (Thema: „Der biblische Auftrag zur Jugendhilfe“), am 1. 11. in der Hasensprungsmühle in Solingen zur Frage „Was ist evangelische Erziehung?“, am 17. 11. an der Universität Frankfurt („Kirche, Schule, Elternhaus“) und am 22. 11. schließlich in Göttingen zum Thema „Die Verantwortung des Christen für den Geist der politischen Parteien“. Im gleichen Zeitraum prüfte er in Oldenburg im ersten theologischen Examen (3. 11.) und nahm dort seinen spektakulären Abschied von der Synode (22. 11.). Unter dem 11. 11. notierte er, wohl weil es etwas Besonderes war in diesem Monat: „Kirchenkanzlei, Diktat“. 14 Für Ende Januar/Anfang Februar 1950 sind Dienstreisen nach Hamburg zu einer Besprechung über Schulfragen (21. 1.), nach Berlin zum Kirchentag der Bekennenden Kirche (27.–30. 1.), erneut nach Hamburg aufgrund seiner Arbeit am Handwörterbuch (31. 1.–2. 2.), nach Braunschweig zu einer öffentlichen Schuldiskussion (3. 2.), zu zwei Vorträgen vor der Synode und der Religionspädagogischen Arbeitsgemeinschaft der Synode Dinslaken in Duisburg bzw. Hamborn (6. 2.) und zur Tagung der Schulreferenten in Fulda (13.–16. 2.) notiert (Hausverfügung Nr. 12 vom 21. 1. 1950 [EZA BERLIN, 2/1844]). 15 Besonders deutlich wird diese Absicht in der Auseinandersetzung mit Oskar Hammelsbeck (vgl. unten S. 231–237, 257–261), im Abblocken des Versuchs, weitere Entscheidungsgremien neben dem unter Federführung der Kirchenkanzlei tagenden DP-Ausschuss zu installieren (vgl. S. 291–294), und in der Benennung eines leitenden Pfarrers für die Seelsorge an kasernenmäßig untergebrachten Männern, ohne zuvor die Landeskirchen zu konsultieren (vgl. S. 298f.). 16 Das 1954 in erster Auflage vollendete Handwörterbuch, an dem u. a. Heinz Brunotte, Wilhelm Hahn, Helmuth Kittel, Eduard Lohse, Georg Merz, Anna Paulsen, Hans Thimme, Helmut Traub und Heinz-Dietrich Wendland mitarbeiteten, erschien in verschiedenen Lieferungen, von denen die erste am 30. 6. 1950 angekündigt wurde (AELKZ 4, 1950, S. 189). Rezensionen u. a. in: AELKZ 5, 1951, S. 258; 7, 1953, S. 173; 10, 1956, S. 32; Zeitwende 23, 1951, S. 180f. 17 Vgl. Bibliographie, 1950–1953. 18 E. OSTERLOH, Rudolf Bultmann (1949).

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

Verteidigung er sich auch bei anderen Gelegenheiten verpflichtet fühlte19, und ein umfangreicherer Aufsatz über das Verhältnis von Theologie, Philosophie und Naturwissenschaft20, ein Thema, das ihn – unter anderem angeregt durch den Kontakt zu Günter Howe21 – weiter beschäftigen sollte22. Mit seiner ‚SpezialDisziplin‘, dem Alten Testament, befasste Osterloh sich, vom Handwörterbuch abgesehen, nur noch am Rande23. Für die Kirchenkanzlei selbst war die Gewinnung des theologischen Referenten Osterloh ein weiterer Schritt auf dem Weg zur vollen Arbeitsfähigkeit. Die Person Brunotte hatte bis dahin in doppelter Hinsicht Misstrauen auf sich 19

In der Diskussion um das Verhältnis von Kirche und Lehrerschaft auf der Sonderveranstaltung im Anschluss an den Essener Kirchentag 1950 (vgl. unten S. 255) wurde Osterloh auf Bultmann angesprochen und ließ in seiner Antwort auch Kritik durchblicken: „Ich antwortete mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit eines sauberen intellektuellen Gewissens und mit der schlichten Feststellung, daß ich mich mit Bultmann im Glauben verbunden weiß. Dabei habe ich auch wesentliche und weitreichende Widersprüche zu einzelnen Aussagen von ihm nicht bestritten“ (Dienstreisebericht Osterlohs vom 30. 8. 1950, in: EZA BERLIN, 2/3585). In einem Gespräch mit Professor Karl Witt, dem Studienleiter der Evangelischen Akademie Hermannsburg regte er die Bildung von Arbeitsgemeinschaften aus Theologen und Pädagogen über die Theologie Bultmanns an (Aktenvermerk vom 11. 1. 1951 über die Aussprache mit Prof. Dr. Witt am 8. 1. 1951 [EBD.]). 20 E. OSTERLOH, Bedeutung (1950). 21 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996. Osterloh hatte Howe im ChristophorusStift in Hemer näher kennengelernt, wo beide im „Ausschuß für Fragen des Ehe- und Familienrechts“ tätig waren (vgl. unten S. 269ff.). 22 Der oben genannte Aufsatz (Anm. 20) dürfte identisch sein mit dem Vortrag „Die Geschichte der theologischen Wissenschaft, der naturwissenschaftlichen Forschung und der Philosophie seit 1920 in ihrer Bedeutung für die Gegenwart“, den Osterloh auf der Religionspädagogischen Tagung der braunschweigischen Landeskirche am 25./26. 2. 1950 in Bad Harzburg und nochmals am 4. 5. 1950 in Hermannsburg hielt (vgl. EZA BERLIN, 2/3584); auf einer Lehrerversammlung am 17. 8. 1950 in Wolfenbüttel sprach er über „Naturwissenschaft und christlicher Glaube in der Gegenwart“ (vgl. EZA BERLIN, 2/3585). Für eine Religionslehrer-Tagung in Sittensen vom 29. 9. bis 3. 10. 1951 sagte er ebenfalls ein Referat zum Thema „Naturwissenschaft und Glaube“ zu (vgl. EZA BERLIN, 2/3839). 23 Aus den Jahren 1949 bis 1953 sind belegt Rezensionen zum Jesaja-Kommentar Volkmar Herntrichs (E. OSTERLOH, Rez. Volkmar Herntrich [1951]) und zu Heinrich Bornkamms „Luther und das Alte Testament“ (E. OSTERLOH, Rez. Heinrich Bornkamm [1950]) sowie ein vierstündiger Vortrag zum Thema: „Der Prophet Jeremia, die Bedeutung seiner Botschaft für den Lehrer persönlich und die Behandlung des Buches Jeremia im Unterricht“, den Osterloh am 22. 7. 1952 auf der Religionspädagogischen Konferenz in Rummelsburg vor ca. 50 Lehrern und Lehrerinnen gehalten hat. Vom Vortrag waren weder ein Typoskript noch ein Abdruck zu ermitteln; Osterloh fügte seinem Dienstreisebericht vom 26. 7. 1952 aber eine Gliederung des Vortrages an, aus der ersichtlich wird, dass er weiterhin großen Wert auf Wissenschaftlichkeit und die rechte Hinführung zur Themenstellung legte: „1.) Die politische Zeitgeschichte, 2.) Jeremias Leben (Biographisches), 3.) Das Buch Jeremia (Ein Stück alttestamentliche Literaturgeschichte), 4.) Wie versteht Jeremia seine Existenz als Prophet? (Das Selbstverständnis des Jeremia), 5.) Heilsverkündigung, 6.) Gerichtspredigt, 7.) Was sagt Jeremia von Gott? (Grundzüge der Theologie des Jeremia), 8.) Was kann Jeremia für den Pädagogen heute bedeuten?, 9.) Was will die evangelische Kirche zur Wirkung kommen lassen, wenn im Religionsunterricht heute Jeremia behandelt wird?“ (EZA BERLIN, 2/3840).

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gezogen: einerseits beargwöhnte man vielfach seine sich bis Kriegsende erstreckende Mitarbeit in der Kanzlei der DEK, andererseits fürchtete man ob seiner gleichzeitigen Tätigkeit für die VELKD deren Einflussnahme nun auch auf die EKD-Kanzlei. So war es ein kluger Schachzug, mit Osterloh einen lutherischen Theologen zu berufen, der nicht aus einer der VELKD angehörenden Landeskirche stammte und zudem (wenn auch sachlich vielleicht schon nicht mehr zu Recht) dem bruderrätlichen Flügel der evangelischen Kirche zugerechnet wurde24. Durch unbestreitbare Kompetenzzunahme und eine größere Ausgewogenheit hinsichtlich der kirchenpolitischen Positionen gewann die Kirchenkanzlei neues Vertrauen und damit neue Handlungsspielräume, auch wenn die Zahl ihrer Mitarbeiter und der ihr rechtlich und tatsächlich zufallende Einfluss weiter beklagenswert gering erschienen25, so dass selbst im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland kein besonderes Interesse an der Arbeit der Kanzlei zu bestehen schien26.

5.2 Schulpolitik und Elternarbeit Zum Thema „Kirche und Schule“ und – man muss sagen: ausnahmsweise – auch zur Rolle von Edo Osterloh in diesem Zusammenhang liegen eine Reihe weiterführender Arbeiten vor. Aus der unmittelbaren Anschauung und eigener Verantwortlichkeit heraus sind geschrieben die beiden Artikel im „Kirchlichen Jahrbuch“ aus der Feder der zuständigen Referenten der Kirchenkanzlei: „Schule und Kirche nach dem Zusammenbruch 1945“ von 24 Vgl. oben S. 204f. Über Zweifel an der moralischen Integrität Brunottes wurde zeitgenössisch weitgehend geschwiegen, wobei sicher der „Zeitgeist“ ebenso eine Rolle spielte wie der Umstand, dass die meisten in ihm das gegenüber Asmussen eindeutig kleinere Übel sahen. Vgl. jetzt: H. GROSSE, Rechtskontinuität, bes. S. 290–297. 25 Als Beispiel für die Außenwirkung möge ein Brief dienen, den Osterloh von Christel Matthias Schröder, einem bremischen Pfarrer, bekam, nachdem dieser davon gehört hatte, Osterloh wolle Bischof in Oldenburg werden. Peters kommentierte dies: „[S]olltest Du – was ich angesichts der kümmerlichen Möglichkeiten Eurer Kanzlei für nicht ausgeschlossen halte – in Hannover auf die Dauer nicht bleiben wollen, so gehe nicht nach Oldenburg zurück“ (Brief an Osterloh vom 26. 4. 1952, in: EZA BERLIN, 2/2666). 26 So hielt es Osterloh noch im Dezember 1950 für notwendig, dem Ratsvorsitzenden Beispiele für substanzielle Anfragen an die Kanzlei vorzulegen, denn, so notierte er in einem Aktenvermerk vom 30. 12. nicht ganz ohne Bitterkeit: „Ich habe aus der Unterredung am 20. 12. 1950 den bedrückenden Eindruck gewonnen, daß der Herr Vorsitzende des Rates ein unzureichendes und auch unzutreffendes Bild von der Arbeit der Kanzlei hat. Da man nicht erwarten darf, daß die übrigen Mitglieder des Rates die Umdrucke der Kirchenkanzlei sehr viel sorgfältiger lesen, als Herr Bischof Dibelius, bitte ich in Erwägung zu ziehen, dem Rat vorzuschlagen, daß in jedem Jahr einmal jeder Referent der Kirchenkanzlei die Möglichkeit hat, dem Rat in einem Vortrag von etwa 15 Minuten sein Arbeitsgebiet darzustellen“ (EZA BERLIN, 2/3585).

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

Osterloh27 und „Vom Dienst der Kirche an und in der Schule 1950–1955“ von Gottfried Niemeier28, Osterlohs Nachfolger als Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei. Beide präsentieren wichtige Quellentexte und zeichnen die entscheidenden Entwicklungen nach. Während Osterloh in seiner Darstellung jedoch durchaus zu erkennen gibt, welchen Linien der Entwicklung er aufgeschlossen gegenüber steht und welche er mit skeptischem Blick betrachtet, so dass dieser Text Rückschlüsse auf seine weiteren Aktivitäten zulässt, beschränkt sich Niemeier im Wesentlichen auf die Präsentation der Quellen und versieht diese nur mit den zu ihrer Einordnung notwendigen Hinweisen. Die weitere Beschäftigung mit dem Thema, dessen zeitgenössische Relevanz schon an der Vielzahl der einschlägigen Zeitschriften abzulesen ist29, setzte zwar nie ganz aus, brachte jedoch vornehmlich in den 1990er Jahren eine Reihe von interessanten Arbeiten hervor; auch in diesem Bereich hatte das Ende der Zweistaatlichkeit offenbar ein neues Interesse an deren Anfängen und an ‚in sich geschlossenen‘ Überblickdarstellungen ausgelöst30. Aufschlussreich im Blick auf das Wollen und Wirken von Osterlohs schulpolitischem Konterpart Oskar Hammelsbeck ist der Rückblick auf die programmatischen Aussagen im ersten Jahrgang der von diesem herausgegebenen Zeitschrift „Der Evangelische Erzieher“31. Besonderes Interesse findet Osterlohs Wirken in den Arbeiten Christian Simons, die sich zwar auf den niedersächsischen Bereich beschränken, aber – abgesehen davon, dass dieser Bereich Osterloh ebenfalls nicht nur räumlich nahe war – zwangsläufig immer wieder die Arbeit der Kirchenkanzlei in den Blick nehmen32. Landeskirchlich ausgerichtete Arbeiten liegen ebenfalls vor aus dem Rheinland bzw. Westfalen33 und aus Braunschweig34. 1998 erschienen am Jubiläum orientierte Aufsätze zum „Schulwort“ der EKD, mit dem 1958 auf evangelischer Seite die Auseinandersetzungen der frühen 1950er Jahre zu einem ersten Ergebnis gekommen waren35. Schließlich ist zu verwiesen auf Sebastian Meier-Rollis voluminösen Band „Evangelische Schulpolitik in Deutschland 1918–1958“, der eine kurze Darstellung mit der Edition wichtiger Quellen verbindet und in den letzten beiden Kapiteln die wichtigen Wegmarken „Die Schulfrage in den Beratungen des Grundgesetzes“

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E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951). G. NIEMEIER, Dienst. 29 Vgl. bes. DER EVANGELISCHE ERZIEHER; ELTERNHAUS, SCHULE UND GEMEINDE; DIE SCHULE/UNSERE SCHULE; SCHULE UND LEBEN. Aber auch allgemeiner ausgerichtete Zeitschriften und Zeitungen wie EVANGELISCHE WELT, INFORMATIONSBLATT FÜR DIE NIEDERDEUTSCHEN LUTHERISCHEN LANDESKIRCHEN, EVANGELISCH-LUTHERISCHE KIRCHENZEITUNG, SONNTAGSBLATT, KIRCHE UND MANN, DIE SAMMLUNG und JUNGE KIRCHE boten immer wieder ein Forum für Artikel zum Thema. 30 Vgl. z. B. W. H. RITTER, Schule – Bildung – christlicher Glaube; K. DIENST, Rolle. 31 F. SCHWEITZER, Evangelische Erzieher. Zu Oskar Hammelsbeck vgl. R. LACHMANN, Oskar Hammelsbeck; G. ADAM, Oskar Hammmelsbeck. 32 CHR. SIMON, Fundament; DERS., Kirchen, bes. S. 53–75; DERS., Terrain; DERS., Schulpolitik ohne Schulkampf. 33 F. BLUM, Schulpolitik; K. H. POTTHAST, Landeskirche. 34 H. PADEL, Erziehung. 35 Vgl. „FREIER DIENST AN EINER FREIEN SCHULE“; K. E. NIPKOW, Freier Dienst; vgl. auch den entsprechenden Abschnitt aus Sebastian Müller-Rollis Dokumentation (vgl. unten Anm. 36). 28

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(1948/49) und „Die Schulfrage auf der Berliner Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland“ (1958) behandelt36. Für Osterlohs eigenen Beitrag zur Diskussion und seine Tätigkeit in der Kanzlei sind aussagekräftig seine zahlreichen zeitgenössischen Aufsätze und Artikel zum Thema37 sowie die umfangreichen Quellenbestände besonders innerhalb der Kanzleiakten im Evangelischen Zentralarchiv38.

Aus mehreren Gründen verdient das Schulreferat im Vergleich zu den vielen anderen Referaten, für die Osterloh in der Kirchenkanzlei zuständig war, eine besondere Beachtung: Das Schulreferat war bei Osterlohs Berufung an die Kanzlei der EKD der Bereich der zukünftigen Tätigkeiten, den Dibelius hervorhob39, und auch bei Osterlohs Abschied aus der Kanzlei wurde sein Wirken in diesem Gebiet besonders herausgestellt40. Zum Thema „Schule und Kirche“ veröffentlichte Osterloh in den folgenden Jahren die meisten Artikel und Aufsätze, ihm galt das Gros seiner Reisen zu Vorträgen und Tagungen und hiermit verknüpfte sich unweigerlich sein Name, wenn man auf die Rolle der EKD bzw. ihrer Kanzlei zu sprechen kam, da es ihm gelingen sollte, der Kanzlei eine zentrale Rolle in der Schulpolitik der evangelischen Kirche zu sichern – gegen durchaus vorhandenen Widerstand. Dieser Widerstand kam vor allem aus den Reihen bruderrätlich gesonnener Theologen, und so zeigte sich auch anhand der von ihm vertretenen kirchlichen Schulpolitik das Ausscheren Osterlohs aus dem bruderrätlichen Flügel der EKD. Schließlich war es Osterlohs intensive Arbeit in diesem Referat, die ihn – nun auch bundesweit beachtet – an den Bereich und einflussreiche Personen der Kulturpolitik heranführte und schließlich zu einem interessanten Kandidaten für den entsprechenden Posten in der Bonner Ministerialbürokratie werden ließ41, was seinen weiteren Werdegang bis zu seinem Lebensende bestimmen sollte.

36 S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 497–650, 651–719. Zu weiterer Literatur vgl. EBD., S. 735–760; H. F. RUPP, Art. „Schule/Schulwesen“; D. STOODT, Art. „Religionsunterricht“. 37 Vgl. Bibliographie, 1949–1953. Hinzuweisen ist darauf, dass Osterlohs Veröffentlichungen im Verhältnis zur Zahl der Vorträge und Ansprachen, auf die in den Aktenbeständen (vgl. unten Anm. 38) Hinweise vorliegen, nur die Spitze des Eisbergs darstellen, gleichwohl aber als eine Art Substrat seiner Gedanken zum Themenkreis Staat/Kirche/Schule/Religionsunterricht/Elternschaft anzusehen sind. Ähnlich wie bei seinen Predigten formulierte Osterloh auch die meisten seiner Ansprachen und Vorträge im Wesentlichen frei anhand von wenigen Stichpunkten (vgl. oben S. 150f., Anm. 112). 38 Die wichtigsten Bestände: EZA BERLIN, 2/3583–3588 („Schule, allgemein“); EZA BERLIN, 2/3738– 3746 („Schulreferententagungen“); EZA BERLIN, 2/3777–3780 („Evangelische Elterntage“). 39 Vgl. oben S. 204ff. 40 Im ebenfalls von Dibelius unterzeichneten Abschiedsschreiben des Rates an Osterloh vom 13. 4. 1953 hieß es: „Insbesondere haben Sie auf dem Gebiet der Schule, soweit die Kirche dafür eine Mitverantwortung hat, überaus fruchtbare Arbeit geleistet“ (EZA BERLIN, 2/P 154). 41 Vgl. unten S. 349ff.

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

5.2.1 Staatliche und evangelische Schulpolitik zwischen 1945 und 194942 Die schulpolitischen Vorstellungen der Alliierten orientierten sich übereinstimmend an den Grundsätzen der Entnazifizierung und Demokratisierung der Schule. Letztere sollte durch eine strukturelle Umgestaltung des deutschen Schulwesens vom althergebrachten vertikalen hin zu einem horizontalen Aufbau erreicht werden. Auf konkrete gemeinsame ‚Ausführungsbestimmungen‘ zu diesen Vorgaben konnten sich die Alliierten jedoch nicht einigen, so dass es schon 1945/46 zu gravierenden Unterschieden in der Entwicklung der Besatzungszonen kam. In der zentralistisch ausgerichteten sowjetisch besetzten Zone wurde das Konzept einer Einheitsschule im Sinne sozialistischen Gedankenguts ohne Rücksicht auf überkommene Traditionen länderübergreifend durchgesetzt43. Die westlichen Besatzungsmächte dagegen wünschten wohl auch eine durchgreifende Veränderung des deutschen Schulwesens, stellten diese Forderung aber in der Regel hintan, wenn es darum ging, überhaupt funktionierende Schulen zu haben44. Die Grundentscheidung für eine föderalistische Ordnung führte im Westen dazu, dass die Schulkompetenz den Ländern zugesichert wurde, deren Traditionen und Sonderentwicklungen zum Beispiel in der Frage der Konfessions- oder Simultanschulen in der Regel anerkannt und damit konserviert wurden. Insbesondere die Amerikaner forderten zwar die von ihnen als Kern einer Demokratisierung des Schulwesens angesehene Einführung der sechsjährigen Grundschule für alle Kinder und die Gleichwertigkeit aller weiterführenden 42 Für den entsprechenden Zeitraum liegt im Werk Sebastian Müller-Rollis eine Sammlung der wichtigsten Dokumente vor, versehen mit einer umfangreichen Einleitung und vielen weiterführenden Literaturhinweisen (S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 347–493 bzw. 497–650). Hieran orientiert sich der folgende Überblick. 43 Vgl. BILDUNGSPOLITIK IN DEUTSCHLAND, S. 15f., 18f.; CHR. FÜHR, Bildungswesen, S. 12f.; DERS., Bildungsgeschichte, S. 12ff.; K. DIENST, Rolle, S. 113f. Die diesem Konzept immanenten restriktiven Maßnahmen gegen einen durch staatlich bezahlte Lehrer erteilten Religionsunterricht hatten in den ostdeutschen Gliedkirchen bis 1951 zur Bildung eines neuen „Standes“ von ca. 12.000 Katecheten und Katechetinnen geführt, die als Lehrkräfte die entstehenden Lücken der Unterrichtsversorgung schließen halfen (vgl. E. OSTERLOH, Not [1952]; DERS., Schule und Kirche [1951], S. 391f.). Osterloh fragte sich angesichts der in West und Ost völlig verschiedenen Lage an den Schulen bereits im Frühjahr 1951, „ob auf die Dauer das Bewusstsein der inneren Einheit in der evangelischen Erziehungsarbeit so festgehalten werden“ könnte, dass es „auch zur Erhaltung einer tatsächlichen Gemeinschaft ausreicht“ (DERS., Not, S. 418). Ein Beleg dafür, dass die gegenläufige gesellschaftspolitische Entwicklung auch im Bereich der evangelischen Kirche schon zu diesem frühen Zeitpunkt zu spürbaren Strukturunterschieden geführt hatte. Im Weiteren wird angesichts der fehlenden Einflussmöglichkeiten seitens der Kirchenkanzlei in Hannover die Entwicklung im Osten nicht mehr eigens thematisiert, denn für Angelegenheiten, die nur die östlichen Gliedkirchen bzw. die Regierung der DDR betrafen, war eine ‚Außenstelle‘ in Berlin zuständig (zu deren Einrichtung vgl. W.-D. HAUSCHILD, Rat, S. XXXVf.). 44 Vgl. S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 365, 373, 375; BILDUNGSPOLITIK IN DEUTSCHLAND, S. 15. Zum Vorgehen in Oldenburg vgl. oben S. 165f.

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Schulen45, untermauerten diese Forderung aber zu keinem Zeitpunkt durch die Ankündigung von Sanktionen für den Fall ihrer Nichtbeachtung. Daher kam es, mit Ausnahme West-Berlins, entweder überhaupt nicht zur Einführung der sechsjährigen Grundschule, oder sie blieb Episode46. Schließlich hatte jedes der Bundesländer sein spezifisches Schulsystem herausgebildet, über dessen Eigenständigkeit man eifersüchtig wachte. Im Jahr 1950 beispielsweise wurden Bestrebungen des Bundes, die kulturpolitische Abteilung des Innenministeriums durch Bestellung eines Ministerialdirektors aufzuwerten47, „als Keim für institutionelle Weiterungen beargwöhnt“ und entsprechend energisch – und erfolgreich – bekämpft48. Auch die „Ständige Konferenz der Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland“ (KMK), 1949 in der Nachfolge der „Konferenz der Kultusminister der westdeutschen Länder“ gegründet, sah sich ganz diesem Grundsatz verpflichtet. Dieser „Vorposten des Föderalismus“49 war in seinen ersten Jahren keineswegs vordringlich an übergreifend gültigen Regelungen interessiert, sondern eher ein „Forum, auf dem sich mit dezidiert antizentralistischer […] Tendenz partikulare Kräfte bündelten, die sich in die jeweiligen Länderangelegenheiten nicht hineinreden lassen wollten“50, oder, so Hermann Kunst, eine „Privatbundesrepublik“51. 45

Diese Schulen sollten sich erst spät in einen akademischen und einen berufsorientierten Zweig gliedern. Vgl. die OMGUS-Direktive an die Militärregierungen der Länder vom 8. 1. 1947 sowie deren Erläuterung durch John W. Taylor, den Leiter der Abteilung Schule, Erziehung und religiöse Angelegenheit der amerikanischen Militärregierung (Abdruck: S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 437f. bzw. 438–441). 46 In Schleswig-Holstein wurde die sechsjährige Grundschule 1949 in der Landessatzung verankert; schon 1950, nach der nächsten Landtagswahl, die zu einem Regierungswechsel führte, aber wurde dies wieder rückgängig gemacht (vgl. E. OSTERLOH, Schule und Kirche [1951], S. 415; K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein, S. 616f.). In Bremen kam es 1949 zur Einführung der sechsjährigen Grundschule, die aber immer ein „Politikum“ blieb und deren Verbindlichkeit 1957 zugunsten der wiederum vierjährigen Grundschule abgeschafft wurde (vgl. H. SCHULTE AM HÜLSE, Grundschule). Die praktische Umsetzung des hamburgischen Schulgesetzes vom 25. 10. 1949, in dem die sechsjährige Grundschule vorgesehen war, verzögerte sich immer weiter und unterblieb schließlich. Vgl. zum Ganzen auch: G. GEISSLER, Gestaltungsprobleme. 47 Vgl. dazu den Art. „Diese Woche brachte: Einen Ministerialdirektor für Kultur“ (Sbl., Nr. 14, 2. 4. 1950, S. 1). Die im Artikel vorschnell begrüßte Einrichtung einer entsprechenden Planstelle bedeutete jedoch noch lange nicht, dass diese Stelle auch besetzt wurde (vgl. unten). 48 W. MÜLLER, Gründung, S. 104. Vgl. EBD., S. 77ff. 49 EBD., S. 104. 50 EBD., S. 105. Vgl. auch die „Entschließung der Kultusministerkonferenz vom 18. Oktober 1949 in Bernkastel“ (Abdruck: EINHEIT IN DER VIELFALT, S. 233). Erst nach einer gewissen Konsolidierung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern kam es zu einer kooperativeren Haltung der Länder in der Schulpolitik, die sich festmachen lässt besonders am Düsseldorfer Abkommen zur Vereinheitlichung des Schulwesens vom 17. 2. 1955 (vgl. W. MÜLLER, Gründung, S. 105f.; P. FRÄNZ/J. SCHULZ-HARDT, Geschichte, S. 183–186). 51 „Ich beobachte nicht ohne Humor, wie diese föderalistischen Kultusminister in ihrer Sparte offenbar eine Privatbundesrepublik aufgemacht haben“ (Brief an Osterloh vom 31. 5. 1950, in: EZA BERLIN, 2/3584).

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

Für die evangelischen Kirchen der westlichen Zonen hätte sich eine einheitliche Ausrichtung ihrer schulpolitischen Forderungen allein unter diesen Umständen recht schwierig gestaltet. Die Landeskirchen sahen sich zunächst mit den unterschiedlichen Ansichten der Besatzungsmächte konfrontiert, und besonders unübersichtlich wurde die Lage dort, wo, wie zum Beispiel in Württemberg, das Territorium der Landeskirche zu zwei Besatzungszonen gehörte. Die Überführung der Gesetzgebungskompetenz an die Länder vereinfachte das Problem nicht immer: nun gab es – das extreme Beispiel ist Niedersachsen52 – aus mehreren alten Ländern (mit ihrem je unterschiedlichem Schulrecht) gebildete neue Bundesländer, die sich über den Bereich mehrerer Landeskirchen mit teils sehr verschiedenen Schultraditionen erstreckten. Dazu kam noch das hausgemachte Problem der inneren Zerrissenheit der evangelischen Kirche zwischen dem bruderrätlichen und dem (lutherisch-) landeskirchlich orientierten Flügel in der werdenden EKD. Schon unmittelbar vor der Konferenz der evangelischen Kirchenführer in Treysa vom 27. bis 31. August 1945 hatte der Reichsbruderrat auf seiner von Niemöller nach Frankfurt am Main einberufenen Tagung vom 21. bis 24. August53 einen „Beschluß zur Schulfrage“ verabschiedet. In diesem Beschluss, vorgelegt von der unmittelbar zuvor gebildeten Schulkammer54, wurden Konfessionsschulen als wünschenswert, aber gegenwärtig unrealistisch bezeichnet und daher die Einrichtung christlicher Simultanschulen mit konfessionell getrenntem Religionsunterricht propagiert55. Der kurz darauf tagenden Kirchenversammlung blieb, wollte man keinen frühzeitigen Bruch riskieren, auch auf diesem Gebiet wenig mehr übrig als einen Kompromiss zu finden zwischen dieser Stellungnahme und den Befürwortern des Erhalts bzw. der Wiedereinführung des Bekenntnisschulwesens56. In der Beschlussvorlage, die in Treysa 52

Vgl. CHR. SIMON, Schulpolitik ohne Schulkampf, S. 101f. Ein von Pfarrer Otto Kröhnert angefertigtes Protokoll dieser Tagung, eine nicht sicher zuzuordnende Niederschrift über die Tagung und andere Konferenzdokumente sind abgedruckt in: DER KOMPROMISS VON TREYSA, S. 83–178. 54 Der Reichsbruderrat knüpfte mit der Bildung der Schulkammer an die Zeit des Kirchenkampfes an: seit 1936 gab es eine Schulkammer der VKL II unter dem Vorsitz von Martin Albertz (Geschäftsführer: Wilhelm Rott), seit 1937 gab es die „Kammer für kirchlichen Unterricht beim Rat der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union“ (Geschäftsführung: Oskar Hammelsbeck). Entsprechend ernannte der Reichsbruderrat auf der Frankfurter Tagung zu Mitgliedern der neu gebildeten Schulkammer zunächst Albertz, Hammelsbeck und Rott, wobei Hammelsbeck von vornherein die dominierende Rolle zukam (vgl. DER KOMPROMISS VON TREYSA, S. 116; S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 288, 375f.). 55 Abdruck: DER KOMPROMISS VON TREYSA, S. 176f. 56 Vgl. aus dem Referat „Zur Frage der Schulform“ des Pastors Ernst Kleßmann: „Es bedarf keines weiteren Wortes, daß die Bekenntnisschule, sofern sie nicht nur diesen Namen trägt, sondern eine vom Geist des Evangeliums bestimmte Schule ist, die für Familie, Kirche und Volk geeignetste Schulform ist. Alle für die christliche Gemeinschaftsschule angeführten Gründe können das Gewicht der einen Tatsache nicht aufheben, daß allein die Bekenntnisschule die Möglichkeit hat, auf einer klaren geistigen 53

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nicht verabschiedet wurde und daher unverbindlich blieb57, wurde „die christliche Volksschule“ gefordert; als mögliche Formen dieser Schule standen Bekenntnis- und christliche Simultanschule gleichrangig nebeneinander, ohne dass eine Wertung über die Chancen ihrer Einrichtung vorgenommen wurde58. Der Konflikt zwischen den beiden Positionen war damit keineswegs gelöst und blieb ein beherrschendes Thema der ersten Sitzungen des Rates der EKD, ohne dass der Rat jedoch von sich aus schulpolitische Initiativen entwickelte59. Hammelsbecks Anliegen, eine Schulkammer der EKD zu gründen bzw. die unter seinem Vorsitz tagende Schulkammer der Bruderräte als eine solche anzuerkennen, wurde lange übergangen und von seinen schulpolitischen Kontrahenten vor allem in Hannover und München konterkariert, die eine EKD-Kammer unter seinem Vorsitz ablehnten60. Noch bevor Mitte 1947 dann doch eine Kammer des Rates der EKD für Schule und Erziehung unter dem Vorsitz Hammelsbecks Grundlage ihr Werk zu treiben“ (TREYSA 1945, S. 66). Nach einem exkursorischen Gedanken darüber, dass angesichts der „neuen Achtung“ zwischen katholischer und evangelischer Kirche eine christliche Simultanschule in der Praxis durchaus empfehlenswert sein könnte (vgl. EBD., S. 66f.), kommt Kleßmann zu dem Schluss: „Nun scheint aber die katholische Kirche sich bereits endgültig entschieden zu haben, und zwar für die Bekenntnisschule. Daraus ergibt sich für die evangelische Kirche, daß sie sich ihrerseits für die Bekenntnisschule als Regelschule entscheiden muß, da sonst die Gefahr besteht, daß in die verbleibende christliche Simultanschule alles hineinkommt, was nicht katholisch ist“ (EBD., S. 67 [i. Orig. nicht hervorgehoben]). 57 Mitschriften von Wilhelm Halfmann und Hans Meiser, ein anonymes Protokoll und weitere Konferenzdokumente sind abgedruckt in: DER KOMPROMISS VON TREYSA, S. 215–328. Vgl. auch: TREYSA 1945. In der Diskussion bat Bischof Meiser – vielleicht weil die Diskutanten trotz des eindeutigen Votums, das sie gehört hatten (vgl. oben Anm. 56), stärker für die Simultanschule votierten (vgl. das Protokoll Halfmanns, in: DER KOMPROMISS VON TREYSA, S. 237f.) –, keine „programmatische Erklärung der Kirchenführerkonferenz zur Schulfrage“ abzugeben, „solange die Verhältnisse so unklar“ seien (EBD., S. 237). 58 „Für die Neuordnung des Schulwesens fordern wir die christliche Volksschule. Es mag nach den jeweiligen Verhältnissen entschieden werden, ob die christliche Gemeinschaftsschule oder die Bekenntnisschule eingerichtet werden soll“ (Beschlussvorlage zur Schulfrage [Treysa, 31. 8. 1945], in: DER KOMPROMISS VON TREYSA, S. 313). 59 Bezeichnend sind die Argumente, die man auf der 3. Sitzung des Rates austauschte: Auf die Feststellung Niesels, die Schulfrage sei „brennend“, die Kirche sei dabei „allgemein schon wieder sehr weit im Hintertreffen“, und es bedürfe wenigstens eines Erfahrungsaustausches, bemerkte Dibelius kurz: „Das liegt an den einzelnen L[andes]k[irchen]“, während Meiser auf die Uneinigkeit der Landeskirchen hinwies und feststellte: „Wir verschleudern eine Unsumme von Geld, wenn doch nichts anderes als in Treysa erreicht wird.“ Den Wunsch nach einer festeren Organisationsform für die Schulkammer beschied Meiser mit dem Verweis auf die Vorläufigkeit auch des Rates abschlägig und fügte an: „Was uns das kosten würde!“ Die Einberufung einer Schulreferententagung verfiel dem gleichen Sparverdikt Meisers: „Die Sache kostet zu viel“ (DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 1, S. 206f.; vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 31). 60 Vgl. DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 1, S. 35, Anm. 42; S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 379f. CHR. SIMON, Kirchen, S. 48ff. trennt nicht zwischen dem Antrag Hammelsbecks auf Anerkennung der Schulkammer, der in der Tat schon auf der zweiten Ratssitzung am 18./19. 10. 1945 in Stuttgart vorlag, aber dort eben nicht angenommen wurde, und der tatsächlichen Beauftragung Hammelsbecks, die erst 1947 erfolgte. Zu Simons Darstellung, die sich im Folgenden sehr auf den Konflikt

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konstituiert wurde61, hatte sich auch die Kirchenkanzlei in das Kompetenzgerangel eingeschaltet und reklamierte das Recht für sich, selbst Tagungen der Schulreferenten einzuberufen62. Mit dem Beschluss zur Einrichtung des Schulreferats, das als vorläufiger Schulreferent Hansjürg Ranke aufzubauen begann, stärkte der Rat 1948 eindeutig die Ansprüche der Kanzlei, und pikanterweise wandte man sich an Hammelsbeck mit der Bitte um Nennung eines geeigneten Kandidaten zur vollen Übernahme dieses Referats63. Auch wenn Ranke versicherte, das Schulreferat werde die Funktion der Kammer nicht beeinträchtigen, insistierte er zugleich auf seinem Auftrag, die Schulpolitik der EKD von nun an zu koordinieren, und sah die Kanzlei im Gegenüber zur Kammer als weisungsbefugt an64. Erst im Februar/März 1949 wurde der Status der Kammern der EKD näher bestimmt, und es wurde ihnen lediglich eine beratende Funktion der leitenden Organe der EKD zugestanden65. Für die Kirchenkanzlei bat Friedrich Merzyn Hammelsbeck gar darum, „nach außen hin die Kammer grundsätzlich nicht in Erscheinung treten“ zu lassen66. Das Verhältnis zwischen Kanzlei und Hammelsbeck war also schon bei Osterlohs Amtsantritt schwer belastet, wie am 9./10. Juni 1949 auf einer gemeinsam von Brunotte, Hammelsbeck und Osterzwischen Hammelsbeck und Osterloh bzw. der Kanzlei konzentriert (DERS., S. 53–60), vgl. unten S. 257–261. 61 Beschluss des Rates auf seiner 13. Sitzung am 6. 6. 1947 in Treysa (vgl. DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 2, S. 175). 62 Ergebnis war, dass Hammelsbeck trotz Einladung an der ersten von der Kanzlei einberufenen Tagung (15./16. 10. 1946 in Treysa) nicht teilnahm. Das Referat zum Thema „Konfessions- oder christliche Gemeinschaftsschule“ hielt daraufhin Brunotte; die „Erklärung zur Frage der Schulform“, für lange Zeit die letzte Äußerung der Schulreferenten zu dieser Problematik, stellte beide Schulformen erneut als gleichberechtigt nebeneinander und unterstrich die Bedeutung der inneren Voraussetzungen für eine christliche Schule. Brunotte regte schließlich an, mit allen Beteiligten (Kirchenleitung, Pfarrerschaft, Landesregierung, Schulverwaltung, Lehrerschaft, Parteien [nicht genannt ist die Elternschaft!, P.Z.]) eine Vereinbarung über entsprechende gesetzliche Regelungen „je nach den örtlichen Erfordernissen, dem Herkommen und der geschichtlichen Entwicklung“ zu treffen. Abdruck der Erklärung, die Asmussen den Ratsmitgliedern zukommen ließ: DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 1, S. 756ff.; S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 434ff. Vgl. EBD., S. 379f. 63 Vgl. DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 2, S. 566, Anm. 37. 64 Vgl. S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 381; CHR. SIMON, Kirchen, S. 54f. 65 Vgl. DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 3, S. 50f., 111ff.; S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 381. – CHR. SIMON, Kirchen, S. 54f., spricht im Kontext des 1948/49 einsetzenden Kompetenzkonfliktes zwischen Kanzlei und Kammer von einer „Zurückdrängung“ der Kammer, welche die „Wirksamkeit eigener bildungspolitischer Ansätze“ Hammelsbecks, „die auch denen des EKD-Bruderrats entsprachen, weitgehend außer Kraft“ setzte und ihm „zukünftige Initiativen […] fast vollständig“ entzog. Er versäumt jedoch darauf hinzuweisen, dass diese „Zurückdrängung“ völlig konform ging mit dem, was in der Grundordnung der EKD, Art. 22,2, über den Status der Kammern ausgesagt ist: „Zur Beratung der leitenden Organe sind für bestimmte Sachgebiete kirchliche Kammern aus sachverständigen kirchlichen Persönlichkeiten zu bilden“ (zit. nach KJ 72–75, 1945–1948, S. 100). 66 Brief Merzyns an Hammelsbeck vom 8. 4. 1949, zit. bei S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 381.

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loh besuchten gesamtdeutschen Tagung der Kammer in Neuendettelsau deutlich wurde, an der auch die Schulreferenten der Landeskirchen teilnahmen67. Hier prallten die unterschiedlichen Auffassungen über den Status der Kammer und die Schulpolitik erneut aufeinander, und Brunotte stellte sich entschieden gegen Hammelsbeck, dem er vorwarf, in seinem Beharren auf der Verantwortlichkeit der Eltern und der einzelnen Gemeindeglieder die Bedeutung der Kirchengemeinde und der Kirchenleitung für die Schulpolitik zu vernachlässigen68. Konsequent forderte Brunotte, von nun an solle die Kanzlei die Schulpolitik der EKD dirigieren und auch die Schulreferententagungen abhalten69.

5.2.2 Osterloh als Schulreferent der Kirchenkanzlei der EKD Osterlohs Grundgedanken über das Thema Kirche und Schule70 dürften bei seinem Amtsantritt den maßgeblichen Personen in EKD, Bruderrat und Landeskirchen bekannt gewesen sein. Seitdem er im Gespräch für das in der Kirchenkanzlei zu besetzende Amt war, hatte er sich in auch überregional beachteten Blättern und Zeitschriften mehrfach zum Thema geäußert, und schon die Überschriften verrieten viel: „Der christliche Anspruch auf die Schule im heutigen Staat nach den Grundsätzen der lutherischen Sozialethik“, „Gegen das staatliche Schulmonopol“, „Die Schulfrage in Deutschland als theologisches Problem“ und „Von den Voraussetzungen, Grenzen und Konflikten des Gespräches zwischen Theologen und Pädagogen“71. Hier übernahm jemand das Schulreferat, der dem Staat nicht ohne weiteres die alleinige Verfügungsgewalt über die Schule zugestehen 67 Vgl. S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 382. Jedoch war Osterloh zu diesem Zeitpunkt nicht „seitens der Kirchenkanzlei“ anwesend (so EBD.), da er erst zum 1. September seinen Dienst dort antrat. 68 Vgl. EBD. Nach Müller-Rollis Darstellung habe die „Erklärung zum Elternrecht und zur Schulfrage“, verabschiedet unmittelbar zuvor von der lutherischen Erziehungskonferenz in Bad Boll (1.–10. 6. 1949), Brunotte in seinen Befürchtungen bestätigt. Müller-Rolli bezieht sich dabei auf folgenden Passus: „Es wäre eine Illusion zu meinen, die Schule entspreche den Forderungen der christlichen Gemeinde schon dadurch, daß in ihr ‚Religionsunterricht‘ als ‚Lehrfach‘ erteilt wird. Vielmehr verlangt die Gemeinde eine Schule, an der das gesamte Schulleben sowie der Unterricht in sämtlichen Fächern unter Wahrung einer sachgerechten Pädagogik vom Evangelium bestimmt ist (Bekenntnisschule). Die Bekenntnisschule setzt voraus, daß sie von einer lebendigen Gemeinde und einer christlichen Lehrerschaft getragen wird. Wo die Voraussetzungen für die Bekenntnisschule fehlen, muß die Kirche nach anderen Schulformen suchen“ (Abdruck dieses Absatzes: EBD., S. 382f.; der kompletten Erklärung: EBD., S. 634–637). Osterloh, der in Bad Boll anwesend war (vgl. oben, Abschnitt 4.4.2.5, Anm. 295), nahm die komplette Erklärung in seinen Überblick: E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), auf (EBD., S. 379ff.), jedoch als „Kontrapunkt […] zu einer neuen Verlautbarung des Reichsbruderrats“, weil sich die Bad Boller Konferenz nach seiner Meinung „in der eigentlichen Absicht ihrer Erklärung für die Konfessionsschule ausgesprochen“ habe (EBD., S. 379). 69 Vgl. S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 383. 70 Vgl. oben S. 173–196. 71 Alle Artikel erschienen 1949.

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wollte, der „viel häufiger als sein Kontrahent Hammelsbeck von Ansprüchen und nicht von Wünschen der Kirche“ sprach72, der – wie auch der vielen als zu „lehrerfreundlich“ erscheinende Hammelsbeck73 – zwar das Gespräch mit den Lehrern suchte, sich aber auch über dessen „Grenzen und Konflikte“ bewusst war und in diesem Gespräch und auch im Gegenüber zum Staat die theologische Komponente der Thematik beachtet wissen wollte. An diese für ihn so wichtig werdende Aufgabe ging Osterloh heran wie gewohnt, denn im Grunde übertrug er seine Erfahrungen aus Oldenburg nun auf die Ebene der EKD. Schlagwortartig zusammenfassen lässt sein Programm sich durch drei Begriffe: – inhaltliche Konzentration auf ein schulpolitisches Konzept bei Variabilität gegenüber den äußeren Umständen, – Koordination der Arbeit der verschiedenen landeskirchlichen und übergreifenden Gremien bei einer Stelle, nämlich der Kirchenkanzlei, – Kooperation mit bewusst evangelischen Eltern und Lehrern, deren Sammlung initiiert bzw. gefördert wurde. 5.2.2.1 Konzentration und Koordination – die Kirchenkanzlei als Zentrale einer eigenständigen EKD-Schulpolitik Als ein wesentliches Problem auf dem Weg zu einer stärkeren Bündelung der Schulpolitik hatte sich Osterloh schon während seiner Zeit als Schulreferent der oldenburgischen Landeskirche der mangelnde Informationsfluss zwischen EKD und Gliedkirchen, aber auch zwischen den einzelnen Gliedkirchen gezeigt. Dieses Problem ging er in mehreren Schritten an. Zunächst entwickelte er die genannte umfangreiche Reisetätigkeit, um sich und das Anliegen des Schulreferats der Kirchenkanzlei in den Gliedkirchen bekannt zu machen und für eine gute Zusammenarbeit mit den jeweiligen Schulreferenten zu werben. Diese war, wie er wusste, für Erfolg oder Misserfolg seiner Arbeit mitentscheidend, denn, so schrieb Osterloh in der ersten Folge der „Arbeitshilfe ‚Staat, Schule, Kirche und Elternschaft‘“74: „Der Referent der Kirchenkanzlei kann sich nur nützlich machen, wenn konkrete Forderungen an ihn gestellt werden, wenn Kritik an seiner Arbeit ihm persönlich bekannt wird, und wenn er von allen wesentlichen 72

CHR. SIMON, Schulpolitik ohne Schulkampf, S. 100. EBD. Zum Verhältnis Osterloh – Hammelsbeck vgl. unten S. 257–261. 74 Die „Arbeitshilfe …“ (Bibliographie, Typoskripte) erschien mit dem Vermerk „nicht zu veröffentlichen, nur für den Dienstgebrauch“ erstmals am 16. 12. 1949 (Abdruck des ersten Exemplars: S. MÜLLERROLLI, Schulpolitik, S. 637–650), sie wurde während Osterlohs Amtszeit den evangelischen Landeskirchen im Bereich der Bundesrepublik Deutschland als vervielfältigtes Typoskript in loser Folge (durchgehend nummeriert) zugeschickt. Weitere Folgen z. B. in: EZA BERLIN, 2/3583; 2/3739; 2/3744; 2/3745. 73

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Vorgängen rechtzeitig Kenntnis erhält.“75 Diese „Arbeitshilfe“ war es, mit der Osterloh einen Beitrag dazu leisten wollte, das Informationsdefizit in vielen Landeskirchen76 zu beheben. Ein sicher nicht unerwünschter Nebeneffekt war, dass er zu entscheiden hatte, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt mit dieser „Arbeitshilfe“ versandt wurden, wodurch dem Schulreferenten „ein wichtiges Machtmittel“ in die Hand gegeben wurde, denn „bei der schwierigen Informationslage angesichts völlig unterschiedlicher Bedingungen in den Landeskirchen“ hing viel „vom Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Dokuments ab“77. Christian Simon übt deshalb scharfe Kritik an der „Arbeitshilfe“78. Zwar seien in ihr „das Themenspektrum der gesammelten Quellen weitgesteckt“, „nahezu alle Aspekte des Erziehungswesens von Osterloh skizziert“ und „bei den Grundsatzartikeln […] Stimmen aus allen religionspädagogischen und kirchenpolitischen Lagern vertreten“ gewesen, doch sei aufgrund der „zeitabhängige[n] Selektion und Hervorhebung der eigenen Sicht“, der Kommentare Osterlohs und „mit Hilfe von Literaturempfehlungen und Rechtsquellennachweisen […] die Sicht des Benutzers in eine bestimmte Richtung geleitet“ worden. Da mit dem Vorwurf der Subjektivität wohl jeder leben muss, der Quellen zu einer bestimmten Thematik sammelt, veröffentlicht und kommentiert, scheint es nur dann erklärlich zu sein, die Arbeitshilfe, bzw. „Quellensammlung“ (so Simon!) deshalb „tendenziös“ zu nennen, wenn man, wie Simon, Osterlohs Wirken als Schulreferent stark auf seine Auseinandersetzung mit Hammelsbeck bzw. dem Bruderrat reduziert. Als ein weiteres „Argument“ für seine Wertung zieht Simon nämlich Folgendes heran: „Zweitens war mit der Arbeitshilfe ein Instrument geschaffen, das durch sein breitgefächertes Themenangebot die Konkurrenzunternehmen der Schulkammer überflüssig machte“. Auch abgesehen von Artikel 22,2 der Grundordnung der EKD79, nach dem solche „Konkurrenzunternehmen“ wohl kaum zum Aufgabenbereich einer Kammer der EKD gehören dürften, spricht diese Wertung eher für Osterlohs Arbeitshilfe, resp. gegen die Schulkammer, die Vergleichbares offenbar nicht zustande gebracht hatte, ohne in den Monaten und Jahren zuvor daran gehindert worden zu sein80.

Daneben beeilte Osterloh sich, eine Broschüre herauszugeben, die sich in allgemeinverständlicher Form an alle für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen Verantwortlichen wandte, denen sie einen Anhalt dafür geben sollte, was „Evangelische Erziehung in Schule und Haus“81 bedeutet. Osterloh selbst ver75

„Arbeitshilfe ...“, in: S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 650. „Dabei [bei regionalen Arbeitsbesprechungen der Schulreferenten] hat sich aber in den letzten Jahren in der Lehrplangestaltung, in der Frage der Lehrbücher und der Einsichtnahme und Vokation gezeigt, daß die Fühlungnahme untereinander zu gering gewesen ist“ (EBD.). 77 CHR. SIMON, Kirchen, S. 72. 78 Zum Folgenden vgl. EBD. 79 Vgl. oben Anm. 65. 80 Vgl. auch unten S. 261. 81 EVANGELISCHE ERZIEHUNG IN SCHULE UND HAUS, hg. von E. Osterloh (1950). 76

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fasste die Beiträge „Die Freude am Tischgebet“82 und „Der Brief einer Mutter“83, die anderen Verfasser waren die Religionspädagogen Kurt Frör, Oskar Hammelsbeck und Helmuth Kittel, die Pädagogen Erich Weniger und Karl Witt und die in Kirchenleitung bzw. im kirchlichen Verbandswesen tätigen Herbert Krimm, Ernst zur Nieden, Reinhold Sautter und Elisabeth Schwarzhaupt. Das Heft wurde gerade mit Blick auf die Auswahl der Verfasser als Zeichen dafür gesehen, dass auch in der evangelischen Kirche nach 1945 „zur Frage der Erziehung und der Schule die Gemeinsamkeit gleicher Erkenntnisse und die Fähigkeit zu praktischer Aufbauarbeit gewachsen“ sei84, und „daß im Raume der evangelischen Kirche gewisse Grundanliegen in der Auffassung des Evangeliums und der evangelischen Unterweisung, des Verhältnisses von Evangelium und Erziehung, des Verhältnisses von Elternhaus, Schule und Kirche als gemeinsame Grundüberzeugung sich herausgestellt haben“85. Die Verbreitung des Heftes sollte über die Landeskirchen erfolgen, allein auf seiner ‚Vorstellungsreise‘ gelang es Osterloh, Zusagen für über 100.000 Bestellungen zu bekommen86. Schon während dieser Reise war Osterloh zu der Auffassung gekommen, dass auch die ‚professionellen‘ Erzieher entsprechende Unterstützung brauchten, und zwar durch die Abstimmung der je nach Landeskirche unterschiedlichen Lehrpläne für die christliche Unterweisung und durch die Förderung der Herausgabe einheitlicher Unter82

EBD., S. 2f. EBD., S. 16. Dieser Beitrag erschien im Heft als ein von „Grete Schulz“ an ihren Ortspfarrer gerichtetes Schreiben, in dem sie den Weg ihrer Familie zurück zum Glauben beschreibt und darlegt, warum sie im Gegensatz zu diesem Pfarrer, der auf einer Versammlung ‚neutral‘ über beide Schulmöglichkeiten gesprochen hatte, die Bekenntnisschule bevorzugt. Unter dem im Inhaltsverzeichnis angegebenen Untertitel „Wie stehen evangelische Eltern zur Gemeinschafts- und Bekenntnisschule?“ findet sich ein Osterloh zuzuordnendes Typoskript (EZA BERLIN, 2/3583). Die mit Absicht etwas naive Art und Weise, mit der in diesem Text eine nahezu idealtypische Abkehr vom Unglauben hin zu Bibel, Kirche und Bekenntnis beschrieben wird, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Osterloh hier den Schutz der Anonymität nutzte, um auch Sorgen und Ansichten in die Öffentlichkeit zu tragen, die der Schulreferent so nicht hätte formulieren können, z. B.: „Wir machen uns nichts darüber vor, daß der christliche Geist unseres Hauses unvereinbar wäre mit dem Geist einer sogenannten religiös-neutralen Schule, die in Wirklichkeit doch antichristlich wirkt“, und: „Aber trotzdem halte ich die eindeutige Entscheidung der römisch-katholischen Kirche für die Bekenntnisschule auch vom evangelischen Standpunkt aus für außerordentlich einleuchtend. Auf den Namen kommt es mir gar nicht an, aber einige von denen, die heute für eine ‚christliche Gemeinschaftsschule‘ gegen die Bekenntnisschule kämpfen, sehen mir so aus, als ob sie morgen gegen die christliche und für eine weltliche und übermorgen auch für eine antichristliche Schule kämpfen könnten“ (E. OSTERLOH, Brief ). Vgl. aus seinem Vortrag auf dem Oldenburger Pfarrkonvent vom 5. 6. 1952: „Die neutrale Schule würde in 5 Jahren die antichristliche Schule sein“ („Aus dem Referat von E. Osterloh am 5. Juni 1952“, in: AELOKR OLDENBURG, NL Schmidt, Handakten, Nr. 6). 84 Vgl. Art. „Evangelische Erziehung“, in: ChrWelt, Nr. 3, 19. 1. 1950, S. 9. 85 A. BURKERT, Rezension, S. 159. 86 Vgl. „Übersicht und Kurzbericht über die Dienstreisen von Osterloh, Ref. III, 27. 10.–17. 11. 1949“ bzw. „Nachtrag und Abschluß zur Übersicht ...“ vom 25. 11. 1949 (beides in: EZA BERLIN, 2/3583). Zur Zahl der Vorbestellungen trug sicher der niedrige Preis von 0,30 DM (ab 1.000 Expl. 0,20 DM) bei. 83

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richtshilfen87. Mit der fünften Ergänzung zur „Arbeitshilfe“ versandte Osterloh ein „Memorandum über Grundsätze für die Bearbeitung von Evangelischen Religionsbüchern“, verfasst von Professor Karl Witt, in dem dargelegt wurde, wie Religionsbücher beschaffen sein müssten, um dem Konzept der christlichen Unterweisung dienlich zu sein88. Daneben versuchte Osterloh auch, dem Mangel an geeignetem Unterrichtsmaterial konkret zu begegnen. Er ließ Materialien verschicken89, empfahl auch an anderer Stelle entsprechende Literatur90, stellte mit dem Handwörterbuch in seinen Augen solche bereit91 und sorgte sich um den Bestand der einschlägigen Zeitschriften92. Wichtigstes Mittel, zu einer gewissen Vereinheitlichung oder wenigstens Abstimmung der Schulpolitik der Landeskirchen untereinander zu kommen, waren 87

Vgl. „Übersicht und Kurzbericht ...“ (vgl. vorhergehende Anm.). [E. OSTERLOH], Arbeitshilfe (Typoskripte), S. 35ff. (in: EZA BERLIN, 2/3745). Nach diesem Memorandum sollte ein neues Religionsbuch kein „Lern- und Nachlesebuch“ mehr sein, sondern ein „Arbeitsbuch“, ein „Hilfsbuch zum verständigen Bibellesen“. Es sollte die „bisher übliche moralisierende und historisierende Tendenz christlicher Botschaft voll überwinden“: „Das ‚Ärgernis‘ der Bibel und die Härte des realistischen Menschenbildes biblischer Verkündigung“ dürften „weder aus idealistischem Denken, noch aus falscher pädagogischer Rücksichtnahme auf das Kind verharmlost werden“. Trotz der folgenden genaueren Anweisungen zur inhaltlichen Gestaltung ist fraglich, ob Religionsbücher gleich welcher Art in der Lage sind zu leisten, was Witt verlangte: „Das neue Religionsbuch muss mithelfen, dass Bibel und Gesangbuch wieder zu wahren Volks- und Hausbüchern werden[,] und damit der weit vorgeschrittenen Säkularisierung geistigen Lebens entgegenwirken.“ Inhaltliche Richtlinien für neue Religionsbücher blieben ein Thema der Schulreferententagungen bis 1953. 89 Diese stießen naturgemäß nicht überall auf Gegenliebe. Reaktionen wie die Bischof Halfmanns auf von einem Arbeitskreis um Marianne Timm zusammengestellte Materialien, die von der Kanzlei verschickt worden waren, blieben aber die Ausnahme: „Auffällig ist die hohe Beteiligung von Frauen an der Zusammenstellung […]. Das 3. Heft (Christliche Literatur) erregt unser Bedenken. Es überwiegt die katholische Literatur, […]. Das russische Element ist stark vertreten, noch stärker die jüdischen Autoren […]. Wie können unter ‚Christlicher Literatur‘ die angeführten ‚Zukunftsromane‘ erscheinen, wie die Juden?“ (Brief Halfmanns an Osterloh vom 9. 5. 1952, in: EZA BERLIN, 2/3840). Osterloh versuchte, Marianne Timms Empörung zu beschwichtigen, indem er darauf hinwies: „Ich glaube nicht, daß bei Bischof Halfmann ein antisemitisches Ressentiment vorliegt“ (Brief an Marianne Timm vom 12. 6. 1952 [EBD.]). 90 Vgl. E. OSTERLOH, Rezension zu: Magdalene von Tiling (Typoskripte); DERS., Rezension zu: Kurt Frör (1949); DERS., Rezension zu: Schule und Leben (1950); DERS., Rezension zu: Heinrich Schmidt (1951). 91 „Dieses Wörterbuch wendet sich ja besonders an die Volksschullehrer“ (Brief Osterlohs an Schulrat Dr. Meyer, Westerstede, vom 8. 8. 1950, in: EZA BERLIN, 2/3839). 92 Seine Bemühungen um eine Zusammenlegung der Zeitschriften „Der Evangelische Erzieher“ (hg. von Oskar Hammelsbeck) und „Schule und Leben“ (hg. von Kurt Frör) scheiterten jedoch am Widerstand vor allem Hammelsbecks (vgl. auch unten S. 260). Dass sich dieses Vorhaben nicht in erster Linie gegen Hammelsbeck richtete, zeigte knapp zwei Jahre später sein Bemühen, den Informationsdienst „Evangelische Elternschaft“ (herausgegeben vom epd und von der Kanzlei unterstützt) der „Evangelischen Welt“ einzugliedern, das aber aufgrund von Widerständen aus Württemberg und Baden ebenso erfolglos blieb (vgl. Brief Osterlohs an Hammelsbeck vom 10. 5. 1951, in: EZA BERLIN, 2/3839). Osterloh hatte wohl einfach früher als viele erkannt, dass die Mehrheit der einschlägigen Zeitschriften nicht überlebensfähig bleiben würde. 88

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zweifellos die Schulreferententagungen, zu der nun die Kanzlei jährlich einlud. Während der ersten Monate in der Kanzlei hatte Osterloh bei den Vorstellungsterminen in den Landeskirchenämtern Westdeutschlands einen Eindruck davon bekommen, wie verschieden die Bedingungen waren, unter denen die Schulreferenten zu arbeiten hatten: „Aus ganz weitem Abstand besteht der stärkste Eindruck in der Wahrnehmung des großen faktischen Unterschiedes zwischen dem Süden und dem Norden unseres Vaterlandes. Die Durchdringung des Lebens vom Evangelium her ist im Süden einfach tatsächlich unvergleichbar intensiver als im Norden. Die Dinge befruchten sich dann wechselseitig. Die Kirchen sind stärker für die Schulen da und umgekehrt. Ich kann auch nicht sagen, daß die kirchlichen Instanzen im Süden auf ihrem Besitz schlafen, oder ihren Besitz auch nur als Sicherheit empfinden. Meinem Empfinden nach müssen wir viel von ihnen lernen. Im Norden habe ich den Eindruck, daß wirklich neue Wege im Rheinland mit den Schulgottesdiensten (ausnahmslos in jeder Schule, in jeder Woche ein Gottesdienst, an dessen liturgischer Gestaltung energisch gearbeitet wird), in Westfalen mit den geordneten und lebendigen Arbeitsgemeinschaften zwischen Lehrern und Pfarrern und in Schleswig-Holstein mit der entschlossenen Hinwendung der theologischen Ausbildung zur Pädagogik hin gegangen werden.“93

Die erste dieser Tagungen unter der Regie Osterlohs fand statt vom 13. bis 16. Februar 1950 in Fulda, und schon im Vorhinein wurde ihre Bedeutung unterstrichen durch den Hinweis darauf, dass es die „erste Tagung dieser Art“ sei, nämlich die erste nur von den Schulreferenten der westdeutschen Landeskirchen besuchte94. Angesichts der völlig unterschiedlichen Situation in der DDR konnte eine sinnvolle Koordination und inhaltliche Konzentration der Schulpolitik nur noch getrennt nach West und Ost erfolgen. Das Festhalten an ausschließlich gesamtdeutschen Schulreferententagungen hätte zwar nach außen den Eindruck vermieden, sich der Teilung faktisch doch zu beugen, dies aber nur um den Preis der Arbeitsfähigkeit dieses Gremiums, zumindest was konkrete Fragestellungen anging. Nicht umsonst gab es 1950 „in der Öffentlichkeit wie auch innerhalb evangelischer Kreise vielfach eine gewisse Unsicherheit“ über die „Stellungnahme der EKD“ zu den „schwebende[n] Fragen der Schulgestaltung“95. Diese Unsicherheit vor allem wollte Osterloh mit Hilfe eines besonderen Kunstgriffes beseitigen. Da ein klärendes und abschließendes Votum seitens des Rates oder der Synode nicht vorlag und im Blick auf die schwelenden Konflikte auch nicht zu erwarten war, ließ Osterloh auf der Tagung den Text eines Interviews kursieren, das in der „Evangelischen Welt“ erscheinen sollte. In diesem ‚Interview‘, dessen Fragen und 93

Brief Osterlohs an Helmuth Kittel, 9. 12. 1949 (EZA BERLIN, 2/3583). Vgl. EvW 4, 1950, S. 88f. 95 E. OSTERLOH, Wort zur Schulfrage (1950), S. 129. 94

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Antworten auf Osterloh zurückgingen, skizzierte er die Position der evangelischen Kirche zu den seiner Meinung nach zentralen Problemen im Verhältnis von Kirche und Schule und legte somit ein „klärendes Wort zur Schulfrage“96 vor: Zum Wesen der evangelischen Unterweisung im Vergleich mit dem herkömmlichen Religionsunterricht bemerkte Osterloh: „Nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche erfüllt der Religionsunterricht in der Schule an seinem Teil den der Kirche von ihrem Herrn gewordenen Auftrag, das Evangelium zu verkünden und zu lehren. Diese evangelische Unterweisung ist darum keine bloße Religionskunde und auch nicht bloße Wissensvermittlung; sie ist Zeugnis von dem lebendigen Herrn, der seine Gemeinde erhält und regiert.“ Für die „Regelung der äußeren Beziehungen zwischen Kirche und Religionsunterricht“ ergaben sich danach folgende Grundsätze: „a) Wie die Theologie-Professoren an den Universitäten, werden auch die Religionsprofessoren an den Pädagogischen Hochschulen nicht ohne Beteiligung der zuständigen Kirchenleitungen berufen. b) Die Kirche gibt den Religionslehrern aller Schulen die Bevollmächtigung zur Erteilung der evangelischen Unterweisung. c) Die Kirche beauftragt Schulmänner und Theologen mit einem brüderlichen Besuchsdienst, durch den die Kirche den Lehrern, Pfarrern und Katecheten helfen will, ihre Aufgaben an den Kindern in lebendiger Beziehung zur Gemeinde zu erfüllen und die evangelische Unterweisung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kirche zu erteilen.“ Darüber hinaus, so Osterloh weiter, beschränke sich das Interesse der Kirche nicht auf die evangelische Unterweisung, die nicht isoliert zu betrachten sei: „Der christliche Glaube beansprucht den ganzen Menschen. Dies bedeutet, daß die Schulgemeinschaft in christlicher Lebensordnung steht (Gebet, Feier usw.) und daß evangelische Kinder, wo es irgend möglich ist, von evangelischen Lehrern unterrichtet und erzogen werden.“ Abschließend wandte Osterloh sich dem besonders strittigen Komplex ‚christliche Gemeinschaftsschule/Bekenntnisschule‘ zu: Beide Formen seien da anzuerkennen, wo sie „im geschichtlichen Herkommen begründet“ seien oder „die besondere Lage sie notwendig“ mache, allein die Bekenntnisschule jedoch auch dort, wo „sonst die Voraussetzungen für sie“ vorlägen. Der christliche Charakter der Gemeinschaftsschule müsse „durch klare Bestimmungen über ihre Wesensart, ihre Lehrkräfte, Lehrpläne usw. festgelegt werden“, und bei allen Entscheidungen über die Schulform müsse der Elternwille berücksichtigt werden.

Kurz und knapp war damit die Schulpolitik, die Osterloh bereits in Oldenburg vertreten hatte, zur quasi offiziellen Linie der EKD gemacht, denn diesen Text ließ er sich von den Teilnehmern der Schulreferententagung ‚absegnen‘: „Der Wortlaut dieses Interviews ist einstimmig beschlossen worden, soll aber 96

E. OSTERLOH, Wort zur Schulfrage (1950). Osterloh selbst meinte, dass in der Zustimmung der Schulreferenten zu diesem Text die „Bemühungen um eine einheitliche Zielsetzung der landeskirchlichen Schulpolitik […] einen gewissen Abschluß“ fanden (DERS., Schule und Kirche [1951], S. 404), und auch rückblickend wurde dieses Interview noch als eine Wegmarke in der kirchlichen Schulpolitik betrachtet (vgl. EvW 12, 1958, S. 263). Deshalb sei es an dieser Stelle ausführlicher zitiert.

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erst nach Stellungnahme von Herrn Professor Dr. Hammelsbeck und in Kenntnis von Präsident Brunotte übergeben werden.“97 Hammelsbeck drohte zwar „gegenüber einer bestimmten Formulierung mit seinem Rücktritt vom Vorsitz der Kammer“98, gab aber nach kurzem Bedenken doch sein Einverständnis zur Veröffentlichung des Interviews, da diese „ja nicht mit seinem Namen gedeckt werde“99. Er konnte sich wohl auch sonst wenig an der von Osterloh festgestellten „Tatsache einer weitgehenden Einmütigkeit der evangelischen Kirche auf dem Gebiete der Schulpolitik“ erfreuen, denn diese Einmütigkeit war nur eine der Schulreferenten der Landeskirchen und sie ging eindeutig zu Lasten der in der bruderrätlichen Tradition stehenden, nicht landeskirchlich verankerten Kammer, deren Unterordnung nicht nur unter den Rat der EKD, sondern auch unter die Kanzlei und die Tagung der Schulreferenten in einer „vertrauensvollen Aussprache“ bekräftigt wurde: „In einer vertrauensvollen Aussprache mit Herrn Prof. Dr. Hammelsbeck wurde festgestellt, dass die Schulreferenten die Ansicht vertreten, auf ihren normalerweise jährlich einmal stattfindenden Tagungen sollten die jeweils aktuellen Probleme der kirchlichen Arbeit auf dem Gebiete der Schule und der Erziehung erörtert und zu einer für die Arbeit der Landeskirchen brauchbaren Klärung gebracht werden. Die schulpolitische Korrespondenz, soweit sie gesamtkirchliche Anliegen angeht, soll vom Schulreferenten der Kirchenkanzlei geführt werden. Die Aufgabe der Kammer für Schul- und Erziehungsfragen sah man darin, den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gutachtlich in grundsätzlichen Problemen zu beraten und in eigener Initiative intern kritisch zu Massnahmen und Verlautbarungen von Kirchenleitungen Stellung zu nehmen. Es wurde jedoch nicht als die Aufgabe der Kammer gesehen, die schulpolitischen Erörterungen in der Tagespresse unmittelbar zu beeinflussen. So sehr im Blick auf die Erarbeitung grundsätzlicher Erkenntnisse die Selbständigkeit der Arbeit der Kammer anerkannt wurde, so eindeutig wurde die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Kammer in der Öffentlichkeit keine eigene Schulpolitik zu treiben habe, sondern ihre Äusserungen als interne Beratung der für die Kirchenleitung verantwortlichen Gremien gestalten müsse. Es wurde angeregt, die Schulreferenten von den Tagungen der Kammer für Schul- und Erziehungsfragen in Kenntnis zu setzen, ihnen aber eine Teilnahme daran freizustellen.“100 97

Dienstreisebericht Osterlohs vom 17. 2. 1950, in: EZA BERLIN, 2/3744. EBD. – Leider ließ sich aus den Akten nicht ermitteln, welche Formulierung hier gemeint war. In einem Telegramm vom 18. 2. 1950, also einen Tag nach der Niederschrift des Dienstreiseberichts durch Osterloh, empfahl Hammelsbeck den Satz, die unter dem Evangelium mögliche Erziehung entspreche dem Ganzheitsgedanken der modernen Pädagogik (ursprünglich in Antwort 3), auszulassen, worauf Osterloh einging, während Hammelsbecks Bedenken dagegen, das geschichtliche Herkommen zur Begründung der Bekenntnisschule anzuführen, von Osterloh nicht beachtet wurde (EZA BERLIN, 2/3839). 99 [E. OSTERLOH], Arbeitshilfe (Typoskripte). Zweite Ergänzung, Februar 1950, S. 25 (EZA BERLIN, 2/3744). 100 EBD., S. 26f. 98

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Deutlicher konnte eine Degradierung der Kammer wohl nicht ausgesprochen werden, wobei gegenüber vorschnellen Urteilen abermals daran zu erinnern ist, dass auch hier die der Kammer zugewiesene Rolle diejenige ist, welche ihr von der Grundordnung der EKD her zukommt. Die landeskirchlichen Referenten wurden hier geschickt in eine Interessengemeinschaft mit der Kirchenkanzlei hineingelotst: Indem beschlossen wurde, ihre Arbeitstagung durch einen jährlichen Rhythmus zu ‚institutionalisieren‘ und daneben in den Landeskirchen angesiedelte „Vororte“ für die zügige Bearbeitung von Spezialaufgaben einzurichten101, wurde die Zuständigkeit der Landeskirchen – zumindest in ihrer Gesamtheit – hervorgehoben, dabei aber der Kirchenkanzlei ebenfalls eine zentrale Rolle zugesprochen: „Sobald sich für den ‚Vorort‘ verwaltungstechnische Arbeiten ergeben, soll die Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland eingeschaltet werden, die in jedem Fall als Mittelstelle für den Verkehr mit den Landeskirchen beachtet werden soll.“102 Bedenkt man, dass die Kanzlei in Person von Osterloh auch die Tagungen der Schulreferenten koordinierte und schon durch die „Arbeitshilfe“ eine zentrale Rolle in der Informationsvermittlung innehatte, liegt es auf der Hand, dass bei einer solchen Konstruktion die Landeskirchen in ihrer Gesamtheit zwar nominell das Sagen über die Schulpolitik hatten, eigentlich aber das Schulreferat der Kirchenkanzlei die zentrale Stelle war, an der vorbei in der EKD als Ganzer keine Schulpolitik mehr gemacht werden konnte. Die weiteren Beratungen der Fuldaer Tagung103 dienten u. a. der Koordination der landeskirchlichen Initiativen zum damals sehr strittigen Thema Religionsunterricht an Berufsschulen. In Anbetracht des bestehenden Durcheinanders bei Lehrplänen für die christliche Unterweisung sprach man über die Notwendigkeit einer Gliederung und Planung der gesamten katechetischen Arbeit der Kirche und wandte sich mit einem „Wort zur Verantwortung“ an die evangelische Elternschaft. Größere Resonanz erzielte zunächst vor allem das schnell veröffentlichte abgestimmte Interview104, dessen Aussagen keine ungeteilte Zustimmung erhiel101 „Beschluss über die Verteilung von Spezialaufgaben an ‚Vororte‘“ (EBD., S. 27). Vorgesehen war folgende Verteilung: Schule und Film: Oberkirchenrat in Wiesbaden; Schule und Funk: Landeskirchenamt Hamburg und Kirchenausschuss Bremen; Schule und Presse: Landeskirchenamt Bielefeld und Landeskirchenrat München; Schule und Parteien: Kirchenleitung in Düsseldorf; Schule und Verwaltungsrecht: Landeskirchenamt Hannover und Landeskirchenamt Hamburg; Theologie und Pädagogik: Kammer für Schule und Erziehung. 102 EBD. 103 Vgl. EBD., S. 21–29. Vgl. auch EvW 4, 1950, S. 165f. EBD., S. 166f., erfolgte auch der Abdruck des „Wortes zur Verantwortung der evangelischen Eltern“ (vgl. dazu auch unten S. 246f.). 104 Die Veröffentlichung in „Evangelische Welt“ erfolgte bereits am 1. 3. 1950, zwei Wochen vor dem Bericht über die Tagung.

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ten105. Auch Osterloh selbst maß diesem Interview, daneben noch der Kompetenzklärung bezüglich der Schulkammer, die größte Bedeutung zu106. In der Folgezeit versuchte Osterloh, den einmal formulierten Grundsätzen über ihre bloße Verlautbarung hinaus Geltung zu verschaffen, indem er sie bei zahlreichen Vorträgen und Diskussionen vor Laien und Fachpublikum begründete107, nicht ohne auch dabei auf entschiedenen Widerspruch vor allem im linken Spektrum zu treffen108. Aus dem politischen Raum sah er sich unterstützt durch die Bestimmungen der Schulartikel in der Verfassung Nordrhein-Westfalens. Im einwohnerreichsten Bundesland waren das Elternrecht verankert, die Bekenntnisschule gleichberechtigt neben die christliche Gemeinschafts- und die Weltanschauungsschule gestellt und das Recht der Bevollmächtigung der Religionslehrer durch die Kirchen ebenso festgeschrieben worden wie das der Einsichtnahme in den Unterricht109, so dass Osterloh feststellen konnte: „Die für Nordrhein-Westfalen in der Verfassung getroffene verfassungsrechtliche Regelung entspricht in ihren Grundzügen der Ausrichtung der gesamten kirchlichen Schularbeit im Bereich der Bundesrepublik.“110 Diese Verfassung, vom Landtag bereits Anfang 1950 verabschiedet, 105 Zu einer scharfen Kontroverse führte die Kritik der „Allgemeinen Deutschen Lehrerzeitung“ in ihrer Ausgabe vom 15. 4. 1950, in dem die schon aus Oldenburg vertraute Kritik in dem Satz gipfelte: „Es herrscht allenthalben die Tendenz, den Lehrer in seiner amtlichen Stellung von kirchlichen Behörden abhängig zu machen und ihn mehr als Kirchen-, denn als Staatsbeamten anzusehen“ (EBD., S. 111f.). Weitere Stellungnahmen zu dieser Kontroverse in: EZA BERLIN, 2/3584. Andere Stellungnahmen zum Interview: EvW 4, 1950, S. 214f. 106 In seinem Dienstreisebericht vom 17. 2. 1950 (EZA BERLIN, 2/3744) ging Osterloh lediglich auf diese beiden Ergebnisse der inhaltlichen Arbeit der Tagung näher ein. 107 Die Teilnahme Osterlohs an zahlreichen Lehrertagungen bzw. schulpolitischen Veranstaltungen einzelner Landeskirchen ist belegt in: EZA BERLIN, 2/3583; 2/3584; 2/3585. Eine Liste von im Jahre 1950 gehaltenen Vorträgen Osterlohs findet sich in: EZA BERLIN, 3/3744. 108 Unter anderem anlässlich eines Vortrages, den Osterloh am 24. 6. 1950 in der Pädagogischen Akademie Lüdenscheid hielt (vgl. ausführlich die Artt.: „Theologie und Pädagogik im Gespräch“ bzw. „Freiheit und Pflicht des Religionslehrers“, in: Lüdenscheider Zeitung, 4. u. 5. 7. 1950). Hier kritisierte z. B. die SPD-nahe „Rundschau für Lüdenscheid und das Volmetal“ Osterlohs Äußerungen (Art. „Zwangsjacke für die Freiheit der ‚Christenmenschen‘“, in: EBD., 27. 6. 1950). Hintergrund war die scharf ausgetragene Kontroverse um die Schulartikel in der Verfassung Nordrhein-Westfalens. Osterloh hatte im Anschluss an seinen Vortrag die dem Entwurf aufgrund der Schulartikel zustimmenden Kanzelabkündigungen der Kirchenleitungen Westfalens und des Rheinlands unterstützt. Einzelne Aussagen Osterlohs versuchte die Lüdenscheider Rundschau nun aber so darzustellen, als habe er sich selbst widersprochen, weil er in seinem Vortrag von der Freiheit der Christenmenschen gesprochen habe, die nun dem Zwang der Verfassungsbestimmungen unterworfen sei. Osterloh wies diese Behauptungen, die auch vom genannten parallelen Bericht in der „Lüdenscheider Zeitung“ nicht gedeckt werden, in der Zuschrift: E. OSTERLOH, Zwangsjacke (1950), zurück. Diese wurde in derselben Ausgabe der Zeitung vornehmlich negativ kommentiert: „Was meint die ‚Rundschau‘ dazu?“ (Rundschau für Lüdenscheid und das Volmetal, 4. 7. 1950). Vgl. zur Diskussion im Anschluss an den Vortrag auch den Art. „Mißverständnisse in der Aussprache“ (Lüdenscheider Zeitung, 5. 7. 1950). 109 Abdruck der entsprechenden Verfassungsartikel: E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 399ff. 110 EBD., S. 403.

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wurde am 18. Juni 1950 per Volksentscheid mit ca. 60% der Stimmen eindeutig bestätigt, obwohl die Parteien, die ihren Wählern eine Ablehnung empfohlen hatten (SPD, FDP, KPD), bei den am gleichen Tage abgehaltenen Landtagswahlen 49,9% der Stimmen auf sich vereinigen konnten111. Für Osterloh ein klarer Beleg für die Richtigkeit seiner Überzeugung, dass die Kirche ihre Ansprüche nicht vorschnell hinter scheinbar plausiblen, weil zeitgemäßen Vorstellungen der Parteien und der Lehrervertretungen zurückstellen dürfe: „Dieser Vorgang hat bewiesen, daß große Teile der Bevölkerung kultur-politisch entschieden konservativer empfinden und denken, als ihre parteipolitischen Vertreter das voraussetzen und gewöhnlich berücksichtigen.“112 So ermutigt wandte sich Osterloh seit 1951 folgerichtig gegen den „Vorschlag zur Neuordnung des Verhältnisses von Schule und Kirche in einem zukünftigen Niedersächsischen Schulgesetz“, den sog. Mosolf- oder Hannoverplan. Dieser sah für Niedersachsen anstelle der disparaten Schultraditionen eine allgemeine deutsche Volksschule als Regelschule vor. Verschiedene religiöse und weltanschauliche Prinzipien sollten gleichberechtigt in ihr aufgenommen werden, zugleich war die Möglichkeit einer Einrichtung von Bekenntnisschulen innerhalb des allgemein einheitlichen Volksschulwesens vorgesehen. Religionsunterricht sollte überall als ordentliches Lehrfach erteilt werden113. Dem „zunächst privaten“ Verfasserkreis von Lehrer- und Kirchenvertretern gehörten 15 Personen an, unter anderem die Pädagogen Bohnenkamp und Kittel. Den Vorsitz führte die Oberregierungsrätin Anna Mosolf, Kirchenvertreter waren unter anderem Oberlandeskirchenrat Friedrich Bartels, damals Schulreferent in Hannover, und zwei Angehörige der Kirchenkanzlei: Brunotte und Osterloh. Nach eigener Auskunft ist Osterloh jedoch nach der ersten Tagung vom 11. September 1950 im Gewerkschaftshaus Hannover nicht mehr zu den Sitzungen erschienen, auch wenn er weiter als Teilnehmer geführt wurde114, und er gab als Grund dafür nicht nur Terminprobleme an: „Ich habe persönlich nur an der ersten Sitzung teilgenommen, weil ich nachher zeitlich verhindert war und gegen Ende auch, weil ich die mir schriftlich übersandten Formulierungen mehr als problematisch fand.“115 Besonders nahmen ihn die seines Erachtens vorzeitige Aufgabe des Vorrangs der Bekenntnisschule und der weitgehende Verzicht auf die kirchliche Bevoll111 Aufgrund des Wahlrechtes, nach dem die 215 Sitze (inkl. Überhangmandate) im Parlament zum größten Teil aus den Wahlkreisen beschickt wurden (nur 65 über die Landeslisten), erhielten CDU und Zentrum trotz ihres Wähleranteiles von nur 44,4% eine absolute Mehrheit der Mandate von 109 Sitzen (vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 834f.; vgl. zum Ganzen auch W. FÖRST, Kleine Geschichte, S. 82ff.). 112 E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 402. 113 Abdruck: INLL 1, 1952, S. 25ff. Vgl. ausführlich: CHR. SIMON, Kirchen, S. 257–274. 114 Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 257. 115 Brief Osterlohs an Hermann Ehlers vom 28. 5. 1951 (EZA BERLIN, 2/3585).

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mächtigung der Religionslehrer, die mehr oder weniger in einem mit der ersten Staatsprüfung zu vollziehenden Automatismus aufgehen sollte, gegen den Mosolf-Plan ein. Er verglich die Ergebnisse mit den auf die Initiative Hammelsbecks zurückgehenden Rengsdorfer Thesen, einem aus Gesprächen von Lehrern und Kirchenvertretern im Rheinland hervorgegangenen Konsenspapier116, und sprach daraufhin dem auf kirchlicher Seite federführenden Friedrich Bartels in einem Brief vom 22. Februar 1951 die Empfehlung aus, „daß die kirchlichen Teilnehmer dieser Verhandlung nochmals sorgfältig überprüfen sollten, ob das Ergebnis gegenüber den sogenannten Rengsdorfer Thesen sachlich ausreichend ist“117. Osterloh kritisierte die Auswirkungen auf die Gesamtlage im Bereich Kirche und Schule, auch wenn ihm die Intention des Planes im Blick auf die Hannoveraner Notwendigkeiten118 durchaus verständlich war: „Mir persönlich liegt sehr daran, daß hier ein Zeichen des Vertrauens aufgerichtet wird; andererseits wissen Sie ja, wie leicht andere Landeskirchen und auch man selbst das Gefühl hat, daß irgendeine kirchliche Gruppe oder eine ganze Kirche bei ihren Entscheidungen die Gesamtlage nicht genügend berücksichtigt.“119 Dies war es, was Kritiker in vielen Landeskirchen dem Mosolf-Plan bzw. den an ihm beteiligten Kirchenvertretern vorwarfen: Sie hätten durch ihr Vorpreschen die gerade erst einheitlich zu werden beginnende Schulpolitik der evangelischen Kirche entscheidend geschwächt120. Denn auch wenn weder Lilje noch Brunotte den Plan bei seiner Veröffentlichung unterschrieben – letzterer, obwohl er ihn für Niedersachsen ausdrücklich bejahte –, um ihm keinen kirchenamtlichen Anstrich zu geben121; auch wenn Bartels selbst versicherte, es handele sich um eine private Meinungsäußerung, die keine kirchliche Entscheidung vorwegnähme, sondern nur Diskussionsgrundlage sein könne122; und selbst wenn man berücksichtigt, dass es gerade in Niedersachsen erheblichen Widerstand gegen das Mosolf-Papier gab123: trotzdem war doch klar, dass das von hochrangigen 116

Vgl. dazu unten S. 255f. Zit. bei CHR. SIMON, Kirchen, S. 262, Anm. 3. Zur Kritik Osterlohs vgl. E. OSTERLOH, Schulgesetzgebung (1952); sowie Bartels’ Antwort: F. BARTELS, Evangelische Unterweisung. 118 Das besondere Interesse Osterlohs an den Verhältnissen in Niedersachsen, das kaum verwundern kann, zeigte sich u. a. in: E. OSTERLOH, Schule und Kirche im norddeutschen Raum (1953), bes. S. 10f. 119 Zit. bei CHR. SIMON, Kirchen, S. 262, Anm. 3. 120 Vgl. EBD., 263ff. 121 Vgl. Brief Osterlohs an Hermann Ehlers vom 28. 5. 1951 (EZA BERLIN, 2/3585) 122 Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 269. 123 Widerstand kam innerhalb der hannoverschen Landeskirche vor allem aus dem Raum Hildesheim, in dem unter der Federführung von Landessuperintendent Detering am 19. 4. 1952 „Zwölf Thesen zur Schulfrage“, der sog. Hildesheimer Vorschlag, publiziert wurden. Hierin wandte man sich gegen den Mosolf-Plan, setzte ganz auf eine evangelisch-lutherische Bekenntnisschule und lehnte sich im übrigen stark an die Rengsdorfer Thesen an (vgl. EBD., S. 272f.; Abdruck der Thesen: INLL 1, 1952, S. 224ff.). 117

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Kirchenvertretern mit ausgehandelte Papier auch ohne eine solche Legitimation als ein Präzedenzfall die schulpolitische Entwicklung entscheidend beeinflussen würde, zumindest im norddeutschen Raum124. Auf der Schulreferententagung vom 11. bis 13. Februar 1952 in Berlin-Spandau, an der im Unterschied zu den beiden vorangegangenen125 auch die landeskirchlichen Referenten aus den ostdeutschen Landeskirchen wieder teilnahmen, versuchte Osterloh, einen Ausgleich herzustellen, indem er Bartels bat, ein Referat zur schulpolitischen Lage in Niedersachsen zu halten, an das sich ein von Osterloh bereits konkret beschriebenes, die Gegensätze überbrückendes Votum anschließen sollte: „Meinem Urteil nach müßte ein solches Votum zum Ausdruck bringen, daß die Konferenz nach wie vor die Grundlinie bejaht, die in dem Fulda-Interview […] und den Rengsdorfer Thesen […] dargelegt wird. Es müßte dann abschließend gesagt werden, daß die Konferenz unter dieser Voraussetzung und in diesem allgemeinen Rahmen den Vorschlag für Niedersachsen als diskutabel ansieht für die in Niedersachsen bestehenden geschichtlich und geographisch bedingten besonderen Verhältnisse […].“126

Letztere bevorzugte man auch in Oldenburg als Grundlage der eigenen schulpolitischen Aktivitäten (vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 271). 124 Trotz des großen Widerstands ließ sich Bartels nicht davon abbringen, im Mosolf-Plan die geeignete Grundlage für künftige Schulgesetzverhandlungen zu sehen (vgl. F. BARTELS, Wir brauchen eine freie Schule!; DERS., Schulgesetz; vgl. auch CHR. SIMON, Kirchen, S. 271, 273). In den weiteren Verhandlungen bis zum Schulverwaltungsgesetz von 1954 erwies sich die flexible Haltung der evangelischen Kirche als eindeutig erfolgreicher als die Fixierung der katholischen Kirche auf den Erhalt der Bekenntnisschule. Beleg ist der Abschluss des Loccumer Vertrages schon 1955, während bis zum Abschluss des Niedersächsischen Konkordats noch zehn Jahre vergehen sollten. Vgl. zum Ganzen CHR. SIMON, Kirchen, S. 274–379; DERS., Schule und Schulpolitik, bes. S. 96–106; DERS., Fundament. 125 Die Schulreferententagung vom 7.–10. 2. 1951 in Treysa hatte sich vornehmlich mit allgemeinen Aspekten der Zusammenarbeit von Pädagogen und Theologen und der begonnenen Sammlung der evangelischen Lehrer und Erzieher befasst (vgl. EZA BERLIN, 2/3745; AELOKR OLDENBURG, NL Schmidt, Handakten, Nr. 19). 126 Brief Osterlohs an Bartels vom 1. 2. 1952, in: EZA BERLIN, 2/3746. Dass in dieser Frage die Neigung zum Kompromiss bei Osterloh durchaus nicht nur taktischer Natur war, zeigt ein Vortrag, den er am 5. 6. 1952 auf dem Oldenburger Pfarrkonvent hielt und in dem er die Zuhörer davor warnte, sich „zu sehr auf das oldenburgische Kulturreservat zu verlassen“. Eine „reine Konfessionsschule“ bezeichnete er dort als „in Niedersachsen nicht denkbar“, sondern lediglich eine unterschiedliche Gestaltung der Schule in den verschiedenen Landesteilen. Er vertrat nach wie vor eine kritische Haltung zum Mosolf-Plan, den er besonders im Blick auf die Beteiligung der Lehrerschaft, die Berücksichtigung der bisherigen Situation und die Erteilung der Christlichen Unterweisung „entscheidend zu ändern“ wünschte, warnte aber zugleich vor übertriebenen kirchlichen Erwartungen: „Osterloh warnt davor, auf dem Verordnungsweg die Christlichkeit der Schule auch dort sicherzustellen, wo sie lebensmässig nicht vorhanden sei, und hält eine Konfessionsschule nur dort für möglich, wo eine grosse lebendige Gemeinde ist und die Lehrer als Glieder ihrer Gemeinde in ihrer Schule stehen“ (Bericht über den Pfarrkonvent …, in: AELOKR OLDENBURG, NL Schmidt, Handakten, Nr. 38).

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Auf der anderen Seite versuchte er erfolgreich, den rheinischen Oberkirchenrat Edgar Boué, einen scharfen Kritiker des Mosolf-Planes und Verteidiger der Rengsdorfer Thesen zur Schulfrage, zu beschwichtigen. Er hielt ihn davon ab, seine Teilnahme an der Tagung nun abzusagen, und konnte ihn veranlassen, selbst den rheinischen Weg und die Rengsdorfer Thesen ausführlicher vorzustellen127. Osterlohs akribische Vorbereitung der Tagung und der erwünschten Entschließungen erfüllte auch diesmal ihren Zweck: Die Tagung, auf der nach seiner eigenen Meinung nicht weniger als „die gesamte schulpolitische Ausrichtung der EKD“ nochmals zur Debatte stand128, erbrachte laut epd „eine völlige Einmütigkeit in allen grundsätzlichen Erziehungsfragen“. Und: „Die Schulreferenten aller Landeskirchen stimmten ausnahmslos der Beibehaltung der bisherigen Orientierung der EKD in der Erziehungsarbeit auch für die Zukunft zu.“129 Osterloh aber wusste wohl selbst, dass diese Einmütigkeit kaum Bestand haben würde, wenn es in den Ländern wieder um konkrete Entscheidungen ginge. Er fühlte schon länger einen gewissen Stillstand in den Verhandlungen mit Pädagogen130 und hatte angesichts der allgemeinen schulpolitischen Lage kaum Illusionen darüber, wie groß die prinzipielle Bereitschaft der in Staat und Lehrerschaft Handelnden war bzw. bleiben würde, die kirchlichen Anliegen voll zu berücksichtigen. Pessimistisch im Blick auf die Möglichkeit, hier auf Einsicht und gegenseitiges Verständnis zu setzen, äußerte er sich im März 1952, und es ist vielleicht kein Zufall, dass er zu diesem Zeitpunkt begann, sich Gedanken über einen Wechsel in die Bonner Ministerialbürokratie zu machen131: „In meinen Gedanken […] ist die Frage der Beziehung zwischen Macht und Kultur nicht endgültig geklärt […]. Es scheint mir nicht evangelisch zu sein, die Empirie zu 127 Boué sagte dies in einem Brief an Osterloh vom 8. 2. 1952 zu (EZA BERLIN, 2/3746). Sein Kommentar dazu, dass der Mosolf-Plan inzwischen von der Landessynode Hannover als Verhandlungsgrundlage anerkannt worden war (vgl. INLL 1, 1952, S. 27), verdeutlicht, wie viel Diplomatie dazu gehörte, die Konferenz der Schulreferenten an dieser Frage nicht ganz scheitern zu lassen: „Dies hat mich sehr betrübt und erschwert die Situation sehr. Aber ich will die Arbeitsgemeinschaft nicht sprengen und bin Ihrer Meinung, daß wir um der Brüder im Osten willen zusammenbleiben müssen. Aber es muß hier deutlich gesagt werden, daß so nicht jeder seinen eigenen Weg gehen kann; darum weiß ich nicht, ob es richtig ist, daß wir den Weg Hannovers aus seiner geschichtlichen und geographischen Situation heraus akzeptieren. Wie wollen wir das theologisch rechtfertigen?“ (EZA BERLIN, 2/3746). 128 Brief Osterlohs an Senior B. Meyer (Lübeck) vom 5. 2. 1952 (EBD.). 129 epd ZA, Nr. 39, 15. 2. 1952. In einem Schreiben an den epd bedankte Osterloh sich dafür, dass diese Notiz, die offenbar erneut von ihm selbst verfasst worden war, „wunschgemäß wörtlich“ gebracht worden sei (Osterloh an den epd, 22. 2. 1952 [EZA BERLIN, 2/3746]). 130 Vgl. aus Osterlohs Dienstreisebericht vom 23. 5. 1951 über eine Tagung mit Schulräten in Hermannsburg: „Mein Gesamteindruck kann sich nicht von der ernstlichen Sorge lösen, daß wir anfangen, bei der Erörterung der theologischen und praktischen Schulfragen in solchen kirchlichen Veranstaltungen auf der Stelle zu treten, und keine Fortschritte mehr machen“ (EZA BERLIN, 2/3585). 131 Vgl. unten S. 349.

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vernachlässigen, und es scheint mir eine verhängnisvolle Illusion zu sein, davon auszugehen, daß sich in der Empirie irgend etwas ohne Machtbildung und ohne Machteinsatz verändert.“132

5.2.2.2 Kooperation mit Eltern und Lehrern – der Versuch, eine evangelische Schullobby zu etablieren Ein, wenn nicht der zentrale Gedanke in Osterlohs Schulpolitik war die Aktivierung der evangelischen Eltern und Lehrer. Vermutlich im Blick auf die Situation der katholischen Kirche, die seit jeher ein naturrechtlich begründetes Elternrecht vertrat und sich bei aller Starrheit ihrer Position immer auf eine entsprechende Unterstützung verlassen konnte, sah Osterloh in der Bildung einer solchen evangelischen ‚Schullobby‘ eine große Chance. Mit ihr hätte evangelischen Anliegen in der Schulpolitik auch unabhängig von der politischen Konstellation, die sich in der frühen Nachkriegszeit und bis in die fünfziger Jahre hinein eher günstig darstellte, eine Stimme verliehen werden können, und es wäre politischen, gewerkschaftlichen oder schulbürokratischen Gremien unmöglich gewesen, diese Anliegen zu ignorieren. Dies konnte aber nur zum Erfolg führen, wenn es gelang, dieser evangelischen ‚Schullobby‘ aus Eltern und Lehrern eine gewisse Massenbasis zu geben, wenn zudem sichergestellt werden konnte, dass die evangelischen Eltern und Lehrer in eine möglichst feste Verbindung zur EKD bzw. den einzelnen Landeskirchen kämen. Beides war Osterlohs Anliegen, und dazu kam noch eine Art ‚Grundlagenarbeit‘. Im Vergleich mit der katholischen Kirche verfügte die evangelische Kirche für eine solche Aufbauarbeit speziell im Bereich ‚Elternrecht‘ nur über eine ausgesprochen rudimentäre theoretische Grundlage, die sich noch immer vor allem auf Luther und dessen Gedanken von der Schule als einer Hilfsanstalt der Familie133 berief134. Denn mit der Übernahme des Schulwesens durch die Obrigkeit traten Luthers Gedanken „sehr in den Hintergrund“, im „obrigkeitlich geord132

Brief Osterlohs an Helmuth Kittel vom 11. 3. 1952 (EZA BERLIN, 2/3587). Vgl. besonders Luthers Sendschreiben „An die Ratsherren aller Städte deutschen Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen“ (WA 15, S. 27–53) und „Eine Predigt, daß man Kinder zur Schulen halten soll“ (WA 30/II, S. 517–588). 134 Sehr aussagekräftig ist hier schon ein Blick in den von Gottfried Niemeier verfassten Artikel „Elternhaus und Schule“ (EKL1 I, Sp. 1067f.). Nach einem Rekurs auf Luther, auf den der im evangelischen Bereich bevorzugte Begriff der ‚Elternverantwortung‘ zurückzuführen sei, verzeichnet der Artikel ein Eintreten für die „Elternbeteiligung am Leben der Schule“ seitens verschiedener Pädagogen, die gesetzgeberische Entwicklung von den Stein-Hardenbergschen Reformen bis hin zur Weimarer Reichsverfassung, die diesem Anliegen „fortschreitend Rechnung“ trug und 1920 die Gründung der ersten (sic !) evangelischen Elternorganisationen, die 1937 wieder verboten wurden. In RGG3 findet sich dann zwar ein einschlägiger Artikel „Elternrecht“, doch kommt der theologische Abschnitt dieses Artikels interessanterweise ganz ohne Literaturangaben aus. Es handelt sich auch mehr um eine Besinnung zur Rolle 133

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neten Schulwesen hatte ein Elternschulrecht nicht einmal mehr theoretisch einen Platz“, und auch „die Theologie sah hier kein Problem“135. Von Ausnahmen abgesehen leitete man in der Folgezeit die Verantwortung für die Schule unmittelbar aus den Pflichten der Obrigkeit ab, „so daß die Frage des Elternrechts in der evangelischen Öffentlichkeit und in der theologischen Literatur vor 1918 kaum erwähnt wurde“136. Die sich im Anschluss an die neue schulpolitische Lage nach 1918/19 bildenden Anfänge evangelischer Elternbewegungen warteten vergeblich auf eine theologische Fundierung, da die in den Umwälzungen der 1920er Jahre stark mit sich selbst beschäftigte evangelische Theologie sich des Schul- und Elternrechtsthemas nicht annahm. 1933 verschwand das Elternrecht als nicht mit dem autoritären Staat vereinbar dann wieder ganz von der Tagesordnung137. Neben der Anknüpfung an vereinzelte bestehende Neuansätze – Osterloh nannte selbst die „Freie Vereinigung evangelischer Eltern und Erzieher“ mit Sitz in Wuppertal, deren Organ die Zeitschrift „Elternhaus, Schule und Gemeinde“ war138 – galt es daher zunächst, im kirchlichen Raum selbst, aber auch nach außen hin ein Bewusstsein zu schaffen für die kirchliche und besonders die theologische Berechtigung, das ‚Elternrecht‘ als Anliegen der Kirche zu vertreten. Dass und in welchem Ausmaß Edo Osterloh hier durchaus Pionierarbeit leistete, wird an der 1961 von Werner Reininghaus herausgegebenen Quellensammlung „Evangelische Kirche und Elternrecht“ deutlich, in welcher der Abschnitt „Art und Inhalt einer theologischen Aussage über das Elternrecht“ in der lutherischen Theologie nach 1945 ausschließlich Texte aus Aufsätzen Osterlohs enthält139. Der Herausgeber der Sammlung bemerkt dazu: „E. Osterloh hat als erster 1949/50 das Elternrechtsproblem in mehreren Aufsätzen theologisch bearbeitet und sich besonders um die Klärung der Vorfragen bemüht.“140 Die theologischen Aussagen Osterlohs zum Thema Elternrecht basierten auf drei Grundsätzen, die – in entsprechender Abwandlung – auch sonst prägend waren für seine theologischen Aussagen: von Familie, Staat und Schule in der Erziehung als um den Ansatz einer theologischen Herleitung eines Elternrechts (W. JOEST, Art. „Elternrecht. 1.“). 135 Vgl. EVANGELISCHE KIRCHE UND ELTERNRECHT, S. 3–5 (Zitate: S. 3 u. 5). 136 EBD., S. 5. 137 Vgl. EBD., S. 7f. 138 E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 409. Vgl. G. NIEMEIER, Art. „Elternhaus und Schule“, Sp. 1067. 139 EVANGELISCHE KIRCHE UND ELTERNRECHT, S. 60–65. Es handelt sich um den Aufsatz: E. OSTERLOH, Das Elternrecht in theologischer Sicht (1950), sowie Auszüge aus: DERS., Das Elternrecht – theologisch beleuchtet (1950); DERS., Anspruch (1949). 140 EVANGELISCHE KIRCHE UND ELTERNRECHT, S. 79, Anm. 53. Pikanterweise muss hinzugefügt werden, dass Osterloh zum guten Teil die Eltern, deren ‚Recht‘ er zu einem theologisch legitimierten Anliegen der Kirche machen wollte, erst dazu bringen musste, dieses ‚Recht‘ einzufordern, ihre Ansprüche und Forderungen an Staat und Schule erstmals koordiniert zu artikulieren.

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1.) Wie zu vielen anderen konkreten Problemen kann der Christ im Blick darauf, dass „er sein Tun und Denken im Augenblick der Gegenwart unter einen endgültigen Maßstab stellt“, sein Verhalten nicht „mit einer im Fluß befindlichen Entwicklung“ begründen und deshalb „nicht unmittelbar, sondern nur sehr mittelbar zu Erziehungs- und Schulfragen Stellung nehmen“141. 2.) „Jede theologische Aussage über aktuelle Fragen ist ihrem Wesen nach ein seelsorgerlicher Akt, auch dann, wenn die Seelsorge sich nicht unmittelbar an den Einzelnen, sondern auf dem Umwege über Veröffentlichungen und dergl. an unbekannte Viele wendet. Wo das nicht beachtet wird, da wird aus dem Evangelium ein Gesetz oder in falscher Weise aus dem Gesetz ein Evangelium gemacht, denn die theologische Aussage, die den Augenblick betrifft, muss immer sowohl an die eindeutige Wahrheit Gottes als auch an die immer vieldeutige Freiheit der Kinder Gottes erinnern.“142 3.) Auch das Elternrecht, das sich als solches bei aller Wandelbarkeit im Konkreten zu aller Zeit aufrechterhalten hat, darf nicht verabsolutiert werden; es bedarf der Einschränkung und Begrenzung durch menschliches Recht gegen eventuelle Bosheit der Eltern ebenso wie eines eschatologischen Vorbehalts durch das Wissen darum, „dass konkretes Elternrecht nur ein zeitlich und situationsmässig bedingter Notbehelf sein kann, um den Menschen darauf hinzuweisen, dass am Ende der Zeiten die Erfüllung seines Lebens durch Gott auf ihn wartet“143. Auf dieser Grundlage kam Osterloh in dem Text „Das Elternrecht in theologischer Beleuchtung“, der sich – veröffentlicht in der „Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung“ und zwei Wochen darauf in der „Evangelischen Welt“144 – an eine größere kirchliche Öffentlichkeit wandte, zu konkreten Ergebnissen und Forderungen, die er in 15 Thesen und 15 Ablehnungen formulierte145. Ausgehend von einer vehementen Ablehnung einer naturrechtlichen oder der aktuellen Situation entspringenden Begründung des Elternrechts betonte Osterloh die allgemeine Gültigkeit theologischer Aussagen zum Elternrecht auch für NichtGlaubende. Obwohl das Elternrecht nach Osterloh kein „Weg zum Glauben“ ist und „seinen Akzent“ „von der Seite des Gesetzes“ her erhält, könne man es nicht vom Evangelium lösen, weshalb alle Aussagen über das Elternrecht nicht beliebig 141

E. OSTERLOH, Anspruch (1949), S. 294. E. OSTERLOH, Das Elternrecht – theologisch beleuchtet (1950), S. 91. 143 Vgl. EBD., S. 87–91 (Zitat: S. 91). 144 Der unveränderte Text erschien in der EvW unter dem Titel „Das Elternrecht in evangelischer Sicht“. Hieraus auch die folgenden Zitate. 145 Auffallend und ein weiterer Beleg für die Schwierigkeit, in Fragen wie diesen mit ‚der Bibel‘ zu argumentieren, ist, dass die Ablehnungen mit deutlich mehr Verweisen auf Bibelstellen ‚belegt‘ sind als die positiven Thesen. 142

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kulturpolitisch oder juristisch begründbar seien, sondern eine „Besinnung über den Stand der Eltern und über die Wirklichkeit des Rechtes“ zur Voraussetzung hätten. Der Stand der Eltern verlange „nach Gottes Verordnung Respektierung um der irdischen Existenz willen“, die erforderliche Ehrung der Eltern vernehme der Mensch durch das Gewissen; die begrenzte Verantwortlichkeit der Eltern könne „nur von Gott aufgehoben oder vertreten werden“. Das Recht dagegen sei immer zugleich „Ausdruck der das Leben erhaltenden gnädigen Geduld Gottes und des eigensüchtigen Selbstbehauptungswillens sündiger Menschen“ und werde gesetzt und durchgesetzt von der weltlichen Obrigkeit. In der modernen Demokratie aber sei jeder Bürger „mitverantwortlich für die Klärung des allgemeinen Rechtsbewußtseins und damit für die geschichtliche Gestaltung des geltenden Rechts“, und so sei der moderne Staat auf die Mitarbeit urteilsfähiger Eltern geradezu angewiesen. Das Elternrecht müsse, so Osterloh weiter, „geltend gemacht werden zum Schutz des Kindes gegen die Vermassung in Erinnerung an die Gottebenbildlichkeit des Menschen und als Warnung an den Staat vor der Gefahr seiner Selbstvernichtung durch Selbstvergötzung“, könne sich zugleich aber nur in Abstimmung mit dem Recht des Staates und der Schule verwirklichen. Da der Staat für sich Neutralität in Religionsfragen reklamiere, müsse er den Eltern das Recht zugestehen, die religiöse Erziehung der Kinder zu bestimmen, denn: „Der Staat, der seinen Bürgern das Recht gibt, den christlichen Glauben anzunehmen und zu bekennen, muß ihnen damit auch das Recht geben, ihre Kinder im christlichen Glauben zu erziehen“, und: „Staatliche Behinderung christlicher Erziehung ist eine Form der Christenverfolgung. Verzicht auf christliche Erziehung ist eine Verleugnung Christi.“ Die für die Umsetzung des so umrissenen Programms erforderliche Elternschaft galt es zu mobilisieren bzw. zu entsprechendem Engagement zu motivieren. Das „Wort zur Verantwortung der evangelischen Eltern“, verabschiedet von der Fuldaer Schulreferententagung, enthielt bereits den Aufruf zur „Basisarbeit“: „Wir weisen besonders auf die Aufgaben hin, die Eltern zu sammeln, Erziehungssonntage und Erziehungswochen zu empfehlen, für Einrichtung eines Vortragsdienstes zu sorgen und durch Verbreitung guten Schrifttums diese Gedanken zu fördern“, denn: „eine gedeihliche Erziehungsarbeit im Volke […] kann nur geschehen, wenn Eltern und Kinder zur Quelle des Wortes Gottes hinfinden, wenn Hausandacht und Kirchengang lebendige Ordnungen sind […].“146 Den Versuch, dezentral in den Landeskirchen Elternbewegungen oder -arbeitskreise zu initiieren, unterstützte Osterloh in der täglichen Arbeit in der Kanzlei durch Zuspruch und Informationsweitergabe, durch zahlreiche Vorträge vor entspre146

Zit. nach EvW 4, 1950, S. 166f.

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chenden Versammlungen und seine Teilnahme an Diskussionen, und natürlich durch entsprechende Veröffentlichungen147, die dem gemeinsamen Anliegen eine stärkere Resonanz eintragen sollten. Neben diese in die Breite zielende Arbeit trat sehr schnell das Projekt des „Deutschen Evangelischen Eltern- und Erziehertages“, von dem Osterloh sich die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit für die Elternarbeit versprach. Der erste Eltern- und Erziehertag, ins Leben gerufen von der „Freien Vereinigung Evangelischer Eltern und Erzieher“, hatte am 16. Juli 1950 in Gladbeck stattgefunden. Osterloh war an der Vorbereitung des Treffens beteiligt, hatte im Festgottesdienst über das vierte Gebot gepredigt und eines der beiden Hauptreferate gehalten, in dem er die Verantwortung christlicher Eltern „angesichts des offenen oder getarnten Atheismus, dem sich auch ein Teil der Erzieherschaft zur Verfügung gestellt habe“, in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte. Er rief zur Mitarbeit auf und forderte zugleich Respekt vor der Arbeit des Lehrers ein: „Pädagogik ist keine Geheimwissenschaft. Nichtsdestoweniger habt Achtung vor dem Lehrer und schenkt ihm Vertrauen und Liebe! Seht ihn als euren Nächsten an, gerade wenn ihr mit ihm um den rechten Weg ringt!“148 Aus dem Zuspruch, den die Veranstaltung trotz kurzfristiger Vorbereitung fand, entnahm Osterloh, „wie sehr unsere evangelische Elternschaft bereit ist, sich zu ihrer Erziehungsverantwortung unter dem Evangelium rufen zu lassen“149, und zog daraus die Konsequenz, die Vorbereitung des nächsten Eltern- und Erziehertages, der am 23./24. Juni 1951 in Duisburg-Hamborn stattfinden sollte, frühzeitig zu beginnen – und überwiegend selbst in die Hand zu nehmen! Am 21. März 1951 versandte er das Tagungsprogramm an die Leitungen der westdeutschen Landeskirchen und bat darum, die Tagung als Anstoß und Belebung auch der landeskirchlichen Elternarbeit anzusehen, die Teilnahme entsprechend zu propagieren und die Vorbereitung und Gestaltung der Tagung finanziell zu unterstützen150. Angesichts der bisherigen Zurückhaltung der meisten Landeskirchen bat er abschließend, „erneut zu prüfen, wie die Sammlung evangelischer Eltern und ihre kirchliche Betreuung fruchtbar gefördert werden kann“, denn: „Es wird sich immer mehr herausstellen, daß die Wirksamkeit der kirchlichen Mitarbeit am Schul- und Erziehungswesen sehr stark von dem Verständnis und der Einsatz-

147

Vgl. z. B. E. OSTERLOH, Brief (1950); DERS., Das Elternrecht in theologischer Beleuchtung (1951); DERS., Schulgesetzgebung (1952). 148 Zit. nach dem Bericht in: EvW 4, 1950, S. 474. Vgl. den Art.: „Sparen an der Schule: Sparen am falschen Ort“, in: Westdeutsche Allgemeine, Nr. 164, 17. 7. 1950. 149 Schreiben der Kirchenkanzlei (Osterlohs) an die westdeutschen Landeskirchenleitungen vom 21. 3. 1951 (EZA BERLIN, 2/3777). 150 Vgl. EBD.

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bereitschaft der evangelischen Eltern abhängig ist.“151 Um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung, an der mit Landesbischof Lilje, Präses Held und Präses Wilm nun auch evangelische Prominenz teilnahm, kümmerte sich Osterloh in einem Schreiben an die Leiter der vier Arbeitsausschüsse, denen er eine „Anregung“ für eine „fruchtbare“ Gestaltung des Elterntages geben wollte152. Osterloh legte ihnen ihre besondere Verantwortung auch bei der Vorbereitung ans Herz, gab ihnen Hinweise auf ein methodisches sinnvolles Vorgehen und Stichworte für die inhaltliche Arbeit. Auch wenn er mehrfach versicherte, es handele sich nicht um eine „Dienstanweisung“, kann man unschwer erkennen, dass die Kanzlei, bei der inzwischen auch ein Sonderkonto „2. evangelischer Elterntag“ eingerichtet worden war, in Person von Osterloh den Elterntag im Grunde „übernommen“ hatte, und nun achtete Osterloh angesichts der von ihm wohl unterstellten mangelnden Erfahrung der Ausschussleiter penibel darauf, dass nichts schief ging. Ein Brief Osterlohs an Arthur Bach, den Mitbegründer der Gemeinschaft evangelischer Erzieher, vom 26. Mai 1951 zielte in die gleiche Richtung: Osterloh gab zahlreiche Hinweise auf Protokoll- und Organisationsfragen153. Schon am 30. März 1951 war Osterloh selbst in Hamborn gewesen und hatte vor über 30 Industriellen und Vertretern von Magistrat, Schulbehörde und Schulleitungen über „Die politische und soziale Bedeutung kirchlicher Tagungen und insbesondere des 2. evangelischen Elterntages in unserer Zeit“ gesprochen. Ergebnis der anschließenden Aussprache waren zahlreiche Angebote zur Hilfe, unter anderem die behelfsmäßige Herrichtung einer Werkshalle, die bis zu 5.000 Menschen aufnehmen konnte und in der dann auch die Schlusskundgebung stattfinden sollte154. War die Veranstaltung schon organisatorisch und im Blick auf ihre Festredner auf einem anderen Niveau angesiedelt als im Jahr zuvor, so galt dies auch für ihre publizistische Vorbereitung, Begleitung und Aufarbeitung. Es wurde ein großes Plakat herausgebracht, auf dem vor dem Hintergrund eines von einem Strahlenkranz umgebenen Kreuzes das Motto „Unsere Kinder/Unsere Schulen/vor/Gott“ prangte, daneben gab es ein eher schlichtes doppelseitiges Faltblatt mit Tagungsplan und Anmeldungsabschnitt155. Im Nachhinein erschien ein Sonderheft der Zeitschrift „Elternhaus, Schule und Gemeinde“156, ein zusätzlicher Bericht von der Tagung, deren Arbeitsgruppen von über 1.100 und deren Schlusskundgebung von ca. 5.000 Teilnehmern be151

EBD. Schreiben vom 12. 4. 1951 (EZA BERLIN, 2/3777). 153 Brief vom 26. 5. 1951 (EBD.). 154 Vgl. Dienstreisebericht Osterlohs vom 10. 4. 1951 über die Reise am 30. 3. (EBD.). 155 Beides in: EBD. 156 UNSERE KINDER – UNSERE SCHULE VOR GOTT. Das 32-seitige Heft erschien sowohl als Separatdruck als auch unter dem Obertitel von „Elternhaus, Schule und Gemeinde“. 152

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sucht wurde, betonte die „Mitarbeit kirchlich verantwortlicher Stellen“ und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die sich unter anderem in Grußworten von Bundeskanzler und Bundespräsident und in der Anwesenheit Eberhard Wildermuths, des Wohnungsbauministers, ausdrückte157. Im „Sonntagsblatt“ berichtete Gertrud Osterloh, die ihren Mann zum Elterntag begleitet hatte158, von ihren Eindrücken159, und auch der einen Monat später in Berlin stattfindende Deutsche Evangelische Kirchentag griff die Themen von Duisburg erneut auf160. Auch für den folgenden Elterntag vom 13. bis 15. Juni 1952 in Bielefeld übernahm es im Wesentlichen Osterloh, Gelder zu beschaffen und für prominente Redner zu sorgen. Schon am 16. August 1951 hatte er sich an Dibelius wegen der Übernahme des Hauptvortrags gewandt161 und dessen Zusage erhalten. Daneben gelang es ihm, Reinold von Thadden-Trieglaff und Gustav Heinemann für Vorträge zu gewinnen, Elly Heuss-Knapp konnte aufgrund ihrer schweren Erkrankung die gegebene Zusage nicht mehr einhalten162. Die äußere Organisation war erheblich verbessert worden: Nun gab es neben dem Organisationsbüro auch einen „Ortsausschuss“ direkt in Bielefeld. Die Vorbereitung bzw. Werbung für den Elterntag in den einschlägigen Zeitschriften hatte ebenfalls stark zugenommen. Schon am 1. März 1952 berichtete die „Evangelische Welt“ von zwei Pressekonferenzen, auf denen neben Albert Böhme, dem Vorsitzenden, und Martin Heilmann, dem Geschäftsführer der „Freien Vereinigung evangelischer Eltern und Erzieher“, auch Osterloh – in seiner Eigenschaft als zuständiger Referent der Kanzlei übrigens Mitglied des Vorstands der „Freien Vereinigung“ – das

157

Vgl. ESuG 3, 1951, Nr. 8, S. 2f. Edo Osterloh war laut Dienstreisebericht vom 26. 6. 1951 (EZA BERLIN, 2/3777) vom 22. bis 24. 6. in Duisburg. Er sprach dort ein Grußwort „Vom ‚Abenteuerlichen‘ des Elterntages“, in dem er das wirkliche Leben in der christlichen Gemeinde als wahres ‚Abenteuer‘ bezeichnete und auf den Elterntag übertrug. Er schloss mit dem Wunsch: „Durch alle Verkrampfung hindurch, über alle falschen Gegensätze hinweg, trotz mancherlei Unglück in der Vergangenheit können Eltern, Lehrer und Pfarrer sich doch zusammenfinden in der beglückenden Erkenntnis, daß ihnen ein überaus kostbares Gut für die heranwachsende Jugend anvertraut ist. Dieses möchte der Evangelische Elterntag bewußt machen, daß nämlich der christliche Glaube eine heute wirkende Kraft ist, die Eltern, Lehrer und Pastoren zusammenführt und bevollmächtigt zum gemeinsamen Dienst an der Jugend.“ (Typoskript: EBD.). 159 Vgl. G. OSTERLOH, Eltern. 160 Hier war es nach einem Brief Hellmut Lauffs’ an Osterloh vom 17. 7. 1951 (in: EZA BERLIN, 2/3777) vor allem Hermann Ehlers, der das Thema wiederholt zur Sprache brachte. Vgl. auch den Beitrag Ehlers’ zur Hauptversammlung des Kirchentages am 15. 7. 1951 (KJ 78, 1951, S. 32f.). 161 EZA BERLIN, 2/3779. 162 Elly Heuss-Knapp verstarb am 19. 7. 1952. Noch Ende Mai 1952 hatte Osterloh für sie wie auch für die anderen vorgesehenen Hauptredner auf direkten Wunsch Heinemanns und Thadden-Trieglaffs eine Art „Memo“ für ihren Vortrag erstellt, das er aber als „bloße[n] Vorschlag und Andeutung einer Orientierungsmöglichkeit“ verstanden wissen wollte (vgl. „Hauptansprachen: Verteilung der Akzente“ sowie den Brief Osterlohs vom 24. 5. 1952 an das Organisationsbüro [beides in: EZA BERLIN, 2/3780]). 158

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Programm des kommenden Elterntages vorstellte163. Im April veröffentlichte „Elternhaus, Schule und Gemeinde“ neben einem werbenden Artikel Osterlohs164 das vorläufige Programm des Eltern- und Erziehertages165; das im gleichen Verlag erschienene Vorbereitungsheft wurde den Landeskirchenleitungen von Osterloh wärmstens als Werbung für den Elterntag empfohlen – verbunden mit der Bitte um möglichst zahlreiche Bestellung166; weitere vorbereitende Artikel Osterlohs erschienen in „Kirche und Mann“ und „Unsere Kirche“167. Der Bielefelder Elterntag unter dem Oberthema „Können wir heute noch unsere Kinder erziehen?“ war rein äußerlich ein großer Erfolg. Für die vier Arbeitsgruppen („Gestörtes Zuhause“, „Gefährdete Kinder“, „Fragwürdige Christlichkeit“ und „Verantwortliche Gemeinde“) hatten mehr als 1.200 Anmeldungen vorgelegen, zur Schlusskundgebung versammelten sich über 6.000 Menschen. Auch inhaltlich war man zu durchaus ‚erwünschten‘ Ergebnissen gekommen. Statt vom verfänglich nahe an katholischen Positionen liegenden „Elternrecht“ sprach man hier lieber von der „Verantwortung“, was im Blick auf das allen Elterntagen übergeordnete Ziel, ein Zusammenwirken von Eltern, Lehrern und Theologen zum Wohle der Kinder zu erreichen, eine erhebliche Erleichterung bedeutete. Den dadurch flexibleren und nicht auf den engeren (schul-)rechtlichen Bereich fixierten Aussagen und Forderungen konnten auch Lehrer leichter zustimmen, bedeutete doch so ein Einflussgewinn auf der Elternseite nicht automatisch einen entsprechenden Unabhängigkeitsverlust auf Lehrer- bzw. Schulseite: „Immer wieder stand das Wort von der Verantwortung groß im Mittelpunkt der Kundgebung! ‚Elternverantwortung ist besser als Elternrecht‘ oder ‚in Verantwortung steckt auch Antwort; Eltern müssen dereinst Antwort geben, wenn sie nach ihren Kindern gefragt werden‘, so meinte Vizepräsident Lücking […]. ‚Wer die Jugend hat, der hat die Verantwortung‘ sagte Dr. Dr. Heinemann und fuhr fort: ‚Das ist besser als: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.‘ Denn das führt meist zum Mißbrauch der umworbenen Jugend.“168

Vom Elterntag, dessen Tage vom Verfasser des Berichts in „Elternhaus, Schule und Gemeinde“ als „verheißungsvolle Zeichen, die hell herausleuchten aus viel dunkler Verworrenheit unserer Zeit“169, empfunden wurden, sollten nun aller163

Vgl. EvW 6, 1952, S. 136. E. OSTERLOH, Zum 3. Elterntag (1952). 165 ESuG 4, 1952, Nr. 4, S. 3f. 166 Rundschreiben Osterlohs an die Landeskirchenleitungen vom 22. 4. 1952, in: EZA BERLIN, 2/3779. 167 E. OSTERLOH, Elternsorgen (1952); DERS., Eltern sprechen zu Eltern (1952). 168 H. W. PIUTTI, 3. Eltern- und Erziehertag, S. 4. 169 EBD. 164

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dings auch Impulse ausgehen, die Zukunft sah man in dezentraler Arbeit ‚vor Ort‘: „Es muß mehr als bisher von unten her aufgebaut werden in den einzelnen Orten, in unseren Gemeinden“. Ziel war die Bildung von Arbeitskreisen, in denen die Anregungen, die man auf dem Großereignis Elterntag erhalten hatte, weiterverarbeitet werden sollten. Die einzelnen Teilnehmer, Lehrer wie Eltern, wurden aufgefordert, „sich für das Zustandekommen eines Arbeitskreises an ihren Orten persönlich verantwortlich“ zu wissen170. Mit den Bielefelder Tagen, in denen Osterloh mehr als zuvor auf Elterntagen auch offiziell in Erscheinung getreten war171, hatte das ‚Massenereignis Elterntag‘, dessen Entwicklung zu einer Art kleinem Kirchentag auch Osterloh nicht gänzlich unkritisch gegenüberstand172, seinen Zenit überschritten. Die schon im Anschluss an den Hamborner Elterntag geäußerte Kritik Martin Heilmanns, der sich offenbar etwas überrumpelt fühlte und verlangt hatte, dass die Rolle der „Freien Vereinigung evangelischer Eltern und Erzieher“ stärker in den Vordergrund gerückt werden müsste173, hatte Osterloh noch recht barsch zurück- und die „Freie Vereinigung“ auf ihre eigene Verantwortung hingewiesen: „Für mich ist es ein Gebot der Aufrichtigkeit, zum Ausdruck zu bringen, daß ich jede noch so versteckte Kritik an der Haltung des evangelischen Elterntages von Hamborn 1951 für eine große Undankbarkeit halte. Selbstverständlich kann und muß man Einzelheiten kritisieren. Selbstverständlich sind Fehler gemacht worden […]. Selbstverständlich muß auch im nächsten Jahr die freie Vereinigung evangelischer Eltern und Erzieher die Situation des Elterntages besser ausnutzen, als das in Hamborn geschehen ist. Aber wir sollten nicht verschweigen und auch nicht verkleinern, daß in diesem Jahr der Durchbruch an die große Öffentlichkeit gelungen ist. Es würde mir sehr leid tun, wenn ich zu der Überzeugung gelangen müßte, daß die freie Vereinigung evangelischer Eltern und Erzieher das Gewicht der Verantwortung für die große Öffentlichkeit zu gering einschätzt.“174

Die „große Öffentlichkeit“ und die große organisatorische Unterstützung durch die Kirchenkanzlei waren offensichtlich gute Argumente, denn der Vorstand der „Freien Vereinigung“ beeilte sich, Osterloh mitzuteilen, dass er sich dessen Ar170

EBD. Vgl. zum Bielefelder Elterntag auch: EvW 6, 1952, S. 395ff. Osterloh hatte dem Organisationsbüro am 5. 5. 1952 folgende erbetene Beiträge zugesagt: die Festgottesdienst-Predigt, ein Wort zur Begrüßungsversammlung und die Zusammenfassung der Ergebnisse der vier Arbeitsgruppen (E. OSTERLOH, Können wir unsere Kinder noch erziehen? [1952]). Für den (nicht eingetretenen) Fall schlechten Wetters hatte er zudem die Übernahme einer Teilversammlung versprochen (Brief Osterlohs, in: EZA BERLIN, 2/3780). 172 „Wegen der unvermeidlichen Massenhaftigkeit stehe ich dem durchaus von mir persönlich mitverantworteten Elterntag auch kritisch gegenüber“ (Osterloh in einem Brief vom 6. 6. 1952 an Pfarrer Hardt von den Bodelschwinghschen Anstalten [EBD.]). 173 Vgl. Brief an Osterloh vom 26. 9. 1951 (EZA BERLIN, 2/3779). 174 Brief an Heilmann vom 5. 10. 1951 (EBD.). 171

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gumente „zu eigen gemacht“ hätte175. Auf Dauer aber war auch die große Öffentlichkeit nur dann ein gewichtiges Argument, wenn sie denn Rückwirkungen auf die eigentliche Arbeit hatte, und die blieben offenbar weitgehend aus. So monierte Albert Böhme in einem Memorandum, das Osterloh noch vor der Bielefelder Tagung erhielt, die Elternarbeit der evangelischen Kirche erreiche die Basis nicht, woran auch die Verankerung bei den Kirchenleitungen nichts ändere, so wögen zum Beispiel die Abbestellungen von „Elternhaus, Schule und Gemeinde“ die Neubestellungen im Wesentlichen auf. Böhme forderte daher eine Neubesinnung, die den Elterntag in der bisherigen Form in Frage stellte: „So wertvoll die Referate und Diskussionen der einzelnen Arbeitsgruppen sein werden, sie sind ein Schlag ins Wasser, wenn die Teilnehmer ohne ein verpflichtendes Gefühl des weiteren Zusammenhangs nach Hause fahren. Jede kirchliche und christliche Arbeit muß ihren konkreten Niederschlag finden, sonst bleibt sie ein Gebilde, das in der Luft hängt.“176

Offensichtlicher noch fragte abschließend der Bericht über den Bielefelder Elterntag nach dem Ergebnis der Kosten-Nutzen-Rechnung: „Bleibt die Tagung in Bielefeld ohne eine solche Frucht [die Bildung von örtlichen Arbeitskreisen, P. Z.], so wäre ernstlich zu fragen, wie weit derartige Veranstaltungen, die viel Zeit und Kraft und auch einiges Geld kosten, künftig noch zu verantworten sind!“177 Nach wie vor mangelnde Unterstützung durch die Landeskirchen, und nun auch noch Zweifel am Sinn der Veranstaltung bei denen, die sie ursprünglich ins Leben gerufen hatten: Keine guten Voraussetzungen für eine gedeihliche Weiterarbeit. Trotz allen Zuspruchs stand daher schon vor der Bielefelder Tagung fest, dass sie die letzte ihrer Art sein würde. An Thadden-Trieglaff schrieb Osterloh bereits am 26. April 1952, man werde „in den folgenden Jahren auf die Organisierung eines solchen zentralen Eltern- und Erziehertages verzichten können“178. Die ‚Klammerfunktion‘ des Elterntages sollte auf das (heimliche?) Vorbild, das noch wesentlich größere Laientreffen übergehen, die konkrete Arbeit aber dezentralisiert stattfinden: „Wir werden uns mit der Zusammenfassung der Elternarbeit ganz dem Kirchentag eingliedern und im übrigen ‚auf die Dörfer‘ gehen.“179 Anfang 1953 wurde dann auch der Öffentlichkeit bekannt gegeben, dass es in diesem Jahr keinen Elterntag geben würde. Die „Freie Vereinigung“ 175

Brief vom 17. 10. 1951 (EBD.). EZA BERLIN, 2/3780. Die zitierten Sätze finden sich (ohne „sonst bleibt sie […]“) auch in: H. W. PIUTTI, 3. Eltern- und Erziehertag, S. 5. 177 EBD., S. 4f. 178 EZA BERLIN, 2/3779. 179 EBD. 176

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schlug anstelle dessen vor, den Sonntag Misericordias Domini in den einzelnen Gemeinden als „Sonntag der evangelischen Familie“ zu begehen, der „kein Tag der Referate und Ansprachen sein“ dürfe, „an dem die Menschen nur ‚angepredigt‘ werden“180. Das Werben um den Aufbau einer evangelischen Lehrerschaft war der gleichrangige zweite Teil der selbst gestellten Aufgabe Osterlohs, die Entstehung einer evangelischen ‚Schullobby‘ zu unterstützen. Auch hierbei konnte er auf vorhandene Ansätze wie die auch in Oldenburg entstandenen Arbeitsgemeinschaften von Lehrern und Pfarrern/Theologen zurückgreifen, war sich aber der Schwierigkeiten bewusst, die den kirchlichen Initiativen entgegenstanden, waren es doch die gleichen wie in Oldenburg: In einer Mischung aus altem Misstrauen und neuen Unterlegenheitsgefühlen angesichts des eigenen Versagens in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der allgemein eher kirchenfreundlichen Politik nach 1945 lehnten große Teile der Lehrerschaft, vor allem aber die Lehrergewerkschaft ADLLV/GEW, die Aussagen des Fulda-Interviews „leidenschaftlich“ ab181. Folgerichtig versuchte Osterloh auch weiterhin, dieses Misstrauen abzubauen. Fast schon gebetsmühlenartig wies er darauf hin, dass a) die evangelische Kirche keineswegs eine Erneuerung der geistlichen Schulaufsicht anstrebe, dass b) die Verankerung der Evangelischen Unterweisung im Leben der Gemeinde lediglich der Sache und damit den Kindern diene, denen ansonsten mit ‚Religion‘ nur ein weiteres ‚Fach‘ angeboten werde, in dem es darum ginge, bloßes Wissen zu vermitteln, dass schließlich c) auch die Verwurzelung der bewusst evangelischen Lehrer in der Gemeinde, die natürlich niemandem aufgezwungen werden könne, zusammen mit einem lebendigen Austausch zwischen Pfarrer bzw. Theologen und Lehrern nicht der Gängelung und Beaufsichtigung der Lehrer diene, sondern beiden Seiten eine Hilfe zur besseren Gestaltung ihrer Arbeit sein solle182. Neben den vielen vergeblichen Versuchen, die Lehrerschaft von den in den Augen Osterlohs lauteren Absichten der evangelischen Kirchen zu überzeugen, gab es aber auch hoffnungsvolle Ansätze, über die Osterloh zum Teil schon

180

INLL 2, 1953, S. 12. Vgl. E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 406. 182 Da sich die Argumente und auch die (teilweise gewollten) Missverständnisse im Vergleich zur Situation in Oldenburg (vgl. oben S. 162–196) im Wesentlichen wiederholten, sei hier auf eine ausführliche Darstellung verzichtet und lediglich auf Osterlohs Texte zur (versuchten) Klarstellung verwiesen, die wie auch sonst das Extrakt zahlreicher Vorträge und Diskussionsbeiträge darstellen: EVANGELISCHE ERZIEHUNG IN SCHULE UND HAUS (1950); E. OSTERLOH, Schule und Erziehung (1950); DERS., Stand (1950); DERS., Schule und Kirche (1951), bes. S. 385f., 405–409; DERS., Selbstverständnis (1952). 181

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

1951183 berichten konnte: Übergreifend tätig war die im Rheinland beheimatete und unter maßgeblicher Mitwirkung Oskar Hammelsbecks entstandene „Gemeinschaft evangelischer Erzieher“, auf deren Gründungsversammlung Osterloh anwesend war184 und auf deren erster Jahrestagung er am 18. Mai 1951 einen dreistündigen (sic !) Vortrag zum Thema „Evangelium und Bildung“ hielt185. Ähnliche Vereinigungen entstanden in Westfalen186 und – wiederum unter aktiver Begleitung Osterlohs – in Bayern, wo sich im Sommer 1950 während einer landeskirchlichen pädagogischen Woche auch eine „Gemeinschaft evangelischer Erzieher“ für Bayern gegründet hatte187. Deren Programm188 fand Osterlohs Zuspruch, der für das Publikationsorgan der Gemeinschaft, „Schule und Leben“, warb189 und – vergeblich – dessen Verschmelzung mit „Der evangelische Erzieher“ vorschlug190. Einer engen Zusammenarbeit der eigenen mit der bayrischen Gemeinschaft, deren Ziele nahezu identisch waren, wollte aber auch Hammelsbeck sich nicht verschließen und noch einmal mit dem maßgeblich für „Schule und Leben“ verantwortlichen Kurt Frör selbst über eine künftige stärkere Zusammenarbeit der beiden Zeitschriften sprechen, wie sich in einer „Aussprache“ zwischen ihm und Osterloh ergab191. In diesem Gespräch zeigte 183

E. OSTERLOH, Kirche und Schule (1951). Die Gemeinschaft wurde am Ende einer Tagung der Rheinischen Kirchenleitung mit 26 Teilnehmern aus den einzelnen Kreissynoden gegründet und umfasste Lehrer aller Schularten. Eine Doppelmitgliedschaft mit dem Allgemeinen Deutschen Lehrerverein (ADLLV) sollte erlaubt sein, eine Frontstellung gegen ihn vermieden werden. Vgl. den Dienstreisebericht Osterlohs vom 8. 6. 1950, in: EZA BERLIN, 2/3794. Osterloh wies auf diese Gründung auch in seinem Schreiben an die Kirchenleitungen der westdeutschen evangelischen Landeskirchen vom 10. 6. 1950 hin (EBD.) und ging in E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 408f., auf sie ein. 185 Vgl. Dienstreisebericht vom 21. 5. 1951, in: EZA BERLIN, 2/3794. Dort auch ein Aufriss des sonst nicht veröffentlichten Vortrages. Die Länge von drei Stunden hielt die Gemeinschaft nicht davon ab, Osterloh auch zur nächsten Jahrestagung wieder um einen Vortrag zu bitten, den er zunächst zusagte und deutlich kürzer gestalten wollte, schließlich aber wegen anderweitiger Verpflichtungen absagen musste (Briefe Osterlohs an Arthur Bach vom 15. 9. bzw. 2. 10. 1952 [beide EBD.). 186 Hier war unter der Leitung des Rektors Ludwig Rese die „Vereinigung evangelischer Lehrer und Erzieher“ entstanden. Vgl. E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 408f. Rese war Verfechter der Evangelischen Unterweisung und versuchte in dieser „Vereinigung“, das kollegiale Miteinander von Lehrern und Pfarrern zu fördern (vgl. L. RESE, Kirche). 187 E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 408f. 188 „Zweck und Ziel“ dieser Gemeinschaft, die durch „Freizeiten, Aussprachen, Vorträge und Arbeitskreise“ wirken wollte, war es, „die verantwortliche pädagogische Mitarbeit ihrer Glieder innerhalb der Kirche und Gemeinde zu fördern und ihren Mitgliedern auch in persönlichen und sachlichen Fragen Rückhalt und Hilfe zu geben“ (Rundbrief Nr. 1 der „Gemeinschaft evangelischer Erzieher“, in: EZA BERLIN 2/3794). Auch hier war die Mitgliedschaft in anderen Berufsorganisationen freigestellt (vgl. EBD.). 189 E. OSTERLOH, Rez. zu: Schule und Leben (1950). Schon im ersten Heft von „Schule und Leben“ veröffentlichte Osterloh auch einen Artikel (E. OSTERLOH, Stand [1950]). 190 Vgl. oben S. 233, Anm. 92. 191 Vgl. Dienstreisebericht Osterlohs vom 10. 4. 1951 über das Gespräch mit Hammelsbeck in Wuppertal am 28. 3. 1951 (in: EZA BERLIN, 2/3794). 184

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sich nach den Aufzeichnungen Osterlohs auch in der Beurteilung der politischen Lage ein weitgehender Konsens: Wie Osterloh hielt auch Hammelsbeck diese stärkere Zusammenarbeit für geboten, weil er davon überzeugt war, „daß bei einer politischen Entwicklung nach links hin die praktische Mitarbeit der Kirche in der Schule in der bisherigen Weise nur erhalten werden kann, wenn wenigstens in loser Form Zusammenschlüsse von Lehrern da sind, die den Anliegen der Kirche innerhalb der Lehrerschaft Nachdruck geben können“, ja, er bejahte „ausdrücklich“ seinen Eindruck, „die Sozialdemokratie würde im Falle einer Regierungsmehrheit der Kirche Schwierigkeiten bereiten“192. Dass eine ‚Zusammenarbeit‘ Osterlohs mit Hammelsbeck funktionieren konnte, deren Verhältnis aufgrund ihrer sachlichen Differenzen immerhin so gespannt war, dass es solcher „Aussprachen“ wie der eben angeführten bedurfte, zeigen die zahlreichen gemeinsam besuchten Veranstaltungen vornehmlich vor evangelischen Lehrern. Hier beharrte Osterloh in der Regel strenger auf kirchlichen Gesichtspunkten, während Hammelsbeck die Belange der Lehrer in den Blick nahm und versuchte, Konsens bis hin zu den Lehrervertretungen und der Gewerkschaft herzustellen. Ein Höhepunkt war dabei sicher die Sonderveranstaltung im Anschluss an den Essener Kirchentag am 28. August 1950, wo Osterloh neben Hammelsbeck vor ca. 600 Lehrern zum Verhältnis von evangelischer Kirche und Lehrerschaft sprach. Während Hammelsbeck dort die Lehrerschaft zu einer Neubesinnung in ihrem Verhältnis zur Kirche aufrief und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW/ADLLV) zu wirklicher Neutralität auch gegenüber dem Anliegen der Kirche mahnte, hob Osterloh die Werte „Gewissensfreiheit“, „Toleranz“ und das Wissen um die „Autonomie der Pädagogik“ als Gabe und Aufgabe der Lehrerschaft hervor. Diese aber grenzte er von einem einseitig gegen kirchliche Anliegen gerichteten Verständnis ab und sprach stattdessen von den Erwartungen der Kirche an die Lehrerschaft, „zu entfalten versucht als Erwartungen Jesu Christi an die Glieder seiner Gemeinde, die im Lehramt stehen“193. Ausdruck einer vorsichtigen Annäherung zwischen Lehrergewerkschaft und evangelischer Kirche waren die Rengsdorfer Thesen, die das Ergebnis einer zweitätigen Beratung (22./23. September 1950) von Vertretern der Kirchenleitungen Hessen-Nassaus, Lippes, der Pfalz, des Rheinlands und Westfalens mit Mitgliedern des Hauptvorstandes und von Landesverbänden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft darstellten, bei der Oskar Hammelsbeck das Hauptreferat gehalten hatte. In den zehn Thesen wurden von beiden Seiten die gegenseitigen Hauptanliegen anerkannt, auch die kirchliche Bevollmächtigung 192 193

EBD. Dienstreisebericht Osterlohs vom 30. 8. 1950 (EZA BERLIN, 2/3585); vgl. JK 11, 1950, S. 528f.

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der Lehrer (wobei nochmals betont wurde, dass sie kein Vorgesetzten- oder Aufsichtsverhältnis begründen oder auf eine bestimmte Lehrmeinung festlegen dürfe), der gegenseitige Besuchsdienst im „Geiste gliedhafter Verbundenheit“, auf „freiwillige Bereitschaft für brüderlichen Zuspruch und Austausch“ gegründet, und die „Mitwirkung der Kirche bei der Gestaltung der sachlichen Grundlagen des evangelischen Religionsunterrichts“, getragen von der „Mitverantwortung der evangelischen Lehrerschaft“194. Die Ergebnisse von Rengsdorf boten auch in Osterlohs Augen eine „gute Grundlage für weitere Gespräche zwischen Vertretern der Kirchen und Vertretern der Lehrergewerkschaft“195, jedoch nicht etwa in den süddeutschen Gebieten, wo weit über die Ergebnisse von Rengsdorf hinausgehende, für die Kirchen deutlich positivere Regelungen gefunden worden waren. Nach Meinung der Schulreferenten sollten „insbesondere die evangelischen Kirchen Norddeutschlands bei ihren Verhandlungen mit Lehrergewerkschaften und staatlichen Stellen inhaltlich die gleichen Grundsätze vertreten“, wie sie in Rengsdorf ausformuliert waren196. Angesichts dieses Versuchs, mit dem Prinzip der föderalistischen Ausrichtung der Schulpolitik auch einmal zugunsten kirchlicher Anliegen zu jonglieren, erscheint es wenig verwunderlich, dass weiterhin Hammelsbeck der Ansprechpartner der nicht-kirchlich organisierten Lehrerschaft blieb197. Seine schulpolitische Linie sollte sich – nachdem es Mitte der 1950er Jahre zu einem gewissen Abschluss der harten politischen Auseinandersetzungen um die Schulformen gekommen war – mit der Verabschiedung des vielzitierten, wenn auch inhaltlich eigentümlich unprofilierten EKD-Schulworts von 1958198 als prägend für die künftige EKD-Schulpolitik erweisen199.

194 Abdruck der 10 Thesen in: E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 407f.; zur Rengsdorfer Tagung vgl. EBD., S. 406f. 195 [E. OSTERLOH], Arbeitshilfe (Typoskripte), S. 58 (ein Exemplar in: EZA BERLIN, 2/3745). 196 EBD. 197 Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 96: „Letztlich beruhte das vielbeschworene neue Vertrauensverhältnis zwischen Kirche und Lehrern weit stärker auf der Lehrerhoffnung gegenüber Hammelsbeck denn auf Erwartungen gegenüber den schulpolitischen Akteuren der Landeskirchen.“ 198 Abdrucke: KJ 85, 1958, S. 85ff.; EVANGELISCHER RELIGIONSUNTERRICHT IN EINER SÄKULARISIERTEN GESELLSCHAFT, S. 75ff.; S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 716–719. Ausdruck der auf der Synode deutlich gewordenen Hinwendung des Interesses zur Familie und zur Gemeinde als den eigentlichen Orten christlicher Erziehung war die Betonung der Gleichrangigkeit dieses Schulworts mit dem ebenfalls verabschiedeten „Wort an die evangelischen Eltern“ (KJ 85, 1958, S. 89f.) und dem „Wort an die evangelische Jugend“ (KJ 85, 1958, S. 90f.; vgl. zu beiden S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 654f.). Zum Schulwort vgl. O. HAMMELSBECK, Kirche, sowie die im Literaturüberblick in Anm. 35 genannte Literatur. 199 Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 74f.; W. H. RITTER, Schule, S. 216.

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5.2.2.3 Das Verhältnis Osterlohs zu Oskar Hammelsbeck In den Arbeiten Christian Simons200 wird das Verhältnis Osterlohs zu Oskar Hammelsbeck in einer Art und Weise thematisiert, die eine Stellungnahme erfordert, zumal im Hintergrund dieser persönlichen Beziehung einmal mehr beider Herkommen aus der bruderrätlichen Tradition steht, aus der Osterloh sich mehr und mehr löste. Nach Simon arbeitete Osterloh zielstrebig auf die „Isolierung seines Kontrahenten“ Hammelsbeck hin, ja, er „suchte den Konflikt“, seit er das Schulreferat übernommen hatte201, war gemeinsam mit den lutherischen Schulreferenten „daran interessiert, die Position der Schulkammer in ihrer richtungsweisenden Aussagekraft zu untergraben“202, und holte „zum entscheidenden Schlag“ aus, indem er auf der Jahrestagung der Kammer 1951 durchsetzte, dass „immer mehr Aufgaben des Gremiums an Unterausschüsse oder zusätzliche Beratungsorgane delegiert wurden“203. Dementsprechend waren es auch nur „Alibigründe“ bzw. Rücksicht auf sein Ansehen in der Lehrerschaft, die Osterloh, Brunotte und Lilje bewogen, Hammelsbeck den Vorsitz der Kammer weiter zu belassen, man brauchte ihn als „Symbolfigur einer reformfreudigen Kirche“, beschwichtigte und beruhigte ihn deshalb immer wieder204. Folgt man dieser mit einer Vielzahl von wertenden Kommentaren versehenen Darstellung, erscheint Osterloh als williges Werkzeug lutherisch-landeskirchlichen Machtwillens, während Hammelsbeck zu dessen Opfer stilisiert wird. Nun kann man gar nicht verhehlen, dass es in der Tat erhebliche Differenzen zwischen Osterloh und Hammelsbeck gab, schließlich sprach Osterloh sie sogar dann öffentlich an, wenn er gemeinsam mit ihm auftrat205. Eine solche öffentliche Äußerung könnte man, Simons Stil folgend, der alle Äußerungen Osterlohs unter eine Art ‚Generalverdacht‘ zu stellen scheint, noch als taktisch motiviert ansehen. Schwieriger wird dies, wenn es sich um eine Äußerung in einem Brief an Hermann Ehlers handelt, dem gegenüber Osterloh in dieser Frage nun wirklich keinen Grund hatte, zu „beschwichtigen“: „Meinem Urteile nach hat Hammelsbeck keine klare Vorstellung von der Bedeutung verfassungsmäßiger und gesetzlicher Festlegungen in ihrer Auswirkung auch für geistige Entwicklungen. Er macht sich keinen Begriff von dem Vorgang der Weichenstellung in der Kulturpolitik. 200

Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, bes. S. 55–69; DERS., Schulpolitik ohne Schulkampf, S. 99ff. CHR. SIMON, Kirchen, S. 55. 202 EBD., S. 57. 203 EBD., S. 58. 204 EBD., S. 57f. 205 So auf der Diskussionsveranstaltung, die sich dem Essener Kirchentag vom August 1950 anschloss (vgl. oben S. 255): „In meinem Vortrag habe ich zunächst offen über mein Verhältnis zu Hammelsbeck gesprochen […].“ (Dienstreisebericht Osterlohs vom 30. 8. 1950, in: EZA BERLIN, 2/3585). 201

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Hammelsbecks Stärke ist seine missionarische Wirksamkeit in der Lehrerschaft. Seine gefährliche Schwäche liegt in gewissen doktrinären Ansichten, die ihn immer wieder zu Äußerungen verleiten, welche dann von antikirchlichen Lehrergruppen sehr zum Schaden der Kirche und der tatsächlichen Geltung des Evangeliums mißbraucht werden.“206

Hier sprach Osterloh ganz klar konkrete Kritikpunkte aus, und es gibt keinen Beleg, dass es über diese Kritik hinaus eine persönliche Antipathie gegeben hätte. Aufgrund dieser seiner Ansicht über Hammelsbecks Schwächen im Umgang mit staatlichen Stellen bzw. der kulturpolitischen Bürokratie wollte Osterloh in der Tat – im Einklang mit der Grundordnung der EKD – verhindern, dass sich Hammelsbeck als Vorsitzender der Schulkammer Entscheidungs- oder Verhandlungsbefugnisse anmaßte, die ihm nicht zustanden und die, unter der Voraussetzung, dass Osterlohs Urteil richtig war, die Schulpolitik der EKD zu falschen Weichenstellungen hätten führen können. Davon abgesehen aber wollte Osterloh die Mitarbeit Hammelsbecks für die Schulpolitik erhalten, weil er eben auch um dessen Stärken wusste, vielleicht sogar, weil er es ernst meinte, wenn er schrieb, dass beider Anliegen einem gemeinsamen Ziel dienten: „Der Gegensatz zwischen den kirchlichen Verfechtern der Bekenntnisschule und denen der christlichen Gemeinschaftsschule würde falsch verstanden werden, wenn man ihm prinzipielle Bedeutung beimessen würde. Beide Gruppen sind sich in dem Ziel einer christlich geprägten und auch bekenntnisgebundenen Schule einig. Sie unterscheiden sich in der Beurteilung der Lage besonders im Blick auf die Haltung der evangelischen Lehrerschaft […]. Die Verfechter der christlichen Simultanschule […] argumentieren mit dem Mangel an überzeugt evangelischen Lehrkräften und machen darauf aufmerksam, daß Gewissenszwang und Heuchelei für die Schule und für die Erziehung unerträglich sind. Besonders Professor Hammelsbeck fühlt sich als überzeugt evangelischer Christ in seiner Verbundenheit mit einer teilweise sehr entkirchlichten evangelischen Lehrerschaft verpflichtet, durch das Eintreten für die christliche Gemeinschaftsschule die Tore offenzuhalten für echte Begegnungen zwischen Lehrern verschiedener religiöser Überzeugungen.“207

Osterlohs Verhalten Hammelsbeck gegenüber mag auch von taktischen Erwägungen geleitet gewesen sein, die Alternative wäre doch aber – immer von Osterlohs Prämissen ausgehend – nur die gewesen, auf die Mitarbeit Hammelsbecks

206

Brief vom 28. 5. 1951 (EBD.). E. OSTERLOH, Schule und Kirche (1951), S. 382. Dass Osterloh übrigens selbst keineswegs ein sturer Verfechter der Bekenntnisschule um jeden Preis war, zeigte sich schon in zahlreichen Äußerungen aus seiner Oldenburger Zeit (dort noch relativiert durch den Umstand, dass die Bekenntnisschule unumstritten war), vor allem aber auch in seiner realistischen Einschätzung der Situation in Niedersachsen (vgl. oben S. 241, Anm. 126). 207

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ganz zu verzichten, nur um sich nicht dem Vorwurf der Taktiererei auszusetzen. Unabhängig von der Frage, ob das persönliche Verhältnis zwischen Osterloh und Hammelsbeck wirklich so schwarzweiß gezeichnet darzustellen ist wie bei Simon, deren Beantwortung zu einem guten Teil Ermessenssache sein mag, blendet Simon in seinen Ausführungen jedoch wichtige Zusammenhänge aus, obwohl er an anderer Stelle zum Teil selbst über sie referiert: a) Wie oben gezeigt, war das Verhältnis der Kanzlei zur Schulkammer bzw. zu Hammelsbeck schon weit vor Osterlohs Amtsantritt sehr gespannt208; die Zurückdrängung der Ansprüche, die Hammelsbeck mit dem Vorsitz der Schulkammer verband, war bereits Mitte 1949 durch die Festlegung des Rates bezüglich der Aufgaben der Kammern festgeschrieben worden und somit keinesfalls auf Osterlohs Einfluss zurückzuführen. Die Schulreferententagung von Fulda 1950 führte nur – zugegeben recht drastisch – vor Augen, wie dieser Ratsbeschluss umzusetzen war. b) Darüber hinaus war Widerstand gegen Hammelsbeck und seine schulpolitischen Initiativen kein Privileg der Kirchenkanzlei, und er setzte auch nicht erst 1948/49 ein, wie das Beispiel Hermann Ehlers’ zeigt, der zu dieser Zeit einer feindseligen Haltung der bruderrätlichen Linie gegenüber gewiss unverdächtig war: Hermann Ehlers beschwerte sich bereits am 4. April 1946 (sic !) in einem Brief an Heinrich Held209, Mitglied im Rat der EKD und in der Schulkammer, über einen Bericht, den Hammelsbeck dem Rat von einer inhaltlich sehr positiv verlaufenen kulturpolitischen Tagung des Rates der EKD mit kulturpolitischen Vertretern (vor allem der SPD) der britischen Zone erstattet hatte. In diesem Bericht war nach der Aussage Ehlers’ der Eindruck erweckt worden, die Kirchenvertreter hätten es sich zur Aufgabe gemacht, die auf der Tagung anwesenden Politiker „einmal etwas zurecht zu rücken“. Dies war unter anderem dem niedersächsischen Kultusminister Grimme zu Gehör gekommen, der – wie auch alle anderen anwesenden Politiker – daraufhin erklärte, an Tagungen mit Hammelsbeck nicht mehr teilnehmen zu wollen210. Ehlers monierte grundsätzlich: „Bruder Hammelsbecks Arbeit ist sehr anerkennenswert und er selbst setzt sich in der erfreulichsten Weise ein. Es scheint mir aber bei ihm manchmal die Gefahr vorzuliegen, daß alles, was er von sich gibt, gedruckt werden muß und ins Land hinaus geschickt werden muß.“ Ehlers beanstandete weiter, dass Hammelsbeck diese eigenen Veröffentlichungen „unter der Firma ‚Kammer für Schule und Erziehung des Rats der EKD‘“ erscheinen ließe und damit die Kompetenzen der Kammer – gerade im Blick auf die anderen Kammern der EKD – deutlich überschreite211. Man sieht: Der Vorwurf, dass

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Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 53–56; vgl. auch oben S. 226–229. AELOKR OLDENBURG, A XIII-10. Aus diesem Brief auch die folgenden Zitate. 210 Vgl. zu diesem Vorgang: S. MÜLLER-ROLLI, Schulpolitik, S. 412–417. 211 Als Beispiel nannte Ehlers den Aufsatz „Politischer Katechismus – Evangelische Kirche und öffentliches Leben“ (Weser-Kurier, 9. 2. 1946) und fügte hinzu: „Ich sehe nicht ganz ein, daß die Aufgabe, einen politischen Katechismus herauszugeben, der Kammer für Schule und Erziehung zukommt. Prof. Gerhard Ritter, Freiburg, als Leiter der Kammer für politische Arbeit der EKiD hat diesen Vorgang wohl 209

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die Kammer unter der Leitung Hammelsbecks ihre Kompetenz überschreite, war fast so alt wie die Kammer selbst! Ein weiterer Beleg dafür, dass dieser Vorwurf keineswegs völlig aus der Luft gegriffen war und auch nicht einseitig von der Kanzlei, geschweige denn von Osterloh ausging, um damit Hammelsbeck „auszuschalten“, dürfte auch in der Haltung des Reichsbruderrates zu sehen sein; dessen fehlende Unterstützung Hammelsbecks anlässlich seines Rücktritts und der darauf folgenden Auflösung der Schulkammer im Mai 1955 registriert Simon zwar, zieht aus dieser Beobachtung aber keinerlei Schlüsse212. c) Weiter zu hinterfragen ist Simons Interpretation des Rücktrittsangebotes Hammelsbecks im Herbst 1949. Nannte man als offiziellen Grund den Konflikt vor allem mit der bayrischen Landeskirche um die Finanzierung der Schulkammer, steht für Simon fest, dass Hammelsbecks „zunehmende Isolierung“ der „Auslöser“ für dieses Rücktrittsangebot gewesen sei213. Als Beleg führt Simon an dieser Stelle die „stark voneinander abweichenden“ Referate Osterlohs und Hammelsbecks auf dem Essener Kirchentag an. Zur korrekten Einordnung sei daran erinnert, dass die Diskussionsveranstaltung im Anschluss an den Essener Kirchentag am 28. August 1950 stattfand, mithin rund zehn Monate nach dem Oktober 1949. Und Hammelsbeck war immer noch Vorsitzender der Schulkammer214! Zeitnah erschien Hammelsbecks Rücktrittsangebot im Lichte von Äußerungen, die Osterloh zu Papier brachte, übrigens anders begründet. Auslöser war hier der Versuch, die Zeitschrift „Der Evangelische Erzieher“, an der Hammelsbeck federführend beteiligt war, mit der neugegründeten Zeitschrift „Schule und Leben“ zusammenzuführen, über die Osterloh sich in einer Rezension215 lobend geäußert hatte216. Erwähnung finden sollte schließlich noch die erneute Rücktrittsdrohung Hammelsbecks aufgrund des Interviews, das im Anschluss an die Fuldaer Schulreferententagung der schulpolitischen Linie Ausdruck geben sollte: Hammelsbeck verwahrte sich damit gegen eine Äußerung des Interviews, zog seine Bedenken aber nach wenigen Tagen zurück und erklärte sich sogar mit der Veröffentlichung einverstanden, da diese ja nicht unter seinem Namen erfolgte217. Ernstzunehmende Rücktrittsangebote oder -drohungen sehen anders aus.

auch mit etwas schmerzlichem Lächeln zur Kenntnis genommen.“ (Brief Ehlers’ an Held vom 4. 4. 1946 [AELOKR OLDENBURG, A XIII-10]). 212 Vgl. CHR. SIMON, Kirchen, S. 60. 213 EBD., S. 57. 214 Auch inhaltlich erscheint es zweifelhaft, die in der Tat voneinander abweichenden Referate als Beleg für eine Isolierung Hammelsbecks zu werten, denn erstens war die Auswahl der Referenten und die Themenstellung ihrer Referate ja schon darauf angelegt, dass man nicht zwei mehr oder weniger identische Referate zu hören bekäme, und zweitens sollte man auch zur Kenntnis nehmen, wie Osterloh über diese Veranstaltung berichtete. Er verschwieg in seinem Referat die Differenzen zu Hammelsbeck nicht, notierte rückblickend über dessen Vortrag aber durchaus nicht negativ: „Hammelsbecks Vortrag stand stark unter dem Eindruck des Kirchentages, der für ihn ein großes, positives Erlebnis gewesen war […]. Zu den Fragen der Visitation und Vokation äußerte Hammelsbeck sich vorsichtig für die kirchliche Lösung werbend“ (Dienstreisebericht Osterlohs vom 30. 8. 1950, in: EZA BERLIN, 2/3585). 215 E. OSTERLOH, Rez. zu: Schule und Leben (1950). 216 Vgl. die entsprechenden Belege in: EZA BERLIN, 2/3585. 217 Vgl. oben S. 236.

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d) Dass Simon sich hier einseitig auf eine Art Fehde zwischen Osterloh und Hammelsbeck konzentriert, zeigt schon seine Einordnung der von ihm nicht bestrittenen Erfolge der Arbeit des Schulreferats der Kirchenkanzlei. Simon nennt die „in Gang gekommene überregionale Zusammenarbeit“, die „Tagungstätigkeit der Schulreferenten“, die „forcierte Sammlung evangelischer Eltern“, das publizistische Programm „der von Osterloh verantworteten schulpolitischen Tätigkeit der EKD-Kanzlei“ und resümiert: „Alle Vorgänge führten zur Verbesserung des informellen Austausches zwischen den landeskirchlichen Gremien und zur effizienten Zusammenarbeit unter dem Dach der EKD. Alles richtete sich aber auch gegen die Arbeit der Kammer […].“218 Dass die Kammer einer solchen „effizienten Zusammenarbeit“ bis dahin keine Aufmerksamkeit gewidmet hatte und die Einrichtung eines eigenen Schulreferats auch dadurch mitverursacht worden war, scheint Simon nicht weiter zu irritieren. Ebenso wenig zieht er Folgerungen aus dem Umstand, dass der dann unter Osterlohs Federführung erfolgte Aufbau einer solchen leistungsfähigen Zusammenarbeit notwendigerweise und unabhängig von aller Sympathie oder Antipathie der Beteiligten den Einfluss der bis dahin auf schulpolitischem Gebiet weitgehend allein tätigen Kammer schmälern musste.

Es mutet etwas merkwürdig an, wenn die von Simon selbst zugestandenen Erfolge des Schulreferats der Kanzlei auf einem Gebiet, auf dem zuvor Ähnliches offensichtlich nicht erreicht worden war, im gleichen Atemzug der Kanzlei zum Vorwurf gemacht werden, weil sie sich gegen die Institution richteten, die zuvor auf diesem Gebiet allein zuständig gewesen war. Nach solch einer Logik hätte nur völliges Nichtstun Osterloh vor dem Vorwurf geschützt, an Hammelsbecks Demontage zu arbeiten219! 218

CHR. SIMON, Kirchen, S. 44f. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass Simons Darstellung in diesem Abschnitt unter der Unklarheit seiner Belege sowie unter Widersprüchlichkeiten und unklaren Ereignisfolgen leidet. So protestierte auch nach Simon Hammelsbeck schon im Sommer 1949 gegen seine Zurückdrängung und wusste darum, dass die von der EKD gemachten Auflagen bezüglich seiner Rolle in der Öffentlichkeit und den Landeskirchen gegenüber seine Wirksamkeit „weitgehend außer Kraft setzten“ (EBD., S. 56). Im Folgenden war es nach der Darstellung Simons aber an vorderster Stelle Osterloh, der die Position der Schulkammer untergrub, den Konflikt suchte und Hammelsbeck erst isolierte, dann auch kontrollierte und ihn schließlich durch die eigene Präsenz in der Schulkammer dominierte (vgl. EBD., S. 57ff.). Es ist nur merkwürdig und wird von Simon nicht erklärt, dass Hammelsbeck unter diesen Umständen erst Mitte 1955, also gut zwei Jahre nach Osterlohs Ausscheiden aus der Kanzlei, zurücktrat, und das, obwohl Niemeier als Nachfolger Osterlohs angeblich „auf ein besseres Verhältnis zu Hammelsbeck und zu bruderrätlichen Kreisen hinarbeitete“ (EBD., S. 69)! – Die Nominierung Osterlohs (und später Niemeiers) zum Mitglied der Erziehungskammer, von Simon als Installation eines letzten Kontrollmechanismus’ interpretiert – nach entsprechenden Schritten im Jahr 1951, wo in der Kanzlei ein Kontrollausschuss installiert wurde, in dem aber Hammelsbeck selbst ebenfalls Mitglied war –, belegt er mit einem Schreiben der Kanzlei an Osterloh vom 19. 5. 1953 sowie Ratsprotokollen vom Mai bzw. September 1953, ohne darauf einzugehen, dass Osterloh zu diesem Zeitpunkt bereits Ministerialrat im Bonner Innenministerium war (vgl. EBD., S. 58, Anm. 5). Wenige Seiten vorher erwähnt Simon jedoch, dass Osterloh schon mit seiner Ernennung zum Schulreferenten zugleich Mitglied der Schulkammer wurde (EBD., S. 43). Ein „letzter Kontrollmechanismus“ kann dessen Mitgliedschaft in der Schulkammer also kaum gewesen sein. 219

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5.3 Familienpolitik und Eherechtsreform 5.3.1 Die Familie am Beginn der 1950er Jahre – bedroht durch die wirtschaftlich-sozialen Umstände und durch den Gesetzgeber? 5.3.1.1 Die „Krise der Familie“ in der Nachkriegszeit Es gab Ende der 1940er Jahre gute Gründe, von einer Krise der Familie zu reden. Nach Jahren der Diffamierung bürgerlicher und kirchlicher Werte und damit auch des klassischen bürgerlichen Familienideals zugunsten einer „Volksgemeinschaft“, zu der die Familien im Wesentlichen den Nachwuchs beizutragen hatten, dessen Erziehung und Formung ihnen aber zu einem möglichst frühen Zeitpunkt schon wieder abgenommen werden sollte220, rückten mit zunehmender Kriegsdauer immer mehr Männer, über zehn Millionen schließlich und unter ihnen natürlich besonders viele Familienväter mit noch kleinen Kindern, an die Front und kamen oft gar nicht, und wenn doch, dann vielfach erst Jahre nach Kriegsende aus der Gefangenschaft nach Hause. Hier aber hatten inzwischen Kinderlandverschickung und Bombenkrieg, Flucht, Vertreibung und Wohnungsnot die Familienbande empfindlich gestört, in sehr vielen Fällen auch zerrissen. Die Familie der unmittelbaren Nachkriegszeit war keine klassische Familie mehr. Oberhaupt war in der Regel die Mutter, die sich neben der Sorge um die Kinder und die tägliche Nahrung in Gestalt der „Trümmerfrau“ auch noch um den Wiederaufbau deutscher Städte verdient machte – also gleich mehrere klassische Männerrollen übernahm. Heimkehrende Männer, oft ohne jede Ausbildung in den Krieg gezogen und deshalb zunächst ohne große Aussichten auf eine gute Arbeit, kamen mit dieser Situation oft ebenso wenig klar wie die daheimgebliebenen Mütter und Kinder mit der Rückkehr des Vaters, der seine Rolle vorläufig nur bedingt ausfüllen konnte. In die Höhe schnellende Scheidungsraten waren die Folge221. Als weitere Symptome des „sittlichen Verfalls“ – vor allem auch von den Kirchen beklagt222 – galten die hohe Zahl unehelich geborener Kinder, die zahl220 Vgl. G. L. MOSSE, Alltag, S. 15f., 58–65, 285–319; F. JANKA, Gesellschaft, bes. 194–216, 239–261; L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie im Wiederaufbau, S. 51–59. 221 Vgl. R. SIEDER, Sozialgeschichte, S. 236–241; B. WILLENBACHER, Zerrüttung, S. 597–600; CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 39f.; A. VOGEL, Familie, S. 98f.; I. LANGER, Konsequenz, S. 260f. 222 Vgl. z. B. aus dem „Wort der außerordentlichen Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg vom 13. 2. 1947 (KJ 72–75, 1945–1948, S. 173–176): „Wir verschließen die Augen nicht davor, daß das Übermaß der Not nicht überall beten lehrt, sondern vielfach ‚in Verzweiflung und andere große Schanden und Laster‘ führt. Schon wuchern neues Unrecht und neue Schuld, Hunger und Not verführen zu Diebstahl und ungerechtem Erwerb. Die Zerstörung überkommener Ordnungen löst bei Ungezählten alle Bande der Sitte und des Anstandes. Jugend, die keinen Weg geordneter Arbeit vor sich sieht, verfällt

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reichen Beziehungen zwischen deutschen Frauen und Besatzungssoldaten und die vergleichsweise hohe Kriminalitätsrate unter Frauen und Jugendlichen223. Schon Anfang der 1950er Jahre aber war der negative Höhepunkt dieser Art von Krisensymptomen wieder überschritten. Die Scheidungszahlen gingen schon seit 1948 wieder zurück, die Zahl der unehelichen Geburten hatte sich schon seit dem negativen Höhepunkt 1946, der eng mit den tausendfachen Vergewaltigungen der letzten Kriegs- und ersten Nachkriegswochen zusammenhing, abwärts entwickelt, und mit der Verbesserung der Ernährungs- und sonstigen Lebensverhältnisse begann auch die Kriminalität von Jugendlichen und Frauen wieder zu sinken224. Allerdings – und dies dürfte in der Tat ein Hinweis auf einen tiefergehenden Wertewandel sein – blieben die Zahlen vor allem der unehelichen Geburten und der straffällig gewordenen Jugendlichen deutlich über denen der 1930er Jahre225. Trotzdem konnte von einer „Krise der Familie“ im Blick auf ihr Ansehen, auf ihre Werthaftigkeit und Attraktivität kaum noch die Rede sein. Gegenläufig bahnte sich sogar ein neuer Trend zur Familie an, die – mit ein bis zwei, höchstens drei Kindern, die Mutter zu Hause, der Vater am „Wirtschaftswunder“ arbeitend, dessen zunächst noch bescheidene, später dann gröin einen Nihilismus, in dem es kein Gewissen und keine sittliche Bindung mehr gibt“ (EBD., S. 175). Walter Dielhenn, Verfasser der ersten „Kirchliche[n] Statistik“, die nach dem Krieg im „Kirchlichen Jahrbuch“ veröffentlicht wurde, sah den Grund für den Anstieg der Ehescheidungszahlen nach dem Krieg im „demoralisierenden Einfluß des Krieges und seiner Folgen“; langes Getrenntsein der Eheleute und die beschriebenen Mangel- und Notsituationen hätten den Bestand der Ehen unterhöhlt, „die nicht von vornherein in einem tieferen religiösen oder sittlichen Verantwortungsbewußtsein gegründet waren“ (KJ 76, 1949, S. 593). Auch in der katholischen Kirche, die sich mit der Thematik intensiver auseinander setzte, sah man in erster Linie die „sittlich-moralische“ Bedrohung der Familien und besonders in der steigenden Zahl der Ehescheidungen das Indiz für eine Krise der Familie (vgl. unten S. 268). 223 Die Krisensymptome beschreiben zeitgenössisch H. SCHELSKY, Wandlungen, S. 17–25; F. OETER, Familienpolitik, 44–66. Vgl. M. NIEHUSS, Kontinuität, S. 318ff., 322f.; B. WILLENBACHER, Zerrüttung, S. 600–603; A. VOGEL, Familie, S. 99f.; CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 52f.; KJ 77, 1950, S. 480f. Aufschlussreich im Blick darauf, wie kirchlich geprägte Kreise damals mit der Problematik umgingen, ist das „Kirchliche Jahrbuch“: In der Rubrik „Aus der Bevölkerungsstatistik“ werden „Ehescheidungen“ und „Uneheliche Geburten“ im Unterpunkt „Aus der Kriminal- und Moralstatistik“ präsentiert, unmittelbar neben „Kriminalstatistik“ und „Selbstmorde“ (vgl. KJ 76, 1949, S. 584–597 [dort ohne „Uneheliche Geburten“]; KJ 77, 1950, S. 480–484; KJ 79, 1952, S. 488–494). 224 Die Kriminalität ging quer durch alle Bevölkerungsgruppen schon von 1948 auf 1949 um über 10% zurück, die Ehescheidungen sanken im gleichen Zeitraum von 87.013 auf 79.409, die Zahl der unehelichen Geburten, die 1946 bei 16,4 von 100 Lebendgeborenen lag, sank bis 1949/50 auf 9,3 bzw. 9,6 von 100 (alle Angaben nach: KJ 77, 1950, S. 480–484). Vgl. auch CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 56–59, und zur Statistik der Ehescheidungen CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 46–50. 225 Der Anteil der Jugendlichen an verurteilten Straftätern betrug 1933 3,3%, 1950 aber immer noch 7,1% im Bundesgebiet, in West-Berlin gar 12,7%. Die Quote der unehelich geborenen Kinder blieb bis 1952 relativ konstant bei etwa 9%, während sie 1939 bei nur 6,5% lag (Angaben nach KJ 79, 1952, S. 488–494).

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ßere Früchte sie erntete in Form von elektrischen Küchengeräten, später dem ersten Fernsehgerät und irgendwann dem ersten eigenen PKW – zum Klischee der 1950er Jahre werden sollte: Glücklich, davongekommen zu sein und nun sogar wieder bescheidenen Wohlstand zu genießen, ohne zutage tretende tiefere Gedanken über die Vergangenheit, und erst recht ohne politisches Engagement226. Die „Krise der Familie“ war in dieser Hinsicht also schon seit Ende der 1940er Jahre mehr in der Öffentlichkeit diskutiert als in der Realität vorhanden; es muss im Gegenteil von einer Stabilisierung der Familie in den frühen 1950er Jahren ausgegangen werden227 – jedoch mit einer gewichtigen Einschränkung: Die Zahl der Kinder pro Familie blieb deutlich unter dem Niveau der Vorkriegszeit, und hier war auch keine Trendwende in Sicht228.

226 Bei aller Kritik an der vermeintlichen Spießigkeit und Rückständigkeit dieses Familienbildes, dem gern vorgeworfen wurde und wird, es sei apolitisch, antiemanzipatorisch und diene der Zementierung eines konservativen Weltbildes, sollte bedacht werden, dass auch damals niemand gezwungen wurde, eine solche Familie zu gründen. Sie hatte sich aber in einer Zeit, in der nahezu alle anderen staatlichen und gesellschaftlichen Instanzen in Frage gestellt waren, als haltgebend erwiesen. So sprach zeitgenössisch Helmut Schelsky vom „Stabilitätsrest in unserer Gesellschaft“ (DERS., Wandlungen, S. 48; vgl. CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 57f.). Andererseits kam es durch die weitgehende Übernahme der in den Zeiten äußerer Not eminent wichtigen Rolle als Hauswirtschafterin und eine daraus folgende allgemeine Prestigeaufwertung ihrer Tätigkeit zu einer deutlichen Verbesserung der Stellung der Frau in der Ehe, die auf dem Weg zur Gleichberechtigung einen oft unterschätzten Stellenwert hatte (vgl. R. SIEDER, Sozialgeschichte, S. 241f.; B. WILLENBACHER, Zerrüttung, S. 606f.). Auch Angela Vogel muss bei aller Kritik an dem „Übermaß an Familienideologie und Sozialmoral“ in der Nachkriegsgesellschaft einräumen, „daß der Zwang zur Familie, Reprivatisierung und die Stabilitätsforderungen subjektiv nur von wenigen als repressiv wahrgenommen wurden“ (A. VOGEL, Familie, S. 102). 227 „Die ‚Institution Familie‘ hat sich gegenüber all diesen Belastungen als resistent erwiesen, mehr noch: die wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Unbillen der Nachkriegszeit, vielleicht auch die psychischen Belastungen, haben die Institution Familie gestärkt“ (M. NIEHUSS, Kontinuität, S. 322); vgl. L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 85–88; R. SIEDER, Sozialgeschichte, S. 241; A. JOOSTEN, Frau, S. 27; B. WILLENBACHER, Zerrüttung, S. 604; CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 78. 228 Zahlen für die Jahre 1948 bis 1952 im Vergleich mit 1938 bietet W. DIELHENN, Bevölkerungsstatistik, S. 482 (Tab. 3) und S. 484f.; Zahlen von 1946 bis 1974: CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 55. Aus einer Aufschlüsselung der Zahl der Ehescheidungen nach der Zahl der in den Ehen geborenen Kinder, die – wenig erstaunlich – zu dem Ergebnis kam, dass mit der Höhe der Kinderzahl die Häufigkeit der Scheidungen abnimmt, zog Dielhenn wenige Seiten später recht eindimensional den Schluss, „dass Kinder in der Ehe als Segen wirken“ (DERS., Bervölkerungsstatistik, S. 491), und meinte damit wohl, zwei Probleme zugleich lösen zu können. Zum Vergleich: Aus der Aufschlüsselung der Zahl der Ehescheidungen nach Konfessionszugehörigkeit, nach der auf rein evangelische Ehen doppelt so viel Scheidungen entfallen wie auf rein katholische (vgl. EBD., S. 491f.), zog Dielhenn nicht den Schluss, Katholizismus sei für die Ehe ein Segen.

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5.3.1.2 Art. 3,2 GG und die Folgen für das Ehe- und Familienrecht Bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates zum Grundgesetz229 hatte sich nach längerem Zögern eine Mehrheit dafür gefunden, den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der umfassendsten Form in den Katalog der Grundrechte aufzunehmen (Art. 3,2 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“)230. Dem Zögern vor der Aufnahme korrespondierte die Tatkraft bei der Umsetzung dieses Grundrechts. In Art. 117,1 GG hatte man dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 1953 eingeräumt, innerhalb der das Art. 3,2 GG entgegenstehende Recht angepasst werden musste. Und da gab es gerade im Bereich des Ehe- und Familienrechtes eine Menge anzupassen, hatte doch die alliierte Besatzungsmacht per Kontrollratsdekret das alte BGB-Familienrecht – gereinigt von expliziten NS-Bestimmungen – 1946 wieder in Kraft gesetzt. Festgeschrieben waren hier das generelle Entscheidungsrecht des Mannes in allen Fragen, die das gemeinsame Leben der Eheleute betrafen, der väterliche „Stichentscheid“ und die „Alleinvertretungsmacht“ des Vaters (§§ 1353ff., 1627ff. BGB)231. Dass solche Bestimmungen mit Art. 3,2 GG in der schließlich angenommenen Form nicht vereinbar waren, war den Abgeordneten schon während der Beratungen des Parlamentarischen Rates klar – und es war ein Argument der Gegner der Aufnahme dieses Artikels, zumeist aus Reihen von CDU und CSU232. Die 1949 gewählte Regierungskoalition, der diese Parteien federführend angehörten, beeilte sich nun auch keineswegs, der ihr auferlegten Verpflichtung nachzukommen233. Im Herbst 1952 wurde ein erster Regierungsentwurf für ein Gleichberechtigungsgesetz vorgelegt, das in vielen Punkten Verbesserungen, aber keine einschneidende Änderung der rechtlichen Dominanz des Mannes in der Ehe vorsah234. Die Beratung im Rechtsausschuss, an den der 229

Vgl. T. ESCHENBURG, Jahre, S. 483–509; M. F. FELDKAMP, Der Parlamentarische Rat. Der Weg zur Aufnahme dieser Formulierung in das Grundgesetz ist ausführlich dargestellt bei A. JOOSTEN, Frau, S. 18–23; vgl. K.-J. RUHL, Hierarchie, S. 31f.; I. LANGER, Konsequenz, S. 262f. (dort konzentriert auf die Rolle Elisabeth Selberts, die den entsprechenden Antrag einbrachte). 231 Vgl. H. ALTMANN, Lehre, S. 16f.; A. JOOSTEN, Frau, S. 62; I. LANGER, Konsequenz, S. 263. 232 Dieser Einwand begegnete der Initiatorin des Antrags, Elisabeth Selbert, auch in der eigenen SPDFraktion, die den Antrag schließlich aber doch unterstützte (vgl. I. LANGER, Konsequenz, S. 262). 233 Zum Verlauf der Beratungen vgl. F. UTZ, Preuße, S. 441–444, bes. S. 444, Anm. 25. 234 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. DRUCKSACHEN, 1. WP, Nr. 3802. Sowohl die letzte Entscheidungsgewalt des Mannes in Fällen, in denen keine Einigung der Eheleute erzielt werden konnte, der sog. Stichentscheid (§ 1354 des Entwurfs), als auch die Vertretung der Kinder (§ 1629) verblieben nach diesem Entwurf beim Mann; das Recht zu einer Erwerbstätigkeit wurde zwar auch der Frau zugesprochen, aber nur soweit eine solche mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war (§ 1356). Zur Abstimmung dieses Entwurfs mit Vertretern der Kirche vgl. unten S. 269–281. Zur Einflussnahme des Kabinetts, insbesondere Adenauers, auf die erneute Aufnahme des § 1354 in der dargestellten Form, gegen die Justizminister Dehler und sein Staatssekretär Strauß erhebliche Bedenken angemeldet hatten, vgl. ebenfalls unten S. 280. 230

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Bundestag den Entwurf überwies, verzögerte sich, so dass bis zum Ende der ersten Legislaturperiode kein Gesetz verkündet werden konnte. Der Versuch der Regierung, die Frist zur Umsetzung der Grundgesetzbestimmung zu verlängern, scheiterte im Bundestag am Nein von SPD und KPD, ohne deren Stimmen die für eine Grundgesetzänderung nötige Zweidrittelmehrheit nicht zu erreichen war235. So sah sich das Verfassungsgericht schon damals genötigt, der Politik den Weg zu weisen, und erklärte am 18. Dezember 1953 unter dem Vorsitz der zu dieser Zeit einzigen Richterin, Erna Scheffler, Art. 3,2 GG zu einer „echten Rechtsnorm“, an der sich die nachgeordneten Gerichte zu orientieren hätten, auch wenn das übrige Gesetzeswerk noch nicht angepasst sei. Mann und Frau waren nach diesem Spruch der Verfassungsrichter rückwirkend zum 1. April 1953 auch in Ehe und Familie gleichberechtigt. Allerdings nahmen die Richter Differenzierungen, die auf der Unterschiedlichkeit von Lebensumständen beruhten, vom Differenzierungsverbot aus und bezogen sich in den Erläuterungen dazu auf die klassische Rollenverteilung in der Ehe: Der Mann sorgt für den Unterhalt durch Erwerbstätigkeit und Barmittel, die Frau durch Haushaltsführung und Sorge für die Kinder236. Im Januar 1954 brachte die Regierungskoalition den Gesetzesentwurf vom Oktober 1952 erneut und ohne Änderungen in den Bundestag ein237. In der äußerst kontroversen Debatte vom 12. Februar 1954 verteidigten Koalitionspolitiker den Entwurf und die nach wie vor darin vorgesehene rechtliche Besserstellung des Mannes mit dem ebenfalls durch das Grundgesetz festgelegten Schutz der Familie, den sie ohne diese Festschreibung väterlicher Autorität gefährdet sahen238. Nach sich erneut lange hinziehenden weiteren Beratungen in den Ausschüssen239, in denen im Blick auf die Gleichberechtigung auch in Ehe- und Familienangelegenheiten weitere Verbesserungen erzielt werden konnten, wurde das Gesetz am 3. Mai 1957 in dritter Lesung verabschiedet240. Die immer noch in ihm enthaltenen Bestimmungen, dass der 235

Vgl. A. JOOSTEN, Frau, S. 46; I. LANGER, Konsequenz, S. 263. Vgl. K.-J. RUHL, Hierarchie, S. 38f.; I. LANGER, Konsequenz, S. 264. 237 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. DRUCKSACHEN, 2. WP, Nr. 224. 238 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 2. WP, 15. Sitzung, 12. 2. 1954. Eine Zusammenfassung der Debatte mit prägnanten Zitaten findet sich bei: I. LANGER, Konsequenz, S. 265–269. Vgl. H. DRUMMER/J. ZWILLING, Elisabeth Schwarzhaupt, S. 82f. Auch in den Beratungen einer eigenen Arbeitsgruppe der Tagung des Evangelischen Arbeitskreises in Wuppertal (11. bis 13. 7. 1954) unter der Leitung von Walter Strauß ergab sich eine weitgehende Unterstützung der Regierungsposition (vgl. W. STRAUSS, Familienrechtsprobleme). Osterloh war auf der Tagung anwesend, gehörte aber einer anderen Arbeitsgruppe an (vgl. unten S. 396f.). 239 Zum Verlauf vgl. K.-J. RUHL, Hierarchie, S. 40f.; H. DRUMMER/J. ZWILLING, Elisabeth Schwarzhaupt, S. 83f.; F. UTZ, Preuße, S. 459–464, 467ff. Zu der in dieser Zeit weiter unklaren Rechtssituation vgl. H. CONRAD, Grundprobleme. 240 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 2. WP, 206. Sitzung, 3. 5. 1957; BUNDESGESETZBLATT 1957, Teil I, S. 609–640. 236

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Stichentscheid in Erziehungsfragen das Recht des Vaters sei und dieser auch das Alleinvertretungsrecht nach außen habe, wurden aufgrund einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht von diesem als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und daher nichtig erklärt241.

5.3.2 Der Schutz der Familie als Anliegen der Kirche Die Hochschätzung der Familie gehört seit jeher zu den grundlegenden Maximen christlicher Ethik, allerdings in konfessionell unterschiedlicher Ausprägung. Die katholische Kirche entwickelte eine „geschlossene Auffassung und Lehre von der Familie als Erziehungsgemeinschaft“, ausformuliert in der Enzyklika „Divini illius magistri“ vom 31. Dezember 1929, nach der die Familie ein Naturrecht auf die Erziehung ihrer Kinder hat, in der Staat und auch Schule nur eine subsidiäre Stellung einnehmen242. Die zeitgenössische evangelische Ethik dagegen sah in der Familie eine auf Gottes Ordnung beruhende, aber immer gesellschaftlichen Wandlungen unterworfene Lebensform. Ehe und Familie werden „als besondere Gemeinschaftsbereiche stärker gegeneinander abgegrenzt“243, wobei die Ehe durch ihren Bezug zur Christusbeziehung (vgl. Eph 5,22–33) traditionell als der Familie mit ihrer nur abgeleiteten Dignität vorgeordnet erscheint. Die Ehe ist es denn auch, um die sich beispielsweise im Abschnitt „Die Familie“ der 1949 in deutscher Übersetzung erschienenen Ethik des dänischen Lutheraners Niels Hansen Søe eigentlich alles dreht244. Auf 29 Seiten finden sich genau ein Absatz über die Bedeutung der Familie als Ziel der Ehe für die Allgemeinheit245 und eine dreiviertel Seite über die Familie als „das natürliche Heim der Kinder“246. Dass diese Beobachtung 241

Vgl. F. UTZ, Preuße, S. 470; I. LANGER, Konsequenz, S. 269; K.-J. RUHL, Hierarchie, S. 42. DH 3685–3690. Einen informativen Überblick über die katholische Familienlehre bietet B. STREITHOFEN, Familie. Vgl. G. NIEMEIER, Art. „Familie. IV.“, Sp. 869f. 243 E. WILKENS, Art. „Familie. III.“, Sp. 1260. 244 N. H. SØE, Ethik, S. 288–317. 245 Vgl. EBD., S. 304. Hier führt Søe den Gedanken aus, dass die Ehe von vornherein „ein sozialer Faktor von größter Reichweite“ sei, denn die Allgemeinheit sei „aufs stärkste daran interessiert, welcher Art die Familien sind, die gegründet werden“, „nicht nur um des heranwachsenden Geschlechtes willen, sondern auch unabhängig von dieser besonderen Frage“. 246 EBD., 309. – Der reformierte Alfred de Quervain verwies zur Begründung seiner Vorsicht bei der Verwendung des Begriffes Familie auf die „Theologie der Familie bei Wilhelm Heinrich Riehl“, die ein solches Maß an Popularität erlangte, dass sie auch unter denen verbreitet sei, „die den Namen Riehl nicht kennen“. In Wirklichkeit habe es sich dabei aber nicht um evangelische Theologie gehandelt, sondern um „Sozialphilosophie“ (A. DE QUERVAIN, Ehe, S. 143; zu Riehl vgl. K. FUCHS, Art. „Riehl, Wilhelm Heinrich von“). De Quervain benutzte darum im 1953 erschienenen Teilband seiner Ethik den „biblische[n] und dann reformatorische[n] Begriff“ „Haus“ (EBD.), der in seiner Bedeutung aber über 242

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nicht auf den vorgestellten Fall zu beschränken ist, zeigen die Worte, mit denen Heinz-Dietrich Wendland wenige Jahre später seinen Aufsatz „Familie, Gesellschaft und Gemeinde in der Sicht der evangelischen Sozialethik“ einleitete: „Es ist ein merkwürdiger Tatbestand, daß die evangelische Kirche und Theologie in den letzten Jahrzehnten eine Flut von Literatur über Ehe und Ehekrisen, über Liebe, Eros und Sexualität hervorgebracht haben, nicht jedoch eine Lehre von der Familie als gesellschaftlicher Institution. Diese Schwäche wirkt um so auffallender, als in derselben Kirche die Hochschätzung der Familie zu den grundlegenden ethischen Traditionen und Selbstverständlichkeiten gehört, und daher in zahllosen Abwandlungen die alte Lehre weitergegeben wird, daß die Familie ‚Keimzelle‘ oder der Mutterboden oder der Ursprung der menschlichen Gesellschaft sei. Meistens jedoch bleibt dieser Satz in seiner prinzipiellen Allgemeinheit stehen.“247

Es verwundert kaum, dass es aus dem katholischen Raum schon seit der unmittelbaren Nachkriegszeit eine Fülle von Hirtenbriefen und anderen Äußerungen vor allem zur „sittlich-moralischen“ Bedrohung der Familie gab, als deren wichtigstes Indiz die hohe Zahl der Ehescheidungen galt248. Evangelische Äußerungen, in denen dieselben Zustände beklagt wurden, bezogen sich dagegen in aller Regel auf den Einzelnen oder auf die Jugend, während die Familie als Einheit seltener Erwähnung fand249. Interessant, dass dies sich zu ändern begann, als die eigentliche, auch soziologisch nachweisbare „Krise“ der Familie im Schwinden war, mit Beginn der 1950er Jahre. Beide Kirchen lenkten die Aufmerksamkeit nun auf den Rückgang der Kinderzahlen und beklagten die von ihnen als dessen Ursache ausgemachten gesellschaftlichen und materiellen Rahmenbedingungen, unter denen Familien zu leben hatten. Auf dem Kirchentag 1950 in Essen gab es erstmals eine eigene Arbeitsgruppe „Rettet des Menschen Familie!“, in deren Entschließung es hieß: „Die Familie ist in Gefahr: Eheleute brechen die Treue, Kinder verlernen den Gehorsam, die Verantwortung schwindet gegenüber dem werdenden Leben.“250 Von Staat und Gesellschaft wurde vor allem materielle Hilfe gefordert: „Vorrang des sozialen Wohnungsbaues und Zusammenführung der Familien, neue Arbeitsstellen statt Überstunden und Sonntagsarbeit, Lohn-, Preis- und Steuergestaltung, die eine Gründung und Erhaltung von Familien ermöglicht.“251 Das Anliegen dieser Arbeitsgruppe des Kirchentages wurde aufdas, was modern unter Familie zu verstehen ist, weit hinausgeht. Unbefangener und ausführlicher operierte dann Helmut Thielicke in seiner voluminösen Ethik mit dem Begriff „Familie“; der entsprechende Teilband erschien in erster Auflage allerdings erst 1964 (H. THIELICKE, Ethik, Bd. 3, S. 75–107). 247 H.-D. WENDLAND, Familie, S. 284. 248 Vgl. L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 59–65. 249 Vgl. oben S. 262f., bes. Anm. 222. Eine Ausnahme stellt dar: F. LANGENFASS, Krisis. 250 KJ 77, 1950, S. 20. 251 EBD.

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gegriffen und weiter diskutiert, unter anderem auf der 3. Arbeitstagung des Laientages Berlin-Brandenburg im November 1950, die unter dem Gesamtmotto „Familie in Not“ stand252. Hier trafen sich katholische und evangelische Bestrebungen253, die vor allem in den Monaten vor der Bundestagswahl 1953 intensiviert wurden254 und schließlich einen wesentlichen Anstoß zur Gründung des Familienministeriums gaben255.

5.3.3 Die Kirche und die Gleichberechtigung – vom schwierigen Ausgleich zwischen Recht und Tradition In der evangelischen Kirche war die Brisanz des Art. 3,2 GG früh erkannt worden, und dessen Auswirkungen auf das Ehe- und Familienrecht wurden ebenso diskutiert wie die Frage, ob er sich mit dem christlichen Ehe- und Familienverständnis in Einklang befinde. Ort dieser ersten Beratungen war die Evangelische Forschungsakademie „Christophorus-Stift“ in Hemer (Westfalen), aus der sich 1958 die Forschungsstelle der Evangelischen Studiengemeinschaft (FeSt) in Heidelberg entwickelte. Unter der Leitung von Prof. Friedrich Schumann pflegte man hier schon seit 1948 den Dialog mit anderen Disziplinen256. Dem 1949 in Hemer gebildeten „Ausschuß für Grundfragen des Rechts“ gehörte auch Walter Strauß an, bald darauf Staatssekretär im neu gebildeten Bundesministerium für Justiz257. Durch diese personelle Verbindung wurde die Weiche gestellt dafür, dass es während der Ausarbeitung des neuen Ehe- und Familienrechts zu einem intensiven Austausch zwischen Ministerium und evangelischer Kirche kam. Der „Ausschuß für Fragen des Ehe- und Familienrechtes“ tagte in Hemer fortan als 252

Vgl. B. GRELL, Familie. Für die katholische Seite vgl. z. B. die Einleitungsworte, die Staatssekretär Krehle zur 3. Katholischen Sozialen Woche in München 1951 fand: „Familienproblem – das ist Elternproblem, ist Jugendproblem, ist Wohnungsproblem, ist Arbeits- und Lohnproblem, ist Altersproblem, ist Steuerproblem, ist Wirtschaftsproblem, ist gesellschaftliches und staatspolitisches Problem, ist religiöses, seelsorgerliches Problem“ (DIE FAMILIE, IHRE KRISE UND DEREN ÜBERWINDUNG, S. 5). 254 Vgl. L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 417–420. Eingaben des Rates der EKD an die Bundesregierung sind abgedruckt: KJ 80, 1953, S. 9–12; EvW 7, 1953, S. 171f.; INLL 2, 1953, S. 78f. Zur publizistischen Unterstützung vgl. z. B. die Artt. „Kinder sind kein Privatvergnügen! Darum muß das Wohl der Familie die Sorge aller sein“ (Sbl., Nr. 23, 7. 6. 1953); M. DONATH, Bundestag. Vgl. auch H. RANKE, Familie. 255 Vgl. unten S. 357f. 256 Die Mitglieder dieser Forschungsakademie wurden berufen; zur hier geschilderten Zeit gehörten ihr neben ihrem Leiter, dem Theologen Schumann u. a. der Jurist Hans Dombois, der Historiker Wilhelm Schüssler und der Naturwissenschaftlicher Günter Howe an (vgl. J.-F. MOES, Hans Dombois; F. UTZ, Preuße, S. 445). 257 Vgl. F. UTZ, Preuße, S. 445f. 253

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offizielles EKD-Gremium, an dessen Beratungen nun auch ein Vertreter der Kirchenkanzlei – in der Regel Osterloh oder Ranke – teilnahm. Schon im Juli 1950 war eine juristische Denkschrift an alle Kirchenleitungen der EKD, an die zuständigen Bundesministerien, das Bundesgericht und sämtliche theologischen und juristischen Fakultäten der Bundesrepublik versandt worden. So sollte sichergestellt werden, dass vor allem „das Bundesjustizministerium für seine Bearbeitung der Frage in einer frühen Phase Material von evangelischer Seite erhielt“258. Die weiteren Beratungen in Hemer litten darunter, dass eine lang angekündigte erste Denkschrift des Justizministeriums zu den mit Art. 3,2 GG verbundenen rechtlichen Veränderungen erst im März 1951 erschien. Diese von Oberlandesgerichtsrätin Maria Hagemeyer verfasste Schrift listete zunächst die von der Durchsetzung des Gleichberechtigungsprinzips betroffenen Gebiete der Rechtsprechung auf und benannte damit die Themen, die den politischen Entscheidungsprozess und auch die Diskussionen innerhalb der evangelischen Kirche prägen sollten. Im zentralen Punkt des § 1354 BGB („Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung. Die Frau ist nicht verpflichtet, der Entscheidung des Mannes Folge zu leisten, wenn sich die Entscheidung als Mißbrauch seines Rechtes darstellt.“) tendierte die Denkschrift zur Einschaltung einer neutralen Stelle, die in Zweifelsfragen zu entscheiden hätte; eine Beibehaltung der BGB-Bestimmungen hielt sie für verfassungswidrig259. Ein etwas später erscheinender zweiter Teil der Denkschrift befasste sich mit dem Güterrecht, das im Weiteren kein großes Problem bergen sollte, der dritte und abschließende Teil behandelte die elterliche Gewalt. Hier plädierte die Autorin für ein gemeinsames Sorgerecht und für eine Entscheidungsbefugnis des Vormundschaftsgerichts im Falle unüberbrückbarer elterlicher Differenzen260. Der erste vorliegende Teil der Denkschrift wurde bereits im April 1951 in Hemer beraten. Die Runde, zu der neben Ranke und Osterloh unter anderem die Juristen Karl A. Bettermann und Hans Dombois sowie Günter Howe gehörten, monierte grundsätzlich das Fehlen jeder grundsätzlichen Entscheidung in der Denkschrift, die lediglich einen Überblick biete und sich bei der Suche nach einer Lösung an „den Weg der vermutlich parlamentarisch durchzusetzenden

258

Zit. einen Bericht Schumanns „über die Arbeit an der Frage der kommenden Änderung des Eheund Familienrechts“ vom 2. 3. 1951 (siebenseitige Anlage eines Briefes Schumanns an Osterloh vom 9. 3. 1951), S. 2 (EZA BERLIN, 2/4345). Verfasser der o. g. Denkschrift, die „wegen zeitbedingter Schwierigkeiten“ nicht gedruckt werden konnte, war Landgerichtsrat Karl A. Bettermann (vgl. FAMILIENRECHTSREFORM, S. 7). 259 Vgl. F. UTZ, Preuße, S. 442f. 260 Vgl. EBD., S. 443f.

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Mitte“ halte261. Bei der Ausgestaltung des § 1354 BGB votierte man gegen eine richterliche Entscheidungsstelle und tendierte zu einer ersatzlosen Streichung des Paragraphen. Wichtiger noch war die grundlegende Entscheidung, die Umsetzung der Gleichberechtigungsvorschriften für den Bereich Ehe/Familie von Art. 6 her zu interpretieren, in dem Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates gestellt werden. Vor der für den Juni 1951 anberaumten nächsten Sitzung sollte Karl-Heinrich Rengstorf, Professor für Neues Testament in Münster, um ein Gutachten zu den neutestamentlichen Aussagen über die Ehe und das Eherecht gebeten werden. Außerdem wurde vereinbart, den Versuch zu unternehmen, für die evangelischen Gesichtspunkte unter den Parlamentariern verschiedener Bonner Parteien (auch denen der SPD!) Verständnis und gegebenenfalls Unterstützung zu gewinnen262. Auf der folgenden Tagung in Hemer, am 16./17. Juni 1951, an der Osterloh nicht teilnahm, wohl aber Ministerialdirektor Dr. Petersen vom Bundesjustizministerium, übermittelte dieser den Wunsch der „staatlichen Organe“, „von der Kirche zu erfahren, an welchen Punkten die Vorschläge des Bundesjustizministeriums die Zustimmung und eventuell den Widerspruch finden würden“263. Einig war man sich darin, dass es nicht um möglichst konkrete Formulierungen ging, sondern um die grundsätzliche Darlegung des Eheverständnisses der evangelischen Kirche. Eine Vorlage für den Rat der EKD sollte von einer kleineren Arbeitsgruppe vorbereitet werden, für die neben Schumann, Ranke und Rengstorf auch Osterloh als Teilnehmer vorgeschlagen wurde264. Ihn bat Dombois in einem Schreiben vom 24. Juli für die nächste Sitzung im September um die Übernahme des systematisch-theologischen Referats; nach Rücksprache mit Brunotte sagte Osterloh zu265. Die Arbeitsgruppe tagte vom 8. bis 10. September 1951 in Hemer. Am späten Abend des 8. September – man war erst zwischen 21 und 22 Uhr zusammengekommen – kam es im Beisein von Anna Paulsen und Schumann zu einer kontroversen Diskussion zwischen Osterloh und Rengstorf über dessen Referat vom Juni. Nach Osterlohs Meinung neigte Rengstorf dazu, die Ermahnungen an die Frauen, sich unterzuordnen, besonders Eph 5, 1, Petr 3 und 1. Tim 2, als „apostolische autoritative Aussagen zum Maßstab für eine christliche Lehre von den

261 Dienstreisebericht Osterlohs vom 17. 4. 1951 über die Beratungen in Hemer am 14./15. 4. 1951 (EZA BERLIN, 2/4345). 262 Vgl. EBD. 263 Aktenvermerk vom 20. 6. 1951 über die Sitzung des Ausschusses für Fragen des Ehe- und Familienrechtes am 16./17. 6. 1951 in Hemer, in: EZA BERLIN, 2/4345. 264 Vgl. EBD. 265 EBD. In seiner Antwort vom 26. 7. 1951 (EBD.) äußerte Osterloh zunächst Bedenken, weil er selbst kein Systematiker war.

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Strukturelementen der Ehe zu nehmen“266, was Osterloh mit Hinweis auf den in den Bekenntnisschriften geübten Gebrauch der Schrift zurückwies. Ergebnis des Gesprächs war die gemeinsame Einsicht, dass man „die bisher im BGB vertretene positive Rechtsordnung der Ehe nicht unmittelbar mit biblischen Aussagen begründen“ kann267. Osterloh hatte in seinem eigenen „Theologische[n] Beitrag zur Diskussion“268 nach einer kurzen Besinnung über das zur Frage stehende Problem sehr umfangreich den Befund der lutherischen Bekenntnisschriften erhoben, bevor er unter Verweis auf das den Barmer Thesen zugrunde liegende Schriftverständnis und das in Barmen V dokumentierte Verständnis vom Staat und seinen Aufgaben zu dem Schluss kam, „daß das Problem der Rechtsbeziehung zwischen Mann und Frau innerhalb der Ehe auf keinen Fall zum status confessiones werden kann“269. „Unveränderliche Strukturmerkmale der Ehe“ seien lediglich: „gegliederte Schicksalseinheit, Lebensdauer, gemeinsame einheitliche Verantwortung für die Entwicklung der Kinder“270. Die einheitliche Repräsentanz der Ehe nach außen gehöre zwar auch zum unveränderlichen Wesen der Ehe, nicht aber die Entscheidung darüber, welcher der Ehepartner diese Aufgabe übernehme, oder ob sie überhaupt immer nur von einem der beiden übernommen werden müsse271. Das Symptom der „akuten Ehekrise“, die hohen Scheidungszahlen, führte er zurück auf das mangelnde Bewusstsein der Partner dafür, „was die Ehe, in der sie zu leben vermeinten, hätte bedeuten und darstellen können“. Die Erkenntnis dessen, „was die Ehe ihrem Wesen nach“ sei und für den Menschen bedeuten könne, gehe immer weiter verloren, und dagegen erscheine die Regelung rechtlicher Einzelfragen, „auch die Frage nach dem Entscheidungsrecht des Mannes“ lediglich „oberflächlich und secundär“272. Osterlohs „unverbindliche Vorschläge“ zur Lösung einiger Probleme – Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung darüber, wer über welche zentralen Fragen letztlich zu entscheiden hat; dementsprechend Fortfall des alleinigen Entscheidungsrechtes des Mannes; gesetzliche Sicherung, „daß die Ehe in bestimmten Zusammenhängen jeweils nur von einem Ehepartner nach vorheriger Vereinbarung als Repräsentant der 266 Dienstreisebericht Osterlohs vom 12. 9. 1951 über die Beratungen vom 8.–10. 9. 1951 (EBD.), S. 1. Zu Rengstorfs Methode und seinen Ergebnissen vgl. K. H. RENGSTORF, Mann. 267 Dienstreisebericht Osterlohs vom 12. 9. 1951... (EZA BERLIN, 2/4345), S. 1. 268 E. OSTERLOH, Theologischer Beitrag (Typoskripte). Das unveröffentlichte Referat Osterlohs wird als anschauliches Beispiel seiner Arbeitsweise in solchen Zusammenhängen im Dokumentenanhang (Dokument Nr. 8 [S. 578–585]) wiedergegeben, die Seitenangaben der hier zitierten Stellen beziehen sich auf die – auch im Abdruck nachvollziehbare – Originalpaginierung. 269 EBD., S. 7. 270 EBD., S. 9. 271 Vgl. EBD. 272 EBD., S. 9f.

Familienpolitik und Eherechtsreform

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Ehe vertreten werden kann“273 – wurden schon in den Beratungen von Hemer, an denen zeitweise auch Ulrich Scheuner und Günter Howe teilnahmen, modifiziert. Man dachte nun darüber nach, den Ehepartnern nach erfolgter Eheschließung eine Wahlmöglichkeit einzuräumen zwischen der Übernahme einer im Eherecht gegebenen positiv rechtlichen Regelung oder der Abgabe einer eigenen Erklärung über das Entscheidungsrecht in einzelnen Fragen274. In den abschließenden Überblick über die Ergebnisse der theologischen und juristischen Überlegungen flossen nach Aufnahme einiger Gedanken aus Osterlohs systematisch-theologischem Referat auch andere Gesichtspunkte ein, und die zeigten, dass man sich im Gespräch von der relativen Offenheit auch Neuerungen gegenüber, wie sie das Osterlohsche Referat nahe legte275, mehr in Richtung Beharrung bewegt hatte, mit Argumenten bzw. Behauptungen, die man schwerlich wissenschaftlich nennen kann: „Obwohl zu urteilen ist, daß 1. Mose 3,16 sich auch in matriarchalischen Zuständen durchsetzen würde, muß geurteilt werden, daß eine Förderung matriarchalischer Unterströme gegen eine öffentlich anerkannte patriarchalische Eheordnung eine Bedrohung der gegenwärtigen Gestalt der Kultur und des geschichtlichen Lebens überhaupt darstellt […]. Obwohl eine lehrmäßig dogmatische Aussage über das Rechtsverhältnis des Mannes zur Frau in der Ehe nicht gemacht werden kann, muß um der Liebe willen gegenwärtig geurteilt werden, daß die Ehe grundsätzlich – bei selbstverständlicher Voraussetzung letzter Bemühungen um gemeinsame Willensbildung – vom Manne repräsentiert wird […]. Für die Rechtsfolgerung wird es als möglich gesehen, eine Streichung des § 1354 […] stillschweigend geschehen zu lassen, während es als notwendig erscheint, im allgemeinen an dem Entscheidungsrecht des Mannes in Erziehungsfragen festzuhalten.“276 273 EBD., S. 10f. – Ähnlich auch E. OSTERLOH, Gleichberechtigung (1952): „Nach unserer Überzeugung sollte man bei dem Recht und den Formalitäten der standesamtlichen Eheschließung einsetzen. Dieser häufig erschreckend inhaltslose Akt könnte die Eheschließung [sic! Zu korrigieren in: Eheschließenden, P.Z.] zu einer heilsamen Besinnung führen, wenn er von ihnen verlangen würde, rechtsverbindliche Erklärungen darüber abzugeben, wer in der Ehe im Konfliktsfall z. B. über den Wohnsitz, über das Vermögen, über den Vornamen der Kinder und über die Schulerziehung der Kinder das Entscheidungsrecht haben soll“ (EBD., S. 97). 274 Vgl. Dienstreisebericht Osterlohs vom 12. 9. 1951 über die Beratungen vom 8. bis 10. 9. 1951 (EZA BERLIN, 2/4345), S. 3. 275 So fand das Referat Osterlohs nicht die ungeteilte Zustimmung z. B. Ulrich Scheuners, der ihm – ausgehend davon, dass er sich „so sorgsam hinter dem Schutz und Schirm der Barmer Thesen“ verberge – vorwarf, er füge sich „natürlich in voller theologischer Aufrichtigkeit“ stark „den Zeitgeschehnissen“ an. Ranke hatte Scheuner Osterlohs Referat zur Verfügung gestellt und Osterloh, der aufgrund der Vorläufigkeit und Ungeschütztheit seiner Thesen gar nicht davon begeistert war, dessen Ansicht brieflich mitgeteilt (vgl. Brief Rankes an Osterloh vom 10. 10. 1951 [EZA BERLIN, 2/4346]; Antwort Osterlohs vom 25. 10. 1951 [EZA BERLIN, 2/1347, Bl. 112]). 276 Dienstreisebericht Osterlohs (vgl. oben Anm. 274), S. 2f.

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Dass solche Gedanken aber auch Osterloh keineswegs fremd waren, zeigen Aussagen von ihm an anderer Stelle, etwa im Aufsatz „Dem Manne untertan!“277. Dort bezeichnete er es als „selbstverständlich“, alle Bestimmungen zu ändern, die eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Frau bewirken, das Eherecht ihren veränderten Lebensverhältnissen, zum Beispiel der verstärkten Berufstätigkeit, anzupassen und ihren rechtlichen Schutz dem des Mannes anzugleichen, vermeidet aber im Schlusssatz dieser Aufzählung den Begriff „Gleichheit“: „Ihre [der Ehefrau, P.Z.] Ebenbürtigkeit und ihre Würde als Person müssen sich im Gesetz widerspiegeln.“278 Daran anschließend folgen die Erläuterungen, wie „das Eherecht der Zukunft“ in der Sicht Osterlohs „das Wesen der Ehe“ zu respektieren habe, und hier argumentiert auch Osterloh mit dem Erfahrungsmoment, das eine eher beharrende Wirkung hat: es dürfe keine Autorität geschaffen werden, mit Hilfe derer unmittelbar in eine Ehe gehörende Entscheidungen nach außen verlagert werden könnten, denn, so fügte Osterloh hinzu, alle Eheleute wüssten, wie segensreich ein gemeinsam geschlichteter Streit und die nachher einziehende Einigkeit sich auf ihre Gemeinschaft auswirkten. Entscheidend wichtig nannte Osterloh die gemeinsame Erziehung der Kinder und versuchte, hieran aufzuzeigen, warum die Verschiedenheit der Autorität von Vater und Mutter sich im Alltag nur positiv auswirken könne: „Im Normalfall wird die Autorität der Mutter von der Autorität des Vaters getragen und durch sie gestärkt. In unserer Gegenwart liegt die unmittelbare Erziehung im Hause zum größten Teil in der Hand der Mutter. Nur besondere Schwierigkeiten und ganz grundsätzliche Fragen werden mit dem Vater besprochen. Gewöhnlich ist es für die Erziehungsaufgabe der Mutter im Alltag eine Erleichterung, wenn die Kinder wissen, daß der Vater das letzte Wort hat.“279

Kein Nachdenken also darüber, ob die Mutter es wirklich als Wahrung ihrer Würde und Ebenbürtigkeit betrachtet, wenn ihre Autorität den Kindern gegenüber (sic !) durch „das letzte Wort“ des Vaters gestärkt wird. Ebenfalls kein Gedanke daran, dass bei der Begründung des Wertes bestehender Vorschriften mit ihrer Nützlichkeit in der durch sie mitbestimmten gesellschaftlichen Realität das Ergebnis der Betrachtung in aller Regel auf eine Konsolidierung des Bestehenden hinauslaufen wird. Dass solche Gedanken bei Osterloh keineswegs einem plumpen patriarchalischen Denken entsprangen, darf vorausgesetzt werden. Es war vielmehr der Glaube daran, dass in einem harmonischen Zusammenleben, worauf eine Ehe ja eigentlich angelegt sein sollte, die meisten Fragen

277

E. OSTERLOH, Dem Manne untertan! (Typoskripte). EBD., S. 2. 279 EBD., S. 3. 278

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des Miteinanders allemal besser und angemessener geregelt werden können als von Gesetzesbuchstaben: „Das Gesetz sollte den Ehemann nicht aus der Pflicht entlassen, die Gleichberechtigung seiner Frau ihrer Art gemäß zur Geltung kommen zu lassen. In einer gesunden Ehe wird die Gleichberechtigung der Frau jedenfalls besser durch den Ehemann als durch einen Gesetzesparagraphen oder durch eine richterliche Entscheidung garantiert werden können.“280

Ähnlich äußerte sich Osterloh in dem Aufsatz „Ehe und Familie“281, in dem er die Familie in eine Reihe mit den „Ordnungen“ des Staates und der Ehe stellte282. Hier versuchte er aufzuzeigen, dass die verschiedenen Rechtsnormen unwesentlich sind im Vergleich zu der Wirklichkeit und dem „alle juristischen Formulierungen überschreitende[n] Sinn der Ehe“, die sich den Eheleuten eröffnen, die auf das Wort Gottes hören283. Auf dem Hamburger Kirchentag 1953 wurde Osterloh gebeten, in einer Diskussion der Arbeitsgruppe II („Werft euer Vertrauen nicht weg – in der Familie“) die Meinung der Kreise in der evangelischen Kirche darzulegen, die gegen eine schematische Angleichung der Rechte von Mann und Frau votierten. Osterloh argumentierte, in der „von Gott eingesetzte[n] Ehe“ fielen dem Mann andere Aufgaben und Pflichten zu als der Frau, und befürchtete negative Folgen für die Ehe als solche, wenn diese „Ordnung“ von der Rechtsprechung nicht beachtet wird. Einem allgemeinen Zweifel, ob das Außerkraftsetzen bestehender Ordnungen das Leben immer erleichtere, 280

EBD. – Abgesehen davon, dass solche Sätze einerseits kaum widerlegbar sind, weil sie von idealen Zuständen ausgehen, man ihnen andererseits aber auch den Vorwurf einer gewissen gut gemeinten Naivität nicht ersparen kann, hätte eine ausgewogene Darstellung vielleicht auch darauf verweisen können, dass man die umgekehrte Argumentation genauso wenig von der Hand weisen kann: In einer gesunden Ehe wird die für das gemeinsame Miteinander und besonders zur Erziehung der Kinder notwendige vernünftige Rollenverteilung auch dann von beiden Ehepartnern gewährleistet sein, wenn sie in allen Fragen des Ehe- und Familienrechts völlig gleichberechtigt sind. Osterloh hatte es selbst im gleichen Aufsatz formuliert: „In guten Ehen sind die Bestimmungen des Gesetzbuches über die beiderseitigen Rechte kaum bekannt“ (EBD., S. 2). Meinte er, dass dieser Tatbestand sich mit einer weitergehenden Anpassung des Ehe- und Familienrechtes an Art. 3,2 GG ändern würde? Vgl. dagegen, was N. H. SØE, Ethik, S. 306, über das Verhältnis der Eheleute zueinander und dessen rechtliche Ausgestaltung schrieb: „Sagt man demgegenüber, die Gleichstellung der Eheleute führe zur Anarchie, so beweist das nur, daß man entweder das Wesen der Liebe nicht verstanden hat oder nicht an ihre Macht glaubt. Natürlich kann die christliche Ethik nichts dagegen einwenden, daß der Staat Bestimmungen darüber trifft, wer von den Eheleuten bei Meinungsverschiedenheiten das entscheidende Wort zu sagen hat. Aber sie muß mit Nachdruck sagen, daß solche Bestimmungen in einer christlichen Ehe keine Bedeutung bekommen dürfen.“ 281 E. Osterloh, Ehe und Familie (Typoskripte). Die per handschriftlichem Vermerk von Osterloh als Ort der Veröffentlichung nicht näher gekennzeichnete „Broschüre des Burckhardthaus-Verlages“ konnte leider nicht ermittelt werden. 282 EBD., S. 1. 283 EBD., S. 7f.

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fügte er schlussfolgernd an, dass es die Würde von Vater und Mutter nicht antaste, sondern schütze, wenn unter der Voraussetzung eines verantwortungsvollen Umganges damit der Vater die Pflicht der Ermessensentscheidung habe284. Am 16./17. Januar 1952 konnte in Hemer endlich die vollständige Denkschrift aus dem Justizministerium besprochen werden. Anwesend waren neben Schumann, Rengstorf, Ranke und Osterloh nun auch Anna Paulsen, seit dem 1. Dezember 1951 ebenfalls theologische Mitarbeiterin in der Kanzlei, und Anni Rudolph, Vikarin und Vertreterin der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland285. Grundsätzliche Einigkeit bestand zunächst in der erneuten Zurückweisung der Mitarbeit in Form von konkreten Formulierungsvorschlägen bei gleichzeitiger Ausfüllung der Mitverantwortung „für die Institution der Ehe und den Schutz ihrer wesentlichen Struktur“, und zwar ausdrücklich auch für die „nichtchristliche Ehe“286. Einig war man aber auch in den grundlegenden Vorschlägen zur Gliederung eines dem Rat der EKD vorzuliegenden Gutachtens. Es sollte zuerst darstellen, was nach evangelischem Verständnis gegenwärtig Wesen und Gefüge einer Ehe ausmache, und in einem zweiten Abschnitt davon abgrenzen, was die evangelische Kirche auf keinen Fall mehr als akzeptable rechtliche Ausgestaltung einer Ehe ansehen könne287. In einem dritten Abschnitt wurde nahegelegt, dass die evangelische Kirche sich aufgrund ihrer „Erfahrungen in der Seelsorge und in ihrer Geschichte“ doch am Gespräch über „empfehlenswerte oder weniger empfehlenswerte“ Veränderungen beteiligen solle, und zwar „in der Weise ratsamer gutachterlicher Äußerungen“288. Vor den Einzelvorschlägen wurde als deren Leitlinie die Warnung „vor einem bloßen Angleichen der subjektiven Rechte von Mann und Frau und vor einer schematischen Herstellung ihrer Identität“ benannt. Bei allen angesprochenen Fragen sei entscheidend, „ob die vorgesehenen Rechtsfolgen das Wesensgefüge der Ehe respektieren, es unbeachtet lassen oder sogar gefährden“289. Die Vorschläge selbst blieben im Rahmen des bisher in Hemer Besprochenen. Der als möglich bezeichnete Fort284

WERFT EUER VERTRAUEN NICHT WEG, S. 146. Vgl. Osterlohs „Entwurf einer inhaltlichen Wiedergabe der Beratungen über eine Stellungnahme der evangelischen Kirche zur Eherechtsreform“ in Hemer am 16./17. 1. 1952, den er an die Anwesenden mit der Bitte, gegebenenfalls Ergänzungen oder Änderungen vorzuschlagen, verschickt hatte (EZA BERLIN, 2/4346). 286 EBD., S. 1f. 287 Es wurden genannt die rechtliche Gestaltung der Ehe als zeitlich kündbares Vertragsverhältnis, eine Ehe, die unter dem Zwang stünde, ihre innere Ausgestaltung dauerhaft den Befehlen einer dritten Instanz zu unterwerfen, die Vorstellung von einer Ehe als bloßer Funktion des Staats- oder Volkslebens, aber auch – in dieser Nachbarschaft bemerkenswert – ein Ehe und Familie „in den Sog zur Anonymität“ hineintragendes Namensrecht (vgl. EBD., S. 4f.). 288 EBD., S. 5. 289 EBD., S. 6. 285

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fall des allgemeinen Entscheidungsrechtes des Mannes wurde erneut abhängig gemacht von der Ausgestaltung der Bestimmungen über die elterliche Gewalt; in der Frage des Namens blieb man bei der Ablehnung jeder Willkür der Namensgebung; außereheliche Entscheidungsinstanzen lehnte man nach wie vor ab, einmütig war man auch darin, dass den Frauen bessere Rechtsmöglichkeiten gegen die missbräuchliche Anwendung des männlichen Entscheidungsrechtes zu geben seien290. In der entscheidenden Frage der Ausgestaltung der elterlichen Gewalt aber brach ein Dissens auf, der die Sechsergruppe in zwei gleich große Lager spaltete. Mit den beiden weiblichen Teilnehmern Anna Paulsen und Anni Rudolph sprach sich auch Hansjürg Ranke dafür aus, den Grundsatz der Denkschrift, dass auch die elterliche Gewalt gemeinsam auszuüben sei, zu unterstützen291, während Rengstorf, Schumann und Osterloh sich dafür aussprachen, die Entscheidungsgewalt im Konfliktfall beim Vater zu belassen292. Die drei hielten eine Regelung des Konfliktfalles für unausweichlich, dabei die „Möglichkeit einer Fehlentscheidung durch den Vater für geringer, als eine Fehlentscheidung durch das Vormundschaftsgericht“ und beriefen sich auf übergeordnete Gesichtspunkte, ohne allerdings genauer auszuführen, warum diese zwangsläufig an die väterliche Entscheidungsgewalt gebunden sind: „Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß das geschichtlich tatsächliche Gefüge der Ehe rechtlich gefährdet wird, wenn die väterliche Entscheidungsbefugnis vollständig aus dem Recht genommen wird. Ehe und Familie stehen und fallen mit der Möglichkeit, daß in ihr (sic!) Autorität wirksam wird. Freiheit und Recht in der Ehe sind an Respekt vor der Autorität gebunden.“293

Schließlich berief man sich auf den Grundsatz, „das geltende Recht zur Aufrechterhaltung der geschichtlichen Kontinuität nicht stärker [zu] ändern, als es unbedingt erforderlich sei“, und hielt es – nun doch auf biblische Vorgaben zurückgehend – für „bedenklich, die apostolischen Ermahnungen einfach beiseite zu schieben durch den Hinweis darauf, daß sie sich lediglich auf zeitbedingte Verhältnisse“ bezögen294. Augenscheinlich hatte sich Osterloh nun trotz seiner früher geäußerten Bedenken gegen dessen Interpretation der biblischen Texte an die Seite Rengstorfs 290

Vgl. EBD., S. 7f. Die drei hielten eine gesetzliche Regelung zur väterlichen und mütterlichen Autorität in der Ehe bzw. Familie für nicht angemessen und verwiesen auf den geschichtlichen Wandel seit der Zeit der Reformation. Ein Eintreten für das väterliche Entscheidungsrecht könne in der Öffentlichkeit nur mit dem Signum der „Rückständigkeit“ versehen werden, wodurch das „Vertrauensverhältnis weiter Kreise zur Kirche schwer belastet“ werde (vgl. EBD., S. 9f.). 292 Vgl. EBD., S. 10ff. 293 EBD., S. 11. 294 EBD. 291

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gestellt. Osterloh war es auch, der den Versuch Anni Rudolphs, einen alleinigen Vortrag Schumanns vor dem Rat zu verhindern und zusätzlich einen Vertreter der entgegengesetzten Meinung zu hören295, im Namen des Rates brieflich abschlägig beschied, indem er darauf verwies, Schumann und auch er selbst würden die gegenteilige Auffassung angemessen würdigen296. Inzwischen hatte der Rat der EKD vom Justizministerium einen Vorentwurf mit ausformulierten Paragraphen über die allgemeinen Ehebestimmungen und die elterliche Gewalt erhalten297, in dem die zentralen Punkte der §§ 1354, 1626–1628 (kein allgemeines Entscheidungsrecht des Mannes, dem aber weiterhin die Vertretung der Kinder obliegt und der nach einem Scheitern der vorgeschriebenen versuchten Einigung im Streitfall das Entscheidungsrecht zum Wohle des Kindes auszuüben hat) ganz im Sinne der am 22. März 1952 dem Bundesjustizministerium übersandten Stellungnahme des Rates der EKD298 ausgeführt waren, die sich eng an die in Hemer erarbeitete Vorlage hielt. Die Meinung von Schumann, Rengstorf und Osterloh, die dem Ministerium schon vorzeitig zur Kenntnis gebracht worden war, hatte sich damit vorläufig bis in den Entwurfstext hinein durchgesetzt, auch wenn es von vornherein Vorbehalte bezüglich ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz gegeben hatte299. Am 4. April kam es im Bundesministerium für Justiz zu einer Aussprache mit Vertretern beider Kirchen (für die EKD: Schumann, Ranke und Osterloh) über deren eingegangene Stellungnahmen, in der sich die weitgehende Übereinstimmung zwischen EKD und Justizministerium sehr von der grundsätzlichen

295

Vgl. Brief Anni Rudolphs an Dibelius vom 13. 2. 1952 (EZA BERLIN, 2/4346). Antwortschreiben Osterlohs an Anni Rudolph vom 8. 3. 1952 (EZA BERLIN, 2/4347). 297 Schreiben des Bundesministers der Justiz, Thomas Dehler, an Otto Dibelius, vom 17. 3. 1952, mit Anlage (EZA BERLIN, ebd.). F. UTZ, Preuße, S. 449, Anm. 49, gibt als Datum der beiden Schreiben an Dibelius und Josef Kardinal Frings, dem der Vorentwurf ebenfalls zugesandt wurde, den 19. 3. 1952 an. 298 Otto Dibelius übermittelte diese Stellungnahme in einem elfseitigen Brief vom 22. 3. 1952 aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des Rates der EKD in der Sitzung am 13. 3. 1952 in Berlin-Spandau an den Bundesjustizminister (vgl. den Brief und das mit einer Kopie an die Landeskirchenleitungen verschickte Anschreiben vom 29. 3. 1952 [EZA BERLIN, 2/4347]). Abdruck: FAMILIENRECHTSREFORM, S. 9–15. Vgl. auch F. UTZ, Preuße, S. 446f. 299 Ranke hatte, wie er am 22. 2. Osterloh mitteilte, dessen Ausarbeitung über das Januar-Gespräch in Hemer an Ministerialdirektor Petersen vom Justizministerium weitergeleitet. Über dessen Reaktion berichtete er: Petersen „sieht nur dann Schwierigkeiten, wenn der Rat Deine, Prof. Schumanns und Prof. Rengstorfs Meinung annimmt. Dann ergibt sich ein juristisches Problem, für dessen Entscheidung er sich aber wiederum nicht festlegen wollte. Die Entscheidung sei dann der Stellungnahme des Ministers und des Staatssekretärs vorbehalten. Die Meinungen seien im Justizministerium selbst darüber verschieden, ob ein Entscheidungsrecht des Vaters den Kindern gegenüber sich mit dem Grundgesetz vereinbaren lasse. Es fiel das bezeichnende Wort ‚In den Notstand hat uns das Grundgesetz gebracht. Wäre es nicht da, so würde nicht geändert worden sein‘“ (Brief Rankes, in: EZA BERLIN, 2/4347). 296

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Kritik der katholischen Kirche abhob300. Zuvor schon hatten sich katholische und evangelische Delegierte getroffen, um sich über ihre Standpunkte auszutauschen. Dabei war es in vielen Fragen zu einem Konsens gekommen, allerdings hatten sich die evangelischen Vertreter entsprechend der Stellungnahme des Rates nicht dazu bereit erklärt, den katholischen Wunsch nach einer weitgehenden Beibehaltung des § 1354 zu unterstützen. Auch reagierten sie „reserviert“ auf die aufgeworfene Frage, ob nicht das Eherecht ganz aus dem BGB entfernt werden sollte, weil sie – so Osterloh in seinem Dienstreisebericht – das Gefühl hatten, bei den Katholiken stecke dahinter der unausgesprochene Wunsch, „die Frage der obligatorischen Zivilehe erneut zu diskutieren“301. Die hier zutage getretenen Unterschiede waren es auch, die dazu führten, dass beide Delegationen das Gespräch im Justizministerium wohl mit verschiedenen Eindrücken verließen: „Die evangelische Seite fühlte sich weitgehend verstanden und stand unter dem Eindruck, daß ihr Anliegen von der Leitung des Justizministeriums in wesentlichen Punkten positiv aufgenommen worden war. Die katholischen Vertreter verabschiedeten sich in offenbar etwas gedrückter Stimmung.“302 Denn auf die Möglichkeit angesprochen, das Eherecht aus dem BGB zu lösen, hatte Staatssekretär Walter Strauß scharf reagiert und darauf verwiesen, dass es unter den Nationalsozialisten üblich gewesen sei, so viel Bestimmungen wie möglich aus dem BGB herauszunehmen, während die Devise des Hauses nunmehr laute: „zurück zum BGB!“303. Auch das Anliegen der katholischen Kirche zu § 1354 300

Spannungen zwischen dem der FDP angehörenden Justizminister Dehler und der katholischen Kirche hatte es schon länger gegeben, zu einer Eskalation hatte im Januar 1953 die unabgesprochene, gegen den Wunsch des Ministeriums erfolgte Veröffentlichung der katholischen Stellungnahme zur Denkschrift von Maria Hagemeyer geführt (vgl. F. UTZ, Preuße, S. 448f.). Die angespannte Atmosphäre wird dadurch veranschaulicht, dass die katholische Kirche zu der Besprechung, zu der je ein Vertreter der Kirchen gebeten worden war, drei Delegierte entsandte (u. a. Prälat Böhler), woraufhin die EKD, die ursprünglich nur Friedrich Schumann benannt hatte, nun auch drei Vertreter aufbot, neben Schumann noch Ranke und Osterloh (vgl. EBD., S. 449f.). 301 Vgl. Dienstreisebericht Osterlohs vom 9. 4. 1952 über die Aussprache mit den Vertretern der Fuldaer Bischofskonferenz am 4. 4. 1952 in Bonn (EZA BERLIN, 2/4347). Der Beitrag der Eherechtskommission der EKD zur in der Tat bald aufbrechenden Debatte um die Zivilehe ist dokumentiert in : FAMILIENRECHTSREFORM, S. 89–160. 302 Dienstreisebericht Osterlohs vom 9. 4. 1952 über die Besprechung im Justizministerium am 4. 4. 1952, 15–18 Uhr (EZA BERLIN, 2/4347). 303 Vgl. EBD. – Der von Friedemann Utz in seiner Strauß-Biographie benutzte Aktenvermerk des Justizministeriums über diese Besprechung scheint diese Begebenheit – wie auch die folgende – nicht zu schildern (vgl. DERS., Preuße, S. 450f.) und weiß auch nichts von einer vorherigen Zusammenkunft der Delegierten beider Konfessionen, wie überhaupt zum Beispiel die Vorgeschichte der Stellungnahme des Rates der EKD nicht weiter behandelt wird, obwohl es – wie gezeigt – Berührungen mit dem Justizministerium schon lange vor der Zusammenkunft am 4. 4. 1952 gab. Bei der Beschreibung der Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche wäre es in diesem Punkt sicher hilfreich gewesen, auch kirchliche Akten zum Thema einzusehen.

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wurde klar zurückgewiesen, und auf den Einwand Prälat Böhlers, dass damit ein „vom Heiligen Vater und den Bischöfen vertretener Standpunkt in dieser Sache nicht beachtet“ werde, forderte man ihn lediglich „sehr freundlich“ auf, „seine Vorschläge mit Begründung schriftlich einzureichen“304. Beiden Seiten aber wurde für die Zusammenarbeit gedankt, und beide waren den anderen gesellschaftlichen Kräften gegenüber in einer bevorzugten Stellung, denn diese Besprechung im Justizministerium war die bis dahin einzige dieser Art über den Gesetzentwurf zur Eherechtsreform. Da man öffentliche Polemik weiter scheute, bat man die kirchlichen Vertreter daher, von einer Presseveröffentlichung über die erfolgte Besprechung abzusehen. Außerdem wurden die Vertreter beider Konfessionen gebeten, auf die jeweiligen Frauenverbände dahingehend einzuwirken, dass sie die Auseinandersetzung „doch möglichst sachlich und ohne Schlagworte und demagogische Parolen“ führen mögen305. Die Beratung des vom Justizminister schließlich am 27. Juni 1952 im Kabinett vorgestellten Gesetzentwurfes erbrachte dort Überraschendes: Trotz der Versicherung Dehlers, der Entwurf sei mit beiden Kirchen abgestimmt, regte sich breiter Widerspruch vor allem gegen die Streichung des § 1354. Adenauer, aber auch die meisten der übrigen Minister, gleich ob katholisch oder evangelisch, pochten auf die Beibehaltung des § 1354 mit dem väterlichen Letztentscheidungsrecht. Auf die Einwände von Dehler und Strauß, ein Paragraph in dieser Form sei in Zukunft verfassungswidrig, mussten der Justizminister, sein Staatssekretär, letztlich aber auch alle Experten des Ministeriums sich von Adenauer belehren lassen, die Streichung des § 1354 sei „von einer unzutreffenden Auslegung des Art. 3 GG ausgegangen“306. Alle Bemühungen, das Kabinett mit juristischem Sachverstand zu überzeugen, fruchteten nicht, in der endgültigen Besprechung am 15. Juli wurde das Justizministerium verpflichtet, in § 1354 den Stichentscheid des Ehemannes aufzunehmen307, und in dieser Form wurde der Gesetzentwurf im Parlament eingebracht308. Die Kanzlei und speziell Osterloh hatten auf diese Entwicklungen keinen bestimmenden Einfluss mehr309. Bei einer erneuten Tagung der Eherechtskommission in Hemer Anfang Juli wurde nur verwundert zur Kenntnis genommen, 304

Dienstreisebericht Osterlohs vom 9. 4. 1952 (vgl. oben Anm. 302). Vgl. EBD. 306 Kabinettsprotokoll vom 27. 6. 1952 (zit. bei F. UTZ, Preuße, S. 455); vgl. K.-J. RUHL, Hierarchie, S. 37. 307 Vgl. F. UTZ, Preuße, S. 456. 308 Zum weiteren Geschick dieses Gesetzentwurfes vgl. oben S. 265ff. 309 Weitere Stellungnahmen und Beschlüsse der Eherechtskommission zu den sich im Fortgang der politischen Beratungen ändernden Gesetzesentwürfen sind abgedruckt in: FAMILIENRECHTSREFORM, S. 17–56, 61–66, 77–88, enthalten zu den Kernpunkten der Auseinandersetzung aber keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. 305

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dass sich auch die evangelischen Kabinettsmitglieder für die Bestimmungen des Gesetzesentwurfes, in denen die Rechte der Frauen verbessert wurden und die vom Rat der EKD bejaht worden waren, „wenig aufgeschlossen“ zeigten, und man erwog die Möglichkeit, eine Aussprache zwischen Friedrich Schumann und Innenminister Lehr über die Materie zu vermitteln310. In einer sich an diese Tagung anschließende Aussprache der Kommission mit Prälat Böhler zeigte dieser sich sehr zuversichtlich, „bei dem gegenwärtigen Parlament und der gegenwärtigen Regierung“ die Vorstellungen der katholischen Kirche über die erneute Einführung der fakultativen Zivilehe durchsetzen zu können, „wenn die evangelische Kirche sich diesem Verlangen anschließen könnte“311. Osterloh notierte abschließend, dass es der katholischen Kirche gelungen sei, ihre Frauenverbände dazu zu bewegen, offiziell nun auch die Stellungnahmen der katholischen Bischöfe zur Eherechtsreform zu vertreten. Über die ganz anderen Gegebenheiten in seiner eigenen Kirche schrieb Osterloh: „Im Gegensatz dazu haben die evangelischen Frauenverbände beschlossen, sich einmütig auch gegen die vom Rat vorgeschlagene Letztentscheidung des Vaters in Erziehungsfragen auszusprechen.“312 Es sei dahingestellt, ob dies mit dadurch beeinflusst wurde, dass Osterloh und Schumann entgegen ihrer Zusicherung diese ihrer eigenen Auffassung zuwiderlaufende Meinung eben nicht sehr eindringlich vor dem Rat vertreten haben, jedenfalls blieb der evangelischen Kirche die Pluralität der Meinungen erhalten. Auch auf der Synode der EKD vom März 1954 in Berlin-Spandau, die sich mit dem Wesen der Familie und ihrer Stellung in der christlichen Gemeinde und in der modernen Welt befasste, blieben die Differenzen in diesem Punkt spürbar. In ihrer Entschließung hieß es: „Hinsichtlich der an den staatlichen Gesetzgeber zu stellenden Forderung für die Regelung des väterlichen Entscheidungsrechtes ist die Synode zu einer Einmütigkeit nicht gekommen.“313 Und in den daraufhin vom Rat gewünschten neuen Beratungen der Eherechtskommission kam es zu den alten Frontstellungen hinsichtlich des allgemeinen und des väterlichen Entscheidungsrechtes in Fragen der Kindererziehung, die noch im erneuten Beschluss der Kommission vom 24./25. September 1954 nachzulesen sind314.

310

Vgl. Dienstreisebericht Osterlohs vom 9. 7. 1952 über die Arbeitstagung der evangelischen Eherechtskommission am 4./5. 7. 1952 in Hemer (EZA BERLIN, 2/4347). 311 Dienstreisebericht Osterlohs vom 9. 7. 1952 über die Aussprache der Kommission mit Vertretern der katholischen Kirche am 5. 7. 1952 in Hemer (EBD.). 312 EBD. 313 KJ 81, 1954, S. 13. Vgl. INLL 3, 1954, S. 86ff.; FAMILIENRECHTSREFORM, S. 110. 314 Vgl. KJ 81, 1954, S. 17–20; FAMILIENRECHTSREFORM, S. 61–66. Die oft beklagte Vielstimmigkeit in der evangelischen Kirche hatte in diesem Punkt somit den Vorteil, dass sich aus dieser Kirche auch eine letztendlich grundgesetzkonforme Meinung Gehör verschaffen konnte.

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5.4 Der Aufbau einer Seelsorge an den „Displaced Persons“ (DPs) 5.4.1 Displaced Persons – eine lange Zeit vergessene Randgruppe der Nachkriegszeit Die seit Kriegsende als „Displaced Persons“ bezeichneten Menschen können in doppelter Hinsicht zu den Opfern des Nationalsozialismus gerechnet werden. Im Zweiten Weltkrieg verstärkte die millionenfache Einberufung von Soldaten sehr schnell den Arbeitskräftemangel der deutschen Wirtschaft. Einer Heranziehung von Frauen, wie es sie im Ersten Weltkrieg in großem Umfang gegeben hatte, stand die Ideologie des Nationalsozialismus ebenso im Wege wie das Bemühen, den Alltag an der „Heimatfront“ möglichst lange normal erscheinen zu lassen. Versuchte man anfangs noch, das Problem durch die Anwerbung von Freiwilligen in den besetzten Gebieten zu lösen, griff man bald zum Mittel der Zwangsarbeit315. Auch abgesehen von Kriegsgefangenen und Lagerinsassen, bei denen von vornherein billigend in Kauf genommen wurde, dass unter den vorherrschenden Bedingungen viele zu Tode kamen, war die Arbeit der nun in Massen ins Reich verschleppten Fremdarbeiter gefährlich: Sicherheitsbestimmungen ignorierte man, Unterbringung und Verpflegung wurden im Verlauf des Krieges immer schlechter, schon kleinste Vergehen wurden mit dem Tode bestraft. Natürlich gab es Unterschiede, Fremdarbeiter aus dem Westen etwa wurden in der Regel besser behandelt als „Ostarbeiter“, Arbeitsbedingungen, Versorgung und der menschliche Umgang mit den Fremdarbeitern waren beispielsweise bei privaten Bauern zumeist besser als in großen Fabriken, und doch muss pauschal davon ausgegangen, dass die Fremdarbeiter ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit ausgebeutet wurden und sie unter oft menschenunwürdigen Bedingungen ihr Dasein fristen mussten316. Genaue Zahlen liegen nicht vor, Schätzungen von alliierter Seite gingen aber davon aus, dass sich am Ende des Zweiten Weltkriegs etwa 9,6 Millionen Fremdarbeiter auf deutschem Boden befanden317. Nach ihrer Befreiung war für eine Vielzahl von ihnen die Odyssee keineswegs zu Ende. Die Alliierten forcierten seit ihrem Einmarsch unter der Obhut der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) ein Programm der schnellen Repatriierung dieser „Displaced Persons“ (DPs)318 – mit unterschiedlichen Auswirkungen. Zwar konnten die aus dem Westen stammen-

315

Vgl. zur besonders im Osten brutalen Rekrutierungspraxis R.-D. MÜLLER, Menschenjagd. Vgl. U. HERBERT, Fremdarbeiter; EUROPA UND DER „REICHSEINSATZ“; M. PEGEL, Fremdarbeiter, S. 13–22; H.-U. THAMER, Verführung, S. 713ff.; M. BURLEIGH, Zeit, S. 901–906. 317 Vgl. M. PEGEL, Fremdarbeiter, S. 19, Anm. 4. 318 Vgl. EBD., S. 27–32. 316

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den ehemaligen Fremdarbeiter in der Regel zügig in ihre Heimat zurückkehren und unterlagen dort keinen Repressionen, doch für die „Ostarbeiter“, zumal für jene aus dem Gebiet der Sowjetunion, gestaltete sich die Lage ungleich schwieriger: Dort galten sie, gleich ob sie freiwillig nach Deutschland gekommen oder zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren, als Verräter, weil sie für den Feind gearbeitet hatten. Kriegsgefangenen drohten schwere Strafen oder soziale Erniedrigung, da sie nicht bis zum Tod gegen den Feind gekämpft, sondern sich hatten gefangen nehmen lassen, was ihnen als Feigheit ausgelegt wurde. Noch schlimmer stand es selbstverständlich um die oppositionellen Kräfte aus den in der Sowjetunion unterdrückten Völkern und Volksgruppen (Ukrainer, Weißrussen, Kosaken usw.), die sich in recht hoher Zahl in die sogenannten „fremdvölkischen Verbänden“ der deutschen Wehrmacht eingegliedert hatten. Das in der Heimat drohende Geschick sorgte hier für massiven Widerstand gegen das zunächst rücksichtslos eingesetzte Instrument der „Zwangsrepatriierung“ – bis hin zu massenhaftem Selbstmord aus Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit der Lage319. Im Zuge der fortschreitenden Differenzen zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion während des Jahres 1946 erfolgte eine Kursänderung auch gegenüber der relativ kleinen Anzahl der Osteuropäer, die sich der Repatriierung bis dahin hatten entziehen können. Sie wurden – gemeinsam mit den im Zuge der Sowjetisierung Osteuropas inzwischen erneut nach Westen kommenden politischen Flüchtlingen – der Gruppe der zumeist aus gesundheitlichen oder familiären Gründen „non-repatriable persons“ zugeordnet320. Im Juli 1947 begann, nunmehr unter Federführung der IRO (International Refugee Organization) das neue „Resettlement“-Programm: den verbliebenen ca. 600.000 DPs321 wurde mit Unterstützung der drei westlichen Besatzungsmächte, die allein über 60% der verbliebenen DPs aufnahmen, die Möglichkeit der Auswanderung offeriert322. Als die IRO am 31. Dezember 1951 dieses Programm beendete, befanden sich immer noch ca. 140.000 DPs auf deutschem Boden und gelangten so nach über sechs Jahren als bittere Ironie des Schicksals erneut in die Zuständigkeit deutscher Stellen. Das Problem hatte sich trotz der nunmehr vergleichsweise geringen Zahl von DPs verschärft, weil das Resettlement-Programm zu einer sukzessiven Selektion der Besten und Gesündesten geführt hatte, denen die beteiligten Nationen die Einwanderung natürlich eher erlaubten als den Übrigen. Es muss davon ausgegangen werden, dass unter den 1951/52 noch in Deutschland verbliebenen DPs ein Kern von ca. 50.000 Personen betreuungsbedürftig 319

Vgl. EBD., S. 34f.; N. TOLSTOY, Jalta. Vgl. M. PEGEL, Fremdarbeiter, S. 32f., 35f. 321 Vgl. EBD., S. 45, Anm. 2. 322 Vgl. EBD., S. 40–50. 320

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war, in der Regel immer noch in Lagern lebte und kaum Aussichten auf eine Auswanderung hatte323. Den bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland verbliebenen DPs gewährte die Bundesregierung ein besonderes Aufenthalts- und Niederlassungsrecht, das über ein bloßes Asylrecht hinausging und ihnen den Verbleib in Deutschland ermöglichte324. Dass die Problematik der DPs zeitgenössisch in erster Linie als Gefahr wahrgenommen und von der historischen Wissenschaft nahezu völlig ausgeblendet wurde, hat mehrere Ursachen. Zum einen kam es nach der Befreiung der Zwangsarbeiter vereinzelt zu Übergriffen gegen die ehemaligen Peiniger, zum anderen nahm mit der Zeit auch die Kriminalität der weiter in Lagern eingepferchten DPs zu. Zwar standen die Übergriffe zu dem erlittenen Leid insgesamt in keinem Verhältnis, und auch die Kriminalitätsrate überschritt nicht die der einheimischen Bevölkerung325, doch nahm die durch Krieg, Hunger, Vertreibung und Wohnungsnot ohnehin drangsalierte Bevölkerung solche „Feinheiten“ nicht wahr: DPs wurden nicht mehr als Opfer wahrgenommen, was in den Augen vieler Deutscher natürlich auch die eigene Schuld dieser Personengruppe gegenüber milderte und viele schlechte Gewissen beruhigte. Daneben ist die alleinige Zuständigkeit der Alliierten und die Unterbringung in Lagern zu nennen: Die DPs wurden so dem unmittelbaren Blick der deutschen Nachkriegsgesellschaft entzogen, und gegenseitige Kontakte beschränkten sich zwangsläufig auf ein Minimum. Das Zusammenspiel von Absonderung durch die Alliierten und Desinteresse auf deutscher Seite führte schließlich im Verein mit der relativ geräuschlosen Eingliederung auch der Restgruppe der DPs – im deutschen Amtsjargon nunmehr leicht verharmlosend „heimatlose Ausländer“ genannt – in die deutsche Gesellschaft zu einer lang anhaltenden Nichtbeachtung seitens der Geschichtswissenschaft326.

5.4.2 Der Aufbau einer Seelsorge an DPs als Aufgabe der Kirchenkanzlei Mit Ratsbeschluss vom 12. Oktober 1949 übernahm die EKD „die Verantwortung für die geistliche Versorgung der in Deutschland verbleibenden DPs in dem Maße, als diese brüderliche Hilfe begehrt wird“327, und bat die Gliedkirchen um 323

Vgl. EBD., S. 45–50. Vgl. CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 44. 325 Vgl. EBD., S. 43. 326 Eine wissenschaftlich seriöse Beschäftigung mit dem Thema setzte erst in den 1980er Jahren ein und ging von der regional- und lokalgeschichtlichen Ebene aus (vgl. M. PEGEL, Fremdarbeiter, S. 3f.). 327 Anlage 1 des Protokolls der Ratssitzung vom 11./12. 10. 1949 (EZA BERLIN, 2/4160). Abdruck: KJ 76, 1949, S. 229f. und jetzt: DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 3, S. 353f. 324

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Kontaktaufnahme zu den in ihrem Bereich befindlichen Kirchen der DPs. Man bot im Rahmen seiner Möglichkeiten personelle und materielle Hilfe bei der Leitung und Unterhaltung von „Heimstätten für die rund 10.000 evangelischen und orthodoxen Alten, Siechen und Kranken“ an und berief zur Koordination der verschiedenen Maßnahmen einen Ausschuss, dem je ein Vertreter des Kirchlichen Außenamtes, der Kirchenkanzlei, des Kirchenamtes der VELKD, des Centralausschusses der Inneren Mission, des Zentralbüros des Hilfswerks der EKD und der Freikirchen angehören sollten. Federführend sollte zunächst das Kirchliche Außenamt, nach dem „Abschluß der notwendigen internationalen und ökumenischen Verhandlungen“ die Kirchenkanzlei sein328. Unter den zu diesem Zeitpunkt noch in Deutschland befindlichen DPs waren ca. 26.000 evangelisch, der weit überwiegende Teil davon lutherisch, etwa ein Fünftel reformiert. Die Betreuung erstreckte sich darüber hinaus jedoch auch auf die etwa 45.000 Orthodoxen und die ca. 1.500 kleineren Denominationen angehörenden DPs (v. a. Baptisten und Methodisten)329. Die Arbeit konzentrierte sich auf die pfarramtliche Versorgung der DPs – hier übernahm die EKD die Kosten der evangelischen Pfarrer, während der Weltrat der Kirchen die orthodoxen Priester finanzierte –, die Einrichtung von Heimen für alte und pflegebedürftige DPs in Varel, Insula (Bayern) und Dornstadt (Württemberg), und den Aufbau einer sozialkaritativen Sonderfürsorge, für die das Hilfswerk und die Landesverbände der Inneren Mission 85 Fürsorgekräfte einstellten, deren Kosten vom Weltrat der Kirchen und dem Lutherischen Weltbund übernommen wurden330. Als zuständiger Beamter der Kirchenkanzlei nahm Osterloh schon im Januar 1950 an einer Tagung der Leiter der DP-Kirchen im Kirchlichen Außenamt teil. Getrennt nach Konfessionen, erst die Orthodoxen, dann die Freikirchlichen, kristallisierten sich am 12. und 13. Januar 1950 doch gleiche Wünsche heraus: die Unterbringung in Heimen sollte nach sprachlichen, nicht nach konfessionellen Gesichtspunkten erfolgen, als federführende Organisation wünschte man die Innere Mission und weder die Caritas noch weltliche Gruppen wie DRK oder Arbeiterwohlfahrt331. Speziell die Orthodoxen sprachen sich gegen eine Zusammenlegung mit Katholiken aus, wiesen auf die voraussichtlich hohen Reisekosten ihrer Geistlichen hin und wünschten neben der kostenlosen Versorgung mit deutschen Zeitungen auch eine „gelegentliche Fühlung mit führenden Personen der deutschen Kirchen“, während die Ungarn auf den Erhalt einer eigenen geistlichen Gerichtsbarkeit drängten und am liebsten einer ungarischen Exilkirche 328

Vgl. EBD. Zahlenangaben nach einem von Brunotte am 28. 5. 1952 vorgelegten Bericht „Gegenwärtiger Stand der kirchlichen Arbeit an den heimatlosen Ausländern“ (EZA BERLIN, 2/4162). 330 Vgl. EBD. 331 Vgl. Bericht Osterlohs über seine Dienstreise vom 8. bis 13. 1. 1950 (EZA BERLIN, 2/4160). 329

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in den USA unterstellt zu werden wünschten. Osterloh gewann den Eindruck, „daß die Freikirchen gegenüber den deutschen Notwendigkeiten und Problemen aufgeschlossener waren als die orthodoxen Kirchen“332. Wenige Tage später nahm Osterloh an der „Lutheran Pastors Conference (mixed nationalities)“ in Imbshausen teil und erfuhr von den anwesenden – ganz überwiegend baltischen – Lutheranern deren ganz ähnliche Wünsche. Verständnis fand er für die Schwierigkeiten bei der Übernahme der 24 lutherischen Pfarrer unter den DPs, über die nur von Fall zu Fall und auf landeskirchlicher Ebene entschieden werden konnte333. Für Mitte April 1950 war eine DP-Tagung auf Schloss Imbshausen bei Northeim angesetzt, an der zunächst Vertreter der deutschen Kirchen, der lutherischen Exilkirchen und des Lutherischen Weltbunds teilnehmen sollten. In der Beratung unter dem Vorsitz Osterlohs wurde dort u. a. empfohlen, einen „Arbeitskreis Imbshausen“ zu bilden, dem Professor E. Smits vom Lutherischen Weltbund, ein Vertreter der Akademie Hermannsburg und je ein Vertreter der Letten, Esten, Ungarn und Orthodoxen angehören sollten und dessen Arbeit dem gegenseitigen besseren Verständnis von Exilkirchen, deutschen Kirchen und ihren Gemeindegliedern dienen sollte334. Die ebenfalls in Imbshausen initiierte Teilnahme auch von Deutschen an den Lehrgängen für kirchliche Mitarbeiter und Jugendführer der DPs erfolgte erstmals im Mai 1950 – von den bereitgestellten acht Plätzen wurden jedoch nur drei besetzt. Osterloh besuchte diesen Lehrgang und gewann den Eindruck, der Besuch der Lehrgänge durch einen Vertreter der Kanzlei als der in Zukunft für die DPs zuständigen Einrichtung sei sehr wichtig, um den Teilnehmern den Eindruck zu vermitteln, „daß eine zentrale kirchliche Stelle in Deutschland wenigstens ihre Fragen und Sorgen anhört“335. Schon bevor der Kirchenkanzlei durch den Beschluss des Rates der EKD vom 5. Oktober 1950 die Verantwortung für die kirchlichen Angelegenheiten der DPs vom Außenamt übergeben wurde336, entfaltete Osterloh, der sicher schon wusste, dass auch diese Aufgabe in seine Zuständigkeit fallen würde, eine rege Tätigkeit. Sie betraf im Wesentlichen folgende Schwerpunkte: Kennenlernen der Ansichten, Wünsche und Probleme der DPs, Aufbau von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen, Hilfe zur Selbsthilfe beim Ausbau der seelsorgerlichen Versorgung und kirchlichen Betreuung. Das größte Problem war nach wie vor das der Finanzierung, auch wenn der Umstand, dass die Bezahlung der orthodoxen Pfarrer, für die deshalb auch weiterhin das Außenamt zuständig 332

EBD. Vgl. Bericht Osterlohs vom 20. 1. 1950 (EZA BERLIN, 2/4214). 334 Gedacht war u. a. an die Herstellung von entsprechenden Druckschriften (vgl. den Bericht Osterlohs über seine Dienstreise nach Imbshausen am 12./13. 4. 1950 [EBD.]). 335 Bericht Osterlohs über seine Dienstreise nach Imbshausen am 15. 5. 1950 (EBD.). 336 Protokoll der Ratssitzung vom 5./6. 10. 1950 in Berlin-Spandau, Punkt 2 (EZA BERLIN, 2/1792). 333

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blieb, weiter vom Weltrat der Kirchen getragen wurde, die Belastung spürbar abmilderte337. Die Richtlinien für die finanzielle Versorgung der DP-Pfarrer, die der Rat in derselben Sitzung beschloss, sahen eine Vergütung vor, die sich an der für Ostpfarrer mit Beschäftigungsauftrag orientierte und eine Betreuung von in der Regel 1.000 Gemeindegliedern voraussetzte338. Probleme wie das eines ausgeprägten Anspruchsdenkens bei einigen DPs, der Verweigerungshaltung gegenüber Maßnahmen zur Eingliederung in die deutsche Gesellschaft und mitunter skurril anmutender Vorstellungen über ihre Zukunft339 dürften zum Teil auf die zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren vorherrschende Unterbringung in Lagern zurückzuführen gewesen sein, die mit der Abschottung vom „Rest der Welt“ eine entsprechende Lagermentalität hervorgebracht hatte340. Weiter bestanden auch die Probleme und Abgrenzungen der Volksgruppen und Konfessionen untereinander; vor allem die Orthodoxen grenzten sich scharf von den Katholiken ab, sahen jedoch keine Probleme in der Zusammenarbeit mit Protestanten, wenn es etwa um gemeinsame Unterbringung in Heimen ging. Folgerichtig erweiterte der Rat auf den Vorschlag Osterlohs hin am 25. Oktober 1951 den DP-Ausschuss um einen orthodoxen Vertreter341, da es sich unter den gegebenen Bedingungen ohnehin ergeben hatte, dass die vom Weltrat der Kirchen finanzierte Betreuung der orthodoxen DPs von der EKD koordiniert wurde. Anlässlich der bevorstehenden Umstellung der Zuständigkeit für die DPs von der internationalen auf die nationale Ebene wurde zugleich der IRO der Dank der EKD für ihre Hilfe ausgesprochen342. 337

Vgl. EBD., mit Anlage. Vgl. EBD. Die von den Gliedkirchen zu leistenden Zahlungen sollten in den Finanz-Ausgleich für Ostpfarrer-Unterstützungen einbezogen werden. An dem Finanzausgleich beteiligten sich bis Ende Oktober 1952 16 der 19 Gliedkirchen, außerdem standen Beiträge des Weltrats der Kirchen und des lutherischen Weltbunds zur Verfügung (Protokoll der Ratssitzung vom 5. 12. 1952 [EZA BERLIN, 2/1795]). 339 Vor allem jüngere DPs sperrten sich gegen den Antritt längerer Ausbildungen, weil unter ihnen die Furcht vor dem Osten besonders ausgeprägt und die Auswanderung nach wie vor die eigentliche Zielvorstellung war (vgl. Dienstreisebericht Osterlohs über die Sitzung des DP-Ausschusses vom 25. 4. 1951 [EZA BERLIN, 2/4161]). Auf den Ratzeburger Tagungen (vgl. unten S. 288f.) wurde von lutherischen Ukrainern u. a. gefordert, eine Pfarrstelle für die Betreuung der insgesamt 155 Personen umfassenden Gruppe einzurichten und ihr einen besonderen Reiseetat zu bewilligen, nicht „wegen der gegenwärtigen seelsorgerlichen Aufgabe, sondern wegen der zukünftigen Rückeroberung der Ukraine für den Westen“ (Dienstreisebericht Osterlohs vom 4. 9. 1951, in: EZA BERLIN, 2/4162). 340 Zur Kontinuität der Lagerunterbringung und ihren Folgen vgl. M. PEGEL, Fremdarbeiter, S. 51–66. 341 Sitzungsbeschluss des Rates (Protokoll: EZA BERLIN, 2/1794). Den Entwurf zu diesem Beschluss hatte Osterloh mit Datum vom 18. 10. 1951 vorgelegt (Anlage zum Entwurf eines Briefes an die Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, in: EZA BERLIN, 2/1755; vgl. DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 5, S. 394, Anm. 39). 342 Sitzungsbeschluss des Rates vom 25. 10. 1951 (EBD., S. 394f.). Osterloh hatte in seinem Entwurf einen Dank auch an die Flüchtlingsabteilungen des Weltkirchenrates und des Luherischen Weltbundes vorgesehen (vgl. EBD., S. 394, Anm. 39). 338

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Politisch war nun die Bundesrepublik Deutschland allein für die DPs verantwortlich, welche mit einem Gesetz, das der Bundestag am 28. Februar 1951 verabschiedete, dem deutschen Rechtssystem unterstellt wurden, nachdem der amerikanische Hohe Kommissar auf das Recht verzichtet hatte, die DPs dem zu entziehen343. Der Kanzlei der EKD stellte sich somit die Aufgabe, die in der Zuständigkeit der Landeskirchen liegende Fürsorge für die DPs nunmehr mit den zuständigen Stellen der Bundes- und der Landesregierungen zu koordinieren, denn es war klar, dass von nun an Bund und Länder die Kosten der Heimbetreuung der DPs übernehmen mussten344. Die neue Situation führte zusammen mit der Notwendigkeit, die verbliebenen DPs mit dem Gedanken einer Eingliederung in die deutsche Gesellschaft vertraut zu machen, zu der Entscheidung, eine Konferenz einzuberufen, an der Vertreter der DPs und der Vertriebenenarbeit teilnehmen sollten. Am 29. und 30. August 1951 tagten laut Anwesenheitsliste 86 Teilnehmer aus allen betroffenen Gruppen im kirchlichen Heim Domshof in Ratzeburg345. Erklärtes Ziel der Tagung war der Austausch der seit den richtungweisenden Konferenzen von Imbshausen und Königswinter zwischen den Landeskirchen, den Vertreters der DPs, dem Ostkirchenausschuss und den Hilfskomitees in der kirchlichen Vertriebenenarbeit gemachten Erfahrungen. Daneben sollte eine Antwort auf die neuen Herausforderungen gesucht werden, die im Bereich der DPs im Übergang der Arbeit in die alleinige Verantwortung der Landeskirchen lagen, während im Bereich der Vertriebenenarbeit „das Wachsen der säkularen Organisationen“ und die „starke Zuspitzung der sozialen Probleme“ im Vordergrund standen346. Beide Aufgabenbereiche waren zudem davon betroffen, dass die kirchliche Unterstützung für die Arbeit der Hilfskomitees zum 1. April 1952 eingestellt werden sollte, was, zumindest nach dem Eindruck, den Osterloh von einer vorbereitenden Tagung dieser Hilfskomitees hatte, nicht in jedem Fall ein Verlust war347. Osterloh hielt es daher für sinnvoll, zumindest organisatorisch eine engere Verzahnung der Fürsorge und 343 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES. DRUCKSACHEN, 1. WP, Nr. 1372; Nr. 1960 (ein Exemplar auch in: EZA BERLIN, 2/4160). Das Gesetz regelte die prinzipielle Gleichbehandlung der DPs, die nun auch dem Geltungsbereich der grundgesetzlich verankerten Grundrechte angehörten. 344 Vgl. Brief Hansjürg Rankes an Osterloh vom 8. 6. 1951 (EZA BERLIN, 2/4161). 345 EZA BERLIN, 2/4215. 346 Vgl. das Einladungsschreiben zur Konferenz vom 17. 7. 1951 (EBD.). Zur Vertriebenentagung von Königswinter vom 19. bis 21. 9. 1950, auf der ebenfalls schon Vertreter der DPs anwesend waren, vgl. H. RUDOLPH, Vertriebene, Bd. 1, S. 412–432. Auf politischer Ebene war das starke Anwachsen der Flüchtlings- und Vertriebenenpartei BHE Ausdruck der weiter bestehenden und zunehmend Protest auslösenden sozialen Spannungen (vgl. F. NEUMANN, Block; am Beispiel Schleswig-Holsteins: T. SCHÄFER, Die Schleswig-Holsteinische Gemeinschaft, S. 33–47). 347 Osterloh schrieb am 4. 9. 1951 einen ausführlichen Dienstreisebericht über die Tagungen in Ratzeburg (EZA BERLIN, 2/4162). Über die Tagung der Hilfskomitees am 28. 8. 1951 notierte er: „Die Berichte der Hilfskomitees waren […] enttäuschend dürftig. Von einigen Hilfskomitees hatte ich den

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Seelsorge an den DPs und den Flüchtlingen anzustreben348. Inhaltlich-theologisch war die Arbeit mit beiden Gruppen ohnehin vor ähnliche Probleme gestellt. Osterloh erkannte auch bei den Vertriebenen – und sogar bei Vertretern der Hilfskomitees – ausgesprochen nationalistische Tendenzen, fühlte sich gar „an die übelste Zeit der DC-Propaganda“ erinnert und resümierte nach äußerst kontroverser Diskussion: „Am Schluß der allgemeinen Aussprache zeigte es sich, daß die Frage nach der Bedeutung von Heimat und Volkstum für die christliche Verkündigung grundsätzlich bei den volks- und reichsdeutschen Flüchtlingen nicht anders liegt, als bei den vielen DP-Gruppen.“349 Am Ende des Plenums und besonders in der Sitzung des erweiterten DP-Ausschusses am folgenden Tag gelang es aber, das Gespräch wieder zu versachlichen und den Vertretern der DPs zu verdeutlichen, dass ein großer Teil von ihnen mit dem Verbleib in Deutschland rechnen müsse, weshalb man es für sinnvoll hielt, an der Arbeit von Fürsorgern und Fürsorgerinnen festzuhalten, die den anstehenden Eingliederungsprozess fördern sollten350. Die neue Situation nach dem Auslaufen der international koordinierten Hilfsmaßnahmen war auch Thema einer Tagung der Exilkirchen mit den Flüchtlingsabteilungen von Weltkirchenrat und Lutherischem Weltbund in Bad Salzuflen vom 15. bis 17. Oktober 1951. Auswanderung war vom 1. Januar 1952 an nur noch möglich als individuelle Auswanderung, abhängig von der Bezahlung der anfallenden Kosten und dem Beibringen der erforderlichen schriftlichen Unterlagen. Bei Letzterem sollten nach wie vor Fürsorgekräfte unterstützend tätig werden, daneben aber wurde den Exilkirchen nahegelegt, aktiv an der Integration ihrer Landsleute in die hiesige Gesellschaft mitzuwirken351. Unterstützung durch den Weltkirchenrat und den Lutherischen Weltbund erhielt man insofern weiter, als diese sich bereit erklärten, zehn Auswandererstellen für DPs und deutsche Flüchtlinge einzurichten und zu finanzieren352. Im Großen und Ganzen aber war es natürlich der Staat, der nach dem Ausscheiden der internationalen Eindruck, daß sie künstlich einen Apparat aufrecht erhalten, der durch die erforderliche Arbeit nicht mehr gerechtfertigt ist“. 348 In der Niederschrift, die Friedrich Spiegel-Schmidt, Geschäftsführer des Ostkirchenausschusses, über die Ratzeburger Tagung verfasste, heißt es über das Eingangsreferat Osterlohs, dieser weise „darauf hin, daß die Hilfeleistungen der Kirche besser geordnet werden können, wenn man die Frage der Heimatvertriebenen und der DP’s zusammen sieht. Dazu soll diese Tagung einen Anstoß geben“ (EBD.). 349 Dienstreisebericht vom 4. 9. 1951 (vgl. oben Anm. 347). 350 Vgl. EBD. 351 Vgl. den Bericht Osterlohs vom 22. 10. 1951 über diese Tagung (EZA BERLIN, 2/4162). 352 Vgl. den Aktenvermerk Osterlohs über eine Besprechung in der Kirchenkanzlei am 29. 10. 1951, bei der auch Vertreter beider Organisationen anwesend waren (EBD.). Im Hilfswerk gab es daraufhin aber auch Bedenken, weil man befürchtete, Weltkirchenrat und Lutherischer Weltbund könnten über die Finanzierung weiteren Einfluss auf die Arbeit nehmen wollen: „Bei der Neuordnung muß sehr darauf gesehen werden, daß die Vertreter des Weltkirchenrates bedenken: es handelt sich bei den Fürsorgern

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Organisationen aus der Betreuung der DPs als größter Mittelgeber einspringen musste, und so war es nur folgerichtig, bei einem avisierten Gespräch mit dem Vertriebenenministerium über das „Gesamtproblem der kirchlichen Arbeit unter den DP’s“ zu sprechen. Mit den dafür genannten Beispielen („Siedlungswerk, Eingliederung in den Arbeitsprozeß, Krüppelfürsorge, Altersheime, Regelung auf Bundesebene usw.“) war schon klargestellt, dass der Schwerpunkt dieser Arbeit sich eindeutig zugunsten der Eingliederung verschoben hatte353. So sah der „Arbeitsplan des DP-Ausschusses der Evangelischen Kirche in Deutschland“ für das Jahr 1952, den Osterloh auf der Tagung des Interstaff Committee of the Lutheran World Federation Staff in Germany in der Evangelischen Akademie Bad Herrenalb vom 21. bis 23. November 1951 vorstellte, als Hauptaufgaben vor, „mit Hilfe der finanziellen Unterstützung des Bundes und der Länder den DP’s zu helfen, in Deutschland eine eigene Existenz aufzubauen, ihr Glaubensleben zu pflegen und die noch bleibenden Möglichkeiten einer Auswanderung auszunutzen“354. Die angestrebten Verhandlungen mit dem Bund bezeichnete Brunotte in seinem Bericht über die Ergebnisse einer Tagung des DP-Ausschusses vom 12. und 13. Mai 1952 als „überaus mühevoll“; das Anliegen der EKD – die Federführung der Verhandlungen hatte der Central-Ausschuß der Inneren Mission übernommen – fand zwar „großes Verständnis und Entgegenkommen“ bei den Bundesministerien für Inneres, für Vertriebene und beim Auswärtigen Amt, nur nicht bei dem Ministerium, auf das es ankam: beim Bundesfinanzministerium. Dessen „ablehnende Zurückhaltung“ war „auch mit besten Gründen nur zu einem Bruchteil zu überwinden“355. Ganze 150.000 DM stellte das Ministerium vier ausländischen Wohlfahrtsverbänden zur Verfügung, u. a. dem Weltkirchenrat und dem Lutherischen Weltbund, und zwar in „Würdigung der in den vergangenen Jahren geleisteten Hilfe und […] zur Abwicklung ihrer Tätigkeit“; an den Kosten für die Betreuung der DPs in Lagern wollte man sich zwar zu 85% beteiligen, aber nur „soweit die Länder diese zusätzliche Fürsorge für erforderlich halten“. Die Betreuung der DPs außerhalb von Lagern dagegen sah man als Ländersache an. Neue Verhandlungen mussten daher auf Länderebene ansetzen, deren Ergebnis Brunotte aber skeptisch beurteilte, da die Länder das Problem zu lösen begonnen hatten, indem sie „in zunehmendem Maße die DP-Lager

um unsere Angestellten, auch wenn die Ökumene die Kosten für ihre Gehälter vermittelt“ (Brief des Hauptgeschäftsführers P. lic. Thomas an Osterloh vom 22. 11. 1951 [EBD.]). 353 Vgl. Aktenvermerk Osterlohs vom 29.10.1951 (EBD.). 354 Dienstreisebericht Osterlohs über diese Tagung vom 30. 11. 1951 (EBD.). 355 „Gegenwärtiger Stand der kirchlichen Arbeit an den heimatlosen Ausländern“ (Bericht Brunottes vom 28. 5. 1952 [EBD.]). Hieraus auch die folgenden Angaben.

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durch einfache Umbenennung in Wohnsiedlungen“ verwandelten und „damit automatisch die fürsorgerische Betreuung aufhören“ ließen. Zum Zeitpunkt dieser Verhandlungen hatte Osterloh die Verantwortung für diesen Bereich bereits an den neu in die Kanzlei eingetretenen Pfarrer Friedrich Wilhelm von Staa abgegeben. Wenig später auch setzte der Rat der EKD einen Termin für das Ende der gesonderten DP-Fürsorge fest: Am 30. September 1954 sollte der DP-Fürsorgefinanzausgleich zwischen den Gliedkirchen auslaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte die „Arbeit an den heimatlosen Ausländern in den gesamtdiakonischen Dienst der Landeskirchen und ihrer Kirchengemeinden hineingewachsen sein“356.

5.4.3 Konflikt mit Heinz Kloppenburg Schon seit seinem Wechsel in die Kanzlei der EKD distanzierte Edo Osterloh sich auch in der Öffentlichkeit zunehmend vom Kreis um Martin Niemöller – und damit eben auch von Heinz Kloppenburg. Daneben kam es immer wieder zu Differenzen zwischen Osterloh und Kloppenburg persönlich, deren Schicksal verbunden bleiben sollte, bis beide sich endgültig aus der Oldenburger Kirche gelöst hatten. Ein Konfliktpunkt entwickelte sich im Zusammenhang der Fürsorge für die Displaced Persons, für die Kloppenburg während seiner dreijährigen Tätigkeit beim Weltkirchenrat in Genf mit zuständig war. Schon in seinem Dienstreisebericht über die Tagung der Leiter der DP-Kirchen im Außenamt der EKD am 13. Januar 1950 notierte Osterloh: „Einzelne Äußerungen fallen gegen OKR Kloppenburg“, ohne dies näher zu erläutern357. Offenkundig wurden die vorhandenen Vorbehalte, als Kloppenburg im April 1951 anregte, die anstehenden Verhandlungen mit dem Bund über die Zukunft der DP-Fürsorge von einem Beirat oder einer Arbeitsgemeinschaft vorbereiten zu lassen, denen er selbst angehören wollte358. Nach Rücksprache mit dem DP-Ausschuss wurde dort entschieden, die Verhandlungen zunächst von Oberkirchenrat Hansjürg Ranke, dem Vertreter der Kanzlei in Bonn, soweit vorantreiben zu lassen, bis sich eine Besprechung über die inzwischen erkannten Probleme lohnt. Auch dazu aber sollte Kloppenburgs Teilnahme nur „im Einzelfall“ von der Kir356 „Richtlinien des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für die Kostendeckung der kirchlichen DP-Fürsorge vom Dezember 1952“ (Beilage zum Protokoll der Ratssitzung vom 5. 12. 1952 [EZA BERLIN, 2/1795]). 357 Bericht über die Dienstreise vom 8.–13. 1. 1950 (EZA BERLIN, 2/4160). 358 Brief Kloppenburgs an Osterloh vom 19. 4. 1951 (EZA BERLIN, 2/4161; auch in: LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 909/5).

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

chenkanzlei erbeten werden, die sich offensichtlich die vom Rat der EKD soeben zugesprochene Führungsrolle in DP-Angelegenheiten von niemandem streitig machen lassen wollte359. Kloppenburg ließ dies nur scheinbar auf sich beruhen und versuchte auf einem anderen Weg, in eine Position zu kommen, von der aus er die Arbeit beeinflussen konnte: Er regte eine personelle Erweiterung des DPAusschusses an. Nachdem Osterloh ihm bedeutet hatte, der Rat der EKD verfolge in dieser Frage die Linie, „einmal getroffene Beschlüsse nicht zu ändern“, wurde Kloppenburg in seiner Antwort deutlicher: „Es ist doch einfach grotesk, daß es nicht möglich sein soll, den DP-Ausschuß um 1–2 Leute zu erweitern, wenn es sich dabei u. a. um jemanden handelt, der 3 Jahre in Genf in dieser Arbeit gestanden hat und heute für das größte DP-Heim in Deutschland [in Varel, P. Z.] verantwortlich ist. Ich bin in der peinlichen Lage, das schreiben zu müssen, obwohl es sich um mich selber handelt.“360

Auf der Ratzeburger Tagung ließ Osterloh im DP-Ausschuss über diesen Wunsch Kloppenburgs beraten. Der Ausschuss beauftragte Osterloh daraufhin, bei den anwesenden Vertretern von Weltkirchenrat und Lutherischem Weltbund, Stewart Herman und F. Paterson-Morgan, nachzufragen, ob beide Organisationen es begrüßten, wenn der DP-Ausschuss Kloppenburg bäte, ihn bei der Durchführung seiner Aufgaben ständig zu beraten. Osterloh tat dies umgehend und erhielt die wohl erwünschte Antwort, die er in seinem Dienstreisebericht wie folgt zusammenfasste: „2. Für den Weltkirchenrat und für den Luth. Weltbund sei allein der DP-Ausschuß der EKD die sichere Garantie für eine sinnvolle Arbeit auf diesem Gebiet. 3. OKR Kloppenburg habe in Genf wiederholt Schwierigkeiten gemacht dadurch, daß er sich über die Regeln und Zuständigkeiten hinweggesetzt habe. 4. OKR Kloppenburg erwecke jetzt den falschen Eindruck, daß er einen Auftrag des Ökumenischen Rates der Kirche habe. Den habe er nicht. 5. Wenn es auf die sachliche Einigung ankäme, dann müsse Dr. Herman neben OKR Kloppenburg andere Personalvorschläge machen von Männern, die zwar kein Auto zur Verfügung hätten, vielleicht auch nicht so redegewandt seien, aber in der praktischen Arbeit über die gleiche Erfahrung verfügten.“361

Diese Antwort gab Osterloh unmittelbar an den Ausschuss und auch an den anwesenden Vertreter des Vertriebenenministeriums weiter, da Kloppenburg „inzwischen wiederum ohne Verbindung mit einer amtlichen Stelle einen Brief in 359

Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 11. 5. 1951 (EBD.). Brief an Osterloh vom 1. 9. 1951 (EZA BERLIN, 2/4162; LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 909/5; Abdruck dieses Auszuges auch in: DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 5, S. 394, Anm. 40). 361 Dienstreisebericht Osterlohs über die Tagungen in Ratzeburg vom 4. 9. 1951 (EZA BERLIN, 2/4162). 360

Der Aufbau einer Seelsorge an den „Displaced Persons“

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DP-Fragen an den Ministerialrat Mittelmann im Vertriebenenministerium gerichtet“ hatte362. Aufschluss in anderer Hinsicht gab ein anderes Statement Hermans, das Osterloh angesichts seiner Auseinandersetzung mit Niemöller sicher mit Genugtuung festhielt: „Bemerkenswert war noch die Feststellung von Dr. Herman, daß er die Kirchenkanzlei als sachlich unparteiisches Organ der EKD ansehen könne, während er das gleiche Urteil über das Kirchliche Außenamt nicht abzugeben vermöge.“363 Es erstaunt keinesfalls, dass der DP-Ausschuss einer Erweiterung nun nicht mehr zustimmte, sondern Kloppenburg weiterhin nur von Fall zu Fall zu Beratungen hinzuziehen wollte364. Einem Antrag Martin Niemöllers auf Erweiterung des DP-Ausschusses um die Oberkirchenräte Kloppenburg und Riedel stimmte der Rat der EKD dementsprechend nicht zu und begründete dies damit, dass der Ausschuss nur aus Vertretern leitender Ämtern der EKD und der Verbände, nicht aber aus berufenen Einzelpersonen bestehe. Anlässlich seines Besuches in Oldenburg am 17. September 1951 informierte Osterloh darüber den Oberkirchenrat, der seinerseits einen Antrag auf Berufung eines seiner Mitglieder in den Ausschuss gestellt hatte. Der Oberkirchenrat konnte der Begründung nicht folgen, verwies auf die Mitgliedschaft eines VELKD-Vertreters im Ausschuss und hielt seinen Antrag aufrecht365 – letztlich jedoch erfolglos. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die sich zuspitzende Situation in Oldenburg366, wenn Osterloh im Bericht über den Besuch in Oldenburg ein Gespräch mit Bischof Stählin wiedergibt, in dem dieser erklärte, er habe von einem entsprechenden Antrag des Oberkirchenrates nichts gewusst und ihn auch nicht aufrechterhalten wollen367. Auch wenn Osterloh Kloppenburg versicherte: „Du sollst auch wissen, daß ich keinen Augenblick an der Bedeutung und kirchlichen Fruchtbarkeit Deiner Arbeit in Genf gezweifelt habe“368, wird auch in dem noch kurze Zeit fortgeführten Briefwechsel beider deutlich, dass neben die sachliche Disharmonie zunehmend ein Zug gegenseitigen Misstrauens getreten war. So insistierte Kloppenburg, der es für nötig erachtet hatte, Osterloh von einem überschwänglich positiven Urteil über seine Arbeit in Genf in Kenntnis zu setzen369, darauf, dass Osterloh diese

362

EBD. EBD. 364 Vgl. EBD. 365 Schreiben des Oldenburger Oberkirchenrats an die Kirchenkanzlei vom 18. 9. 1951 (EBD.). 366 Vgl. unten S. 334. 367 Vgl. Dienstreisebericht Osterlohs (EZA BERLIN, 2/4162). 368 Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 1. 11. 1951 (LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 909/5). 369 Das Gutachten vom 24. 10. 1951 stammte von Edgar Chandler, beim Weltkirchenrat zuständig für das Department of Inter-Church Aid and Service to Refugees, der es niedergeschrieben hatte, weil sein 363

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

Äußerung auch an jene übermittelte, denen er Kenntnis von den Äußerungen Stewart Hermans und Paterson-Morgans gegeben hatte, und erinnerte ihn sogar noch daran, einen entsprechenden Aktenvermerk zu machen370.

5.5 Der Aufbau einer Lagerseelsorge für die Arbeitsdiensteinheiten im Bereich der US-Streitkräfte – Testfall für die kommende Militärseelsorge? Der Aufbau einer 10 Pfarrer umfassenden Lagerseelsorge an gut 20.000 beim US-Militär in Arbeitsdiensteinheiten dienenden Deutschen hätte für sich genommen kaum Bedeutung – und hat sie in der Literatur mit zwei Ausnahmen auch nicht gefunden. Brisanz erhielt diese Tätigkeit Osterlohs durch die bei genauerem Hinsehen kaum zu übersehenden Parallelen zur Militärseelsorge, über die zu verhandeln ebenfalls Osterlohs Aufgabe sein sollte, auch wenn dessen Engagement im Frühjahr 1953 aufgrund seines Ausscheidens aus dem Dienst der EKD ein Ende fand, bevor die entsprechenden Gespräche in einen offiziellen Rahmen überführt worden waren. Im Folgenden soll daher nach der Nachzeichnung des Aufbaus der Lagerseelsorge und einem kurzen Blick auf die Diskussion um die Wiederbewaffnung bis zur Jahreswende 1952/53 aufgezeigt werden, welche Parallelen es zwischen Lagerseelsorge und kommender Militärseelsorge gab und wie fließend der Übergang zwischen beiden Bereichen in den Verhandlungen war, die von der Kanzlei mit den entsprechenden Dienststellen der USStreitkräfte bzw. der Dienststelle Blank geführt wurden. Die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland bei gleichzeitiger Integration ihrer Streitkräfte in die NATO und weitgehender Wiederherstellung ihrer Souveränität war die entscheidende Weichenstellung in der frühen Geschichte des westdeutschen Teilstaats. Christoph Kleßmann hat die Außenpolitik „bis zum Abschluß der Westintegration“ eines der „umstrittensten, aber auch am gründlichsten aufgearbeiteten Themen bundesrepublikanischer Geschichte“ genannt371. Die außenpolitischen und militärischen Verhandlungen sowie die innenpolitische Diskussion finden daher ihren Niederschlag in allen übergreifenden Darstellungen zur (frühen) Geschichte der Bundesrepublik Deutschland372. Darüber hinaus liegt eine solche Vielzahl von speziellen Studien vor, dass ein annähernd vollständiger Überblick hier nicht geleistet werden kann. In Auswahl sei auf einige wichtige Arbeiten hingewiesen: Name mit der Feststellung in Verbindung gebracht worden war, dass Kloppenburg dort kein Vertrauen mehr genieße (ein Exemplar in: EBD.). 370 Brief Kloppenburgs an Osterloh vom 5. 11. 1951 (EBD.). 371 CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 226. 372 Vgl. unten S. 348, Anm. 1.

Der Aufbau einer Lagerseelsorge

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An erster Stelle sei genannt das vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt herausgegebene Standardwerk zur westdeutschen Sicherheitspolitik 1945 bis 1956, das weit über rein militärisch-politische Fragen hinaus auch soziale, wirtschaftliche und finanzielle Aspekte beleuchtet373. Eine kürzere Darstellung der inneren Auseinandersetzungen um die Wiederbewaffnung und die Außenpolitik bis 1952/53 bietet Klaus von Schubert374. Die Frage nach der Rolle der Arbeitsdiensteinheiten im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung wird ausführlich behandelt in drei zu einem Band vereinten Aufsätzen von Heinz-Ludger Borgert, Walter Stürm und Norbert Wiggershaus375. Wichtige Aufschlüsse im Blick darauf, in welchen Strukturen die Verhandlungen – auch mit den Kirchen – von deutscher Regierungsseite aus geführt wurden, liefert Christian Greiners Beitrag über die Arbeit der Dienststelle Blank376, die entscheidende Rolle Adenauers in Konzeption und Umsetzung der Außenpolitik spiegelt sich in den großen Biographien377 und wird eigens thematisiert in den Beiträgen eines 2000 bzw. 2001 erschienenen Sammelbandes378. Den Blick auf den Zusammenhang von Wiederbewaffnung und Rehabilitierung der Wehrmacht(ssoldaten), bei der auch evangelische Kirchenvertreter eine wichtige Rolle spielten, lenken die jüngst erschienenen Werke von Bernd-Oliver Manig379 und Kerstin von Lingen380. Zur Rolle vornehmlich der evangelischen Kirche in der Debatte um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, um das Recht zur Kriegsdienstverweigerung und schließlich um den Militärseelsorgevertrag sei verwiesen auf die oben schon angegebene Literatur381. Genannt werden sollen hier lediglich die Beiträge, in denen auf die Zusammenhänge von Dienstgruppen- und Militärseelsorge hingewiesen wird: Herbert Kruses Untersuchung zum Thema „Kirche und militärische Erziehung“ und die in diesem Punkt darauf aufbauende Studie Jens Müller-Kents zur „Militärseelsorge im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Auftrag und militärischer Einbindung“382.

373

ANFÄNGE WESTDEUTSCHER SICHERHEITSPOLITIK, Bd. 1–4. K. VON SCHUBERT, Wiederbewaffnung. 375 H.-L. BORGERT/W. STÜRM/N. WIGGERSHAUS, Dienstgruppen. Darin die Aufsätze: H.-L. BORGERT, Entstehung; W. STÜRM, Überlegungen; N. WIGGERSHAUS, Frage. 376 CHR. GREINER, Dienststelle Blank. 377 Vgl. unten. S. 349, Anm. 8. 378 ADENAUER UND DIE WIEDERBEWAFFNUNG (unterschiedliche Angaben zum Erscheinungsjahr auf dem Titelblatt und in der CIP-Einheitsaufnahme). 379 B.-O. MANIG, Politik. 380 K. VON LINGEN, Schlacht. 381 Vgl. oben S. 216, Anm. 3. Die an Intensität und Schärfe mit der Debatte im evangelischen Raum nicht vergleichbare Auseinandersetzung in der katholischen Kirche, die sich vor allem auf Laienorganisationen und einige wenige Zeitschriften konzentrierte, zeichnet nach: A. DOERING-MANTEUFFEL, Katholizismus. 382 H. KRUSE, Kirche, bes. S. 17–24; J. MÜLLER-KENT, Militärseelsorge, bes. S. 37–41. 374

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

5.5.1 Der Aufbau einer Lagerseelsorge für die Arbeitsdiensteinheiten An der Jahreswende 1950/51 wurde Edo Osterloh in der Kirchenkanzlei mit dem Problem der Seelsorge an Arbeitsdiensteinheiten im Bereich der US-Streitkräfte (Labor Service Units) konfrontiert. Chaplain Arthur Carl Piepkorn, von der Leitung der Militärseelsorge der Vereinigten Staaten nach Deutschland entsandt, um im Auftrag des Oberkommandos der amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland einen Seelsorgedienst in diesen Einheiten zu organisieren, hatte sich zu einer Besprechung am 18. Januar 1951 angemeldet383. Zu diesem Zeitpunkt existierten 105 solcher Einheiten, in denen 21.000 Deutsche Dienst beim amerikanischen Heer, 1.000 bei der Luftwaffe und 100 bei der Marine taten (die Sollstärke bei der Marine sollte auf 1.000, bei der Luftwaffe auf 1.500 erhöht werden)384. Schwerpunkte der Arbeit dieser Einheiten waren Wachdienste, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten an den Anlagen. Die mit militärischen Dienstgraden versehenen Männer waren bei den Standorten kaserniert untergebracht. Mitte 1950 hatte es für einiges Aufsehen gesorgt, dass Teile dieser Kontingente bewaffnet worden waren. Seitens der Amerikaner dachte man, auf diese Weise US-Personal, das in Korea dringend benötigt wurde, einsparen zu können. Im Zuge dieser Aktion zogen die US-Behörden auch Auskünfte über den militärischen Werdegang des deutschen Personals ein385. Nach den am Vorbild der amerikanischen Militärseelsorge orientierten Vorstellungen der Amerikaner sollten zehn evangelische und zehn katholische Geistliche als hauptamtliche Pastoren eingestellt werden, je einer davon als ko383 Vgl. Schreiben Osterlohs an die Kirchenführer der in der US-Zone befindlichen Landeskirchen vom 19. 1. 1951, in dem er über dieses Gespräch berichtete und um ein abgestimmtes Vorgehen warb (EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 268f ). Nach einem Bericht aus Hessen-Nassau (EBD., Bl. 249) hatte man dort zunächst im Oktober 1950 versucht, einen Pfarrer einzeln anzusprechen und für diesen Dienst zu gewinnen. Der Betreffende sagte schließlich ab, weil er keinerlei Versorgungsansprüche erhalten und sich mit Unterschrift unter den Vertrag dazu verpflichten sollte, sich „mit jeder anderen Verwendung im Rahmen der amerikanischen Wehrmacht an jedem anderen Ort einverstanden“ zu erklären. Trotz des Drängens der hessen-nassauischen Kirchenleitung fand sich bis Ende 1950 auf amerikanischer Seite niemand bereit, Rechts- und Anstellungsverhältnisse für den gewünschten Dienst definitiv klarzustellen. Deshalb drückte Niemöller in seinem Begleitschreiben zu dem an die Kirchenkanzlei übersandten Bericht auch seine Skepsis dem Vorhaben gegenüber aus (EBD., Bl. 248). Die angesprochene vertragliche Verpflichtung zur Dienstbereitschaft jeglicher Art und überall war in allen Verträgen enthalten, die Mitarbeiter der Labor Service Units seit Mitte 1950 erhielten (vgl. Art. „Beste Wünsche der Kompanie“, in: Der Spiegel, Nr. 32, 10. 8. 1950). 384 Vertrauliche Auskünfte Piepkorns im Gespräch mit Osterloh am 18. 1. 1951, die dieser am 19. 1. den Kirchenführern der US-Zone übermittelte (EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 268f.). Vgl. allgemein: H.-L. BORGERT, Entstehung. 385 Vgl. Art. „Beste Wünsche der Kompanie“, in: Der Spiegel, Nr. 32, 10. 8. 1950.

Der Aufbau einer Lagerseelsorge

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ordinierender „Inspekteur“. Eine nebenamtliche Betreuung durch Gemeindepfarrer hielten sie für unzureichend. Die betreffenden Pastoren sollten jung und möglichst ledig sein, für mindestens ein Jahr aus dem Dienst der Landeskirche beurlaubt werden und einen Vertrag direkt mit der amerikanischen Armee abschließen (Monatsgehalt etwa DM 600.–, entsprechend dem Sold eines Hauptmanns). Disziplinargewalt und Dienstaufsicht sollten bei den Landeskirchen bleiben. Mit der römisch-katholischen Kirche hatte man bereits Fühlung aufgenommen und erhoffte von dort eine Zustimmung zu den Plänen, denen sich nach amerikanischer Ansicht bald auch die Briten mit einer ähnlichen Regelung für ihre Einheiten (German Service Organisation)386 anschließen würden. Auch mit den evangelischen Landeskirchen wollten die Amerikaner auf dem Weg über die Kirchenkanzlei einvernehmlich zusammenarbeiten387. Nach ersten Verhandlungen mit den beteiligten Landeskirchen (Hannover, Baden, Württemberg, Hessen-Nassau, Bayern) wurden als Hauptkritikpunkt an dem Vorhaben die angestrebten Einzelverträge zwischen Oberkommando der Armee und den einzelnen Pfarrern benannt. Seitens der Landeskirchenleitungen wünschte man ausdrücklich, den Eindruck zu vermeiden, als würden „Pfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland in den amerikanischen Militärdienst treten“388. Nach einem umfangreichen Schriftverkehr zwischen Osterloh, Piepkorn und den einzelnen beteiligten Landeskirchen389 und zahlreichen Einzelbesprechungen, in denen man sich auf Eckpunkte der eigenen Position verständigte, kam es am 28. Februar 1951 in Stuttgart zu einem Treffen von Vertretern der Landeskirchen, Osterloh und Piepkorn. Dort einigte man sich, obwohl die landeskirchlichen Forderungen zuvor für Irritationen auf der amerikanischen Seite gesorgt hatten390, auf folgende Grundsätze, die auch Piepkorn seinen Vorgesetzten gegenüber vertreten wollte:

386

Zu den britischen Dienstgruppen vgl. H.-L. BORGERT, Entstehung, S. 94–99, 112–115. Vgl. Osterlohs Brief über Piepkorns Mitteilungen (vgl. oben Anm. 384). Vgl. H. KRUSE, Kirche, S. 19; J. MÜLLER-KENT, Militärseelsorge, S. 37f. 388 Schreiben Osterlohs (Kirchenkanzlei) an Piepkorn vom 27. 1. 1951 (EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 254). 389 Vgl. EBD., Bl. 240–267. 390 In einer Besprechung hatten Vertreter der beteiligten Kirchenführer am 26. 1. 1951 unter anderem gefordert, dass die Pfarrer vor Willkürakten seitens der amerikanischen Vorgesetzten geschützt werden müssten und dass es nicht zur Bildung eigenständiger Gemeinden kommen dürfe. Amtshandlungen sollten von den betroffenen Pfarrern nur aufgrund eines „vielleicht generell zu erteilenden“ Dimissoriale vorgenommen werden (Dienstreisebericht Osterlohs vom 29. 1. 1951 über diese Besprechung [EBD., Bl. 240]). In einem anschließenden Gespräch mit Piepkorn gewann Osterloh den Eindruck, dass es nicht als „sicher angesehen werden darf, daß es zu einer tatsächlichen Zusammenarbeit zwischen der amerikanischen Heeres-Seelsorge und den Landeskirchen auf diesem Gebiet kommt“ (EBD., Bl. 240 R). 387

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1.) Keine Uniform der Arbeitsdiensteinheiten für die Geistlichen, die außerhalb des Gottesdienstes einen schwarzen Anzug tragen sollen; 2.) Besoldung der Pfarrer durch die Landeskirchen, die dafür von den Amerikanern Pauschalbeträge erhalten; 3.) Inhaltliche Freiheit insbesondere bei geplanten Vorträgen über Charakterbildung, die sich aber von politischer Beeinflussung frei halten sollen; 4.) Besetzung der Stellen auf Vorschlag der Landeskirchen, den die Leitung des Arbeitsdienstes annehmen oder ablehnen kann, Beauftragung der Pfarrer ebenfalls durch die Landeskirchen391. Am 6. März 1951 stimmte auch der Rat der EKD – nach Vortrag Niemöllers (sic !) – diesen Grundsätzen zu392. Osterloh drängte darauf, nun bald erste Stellen zu besetzen, da Piepkorn Deutschland Ende März 1951 verließ, und bis dahin erste Ergebnisse vorliegen sollten. Daraufhin kam es sehr schnell zur Besetzung der Stellen in Nürnberg und München; die Erfahrungen in der praktischen Arbeit waren zunächst positiv, und die Pfarrer erfuhren Unterstützung393. Am 9. Oktober 1951 nahm der Osterloh aus Oldenburger Tagen wohlbekannte Hermann Pleus seinen Dienst als leitender Pfarrer der seelsorgerlichen Betreuung der deutschen Arbeitsdiensteinheiten in Heidelberg auf. Zwar hatte Osterloh im Verlauf der langen Suche auch bei Kirchenleitungen nach möglichen Kandidaten gefragt394, doch die Beauftragung erfolgte ohne weitere Rücksprache

391

Vgl. den Dienstreisebericht Osterlohs vom 5. 3. 1951 (EBD., Bl. 180f.). Vgl. DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 5, S. 114. 393 Vgl. EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 175, 172. In seinem Abschiedsschreiben an Piepkorn konnte Osterloh feststellen, „daß in allen beteiligten Landeskirchen die grundsätzliche Bereitschaft zu positiver Mitarbeit gegeben ist“ (Brief Osterlohs an Piepkorn vom 14. 4. 1951 [EBD., Bl. 173]). Diese Bereitschaft zur Mitarbeit sollte bald auf harte Proben gestellt werden: So berichtete der Münchener Pfarrer Ernst Oberhäußer von Behinderungen seiner Tätigkeit durch den Dienstplan der Einheiten (der Sonntagsgottesdienste z. B. fast unmöglich machte und dazu führte, dass durchschnittlich nur ca. ein Drittel der Einheiten am Unterricht teilnehmen konnte), durch mangelnde logistische Unterstützung (Dienstfahrzeug, geeignete Büroräume) und insgesamt mangelndes Verständnis für die Erfordernisse des Pfarrdienstes (Brief an Osterloh vom 15. 10. 1951 [EBD., Bl. 20]). 394 Schon am 8. 8. 1951 hatte Osterloh in einem Schreiben an das Landeskirchenamt München die Besetzung der leitenden Stelle angemahnt, u. a. mit Hinweis darauf, dass die Katholiken die Besetzung ihrer Stellen bereits abgeschlossen hätten (EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 145). Dem zuvor aus dem bayrischen Oberkirchenrat erhaltenen Versprechen, „mit zwei Persönlichkeiten Verhandlungen führen“ zu wollen (Dienstreisebericht Osterlohs vom 2. 8. 1951 über eine Besprechung im bayrischen Oberkirchenrat am 28. 7. 1951 [EBD., Bl. 130]), maß er offenbar wenig Bedeutung zu: In der Antwort auf eine Anfrage Kloppenburgs vom 4. 8. 1951, der nach einer Verwendung für einen in Oldenburg nicht einsetzbaren Pfarrer suchte, erkundigte er sich auch nach Hermann Pleus, den er für den leitenden Posten in Heidelberg vorzuschlagen gedachte (beide Schreiben EBD., Bl. 129 bzw. 127f.). Dass Osterloh mit seiner Einschätzung der bayrischen Bemühungen richtig lag, zeigt der kurze Überblick, den er am 28. 8. 1951 392

Der Aufbau einer Lagerseelsorge

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mit ihnen, allein durch die Kanzlei395; wiederum ein Beleg dafür, dass es Osterloh bei seiner Arbeit auch darum ging, die Befugnisse der EKD Schritt um Schritt zu erweitern. Am gleichen Tag bat Osterloh die Kirchenleitungen der US-Zone um vertrauensvolle Zusammenarbeit und Hilfe bei der Besetzung der noch offenen Stellen, nicht ohne Hinweis darauf, dass von katholischer Seite alle Stellen bereits besetzt seien, und dass dort Monsignore Werthmann die Arbeit in der leitenden Stellung „mit sichtbarem Erfolg“ verrichte396. Wenige Tage zuvor hatte er Pleus aufgesucht und diesem die entscheidenden Punkte seiner Aufgabe erläutert: Osterloh bestand insbesondere auf zügiger Aufnahme der Kontakte zu den zuständigen amerikanischen Dienststellen und den Kirchenleitungen und auf einer möglichst umfassenden Aufmerksamkeit den politisch-militärischen Entwicklungen gegenüber. Besonders ans Herz legte Osterloh Pleus die Verhandlungen zwischen britischer Rheinarmee und amerikanischer Armee, die Fühlungnahme zur Dienststelle Blank (sic !) sowie direkte Verbindungen zu Superintendent Kunst, Oberkirchenrat Ranke und ihm selbst. Für die inhaltliche Arbeit legte er lediglich Wert auf „grundsätzliche[n], beharrliche[n] Widerstand“ gegen eine Uniformierung der Pfarrer397. Gerade über dieses Problem aber war die Praxis längst hinweggegangen, wie Pleus in seinem ersten Bericht an Osterloh mitzuteilen wusste: „Die Chaplains draußen, soweit ich sie kennen lernte, tragen die Uniform.“398 Die Verbindung zur früheren Militärseelsorge – schon in der Struktur erkennbar – wird besonders deutlich an vier Beispielen: 1.) Der in Bremerhaven als Seelsorger der Angehörigen der „Labor Service Unit B“ tätige Marinedekan Friedrich Ronneberger war im Zweiten Weltkrieg Militärpfarrer gewesen und hatte sich – ohne Kenntnis der örtlichen Kirchenbe-

Piepkorns Nachfolger, Chaplain Gustav A. Koch, gab: einer der Bewerber wollte aus persönlichen Gründen nicht, der andere kam nur für eine nebenamtliche Beschäftigung in Betracht (EBD., Bl. 80f.). 395 Osterloh unterrichtete die Kirchenleitungen in der US-Zone in einem Schreiben vom gleichen Tage lediglich davon, dass Pleus „vorläufig probeweise“ diesen Dienst angetreten habe (EBD., Bl. 38). 396 EBD. 397 Vgl. den ‚Merkzettel‘ Osterlohs für seine Besprechung mit Pleus (EBD., Bl. 34f.). Genau eine solche Uniformierung aber war in der Dienstanweisung „Uniformen und Bekleidung für Labor Service Chaplains“ eigentlich vorgesehen: Sie bestimmte die allgemeine Pflicht zum Tragen einer Uniform, an der statt Rangabzeichen ca. 1 inch hohe Kreuze angebracht waren. Ausnahmen waren aber zugelassen: Natürlich in den Gottesdiensten – hier sollte die von der Konfession bestimmte Kleidung getragen werden –, aber auch bei „Gewissensbedenken“ oder „ausdrücklichem Wunsch“ der Landeskirche; in diesem Fall durfte der Pfarrer einen – selbst zu bezahlenden – schwarzen Anzug tragen (EBD., Bl. 16). 398 Brief Pleus’ an Osterloh vom 13. 10. 1951 (EBD., Bl. 25f.). Als Grund führte er vor allem an, dass das Tragen der Uniform von vielen Angehörigen der Dienstgruppen als „Schande“ empfunden werde, da man sich damit dem Eindruck aussetze, sich „dem Amerikaner irgendwie verkauft“ zu haben. Dieselbe „Schande“ müssten auch die Geistlichen zu tragen bereit sein.

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

hörden – seit 1945 der kirchlichen Betreuung von Minenräumgruppen399 in Wilhelmshaven angenommen, deren Angehörige sämtlich ehemalige Marinesoldaten waren. Er selbst sprach von der „Fortsetzung“ seiner früheren Tätigkeit400. 2.) Im August 1951 drängten die Amerikaner darauf, dass der leitende evangelische Pfarrer der Lagerseelsorge benannt würde, der zugleich Verbindungsmann zu den Amerikanern sein sollte und seine Tätigkeit hauptamtlich in Heidelberg ausüben sollte. Sie führten dabei die Katholiken als positives Beispiel an. Deren schon eingesetzter Verbindungsmann, Monsignore Georg Werthmann, war innerhalb der katholischen Militärseelsorge im Zweiten Weltkrieg in vergleichbarer Stellung tätig401. Werthmanns einschlägige Erfahrungen auf diesem Posten hob auch Osterloh hervor402. 399 Zum „Deutschen Minenräumdienst“ vgl. H.-L. BORGERT, Entstehung, S. 101–106. Ein Teil des bei dieser 1947 aufgelösten Einheit tätigen Personals gelangte auf dem Umweg über den daraufhin gebildeten Minenräumverband des Zollgrenzschutzes und ab 1951 der o. g. Labor Service Unit in Bremerhaven schließlich 1956 in die neugebildete Bundesmarine (vgl. W. STÜRM, Überlegungen, S. 202–208). Ein solcher Fall blieb – schon aufgrund der sonst fehlenden Homogenität der Dienstgruppenverbände – in der Gründungsgeschichte der Bundeswehr aber eine Ausnahme (vgl. G. MEYER, Entwicklung, S. 919). 400 Ronneberger hatte sich am 29. 5. 1951 brieflich an die Kirchenkanzlei gewandt, seine bisherige Arbeit geschildert und um deren materielle Unterstützung gebeten, u. a. um Überlassung von Gesangbüchern. Im folgenden Briefwechsel zwischen Osterloh, den Landeskirchenleitungen von Oldenburg und Hannover sowie Ronneberger ergab sich, dass über dessen Tätigkeit den kirchlichen Dienststellen nichts bekannt war. Ronneberger betonte, dass er sich nicht, wie dort angenommen, „spontan“ eingeschaltet habe, sondern schon 1945 die Seelsorge an den Angehörigen der Minenräumgruppen „in Fortsetzung“ seiner früheren Tätigkeit als Marinepfarrer übernommen habe, weil sich keine Landeskirche dieser Aufgabe angenommen habe und die Männer sonst ohne kirchliche Versorgung geblieben wären. Er verwies weiter auf Genehmigungen seitens der amerikanischen und englischen Dienststellen sowie auf ein Schreiben Asmussens vom 11. 2. 1946, das er als „Auftrag des Rates der EKD“ interpretierte (alle Schreiben in: EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 143–166). Jens Müller-Kent spricht im Zusammenhang mit der Tätigkeit Ronnebergers von einer „bizarren Kontinuität von Wehrmachtsseelsorge und Seelsorge unter den Angehörigen der Dienstgruppen im Bereich der Marine“ (DERS., Militärseelsorge, S. 37, Anm. 4), verkennt dabei aber, dass es sich – zumindest bis zu diesem Zeitpunkt – nicht um eine gewollte ‚Überbrückung‘ bis zum nächsten regulären Pfarramt in einer künftigen Militärseelsorge gehandelt hatte, sondern sozusagen um eine ‚Verantwortungskontinuität‘ eines Seelsorgers für ihm anvertraute Menschen, die sich eher zufällig ergeben hatte: Weil sich keine kirchliche Stelle dieser Menschen annahm, wollte ihr zuständiger Seelsorger sie nicht auch noch im Stich lassen. Bemerkenswert erscheint lediglich, dass Ronnebergers Tätigkeit über sechs Jahre hinweg währen konnte, ohne dass eine kirchliche Stelle davon Kenntnis erhielt, was anfangs vielleicht auch der eigenwilligen Arbeitsweise Asmussens zuzuschreiben war, aber dadurch begünstigt worden sein muss, dass es keine Klagen über Ronnebergers Tätigkeit gegeben zu haben scheint. 401 Zu Person und Wirken Werthmanns vgl. H. J. BRANDT, Glaube; K.-B. SPRINGER, Art.: „Werthmann, Georg“. Eine kritische Würdigung Werthmanns steht noch aus. 402 In Briefen wies Osterloh mehrfach auf Werthmanns einschlägige Erfahrungen hin und hoffte wohl, damit die evangelischen Landeskirchen zu einem adäquaten Personalvorschlag für die Besetzung der entsprechenden Stelle auf evangelischer Seite bewegen zu können. Vgl. z. B. aus seinem Brief an den bayrischen Landeskirchenrat vom 8. 8. 1951: „Vor allen Dingen aber haben die Katholiken als Verbindungsmann für das Hauptquartier Monsignore Werthmann zur Verfügung gestellt, der im letzten Krieg

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3.) Bei einer Besprechung dieser Personalfrage in München äußerte sich nach Osterlohs Dienstreisebericht Oberkirchenrat Lic. Schmidt wie folgt: „Lic. Schmidt hält es für richtig, sich jetzt schon möglichst genaue Gedanken über den Aufbau einer evangelischen Seelsorge in einer möglichen kommenden Wehrmacht zu machen.“403 4.) Am 16. August 1951 schließlich stellte Osterloh in einem Brief an Hermann Kunst die Verbindung selbst her. Zu den kirchlichen Verhandlungen über „die Form, die eine etwaige Wehrmachtsseelsorge in Zukunft annehmen müßte“, schrieb er: „Wir sind darüber hinaus der Ansicht, daß die inzwischen gesammelten neuen Erfahrungen der von den süddeutschen und jetzt auch von den norddeutschen Kirchen neu geregelten speziellen Seelsorge an kasernenmäßig untergebrachten jungen Männern berücksichtigt werden müssen. (Besondere Abmachungen über Pfarrstellen in Arbeitsdiensteinheiten bei der amerikanischen Armee – Reisesekretär für diese besondere Arbeit in der britischen und französischen Zone).“404

Mehr noch als einzelne personelle Kontinuitäten wird der in den Dienstgruppen, aber auch unter den leitenden Geistlichen ungebrochene militärische Geist als gewichtigste „Kontinuität“ anzusehen sein. Die Angehörigen dieser Dienstgruppen waren mit ihrem Dasein nicht etwa aufgrund „antimilitaristischer Einstellungen“ unzufrieden405, sondern einmal, weil sie als „Söldner“ der Amerikaner (bzw. Briten) angesehen wurden406, seit dem Aufkommen der Diskussion um eine deutsche Wiederbewaffnung aber vor allem deshalb, weil sie, deren „Sinnen und Trachten […] auf das klar Militärische“ abzielte, befürchteten, durch ihre Bindung an die Besatzungsmächte nicht für die neu zu gründende deutsche Armee in Frage zu kommen407. Und ihre leitenden Seelsorger ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass militärische Kategorien ihnen ebenfalls vertraut und keineswegs zuwider waren: So äußerte Pleus sich in einer Stellungnahme zur Situation des Seelsorgers in Lübberstedt bei Bremerhaven – es ging noch einmal um das bald ad acta gelegte Thema Uniform – überaus anerkennend: „Im übrigen ist Lübberstedt jedenfalls der äußeren Form nach das denkbar milidie Parallelstellung innerhalb der katholischen Wehrmachtsseelsorge neben Münchmeyer inne gehabt hat“ (EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 145). Ähnlich äußerte er sich in seinem Schreiben vom 9. 10. 1951 an die Kirchenleitungen der Landeskirchen im Bereich der US-Zone (EBD., Bl. 38). 403 Dienstreisebericht Osterlohs vom 2. 8. 1951 über die Besprechung am 28. 7. 1951 (EBD., Bl. 130). 404 Brief Osterlohs an Hermann Kunst vom 16. 8. 1951 (EZA BERLIN, 2/2574 [in der in EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 90ff., befindlichen Abschrift fehlt ein Teil des ersten zitierten Satzes]). 405 Hierauf führt Müller-Kent deren geringes Ansehen und damit auch das des Seelsorgedienstes dort zurück (DERS., MILITÄRSEELSORGE, S. 39, Anm. 15). 406 Vgl. oben Anm. 398. 407 Brief Pleus’ an Osterloh vom 12. 1. 1952 (EZA BERLIN, 2/4040, Bl. 183).

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tärischste Center. Kein Unterschied zu dem tadellosesten Kasernement der 30er Jahre [sic !]. Dort ständig als einziger Zivilist herumzulaufen, wäre auch mir psychologisch unerträglich […].“408 Und über Monsignore Werthmann urteilte er am Ende seiner Dienstzeit: „Über die Notwendigkeit einer deutschen Aufrüstung besteht für ihn kein Zweifel. Für ihn […] gilt die Ostzone – ob mit oder ohne westdeutsche Aufrüstung – als verloren. Hinter der Stärkung Westeuropas aber steht letztlich die Idee eines Kreuzzugs gegen den Bolschewismus.“409

5.5.2 Die Wiederbewaffnungsdebatte bis 1952/53 und die offizielle Haltung der EKD Die Debatte um Krieg und Frieden, die Verteidigungsfähigkeit Europas und schließlich die Remilitarisierung Deutschlands fand ihren entscheidenden Katalysator im Ausbruch des Korea-Krieges am 25. Juni 1950 und im zunächst schnellen Vorrücken der Nordkoreaner410. Bis dahin hatte man auf der Grundlage der allgemeinen Einsicht, dass Deutsche mit Krieg oder Militär nie wieder etwas zu tun haben dürften, eher rückblickend diskutiert und dabei die beiden von Deutschland ausgehenden Weltkriege vor Augen gehabt. Nun wurde zum ersten Mal einer größeren Öffentlichkeit bewusst, dass es sich bei der Frage der Wiederbewaffnung um eine sehr reale und naheliegende Perspektive handeln könnte. Der Krieg in einem damals für viele vergleichbaren, auch geteilten Land, ebenso an der Nahtstelle zwischen Kommunismus und „freiem Westen“ gelegen wie Deutschland, ließ viele schlagartig erkennen, dass sich die Vorstellung, eine Bevölkerung von 60 Millionen in dieser Lage könne entmilitarisiert bleiben, mit der Realität auf Dauer nicht vereinbaren ließ. Im Geheimen hatte es auch vorher schon politisch-militärische Planspiele um eine deutsche Wiederbewaffnung gegeben – jetzt wurde ganz offen darüber diskutiert411. 408

EBD. Entwurf des Abschlussberichtes von Pleus über seine Tätigkeit in Heidelberg vom 27. 10. 1952, aus dem der zitierte Satz wieder gestrichen wurde (EZA BERLIN, 2/4041). Osterlohs gutes Verhältnis zu Pleus und der Umstand, dass Pleus’ Tätigkeit in seine Zuständigkeit in der Kirchenkanzlei fiel, der Bericht also zuerst an ihn gegangen sein dürfte, lassen es höchst unwahrscheinlich erscheinen, dass jemand anderes als Osterloh diese Streichung vornahm. Pleus kehrte aufgrund seiner zum 1. 11. endenden Beurlaubung aus dem Dienst der oldenburgischen Kirche dorthin zurück, da an eine schnelle Verwendung im Rahmen einer Militärseelsorge nicht zu denken war (vgl. Aktenvermerk Osterlohs vom 11. 9. 1952, in: EZA BERLIN, 2/4040, Bl. 37). 410 Vgl. B. BONWETSCH/P. M. KUHFUS, Sowjetunion; J. LUKACS, Konflikte, S. 62–71. Informativ als Überblick: J. ISAACS/T. DOWNING, Der Kalte Krieg, S. 82–105. 411 Vgl. G. MAI, Sicherheitspolitik; N. WIGGERSHAUS, Entscheidung; DERS., Frage, S. 43–81; DERS., Potsdam, S. 110–118; M. GÖRTEMAKER, Geschichte, S. 294f.; A. M. BIRKE, Nation, S. 283f. 409

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Konrad Adenauer hatte schon im Dezember 1949 in Interviews und im Vorstand der CDU der britischen Zone seine grundsätzliche Bereitschaft zur Aufstellung deutscher Truppenkontingente im Rahmen einer europäischen Armee erkennen lassen412, am 22. November 1949 aber auch dem „Petersberger Abkommen“ zugestimmt, in dem als Gegenleistung für die diplomatische Aufwertung der Bundesrepublik u. a. zugesichert wurde: „Die Bundesregierung bekundet ferner ihre ernste Entschlossenheit, die Entmilitarisierung des Bundesgebietes aufrechtzuerhalten und sich mit allen Mitteln, die in ihrer Macht stehen, zu bestreben, dass die Wiederaufstellung bewaffneter Streitkräfte jeder Art verhütet wird.“413 Nun, im Spätsommer 1950, sah er die Chance, dem großen Ziel der Erweiterung der Souveränität der Bundesrepublik auf dem Wege der bzw. als Gegenleistung für eine Wiederbewaffnung näher zu kommen414. In einem ohne entsprechenden Kabinettsbeschluss an John McCloy, den Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission, übersandten Memorandum wies er auf die Gefahr hin, die der Bundesrepublik durch die gut ausgerüstete Volkspolizei drohte. Er bot im Rahmen einer westeuropäischen Armee die Aufstellung deutscher Truppenkontingente an und forderte zusätzlich eine Schutzpolizei auf Bundesebene415, was Innenminister Gustav Heinemann, zugleich Präses der Synode der EKD, zum Rücktrittsangebot veranlasste416. Während die Führung 412 Vgl. PROTESTCHRONIK I, S. 147.148f.; ARCHIV DER GEGENWART, 4. u. 9. 12. 1949 (Sonderausgabe, S. 214f., 216). Vgl. H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 1, S. 734–737; H. KÖHLER, Adenauer, Bd. 2, S. 64–68; N. WIGGERSHAUS, Entscheidung, S. 332–335. 413 Protokoll des Abkommens laut Nachrichtenagentur Reuter: ARCHIV DER GEGENWART, 24. 11. 1949 (Sonderausgabe, S. 208f., Zitat: S. 209). Die Aussprache im Bundestag, der vor Abschluss des Abkommens nicht konsultiert worden war, endete zwei Tage später in einer erregten Debatte besonders über die ebenfalls im Abkommen enthaltene Anerkennung des Kontrollrechts der Internationalen Ruhrbehörde, in der Schumachers Diktum vom „Kanzler der Alliierten“ fiel (VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES, STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 1. WP, 18. Sitzung, 24./25. 11. 1949, Zitat: S. 525; vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 24. 11. 1949 [Sonderausgabe, S. 207f.]; PROTESTCHRONIK I, S. 144). 414 Vgl. D. BALD, Reform, S. 205–208; R. G. FOERSTER, Aspekte, S. 445f.; CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 230f.; R. STEININGER, Geschichte, Bd. 2, S. 145f.; M. GÖRTEMAKER, Geschichte, S. 298f. Auf ein bei Adenauer (neben solchen taktischen Gedanken) durchaus vorhandenes Gefühl der Bedrohung weisen hin: A. M. BIRKE, Nation, S. 283; H. KÖHLER, Adenauer, Bd. 2, S. 66–77; H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 1, S. 727–730, 734–737; K. SCHWABE, Adenauer, bes. S. 59–64. 415 Vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 30. 8. 1950 (Sonderausgabe, S. 361f.); PROTESTCHRONIK I, S. 280; M. GÖRTEMAKER, Geschichte, S. 298f. Das Memorandum ist abgedruckt in: KABINETTSPROTOKOLLE DER BUNDESREGIERUNG 1950, Bd. 3, S. 85–90. Auszüge in: R. STEININGER, Geschichte, Bd. 2, S. 165ff. 416 Heinemann bot seinen Rücktritt am 31. 8. 1950 an (vgl. PROTESTCHRONIK I, S. 281). Offizieller Anlass war, dass er als für Polizeifragen zuständiger Fachminister zuvor nicht konsultiert worden war, im Hintergrund stand sein von Beginn an schwieriges Verhältnis zu Konrad Adenauer, sein anderes Demokratie- und Politikverständnis und seine prinzipielle Ablehnung der Wiederbewaffnung, die er als entscheidendes Hindernis auf dem Weg zu einer Wiedervereinigung ansah. Letztere aber hatte für ihn absolute Priorität, und nachdem Heinemann erneut erklärt hatte, in der Frage der Wiederbewaffnung keine Kabinettsdisziplin zu akzeptieren, nahm Adenauer am 9. 10. 1950 seinen Rücktritt an (ARCHIV DER

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der SPD, insbesondere Kurt Schumacher als Verfechter einer kompromisslosen Haltung gegenüber der Sowjetunion, zunächst Zustimmung, jedenfalls keine prinzipielle Ablehnung einer Remilitarisierung signalisierte417, begann nun eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit, in der Presse und auch in der evangelischen Kirche, die – in unterschiedlicher Intensität – über Jahre anhalten sollte und auf ihrem Höhepunkt, als anlässlich einer möglichen Atombewaffnung der Bundeswehr die alten Frontstellungen erneut und noch polemischer aufeinander trafen, beinahe zum Zerbrechen der EKD geführt hätte418. Innerhalb der EKD, deren Wort zum Frieden der Synode von Berlin-Weißensee im April 1950 sich auf allgemeine Appelle an die Regierenden zum Frieden und zum Recht auf eine Verweigerung des Kriegsdienstes beschränkt hatte419, sammelten sich Gegner einer Wiederbewaffnung in den am 15. März 1950 auf Initiative Martin Niemöllers und Herbert Mochalskis erstmals seit Kriegsende wieder überregional zusammengerufenen Kirchlichen Bruderschaften420. Niemöller, aufgrund seiner Rolle in der Bekennenden Kirche und nun als Leiter des Kirchlichen Außenamtes einer der bekanntesten, im Ausland vielleicht sogar der prominenteste deutsche Protestant, hatte sich von Beginn an dem Bonner Staat und vor allem der Regierung Adenauers gegenüber kritisch geäußert421 und GEGENWART, 9. 10. 1950 [Sonderausgabe, S. 378]). Die Krise spiegelt sich in den Kabinettsprotokollen der Bundesregierung (vgl. oben Anm. 415). Vgl. U. BAYER, Protestantismus, S. 130ff.; G. M. KRAUSE, Gustav Heinemann, bes. S. 179f.; H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 1, S. 764–774; DERS., Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 114ff., 123f.; H. KÖHLER, Adenauer, Bd. 2, S. 79–87; J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 118–123; A. PERMIEN, Protestantismus, S. 8–12. Ausführlich zum Verhältnis Adenauers zu Heinemann: H.-E. VOLKMANN, Gustav W. Heinemann. 417 Schumacher führte in den folgenden Monaten mehrere Gespräche mit den von Adenauer beauftragen Ex-Generälen Adolf Heusinger und Hans Speidel (vgl. PROTESTCHRONIK I, S. 159; A. M. BIRKE, Nation, S. 290) und hatte schon in einer Pressekonferenz unmittelbar nach Bekanntwerden des Memorandums eine Wiederbewaffnung nicht ausgeschlossen (vgl. Rudolf Augsteins unter dem Pseudonym Jens Daniel veröffentlichten Art. „Der amerikanische Friede“, in: Der Spiegel, Nr. 35, 31. 8. 1950 [Abdruck auch in: PROTESTCHRONIK I, S. 282]), allerdings darauf bestanden, dass Deutsche und Alliierte im Fall eines Angriffs das gleiche Risiko tragen müssten (vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 9. 10. 1950 [Sonderausgabe, S. 379]). Vgl. R. G. FOERSTER, Aspekte, S. 523–528; K. VON SCHUBERT, Wiederbewaffnung, S. 42–46. 418 Vgl. unten S. 518–526. 419 „Was kann die Kirche für den Frieden tun?“ (KJ 77, 1950, S. 7–10). Vgl. K. HERBERT, Kirche, S. 165–169; J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 90–116. 420 Die Kirchlichen Bruderschaften, die „fortan den Stoßtrupp der radikalen kirchlichen Opposition gegen die Wiederbewaffnung bildeten“ (J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 133), traten damit in eine gewisse, von Niemöller wohl gewollte Konkurrenz zum moderateren und auch politisch ausgewogener besetzten Reichsbruderrat, der auch nach Übertragung seiner kirchenleitenden Befugnisse an die EKD (Entschließung vom 15. 7. 1948, in: KJ 72–75, 1945–1948, S. 106f.; ELKZ 2, 1948, S. 147) ein „Wächteramt“ beanspruchte; vgl. D. BUCHSTÄDT, Kirche, bes. S. 143–159. 421 Beinahe klassisch schon Niemöllers Diktum vom 13. 12. 1949, in dem er die Regierung der Bundesrepublik als „empfangen im Vatikan und geboren in Washington“ bezeichnete und hernach urteilte: „Die Fortdauer des westdeutschen Staates bedeutet den Tod des kontinentalen Protestantismus“ (zit.

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wurde nun zum Wortführer einer breiten Bewegung. Er forderte in einem Offenen Brief an Adenauer u. a. Neuwahlen, da 1949 kein Wähler daran gedacht habe, dem Bundestag die Vollmacht zur Wiederbewaffnung zu geben422. Der Rat der EKD, der sich am 27. August 1950 noch gegen eine Wiederaufrüstung in beiden Teilen Deutschlands ausgesprochen hatte423, teilte nun in einer Entschließung vom 17. November 1950 mit, er könne sich mit Niemöllers Auffassung nicht identifizieren, verurteilte dessen Äußerung inhaltlich aber auch nicht424. Man bezog einen „neutralen“ Standpunkt, um Theologie und Kirche keiner einseitigen Vereinnahmung auszusetzen und um die Einheit der EKD nicht zu gefährden. Nunmehr stellte man fest: „Auch die Frage, ob eine wie immer geartete Wiederaufrüstung unvermeidlich ist, kann im Glauben verschieden beantwortet werden.“425 Angesichts der eindeutigen Position von Synodalpräses Heinemann, der wenige Monate zuvor noch anderslautenden Meinung des Rates und vor dem Hintergrund der Befürchtungen Adenauers, die Diskussion um die Wiederbewaffnung könne der CDU bei den protestantischen Wählern schaden426, nach KJ 76, 1949, S. 240f., hier: S. 241; vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 20. 12. 1949 [Sonderausgabe, S. 222]; PROTESTCHRONIK I, S. 153). Vgl. auch J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 79–82; K. HERBERT, Kirche, S. 157–162. Die Bedeutung Niemöllers und die von ihm ausgehende Gefahr auch für die Regierung Adenauer fasst M. GRESCHAT, Christentumsgeschichte II, S. 271, prägnant zusammen: „Niemöllers Stimme trug weit, auch im Ausland.“ 422 Offener Brief, datiert auf den 4. 10. 1950 (Abdrucke: KJ 77, 1950, S. 174f.; KTGQ V, S. 219f.; EVANGELISCHE KIRCHE IN DEUTSCHLAND, S. 50ff.; D. BUCHHAAS-BIRKHOLZ, Weg, S. 134f.). Dieser Offene Brief wurde zusammen mit einem eher gemäßigten „Wort des Bruderrates der EKD zur Wiederaufrüstung“ und zwei schärfer formulierten Texten aus den Kirchlichen Bruderschaften, dem „Offenen Brief von Vertretern der Bruderschaften der Bekennenden Kirche“ und der „Handreichung an die Gemeinde zur Wiederaufrüstung“ (Abdrucke: KJ 77, 1950, S. 167f., 169–174, 176), wenige Tage später nochmals in einem Flugblatt unter dem Titel „An die Gewehre? Nein!“ veröffentlicht, was auch im Bruderrat für Verstimmung sorgte. Vgl. die Dokumentation der unterschiedlichen Stellungnahmen in: KJ 77, 1950, S. 190–227; K. HERBERT, Kirche, S. 178–186; J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 133–141; D. BUCHSTÄDT, Kirche, S. 148–153. 423 In einer auf der Ratssitzung am Rande des Essener Kirchentages verabschiedeten „Erklärung des Rates der EKD zur Frage der Wiederaufrüstung“ hieß es: „Einer Remilitarisierung Deutschlands können wir das Wort nicht reden, weder was den Westen, noch was den Osten anlangt“ (Abdrucke: KJ 77, 1950, S. 165f.; KTGQ V, S. 218f.; EVANGELISCHE KIRCHE IN DEUTSCHLAND, S. 27ff.). 424 In der vom Rat in Übereinstimmung mit der Kirchenkonferenz herausgegebenen Erklärung vom 17. 11. (KJ 77, 1950, S. 223f.; KTGQ V, S. 223f.) hieß es: „Kirchenpräsident D. Niemöller hat sich mehrfach zur Wiederaufrüstung in Deutschland geäußert. Der Rat erkennt den Ernst und das Gewicht seiner Fragestellung an. Er bedauert jedoch die Schärfen mancher seiner Äußerungen. Er bedauert aber auch die Form der Kritik durch den Bundeskanzler.“ Adenauer hatte im Kabinett seine Überzeugung geäußert, dass Niemöller bei einem „gefestigten Staatswesen […] eigentlich hinter Schloß und Riegel“ gehöre (KABINETTSPROTOKOLLE DER BUNDESREGIERUNG 1950, Bd. 3, S. 46; vgl. H. KÖHLER, Adenauer, Bd. 2, S. 88). 425 KJ 77, 1950, S. 223f.; KTGQ V, S. 223. 426 Vgl. F. BÖSCH, Adenauer-CDU, S. 118–127; H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 1, S. 771–774; H. KÖHLER, Adenauer, Bd. 2, S. 83f.; P. EGEN, Entstehung, S. 70f.; A. DOERING-MANTEUFFEL, Die „Frommen“, bes. S. 100–103; H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 527ff., 537–540.

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musste diese Resolution in der Öffentlichkeit allerdings eher wie eine Bestätigung der Regierungslinie und keineswegs „neutral“ wirken427. Inzwischen hatten die Alliierten eher abwartend auf Adenauers Vorstoß reagiert. Man teilte der Bundesregierung mit, dass die Voraussetzungen für eine Teilnahme westdeutscher Truppen an der gemeinsamen Verteidigung geprüft würden, während in Frankreich der „Pleven“-Plan entwickelt wurde, der eine nicht gleichberechtigte Einbeziehung westdeutscher Truppen in eine zusätzlich zu den bestehenden Armeen neuzubildende europäische Armee vorsah428. Die weiteren Verhandlungen zogen sich hin, doch wurden auf deutscher Seite bereits weitere Vorbereitungen getroffen. Vom 4. bis 9. Oktober 1950 erarbeiteten im Kloster Himmerod in der Eifel ehemalige hohe Wehrmachtsoffiziere (u. a. Adolf Heusinger, Hans Speidel und Wolf Graf von Baudissin) die Himmeroder Denkschrift, in der die Grundlage für ein zu errichtendes Wehrministerium und für die spätere Bundeswehr konzipiert wurde. Verbunden wurde dies mit der Forderung nach einem Ende der Diffamierung der Wehrmacht und einer Rehabilitierung der deutschen Soldaten429. Am 26. Oktober 1950 wurde Theodor Blank zum „Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der 427 Zur Wirkung der Spandauer Erklärung in der Öffentlichkeit – auch das konservative ‚Lager‘ war enttäuscht, weil man sich nicht zu einer eindeutigen Absage an Niemöllers Position hatte durchringen können –, vgl. J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 146–149. A. PERMIEN, Protestantismus, S. 55, wertet diesen Beschluss eindeutig als Niederlage der „Barthianer“ Niemöller und Heinemann, deren aufsehenerregende Effekte dadurch neutralisiert worden seien. Kann man ihm bis hierhin folgen, ist gegenüber der folgenden Aussage Permiens nicht nur sachlogisch größte Skepsis angebracht: „So hat der von konservativen Lutheranern beherrschte Rat der EKD durch sein laues Taktieren die einmalige Chance verspielt, auf die öffentliche Meinungsbildung in der Bundesrepublik einzuwirken“ (EBD.). Abgesehen von der fehlerhaften Logik (ein Neutralisieren solcher Effekte ist ein Einwirken „auf die öffentliche Meinungsbildung“) löst Permien sich hier endgültig von seinen eigenen methodischen Vorgaben, zu denen er die induktive und empirische Methodik im Sinne der englischen Geschichtsschreibung zählt (EBD., S. 2), und lässt anstelle dessen eine weitgehend kritiklose Übernahme der Sichtweise einer der beiden Konfliktparteien erkennen. Unabhängig davon, dass es den Reiz der Darstellung nicht erhöht, sattsam bekannte (Vor-)Urteile über Adenauer und die konservative Mehrheit im Rat der EKD zu wiederholen, muss Permien sich fragen lassen, ob er den Versuch einer direkten Beeinflussung der Politik durch die Kirche – so er den wahren Einfluss der EKD auf die Öffentlichkeit des Jahres 1950 denn richtig einschätzt! – in jedem Fall gutheißen würde, oder doch nur dann, wenn es seiner Meinung entspräche? Zu einer wissenschaftlichen Beurteilung hätte ein Eingehen sowohl auf die Enttäuschung selbst der (nach Permien den Rat doch beherrschenden) konservativen Lutheraner als auch auf die im Zusammenhang aufschlussreiche Frage gehört, wie die genannte Mehrheit im Rat zustande kam, ob sie nicht doch den Mehrheitsverhältnissen im westdeutschen Protestantismus entsprach, über die sich schon die täuschten, deren Sicht Permien übernimmt. 428 Vgl. K. VON SCHUBERT, Wiederbewaffnung, S. 27–32; N. WIGGERSHAUS, Entscheidung, S. 390–400; W. MEIER-DÖRNBERG, Planung, S. 649–654. 429 Vgl. H.-J. RAUTENBERG/N. WIGGERSHAUS, „Himmeroder Denkschrift“; H.-J. RAUTENBERG, Standortbestimmung, S. 783ff.; D. BALD, Reform, S. 213f. Kritisch im Blick auf das Wiederaufleben alter Wehrmachtstraditionen: B.-O. MANIG, Politik, S. 241ff.; W. WETTE, Form.

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alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“ ernannt430. Die neugebildete „Dienststelle Blank“ mit Sitz in einer ehemaligen Bonner Kaserne wurde zur Keimzelle des späteren Verteidigungsministeriums431. Die mühsamen Verhandlungen des Jahres 1951, die allmählich zu außenpolitischen Erfolgen und schließlich zu Verhandlungen über den Deutschlandvertrag führten, der das Besatzungsstatut ersetzen und der Bundesrepublik weitgehende Souveränität verleihen sollte, mündeten ein in den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), der am 27. Mai 1952 in Paris von Frankreich, Italien, den Benelux-Staaten und der Bundesrepublik unterzeichnet wurde432. Einen Tag zuvor hatten in Bonn die Außenminister der drei Westmächte und Adenauer den Deutschlandvertrag unterzeichnet433. Parallel zur relativen Ruhe im innenpolitischen Raum über fast das ganze Jahr 1951 hinweg war auch innerhalb der EKD nach dem Formelkompromiss von Spandau die Heftigkeit der Auseinandersetzung zunächst abgeflaut. Dann jedoch sorgte das „Königswinter-Gespräch“ vom 5. November 1951 für neuen Zündstoff, zu dem Eberhard Müller namens der Akademie Bad Boll den Bundeskanzler und Vertreter aller kirchenpolitischen Richtungen eingeladen hatte – nur nicht Niemöller und Heinemann434. Das Gespräch sollte der Information über die Fragen von Wiederbewaffnung und Wiedervereinigung dienen. Müllers Berichterstattung aber erweckte im Nachhinein den Eindruck, als habe es sich um eine offizielle Begegnung zwischen EKD und Regierung gehandelt, bei der die evangelischen Vertreter, in der Darstellung Müllers „nicht die Belehrenden, sondern die Lernenden“, Adenauers Wiederbewaffnungspolitik unterstützt hätten435. Beides war nicht der Fall gewesen, wie Präses Held in seinem daraufhin veröffentlichten Bericht über das Gespräch klarstellte436. Besonders Dibelius als Ratsvorsitzender musste sich vor den Kopf gestoßen fühlen, schließ430

Vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 26. 10. 1950 (Sonderausgabe, S. 390). Vgl. CHR. GREINER, Dienststelle Blank; H.-J. RAUTENBERG, Standortbestimmung, S. 785–788. 432 Zum Vertragsinhalt vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 27. 5. 1952 (Sonderausgabe, S. 723–730). Vgl. K. A. MAIER, Auseinandersetzungen; H.-E. VOLKMANN, Dimension; W. Meier-Dörnberg, Planung; A. M. BIRKE, Nation, S. 296–305; K. VON SCHUBERT, Wiederbewaffnung, S. 34–37. 433 Vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 26. 5. 1952 (Sonderausgabe, S. 709–723). 434 Ein erstes Gespräch dieser Art, bei dem Niemöller aber anwesend war, hatte am 21. 3. 1950 ebenfalls in Königswinter stattgefunden. Es endete mit einem positiven Eindruck, hatte sich aber nicht um konkrete politische Fragen gedreht, sondern eher einer ersten Fühlungnahme geglichen. Adenauer hatte auch hier schon scharfe Angriffe gegen die SPD gerichtet, um die EKD von einer Unterstützung der Opposition abzubringen. Vgl. das Protokoll des Gesprächs in: EZA BERLIN, 2/2535. 435 KJ 78, 1951, S. 175–178; EVANGELISCHE KIRCHE IN DEUTSCHLAND, S. 100–103. Ein von HansRudolf Müller-Schwefe angefertigtes Protokoll des Gespräches ist im Original abgebildet in: E. MÜLLER, Widerstand, S. 127–130. 436 KJ 78, 1951, S. 178–181; EVANGELISCHE KIRCHE IN DEUTSCHLAND, S. 103–106. – Zum Gespräch vgl. auch: CHR. HANKE, Deutschlandpolitik, S. 126f.; H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 544f. 431

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lich hatte der Rat in öffentlichen Stellungnahmen immer wieder gemahnt, alle Möglichkeiten zu einer Wiedervereinigung auszuloten, und deren Vorrang vor der Wiederbewaffnung bzw. der Westintegration betont. Da zu gleicher Zeit die Geheimverhandlungen der EKD mit der Dienststelle Blank über den Aufbau einer Militärseelsorge bereits begonnen hatten437, kann Dibelius bzw. dem Rat der EKD das Vorpreschen Müllers, das den Schluss nahe legte, die EKD sei jetzt auf den Kurs Adenauers eingeschwenkt, kaum gelegen gekommen sein438. Dieser und weitere Vorstöße vor allem von lutherischer Seite – zu nennen ist in erster Linie noch die ebenfalls von Müller und dem „Kronberger Kreis“ initiierte Kundgebung „Wehrbeitrag und christliches Gewissen“439 – bedeuteten ein Novum: Erstmals ging das „rechte“, am traditionellen lutherischen Staats- und Politikverständnis orientierte Lager innerhalb der EKD über ein bloßes Abwehren der von Niemöller, Heinemann und den kirchlichen Bruderschaften vertretenen Positionen hinaus zu einer eigenen Initiative über. Es versuchte zu verdeutlichen, dass es eigene konstruktive Positionen zum politischen Geschehen zu vertreten hatte und vertreten wollte440 – auch um den Preis des Wiederaufbrechens der gerade mühevoll und notdürftig geglätteten politischen Gegensätze in der evangelischen Kirche. Mit dazu beigetragen hatte sicher der Umstand, dass unter führender Beteiligung von Heinemann inzwischen eine außerparlamentarische Opposition gegen den Kurs Adenauers Gestalt gewonnen hatte, der sich nun auch die SPD annäherte441 und die zu einer Gefahr für die Regierungspolitik zu werden drohte. 437

Vgl. unten S. 316f. Entsprechend beschloss der Rat auf der folgenden Sitzung am 7. 12. in Berlin-Spandau, Müller das „Befremden“ über die „Ausführlichkeit seiner Berichterstattung über die vertrauliche Aussprache in Königswinter und die Verallgemeinerung, als habe er dabei namens der evangelischen Kirche geredet“, auszudrücken (DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 5, S. 436). 439 Die von zehn amtierenden und zwei früheren Landesbischöfen sowie weiteren prominenten Theologen und Laien unterzeichnete Erklärung wandte sich gegen einseitige, vermeintlich theologisch begründete Kritik an der Politik der Wiederbewaffnung. Die Unterzeichner hielten es „nicht für eine Aufgabe der Kirche, die politische Frage zu beantworten, ob unter den heute gegebenen Umständen ein deutscher Beitrag zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft ratsam ist oder nicht“, bezogen danach aber dezidiert Stellung für den Kurs Adenauers (zit. nach: KJ 79, 1952, S. 14–17, Zitat: S. 14; auch abgedruckt in: KTGQ V, S. 224–227; EVANGELISCHE KIRCHE IN DEUTSCHLAND, S. 107–110; E. MÜLLER, Widerstand, S. 132f. [Abb. des Entwurfes]). Vgl. K. HERBERT, Kirche, S. 192f.; J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 166f.; H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 536f. Zum „Kronberger Kreises“ vgl. unten S. 504–510; dessen Urheberschaft für den Aufruf weist nach T. SAUER, Westorientierung, S. 84–106. 440 Vgl. J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 165f.; CHR. HANKE, Deutschlandpolitik, S. 125. 441 Schumachers bedingte Befürwortung eines deutschen Wehrbeitrages war in der SPD von Beginn an nicht unumstritten. Schon im Oktober 1950 hatte Erich Ollenhauer, zweiter Vorsitzender der SPD, der nach Schumachers Tod 1952 dessen Nachfolger als Parteivorsitzender werden sollte, wie Niemöller im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Wiederbewaffnung Neuwahlen gefordert (ARCHIV DER GEGENWART, 6. 10. 1950 [Sonderausgabe, S. 377]). Auch die Parteibasis folgte dem Kurs Schuma438

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Am 21. November 1951 hatte sich in Düsseldorf die „Notgemeinschaft für den Frieden Europas“ konstituiert, die von der Vorsitzenden der Zentrumspartei, Helene Wessel, und Heinemann (bis Oktober 1952 noch Mitglied der CDU) geleitet wurde und der mehrere evangelische Theologen (Helmut Gollwitzer, Hans-Joachim Iwand, Ernst Wilm) in führender Position angehörten. Ziel war die Verhinderung der Wiederaufrüstung, um die nach Meinung der Initiatoren letzte Möglichkeit zur Wiedervereinigung in Neutralität wahrzunehmen442. Diese Gemeinschaft, eher eine Organisationsplattform für viele verschiedene Gruppen, entfaltete im folgenden Jahr eine vor allem publizistische Tätigkeit insbesondere gegen den EVG-Vertrag, blieb aber wenig effektiv und konnte sich im Ganzen nie von dem Vorwurf befreien, dass auch kommunistisch unterstützte Gruppierungen in ihr mitwirkten443. Im politischen Bereich zogen sich erbitterte Debatten um die Ratifizierung des EVG-Vertrages über den Rest des Jahres 1952 und auch die ersten Monate des Jahres 1953 hin: Opposition und Regierung verharrten zunächst in gespannter Erwartung eines Gutachtens des Bundesverfassungsgerichts über die Vereinbarkeit von EVG-Vertrag und Grundgesetz. Die trickreiche Umgehung des Verfassungsgerichts durch Adenauer und Bundespräsident Theodor Heuss, als schließlich erkennbar wurde, dass dessen Gutachten voraussichtlich negativ ausfallen würde, hat die Gemüter nicht gerade beruhigt444. Die Ratifizierung der Verträge chers in dieser Frage eher unwillig. Anfang 1952 kam es zum offenen Konflikt zwischen Regierung und SPD, deren Vertreter z. B. in der Wehrdebatte des Bundestags vom 7. 2. 1952 den Primat der Einheit Deutschlands vor der europäischen Einigung gewahrt wissen wollten und Adenauer vorwarfen, den breiten Konsens in der Sicherheitspolitik nicht mehr zu suchen und keine Alternativen zu seinem einmal eingeschlagenen Kurs mehr zu erwägen. Nach der barschen Abweisung der Stalin-Note vom März 1952, in der die Sowjetunion erstmals zugestanden hatte, auch über eine bewaffnete Neutralität Deutschlands reden zu wollen (vgl. zuletzt: DIE STALIN-NOTE VOM 10. MÄRZ 1952; J. LAUFER, Friedensvertrag), kündigte die SPD den bisherigen Konsens auf und begann, gegen die Wiederbewaffnung zu opponieren (vgl. K. VON SCHUBERT, Wiederbewaffnung, S. 161–175; H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 308, 320–324; A. M. BIRKE, Nation, S. 303f., 313f.; CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 231f.). 442 K. VON SCHUBERT, Wiederbewaffnung, S. 136f., spricht von einem „pragmatischen Neutralismus“ dieser Bewegung: man sah die Neutralisierung als einzige Chance zur Wiedervereinigung und zur Entschärfung des Kalten Krieges in Mitteleuropa. Vgl. H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 512–515; PROTESTCHRONIK I, S. 513f. 443 Vgl. H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 515ff.; U. BAYER, Protestantismus, S. 136f.; PROTESTCHRONIK I, S. 563, 573f., 629. Ende 1952 – nach den Austritten Heinemanns aus der CDU und Helene Wessels’ aus der Zentrumspartei – entwickelte sich aus der „Notgemeinschaft“ die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP), mit der versucht werden sollte, dem Protest gegen die Wiederbewaffnung bei den für September 1953 anstehenden Bundestagswahlen eine parlamentarische Vertretung zu verschaffen (vgl. unten S. 358f.). 444 Die SPD hatte das Bedenken angemeldet, der EVG-Vertrag sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, weshalb dieses geändert werden müsse, wozu eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages und damit die Zustimmung der SPD erforderlich gewesen wäre, und deshalb am 31. 1. 1952 eine Feststellungs-

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durch den Bundestag erfolgte schließlich am 19. März 1953445, der Bundesrat ließ sie am 15. Mai 1953 passieren, indem er die beiden Hauptverträge als nicht zustimmungspflichtig behandelte446. Zuletzt ließen die Bundestagswahlen vom September 1953 die juristischen Auseinandersetzungen hinfällig werden, indem sie der Regierung eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag bescherten447. Währenddessen machte sich im kirchlichen Bereich eine gewisse Isolierung der extremen Positionen bemerkbar. Die Synode der EKD in Elbingerode vom 6. bis 10. Oktober 1952448 besann sich wieder auf theologische Grundsatzdiskussionen. Im Vorfeld war – wohl auch um einer Vereinnahmung durch die DDR, auf deren Gebiet die Synode stattfand, zu entgehen – der Antrag, die Wiederbewaffnung zum Thema der Synode zu machen, abgelehnt worden. Stattdessen verhandelte man unter dem Motto: „Die öffentliche Verantwortung des Christen“. Nach gründlicher politischer Diskussion – u. a. mit Hermann Ehlers, Heinemann und Otto Heinrich von der Gablentz – entschied man sich in einer vorsichtigen Distanzierung von den Westverträgen für eine zurückhaltende Kundgebung, in welcher der Wiedervereinigung erneut Priorität eingeräumt wurde. Man verschwieg nicht den fehlenden Konsens und unterstrich pointierter

klage vor dem Bundesverfassungsgericht angestrengt. Als sich abzeichnete, dass diese erfolgreich sein könnte (u. a. spielte die unausgewogene Besetzung der beiden Senate des Gerichts eine Rolle: die Klage hatte der mehrheitlich „rote“ Erste Senat zu entscheiden), drängte das Bundeskabinett den Bundespräsidenten, beim Bundesverfassungsgericht ein Gutachten über die Rechtslage einzuholen, welches vom vermeintlich parteipolitisch ausgewogenen Plenum des Gerichts zu erstellen war. Dies tat Theodor Heuss am 10. 6. 1952 und bat am 4. 8. darum, das Gutachten auch auf den Deutschlandvertrag auszudehnen. Als sich gegen Ende des Jahres immer deutlicher abzuzeichnen schien, dass das Gutachten negativ ausfallen würde, versuchten die Regierungsfraktionen zunächst, mit einer eigenen Feststellungsklage Zeit zu gewinnen: Man warf nun seinerseits der Opposition vor, gegen das Grundgesetz zu verstoßen, wenn sie dem Parlament das Recht abspräche, mit einfacher Mehrheit über beide Verträge zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht ließ sich darauf jedoch nicht ein und entschied, das Gutachten vor der neuen Feststellungsklage zu behandeln und ihm bindende Wirkung für beide Senate zuzusprechen. Daraufhin drängte die Bundesregierung den Präsidenten, seinen Antrag auf dieses Gutachten zurückzuziehen, und erneut folgte Heuss diesem Wunsch. Vgl. zum Ganzen: DER KAMPF UM DEN WEHRBEITRAG; D. HOFFMANN, Bundesverfassungsgericht; H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 372–385; K. ADENAUER/T. HEUSS, Unter vier Augen, S. 92f. mit S. 381f., Anm. 6; S. 104 mit S. 388f., Anm. 10; H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 169–177; A. M. BIRKE, Nation, S. 319–323. 445 Vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 19. 3. 1953 (Sonderausgabe, S. 907–910). 446 Vgl. EBD., 15. 5. 1953 (Sonderausgabe, S. 940). Zu den vorausgegangenen Auseinandersetzungen auf Länderebene vgl. auch: H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 386–418; H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 177ff. 447 Vgl. unten S. 356f. 448 Vgl. J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 171–181; KJ 79, 1952, S. 77–89. Mit der schwierigen Lage, in der sich die Synode angesichts der vorausgegangenen Auseinandersetzungen und des Ortes, an dem sie tagte, befand, befasste sich auch: E. OSTERLOH, Last (1952).

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noch als in Berlin-Weißensee den Willen, sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung einzusetzen449. Angesichts des Stillstands bei den Bemühungen um eine Ratifizierung der Westverträge und der Zuspitzung der politischen Situation in der DDR (Ausbau der Grenze, Massenflucht, zunehmender Druck auf die evangelische Kirche450) trat während der letzten Monaten von Osterlohs Wirken in der Kirchenkanzlei der Streit um die Wiederbewaffnung in der evangelischen Kirche etwas in den Hintergrund.

5.5.3 Die Seelsorge an den Arbeitsdiensteinheiten als ein Schritt auf dem Weg zur späteren Militärseelsorge Zunächst schien die Seelsorge an den Arbeitsdiensteinheiten eine ganz normale Aufgabe der Kirche zu sein, bei der es darum ging, eine größere Anzahl Männer, die man sonst kaum erreichen konnte, seelsorgerlich zu versorgen, sie evtl. auch wieder an die Kirche heranzuführen. Anders ließe sich kaum erklären, warum ausgerechnet Martin Niemöller das Ergebnis der Verhandlungen mit den Amerikanern dem Rat präsentierte451. Dies sollte sich im Zuge der erreichten Sensibilisierung gegenüber dem Thema „Wiederbewaffnung“ bald ändern. Mitte August 1951 äußerte Oberkirchenrat Karl Grein aus Hessen-Nassau erstmals Bedenken gegen den eingeschlagenen Kurs: „Ich kann nicht verschweigen, daß allerdings auch die Freudigkeit [bei der Besetzung der Pfarrstellen, P.Z.] etwas nachgelassen hat, da wir die Befürchtung haben, daß vielleicht über Nacht aus diesen Arbeitsdiensteinheiten Truppen werden. Ich las neulich irgendwo in einer Korrespondenz (m. E. nach einer evangelischen), daß in 2x 24 Stunden aus den Arbeitsdiensteinheiten Truppenkadres gemacht werden können. So sind wir und nicht zuletzt auch unser Kirchenpräsident [Martin Niemöller, P. Z.] etwas zurückhaltend, um nicht zu sagen mißtrauisch geworden. Ich suche ja weiter, weil ich die Verantwortung für diese Menschen spüre.“452 449 An hervorgehobener Stelle, ganz am Schluss der Kundgebung der Synode, verpflichtete diese sich: „Den vielen aber unter euch, die sich in einer Lage sehen, in der sie nur mit verletztem Gewissen zur Waffe greifen könnten, sagen wir noch einmal, daß wir gewillt sind, nicht nur in der Fürbitte vor Gott, sondern auch vor den politischen Instanzen für die einzutreten, die aus Gründen des Gewissens den Kriegsdienst verweigern“ (KJ 79, 1952, S. 85). 450 Vgl. unten S. 351ff. 451 Vgl. oben S. 298. 452 Brief Greins an Osterloh vom 16. 8. 1951 (EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 88). Überlegungen, aus den Reihen der Dienstgruppen Armeeverbände zu rekrutieren, hatten – mehr in der Presse als unter Fachleuten – in der Tat eine Zeit lang eine Rolle gespielt, waren aber verworfen worden (vgl. W. STÜRM, Überlegungen; H.-L. BORGERT, Entstehung, S. 123–133).

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In seiner Antwort auf den ersten Bericht Pleus’453, der auf ihn etwas resigniert gewirkt hatte, lieferte Osterloh ein weiteres Indiz dafür, dass er dessen Arbeit als Test für kommende Aufgaben betrachtete: Er bat ihn, „auf keinen Fall einer wahrscheinlich in diesen Wochen […] eintretenden schweren Depression nachzugeben“, und versuchte ihn durch den Hinweis auf die Bedeutung seiner Tätigkeit zu motivieren: „Gerade heute hatte ich eine Aussprache mit Bischof Dibelius, der vor einigen Tagen mit Adenauer in Bonn zusammengetroffen war. Das Ergebnis dieser Aussprache hat meine Überzeugung verstärkt, daß Du für die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland eine ganz wesentliche Arbeit übernommen hast. Darüber könnte man nur mündlich sprechen.“454

Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen-Nassau erneuerte am 6. November 1951 ihre Bedenken gegen das ganze Verfahren. In einem vor allem auf amerikanischer Seite Unmut hervorrufenden455 Rundschreiben teilte sie ihre Vermutung mit, dass die immer noch unklare Rechtslage der Arbeitsdiensteinheiten „im Zuge der Verhandlungen über einen deutschen Wehrbeitrag […] dahin geklärt werden könnte, daß aus den L[abor] S[ervice]-Angehörigen ‚deutsche Zivilarbeiter‘ werden, die dann ohnehin einer Seelsorge in anderer Form bedürften“456. Man schlug vor, je einzelne Pfarrer von außerhalb für den seelsorgerlichen Dienst zu bestimmen, die dann von den amerikanischen Stellen und dem deutschen Kommandeur der Einheit bestätigt werden sollten457. Dem widersprach Pleus aus seiner praktischen Arbeit heraus. Er verwies darauf, dass das nun einmal ausgehandelte Modell das einzig durchsetzbare gewesen sei, und dass die amerikanische Seite kaum geneigt sei, die ganzen Verhandlungen von vorn zu beginnen. Das Ansinnen aus Hessen könne den ganzen Versuch, eine „von den Kirchen sich abhängig wissende Chaplaincy“ aufzubauen, gefährden und damit „der alten Wehrmachtskirchen-Vorstellung für die Zukunft besten Vorschub leisten“. Praktische Erfahrungen sprächen zudem dafür, dass die Pfarrer ständig in den Arbeitsdiensteinheiten sein müssten und nicht nur von Zeit zu 453

Vgl. oben Anm. 398. Brief an Pleus vom 24. 10. 1951 (EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 24). Adenauer traf sich 1950/51 mehrfach zu Gesprächen mit Dibelius und Superintendent Kunst, in denen es nach den – leider nur stichwortartigen – Tagebuchnotizen Dibelius’ vor allem um das Thema Wiedervereinigung ging. So auch am 17. 10. 1951 (vgl. F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 126 u. S. 469, Anm. 111). Jens Müller-Kent schließt wohl aus der zeitlichen Nähe zur Beauftragung Kunsts, Verhandlungen über die Gestaltung einer künftigen Militärseelsorge aufzunehmen (25. 10. 1951; vgl. unten Anm. 481), dass Dibelius und Adenauer sich in diesem Gespräch über die Grundzüge solcher Verhandlungen verständigt haben (DERS., Militärseelsorge, S. 44), liefert darüber hinaus aber keinen Beleg für diese These. 455 Vgl. Brief Pleus’ an Osterloh vom 23. 11. 1951 (EZA BERLIN, 2/4040, Bl. 224). 456 Zit. aus Pleus’ Stellungnahme vom 20. 11. 1951 zu diesem Rundschreiben (EBD., Bl. 230ff.). 457 Vgl. EBD. 454

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Zeit. Für den Fall, dass sich der Labor Service, wie von Hessen-Nassau prophezeit, in eine rein zivile Angelegenheit verwandeln würde, sagte Pleus das Ende aller denkbaren Seelsorge an diesen Einheiten voraus: „Denn es ist Tatsache, daß die Mehrheit der deutschen Männer im L[abor] S[ervice] keinen Wert auf eine kirchliche Seelsorge legt.“458 Für die Kirchenkanzlei und damit für Osterloh waren zu dieser Zeit andere Themen in den Vordergrund getreten, die sich jedoch bald mit den geleisteten Arbeiten auf dem Gebiet einer Seelsorge an den Dienstgruppen verweben sollten. Exkurs: Stellungnahmen der Kirchenkanzlei zur Kriegsdienstverweigerung 459 und zum Waffendienst für Theologen Schon Mitte 1950 hatte der damals noch amtierende Bundesinnenminister Heinemann um ein Gutachten der evangelischen Kirche zur Ausführungsgesetzgebung des Bundes zu Art. 4,3 GG über die Kriegsdienstverweigerung gebeten und diese Bitte noch im Oktober, also unmittelbar vor seinem Rücktritt, wiederholt460. Am 30. Oktober beriet in Anwesenheit Osterlohs die Kammer für öffentliche Verantwortung auf Bitte des Rates zum Thema, kam jedoch nicht zu einem einheitlichen Gutachten461, und die erzielten 458

EBD. Besonders der letzte Satz nährt den Verdacht, dass man sich seitens der Evangelischen Kirche in Deutschland und insbesondere der Kirchenkanzlei deshalb so intensiv um den Aufbau einer Seelsorge in diesen und ähnlich strukturierten Einheiten (Bereitschaftspolizei, Bundesgrenzschutz, Zoll) bemühte, weil man hier Möglichkeit eines gleichsam missionarischen Arbeitens an Menschen erblickte, die sonst von der Kirche nicht erreicht würden. Nach einer Besprechung in der Kirchenkanzlei hielt Osterloh als ein Ergebnis fest, dass nach dem Einspruch aus Hessen-Nassau ein Abbruch der Arbeit nicht in Frage käme, weil hier Aussicht auf eine „wirkliche Volksmission“ bestünde (Besprechung vom 6. 11. 1951 u. a. mit Pleus [EBD., Bl. 243]). 459 Zwar sollte man erwarten, dass in der Arbeit Bernd W. Kubbigs zum Thema die einschlägigen Texte und frühen Verhandlungsschritte beschrieben sind, doch beschränkt der Verfasser sich darauf, den Widerstand gegen die sich abzeichnende Wiederaufrüstung nachzuzeichnen und die Rolle Heinemanns und vor allem Niemöllers hervorzuheben, dessen zeitweilig gute Zusammenarbeit mit Vertretern der Dienststelle Blank über die mit der Kriegsdienstverweigerung zusammenhängenden Fragen nicht beleuchtet wird (B.-W. KUBBIG, Kriegsdienstverweigerung, S. 15–28). 460 Vgl. die brieflichen Mitteilungen Hansjürg Rankes an Heinz Brunotte (25. 5. 1950) und Osterlohs an Ranke (12. 10. 1950); beide in: EZA BERLIN, 2/2574. 461 Man empfahl mehrheitlich, bei der Ausgestaltung des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung großzügig zu verfahren und alle religiös-ethischen Überzeugungen zu achten, befürwortete einen Ersatzdienst außerhalb der Wehrmacht und forderte vom Staat, eine Seelsorge an den Ersatzdienstleistenden zu gewährleisten. Die Mitwirkung kirchlicher Stellen am Prüfungsverfahren der Verweigerer lehnte man ab und empfahl, die Freistellung evangelischer Geistlicher gesondert zu verhandeln und nicht unter dem Komplex Kriegsdienstverweigerung zu subsumieren. In einem abweichenden Votum bezeichneten Prof. Gerhard Ritter und Oberkirchenrätin Elisabeth Schwarzhaupt eine staatliche Gewissensprüfung als „fragwürdig“, zweifelten an, dass eine Wehrpflicht in Deutschland zumutbar sei und plädierten für den Fall einer Remilitarisierung für die Aufstellung einer Freiwilligenarmee. Ministerialdirektor Otto Bleibtreu schließlich stellte als einer der wenigen mit der Materie enger Befassten das Vorhaben als solches

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Ergebnisse wurden daher nicht zum „Gegenstand einer Beschlußfassung des Rates“ gemacht462. Im Sommer 1951 wurde die Frage der Kriegsdienstverweigerung angesichts der vor dem Abschluss stehenden EVG-Verhandlungen erneut akut, und so beauftragte der Rat der EKD in seiner Sitzung vom 6. und 7. September 1951 eine Kommission damit, „einen Beitrag der Kirche zu dem im Grundgesetz der Bundesrepublik in Art. 4,3 vorgesehenen Bundesgesetz vorzubereiten“ und dabei vor allem zu klären, – welchen Rechtsschutz andere Länder gewähren, – was „Kriegsdienstverweigerung um des Gewissens willen“ eigentlich bedeutet, – welchen Rechtsschutz die Kirche für Kriegsdienstverweigerer um des Gewissens willen erwarten sollte. Der Kommission gehörten an: Martin Niemöller (auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen), Volkmar Herntrich, Rudolf Smend, Hermann Kunst, Heinrich Grüber und – federführend – Osterloh, dem zugleich der Auftrag erteilt wurde, zur nächsten Sitzung von Rat und Kirchenkonferenz aufgrund der Arbeit der Kommission ein abschließendes Referat zu halten463. Entgegen den Erwartungen mancher arbeitete die Kommission gut zusammen, und die Besprechungen mit Vertretern der Dienststelle Blank verliefen konstruktiv464. Den ersten Entwurf einer Antwort auf die gestellten Fragen, der am 18. Oktober 1951 an die Ratsmitglieder verschickt wurde, hatte dennoch Osterloh allein verantwortet. Zwar stellte er das Ergebnis einer Kommissionssitzung vom 17. Oktober dar, an der Niemöller und Herntrich nicht hatten teilnehmen können, doch war es zeitlich nicht mehr möglich gewesen, ihn mit den übrigen Kommissionsmitgliedern zu überarbeiten465. In diesem ersten Entwurf grenzte Osterloh Kriegsdienstverweigerung aus Gewissengründen auf Personen ein, „die in nachweisbarer Kontinuität eine Haltung gezeigt haben, die den Dienst mit der Waffe ausschliesst“; faktisch blieben nur übrig Mitglieder bestimmter Religionsgemeinschaften/ Sekten oder Anhänger ähnlich ausgerichteter Weltanschauungsgemeinschaften. Die Gesinnung dürfe dabei nicht aus bloßer Zugehörigkeit abgeleitet werden, sondern müsse bezeugt in Frage: Er äußerte nachträglich in einem Sondervotum den Einwand, er halte es „im gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht für ratsam, von der Kirche her, sei es auch nur durch ein Gutachten der Kammer für öffentliche Verantwortung, sich zu diesen Fragen zu äussern.“ Denn: „Die Stellungnahme zur Kriegsdienstverweigerung hängt in allen wesentlichen Punkten – auch und gerade für die Kirche – von der Antwort auf die Vorfrage, ob und wann überhaupt eine Wehrdienstpflicht eingeführt wird, in einem so hohen Masse ab, dass vorher von einer verbindlichen Äusserung zu den Einzelproblemen […] am besten gänzlich abgesehen wird“ (Bericht über die Kammersitzung und die abweichenden Voten in: EZA BERLIN, 2/2574). 462 So Osterloh in einem Schreiben an Hermann Kunst vom 16. 8. 1951 (EBD.). 463 Protokoll der Sitzung in Tutzing, Tagesordnungspunkt 2: „Allgemeine Lage“ (EZA BERLIN, 2/1793; jetzt: DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 5, S. 334f.). 464 In einem Vermerk aus dem Amt Blank über eine Besprechung mit Niemöller wurde festgestellt, dass er „ohne ein demagogisch ansprechbares Publikum und außerhalb der politischen Kampfsphäre ein guter Gesprächspartner“ sei (H.-E. VOLKMANN, Dimension, S. 546). 465 Vgl. Brief Osterlohs an die Mitglieder des Rates der EKD vom 18. 10. 1951 (EZA BERLIN, 2/2575).

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und begründet werden können. Eine politische Überzeugung oder der Hinweis auf eine aktuelle politische Situation könne „nicht als Gewissengrund anerkannt werden“466. Zum Rechtsschutz für Kriegsdienstverweigerer hob Osterloh zunächst auf die Gehorsamspflicht gegenüber dem „rechten Staat“ ab und mahnte, die Verweigerer aus echten Gewissensgründen vor jeder staatsbürgerlichen Diskriminierung zu schützen. Die evangelische Kirche erwarte, die „Erfahrungen mit der entsittlichenden Wirkung der Entnazifizierungspraxis“ zu berücksichtigen und die entscheidenden Stellen daher mit „wirklich unabhängigen Persönlichkeiten“ zu besetzen. Sie wolle selbst nicht in solchen Gremien vertreten sein, erwarte aber eine „rechtlich geordnete Möglichkeit“, ihr Wort gegebenenfalls zu Gehör bringen zu können467. Diese Vorlage wurde vom Rat zur Überarbeitung an die Kommission zurücküberwiesen468, woraufhin am 28. November 1951 eine erneute Sitzung, diesmal in Anwesenheit Niemöllers, stattfand469, in der ein neuer Entwurf erarbeitet wurde. Dessen wesentliche Neuerung bestand darin, dass nun unterschieden wurde zwischen „Kriegsdienstverweigerern, die ihre Weigerung mit einer grundsätzlichen Entscheidung begründen, und solchen […], die sich für die Einzelentscheidung auf ihr Gewissen berufen“. Auch letztere Gewissensentscheidung sollte respektiert werden, selbst wenn es klar sei, „daß die Echtheit einer solchen Entscheidung nicht in gleicher oder ähnlicher Weise festgestellt werden kann“470. Auch diese Vorlage, vom Rat nicht zur Veröffentlichung freigegeben, stieß auf Widerspruch. Niemöller z. B. monierte, die Vorläufigkeit des Ganzen komme nicht klar genug zum Ausdruck471, etwas später wünschte er, dass auch in diesem Votum ein Vorbehalt gegen die Aufstellung deutscher Einheiten zum Ausdruck komme472. In einer Besprechung mit Graf von Baudissin am 4. Januar 1952 stellte Osterloh deshalb noch einmal ausdrücklich fest, dass der Rat mit dem Votum zur Kriegsdienstverweigerung keinesfalls ein Ja zur Remilitarisierung auszusprechen gewünscht habe473. Aufgrund dieser Vorbehalte, aber auch weil der staatliche Verhandlungspartner keinen abschließenden Gesetzesentwurf vorlegen konnte, und die EKD den Eindruck vermeiden wollte, als sehe sie die Aufstellung deutscher Militärverbände als eine unvermeidbare Tatsache an, wurde bis zu Osterlohs Ausscheiden aus dem Dienst der EKD keine abschließende Stellungnahme zum Problem der Kriegsdienstverweigerung verabschiedet474. Die Dienst-

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Anlage II zum Brief Osterlohs vom 18. 10. 1951 (EBD.). Vgl. Anlage III zum Brief Osterlohs vom 18. 10. 1951 (EBD.). 468 Vgl. Brief Osterlohs an die Kommissionsmitglieder vom 30. 10. 1951 (EBD.); DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 5, S. 391. 469 Vgl. Brief Osterlohs an die Mitglieder des Rates der EKD und der Kirchenkonferenz vom 28. 11. 1951 (EZA BERLIN, 2/2575). 470 „Entwurf einer Stellungnahme des Rates der EKD zu Fragen der Gesetzgebung über Kriegsdienstverweigerung um des Gewissens willen“, Anlage zum Brief Osterlohs vom 28. 11. 1951 (DIE PROTOKOLLE DES RATES, Bd. 5, S. 445ff., Zitat: S. 446). 471 Vgl. Brief Niemöllers an Osterloh vom 21. 12. 1951 (EZA BERLIN, 2/2575). 472 Und das, „obwohl er persönlich den größten Teil der Vorlage wörtlich diktiert“ hatte (vgl. Brief Osterlohs an Hermann Kunst vom 7. 2. 1952 [EBD.]). 473 Vgl. Dienstreisebericht Osterlohs vom 8.1.1952 (EBD.). 474 Vgl. das Schreiben Osterlohs an Ministerialdirektor Otto Bleibtreu vom 4. 12. 1952 (EBD.). 467

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stelle Blank wurde lediglich mündlich über den Stand der innerkirchlichen Verhandlungen informiert475. Ganz ähnlich verfuhr man mit den Ergebnissen der Beratungen über die Bestimmungen zum Waffendienst der Theologen476. Mitte 1951 hatte Osterloh auf Initiative des Rates hin die Haltung der Landeskirchen dazu erfragt. Das Ergebnis: Zehn Landeskirchen sprachen sich für die Befreiung der Pfarrer vom Waffendienst aus, zwei votierten dagegen, acht wollten eine freiwillige Meldung, abhängig jedoch von der Zustimmung der Kirchenleitung, zulassen. So drückte der Rat der EKD, ohne ein theologisches Gutachten zur Sache einzuholen, in einem vertraulichen Beschluss vom 25. Oktober 1951 den Wunsch aus, ordinierte Geistliche von einer allgemeinen Wehrpflicht auszunehmen und eine freiwillige Meldung von der Zustimmung der jeweiligen Kirchenleitung abhängig zu machen. Begründet wurde dies mit den hohen Verlusten unter evangelischen Pfarrern im Zweiten Weltkrieg, so wie man auch die Freistellung der Pastoren natürlich nicht, wie es auf katholischer Seite geschah, mit dem besonderen Charakter der Ordinierten begründete, sondern einfach mit ihrer Unabkömmlichkeit. Eine Behandlung dieses Fragenkomplexes unter dem Oberthema der Kriegsdienstverweigerung hatte schon die Kammer für öffentliche Verantwortung abgelehnt477. Trotz kontroverser innerkirchlicher Diskussionen in verschiedenen Gremien über die prinzipielle Freistellung der Geistlichen vom Wehrdienst kam man im weiteren Verlauf der Verhandlungen mit der Dienststelle Blank überein, die Regelung für die evangelische Kirche ganz der für die katholische anzupassen, d. h. die Pastoren vom Zeitpunkt ihrer Ordination an (ohne Rücksicht auf die Übertragung einer Pfarrstelle) vom Dienst frei- und die Theologiestudenten zurückzustellen. Beiden sollte aber die Möglichkeit eines freiwilligen Dienstes gegeben sein. Die Verhandlungen zwischen EKD und Dienststelle Blank zu dieser Frage waren im Sommer 1952 im Wesentlichen abgeschlossen478.

Im Sommer 1951 hatte es seitens der Dienststelle Blank erste Fühlungnahmen Richtung EKD wegen einer künftigen Militärseelsorge gegeben479. Seit Oktober 1951 – einen ersten Hinweis, dass man in Kürze Verhandlungen werde beginnen müssen und sich darauf vorbereiten sollte, gab Hermann Kunst bereits im Juli 1951 an Dibelius weiter480 – liefen geheime Vorgespräche zwischen Hermann 475 Vgl. Brief Osterlohs an Hansjürg Ranke vom 24. 4. 1952 und den o. g. Brief an Otto Bleibtreu vom 4. 12. 1952 (beide EBD.) sowie den Tagesordnungspunkt 14 des Protokolls der Ratssitzung vom 26. 3. 1953 (EZA BERLIN, 2/2576), in dem dieses Vorgehen noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde: „Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, sich erneut um den Stand der Entwürfe zu kümmern. Der Rat sah es aber nicht als Aufgabe der Kirche an, eigene Gesetzesformulierungen vorzuschlagen.“ 476 Zum Folgenden vgl. H. DEIKE, Waffendienst, S. 168–191. 477 Vgl. oben Anm. 461. 478 Auch hier konnte im Zuge der Verzögerungen in den Verhandlungen um den EVG-Vertrag zunächst keine gesetzliche Fixierung vorgenommen werden. Vorbehalte, die seitens der Dienststelle Blank bei der erneuten Fühlungnahme im Sommer 1954 gegen die Zurückstellung der Theologiestudenten geäußert wurden, hatten keinen Bestand (vgl. H. DEIKE, Waffendienst, S. 178–189). 479 Vgl. K. STEUBER, Militärseelsorge, S. 13. 480 Brief Kunsts vom 20. 7. 1951: „In jedem Fall sollte sich bald ein kleiner Kreis von erfahrenen Männern mit der Frage der Gestaltung der Wehrmachtsseelsorge befassen.“ (EZA BERLIN, 2/2574).

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Kunst als dem Vertreter des Rates der EKD und der Dienststelle Blank über die „Seelsorge in etwaigen deutschen Verbänden“481. Auf Beschluss des Rates vom 13. März 1952 sollten diese von Osterloh fortgeführt werden482, der gegenüber der Dienststelle Blank einen Monat zuvor als Vertreter für Verhandlungen offiziell bestätigt worden war483. Der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden lediglich die schon länger und nun parallel geführten Gespräche um den rechtlichen Schutz von Kriegsdienstverweigerern aus Gewissensgründen484. Ein prinzipielles Hinterfragen, ob man denn durch diese Form der Mitarbeit die Vorbereitung einer allgemeinen Wehrpflicht überhaupt unterstützen sollte, gab es offensichtlich weder in der Kanzlei noch an anderen mit den Verhandlungen befassten Stellen. Man ging einfach davon aus, dass sie kommt, wollte dann entsprechend vorbereitet sein und erhoffte sich offenbar Vorteile von einer Mitarbeit schon im frühen Stadium der Vorbereitungen485. Osterloh war aber auch vor dem Februar 1952 konkret, und nicht nur im Zusammenhang mit der Seelsorge in den Diensteinheiten, mit der Frage einer zukünftigen Militärseelsorge befasst, sprach der Ratsbeschluss vom 13. März doch bereits davon, er möge die Verhandlungen „nach den von der Kirchenkanzlei vorgelegten Grundsätzen“ fortführen486. Schon in einem Brief an den Militärdekan Friedrich Ronneberger487 vom 26. November 1951 begründete Osterloh den Wunsch nach einem Gespräch mit dem Hinweis darauf, dass die Kirchenkanzlei „seit längerer Zeit […] mit Vorbereitungsarbeiten für die Gestaltung einer möglichen zukünftigen Wehrmachtsseelsorge befaßt“ sei488. Auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Hermannsburg über Fragen eines deutschen Verteidigungsbeitrages vom 3. bis 6. Dezember 1951 hatte Osterloh gegenüber Graf von Baudissin „einen Vorschlag über die Organisation der Seelsorge“ binnen weniger

481 Der entsprechende Beschluss wurde auf der Ratssitzung vom 25. 10. 1951 (EZA BERLIN, 2/1794, Nr. 17; Die Protokolle des Rates, Bd. 5, S. 386–396) gefasst und unterlag der Geheimhaltung. Vgl. J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 185f.; J. MÜLLER-KENT, Militärseelsorge, S. 44. 482 Vgl. EZA BERLIN, 2/1794, Nr. 20, Tagesordnungspunkt 14. 483 Vgl. den zusammenfassenden Aktenvermerk der Dienststelle Blank über die Neuordnung der Militärseelsorge vom 3. 6. 1953, in: K. STEUBER, Militärseelsorge, S. 14, Anm. 40. 484 Vgl. oben S. 313–316. 485 Vgl. schon den Brief Kunsts an Dibelius vom 20. 7. 1951 (EZA BERLIN, 2/2574): „Das Wehrgesetz ist noch nicht zur Vorlage an das Kabinett fertiggestellt. Ich empfehle aber, mit den Wünschen der Kirche nicht zu warten, bis das Kabinett mit dem Gesetz befaßt wird. Einer der Sachbearbeiter ist Herr Graf von Baudissin, ein bewußt evangelischer Mann.“ Dibelius selbst notierte später: „Wir haben niemals der Aufstellung von militärischen Kräften ‚das Wort geredet‘. Daß es eines Tages zu einer solchen Aufstellung kommen werde, ist den meisten von uns freilich klar gewesen“ (DERS., Christ, S. 287). 486 EZA BERLIN, 2/1794, Nr .20, Tagesordnungspunkt 14. 487 Zu Ronneberger vgl. oben S. 300, Anm. 400. 488 Brief Osterlohs an Ronneberger vom 26. 11. 1951 (EZA BERLIN, 2/4014).

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

Tage in Aussicht gestellt489. Einige Tage später berichtete Osterloh dem Grafen von Baudissin von der Behandlung seiner Vorlage zum Thema in der Sitzung der Kirchenkonferenz vom 6. Dezember, die ihm „Gewißheit gegeben“ habe, dass die „in Hermannsburg besprochenen Grundsätze die Billigung der Landeskirchen finden“490. Die solcherart vorbereiteten Grundsätze fanden Eingang in den Ratsbeschluss vom 13. März 1952, in dem sie als erste Orientierung für die Gestaltung einer zukünftigen Militärseelsorge aufgelistet sind: – Auf keinen Fall sollte es erneut einen Stand „aktiver Militärgeistlicher“ geben. Daher sollten Militärseelsorger für fünf Jahre von den Landeskirchen für diesen Dienst beurlaubt werden und danach im Regelfall in den Dienst dieser Landeskirchen zurückkehren, eine Verlängerung im Einzelfall ebenso möglich sein wie eine vorzeitige Abberufung seitens der Landeskirche, die dann Ersatz zu stellen hatte. – Die Verteilung der Seelsorger sollte nach Möglichkeit ihre landeskirchliche Herkunft berücksichtigen; in allen rein geistlichen Angelegenheiten sollten sie Kontakt unmittelbar zu der für sie zuständigen Landeskirche aufnehmen können. – Die Dienstaufsicht sollte von einem Geistlichen ausgeübt werden, den der Staat auf Vorschlag des Rates auf Lebenszeit in dieses Amt berufen sollte, und den ein weiterer Pfarrer und ein Jurist – auf die gleiche Weise berufen – in seiner leitenden Funktion unterstützen sollten. – Der leitende Geistliche sollte den Titel „Propst“ tragen und als Gast an der Kirchenkonferenz teilnehmen. – Gesangbücher, Gottesdienstordnungen und Lebensordnung evangelischer Soldatengemeinden sollten einer Genehmigungspflicht durch den Rat unterliegen491. Schon in diesen Grundsätzen sind damit einige wesentliche Bestandteile des erst fünf Jahre später unterzeichneten Militärseelsorgevertrages492 enthalten: die enge 489 Aktenvermerk der Dienststelle Blank vom 8. 12. 1951 (zit. n. K. STEUBER, Militärseelsorge, S. 14f., Anm. 38). Auf der Tagung hatte Osterloh ein Referat zu „Fragen der Kriegsdienstverweigerung aus Gründen des Gewissens“ (vgl. E. OSTERLOH, Kriegsdienstverweigerer [1951]) gehalten (vgl. EZA BERLIN, 2/2575); unter den 102 Teilnehmern der Tagung befand sich, dies sei hier am Rande vermerkt, auch stud. theol. Klaus Scholder. Neben Osterloh hielten Vorträge: Bischof Hanns Lilje, Reinold v. ThaddenTrieglaff, der Historiker Percy Ernst Schramm, Fritz Erler und der Religionspädagoge Helmuth Kittel (eine Liste der Teilnehmer und Vortragenden findet sich in: EZA BERLIN, 2/2575). 490 Brief Osterlohs an Graf v. Baudissin vom 10. 12. 1951 (EBD.). 491 Vgl. den Wortlaut des Ratsbeschlusses vom 13. 3. 1952, den Osterloh als Anlage seinem Brief vom 18. 3. 1952 an die Dienststelle Blank hinzufügte (Abdruck: K. STEUBER, Militärseelsorge, S. 14f.; vgl. A. CREMERS, Staat, Anhang, S. 6f.). 492 Abdruck: DIE KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, Bd. 1, S. 96–106; DIE DEUTSCHEN KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE DER GEGENWART, [Bd. 1], S. 132–142.

Der Aufbau einer Lagerseelsorge

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Bindung der Militärpfarrer an die Landeskirchen; die Verzahnung der Leitungsebene der Militärseelsorge mit der Leitungsebene der EKD; die Kontinuität in der Leitung der Militärseelsorge bei gleichzeitiger Fluktuation der Militärgeistlichen, welche die Bildung eines ‚Militärgeistlichenstandes‘ nicht zulässt; die Einflussnahme der Kirche auf die inhaltliche Ausgestaltung des Gemeindelebens der Militärgemeinden. In der Tat sollten sich also die unter wesentlicher Mitwirkung Osterlohs entwickelten Grundsätze als „wegweisend“ herausstellen493, auch wenn die folgenden Monate aus mehreren Gründen keinen substanziellen Fortschritt in den Verhandlungen brachten. Zwar drängte die Dienststelle Blank nach der Unterzeichnung des EVG-Vertrages am 27. Mai 1952 darauf, diese Grundsätze etwa im Blick auf die konkreten Dienstanweisungen für die Militärgeistlichen rasch zu präzisieren, doch die erwünschte Abstimmung der Verhandlungen mit der Position der katholischen Kirche verzögerte weitere Fortschritte genauso wie die Diskussion über die Ausgestaltung des vom Staat an die Kirchen herangetragenen lebenskundlichen Unterrichts der Soldaten494. Dazu kam beiderseits die Abneigung gegenüber vorschnellen Festlegungen angesichts des in der Schwebe befindlichen Ratifizierungsverfahrens der EVG-Verträge, so dass man zwischen Kanzlei und Dienststelle Blank bis zum Sommer 1953 über vertrauliche mündliche Absprachen und Mitteilungen zum Diskussionsstand im jeweiligen Bereich nicht mehr hinauskam. Eine Haupttätigkeit Osterlohs bestand in diesen Wochen und Monaten darin, das für eine konkrete Ausgestaltung der Militärseelsorge notwendige fachlich geschulte Personal ausfindig zu machen. Er sprach zuerst die nächst greifbaren „Experten“ an, d. h. ehemalige Wehrmachtspfarrer, die wegen der ihrer Meinung nach schlechten Behandlung seitens der Landeskirchen bei Kriegsende zum Teil nur schwer zur Mitarbeit zu gewinnen waren, deren Rat man aber nun brauchte495. Insbesondere knüpfte er den ersten Kontakt zu Feldbischof a. D. 493

So K. STEUBER, Militärseelsorge, S. 14. Vgl. A. CREMERS, Staat, Anhang, S. 7–18; J. MÜLLER-KENT, Militärseelsorge, S. 45ff. 495 Das Beispiel der Einbindung ehemaliger Militärpfarrer in den Aufbau der neuen Militärseelsorge sei angeführt pars pro toto für das Problem der Rehabilitierung der Wehrmacht bzw. ihrer Generalität, in das die evangelische Kirche durch einige ihrer Repräsentanten verwickelt war, zu denen Osterloh aber nur am Rande gehörte. Diese Rehabilitierung galt insbesondere unter ehemaligen Offizieren der Wehrmacht als Voraussetzung ihrer Mitarbeit in einer zu gründenden Armee der Bundesrepublik Deutschland. Die evangelischen Akademien Bad Boll und Hermannsburg, von ehemaligen Wehrmachtsgeistlichen geleitet (Eberhard Müller, Adolf Wischmann, Johannes Doehring), trugen durch „Soldatentagungen“ ihren Teil zu dieser Diskussion bei, aber auch das „Sonntagsblatt“ engagierte sich stark für die Freilassung der unter dem Vorwurf von Kriegsverbrechen einsitzenden Offiziere und Generale der Wehrmacht, denen teils die Todesstrafe drohte. Die praktizierte Verquickung allseits bekannter Rechtfertigungsargumente mit vermeintlichen politischen Notwendigkeiten zeigen auf: B.-O. MANIG, Politik; K. VON LINGEN, Schlacht. Vgl., weniger anklagend, G. MEYER, Situation; DERS., Personalfragen. Jenseits aller theoretischmoralischen Betrachtung lässt sich die Problematik kaum treffender zuspitzen als durch die Antwort, 494

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Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei der EKD

Franz Dohrmann496, dem dann stellvertretend für alle ehemaligen Wehrmachtspfarrer ein Dankschreiben für die im Krieg geleisteten Dienste übermittelt wurde497. Die Ambivalenz, mit der nicht nur Dohrmann die Neuausrichtung der Militärseelsorge in ihren Anfängen begleitete498, zeigte sich in der Skepsis gegenüber der Arbeit des evangelischen Verhandlungsführers: Nach Monaten der Verhandlungen mit Osterloh meldete er in einem Schreiben an Hans Meiser Bedenken an, ob Osterloh, der, soviel ihm bekannt sei [sic !], mit der Führung der Verhandlungen auf evangelischer Seite betraut sei, der richtige Mann für den Neuaufbau einer solchen Seelsorge wäre, schlug Dekan Schuster (Fulda) als besser geeigneten Kandidaten vor und begründete dies nach den Worten Meisers wie folgt: „ohne selbst in der Heeresseelsorge tätig gewesen zu sein, sei man schlechterdings nicht imstande, für den Neuaufbau der Heeresseelsorge die rechten Wege zu weisen“499. Brunotte, von Bischof Meiser in Kenntnis gesetzt, machte in seiner Antwort deutlich, warum er wiederum die Beiträge Dohrmanns zur Diskussion mit mindestens ebensolcher Skepsis betrachtete: er betonte, andie Konrad Adenauer einem Journalisten in Paris auf die Frage gab, ob die Generale Hitlers auch seine Generale seien: „Mein Herr, ich fürchte, Generale unter 18 wird mir die NATO nicht abnehmen“ (zit. n. G. MEYER, Personalfragen, S. 100). 496 Zum Wirken Dohrmanns als „Feldbischof unter Hitler“ vgl.: GOTT LÄSST SICH NICHT SPOTTEN. 497 Dohrmann wandte sich danach in dieser Sache nochmals an Osterloh, weil er gehört hatte, dass einige Heerespfarrer ein solches Schreiben bekommen hätten, aber nicht ein Marinepfarrer; in Vertretung des im Urlaub befindlichen Osterlohs antwortete Brunotte, nur er, Dohrmann, habe solch ein Schreiben stellvertretend erhalten. Abschließend wies Brunotte – wohl etwas ungehalten – darauf hin, jeder könne nicht mehr tun, „als seinen Dienst in Treue zu erfüllen“ (Briefe Dohrmanns vom 23. 2. 1952 und Brunottes vom 5. 3. 1952, in: EZA BERLIN, 2/4014). 498 Dohrmann fühlte sich offenbar übergangen und besser geeignet für die Verhandlungsführung, wie schon anlässlich der Terminabsprache für einen Besuch Osterlohs bei ihm zum Ausdruck kam: Osterloh hatte am 30. 4. 1952 um ein solches Gespräch gebeten (EBD.). Dohrmann antwortete aufgrund einer längeren Abwesenheit erst am 3. 6., wähnte sich offenbar bestens mit der Materie vertraut und zog unter Hinweis auf die Tätigkeit seines ehemaligen Kollegen, Prälat Werthmanns, den Nutzen eines Treffens in Zweifel: „Wenn Sie meinen, daß eine Rücksprache und Aussprache in den Fragen der Seelsorge jetzt noch einen Zweck haben, nachdem auf katholischer Seite seit zwei Jahren auf diesem Gebiet alles vorbereitet und getan worden ist von dem durch langjährige Arbeit und Erfahrung bewährten [sic !] Prälaten Werthmann, so stehe ich Ihnen im Laufe der nächsten Woche, bis zum 21. 6. zur Verfügung“ (EBD.). Osterloh, der ihm schon am 30. 4. mitgeteilt hatte, dass er am 6. 6., vom 12.–16. 6. und vom 18.–21.6. dienstlich verhindert sei, konnte diese Terminvorgabe nicht einhalten, ließ es sich aber nicht nehmen, Dohrmann über den wirklichen Stand der Verhandlungen zu informieren: „Über die Vorarbeiten von Herrn Prälaten Werthmann sind wir informiert. Eine Aussprache mit den zuständigen Dienststellen in Bonn am 10. 6. 1952 und eine Besprechung mit dem Beauftragten der Fuldaer Bischofs-Konferenz am gleichen Tage hat ergeben, daß die katholischen Vorbereitungen nicht weiter gediehen sind, als die Planungen auf unserer Seite“ (Brief vom 12. 6. 1952 [EBD.]). 499 Brief Meisers an Brunotte vom 25. 2. 1953, in dem er diesen von Dohrmanns Bedenken in Kenntnis setzte (EBD.). Da Meiser mit der Verhandlungsführung im Grunde nichts zu tun hatte, liegt der Schluss nahe, dass dem Feldbischof a. D. Dohrmann nur sein Landesbischof ein adäquater Ansprechpartner für derartige Anliegen zu sein schien.

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gesichts der ganz anderen Gestalt, die eine Militärseelsorge in Zukunft haben sollte, seien Männer aus der alten Heeresseelsorge vielleicht sogar ganz ungeeignet; zudem habe auch Osterloh selbst Schuster als seinen Nachfolger in der Verhandlungsführung vorgeschlagen500. Die Verbindung des Aufbaus der Seelsorge an den Arbeitsdiensteinheiten mit dem Aufbau einer Militärseelsorge zeigte sich erneut, als Letzterer konkret in Angriff genommen wurde: Im Januar 1952 übermittelte Osterloh Pleus den Wunsch Graf von Baudissins, Pleus möge ihm einen Bericht über seine Erfahrungen geben. Baudissin wollte zugleich ausfindig machen, welche Möglichkeiten es gäbe, Pleus als Kandidaten für eine leitende Stelle bei der künftigen Wehrmachtsseelsorge von der Dienststelle Blank aus zu unterstützen501. Im weiteren Verlauf übernahm auch Pleus Verhandlungen mit der Dienststelle Blank, und der Schriftverkehr zwischen ihm und Osterloh drehte sich fast nur noch um die Gestaltung einer zukünftigen Militärseelsorge. Höhepunkt dieser Aktivitäten war ein Gutachten, das Pleus mit Datum vom 16. März 1952 erstellte: „Überlegungen zur Planung einer künftigen Wehrmachtsseelsorge“502. Zuletzt, als Pleus zum 1. November 1952 vertragsgemäß aus seinem Dienst in Heidelberg ausschied und nach Oldenburg zurückkehrte, versprach Osterloh ihm, sich dafür einzusetzen, dass er auch von dort aus die zweite Stelle im leitenden Amt der Militärseelsorge in den aufzustellenden deutschen Verbänden bekäme503. Nachdem sich monatelang nur wenig bewegt hatte, kam es erst, als Osterloh schon Ministerialrat im Innenministerium war, zu entscheidenden neuen Entwicklungen. Auf seiner 36. Sitzung am 7. und 8. Mai 1953 in Berlin beschloss der Rat der EKD, nachdem Brunotte und Kunst über den „Stand der Vorarbeiten zur Einrichtung einer etwaigen künftigen Militärseelsorge“ berichtet hatten, einen Ausschuss einzusetzen, der die damit zusammenhängenden „grundsätzlichen, organisatorischen und persönlichen Fragen“ prüfen sollte. Dem sog. „Bender-Ausschuß“ gehörten an: der badische Landesbischof Bender, die Dekane Putz und Schuster, Pfarrer Münchmeyer, Oberkirchenrat Heidland, Hermann Kunst, von der Kirchenkanzlei als Nachfolger Osterlohs Gottfried Niemeier und als juristischer Referent Oberkirchenrat Dibelius, sowie – ein abschließender Hinweis der engen Verbindung beider Bereiche – der jeweilige 500

Vgl. Brief Brunottes an Meiser vom 3. 3. 1953 (EBD.). Brief Osterlohs an Pleus vom 7. 1. 1952 (EZA BERLIN, 2/4040, Bl. 187). 502 EBD., Bl. 155–162. Es werden in diesem Gutachten bis in Einzelheiten hinein konkrete Vorschläge gemacht zu den Auswahlkriterien der Bewerber und des Bewerbers für das leitende Amt, zum Verhältnis der Militärseelsorger zu ihren Landeskirchen und zum Militär, zur Uniformierungsfrage und zu den Aufgaben der Militärseelsorger. 503 Vgl. Brief Osterlohs an Pleus vom 13. 9. 1952 (EBD.). 501

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leitende Seelsorger bei den US-Dienstgruppen, zunächst Pfarrer Ernst Grau. Mit Kunst, Münchmeyer, Putz, Schuster und Heidland waren fünf der neun Ausschussmitglieder ehemalige Wehrmachtspfarrer504. Osterloh verlor durch seinen Wechsel in die Bonner Ministerialbürokratie die Zuständigkeit für die Militärseelsorge also kurz bevor die Verhandlungen aus einem sehr kleinen, inoffiziellen Kreis in einen größeren überführt wurden, der nun auch ein offizielles Mandat der EKD hatte.

5.6 Stellungnahmen zum Themenbereich Wiederbewaffnung – Osterlohs Position in der innerkirchlichen Auseinandersetzung 1950 bis 1956 Eine Stellungnahme zum Thema Wiederbewaffnung war in den frühen 1950er Jahren – je länger die Debatte andauerte, desto mehr – in der Regel zugleich ein eindeutiger Hinweis darauf, welcher politischen Richtung man den Vorzug gab. In der CDU und ihrem näheren Umfeld gab es nach dem Rücktritt Heinemanns nahezu keine konsequente Ablehnung der Wiederbewaffnung mehr, umgekehrt nahm in und im Umkreis der SPD die Zahl ihrer Befürworter rapide ab, je mehr man den Eindruck gewann, Adenauer wollte die Wiederbewaffnung um jeden Preis als Mittel zum Zweck der Westintegration, ohne die Bedenken hinsichtlich der negativen Auswirkungen auf die Deutschlandpolitik ernst zu nehmen. Die Entwicklung zum Entweder-Oder, zur Polarisierung der Politik wurde von Adenauer durch zahlreiche Äußerungen gefördert und in Wahlkämpfen gezielt angeheizt, was der CDU angesichts der sich in gleicher Weise zuspitzenden Weltlage ihre großen Wahlsiege zu erringen half. Zugleich war die Debatte um die Wiederbewaffnung der entscheidende Anstoß zur Klärung der Fronten innerhalb der evangelischen Kirche. Der aus dem Kirchenkampf herrührende Konflikt zwischen dem lutherisch-konservativen und dem dahlemitisch-barthianisch geprägten Flügel, in der unmittelbaren Nachkriegszeit angesichts der zu bewältigenden Aufgaben zunächst etwas verdeckt, sollte sich erneut am Demokratie- und Staatsverständnis beider entzünden505. 504

Vgl. Tagesordnungspunkt 4 des Protokolls (Auszug in: EZA BERLIN, 2/4096). Vgl. auch J. MÜLLERKENT, Militärseelsorge, S. 47 mit Anm. 49. 505 Zu den folgenden Überlegungen vgl. KIRCHE UND MODERNE DEMOKRATIE; H. G. FISCHER, Demokratie; M. J. INACKER, Transzendenz, bes. S. 292–353; H. RUDDIES, Protestantismus; A. DOERING-MANTEUFFEL, Blockbildung; T. SAUER, Westorientierung, bes. S. 43–50; CHR. HANKE, Deutschlandpolitik, S. 145–168; F. SPOTTS, Kirchen, bes. S. 106–114; CHR. WALTHER, Christentum, bes. S. 74–91; J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 224–230; C. LEPP, Entwicklungsetappen, bes. S. 48–50; H. BLENDINGER, Aufbruch, S. 116; M. Klein, Protestantismus, bes. S. 261ff., 353–357, 375. Die hier vorgenommene Herausstellung eines positiven Beitrages auch der lutherischen Seite zur Festigung der Demokratie in

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Die theologischen Positionen beider Lager hierzu, prägnant zusammengefasst mit den bekannten Schlagworten „Zwei-Reiche-Lehre“ bzw. „Lehre von der Königsherrschaft Jesu Christi“, prallten nun unter den Gegebenheiten eines demokratisch organisierten Staatswesens aufeinander, und es sollte sich herausstellen, dass – mitverursacht durch die Autoritätsfigur Adenauer und die vorherrschend konservative Ausrichtung der Politik – nicht das lutherisch-konservative, sondern das barthianisch geprägte Lager506 die größeren Schwierigkeiten hatte, in dieser Demokratie „anzukommen“. Hier war aus der Protestformel von der „Königsherrschaft Christi“, die unter den Bedingungen der totalitären Herrschaft als Einwand gegen die proklamierte völlige Trennung von Politik und Glauben ihre gute Berechtigung gehabt hatte, ein Programm für eine christliche Politik geworden, das mit einem pluralistischen, parlamentarisch-demokratischen System nicht vereinbar war507. So wurde der lutherisch-konservative Flügel, mit „Kanzlerdemokratie“ und außenpolitischem Kurs Adenauers im Großen und Ganzen einverstanden, vom Widerstand der Barthianer gegen diese Politik geradezu genötigt, sich politisch zu engagieren. Er tat dies in Form direkter Mitarbeit in der CDU bzw. an der Umsetzung ihrer Politik, durch Wahlaufrufe und mancherlei ‚Lobbyarbeit‘ etwa in Akademien oder auf Kirchentagen. Die Barthianer dagegen beschränkten sich in den ersten Jahren mangels politischer ‚Heimat‘ – denn die SPD konnte dies für viele bis 1958/59 nicht sein, und die GVP erwies sich als nicht lebensfähig – auf Protest in vielerlei Form, ohne eine Alternative aufzuzeigen, deren Umsetzung die realistische Aussicht auf eine ausreichende politische Unterstützung hätte finden können. Am Ende trugen jedoch beide Lager zur Entwicklung und Festigung der Demokratie in den ersten Jahren der Bonner Republik erheblich bei: – „die“ Lutheraner, indem sie eben nicht bei ihren traditionellen Vorbehalten gegen das politische Tagesgeschäft blieben, sondern recht schnell einsahen, dass in einer Demokratie auch die in abgeschwächter Form beibehaltene Nähe zur Obrigkeit politische Mitarbeit implizierte; – „die“ Barthianer, indem sie einerseits verhinderten, dass sich „die“ evangelische Kirche, nach den einschneidenden Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur gerade in einem recht kommoden Staatsgefüge angekommen, den 1950er Jahren trifft besonders in älteren Publikationen auf Widerspruch, der meist jedoch mit einer erkennbaren Parteilichkeit zugunsten des barthianischen Flügels einhergeht. 506 Beide Gruppenbezeichnungen sind plakativ, und die Kontinuität zwischen Kirchenkampf und den 1950er Jahren ist niemals eine ungebrochene, wie schon das Beispiel Osterlohs zeigt, der im Kirchenkampf als lutherischer Theologe von Barthscher Theologie stark beeinflusst wurde und zum dahlemitischen Flügel der Bekennenden Kirche zählte, um spätestens 1950/51 doch wieder im – dem Schema folgend – lutherisch-konservativen Lager zu sein. 507 Vgl. M. HONECKER, Art. „Politik und Christentum“, S. 14f.

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wieder zurücklehnte und dem verachteten Treiben der Politik aus vermeintlich sicherer Warte zuschaute, und andererseits durch ihre Annäherung an die SPD dieser mit ermöglichten, den Schritt zur echten Volkspartei und somit zu einer realistischen Regierungsalternative zu vollziehen. Eine Stellungnahme Osterlohs zur Wiederbewaffnung beinhaltete somit auch für ihn eine Entscheidung, politisch und kirchenpolitisch. Zwar wäre den mit kirchlichen Interna Vertrauten auch so über kurz oder lang klargeworden, welchen Kurs er einschlug508, doch über diesen Kreis hinaus brachte erst die öffentliche Stellungnahme ans Licht, zu welchem Lager man den früheren Mitarbeiter Kloppenburgs und Kollegen Gollwitzers in Zukunft zu rechnen hatte. Dies schreckte ihn nicht ab, im Gegenteil, man kann sich kaum eine offensichtlichere Positionierung vorstellen als die Osterlohs, der in einem am 1. November 1950 veröffentlichten Offenen Brief Niemöller wegen dessen Äußerungen zur Politik Adenauers direkt anging509. Ausgehend von dem seinem Brief vorangestellten Röm 13,4 und einer konventionellen lutherischen Obrigkeitslehre gestand Osterloh Niemöller zwar zu, dass es eine Aufgabe des Wächteramtes der Kirche sei, „sich einem Rückfall in das falsche politische und militärische Selbstvertrauen zu widersetzen“. Zugleich warf er ihm aber vor, in seinen Stellungnahmen gegen Adenauer und dessen Politik vermenge er „theologische und politische Urteile in verhängnisvoller Weise miteinander“ und mache „aus der Gewißheit des Glaubens ein Gesetz für das politische Handeln“510. Zwar könne der Glauben nicht mit der Waffe verteidigt werden, aber es dürfe nicht verschwiegen werden, „daß der Glaubende seine Nächsten gegen die nackte Gewalt verteidigen“ müsse511. Die evangelische Kirche würde zu einer „Sekte“ entarten, wenn sie „das politische Prinzip der Gewaltlosigkeit für die einzig mögliche Haltung des evangelischen Menschen in der Gegenwart“ erklärte512. Auch die Friedensrhetorik Niemöllers hinterfragte Osterloh, indem er den Frieden Gottes als gültigen Maßstab „für jeden echten Frieden in der Welt“ hervorhob; dieser Frieden wirke 508 Schon auf der Sonderveranstaltung vor Lehrern im Anschluss an den Essener Kirchentag (vgl. oben S. 255) hatte Osterloh in seinem Beitrag recht klar gegen Niemöller Stellung bezogen, damals aber noch direkte Angriffe vermieden: „Im Schlußteil habe ich Niemöllers Wort, so wie es in der Presse gebracht worden ist, aus seinem Vortrag bei dem Rhein-Ruhr-Club zitiert: ‚Wenn der Krieg kommt, ziehe ich meine Brieftasche und kaufe mir einen Sarg‘. Ich habe versucht, den Sinn dieses Wortes aus der heutigen Situation heraus verständlich zu machen, habe aber unter tosendem Beifall demgegenüber dazu aufgefordert, einen Obstbaum zu pflanzen, statt sich einen Sarg anzuschaffen“ (Dienstreisebericht Osterlohs vom 30. 8. 1950 [EZA BERLIN, 2/3585]). 509 E. OSTERLOH, Offener Brief an Kirchenpräsident D. Niemöller (1950). 510 EBD., S. 644. 511 EBD., S. 645. 512 EBD.

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sich „sowohl im politischen Frieden als auch im politischen Kriege als ein Gnadengeschehen Gottes an die gequälte Menschheit“ aus. Zwar sollten Christen sich für den Erhalt des politischen Friedens einsetzen, aber „genau so selbstverständlich […] dafür kämpfen, daß es unmöglich wird, einen Zustand als politischen Frieden zu bezeichnen, dem gegenüber ein politischer Krieg vielleicht als das kleinere Übel erscheinen würde“513. Auch konkret politisch widersprach Osterloh Niemöller: Unter Hinweis auf die längst vollzogene „Mobilisierung der Ostzone“ sprach er von einer unmittelbaren Bedrohung Westdeutschlands, das sich „in der äußersten Notwendigkeit“ befinde, sich „im letzten noch möglichen Augenblick zur Verteidigung aufzuraffen“; mit Bezug auf Röm 13 widersprach er Niemöllers Forderung, die Bundesregierung müsse vor einer Entscheidung das Volk direkt befragen. Schließlich brachte Osterloh Niemöllers Position aus früherer Zeit ins Spiel, wo er „eine öffentliche Erörterung der Angelegenheiten der Landesverteidigung […] für unmöglich gehalten“ habe, und bekannte, in dieser Sache weiterhin so zu denken: „Wir sollten als verantwortliche Männer auch heute und auch in der Demokratie Staatsgeheimnisse anerkennen und respektieren.“514 An den Schluss seines Briefes, um dessen Sprengkraft er wissen musste, stellte Osterloh eine Wendung, die deutlich machen sollte, dass sein Wunsch, „unangefochten die Gemeinschaft der Kirche preisen“ zu können, aufrichtig gemeint war. Wie er zu Beginn Niemöllers Thesen nicht als komplett falsch, sondern als ergänzungsbedürftig bezeichnet hatte, räumte er auch von seinen eigenen Ausführungen ein, sie seien „so einseitig“, dass sie nur richtig zu verstehen seien, wenn man sie mit Niemöllers Äußerungen zur Sache zusammenhielte515. Diese Zusammenschau, der Wunsch nach einer ausgewogenen Betrachtung, war natürlich keineswegs das, was von Osterlohs Offenem Brief hängen blieb; dafür hätte man wohl auch pointierter darauf hinweisen müssen. Zumal, da wenige Tage später ein weiterer Artikel Osterlohs erschien, in dem er – im Stil sachlicher und ohne eine direkte Anrede Niemöllers – einen grundsätzlichen Pazifismus als Sektiererei brandmarkte und erneut dezidiert auf den allein poli513

EBD. EBD. – Diese Äußerungen wurden einige Monate später in der „Jungen Kirche“ scharf kritisiert, als Günther Koch aufgrund des konfessionellen Missverhältnisses in der CDU die Gründung einer „neuen Partei“ propagierte: „Es ist doch wohl nicht so, wie es Edo Osterloh in seinem Offenen Brief an Martin Niemöller ausdrückte, als ob wir nur den Unterschied ‚zwischen dem offenbaren Weltregiment Gottes im Evangelium und seiner verborgenen Regierung durch die Weltgeschichte‘ zu beachten hätten […]. Nur die Erhörung der Bitte um die jeweilige Erleuchtung unserer um politische Klarheit ringenden Vernunft kann uns davor bewahren, daß wir uns aus einem falschen Gehorsam gegen Römer 13 einfach der Undurchsichtigkeit politischer Vorgänge ausliefern und unsere Kritik durch das Bestehen von Staatsgeheimnissen zum Schweigen bringen lassen“ (G. KOCH, Die neue Partei, S. 214f.). 515 Vgl. E. OSTERLOH, Offener Brief an Kirchenpräsident D. Niemöller (1950), S. 645. 514

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tischen Charakter der Wiederbewaffnungsfrage hinwies, ohne über ein Bekenntnis zur Gemeinschaft im Glauben hinaus einen Hinweis auf Gemeinsamkeiten mit Niemöller zu geben516. Eher schon musste der Eindruck haften bleiben, dass ein bisher der bruderrätlichen Linie zuzurechnender Oberkirchenrat im Dienst der EKD sich an die Seite etwa Eberhard Müllers gestellt hatte, der am gleichen Tag im „Deutschen Pfarrerblatt“ mit ganz ähnlichen Argumenten gegen Niemöller Stellung bezogen hatte517. In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit überlagerten andere Niemöllers Thesen ablehnende Stellungnahmen – etwa die der evangelischen Delegierten des CDU-Parteitages vom 22. Oktober518 und der Hannoverschen Landessynode vom 25. Oktober519 – sowie vor allem ein Treffen Niemöllers mit der SPD-Führung am 30. Oktober520 Osterlohs Brief ganz erheblich. Im Briefwechsel mit Kloppenburg aber spielte er eine wichtige Rolle. Schon aufgrund der von Osterloh gewählten Orte der Veröffentlichungen, „Evangelische Welt“ und ausgerechnet Hanns Liljes „Sonntagsblatt“, war wohl beiden Seiten klar, dass die kirchenpolitischen Gemeinsamkeiten sich zu erschöpfen begannen. Kloppenburg hatte es nach der Ankündigung Osterlohs, er müsse Niemöller und ihm in der Frage der Remilitarisierung widersprechen, „[v]ielleicht auch öffentlich, vielleicht auch etwas nach der Devise: ‚Auf einen groben Klotz

516 E. OSTERLOH, Darf der Christ zur Waffe greifen? (1950). Deutlicher noch als in seinem Offenen Brief ließ Osterloh hier erkennen, dass er nicht bereit war, dem eigenen Kriegserlebnis oder einem möglichen Atomkrieg einen verändernden Einfluss auf seine theologischen Argumente einzuräumen: „Das Salz der christlichen Kirche ist wertlos geworden, wenn ihre Verkündigung nicht mehr von einem Frieden weiß, der mitten in jedem Krieg Wirklichkeit wird. Die Christenheit hat keine Verheißung, den politischen Krieg in der Weltgeschichte abzuschaffen. Ihr ist aber verboten, ohne Prüfung das als Frieden und das als Krieg anzuerkennen, was politische Parteien und Weltmächte Frieden und Krieg nennen. Im Dienst für die Wahrheit und in der Liebe müßte gerade die Evangelische Kirche auch bereit sein, falsche Friedenslarven zu zerreißen und im äußersten Fall die Schrecken des Krieges als Gottes gnädiges Handeln zur Wiederherstellung des Friedens zu erkennen“ (EBD.). Bei aller Exaktheit der Ausrichtung an klassischer lutherischer Theologie überrascht die Einfachheit, mit der Osterloh – so, „als wäre nichts geschehen“ – über den gerade fünf Jahre zuvor beendeten Vernichtungskrieg sowie die aufziehende neue Dimension der Vernichtung durch einen möglichen Atomkrieg hinweggeht und unbefangen die „Schrecken des Krieges“ als „Gottes gnädiges Handeln“ zu interpretieren vermag. 517 Vgl. E. MÜLLER, Hat Niemöller recht? 518 Vgl. KJ 77, 1950, S. 190f. 519 Vgl. EBD., S. 194. 520 Es handelte sich um ein Treffen von Vertretern der Bekennenden Kirche mit Vertretern der SPD, u. a. mit Kurt Schumacher. Ging es eigentlich nur um eine Fortsetzung der Aussprache mit verschiedenen Parteien, die seit Längerem im Gang war, nährten Zeitpunkt und Thema des Gesprächs, das sich vornehmlich um die Wiederbewaffnungsfrage drehte, wilde Spekulationen um ein etwaiges Bündnis von Bekennender Kirche und SPD zum Sturz Adenauers, zumal im Kommunique von der Übereinstimmung darin die Rede war, dass nur ein neugewählter Bundestag eine so weitreichende Entscheidung wie die zur Wiederbewaffnung treffen könne (vgl. KJ 77, 1950, S. 220; ein Bericht über das Treffen findet sich EBD., S. 221f.).

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gehört ein grober Keil‘“521, schon auf den Punkt gebracht, als er Osterloh darauf hinwies, welchen Eindruck es machen musste, diesen Brief nicht in der „Jungen Kirche“ zu lesen: „Ich halte es nun wirklich für richtig, daß wir diese Dinge in unseren eigenen Zeitschriften austragen. Der Gegenstand ist viel zu ernst, als daß wir es verantworten könnten, auch äußerlich aneinander vorbeizureden.“522 Zu spät, denn Osterloh hatte beide Veröffentlichungen bereits verabredet und damit „zunächst genug gesagt“. Zwar wollte er nicht ausschließen, sich „in einem späteren Stadium noch einmal zur Sache“ zu melden, und dann gern auch bei der „Jungen Kirche“ anfragen523, aber Verbundenheit mit einer „eigenen“ Zeitschrift, in der bis dahin viele seiner größeren Artikel erschienen waren, sieht sicher anders aus. Dennoch war Osterloh zu diesem Zeitpunkt an einem guten Verhältnis mit Kloppenburg durchaus noch gelegen, wie auch die Diskussion seiner Aussagen in untereinander ausgetauschten Briefen dieser Tage zeigt524. Wie ein gutes Jahr zuvor hatte er auch weiterhin ein großes Interesse daran, dass Niemöller weiter seine gesamtkirchlichen Aufgaben ausfüllen konnte – im Gegensatz zu Stimmen etwa aus der hannoverschen Synode, die ihn am liebsten seines Postens als Leiter des Kirchlichen Außenamtes enthoben gesehen hätten525. Deshalb setzte er in einem vertraulichen Brief Kloppenburg davon in Kenntnis, dass Niemöller auf der für Mitte November 1950 angesetzten nächsten Kirchenkonferenz „einen sehr schweren Stand haben werde“, und bat ihn (Kloppenburg), dort anwesend zu sein. Er selbst (Osterloh) sei verhindert, befürchte aber „einen ernsthaften Angriff auf Niemöllers Position im Außenamt“526. Osterloh hielt einen solchen Schritt für falsch, aus kirchenpolitischer, aber auch aus persönlicher Überzeugung: „Aber ich würde es für falsch halten, wenn die gesamte Kirche jetzt einen öffentlichen Schritt unternähme, der bei der Arbeiterschaft in Deutschland wahrscheinlich den Eindruck erwecken würde, daß man gegen Niemöller wesentlich wegen seiner Zusammen-

521

Vgl. Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 21. 10. 1950 (LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 909/5). Antwort Kloppenburgs vom 24. 10. 1950 (EBD.; dort ohne Hervorhebung). 523 Vgl. Brief Osterlohs an Kloppenburg vom 26. 10. 1950 (EBD.). 524 Vgl. die Briefe Kloppenburgs vom 6. 11. 1950 und Osterlohs vom 9. 11. 1950 (EBD.); eine schwere Erkrankung Osterlohs verhinderte die weitere Diskussion. Nach einer Predigt in Holle hatte er sich aufgrund einer schmerzhaften Regenbogenhautentzündung eine intravenöse Injektion geben lassen, um einen zugesagten Vortrag an der Pädagogischen Hochschule Oldenburg halten zu können, war daraufhin kollabiert und von den alten Mitstreitern Hans Schmidt, Kloppenburg, Chemnitz und Hartmut Jacoby sowie der Ärztin Herta Böning betreut worden (vgl. Briefe Osterlohs an die Genannten vom 30. 11. 1950 [EBD.] sowie an den Leiter der Hochschule, Prof. Wocke, vom 26. 11. 1951, in dem er ihm wegen Terminschwierigkeiten erneut eine Absage erteilen musste [AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 15]). 525 Vgl. KJ 77, 1950, S. 193f. 526 Brief vom 2. 11. 1950 (LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 909/5). 522

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kunft mit der SPD-Führung vorgeht. Wir beide brauchen uns nicht über die Verborgenheit und Kompliziertheit der Motive vieler Gegner von Niemöller zu unterhalten. Wir beide sind uns aber wohl einig in der Überzeugung, daß es für die Verkündung des Evangeliums in der Welt gut ist, wenn Niemöller eine verantwortliche Aufgabe in der Kirche auch institutionell behält.“527

Bei aller persönlichen Verbundenheit mit Kloppenburg und Niemöller, deren Wahrhaftigkeit man Osterloh schon aufgrund seiner Biographie abnehmen muss528 und weil es einem zu simplen Denkmuster entspricht, hinter jeder Sympathieerklärung gegenüber einem politisch Andersdenkenden lediglich Taktik zu vermuten, war der Bruch mit ihnen unaufhaltsam. Im Falle Niemöllers war im Grunde schon die Annahme der Berufung in die Kanzlei ausschlaggebend gewesen529, während bei Kloppenburg die weitere Entfremdung in Sachfragen nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum großen Bruch während der Oldenburger Bischofskrise sein sollte530. Auch mit der „Jungen Kirche“ gab es kaum noch Gemeinsamkeiten: Eine Notiz Fritz Söhlmanns über die Arbeit der Kanzlei, die er als nicht im Sinne der EKD bezeichnet hatte531, führte zu einer langanhaltenden Korrespondenz zwischen Osterloh und Kloppenburg532, in der sich Kloppenburg gegenüber Osterloh sachlich von dieser Aussage distanzierte, es aber im Weiteren unterließ, mit entsprechendem Nachdruck auf eine Klarstellung zu drängen. Daraufhin erklärte Osterloh namens der Kanzlei und mit dem wenig versöhnlichen Hinweis auf die geringe Verbreitung der Zeitschrift die Sache mit der Feststellung für erledigt, dass die „Junge Kirche“ sich weigere, unrichtige Behauptungen richtig zu stellen533. Kaum verwunderlich, dass Osterloh hernach keinen Artikel mehr zuerst in der „Jungen Kirche“ veröffentlichte. Dies alles tat Osterlohs weiterhin auch öffentlicher Beschäftigung mit den im Zuge der Wiederbewaffnung drängenden Fragen keinen Abbruch. So äußerte 527

EBD. Aufschlussreich sind hier die Dankeszeilen, die Gertrud Osterloh in ihrer Antwort auf das Kondolenzschreiben Niemöllers zum Tode ihres Mannes schrieb: „Mein Mann war unterirdisch mit Ihnen verbunden, stärker, als er es oft selbst wußte. Stärker als mit all dem, was ihn in den letzten Jahren so ausfüllte“ (Brief Gertrud Osterlohs vom 12. 4. 1964, in: ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.-Nr. 677). 529 Vgl. oben S. 204–207. 530 Vgl. unten S. 333–347. 531 Vgl. JK 11, 1950, Sp. 711. 532 Vgl. die diesbezügliche Korrespondenz bis in das Jahr 1952 hinein in: LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 910/6. 533 Vgl. die Kopie des Schreibens von Osterloh an Söhlmann vom 26. 2. 1951, Kloppenburg mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt (EBD.). In der weiteren Korrespondenz zwischen Kloppenburg und Osterloh spielte das Thema letztmals am 19. 1. 1952 eine Rolle, als Kloppenburg in einem Brief an Osterloh darlegte, er habe das Thema nicht weiter verfolgt, weil Osterloh ihm erklärt habe, der Rat verzichte auf weitere Forderungen, „weil ja die ‚Junge Kirche‘ so wie ‚unter Ausschluß der Öffentlichkeit erscheine‘“ (EBD.). 528

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er sich über die Kriegsdienstverweigerungsproblematik534 ebenso wie über die 1952 und erneut 1955 anlässlich der jeweils kurz bevorstehenden Aufstellung deutscher Verbände kontrovers diskutierte Eidesfrage535. Hier wie dort machte er keinen Hehl aus seiner ungebrochenen Akzeptanz militärischer Notwendigkeiten und Selbstverständlichkeiten. Zwar stellte er es sehr klar als seine Überzeugung heraus, dass die evangelische Kirche im Gegensatz zu früher ihre Pflicht zu Recht darin sehe, den Schutz auch des Kriegsdienstverweigerers vor jeder Benachteiligung zu sichern536, machte aber zugleich deutlich, dass er die Begründung der Verweigerung „um des Gewissens willen“ für theologisch sehr bedenklich hielt, und plädierte daher für eine gründliche Prüfung des Sachverhalts537. Später sah er seine Position bestätigt durch die ersten Zahlen aus Schleswig-Holstein: 1956 belief sich dort die Zahl der Verweigerer, die sich auf ihr Gewissen beriefen, auf genau zwei von 3377 Wehrpflichtigen538. In der Eidesfrage äußerte Osterloh sich zunächst am 10. Dezember 1952 auf einer vom Institut für europäische Wirtschaft und der Dienststelle Blank veranstalteten Tagung in Rhöndorf, wo er – erneut von den Bekenntnisschriften her argumentierend – eine „prinzipielle, religiös begründete Ablehnung des Fahneneides […] als sektiererisch und schwärmerisch“ und die Frage, ob unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt Eide, gleich welcher Art, gefordert werden sollten, als ein „politisches Problem“ bezeichnete539. Als „Selbstverständlich534

E. OSTERLOH, Kriegsdienstverweigerer (1951); DERS., Das gute Gewissen (1952). Zu Osterlohs Beitrag zur Formulierung amtlicher Stellungnahmen des Rates der EKD vgl. oben Exkurs: Stellungnahmen zur Kriegsdienstverweigerung und zum Waffendienst für Theologen (S. 313–316). 535 E. OSTERLOH, Vom Eid (1952); DERS., Fahneneid (1955); DERS., Stellungnahme (1956). 536 „Darüber hinaus wird die evangelische Kirche aber darauf aufmerksam machen, daß auch der evangelische Christ […] in einer konkreten Situation gewissensmäßig gezwungen sein kann, sich vom Kriegsdienst mit der Waffe auszuschließen […]. Die Kirche wird sich dafür einsetzen, daß auch diesen Menschen, die aus ‚echten‘ Gewissensentscheidungen Kriegsdienstverweigerer werden, durch die entscheidenden Instanzen Gerechtigkeit widerfährt […]“ (E. OSTERLOH, Kriegsdienstverweigerer [1951], S. 723). 537 „Für Luther war die Berufung auf das Gewissen identisch mit der Berufung auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift. Als Christen sollten wir gerade heute keinen Augenblick vergessen, daß wir uns unmittelbar am Zweiten Gebot versündigen, wenn wir das Wort Gewissen so gebrauchen, als seien wir in der Lage, das Gewissen zu durchschauen und seine Entscheidungen rechtlich zu sichern […]. Gewissen heißt nicht Privileg und Herauslösung aus der Gemeinschaft, sondern Gewissen bedeutet Verpflichtung und Hingabe“ (E. OSTERLOH, Das gute Gewissen [1952]). 538 Um das Argument, in Schleswig-Holstein handele es sich um einen Sonderfall, zu entkräften, führte Osterloh die Zahlen aus Bayern an, wo die Quote auch nur bei 0,25% lag. Vgl. die epd-Meldung vom 26. 11. 1956 über einen Vortrag Osterlohs vor dem Evangelischen Arbeitskreis der schleswig-holsteinischen CDU, in: JK 18, 1957, S. 21f. Zur tatsächlich zunächst extrem niedrigen Zahl von Kriegsdienstverweigerungen vgl. P. BERNHARD, Kriegsdienstverweigerung, S. 111f. 539 E. OSTERLOH, Vom Eid (1952), S. 725.

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keiten“ benannte er die Warnung vor jedem Missbrauch, den Hinweis darauf, dass mit einem Eid „nie die prinzipielle und uneingeschränkte Übertragung der Verantwortlichkeit vom Gehorchenden auf den Befehlenden“ verbunden sei, sowie die Unabhängigkeit des Gehalts der Eidesleistung (auch der religiösen) vom religiösen Bewusstsein der Beteiligten. Er kam zu dem Schluss: „Die politische Entscheidung für oder gegen die Vereidigung spiegelt die grundsätzliche Gewißheit oder Unsicherheit der Verantwortlichen wider über den Inhalt ihrer eigenen Verantwortlichkeit und über ihre Vollmacht, Gehorsam zu verlangen.“540 Schließlich nannte er einen zeitweiligen Verzicht auf die Vereidigung eine mögliche „volkspädagogische Reaktion auf den Mißbrauch des Eides“. Hinter einem grundsätzlichen Verzicht – er sah hier eine Analogie zum grundgesetzlich verankerten Verzicht auf die Todesstrafe – aber vermutete er „individualistische und liberalistische Selbsttäuschung, Zersetzungserscheinung und objektiv Vorbereitung für totalitäre Versklavung“541. Vielleicht nicht zufällig wurde Osterloh drei Jahre später, als nun endgültig eine Entscheidung zur Frage der Eidesleistung anstand, vom Bundestag als evangelischer Sachverständiger um eine Stellungnahme gebeten, obwohl Hermann Kunst als Beauftragter des Rates der EKD vor dem gleichen Ausschuss dessen Stellungnahme zum Thema vortrug542. Konsequent auf seinen früheren Äußerungen aufbauend, vertrat Osterloh seine vom Votum der evangelischen Kirchenführer abweichende Überzeugung, dass eine recht geführte Armee einen Diensteid mit religiösem Bezug benötige, wolle sie nicht einer ihrer wichtigsten Sicherungen im Blick auf einen möglichen Missbrauch der Gehorsamspflicht verlustig gehen, mit einem durchaus gewagten und persönliches Erleben erinnernden Vergleich: „Ich möchte es ganz schlicht sagen: Sollte einmal die mir nicht ganz unwahrscheinlich erscheinende Situation eintreten, daß ein deutscher General über nennenswerte Atomstreitkräfte verfügt, dann möchte ich, daß dieser General, wenn er von politischen Machtträumen angefochten wird, mindestens in denselben Konflikten steht, in denen die verantwortlichen Offiziere standen, die wegen ihres Eides auf Adolf Hitler sich nicht in der Lage sahen, sich an der Aktion des 20. Juli zu beteiligen […]. Ich möchte, daß derjenige, der über atomare Streitkräfte verfügen kann, mit den stärksten Mitteln gebunden ist an das geltende Recht, an den Gehorsam und die Treue gegenüber den der Verfassung entsprechenden repräsentativen und faktischen Organen der Staatsführung […]. Ich habe nicht den Wunsch, daß die parlamentarische Demokratie irgend etwas

540

EBD. EBD. – Zu Osterlohs theologisch untermauerter Befürwortung der Todesstrafe vgl. DERS., Diskussion (1953). 542 Abdruck beider im Januar 1956 vor dem Verteidigungsausschuss vorgetragenen Stellungnahmen: VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 2. WP, 132. Sitzung vom 6. 3. 1956, S. 6877–6882. 541

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unterläßt, um die von ihr selbst geschaffenen Instrumente davor zu bewahren, sich einmal gegen sie zu kehren.“543

Auch die Argumente der von ihm „verehrten“ Bischöfe der evangelischen Kirche (Erschwernis der Eidesleistung durch die Diskussion über die Gewissensfrage; Unvergleichbarkeit von Wehrpflichtigen und Berufsbeamten; problematisches Gottesbewusstsein vor allem der Jugend544) konnten ihn nicht überzeugen, und er korrigierte zuletzt auch sein eigenes früheres Bedenken: „Das Gottesbewußtsein ist in der Zeit des Mittelalters, wenn man es demoskopisch, nach Gallup-Methoden untersucht, nicht besser gewesen als heute. Die Verschiedenheit religiöser Überzeugungen ist allezeit gleich. Das Schwören, die Anrufung Gottes beinhaltet nicht eine profilierte, trinitarische Theologie. Man müßte, wenn man diese Gesichtspunkte für durchschlagend hielte, konsequenterweise auch den Eid vor Gericht, den assertorischen Eid, ablehnen. Der Hinweis auf die besondere Situation, die durch den Mißbrauch des Eides in der hinter uns liegenden Vergangenheit entstanden sei, scheint mir mit den Jahren an Gewicht zu verlieren.“545

Im Hintergrund seiner Äußerungen zum Themenfeld „Wiederbewaffnung“ stand ein ungebrochenes Verhältnis zur Obrigkeit als solcher, das konträr zur Erfahrung etwa Niemöllers war. Im Kreis um Niemöller hatte die Erfahrung der nationalsozialistischen Diktatur ein solches Misstrauen gegen obrigkeitsstaatliches Denken und Handeln hervorgebracht, dass man – wenigstens bei politischen Entscheidungen, denen man nicht zustimmte – geneigt war, das theologisch begründete Widerstandsrecht, dessen Anwendung im Falle des ‚Dritten Reich‘ mehr als berechtigt gewesen wäre, nun um so rigider gegen die Regierung Adenauers ins Feld zu führen. Dabei blieb man unbeeindruckt davon, dass man nun in einem parlamentarisch-demokratischen System lebte, und Adenauer zwar auch ein Kanzler, aber eben kein Diktator war546. Osterloh dagegen sah die nationalsozialistische Herrschaft zwar sicher nicht nur als einen „Betriebsunfall“ 543

E. OSTERLOH, Stellungnahme (1956), S. 6879. Vgl. EBD. – Vgl. auch eine entsprechende Stellungnahme Liljes (EvW 9, 1955, S. 649). 545 E. OSTERLOH, Stellungnahme (1956), S. 6879. Im Endeffekt nahm der Bundestag beide Voten auf, indem getrennt wurde in einen Schwur für Berufs- und Zeitsoldaten und ein Gelöbnis für Wehrpflichtige (vgl. H. EHLERT, Auseinandersetzungen, S. 506f.). 546 Beispielhaft die Ausführungen Niemöllers in seinem Offenen Brief an Adenauer vom 4. 10. 1950: „Darüber hinaus werden sich evangelische Christen jeder Remilitarisierung praktisch widersetzen und sich darauf berufen, daß ihnen die Bundesverfassung dieses Recht gibt. Und wenn ihnen durch eine Verfassungsänderung dieses Recht wirklich entzogen werden sollte, so werden wir uns wieder einmal darauf berufen müssen, daß man Gott mehr gehorchen muß als den Menschen“ (KJ 77, 1950, S. 175; D. BUCHHAAS-BIRKHOLZ, Weg, S. 135). Der Osterlohs theologischem Denken sehr nahe stehende Volkmar Herntrich formulierte aufgrund dieser und anderer Äußerungen Niemöllers in der Ratssitzung vom 24. u. 25. 1. 1952 pointiert: „Die Öffentlichkeit hat den Eindruck, daß es heute um eine gleich wichtige Sache geht wie im Kirchenkampf“ (EBD, S. 147). 544

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der deutschen Geschichte an, maß ihr aber – wie er es auch bei keiner anderen Herrschaft getan hätte – keinesfalls eine Bedeutung zu, die ausgereicht hätte, daraufhin die Anwendung der theologischen Lehre von Staat und Obrigkeit bzw. vom Widerstandsrecht prinzipiell anders bzw. großzügiger zu handhaben547. Für ihn durften sich an einer solchen Stelle beide „Reiche“ eben nicht vermengen, schon weil der Staat als solcher, wie Osterloh sich in einem 1952 für eine breitere Öffentlichkeit verfassten Artikel ausdrückte, „eine Hoheit wahrnimmt, die ihm als Dienerin Gottes gegeben ist, […], die schon vor jeder demokratischen Wahl besteht“548. So ist nachvollziehbar, dass er das Verhältnis von Untertan und Obrigkeit unbeeindruckt vom zurückliegenden Geschehen mit den Abläufen „in einer vielköpfigen Familie“ vergleichen, es als eines der „tragenden Fundamente“ des Lebens bezeichnen und von der „großen Familie des Staates“ reden konnte. Demokratietheoretiker würden sich sicher an der Aussage reiben, es sei „Schwärmerei, zu meinen, wir könnten einem Zustand entgegengehen, in dem wir zugleich Untertan und unsere eigene Obrigkeit sind“. Wenn man aber eine solche Grundposition einnimmt, ist es nicht verwunderlich – und hier kommt wieder der Konflikt mit Niemöller ins Spiel –, dass man zivilen Ungehorsam, Protest und Widerstand gegen Beschlüsse der Obrigkeit als etwas „Unnormales“ empfindet, das genauester Prüfung bedarf: „Das Normale in diesem Obrigkeitsverhältnis ist nun nicht die Empörung, der Protest, sondern der Gehorsam. Es gibt Dinge, die nicht von jedem Staatsbürger noch einmal überprüft werden können oder gar müssen, sondern in denen er einfach zu gehorchen hat. Wir müssen Steuern zahlen – ob wir wollen oder nicht! Wir müssen rechts gehen und rechts mit dem Auto ausweichen – ob wir wollen oder nicht […]. Das Normale ist also der Vollzug der Befehle, das Normale ist die Autorität der Leute, die im obrigkeitlichen Amte stehen. Das Normale ist, daß wir zu ihnen Vertrauen haben: sie verantworten das schon. Und nur das Ungewöhnliche, das Außerordentliche ist der Protest.“

Zwar sprach Osterloh gegen Ende dieses Artikels auch noch vom Widerstandsrecht, richtete aber – immer im Einklang mit traditioneller lutherischer Obrigkeitslehre – sehr hohe Hürden auf, vor denen ein theologisch begründeter politischer Widerstand gegen eine Wiederbewaffnung scheitern musste, den er wohl eher in die Kategorie „Aufruhr“ einordnete:

547

Auch hier traf er sich mit Volkmar Herntrich, der diesen Aspekt in derselben Ratssitzung (24. u. 25. 1. 1952) Niemöller gegenüber geltend machte: „Es ist uns bis jetzt kirchlich und theologisch nicht eindrücklich geworden, daß Niemöller und seine Freunde die Regierung des Westens als Obrigkeit ansehen. Es ist aber eine Aufgabe der Kirche, in ihrer Verkündigung auch die Obrigkeit in ihrer Aufgabe zu stützen. Haben wir von Ihnen, meine Brüder, bisher ein Wort gehört, aus dem für die Männer, die im Westen im politischen Amt stehen, immer ein Stück Trost hätte erwachsen können?“ (EBD., S. 152). 548 E. OSTERLOH, Fundamente (1952). Hieraus auch die folgenden Zitate.

Noch einmal Oldenburg: Osterloh und die „Bischofskrise“

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„Dann wäre also jeder aktive Widerstand eines Christen ausgeschlossen? Nein! Immer dann, wenn ein Staat nicht mehr Obrigkeit war, sondern nur noch schien, wenn er nicht mehr das Böse strafte und das Gute lobte, wenn es keine Möglichkeit mehr gab, ‚Gottes Dienerin‘ in ihm zu sehen, wenn ein einzelnes christliches Gewissen keinen anderen Ausweg mehr sah als den Widerstand, das Attentat – dann hat es immer noch das Wort der Kirche gegeben, das den freisprach, der nach der Vergebung der Sünden fragte und nicht nach der Verherrlichung seines Aufruhrs.“

Ganz abgesehen von der Frage, ob Osterloh hier abschließend die Rolle der Kirche in totalitären Systemen wirklich zutreffend charakterisierte, wird anhand dieses Textes exemplarisch deutlich, wie begrenzt anwendbar die von ihm hier dargelegte traditionelle lutherische Obrigkeitslehre in demokratischen Systemen ist549. Für Vertreter dieser Art von lutherischer Theologie stellte zu diesem Zeitpunkt in der Tat die Demokratie „das eigentlich unbewältigte Thema“ dar550, auch wenn, wie gezeigt, ihre Vertreter in der praktischen Anwendung demokratischer Spielregeln zuweilen weiter fortgeschritten waren als die „Kirche im Widerstand“551.

5.7 Noch einmal Oldenburg: Osterloh und die „Bischofskrise“ Wissenschaftlich seriös behandelt ist die sog. oldenburgische „Bischofskrise“ bisher allein in Andreas Meiers biographischer Studie über Hermann Ehlers552 und in dem von Reinhard Rittner verfassten Abschnitt innerhalb der handbuchartigen oldenburgischen Kirchengeschichte553. Der äußere Ablauf des Geschehens lässt sich aus mehreren Quellen rekonstruieren, von denen aber, wie zu zeigen ist, keine einen völlig neutralen Standpunkt einnimmt554. An erster Stelle ist hier zu nennen der umfangreiche Bericht, den der von der 549 Das Exemplarische wird deutlich anhand des im Oktober 1952 auf der Synode der EKD gehaltenen Referats von Walter Künneth (DERS., Verantwortung): Künneth kommt, auf das Verhältnis des Christen zur Obrigkeit eingehend, zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen wie Osterloh: „Es ist eine für demokratische Verhältnisse bezeichnende Illusion, die Möglichkeit des einzelnen Bürgers durch Beteiligung an den Wahlen das politische Leben zu gestalten und die Regierung zu bestimmen, zu überschätzen und von einer Übertragung obrigkeitlicher Gewalt auf die Staatsbürger zu träumen [sic !] […]. Es scheint mir so etwas wie eine Irreführung durch die Parteipresse, die Verantwortung des einzelnen zu suggerieren “ (EBD., S. 400). Zuvor hatte er zu den Themen Eidesleistung und Kriegsdienst ebenfalls Thesen vorgetragen, die denen Osterlohs ähnelten (vgl. EBD., S. 399). Vgl. insgesamt zum Verhältnis von lutherischer Theologie und Demokratie: H. G. FISCHER, Demokratie, bes. S. 118–173. 550 W. TRILLHAAS, Die lutherische Lehre, S. 26. 551 „Wird die Kirche die Chance der Demokratie abermals verpassen, weil sie noch immer ‚Kirche im Widerstand‘ ist?“, fragte noch 1966 Rolf Peter Calliess (zit. n. H.-R. MÜLLER-SCHWEFE, Demokratie, S. 426). 552 A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 384–394. 553 R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 773–778. Vgl. jetzt auch DERS., Personen, S. 189–196. 554 Zur Forschungssituation vgl. auch oben S. 122f., bes. Anm. 7.

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Synode mit der Leitung des Untersuchungsausschusses betraute Landesbischof von Württemberg, Martin Haug, vorlegte, sowie die kritischen Bemerkungen Wilhelm Wilkens’ zu diesem Bericht555, aber auch in verschiedenen anderen Aktenbeständen findet sich Material556. Die Sicht der Hauptbeteiligten lässt sich teils aus Autobiographien bzw. Biographien557, teils aus ihrem Nachlass erschließen558. Zur Rolle Osterlohs im Zusammenspiel mit Synodalpräsident Alfred Gramsch geben die im Nachlass des Letzteren befindlichen Briefe beredt Auskunft559. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll die „Bischofskrise“ insoweit nachgezeichnet werden, als es zum Verständnis der Rolle Osterlohs im Geschehen nötig erscheint. Eine umfassende Darstellung der Vorgänge kann hier nicht geleistet werden560.

Im letzten Jahr seiner Tätigkeit in Hannover wurde Osterloh erneut intensiv mit den Geschehnissen in der oldenburgischen Landeskirche konfrontiert, in der die Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Kloppenburg und Stählin nach Kloppenburgs Rückkehr aus Genf weiter fortgeschritten war. In dem Gefühl, im Oberkirchenrat damit einer ablehnenden Front gegenüberzustehen, hatte Stählin schließlich resigniert und am 30. September 1951 seinen vorzeitigen Amtsverzicht zum 30. Juni 1952 erklärt561. Die nun notwendige Neuwahl eines Bischofs war auf den 17. Juni 1952 festgesetzt worden. Zwar verzichtete der Oberkirchenrat auf die Nominierung eines Kandidaten, doch standen seine und die Sympathien der Pfarrerschaft für Kloppenburg außer Frage, und dessen Wahl schien vielen selbstverständlich. In dieser Situation nahm der neugewählte Syno-

555 Exemplare beider Texte jeweils in: LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 200/2; EZA BERLIN, NL Kloppenburg, 613/59; EZA BERLIN, 2/2109. Kurze Auszüge des Berichts Haugs auch in: KJ 80, 1953, S. 249ff. 556 Vgl. z. B. AELOKR OLDENBURG, A III-53; A III-55. 557 W. STÄHLIN, Via Vitae; W. HAHN, Erinnerungen, S. 75ff.; A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 384–394. 558 EZA BERLIN, NL Kloppenburg, 613/54-613/60: „Oldenburger Bischofsamt“ (dankenswerterweise erteilte mir Almut Kloppenburg die Erlaubnis, Einsicht in den Nachlass ihres Mannes zu nehmen); ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-003/1. 559 ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-003/2; 004/1–2. 560 Eine solche ist in näherer Zukunft zu erwarten von Reinhard Rittner, der auch schon in dem von ihm verfassten Abschnitt der Oldenburgischen Kirchengeschichte einen Überblick über die Vorgänge liefert (vgl. oben Anm. 553). Weiterführend sei hier lediglich darauf verwiesen, dass Hans Dombois schon 1953 grundlegende – über Oldenburg hinaus wirksame – Meinungsverschiedenheiten über die Struktur des Bischofsamtes, die seiner Meinung nach in der Oldenburger Kirchenordnung nicht zufriedenstellend festgeschrieben war, als einen wichtigen Faktor dieses Streites ausmachte (vgl. DERS., Grundsätze). 561 Stählin schildert in seiner Autobiographie die Situation als ein Gegenüber von Bischof und Oberkirchenrat, dem außer ihm selbst nur Mitglieder der Bekennenden Kirche angehörten, die fest an der Seite Kloppenburgs standen. Da die Kirchenordnung dem Bischof in einer solchen Situation keinerlei Handhabe geboten habe, sich gegen seine Kollegen im Oberkirchenrat durchzusetzen, sei er schon seit Herbst 1950 zum Rücktritt entschlossen gewesen, den er nur so lange hinausgezögert habe, bis sich ein geeigneter Alterswohnsitz in Süddeutschland gefunden hatte (W. STÄHLIN, Via Vitae, S. 592ff.).

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dalpräsident Dr. Alfred Gramsch562 im Januar 1952 Kontakt zu Otto Dibelius und insbesondere Hermann Ehlers auf, um eine geeignete Gegenkandidatur von außerhalb aufzustellen, nachdem Heinrich Höpken sich geweigert hatte, gegen Kloppenburg zu kandidieren563. Sein Ziel war nicht nur, der Synode eine echte Wahlmöglichkeit zu geben, er wollte ausdrücklich einen Bischof Kloppenburg verhindern564. Dibelius nannte ihm eine Reihe von möglichen Kandidaten und legte ihm einen besonders ans Herz: Edo Osterloh565. Aber auch Dr. Wilhelm Hahn, Professor für Praktische Theologie in Heidelberg, wurde schon hier ins Gespräch gebracht566. Trotz der von Ehlers geäußerten Bedenken gegen Osterloh567 gediehen die Pläne so weit, dass Osterloh einer Reihe von Oldenburger 562 Gramsch stand laut Aussage Stählins mit ihm selbst „in einem schönen Vertrauensverhältnis“ und hatte sich in der Wahl gegen Kirchenrat Erich Chemnitz, den Schwiegervater Kloppenburgs, durchgesetzt (vgl. EBD., S. 594f.). 563 Höpken, der schon während Osterlohs Zeit im Oberkirchenrat von diesem als ein Kandidat für die Nachfolge Stählins ins Gespräch gebracht worden war, teilte auf eine Anfrage von Gramsch mit, er stehe nur unter der Bedingung für eine Kandidatur zur Verfügung, „daß mit Kloppenburg Einverständnis hergestellt wird“ (Brief an Hans Schmidt vom 4. 1. 1952, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 38). 564 In einem Brief an Ehlers erwog Gramsch mehrere Möglichkeiten, Kloppenburgs Kandidatur zu verhindern. Er glaubte, eine hinreichende Zahl von Synodalen zu finden, die eine Gegenkandidatur schon allein deswegen unterstützen würden, um eine echte Wahlmöglichkeit zu haben. Die Frage sei lediglich, ob ein bestimmter Kandidat ebenfalls diese hinreichende Zahl der Synodalen hinter sich brächte. Außerdem erwog er die Chancen für den Versuch, Kloppenburg von einer für ihn eventuell riskanten Kandidatur abzubringen. Schließlich spielte er mit dem Gedanken eines gemeinsamen Wahlvorschlags mit den Namen Osterloh, Kunst und Kloppenburg, von denen dann nur Osterloh und Kunst das gesetzlich einzuholende Einvernehmen des Rates der EKD erteilt bekämen (Brief vom 24. 1. 1952, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-004/1). 565 „Dib. wies sehr warm auf Osterloh hin“ (EBD.) Daneben nannte Dibelius noch Präses Scharf (Berlin), Prälat Eichele (Ulm) und Superintendent Kunst (Herford). Gramsch griff aus dieser Liste die Namen Osterloh, mit dem er bereits gesprochen und der sich „in Rücksicht auf die Gesamtsituation der EKiD“ zu einer Kandidatur bereit erklärt hatte, und Kunst heraus, weil er diesen beiden „die größten Chancen und echte Zustimmung“ zutraute (vgl. EBD.). 566 Gramsch fragte Dibelius von sich aus noch nach Volkmar Herntrich, Peter Brunner, Heinz Gollwitzer und Wilhelm Hahn, über deren „Bereitschaft bezw. Eignung oder Chancen“ Dibelius aber nichts sagen konnte (vgl. EBD.). Hermann Ehlers, dem Gramsch dies geschrieben hatte, äußerte sich knapp zu jedem der potentiellen Kandidaten: „Ich habe Kunst einmal darauf angesprochen, der zu meiner Verwunderung nicht grundsätzlich nein sagte, sondern die Dinge irgendwie vielleicht doch in Erwägung zog. Präses Scharf geht bestimmt nicht aus Berlin weg; Eichele – Ulm kenne ich nicht; Herntrich kann aus Hamburg nicht weggehen, Brunner scheint mir völlig ungeeignet zu sein. Gollwitzer will sicher nicht aus Bonn weggehen und hat seine Hauptaufgabe wohl auch im akademischen Lehramt. Ob Hahn, den ich seiner ganzen Person nach für geeignet hielte, sich bereitfinden ließe, kann ich nicht sagen“ (Brief an Gramsch vom 28. 2. 1952, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-004/1). 567 „Nach allem, was ich mir überlege, halte ich Osterloh auch nicht für eine glückliche Lösung, weil er viele Eigenschaften mit Kloppenburg gemeinsam hat, und weil er sich in Hannover nach meinem Eindruck ein etwas kirchenregimentliches Wesen angeeignet hat. Wenn ich die Wahl zwischen Kloppenburg und Osterloh hätte, würde ich mich allerdings vielleicht doch für Osterloh entscheiden“ (EBD.).

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Pfarrern am 7. März 1952 brieflich mitteilte, sein Name könne auf einem Wahlaufsatz der Synode als Gegenkandidat Kloppenburgs erscheinen. Die seiner Meinung nach mit einer Entscheidung zwischen ihm und Kloppenburg verbundene grundsätzlichere, kirchenpolitische Entscheidung wollte er nicht ausführlich erläutern. Bei einem kurzen Rückblick auf den Weg, den Osterloh seit seinem Ausscheiden aus dem Oberkirchenrat eingeschlagen hatte, kann jedoch kein Zweifel darüber bestehen, dass er damit auf seine wachsende Entfernung von den Kreisen der – ehemaligen – Bekennenden Kirche anspielte, für die Kloppenburgs Name in Oldenburg so stand wie der von Niemöller in der EKD568. Schon in diesem Schreiben jedoch relativierte Osterloh seine eigene Kandidatur durch den Hinweis, ihm werde bei einer Ablehnung seiner Kandidatur weder wehgetan noch unter irgendeinem Gesichtspunkt seine Lage erschwert569. Auch Gramsch gegenüber, der zusammen mit Hermann Ehlers die Fäden bei der Bildung der Gegenkandidatur weiter in der Hand behielt570, nahm Osterloh seine eigenen Ambitionen im Blick auf das Ziel, die Wahl Kloppenburgs zum Bischof zu ver-

568 Osterloh teilte in diesem Schreiben an 36 Personen – die Oberkirchenräte und die seiner Meinung nach maßgeblichen Pfarrer in Oldenburg – den Inhalt eines Gespräches mit Kloppenburg mit, dem er seine mögliche Kandidatur telefonisch ohne nähere Erläuterungen bekannt gegeben hatte (u. a. in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 38; ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-004/1). In einem Brief an Chemnitz, der zwischenzeitlich zur angekündigten Kandidatur Stellung genommen und nach deren Hintergründen gefragt hatte, lehnte Osterloh die Nennung der Person, die seinen Namen ins Spiel gebracht hatte, ebenso ab wie nähere Erklärungen zu dem von ihm angedeuteten Gegensatz zu Kloppenburg. Er erklärte sich aber bereit, Letzteres in Gegenwart von Kloppenburg in einem Kreis von Brüdern zu erläutern (Brief vom 11. 3. 1952, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 38). 569 Schreiben vom 7. 3. 1952 (vgl. Anm. 568). In seiner eigenen Sicht war dies ein gewichtiger Unterschied zur Lage Kloppenburgs, wie er an Chemnitz schrieb: „In diesen Tagen ringe ich mit der Frage, ob ich Heinz Kloppenburg schreiben soll, daß ich unter dem Wissen leide, ihm weh tun zu müssen. Meinem Empfinden nach hat er es in dieser Sache viel schwerer als ich. Für ihn hat die Frage der Wahl oder Nichtwahl menschlich eine größere Bedeutung als für mich“ (Brief vom 11. 3. 1952 [vgl. Anm. 568]). 570 Mit Gramsch hatte Osterloh seine Ankündigung einer möglichen Kandidatur abgesprochen und diesem auch schon entsprechende Unterlagen geschickt (vgl. Brief Osterlohs an Gramsch vom 7. 3. 1952, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-004/1). Gramsch kümmerte sich auch weiterhin um diesen Vorgang, konnte Osterloh aber nicht durchsetzen und führte dies zum Teil auf dessen öffentliche Ankündigung seiner Kandidatur zurück: „Mein Versuch, Sie als Bischof-Anwärter vorzuschlagen, hat leider keine rechte Gegenliebe gefunden. Vermutlich hat die Gegenpropaganda, die durch Ihren Rundbrief vom 7. 3. ausgelöst worden war, und die Debatte im Generalpredigerverein sich nachteilig ausgewirkt. Ihr Rundbrief ist bei unseren Freunden in Bezug auf seine Zweckmäßigkeit verschieden beurteilt worden. Ich habe ihn als einen Akt der Fairness begrüßt“ (Brief an Osterloh vom 10.4.1952 [EBD.]). Die gegenseitige enge Abstimmung mit Ehlers war auch Osterloh wichtig: „Gestern hatte ich eine sehr erfreuliche Aussprache mit Dr. Ehlers. Seinen Ansichten über die mögliche Art des Vorgehens kann ich zustimmen. Von mir aus gehe ich davon aus, daß wir uns gegenseitig über alle Veränderungen der Lage umgehend ins Bild setzen“ (Brief Osterlohs an Gramsch vom 17. 3. 1952 [EBD.]).

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hindern571, zurück und hielt geradezu ein Plädoyer für Wilhelm Hahn572. Dieser gab nach längeren Beratungen dem intensiven Werben von Gramsch, Ehlers und Osterloh573 nach und willigte in eine Kandidatur ein. Für Osterloh, so schien es, war die Angelegenheit damit zufriedenstellend gelöst. Eigene Ambitionen waren wohl von vornherein aussichtslos, auch er selbst war sich darüber im Klaren, dass sein Verhalten im Jahre 1949 ihn doch einige Sympathien in Oldenburg gekostet hatte574. Und nach allem, was schriftlich darüber aus seiner Hand vorliegt, war sein Einverständnis in eine Kandidatur vornehmlich darauf angelegt, im Falle der Absage der anderen potenziellen Kandidaten überhaupt einen Vorschlag gegen Kloppenburg aufbieten zu können. Trotz weiterhin großer Schwierigkeiten, 571 Chemnitz gegenüber wurde Osterloh in dieser Frage deutlicher, wenn er nach dem Eingeständnis, auch er habe „bis vor kurzem immer die Ansicht vertreten, Kloppenburg müsse sozusagen aus objektiven geschichtlichen Gründen Bischof von Oldenburg werden“, nun zu einem anderen Schluss kam: „Es sind sehr ernste Erfahrungen, die mich zu der Überzeugung geführt haben, daß ich mich geirrt habe“ (Brief vom 11. 3. 1952, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 38). 572 Osterloh legte eine – von ihm für notwendig erachtete – Entscheidung für eine der beiden in Frage kommenden Kandidaturen, seine eigene oder die von Hahn, ganz in das Ermessen von Gramsch, welche von beiden die größeren Chancen habe, und fügte hinzu: „Sie müssen wissen, daß ich persönlich den Rückweg nach Oldenburg auch als Verzicht und Entsagung empfinden würde“ (Brief vom 7.3.1952). Am 26. 3. teilte Osterloh Gramsch dann seine Einschätzung mit: „Ihnen möchte ich nur sagen, daß ich für den Fall, daß sich eine wirkliche Mehrheit für einen Auswärtigen finden ließe, von mir aus unbedingt Prof. Dr. Wilhelm Hahn, Heidelberg, Kapellenweg 8, vorschlagen möchte. Er war bis vor zwei Jahren Superintendent in Minden/Westf. Ihn würde ich für besser halten, als Kunst und Osterloh. Er würde vermutlich auch die Zustimmung von Ehlers finden. Gegenüber Höpken, Goldenstedt, würde er doch mit Abstand die bedeutendere Persönlichkeit sein“ (beide Briefe in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-004/1). Offenbar war dies eine Reaktion auf ein Gespräch mit Ehlers während der Gründungstagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU in Siegen, in dem dieser die vier Namen Kloppenburg, Osterloh, Höpken und Kunst als mögliche Kandidaten aufgezählt hatte (vgl. Dienstreisebericht Osterlohs vom 24. 3. 1952, in: EZA BERLIN 2/2535). 573 Osterloh schrieb Hahn am 16. 4. 1952 und bat ihn darum, „sich für dieses Amt zur Verfügung zu stellen“ (der an Gramsch geschickte Durchschlag findet sich in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-004/1); zuvor schon hatte Hahn seine Bereitschaft zu einer Aussprache mit Gramsch bekundet (vgl. Brief Gramschs an Osterloh vom 20. 4. 1952 [EBD.]). Nach der Erinnerung Hahns war Ehlers der erste, der ihn in dieser Angelegenheit in Heidelberg aufgesucht hatte (A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 549, Anm. 81). 574 Es spricht nicht für die Erwartung eines harmonischen Umgangs miteinander, wenn Osterloh in seinem Brief an Chemnitz vom 11. 3. 1952 nach seinem Bedauern über das Nichtzustandekommen eines Gespräches mit Kloppenburg ankündigt: „Wenn man mir in diesem Zusammenhang irgendwelche Vorwürfe machen sollte, so sehe ich Sie als einen der wenigen an, dem ich keine Gegenrechnung präsentieren kann und will. Die Ehrlichkeit gebietet es aber, Ihnen offen einzugestehen, daß ich auf diesem Gebiet des menschlichen Umgangs miteinander auf Angriffe von Kloppenburg und Hans Schmidt entweder gar nicht reagieren oder mit der Präsentierung einer heftigen Gegenrechnung antworten werde“ (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 38). Man fragt sich, ob Osterloh, der die Verhältnisse und Personen in Oldenburg im Gegensatz zu Wilhelm Hahn ja kannte, unter solchen Bedingungen im Verhältnis zu den Oberkirchenräten, mit denen er in einer Behörde hätte sitzen müssen, ernsthaft an ein fruchtbares Arbeiten als Bischof in Oldenburg denken konnte.

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die Kloppenburg-Gegner und die „Neutralen“ in der Synode zu einem gemeinsamen Wahlvorschlag zu bringen – zum Teil mitverursacht durch eine Kampagne der Anhänger Kloppenburgs gegen eine solche Kandidatur von außen –575, gelang es schließlich sogar, den Wahlvorschlag Hahn so frühzeitig einzubringen, dass die erforderliche Einverständniserklärung des Rates der EKD noch eingeholt werden konnte, während sie für den verspätet eingereichten Wahlvorschlag Kloppenburg nachträglich hätte erbeten werden müssen576. So stand am Wahltag in der Synode doch eine Entscheidung zwischen zwei Kandidaten an, was Kloppenburg selbst nach Stählins Rücktritt und angesichts der Uneinigkeit der synodalen Opposition gegen ihn wohl nicht erwartet hatte. In den beiden ersten Wahlgängen kam es nicht zu der notwendigen Zweidrittelmehrheit, Hahn erhielt jeweils 30, Kloppenburg erst 27, dann 29 Stimmen. In der damit völlig offenen Situation musste am 25. Juni 1952 ein dritter Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit genügte, die Entscheidung bringen. Ein Entschluss, den Präsident Gramsch zu Beginn der entscheidenden Sitzung der Synode in die Tat umsetzte, sollte das weitere Geschehen bestimmen: Er verlas zwei anonyme Schreiben, eines an den Synodalen Fischer, dem aufgrund seines Wahlverhaltens Undankbarkeit gegen Kloppenburg vorgeworfen wurde, und eines an Wilhelm Hahn, in dem behauptet wurde, die Wahl Hahns sei auf einen Plan der Michaelsbruderschaft zurückzuführen, die einen eigenen Kandidaten für den dann frei werdenden Lehrstuhl in Heidelberg durchsetzen wolle577. Da Kloppenburg selbst ein ganz ähnliches Gerücht verbreitet hatte578, mussten die Briefe in dieser Situation den Eindruck erwecken, von Anhängern 575

So mahnte Gramsch am 11. 2. 1952 bei Ehlers eine baldige Antwort auf sein letztes Schreiben an, weil er mit fortschreitender Zeit ein Scheitern der Bemühungen fürchtete: „Es häufen sich die Stimmen der Sorge aus dem Lande, daß uns durch die unermüdlich arbeitende Propaganda die Entscheidung aus der Hand genommen werden könnte, und daß eine wachsende Zahl von Synodalen sich bereits jetzt für den oldenburgischen Kronprinzen binden läßt“ (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-004/1). Am 10. 4. 1952 berichtete er Osterloh von den Aktivitäten Kirchenrat Ramsauers aus Delmenhorst, der voll hinter Kloppenburg stehe und jetzt versuche, „jeden Zusammenschluß der neutralen Synodalen zu verdächtigen“ (EBD.). 576 Auch hier galt es jedoch, Widerstand seitens des Oberkirchenrats zu überwinden, der für sich in Anspruch nahm, die Meldung des Wahlvorschlags Hahn an den Rat der EKD selbst zu übernehmen, was zu einer Verzögerung von einigen Tagen führte. Gramsch führte dies auf das Versäumnis des Oberkirchenrats, rechtzeitig einen eigenen Wahlvorschlag einzureichen, zurück: „Möglicherweise war die Verschleppung beabsichtigt, da der Wahlvorschlag Kl. trotz der wochenlangen Rundreisen von Wintermann, Kollmann, Ramsauer u. a. zu den Synodalen noch nicht abgeliefert ist.“ Er wertete dies als Vorteil für die Bewerbung Hahns: „Vielleicht hat das den Vorzug, daß bei der Tagung der Synode zwar eine Rückäußerung zum Vorschlag Hahn, aber noch keine Rückäußerung zu dem verspäteten Vorschlag Kl. vorliegt“ (Schreiben an Osterloh vom 12. 6. 1952 [EBD.]). 577 Vgl. die Zusammenfassung im Untersuchungsbericht Martin Haugs (vgl. oben Anm. 555), S. I 9. 578 Nach eigener Aussage hatte er damit lediglich eine ihm hinterbrachte Äußerung eines badischen Pfarrers zitiert (vgl. EBD., S. I 10f.).

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Kloppenburgs lanciert worden zu sein, um ihm die Mehrheit im entscheidenden Wahlgang zu sichern. Entsprechend fiel das Ergebnis aus: 36 zu 24 Stimmen gegen Kloppenburg. Vermutlich wird nicht bewiesen werden können, aus wessen Feder die Briefe wirklich stammten. Die Verlesung dieser Schreiben jedenfalls schien für viele, die sich den plötzlichen Rückgang der Stimmen für Kloppenburg nicht anders erklären konnten, das Wahlergebnis erheblich beeinflusst zu haben. War Gramsch nun im Recht, als er die anonymen Schreiben verlas, obwohl es Usus war und ist, anonyme Eingaben an die Synode zu ignorieren? Gramsch wies darauf hin, dass es sich bei den Schreiben nicht um Eingaben an die Synode gehandelt habe579, aber wäre angesichts der Bedeutung des Vorganges eine vergleichbare Vorgehensweise nicht doch angemessen gewesen? Oder zwang gerade diese Bedeutung zur Verlesung? Sicher gäbe es an der Handlungsweise des Synodalpräsidenten weniger Zweifel, wenn er sich im Vorfeld der Wahl nicht eindeutig gegen Kloppenburg ausgesprochen und federführend eine Gegenkandidatur organisiert hätte. Um die Frage, ob Gramsch sein Amt missbraucht habe oder nicht, ob es ihm wirklich um eine faire Wahl gegangen war oder doch nur um die Verhinderung der Wahl Kloppenburgs, entstand in der Folge aus der ohnehin schon spannungsgeladenen Bischofswahl die Oldenburger „Bischofskrise“, die weit über die Landeskirche hinaus hohe Wellen schlug. Wilhelm Hahn nahm die Wahl an. Doch die Situation in Oldenburg war nun keineswegs geklärt. Kloppenburg deutete seine Niederlage in einem Brief an Hans Joachim Iwand vom 26. Juni 1952 als Folge seiner kirchenpolitischen Haltung, denn man werde „eben heute in Deutschland nicht Bischof, wenn man ein Freund Martin Niemöllers“ sei. Nur deshalb sei sein Gegenkandidat gewählt worden, und zwar von der „seltsamsten Koalition […], die man sich denken kann“580. Aus dem Oberkirchenrat wurden aufgrund der Verlesung der anonymen Schreiben Zweifel an der Legitimität des dritten Wahlgangs geäußert, denen sich einige Synodale anschlossen. Zwar wurde die Wahl Hahns an sich nicht beanstandet, doch konnte der designierte Bischof, der von den Vorwürfen Mitte Juli in Oldenburg erfuhr581, diese natürlich nicht im Raum stehen lassen. Ein daraufhin zwischen den Kontrahenten vereinbartes Gespräch unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des westfälischen Landeskirchenamtes, Karl Hermann Lücking, endete Ende August mit der Abgabe einer einvernehmlichen Erklärung, 579

Schon während der Verlesung protestierten zwei Synodale; Gramsch erklärte daraufhin, es handele sich „nicht um Eingaben an die Synode, sondern um die Mitteilung von Vorgängen […], die sich ausserhalb der Synode abgespielt haben“ (EBD., S. I 12). 580 Brief Kloppenburgs an Iwand vom 26. 6. 1952 (als Abschrift auch an „Freunde“ versandt), in: AELOKR OLDENBURG, A III-53. 581 Protokoll des Gesprächs zwischen Hahn und Vertretern des Oberkirchenrats vom 12. 7. 1952, in: EZA BERLIN, 2/2109.

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in der Gramsch sein Bedauern darüber ausdrückte, dass durch die Verlesung der anonymen Schreiben der Eindruck entstanden sei, Kloppenburg solle belastet werden, während Kloppenburg und Schmidt unterschrieben, dass die vollzogene Bischofswahl nicht beanstandet würde582. Damit war Hahn zufriedengestellt583 und wollte sich Anfang September schriftlich der Oldenburger Pfarrerschaft vorstellen. Er bat den Oberkirchenrat um den Versand seines Briefes, bevor er selbst eine Vortragsreise in die USA antrat, von der er erst Anfang November zurückkehren sollte584. Der Oberkirchenrat aber, dem die lange Abwesenheit Hahns wohl nicht ungelegen kam, stieß sich an einigen Formulierungen, die das Gespräch mit Lücking betrafen, und unterließ mit dessen Zustimmung die Versendung des Briefes585. Hahn bestand jedoch auf der Versendung des Briefes in unveränderter Form, die dann mit sechs Wochen Verspätung erfolgte. In Oldenburg schlugen derweil die Wellen der Auseinandersetzung hoch, Pfarrerversammlungen und solche von Synodalen folgten aufeinander, und keine der beiden Gruppierungen, die sich um Gramsch bzw. Kloppenburg sammelten, wollte nachgeben. Gegen den Willen des designierten Bischofs und ohne Wissen des Synodalpräsidenten lud der Oberkirchenrat gar zu einer weiteren Synodaltagung ein, um die im Raum stehenden Fragen nun vor allen Synodalen zu erörtern, da, wie man behauptete, viele Synodale sich nicht damit zufrieden gäben, dass an dem Lücking-Gespräch nur zwei Vertreter von ihnen teilgenommen hatten. Die Einladungen mussten jedoch storniert werden, da die Einberufung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen war586. Als Hahn wenige Tage nach seiner 582 Eine „Nachträgliche Niederschrift über die Besprechungen am 28. August 1952“ findet sich in: AELOKR OLDENBURG, A III-53. Teilnehmer am Gespräch waren auf der einen Seite Oberkirchenrat Hans Schmidt, Pastor Wintermann und Prof. Dr. Wilhelm Grotelüschen, auf der anderen Seite Alfred Gramsch, der Prokurist Ewald Kohls, Dr. Koch und Postrat Fleck. Die Erklärungen sind aufgenommen in den Bericht Haugs (vgl. oben Anm. 555), S. III 19; zu Vorbereitung und Hergang des Gesprächs vgl. EBD., S. III 1–25. 583 „Ihnen und Bruder H. Schmidt möchte ich sagen, daß ich nun mit vollem Vertrauen die Arbeit aufnehme“ (Brief Hahns an Kloppenburg vom 2. 9. 1952, Abschrift in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 38). 584 Vgl. Schreiben Hahns an Kloppenburg vom 8.9.1952 (Abschrift: EBD.). 585 Vgl. die Briefe Kloppenburgs an Lücking und an Hahn vom 19. 9. 1952 (Durchschläge: EBD.). 586 Eine informelle Versammlung von Synodalen – ohne die Anwesenheit des Oberkirchenrats – zur Klärung der Vorgänge im dritten Wahlgang war am 6. 11. 1952 von einem Großteil der sich um Kloppenburg scharenden Opposition boykottiert worden. Man verwies in diesem Zusammenhang auf die einzuberufende reguläre Sitzung der Synode und befürchtete, auf der Versammlung solle versucht werden, einige Unterzeichner des Antrags auf die Einberufung der Sondertagung der Synode zur Rücknahme ihrer Unterschrift zu bewegen. Tatsächlich zog ein Synodaler seine Unterschrift dann doch zurück. Zusammen mit dem Umstand, dass weder der Präsident der Synode noch der designierte Bischof von der Einberufung verständigt worden waren, weil der Oberkirchenrat glaubte, eine weitere Unterschrift vorliegen und damit das Recht zur Einberufung der Synode zu haben, führte dies zur Rücknahme des Beschlusses am 13. 11. (vgl. Untersuchungsbericht Haug [vgl. oben Anm. 555], S. V 1–16).

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Rückkehr aus den USA Mitte November endlich wieder in Oldenburg war, war er nicht mehr gewillt, sich unter diesen Umständen in aller Form in sein Amt einführen zu lassen. Er wollte nunmehr das Bischofsamt zunächst versuchsweise und ohne Einführung antreten, machte auch dies aber von einer Umbesetzung des Oberkirchenrats abhängig, den er als Zentrum der Querelen ausgemacht hatte587. Beides war jedoch im Ansatz zum Scheitern verurteilt: Einen „Bischof auf Probe“ sah die Kirchenordnung nicht vor, und der Oberkirchenrat hätte schon freiwillig zurücktreten müssen, um eine Umbesetzung zu ermöglichen – was ihm aber nicht in den Sinn kam. Ein weiterer Vermittlungsversuch, diesmal auf Initiative des immer noch zum Oberkirchenrat gehörenden Hermann Ehlers588, kam zu spät. Hahn resignierte und teilte der Synode und der Pfarrerschaft in einem auf den 1. Dezember 1952 datierten Brief seinen Verzicht auf das Bischofsamt mit, den er verstanden wissen wollte als einen „vernehmlichen Protest gegen die für die Kirche unerträgliche Art der Untergrabung des Bischofsamtes“589. Damit war klar, dass Hahn sich an den gleichen Umständen gescheitert sah, die schon Stählin zum vorzeitigen Amtsverzicht veranlasst hatten590. Der Oberkirchenrat erfuhr von Hahns Schritt offiziell aus der Zeitung, da Gramsch noch versucht hatte, Hahn umzustimmen, und den Brief dann erst nach der Presseveröffentlichung an den Oberkirchenrat weiterleitete. Die jetzt vorherrschende Verwirrung über die Frage, wie es weitergehen sollte, dokumentierte sich darin, dass sich die am 19. Dezember 1952 zur Bischofsfrage tagende Synode für einen Monat auf den 20. Januar 1953 vertagte591. Tags zuvor hatte Hans Schmidt auf einem Pfarr587 Vgl. das Schreiben Hahns an den Ev.-Luth. Oberkirchenrat und den Synodalausschuss vom 12. 11. 1952 (Abschrift in: EZA BERLIN, 2/2109), in dem er die Absicht bekundet, sein Amt am 17. 11. 1952 zu übernehmen, zugleich um die Einstellung der Vorbereitungen zur Bischofseinführung bittet und sich gegen die Einberufung der Synode auf den 17. und 18. 11. 1952 verwahrt, da diese gemäß der Kirchenordnung nicht rechtmäßig einberufen worden sei. 588 Vgl. Untersuchungsbericht Haug (vgl. oben Anm. 555), S. VI 2; A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 390. 589 Ein Exemplar des sechsseitigen Briefes findet sich in: AELOKR OLDENBURG, A III-53. 590 Hahn nannte explizit den Namen Kloppenburg: „Ersparen Sie mir hier in einem öffentlichen Rundschreiben die Einzelheiten der zwischen Kloppenburg und mir immer neu entstehenden Gegensätze darzustellen. Aber ich kann ihm den Vorwurf nicht ersparen, dass er für den sich immer mehr steigernden Konflikt in der Kirche mitverantwortlich ist. In diesen fünf Monaten trat mir der Oberkirchenrat immer als eine Front entgegen“ (EBD.). 591 Vgl. epd, Zentralausgabe, Nr. 292, vom 20. 12. 1953: „Die Bischofsfrage vor der Oldenburger Synode. Nach vielstündiger Aussprache auf den 20. Januar vertagt“. Hahn hatte auf dieser Synode als Lösungsmöglichkeit den Rücktritt aller drei Hauptbeteiligten – er selbst, Kloppenburg und Gramsch – vorgeschlagen, dabei allerdings in Bezug auf Gramsch von einem Opfer um der Kirche willen gesprochen, was so nicht berichtet wurde; Ehlers aber hatte eine Beschlussfassung verhindert, wodurch der Eindruck entstehen konnte, Kloppenburg habe immer noch eine Mehrheit hinter sich (vgl. Brief Hahns an Ehlers vom 8. 1. 1953, in: AELOKR OLDENBURG, A III-53). Hahn mahnte Ehlers: „Nach meinem Eindruck wünschen Sie den Rücktritt Kloppenburgs nicht. Ich gebe Ihnen aber zu bedenken, dass gerade die nach

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konvent vorgetragen, wie der Oberkirchenrat die Ereignisse seit der Wahl Hahns bewertete; daran anschließend war offen darüber abgestimmt worden, ob die Pfarrerschaft weiter Vertrauen zur Amtsführung des Oberkirchenrats habe592. Nun erst zogen die Vorgänge in Oldenburg auch die weitere Öffentlichkeit in ihren Bann, und nun war es auch wieder an Osterloh, Stellung zu beziehen. Schließlich galt es, den in seinen Augen Hauptverantwortlichen für die Misere auch als solchen zu kennzeichnen. Osterloh beteiligte sich an der regen Presseberichterstattung – für viele Journalisten gerade auch aus links- oder liberalorientierten Blättern bot eine solche Affäre schon damals einen dankbar aufgegriffenen Anlass zur Entrüstung593 – mit einem Artikel im „Informationsblatt“594, der die Kluft zwischen ihm und den alten Weggefährten, die sich schon am Ort der Veröffentlichung stießen595, noch vergrößerte. Osterloh wollte „die kirchliche Entwicklung in Oldenburg unter dem Gesichtspunkt der heutigen Krise

meinem Rücktritt von Kloppenburg etwa in der Frage Pfarrkonvent angewandten Methoden bestätigt haben, dass er alle Fäden in der Landeskirche in der Hand hält und die Mehrheit der Pfarrer sich von ihm so abhängig fühlt, dass ein anderer nur durch schwere Kämpfe sich neben ihm wird durchsetzen können, wozu begreiflicher Weise niemand die Freudigkeit hat. Wollen Sie also einen anderen Kandidaten, so müssen Sie sich entschliessen, Kloppenburg aus dem OKR ausscheiden zu lassen.“ Er meinte hinzufügen zu müssen: „Aussprechen möchte ich, dass ich diesen Brief völlig aus eigener Initiative schreibe und nicht etwa von Gramsch dazu veranlasst bin“ (EBD.). 592 Ein als „Vertraulich!“ gekennzeichneter Bericht über diesen Pfarrkonvent liegt vor in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-003/1. 593 Im Wesentlichen übernahmen die Artikel die Schilderung der Ereignisse aus der Sicht der Gegner Kloppenburgs und dementsprechend die Kritik an Kloppenburg – übrigens auch die politisch links orientierten Blätter, was doch überrascht, wenn man bedenkt, in welch hohem Maße Kloppenburg in den Augen seiner Gegner zum damaligen Zeitpunkt bereits parteipolitisch verstrickt gewesen sein soll. In Auswahl: „Hintergründe der oldenburgischen Synodalkrise“ (Nordwestdeutsche Rundschau, 13. 12. 1952); „Seelsorger, nicht Kirchenpolitiker!“ (ChrWelt 5, 1952, Nr. 51 [18. 12. 1952]); „Kontakt mit dem Volk geht verloren“ (Hannoversche Presse, 5. 1. 1953); „Der Oldenburger Kirchenstreit“ (Die Zeit, 15. 1. 1953; Verfasserangabe: Jan Molitor = Josef Müller-Marein); „Kirche oder anonymer Apparat? Zu den Vorgängen in Oldenburg/Die Frage im Hintergrund des Konflikts“ (ChrWelt 6, 1953, Nr. 3 [15. 1. 1953]); „Mißtrauensvotum für Oberkirchenräte. Synode der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Oldenburg tagte“ (Tagesspiegel, 21. 1. 1953); „Der Bischofsstreit in Oldenburg“ (FAZ, 22. 1. 1953); „Hie gut Oldenburg allerwegen“ (Freie Presse, 26. 1. 1953); „Oberkirchenrat mit oldenburgischem Dickschädel. Streit um ein lutherisches Bischofsamt – Heinz Kloppenburg könnte einen guten christlichen Politiker abgeben“ (Münchner Merkur, 6. 2. 1953); „Fehden und Ränke im Oldenburger Bischofskrieg. Der verwaiste evangelische Hirtenstuhl ist noch immer unbesetzt/Kampf mit Drohbriefen und Gerüchten“ (Süddeutsche Zeitung, 11. 2. 1953); „Notstand des Glaubens“ (Der Spiegel, Nr. 8, 18. 2. 1953). 594 E. OSTERLOH, Krise (1953). 595 Hans Schmidt, der aus Verärgerung über diesen und andere Artikel seine Teilnahme an der anstehenden Schulreferenten-Tagung in Berlin-Spandau absagte, monierte: „Ob es, schon rein äusserlich, geschmackvoll war, in diesem Blatt zu schreiben, das den Untertitel trägt ‚Für die Gemeinden in den Niederdeutschen luth. Landeskirchen‘ und bei dem wir Oldenburger von der Mitwirkung ausgeschlossen sind, mag lediglich gefragt werden“ (Brief an Osterloh vom 22. 1. 1953, in: AELOKR OLDENBURG, NL Schmidt, Handakten, Nr. 38).

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möglichst objektiv“ darstellen, was schon angesichts seiner eigenen Verwicklung in die Vorgeschichte der Bischofskrise ein eigentlich unmögliches Unterfangen war. Erst recht fragwürdig erscheint dieser Anspruch, wenn man bei einem Blick in den Briefwechsel zwischen ihm und Gramsch feststellt, dass auch dieser Text vor seiner Veröffentlichung mit Gramsch und Hahn, und damit nur mit einer der beiden Streitparteien, abgestimmt worden war596. Im ersten, längsten Teil seiner Ausführungen führte Osterloh aus, warum die Krise in Oldenburg „die Wahrnehmung des bischöflichen Amtes“ betreffe, und schilderte den Ablauf der Ereignisse, wie sie sich Hahn dargeboten hatten. Daran schloss Osterloh eine Würdigung Wilhelm Stählins an, dessen Wirken „in den Gemeinden und dementsprechend in der Landessynode ein verhältnismäßig viel positiveres Echo gefunden“ habe „als in der Pfarrerschaft und als in der eigenen Behörde des Oberkirchenrats“. Daraus zog Osterloh den Schluss, dass die oldenburgische Kirche sich nun entscheiden müsse, ob sie ein arbeitsfähiges, auch gegenüber dem Oberkirchenrat gestärktes Bischofsamt wolle oder einen Oberkirchenrat, der wie früher auf einen „behördenmäßigen Verwaltungsapparat“ reduziert sei. Denn die Neuwahl eines Bischofs verlange nun „Klarheit über die sachlichen und persönlichen Notwendigkeiten dieses Amtes und Entschiedenheit in der Ablehnung jeder Gruppenherrschaft und jedes Prestigeanspruchs“. Im zweiten Teil erläuterte Osterloh, warum seiner Meinung nach die Krise den Oberkirchenrat betreffe, und verwies auf dessen Unvermögen, einen eigenen Kandidaten für die Wahl vorzuschlagen, auf die wegen unzulänglicher Voraussetzungen wieder zurückgenommene Einberufung der Synodaltagung im November und auf das Verhalten auf Pfarrkonventen, bevor er zum für ihn entscheidenden Kritikpunkt und damit zu Kloppenburg persönlich kam: „Entscheidend für die Krise des Oberkirchenrates ist aber das unausgesprochene Mißtrauen der Mehrheit der Synode gegenüber der Art, in der sein dienstältestes geistliches Mitglied seine persönliche theologische Überzeugung mit einer ganz bestimmten politischen Einstellung verkoppelt.“597 596 Vgl. Briefwechsel Osterloh-Gramsch (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-003/2). Am 29. 12. 1952 hatte Osterloh den Entwurf seines Artikels per Eilboten an Gramsch geschickt und darauf hingewiesen, dass er etwaige Änderungswünsche bis zum 31. 12. erhalten haben müsste. Gramsch antwortete postwendend am 30. 12. ebenfalls durch Eilboten mit einigen Präzisierungen und Korrekturen zumeist stilistischer Art, die Osterloh mehrheitlich in seinen Text übernahm. Er kündigte zudem eine Bestellung von 250 Abdrucken beim Verlag an, um sie allen Pfarrern und Synodalen zuzusenden. Wiederum nur einen Tag später bestätigte Osterloh die Änderungen und teilte Gramsch zugleich mit, dass nun auch Hahn sein Einverständnis mit diesem Artikel signalisiert hätte. Osterloh legte diesem Brief auch einen Entwurf des redaktionellen Zusatzes bei, der unter seinem Artikel veröffentlicht wurde (vgl. unten in diesem Abschnitt). Gramsch bedankte sich dafür am 5. 1. 1953 und fügte daran an: „seien Sie versichert, daß ich bis zum Erscheinen des Heftes zuverlässig dichthalte“. 597 E. OSTERLOH, Krise (1953), S. 7.

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Zuletzt führte Osterloh noch kurz die Mitbetroffenheit der Synode an. Er monierte hier aber nur, dass die Vorwürfe „einer Minderheit“ gegen das Verhalten ihres Präsidenten nicht im Rahmen der Synode, sondern lediglich in einem Gespräch unter neutralem Vorsitz (Lücking) und in einer eigens einberufenen Versammlung, zu der alle Synodalen geladen waren, geprüft und bereinigt worden seien. Die Synode sei das „einzige Organ der Kirche in Oldenburg, das aus der gegenwärtigen Krise herausführen kann“, davor aber müssten ihr Präsident und der Synodalausschuss unzweideutig erfahren, ob sie noch vom Vertrauen der Synode getragen seien oder nicht. Kein Wort der Kritik also am Verhalten von Gramsch vor dem entscheidenden dritten Wahlgang. Osterloh erwähnte in seinem Artikel nicht einmal den Anlass für die Zweifel des Oberkirchenrats und von Teilen der Synode an der Legitimität der Wahl Hahns! Auch seine Worte über das Wirken Stählins riefen in Oldenburg, natürlich vor allem im Kreis der ehemaligen Mitstreiter aus Bekennender Kirche und Oberkirchenrat, nur ungläubiges Staunen hervor, stand neben einer ausführlichen Auflistung der geistlichen, theologischen, liturgischen und missionarischen Impulse, die von Stählin ausgegangen seien, doch nur ein kurzer Hinweis auf theologische Kritik, der aber wiederum nur der Überleitung zu den Leistungen Stählins diente: „Auch der schärfste theologische Kritiker, der einzelne Äußerungen und Maßnahmen Stählins während seiner Amtszeit in Oldenburg als anfechtbar bezeichnet, wird objektiv feststellen müssen, daß Bischof Stählin der evangelisch-lutherischen Kirche in Oldenburg entscheidend geholfen hat, den sonntäglichen Gottesdienst von innen her zu beleben, zu bereichern und zu erneuern.“598

Nun also kein Recht mehr zu der „Befürchtung, daß durch die Theologie des Herrn Bischof auch römisch-katholische Ideen zur Wirksamkeit kommen“? Keine Unvereinbarkeit der Auffassung Stählins von der „Gliederung des Amtes und von der Rangordnung des geistlichen Amtes“ mit den „Erkenntnissen der evangelisch-lutherischen Kirche“ mehr? So Osterloh noch im Herbst 1949 vor der Synode in Oldenburg599! Jetzt nur noch Kritik an einzelnen Äußerungen und Maßnahmen. Dazu kein Wort der Kritik an Gramsch. Selbst wenn man bedenkt, dass die Oldenburger zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst haben, wie intensiv hinter den Kulissen Gramsch, Dibelius, Ehlers und Osterloh bei der Bewerkstelligung der Kandidatur Hahns zusammengewirkt hatten (wie weit war dies eigentlich von dem Kloppenburg unterstellten Verhalten entfernt?), kann es kaum verwundern, dass Osterloh aus Oldenburg vor allem bittere und zutiefst 598 599

EBD., S. 6. Vgl. Dokument 7 (S. 576ff.).

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erstaunte Rückmeldungen bekam600. Dies umso mehr, als unmittelbar an Osterlohs Artikel anschließend ein redaktioneller Zusatz abgedruckt war, der den Anschein einer offiziellen Stellungnahme erwecken musste, da er ohne Verfasserangabe und in „Wir“-Form geschrieben war. Hier war von einer „handfeste[n] Fehde, um nicht zu sagen Intrige einiger Mitglieder oder vielleicht überhaupt nur eines Mitgliedes des Oberkirchenrats gegen den Gewählten“ die Rede, von einer Pfarrversammlung, auf der „die in Betracht kommenden Mitglieder des Oberkirchenrats allein das Feld beherrschen“, und schließlich davon, dass wegen der namentlichen Abstimmung in dieser Versammlung „die beiden Mitglieder des Oberkirchenrats (die nur mit vollem Gehalt in den Wartestand versetzt werden können!) von A bis Z das ganze Spiel in der Hand haben“601. Kloppenburg schrieb daraufhin die übrigen norddeutschen lutherischen Landeskirchen, aus denen sich das Herausgeber-Kuratorium des Informationsblattes zusammensetzte, an, um in Erfahrung zu bringen, ob dieser Notiz eine offizielle Erklärung der Landeskirchenleitungen vorausgegangen war. Er erhielt verneinende Antworten, überwiegend jedoch mit dem Zusatz versehen, dass man die Ereignisse in Oldenburg in der Tat für bedenklich halte602. Auch Osterloh wurde um eine Stellungnahme zu seinem Artikel und der folgenden Notiz gebeten; er telegrafierte zurück: „Artikel auf Veranlassung des Informationsblattes von mir geschrieben ohne Kenntnis des Inhaltes und der Veroeffentlichung anderer Darstellungen“603. Am 31. Dezember 1952, also vor Abgabe seines eigenen Textes, hatte er die angesprochene Glosse jedoch einem Brief an Gramsch beigelegt und kommentiert: „Für diese Glosse zeichnet verantwortlich die Schriftleitung des Informationsblattes. Aus dem Stil der Glosse schließen wir auf den hochstehenden Verfasser.“604 Es ehrt Osterloh sicher, dass er gemeinsam mit Brunotte – der den Text also auch schon kannte! – versucht hatte, den Verfasser davon zu überzeugen, die oben zitierte „Klammer über das Gehalt des Oberkirchenrats wegzulassen“, aber 600 Vgl. den schon erwähnten Brief Hans Schmidts vom 22. 1. 1953 (AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 38), in dem dieser schreibt, Osterlohs Artikel habe ihn „bekümmert, verletzt und bis ins Tiefste getroffen“, und besonders moniert, dass Osterloh den Artikel geschrieben habe, „ohne auch nur den Versuch gemacht zu haben, Dich bei einem von den angegriffenen Mitgliedern des Oberkirchenrats nach seiner Sicht der Dinge zu erkundigen“. Ähnlich auch Erich Chemnitz in einem Brief an Osterloh vom 19. 2. 1953, der mit den Worten schloss: „Ich kann mich mit Ihnen innerlich nicht mehr zurecht finden. Ich gedenke dankbar und schmerzlich der früheren guten Verbundenheit und wünsche Ihnen für Ihr neues Amt viel Weisheit“ (Abschrift in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Hans Schmidt, Handakten, Nr. 38). 601 INLL 2, 1953, S. 7. 602 Antworten aus Hannover, Lübeck, Kiel, Eutin und Schaumburg-Lippe in: AELOKR OLDENBURG, A III-53. 603 EBD. 604 ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-003/2.

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„ohne Kenntnis des Inhaltes und der Veroeffentlichung anderer Darstellungen“ hatte er seinen eigenen Artikel wohl doch nicht geschrieben. Auch die „herzlichen Grüße“ unter dem Telegramm an Heinz Kloppenburg konnten nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass hier eine alte Freundschaft endgültig am Ende war, dass ein Wechsel der Loyalitäten stattgefunden hatte. Osterloh wusste längst, was Kloppenburg erst noch recherchieren musste: Verfasser der Notiz war kein geringerer als der hannoversche Landesbischof Hanns Lilje605. Dibelius, Lilje, Brunotte, Hahn, Gramsch: In diese Linie reihte sich mit seinem Verhalten in der Oldenburger Bischofskrise auch Edo Osterloh ein, und der Weg, den – wie Martin Niemöller ihm anlässlich seines Wechsels nach Hannover geschrieben hatte606 – er in dieser Gesellschaft 1949 begonnen hatte, hatte ihn nun in einen sachlichen und persönlichen Gegensatz zu Kloppenburg und seinen alten Weggefährten aus Oldenburg gebracht. Osterloh engagierte sich weiter an der Seite von Alfred Gramsch, als es darum ging, in der nun verfahrenen Situation nach einem neuen Kandidaten für das Oldenburger Bischofsamt Ausschau zu halten. Gemeinsam mit Hahn suchte er Hans Thimme in Bielefeld auf, der zunächst nicht abgeneigt schien607. Die Synode, inzwischen aufgeschreckt durch die extrem negative Berichterstattung in der Presse, sprach in ihrer Sitzung am 20. Januar 1953 dem Oberkirchenrat für sein Verhalten eine Missbilligung aus, der ebenfalls eingebrachte Misstrauensantrag gegen Kloppenburg verfehlte die notwendige Zweidrittelmehrheit nur um eine Stimme, worauf dieser zunächst für drei Monate Urlaub nahm. Um zu einem Abschluss der Affäre kommen zu können, wurde außerdem ein paritätisch besetzter Untersuchungsausschuss eingesetzt, dessen Vorsitz auf Bitten des Rates der EKD der württembergische Landesbischof Martin Haug übernahm608. Der Abschlussbericht Haugs lag am 25. Juni 1953 vor, auf den Tag genau ein Jahr nach dem umstrittenen dritten Wahlgang. Haugs Bericht609 „dokumentiert

605 „Wichtiger ist mir, daß Lilje, den ich darob gestellt habe, mir zugibt, im Informationsblatt für die niederdeutschen lutherischen Landeskirchen unter Weglassung seines Namens gegen mich geschrieben zu haben“ (Brief Kloppenburgs an Wilhelm Niemöller vom 13. 2. 1953, in: LKA BIELEFELD, Best. 5.1, 200/2). 606 Vgl. oben S. 207. 607 „Hans Thimme-Bielefeld ist nach einem Gespräch, das Osterloh und ich vorige Woche mit ihm hatten, nicht a limine abgeneigt“ (Brief Hahns an Ehlers vom 8. 1. 1953, in: AELOKR OLDENBURG, A III-53). Auch der später wirklich gewählte Gerhard Jacobi war schon zu diesem Zeitpunkt im Gespräch, Hahn bezeichnete ihn im selben Brief aber nur als „nicht ganz ausgeschlossen“. 608 Ratsbeschluss der Sitzung vom 12./13. 2. 1953 (Protokoll: EZA BERLIN, 2/1795, Nr. 26). Dem Ausschuss gehörten Vertreter der Synode aus beiden „Lagern“ an: die Synodalen Kirchenrat Heinrich Logemann und Prof. Dr. Wilhelm Grotelüschen von der einen, Pastor Werner Lindenberg und der Prokurist Ewald Kohls von der anderen Seite. 609 Vgl. oben Anm. 555.

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alle Vorgänge von der Wahlvorbereitung bis zur Rückgabe des Bischofsamtes“610 und ruft die Synode dazu auf, „sich selbst zuerst unter die gemeinsame Schuld zu beugen“, um einen Neuanfang zu ermöglichen und schließlich wieder zu einem vertrauensvollen Miteinander mit dem (künftigen) Bischof und dem Oberkirchenrat zu kommen611. Klang dies wie der ganze Bericht eher neutral612, so dass sich selbst Kloppenburg zu diesem Bericht bekennen konnte, zog Haug daraus jedoch vor der Synode den Schluss, dass solch ein Neuanfang mit Heinz Kloppenburg als Oberkirchenrat nicht möglich sei. Kloppenburg ersuchte daraufhin um seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand613. Zum Oldenburger Bischof gewählt wurde schließlich am 3. März 1954 Gerhard Jacobi aus Berlin, den Otto Dibelius am 7. April 1954 in sein Amt einführte614.

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R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 776. Untersuchungsbericht Haug (vgl. oben Anm. 555), S. VI 7. 612 Dieser Eindruck war angelegt schon in dem Vorsatz des Berichts, sich auf „nachweisbare Zusammenhänge“ zu beschränken und „auf den ganzen Hintergrund kirchlich-theologischer, kirchenpolitischer, politischer oder auch persönlicher Spannungen, die da und dort von Anfang an mit wirksam gewesen sein werden“, nicht einzugehen (Einleitung zum Untersuchungsbericht Haug, S. 2f.; abgedruckt auch in: KJ 80, 1953, S. 249). Ob dieser Aussage rügte Joachim Beckmann im „Kirchlichen Jahrbuch“, „daß der Bericht nichts zur Lösung des Problems beizutragen vermochte“ (EBD.). Zur Kritik am Bericht Haugs vgl. vor allem den elfseitigen Brief, den Wilhelm Wilkens als Reaktion auf dessen Ausführungen an zahlreiche Pfarrer und andere Persönlichkeiten aus kirchlichen Kreisen verschickte (vgl. oben Anm. 555). Wilkens warf Haug Unausgewogenheiten und Parteilichkeit gegen Kloppenburg vor, konnte mit seinem Brief im offenbar des Streites überdrüssigen Oldenburg aber nichts mehr erreichen. 613 Vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 777; KJ 80, 1953, S. 252. Zu Kloppenburgs weiterem Weg vgl. H. BRAUN, Art. „Kloppenburg, Heinrich Ferdinand Otto (genannt Heinz)“. 614 Vgl. R. RITTNER, Die evangelische Kirche, S. 785. Auch bei dieser Nominierung hatte sich Gramsch in altbewährter Manier mit Osterloh ausgetauscht, der von den zur Auswahl stehenden Personen Jacobi als den besten Kandidaten bezeichnet hatte (Briefwechsel Gramsch/Osterloh vom 9. bzw. 10. 7. 1953, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gramsch, I-191-004/2). 611

6. Ministerialbeamter in Bonn

In den Überblicksdarstellungen1 zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland besonders in den frühen 1950er Jahren spielen die in diesem Abschnitt zunächst in den Mittelpunkt rückenden Tätigkeiten der Ministerialbürokratie2 naturgemäß so gut wie keine Rolle. In der hier nicht ausführlich vorstellbaren sonstigen Literatur3 wird etwas ausführlicher lediglich auf die Umstände der Einrichtung und die von Osterloh mitgestalteten ersten Jahre des Bundesministeriums für Familienfragen eingegangen4 – häufig jedoch mit einer so großen Voreingenommenheit, dass die Wissenschaftlichkeit dabei Schaden nimmt5. Die im Bundesarchiv Koblenz verwahrten Aktenbestände der betreffenden Ministerien sind die einzigen ergiebigen Quellen für die Rahmenbedingungen von Osterlohs Tätigkeiten6, die sich – wiederum leider ausschließlich für die Zeit seiner Arbeit im Familienministerium – auch in seinen zahlreichen Vorträgen und Aufsätzen widerspiegeln7. Wichtige 1 An erster Stelle sicher immer noch zu nennen: H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre. Vgl. H. GLASER, Kulturgeschichte, Bd. 2; CHR. KLESSMANN, Staatsgründung; DERS., Zwei Staaten; A. M. BIRKE, Nation; D. THRÄNHARDT, Geschichte; M. GÖRTEMAKER, Geschichte; 50 JAHRE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND; R. MORSEY, Bundesrepublik; H. K. RUPP, Politische Geschichte; P. KIELMANNSEGG, Nach der Katastrophe; W. HALDER, Teilung; D. GEPPERT, Ära Adenauer; B. STÖVER, Bundesrepublik; E. WOLFRUM, Bundesrepublik. 2 Die Literatur zum Thema „Evangelischer Arbeitskreis“ wird in Abschnitt 6.4 vorgestellt. 3 Verwiesen sei hier auf die umfangreichen Literaturangaben in den o. g. Überblicksdarstellungen sowie auf die Bibliographien in den Periodika „Kirchliche Zeitgeschichte“ und „Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte“. 4 In vielen auch der ausführlicheren Darstellungen aber spielt die hier zu behandelnde Zeit keine beherrschende Rolle; die Schwerpunkte dieser Arbeiten liegen – was den Bereich staatlicher Familienpolitik betrifft – auf den Jahren ab 1957. Vgl. bes.: J. AKRAMI-GÖHREN, Familienpolitik; I. GERLACH, Familie; L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie. Ausnahmen stellen zwei jüngst erschienene Arbeiten dar: D. NELLESSENSTRAUCH, Kampf; CHR. KULLER, Familienpolitik. 5 Viele Titel beschränken sich darauf, in polemisch-ironischer Form die konservativen, katholischkirchlich verwurzelten politischen Ansichten des Ministers Franz-Josef Wuermeling darzustellen, die Auswirkungen seiner und der Tätigkeit des Familienministeriums auf die Entfaltungsmöglichkeiten der Frauen anzuprangern und beiden daraufhin latente Frauenfeindlichkeit zu attestieren. Ausgegangen wird dabei in aller Regel vom Ideal einer berufstätigen Mutter, die unter dem traditionellen Familienbild ebenso leidet wie unter der von unterstellter Spießigkeit und bürgerlicher Doppelmoral geprägten gesellschaftlichen Konvention der Adenauer-Ära. Dabei macht man sich kaum Gedanken darüber, inwieweit man damit der Gesellschaft der 1950er Jahre ein Idealbild einer späteren Zeit überstülpt, das es in den hier in Betracht kommenden Jahren in einer politisch relevanten Größenordnung noch gar nicht gegeben hat. Vgl. z. B. A. JOOSTEN, Frau; K. JURCZYK, Frauenarbeit; I. LANGER, Familienpolitik; DIES., Konsequenz. 6 BA KOBLENZ, B 106 (Innenministerium) bzw. B 153 (Ministerium für Familie und Jugend). 7 Siehe die unter den Jahren 1954 und 1955 in der Bibliographie Osterloh genannten Titel.

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Hinweise und Erkenntnisse liefern aber auch Biographien8 und – mit kritischem Blick gelesen – Autobiographien9. Besonders zu beachten sind schließlich die nahezu unbegrenzt verfügbaren medialen Quellen (Zeitungen, Illustrierte, Flugschriften, Rundfunkmitschnitte, usw.), die Ereignisse, denen im Rückblick kaum mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, zum Teil ausführlich darstellen und kommentieren10.

6.1 Ministerialrat im Bundesinnenministerium Der Wechsel Osterlohs in das Bonner Innenministerium war bereits im Frühling 1952 Gegenstand von Gesprächen11, verzögerte sich aber aus mehreren Gründen fast ein Jahr lang, obwohl seit Ende Juli 1952 feststand, dass Innenminister Robert Lehr ihn in sein Ministerium, zuständig für das „Koordinierungsreferat Schul- und Erziehungswesen“, berufen wollte12. Hauptgrund der langen Verhandlungen war das Problem der Übernahme einer Ausfallgarantie für Osterlohs Versorgungsansprüche: Die EKD berief sich darauf, Osterloh nicht zu einem Wechsel gedrängt zu haben, und wollte sich hier nicht, entgegen der üblichen Praxis, in die Pflicht nehmen lassen13. Mitverantwortlich waren aber auch die Bedingungen, die Osterloh gestellt hatte: Er wollte seine Tätigkeit in der Kirchenkanzlei nicht beenden, ohne dass es einen geeigneten Nachfolger gab, und er verlangte – letzten Endes erfolgreich – die Anerkennung seiner dortigen Tä8 Vgl. H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 2; H. KÖHLER, Adenauer, B. 1/2; A. MEIER, Hermann Ehlers; V. HENTSCHEL, Ludwig Erhard; ELISABETH SCHWARZHAUPT; T. OPPELLAND, Gerhard Schröder; F. UTZ, Preuße. 9 Hier ist in erster Linie zu nennen: K. ADENAUER, Erinnerungen, Bd. 1–4, inzwischen selbst schon Gegenstand historischer Forschung (vgl. H. P. MENSING, Adenauer-Memoiren). Vgl. F. J. STRAUSS, Erinnerungen. 10 Einen guten Einstieg vermitteln die zum großen Teil unmittelbar aus solchen Quellen erarbeiteten mehrbändigen Werke: ARCHIV DER GEGENWART (Sonderausgabe); W. KRAUSHAAR, Protestchronik, Bd. 1–4 (im Folgenden: PROTESTCHRONIK I–IV), die als Hilfsmittel nahezu unverzichtbar sind. 11 Am 30. Mai 1952 war Osterloh zu persönlichen Besprechungen im Innenministerium, deren Gegenstand schon nicht mehr die Möglichkeit, sondern bereits die Modalitäten eines Wechsels waren – es muss also schon vorher entsprechende Fühlungnahmen gegeben haben (vgl. das von Osterloh selbst verfasste Schreiben der Kirchenkanzlei an den Bundesminister des Innern vom 16. 8. 1952, in dem er „persönliche Besprechungen im Bundesministerium des Innern“ erwähnt, in denen ihm „vorbehaltlos zugesagt“ worden sei, dass in seinem Falle „die Einschaltung einer Probezeit nicht in Frage käme“ [in: EZA BERLIN, 2/P 154]). 12 So die offizielle Bitte um Beurlaubung Osterlohs „zur Dienstleistung im Bundesministerium des Innern“ vom 1. 8. 1952 (EBD.). 13 Diese Frage beherrschte von September bis Dezember 1952 Verhandlungen und Schriftwechsel bezüglich Osterlohs Berufung. Am 5. Dezember lehnte der Rat der EKD auf seiner Sitzung in Berlin eine solche Ausfallgarantie definitiv ab. In einem von Staatssekretär Ritter von Lex gezeichneten Schreiben vom 13. Januar 1953 schließlich erkannte man die Bedingungen der EKD an (Schriftwechsel in: EZA BERLIN 2/P 154).

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tigkeit als gleichrangig mit der eines Ministerialrates und infolgedessen seine Übernahme in diesen Dienstrang ohne die übliche Probezeit und unter Anrechnung seiner bisherigen Dienstzeit14. Nachdem mit Gottfried Niemeier ein geeigneter Nachfolger gefunden war, teilte Osterloh am 21. Januar 1953 dem Rat seinen Entschluss mit, auf dieser Grundlage nach Bonn wechseln zu wollen, und bat darum, ihm die Rechte des geistlichen Standes auch nach einem Übertritt in den Bundesdienst zu belassen15. Zum 1. April 1953 schließlich übernahm Osterloh seine neue Tätigkeit im Innenministerium. Kritik an dieser Personalentscheidung des Innenministers hatte nicht auf sich warten lassen: Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Lehrerverbände bemängelte, vorher nicht gehört worden zu sein16, dpa kolportierte gar den Vorwurf, der Minister „fördere die Tendenz, wichtige öffentliche Funktionen im schul- und kulturpolitischen Bereich unter einseitigen kirchenpolitischen Einfluß zu bringen“17. Die „Niedersächsische Lehrerzeitung“ kommentierte die epd-Meldung von Osterlohs Ernennung so: „Wenn wir diese Pressemeldung in die Seufzerecke rücken, so nicht wegen der Person des neuen Schulreferenten. Wir bleiben ihm in aller Hochachtung verbunden. Was uns erschüttert, ist die Tatsache: Es findet sich für die Stelle eines Schulreferenten kein Oberschulrat, sie wird mit einem Oberkirchenrat besetzt.“18 Diese kurze Auswahl an Pressereaktionen belegt vor allem eines: eine selbst in Fachkreisen vorhandene relative Unkenntnis über das von Osterloh übernommene Referat und dessen Befugnisse. Denn es gab zwar schon länger die Absicht, auch bei der Bundesregierung ein mit größeren Kompetenzen ausgestattetes „Schulreferat“ zu etablieren, um die Schulpolitik in den Bundesländern koordinieren zu können, doch war dies stets an den Landesregierungen gescheitert. Diese waren nicht bereit, von dem Grundsatz der Schulund Kulturhoheit der Länder einen Deut abzurücken, und übten im Gegenteil scharfe Kritik an der Praxis des Bundes, sich über „Dotationen“ an bestimmte Einrichtungen ihm auf diesem Gebiet nicht zustehenden Einfluss verschaffen zu 14 Auf diesen Bedingungen, deren Erfüllung ihm mündlich zugesichert war, bestand Osterloh sowohl am 16.8.1952 in seiner offiziellen Antwort auf die Anfrage des Bundesinnenministeriums (s. Anm. 12) als auch in persönlichen Gesprächen mit dem persönlichen Referenten Minister Lehrs, Dr. von Meibom, am 26./27.8. in Stuttgart sowie mit Ritter von Lex und anderen Ministerialbeamten am 8.9.1952 in Bonn (vgl. die entsprechenden Dienstreiseberichte, in: EZA 2/P 154). Im o. g. Schreiben vom 13. Januar 1953 (s. Anm. 13) wurden letztendlich auch diese Bedingungen anerkannt. 15 Brief Osterlohs an die Kirchenkanzlei der EKD vom 21.1.1953 (EZA 2/P 154). Der Rat der EKD entsprach seinem Gesuch auf seiner Sitzung vom 12. und 13.2.1953 (vgl. EBD.). 16 Iserlohner Kreisanzeiger, 4.3.1953 (Ausschnitt in: EZA 2/P 154). 17 dpa-Meldung vom 3.3.1953. Zu den Kriterien für Bewerber und den Problemen, die es in den ersten Jahren nach 1949 bereitete, geeignetes Personal für die Ministerialbürokratie zu finden, vgl. W. STRAUSS, Personalpolitik. 18 Art. „Oberkirchenrat übernimmt das Schulreferat im Bundesinnenministerium“, in: Niedersächsische Lehrerzeitung, 1. 3. 1953.

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wollen19. So gab es auch 1953 kein „Schulreferat“ im Innenministerium, sondern ein der Abteilung III (Kulturelle Angelegenheiten des Bundes) unterstelltes Referat 2: „Unterrichtung über Schul-, Erziehungs- und Volksbildungswesen; Archivwesen“, zuständig auch für das Büchereiwesen sowie den Naturschutz und die Landschaftspflege20 – schon dies vielleicht ein Hinweis auf die mangelnden Kompetenzen im Kernbereich. Es verwundert daher kaum, dass die erste größere Aufgabe, die Osterloh in seinem Referat zu übernehmen hatte, an den Bund aus Kostengründen herangetragen worden war. Bald nach seinem Amtsantritt wurde Osterloh mit dem Problem der steigenden Zahlen jugendlicher Flüchtlinge aus der SBZ/DDR konfrontiert. Ihre Zahl hatte im März und April 1953 bei je ca. 500 gelegen und wurde für Mai bereits auf 6–700 prognostiziert21. Ein besonderes Problem war der oftmals fehlende Abschluss vieler u. a. wegen Zugehörigkeit zur „Jungen Gemeinde“ von der Schule verwiesener Abiturienten, aber auch die Nichtanerkennung abgelegter Prüfungen22. Die Westfälische Landeskirche hatte in Espelkamp zur Linderung der ersten Not Förderkurse eingerichtet und war bezüglich der Kostenfrage von Kultusministerin Christine Teusch an den Bund verwiesen worden23. Einen ersten fraktionsübergreifenden Antrag auf verstärkte Förderung „der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend“ durch Einbeziehung in die Kriegsfolgenhilfe gab es bereits am 6. Mai 195324, der anschwellende Strom

19 Die Diskussion der Jahre 1950–52 fand Niederschlag in einer eigenen Akte im Innenministerium (BA Koblenz, B 106/1073). Vgl. H. K. RUPP, Politische Geschichte, S. 116. 20 Vgl. den Geschäftsverteilungsplan 1953 des Bundesministeriums des Innern (BA KOBLENZ, B 106/55164). Leiter der Abteilung III war zu dieser Zeit Dr. Erich Wende, den Walter Strauß rückblickend als einen der Ministerialbeamten hervorhebt, von dessen „unschätzbaren Erfahrungen“ (Wende war schon von 1917 bis 1933 im Preußischen Kultusministerium, zuletzt als Ministerialdirektor) man profitieren konnte, weil beim Aufbau der Bundesministerien vorübergehend die Altersgrenze aufgehoben gewesen sei (vgl. W. STRAUSS, Personalpolitik, S. 280). Osterloh kannte Dr. Wende aus dessen Zeit als Staatssekretär im Niedersächsischen Unterrichtsministerium (vgl. Briefwechsel Osterloh/Wende vom 6. 8./15. 9. 1948, in: AELOKR OLDENBURG, NL Dr. Schmidt, Handakten, Nr. 6; vgl. auch T. FRANKE, Anfänge, S. 135). 21 Osterloh bezog viele Sachinformationen hierzu immer noch aus kirchlichen Quellen. Die Zahlenangaben beispielsweise übermittelte ihm Oberkirchenrat Merzyn als Ergebnis eines Gesprächs mit dem Leiter der Schulkammer der EKD, Dr. Herwig Hafa (Schreiben vom 11. 5. 1953, auf dem Osterloh handschriftlich vermerkte: „Bezug: Besprechung mit MinR Osterloh“ [BA KOBLENZ, B 106/1703]). 22 Vgl. H. WENTKER, „Kirchenkampf“ in der DDR. Zeitgenössische Berichte: „Angriffe auf die ‚Junge Gemeinde‘“ (Kirche und Mann 6, 1953, Nr. 3, S. 2); „Schafft diesen Jungen Platz! Glieder der Jungen Gemeinde brauchen Hilfe“ (Sbl., Nr. 22, 31. 5. 1953). Vgl. INLL 2, 1953, S. 142–145, 163f., 182f. – KJ 80, 1953, S. 131–177, bietet eine kommentierte Auswahl wichtiger Dokumente. 23 Vgl. den Briefwechsel zwischen dem westfälischen Landeskirchenamt und Osterloh vom 11. bzw. 20. 4. 1953 sowie das Schreiben, mit dem sich Präses Wilms am 27. 4. 1953 an das Innenministerium wandte (alles in: BA KOBLENZ, B 106/1703). 24 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. DRUCKSACHEN, 1. WP, Nr. 4328.

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der Flüchtenden überforderte die sie aufnehmenden Schulen aber ebenso wie die zur Erlangung der Förderungen notwendigen Formalitäten. Am 15. Mai erstellte der Sozialausschuss der Evangelischen Jugend Deutschlands in Anwesenheit Osterlohs den Entwurf einer Denkschrift zum Thema „Die Situation der verdrängten Oberschüler aus der SBZ“, in dem die finanziellen und personellen Engpässe verdeutlicht und Vorschläge zur Erleichterung der Situation gemacht wurden: Unterbringung der Flüchtlinge in schulnahen Heimen, intensive Betreuung durch Fachkräfte, erhebliche Aufstockung der Mittel und ihre Verteilung möglichst an solche Schulen, die bereits Erfahrungen mit den anstehenden Problemen sammeln konnten25. Die Denkschrift, am 26. Mai an alle zuständigen Stellen versandt, war wohl auch die Grundlage einer von Osterloh für den 3. Juni im Innenministerium anberaumten Besprechung über notwendige Hilfsmaßnahmen und ihre Koordinierung mit der Kultusministerkonferenz. Eingeladen waren die zuständigen Referenten aus dem Kanzleramt, dem Finanzministerium, dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, dem Vertriebenenministerium und der Zentralstelle zur Unterbringung von Flüchtlingen aus der SBZ26. Noch zwei Tage zuvor wurde Osterloh von der Kirchenkanzlei mit neuesten Zahlen versorgt. Dabei dankte Kirchenrat von Staa ihm ausdrücklich dafür, dass er in dieser Problematik nur mit einer kirchlichen Stelle verhandelte27 – wohl ein weiterer Beitrag Osterlohs zur Aufwertung der Kirchenkanzlei der EKD zur zentralen kirchlichen Ansprechstelle. Auf der Besprechung vom 3. Juni 195328 war man sich darüber einig, die betreffenden Schüler so weit wie möglich in Berlin und damit möglichst in der Nähe ihrer Eltern unterzubringen. Als besondere Probleme wurden benannt die bisherige pauschale Ablehnung der Anerkennung solcher Leistungen, die an den sog. „Arbeiter- und Bauernfakultäten“ erbracht worden waren, und dass ganz allgemein in Prüfungen zu wenig Rücksicht auf die Andersartigkeit der Schulen im Osten genommen werde. Man kam zu dem Schluss, dass eine Finanzierung von Heimen für die aus der SBZ/DDR verdrängten Schüler am besten über eine entsprechende Ergänzung des Lastenausgleichsgesetzes29 abzuwickeln wäre, und 25

Vgl. den Aktenvermerk Osterlohs vom 18. 5. 1953 (BA KOBLENZ, B 106/1703). Einladung vom 20. 5. 1953 (EBD.). 27 Vgl. die Briefe von Staas an das Bundesinnenministerium und an Osterloh vom 1. 6. 1953 (EBD.). 28 Vgl. zum Folgenden den Aktenvermerk Osterlohs vom 5. 6. 1953 über diese Besprechung (EBD.). 29 Das Lastenausgleichsgesetz in seiner Endfassung vom 14. 8. 1952 sprach den Vertriebenen und Flüchtlingen aus den Ostgebieten und der SBZ/DDR finanzielle Entschädigungen zu und war das „wichtigste Instrument“ zur Eingliederung der Millionen, die nach dem Krieg in den Westen gekommen waren – und noch kommen sollten (M. GÖRTEMAKER, Geschichte, S. 171; vgl. H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 166f.), auch wenn keineswegs ein voller Ausgleich für das Verlorene gezahlt wurde. Die Durchschnittsentschädigung, „auf 22 Prozent geschätzt“ (M. GÖRTEMAKER, Geschichte, S. 172), zeugte gleichwohl von der Solidarität der Einheimischen und lieferte so einen wichtigen psy26

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forderte die Länder auf, wenigstens die Kosten für zusätzliche Lehrkräfte und Erweiterungsklassen zu übernehmen. Mit der Koordinierung aller Maßnahmen wurde einvernehmlich auch weiterhin das von Osterloh geleitete Referat betraut. Interessant ist noch, dass man bei aller Sympathie und Hilfsbereitschaft nicht vergaß, auf die unter Umständen auch destabilisierenden Folgen einer zu großen Fluchtwelle hinzuweisen: „Die Bundesrepublik muß bei allen Maßnahmen darauf achten, daß sie keine zu starke Sogwirkung auf die Intelligenz des Ostens ausübt.“ Die Umsetzung der Vorschläge erfolgte – durch die Ereignisse des 17. Juni 195330 sicher beeinflusst – so rasch, dass Osterloh bereits am 10. Juli in einem Aktenvermerk nach der Auflistung der verschiedenen von seinem Referat initiierten Maßnahmen (Einbeziehung dieser Fälle in den Lastenausgleich und die Kriegsfolgenhilfe; Befreiung dieser Schüler von der Pflicht, das Bundesnotaufnahmeverfahren zu durchlaufen, bevor ihnen ein Stipendium zugeteilt werden kann) resümieren konnte: „Die besondere Tätigkeit von III,2 in dieser Angelegenheit kann als abgeschlossen gelten.“31 Unter dem Datum des 2. September teilte das Bundesinnenministerium schließlich die sinngemäße Übertragung der Förderung auch auf diejenigen Schüler mit, die nach den Juni-Ereignissen verstärkt mit der ganzen Familie in die Bundesrepublik kamen32. Der zweite größere Aufgabenbereich, mit dem Osterloh sich während der Monate im Bundesinnenministerium befasste, war der „Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen“, der als beim Bundesinnenministerium verankerter Beirat schon im Vorjahr ins Leben gerufen werden sollte. Widerstand seitens der Länder, die einen „Beirat“ des Bundes in diesem Bereich als einen Eingriff in ihre Schul- und Kulturhoheit empfanden, hatte zur neutraleren Benennung und zu einer stärkeren Abkoppelung des Ausschusses von Bundesbehörden geführt, dessen lediglich „beratende“ Funktion nun betont wurde33. chologischen Beitrag zur Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge (vgl. W. ABELSHAUSER, Lastenausgleich; A. SYWOTTEK, Flüchtlingseingliederung; D. GEPPERT, Ära Adenauer, S. 71f.; H. K. RUPP, Politische Geschichte, S. 115; A. M. BIRKE, Nation, S. 348f.) 30 Vgl. zuletzt: T. FLEMMING, Tag der deutschen Einheit; APuZ B 23/2003 (Themenheft: 17. Juni 1953); R. ENGELMANN, Volksaufstand; A. STRÜBIND, Religionsgemeinschaften. 31 Aktenvermerk Osterlohs vom 5. 6. 1953 (vgl. Anm. 28). 32 Rundschreiben des Bundesinnenministeriums an die zuständigen Länderministerien (BA KOBLENZ, B 106/1703). 33 Ursprünglich hatte die FDP-Fraktion am 26. 1. 1952 die Bildung eines solchen Beirats beantragt (VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. DRUCKSACHEN, 1. WP, Nr. 3038). Trotz der von Prälat Böhler in einem Brief an Innenminister Lehr geäußerten Kritik aus der katholischen Kirche, die hinter dem Antrag eine bei der FDP genauso wie bei der SPD vermutete Tendenz zum „Zentralismus“ zu erkennen meinte, der sie die vom Parlamentarischen Rat ausdrücklich festgeschriebene Kulturhoheit der Länder entgegenhielt (Brief vom 9. 2. 1952), fand der Antrag am 13. 3. 1952 im kulturpolitischen Ausschuss des Bundestags eine Mehrheit. Von den 4 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen in dem

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Die Berufung von Mitgliedern war bei Osterlohs Dienstantritt noch nicht abgeschlossen und beschäftigte von da an vornehmlich ihn. Am 22. September 1953 wurde der Ausschuss im Beisein von Bundespräsident Heuss konstituiert. Er sollte die Aufgabe haben, „die Entwicklung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens zu beobachten und durch Rat und Empfehlung zu fördern“34. Osterlohs Mitwirkung bei der Berufung der Mitglieder des Ausschusses, dem schließlich u. a. Adolf Butenandt, Walter Dirks, Wilhelm Hahn und Georg Picht angehörten35, wurde auch im Nachhinein hervorgehoben36. Die Tätigkeit des Ausschusses, der u. a. Gutachten und Empfehlungen zur politischen Bildung und Erziehung (1955)37, zur religiösen Erziehung und Bildung in den Schulen (1962)38 und zum Aufbau der Hauptschule und Einführung des Faches Arbeitslehre an Hauptschulen (1964)39 abgab, fand ihren Höhepunkt, als am 4. Februar 1959 ein „Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinbildenden öffentlichen Schulwesens“40 vorgelegt wurde, der vor allem eine gerechtere Auslese propagierte und eine für alle Schüler verbindliche zweijährige „Förderstufe“ vor dem Übergang in die weiterführenden Schulen vorschlug. Vorgesehen war auch der Ausbau der Mittelschulen zur Entlastung der Oberschulen sowie eine Aufwertung der Volksschulen durch ein neuntes und später auch zehntes Schuljahr zur neuen Hauptschule. Trotz solcher weg15-köpfigen Ausschuss kamen allerdings fünf aus den Reihen der Regierungskoalition (Protokoll der 33. Ausschuss-Sitzung). Die Bedenken wurden im Innenministerium unter Hinweis auf die bloß beratende Funktion des zu bildenden Gremiums zurückgewiesen, die notwendige Abstimmung mit den Ländern aber führte im Ergebnis zu den o. g. Änderungen des ursprünglichen Konzepts (alles in: BA KOBLENZ, B 106/1700). 34 DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1953, S. 76. 35 Vgl. H. GLASER, Kulturgeschichte, Bd. 2, S. 307. Zu Georg Pichts Wirken im Deutschen Ausschuss vgl. S. BERGMANN, Diskussion, S. 115–118. 36 In der epd-Meldung anlässlich seines Wechsels in das Kieler Kultusministerium hieß es, er habe „massgeblich an der Schaffung des Deutschen Ausschusses für das Bildungs- und Erziehungswesen mitgewirkt“ (epd Zentralausgabe, Nr. 15, 18. 1. 1956). Osterloh bemühte sich noch bis zum August 1953 um die Berufung von Mitgliedern (BA KOBLENZ, B 106/1700). 37 EMPFEHLUNGEN UND GUTACHTEN DES DEUTSCHEN AUSSCHUSSES, S. 827–838. Vgl. H. VON HENTIG, Pädagogik, S. 319. 38 Der Ausschuss plädierte dabei für die Aufrechterhaltung des konfessionellen Religionsunterrichts mit „bekenntnismäßig bestimmten Richtlinien und Lehrplänen“, allerdings auch dafür, dass „jeder Weltanschauungsgemeinschaft die Möglichkeit erhalten bleiben“ müsse, „einen Unterricht in ihrem Sinne einzurichten, wenn Eltern ihn beantragen“ (EMPFEHLUNGEN UND GUTACHTEN DES DEUTSCHEN AUSSCHUSSES, S. 221–249, Zitate: S. 225f.; Auszug: EVANGELISCHER RELIGIONSUNTERRICHT IN EINER SÄKULARISIERTEN GESELLSCHAFT, S. 78–82, Zitate: S. 81f.). 39 EMPFEHLUNGEN UND GUTACHTEN DES DEUTSCHEN AUSSCHUSSES, S. 366–409 (Auszug: BILDUNGSPOLITIK IN DEUTSCHLAND, S. 325–328). Vgl. A. LESCHINSKY, Hauptschule, S. 395f. 40 EMPFEHLUNGEN UND GUTACHTEN DES DEUTSCHEN AUSSCHUSSES, S. 59–119 (Auszug: BILDUNGSPOLITIK IN DEUTSCHLAND, S. 139f.). Vgl. dazu G. PICHT, Plädoyer. Vgl. auch H. VON HENTIG, Pädagogik, S. 330f.; P. LUNDGREEN, Sozialgeschichte, S. 27.

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weisenden Grundgedanken war es das Manko dieses Ausschusses, durch die Einflussnahme der Länder bei seiner Gründung keine Verzahnung mit Politik oder Verwaltung vorweisen zu können. Er publizierte seine Empfehlungen „für eine pädagogisch interessierte Öffentlichkeit – gleichsam eine Gewähr für die Unverbindlichkeit der Anregungen in der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Aufbruchstimmung der 1950er Jahre“41. So blieb er „ohne nennenswerten praktischen Einfluß“, obwohl seine Gutachten „für das Bewußtsein der 50er Jahre und die langsame Umstellung eines vergangenheitsbezogenen Bildungswesens auf die Zukunft wichtig waren“42. Das von den Ländern gewünschte und eifrig überwachte Fehlen von weitergehendem Einfluss und eigener Gestaltungskompetenz in seinem Amt, dessen Möglichkeiten offenbar auch von Otto Dibelius überschätzt worden waren43, wird zu einer allgemeinen Unzufriedenheit Osterlohs beigetragen haben44. Dazu kam, dass Robert Lehr, auf dessen ausdrücklichen Wunsch er in das Ministerium gekommen war, nach der Wahl vom September 1953 nicht wieder als Minister zur Verfügung stand45. Einem nach der Bundestagswahl sich abzeichnenden Wechsel in ein anderes Ministerium dürfte Osterloh daher kaum ablehnend entgegengesehen haben.

41

A. LESCHINSKY, Rahmen, S. 168. H. BECKER, Bildungspolitik, S. 333. Der Ausschuss stellte seine Tätigkeit 1965 ein, nachdem mit dem „Deutschen Bildungsrat“ ein Gremium geschaffen worden war, in dem wissenschaftliche Sachverständige nun von vornherein mit Bund, Ländern und Kommunen zusammenarbeiteten (vgl. EBD.; A. LESCHINSKY, Rahmen, S. 168ff.; H. GLASER, Kulturgeschichte, Bd. 2, S. 308; DERS., Deutsche Kultur, S. 301). 43 Dibelius hatte nach seiner eigenen rückblickenden Auskunft den Wechsel Osterlohs befürwortet, weil die EKD „ihm innerhalb der Kirchenleitung keine Stellung schaffen [konnte], die seinen Fähigkeiten entsprach“ (DERS., Christ, S. 275f.). Noch am 10. 11. 1953 wandte er sich brieflich an Osterloh, um ihm ans Herz zu legen, für die Vereinheitlichung der staatlichen Unterstützung von Privatschulen zu sorgen: „Zurzeit [sic!] bezahlt der Westberliner Senat 25% der laufenden Kosten. Wir hoffen, daß wir auf 50% kommen werden. Aber Hamburg zahlt 80%, Nordrhein-Westfalen m. W. 75%. Wäre es nicht eine schöne Koordinierungsaufgabe, dafür zu sorgen, daß Westberlin ähnliche Sätze zahlt wie der Westen?“ (BA KOBLENZ, N 1439/8; vgl. M. STUPPERICH, Otto Dibelius, S. 55f.). 44 Auskunft Gertrud Osterloh (Gespräch am 5./6. 2. 1996). 45 In einem zeitgenössischen Artikel wird der Eindruck erweckt, dieser Rückzug Lehrs sei freiwillig erfolgt („Posten eingezogen“, in: Der Spiegel, Nr. 38, 16.9.1953). Tatsächlich aber kam es erst dazu, nachdem Lehr in seinem Wahlkreis nicht erneut als Bundestagskandidat nominiert worden war und – aufgrund einer mangelnden Hausmacht – auch auf der nordrhein-westfälischen Landesliste keinen Platz gefunden hatte (vgl. H. FENSKE, Art. „Lehr, Robert“, S. 420f.). 42

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6.2 Ministerialdirektor im Bundesfamilienministerium 6.2.1 Konrad Adenauers Wahlsieg 1953 und die Gründung des Bundesministeriums für Familienfragen Dass Adenauer und seiner Politik mit den zweiten Bundestagswahlen am 6. September 1953 der große Durchbruch gelingen würde, war lange kaum vorstellbar. CDU-Verluste bei Landtagswahlen, der noch nur verhaltene wirtschaftliche Aufschwung, die heftigen Diskussionen um Wiederbewaffnung und Westverträge, die innenpolitische Schlappe bei der versuchten Durchsetzung eines Mehrheitswahlrechtes noch im Jahr der Wahl und die in einigen Kreisen weiter bestehenden konfessionellen Vorbehalte und Befürchtungen ließen einen solchen Erfolg bis in das Jahr 1953 hinein undenkbar erscheinen46. Anfang 1953 spekulierte das „Sonntagsblatt“ über die Möglichkeit einer großen Koalition zur Lösung der anstehenden Probleme um die Ratifizierung des EVG-Vertrages: „Man spricht in Bonn von der großen Koalition“47. Trotz des Stimmungsumschwungs durch den beginnenden wirtschaftlichen und außenpolitischen Erfolg sowie insbesondere die Ereignisse des 17. Juni prognostizierte das Allensbacher Institut für Meinungsforschung noch drei Tage vor der Wahl einen relativ knappen Vorsprung der Union vor der SPD48. Der überraschend hohe Wahlsieg – die CDU/CSU legte wie nie wieder eine Regierungspartei bei einer Bundestagswahl von 31,0% auf 45,2% zu und lag damit 16,4 Prozentpunkte vor der SPD – bescherte der größten Regierungspartei sogar die absolute Mehrheit der Mandate (243 bzw. 46

Die Zustimmung zur Politik Adenauers war zwar schon seit dem zweiten Quartal 1952 größer als ihre Ablehnung, aber noch im vierten Quartal lagen die Werte mit 34 bzw. 29% recht dicht beieinander – eine relative Mehrheit war unentschieden oder ohne Urteil. Bis zum dritten Quartal 1953 sollte die Zustimmung jedoch auf über 50% steigen, während nur noch eine kleine Minderheit von 18% Adenauers Politik ablehnte. Vgl. H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 187f.; vgl. auch DERS., Adenauer, Bd. 2, S. 76–81; F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 96ff., 151; A. M. BIRKE, Nation, S. 369; D. GEPPERT, Ära Adenauer, S. 72. 47 Ausgehend von der zum Jahreswechsel noch offenen Frage, wie das Bundesverfassungsgericht die im EVG-Vertrag vorgesehene Rekrutierung deutscher Soldaten beurteilen würde, erwog der Artikel das Szenario für den Fall, dass diese Rekrutierung dem SPD-Antrag entsprechend für grundgesetzwidrig erklärt wird. Es hieß, selbst in der CDU gäbe es Kreise, die für einen solchen Fall die Bildung einer großen Koalition – natürlich unter einem anderen Kanzler – in Erwägung zögen (Sbl., Nr. 1, 4. 1. 1953). Unter der Rubrik „7 Tage Innenpolitik“ wurde auf der gleichen Seite auf einen Bericht der FAZ verwiesen, nach dem genau dies auf einem Ministerpräsidenten-Treffen in Stuttgart ebenfalls diskutiert worden sei (vgl. EBD.). Zum Gang der Verhandlungen von der Jahreswende bis zur Ratifikation im Mai 1953 vgl. auch H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 175–179. 48 CDU/CSU: 34–38%, SPD: 28–33%. Vgl. die Tagebuchaufzeichnungen von Otto Lenz vom 4. 9. 1953 (IM ZENTRUM DER MACHT, S. 691), der selbst von einem „überraschend hohen Wahlsieg“ schrieb (EBD., S. 692). „Kirche und Mann“ sprach gar von einem „sensationellen Ergebnis“ (Art. „Dem neuen Bundestag“ [Kirche und Mann 6, 1953, Nr. 10, S. 1]).

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244 von 487)49. Adenauer dachte jedoch gar nicht daran, seine Koalition deshalb zu verkleinern, im Gegenteil: Zusätzlich zu FDP und DP nahm er auch den neu ins Parlament eingezogenen BHE mit in die Regierung, um mit einer Koalition aller bürgerlichen Parteien, die von mehr als zwei Dritteln der Parlamentarier und damit – wichtig im Zuge der Wehrgesetzgebung – der benötigten Mehrheit für Grundgesetzänderungen getragen wurde, die SPD weiter zu isolieren. Der Preis war ein Aufblähen des Kabinetts von 14 auf 19 Minister (davon allein vier Minister für „Besondere Aufgaben“ aus vier Koalitionsparteien), denn nun mussten mehr Parteien und Interessen angemessen vertreten sein50. Im Wahlkampf hatten sich CDU und CSU – wohl nicht zuletzt als Reaktion auf die vor allem von kirchlicher Seite in die Öffentlichkeit getragene Diskussion um die „Krise der Familie“51 – als „Beitrag zum sozialen Frieden“ explizit für die Förderung der Familien ausgesprochen, dabei finanzielle und wohnungsbauliche Aspekte in den Vordergrund gerückt und im Übrigen das traditionell-konservative Familienbild verteidigt52. Im Zuge der Regierungsbildung kam es dann zum Beschluss über die Bildung eines Bundesministeriums für Familienfragen, dem die Aufgabe übertragen wurde, „den staatspolitisch bedeutsamen Belangen der

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Zu den Ergebnissen und ihrer Kommentierung vgl. die Artt. „Das Volk hat gesprochen!“ und „Parteien und Wähler im Wandel der Wahlen“ (Sbl., Nr. 37, 13. 9. 1953); „Was unrecht ist“ (Der Spiegel, Nr. 38, 16. 9. 1953). Kommentarauszüge aus der internationalen Presse: ARCHIV DER GEGENWART, 7. 9. 1953 (Sonderausgabe, S. 1021ff.). Vgl. auch P. EGEN, Entstehung, S. 170–175; H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 195; R. MORSEY, Bundesrepublik, S. 53; D. GEPPERT, Ära Adenauer, 73. Während alle genannten Titel und Artikel von 244 CDU/CSU-Abgeordneten ausgehen, taucht in der Literatur auch die Zahl 243 auf: WAHLHANDBUCH, Bd.1, S. 9; A. M. BIRKE, Nation, S. 369; CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 437. Die Erklärung: Von den drei Abgeordneten des Zentrums, als letzte „Splitterpartei“ im Parlament vertreten, hatten zwei ihr Mandat nur durch ein Wahlabkommen mit der CDU erhalten (vgl. R. MORSEY, Bundesrepublik, S. 53). Einer davon war Mitglied der CDU (CHR. KLESSMANN, Staatsgründung, S. 437) und wechselte gleich nach der Wahl, am 23. 9. 1953, wieder in die CDU/CSU-Fraktion (vgl. ADENAUER: „ES MUSSTE ALLES NEU GEMACHT WERDEN“, S. 538 mit Anm. 40; ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN“, S. 33 mit Anm. 99). 50 Die langwierige Regierungsbildung verursachte eine Reihe von kritischen Kommentaren: vgl. „Die Post funktionierte nicht“, „Amt-Blank-Spiele“ und „Staub zum Wirbeln“ (Der Spiegel, Nr. 42, 43 u. 44, vom 14., 21. u. 28. 10. 1953); „In Bonn wird gemunkelt …“, in: Sbl., Nr. 37, 13. 9. 1953; „Das Tauziehen ist vorüber. Ist damit der Höhepunkt der Parteienherrschaft überschritten?“, in: Sbl., Nr. 43, 25. 10. 1953. Vgl. auch H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 2, S. 106–120; DERS., Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 197–203. 51 Vgl. oben S. 262ff., 267ff. 52 Konkret verlangte man die Verabschiedung eines Gesetzes über Familienausgleichskassen und die Schaffung von Familienheimen; das eher traditionell-konservative Familienbild lässt sich auch anhand der Forderung erkennen, bei der notwendigen Anpassung des Familienrechts an die vom Grundgesetz bestimmte Gleichberechtigung von Mann und Frau müsse „die natürliche Ordnung der Ehe Richtschnur sein“ (Zusammenfassung des CDU-Programms in: ARCHIV DER GEGENWART, 22. 4. 1953 [Sonderausgabe, S. 928f.]; vgl. L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 478f.).

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Familie in der Gesetzgebung des Bundes allgemein Geltung zu verschaffen“53. In der Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 begründete Adenauer diese Maßnahme bevölkerungspolitisch mit der Überalterung der Bevölkerung und den dadurch drohenden wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen, gegen die Technisierung und Rationalisierung allein kein Mittel seien: „Helfen kann nur eins: Stärkung der Familie und dadurch Stärkung des Willens zum Kind. Die ganze Entwicklung unserer Zeit ist der Gründung einer gesunden Familie abträglich. Es handelt sich dabei aber nicht nur um ein moralisches Problem. Es wirken viele Umstände zusammen: Dieser Entwicklung durch eine zielbewußte Familienpolitik entgegenzuwirken, ist ein wesentliches Anliegen der Bundesregierung. Sie wird alles tun, um die Familie zu fördern; denn nur so kann auf natürliche Weise den Gefahren gesteuert werden, die sich aus der jetzigen Lage für das Volksganze ergeben. Das Gewicht, das die Bundesregierung den bezeichneten Aufgaben beimißt, kommt darin zum Ausdruck, daß ein Ministerium gebildet wird, das sich eigens nur ihrer annehmen wird.“54

Nachdem es während des langwierigen Ringens um die Verteilung der Ministerposten schon zu dem Vorschlag gekommen war, Franz Josef Strauß, damals aufstrebender Hoffnungsträger der CSU, solle dieses Ministerium übernehmen, was er, der sich von vornherein Hoffnungen auf das kommenden Verteidigungsministerium machte, vehement abgelehnt hatte55, einigte man sich auf den überzeugten Katholiken Dr. Franz-Josef Wuermeling. Dieser hatte sich im Bundestag schon als Haushaltsexperte profiliert und als Leiter einer Initiative zur Familienförderung hervorgetan56. Dem sehr wichtig genommenen konfessionellen Proporz zur Folge musste sein Stellvertreter gerade bei einem solchen, die Interessen der Kirchen stark tangierenden Politikbereich, damit natürlich ein möglichst ebenbürtig profilierter Protestant sein57. Die Wahl fiel auf Edo Osterloh, auch 53 Zit. aus der Vorbemerkung zum Findbuch des Aktenbestandes im Bundesarchiv (BA KOBLENZ, B 153). Vgl. J. AKRAMI-GÖHREN, Familienpolitik, S. 261. 54 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 2. WP, 3. Sitzung, 20. 10. 1953, S. 11–22, zit. S. 18. 55 In seinen „Erinnerungen“ schildert Strauß das Angebot als „absurdes Intermezzo“, das er „irritiert und erheitert zugleich“ aufnahm. Als Familienminister hätte er – damals unverheiratet, ohne Familie – sich zur „Witzfigur der Nation“, zum täglichen Gegenstand von Karikaturen und spöttischen Bemerkungen gemacht (F. J. STRAUSS, Erinnerungen, S. 210). 56 Vgl. J. ARETZ, Franz-Josef Wuermeling, bes. S. 248–251; I. GERLACH, Art. „Wuermeling, FranzJosef“, bes. S. 767; A. JOOSTEN, Frau, S. 26. 57 In einer Besprechung zwischen Adenauer und Gerhard Schröder am 2. 12. 1953 war u. a. über die Personalien „Ev. Min.Direktor beim Bundeskanzleramt/beim Bundesminister für Familienfragen“ verhandelt worden (so das Protokoll der Besprechung, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Schröder, I-483288/1). Im Hintergrund stand das gute Abschneiden von CDU und CSU in überwiegend evangelischen Gebieten (vgl. EvW 8, 1954, S. 37), das angesichts der Vorgänge um Heinemann und die GVP, die sich u. a. als bewusst evangelische Alternative zur vermeintlich katholisch dominierten CDU angeboten hatte, überraschend kam. Reaktionen auf die Wahl aus dem kirchlichen Bereich hoben dementsprechend

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insofern naheliegend, weil das neue Ministerium organisatorisch zu einem großen Teil aus Referaten des Innenministeriums gebildet wurde58. Überhaupt war das neue Ministerium zu Beginn seiner Tätigkeit nur sehr bescheiden ausgestattet: Bei einem Gesamtbundeshaushalt von ca. 25 Milliarden DM hatte es 1954 einen Etat von 610.300 DM und keine eigenen federführenden Gesetzgebungskompetenzen59. Dem „Liliputministerium“60 gehörten nur sieben Beamte des höheren Dienstes an, die sich auf das Zentralbüro, ein Grundsatz- und vier Fachreferate verteilten: Osterloh leitete dabei die Fachabteilung für Familienfragen ebenso wie innerhalb dieser Abteilung das Grundsatzreferat „Allgemeine und grundsätzliche Fragen der Familienpolitik“61. Bei Amtsantritt erklärte er, seine Hauptaufgabe darin zu sehen, „die Gesetzgebung so zu beeinflussen, daß der gesunden Familie Raum zu einem normalen Leben gegeben wird, ohne sie freilich zu verpäppeln“62.

6.2.2 Kontroverse Diskussionen um das Ministerium und seine Arbeit Das neue Bundesministerium für Familienfragen wurde von Beginn an von verschiedenen Seiten in Frage gestellt. Linke und Liberale befürchteten, das Ministerium solle restaurativen und klerikalen Tendenzen, d. h. der Propagierung

hervor, der Unions-Gedanke habe sich als tragfähig erwiesen, und betonten, „daß die neue CDU/CSUFraktion des Bundestages zu 38 v. H. aus evangelischen Abgeordneten besteht“ (EvW 7, 1953, S. 583; vgl. EBD., S. 582ff.). Auf eine diesem Umstand Rechnung tragende Vertretung der Protestanten im Kabinett und in den Ministerien legte nach den Wahlen besonders Hermann Ehlers Wert und äußerte seine Kritik an der Kabinettsbildung in einer Rundfunkrede am 21. 10. 1953 auch öffentlich (Wortlaut: JK 14, 1953, S. 598–601; EvVer 1, 1953, H. 4, S. 4–7; zum Presseecho vgl. die Art.: „Ehlers: Zu wenige evangelische Minister“ [FAZ, 22. 10. 1953], „Ehlers: Protestanten wurden benachteiligt“ [Die Welt, 22. 10. 1953]; „Die Konfessionen müssen redlich zusammenarbeiten. Eine neue politische Spaltung wäre verhängnisvoll“ [Sbl., Nr. 44, 1. 11. 1953]). Vgl. zum Ganzen: A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 350–356; CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 93–96. 58 „Das neue Familienministerium wird aus einer seit langem bestehenden Abteilung des Innenministeriums, die [korr. aus: das, P.Z.] selbständig gemacht wurde, gebildet“ (Rubrik: „7 Tage Innenpolitik“, in: Sbl., Nr. 43, 25. 10. 1953). Vgl. CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 85; I. GERLACH, Art.: „Wuermeling, Franz-Josef“, S. 767. 59 Vgl. Art. „Der Wille zum Kind“, in: Der Spiegel, Nr. 45, 4. 11. 1953; CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 86; I. GERLACH, Art.: „Wuermeling, Franz-Josef“, S. 767; L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 473. 60 Art. „Nicht übers Knie brechen“, in: Die Welt, 21. 11. 1953. 61 Daneben gab es die Fachreferate für Sozialpolitik, Steuer- und Wirtschaftspolitik, Familienund Eherecht sowie Wohnungsbauangelegenheiten (Geschäftsverteilungsplan vom 1. 6. 1954, in: BA KOBLENZ, B 153/397, 17–21). Vgl. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 341; A. JOOSTEN, Frau, S. 29f. Eine Skizze des Aufbaus des Ministeriums findet sich in: J. AKRAMI-GÖHREN, Familienpolitik, S. 265. 62 Rubrik „Die Woche in der Christenheit“, in: Sbl., Nr. 4, 24. 1. 1954.

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eines traditionellen kirchlich-konservativen Familienbildes mit den zugehörigen (auch politischen) Wertvorstellungen dienen63 und die grundgesetzlich vorgeschriebene Gleichberechtigung der Frau weiter unterwandern helfen – und auch Osterlohs bisherige Äußerungen zum Thema konnten diese Vorurteile kaum aufbrechen64. So las der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer aus den Worten, mit denen Adenauer die Einrichtung des Ministeriums begründet hatte, den Versuch einer Förderung des Familiensinns „durch eine Art von moralischer Aufrüstung“65. Er bezweifelte die Erfolgsaussichten des Ministeriums und wies auf die Notwendigkeit hin, die Krise der Familie vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen zu sehen. Die Umsetzung des Gleichheitsgebots als Reaktion auf die veränderte Stellung der (verheirateten) Frau in der Gesellschaft nannte er als wichtigste Maßnahme und forderte zur notwendigen Stärkung der Familie in erster Linie Wohnungen für junge Ehepaare, eine Förderung der Familiengründung, Kinderbeihilfen und mehr Kindergärten. Auch die FDP sah der Arbeit des Ministeriums und besonders des Ministers66 eher skeptisch entgegen; rund ein halbes Jahr nach dessen Einrichtung lehnte die – zur Regierungskoalition gehörende – FDP-Fraktion des Bundestags mehrheitlich seinen Haushalt ab67. Es wird die Vorbehalte von Linken und Liberalen nur weiter bestätigt haben, dass Wuermeling selbst die Kirche als seinen „besten und wichtigsten Mitstreiter“ im Blick auf die notwendige, aber vom Staat nicht leistbare „innere, ethische Erneuerung vieler Familien“ bezeichnete68 und intensiven Kontakt und 63

Vgl. z. B. R. TÜNGEL, Abraham, in: Die Zeit, 18. 2. 1954. Vgl. oben S. 274ff. 65 Dies und das Folgende aus der Antwort Ollenhauers auf Adenauers Regierungserklärung (VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 2. WP, 4. Sitzung, 28. u. 29. 10. 1953, S. 35–51, bes. S. 45f.). Offenbar spielte Ollenhauer hierbei auf die gleichnamige Bewegung unter der Leitung Frank Buchmans an, die sich seit ca. 1938 aus seiner sog. „Oxford-Gruppe“ entwickelt hatte und deren Ziel die „Wandlung der Völker auf der Grundlage der Wandlung des einzelnen“ war (H. H. WOLF, Art. „Moralische Aufrüstung“). 66 Wuermeling „war schon in den Debatten des Ersten Bundestages verschiedentlich mit den Liberalen zusammengestoßen“ (H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 200), seine Ernennung erfolgte deshalb „gegen den Widerstand der FDP“ (J. ARETZ, Franz-Josef Wuermeling, S. 251). 67 Die überwiegende Mehrzahl der FDP-Abgeordneten stimmte bei der dritten Lesung des Bundeshaushalts 1954 einem SPD-Antrag zu, den Etat des Familienministeriums zu streichen. Der Antrag wurde zwar mehrheitlich abgelehnt, aber nur drei FDP-Abgeordnete hatten für den Etat votiert. Hintergrund war eine Äußerung Wuermelings gewesen, der die FDP als „liberale Meute“ bezeichnet hatte (vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 5. 5. 1954 [Sonderausgabe, S. 1139]). Die Auseinandersetzungen mit dem katholisch-konservativen Flügel der CDU/CSU, zeitweilig von der FDP gern als Profilierungschance genutzt, sollten 1955/56 wesentlich zum Zerfall der Koalition beitragen (vgl. H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 200f.). 68 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 2. WP, 13. Sitzung, 5. 2. 1954, S. 398. 64

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Austausch mit den konfessionell-christlichen Familienverbänden, besonders mit dem gerade gegründeten „Familienbund der Deutschen Katholiken“ pflegte69. Die Forderungen dieser Verbände deckten sich weitestgehend mit den ersten programmatischen Erklärungen des Ministeriums70, so dass beiden eine recht enge Zusammenarbeit nahe lag. Den Verbänden bot sie die Möglichkeit, ihre Vorstellungen direkt in das Kabinett zu transportieren, während Wuermeling dem Kabinett gegenüber mit dem großen Einfluss und Rückhalt der mitgliederstarken Verbände argumentieren konnte, um seinen eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen71 – schließlich betätigte sich vor allem der Familienbund der Deutschen Katholiken schon 1953, besonders aber 1957 offen als Wahlkampfhelfer von CDU und CSU72. Im 12-köpfigen „Wissenschaftlichen Familienbeirat“ des Ministeriums, der am 29. Oktober 1954 zur Unterstützung seiner Arbeit konstituiert wurde, hatten die Vorsitzenden der Familienverbände einen festen Sitz73. 69 „Der Familienminister erklärte sich bereit, durchschnittlich einmal pro Monat auf einer Veranstaltung im Rahmen des Familienbundes ein Referat zu übernehmen“ (L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 474). Zum Familienbund vgl. dessen Festschrift STIMME DER FAMILIEN, zu den Familienverbänden im Ganzen vgl. CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 125–135. 70 Schon kurz nach der Wahl hatten beide große Verbände dem Ministerium Unterstützung signalisiert (vgl. EvW 7, 1953, S. 644f.). Das „Sonntagsblatt“ bezeichnete die Familienverbände, und insbesondere den „Familienbund deutscher Katholiken“, dessen Ehrenpräsident Konrad Adenauer war, als „eigentliches Fundament“ der Arbeit des Ministers (vgl. Art. „Die Mobilmachung für die Familien. Was steht hinter dem Familienminister und was steht gegen ihn?“, in: Sbl., Nr. 15, 11. 4. 1954). Gemeinsame Forderungen waren: familiengerechter Wohnungsbau, Verbesserung des Familieneinkommens, Kinderzuschläge zur Rente, hohe Steuerfreibeträge für Familien mit Kindern, Tarifermäßigungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln, Ausbau von Familienferien und Müttererholungen, eine Verschärfung des Scheidungsrechts und die Förderung kirchlicher Eheberatungsarbeit (vgl. L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 473f.; I. GERLACH, Familie, S. 190; STIMME DER FAMILIEN, S. 26). Sehr ähnlich waren auch die familienpolitischen Forderungen, die auf evangelischer Seite beispielsweise vom Sozialreferenten der Evangelischen Kirche im Rheinland, Martin Donath, erhoben wurden (M. DONATH, Bundestag). Vgl. auch die „Ziele der Familienpolitik“, wie sie Hansjürg Ranke in seinem EKL-Artikel aus dem Jahre 1956 formulierte (H. RANKE, Art. „Familienpolitik, Familienverbände“, bes. Sp. 1264f.; vgl. DERS., Familie). Eine Eingabe der im Herbst 1953 gegründeten Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen zum Thema „Große Steuerreform“ kommentierte Osterloh im Auftrag Wuermelings: „Mit Genugtuung stelle ich fest, dass die von Ihnen erhobenen Forderungen sich nahezu vollständig mit den Vorschlägen decken, für deren Verwirklichung auch ich mich einsetze“ (Brief-Entwurf Osterlohs an die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, Az. Y-B 18/54, 25. 2. 1954, in: BA KOBLENZ, B 153/791, 4). 71 Vgl. L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 473, 478. 72 Vgl. EBD., S. 477f. 73 Die Aufgaben dieses Beirates sind beschrieben im – auf Osterloh zurückgehenden – Abschnitt über das Familienministerium aus dem Tätigkeitsbericht der Bundesregierung für 1954: DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 346. Vgl. J. AKRAMI-GÖHREN, Familienpolitik, S. 261f.; L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 474. Im „Sonntagsblatt“ war ein solcher Beirat schon unmittelbar nach Einrichtung des Ministeriums angeregt worden: „Dafür wäre zu erwägen, für den Start des neuen Ministeriums eine außerparlamentarische, ratgebende Körperschaft zu schaffen. Hier könnten die Vertreter der Frauenund Familienverbände, der Kirchen, der Gewerkschaften, der Ärzteschaft, der Juristen unmittelbar in

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Auch Osterloh als evangelischer Stellvertreter des Ministers erhielt gewichtige kirchennahe Rückendeckung, besonders durch das von Hanns Lilje herausgegebene „Sonntagsblatt“. Lilje selbst schrieb kurz nach Osterlohs Amtsantritt einen Aufsatz über die Situation der Familie, dessen Schlusssatz ganz in der Linie von Osterlohs vorsichtiger erster Aussage über seine künftigen Aufgaben74 stand: „Unter solchen Voraussetzungen hat es seinen Sinn, in nüchterner, fleißiger, verantwortungsvoller Arbeit über die Voraussetzungen nachzudenken, unter denen in der heutigen staatlichen Ordnung der Familie der Lebensraum geschaffen werden kann, der ihr gebührt.“75 Wenig später folgte in der Rubrik „Das Porträt“ fast schon eine Eloge auf den „Stellvertreter des Ministers“: „Die Gestalt: kräftig, aber nicht schwer. Das Temperament: besonnen, aber mit Leidenschaft. Der Blick: offen, aber präzis abwägend.“ Nach einer kurzen Skizze seiner bisherigen Laufbahn schließlich der Ausblick: „Im Januar dieses Jahres wird der erst Fünfundvierzigjährige in das neue Ministerium für Familienfragen abgeordnet, wo er in der herausgehobenen Stellung eines Stellvertreters des Ministers fungiert. Als Vater einer reichen Kinderschar besitzt er für diese Stellung die beste Vorbildung. Kein Zweifel, daß er auf diesem Gebiet seinen Mann stehen wird, zäh, geduldig und unerschrocken.“76

1953 bis 1955 erschienen im „Sonntagsblatt“ zur Familien-Thematik vor allem Artikel, die das Ministeriums und seine Initiativen ausgesprochen positiv beurteilten77, und man bot Osterloh fortwährend die Möglichkeit, seine Gedanken in Artikeln zu publizieren78. Schließlich war es Axel Seeberg, der ihn kurz vor seinem Wechsel in das schleswig-holsteinische Kabinett im „Sonntagsblatt“ für höhere Aufgaben empfahl79. In sonderbarem Kontrast zu der weit überwiegenden Zustimmung zu einem Familienministerium aus Kirchenkreisen steht die Mahnung Helmut Schelskys, der gegen das neue Ministerium vorbrachte, der Staat überschreite hier seine Grenzen, eine „staatliche Propagierung und Betreuung der Familie“ verstoße gegen „den wesentlichsten Charakterzug dieser Einrichtung: gegen ihre Privatheit die politische Verantwortung gezogen werden“ (Art. „Der Staat ist für die Familie da!“, in: Sbl., Nr. 45, 8. 11. 1953). 74 Vgl. oben S. 359. 75 H. LILJE, Zerfall, in: Sbl., Nr. 6, 7. 2. 1954, S. 24. 76 Sbl., Nr. 10, 7. 3. 1954. 77 Vgl. die Artt. „Der Staat ist für die Familie da!“ (Sbl., Nr. 45, 8. 11. 1953); „Die Mobilmachung für die Familien. Was steht hinter dem Familienminister und was steht gegen ihn?“ (Nr. 15, 11. 4. 1954); „Nicht Schutz, sondern Förderung der Familie!“ (Nr. 27, 4. 7. 1954). 78 Vgl. E. OSTERLOH, Familienpolitik in evangelischer Sicht (1954); DERS., Sorge (1955); DERS., Sozialreform und Familienlastenausgleich (1955). 79 „Manche meinen, daß Ministerialdirektor Osterloh über seine Beamtentätigkeit hinausgewachsen sei und eigentlich in das Kabinett gehöre“ (A. SEEBERG, Personalpolitik).

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und Intimität“. Er sah darin eine „Neigung, die man schwerlich anders als mit dem Begriff des Totalitären bezeichnen kann“, zumal der Staat damit kirchliche, genauer seelsorgerliche Aufgaben übernehme80. Neben der eher ideologisch motivierten Kritik gab es auch Vorbehalte gegen das neue Ministerium, die sich daran entzündeten, dass ein Ministerium für einen Bereich geschaffen wurde, der viele andere Politikfelder mitberühre und daher nur von allen gemeinsam bearbeitet werden könne81. Diesen Vorwurf wirkungsvoll zu entkräften, war wegen der fehlenden eigenen Gesetzgebungskompetenz zunächst nahezu unmöglich. Selbst das zentrale Gebiet der Kindergeldgesetzgebung blieb bis zum 31. Januar 1966 beim Bundesarbeitsministerium angesiedelt, die Kompetenz für Jugendfragen gab das Innenministerium erst am 27. Oktober 1957 ab82. In der Zeit von Osterlohs Tätigkeit war das Familienministerium also wenig mehr als eine Art Koordinierungsstelle für die Familie betreffende Fragen und Gesetze, die bestenfalls ein Problembewusstsein in Kabinett, Politik und Öffentlichkeit herstellen konnte83. In dieser Situation gab die griffige, ihm Popularität sichernde, dabei aber teils missverständliche Ausdrucksweise Minister Wuermelings Anlass zu Häme und Spott vor allem in den eher im linken Spektrum angesiedelten Medien. Wuermelings Kampf gegen „Schmutz und Schund“, für die „Eindämmung unsittlicher

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H. SCHELSKY, Staat. Dass Schelsky mit dieser Kritik nicht völlig allein stand, zeigt das Beispiel des Kardinals Josef Wendel, von dem Franz Josef Strauß berichtet, er habe in diesem Sinne gegen die Einrichtung eines Ministeriums für Familienfragen argumentiert (vgl. F. J. STRAUSS, Erinnerungen, S. 211). Ähnlich: R. STROBEL, Familienminister. Dass diese Kritik andererseits doch ins Leere lief, zeigt sich daran, dass Schelsky selbst davon ausging, ein „Sonderminister“ für die „Koordinationsaufgabe gegenüber den familienpolitischen Entscheidungen der Fachminister“ sei „sachlich berechtigt“ (H. SCHELSKY, Staat). Wie im Folgenden dargelegt wird, war das Familienministerium – zumindest in der Zeit Osterlohs – mit keinen weitergehenden als solchen Koordinierungskompetenzen ausgestattet. 81 „Außerhalb der CDU allerdings ist sich in Bonn eine Mehrheit nach wie vor darüber einig, daß einer Intensivierung der Adenauerschen Familienpolitik durch die bisherigen Ressorts in den verschiedenen Ministerien (z. B. Frauenreferat im Innenministerium) keine Grenzen gesetzt wären“ (Art. „Der Wille zum Kind“, in: Der Spiegel, Nr. 45, 4. 11. 1953). Finanzminister Fritz Schäffer hatte allgemein aus Kostengründen Bedenken gegen die Bildung neuer Ministerien angemeldet (vgl. die Rubrik „7 Tage Innenpolitik“, in: Sbl., Nr. 43, 25. 10. 1953; vgl. auch I. GERLACH, Familie, S. 188; A. JOOSTEN, Frau, S. 28f. 82 Vgl. die Vorbemerkung zum Findbuch des Bestandes im Bundesarchiv (BA KOBLENZ, B 153). 83 Wie „Der Spiegel“ berichtete, wurde der Auftritt Wuermelings bei der Vereidigung der Minister, zu der er mit einer „prall gefüllten Aktentasche“ erschienen war, spöttisch dahingehend kommentiert, dass diese Tasche die Akten seines ganzen Ministeriums enthalte (Art. „Staub zum Wirbeln“, in: Der Spiegel, Nr. 44, 28. 10. 1953). – Im Tätigkeitsbericht für 1954 hieß es, die Mitarbeiter des Ministeriums hätten „in der Hauptsache koordinierende und korreferierende Aufgaben in der Zusammenarbeit mit den Fachressorts, bei denen jeweils die Federführung für Gesetzgebungs- und Verwaltungsarbeit liegt in allen die Familie berührenden Fragen“ (DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 341; vgl. auch: I. GERLACH, Familie, S. 191.

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Einflüsse in den Kinos“ und für eine Verschärfung des Scheidungsrechts84 boten hier zahlreiche Ansatzmöglichkeiten85. Beispielsweise forderte er am 30. Januar 1954 eine „Volkszensur“, um sittlich bedenkliche Filme zu verhindern, da die Einrichtung der „Freiwilligen Selbstkontrolle des Films“ dafür nicht ausreiche. In der daraufhin durch eine Große Anfrage der SPD ausgelösten Bundestagsdebatte vom 2. April musste Innenminister Gerhard Schröder klarstellen, Wuermeling habe nicht an eine behördliche Zensur gedacht, sondern die Bürger zur Kritik ermuntern wollen, also eine Art Abstimmung „an der Kino-Kasse“ gemeint86. Während der Bundestagsdebatte über die Anpassung der Rechtsprechung des BGB an den Gleichberechtigungsartikel hatte Wuermeling am 12. Februar 1954 als eine Folge der völligen Gleichberechtigung Zustände wie in der SBZ/DDR heraufbeschworen, in der Frauen dann auch im Kohlen- und Uranbergwerk zu arbeiten hätten87. Und Äußerungen wie: „Millionen innerlich gesunder Familien mit rechtschaffen erzogenen Kindern sind als Sicherung gegen die drohende Gefahr der kinderreichen Völker des Ostens mindestens so wichtig wie alle militärische Sicherung“88, oder: „Wenn schon unsere Auffassung von der Unauflöslichkeit der Ehe keine gesetzliche Anerkennung mehr finden kann, so wollen wir doch alles versuchen, um die Auflösung der wichtigsten Ordnungszelle des Staates, der Ehe und Familie, auf das geringstmögliche Maß zu beschränken“89, brachten Wuermeling die zweifelhafte Ehre ein, im „Stern“ vom 1. April 1954 Hauptperson des Aprilscherzes zu sein. Die Illustrierte berichtete in Anspielung auf nationalsozialistische Wahnideen von der Aufzucht „rassereiner“ Kinder über eine angeblich im Auftrag Wuermelings erbaute Mustersiedlung „Würmelings-

84 Vgl. A. M. BIRKE, Nation, S. 370. Die Kontroversen um den Minister spiegeln sich wider in der regen Presseberichterstattung (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Wuermeling, I-221-004/2; I-221-004/3; I-221-005). 85 Auf den Punkt brachte Wuermeling selbst die Vorwürfe, die er auf sich zog, in „drei lebhafte[n] Diskussionen“ anlässlich eines Besuches in Wilhelmshaven: „Ich bin weder ein Moralinprediger noch will ich ein Mutterkreuz stiften“ (Art. „Weder Moralin noch Mutterkreuz“, Wilhelmshavener Zeitung, 15. 2. 1955). 86 VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 2. WP, 22. Sitzung, 2. 4. 1954, S. 751. Vgl. PROTESTCHRONIK II, S. 941, 962. Auch das Wuermeling sonst wohlgesonnene „Sonntagsblatt“ sah in seinen Äußerungen zu Kunst, Literatur, Film und Theater die „größten Gefahren“ für die Anstrengungen zur Förderung der Familienpolitik und bat: „Halten Sie die Familien heraus aus solchem Streit, Herr Familienminister!“ (Art. „Die Mobilmachung für die Familien. Was steht hinter dem Familienminister und was steht gegen ihn?“, in: Sbl., Nr. 15, 11. 4. 1954; vgl. W. WILKEN, Familie). 87 Vgl. VERHANDLUNGEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 2. WP, 15. Sitzung, 12. 2. 1954, S. 473–516, hier: S. 493. Vgl. dazu: I. LANGER, Konsequenz, S. 265–269; H. DRUMMER/J. ZWILLING, Elisabeth Schwarzhaupt, S. 83. 88 F.-J. WUERMELING, Das muß geschehen!, in: Kirchen-Zeitung (Köln), 6. 12. 1953 (zit. nach I. LANGER, Familienpolitik, S. 298). 89 EBD. – Weitere Beispiele bei J. ARETZ, Franz-Josef Wuermeling, S. 252.

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born“, in der die verschiedenen Vorschläge des Ministeriums erprobt würden, bevor man sie der Öffentlichkeit vorstellt90. Schließlich fehlte der Arbeit des Ministeriums aber auch die volle politische Rückendeckung, derer es unter den beschriebenen Bedingungen umso nötiger bedurft hätte. Gegenüber den Angriffen der politischen Gegner blieben Wuermeling und sein Ministerium aufgrund der – wohl nicht zuletzt den Interventionen der Familienverbände zu verdankenden – Unterstützung Adenauers und der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse zwar ungefährdet. Doch wenn man auf die praktische Arbeit blickt, auf die Umsetzung des im Wahlkampf Versprochenen, kann man sich des Verdachtes kaum erwehren, dass – zumindest in den Anfangsjahren – die Arbeit des Ministeriums in erster Linie die Wünsche einer bestimmten Wählerklientel zufrieden stellen sollte, dabei aber auf keinen Fall hohe Kosten verursachen durfte. Ein Gesamtkonzept war zunächst kaum zu erkennen und konnte unter den gegebenen Umständen vom Ministerium auch gar nicht geleistet werden91. Kennzeichnend dafür, welches Interesse die Familienpolitik im Kabinett der zweiten Legislaturperiode wirklich fand, ist an deren Ende „die ständige Verschiebung und schließlich die Absetzung eines Grundsatzreferates des Bundesministers für Familienfragen von der Tagesordnung der Kabinettssitzungen“92. Die Folgen dieses Desinteresses kann man selbst in den Tätigkeitsberichten des Familienministeriums für 1954 und 195593 erkennen, denen man eine die Arbeit des Ministeriums negativ verzerrende Tendenz nun wirklich nicht un90 Der Stern, 1. 4. 1954. – Zu den „Leitbilder[n] Wuermelingscher Familienpolitik“ vgl. ausführlich A. JOOSTEN, Frau, S. 37–46. Die Autorin versäumt jedoch, die von ihr angeprangerte Haltung des Ministers historisch einzuordnen, etwa durch einen Blick auf das damals (noch) vorherrschende moralischethisch-„sittliche“ Empfinden und seine Auswirkungen auf das allgemein als gültig und erstrebenswert anerkannte Bild von Familie, für dessen Ausprägung Wuermeling mitnichten allein verantwortlich gemacht werden kann (vgl. z. B. M. NIEHUSS, Kontinuität, S. 323, 326ff., 334). 91 Noch 1964 klagte man auf einer Arbeitstagung des Zentralkomitees Deutscher Katholiken zum Thema „Wege künftiger Familienpolitik“, die Bundesregierung habe nicht erreicht, „daß ihre Ressorts ein mit der Sozialpolitik koordiniertes familienpolitisches Programm im Sinne einer gesellschaftspolitischen Konzeption entwickelten“ (zit. nach: M. WINGEN, Familienpolitik, S. 10; vgl. EBD., S. 8–11). 92 KABINETTSPROTOKOLLE, Bd. 10, S. 31. Wuermeling hatte mit Datum vom 12. 12. 1956 eine Kurzdenkschrift zu den sozialen, ethischen und wirtschaftlichen Ursachen des Geburtenrückgangs erstellt und diese am 23. 1. 1957 dem Kabinett vorgelegt. Adenauer bat ihn in der Kabinettssitzung, diese Denkschrift zu einem Grundsatzreferat zu erweitern und wieder vorzulegen (vgl. EBD., S. 118). Diese neue Kabinettsvorlage vom 17. 4. (Text: BA KOBLENZ, B 153/2709) war im Kabinett mehrfach Tagesordnungspunkt, wurde aber im ganzen Jahr nicht mehr behandelt (vgl. KABINETTSPROTOKOLLE, Bd. 10, S. 118, Anm. 14). 93 Diese Berichte erschienen in DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954 bzw. 1955, dem damaligen Tätigkeitsbericht der Bundesregierung. Erhaltene Vorversionen des Tätigkeitsberichts für 1954 sind mit dem Namen Osterlohs gekennzeichnet (BA KOBLENZ, B 153/405), der Abdruck jedoch nicht, weshalb eine Aufnahme in die Bibliographie Osterlohs nicht erfolgte.

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terstellen kann. Auch hier sind deutlich mehr Pläne, Wünsche und im Gesetzgebungsverfahren befindliche Vorhaben beschrieben als abgeschlossene Regelungen: Durchgesetzt wurde an erster Stelle das „Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen (Kindergeldgesetz)“ vom 13. November 195494. In ihm war ein Kindergeld von 25 DM für das dritte und jedes weitere Kind von Arbeitnehmern, Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen in der privaten Wirtschaft vorgesehen, das allein von der Wirtschaft aufgebracht und an Familienausgleichskassen abgeführt wurde, um eine staatliche Zuständigkeit – wie sie von der SPD gefordert wurde95 – auszuschließen96. Dieses Gesetz war zwar in seiner Notwendigkeit an und für sich unumstritten97 und schon seit Jahren in der Diskussion gewesen98, in seiner Ausführung aber dennoch so mangelhaft99, dass es allein innerhalb der nächsten drei Jahre noch drei Novellen erfuhr: Das Kindergeldanpassungsgesetz vom 7. Januar 1955100, das die Leistungen sinngemäß auf die Sozialversiche94 BUNDESGESETZBLATT 1954, Teil I, S. 333–340. – Vgl. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 342f.; 1955, S. 401f.; D. NELLESSEN-STRAUCH, Kampf, S. 91–164. 95 Die SPD hatte in ihrem Gesetzentwurf eine allgemeine Kinderbeihilfe ab dem ersten Kind für alle Erwerbstätigen gefordert, auch wenn diese infolge von Krankheit, Berufsunfähigkeit, Krankheit, Streik o. ä. ohne eigenes Einkommen waren. Vgl. E. EILERS/M. SCHANZENBACH, Nachkriegsgeschichte, S. 234; J. FRERICH/M. FREY, Handbuch, Bd. 3, S. 115; V. HENTSCHEL, Geschichte, S. 203. 96 Osterloh hatte im Tätigkeitsbericht für 1954 diesen Ausschluss staatlicher Leistungen einmal unter Hinweis auf den angespannten Bundeshaushalt, aber vor allem mit Bedenken grundsätzlicher Art begründet: Kindergeld dürfe nicht als „Fürsorge ‚für die armen Leute mit den vielen Kindern‘“, sondern müsse „eindeutig als Akt staatspolitischer Gerechtigkeit“ erscheinen (DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 342). Vgl. L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 494–498; J. AKRAMI-GÖHREN, Familienpolitik, S. 285. 97 Die Benachteiligung von Familien mit vielen Kindern in einem Wirtschaftssystem, in dem der Verdienst in aller Regel von einem Familienmitglied in lohnabhängiger Beschäftigung erwirtschaftet werden musste, war offenkundig und wurde bis 1945 durch steuerliche Vergünstigungen und ein Kindergeld ab dem dritten Kind gemildert. Deren Verhaftung mit nationalsozialistischer Ideologie und Bevölkerungspolitik führte zu einem Verbot dieser Regelungen durch die Alliierten. Die gravierenden Auswirkungen dieses Verbots auf die finanzielle Lage kinderreicher Familien waren 1954 noch nicht wieder ausgeglichen (vgl. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 342; J. FRERICH/M. FREY, Handbuch, Bd. 3, S. 115; V. HENTSCHEL, Geschichte, S. 202; B. FIX, Religion, S. 85f.; STIMME DER FAMILIEN, S. 20). Die grundsätzliche Übereinstimmung von Regierung, Kirchen, Gewerkschaften und Opposition betonen R. G. MOELLER, Motherhood, S. 115f., 126, 129; L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 494. 98 Die sich seit 1951 hinziehenden Beratungen sind dokumentiert in: BA KOBLENZ, B 153/735 (Gesetzesentwürfe) und 736 (Ausschussberatungen). Vgl. R. G. MOELLER, Motherhood, S. 109–117; K.-J. RUHL, Unterordnung, S. 162–176; J. FRERICH/M. FREY, Handbuch, S. 115f. 99 E. EILERS/M. SCHANZENBACH, Nachkriegsgeschichte, S. 234, greifen eine Aussage des SPD-Sozialpolitikers Ludwig Preller auf, in der er das erste Kindergeldgesetz kritisierte als „das schlechteste Gesetz […], das je vor den Bundestag gekommen sei“. Auch Volker Hentschel kommentiert: „Wenige sozialpolitische Gesetze haben schneller ihre praktische Unzuträglichkeit und Revisionsbedürftigkeit erwiesen. Daher kam die weitere Geschichte des Kindergeldes der stückweisen, zwei Jahrzehnte währenden Durchsetzung des ursprünglichen SPD-Entwurfs gleich“ (V. HENTSCHEL, Geschichte, S. 203). 100 BUNDESGESETZBLATT 1955, Teil I, S. 17–22. Vgl. D. NELLESSEN-STRAUCH, Kampf, S. 165–168.

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rungen und die Kriegsopferversorgung übertrug, das Kindergeldergänzungsgesetz vom 23. Dezember 1955101, das die Lücken im Personenkreis der Empfangsberechtigten schloss, und schließlich die Neufassung des Kindergeldrechtes vom 27. Juli 1957102, in der die Zahlung für das dritte Kind auf 30 DM erhöht wurde103. Weiter erwähnt der Bericht für 1954 die Erhöhung der Freibeträge für Kinder im Zuge der Steuerreform vom 16. Dezember 1954104 sowie die Erhöhung der Kinderzulagen bei der Unterhaltshilfe im Rahmen des Lastenausgleichs105 und weist in beiden Fällen auf die Mitwirkung des Familienministeriums hin. Konkrete Maßnahmen werden nicht genannt, alle weiteren Vorhaben: das „Bemühen […], jungen Ehen durch steuerliche Abzugsfähigkeit der Kosten für Beschaffung des Hausrats zu helfen“, die „Einführung eines familiengerechten Verkehrstarifes“ oder der „familiengerechte Wohnungsbau“ haben laut Bericht „leider keinen Erfolg gehabt“, nur zu „bescheidenen Teilergebnissen“ geführt oder werden als „zur Zeit noch im Gange“ bezeichnet106. Kann man diese durchwachsene Bilanz noch darauf zurückführen, dass das neue Ministerium bis ins Frühjahr 1954 hinein auch organisatorisch erst aufgebaut werden musste, und seine Mitarbeiter sich erst recht in ihre Aufgaben hineinzufinden hatten107, ist dies sicher keine hinreichende Erklärung mehr dafür, dass der Tätigkeitsbericht für das Jahr 1955108 im Wesentlichen das gleiche Bild bietet: einem erneuten Rekurs auf das Kindergeldgesetz und seine erste Novelle (zuständig: das Arbeitsministerium) folgt eine breite Darstellung über die finanziellen Vorteile, welche die schon im Jahr zuvor als (Mit-)Erfolg für das Familienministerium verbuchte Steuerreform (zuständig: das Finanzministerium) den Familien brachte109. Ausführlich wird sodann über die Familie in der Sozialpolitik bzw. in der anstehenden Sozialreform berichtet. Außer der Nennung schon erreichter kleinerer finanzieller Verbesserungen im Rentenwesen insbesondere für Witwen110 (zuständig: das Arbeitsministerium) besteht der Abschnitt jedoch vor allem aus grundsätzlichen Erwägungen, die ein Substrat aus Wuermelings

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BUNDESGESETZBLATT 1955, Teil I, S. 841–849. Vgl. D. NELLESSEN-STRAUCH, Kampf, S. 168–176. BUNDESGESETZBLATT 1957, Teil I, S. 1061–1063. Vgl. D. NELLESSEN-STRAUCH, Kampf, S. 180–195. 103 Vgl. zum Ganzen auch: L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 489–516; J. AKRAMI-GÖHREN, Familienpolitik, S. 285ff.; CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 158–171. 104 BUNDESGESETZBLATT 1954, Teil I, S. 373–421; vgl. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 343. 105 Vgl. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 344. 106 EBD., S. 344f. Vgl. als zeitgenössische Kritik auch M. DONATH, Familie. 107 Vgl. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 341. 108 DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1955, S. 401–409. 109 Vgl. EBD., S. 401ff. 110 Vgl. EBD., S. 403. 102

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Denkschrift zum Familienlastenausgleich innerhalb der Sozialreform111 darstellen, daneben aus Forderungen, die nach Meinung des Familienministeriums zu berücksichtigen seien, und Verbesserungsvorschlägen, die „unter Mitarbeit des Bundesministeriums für Familienfragen gegenwärtig erwogen werden“112. Weiter werden Verbesserungen am zweiten Entwurf zum Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Ersten Wohnungsbaugesetzes (zuständig: das Bundeswohnungsbauministerium) angeführt, in dem die Wohnungsgrößen familiengerechter gestaltet und insgesamt dem Bau von Familienheimen Vorrang eingeräumt werden sollte113. Dieses Gesetz, das mit den genannten Änderungen ein Punkt auf der Habenseite des Bundesministeriums für Familienfragen werden sollte, war aber noch nicht verabschiedet114. Ebenfalls noch in Arbeit war das Vorhaben, einen verbilligten Tarif für kinderreiche Familien bei der Deutschen Bundesbahn durchzusetzen115. Bezeichnend für den realen Einfluss des Ministeriums in seinen Anfangsjahren kann man wohl den Umstand nennen, dass das sog. „Heiratssparen“, im Bericht für 1954 noch als ein Ersatz für die eigentlich angestrebten steuerlichen Vergünstigungen für Neuverheiratete bezeichnet, „[u]m hier wenigstens die dringendste Not abzustellen“116, nun als ein Erfolg an sich dargestellt wird. Von Steuererleichterungen ist nicht mehr die Rede, plötzlich ist aus der Notlösung eine Maßnahme geworden, die unter anderem deshalb herausgestellt wird, weil sie dem Prinzip folgt, staatlichen Einfluss so klein wie möglich zu halten: „Die Durchführung des Heiratssparens ist frei von jeder staatlichen Lenkung und liegt ausschließlich in den Händen der Sparkassen.“117 So blieben die Kindergeldgesetzgebung, Erleichterungen durch die Steuerreform und einzelne finanzielle Besserstellungen im Zuge der Sozialreform bis 111 F.-J. WUERMELING, Familienlastenausgleich. Denkschrift. Zentrale Forderung war ein aus zwei Komponenten bestehender Ausgleich, einer „vertikalen“ quer durch alle Bevölkerungsschichten in Form der Kindergeldzahlung und einer ergänzenden, schichtspezifischen, „horizontalen“ in Form von Steuerermäßigungen. Stellungnahmen dazu sind gesammelt in: BA KOBLENZ, B 153/812. Vgl. auch F.-J. WUERMELING, Um den Familienlastenausgleich; dazu: J. AKRAMI-GÖHREN, Familienpolitik, S. 131– 134. 112 Vgl. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1955, S. 403ff., Zitat: S. 405. 113 Vgl. EBD., S. 406f. Vgl. J. AKRAMI-GÖHREN, Familienpolitik, S. 329f.; I. GERLACH, Familie, S. 191; K. VON BEYME, Wohnen, S. 107. Zum ersten Wohnungsbaugesetz vgl. G. SCHULZ, Wiederaufbau, S. 175–254; J. FRERICH/M. FREY, Handbuch, Bd. 3, S. 128f. 114 Die Verabschiedung erfolgte nach kontroversen Diskussionen am 27. 6. 1956 mit den Stimmen der Regierungskoalition (BUNDESGESETZBLATT 1956, Teil I, S. 523–558). Vgl. G. Schulz, Wiederaufbau, S. 288–314; K. VON BEYME, Wohnen, S. 107; H. BRUNHÖBER, Wohnen, S. 187; R. MORSEY, Bundesrepublik, S. 47; J. FRERICH/M. FREY, Handbuch, Bd. 3, S. 130. 115 Eine entsprechende Regelung für die Deutsche Bundesbahn, vom Bundeskabinett im Dezember 1955 beschlossen, sollte am 15. 3. 1956 in Kraft treten (vgl. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1955, S. 408f.). 116 DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 344 (hier hervorgehoben). 117 DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1955, S. 408.

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Ende 1955 die einzigen konkreten Erfolge im Bereich der Familienpolitik, die aus den genannten Gründen zwar alle nicht in der Verantwortung des Familienministeriums entstanden waren, von diesem und auch speziell von Osterloh aber vehement unterstützt wurden118. In beiden Berichten wurde schließlich noch die Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums hervorgehoben, die 1954 einem breiten „Bedürfnis nach Unterrichtung über seine Ziele und Aufgaben“ entgegengekommen sei, das sich 1955 „noch verstärkt“ habe119. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass es in dieser Öffentlichkeitsarbeit vielfach noch darum ging, die Einrichtung des Ministeriums als solche zu verteidigen, es sich also zum Teil um eine Art Lobbyarbeit für den eigenen Arbeitsplatz handelte, scheint hier der eigentliche Erfolg des Bundesministeriums für Familienfragen in seinen frühen Jahren zu liegen. Ohne das Erreichte schmälern zu wollen – die Schwierigkeit der Materie wird deutlich, wenn man sich als Beispiel aus jüngster Zeit vor Augen führt, dass ein Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 1990 zur gerechteren Besteuerung von Familien auch 2004 noch nicht umgesetzt ist120 –, dürfte unstreitig sein, dass die Durchsetzung der genannten Verbesserungen für die Familien nicht zwingend eines eigenen Ministeriums bedurft hätte. Jedoch: Der Einsatz Wuermelings und auch Osterlohs in ungezählten Reden, Vorträgen, Diskussionen und Aufsätzen121 führte zum einen dazu, dass die Familienproblematik überhaupt sehr viel stärkere Beachtung fand, und trug zum anderen zu der Überzeugung bei, ein selbständiges Ministerium sei für diesen, jetzt als wichtig wahrgenommenen Bereich eben nicht überflüssig. Darauf aufbauend konnte das Bundesministerium für Familienfragen in den weiteren Jahren mehr Durchsetzungskraft entfalten und wurde 1957 mit der Übernahme der Zuständigkeit für die Jugend und nun auch eigenen Gesetzgebungskompetenzen entsprechend aufgewertet.

118

Vgl. unten S. 370–377. DEUTSCHLAND IM WIEDERAUFBAU 1954, S. 345; 1955, S. 409. 120 Eine Studie kam zu dem Ergebnis, die Familien hätten zwischen 1990 und 2002 deshalb ca. 33 Milliarden Euro zuviel an Steuern gezahlt („33 Milliarden zuviel an Steuern. Ifo-Studie: Familien benachteiligt“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30. 11. 2003). Vgl. zur weiter bestehenden Benachteiligung von Familien und den Folgen des auch daraus resultierenden Kindermangels auch den Titelbericht „Land ohne Lachen“ (Der Spiegel, Nr. 2, 5. 1. 2004, S. 38–53). 121 Zu Wuermelings Einsatz sind Pressebelege gesammelt in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Wuermeling, I-221-017; BA KOBLENZ, B 153/2. Eine Sammlung der Presseberichterstattung über Vorträge Osterlohs findet sich in seinem Nachlass (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262-006; vgl. auch unten S. 370–377). 119

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6.2.3 Osterloh als Anwalt des Ministeriums, der Familien und des christlichen Familienbildes In zahlreichen Veröffentlichungen und Reden hat Osterloh in den Jahren 1954 und 1955 die Belange seines Ministeriums vertreten und dessen Arbeit vorgestellt. Im Zentrum seines Bemühens stand zunächst die Absicht, die Berechtigung des Ministeriums für Familienfragen überhaupt zu belegen und seine Gründung zu verteidigen. Unter dem Titel „Das Bundesministerium für Familienfragen“ erschien Osterlohs wohl wichtigster Text122 dazu an prägnanter, seine künftige politische Richtung anzeigende Stelle, es war sein erster Aufsatz für die „Evangelische Verantwortung“, die monatlich erscheinenden „politischen Briefe“ des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU123. Ausgehend von einer einleitenden Bemerkung über die Bedeutung der protestantischen Familie weist Osterloh zunächst mit Hinweis auf die Aufgabenstellung des Ministeriums die Unterstellung zurück, es „sei in Wirklichkeit ein vorgeschobener Posten der Kirche Roms, um auf diesem Gebiet spezifisch römisch-katholische Pionierarbeit zu leisten“ (S. 12). Sodann ging er scharf gegen die Behauptung vor, den Familien ginge es so gut, dass sie keiner besonderen staatlichen Unterstützung bedürften: „So etwas kann nur sagen, wer keine Familie hat, wer sich nicht darum kümmert, ob unser Volk überaltert und schließlich abstirbt, wer keine Ahnung hat von Steuertarifen, indirekten Steuern, sozialem Wohnungsbau, Eheund Güterrecht“ (S. 13). Er verwies auf die vielfältigen Maßnahmen der Nachbarländer und bezeichnete es als zunächst wichtigste Aufgabe der Mitarbeiter des Ministeriums, die „soziale, wirtschaftliche, finanzielle und steuerrechtliche, sowie die wohnungsmäßige, eheund güterrechtliche Lage der Familie in der Gegenwart zu untersuchen“, da über die Kosten des Kinderaufziehens ebenso wenig Klarheit bestehe wie über eine familiengerechte Gestaltung etwa des Steuerrechts oder des Wohnungsbaus (S. 13). Weiter ging Osterloh auf die koordinierende Funktion des Ministeriums in der Gesetzgebung und erste Erfolge dieser Tätigkeit im Rahmen der Steuerreform ein, um zuletzt den Verdacht zurückzuweisen, die „Familienpolitik“ des Ministeriums wolle die Familien politisieren, ihrer Intimität berauben oder sich in religiös-kirchliche Belange einmischen: „Es [das Ministerium, P.Z.] kennt […] seine Grenzen sowohl auf kulturpolitischem als erst recht auf religiös-kirchlichem Gebiet. Seine Arbeit dient der Familie ohne Rücksicht auf ihr religiöses Bekenntnis. Das Ministerium treibt weder eine katholische noch eine evangelische Familienpolitik – auch bildet es sich nicht ein, in einem allgemein christlichen Sinne eine Missionsaufgabe zu haben. Darin liegt keine Blindheit gegenüber der unvergleichlichen Bedeutung, die eine kirchliche oder eine religiös-weltanschauliche Grundhaltung für die Existenz der Familie hat. Vielmehr ergibt sich von da her die Möglichkeit eines

122

Ein Indiz für das Interesse, das dieser Text fand, sind die auszugsweisen Nachdrucke in: Kirche und Mann 7, 1954, S. 2, und in: EvW 8, 1954, S. 329. 123 E. OSTERLOH, Bundesministerium (1954). Hieraus auch die folgenden Zitate.

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nüchternen, bescheidenen, in der Gegenwart unbedingt notwendigen Dienstes am Ganzen und an der Zukunft unserer Nation“ (S. 14).

Auch in seine weiteren Stellungnahmen in Presse, Rundfunk und auf Versammlungen ließ Osterloh, die Argumente dieses Textes variierend, immer wieder einfließen, wie wichtig ein eigenes Ministerium für Familienfragen sei, und verteidigte es gegen die verschiedensten Unterstellungen124. Neben diese Art von „Verteidigungsschriften“ traten alsbald Erwägungen zur Stellung der Familie in der Gesellschaft: „Es ist in den letzten Jahrzehnten rein vom wirtschaftlichen her immer schwerer geworden, mehrere Kinder großzuziehen und dabei zugleich doch einigermaßen so zu leben, wie ‚man‘ heutzutage eben allgemein mit größeren Ansprüchen als früher lebt. Das fast zum Dogma erhobene Prinzip des Leistungslohnes hat eben auch die Folge, daß der Familienvater mit 3 oder 5 Kindern nicht mehr Geld verdient als sein lediger Kollege. Die bisherige Berücksichtigung des Familienstandes und der Kinderzahl bei der Steuerveranlagung reicht auch nicht annähernd aus, um die Mehrbelastung von Verheirateten mit Kindern gegenüber dem Ledigen auszugleichen. Dazu kommt, daß der vielköpfige Haushalt bereits bei der Deckung seines unvermeidlichen Bedarfs […] einen unverhältnismäßig höheren Teil an indirekten Steuern für den Staat leistet […]. Ferner kommen dazu die heute immer noch keineswegs überwundenen Schwierigkeiten, für eine Familie mit mehreren Kindern eine entsprechende Wohnung zu bekommen und zu bezahlen.“125

Gegen diesen Befund einer tendenziell familienfeindlichen Gesellschaft stellte Osterloh im gleichen Text ihren Nutzen für diese Gesellschaft: „Eine gesunde Familie mit mehreren Kindern ist nicht nur ein Hort des Friedens und die größte Möglichkeit für das Glück oder wenigstens doch die Zufriedenheit der 124 Vgl. z. B. E. OSTERLOH, Familienpolitik in evangelischer Sicht (1954), wo er zunächst auf die Koordinierungsfunktion des Familienministeriums und seine Rolle bei der Beschaffung gesicherten Zahlenmaterials abhebt und dann auf den Vorwurf eingeht, das Ministerium diene parteipolitischen Zwecken: „Die geradezu perfide Verdächtigung, das Familienministerium habe in Wirklichkeit gar nicht die Aufgabe, etwas für die Festigung der Familie zu leisten, sondern solle tatsächlich nur Propaganda für die gegenwärtige Regierungskoalition machen, kann nur dadurch gegenstandslos werden, daß die von diesem Ministerium geleistete Arbeit und die von ihm mit herbeigeführten gesetzgeberischen Maßnahmen von jeder parteipolitischen Färbung freibleiben.“ (vgl. auch DERS., Belange [Typoskripte]). Für wie wichtig diese Beiträge gehalten wurden, zeigt sich darin, dass auch Gertrud Osterloh einen Text beisteuerte, in dem sie aufzeigt, wie sehr der Staat, die Familien ohne Kinder und die Ledigen auf kinderreiche Familien angewiesen sind, weshalb es nur recht und billig sei, wenn der Staat ihnen die Bewältigung des Alltags erleichtere. Die Einrichtung des Ministeriums, dessen bisherige Leistungen, Ansätze und Vorschläge abschließend von ihr skizziert werden, sei ein wichtiger Schritt zur Erfüllung dieser Aufgabe (DIES., Warum ein Familienministerium? [Typoskript, 5 S., DIN A 4, oben auf S. 1 handschriftlich notiert: „Verf.: Frau Osterloh/Juli 54“; ein Exemplar in: ACDP ST. AUGUSTIN, I-262-003]. Ein Abdruck ließ sich nicht ermitteln). 125 E. OSTERLOH, Familienpolitik heute (1954), S. 722.

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Familienglieder; sie ist zugleich auch die tragende Grundlage für die soziale Sicherheit und die Zukunft unseres Volkes überhaupt.“126

Aus beidem leitete er die Notwendigkeit ab, die Familien wirtschaftlich, juristisch, sozial und wohnungspolitisch zu stärken127, wobei Osterloh den Schwerpunkt zunächst auf den wirtschaftlichen Akzent legte: „Im Rahmen der Bundesrepublik braucht die Familienpolitik den Vorwurf, sie sei materialistisch ausgerichtet, nicht zu scheuen, denn die Familie kann nicht rein im Ideellen existieren, sondern bedarf in der Tat einer materiellen Grundlage.“128

Jene, die sich fragten, warum sie für den Kinderreichtum anderer bezahlen sollten, bezeichnete Osterloh nicht nur als gedankenlos, sondern auch als selbstsüchtig und kurzsichtig, und zwar mit in diesem Fall rein materiellen Argumenten, die wie vieles von dem, was Wuermeling und Osterloh damals zur Verteidigung der Familienpolitik vorbrachten, gerade heute wieder erstaunlich aktuell klingen, denn: „Wer in zwanzig Jahren von ‚seiner‘ Rente leben wird, wird sie von denen erhalten, die dann die schaffende Generation sein werden – also von denen, die heute Kinder sind. Die Altersrente der jetzigen Schaffenden wird so hoch oder so niedrig sein, wie die Jahrgänge der jetzigen Kinder stark oder schwach sind. Kinder sind die zukünftigen Produzenten. Kinder sind die zukünftigen Träger der Soziallasten. Sorgt der Staat für die Kinder, so sorgt er für die kommenden Rentner. Wer Kinder aufzieht, trägt Unschätzbares zum Wohl der Gesamtheit bei.“129

Zur Absicherung gegen die genannten Vorwürfe materialistischer Ausrichtung oder parteipolitischer Instrumentalisierung der Familienpolitik beschrieb Osterloh, auf die Ergebnisse einer Erhebung des Ministeriums zurückgreifend, in einem vergleichsweise voluminösen Aufsatz130, in welcher Höhe und auf welche Art und Weise damals Familien in anderen Industrienationen, u. a. in Frankreich, Belgien, Italien, Schweden und Großbritannien finanziell unterstützt wurden:

126

EBD. Ähnlich auch: E. OSTERLOH, Erziehung (1954). Osterloh verneinte explizit irgendwelche weitergehenden Ambitionen des Ministeriums und trat erneut dem Vorwurf entgegen, das Familienministerium stehe im Dienst totalitärer, volkspädagogischer oder religiöser Vorstellungen: „Dieses Ressort hat überhaupt gar keine Möglichkeit, sich mit der geistigen, kulturellen und seelischen Situation der Familie von Amts wegen zu befassen.“ Und: „Familienpolitik hat keine schöpferischen Aufgaben, sie darf sich nur darum bemühen, schöpferische Kräfte gewähren zu lassen und vor wesensfremden Bedrohungen zu schützen“ (E. OSTERLOH, Familienpolitik in evangelischer Sicht [1954]). 128 EBD. 129 E. OSTERLOH, Was tut der Staat (1955), S. 3. 130 E. OSTERLOH, Familienpolitik. Wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen (1955). 127

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„Der Überblick zeigt, daß staatliche Maßnahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Familie mit Kindern eine internationale (aber noch nicht globale) Erscheinung sind, die nicht (wenigstens nicht entscheidend) von konfessionellen, parteipolitischen oder verfassungsrechtlichen Grundhaltungen der betreffenden Völker und Staaten abhängig ist, sondern offensichtlich mit dem Stand der durch Industrialisierung und Bürokratisierung gekennzeichneten Zivilisation eng zusammenhängt.“131

Am Beispiel Frankreichs, das in der Unterstützung von Familien an der Spitze lag und nach den Berechnungen des Ministeriums eine Kostenentlastung der Kinder aufziehenden Familien um 100% erreichte132, wehrte Osterloh die Unterstellung einer angeblichen „Bevorzugung“ der Familien ab. In Deutschland ergaben zu diesem Zeitpunkt Kindergeld und Steuererleichterungen eine finanzielle Entlastung von nur rund 30%133. Der bevölkerungspolitische Erfolg des französischen Weges, den Osterloh zwar im Ganzen für „nicht erstrebenswert“ hielt, als Gegenpol zum bisher in Deutschland Erreichten aber besonders heraushob, um zu einem „vernünftige[n] Mittelweg“ zu gelangen134, war schon damals sichtbar: „[U]nter Mitwirkung auch anderer Faktoren, auf keinen Fall jedoch ohne diese durchgreifende wirtschaftliche Hilfe für die Familie, hat das französische Volk die Bedrohung durch den Volkstod überwunden. Während das Land in den dreißiger Jahren unter einem bedenklichen Sterbeüberschuß zu leiden hatte, hat Frankreich jetzt einen als normal zu bezeichnenden Geburtenüberschuß, hinter dem die meisten europäischen Länder zurückbleiben.“135

Alle diese Argumente für die Notwendigkeit einer zunächst materiell ausgerichteten Familienpolitik bedeuteten für Osterloh keine Verleugnung seiner eigenen, christlich fundierten Ansichten über das, was Familie umfassend bedeutet. In Vorträgen und – weniger ausgeführt – auch in Aufsätzen ließ er durchaus erkennen, welche Position er hier einnahm: „[W]as den Glauben angeht, sind wir der Ansicht, alle, die wir im Ministerium sind, daß der religiöse Gehalt eines Familienlebens entscheidend ist für seine Gesundheit. Das ist wirklich unsere Meinung. Und wir sind der Meinung, daß, nachdem Jesus 131

EBD., S. 505. Vgl. EBD., S. 508ff. 133 Vgl. E. OSTERLOH, Ergebnisse (1955), S. 11. 134 EBD. 135 E. OSTERLOH, Familienpolitik. Wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen (1955), S. 510. Diese Spitzenstellung Frankreichs, das nach wie vor die Familien deutlich stärker – und nicht nur finanziell – entlastet als z. B. die Bundesrepublik Deutschland, besteht nach wie vor (vgl. C. ONNEN-ISEMANN, Familienpolitik); man kann also mit einigem Recht davon ausgehen, dass eine Politik, wie sie u. a. Wuermeling und Osterloh auch für Deutschland anmahnten, die gegenwärtigen demographisch bedingten Probleme etwa der Sozialsysteme zumindest verkleinert hätte. 132

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Christus gekommen ist, der Glaube in einer menschlichen Gemeinschaft nur Bestand hat, wenn er auf Jesus Christus gegründet ist. Es gibt keinen anderen Weg zu Gott, das ist eine Täuschung.“136

Doch auch bei solchen Gelegenheiten vergaß Osterloh nie hinzuzufügen, dass diese Ausrichtung kein Kriterium der Politik des Ministeriums sein könne: „Aber das ist unsere private, ganz persönliche Ansicht. Die Politik des Ministeriums nimmt keine Rücksicht darauf, ob die Familie, der wir helfen, römisch-katholisch, evangelisch oder aus der Kirche ausgetreten ist. Wir können mit unseren Mitteln, die wir haben, […], nicht die Verantwortung dafür übernehmen, daß Deutschland wieder zu Jesus Christus geführt wird, daß die Familien wieder zum Glauben kommen, sondern das müssen wir den Kirchen überlassen. Wir sind eine staatliche Einrichtung.“137

Hier zeigt sich der pragmatisch-konkrete Zug schon in Osterlohs damaliger politischer Praxis. Man darf vermuten und es gibt in seinen Aufsätzen und Reden genügend Belege dafür, dass sein Familienbild nicht wirklich weniger konservativ war als das Wuermelings, dass auch Osterloh einen Kampf gegen „Schmutz und Schande“, gegen solche die Grundlagen der Familie ‚zersetzende‘ Einflüsse durchaus befürwortete (wenn er auch vielleicht weniger drastische Worte gewählt hätte) und dass auch er es begrüßt hätte, einen Sinneswandel herbeizuführen und dem konservativ-christlichen Leitbild von Familie wieder zu seinem Recht zu verhelfen138. So setzte er sich angesichts des beginnenden Arbeitskräftemangels in Deutschland dafür ein, diesen eher durch Gastarbeiter auszugleichen als – wie bis dahin – durch eine verstärkte Berufstätigkeit von Müttern139. Zugleich warnte er vor den zerstörerischen Folgen einer zu groß136 E. OSTERLOH, Familienpolitik heute (Typoskripte), S. 3. Ausführlicher, aber auf die Institution der Ehe eingegrenzt: DERS., Ist eine ‚moderne‘ Ehe möglich? (1954). 137 DERS., Familienpolitik heute (Typoskripte), S. 3. 138 So erwähnte Gertrud Osterloh zwar Diskussionen zwischen Minister Wuermeling und seinem Stellvertreter, diese hatten ihren Anlass aber nicht in sich aus der Konfession ableitenden Ansichten zur Familienpolitik, sondern spielten sich auf der Ebene kirchlicher und kirchenpolitischer Praxis ab (Gespräch vom 5./6. 2. 1996). Auch Wuermelings Unterstützung für Osterloh, als dieser Jahre später wegen seiner Aussagen über das Verhältnis von Gemeinschafts- und Bekenntnisschule in den Schlagzeilen war (vgl. unten S. 460f.), zeigt, dass die von beiden nicht verleugneten Differenzen einem kollegialen Miteinander und einer gegenseitigen Wertschätzung nicht im Wege standen (vgl. beider Briefwechsel im Januar 1962 [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Wuermeling, I-221-022-C III.3]). Ein weiterer Beleg für das gute Verhältnis zwischen Wuermeling und Osterloh ist dessen Zusage, im Landtagswahlkampf 1962 in Osterlohs Wahlkreis aufzutreten (vgl. ACDP ST. AUGUSTIN, III-006-066/022). 139 Auf einer Frauentagung der Evangelischen Akademie Oldenburgs in Rastede zog Osterloh diese Konsequenz aus einer Umfrage, nach der 75% der arbeitenden Mütter den Wunsch äußerten, ihre Arbeit niederzulegen, wenn dies finanziell möglich wäre (vgl. Nord-West-Zeitung, Nr. 242, 18. 10. 1955; EvW 9, 1955, S. 651). Dies wird für Osterloh wie Wuermeling ein Argument gewesen sein, auf die Forderung nach dem Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten (Krippen, Kindergärten, Horte) zu verzichten (vgl. K. JURCZYK, Frauenarbeit, S. 103f.; I. GERLACH, Familie, S. 189).

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zügig bemessenen Freizeit der Eheleute (besonders der Frauen) in Kleinstfamilien140 und ging natürlich davon aus, dass eine Ehe untrennbar mit dem Wunsch nach gemeinsamen Kindern verbunden ist141. Schon aus Sorge um das Wohl der Kinder war er aber nicht so fundamentalistisch, Familienplanung grundsätzlich auszuschließen142. Wenn also die Wuermelingsche Art der Familienpolitik sicher mit einigem Recht als „Überzeugungstat von Idealisten“ charakterisiert wird143, wird man dieses Urteil für Osterloh übernehmen können – mit der wichtigen Korrektur allerdings, dass Osterlohs und eben auch Wuermelings „Idealismus“ in diesem Zusammenhang schlicht auf ihren christlichen Glauben zurückzuführen war. Trotzdem setzt Osterlohs Wirken und Wollen nicht hier an, nicht beim Pochen auf christlich bestimmte Werte und Gewohnheiten, sondern – vergleichsweise profan – beim Geld. Denn erstens war es offenkundig das, was den Familien da, wo es fehlte, die meisten Probleme bereitete, und zweitens war es ohne Zweifel auch das Problem, das am schnellsten und leichtesten durch Einflussnahme auf die Gesetze anderer Ministerien angegangen werden konnte. Daneben stellte Osterloh in Rechnung, dass seine Weltsicht von einer anwachsenden Minderheit nicht geteilt wurde, für die Politik zu machen aber niemand anderes zuständig war als eben das Familienministerium. Er war – wie schon bei seiner Einschätzung der wirklichen Lage der Kirche nach 1945 – Realist genug, um zu erkennen, dass die Folgen des modernen Wirtschaftslebens für die Gesellschaft

140 „Besonders die Frau in der Kleinstfamilie ist, wenn sie nicht im Berufsleben steht, häufig hilflos gegenüber der Aufgabe, ihrem Dasein mit viel Freizeit einen sie erfüllenden Sinn zu geben. Zu viel leere Freizeit ist eine schwere Belastung und Gefährdung der Ehe und untergräbt die erzieherische Autorität und Wirkung der Eltern“ (E. OSTERLOH, Arbeit [1955], S. 923). Allerdings zog Osterloh daraus und aus seiner Ablehnung einer vollen Berufstätigkeit von Müttern die Konsequenz, einen Ausbau der Halbtagsbeschäftigungsmöglichkeiten zu fordern, die er im Vergleich als das „kleinere Übel“ bezeichnete (EBD.). Im Vergleich damit, dass „bei einer Umfrage 1955 sogar 59 Prozent der Befragten ein Gesetz befürwortet hätten, das Müttern mit Kindern unter 10 Jahren die Berufsarbeit verbieten sollte“ (M. NIEHUSS, Kontinuität, S. 327), erscheint Osterlohs Position sogar noch recht moderat. 141 „Es sollte die anerkannte Regel sein, daß eine Ehe nur geschlossen wird, wenn auch der Wille zur Familiengründung, d. h. zum Kind, bei beiden Eheleuten vorhanden ist. Es ist nicht ungefährlich, den Zeitpunkt für das erste Kind vor sich her zu schieben, ‚bis die finanziellen Verhältnisse danach sind‘. Es bleibt gesund und erfreulich, wenn das erste Kind auch im ersten Jahr der Ehe erwünscht ist“ (E. OSTERLOH, Familienglück [1954], S. 3f.). 142 „Aber niemand sollte bestreiten, daß die Eheleute für die Zahl der Kinder verantwortlich sind, die sie großzuziehen haben. Auch in bewußt christlichen Kreisen sollte darum der Rat eines vertrauenswürdigen und lebenserfahrenen Arztes gesucht und nicht verschmäht werden. Man kann nicht mehr Kinder haben wollen, als man gesund großziehen und vernünftig kleiden und ausbilden kann“ (EBD., S. 4). 143 I. GERLACH, Familie, S. 193, benutzt diese Wertung als Abgrenzung der frühen Phase der Familienpolitik von der nach Wuermeling beginnenden „Verwissenschaftlichung“ von Familienpolitik unter seinem Nachfolger Bruno Heck.

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im Ganzen wie für das Zusammenleben der Familien sich nicht vom Bundesministerium für Familienfragen auf administrativem Weg würden stoppen lassen. An konkreten Maßnahmen stellte Osterloh in fast allen seinen Stellungnahmen die Kindergeldgesetzgebung und die Verbesserungen für die Familien durch die Steuerreform heraus. Er verteidigte das bisher Erreichte vehement als großen Fortschritt, ohne zu verhehlen, dass es auf lange Sicht zu größeren Entlastungen der Familien kommen müsste144. Besonderes Augenmerk legte Osterloh auf die 1955/56 anstehende Sozialreform. Er klagte den „eigentlich von ihr vorauszusetzende[n] Familienlastenausgleich“ ein, der – wie von Wuermeling gefordert, mit einer schichtenspezifischen Komponente – vor dieser Reform verwirklicht werden müsste, weil ohne eine durchgreifende Verbesserung der Situation von Familien mit mehreren Kindern jede Sozialreform zum Scheitern verurteilt wäre: „Es ist für das wirkliche Gelingen der Sozialreform bedrohlich, daß das Schlagwort Sozialreform heute bei uns populärer ist als der Begriff Familienlastenausgleich. Und es würde sich geradezu verhängnisvoll für unsere nationale Zukunft und bereits in den unmittelbar vor uns liegenden Jahrzehnten für unsere soziale Sicherheit auswirken, wenn die Bemühungen um die Sozialreform zur Folge haben würden, daß der Familienlastenausgleich in seinen bisherigen allerersten Anfängen stecken bleiben und deshalb wirkungslos verkümmern müßte. Es ist nämlich nicht möglich, den Familienlastenausgleich innerhalb der Reform der sozialen Leistungen zu realisieren, weil er die Ergänzung und Korrektur einer Entwicklung darstellt, die noch umfassender und weiterreichender die Existenz des ganzen Volkes bestimmt, als das die ‚soziale‘ Frage im herkömmlichen Wortsinn tut.“145

Schließlich finden sich auch Äußerungen Osterlohs zu einem familiengerechten Wohnungs- und Eigenheimbau, den er – den finanziellen Voraussetzungen nur wenig nachgeordnet – für unerlässlich hielt, wenn man jungen Leuten die Gründung einer Familie überhaupt ermöglichen wollte. Die im Sommer 1955 bereits im Gesetzgebungsverfahren befindliche zweite Novelle des Ersten Wohnungsbaugesetzes würde nach seinen Worten „den mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungsbau wirksam im Sinne der von den verschiedensten Seiten erhobenen familienpolitischen Forderungen beeinflussen“, ein „ausreichender Anteil der noch zu bauenden etwa drei Millionen Wohnungen“ werde so gestal-

144

U. a. forderte er in seinem an der Volkshochschule Gütersloh gehaltenen Vortrag „Deutschland, ein sterbendes Volk“ mehr Kindergeld für einen größeren Kreis von Bezugsberechtigten (vgl. Gütersloher Zeitung, 3. 2. 1955) und im gleichen Jahr in Essen Steuersenkungen für kinderreiche Familien (vgl. WAZ, 6. 10. 1955; Essener Tageblatt, 5. 10. 1955). 145 E. OSTERLOH, Sozialreform (1955).

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tet werden, „daß in ihnen nicht die Entwicklung einer gesunden Familie erstickt wird“146. Zwar blieb Osterloh nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium der Familien- und Sozialpolitik verbunden und setzte sich weiter für die Forderungen Wuermelings nach weitergehenden familienpolitischen Maßnahmen ein147, doch musste eigentlich schon 1955 jedem interessierten Beobachter klar sein, dass dieses Thema der Politik nicht das war, bei dem Osterloh bleiben wollte. Auf Dauer wollte er sich mit einer Familienpolitik der ganz kleinen Schritte, oder besser: mit den Versuchen, eine solche Familienpolitik überhaupt zu ermöglichen, nicht begnügen. Er war unzufrieden und begann, kaum dass er und seine Familie sich in Bonn eingelebt hatten148, sich erneut Gedanken um seine Zukunftsperspektiven zu machen. Ganz offenbar wollte er nun in der Politik bleiben. Einen Ruf an die Universität Hamburg hatte er wiederum abgelehnt149 und 146 Vgl. E. OSTERLOH, Sorge (1955). Zur näheren Illustration führte Osterloh aus: „In Zukunft wird nicht mehr ‚eine Wohnung, in der noch ein Kinderwagen Platz hat‘ als ‚familiengerecht‘ gelten können, sondern als ‚familienfördernd‘ nur eine Wohnung auch bei der Bezuschussung durch öffentlich Mittel anerkannt werden, wenn sie von vornherein neben dem Elternschlafzimmer wenigstens zwei Kinderschlafzimmer vorsieht“ (EBD.). 147 Am 27. 2. 1956 stellte Osterloh in Stuttgart in einem Vortrag die „freiheitlich orientierte Familienpolitik“ in der Bundesrepublik dem Verhältnis von Familie und Staat in der DDR gegenüber (vgl. epd ZA, Nr. 49, 27. 2. 1956: „Freiheitliche Familienpolitik und ihr Gegenteil“), im April 1956 hielt er auf dem Stuttgarter Bundesparteitag der CDU ein Referat über die Sozialreform (E. OSTERLOH, Sozialreform [1956]; vgl. Der Spiegel, Nr. 17, 25. 4. 1956, S. 17f.) und äußerte sich wenig später auch in einem Aufsatz zu diesem Thema (E. OSTERLOH, Grundsätze [1956]). Jahre später, in einem Brief an Gerhard Schröder vom 11. 1. 1960 mahnte Osterloh gegen den Widerstand der Mittelstandsvertreter in der Union (vgl. L. RÖLLI-ALKEMPER, Familie, S. 517f.) die Umsetzung familienpolitischer Forderungen Wuermelings an: „Ich habe die Befürchtung, daß in Bonn nicht genügend berücksichtigt wird, welche Bedeutung die familienpolitischen Maßnahmen für die Glaubwürdigkeit unserer CDU in der Bevölkerung haben.“ Und, nach einem Hinweis auf die Beliebtheit Wuermelings und dessen Unterstützung auch durch die evangelische Kirche: „Ganz abgesehen vom rein Sachlichen würde ich es als einen Akt der Selbstverstümmelung unserer Partei ansehen, wenn man der Opposition die Möglichkeit geben würde, nachzuweisen, daß die Bundesregierung dem Familienminister nicht nur verbietet, Tatsachenfeststellungen zu veröffentlichen, sondern daß sie ihm darüber hinaus jeden weiteren auch noch so bescheidenen Schritt auf dem Wege der Realisierung seiner Pläne unmöglich macht“ (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Schröder, I-483-105/1). Am Jahreswechsel 1963/64 prangerte er in einem der letzten seiner veröffentlichten Artikel nochmals Versäumnisse in der Familienpolitik an (E. OSTERLOH, Schlußlicht [1963]). 148 Die Osterlohs wohnten in der Usener Straße 19, in einer Beamtensiedlung im Bonner Stadtteil Kessenich (Auskunft G. Osterloh, Brief vom 26. 2. 1996). 149 Osterloh war von Helmut Thielicke, seit 1954 Professor in Hamburg, für die Besetzung des Lehrstuhls für Praktische Theologie vorgeschlagen worden. Die Fakultät stellte daraufhin eine Berufungsliste auf, an deren erster Stelle Edo Osterloh vorgeschlagen wurde. Im Blick auf sein gleichzeitiges Interesse am niedersächsischen Kultusministerium (vgl. unten S. 379–384) erstaunt es etwas, dass Osterloh Anfang September 1955 mit der Begründung absagte, er sei im Ministerium unabkömmlich. Nach weiteren Absagen u. a. von Wilfried Joest und Adolf Wischmann wurde schließlich zum 1. 11. 1955 Hans-Rudolf Müller-Schwefe berufen. Vgl. zum Ganzen: R. HERING, Theologie, S. 315–318.

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abgesehen von der Weiterarbeit am Biblisch-Theologischen Handwörterbuch150 war er theologisch-wissenschaftlich nicht mehr tätig151. Aber er wollte selbst gestalten können, nicht weiter in der zweiten Reihe Vorschläge mühevoll erarbeiten und begründen, die dann aufgrund übergeordneter Aspekte nicht durchsetzbar waren oder nur nach und nach durchgesetzt wurden. Darüber hinaus wird es ihn nicht unberührt gelassen haben, dass seine Äußerungen auch abseits der engeren Familienthematik und sein Auftreten vor allem im Evangelischen Arbeitskreis der Union152 ihn auch in den Augen anderer zu Höherem geeignet erscheinen ließen153. Der ihm nächste und wichtigste Politikbereich war nach wie vor die Schul- bzw. Bildungspolitik154. Aufgrund der Kompetenzverteilung in der föderalen Grundordnung der Bundesrepublik, die auf diesem Gebiet den Ländern die eindeutige Priorität sicherte, konnte eine ihn befriedigende Tätigkeit auf diesem Politikfeld eigentlich nur im Bereich der Länder liegen.

150

Die erste Auflage war 1954 komplett erschienen. Vgl. oben S. 219, Anm. 16. Seiner Frau gegenüber sprach er mehrfach davon, dass er nicht mehr in der Lage sei, wissenschaftlich so zu arbeiten, wie er es in Berlin getan hatte (Auskunft G. Osterloh, Gespräch vom 5./6. 2. 1996) 152 Vgl. unten S. 394–403. 153 Gerhard Schröder hatte sich nach dem Tode Robert Tillmanns’ Adenauer gegenüber dafür stark gemacht, gegen seine Bedenken an den Ministern ohne Geschäftsbereich festzuhalten, und Osterloh als einen geeigneten Kandidaten bezeichnet (Brief vom 6. 12. 1955, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Schröder I-483-288/1; vgl. T. OPPELLAND, Gerhard Schröder, S. 386, Anm. 562). In einem Artikel über die Nachfolge des unerwartet verstorbenen Robert Tillmanns und die Situation der Evangelischen in der Union brachte Axel Seeberg Osterloh als ministrabel ins Spiel (vgl. oben Anm. 79). Der Deutschen Zeitung erschien Osterloh als ein denkbarer Nachfolger von Tillmanns, der sich zwar „Zeit lasse“, aber: „man sollte, so heißt es, auf ihn, der noch unter 50 ist, achten“ („Wem paßt der Mantel von Ehlers? Auf der Suche nach dem prominenten Protestanten in der CDU“, Deutsche Zeitung, Nr. 24, 26. 11. 1955, S. 1f.). 154 Auch in Bonn hatte er das Thema „Schule“ nicht aus den Augen verloren. Nach einem Lebenslauf aus dem Jahre 1961 (Typoskript, 2 S., DIN A 4, in: ACDP ST. AUGUSTIN, Dokumentensammlung, Kasten 100 – Edo Osterloh; vgl. EDO OSTERLOH: BERUFUNG NACH KIEL) verfasste er in dieser Zeit den Bericht der Bundesregierung an die UNESCO über den Wiederaufbau des deutschen Schulwesens nach 1945. Es dürfte sich dabei um den Bericht handeln, den die 16. Internationale Erziehungskonferenz (Genf, 6. bis 15. 7. 1953) erörterte (vgl. BULLETIN, Nr. 141, 29. 7. 1953, S. 1195). Das Original ließ sich nicht ermitteln, aber ein Abdruck – zumindest von Teilen des Gutachtens – liegt vor in E. OSTERLOH, Entwicklung (1954): EBD., S. 84f., findet sich ein Satz, der in E. OSTERLOH, Brief (1959) als aus dem genannten Gutachten stammend zitiert wird. Daneben befasste Osterloh sich weiter mit den Problemen des evangelischen Religionsunterrichts (vgl. E. OSTERLOH, Religionsunterricht [1954]) und allgemein mit der christlichen Erziehung in Schule und Familie, z. B. in Vorträgen auf dem Westerwälder Evangelischen Kirchentag am 21. 2. 1955 (Programmheft in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262-006) und auf der Bremer Evangelischen Woche 1955 (Bericht: Weser-Kurier, Nr. 256, 3. 11. 1956, S. 6). Vgl. auch E. OSTERLOH, Die Schule und ihre Lehrer (1955). 151

Kultusminister in Niedersachsen?

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6.3 Kultusminister in Niedersachsen? „Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“155 Zwar kann man es sicher nicht als Tragödie bezeichnen, dass Osterloh später Kultusminister in Schleswig-Holstein werden sollte, und es dürfte sich dabei auch um keine weltgeschichtliche Tatsache im Sinne Hegels oder Marx’ gehandelt haben, aber eine gewisse Doppelung der Ereignisse lag auch hier vor. Nur: in Osterlohs Fall kam die Farce zuerst! Mit den Landtagswahlen vom 24. April 1955 war es in Niedersachsen zu einem Regierungswechsel gekommen. Die seit 1951 regierende Koalition aus SPD, BHE und DZP (Zentrum) hatte aufgrund der Stimmenverluste der kleineren Partner keine Mehrheit mehr erhalten. Gebildet wurde schließlich eine Vier-Parteien-Koalition aus CDU, BHE, DP und FDP, die im Landtag über 91 der 159 Mandate verfügen konnte und Heinrich Hellwege (DP) zum neuen Ministerpräsidenten wählte156. Doch schon bald gab es Turbulenzen um den von der FDP gestellten Kultusminister Leonhard Schlüter. Er war bis 1951 Vorsitzender der rechtsradikalen Deutschen Reichspartei (DRP) in Niedersachsen gewesen157 und musste nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt aufgrund zahlreicher Proteste v. a. aus dem Bereich der Universitäten sein Amt niederlegen158. Während Hellwege das Amt kommissarisch führte, zogen sich die Verhandlungen in der politisch zerrissenen FDP des Landes159 lange hin160, und schließlich tauchte Edo Osterloh als möglicher Kandidat für das Kultusministerium auf.

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K. MARX, Der achtzehnte Brumaire, S. 115. Zum Ergebnis der niedersächsischen Landtagswahlen und der darauffolgenden Koalitionsbildung vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 713ff.; Art. „Drei Entscheidungen in Niedersachsen“, in: Sbl., Nr. 18, 1. 5. 1955. 157 Zum Erfolg der DRP in Niedersachsen vgl. G. J. TRITTEL, Normalisierung, S. 643–646. 158 Aus Protest gegen die Ernennung Schlüters legten Rektor, Senat und AStA der Georg-AugustUniversität Göttingen am 26. 5. 1955 ihre Ämter nieder, was national und international für Aufsehen sorgte, zahlreiche Solidaritätsbekundungen und weitere Proteste hervorrief. Am 9. 6. nahm Hellwege den von Schlüter angebotenen Rücktritt an. Schlüter wurde später wegen der Verbreitung rechtsradikaler Schriften in der von ihm Anfang der fünfziger Jahre gegründeten Göttinger Verlagsanstalt zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Vgl. PROTESTCHRONIK II, S. 1191–1195; umfassend: H.-G. MARTEN, Ministersturz. 159 In der FDP stritten damals traditionelle „altliberale“ gegen solche Kräfte, die aus der Partei eine „nationale Opposition“ machen wollten, um das Wählerpotential in Abgrenzung von den anderen bürgerlichen Parteien ausweiten zu können (vgl. G. J. TRITTEL, Normalisierung, S. 646f.). 160 Vgl. Art. „Niedersachsen: Ungelöste Personalfragen. Langes Abwarten verursacht neue Spannungen“, in: Sbl., Nr. 33, 14. 8. 1955. 156

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Seine eigene Beteiligung an den „Verhandlungen über die Berufung eines Niedersächsischen Kultusministers“ hat Edo Osterloh in einer vertraulichen, privaten Mitteilung schriftlich festgehalten, die hier schon aufgrund der Aufschlüsse über den Ablauf solcher Verhandlungen hinter den Kulissen wiedergegeben sein soll161. Zudem vermittelt sie unmittelbare Einsicht in Osterlohs damalige parteiund kulturpolitische Position, was besonders im Blick auf sein späteres Handeln in Schleswig-Holstein aufschlussreich ist: „14. 8. 1955 In meinem Erholungsurlaub in Stromberg erreichte mich ein Brief von MdB. OkR. Cillien162, der mir mitteilte, daß Herr Ministerpräsident Hellwege den Wunsch habe, meine Zustimmung dazu zu erhalten, daß er mich der FDP als Kandidaten für das Niedersächsische Kultusministerium nenne unter der Voraussetzung, daß ich als nichtparteigebundener Fachminister gelte. Ministerpräsident Hellwege habe Cillien gebeten, das Einverständnis von Herrn Bundesminister Dr. Wuermeling grundsätzlich auch für den Fall meines Eintritts in das Niedersächsischen Kabinett herbeizuführen. 15. 8. 1955 Verhandlungen in Bonn mit MdB. Cillien und Bundesminister Dr. Wuermeling. Herr Bundesminister Dr. Wuermeling stellt das Interesse des Familienministeriums gegenüber der politischen Bedeutung einer Ergänzung des Niedersächsischen Kabinetts durch mich zurück und erklärt sich damit einverstanden, daß ich einer Einladung von Ministerpräsident Hellwege zu einem Gespräch über die Kabinetts[s]ituation in Hannover folge. Herr Cillien legt mir nahe, meine Mitgliedschaft bei der CDU, deren Ortsgruppe Bonn ich nach dem Tode von Hermann Ehlers beigetreten bin, im Fall meiner Berufung in das Niedersächsische Kultusministerium in Hannover nicht zu erneuern. 16. 8. 1955 12 Uhr bis 15 Uhr Verhandlung mit Ministerpräsident Hellwege in dessen Privatwohnung Neukirchen b/Stade im Alten Land. Ministerpräsident Hellwege gibt mir einen genauen Einblick in die Vorgänge um Schlüter und in die Verhandlungen um Erbe163, Luchtenberg164 und Schmidt165. Er, der Ministerpräsident, habe sich durch Cillien über meine bisherigen Arbeit unterrichten lassen und würde es begrüßen, wenn ich mich prinzipiell bereit erklären könnte, als Kultusminister ohne parteipolitische Bindung seinem Kabinett beizutreten. Er sei darüber unterrichtet, daß ich nach dem Tode von Hermann Ehlers Mitglied der Bonner Ortsgruppe der CDU geworden sei, habe aber trotzdem der FDP meinen Namen genannt und dabei bemerkt, ich sei par-

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ACDP ST. AUGUSTIN, I-262/006. Um des besseren Verständnisses willen werden die im zitierten Text nicht näher eingeführten Personen ausnahmsweise in den Fußnoten vorgestellt. 162 Adolf Cillien, 1950–1960 Vorsitzender der CDU in Niedersachsen; 1953–1960 MdB; 1955 Spitzenkandidat der CDU bei der niedersächsischen Landtagswahl. 163 Prof. Dr. Walter Erbe, 1952–1967 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung und des Landtages von Baden-Württemberg. 164 Prof. Dr. Paul Luchtenberg, 1950–1956 Mitglied des Bundestages, 1956–1958 Kultusminister in Nordrhein-Westfalen. 165 Nicht ermittelt.

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teipolitisch ungebunden. Ministerpräsident Hellwege bat mich, es bei dieser Lesart zu belassen und meine Mitgliedschaft bei der CDU nicht zu verlängern. Ich erklärte mich bereit, auf jede unmittelbare Verbindung mit einer politischen Partei zu verzichten, machte aber ausdrücklich darauf aufmerksam, daß ich weder innerlich noch äußerlich die Möglichkeit habe den Eindruck zu erwecken, als sei ich ein ausgesprochener Mann der FDP. Ich wies darauf hin, daß ich zwar in keiner CDUWahlversammlung je gesprochen hätte, daß ich aber immerhin auf den Jahrestagungen der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft der CDU in Wuppertal 1954 und in Worms 1955 eine Arbeitsgruppe geleitet und deren Entschließungen in öffentlichen Veranstaltungen vertreten habe. Außerdem kam im Laufe des Gesprächs die Rede auf das Problem der Privatschulen und des Elternrechtes. Ich machte darauf aufmerksam, daß ich das Elternrecht für ein unaufgebbares Anliegen halte, dessen Beachtung in der Gesetzgebung allerdings ein kompliziertes Problem sei, daß ich aber auf jeden Fall dafür eintreten müßte, das Privatschulwesen in Niedersachsen stärker als bisher auch seitens des Staates zu unterstützen. Ich wies auf die grundsätzlichen Regelungen in NordrheinWestfalen hin, die ich, abgesehen von Einzelheiten und gelegentlicher mißbräuchlicher Anwendung in der Praxis, für vorbildlich halte. Ministerpräsident Hellwege erklärte mir vor meinem Abschied, er werde wahrscheinlich noch schwierige Verhandlungen mit der FDP haben, neige aber zu der Ansicht, daß er mich im Ergebnis als Kultusminister durchsetzen könne. Er bäte mich, in Bonn zu prüfen, auf welche Weise meine Beamtenrechte bei einem Übertritt in das Niedersächsische Kabinett erhalten bleiben könnten und sagte mir zu, erforderlichenfalls an Herrn Minister von Merkatz166 und an Herrn Minister Seebohm167 wegen dieser Sache schreiben zu wollen. Ich erklärte, daß eine solche Bemühung der DP-Mitglieder des Kabinetts wahrscheinlich nicht erforderlich sein würde, daß ich allerdings keine Möglichkeit sähe nach Niedersachsen zu kommen, wenn dadurch meine Beamtenrechte verloren gehen müßten. Das Vertrauen und das Einvernehmen zwischen Herrn Ministerpräsident Hellwege und mir zeigte sich nach meinem Empfinden am stärksten darin, daß er mir auch offen von internen Schwierigkeiten des Kabinetts und von Spannungen selbst zwischen DP und CDU berichtete. Bezüglich seines Verhältnisses zur SPD stellte er auf meine Frage nicht in Abrede, daß Gespräche geführt würden. Er betonte aber, daß er durch solche Fühlungnahmen mehr die Absicht verfolge, die SPD ‚an der Leine‘ zu halten als ernsthaft daran zu denken, mit ihr eine neue Koalition zu bilden. 18. 8. 1955 Über die Verhandlungen mit Herrn Ministerpräsidenten Hellwege habe ich Herrn Minister Dr. Wuermeling und Herrn MdB. OkR. Cillien einen knappen brieflichen Bericht gegeben.

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Hans Joachim von Merkatz, 1949–1969 MdB, 1955–1962 Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats und der Länder, 1956/57 auch Bundesjustizminister, 1960/61 auch Bundesvertriebenenminister. 167 Hans-Christoph Seebohm, 1946–1948 niedersächsischer Arbeitsminister, 1949–1967 MdB, 1949–1966 Bundesverkehrsminister.

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Freitag, 26. 8. 1955 14 Uhr Anruf eines FDP-Mannes Dr. Röpke aus Braunschweig, der FDP-Landesvorsitzende in Niedersachsen, Strömer, habe zusammen mit anderen Mitgliedern der FDP-Landtagsfraktion die Absicht, mich als Fachminister seitens der FDP zu nominieren und bäte mich deshalb um eine Aussprache. Die FDP-Fraktion trete Sonnabend, den 27.8., um 15 Uhr zur entscheidenden Sitzung in Hannover zusammen. Herr Strömer habe den Wunsch, mich Sonnabend, den 27.8., um 11,30 Uhr in Hamburg im Hotel Vierjahreszeiten zu treffen und mit mir gemeinsam nach Hannover zu fahren, wo ich evtl. mit der gesamten FDP-Fraktion verhandeln könne. Ich setzte mich mit Herrn Ministerpräsidenten Hellwege in Verbindung, der es für richtig hielt, daß ich nach Hamburg führe und [mich] gegebenenfalls als Fachminister von der FDP nominieren lasse. Sonnabend, 27. 8. 1955 11,30 Uhr – 14,40 Uhr (Ankunft des F[ern]Z[uges] in Hannover) Verhandlungen zwischen Herrn Strömer und mir unter vier Augen im Hotel in Hamburg und im Zuge. Strömer erklärte mir, daß eine Reihe seiner Freunde und er die Absicht hätten, mich als Fachminister zu nominieren, wenn einige Probleme vorher mit mir geklärt werden könnten. Dabei handelte es sich um meine Stellung zum Hannoverschen Schulgesetz, zu katholischen Kulturforderungen und um mein Verhältnis zu CDU und FDP als Parteien. Ich erklärte, daß ich die Regierungserklärung von Hellwege als verbindlich ansehe und deshalb das Schulgesetz anerkenne, der kath. Minderheit müsse man m. E. in der Praxis entgegenkommen, das Elternrecht halte ich für unaufgebbar; ich sei bereit, als Minister mit der FDP-Fraktion alle Grundsatzfragen vor der endgültigen Entscheidung zu erörtern, und nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit ihr zu handeln. Als Mitglied könne ich der FDP nicht beitreten, und ich könne ihn auch nicht ermächtigen – was er mir nahe legte – zu erklären, daß ich nie besonders eng mit der CDU zusammengearbeitet habe. Ich wies ausdrücklich auf die Tagungen in Wuppertal 1954 und Worms 1955 hin. Meine Mitgliedschaft in der CDU kam nicht direkt zur Sprache. – Zu einer Aussprache mit der FDP-Fraktion sei ich erst in der Lage, wenn sie sich in einer Vorentscheidung entschlossen habe, mich als ihren Kandidaten zu nominieren. Ich würde es aber ablehnen, in irgendeinem Sinne als Bewerber zu erscheinen und mich einer einem Examen ähnlichen Situation auszusetzen. Herr Strömer erklärte abschließend, er werde mich der Fraktion zur Nominierung vorschlagen und bäte mich, im Hotel Thüringer Hof in Hannover zwischen 16 Uhr und 17 Uhr, spätestens 17 Uhr, seinen Anruf abzuwarten. 15,30 Uhr – ich setzte mich – ohne Wissen der FDP – mit Herrn Cillien in Verbindung und berichtete ihm über den Sachstand. 17,25 Uhr Anruf Strömer: Die Fraktion sei vollzählig versammelt (12 Mitglieder). Die Verhandlungen seien noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gelangt, liefen aber so, daß er mich dringend bäte, wenigstens noch bis 18,15 Uhr in Hannover zu bleiben. Er werde dann erneut anrufen und rechne damit, daß ich um 19 Uhr mit dem F[ern]Z[ug] nach Bonn zurückfahren könne. 18,12 Uhr Anruf Strömer: Die Diskussion sei sehr positiv verlaufen. Der Vorstand der FDP möchte aber noch ein Gespräch mit mir haben. Auf meine Vorhaltung hin, daß ich dann in der Nacht in Hannover bleiben und meine bereits telegraphisch in Bonn angekündigte Rückkehr verschieben müßte und dazu nur bereit sei, wenn der

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FDP-Vorstand die ernste Absicht habe, mit mir zu einem positiven und endgültigen Abschluß zu kommen, erklärte Herr Strömer mir, nachdem er bei seinen Freunden rückgefragt hatte, die von mir genannten Voraussetzungen träfen zu, und der FDPVorstand bäte mich, für 19,30 Uhr ein Zimmer im Thüringer Hof für vertrauliche Verhandlungen reservieren zu lassen. Ich bestellte das Zimmer und informierte telefonisch Herrn Cillien. 19,55 Uhr erschien Herr Strömer allein mit den Worten: ‚Im letzten Augenblick, schon beim Aufbruch, ist alles in den Eimer gegangen. Ich kann mich bei Ihnen nur sehr entschuldigen.‘ Ein Fraktionsmitglied habe den Antrag gestellt, das FDP-Mitglied Tantzen168 aus Oldenburg zu nominieren. Trotz Strömers Gegenvorstellungen sei über diesen Antrag abgestimmt worden, und er habe die knappe Mehrheit von 7 : 5 gefunden. Tantzen habe vorher erklärt, er werde sich nur bei Einmütigkeit der Fraktion nominieren lassen, sei aber nicht mehr greifbar gewesen und gelte nunmehr als Kandidat der FDP. Ich habe Herrn Strömer schallend ausgelacht und ihm nicht einen Hinweis auf die Art des Benehmens seiner Fraktion mir gegenüber erspart. Herr Strömer meinte, ich würde doch noch Kultusminister in Hannover werden, die FDP-Fraktion habe eine Fehlentscheidung getroffen. Ich habe das bezweifelt und Herrn Strömer gesagt, daß ich jedenfalls mit der FDP in Hannover nicht wieder verhandeln werde. Herr Cillien wurde noch am späten Abend von mir informiert, der seinerseits sofort Herrn Skiba169 ins Bild setzte.“

Osterlohs Darstellung wird gestützt von einem „streng vertraulichen“ „Bericht über den Besuch von Ministerpräsident Hellwege bei uns im Hause am 26. 8. 1955“ von Dr. Hans Schmidt, der allerdings auch zeigt, dass die FDPFraktion insofern keineswegs offen zu Osterloh war, als die Kandidatur Tantzen schon an diesem Tag im Gespräch war und also nicht „im letzten Augenblick“ bekannt wurde. Schmidt berichtet von diesem Gespräch, dass es sich sehr bald um die unglücklichen Vorgänge um die Besetzung des Kultusministers drehte. Hellwege kam auf Osterloh zu sprechen, der „sicherlich der sachlich am meisten befähigte Mann [sei], den er persönlich sehr gern berufen würde“. Nach dem Hinweis auf die Koalitionsvereinbarung und das Anrecht der FDP auf zwei Ministerposten äußerte Hellwege „sich sehr ungehalten darüber, dass die FDP keine vernünftigen Vorschläge mache“. Gerüchteweise habe er gehört, nun sei Ministerialrat a. D. Richard Tantzen im Gespräch. Auf seine Frage, ob dieser geeignet sei, antwortete Schmidt, „das sei indiskutabel. Nicht nur, weil Tantzen 67 Jahre alt wäre und in seinem Ressort sich zwar mit Denkmalspflege und Al168 Richard Tantzen, Jurist, 1927–1953 Ministerialrat im Oldenburgischen Staatsministerium, 1934– 1945 Mitglied des Oberverwaltungsgerichts Oldenburg (vgl. U. SUTTKA, Art. „Tantzen, Richard“). 169 Laut „Bericht über den Besuch von Herrn Ministerpräsident Hellwege …“ (Nachlass Dr. Hans Schmidt) war Skiba Staatssekretär von Ministerpräsident Hellwege.

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tertumswissenschaft beschäftigt habe, aber die eigentlichen Fragen, vor denen ein Kultusminister stände, doch niemals traktiert habe, sondern es müsse in diesen Ministerposten […] ein Mann von ganz anderem Format, zumal wenn der Staatssekretär ein Katholik sein solle.“170 Deutlich wird, wie schon hier das „richtige Parteibuch“ über die unstrittige Qualifikation zu dominieren beginnt. Zugleich zeigt das Verhalten Osterlohs, wie offen vieles in Bezug auf parteipolitische Festlegungen sein konnte, zumindest innerhalb des bürgerlichen Lagers. Schließlich gibt diese Episode auch ein anschauliches Beispiel für den damaligen Mangel an geeignetem, nicht vorbelastetem politischen Personal. Anders wäre kaum zu erklären, dass ausgerechnet FDP-Politiker daran dachten, jemanden als Kultusminister zu nominieren, der kurze Zeit vorher noch sehr engagiert kirchliche Positionen vertreten hatte, und dazu noch seine Mitgliedschaft in der CDU zu tolerieren bereit waren. Vermutlich war es eher gut für Osterloh, von der FDP nicht nominiert worden zu sein, denn Tantzen als sein sicher nicht glücklich gewählter „Ersatzkandidat“ blieb nur gut fünf Monate im Amt (11. September 1955 bis 28. Februar 1956)171 und auch die Koalition im Ganzen hielt nur bis zum 19. November 1957. Danach wurde aus den „taktischen“, im Gespräch mit Osterloh erwähnten Kontakten Hellweges zur SPD doch noch eine „große“ Koalition aus DP, SPD und CDU172. Ein von der FDP nominierter Kultusminister Osterloh hätte unter solchen Rahmenbedingungen sicher nur an Reputation verlieren können.

6.4 Eintritt in die Parteipolitik – Osterloh im Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU (EAK) Die Gründung und Geschichte des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU in den 1950er Jahren lässt sich anhand vielfältiger Quellen gut nachvollziehen und ist auch in der wissenschaftlichen Literatur bereits recht gut aufgearbeitet. Zu nennen sind in erster Linie die umfassende Untersuchung Peter Egens zur Gründungsgeschichte, der überblicksartige Aufsatz Torsten Oppellands zur Geschichte des EAK bis 1969 und die dem EAK gewidmeten Abschnitte der übergreifenden Darstellung Michael Kleins173. Die Festschrift

170 EBD. Vgl. zu solcherlei Zweifeln an der Eignung Tantzens auch den Art. „Hannover: Der dritte Kandidat der FDP. Neuer Vorschlag für das niedersächsische Kultusministerium“: „Aus Kreisen der CDU ist schon zu hören, daß menschlich gesehen gegen Tantzen nichts eingewendet werde. Wohl aber wird hier bezweifelt, ob er die hinreichende fachliche Eignung besitze, um die schwierige Situation zu meistern, in die das niedersächsische Kultusministerium geraten ist“ (Sbl., Nr. 36, 4. 9. 1955). 171 Vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 715; Art. „Kultusminister gesucht“, in: Sbl., Nr. 11, 11. 3. 1956. 172 Vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 714f. 173 P. EGEN, Entstehung; T. OPPELLAND, Arbeitskreis; M. KLEIN, Protestantismus, S. 211–253.

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zum 50jährigen Bestehens des EAK174 hat dagegen nur informativen Charakter, die nachvollziehbare Parteilichkeit der Darstellung lässt Kritik weitestgehend außen vor. Wichtige Informationen lassen sich der Arbeit Frank Böschs zur „Adenauer-CDU“ entnehmen, während die Studie desselben Autors zu „Macht und Machtverlust“ der CDU das Wirken des EAK nahezu unbeachtet lässt175. Aus kirchenhistorischer Perspektive beleuchtet Gerhard Besier die „Entstehung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU“176. Wichtige Aufschlüsse liefern auch die Biographien des Mitgründers Hermann Ehlers177 sowie des späteren langjährigen Vorsitzenden Gerhard Schröder178. Daneben sind von Belang vor allem die beiden ersten Bände der Protokolle des CDU-Bundesvorstands179 und natürlich die vom EAK herausgegebene Zeitschrift180. Die einschlägigen Archivalien finden sich im Archiv für Christlich-Demokratische Politik181.

6.4.1 Gründung und Frühphase des EAK Mit einigem Recht kann man die Gründung des EAK als einen der geschicktesten innenpolitischen Schachzüge der CDU/CSU in den 1950er Jahren bezeichnen182. Im Hintergrund stand das zu Beginn der 1950er Jahre unter Evangelischen weit verbreitete Unbehagen an einer vermuteten ‚Katholisierung‘ der politischen Klasse durch eine entsprechende Personalpolitik der Union183. Unmittelbarer Anlass der EAK-Gründung war die sich abzeichnende Gefahr, im Zuge der Diskussionen um die deutsche Wiederbewaffnung entscheidende weitere evangelische Wählerstimmen zu verlieren, wodurch die sich in den Wahlergebnissen bis 1952 ausdrückende Krise der Union dramatisch verschärft worden wäre184. Während nämlich im katholischen Milieu eine Remilitarisierung West174

A. MARTIN/G. MEHNERT, Arbeitskreis. F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU; DERS., Macht. 176 G. BESIER, Parteipolitik. 177 A. MEIER, Hermann Ehlers. 178 T. OPPELLAND, Gerhard Schröder. 179 ADENAUER: „ES MUSSTE ALLES NEU GEMACHT WERDEN.“; ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“. 180 EVANGELISCHE VERANTWORTUNG. 181 ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001. 182 Als einen „Vorläufer“ des EAK kann man die regional begrenzt tätige „Evangelische Tagung Rheinland“ bezeichnen, die in den Jahren 1945 bis 1948 evangelische Mitglieder der rheinischen CDU und einen westfälischen Arbeitskreis zu regelmäßigen Treffen versammelte, danach allerdings kaum noch größere Bedeutung hatte. Vgl. P. EGEN, Entstehung, S. 18–46; R. SCHMEER, Hoffnungen, S. 112–161. 183 Vgl. F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 110–114; A. DOERING-MANTEUFFEL, Die „Frommen“, S. 98–102; F. SPOTTS, Kirchen, S. 265–268. Vgl. auch unten Exkurs: Konfessionelle Parität und Deutschlandpolitik (S. 391–394). 184 Bis 1952 hatte die CDU in einer Reihe von Landtagswahlen teils dramatische Stimmenverluste hinnehmen müssen, und auch das Bundestagswahlergebnis stellte im Vergleich mit den ersten Wahlen 175

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deutschlands nur vereinzelt Irritationen auslöste185, entstand im Protestantismus eine breite Protestbewegung, deren führende Protagonisten – an erster Stelle Heinemann und Niemöller – ihre Kritik an der Politik der Westintegration und der damit verbundenen Wiederbewaffnung verbanden mit dem Vorwurf, die CDU als katholisch dominierte Partei nehme auf die stärkere Verbundenheit des Protestantismus mit den Glaubensbrüdern in der DDR keine Rücksicht186. Zur Abwehr dieser doppelten Gefahr für das Konzept der bürgerlichen, interkonfessionellen „Sammlungspartei“187 ließ man bereits auf dem ersten Bundesparteitag der CDU vom 20. bis 22. Oktober 1950 in Goslar allein die evangelischen Delegierten eine Resolution beschließen, in der diese meinten, sich noch einmal gesondert zu den politischen Grundsätzen der Union und ihrem Interkonfessionalismus bekennen zu müssen; anschließend distanzierte man sich von den Äußerungen Niemöllers und bekannte sich zum politischen Kurs Adenauers188. auf Landesebene von 1946/47 keine Ausnahme dar. Das „Dauertief“ auch im Ansehen der Bevölkerung (vgl. H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 1, S. 776) bzw. die „Krisen- und Niedergangsgeschichte“ (so F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 96) ließ die Position Adenauers jedoch unangetastet; im Gegenteil, es gelang ihm, die Niederlagen in den Ländern dazu zu nutzen, unliebsame mögliche Rivalen entscheidend zu schwächen und seine führende Rolle in der Partei festzuschreiben (vgl. EBD., 96–108). 185 Vgl. A. DOERING-MANTEUFFEL, Katholizismus. 186 In einem Gespräch vom Dezember 1950 mit evangelischen Vertretern der CDU, u. a. Robert Tillmanns, sprach Niemöller dies offen aus: „Er sähe in der Spaltung das Ergebnis einer zielbewußten katholischen Politik, die über den US-Sondergesandten Taylor beim Vatikan auf Roosevelt eingewirkt habe. Der katholische Bevölkerungsanteil der sowjetischen Zone sei heute wesentlich geringer als vor dem Kriege, weil auch die Flüchtlinge katholischer Konfession bevorzugt aus dem Osten in den Westen gebracht worden seien. Der Teilung Deutschlands liege eine bewußte konfessionelle Politik zu Grunde. Von katholischer Seite werde die Wiedervereinigung nicht gewünscht. Adenauer habe die Wiedervereinigung noch nie konkret verlangt“ (P. EGEN, Entstehung, S. 78; vgl. G. BESIER, Parteipolitik, S. 112). Nach diesem Gespräch, das eigentlich die Schärfe aus der Debatte nehmen sollte, hatten sich ursprünglich geplante weitere Treffen erübrigt (vgl. P. EGEN, Entstehung, S. 76–80; F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 125). 187 Die Verwendung dieser Bezeichnung, die zeitgenössisch von der CDU abgelehnt wurde, erfolgt in Anlehnung an Frank Bösch, für den sie „semantisch die wichtigsten Charakteristika der Union“ kennzeichnet: „Sie verweist erstens auf ihren dynamischen Anspruch, zur Maximierung der Stimmen möglichst viele Wählersegmente gleichzeitig zu umschließen, zweitens auf ihren flexiblen Parteiaufbau und drittens auf das gleichberechtigte Nebeneinander unterschiedlicher Gesellschaftsteile bei geringer weltanschaulicher Dogmatik.“ Ein weiterer Vorteil dieser Bezeichnung in Abgrenzung zu „Volkspartei“ liegt nach Bösch darin, dass sie „immer noch ein Gegenüber“ zulasse, „gegen das die Sammlung eingeleitet wird. So ließe sich die CDU der Ära Adenauer etwa als antisozialistische Sammlungspartei fassen“ (F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 14). 188 Das von Adenauer schon frühzeitig propagierte Grundkonzept, den Westen stark zu machen, um dann aus dieser Position heraus den Osten zu Verhandlungen auch über die DDR veranlassen zu können, wurde im Text der Resolution ausdrücklich gutgeheißen: „In dieser Lage führt der Weg zur Wiedervereinigung nur über die Erstarkung, die wirtschaftliche und soziale Gesundung des freien Deutschlands und seine Sicherung. Wenn wir daran einmütig arbeiten, leisten wir den wichtigsten stellvertretenden Dienst auch für die Deutschen in der Sowjetzone“ (KJ 77, 1950, S. 191; vgl. P. EGEN, Entstehung, S. 72f.; ARCHIV DER GEGENWART, 22. 10. 1950 [Sonderausgabe, S. 387]).

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Die entscheidende Rolle bei der Gründung des EAK spielte schließlich Hermann Ehlers, der im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Heinemann-Konflikt am 19. Oktober 1950 an Stelle des glücklosen Erich Köhler zum Bundestagspräsidenten gewählt wurde und seitdem unumstrittener Repräsentant der Evangelischen in der Union war189. Ehlers, seit Dezember 1949 kooptiertes Mitglied des Reichsbruderrats, hatte zuvor weder aus seiner persönlichen Verbundenheit mit Heinemann und vor allem Niemöller einen Hehl gemacht noch aus seiner politischen Ablehnung ihrer Auffassungen, die er aber – im Gegensatz etwa zu Adenauer – für durchaus diskussionswürdig erachtete190. In der Deutschlandpolitik wich seine Meinung durchaus von der Adenauers ab; er legte großen Wert auf seine besonders über den Kirchentag bestehenden Kontakte in den Osten Deutschlands und vertrat die Auffassung, dass Gesprächsmöglichkeiten nicht vorschnell verbaut werden dürften191. Als Mitglied der Bundestagsfraktion der CDU/CSU hatte er aber zugleich den politischen Kurs Adenauers immer unterstützt192.

189 Adenauer, dem ein direkter Einfluss auf die Auswahl des evangelischen Kandidaten (dass es ein evangelischer Kandidat sein sollte, stand vorab fest) nicht nachzuweisen ist, gegen den sich ein Kandidat aber schwerlich hätte durchsetzen können, hatte damit „für einen prominenten Evangelischen Platz geschaffen“ und so „die offene Flanke zur evangelischen Kirche hin“ geschlossen. Dort war mit der Ernennung Robert Lehrs zum Innenminister, der zwar auch evangelisch, aber nicht annähernd so kirchlich verwurzelt war wie sein Vorgänger Heinemann, eine Lücke geblieben (vgl. H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 1, S. 781ff., Zitate: S. 783; vgl. A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 283f.). 190 Beredtes Beispiel ist seine Reaktion auf Niemöllers Vorwürfe hinsichtlich einer katholischen Einflussnahme auf die alliierte Politik: In „Christ und Welt“ monierte Ehlers am 2. 2. 1950 die „unglückliche Ausdrucksweise Niemöllers“, den man werde „bitten müssen, durchaus nicht ganz fernliegende Erwägungen über politische Querverbindungen [sic !] künftig in einer der Sache gemäßen Form auszudrücken“, nahm ihn aber gegen weitergehende Angriffe in Schutz, indem er anschließend erklärte, er halte es nicht für eine „Grenzüberschreitung, wenn ein Pfarrer der Kirche, der sich durch sein Leben für eine solche Aufgabe legitimiert hat, von der drohenden Wirklichkeit spricht und den glänzenden Vorhang, von dem sich allzu viele diese Wirklichkeit gern verbergen lassen, einen Augenblick hebt“ (zit. n. A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 281). An Niemöller selbst schrieb er gute acht Monate später nach seiner Unterschrift unter die Resolution der evangelischen Delegierten des CDU-Parteitags, er habe sie „trotz […] Bedenken […] unterschrieben“, weil sie von Friedrich Holzapfel und Robert Tillmanns gegen großen Widerstand anstelle einer wesentlich schärferen Erklärung eingebracht worden sei und „auch bei verschiedener Beurteilung der politischen und Sachlage die Notwendigkeit des Austauschs und der möglichst gemeinsamen Handlung aufgrund brüderlicher Beratung herausgestellt“ habe (zit. n. EBD., S. 282; vgl. zum Ganzen EBD., S. 284–288; M. KLEIN, Protestantismus, S. 221, 246). 191 Richard von Weizsäcker hob in seiner Ansprache zum 50. Todestag von Hermann Ehlers auch diese Gesprächsbereitschaft hervor und resümierte: „Ehlers ging bis an die Grenze des Möglichen“ (DERS., Christ, S. 7. Vgl. allgemein: A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 402–409). 192 Es bereitete Ehlers offenbar hier wie dort kein Problem, seine private Entschlossenheit und Konfliktfreudigkeit, sowie seine kirchlichen Kontakte von seinen politischen Entscheidungen zu unterscheiden: „Es ging ihm um Ausgleich, aber seine Überzeugungen hat er trotz aller Bruderschaft niemals preisgegeben“ (R. VON WEIZSÄCKER, Christ, S. 7).

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Auf Initiative von Ehlers und einem Kreis weiterer evangelischer CDU-Politiker kam es vom 14. bis 16. März 1952 zur Gründungsversammlung des EAK in Siegen193, dessen Zielsetzung zunächst darin bestand, im evangelischen Teil der Bevölkerung für die Union zu werben und innerhalb der Union die evangelischen Interessen zu wahren, u. a. bei Personalentscheidungen. Weiter sollten die bis dahin keineswegs homogenen Ansichten des evangelischen Teiles der Union zur Innen- und Außenpolitik möglichst weit vereinheitlicht und schließlich ein innerevangelisches Gegengewicht gegen die öffentlichkeitswirksamen Appelle der Wiederbewaffnungsgegner des bruderrätlichen Flügels der EKD gebildet werden194. Den in der Gründung angelegten Versuch des EAK, als innerparteiliche Gruppe der CDU zugleich eine ihrer ‚Vorfeldgruppierungen‘ zu sein, demonstrieren die auf Veranlassung von Hermann Ehlers ergangenen Einladungen an die evangelischen Kirchenleitungen, denen auf diese Weise Offenheit und Gesprächsbereitschaft des EAK demonstriert werden sollte195, sowie an prominente, nicht parteipolitisch engagierte Evangelische, denen auf diese Weise die politischen Ziele der Union bekannt gemacht, die aber vor allem ganz allgemein zur Übernahme politischer Verantwortung ermuntert werden sollten196. Die Siegener Tagung197 sollte keinesfalls ein Schritt zur Bildung einer „Partei in der Partei“ sein, im Gegenteil. Wie Hermann Ehlers selbst im Rundfunk er193

Zu dem Kreis gehörten neben Ehlers u. a. Ernst Bach, Oberbürgermeister der Stadt Siegen und Bundesschatzmeister der CDU, Friedrich Holzapfel, Mitbegründer der CDU, Robert Tillmanns, seit 1951 im geschäftsführenden Vorstand der Partei, Adolf Cillien, Landesvorsitzender der niedersächsischen CDU, und Wilhelm Simpfendörffer, Vorsitzender der CDU Nordwürttemberg. Zur unmittelbaren Vorgeschichte der Gründung vgl. P. EGEN, Entstehung, S. 93–100. 194 Vgl. EBD., S. 90. 195 Vgl. EBD., S. 99f. Aufgrund einer gleichzeitig stattfindenden Sitzung des Rates der EKD in BerlinSpandau konnten nur wenige Vertreter evangelischer Kirchenleitungen an der Tagung teilnehmen (vgl. G. BESIER, Parteipolitik, S. 113). Besier liest aus der Absage Meisers auch eine „starke Reserve gegenüber den Bestrebungen der evangelischen CDU-Politiker“ heraus (EBD.). Meiser hatte jedoch lediglich auf die bisher stets eingehaltene Zurückhaltung gegenüber parteipolitischen Veranstaltungen verwiesen und deshalb um Verständnis dafür gebeten, dass man diese Linie beibehalte und von einer offiziellen Beschickung absehe. Zugleich aber hatte er eine Aussprache zwischen evangelischen Politikern der CDU und Kirchenvertretern begrüßt und bemerkt: „Andererseits liegt uns jedoch auch daran, uns nicht von der Tagung fernzuhalten“ (Schreiben an Ehlers vom 8. 3. 1952, zit. nach EBD., S. 114). Hier kann von einer starken Reserve allein dem EAK gegenüber nicht die Rede sein, vielmehr hatte man seitens der Lutheraner dem Kreis um Niemöller und Heinemann die Verquickung von Kirchenamt und Politik immer wieder zum Vorwurf gemacht, womit die Teilnahme hochrangiger Kirchenvertreter in Siegen kaum zu vereinbaren gewesen wäre. Wie aus anderen Kirchen entsandte man daher aus München einen Vertreter der Verbände und Werke (im Falle München des Männerwerkes [vgl. EBD.]) und war somit vor Ort vertreten, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, nun selbst parteipolitisch aktiv geworden zu sein (vgl. P. EGEN, Entstehung, S. 100). 196 Vgl. A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 326f., 334; W. BÖRNER, Hermann Ehlers, S. 96. 197 Eine ausführliche Darstellung bietet P. EGEN, Entstehung, S. 100–114 u. Anhang, S. XXXII–XLIII.

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läuterte, sollte sie der „Stärkung der CDU“ dienen, „in der beide Konfessionen sich […] zu einem gemeinsamen politischen Handeln verbunden“ hatten198. Es wurden drei Arbeitskreise gebildet, deren erster unter der Leitung von Hermann Ehlers zugleich das Leitthema der Tagung behandelte: „Unsere politische Verantwortung in einem geteilten Deutschland“. Hier beschäftigte man sich mit den Fragen der Außen-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik, und die Arbeit dieses Arbeitskreises dominierte wenige Tage nach Bekanntwerden der „Stalin-Note“ die ganze Tagung. In der von allen Teilnehmern gebilligten Entschließung dieses Kreises199 legte man ein eindeutiges „Bekenntnis zu den Grundsätzen und Ideen der Adenauerschen Politik“ ab – insbesondere zur Herstellung und Sicherung deutscher Freiheit und Souveränität, zur Wiedervereinigung in einem freien deutschen Staat und zur Einordnung der Bundesrepublik Deutschland in ein föderatives Europa – und wandte sich gegen eine Neutralisierung. Man bejahte einen Verteidigungsbeitrag ebenso wie das Recht zur Kriegsdienstverweigerung, das man mit der Ableistung eines Ersatzdienstes in Verbindung gebracht wissen wollte. Die Stalin-Note bewertete man ganz im Sinne Adenauers als Erfolg der bisherigen Politik und als Ermutigung, auf dem einmal eingeschlagenen Weg weiterzugehen, weil nur dadurch die Sowjetunion zum Einlenken gebracht werden könne. Mit dieser Resolution, die eine nahezu vollständige Anerkennung der Politik Adenauers beinhaltete, nahm man eine „Verhärtung der Fronten innerhalb des Protestantismus“ in Kauf, waren doch im Blick auf die von Heinemann und Niemöller vertretenen Positionen „Konfrontation und Kollision […] in Zukunft unvermeidbar geworden“200. Osterloh, der zu den von Ehlers persönlich zur Tagung Eingeladenen gehörte201, konnte – aufgrund der gleichzeitigen Ratssitzung in Berlin – erst am 16. März in Siegen erscheinen202 und konzentrierte sich zunächst auf die Arbeit des zweiten Arbeitskreises, hatte Ehlers ihn doch als Sachverständigen für die Schulpolitik, Reizthema zwischen den Konfessionen innerhalb der Union, hinzugezogen: „Wegen der ständigen Schwierigkeiten mit der katholischen Führung innerhalb der CDU in der Frage der Bekenntnisschule würde ich es sehr begrüßen, wenn Sie an der Tagung teilnehmen könnten, um mit Ihrem Rat bei

198

Ehlers im NWDR, 16. 3. 1952, 19.10 Uhr (zit. nach EBD., S. 101). Abdruck: EBD., Anhang, S. XXXVII–XLII; Auszüge: KJ 79, 1952, S. 33f. 200 P. EGEN, Entstehung, S. 105. 201 Vgl. Brief Ehlers’ an Osterloh vom 27. 2. 1952 (EZA BERLIN, 2/2535). Außer Osterloh wurden persönlich eingeladen u. a. Klaus von Bismarck, Hermann Kunst und Eberhard Müller (Abdruck der Liste der persönlich Eingeladenen: P. EGEN, Entstehung, Anhang, S. XXIV). 202 Auch dies war ihm nur möglich, weil Brunotte seinen Dienstwagen zur Verfügung stellte (vgl. Brief Osterlohs an Ehlers vom 11. 3. 1952 [EZA BERLIN, 2/2535], in dem er ihn gleichzeitig um ein Gespräch über die Situation in Oldenburg bat [vgl. oben S. 336f., Anm. 570, 572]). 199

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der Erörterung der wichtigsten Fragen zu dienen.“203 In den Beratungen dieses Arbeitskreises, an denen Osterloh aufgrund seines späten Eintreffens kaum teilgenommen haben dürfte204, einigte man sich auf eine Resolution, die sich zum vollen Elternrecht bekannte, den Fortbestand der Bevollmächtigung der Religionslehrer durch die Kirchen forderte und den Religionsunterricht auch weiterhin als ordentliches Unterrichtsfach verankert sehen wollte. Interessant im Blick auf die Zusammenarbeit mit den Katholiken war, dass man sich nicht eindeutig auf die Bekenntnisschule festlegte, sondern auch die christliche Gemeinschaftsschule als eine Schulform bezeichnete, in der die evangelischen Forderungen erfüllbar seien205. Die Siegener Tagung fand ein großes Echo in der Öffentlichkeit, das sich auf den Konflikt mit dem bruderrätlichen Flügel der EKD und auf die vermutet positiven Auswirkungen der Tagung auf das Verhältnis und die Zusammenarbeit der Konfessionen in der CDU konzentrierte206. Besondere Beachtung fand auch der Auftritt Adenauers in der Schlussversammlung: Sollte es seinerseits wirklich Bedenken gegen die Sammlung der Evangelischen in der Union gegeben haben207, fing er sie geschickt auf, indem er hier die politische Einigkeit der Konfessionen in der CDU betonte und einräumte, dass die Evangelischen „für manche Lösungen andere Begründungen als die Katholiken“ bräuchten. Deshalb seien Tagungen wie die Siegener „notwendig“ und bedeuteten nicht etwa eine „Separation“, sondern eine fruchtbare Aktion im Rahmen der Gesamt-CDU“208. Im Anschluss an die Tagung beschloss man, der Arbeit des EAK durch die Einrichtung eines Geschäftsführenden Ausschusses Kontinuität zu verleihen, dem je ein Vertreter aus den Ländern und weitere „namhafte Persönlichkeiten“ aus dem evangelischen Teil der CDU angehörten und der nach Bedarf zusammentrat. Auf dessen erster Sitzung am 27. Mai 1952 wurde Ehlers einstimmig zum Vorsitzenden und Sprecher dieses Gremiums und damit des 203

Brief an Osterloh vom 27. 2. 1952, in: EZA BERLIN, 2/2535. So erklärt sich wohl auch, dass „über seine argumentative Beteiligung […] nichts bekannt“ ist (A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 532 [Anm. 106]). 205 Wortlaut der Resolution: P. EGEN, Entstehung, Anhang, S. XLIIf. In seinem Dienstreisebericht vom 24. 3. 1952 (EZA BERLIN, 2/2535) griff Osterloh v. a. die Aussagen hinsichtlich der Konfessionsschule und der kirchlichen Beauftragung der Religionslehrer auf. 206 Vgl. P. EGEN, Entstehung, S. 109–114. Vgl. auch die positive Berichterstattung im „Sonntagsblatt“: („Politik und Glauben sind zweierlei“, Nr. 12, 23. 3. 1952) und EvW (Nr. 7, 1. 4. 1952), wo sich die Berichterstattung allerdings im Wesentlichen auf Zitate aus der Entschließung und dem Bericht im CDU-Informationsdienst beschränkte. 207 Nach H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 1, S. 912, stimmte Adenauer der Gründung des EAK erst „nach einigem Sträuben“ zu. Fünf Jahre zuvor schrieb Schwarz noch: „Gegen Adenauers Widerstreben gründete er [= Hermann Ehlers, P.Z.] den Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU“ (DERS., Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 125). Die vorsichtigere spätere Formulierung scheint berechtigt, wenn man den von A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 532 (Anm. 110) zitierten Zeitzeugen glauben darf. 208 Rede auf der Abschlusskundgebung am 16. 3. 1952 (zit. nach P. EGEN, Entstehung, S. 106f.). 204

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EAK gewählt209. Man einigte sich darauf, Tagungen wie die in Siegen wenigstens alle zwei Jahre stattfinden zu lassen; in der Regel gab es dann aber jedes Jahr eine Tagung. Seit März 1953 verfügte der EAK über ein eigenes monatliches Publikationsorgan210; bereits am 15. Januar war – entgegen früherer Absicht – ein Geschäftsführer bestellt worden, der zugleich die Redaktion der „Evangelischen Verantwortung“ übernahm: Hans Strümpfel hatte dieses Amt bis 1968 inne211. Die Arbeit konzentrierte sich zunächst auf den Aufbau von Landesverbänden212 und die intensive Vorbereitung der Bundestagswahl vom 6. September 1953213. Dies war von vornherein das entscheidende Datum, an dem sich zeigen musste, ob das Vorhaben, die CDU für Evangelische wählbar erscheinen zu lassen, von Erfolg gekrönt sein würde oder nicht214. Exkurs: Konfessionelle Parität und Deutschlandpolitik – der EAK und Hermann Ehlers in der Kritik Gerhard Besiers Während sich die politikwissenschaftliche und historische Literatur im Allgemeinen einig ist, was Verdienste und Bedeutung von Hermann Ehlers und der wesentlich durch ihn initiierten Gründung des EAK angeht, entwirft Gerhard Besier im Aufsatz „‚Christliche Parteipolitik‘ und Konfession“ ein überraschend skeptisches Bild von dessen politischem Wirken und der Arbeit des EAK. Dieses ist kurz zu diskutieren, weil auch für Osterloh zunächst der EAK ins Zentrum seiner politischen Tätigkeit rückte215. Besier rügt am Ende seines Aufsatzes: „Zieht man ein Fazit aus dem politischen Wirken Hermann Ehlers und seines Kreises, so wird man sagen müssen, daß er nur eines seiner selbstgesteckten Ziele wirklich erreicht hat: die Stärkung der CDU. Die Herstellung einer geistig-kulturpolitischen Parität zwischen dem katholischen und evangelischen Flügel seiner Partei ist ihm nicht gelungen. Nicht zuletzt im Interesse dieser beiden vorgenannten Ziele näherte er sich in der Deutschland- und Außenpolitik dem Adenauerschen Konzept, vertiefte damit die Spaltung innerhalb seiner Kirche und verzichtete zunehmend auf die Durchsetzung seiner eigenen, mit denen des Bundeskanzlers im Grund unvereinbaren deutschlandpolitischen Vorstellungen.“216 Im Einzelnen wirft Besier Ehlers und den Evangelischen in der Union vor, sich schon auf dem Goslarer Parteitag 1950 in eine „deutschlandpolitische Schizophrenie“ begeben

209 Vgl. EBD., S. 115f. Eine Liste der Mitglieder des geschäftsführenden Ausschusses aus der Anfangszeit des EAK ist abgedruckt EBD., Anhang, S. XLV. 210 EVANGELISCHE VERANTWORTUNG. Vgl. P. EGEN, Entstehung, S. 135–140. 211 Strümpfel war Bundessekretär der „Freien Vereinigung evangelischer Eltern und Erzieher“ (vgl. oben S. 244; vgl. P. EGEN, Entstehung, S. 128f.). 212 Vgl. EBD., S. 130–135. 213 Vgl. EBD., S. 117–129, 140–169. 214 Zum Wahlausgang vgl. oben S. 356f. 215 Vgl. unten S. 394–403. 216 G. BESIER, Parteipolitik, S. 130.

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zu haben, indem man sowohl den Kurs Adenauers unterstützte als auch die Wiedervereinigung als höchstes Ziel der politischen Arbeit festschrieb217. Ins Zentrum der Bemühungen des EAK rücken nach Besier die Querelen um die vermutete katholische Personalpolitik der Gesamt-CDU; die inhaltliche Ausrichtung des EAK und seine Nähe zur deutschlandund sicherheitspolitischen Position Adenauers wird in einen engen Zusammenhang gebracht mit der Gründung der GVP (30. November 1952!) und der Weigerung Ehlers’, sich selbst an der Gründung einer evangelischen Partei zu beteiligen (vom Dezember 1952!): „Vorausgegangen war dieser Neugründung [der GVP, P.Z.] der Versuch des Rektors der Hamburger Kirchlichen Hochschule, Volkmar Herntrich, Ehlers für den Aufbau einer evangelischen Partei zu gewinnen. Ehlers’ Ablehnung und die Gründung der GVP Ende Oktober 1952 [sic!] führten zu einer weiteren Konzentration des evangelischen Parteiflügels auf die Innen- bzw. Parteipolitik und einer weiteren Annäherung, besonders im Bereich der Deutschland- und Sicherheitspolitik, an das Adenauersche Konzept“218, während man die „politische Hauptstoßrichtung gegen GVP und SPD“ führte219. Dieser vornehmlich am konfessionellen Ausgleich in der CDU orientierten Arbeit, die Besier als „angesichts der bald mit Macht einsetzenden Säkularisierung schon anachronistisch“ anmutend bezeichnet220, hätten die Evangelischen in der Union schließlich ihre außen- und deutschlandpolitischen Zielsetzungen, die sie „ursprünglich im Auge gehabt hatte[n]“, untergeordnet und den „Streit“ nur noch dort geführt, wo sie „mit dem Kanzler nicht kollidierten“, in der konfessionell geprägten Schul- und Familienpolitik221. Ganz abgesehen davon, dass man sich über die Datierung der „mit Macht einsetzenden Säkularisierung“ trefflich streiten kann – Osterloh z. B. sah in der Kirchlichkeit der Nachkriegszeit schon eine nur vorübergehende Erscheinung222 –, mutet es etwas eigentümlich an, Entscheidungen der Jahre 1952/54 rückblickend zu bewerten unter Verweis auf die Entwicklung Ende der 1950er und in den 1960er Jahren, durch die sich konfessionelle Unterschiede in der Tat vielfach verwischten und die man wohl auch als einen neuen Säkularisierungsschub beurteilen kann, ohne zugleich einen Blick auf die Zeit nach 1945 bzw. vor 1933 zu werfen. Aus den Erfahrungen der sog. „Weimarer Republik“ hatte man in der Union eines gelernt, nämlich dass es nicht wieder zu einer Aufteilung bzw. Zersplitterung der bürgerlichen, christlich orientierten Kräfte kommen durfte. Diesem Ziel ordnete man selbst auf katholischer Seite konfessionellen Streit zunächst unter, und es erscheint keineswegs anachronistisch, wenn man seitens der Evangelischen in der Union innerhalb der ersten Jahre dieses „Experiments“ penibel darauf achtete, nun nicht von den Katholiken doch übervorteilt zu werden, einfach weil die politische Lage in Deutschland vor den Bundestagswahlen von 1953 noch keineswegs so stabil war, wie sie von heute aus erscheinen mag. Vieles war noch offen, und auch ein relativer Erfolg der GVP erschien durchaus denkbar und hätte das Konzept der überkonfessionellen CDU natürlich extrem

217

Vgl. EBD., S. 111f. EBD., S. 118. 219 EBD., S. 122. 220 EBD., S. 129. 221 EBD., S. 127, 129. 222 Vgl. oben S. 140. 218

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gefährdet, weil die CDU sich damals eben zu ca. 80% aus Katholiken zusammensetzte. Dass es in einer solchen Partei zur Bevorzugung katholischer Kandidaten fast zwangsläufig kommen musste, zumal, wie auch Besier vermerkt, geeignete protestantische Kandidaten für politische oder Verwaltungsposten oft NS-belastet waren223, liegt auf der Hand; dass man angesichts der drohenden evangelischen Konkurrenzpartei sehr sensibel für solche Tendenzen sein und sie bekämpfen musste (wobei es sicher vorkam, dass man über das Ziel hinausschoss224)225, bedarf eigentlich auch keiner Erläuterung; dass man eine solche Partei gemeinsam mit der größten Oppositionspartei als politischen Hauptgegner identifizierte, ist so einleuchtend, dass man auf die Erwähnung dieses Tatbestands hin eigentlich nur fragen kann: wen denn sonst? Zu Ehlers’ eigener Entwicklung gerade im Blick auf seine deutschland- und außenpolitischen Positionen, in denen er sich nach Besier „zwischen 1951 und 1953“ zunehmend Adenauer annäherte226, sollte man sich den oben genannten Umstand in Erinnerung rufen, dass Ehlers schon 1950 zwischen seiner privaten Meinung und kirchlich motivierten Arbeit und seinem politischen Verhalten zu unterscheiden wusste, hatte er doch etwa auf dem Goslarer Parteitag der Resolution gegen Niemöller und Heinemann zugestimmt, obwohl er deren Gedanken in vielen Fällen durchaus erwägenswert fand. Andererseits empfing er zu Adenauers und der Sozialdemokraten (!) ausgesprochenem Missvergnügen noch am 223

Vgl. G. BESIER, Parteipolitik, S. 117. Ausgangspunkt der damals mit viel Eifer und dementsprechend viel Verzerrungen und falschen Angaben geführten Auseinandersetzung um die angebliche Bevorzugung dieser oder jener Konfession war, dass die traditionell – und auch nach 1945/49! – mehrheitlich mit Protestanten besetzte Ministerialbürokratie in der ersten Legislaturperiode stark vergrößert wurde. Angesichts des Umstands, dass viele der für die neuen Posten in Frage kommenden Protestanten eine NS-Vergangenheit aufwiesen, und der Tatsache, dass die stärkste Regierungspartei nun einmal zu ca. 80% aus katholischen Mitgliedern bestand, kann es im Nachhinein kaum verwundern, dass neue Stellen hier und da über den Proporz hinaus mit Katholiken besetzt wurden – was letztlich eher zu einer Angleichung als zu einem Übergewicht geführt hat. Natürlich kam es hier und da auch zu „Seilschaften“, so dass nach einer Erhebung des EAK z. B. die Führungsebene des Arbeitsministeriums ausschließlich aus Katholiken bestand – solches kam aber auf beiden „Seiten“ vor, wofür das weit überwiegend protestantisch geführte Innenministerium beispielhaft war (Auszug aus der Erhebung: P. EGEN, Entstehung, Anhang, S. XLVI). So konnten sich schließlich beide Seiten über ihre Benachteiligung ereifern (die einen, was immer noch die absoluten Zahlen anging, die anderen, was die Neubesetzungen betraf ), bevor sich im Laufe der Zeit die – von hellsichtigen Beobachtern schon frühzeitig als unangebracht bezeichnete – Überbetonung des Themas angesichts der insgesamt stark abnehmenden Bedeutung der Konfessionsunterschiede weitgehend von selbst erledigte. Vgl. zum Ganzen: N. TRIPPEN, Irritationen; F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 110–118; G. BESIER, Parteipolitik, bes. S. 114–117, 125f.; M. KLEIN, Protestantismus, S. 226–233. 225 Dass der EAK mit seinem Augenmerk auf eine ausgewogene Personalpolitik durchaus nicht allein stand und vieles, worüber man heute schmunzeln mag, damals einen durchaus ernsten Hintergrund zu haben schien, belegt der Bericht Rankes vor dem Rat der EKD über die Gründung der „Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für öffentliche Verantwortung“, an der am 20. 5. 1952 in Bonn Vertreter der Inneren Mission, des Hilfswerks, des DEKT, der Evangelischen Akademien und der Kirchenkanzlei beteiligt waren. Einzige Aufgabe sollte es sein, eine „Personalkartei zur Besetzung öffentlicher Stellen mit evangelischen Männern und Frauen“ zu führen (TOP 19 der Ratssitzung vom 19./20. 6. 1952 in Speyer; Abschrift in: EZA BERLIN, 2/2429). 226 G. BESIER, Parteipolitik, S. 129f. 224

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19. September 1952 in seiner Eigenschaft als Bundestagspräsident eine Delegation der Volkskammer. Das sorgte damals für unerhörtes Aufsehen227, scheint inzwischen aber soweit vergessen228, dass es mit der Erwähnung „mancher noch durchbrechenden Kontroversen mit dem Bundeskanzler“ abgetan werden kann229. Auch noch nach 1953 ließ Ehlers sich trotz seiner nach Besiers Darstellung nun weitgehend abgeschlossenen Annäherung an die Deutschlandpolitik Adenauers keineswegs von der Teilnahme am Kirchentag in Leipzig abhalten230. Auch die dort geführten Gespräche mit Otto Nuschke und Johannes Dieckmann, dem Präsidenten der Volkskammer, hinderten ihn nicht daran, hinterher von der freien kirchlichen Atmosphäre dieses Kirchentags zu schwärmen231, und hier hatte die Annäherung an Adenauer dann wohl endgültig eine von Besier nicht beachtete Grenze gefunden. Bei allem zu begrüßenden Misstrauen gegenüber allzu elegischen und unkritischen Reminiszenzen an Hermann Ehlers232, kann man seinem Wollen und Wirken im Ganzen wohl nicht gerecht werden, wenn man seine Präsenz und Mitarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag völlig ausblendet.

6.4.2 Osterloh und der EAK bis zum Tode von Robert Tillmanns Über Osterlohs parteipolitische Präferenz kann, trotz der ihn niemals ganz loslassenden Zweifel an der Zulässigkeit des „C“ im Parteinamen der Union, schon für die frühen 1950er Jahre kein Zweifel bestehen. Zwar pflegte er sowohl von Oldenburg als auch von Hannover aus einen quasi „amtlichen“ Kontakt mit Sozialdemokraten und Gewerkschaften233 und schien sich z. B. mit einigen der 227

Vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 19. 9. 1952 (Sonderausgabe, S. 811–814); A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 406ff. 228 Vgl. A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 407. 229 So ohne näheren Kommentar G. BESIER, Parteipolitik, S. 129f. Weitere Beispiele deutschlandpolitischer Konfrontationen mit Adenauer nennt A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 400–405. 230 Vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 12. 7. 1954 (Sonderausgabe, S. 1186ff.). 231 Vgl. A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 372ff. 232 Vgl. etwa W. BÖRNER, Hermann Ehlers; A. MARTIN/G. MEHNERT, Der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU, S. 15–43. 233 Am 10. 2. 1949 nahm Osterloh im Hamburger Gewerkschaftshaus an einer öffentlichen Diskussion mit Erich Klabunde, dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bürgerschaftsfraktion, teil, deren Thema das Verhältnis von „Christentum und Sozialismus“ war (vgl. EvW 3 [1949], S. 69). – Beim Gespräch Osterlohs mit Gewerkschaftsvertretern in der Hütte Groß-Ilsede bei Peine trug Osterloh am 17. 1. 1951 in einem 50minütigen Vortrag „Die biblische Lehre vom Eigentum“ vor, die er anschließend in Thesenform veröffentlichte (E. OSTERLOH, Gott und das Eigentum [1951] ). Im Gespräch zeigte er sich persönlich den gewerkschaftlichen Anliegen gegenüber aufgeschlossen, ließ in Anbetracht der Leistung der Arbeiterschaft nach 1945 seine Sympathie für eine Lösung der Mitbestimmungsfrage erkennen, grenzte seine persönliche Meinung aber klar von der Position der EKD ab, deren Aufgabe es nicht sein könne, „sozialpolitische Programme zu entwickeln und zu vertreten“ (Dienstreisebericht vom 19. 1. 1951, in: EZA 2/3060).

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sozialdemokratischen Ministerialbeamten im niedersächsischen Kultusministerium sogar recht gut zu verstehen234, doch ließen seine Stellungnahmen zu den Themen Wiederbewaffnung und Kriegsdienstverweigerung, Elternrecht und Bekenntnisschule ebenso wenig wie seine familienpolitischen Grundsätze einen Zweifel, welcher Partei er am nächsten stand. Deutlich äußerte sich Osterloh in dem Brief, mit dem er auf die von Hermann Ehlers ausgesprochene Einladung zur Siegener Tagung reagierte. Er hatte wenige Tage zuvor eine Rede von Hermann Ehlers in der Niedersachsenhalle in Hannover gehört und äußerte sich nun sehr zustimmend dazu, dass die CDU dabei war, ihr Tief der Jahre 1950/51 zu überwinden: „Im Ernst bejahe ich die in letzter Zeit zu beobachtende neue Aktivität der Regierungskoalition. Ich würde es sehr bedauern, wenn die verantwortungsvolle Arbeit der jetzigen Regierungskoalition im nächsten Jahr abgebrochen werden müßte, weil das Volk nicht in die Lage versetzt wurde, den Weg der Regierung wirklich zu verstehen.“235

Trotz seiner nur kurzen Teilnahme an der Siegener Tagung ist es vielleicht kein Zufall, dass just in dieser Zeit erste Fühlungnahmen einen möglichen Wechsel in die Bonner Ministerialbürokratie betreffend stattgefunden haben müssen236. Vielleicht ist es – abgesehen von der fachlichen Zuordnung der Referate – auch kein Zufall, dass Osterloh ausgerechnet für eine Stelle im Innenministerium, einer Hochburg der Protestanten in der Bonner Regierung237, ins Auge gefasst wurde. Angesichts des zeitlichen Zusammenhangs deutet einiges darauf hin, dass im Falle Osterlohs das Anliegen von Ehlers, die Protestanten stärker in die politische Verantwortung zu rufen, geradezu musterhaft in die Realität umgesetzt wurde. Und auch die Kirche, hier in Gestalt von Otto Dibelius, trug ihren Teil zu der von ihr für notwendig erachteten Personalpolitik in Bonn bei: Hatte Dibelius ihm noch ein gutes Jahr zuvor davon abgeraten, den Osterloh angetragenen Posten des Leiters der Theologischen Schule São Leopoldo in Brasilien anzunehmen238, riet er ihm jetzt zu, den Weg in die Politik zu gehen, nach eige234

Vgl. oben S. 175ff. Brief vom 11. 3. 1952 (EZA BERLIN, 2/2535). 236 Vgl. oben S. 349, Anm. 11. 237 Vgl. F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 115. 238 Am 4. 9. 1951 beantwortete Osterloh das Abschiedsschreiben Arthur C. Piepkorns und führte u. a. aus: „Es ist eigenartig, daß auch ich in diesen Tagen eine Lebensentscheidung treffen mußte. Die Vereinigte Kirche von Brasilien hat ihre Bitte an mich wiederholt, die Leitung der theologischen Schule von Sao Leopoldo zu übernehmen. Nach einer längeren Aussprache unter 4 Augen mit dem Vorsitzenden des Rates, Bischof D. Dr. Dibelius, habe ich mich schweren Herzens entschlossen, auf Brasilien zu verzichten und in meinem gegenwärtigen Amt zu bleiben“ (EZA 2/4039). Eine Anfrage per E-mail bei der heutigen Escola Superior de Teologia in São Leopoldo (Brasilien) erbrachte den Hinweis, dass der damalige Direktor, Dr. Hermann Dohms, sich am 10. 12. 1951 in einem Brief an das Kirchliche Außenamt nach Dr. Enno Rosenboom erkundigte, den Osterloh nach seiner 235

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ner Aussage, weil die Kirche ihm kein seinen Fähigkeiten gerecht werdendes Amt zur Verfügung stellen konnte239. Osterlohs politische Heimat wurde jedenfalls zunächst ganz eindeutig der EAK, dem er sich noch 1955 deutlich enger verbunden wusste als der CDU: War er bereit, im Falle seines Eintritts in das niedersächsische Kabinett als von der FDP nominierter Kandidat seine seit Ende 1954 bestehende Mitgliedschaft in der CDU ruhen zu lassen, verwahrte er sich dennoch dagegen, seine enge Verbundenheit mit dem EAK verleugnen zu müssen240. Bereits auf der dritten Tagung des EAK vom 11. bis 13. Juni 1954 in Wuppertal, deren Leitthema „Das evangelische Verständnis von Staat und Politik“ war241, hatte Osterloh, ohne bis dahin Mitglied der CDU oder des Arbeitskreises zu sein, die Arbeitsgruppe „Überwindung der Verweltlichung des Lebens“ geleitet. Deren Entschließung wandte sich in einer eigentümlich anmutenden Mischung aus christlicher Paränese und politischem Ratschlag gegen die Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses in Politik, Gesellschaft und Erziehung242. Gegenüber „Gruppen, Kräften und Parteien, die ihre religiöse Neutralität betonen“, stellte man klar, dass gerade die christliche Grundhaltung gekennzeichnet sei durch „[e]chte Freiheit zur Bildung eigener Überzeugungen auch im Bereich des Politischen, Gewissensfreiheit und Freiheit von jedem religiösem Pharisäismus“ (These 3). Betont wurde, es sei nicht Aufgabe der CDU, „den politischen Einfluß der Kirchen zu stärken oder mit politischen Mitteln Glaubensmission zu treiben“, ihre Glieder (sic !) wüssten sich aber einig in der Verpflichtung, „in der Zusammenarbeit katholischer und evangelischer Christen ihre politischen Entscheidungen vor Gott zu verantworten“ (These 4). Abschließend betonte man, dass die christliche Überwindung der Verweltlichung sich primär im zwischenmenschlichen und politischen Miteinander zu bewähren habe (These 9) und nur durch das Evangelium geschehen könne, wobei die Politik vor der Entscheidung stehe, „ob sie dieser Überwindung dienen oder ob sie ihr im Wege stehen“ wolle (These 10). Im Ganzen handelte es sich wohl um den formal wenig geglückten Versuch einer eigenen Absage als einen möglichen Kandidaten empfohlen hatte (Auskunft Dr. Wilhelm Wachholz, e-mails vom 5. u. 16. 12. 2003, unter Bezug auf eine Kopie des Schreibens im Arquivo Histórico da Igreja Evangélica de Confissão Luterana no Brasil, ET/FT 1/2). 239 Vgl. O. DIBELIUS, Christ, S. 275f. Dibelius fügte hinzu: „Im übrigen konnte die Kirche nur dankbar dafür sein, wenn in der staatlichen Verwaltung Männer saßen, die aus ihren eigenen Reihen hervorgegangen waren“ (EBD., 276). Gertrud Osterloh ergänzte, Dibelius habe ihrem Mann klargemacht, dass er als ein mit einer geschiedenen Frau verheirateter Mann nicht Bischof werden könne (Gespräch vom 5./6. 2. 1996). 240 Vgl. oben S. 380–383. 241 Programmentwurf: EvV 2, 1954, Nr. 5, S. 1ff. 242 ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-008/3. Abdruck: EvV 2, 1954, Nr. 6/7, S. 7f. Hieraus auch die folgenden Zitate.

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Klärung der Stellung der Union zwischen der Hochschätzung christlicher Werte und der Kirchen sowie ihrer sozialen und diakonischen Arbeit, die man gegenüber der gleichen Arbeit staatlicher, weltanschaulich neutraler Institutionen eindeutig zu bevorzugen gedachte, und der gleichzeitigen Abwehr des Vorwurfes, man betreibe als verlängerter Arm der Kirchen Politik nach deren Vorgaben. In seinem einleitenden Bericht über die Diskussion dieser Arbeitsgruppe hob Osterloh besonders auf die rege Beteiligung aus dem norddeutschen Raum ab, die ihm Beleg dafür war, „daß auch in Norddeutschland der christliche Charakter der CDU/CSU bejaht wird“243. Klarer als dies in den Thesen der Entschließung zum Ausdruck kam, und mit einem kleinen Hinweis auf die offenbar recht schwierige Diskussionslage, brachte er es hier auf den Punkt, worum es seiner Meinung nach gehen musste: „Einiger Anstrengung bedurfte es, um schließlich in der Debatte zu der gemeinsamen Erkenntnis zu kommen, daß es nicht Aufgabe einer politischen Partei sein kann, kirchliche Funktionen zu übernehmen, Seelsorge zu treiben, sich um private Frömmigkeit zu kümmern und damit die ureigentliche Arbeit der Kirche auf dem politischen Felde fortzusetzen. Vielmehr – und das war im Ergebnis einmütige Überzeugung – muß klar und deutlich zwischen dem Handeln der Partei und den Aufgaben von Kirche und Gemeinde unterschieden werden. Frei von jeder Konventikel-Praxis muß die CDU/ CSU ihr Augenmerk auf die Ordnung des öffentlichen Lebens und seine durch Gesetze und staatliche Verwaltung geprägte Gestaltung richten. Ohne die Bedeutung des christlichen Glaubens für jeden einzelnen und für das Subjektive zu verkennen, muß die CDU/CSU bemüht sein, die objektiven Konsequenzen christlicher Grunderkenntnisse im staatlichen und sozialen Leben des Volkes zur Geltung zu bringen. Dabei darf sie sich von niemandem in der Übung echter Toleranz und in der Bewahrung und dem Schutz der Gewissensfreiheit übertreffen lassen.“244

In seiner Sitzung vom 15. März 1955 beschloss der Bundesarbeitskreis die „Kooption von Ministerialdirektor Osterloh“245, der sich drei Tage später in einem Schreiben an Robert Tillmanns für das „entgegengebrachte Vertrauen“ bedankte und sich „gerne“ bereit erklärte, „als Mitglied des Evangelischen Arbeitskreises an seiner Arbeit teilzunehmen“246. Auf der nächsten Tagung des EAK, vom 6. bis 8. Mai 1955 in Worms247, hatte man Osterloh erneut die Leitung einer Arbeitsgruppe anvertraut, die sich 243

E. OSTERLOH, Überwindung (1954), S. 6. EBD. 245 TOP 3 der Sitzung vom 15. 3. 1955 (ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001002/1). 246 EBD. 247 Vorläufiges Tagungsprogramm: EvV 3, 1955, Nr. 3/4, S. 7f. Bericht über die Tagung: EBD., Nr. 5, S. 1–17. 244

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diesmal mit dem für den EAK in seiner Frühzeit bedeutungsvollen Thema „Unsere Verteidigungspflicht“ befasste. Die „Leitgedanken“248 dieser Arbeitsgruppe, die Osterloh den Teilnehmern schon zu Beginn an die Hand gegeben hatte249, bezogen sich natürlich auf die einen Tag vor dem Beginn der Tagung in Kraft getretenen Pariser Verträge. Diese hatte der EAK bereits zuvor in einem auf den 26. Februar datierten „Offenen Brief“ gegen den Widerstand aus kirchlichen Kreisen verteidigt, an dessen Redaktion auch Osterloh beteiligt war250. Es überrascht kaum, dass Osterlohs hier ausgesprochene Bejahung der Pariser Verträge und der Bestimmungen über den Aufbau der Bundeswehr, insbesondere zur allgemeinen Wehrpflicht (Leitgedanke III), zu den Grundsätzen der „inneren Führung“ (IV und V) und zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung verbunden mit der Pflicht zum Ersatzdienst (VII), die volle Unterstützung der Teilnehmer fand: „Gewisse Spannungen und z. T. gegensätzliche Meinungen traten dabei nur auf in der Bestimmung des Verhältnisses von Gehorsam und Disziplin einerseits und Freiheit und Menschenwürde andererseits.“251 Schließlich setzte sich aber eine Befürwortung des Konzeptes vom „Staatsbürger in Uniform“ durch, und man erkannte, „es dürfe auf keinen Fall alles beim alten bleiben, sondern die Entwicklung zur demokratischen Grundordnung müsse auch entscheidend im inneren Gefüge und in der Dienstgestaltung künftiger Streitkräfte zum Ausdruck kommen“252. Mit dem nach der Wormser Tagung gezogenen Fazit der „Stuttgarter Zeitung“ wird auch Osterloh höchst zufrieden gewesen sein: „Der politische Protestantismus ist heute eine politische Realität, ein neues Faktum in der Geschichte Deutschlands. Zwar wird man einschränkend sagen müssen, daß sich dieser politische Protestantismus in der CDU/CSU nur einseitig repräsentiere, zumal eine geschlossene Konzeption von evangelischer Seite noch nicht entwickelt wurde; aber man wird der Entwicklung gerecht, wenn man das, was Niemöller, Heinemann und andere vertreten […], nur als eine ‚Gegenbewegung‘ auf den ‚legitimen‘ politischen Protestantismus in der CDU/CSU ansieht.“253

Den politischen Protestantismus in der CDU/CSU aus der bloßen Reaktion auf die Aktivitäten Niemöllers und Heinemanns herausgeführt zu haben in die aktive Rolle, das war natürlich in erster Linie das Verdienst der prägenden Gestalt 248

ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-009/1 (Auszugsweiser Abdruck: EvV 3, 1955, Nr. 3/4, S. 13f.). Hieraus auch die folgenden Zitate. – Vgl. auch INLL 4, 1955, S. 171. 249 Vgl. E. OSTERLOH, Verteidigungspflicht (1955), S. 11. 250 E. OSTERLOH, Offener Brief (1955). Osterlohs Beteiligung an der Endredaktion dieses „Offenen Briefes“ belegt ein Schreiben, das Walter Strauß am 19. 2. 1955 an die Mitglieder des EAK richtete (ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-002/1). 251 E. OSTERLOH, Verteidigungspflicht (1955), S. 12. 252 EBD. 253 Abdruck des Kommentars in: EvV 3, 1954, Nr. 5, S. 14f., Zitat: S. 15.

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des am 29. Oktober 1954 völlig überraschend verstorbenen Hermann Ehlers. Aber auch Osterloh hat durch seine Mitarbeit schon vor seinem Eintritt in die CDU und durch seine recht große Zahl von Veröffentlichungen allein im zweiten und dritten Jahrgang der „Evangelischen Verantwortung“254 seinen Teil dazu beigetragen. Zumindest war er so aktiv gewesen, dass man ihn an prominenter Stelle für ministrabel hielt und ihn Ende 1955, nach dem plötzlichen Tod von Robert Tillmanns255, der Ehlers im Vorsitz des EAK erst ein Jahr zuvor nachgefolgt war, auch als geeignet für Führungsaufgaben im EAK betrachtete256. Die Reihe seiner Veröffentlichungen vor seinem Eintritt in das Kieler Kabinett beschlossen grundsätzliche Überlegungen über das Verhältnis von Glauben und politischen Entscheidungen257, die auf einem Referat basierten, das Osterloh auf der Jahrestagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU in Niedersachsen am 29. und 30. Oktober 1955 gehalten hatte. Kurz vor einem weiteren Einschnitt in seinem Leben bot Osterloh hier eine programmartige Zusammenfassung seiner Ansichten über das bisherige Wirken der CDU, den Anspruch, vor den er die Partei durch das „C“ in ihrem Parteinamen gestellt sah, und die Aufgaben, die er insbesondere auf die Evangelischen in der Union zukommen sah. Den greifbaren Unterschied der Situation im zehnten Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum geistigen und politischen Klima im Jahre 1928/29 führte Osterloh an dieser Stelle wesentlich auf das Wirken der CDU beim Wiederaufbau der deutschen Staatlichkeit und ihrer Ausgestaltung in der Regierungsverantwortung seit 1949 zurück258. Als entscheidend sah er dabei an, dass die Vereinigung von Christen beider Konfessionen zu einer Partei gelungen war, die zur „umfassenden, volkspädagogisch prägenden Kraft“ werden konnte, gerade weil sie ein „rein politisches Gebilde“ und den Kirchen gegenüber unabhängig blieb259. Das Christliche dieser Partei erweise sich in „ihren programmatischen Äußerungen“, in „ihrer praktischen Arbeit“, im „Respekt vor gemein-christlichen Erkenntnissen der greifbaren Wirklichkeit“ und durch ihre „bejahende Anerkennung der Arbeit der christlichen Kirchen“260. Dem Anspruch des Christlichen werde die Partei nicht gerecht, indem sie tagtäglich und bei jedem Anlass auf die „christlich-biblische Verankerung“ ihrer Grundsätze hinweise. Sie dürfe

254

Zusätzlich zu den in diesem Abschnitt angeführten noch die schon zuvor behandelten Aufsätze E. OSTERLOH, Bundesministerium (1954); DERS., Ergebnisse (1955); DERS., Fahneneid (1955). 255 Tillmanns war am 12. 11. 1955 verstorben. Zu seinem Wirken vgl. ROBERT TILLMANNS; CHR. HAUSMANN, Art. „Tillmanns, Robert“. 256 Vgl. oben S. 378, Anm. 153. 257 E. OSTERLOH, Wagnis (1955). 258 Vgl. EBD., S. 6. 259 EBD., S. 6f. 260 EBD., S. 7.

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aber gleichwohl „nicht prinzipienlos handeln“ und müsse, um ihren Namen zu verdienen, „wenigstens bei besonderen Anlässen […] ernste Anstrengungen machen“, um sich „die tiefsten christlichen Voraussetzungen“ ihres „politischen Handelns ins Bewußtsein zu rufen“261. Zu diesen Voraussetzungen zählte Osterloh die Aussagen zur Bedeutung des Menschen, des Staates, des Eigentums, des geistigen Lebens und der Kultur sowie der Kirchen262. In der näheren Erläuterung konnte er zum großen Teil auf eigene theologisch-kirchliche Stellungnahmen zurückgreifen: 1. „Der Mensch als das Subjekt und Objekt politischer Tätigkeit wird von uns weder vergötzt noch verachtet […]. Vielmehr erkennen wir nüchtern und ehrlich Fehlsamkeit, Tragik und Schuld des Menschen ebenso wie seine unantastbare Würde der Person als Ebenbild des Schöpfers.“ 2. „Der Staat ist nicht nur das Ergebnis menschlicher Vereinbarung“, sondern „seinem Wesen nach für uns eine von Gott gestiftete Einrichtung, deren Auftrag und deren Grenze durch die umfassende Herrschaft des Herrn der Geschichte bestimmt werden.“ Konsequenz: „Das Staatliche ist für uns keine absolute, keine totale und keine höchste Instanz. Vielmehr messen wir es an dem Gebot Gottes.“ Deshalb sei „das gesamte politische Handeln“ zu verstehen „als Dienst an der Verwirklichung des dem Staat von Gott für das Volk in seiner irdischen Geschichte gegebenen Auftrags“.263 3. „Im persönlichen Eigentum […] erblicken wir […] eine dem Menschen von seinem Schöpfer zusammen mit der Freiheit verliehene Gabe“. Aber: „Unser Ja zu Eigentum ist […] keineswegs identisch mit einer uneingeschränkten Bejahung der jeweils historisch bedingten Eigentumsverhältnisse“: „Wir können dem Individuum keine absolut willkürliche Verfügungsgewalt einräumen“, da der Einzelne mit seinem Eigentum „Glied seiner Gemeinschaft“ sei, deren Entwicklung er und seine Ansprüche sich „unter dem Gesichtspunkt der höheren Gerechtigkeit einfügen“ müssten. Jedoch: „Vernichtung des Eigentums durch gesellschaftliche und staatliche Maßnahmen macht im Ergebnis den Einzelnen zum Sklaven des Kollektivs.“ Der Glaube, sozialen Ausgleich und „einen allgemeinen Zustand des Glücks“ durch die Nivellierung bestehender Eigentums- und Besitzverhältnisse herstellen zu können, beruhe „auf dem Aberglauben an die qualitative Gleichheit des Menschen“.

261

EBD. Vgl. EBD., S. 8f. Dort auch die folgenden Zitate. 263 Aus den beiden ersten Aussagen folgert Hans Gerhard Fischer, Osterloh vertrete hier „seine Ansicht über den Staat als ‚Ordnung‘“ (DERS., Demokratie, S. 174). Von dort aus führe „leicht ein Weg zu einer metaphysischen Überhöhung des staatlichen Handelns durch die ‚Theologie der Ordnungen‘“ (EBD., S. 174f.), eine Lehre, der er – sicher zu Recht – eine „demokratisches Denken gefährdende Wirkung“ bescheinigt (EBD., S. 175). Leider fügte Fischer seinem Osterloh-Zitat nicht die oben zitierten, von Osterloh aus seinen ersten Aussagen gezogenen Konsequenzen hinzu, die der von ihm ausgezogenen Gefährdungslinie nun wirklich zuwiderlaufen, auch wenn Osterlohs theologische Aussagen über den Staat – wie schon gezeigt (vgl. oben S. 332f.) – mit den Gegebenheiten einer modernen Demokratie in der Tat nur begrenzt vereinbar waren. 262

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4. „Das geistige Leben und die gesamte Kultur betrachten wir als einen Bereich, der nicht unmittelbar vom Staat und auch nicht von den organisierten Kirchen reglementiert werden kann, sondern der freien Kräfte selbständiger Geister bedarf.“ Daher dürfe man dem Staat kein „uneingeschränktes Schulmonopol“ zugestehen, sondern müsse „für eine wirkungsvolle Mitbeteiligung der Eltern auf allen Gebieten der Erziehung eintreten“. Diese freiheitlichen Grundsätzen bedeuteten allerdings keine „absolute Bindungs- und Schrankenlosigkeit“: „Vielmehr wissen wir uns verpflichtet, die echten schöpferischen kulturellen Kräfte zu fördern […].“ 5. „Das Wirken der beiden Kirchen in der Verkündigung des Wortes Gottes, in der Verwaltung der Sakramente, in der Seelsorge und in ihrer Beteiligung an Erziehung und Bildung in unserem Volk sehen wir als segensreich an, auch für die politische Stabilität unserer Nation.“ Statt einer „falschen Abhängigkeit“ oder „lebensbedrohender Gegensätzlichkeit“ sei im Verhältnis von Staat und Kirche erwünscht „eine beiden Seiten förderliche, durchaus spannungsreiche, wechselseitige Zusammenarbeit“.

Teile dieser Erläuterung lesen sich wie das Grundsatzreferat eines Kultusministers, und man kann sich fragen ob es Zufall war, dass Osterloh eine solche Rede in Niedersachsen hielt, wo die FDP erst ihn zum Kultusminister machen wollte, um dann doch einen weniger geeigneten Kandidaten mit dem richtigen Parteibuch auf den Schild zu heben. In der Beschreibung der aus den dargelegten Grundsätzen zu ziehenden Konsequenzen für die Tagespolitik folgte dann der Redeteil, mit dem er sich – sicherlich unbewusst – für höhere Aufgaben im EAK und in der CDU empfehlen konnte. Osterloh ging zunächst von dem immer wiederkehrenden Vorwurf aus, die CDU bevorzuge in ihrer Personalpolitik Katholiken. Dieser Vorwurf sei auf den Versuch zurückzuführen, die Partei in den Augen der Wähler als im Wesentlichen katholisch erscheinen zu lassen. Dieses Bemühen, so müsse man zugeben, habe seit dem Tode von Hermann Ehlers, an dem man zu Lebzeiten „beim Blick auf die CDU schlechterdings nicht […] vorbeisehen konnte“, größere Aussichten auf Erfolg264. Deshalb sei es nun notwendig, „auf dem Sektor der Personalpolitik auch jene Zahlen zu nennen, die beweisen, daß der gerecht Urteilende […] im Ergebnis nicht von einer Benachteiligung der Evangelischen sprechen kann“265. Diese Abkehr von der bis dahin ausgiebig geübten Praxis, als EAK selbst diese Benachteiligung an- und eine stärkere Berücksichtigung evangelischer Kandidaten einzuklagen, verstärkte Osterloh noch, indem er die inhaltliche Profilierung der evangelischen Komponente innerhalb der CDU als „[v]iel bedeutsamer und in der Wirkung entscheidend“ bezeichnete266. Es komme für die Evangelischen in der Union in 264 Vgl. E. OSTERLOH, Wagnis (1955), S. 9. Osterloh sprach zwei Wochen vor dem überraschenden Tod von Robert Tillmanns. 265 EBD. 266 EBD.

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Zukunft darauf an, in Vorträgen, Publikationen und in der parlamentarischen Arbeit „stärker und pointierter als bisher die evangelische Form des christlichen Staatsverständnisses zur Darstellung“ zu bringen. Gefordert seien „ein maßgeblicher Beitrag zur Frage der Wiedervereinigung“, in der Wirtschaftspolitik das vernehmliche Aussprechen der evangelischen „Bejahung sachlicher Orientierung und das Eigentum erhaltender Maßnahmen“, auf dem Gebiet der Sozialpolitik ein angemessenes evangelisches Pendant zum katholischen Prinzip der Solidarität und Subsidiarität, in der Kulturpolitik die Erarbeitung einer profilierten evangelischen Stellungnahme zu Grundsatzfragen267. Im Verhältnis zu den evangelischen Kirchenleitungen plädierte Osterloh für die Wahrung der „unabhängigen Eigenständigkeit als Partei“: „Ebensowenig wie wir beanspruchen, Ansehen und Autorität der Kirchenleitungen für die politische Arbeit einzusetzen und auszumünzen, ebensowenig sollten wir auch nur den Eindruck aufkommen lassen, als sähen wir die politischen Äußerungen auch hochstehender und von uns auf ihren eigenen Gebieten anerkannter evangelischer Theologen und Kirchenmänner ohne weiteres als maßgeblich für unsere politische Arbeit an.“268

Als weiteres Anliegen für die Zukunft bezeichnete er die Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Konfessionen in der Union und legte nochmals ein Bekenntnis zur überkonfessionellen Zusammenarbeit ab: „Die politische Alltagsarbeit der vergangenen Jahre hat in einer viele von uns überraschenden Weise gezeigt, daß es zu gemeinsamen Entschlüssen von großer Tragweite kommen kann, wenn sich evangelische und katholische Christen in einer Partei zusam267

EBD. EBD., S. 10. Interessant ist ein Vergleich mit einer von Eugen Gerstenmaier auf dem Stuttgarter Parteitag der CDU (27. bis 29. 4. 1956) gehaltenen Rede, in der dieser ebenfalls vom „Wagnis“ einer christlichen Politik sprach, die Definition des „Christlichen“ aber sehr allgemein hielt, die Beziehung zu den Kirchen dagegen konkreter beschrieb, wodurch er dem von ihm selbst angeführten Vorwurf gegen die CDU, sie sei eine „‚violette Kirchenpartei‘“, deutlich mehr Angriffsfläche bot als Osterloh in seinen Ausführungen: „Aber das [dass es Christen auch in anderen Parteien gibt; P. Z.] kann uns nicht hindern und darf uns nicht davon entbinden, unsere eigene Politik und unseren eigenen Weg bestimmen zu lassen von den Geboten Gottes und von der christlichen Berufung des Menschen und der Welt. Dem Wagnis und dem Irrtum bleibt auch eine Politik ausgesetzt, die sich solchen Maßstäben und Kriterien unterwirft, und die darum mit Recht christlich genannt wird.“ – „Die Politik der CDU befaßt sich weder mit den Kirchen, noch wird sie von den Kirchen gemacht, befohlen oder dirigiert […]. Es gibt zweifellos Fälle, wo wir meinen, daß die Kirchen im ganzen von ihrem Fundament her keine andere Stellung beziehen können, als wir es tun. Ich denke zum Beispiel an den Kampf gegen den staatlichen Totalitarismus oder gegen Schund und Schmutz […]. Ich denke an Grundfragen der Familienordnung, der Grenzen des Staates, der Gerechtigkeit, der Freiheit und der Autorität. Aber das alles darf uns keinen Augenblick darüber hinwegtäuschen, daß die Kirchen und die politischen Parteien, auch die bewußt christlichen Parteien, wesenhaft verschieden sind und bleiben müssen. Die CDU wird keine Kirche, und die Kirche soll keine politische Partei werden“ (E. GERSTENMAIER, Warum). 268

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menfinden. Die meist unausgesprochen gebliebene gemeinsame christliche Grundlage hat bisher alle Belastungsproben bestanden. Auch spezifisch evangelische Anliegen konnten innerhalb der CDU und mit Hilfe der CDU leichter verwirklicht werden als in und mit anderen politischen Parteien.“269

Ebenso bekannte er sich aber auch – und dies war, wie sich zeigen sollte, keineswegs allgemeiner Konsens in der CDU – zu einer Art von politischem Pluralismus innerhalb der Union, wenn er abschließend ausführte: Vorhandene Unterschiede dürften nicht übergangen, und daraus resultierende Spannungen nicht vorschnell als parteischädigend diskreditiert werden, denn „[e]ine große politische Partei kann nur so lange an der Führung bleiben, als sie fähig ist, große Spannungen in den eigenen Reihen zu ertragen und als Kraftquelle für gemeinsames Handeln auszuschöpfen“.270

269 270

E. OSTERLOH, Wagnis (1955), S. 10. EBD.

7. Kultusminister in Schleswig-Holstein Eine Art „Nestor“ der Nachkriegsgeschichtsschreibung in Schleswig-Holstein war der 1999 verstorbene Kurt Jürgensen, aus dessen Feder neben zahlreichen Aufsätzen auch das einschlägige Werk zur Kirchengeschichte des Landes in der unmittelbaren Nachkriegszeit, das einen für die vorliegende Arbeit interessanten Ausblick auf den Staatskirchenvertrag von 1957 beinhaltet1, sowie der entsprechende Abschnitt in der handbuchartigen „Geschichte Schleswig-Holsteins“ stammen2. In jüngster Zeit ist in mehreren Veröffentlichungen die Flüchtlingsproblematik in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt worden, in denen zwar die „Fallbeispiele“ überwiegen, die jedoch auch übergreifende Aspekte zur Darstellung bringen3. Ansonsten ist die für die vorliegende Arbeit hilfreiche Literatur zur Nachkriegsgeschichte Schleswig-Holsteins recht begrenzt. Die Geschichte der CDU im Land wird thematisiert in Aufsätzen von Peter Wulf zur Gründungsgeschichte und Klaus Albert zur Regierungsübernahme 19504, in der Monographie von Claus Ove Struck zur Regierungszeit Friedrich-Wilhelm Lübkes5 und im übergreifenden Werk von Frank Bösch6. Mit der Rolle des BHE in Schleswig-Holstein und der „Schleswig-Holsteinischen Gemeinschaft“, gegründet als Reaktion auf den Wahlerfolg des BHE und bis 1958 gemeinsam mit der DP im „Schleswig-Holstein Block“ (SHB) im Landtag vertreten, befasst sich die Monographie von Thomas Schäfer7. Wichtig vor allem im Blick auf die Umstände der Berufung Osterlohs ist die von Mark Speich verfasste Biographie Kai-Uwe von Hassels8. Mehrere Veröffentlichungen behandeln den strittigen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit im Schleswig-Holstein der 1950er Jahre9. 1 K. JÜRGENSEN, Stunde; gen. Exkurs: EBD., S. 150ff. Zur Literatur zum Staatskirchenvertrag von 1957 vgl. ansonsten unten S. 427f. 2 K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein; vgl. auch DERS., Gründung. 3 Vgl. U. CARSTENS, Leben; REGIONALGESCHICHTE HEUTE; FLÜCHTLINGSLAND SCHLESWIG-HOLSTEIN; FLÜCHTLINGE IN SCHLESWIG-HOLSTEIN. 4 P. WULF, Sammlung; K. ALBERT, Übernahme. 5 C. O. STRUCK, Politik. 6 F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU. Der Verfasser legt einen Schwerpunkt auf die „Integration des protestantisch-bürgerlichen Lagers“ in die CDU, und so rücken „vor allem die norddeutschen Flächenländer in den Vordergrund“ seiner Darstellung (EBD., S. 12f.). 7 T. SCHÄFER, Gemeinschaft. 8 M. SPEICH, Kai-Uwe von Hassel. Speich konzentriert sich aber sehr auf von Hassels bundespolitische Ambitionen und vermittelt in den Schleswig-Holstein betreffenden Seiten zu stark den Eindruck, hier habe eigentlich nur Kai-Uwe von Hassel Politik gemacht. Zu einem Osterlohs Arbeit jedoch nur noch am Rande berührenden wichtigen Thema der schleswig-holsteinischen Nachkriegsgeschichte vgl. auch: W. LAGLER, Minderheitenpolitik. 9 Vgl. K.-D. GODAU-SCHÜTTKE, Heyde/Sawade-Affäre; DERS., Recht; DERS., Kontinuitäten; B. KASTEN, Ansehen; U. DANKER, Mörder; J. JÜRGENS, Entnazifizierungspraxis; N. FREI, Karrieren, S. 53–58, 190–193.

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Quellen zu Edo Osterlohs Wirken während seiner Zeit als Kultusminister in SchleswigHolstein finden sich in den einschlägigen Beständen im Landesarchiv (LASH)10, aber auch in den Nachlässen Gerhard Schröders11 und Kai-Uwe von Hassels12. Eine weitere wichtige Quelle sind natürlich die Stenographischen Berichte aus dem Landtag13 und Osterlohs sonstige zahlreiche Veröffentlichungen, nun gehäuft in der „Evangelischen Verantwortung“ und in Publikationen der Landesregierung14.

7.1 Berufung und Amtsantritt 7.1.1 Edo Osterlohs Wechsel von Bonn nach Kiel Nach kurzer Zeit erhielt Osterloh abermals die Chance, den wohl nicht sehr geliebten Posten in Bonn zu verlassen: Kai-Uwe von Hassel, seit einem Jahr Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, suchte Ende 1955 einen Nachfolger für Kultusminister Dr. Helmut Lemke, der in seinem Kabinett das Amt des verstorbenen Innenministers Dr. Paul Pagel übernommen hatte15. Von Hassels Wunschkandidat war zunächst sein Schwager Volkmar Herntrich, damals Oberkirchenrat in Hamburg und seit 1949 Mitglied des Rates der EKD, dem jedoch seine Arbeit in der Kirche wichtiger war16. Kurzzeitig hatte von Hassel daraufhin wohl Hermann Kunst ins Auge gefasst, der ihm absagte, weil er sein Amt in Bonn und die damit übernommene Verantwortung nicht in einer Phase weitreichender Entscheidungen abgeben wollte17. Kunst benannte dann mit Edo Oster10

Besonders LASH SCHLESWIG, 605 (Landeskanzlei) und EBD., 811 (Kultusministerium, Mittel- und Höhere Schulen); einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass aus dem Kultusministerium nur relativ geringe Bestände im LASH vorhanden sind, da laut Auskunft des Archivs ein größerer Teil der Akten vor der Abgabe an das Archiv bei einem Brand vernichtet worden ist. 11 Hier ist von besonderem Interesse der auf mehrere Akten verteilte Briefwechsel Osterlohs mit Schröder: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1; -054/2; -053/3; -105/1; -198/4. 12 ACDP ST. AUGUSTIN, NL Kai-Uwe von Hassel, I-157. 13 SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3.–5. Wahlperiode, 1954–1966. 14 Vgl. Bibliographie 1956–1964. 15 Pagel, bis 1954 auch Kultusminister, war am 11. 8. 1955 verstorben. 16 Herntrich wurde unmittelbar darauf am 12. 1. 1956 zum hamburgischen Landesbischof gewählt. Vgl. H.-V. HERNTRICH, Bild, S. 52; JK 16, 1955, S. 527. M. SPEICH, Kai-Uwe von Hassel, S. 154f., bringt das Scheitern der Gespräche mit dem Tode Herntrichs in Verbindung – tatsächlich kam dieser erst am 14. 9. 1958 bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Auch die Vorgänge um Osterlohs letztlich gescheiterte Berufung zum niedersächsischen Kultusminister (vgl. oben S. 379–384) beschreibt Speich fehlerhaft (EBD., S. 155). 17 Auskunft Hermann Kunst (Gespräch am 23. 9. 1997). Kunst war seit 1949 Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesregierung, evangelischer Verhandlungsführer der am 21. 12. 1955 beginnenden endgültigen Verhandlungen über den Militärseelsorgevertrag und galt bereits als Kandidat für das Amt des ersten Militärbischofs (vgl. J. VOGEL, Wiederbewaffnung, S. 186).

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Kultusminister in Schleswig-Holstein

loh einen seiner Meinung nach geeigneten und abkömmlichen Kandidaten. Osterloh muss von Hassel bekannt gewesen sein: Zum einen waren beide seit 1954 im Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU aktiv18. Zum andern war Osterloh im Jahre 1954/55 einer Einladung Gerhard Stoltenbergs im Namen der Jungen Union nach Kiel zu einem Vortrag gefolgt, der dort sehr positiv aufgenommen wurde19. Auskünfte über ihn konnte er auch von seinem Schwager erhalten haben, der mit Osterloh befreundet war20. Da von Hassel Osterloh persönlich kennen lernen wollte, bevor er sich entschied, arrangierte Kunst für den 29. Dezember 1955 ein Treffen in Form eines Abendessens mit einer anschließenden Gesprächsrunde21, zu dem außer Osterloh und von Hassel noch Gerhard Schröder und Walter Strauß eingeladen wurden. Gesprächsthema des Abends war der „Fall Otto John“22, bzw. das Verhalten John gegenüber nach seiner Rückkehr am 12. Dezember 1955, an der Walter Strauß beteiligt gewesen war23. In diesem Gespräch verstand sich von Hassel offenbar auf Anhieb sehr gut mit Osterloh, so dass er sich schon am folgenden Tag erneut mit ihm traf, um ihm das Amt des Kultusministers in SchleswigHolstein anzutragen. Dabei ließ er sich „von der Überlegung leiten […], daß Schleswig-Holstein einer starken und profilierten evangelischen Persönlichkeit aus der CDU Wirkungsmöglichkeit geben wolle“24.

18

Vgl. oben S. 396–403. Auskunft Gerhard Stoltenberg, 7. 5. 1998. Leider erinnerte er sich nicht an das Thema, das im aus dieser Zeit nur bruchstückhaft vorhandenen Archivbestand der Jungen Union Schleswig-Holsteins (ACDP ST. AUGUSTIN, IV-008) nicht zu ermitteln ist. 20 In einem der letzten Briefe, die Volkmar Herntrich geschrieben hat, trug er Osterloh die Teilnahme an der Konferenz des Nordisch-Deutschen Konvents vom 11. bis 15. 10. 1958 an (vgl. H.-V. HERNTRICH, Bild, S. 57f.). 21 Die Auskünfte zu diesem Treffen gab Hermann Kunst (Gespräch am 23. 9. 1997). Die Datierung kann entnommen werden einem Brief Osterlohs an Kai-Uwe von Hassel vom 28. 12. 1956 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-042/2). 22 Otto John, ehemaliger Widerstandskämpfer und seit 1950 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, war in der Nacht des 20. 7. 1954 auf nicht restlos geklärte Weise von West- nach Ost-Berlin gekommen, hatte im Anschluss in der DDR Propaganda gegen Adenauer betrieben und sich im Dezember 1955 wiederum in die Bundesrepublik abgesetzt. Nach seiner Ankunft wurde er verhaftet und zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. John selbst behauptete später, er sei in die DDR entführt worden und habe sich dort den Richtlinien für solche Fälle gemäß verhalten: bedingt kooperiert und die erste Möglichkeit zur Flucht genutzt (vgl. PROTESTCHRONIK II, S. 1013f., 1290f., 1539f.; J. FRIEDRICH, Affäre; vgl. auch EvV 2, 1954, Nr. 8/9, S. 24). Einen Überblick über Literatur und Forschungsstand sowie neue belastende Dokumente aus dem „Ministerium für Staatssicherheit“ zum Fall bringt B. STÖVER, Fall. 23 Nach J. FRIEDRICH, Affäre, S. 29, war es Walter Strauß, „ein Freund der Familie“, der John übermitteln ließ, er „möge getrost heimkehren, er habe nichts zu befürchten“. 24 EvW 10, Nr. 3, 1. 2. 1956, S. 73. Laut Gerhard Stoltenberg sollte Osterloh dem Kabinett auch ein wenig von dem zuvor fehlenden „intellektuellen Glanz“ verleihen: „Er war ja ein hochgebildeter Mann, der die anspruchsvolleren Gruppen der Bevölkerung schon ansprechen konnte, und als Kultusminister 19

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Osterloh wird kaum lange überlegt haben angesichts dieser sich bietenden Chance, federführend Politik gestalten zu können. Schon am 11. Januar 1956 jedenfalls druckten die „Kirchliche[n] Informationen für Schleswig-Holstein“ seinen Lebenslauf ab und begründeten dies mit „der Tatsache, daß in den letzten Tagen Ministerialdirektor Edo Osterloh vom Familienministerium in Bonn als künftiger schleswig-holsteinischer Kultusminister genannt worden ist“25. Ebenfalls schon in den ersten Januartagen 1956 traf er sich in Lüneburg zum ersten Mal mit dem bisherigen Kultusminister Dr. Helmut Lemke, der ihm auf Wunsch von Hassels die Aufgaben erläuterte, die auf ihn warteten26. Zum Minister berufen wurde er am 17. Januar 195627; in der Zeit, die er sich bis zur Übernahme des Amtes noch zur Abwicklung bisheriger Amtsgeschäfte ausbedungen hatte, vertrat ihn Lemke28, der nach seinem Wechsel ins Innenministerium geschäftsführender Kultusminister geblieben war29. Am 30. Januar 1956 schließlich konnte von Hassel seinen neuen Kultusminister den Kabinettskollegen vorstellen30, am gleichen Tag wurde Osterloh vor dem schleswig-holsteinischen Landtag vereidigt31. Die Amtsgeschäfte übernahm er in vollem Umfang aber erst im Laufe des Februar32. Die Wohnungsfrage konnte dank der Initiative seines späteren persönlichen Referenten, Dr. Jürgen Scheel33, ebenfalls rasch gelöst werden: schon im März

gerade die Universitäten, den Forschungsbereich, die Volkshochschulen – er hatte da schon eine erhebliche Wirkung“ (Gespräch am 7. 5. 1998). 25 Ein Abdruck findet sich in: LASH SCHLESWIG, 605/1992, Fasz. 15, 3. 26 So Helmut Lemke in seiner Trauerrede auf Edo Osterloh am 2. 3. 1964 (Informationsdienst der Landesregierung 12, Nr. 4, Februar 1964, S. 26ff., hier: S. 28). 27 Datum der Berufungsurkunde (LASH Schleswig, 605/1992, Fasz. 15, 1). 28 EBD., Fasz. 15, 2. 29 Vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 1131. 30 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 11, Sitzung vom 30. 1. 1956 (Bl. 132). Vorher war in offiziellen Gremien über seine Person nicht beraten worden, was aber damaliger Sitte entsprach: „Es gab damals überhaupt nicht die Gepflogenheit, daß etwa die Fraktion […] über Minister abstimmen wollte […]. Die Fraktion wurde vom Ministerpräsidenten informiert, es wurde eine Begründung gegeben, und dann war die Sache entschieden. Von Hassel hat sich vorher sicher mit einigen besprochen, vielleicht auch mit Kabinettsmitgliedern, hat eventuell auch seine Stellvertreter im Parteivorsitz konsultiert, damit die sich gefragt fühlten und ihre Meinung sagen konnten, aber er hat entschieden“ (Auskunft Gerhard Stoltenberg, 7. 5. 1998). 31 SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 1190. 32 So erstattete Lemke „in Vertretung des Kultusministers“ am 6. 2. 1956 dem Landtag insgesamt vier Berichte: betr. Kinder- und Jugenderholungsmaßnahmen, Volksschullehrerausbildung, Zahlenlotto und Sportförderung sowie Heimbeaufsichtigung in Schleswig-Holstein, worin sicher eine Art Abschluss seiner eigenen Tätigkeit gesehen werden kann (vgl. EBD., S. 1395–1463). Osterloh selbst sprach im Landtag erstmals am 20. 3. 1956 anlässlich der zweiten Lesung des Haushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1956 (EBD., S. 1569ff.). 33 Auskunft Jürgen Scheel, 18. 3. 1998.

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Kultusminister in Schleswig-Holstein

wurde der Ankauf eines Hauses in der Bismarckallee beschlossen, in dem Familie Osterloh in den nächsten Jahren wohnen sollte34.

7.1.2 Die politische Situation in Schleswig-Holstein 1955/56 Schleswig-Holstein hatte noch im Jahre 1956 unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs stärker zu leiden als die meisten anderen Bundesländer, und das, obwohl es von direkten Kriegsschäden – mit Ausnahme weniger großer Städte, insbesondere Kiels und des Hamburger Umlands – wesentlich weniger stark betroffen war, da es alliierten Bombenangriffen keine weiteren „lohnenden“ Ziele bot und auch von sonstigen Kämpfen weitgehend verschont geblieben war35. Gerade deshalb aber kam von den Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen ein besonders großer Teil nach Schleswig-Holstein, das „gemessen an Landesgröße und Bevölkerungsdichte“, die „größte Last“ zu tragen hatte36. Die Bevölkerung stieg von ca. 1,6 Millionen (1939) auf etwa 2,6 Millionen Ende 1950, eine Zunahme von über 60%, die zu einem Nicht-Einheimischen-Anteil von fast 39% führte37. Obwohl schon die Ministerpräsidentenkonferenz vom Juni 1947 die Notwendigkeit von Umsiedlungen prinzipiell anerkannt hatte, dauerte es bis zum Jahre 1950, ehe die ersten nennenswerten Maßnahmen griffen, „[a]llerdings blieben die tatsächlich erreichten Zahlen regelmäßig hinter den gesetzten Zielen zurück“38. Neben den gravierenden wirtschaftlichen und sozialpolitischen Folgen in einem ohnehin nicht sehr reichen Land39 zeigte diese Situation auch politisch 34 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 22, Bl. 182 u. 190. Bei der Wohnung handelte es sich damit um eine Dienstwohnung des Landes, die gekauft wurde, damit der neue Kultusminister „nicht schlechter gestellt wird als bisher“ (Brief Gertrud Osterloh vom 26. 2. 1996). Der Landtag befürwortete den Kauf am 21. 3. 1956 (SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 1616). 35 Nach den Berichten des Oberkommandos der Wehrmacht gelang es den Engländern erst am 29. 4. 1945, südwestlich von Hamburg einen Brückenkopf nördlich der Elbe zu bilden. Aus diesem drangen sie nach kurzen Kämpfen am 30. 4. und 1. 5. in den letzten Tagen des Krieges allerdings noch bis Lübeck (3. 5.) und Neumünster (4. 5.) vor (abgedruckt in: G. BÖDDEKER, Untergang, S. 194–202), bevor am 5. 5. 1945 in Nordwestdeutschland die Waffenruhe eintrat (vgl. EBD., S. 213). 36 J. SCHÖPS, Bauern, S. 42. Mitentscheidend für die große Zahl von Flüchtlingen war auch der Umstand, dass Schleswig-Holstein am Ende des Krieges als einzige westliche Region von den schon abgeschnittenen östlichen Gebieten des Reiches über den Seeweg zu erreichen war (vgl. K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein, S. 639). 37 Vgl. T. SCHÄFER, Gemeinschaft, S. 16. 38 EBD., S. 17. 39 Schleswig-Holstein hatte 1950 bezogen auf das Bundesgebiet 5,4% der Bevölkerung, aber über 10% der Vertriebenen und Zugewanderten, über 13% der Arbeitslosen, sogar über 30% der Dauerarbeitslosen und lag in allen Wohlstandsindikatoren (Arbeitnehmeranteil, Steueraufkommen, Ersparnisse

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und mental Wirkung: Die erste Landtagswahl vom 20. April 1947 mit britisch initiiertem Mehrheitswahlrecht40, in deren Vorfeld die Gründung einer Flüchtlingspartei nicht zugelassen worden war41, hatte der SPD eine klare Mehrheit der Mandate eingebracht42. Sie nutzte sie zur Durchsetzung der Landessatzung von 194943, in der unter anderem eine Bodenreform und die sechsjährige Grundschule festgeschrieben wurden44. Am 9. Juli 1950 erreichten in der ersten mit einem verstärkten Verhältnisausgleich durchgeführten Landtagswahl die Parteien des „Wahlblocks“ aus CDU, FDP und DP45 in einer zwei Monate später begründeten Koalition mit der erstmals zugelassenen Flüchtlingspartei, dem „Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE)46, der allein auf 23,4% der Stimmen kam, eine deutliche Zwei-Drittel-Mehrheit der Mandate47. Damit konnten sie die oben genannten Bestimmungen im November 1950 wieder aus der Landessatzung streichen48. Dies führte zu einer Verhärtung der politischen Fronten in Schleswig-Holstein, die auch nach der Landtagswahl vom 12. September 1954 fortbestand49, in der die SPD zwar mit 33,2% der Stimmen mit einem deutlichen Plus wiederum stärkste Partei wurde, die CDU mit einem Plus von über 12% und insgesamt 32,2% der Stimmen aber die gleiche Anzahl Mandate erringen konnte und daraufhin ihren Kandidaten, Walther Böttcher, zum Landtagspräsidenten wählen ließ50. Die CDU – jetzt unter der Führung von usw.) deutlich unter dem Bundesschnitt. Vgl. die entsprechende Tabelle EBD., S. 20. Daran änderte selbst das natürlich auch in Schleswig-Holstein spürbare „Wirtschaftswunder“ der 1950er Jahre nichts (vgl. A. SCHARFF, Bundesland, S. 800f.). 40 Zur Neu-Gründung des Landes Schleswig-Holstein aus der ehemaligen preußischen Provinz, den Anfängen des politischen Lebens und den ersten ernannten und gewählten Landtagen vgl. K. JÜRGENSEN, Gründung; vgl. auch DERS., Schleswig-Holstein, S. 592–598, 605–616. 41 Vgl. T. SCHÄFER, Gemeinschaft, S. 23; K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein, S. 608. 42 Sie erhielt 43,8% der Stimmen und damit 43 von 70 Sitzen im Landtag (WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 1124f.). 43 Vgl. S. WALLER, Landessatzung. 44 Die Landessatzung wurde am 13. 12. 1949 vom Landtag verabschiedet und trat am 12. 1. 1950 nach erfolgter britischer Genehmigung in Kraft (vgl. EBD.; K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein, S. 616). 45 Zum Zustandekommen des Wahlblocks, der in vielen Wahlkreisen keine Kandidaten gegeneinander aufstellte, und den Auswirkungen auf das Ergebnis der Wahlen vgl. T. SCHÄFER, Gemeinschaft, S. 47–50. 46 Zum BHE vgl. EBD., bes. S. 23–76. Vgl. auch J. REIMANN, Memel, bes. S. 74–88, der sehr intensiv die Durchdringung des BHE mit ehemaligen Nationalsozialisten und deren Rolle innerhalb der Partei beleuchtet. 47 Ergebnis: CDU 19,8% (16 Mandate), DP 9,6% (7), FDP 7,1% (8), BHE 23,4% (15), SPD 27,5% (19), SSW 5,5% (4) (WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 1126f.). 48 Vgl. K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein, S. 616f. 49 So Wilhelm Siegel, einer der Hauptbeteiligten auf SPD-Seite, in einem Rückblick von 1972 (W. SIEGEL, Kulturpolitik, S. 228). 50 Zu Wahlergebnis und Mandatsverteilung vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 1129 bzw. 1131. Vgl. auch E. MALETZKE, Atomzeitalter, S. 76ff.

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Hassels, der den todkranken Friedrich Wilhelm Lübke als Ministerpräsidenten am Anfang der 3. Wahlperiode abgelöst hatte51 – konnte wiederum zu einer Koalition mit zwei (BHE und FDP) der jetzt drei kleinen Parteien im Parlament kommen. Die SPD blieb für weitere Jahre in der Opposition, in der sie sich nun gemeinsam mit dem in Reaktion auf den starken Einfluss des BHE gebildeten „Schleswig-Holsteinischen Block“ (SHB) befand52. Die Probleme, vor denen das Land in der Mitte der 1950er Jahre stand, waren immer noch die gleichen wie 1950: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Wohnraumknappheit sowie Abbau der Überbevölkerung. Sie konnten aber jetzt, da sich das sog. „Wirtschaftswunder“ auch in Schleswig-Holstein bemerkbar zu machen begann, verstärkt einer Lösung zugeführt werden. Die Bevölkerung war seit 1950 kontinuierlich zurückgegangen (1957: 2,26 Millionen)53, die Wohndichte (Personenzahl pro Normalwohnung) sank von 5,71 (1950) auf 3,89 im Jahre 195654, die Zahl der Arbeitslosen ging zwischen 1950 und 1956 von über 200.000 auf unter 140.000 (Januar 1956, mit einer nochmaligen Besserung im Verlauf des Jahres) zurück55. Rückblickend können auch für das nördlichste Bundesland die Jahre nach 1954 als Jahre eines „gewaltigen Aufschwung[s]“ bezeichnet werden56. Zugleich war mit den „Bonn-Kopenhagener Erklärungen“ vom 29. März 1955 der sog. „Grenzkampf“ im nördlichen Landesteil mit einem gerechten Ausgleich beendet worden. Dieser sah unter anderem vor, die Partei der dänischen Minderheit, den „Südschleswigschen Wählerverband“ (SSW), in den folgenden Wahlen von der Gültigkeit der 5%-Klausel zu befreien, die 1954 den Wiedereinzug des SSW in das Kieler Parlament verhindert hatte57. 51 Friedrich-Wilhelm Lübke, Ministerpräsident seit 25. 6. 1951, starb am 8. 11. 1956, wenige Tage nachdem Kai-Uwe von Hassel zum Ministerpräsidenten gewählt worden war (EBD., S. 77). Zur Regierungszeit Lübkes vgl. C. O. STRUCK, Politik. 52 Der SHB, die Listenverbindung aus Schleswig-Holsteinischer Gemeinschaft und Deutscher Partei, erreichte 5,1% der abgegeben Stimmen und damit 4 Mandate (WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 1129 bzw. 1131). Zur Geschichte des SHB, der schon im nächsten Landtag nicht mehr vertreten war, vgl. T. SCHÄFER, Gemeinschaft, bes. S. 95–190. 53 Vgl. SCHLESWIG-HOLSTEIN ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN, S. 5. 54 Vgl. EBD., S. 7. 55 Für 1950 vgl. T. SCHÄFER, Gemeinschaft, S. 20; für 1956 vgl. das Schaubild in: AUFTRAG UND ERFÜLLUNG, S. 61. 1960/61 war auch in Schleswig-Holstein annähernd Vollbeschäftigung erreicht (vgl. EBD.). 56 So E. MALETZKE, Atomzeitalter, S. 83. Vgl. A. SCHARFF, Bundesland, S. 800. 57 Der „Grenzkampf“ beruhte im Wesentlichen auf Abspaltungstendenzen dänisch-gesinnter Teile der Bevölkerung im nördlichen Landesteil, die sich auch die schlechte Ernährungs- und Arbeitsmarktlage nach dem Kriege, verbunden mit der Hoffnung auf bessere Zukunftschancen unter dänischer Herrschaft, zunutze machen wollten. Die in Aussicht gestellten Wohltaten führten kurzzeitig zu einem sprunghaften Ansteigen der Zahl derer, die sich zur dänischen Minderheit zugehörig fühlten (das Phänomen der sog. „Speck-Dänen“). Die ablehnende Haltung der Briten (die auch gar nicht befugt gewesen wären, den Grenzverlauf eigenmächtig zu verändern), die besseren Wirtschaftsbedingungen nach der Wäh-

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Auf dem Gebiet der Kulturpolitik jedoch, besonders im Schulwesen, lagen die Dinge infolge der chronischen Finanzknappheit des Landes noch anders, wenngleich die enormen Aufgaben auch hier bereits in Angriff genommen waren. Ebenfalls aufgrund der hohen Zuwanderung herrschten in der unmittelbaren Nachkriegszeit zum Teil chaotische Zustände: Kamen 1939 auf 1.574 Volksschulen mit 4.325 Klassenräumen 172.375 Schüler, so waren es 1947 387.278 Schüler auf 1.611 Volksschulen mit 4.026 Klassenräumen, d. h. pro Klassenraum gab es jetzt 96 Schüler58! Noch gravierender sah es dort aus, wo Bombenschäden viele Schulen zerstört hatten, so in Kiel, wo es statt 55 Volksschulen (667 Klassenräume) im Jahre 1939 nach dem Krieg (1947) nur noch 24 (185 Klassenräume) gab, und das bei einer gleichbleibenden Schülerzahl von gut 25.000 (138 Schüler pro Raum)59. In den höheren Schulen sah die Situation nicht viel besser aus, so dass nach einer ersten Bestandsaufnahme 1945 gut 4.000 Klassenräume fehlten60. Geld für Neubauten gab es zunächst nicht, so dass behelfsweise Schichtunterricht und Unterricht in Aushilfsklassenräumen oder Barackenschulen gehalten wurde61. Auch im August 1952, dem Zeitpunkt einer vorläufigen Bestandsaufnahme mit dem Titel „Kulturarbeit in Schleswig-Holstein seit 1945“, fehlten an Klassenräumen immer noch 1.152 an Volks-, 496 an Mittel-, 210 an höheren und 906 an Berufsschulen62, und das, obwohl das Land trotz der finanziellen Probleme über dem Bundesschnitt Mittel für den Schulbau aufwandte63. Daneben trat ein zunehmender Lehrermangel, der sich in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zuspitzte, allerdings auch auf einen erhöhten Bedarf infolge einiger Besonderheiten des Schulsystems zurückzuführen war, zu denen auch die neu eingerichteten Aufbauzüge an ländlichen Volksschulen gehörten, die Begabten den Übergang in weiterführende Schulen erleichtern sollten64. Sicherung bzw. rungsreform und schließlich die Gründung der Bundesrepublik ließen die Verhältnisse sich jedoch bald wieder normalisieren, bis es schließlich zum vorbildhaften Ausgleich in der Minderheitenfrage zwischen Dänemark und Deutschland kam (vgl. K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein, S. 626–634 [mit zahlreichen Literaturhinweisen]; W. LAGLER, Minderheitenpolitik; zur rechtlich-juristischen Bewertung der BonnKopenhagener Erklärungen vgl. J. LEMKE, Minderheiten, S. 27–31). 58 Angaben bei G. GROTHUSEN, Schulbau, S. 5. 59 Vgl. EBD. 60 Vgl. EBD. 61 Vgl. EBD.; K. SCHLEIFER, Aufbau, S. 8f.; K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein, 600f. Schichtunterricht sollte bis weit in Osterlohs Amtszeit hinein ein Problem bleiben, so waren am 1. 4. 1962 noch 3,8% der Volksschüler und 1% der Mittelschüler davon betroffen (vgl. AUFTRAG UND ERFÜLLUNG, S. 17). 62 Vgl. G. GROTHUSEN, Schulbau, S. 5. 63 1949/50 je Einwohner DM 6,73 (Bundesdurchschnitt [ohne Stadtstaaten]: DM 4,92); vgl. EBD., S. 6. 64 Osterloh nannte in seiner Rede zu diesem Problem vor dem Landtag am 1. 7. 1957 das 1947 eingeführte 9. Volksschuljahr, das gut ausgebaute Mittelschulwesen und die Aufbauzüge (SCHL.-HOLST. LAND-

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Wiederaufbau einer guten Schulversorgung erforderten somit erhebliche Anstrengungen und das Vermögen des Landes bald übersteigende finanzielle Mittel65, führten aber auch zu vorzeigbaren Ergebnissen, zum Beispiel zu einer weit überdurchschnittlichen Zahl an Mittelschulabsolventen66. Ein weiterer kostenträchtiger Faktor im kulturpolitischen Bereich war der Wiederaufbau bzw. Neubau der Kieler Universität, der ebenfalls 1956 schon begonnen war, aber Osterlohs gesamte Amtszeit über andauern sollte67. Osterloh fand als neuer Kultusminister also ein großes Aufgabenfeld vor, zu dem auch noch die Beseitigung der Lücken in den gesetzlichen Grundlagen des Schulwesens gehörte. Deren Existenz war darauf zurückzuführen, dass es sich bei Schleswig-Holstein um ein neugegründetes Bundesland handelte, das über keine Rechtsnachfolgeregelung an ein Konkordat bzw. einen Staatskirchenvertrag gebunden war und nicht über ein in allen Landesteilen gültiges Schulunterhaltungsgesetz verfügte68. Bei der Bewältigung der Schwierigkeiten im Schul- und Universitätsbereich konnte sich der neue Kultusminister der fast uneingeschränkten Unterstützung der maßgebenden Kräfte im Lande sicher sein: Nach den harten politischen Auseinandersetzungen, die dem letztlich missglückten Versuch der SPD, eine Schulgestalt allein nach ihren Vorstellungen gesetzlich zu verankern, folgten, bemühten sich in den folgenden Jahren Regierung wie Opposition darum, in diesem Politikbereich eine weitgehend am Konsens orientierte Politik zu betreiben, wie sich schnell in den Beratungen zum Schulverwaltungs- und Schulunterhaltungsgesetz zeigen sollte69.

7.1.3 Amtsübernahme und Amtsführung Wie schon zuvor beim Wechsel nach Bonn fand die Person des neuen Ministers auch in Schleswig-Holstein keinen ungeteilten Beifall. Es gab bis in die CDU

TAG.

STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 2794–2804; Auszüge: E. OSTERLOH, Lehrermangel [1957]). Zur Einrichtung der Aufbauzüge vgl. auch: K. SCHLEIFER, Aufbau, S. 9. 65 Ein Beispiel ist die zunächst eingeführte volle, dann wieder eingeschränkte Schulgeld- und Lernmittelfreiheit (vgl. K. SCHLEIFER, Aufbau, S. 10; W. SIEGEL, Kulturpolitik, S. 228f.). 66 Osterloh am 1. 7. 1957: „Ich erinnere daran, daß im Bundesdurchschnitt nach dem Stand von 1955 auf 10 000 Einwohner 65 Mittelschüler, – in Schleswig-Holstein dagegen 191 Mittelschüler entfallen.“ (SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 2797; E. OSTERLOH, Lehrermangel [1957], S. 94). 67 Vgl. aus dem Jahre 1952: A.-W. FEHLING, Wiederaufbau; aus dem Jahre 1958: SCHLESWIG-HOLSTEIN ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN, S. 37f.; aus der Rückschau zusammenfassend: K. JÜRGENSEN, Schleswig-Holstein, S. 598ff. 68 Vgl. unten S. 421ff.; vgl. auch F. KOCK, Entwicklung. 69 Vgl. unten S. 421–427.

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hinein Kritik an von Hassels Entscheidung, weil man lieber einen SchleswigHolsteiner auf dem Posten des Kultusministers gesehen hätte70. Hinter dieser von den einheimischen Politikern gern gehörten und entsprechend unterstützten Argumentation standen aber in mehr als einem Fall eigene enttäuschte Ambitionen. So meldete zwar der Chefredakteur des „Flensburger Tageblatts“, Hanno Schmidt, schon gegen die ins Auge gefasste Berufung Herntrichs neben dessen Verwandtschaftsverhältnis zu von Hassel solche Bedenken an, die auch auf den Kandidaten Osterloh zutrafen: es sei nicht notwendig, einen Kandidaten von außerhalb zu holen, und zudem sei es problematisch, die Schulaufsicht durch einen Geistlichen ausüben zu lassen71. Als Hintergrund dieser Argumente muss jedoch beachtet werden, dass Schmidt selbst als möglicher Kandidat für die Nachfolge Lemkes galt, von Hassel ihn aber ebenso wenig für geeignet hielt wie den schul- und kulturpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion, Arthur Schwinkowski72. Letzterem stand auch der Umstand im Weg, dass er bei von Hassels Wahl zum Ministerpräsidenten dessen Gegenkandidaten aus den eigenen Reihen, den Kieler Bürgermeister Max Emcke, unterstützt hatte73. Sicher war es kein Zufall, dass es dann im Flensburger Raum besonders heftige Kritik auch an Osterlohs Berufung gab74. Von Seiten der Opposition (SPD und SHB) wurde – ohne ausgeführte Schlussfolgerungen – auffallend betont, dass der neue Minister ein Theologe sei, während Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft dies als „untragbar“ bezeichneten75. Diese Ein70

Vgl. den recht kritisch zur anstehenden Berufung Osterlohs eingestellten Art. „Eine ‚einheimische‘ Kulturpolitik? Vor der Ergänzung des schleswig-holsteinischen Kabinetts“ (Sbl., Nr. 4, 22. 1. 1956, S. 21) sowie den bei M. SPEICH, Kai-Uwe von Hassel, 155, zitierten Brief von Hassels an Hans Asmussen vom 29. 1. 1956, der ihm zuvor zur Berufung Osterlohs gratuliert hatte: „Ich hatte außergewöhnliche Schwierigkeiten bei meinen eigenen Freunden, ihn durchzusetzen, da man unbedingt einen Schleswig-Holsteiner zum Kultusminister haben wollte.“ Auch im Bundesvorstand berichtete von Hassel am 12. 7. 1956 von einem „Gefühl der Antipathie“, das Osterloh als „Ausländer“ in Kiel habe überwinden müssen (ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, S. 943). Noch im Nachruf der „Kieler Nachrichten“ auf Osterloh wurde diese Kritik angesprochen (Kieler Nachrichten, 27. 2. 1964). 71 Vgl. Art. „Minister gesucht“ (Flensburger Tageblatt, 22. 9. 1955; angeführt nach M. SPEICH, KaiUwe von Hassel, S. 154). 72 Vgl. M. SPEICH, ebd. 73 Vgl. EBD., S. 108f. 74 Vgl. Radius, Heft 2, 1956, S. 56. Der Ortskreis Flensburg der „Evangelischen Akademikerschaft“ organisierte gemeinsam mit den Lehrerverbänden (auch der GEW) bewusst dort einen Vortrag Osterlohs über das Verhältnis von Staat, Schule und Kirche noch in der ersten Jahreshälfte 1956, um Osterloh Gelegenheit zu geben, „sich den ca. 450 Zuhörern vorzustellen und so eine fruchtbare Zusammenarbeit zu beginnen“ (EBD.). 75 Vgl. EvW 10, 1956, S. 73. In seinem Bericht vor der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins ging Bischof Wilhelm Halfmann auf die Vorgänge um Osterlohs Berufung ein: „Wie leicht das Verhältnis von Kirche und Staat gestört werden kann, hat sich gezeigt, als bekannt wurde, daß ein Theologe als Kultusminister in Frage kommen würde. Sofort wurde von ge-

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wendungen wurden durch Osterlohs äußerliches Erscheinungsbild sicher nicht entkräftet, bevorzugte er doch das Tragen eines schwarzen Hutes76. Eher schon mussten seine ersten Interview-Äußerungen zu denken geben, mit denen er seine Aufgabe umriss. Er sprach sich dabei für eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Gewachsenen bei vorsichtiger Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen aus und lud alle beteiligten gesellschaftlichen Kräfte zur Mitarbeit ein: „Ganz unmittelbar interessiert an der Kulturpolitik eines Landes sind vor allem seine Schulkinder, die Eltern, die Studenten, die Lehrer, die Professoren, die Wissenschaftler und Künstler. Sie alle wollen keine willkürlichen Experimente, aber auch keine langweilige Restauration. Sie haben Anspruch auf eine pflegliche Behandlung des Vorhandenen und Gewachsenen und auf eine wegweisende Aufgeschlossenheit für die Aufgaben, die in der Zukunft vor uns liegen. Allen verantwortungsbewußten und tatbereiten Kräften gebührt eine echte Chance zur Mitarbeit. Für alles Kulturelle und Geistige kann der Staat im günstigsten Falle Hilfestellung und Förderung bieten. Politik, auch Kulturpolitik allein, kann keine geistigen Kräfte ersetzen oder schaffen. Gewähren lassen und behutsam beobachten sind im Reiche des Geistes häufig angebrachter als scharfes Zupacken und Dirigieren.“77

Trotz aller Einwände war die Gewissheit verbreitet, Osterloh fände, einmal als Kultusminister berufen, eine „loyale Haltung bei allen parlamentarischen Kräften“ vor78. Dies galt sicher für sein Ministerium, in dem er übrigens kein ganz Unbekannter war: Im Oktober 1954 schon hatte Ministerialdirektor Franz Kock die drei für die verschiedenen Schulformen zuständigen Abteilungen um eine Stellungnahme zu Ausführungen Osterlohs über den evangelischen Religionsunterricht gebeten, die im Informationsdienst für Schulfragen „Die evangelische Elternschaft“ erschienen waren79.

wisser Seite der Theologe als ‚Butzemann‘ für die Lehrerschaft hingestellt, der nichts lieber tun würde, als die geistliche Schulaufsicht wieder einzuführen […]. Das Betrübendste ist, daß bei der Beschwörung der geistlichen Schulaufsicht nicht eine echte Besorgnis spürbar wurde, sondern die Absicht, politisches Störfeuer zu geben“ (zit. nach dem Bericht, den Osterloh am 20. 2. 1956 dem Ministerpräsidenten übermittelte [LASH Schleswig, 605/515]). 76 Sein Mitarbeiter Dr. Scheel machte ihn zu Beginn seiner Tätigkeit darauf aufmerksam, dass bei vielen Lehrern gerade der älteren Generation mit einem solchen Hut „immer das Gespenst der geistlichen Schulaufsicht verbunden war; es bestand die Gefahr, daß viele ihn deshalb nicht so sehr als Kultusminister sahen, sondern als den Kirchenmann, der er ja auch war“. Jedoch ließ Osterloh sich durch diesen Hinweis wenig beeindrucken: „Da hat er sich aber nicht nach gerichtet“ (Auskünfte Jürgen Scheel, 18. 3. 1998). 77 INLL 5, 1956, S. 32. 78 EvW 10, 1956, S. 73. 79 E. OSTERLOH, Religionsunterricht (1954).

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Osterloh hatte in diesem Aufsatz zunächst die Besonderheiten des Religionsunterrichtes im Blick auf seine grundgesetzliche Verankerung und die Art der Abstimmung seiner Lehrinhalte mit den beiden großen Konfessionen beschrieben. Dabei hatte er einmal mehr die gewachsene gute Zusammenarbeit zwischen Theologen und Pädagogen beschworen. Schließlich hatte er sich dafür ausgesprochen, dass im Religionsunterricht vor allem „solide Kenntnisse“ vermittelt werden, die dann auch entsprechend geprüft und bewertet werden sollten; keinesfalls solle der Religionsunterricht in erster Linie der „Pflege der persönlichen Gläubigkeit“ oder aber „missionarischen Zielen“ dienen, denn: „Der Religionsunterricht an der Schule soll weder die religiöse Erziehung im Elternhaus noch den spezifisch kirchlichen Unterricht ersetzen“.80 Nicht nur Kock war eine gewisse Diskrepanz zur allgemeinen Auffassung über die „Evangelische Unterweisung“ aufgefallen. Auch Osterloh selbst hatte bisher niemals so deutlich von „Religion“ als einem ganz normalen Schulfach gesprochen, was an der Frontstellung liegen mochte, in der er sich in den Jahren zuvor ständig befunden hatte. Mit einem gewissen Abstand konnte Osterloh jetzt einen anderen Schwerpunkt setzen und Dinge formulieren, die er wohl immer mit gemeint hatte und die – schon früher neben der theoretischen Grundlegung der „Evangelischen Unterweisung“ so konkret formuliert – eventuell das eine oder andere Missverständnis verhindert und die eine oder andere Aufgeregtheit in Luft aufgelöst hätten: „Ganz ausgeschlossen ist es, die Gläubigkeit oder die religiöse Einstellung oder etwa die ‚Kirchlichkeit‘ eines Kindes zu zensieren“.81 Den jetzigen Ausführungen des ehemaligen Schulreferenten der EKD fehlte nun wiederum ein direkter Hinweis auf die von Osterloh sicher nach wie vor vertretenen Grundlagen der „Evangelischen Unterweisung“. So meinte Kock nach der Übereinstimmung der Thesen Osterlohs mit „den derzeitigen Auffassungen der Landeskirche über die Aufgabe der religiösen Unterweisung“ fragen zu müssen, und ob diese „nicht doch mehr sein“ solle „als eine Vermittlung von Kenntnissen“82. Die Reaktion war zwiespältig: Aus der Abteilung Berufsbildende Schulen wurde bemerkt, dass es an diesen Schulen im Allgemeinen nur „Religionsgespräche“ gäbe, für welche die Ausführungen Osterlohs sicher nicht zuträfen – für die allgemeinbildenden Schulen hielt man sie aber für vertretbar83. Kurt Schleifer (Volks- und Mittelschulen) lehnte Osterlohs Meinung ab. Dessen Ausführungen erweckten seiner Meinung nach „den Eindruck, daß die Sicherung sachlicher Belange zu einem Dogmatismus überhöht wird“: „Religionsunterricht und evangelische Unterweisung war und ist ein Teil der christlichen Verkündigung, darum vor allem auch Pflege der persönlichen Gläubigkeit. Lehrer und Pfarrer stehen hier in gleicher Würde und in gleichem Auftrag.“ Schleifer fasste seine Stellungnahme dahingehend zusammen, „daß die Ausführungen Osterlohs der allgemeintheologischen Ansicht über Sinn und Wert des Religionsunterrichtes widersprechen und

80 Diese Wendungen zitierte Kock in seinem Anschreiben vom 19. 10. 1954 (LASH SCHLESWIG, 811/4231); vgl. E. OSTERLOH, Religionsunterricht (1954), S. 11. 81 EBD. 82 Kock in seinem Schreiben an die Abteilungsleiter vom 19. 10. 1954 (LASH SCHLESWIG, 811/4231). 83 Antwort an Kock, 15. 11. 1954 (EBD.).

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auch unseren Richtlinien entgegenstehen“, in denen als Ziel des Unterrichts genannt werde, „‚die Jugend heranzuführen zum Glauben an Gott, den Vater, und an Jesus Christus, den Heiland und Erlöser, zu einem Leben mit und unter Gott‘“84. Aus der Abteilung „Höhere Schulen“ dagegen wurde Kock eine differenziertere Stellungnahme zugeleitet, in der darauf hingewiesen wurde, dass die neuere religionspädagogische Literatur es für nicht in der Macht der Evangelischen Unterweisung liegend halte, „Kinder oder junge Menschen ‚zu Christen‘ zu machen“; sie könne darum „nur in der Darbietung von Sachverhalten bestehen“ und somit „einer Benotung unterliegen“. Allerdings sprächen „jugendpsychologische Erwägungen“ einer „Einreihung dieses Unterrichts unter die Leistungsfächer der Schule“ entgegen85.

Der Kontakt zu den Mitarbeitern des Kultusministeriums gestaltete sich offenbar von Beginn an problemlos; nachdem Vorbehalte Osterlohs gegen Franz Kock frühzeitig ausgeräumt werden konnten86, ergänzten gerade diese beiden Persönlichkeiten an der Spitze des Ministeriums sich ausgesprochen gut. Kocks vorsichtige, bedachte Art konnte mitunter Osterlohs spontanere und impulsivere Vorgehensweise in die richtigen Bahnen lenken, bevor es zu Schwierigkeiten kam87. Von ehemaligen Mitarbeitern Osterlohs werden das nette Verhältnis, seine Aufgeschlossenheit und der lockere und völlig offene Umgang miteinander hervorgehoben: „[M]an konnte wirklich völlig offen seine Meinung sagen, und das wurde auch respektiert. Er erwartete das geradezu. Das war das Wunderbare damals, dieses Klima, daß man sich als weisungsgebundener Beamter völlig frei fühlen konnte, man hatte überhaupt nicht das Gefühl, irgendwie fest eingebunden zu sein.“88 Das gute Verhältnis der Mitarbeiter zu ihrem Minister wurde schließlich an den bewegenden Worten deutlich, die Franz Kock auf der Trauerfeier für Osterloh am 2. März 1964 fand: „Er hat uns mit seinen Anforderungen gewiß nicht geschont, sich selbst aber noch viel, 84 Antwort an Kock, 22. 10. 1954 (EBD.). Man fragt sich unwillkürlich, ob Schleifer sich die Mühe gemacht hatte, den Werdegang des Verfassers der von ihm so abgeurteilten Thesen zur Kenntnis zu nehmen. 85 Antwort an den Abteilungsleiter, weitergeleitet an Kock, 12. 11. 1954 (EBD.). 86 Laut Martha Lindenmann beruhten diese auf der Information eines Ministers, dass Kock wohl „etwas schwierig im Umgang“ sei, wie Osterloh bemerkte. Daraufhin habe sie dies deutlich als Einzelmeinung gekennzeichnet (Gespräch am 18. 3. 1998). Eventuell lässt sich der negative Eindruck, den Osterloh von Kock vermittelt bekommen hatte, auf Informationen zurückführen, die schon vor Osterlohs Zeit im Bundesvorstand des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU kursierten. Im Zusammenhang damit, dass man sich mit der Wahl des Katholiken Friedrich Wilhelm Lübkes zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein abgefunden hatte, wurde darauf verwiesen, dass der nun eingesetzte Amtschef im Kultusministerium, besagter Ministerialrat Kock, zwar evangelisch sei, man von ihm aber wisse, „daß er einst aus Gleichgültigkeit aus der Kirche ausgetreten und nach 1945 ebenso aus Gleichgültigkeit wieder eingetreten sei“ (Protokoll der Sitzung des Bundesarbeitskreises vom 29. 9. 1952, in: ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-002/1). 87 Dies der Eindruck der Mitarbeiterin Martha Lindenmann (Gespräch am 18. 3. 1998). 88 Martha Lindenmann im Gespräch am 18. 3. 1998, von Jürgen Scheel ausdrücklich bestätigt.

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viel weniger. Und ich weiß, wie sehr es ihn bedrückte, daß unter der Überfülle des täglichen Betriebes das Menschliche, das Persönliche of zurückgedrängt zu werden drohte. Aber seine tiefe Menschlichkeit, seine Güte strahlten immer wieder durch wie seine von vielen dankbar erfahrene Bereitschaft, sich für jeden einzelnen einzusetzen. Er konnte Vertrauen schenken und er hat Vertrauen geschenkt […].“89 Osterloh achtete bei Berufungen im Allgemeinen nicht zuerst auf das Parteibuch, sondern versuchte Kandidaten durchzusetzen, die er für besonders geeignet hielt90, wobei ihm sicher der im Land vorherrschende Grundkonsens in Kulturfragen behilflich war91. Er verhielt sich loyal auch gegenüber den Mitarbeitern seines Ministeriums, die noch während der sozialdemokratischen Regierungszeit eingestellt worden waren. Mit diesem sturen Festhalten am Beamtenrecht stieß er bei eigenen Parteifreunden, die dies offenbar altmodisch fanden und eher daran dachten, das Personalkarussell im Takt der jeweiligen Regierungsmehrheit kreisen zu lassen, nicht immer auf Verständnis92. Seinen persönlichen Referenten, Dr. Jürgen Scheel, sah er eben nicht als „seinen“ Referenten, sondern schrieb auch weiterhin alle seine Reden selbst und bedachte ihn nur ab und zu mit besonderen Aufgaben. So wurde Scheel neben seiner Tätigkeit für Osterloh auch Abteilungsleiter eines eigenen Referates, um das er sich zu kümmern hatte und sich auch kümmern konnte93! Während Osterlohs gesamter Amtszeit bestand das Kultusministerium unterhalb der Ebene des Ministers und des Ministerialdirektors – zwischen 1956 und 1964 bekleidete durchgehend Franz Kock dieses Amt – aus sechs Abteilungen94:

89 Informationsdienst der Landesregierung, Jg. 12, Nr. 4, Februar 1964, S. 28 (vgl. auch unten S. 537). Ein Beleg für das gute Verhältnis Osterlohs zu seinen Mitarbeitern dürfte auch sein, dass seine Sekretärin bis zu ihrem Tode im April 1996 engen Kontakt zu Gertrud Osterloh aufrecht erhielt (Auskunft Gertrud Osterloh, 5./6. 2. 1996; Brief Gertrud Osterloh, 13. 5. 1996). 90 Auskunft Jürgen Scheel, 18. 3. 1998, mit einem Hinweis auf den umstrittenen Kandidaten Ranft aus Hamburg für den Posten des Abteilungsleiters der Abt. 5. 91 Vgl. unten S. 421–427. 92 Entsprechend äußerte Osterloh sich in einem Brief an Gerhard Schröder vom 2. 1. 1958, in dem er unter anderem „einfach aus Schleswig-Holstein“ erzählte: „Meine Parteifreunde finden mich zu eigenwillig und gelegentlich auch zu freundlich in meinem Verhältnis zur Opposition. Mitunter verübeln sie mir meine Starrheit in personalpolitischen und beamtenrechtlichen Dingen […]. Die Parlamentarier haben z. T. die Vorstellung gehabt, ich könnte ohne Rücksicht auf das Beamtenrecht wenigstens einen Teil des Beamtenstabes im eigenen Ministerium, der stark an die SPD-Entstehungszeit erinnert, auswechseln“ (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1). 93 Hinweis Jürgen Scheel (Gespräch am 18. 3. 1998). 94 Die Abteilungsaufstellung findet sich in unten genanntem Gutachten (vgl. Anm. 95), S. 1, die Personen-Angaben verdanke ich Martha Lindenmann und Jürgen Scheel (Gespräch am 18. 3. 1998).

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1 Allgemeines (Dr. Gehrd Grothusen), 2 Volks- und Mittelschulen, Sonderschulen (Weggemann, zuvor Kurt Schleifer), 3 Berufsbildende Schulen (Schmidt, zuvor Gustav Weinreich), 4 Höhere Schulen (Carl Möhlmann, später Prof. Dr. Assmann), 5 Wissenschaftliche Hochschulen (Dr. August-Wilhelm Fehling, später Ranft), 6 Kunst, Volksbildung, Jugend und Sport (Dr. Fritz Laack, später Dr. Jürgen Scheel). Diese Organisationsform war schon bald nach Osterlohs Amtsübernahme durch die „Organisationsgutachten über Dienststellen im Kultusministerium“ gefährdet, die vom Landesrechnungshof 1956 erstellt wurden. Das erste dieser Gutachten95 vom Januar hatte die Aufgabenzusammenfassung im Ministerium als nicht ideal bezeichnet und den Schlüssel für eine Verbesserung in der Zusammenlegung der drei Schulabteilungen zu einer großen Abteilung gesehen96. Jedoch wurden im gleichen Gutachten beide Möglichkeiten dazu verworfen, die Bildung eines Landesschulamtes außerhalb des Ministeriums wegen der damit verbundenen Gefahr der Schaffung einer zusätzlichen Mittelinstanz97, die Zusammenlegung der Abteilungen innerhalb des Ministeriums, weil nicht zu erwarten gewesen wäre, eine in allen drei Gebieten gleich versierte Persönlichkeit zu finden98. Damit hätte alles sein Bewenden haben können, doch verfasste der Landesrechnungshof im November 1956 ein Zusatzgutachten99, ausgehend von dem als „nicht ideal“ gekennzeichneten Istzustand. Man ging nun davon aus, „dass die […] personellen Schwierigkeiten möglicherweise doch zu einer befriedigenden Lösung gebracht werden können“100, und sah die Auffassung zur Existenz von Landesämtern sich dahingehend entwickeln, dass diese „keine krasse Ausnahme mehr“ darstellten101. Zudem regelte das nun auf den Weg gebrachte Schulunterhaltungs- und Schulverwaltungsgesetz die untere Ebene der Schulaufsicht, was in den Augen der Gutachter des Landesrechnungshofes nach einer Lösung auch auf der oberen Ebene verlangte102. Deren Vorschlag lief darauf hinaus, in Anlehnung an die ehemals preußische Regelung eine Mittelinstanz in 95 Organisationsgutachten über das Schleswig-Holsteinische Kultusministerium, Stand Januar 1956 (LASH SCHLESWIG, 605/350). 96 EBD., S. 64. 97 EBD., S. 19. 98 EBD., S. 20. 99 Organisationsgutachten über die Errichtung eines Landesamtes für Schulaufsicht und Schulverwaltung im Schleswig-Holsteinischen Kultusministerium, November 1956 (LASH SCHLESWIG, 605/350). 100 EBD., S. 2. 101 EBD. 102 Vgl. EBD.

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Form eines „Landesamtes für Schulaufsicht und Schulverwaltung“ zu schaffen, das in Zukunft die obere Schulaufsicht und die Zuständigkeit für die allgemeinen Verwaltungsarbeiten, die Personalangelegenheiten der Lehrer an Volks-, Mittel- und Berufsschulen sowie die Angelegenheiten des Schulbaus (bisher in der Allgemeinen Abteilung des Ministeriums, was ebenfalls moniert worden war) in sich vereinen sollte103. Die Verzahnung mit den weiterhin beim Ministerium verbleibenden Aufgaben104 sollte über den Leiter des Amtes erfolgen, der zugleich Leiter der Ministerialabteilung sein sollte105. Damit sollten, so das Fazit des Berichts, „eine geschlossenere Bearbeitung der Schulangelegenheiten“ und eine „weitere Konzentration der Ministerialarbeit“ erreicht und die „Überbetonung des Verwaltungselements“ behoben werden106. Osterloh verfasste daraufhin eine fünfseitige Stellungnahme, die er mit Datum vom 26. Januar 1957 dem Landesrechnungshof, dem Ministerpräsidenten und den zuständigen Ministern (Inneres und Finanzen) zuleiten ließ107. Er lehnte den Bericht rundweg ab, schon weil er die Voraussetzung nicht gelten ließ, dass die Gliederung des Ministeriums einer Verbesserung bedürfte. Ihm fehlte, außer dem seines Erachtens nicht sachgemäßen Hinweis auf die frühere preußische Ordnung, eine Begründung dafür, überhaupt ein selbständiges Landesamt einzurichten108. Er begründete dessen Ablehnung damit, dass beide Ebenen, Landesamt und Ministerium, allein voll arbeitsfähig sein müssten, somit also eine Doppelbesetzung auch in den niederen Diensträngen unabwendbar wäre; da es insgesamt um das „Spezialgebiet“ Pädagogik ginge, für das man Fachleute bräuchte, hielt er eine Zuarbeit durch fachfremde Verwaltungsleute nicht für angemessen109. Zudem sprach in seinen Augen die hervorragende Arbeit, die gerade bei dem im Gutachten angesprochenen, von der Materie her sehr schwierigen Schulverwaltungs- und Unterhaltungsgesetz geleistet worden sei, nicht gegen die Effizienz der bisherigen Struktur110. Auch weiterhin müssten alle Gesetze aus dem Ministerium – nicht nur die Schulgesetze – einheitlich gegenüber den Ausschüssen und den beteiligten Verbänden vertreten werden können, was bei 103

Vgl. EBD., S. 3f. Dabei handelte es sich um pädagogische Fragen sowie die Zuständigkeit für Prüfungsordnungen, Lehrplangestaltung, Personalien des höheren Dienstes, Fragen des Schulrechts usw. Vgl. EBD., S. 4f. 105 Vgl. EBD., S. 5. 106 EBD., S. 15. 107 Anschreiben vom 26. 1. 1957 und „Stellungnahme des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein zum Zusatzgutachten des Landesrechnungshofes zum Organisationsgutachten nach dem Stand vom Januar 1956; hier: Errichtung eines Landesamtes für Schulaufsicht und Schulverwaltung“, in: LASH SCHLESWIG, 605/350. 108 Vgl. Stellungnahme, S. 1. 109 Vgl. EBD., S. 2f. 110 Vgl. EBD., S. 3f. 104

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einer Aufgliederung nicht mehr der Fall wäre111. Zu zwei Einzelpunkten führte der spürbar verärgerte Osterloh noch aus, dass die Eingliederung des Schulbaureferats in die Allgemeine Abteilung „das Ergebnis ständiger Beanstandungen durch den Landesrechnungshof gewesen“ wäre112, und dass die Größe der Schulabteilungen gerade nicht als zu klein, sondern im Gegenteil als im Vergleich mit anderen Landes- und anderen Kultusministerien geradezu groß bezeichnet werden müsste, womit der Hauptgrund für eine Veränderung ohnehin hinfällig würde113. Die Trennung von ministeriellen und mittelinstanzlichen Schulaufsichtsangelegenheiten nannte er abschließend zwar „theoretisch richtig“, hielt eine organisatorische Trennung aber nur in großen Ländern für wirklich erforderlich114. Diese Episode verdeutlicht schon ganz am Anfang seiner Amtszeit die Prinzipien, mit denen Osterloh im Verwaltungsbereich arbeitete: – Konzentration von zusammengehörigen Aufgaben und Zuständigkeiten an einer Stelle, um möglichst wenig Reibungsverluste entstehen zu lassen, um die sehr verschiedenen Bereiche der Arbeit des Ministeriums nach außen kompetent vertreten zu können, ohne auf externe, fachlich nicht unbedingt qualifiziertere Zuarbeit angewiesen zu sein, und um die finanziellen Mittel nicht unnötigen weiteren Verteilungskämpfen auszuliefern; – Einfachheit der Verwaltungswege durch Vermeidung einer Mittelinstanz, welche die Ministerialverwaltung von den praktischen Problemen „vor Ort“ entfernen würde, dadurch auch mehr „Bürgernähe“ des Ministeriums; – Vermeidung von in ihren Folgen unabsehbaren bzw. zwiespältigen Neuerungen, wenn sich das Gegebene bewährt hat und nicht abzusehen ist, warum es nicht mehr ausreichen sollte. Gerade der letzte Punkt ist sicher beeinflusst gewesen durch die Rücksicht auf das im Ministerium vorhandene eingearbeitete Personal, was angesichts der kurzen Amtszeit zu diesem Zeitpunkt nicht verwundern kann und das gute Betriebsklima nicht gefährdet haben dürfte. Der Ärger über diese Behinderung der Arbeit des Ministeriums, das ja de facto in einem Großteil seines Bestandes gefährdet war und entsprechend Arbeitskraft und -zeit darauf verwendete, den Landesrechnungshof zu widerlegen, war Osterloh auch bei seiner zeitlich unmittelbar folgenden Stellungnahme zum „Entwurf eines Gesetzes über den Landesrechnungshof“ vom 28. Januar 1957

111

Vgl. EBD., S. 3. EBD., S. 4. 113 Vgl. EBD., S. 4f. 114 Vgl. EBD., S. 5. 112

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noch anzumerken. Zwar hatte er gegen das Gesetz im Einzelnen nichts einzuwenden, konnte aber folgende Bemerkung nicht zurückhalten: „Zusammenfassend halte ich es für notwendig, die gesetzliche Regelung des Prüfungswesens allgemein unter dem größeren Gesichtspunkt des Gesamtgefüges des Verwaltung zu sehen […]. Ebenso zeigt die Tatsache, daß die frühere Preußische Oberrechnungskammer 1932 noch mit einem Satz von 0,06 der Staatsbediensteten auskam, während der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein einen Anteil von 0,13, also mehr als das Doppelte, benötigt, daß sich die Kontrollfunktion erheblich ausgeweitet hat. Es erhebt sich ernstlich die Frage, ob die Belastung der Verwaltung durch Beantwortung von Prüfungsbemerkungen nicht häufig schon in einem kaum noch vertretbaren Verhältnis zu ihrer eigentlichen Aufgabe steht.“115

Ein weiteres Gutachten des Landesrechnungshofes über die Organisation der Ministerien fand 1958 im Bereich des Kultusministeriums nichts Beanstandenswertes mehr116.

7.2 Die wichtigen Gesetze der Anfangsjahre 7.2.1 Das Schulunterhaltungs- und Schulverwaltungsgesetz vom 28. März 1957 Das von den Briten neu geschaffene Land Schleswig-Holstein brauchte lange, bis es eine vollständige eigene Schulgesetzgebung aufweisen konnte. Die Verabschiedung des Schluss- und Hauptstückes dieser Gesetze, des Schulunterhaltungs- und Schulverwaltungsgesetzes (SchUVG) vom 28. März 1957117, fiel erst in Osterlohs Amtszeit, die Vorarbeiten dazu reichten allerdings zurück bis ins Jahr 1951. Schon damals hielt Kultusminister Paul Pagel eine Neuregelung der Schulfinanzierung und -verwaltung für „dringend erforderlich“118. Ersetzt wurden damit die immer noch auf preußische bzw. nationalsozialistische Zeit zurückgehenden Schulgesetze119, die dem neuen demokratischen Geist mit Mitsprache- und Mitwirkungsrechten von Schulträgern, Eltern und 115

LASH SCHLESWIG, 605/884. LASH SCHLESWIG, 605 (Kabinettsprotokolle), Nr. 14, 6. 8. 1957, Bl. 195. 117 GVBL. SCHL.-HOLST., 1957, Nr. 10, ausgegeben am 30. 3. 1957, S. 47–56. 118 Zitiert durch Wilhelm Siegel in seiner Stellungnahme in der ersten Lesung des SchUVG am 16. 4. 1956 (SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 1648). Auch in der Einleitung der Broschüre KULTURARBEIT IN SCHLESWIG-HOLSTEIN, Kiel 1952, erwähnte der damalige Ministerialdirektor das „z.Z. im Kultusministerium vorbereitete Schulunterhaltungsgesetz“ (EBD., S. 4). 119 Eine Übersicht findet sich ebenfalls in der genannten Broschüre bei F. KOCK, Entwicklung, S. 25. 116

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Lehrern120, aber auch dem „Wandel in der grundsätzlichen Einstellung zu den Pflichten der öffentlichen Hand hinsichtlich des weiterführenden Schulwesens“121 – gemeint ist der Wandel vom Gedanken der bloßen Schulpflicht hin zum Rechtsanspruch auf Bildung122 – nicht mehr entsprachen. Die Grundgedanken des Gesetzentwurfes vom 5. März 1956 wurden in der Begründung wie folgt benannt: „Die Sachträgerschaft aller Schularten, mit der Ausnahme der bei § 7 genannten staatlichen Berufsfach- und Fachschulen und einiger höherer Schulen, liegt also bei den Kommunen, die Personalträgerschaft aller Schularten, ausser den Berufsfach- und Fachschulen in den kreisfreien Städten und den höheren Schulen in den Städten Kiel und Lübeck, beim Land. Die Gastschulbeiträge für auswärtige Schüler werden für die Volksschulen von den Gemeinden, für die Mittelschulen und Aufbauzüge von den Kreisen, für die höheren Schulen vom Land getragen. Schulstellenbeiträge [Zuschüsse der kommunalen Trägerschaften zu den Personalkosten, P. Z.]werden nur für Volks- und Mittelschulen sowie für Berufsfachschulen erhoben, ausserdem für Berufsschulen ab 1963 […]. Zu den Baukosten tragen Land und Gemeinden (Gemeindeverbände) bei.“123

Zudem stellte die Begründung nochmals heraus, dass das Gesetz nur für öffentliche Schulen gelte124 und dass § 57 besondere Vereinbarungen mit den Kirchen vorsehe: „Im übrigen lässt das Gesetz aber die Möglichkeit offen, den Beziehungen zwischen Kirche und Staat auf dem Gebiete des Schulwesens im erforderlichen Umfang gerecht zu werden.“125 Dieser Entwurf wurde den beteiligten Verbänden zugeleitet126 und am 16. April 1956 in erster Lesung dem Landtag vorgelegt. Daraufhin kam es an diesem Tag zur ersten großen Landtagsrede Osterlohs und gleichzeitig zum ersten Rede-„Duell“ mit Wilhelm Siegel (SPD), dem Vorsitzenden des Volksbildungsausschusses und ehemaligen Kultusminister; beider Rede und Gegenrede sollten in den folgenden Jahren die Debatten um Gesetzesentwürfe und Haushaltspläne des Kultusministeriums prägen. 120 Vgl. die Begründung zum SchUVG in der Fassung vom 5. 3. 1956, S. 1 (LASH SCHLESWIG, 811/3989). 121 Osterloh in seiner Rede zur ersten Lesung des SchUVG am 16. 4. 1956 (SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 1642). 122 So Wilhelm Siegel in seiner Rede zur ersten Lesung des SchUVG am 16. 4. 1956 (EBD., S. 1650). 123 Begründung (s. Anm. 120), S. 3 (LASH SCHLESWIG, 811/3989). 124 Vgl. EBD. 125 EBD., S. 4. 126 Eine ausführliche Stellungnahme der GEW, Landesverband Schleswig-Holstein, findet sich in LASH SCHLESWIG, 811/3989; die evangelische Kirche erhob angesichts der Formulierung in § 57 „[i]n der Erwartung solcher künftiger Regelungen […] zu dem Entwurf des Schulverwaltungsgesetzes keine Bedenken“ (Kirchliche Informationen für Schleswig-Holstein, Ausgabe A, 18.3.1957 [Erinnerung an diese Stellungnahme anlässlich der zweiten Lesung des Gesetzes, P. Z.], S. 2 [EBD.]).

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Osterloh hob zu Beginn seiner Rede127 die Grundsätze des Gesetzes, das er als trockene Materie kennzeichnete128, hervor, indem er darauf hinwies, dass dieses Gesetz nicht dazu tauge, Menschen gleichzuschalten und zu uniformieren, wie es die Schulgesetzgebung „der Zone“ anstrebe, sondern im Gegenteil auf die Mitwirkung der Verantwortlichen „an möglichst vielen Stellen“ Wert lege. Zugleich vereinfache es die Schulgesetzgebung sehr, da es „15 Gesetze außer Kraft“ setze; damit verblieben nur noch vier: Das Berufsschulgesetz vom 28. Februar 1950, das Schulgeld- und Lernmittelfreiheitsgesetz in der Fassung vom 21. Juni 1952, das Schulpflichtgesetz vom 5. Dezember 1955 und eben das zu verabschiedende SchUVG129. Im weiteren Verlauf ging er auf die verschiedenen, sich zum großen Teil konträr ausschließenden Auffassungen zu zahlreichen Punkten ein, die im Verlauf der Beratungen und insbesondere in den Reaktionen auf die Versendung des Entwurfs deutlich geworden seien, z. B. in den Fragen völliger Kommunalisierung oder völliger Verstaatlichung des Schulsystems130, allein staatlicher Schulaufsicht oder Beteiligung der Kommunen131 und der Frage der Beteiligung von Elternbeiräten und Landesschulbeirat132. Zum Schluss seiner Ausführungen wandte er sich dem Problemkreis Kirche und Schule zu. Er erwähnte die „schwebenden Verhandlungen“ über die in § 57 angedeuteten besonderen Vereinbarungen und benannte die Auslegung von Art. 6 der Landessatzung133 (Abs. 3: „Die öffentlichen Schulen fassen als Gemeinschaftsschulen die Schüler ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung zusammen.“) als ein entscheidendes Problem, was für ihn aber dadurch gemildert werde, dass seines Erachtens der christliche Grundcharakter dieser Gemeinschaftsschule in dem Maße selbstverständlich feststehe, wie die Bevölkerung des Landes sich zum christlichen Glauben bekenne. Dies müsse und könne aber nicht Inhalt einer gesetzlichen Regelung sein. Schließlich verwies er in diesem Zusammenhang noch auf den angestrebten Vertrag mit den Kirchen des Landes134. Sein Gegenüber Wilhelm Siegel monierte in seinen Ausführungen135 zunächst die Tatsache, dass der Gesetzentwurf erst „1901 Tage“ nach dem einstimmigen 127

SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 1641–1648. Er benutzte Schillers Bild vom recht trockenen Holze des Fichtenstammes aus „Die Glocke“ (vgl. EBD., S. 1641). 129 EBD., S. 1642. 130 EBD., S. 1643f. 131 EBD., S. 1645. 132 EBD., S. 1646. Zum Landesschulbeirat, einem unabhängigen Beratergremium aus Fachleuten, vgl. E. BURCK, Landesschulbeirat. 133 GVBL. SCHL.-HOLST., 1950, Nr. 2, ausgegeben am 12. 1. 1950, S. 3–8. 134 Vgl. SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 1647. 135 EBD., S. 1648–1657. 128

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Beschluss des Landtages, einen solchen vorzulegen, eingebracht worden sei, andererseits aber binnen 77 Tagen die Ausschussarbeit beendet sein solle, damit die zweite Lesung des Gesetzes noch vor der Sommerpause erfolgen könne, was er als Verschätzung der Fähigkeiten des Ausschusses bezeichnete136. Im Übrigen aber war seine Rede von einem versöhnlichen Ton bestimmt. Siegel bot Osterloh ausdrücklich gute Zusammenarbeit im Volksbildungsausschuss bei der Verbesserung des Gesetzes an137: „Der Volksbildungsausschuß dieses Landtages steht ja in dem Ruf, daß er sich in manchen Dingen einig ist.“138 Neben kleineren Korrekturvorschlägen139 monierte er im Wesentlichen nur zwei Dinge: Osterlohs Beharren auf der derzeitigen finanziellen Situation des Landes, die vieles Wünschenswerte eben nicht realisierbar erscheinen lasse140, und dass das geplante Gesetz nicht auch noch das Berufsschulgesetz in sich aufnehme141. Die am nächsten Tag folgende weitere Aussprache zeigte auch bei den Vertretern der anderen Fraktionen kaum grundsätzliche Bedenken gegen den Vertragsentwurf; allerdings wurde immer deutlicher, dass die beanstandeten Kleinigkeiten noch erhebliche Ausschussarbeit notwendig machen würden. So forderte der Abgeordnete Jürgensen vom SHB den Einbau einer Klassenhöchstzahl in das Gesetz142, daneben lehnte er als Religionslehrer die Einsichtnahme der Kirche in den Religionsunterricht ab und berief sich dabei auf die von Luther zugesicherte Freiheit143, Claussen (CDU) kündigte an, seine Fraktion werde die Frage der Stellung der Sonderschulen ansprechen sowie die der Trägerschaft besonders der höheren Schulen144, Ditz (GB/BHE) plädierte für eine Vereinfachung der Bestimmungen über Schulstellen- und Gastschulbeiträge und war ebenfalls dafür, alle Lehrer ausnahmslos zu Landesbeamten zu machen145, während Schröder (FDP) nochmals auf Fragen der 136

Vgl. EBD., S. 1648f. Vgl. EBD., S. 1657. 138 EBD., S. 1655. 139 Interessanterweise kritisierte er u. a. die Tendenz, Lehrer zu Landesbeamten zu machen, fragte aber andererseits, wieso die einzige Lehrergruppe, die dies noch nicht sei, nämlich die Lehrer an Oberschulen in kreisfreien Städten, dies nicht auch werden sollte (vgl. EBD., S. 1654). 140 Vgl. EBD., S. 1649. Siegel meinte, man dürfe sich vom Finanzminister und seinen Berechnungen nicht abhängig machen, er habe 1948 pro Jahr 10 Millionen DM für den Wiederaufbau der Schulen verlangt, heute gäbe es kaum eine Debatte darum, ob eine Kaserne für 15 Millionen DM gebaut werden solle oder nicht. Ausschlaggebend für die Gestaltung des Schulwesens sollte allein die Frage sein: „Wem dient die Schule und wie soll sie bezüglich dieser Aufgaben am besten gestaltet und konstruiert sein?“ (EBD.). 141 Vgl. EBD., S. 1654f. 142 Vgl. EBD., S. 1665. 143 Vgl. EBD., S. 1666. 144 Vgl. EBD., S. 1667. 145 Vgl. EBD., S. 1669. 137

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Trägerschaft bestimmter Schulen, der Gastschulbeiträge und der Schulaufsicht einging146. Am Ende dieser Debatte dankte Osterloh allen Rednern für die sachliche Behandlung des Themas und merkte – für die Debatten der folgenden Jahre richtungweisend – an: „Insbesondere […] habe ich mich gefreut über die Äußerungen und auch über die Art und Weise der Darstellung meines Vorgängers im Amt, des Landrats a. D. Siegel.“147 Danach ging er auf einzelne Äußerungen ein und benannte in einer bemerkenswerten Dichte die Grundsätze seines kulturpolitischen Handelns: – er denke nicht daran, sich Kulturpolitik von der Finanzpolitik vorschreiben zu lassen, halte aber andererseits nichts von einer Kulturpolitik, die auf die finanziellen Belange keine Rücksicht nimmt, da sie – gerade auf dem Gebiet der Schulen – „die heranwachsende Jugend in Potemkinsche Dörfer hineinführen würde“148; – er warne vor der Ansicht, ein Bundeskultusministerium an Stelle der Länderministerien könne grundsätzlich vor kulturellem Provinzialismus bewahren oder Finanzen schonen149; – er denke nicht, dass das Elternrecht im Schulwesen eine uneingeschränkt primäre Stellung habe, daneben träten das Lehrerrecht, das „Recht der für das Staatsgeschick verantwortlichen Politik“ sowie die wirtschaftlichen und beruflichen Notwendigkeiten150; – er halte nichts von einer gewollten Ausweitung des Privatschulwesens, dem man zwar einige Impulse verdanke, das aber auch „ein historisch antiquiertes, ständisch voneinander sich abschließendes Wesen“ bewahren helfen könne, wogegen er sich zur Wehr setzen würde151; – er werde sich „von keinem anderen Kultusminister in der Verteidigung der Gewissensfreiheit übertreffen […] lassen“, d. h. auch: kein Lehrer werde benachteiligt, nur weil er aus der Kirche ausgetreten ist152; – er sei der Ansicht, „daß unser gegenwärtiges Staats- und Volksbewußtsein nur so lange demokratisch geordnet bleiben kann, wie eine gewisse Pluralität weltanschaulicher Fundamente als gleichberechtigt anerkannt wird“, dazu ge-

146

Vgl. EBD., S. 1671f. EBD., S. 1676. 148 EBD. 149 Er erinnerte in diesem Zusammenhang an den bisher einzigen „zentralen“ Kultusminister Rust: „und Rust war nachher die Bezeichnung für eine Zeiteinheit, nämlich für die kürzeste Zeiteinheit zwischen der Herausgabe eines Erlasses und der Aufhebung eines Erlasses“ (EBD.). 150 Vgl. EBD. 151 Vgl. EBD., S. 1676f., Zitat: S. 1677. 152 Vgl. EBD., S. 1677. 147

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höre natürlich das Christentum, aber auch die Antike und aus der modernen Geschichte „der Sozialismus als Bewegung“ und „der Liberalismus als geistige Kraft“153. An diesen letzten Gedanken anschließend folgte eine zentrale, in dieser Klarheit sicher überraschende, bei seinem Werdegang aber fast unumgängliche Absichtserklärung: „Ich scheue mich aber nicht, hier zu erklären, daß ich als Vertreter des Staates vom Staate her keinen Unterschied in der Bewertung dieser vier Grundelemente zu erkennen vermag, und daß ich mich bemühen werde, bei der Kulturpolitik zu beachten, daß wir nicht im Mittelalter leben, in dem alles auf eine trinitarische Weltanschauung monotheistisch zentriert war, sondern daß wir in einer Welt, in einem Volk mit pluralistischer Weltanschauung leben.“154

Nachdem das SchUVG nach erster Lesung in die Ausschüsse überwiesen war (Innen- und Finanzausschuss unter Federführung des Volksbildungsausschusses)155, folgte noch fast ein Jahr intensiver Beratungen in denselben, in denen eine grundsätzliche Änderung betreffs der Schulstellenbeiträge angeregt wurde. Die vorher pro Kopf von den Einzelgemeinden zu zahlenden Beiträge wurden jetzt auf alle Gemeinden entsprechend ihrer Finanzkraft verteilt, und es wurde ein einheitlicher Schulbeitrag erhoben, was vom Ministerium als „Vereinfachung“ begrüßt wurde156. So kam es am 20. Dezember zu einem neuen Entwurf157, aus dem auch der § 57 mit der Begründung herausgenommen wurde, dass ein gleichzeitiges Einbringen des SchUVG und des Staatskirchenvertrages angestrebt sei158. Nachdem die Ausschüsse zu insgesamt 41 Sitzungen zusammengekommen waren159, wurde das SchUVG in der Form des endgültigen Entwurfs vom

153

EBD. EBD. – Abgesehen davon, dass dies Mitte der 1950er Jahre sicher keine selbstverständliche Einsicht war – erst recht nicht unter Pfarrern und Kirchenpolitikern –, dürfte sie bei einigen seiner Parteifreunde Stirnrunzeln ausgelöst haben, denen eine solche Bewertung des Sozialismus sicher nicht in den Sinn gekommen wäre. 155 Vgl. EBD., S. 1678. 156 Stellungnahme vom 3. 12. 1956 (LASH SCHLESWIG, 811/3989). Dieser Gesichtspunkt wurde im Nachhinein auch von Regierungsseite als besonders positiv am neuen Gesetz hervorgehoben (vgl. SCHLESWIG-HOLSTEIN ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN, S. 9f.). 157 LASH SCHLESWIG, 811/3989. 158 Vgl. Kirchliche Informationen für Schleswig-Holstein, Ausgabe A, 18. 3. 1957, S. 3 (Angesichts der eben nicht zu erreichenden Gleichzeitigkeit wurde dort auf ein Wiedereinfügen des § 57 gedrängt [ein Exemplar in: LASH 811/3989]). 159 Volksbildungsausschuss: 24 Sitzungen, Finanzausschuss: 8 Sitzungen, Ausschuss für innere Verwaltung: 9 Sitzungen (vgl. Einleitung des Berichts des Volksbildungsausschusses zum Entwurf des SchUVG, 11. 3. 1957 [LASH 811/3989]). 154

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7. März 1957 schließlich am 25. März 1957 im Landtag in zweiter Lesung ohne Gegenstimme angenommen160. Wilhelm Siegel lobte in seiner Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich die gute Zusammenarbeit aller drei Ausschüsse und des Ministeriums161. In Kraft trat das SchUVG am 28. März 1957162. „Der gesetzliche Rahmen für das öffentliche Schulwesen in Schleswig-Holstein [war] damit geschaffen.“163 Am Gesetz zur Änderung des SchUVG war Osterloh nicht mehr beteiligt; die unter seiner Amtsführung Mitte 1963 begonnenen Vorarbeiten wurden von Mitarbeitern der Ministerialbürokratie ausgeführt164.

7.2.2 Der Staatskirchenvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Kirchen in Schleswig-Holstein Wurde die Geschichte der unmittelbaren Nachkriegszeit von Kurt Jürgensen sowohl für das Land als auch für die Kirchen in Schleswig-Holstein umfangreich beschrieben165, fehlt es für die späten 1940er und die 1950er Jahre an vergleichbarer Literatur zur schleswig-holsteinischen Kirchengeschichte166. Nur die unmittelbare Vorgeschichte des Staatskirchenvertrages von 1957 ist – wiederum von Kurt Jürgensen – näher beschrieben worden167. Kurze, großenteils 1957 verfasste Abhandlungen über das Zustandekommen des Staatskirchenvertrages und wichtige inhaltliche Fragen sind in einem Band erschienen, der sowohl an das 30jährige Jubiläum dieses Vertrages als auch an das 10jährige Jubiläum der Nordelbischen Kirche erinnert168. Die vor Vertragsabschluss zwischen den evangelischen Kirchen und dem Land geführten Verhandlungen spiegeln sich in den Akten der Landeskanzlei169; die entsprechenden Akten des Kultusministeriums sind leider nicht erhalten170. Der Vertragstext wurde veröf-

160 SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 2547. Die Einstimmigkeit wurde laut Protokoll nicht ausdrücklich festgestellt, aber im Nachhinein von Wilhelm Siegel behauptet (vgl. W. SIEGEL, Kulturpolitik, S. 229). 161 SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 2529f. Osterloh war zu diesem Zeitpunkt erkrankt (vgl. EBD., S. 2529) und wurde von Helmut Lemke vertreten, der aber nur ein kurzes Dankeswort seitens der Landesregierung nach dem Ende der Debatte vortrug (vgl. EBD., S. 2547). 162 Vgl. SELLSCHOPP, Schulunterhaltungs- und Schulverwaltungsgesetz, S. 47. 163 EBD., S. 49. 164 Die entsprechenden Akten finden sich in: LASH SCHLESWIG, 811/4188. 165 Vgl. oben Anm. 1 und 2. 166 In KIRCHE ZWISCHEN DEN MEEREN ist die Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Aufgehen der vormaligen Landeskirchen in die Nordelbische Kirche leider völlig ausgeblendet. 167 Vgl. oben Anm. 1. 168 30 JAHRE STAATSKIRCHENVERTRAG, S. 86–106. 169 LASH SCHLESWIG, 605/515; 605/516. 170 Vgl. oben Anm. 10.

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fentlicht in den Gesetzblättern des Landes und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins171, Abdrucke finden sich in den einschlägigen Sammelbänden172 und in der genannten Jubiläumsschrift173. Eine inhaltliche Analyse des Vertrages im Vergleich insbesondere mit dem Loccumer Vertrag nahm Erich Ruppel schon 1959 vor; die Arbeit wurde 1996 aus dem Nachlass veröffentlicht174.

7.2.2.1 Die Beziehungen der evangelischen Kirchen zum Land bis 1957 Die schleswig-holsteinischen evangelischen Landeskirchen standen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor ähnlichen Problemen wie sie oben für Oldenburg näher geschildert sind175: Diskreditierung des alten Kirchenregiments, weitgehender Zusammenbruch der Infrastruktur, zunächst noch mangelnde pfarramtliche Versorgung der Gemeinden und dazu ein noch erheblich größeres Flüchtlingsproblem als anderswo176. Dazu kamen aber noch spezifische Probleme, die zum Teil bis in die 1950er Jahre hinein viel Aufmerksamkeit beanspruchten: Einmal die Frage der Kirchenleitung in der schleswig-holsteinischen Landeskirche, die schon 1947 durch die erneute Einführung des doppelten Bischofsamtes (eines für Holstein, eines für Schleswig) gelöst wurde177. Sodann der „Grenzkampf“, denn im Zuge ihrer nationalen Entscheidung für das Dänentum waren eine große Zahl von Gemeindegliedern dementsprechend in die dänische lutherische Kirche gewechselt, was die Beziehungen bis weit in die 1950er Jahre hinein belastete178. Und nicht zuletzt die Frage der territorialen Gliederung im Süden des neuen Bundeslandes Schleswig-Holstein, der sich die Landeskirchen bis zu diesem Zeitpunkt nicht angepasst hatten. So gab es nach wie vor die lutherischen Landeskirchen von Lübeck und Eutin, obwohl beide ehemals unabhängigen staatlichen Gebilde inzwischen aufgelöst waren179, und die Süd171 GVBL. SCHLESWIG-HOLSTEIN, 1957, Nr. 14, S. 73–79; KGVBL. DER EVANGELISCH-LUTHERISCHEN LANDESKIRCHE SCHLESWIG-HOLSTEINS, 1957, Nr. 9, S. 31–37. 172 DIE DEUTSCHEN KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE DER GEGENWART, [Bd. 1], S. 234–249; DIE KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, Bd. 2, S. 665–682. 173 30 JAHRE STAATSKIRCHENVERTRAG, [S. 77–83] (nicht mit eigenen Seitenangaben versehener Abdruck aus dem KGVBL. DER EVANGELISCH-LUTHERISCHEN LANDESKIRCHE SCHLESWIG-HOLSTEINS). 174 E. RUPPEL, Kirchenvertragsrecht. 175 Vgl. oben S. 131f., 147ff. 176 Vgl. K. JÜRGENSEN, Stunde, S. 28–38, 109–144. 177 Vgl. EBD., S. 67–108. 178 Vgl. EBD., S. 190–209. Auch in einem Bericht aus dem Jahre 1956 war noch von den Problemen die Rede, „die sich im Augenblick in der Zusammenarbeit mit den dänisch-kirchlichen Stellen im Landesteil Schleswig der schleswig-holsteinischen Landeskirche stellen“ (INLL 5, 1956, S. 175f.). 179 Zur Kirchengeschichte Lübecks bis 1945 vgl. W.-D. HAUSCHILD, Kirchengeschichte Lübecks; zur Geschichte des vordem zum Land Oldenburg gehörenden Eutin vgl. W. PRANGE, Landesteil. Für den 9. 12. 1955 war erstmals eine gemeinsame Sitzung der Landeskirchenleitungen von Hamburg, Schleswig-Holstein, Lübeck und Eutin angesetzt worden, die jedoch durch den plötzlichen Tod der Bischöfe

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grenze der schleswig-holsteinischen Landeskirche war trotz des Groß-HamburgGesetzes vom Januar 1937, das die Fläche des Stadtstaates stark vergrößert hatte, nicht verändert worden180. Staatskirchenrechtlich bedeutete dies, dass das preußische Konkordat von 1931 zwar in der schleswig-holsteinischen Landeskirche in Kraft war, nicht aber in Lübeck und Eutin, obwohl diese sich nun im gleichen Bundesland befanden. Dagegen war es auch in den zur schleswig-holsteinischen Landeskirche gehörigen Teilen Hamburgs in Geltung. Im Verhältnis zum Land Schleswig-Holstein machte sich bis in die 1950er Jahre hinein eine gewisse Abneigung einem politischen Engagement gegenüber bemerkbar181, die natürlich auf die Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus zurückzuführen war. Die nur kurzen Amtszeiten der ersten Landesregierungen nach 1945 trugen nicht gerade zum Aufbau eines neuen Vertrauensverhältnisses bei, zumal sie sich auch auf das die Kirchen tangierende Problem der Kultur- und hier besonders der Schulpolitik auswirkten, wie die heftigen Auseinandersetzungen um die kurzzeitige Einführung der sechsjährigen Grundschule zeigten182. Nach dem Abflauen dieser Auseinandersetzungen und der Bildung einer stabilen Regierung unter der Führung der CDU kam es auch wieder zu engeren Kontakten zwischen Staat und Kirche, in denen die Kirchenvertreter schon früh auf die Regelung der offenen staatskirchenrechtlichen Fragen auf der Basis eines kooperativen Miteinanders drängten183. Unter Osterlohs Vorgänger, Dr. Helmut Lemke, kam es schließlich zu ersten Gesprächen mit Vertretern der evangelischen Landeskirchen über einen Staatskirchenvertrag184.

Knolle (Hamburg) und Pautke (Lübeck) vereitelt wurde (vgl. hierzu und zur erkannten Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit das Interview mit Bischof Wilhelm Halfmann, dem Vorsitzenden der Kirchenleitung der Landeskirchen Schleswig-Holstein, in: INLL 5, 1956, S. 47f.). Die Unabhängigkeit Eutins und vor allem die theologischen Differenzen zur VELKD, der Eutin wie auch Oldenburg nicht beigetreten war, wurden betont in einer Antwort auf dieses Interview (H. LOHMANN, Eutin, S. 140). 180 Vgl. REICHSGESETZBLATT 1937, Teil I, S. 91–94. Vgl. H. H. THODE, Kirchenrecht, S. 94; INLL 5, 1956, S. 44. 181 Vgl. K. JÜRGENSEN, Stunde, S. 148f., 157–161. 182 Vgl. oben S. 409; K. JÜRGENSEN, Stunde, S. 152f.; M. GRESCHAT, Christenheit, S. 241. 183 So hieß es nach dem Kabinettsbeschluss, mit den evangelischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein Verhandlungen über den Abschluss eines Staatskirchenvertrages aufzunehmen (vgl. unten S. 430f.): „Seitens der schleswig-holsteinischen Kirchenleitung ist schon mehrfach bekundet worden, daß sie an einer vertraglichen Neuordnung des Verhältnisses von Kirche und Staat schon deshalb interessiert ist, weil der bisher noch gültig preußische Staatskirchenvertrag von 1931 durch die politischen und kirchlichen Wandlungen inzwischen weitgehend überholt und in verschiedener Hinsicht auch ergänzungsbedürftig ist. Vor allem sollte nach Ansicht der Landeskirche die freie Kooperation von Kirche und Staat in dem Vertrag zum Ausdruck kommen“ (INLL 5, 1956, S. 128). 184 Vgl. K. JÜRGENSEN, Stunde, S. 150.

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7.2.2.2 Die Vertragsverhandlungen Den entscheidenden Anstoß für Verhandlungen zwischen den evangelischen Landeskirchen und dem Land Schleswig-Holstein hat ohne Zweifel der Abschluss des Loccumer Kirchenvertrages am 19. März 1955185 gegeben. Dieser Vertrag zwischen den evangelischen Landeskirchen Niedersachsens und dem Land beendete einen Zustand, der dem Schleswig-Holsteins stark ähnelte: Ein neugeschaffenes Bundesland vereinigte auf seinem Territorium verschiedene Landeskirchen, von denen die größte zum Geltungsbereich des preußischen Kirchenvertrags von 1931186 gehörte, die kleineren jedoch nicht. Zu den territorialen Problemen kamen konkrete Wünsche, die sich auf Seiten der Kirche mit dem Abschluss eines neuen Staatskirchenvertrages mit dem Land Schleswig-Holstein verbanden: In einer ersten Vorbesprechung, zu der die führenden Vertreter der schleswig-holsteinischen Landeskirche auf ihren Wunsch hin am 31. Mai 1955 mit Ministerpräsident von Hassel zusammengekommen waren187, bezeichneten die Kirchenvertreter vor allem Fragen der Staatsaufsicht188 und der finanziellen Leistungen des Landes für die Kirchen189 als überarbeitungsbedürftig. Schon in dieser Besprechung machte von Hassel deutlich, dass er an einem Gelingen der Verhandlungen, die vom Kultusministerium geführt werden sollten, sehr interessiert war und diese konsensorientiert zu führen gedachte, wobei er insbesondere „konfessionelle Streitigkeiten nach der katholischen Seite hin“ vermeiden wollte190. Die daraufhin beginnenden Verhandlungen – ein Gespräch von Kirchenvertretern mit Ministerialdirektor Kock war bereits für den 185 Text: DIE DEUTSCHEN KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE DER GEGENWART, [Bd. 1], S. 212–231; DIE KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, Bd. 2, S. 109–132. Vgl. E. RUPPEL, Vertrag. 186 Text: DIE DEUTSCHEN KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE DER GEGENWART, [Bd. 1], S. 168–184; DIE KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, Bd. 2, S. 760–780. 187 Vgl. Aktenvermerk der Landeskanzlei (LASH SCHLESWIG, 605/515). 188 Zwar war es 1918 mit dem Fortfall des landesherrlichen Summepiskopats theoretisch zur Unabhängigkeit der Kirche gekommen, die sich u. a. darin ausdrückte, dass sie im preußischen Kirchenvertrag als gleichberechtigte Vertragspartnerin auftrat, doch waren infolge der den Kirchen eingeräumten Sonderstellung als Körperschaft öffentlichen Rechts und mehr noch wegen der nach wie aufrechterhaltenen staatlichen Dotationen an die Kirchen auch im preußischen Kirchenvertrag noch wichtige Aufsichtsund Einspruchsrechte des Staates verankert, besonders was die Anstellung von Pfarrern und die Besetzung von kirchenleitenden Positionen anbelangte (bes. Artt. 7–9). Vgl. O. EPHA, Vertrag, S. 3f. 189 Im Jahre 1955 erhielt die Landeskirche Schleswig-Holstein DM 340.373,86 an Dotationen und Pfarrerbesoldungszuschüsse in Höhe von DM 1.120.350.-; die Landeskirchen Lübeck und Eutin erhielten lediglich Dotationen (DM 18.650.- bzw. 16.000.-). Allein die Anpassung an die Mitgliederzahlen der Landeskirchen (und die entsprechende Aufstockung der Leistungen) kostete das Land gut 150.000 DM zusätzlich. Eine entsprechende Aufstellung findet sich im Anschreiben Osterlohs vom 6. 4. 1956, mit dem er den Referentenentwurf des Vertrages an den Ministerpräsidenten, die Landesminister und Ministerialdirektoren übersandte (LASH SCHLESWIG, 605/515). 190 Aktenvermerk der Landeskanzlei (vgl. Anm. 187).

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2. Juni 1955 vorgesehen191 – wurden von staatlicher Seite auf Referenten- und Abteilungsebene geführt, weshalb sie vom monatelangen Hin und Her um die Person des neuen Kultusministers weitgehend unberührt blieben. So vermerkte man in der Landeskanzlei schon am 14. März 1956, rund einen Monat nach Osterlohs tatsächlicher Amtsübernahme, dass sein Ministerium „in Anlehnung an Niedersachsen den Entwurf eines Staatskirchenvertrages vorbereitet“ habe, der zum 1. April 1957 in Kraft treten solle192. Nach einer ersten Beratung mit dem Finanzministerium legte Osterloh den Entwurf zur Kabinettssitzung am 10. April 1956 vor, der sich in Aufbau und Inhalt zum Teil bis in die Formulierung der einzelnen Artikel hinein am Loccumer Vertrag orientierte193. Abgesehen von den Abweichungen, die auf lokale Besonderheiten und schon bestehende Rechtssetzungen zurückzuführen sind, fallen zwei prägnante Unterschiede auf, die bis zum Abschluss des Vertrages die Diskussionen bestimmen sollten: Im Entwurf wurde in Art. 5, Abs. 1 die Einigkeit darüber festgestellt, dass die in „der Landessatzung genannten Gemeinschaftsschulen christlichen Grundcharakter haben“194; im Unterschied zu den Bestimmungen des Loccumer Vertrages sahen die Artt. 13 und 14 dieses Entwurfes die je neu einzuholende staatliche Genehmigung für Kirchensteuerordnungen und „Beschlüsse über die Kirchensteuersätze“ vor195. Die Zahlung des Landes an die Kirchen wurde höher als bisher196 auf jährlich 1.648.000 DM angesetzt, von denen gut 340.000 DM laufend den Veränderungen der Besoldung der Landesbeamten anzupassen waren (Referentenentwurf, Art. 17). Nach „eingehender Begründung der Vorlage durch Minister Osterloh“ fasste das Kabinett daraufhin den Beschluss, Osterloh zu ermächtigen, „Verhandlungen mit den evangelischen Kirchen in Schleswig-Holstein mit dem Ziele des Abschlusses eines Staatsvertrages einzuleiten“197. Die weiteren Verhandlungen wurden davon geprägt, dass beide Seiten einen Abschluss wollten und ein gemeinsames Interesse daran hatten, diesen vor Beginn des Bundestagswahlkampfes 1957 unter Dach und Fach zu bringen. 191

EBD. LASH SCHLESWIG, 605/515). 193 Referentenentwurf als Anhang zum Schreiben Osterlohs vom 6. 4. 1956 (vgl. oben Anm. 189), maschinenschriftlich, 10 S., DIN A 4 (EBD.). 194 EBD., S. 3. 195 EBD., S. 6. Nach dem Loccumer Vertrag gelten solche Beschlüsse „als genehmigt, wenn sie den Bedingungen entsprechen, die zwischen der Landesregierung und den Kirchenleitungen auf der Grundlage der geltenden Steuergesetze vereinbart werden“, ansonsten gilt lediglich eine Anzeigepflicht (Art. 12, Abs. 4 des Loccumer Kirchenvertrages [vgl. oben Anm. 185]). 196 Vgl. oben Anm. 189. 197 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 11, 10. 4. 1956. 192

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Während die Kirchen darum besorgt waren, in den Wahlkampf hineingezogen zu werden, konnte es für von Hassel natürlich gegenüber den weit überwiegend evangelischen Wählern in Schleswig-Holstein nur von Vorteil sein, auf einen erfolgreichen Abschluss hinweisen zu können. Am 5. Juli 1956 berichtete Osterloh dem Ministerpräsidenten über den Fortgang der Verhandlungen, die inzwischen so weit gediehen waren, dass die Formulierung einzelner Vertragsbestimmungen durch die Ausschüsse des Landtages beginnen konnte; aus diesem Grund wollte er nun auch die Landtagsfraktionen über den Stand der Dinge unterrichten198. Während „Die Welt“ Anfang August 1956 noch darüber spekulierte, dass die Bestimmung des christlichen Grundcharakters der in der Landessatzung festgeschriebenen Gemeinschaftsschule der eigentlich Schwierigkeiten bereitende Punkt der Verhandlungen sei und die Kirchen sich über einen angeblichen Zeitdruck in den Verhandlungen beschwert hätten199, stellte ein Vermerk der Landeskanzlei vom 6. September klar, dass sich im Steuerausschuss als „Kardinalfrage“ der Dissens darüber herausgestellt habe, „ob die Kirchensteuerhebesätze einer staatlichen Genehmigung bedürfen oder nur einem staatlichen Einspruchsverfahren unterliegen sollen“. Hier argumentierten die Kirchen mit der neuen partnerschaftlichen Beziehung der vertragschließenden Parteien, während das Kultusministerium entgegenhielt, „daß in der Literatur im Kirchensteuerrecht eine wesentlich stärkere Beteiligung des Staates anerkannt wird“200. Über die Formulierung, „daß ‚die Gemeinschaftsschulen christlichen Grundcharakter‘ haben“, sei dagegen im Schulausschuss eine Einigung erzielt worden201. Trotz der Differenzen gab sich Ministerpräsident von Hassel in der Regierungserklärung vom 1. Oktober 1956 optimistisch, 198

Schreiben Osterlohs (LASH SCHLESWIG, 605/515). Vgl. Art. „Schwierigkeiten in Kiel“, in: Die Welt, 2. 8. 1956. 200 LASH SCHLESWIG, 605/515. In der Kabinettssitzung vom 11. 9. 1956 beharrte Osterloh auf dem Genehmigungsrecht, „zumindest solange die Kirchensteuer durch die Finanzämter eingezogen werde und sie von der Einkommensteuer absetzbar sei“. Die Koalitionsparteien „seien der gleichen Meinung, während der Vorsitzender der SPD-Fraktion einen anderen Standpunkt vertrete“ (LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 12, Bl. 107). 201 Vermerk der Landeskanzlei vom 6. 9. 1956 (LASH SCHLESWIG, 605/515). Auch den vermeintlich beklagten Zeitdruck bezeichnete man als nicht zutreffend und wies statt dessen auf das Interesse der Kirche an einem möglichst baldigen Abschluss hin (EBD.). Im Hintergrund dieser Äußerung stand vermutlich die abzusehende erhebliche finanzielle Besserstellung der Kirchen nach Vertragsabschluss, die eine gewichtige Rolle gespielt haben wird, auch wenn Bischof Halfmann selbst Ende Februar 1957 in seinem vor der 16. ordentlichen Landessynode der schleswig-holsteinischen Landeskirche abgelegten Rechenschaftsbericht nochmals darauf hinwies, „daß ein Staatsvertrag nicht existenznotwendig für die Kirche“ sei, und die Kirche deshalb auch nicht „an drängende Termine gebunden“ sei. Andererseits, so fügte er hinzu: „Was im Vertrauen zwischen Staat und Kirche begonnen worden ist, darf nicht zum Kuhhandel werden und muß zum Abschluß kommen, sonst entsteht Schaden“. Einen Abschluss noch im Frühjahr (1957) bezeichnete er als „[e]rwünscht […] und auch möglich“ (INLL 6, 1957, S. 102). 199

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die Verhandlungen „in absehbarer Zeit“ zu einem „beide Teile befriedigenden Ergebnis führen“ zu können202. Bestärkt wurde er in dieser Meinung sicher durch die grundlegende Zustimmung der SPD-Opposition im Landtag zum Abschluss des Vertrages. Schon im August hatte Wilhelm Käber, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, einen solchen Vertrag begrüßt und dabei die gegenseitige völlige Unabhängigkeit als ein Hauptziel bezeichnet. Daher hatte er sich auch für den „Verzicht des Staates auf eine Mitsprache bei finanzrechtlichen Fragen der Kirche“ ausgesprochen und als Beispiel dafür die Festsetzung der Kirchensteuer angeführt. Auch die von den Kirchen gewünschte vertragliche Feststellung des christlichen Grundcharakters der Gemeinschaftsschulen sah er nicht als problematisch an, verwies auf die gegebenen Verhältnisse im Land und die einschlägigen Erklärungen von Parlament und Regierung, woraus er schlussfolgerte, dass die gewünschte Festlegung „somit lediglich einer Wiederholung“ gleichkäme203. Einen neuen, nun das Ergebnis von konkreten Verhandlungen darstellenden Vertragsentwurf übermittelte Osterloh den Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsparteien am 4. Januar 1957 mit der Bitte, vor der für den 15. Januar im Kabinett vorgesehenen Beratung schon „über grundsätzliche Änderungswünsche informiert zu werden“; die übrigen Fraktionen sollten den Entwurf erst nach dieser Beratung erhalten204. Im neuen Entwurf waren – wohl entsprechend ihrer inzwischen erlangten Bedeutung – die Bestimmungen über die kirchlichen Finanzen sehr viel ausführlicher gefasst und weit an die Spitze gerückt (Artt. 2–4). In der Genehmigungsfrage aber hatte es keine prinzipielle Veränderung gegeben, lediglich eine Erleichterung im Blick auf die Praxis: Art. 3, Abs. 2 führte nun Kriterien auf, nach deren Einhaltung die staatliche Genehmigung nicht versagt werden durfte205. Dieser Entwurf, der inhaltlich bereits weitestgehend dem dann abgeschlossenen Vertrag entsprach – die exponierte Platzierung der Finanz-Artikel wurde jedoch wieder zurückgenommen, und auch ansonsten wurde die Anordnung der Artikel noch variiert –, enthielt eine kleine, aber bedeutungsschwere Lücke: In Art. 15, Abs. 1 fehlte die Angabe über die Höhe der staatlichen Dota202

SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. Wahlperiode, S. 1912. Vgl. INLL 5, 1956, S. 253f., Zitate: S. 253. 204 LASH SCHLESWIG, 605/515. Am 12. 12. 1956 hatte sich die CDU-Fraktion über mangelnde Informationen beschwert, war von der Landeskanzlei aber noch am 29. 12. zurechtgewiesen worden, sie könne nur über einen neuen Entwurf, nicht jedoch über jede kleine Änderung informiert werden (vgl. EBD.). 205 Dann, wenn „der Kirchensteuerhebesatz den der Mehrheit der westdeutschen Landeskirchen (ohne die Stadtkirchen) nicht übersteigt“ bzw. „die Kirchen nachweisen, daß die Höhe der Kirchensteuerhebesätze durch den notwendigen Bedarf der Kirche bedingt ist“. Ein Exemplar des mit einem Anschreiben Osterlohs an die Kabinettsmitglieder vom 8. 1. 1957 als Kabinettsvorlage 2/57 versandten Entwurfes findet sich in: LASH SCHLESWIG, 605/515. 203

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tionen an die Kirchen. Im umfangreichen Anschreiben, mit dem er den Entwurf verschickt hatte, war Osterloh ausführlich auf diesen Punkt eingegangen und hatte die Wünsche der Kirche, die sich auf gut 2,8 Millionen DM beliefen206, erläutert und verteidigt. Aus der Gesamtsumme ergab sich – umgerechnet auf die Zahl der Kirchenglieder – ein Satz von 1,26 DM pro Seele, und dieser Satz lag in Niedersachsen nach dem Loccumer Vertrag bei 1,42 DM, in NordrheinWestfalen bei 1,80 DM, in Hessen bei 2,54 DM und in Rheinland-Pfalz, BadenWürttemberg und Bayern sogar über 3 DM. Damit lagen die schleswig-holsteinischen Kirchen also auch nach Bewilligung ihrer Forderung immer noch „an unterster Stelle im Bundesgebiet“207. Osterloh schlug daher die Aufnahme einer Staatsleistung von 2,9 Millionen DM in den Vertrag vor, verschwieg aber die vom Finanzminister gegen diese Summer erhobenen Bedenken nicht208. Daneben enthielt der Vertragsentwurf schon die deutlich ausgeweiteten Bestimmungen zur Erteilung des Religionsunterrichts209, die in Schleswig-Holstein im Gegensatz zu anderen Ländern nicht in die allgemeine Schulgesetzgebung eingeflossen waren. Abgeschwächt war bereits in diesem Entwurf das Recht der Bischöfe, persönlich Einsicht in den Religionsunterricht zu nehmen, das im Vertrag schließlich ganz fehlte. Aufgenommen war dagegen eine Bestimmung, die im Anschluss an die Unterzeichnung noch für einigen Wirbel sorgen sollte. So lautete Art. 11, Abs. 8, Satz 1 des Entwurfs (= Vertrag Art. 6, Abs. 2, Satz 3): „Bei der Besetzung der Lehrerstellen soll unbeschadet der Artikel 3 Abs. 3, 7 Abs. 3, S. 3 und 33 Abs. 2 und 3 GG nach Möglichkeit die bekenntnismässige Zusammensetzung der Schülerschaft berücksichtigt werden.“ Zunächst jedoch waren es die finanziellen Verpflichtungen des Landes, die im Kabinett für einigen Widerspruch sorgten. In der Sitzung vom 15. Januar 1957210 sollte es sich zeigen, dass die Wichtigkeit eines Vertragsabschlusses mit den evangelischen Kirchen nicht von allen Regierungsparteien gleich eingeschätzt wurde. Osterloh hatte eingangs der Sitzung noch einmal begründet, 206 Den hohen Anstieg – 1955 hatten die Kirchen gut 1,5 Millionen DM erhalten, die schon im ersten Referentenentwurf um 150.000 DM aufgestockt worden waren – erklärte Osterloh mit der Teuerung seit der letzten Festlegung 1931, mit der Aufhebung der mit Brünings Notverordnungen und nach 1933 willkürlich vorgenommenen Kürzungen der Staatszuschüsse und mit einer Anpassung an die Leistungen, die den anderen Landeskirchen gezahlt wurden (vgl. Osterlohs Anschreiben vom 8. 1. 1957 [LASH Schleswig, 605/515], S. 3ff.). 207 Vgl. EBD., S. 4f., Zitat: S. 5. 208 Vgl. EBD., S. 5f. 209 Die diesbezüglichen Bestimmungen in Art. 11 und 12, Abs. 6 u. 7 des Entwurfs fanden mit der im Weiteren erläuterten Ausnahme Eingang in Art. 6 des Staatskirchenvertrags. Auffallendste Abweichung des Entwurfs vom späteren Vertrag war der Verzicht der Kirchen auf das Recht der Bischöfe, „im Benehmen mit dem zuständigen Beamten“ auch persönlich Visitationen des Unterrichts vornehmen zu können (Art. 11, Abs. 6 des Entwurfs). 210 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 13, Bl. 14–18.

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warum er die Forderungen der Kirche hinsichtlich der Staatsleistungen für berechtigt hielt, und mit „Rücksicht auf die Finanzlage des Landes“ einen Betrag von 2,6 Millionen DM vorgeschlagen, für den er glaubte, die Zustimmung der Kirchen erreichen zu können211. Von Hassel rückte die Einigung mit den Kirchen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und stimmte Osterlohs Vorschlag zu, Hans-Adolf Asbach (GB/BHE) jedoch, stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Arbeit, Soziales und Vertriebene, hielt die finanzielle Bindung des Landes in einer solchen Höhe für „bedenklich“ und sah „dringlichere Aufgaben“ zum Beispiel in der Arbeitsbeschaffung und im Wohnungsbau. Fraktion und Landesvorstand seiner Partei „seien der Meinung, dass nicht der niedersächsische Weg beschritten werden sollte“ und plädierten für eine sorgfältige weitere Prüfung des Vertrages ohne „Zeitdruck“212. Gegen den Vorwurf des Zeitdrucks setzte Osterloh sich direkt zur Wehr: es werde „bereits seit einem Jahre verhandelt“, während dieses Jahres 1956 seien den Abgeordneten „zwei umfangreiche Darlegungen“ zugeleitet worden und der Entwurf sei „auch mit allen interessierten Gruppen besprochen worden“. Die finanzielle Mehrbelastung des Landes bringe zudem „die Landesfinanzen nicht derartig in Gefahr, dass vordringliche Anliegen zurückstehen müssten“213. Helmut Lemke unterstützte diese Argumentation: für ihn stellte der Abschluss des Vertrages einen bedeutsamen Vorgang dar, dessen Verzögerung nur zu rechtfertigen sei, wenn man ihn „zu den weniger vordringlichen Aufgaben rechnen wollte“214. Man einigte sich schließlich darauf, das Inkrafttreten des Vertrages zum 1. April 1957 in Aussicht zu nehmen. Die Koalitionsparteien sollten innerhalb einer Woche eine Stellungnahme abgeben, auf deren Grundlage den Oppositionsparteien der Vertragstext zum 23. Januar übermittelt werden sollte215. Unterzeichnet werden sollte der Vertrag erst nach Sicherstellung der Zustimmung aller Fraktionen und der kirchlichen Organe216. Daran aber haperte es zunächst noch, wie sich eine Woche später zeigen sollte. Offenbar befürchtete man, von der SPD, die nicht in der Verantwortung für die Finanzen des Landes stand, an Großzügigkeit und Kirchenfreundlichkeit überholt zu werden, denn nun war von einer Absenkung der Kirchenforderungen auf

211

EBD., Bl. 15. Schleswig-Holstein als das „finanz- und wirtschaftsschwächste“ Bundesland hatte 1957 einen Haushalt mit einem Volumen von ca. einer Milliarde DM. Rund 95% der Einkünfte waren „ausgabenmäßig schon von vornherein zweckgebunden“ (Art. „Länderetats mit Schlagseite“, in: Sbl., Nr. 13, 31. 3. 1957, S. 25). 212 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 13, 15. 1. 1957, Bl. 15. 213 EBD., Bl. 16. 214 EBD. 215 Vgl. EBD., Bl. 17. 216 Vgl. EBD., Bl. 17f.

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2,6 Millionen DM nicht mehr die Rede, sondern es sollten die von der Kirche geforderten 2,9 Millionen im Vertrag auftauchen, aber erst im Haushaltsjahr 1958, während für 1957 eine Zahlung von 2 Millionen in Aussicht genommen wurde. „Dieser Vorschlag setze“, so Osterloh in der Kabinettssitzung vom 22. Januar 1957, „die Koalitionsparteien in die Lage, alle demagogischen Anträge der Opposition abzuwehren“217. Justizminister Dr. Bernhard Leverenz (FDP), der den finanziellen Bedenken des BHE beipflichtete, regte an, der Kultusminister möge sich verpflichten, die Mehrkosten „nicht zu Lasten anderer Ressorts zu decken“, worauf Osterloh sich aber nicht einlassen wollte218. Letztlich beschloss das Kabinett mit Zustimmung von Dr. Schaefer, aber bei Enthaltungen von Asbach und Dr. Leverenz, die Dotation auf 2,9 Millionen DM ab 1. April 1958 festzusetzen, und man stimmte dem abschließenden Entwurf des Staatskirchenvertrages grundsätzlich zu. In den weiteren Verhandlungen mit den Kirchen sollten aber „erhebliche rechtliche und politische Bedenken“ gegen Art. 11, Abs. 8 des Entwurfs nicht verschwiegen werden219. Auf diesem Verhandlungsstand übermittelte Osterloh am 22. Januar 1957 den Vertragsentwurf den im Landtag vertretenen Fraktionen, denen er zugleich mitteilte, dass er Wert auf eine enge Abstimmung lege, weil der Vertrag, einmal dem Landtag zugeleitet, nur noch als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden könne. Weiter bat er um eine schnelle Übermittlung wenigstens der Grundansichten der Fraktionen, weil er im Februar nicht in Kiel sein werde220. Der von Osterloh hier angedeutete Ski-Urlaub verlängerte sich unfreiwillig durch einen erlittenen Beinbruch221. Bis Mitte März 1957 fanden keine weiteren Verhandlungen statt, am 16. März 1957 aber hielt Dr. Grothusen in einem schriftlichen 217 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 13, Bl. 22. Durch den folgenden Hinweis des Finanzministers Dr. Carl-Anton Schaefer (GB/BHE) auf die Lage des Haushalts 1957 ließ Osterloh sich nicht beirren. Er hielt die Zahlung von 2,9 Millionen für die unterste Grenze und führte weiter aus, es sei wesentlich, „dass durch den vorgesehenen Vertrag auch die Kirchen verpflichtet würden, ihrerseits demagogische Anträge der Opposition abzuwehren. Er müsse die Ermächtigung haben, über die Zahlen mit den Parteien zu verhandeln, da er vermeiden möchte, den Betrag durch die Opposition weiter hochtreiben zu lassen“ (EBD., Bl. 23). 218 Vgl. EBD., Bl. 24. 219 Vgl. EBD., Bl. 25. Osterloh hatte zudem beantragt, im Artikel über die Möglichkeit kirchlicher Privatschulgründungen (Entwurf, Art. 13 = Vertrag, Art. 7) den Satz 2: „Das Land wird diese Schulen, sofern sie die dazu allgemein erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, genehmigen und ihnen die Anerkennung gewähren“, abzuändern in: „[…] genehmigen und sie fördern“. Dies wurde jedoch gegen seine Stimme abgelehnt (vgl. EBD.). 220 LASH SCHLESWIG, 605/515. 221 Hermann Kunst leitete sein Genesungsschreiben vom 30. 3. 1957 mit dem recht launigen Kommentar ein: „Als ich von Ihrem Unglück beim Skifahren hörte, habe ich mich gefragt, wie ein solider oldenburger Bauernjunge auf solch ausschweifende Ideen verfallen kann, auf seine alten Tage noch das Skifahren zu erlernen“ (Privatarchiv Hermann Kunst). Nach eigener Auskunft hatte Osterloh einen komplizierten Unterschenkelbruch erlitten, der „völliges Stilliegen im Bett“ und „zeitlich viel Geduld“

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Vermerk fest, die Kirchenvertreter hätten in den letzten Verhandlungen angegeben, Ministerpräsident von Hassel habe sich mit Staatszuschüssen in Höhe der ursprünglich geforderten 2,9 Millionen DM bereits ab 1. April 1957 einverstanden erklärt222. Ob es sich hierbei lediglich um ein (gewolltes?) Missverständnis handelte oder ob die Kirchen bewusst daran gingen, ihre gute Verhandlungsposition – die Regierung befand sich in einer Art Zwickmühle zwischen den Forderungen der Kirchen und den noch weitergehenden Angeboten der SPD – auszunutzen, sei dahingestellt, jedenfalls hatten sie Erfolg: In einer Besprechung am 6. April 1957, an der von Hassel, Bischof Halfmann und Oskar Epha teilnahmen, zeigte sich von Hassel bereit, diese Summe bereits ab 1957 festzuschreiben, wies aber auf die Schwierigkeiten hin, die er damit im Kabinett haben werde223. Zugleich scheint von Hassel sich aber sehr sicher gewesen zu sein, dass diese Schwierigkeiten nicht unüberwindlich waren. In der gleichen Besprechung wurde nämlich bereits ein Terminplan für das weitere Procedere vereinbart, nach dem am 12. April die Entscheidung der Kirchenleitungen und am 16. April die des Kabinetts fallen sollten, woraufhin für den 23. April die Unterzeichnung vorgesehen war. Für die erste und – wenn möglich – auch die zweite Lesung im Landtag war der 8. Mai ins Auge gefasst worden. In der entscheidenden Kabinettssitzung vom 16. April 1957 war Osterloh erstmals wieder zugegen und nahm zu Bedenken Stellung, die dem als Kabinettsvorlage 41/57 von ihm eingebrachten Entwurf 224 des endgültigen Vertragstextes entgegengehalten worden waren: „Minister Osterloh führte aus: Der jetzige Aufbau des Vertrages entspreche in seiner Systematik dem niedersächsischen Modell. Gegenüber der letzten Beratung im Kabinett seien noch folgende Punkte zu klären: Die Kirchen wünschten bereits vom Rechnungsjahr 1957 an Staatszuschüsse in Höhe von 2,9 Mio DM. Die Berechtigung müsse anerkannt werden. Das Finanzministerium habe sich auch grundsätzlich einverstanden erklärt, jedoch eine teilweise Deckung des Mehrbetrages durch Einsparungen an anderer Stelle des Kultushaushalts gewünscht. Dazu sei das Kultusministerium nicht in der Lage. – Ferner hätten die Kirchen Bedenken gegen die in der Zusatzvereinbarung vorgesehene Regelung erhoben, dass mit den erhöhten Staatsleistungen auch alle sonstigen Zuwendungen des Landes für kirchliche Baumaßnahmen abgegolten seien, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Die Kirchenvertreter befürchteten Schwierigkeiten bei der Ratifizierung, wenn diese Verpflichtung verlangte (Brief an Gerhard Schröder vom 8. 3. 1957, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1). 222 LASH SCHLESWIG, 605/515. 223 Vermerk der Landeskanzlei vom 8. 4. 1957 (EBD.). 224 Abdruck samt Anschreiben von Osterloh an die Kabinettsmitglieder vom 6. 4. 1957, in dem die kritischen Punkte bereits aufgelistet und argumentativ „vorgeklärt“ waren (LASH SCHLESWIG, 605/516).

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ausdrücklich in die Zusatzvereinbarung aufgenommen werde. Diese Bedenken seien verständlich; daher solle das gleiche Ergebnis durch einen Briefwechsel ausserhalb des Vertrages erzielt werden. – Die Bedenken des Kabinetts gegen Artikel 6 Abs. 2 Satz 2 [muss heißen: Satz 3; P. Z.] seien den Kirchen und den politischen Parteien übermittelt worden. Die Kirchen legen entscheidendes Gewicht auf die Beibehaltung dieser Bestimmung; die Synode habe sich mit grosser Mehrheit bei einer informatorischen Behandlung des Vertrages für die Bestimmung ausgesprochen. Die Lehrergewerkschaft werde Artikel 6 Abs. 2 Satz 2 [Satz 3; P. Z.] nicht zum Gegenstand eines Protestes machen; scharf ablehnen werde sie das Inspektionsrecht der Bischöfe, auf das die Kirchen verzichtet hätten. Die SPD sei der gleichen Auffassung. In der Besprechung mit dem Herrn Ministerpräsidenten am 15.4.1957 hätten die Vertreter der SPD zum Ausdruck gebracht, dass sie keine kultur- und schulpolitischen Bedenken, sondern ausschliesslich | verfassungsrechtliche und politische Einwendungen gegen diese Bestimmung hätten. Der BHE habe zwar Bedenken geäussert, werde jedoch den Vertrag daran nicht scheitern lassen. Nach Auffassung der CDU könnte die Bestimmung konzediert werden. Der SHB habe […] noch nicht Stellung genommen. Persönlich sei er der Meinung, dass die Stellungnahme zu dieser Bestimmung eine rein politische Entscheidung sei. Artikel 6 Abs. 2 Satz 2 [Satz 3; P. Z.] verleihe kein subjektives öffentliches Recht und sei daher auch nicht justitiabel, was auch der Meinung des Justizministers entspreche. Allenfalls sei damit eine gewisse moralische Bindung des Landes verbunden. Im übrigen sollte beachtet werden, dass die schul- und kulturpolitischen Bestimmungen des Vertrages die liberalsten des ganzen Bundesgebietes seien; die Regelungen in den anderen Ländern kämen den Kirchen wesentlich weiter entgegen. Dies gelte besonders auch für den niedersächsischen Kirchenvertrag, der unter sozialdemokratischer Führung des dortigen Kabinetts zustande gekommen sei.“225

Erneut äußerte Justizminister Dr. Leverenz daraufhin seine Bedenken gegen den von Osterloh ausführlich angesprochenen Satz, den er weiter für verfassungsrechtlich und politisch bedenklich hielt, da er dem Wesen der Gemeinschaftsschule widerspräche und gegebenenfalls Klagen zu erwarten wären226. Während Osterloh dagegen hielt, er „könne der Regierung nicht empfehlen, der Öffentlichkeit gegenüber die Verantwortung für das Scheitern des Vertrages an dieser Bestimmung zu übernehmen“227, wies von Hassel darauf hin, dass weder in der Koalitionsbesprechung tags zuvor noch von den an der Abfassung des Vertrages beteiligten Juristen Bedenken gegen die von Leverenz beanstandete Aussage erhoben worden seien. Um möglichen Bedenken entgegenzukommen und keine überstürzte Entscheidung herbeizuführen, zeigte er sich aber für den Gedanken aufgeschlossen, den ursprünglich Terminplan zu verändern. Die erste und zweite Lesung des Gesetzes bräuchten nicht an einem Tag stattfinden. Dagegen wiede225

LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 13, 16. 4. 1957, Bl. 115f. Vgl. EBD., Bl. 116. 227 EBD., Bl. 117. 226

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rum stellte Osterloh das Bedenken, dies könnte den Eindruck erwecken, den Parlamentariern falle die Zustimmung schwer228. Bei Enthaltung von Leverenz beschloss das Kabinett, dem monierten Satz in der vorliegenden Fassung zuzustimmen. Einstimmig beschloss man, schon von 1957 an die Summe von 2,9 Millionen DM an Staatsleistungen festzulegen und die damit verbundene Abgeltung sonstiger Zuschüsse in einem gesonderten Briefwechsel zum Ausdruck kommen zu lassen229. Auf dieser Grundlage ermächtigte das Kabinett den Ministerpräsidenten, den Staatskirchenvertrag zu unterzeichnen230. Parallel zu diesen letzten politischen Verhandlungen war bereits die äußere Gestaltung der Unterzeichnung am 23. April 1957 Gegenstand von Unterredungen zwischen Kirchenvertretern und Landeskanzlei. Interessant, dass von Präsident Dr. Epha, also von Seiten der Kirche, die erste Sitzordnung moniert wurde, „weil der Herr Kultusminister, der maßgeblichen Anteil an dem Zustandekommen des Staatskirchenvertrages habe, zu schlecht placiert sei“231. Im Einvernehmen mit Bischof Halfmann rückte Osterloh in einem neuen Sitzordnungsentwurf mit an den Unterzeichnertisch232. Nachdem klar geworden war, dass er auch eine Rede halten würde – wiederum Dr. Epha hatte angemerkt, dass anlässlich der Unterzeichnung des Loccumer Vertrages auch der niedersächsische Kultusminister gesprochen hatte233 –, fand er seinen Platz schließlich in der Mitte des Unterzeichnungstisches, direkt neben Ministerpräsident von Hassel234. Auch das Menü des anschließenden Essens im Restaurant „Kieler Kaufmann“ war bereits festgelegt: Mit Rücksicht „auf die Diätwünsche der Herren Bischöfe Halfmann und Prof. Dr. D. Meier“ wurden bestellt: Klare Ochsenschwanzsuppe, Frikassee vom Huhn im Pastetenring und Fruchtsalat235. Nach der Unterzeichnung des Vertrages waren keineswegs alle Bedenken vom Tisch. Nachdem die Kirchen den Vertrag am 3. bzw. 6. Mai 1957 ratifiziert hatten236, zeigte sich beim Ringen um eine möglichst breite Zustimmung im Landtag, dass selbst in der Regierungskoalition noch immer keine Einigkeit darüber herrschte, ob insbesondere die in Art. 6 vorgenommenen Aussagen über die Schulen verfassungskonform seien, obwohl ein inzwischen von den Kirchen228

Vgl. EBD. Vgl. EBD., Bl. 118. 230 Vgl. EBD., Bl. 119. 231 Vermerk der Landeskanzlei vom 15. 4. 1957, in: LASH SCHLESWIG, 605/516. 232 Vgl. EBD. 233 Vgl. EBD. 234 Fotos vom Akt der Unterzeichnung: K. JÜRGENSEN, Stunde, Bildtafel XII (zwischen S. 160 u. 161); 30 JAHRE STAATSKIRCHENVERTRAG, Bildtafel zwischen S. 128 u. 129. 235 Vgl. Vermerk der Landeskanzlei vom 15. 4. 1957, in: LASH SCHLESWIG, 605/516. 236 Vgl. M. REDEKER, Staatskirchenvertrag, S. 142. 229

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leitungen angefordertes Gutachten Rudolf Smends dies bestätigt hatte237. Von Osterloh auf entsprechende Pressemeldungen angesprochen, machte einmal mehr Justizminister Leverenz in der Vorbesprechung des Kabinetts zur entscheidenden Landtagssitzung vom 20. Mai 1957 Bedenken geltend, diesmal mehr gegen Satz 1 des Artikels, in dem vom christlichen Grundcharakter der Gemeinschaftsschulen die Rede war238. Er wünschte vor der Ratifizierung eine Klärung darüber, dass die Formulierung des Vertrages keine „Konfessionalisierung der sog. Gesinnungsfächer herbeiführen“ würde und keinerlei „Rückwirkungen auf nichtchristliche Lehrkräfte zu befürchten“ seien239. Erneut sah Osterloh sich „zu eingehenden historischen und rechtlichen Darlegungen zu der Auffassung des Justizministers“ genötigt und führte aus: „Die Aussage über den ‚christlichen Grundcharakter‘ unserer Gemeinschaftsschulen in Artikel 6 des Vertrages bedeute keine Veränderung der normativen Bestimmungen unserer Landessatzung über das Schulwesen. Auch die sogenannten ‚Gesinnungsfächer‘ wie z. B. Deutsch, Geschichte, Gegenwartskunde und Philosophie werden in Zukunft ebensowenig wie bisher in konfessioneller oder auch nur betont allgemein religiöser Färbung erteilt. Sie unterstehen ganz allein dem Maßstab der sachlichen Wahrheit und der pädagogischen Verantwortung. Dabei sei es selbstverständlich, dass entschieden christliches Denken und Empfinden im gesamten Unterrichten und Leben der Schule die gleiche Rücksichtnahme und dieselbe Achtung verlangen wie das Fühlen und Urteilen Andersdenkender. Der christliche Grundcharakter unserer Schule korrespondiert mit der faktischen Haltung unserer Bevölkerung. Er wird inhaltlich durch die geschichtliche Entwicklung und nicht durch rechtliche Normen bestimmt. Er wies ferner darauf hin, dass namhafte Wissenschaftler, so Prof. Heckel, die Ansicht vertreten, dass eine Gemeinschaftsschule allein schon dadurch christlichen Grundcharakter erhält, dass an ihr Religion ordentliches Lehrfach ist. Folgt man dieser Auffassung, so hat die Gemeinschaftsschule in Schleswig-Holstein von Anfang an christlichen Grundcharakter; denn das Grundgesetz ist vor der Landessatzung in Kraft getreten und ohne Einschränkung für Schleswig-Holstein verbindlich geworden.“240

Weiter erklärte er sich bereit, „in einem Briefwechsel der Landesregierung mit den evangelischen Kirchen ausdrücklich die Bedenken des Justizministers auszuräumen in dem Sinne, dass weder der Unterricht in den sog. ‚Gesinnungsfächern‘ nur von Lehrern, die einer bestimmten Konfession angehören, erteilt würde noch der Art. 6 Abs. 2 Satz 3 des Vertrages ein Vorrecht von Bewerbern oder Lehrern bei der Besetzung eines Lehramtes oder bei Beförderungen auf 237

Das Gutachten vom 6. 5. 1957 ist abgedruckt in: KIRCHENRECHTLICHE GUTACHTEN, S. 338–358; 30 JAHRE STAATSKIRCHENVERTRAG, S. 96–106. 238 Vgl. LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 13, 20. 5. 1957, Bl. 140. 239 EBD. 240 EBD., Bl. 140f.

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Grund ihrer Konfession begründe“241. Nun endlich stellte Leverenz auch die Zustimmung der FDP in Aussicht, und das Kabinett stimmte dem Vorschlag Osterlohs zu242. In der unmittelbar folgenden ersten Lesung des Gesetzes zum Staatskirchenvertrag im Landtag243 verteidigte Osterloh mit den dargelegten Argumenten den ausgehandelten Vertrag244 und stellte die von ihm in der Kabinettssitzung angeregte Erklärung in Form eines Briefwechsels für den folgenden Tag in Aussicht245, nachdem Wilhelm Siegel zu ebendiesen Fragen Klärungsbedarf angemeldet hatte246. Die Sitzung wurde daraufhin nach der ersten Lesung vertagt, die zweite Lesung sollte zunächst noch in derselben Sitzung, aber erst am 22. Mai stattfinden. Zuvor sollten die noch offenen Fragen zum Vertrag in einer gemeinsamen Sitzung der an den Verhandlungen beteiligten Landtagsausschüsse geklärt werden247. Am folgenden Tag überschlugen sich die Ereignisse. Osterloh, der die Landtagssitzung am Vortag wegen eines Arztbesuches infolge seines Skiunfalls vorzeitig verlassen musste, hatte dort noch eine grundsätzliche Erklärung der Kirchen in Aussicht gestellt, es aber als unmöglich bezeichnet, bis zum folgenden Tag einen perfekten Briefwechsel zu erhalten248. Die gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Verfassung und Geschäftsordnung, für Volksbildung und für Finanzen war angesetzt für den 21. Mai 1957 um 15:00 Uhr im Konferenzsaal des Landtags und begann um 15:15 Uhr249. Kurz nach Beginn der Sitzung teilte Osterloh mit, Ministerialdirektor Kock habe tags zuvor nach einer Besprechung mit Präsident Epha den Text eines Briefes entworfen, der die gewünschten Festlegungen enthielt und auf dessen Grundlage er (Osterloh) mit Epha noch am Abend vereinbart hatte, dass dieser den Brief am Morgen mit den Bischöfen Halfmann und Meyer besprechen sollte. Nur auf diesem Weg schien noch vor der zweiten Lesung „eine urkundenmäßige Feststellung“ möglich zu sein. Als Ergebnis dieser Besprechung habe Ministerpräsident von Hassel einen Brief der Bischöfe erhalten, der den entworfenen Text, der inzwischen auch mit Landespropst Kieckbusch besprochen worden war, unverändert enthielt. Die Klärung von „Zweifelsfragen über die Auslegung eines Vertrages durch eine schriftliche Feststellung der Regierungen“, die nicht der Ratifizierung der Parlamente be-

241

EBD., Bl. 142. Vgl. EBD. 243 SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. WP, S. 2709–2751. 244 EBD., S. 2710–2716 (Auszüge: E. OSTERLOH, Staatsvertrag [1957]). 245 Vgl. EBD., S. 2728f. 246 Vgl. EBD., S. 2716–2728, bes. S. 2727f. 247 Vgl. EBD., S. 2751. 248 So die Mitteilung von Finanzminister Leverenz an den Landtag (vgl. EBD., S. 2750). 249 Durchschlag der siebenseitigen Niederschrift in: LASH SCHLESWIG, 605/515. 242

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dürfe, sei mit internationalem Recht in Einklang250. Die entscheidenden Passagen des Briefes, der erst um 14:40 Uhr in der Landeskanzlei eingegangen war, enthielten Klarstellungen darüber, dass die in Art. 6, Abs. 1, getroffene Aussage über den christlichen Grundcharakter der Gemeinschaftsschulen in SchleswigHolstein keine Veränderung des in der Landessatzung festgeschriebenen überkommenen Zustandes darstelle, sondern lediglich „die mehrfach bekundete übereinstimmende Auffassung der Vertragschließenden über diesen Zustand“ festhalte. Sie beinhalte auch nicht „daß der Unterricht in den sogenannten Gesinnungsfächern, wie z. B. Deutsch, Geschichte und Philosophie, nur von Lehrern, die einer christlichen Konfession angehören, erteilt werden dürfte“. Außerdem begründe die in Art. 6, Abs. 2, Satz 3, festgehaltene Rücksichtnahme auf die konfessionellen Verhältnisse „kein Vorrecht von Bewerbern oder Lehrern […] auf Grund ihrer Konfession und demzufolge auch keinen Numerus clausus für eine konfessionelle oder weltanschauliche Minderheit“251. Der von dieser Entwicklung offensichtlich zufriedengestellte Wilhelm Siegel sorgte im Zusammenspiel mit Osterloh dafür, dass in der Ausschusssitzung noch vorgetragene Fragen, wie der Brief im Verhältnis zum Vertrag verfassungsrechtlich zu interpretieren sei, ob also verfassungsrechtliche Einwände gegen den Vertragstext nach wie vor bestünden, schließlich keine Rolle mehr spielten: „Wesentlich sei jetzt […], daß die SPD-Fraktion nach diesem Briefwechsel nicht mehr die Absicht habe, in einem Normenkontrollverfahren die Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen. Ob diese Frage in einem einzelnen Falle von einem betroffenen Lehrer aufgeworfen werde, brauche hier nicht erörtert zu werden. Darauf könne der Ausschuß auch mit einem Beschluß keinen Einfluß nehmen.“252 So nahm der Landtag noch am 21. Mai 1957 die zweite Lesung des Gesetzes über den Staatskirchenvertrag vor, das, nachdem das Ergebnis der Ausschusssitzung mitsamt dem Brief der Bischöfe verlesen worden war, einstimmig angenommen wurde253. Vor dem Austausch der Ratifikationsurkunden, mit dem der Vertrag am 29. Juni 1957 in Kraft trat254, war es noch zu einer über Hermann 250

Vgl. EBD., S. 3. Text des Briefes: EBD., S. 4. Abdruck: DIE DEUTSCHEN KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE DER GEGENWART, [Bd. 1], S. 256f.; DIE KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, Bd. 2, S. 691f. 252 Niederschrift über die gemeinsame Ausschusssitzung (vgl. oben Anm. 249), S. 7. Zuvor hatten Osterloh und Siegel übereinstimmend festgestellt, der Verfassungsausschuss würde dem Landtag das Gesetz nicht zur Annahme empfehlen, wenn er nicht von dessen Verfassungsmäßigkeit überzeugt sei (vgl. EBD., S. 6 u. 7). 253 Vgl. SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. WP, S. 2783f. 254 Vgl. die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Vertrages zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein vom 8. Juli 1957, abgedruckt in: DIE KONKORDATE UND KIRCHENVERTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, Bd. 2, S. 665. 251

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Kunst vermittelten Fühlungnahme des Prälaten Böhler mit Osterloh gekommen. Böhler versuchte zwischen dem 25. Mai und dem Ratifizierungstermin mehrfach, über Hermann Kunst Einfluss auf Osterloh zu nehmen255. Dieser sollte sich für einen weiteren Briefwechsel zwischen der Landesregierung und den evangelischen Kirchen in Schleswig-Holstein einsetzen, aus dem hervorgehen müsste, dass die positive Aufnahme der in der Landessatzung festgeschriebenen Bestimmungen zur Gemeinschaftsschule keine Bekräftigung dieser Bestimmungen bedeute, dass durch den Vertrag „das Verfassungsrecht also keine Erhöhung zum Vertragsrecht“ erfahre256. Hintergrund war die von Böhler als „sonderbar“ empfundene positive Bejahung dieser dem „Elternrecht direkt entgegenstehenden“ Bestimmungen durch eine CDU-geführte Regierung und die evangelischen Landeskirchen257. Er befürchtete eine Schlechterstellung der Katholiken, auch was eventuelle spätere Verhandlungen zwischen der katholischen Kirche und dem Land Schleswig-Holstein anginge258. Die Forderung Böhlers, solche Einschränkungen in einem gesonderten Briefwechsel ausdrücklich festzustellen, konnte Osterloh angesichts der Schwierigkeiten, die schon das Festschreiben des christlichen Grundcharakters der Gemeinschaftsschulen bereitet hatte, nur zurückweisen. Er tat dies, nachdem er sich mit von Hassel und Halfmann darüber beraten hatte, und die Runde zu dem Ergebnis gekommen war, „daß es nicht möglich ist, noch einen Briefwechsel zwischen den Vertragschließenden vor dem Austausch der Ratifikationsurkunden […] vorzunehmen“. Darüber hinaus stellte man gemeinsam fest, dass die „politische und geistige Situation in Schleswig-Holstein“ es ausschließe, seitens der Regierung das im Hintergrund der Böhlerschen Forderungen stehende „Problem der Konfessionsschule auch nur theoretisch zu erörtern“259. Osterloh zeigte sich vom Druck der katholischen Kirche hier ebenso unbeeindruckt wie von politisch-taktischen Erwägungen, mit denen Hermann Kunst ihm nahegelegt hatte, sich die Rückkehr auf die Bonner Bühne nicht durch zu kritische Äußerungen gegen die katholische Kirche zu verbauen260. 255 Vgl. die Briefe Böhlers an Kunst vom 25. und 29. 5. 1957 (Privatarchiv Hermann Kunst). Aus einem Brief Kunsts an Osterloh vom 4. 6. 1957 geht hervor, dass Böhler zusätzlich noch mündlich mit Kunst verhandelt hatte (EBD.). 256 Brief Böhlers an Kunst vom 25. 5. 1957 (EBD.). 257 Brief Böhlers an Kunst vom 29. 5. 1957 (EBD.). 258 So die Interpretation Hermann Kunsts nach einem Gespräch mit Böhler (vgl. die Briefe Kunsts an Osterloh vom 4. und 13. 6. 1957 [EBD.]). 259 Brief Osterlohs an Kunst vom 26. 6. 1957 (EBD.). 260 Kunst hatte ihm in einem als „Vertraulich! Persönlich!“ gekennzeichneten Brief seine Meinung dargelegt und dabei unter anderem festgestellt: „[W]ir Evangelischen können nur dabei verspielen, wenn Ihre und Ihres Ministerpräsidenten Position in der CDU angegriffen wird. Sie sind beide noch keine siebzig Jahre, mit Ihnen beiden haben wir in der Bundespolitik noch einiges vor. Gera-

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7.2.2.3 Würdigung des Vertrags Vorbild und Ausgangspunkt der Verhandlungen über den schleswig-holsteinischen Staatskirchenvertrag war der in seiner Bedeutung weitgehend unumstrittene Loccumer Vertrag, in dem die Beziehungen zwischen Kirche und Staat dem neuen, partnerschaftlichen Verständnis entsprechend geregelt waren. Insofern hatten es die Verhandlungspartner in Schleswig-Holstein relativ leicht, weil sie von einer sicheren Basis aus operieren konnten, die nur den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden musste. Erich Ruppel kommentierte im Vergleich zum Loccumer Vertrag: „Daß man sich in Schleswig-Holstein mehr Zeit für die Ausarbeitung und Verhandlung hat nehmen können, ist dem Vertrage zugute gekommen. ‚Er ist besser aufgebaut, präzisiert und auch in der Erfassung der einzubeziehenden Gegenstände noch einige Schritte weitergegangen‘“261. Dass sich auch die weiteren Kirchenverträge der nun vom Loccumer und dem Schleswig-Holsteinischen Kirchenvertrag vorgegebenen Linie angeschlossen haben262, spricht dafür, diesem einen bleibenden Wert zuzumessen, der sich auch darin erwiesen hat, dass der Vertrag über die Bildung der Nordelbischen Kirche hinaus in Kraft geblieben ist263. Von Seiten der evangelischen Kirchen erblickte man die entscheidende Bedeutung des Vertrages, in dessen inhaltlicher Ausgestaltung man ein gegenseitiges Geben und Nehmen ausgedrückt sah264, in der partnerschaftlichen Regelung des ten kann das nur, wenn die Katholiken mitmachen. Ich kann nur hoffen, […] dass Sie diese Erwägungen nicht mit so eiliger Hand, wie das zweifelsfrei Eugen Gerstenmaier tun würde, als Taktik vom Tisch wischen.“ In guter Kenntnis der Persönlichkeit Osterlohs schloss er seinen Brief: „Ich kenne nicht viele Menschen, die zwar mit Geduld, Freundlichkeit und Güte, aber nun auch so rundheraus und so bestimmt ihre Meinung äußern wie Sie. Ich bin nicht ängstlich, aber das Sonntagsblatt wird schließlich nicht nur in Norddeutschland gelesen. Ich kann nur hoffen, dass Ihr Bonner Aufenthalt nicht nur eine Episode für Sie war, sondern Sie auch heute noch beim Schreiben eines Artikels im Gespür haben, wie Ihr Votum in diesen Landstrichen aussieht“ (Brief an Osterloh vom 13. 6. 1957 [EBD.]). 261 E. RUPPEL, Kirchenvertragsrecht, S. 102. Das Zitat im Zitat stammt aus einem von den Herausgebern des Werkes leider nicht verifizierten Vortrag des Kirchenrechtlers Konrad Müller in Bonn am 30. 5. 1959 (so die Angabe Ruppels [EBD.]). 262 Vgl. EBD. 263 Vgl. K.-H. UHLE, Fortgeltung, bes. S. 114f. 264 Zum Abschluss der Landessynode, vor der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes zum Staatskirchenvertrag, hob Bischof Halfmann dies noch einmal hervor, nachdem er zuvor die Bestimmung des christlichen Grundcharakters der Gemeinschaftsschulen und der konfessionell-proportionalen Verteilung der Lehrer auf die Schulen als „Selbstverständlichkeiten“ bezeichnet hatte: „Alle Regelungen des Vertrages beruhen auf Gegenseitigkeit, d. h. auch der Staat behält und bekommt sein Recht. Indem der Preussische Kirchenvertrag fortgeführt wird, übernimmt die Kirche auch die darin enthaltenen Forderungen des Staates hinsichtlich der Qualifikation der kirchlichen Amtsträger. Auf dem Schulgebiet stellt sich die Kirche auf den Boden der staatlichen Schulaufsicht und überträgt sogar ihr Recht zur Einsicht in den Religionsunterricht auf staatliche Schulaufsichtsbeamte evangelischen Bekenntnisses. Kirchliche

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Miteinanders von Staat und Kirche, „bei der die von den bisherigen Bindungen befreite Kirche ihr Leben selbst gestalten kann, bei der sie nicht mehr von der jeweiligen Rechtssetzung des Staates abhängig ist, sondern als gleichberechtigter Partner mit dem Staat die beiderseitigen Beziehungen vertraglich regelt“265. „Was geregelt wird, ist nichts eigentlich Neues […]. Der Vertrag ist kein Programm. Das Neue ist aber der ausgesprochene Gedanke der Partnerschaft, wonach die Trennung zwischen Staat und Kirche nicht in einem neutralen und kühlen Nebeneinander bestehen soll, sondern in einem freundschaftlichen Miteinander an den Stellen, wo ein Zusammenwirken erforderlich ist.“266 Der Lübecker Bischof Meyer sprach einige Zeit später sogar von einer historischen Dimension des Vertrages, denn das Ende der Staatskirche, das 1918 für die deutschen evangelischen Kirchen begann, hatte nach seinen Worten noch nicht dazu geführt, „daß damit schon überall jede staatliche Kontrolle aufhörte“: „Für die Gesamtheit der Kirchen im Lande Schleswig-Holstein brachte erst der Vertrag des Landes mit den Kirchen, der ‚Kieler Vertrag‘ des Jahres 1957, das Ende der konstantinischen Ära. Dies Ereignis verdient es, mit fettgedruckter Jahreszahl in den Lehrbüchern der Kirchengeschichte Eingang zu finden.“267 Ministerpräsident von Hassel bezeichnete es als „Grundlage“ des Vertrages, über die „alle Parteien und Strömungen der öffentlichen Meinung erfreulicherweise“ einig seien, dass Staat und Kirche „jeder in eigenen, vom anderen unabhängigen Rechtsprinzipien“ ruhten, zugleich aber „aufeinander angewiesen“ seien, da sie „den ihnen gewordenen Auftrag nur im Zusammenwirken mit dem anderen Teil zu lösen“ vermögen268. Als Beispiele nannte von Hassel den Schulbereich, in dem ein Ausgleich zwischen dem „weltlichen Auftrag“ des Schulwesens und der „christlichen Struktur“ des Landes gesucht und gefunden worden sei, und die staatliche Finanzaufsicht, die nur „diejenigen Schranken“ ziehe, die „im allgemeinen Interesse unumgänglich“ seien269. Abschließend nannte von Hassel

Hilfskräfte in der Schule treten unter die staatliche Schulaufsicht. Die Höhe der Kirchensteuer unterliegt staatlicher Genehmigung. Der Freistellung der Kirche von allerlei staatlichen Aufsichtsrechten entspricht die Freistellung des Staates von allerlei historischen Einzelleistungen an die Kirche“ (Art. „Der Vertrag des Vertrauens“, in: Kirchliche Informationen für Schleswig-Holstein, Ausg. A, Nr. 8/57, 6. 5. 1957, Zitate: S. 2 u. 3). 265 Art. „Aus der Rede Präsident Ephas vor der schleswig-holsteinischen Landessynode zur Begründung des Ratifizierungsgesetzes am 6. Mai 1957“, in: Kirchliche Informationen für Schleswig-Holstein, Ausg. A, Nr. 7/57, 4. 5. 1957 (Sperrfrist bis 6. 5. 1957, 11:00 Uhr). 266 Art. „Aus der Rede Bischof Halfmanns bei der Unterzeichnung des Vertrages am 23.4.1957“, in: INLL 6, 1957, S. 142; 30 JAHRE STAATSKIRCHENVERTRAG, S. 13f., Zitat: S. 13). 267 H. MEYER, Grenzen, S. 15. 268 Ansprache von Hassels bei der Unterzeichnung des Staatskirchenvertrages am 23. April 1957, in: 30 JAHRE STAATSKIRCHENVERTRAG, S. 11f., Zitate: S. 11. 269 EBD., S. 12.

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den ausgehandelten Vertrag „eine zeitgemäße Verkörperung der rechtlichen Verhältnisse von Staat und Kirche in einem demokratischen Gemeinwesen“270. Osterloh selbst nahm mehrfach zu dem Vertrag Stellung: in der schon genannten Begründung im Landtag271, in einer Ansprache anlässlich der Unterzeichnung272, in einem Rundfunkvortrag273 und einem Aufsatz für das Sonntagsblatt274, was allein schon die Bedeutung kennzeichnet, die er dem Vertrag beimaß. In der Ansprache vom 23. April ging Osterloh kurz auf die Vertragsbestimmungen hinsichtlich der Ausbildung des theologischen Nachwuchses und der Möglichkeiten zur Ausbildung von Religionslehrern ein. Anhand der gemeinsamen Wahrnehmung der Verantwortung für das Schulwesen brachte er zum Abschluss seine Überzeugung zum Ausdruck, dass dieser Vertrag neben den Evangelischen auch den Katholiken und den Nichtchristen ein Zeichen dafür sein müsste, „daß die Kulturpolitik unseres Landes Freiheit und Toleranz mit der Bemühung verbinden möchte, den Geist nicht zu dämpfen, sondern ihn auch in seinen unerforschlichen Tiefen zur Wirkung kommen zu lassen“275. Knapp einen Monat später stellte Osterloh im Rundfunkvortrag ebenfalls die kulturpolitischen Bestimmungen in den Mittelpunkt, vergaß aber nicht hinzuzufügen, dass der Staat in den finanziellen Abmachungen des Vertrages „im Interesse seiner Steuerzahler größte Sparsamkeit“ habe walten lassen. Auch an dieser Stelle betonte Osterloh, der Vertrag dokumentiere „Toleranz, Freiheit und darüber hinaus eine liberale Grundhaltung“, führe aber nicht zur „Scheidung zwischen Staat und Kirche“, sondern zur Verwirklichung der beiden Institutionen gemeinsam gestellten Aufgaben und Verantwortlichkeiten276. Abschließend führte er aus, was besonders ihn bei der Aushandlung und Unterzeichnung des Vertrages bewegt haben mag: „Natürlich vertritt der Politiker beim Zustandekommen eines solchen Vertrages pflichtgemäß in erster Linie rein staatliche Interessen, aber unausgesprochenerweise ist es doch auch sein innerstes Anliegen, daß ein redlich geordnetes und sauber verwaltetes Staatswesen es mit einer lebenskräftigen Kirche zu tun haben möchte, deren Vollmacht und Glaubwürdigkeit innere und äußere Unabhängigkeit erheischen.“277

270

EBD., S. 13. SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 3. WP, 20. 5. 1957, S. 2710–2716 (Auszüge: E. OSTERLOH, Staatskirchenvertrag [1957]). 272 E. OSTERLOH, Ansprache (1957). 273 E. OSTERLOH, Rundfunkvortrag (1957). 274 E. OSTERLOH, Staatskirchenvertrag (1957). 275 E. OSTERLOH, Ansprache (1957), S. 13. 276 E. OSTERLOH, Rundfunkvortrag (1957), S. 328f. 277 EBD., S. 329. 271

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Im Aufsatz „Staatskirchenvertrag“, geschrieben nach der Ratifizierung des Kieler Vertrages, verglich Osterloh die Kirchenverträge von Loccum und Kiel ihrem Gehalt und ihrer Eigenart nach mit den Konkordaten, die zwischen der katholischen Kirche und den Ländern bzw. dem Deutschen Reich geschlossen worden waren. Ausgehend davon, dass in der Ratifizierungsdebatte Politiker aller Parteien die gegenseitige Unabhängigkeit von Staat und Kirche bejahten, aber ebenso einmütig eine radikale Trennung für unmöglich hielten, nahm für Osterloh die Beziehung zwischen Kirche und Staat nach dem Abschluss des Vertrages „den Charakter eines Bündnisses“ an, in dem sich beide verpflichteten, „einander – wenn auch auf verschiedenen Ebenen und mit völlig verschiedenen Mitteln – in der Sorge um die innere und äußere Existenz des einzelnen und seiner Gemeinschaft gegenseitig beizustehen und zu fördern“278. Das Wesen dieses Bündnisses sei der Kompromiss, die gegenseitige Rücksichtnahme – z. B. auf die Durchsetzbarkeit bzw. Nicht-Durchsetzbarkeit mancher Dinge in der Synode oder dem Landtag – und die Einsicht in die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Vertragspartnern. Den „fundamentalen Unterschied“ zu einem mit der katholischen Kirche abgeschlossenen Konkordat machte Osterloh an der „Privilegientheorie“ der katholischen Kirche deutlich. Nach ihr seien auch in der Beziehung zu Staaten alle Rechtsverhältnisse endgültig durch das kanonische Recht gesichert, dem jeweiligen Staat werde aber das „Privileg“ gewährt, „jedenfalls in begrenzter Weise sein Verhältnis zur Katholischen Kirche auch nach eigenem staatlichen Recht zu regeln“279. Konkordate stellten daher immer „das rechtliche Symptom für den jeweiligen Stand des Ringens zwischen geistlichen und weltlichen Machansprüchen dar“. Es gehe „in jedem Konkordat in erster Linie um die rechtliche Sicherung der päpstlichen Hierarchie und zugleich um die Erhaltung und Ausweitung eines vom Dogma her begründeten Anspruches auf kultur- und sozialpolitischen Einfluß“. Es rängen hier „zwei verschiedene Systeme positiven Rechts miteinander“280. Im Vergleich beider Optionen angesichts der seinerzeitigen politischen und gesellschaftlichen Situation kam Osterloh zu einem wenig überraschenden Ergebnis: „Es ist nicht ausgeschlossen, daß gegenwärtig die evangelischen Kirchenverträge den weiterführenden Weg in die Zukunft beschritten haben, während sowohl das Reichskonkordat als auch die Länderkonkordate – jedenfalls heute – für große Teile der Bundesrepublik keine befriedigende Lösung mehr darbieten und wahrscheinlich reformbedürftig sind.“281

278

E. OSTERLOH, Staatskirchenvertrag (1957). EBD. 280 EBD. 281 EBD. 279

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7.3 Osterloh in der schleswig-holsteinischen Landespolitik282 7.3.1 Osterlohs politische Verankerung im Land Als „Zugereister“, dessen Berufung zum Kultusminister keinen ungeteilten Beifall gefunden hatte, der in einem nicht gerade kirchlich geprägten Land Kultusminister wurde und dabei aus seiner kirchlichen Verwurzelung keinen Hehl machte, der aus dem Kabinett intellektuell herausragte und den man auch unter dem übergeordneten Gesichtspunkt ausgewählt hatte, einem prominenten Evangelischen in der CDU ein adäquates Betätigungsfeld zu schaffen, schien Osterloh es nicht leicht zu haben, im Land, aber auch in der Landespartei akzeptiert zu werden. Dazu kam, dass er naturgemäß keine „Hausmacht“ hatte, zunächst nicht einmal einen eigenen Wahlkreis; und als er diesen zur Landtagswahl 1958 bekam, war es Steinburg/Süderdithmarschen, er selbst aber wohnte mit seiner Familie nach wie vor in Kiel. Bei weitem keine idealen Voraussetzungen, in SchleswigHolstein und in einer Landespartei heimisch zu werden, die dem konservativen Teil der Union zugerechnet wurde und zu den Politikfeldern, in denen er tätig wurde, ein eher distanziertes Verhältnis hatte, wie Osterloh in einem privaten Rückblick auf die ersten zwei Jahre seiner Tätigkeit im Land einräumte: „Was ich auf dem Gebiet der Universität und der Forschung, auch der Pädagogischen Hochschulen, getan habe, ist manchen meiner Anhänger etwas unheimlich […]. Manche haben mich auch mit Recht im Verdacht, daß ich die bisher von der Bundesregierung verwirklichte Sozialpolitik grundsätzlich bejahe. Hierzulande neigt man gelegentlich zu der Auffassung, man könnte auf diesem Gebiet hinter Bismarck zurück“.283

Mit einer etwas launigen Anspielung auf die ländliche Struktur Schleswig-Holsteins und der eigenen Landespartei fügte er, der Bauernsohn, an, dass andererseits auch die Einheimischen oft unsicher seien, ob er denn für die sie bewegenden Themen eintrete: „Aber diese ‚Bauern‘ wissen natürlich nicht sicher, ob ich mich mit ausreichender Leidenschaft für die ‚Grünen Pläne‘ einsetze“.284 282 Natürlich kann es in diesem Abschnitt nicht darum gehen, Osterlohs Wirken in der schleswig-holsteinischen Landespolitik vollständig nachzuzeichnen. Hier sollen lediglich seine politische Verankerung im Land, seine im Rahmen der Gesamtthematik wichtigen kulturpolitischen Leitlinien und seine im Blick auf seinen Tod für wichtig gehaltene Stellung zu den heftig umstrittenen „Fällen“ unzureichender Verfolgung oder Maßregelung von NS-Tätern in Schleswig-Holstein behandelt werden. Zu seinen sonstigen zahlreichen Verpflichtungen und den anderen von ihm bearbeiteten Themen, soweit sie sich in ermittelten schriftlichen Zeugnissen niederschlugen, vgl. Bibliographie 1956–1964. 283 Brief Osterlohs an Gerhard Schröder vom 2. 1. 1958 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1). 284 EBD. Mit „Grüner Plan“ wurden die sich aus dem Landwirtschaftsgesetz (5. 9. 1955) ableitenden staatlichen Investitionshilfen zur Verbesserung der strukturellen Bedingungen landwirtschaftlicher Pro-

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Trotzdem wusste Osterloh sich auch hier – wie in den vorhergehenden Stationen seines Werdegangs, der ihn oft in eine ganz neue und bis dahin ungewohnte Umgebung versetzt hatte – zu arrangieren und durchzusetzen. Zunächst verschaffte er sich, wie oben gezeigt285, in seinem Ministerium Anerkennung und Rückhalt durch einen mehr kollegialen als hierarchischen Umgang mit den Mitarbeitern des Hauses. Mit seiner unbestrittenen Kompetenz und seiner bundespolitischen Bedeutung im Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU und im Bundesvorstand der CDU konnte er im Kabinett reüssieren, wo es keinerlei geäußerte Kritik an seiner Berufung gab, was aber sicher auch auf die Rückendeckung durch Ministerpräsident von Hassel zurückzuführen war. Von Hassel – erst 1954 als damals jüngster Ministerpräsident ins Amt gekommen – war mit Osterlohs Berufung ein persönliches Risiko eingegangen, denn ein Scheitern Osterlohs oder auch nur ein Anhalten der Diskussion über dessen Berufung hätte man ihm angerechnet, wodurch seine eigene, inzwischen unangefochtene Position beschädigt worden wäre. Deutlichen Respekt erwarb Osterloh sich durch seinen häufig angeforderten Einsatz im Bundestagswahlkampf 1957286, als er innerhalb und außerhalb Schleswig-Holsteins zwischen dem 1. August und dem 14. September nahezu täglich bei oftmals zwei Wahlkampfveranstaltungen auftrat, und man ihn auf den in Schleswig-Holstein stattfindenden persönlich erlebte287. Nichts konnte deutlicher machen, dass er hinter von Hassel, aber mit weitem Abstand zu seinen anderen Kabinettskollegen, die wichtigste Rolle in der Bundespolitik spielte, und andererseits entdeckte man offenbar bisher unbekannte Seiten am Politiker Osterloh: „In der Landtagsfraktion der CDU ist mein Ansehen durch meine Beteiligung am Bundestagswahlkampf ziemlich

duktion bezeichnet (vgl. H. K. RUPP, Politische Geschichte, S. 112); das Land Schleswig-Holstein stellte in den Jahren 1959–1962 knapp 53 Millionen DM für den „Grünen Plan“ zur Verfügung (vgl. AUFTRAG UND ERFÜLLUNG, S. 9). 285 Vgl. oben S. 416f. 286 In einem Brief an Hermann Kunst sprach Osterloh davon, dass er sich – nach Ablehnung einer ihm angetragenen eigenen Bundestagskandidatur (vgl. unten in diesem Abschnitt) – um so „unbeschwerter und einfältiger“ am Wahlkampf beteiligen könne, „für den die Bundesgeschäftsstelle der Bundes-CDU für mich persönlich die Zeit vom 28. 7.–14. 9. beschlagnahmt hat“ (Brief vom 8. 4. 1957, in: Privatarchiv Hermann Kunst). 287 In einem handschriftlich geführten Notizbuch, das sich in seinem Nachlass befindet (ACDP ST. AUGUSTIN, I-262-001), listete Osterloh seine Vorträge zwischen Mitte Juni und Mitte September 1957 auf und ergänzte die Liste durch in der Regel sehr kurze Anmerkungen zum Thema des Vortrags, der Teilnehmerzahl und mitunter auch der Reaktion der Hörer bzw. Teilnehmer der Veranstaltung. Für die „heiße Phase“ des Wahlkampfs 1957 finden sich in diesem Heft in dem oben genannten Zeitraum nahezu 70 Auftritte in 45 Tagen, von denen die allermeisten in Schleswig-Holstein und Niedersachsen stattfanden, einige aber auch in evangelisch geprägten Gebieten von Hessen (Wetzlar, Groß-Gerau, Hofgeismar), Rheinland-Pfalz (Idar-Oberstein, Birkenfeld, Bernkastel-Kues, Traben-Trarbach) und Baden-Württemberg (Hockenheim, Königsfeld, Gaggenau, Altensteig, Nagold, Oberndorf/Neckar).

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gewachsen. Einige Abgeordnete haben buchstäblich Mund und Augen aufgerissen, wenn sie mich in etwas bewegten Wahlversammlungen erlebten.“288 Die Herausforderung, sich in der noch fremden Umgebung zu behaupten, war es vermutlich auch, die ihn das noch 1957 an ihn herangetragene Angebot ablehnen ließ, für die Bundestagswahl im Wahlkreis Hildesheim zu kandidieren, selbst wenn er eine spätere Kandidatur zum Bundestag durchaus in Erwägung zog: „Wenn mich meine Nerven nicht im Stich lassen, und ich gefährliche Kurzschlüsse vermeiden kann, dann werde ich also mit dafür streiten, daß wir hier auch von 1958–1962 eine von der CDU und von Kai-Uwe von Hassel geführte Landesregierung behalten. Sollte ich dabei bleiben, dann habe ich allerdings den Wunsch, im Jahre 1961 bei den Bundestagswahlen zu kandidieren. Im vergangenen Jahre hatte der Wahlkreis Hildesheim, in dem Oberländer gewählt worden ist, eine entsprechende Anfrage an mich gerichtet.“289

Auf dem Landesparteitag der CDU vom 8./9. Juni 1956 in Rendsburg, dem ersten, an dem Osterloh teilnahm290, zeigte sich, dass Osterloh bereits verstanden hatte, wie er mit den Befindlichkeiten der Partei und besonders der Landtagsfraktion umzugehen hatte. Zur Wahl des dritten von vier Stellvertretern des Landesvorsitzenden von Hassel wurde neben den Landtagsabgeordneten Dr. Gerhard Gerlich und Gerhard Stoltenberg auch er auf das Kandidatenschild gehoben. Ob des Unmuts, der sich angesichts von drei Kandidaten für nur noch zwei ausstehende Posten breit machte, zog Stoltenberg seine Kandidatur zurück, aber auch Osterloh – gerade nicht im Saal anwesend – ließ über Helmut Lemke ausrichten, er sei betrübt, „wenn er ernsthaft als Gegenkandidat gegen Dr. Gerhard Gerlich auftreten sollte“, woraufhin man seinen Vorschlag zurückzog, und der einvernehmlichen Wahl Gerlichs nichts mehr im Wege stand291. Auf diesem wie auf den weiteren Landesparteitagen ist eine gewisse Zurückhaltung Osterlohs kaum zu verkennen; er nahm regelmäßig an ihnen 288 Brief Osterlohs an Gerhard Schröder vom 2. 1. 1958 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1). 289 EBD. Vgl. zur Anfrage aus Hildesheim auch Osterlohs Brief an Kunst vom 8. 4. 1957 (Privatarchiv Hermann Kunst), wo es etwas optimistischer hieß: „Vielleicht haben Sie erfahren, daß der Bundestagswahlkreis Hildesheim mich gefragt hat, ob ich für den nächsten Bundestag kandidieren wolle. Ich habe das abgelehnt, weil ich mich hier äußerlich und innerlich verpflichtet habe, auf keinen Fall freiwillig vor dem Jahre 1962, dem Ende der nächsten Legislaturperiode unseres Landtages, meinen gegenwärtigen Posten zu verlassen.“ 290 Osterloh arbeitete unter dem Vorsitz von Gerhard Stoltenberg im Arbeitskreis „Staat und Jugend“ mit (Entschließung und Protokoll: ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006017/007). 291 Zum vierten stellvertretenden Vorsitzenden wählte man danach einstimmig Stoltenberg (vgl. das Protokoll des 8. Landesparteitags: EBD., III-006-016/005).

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teil292, leitete fast jedes Mal die seinem Ressort am nächsten kommende Arbeitsgruppe oder referierte in ihr293, spielte sich ansonsten aber kaum in den Vordergrund des Geschehens. Auf vertrautem Gebiet wurde er tätig, als es daran ging, dem bis dahin nur sehr sporadisch in Erscheinung getretenen EAK-Landesverband neues Leben einzuhauchen. Hier begegnete ihm mit Martin Redeker, Professor für Systematische Theologie an der Universität Kiel und bis dahin Vorsitzender des Landesarbeitskreises, ein Mann, dem er aufgrund von dessen unrühmlicher Haltung im Kirchenkampf 294 und wegen politischer Differenzen keine ungeteilte Sympathie entgegenbringen konnte295, obwohl dieser ihm bereitwillig den Vorsitz des Landesarbeitskreises überlassen hatte296. Aufgrund des nur sporadischen Zusam292 Lediglich für eine Teilnahme Osterlohs auf dem außerordentlichen Landesparteitag am 29. 10. 1960 in Heide, der wegen anstehender Satzungsänderungen einberufen worden war und zur Einstimmung auf die kommenden Wahlkämpfe (1961 Bundestags-, 1962 Landtags- und 1963 Kommunalwahl) diente, ist in den Akten kein Hinweis aufzufinden (vgl. EBD., III-006-024/023; III-006-024/024; III-006024/025). 293 1957: „Sozialpolitik im gesunden Volk“ (Leitung); 1958: „Kultur- und Schulpolitik“ (Leitung und Einführung in die Diskussion); 1959: „Schulpolitik als Auftrag für den Bestand unserer Freiheit“ (Korreferat und Einführung in die Diskussion); 1962: „Sozialpolitische Aufgaben und kommunale Selbstverwaltung“ (Korreferat: „Rede auf dem Landesparteitag in Husum am 2./3.7.1962“ [Bibliographie, Typoskripte]); 1963: „Aktuelle Schulprobleme und Lehrerbildung in Schleswig-Holstein“ (Leitung). 1960 war die Kulturpolitik wie 1962 mit Blick auf im gleichen Jahr folgende kulturpolitische Tagungen in Bad Bramstedt (vgl. unten S. 460) ausgeklammert; 1961 war Osterloh wie 1960 lediglich anwesend (vgl. ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-018 bis III-006-027). 294 Vgl. J. ALWAST, Geschichte, S. 197f., 202ff., 211f. Zum „Befremden vieler am Kirchenkampf Beteiligter“ nahm Redeker nach 1945 seine Forschungs- und Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel wieder auf und wurde am 1. 6. 1945 sogar zum kommissarischen Dekan der Theologischen Fakultät ernannt (EBD., S. 213). Seine wissenschaftliche Tätigkeit, neben der er Aufgaben in zahlreichen Gremien und Kommissionen wahrnahm und als Landtagsabgeordneter der CDU tätig war, konzentrierte sich nach 1945 ganz auf die Schleiermacher-Forschung (vgl. EBD., S. 221f.; M. WOLFES, Art. „Redeker, Martin“). 295 Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass Redeker sich mit Osterlohs Amtsübernahme im Kultusministerium und, wenn man so will, auch im Landesarbeitskreis des EAK auf einem Gebiet in die zweite Reihe zurückversetzt sah, auf dem er zuvor eine wichtigere Rolle im Land gespielt hatte. Im politischen Alltagsgeschäft jedenfalls stießen die beiden evangelischen Theologen öfters zusammen als man hätte erwarten sollen. Osterlohs Mitarbeiterin, Martha Lindenmann, berichtete von einem Vorfall im Volksbildungs-Ausschuss des Landtags: Osterloh wollte einen bestimmten Antrag unbedingt durch den Ausschuss bringen und hatte vorher Redeker kontaktiert, damit dieser ihm keine Schwierigkeiten bereitete, was auch versprochen wurde. Im Ausschuss brachte dann aber gerade Redeker Bedenken vor; der Antrag wurde zwar trotzdem gebilligt, aber Osterloh war wütend: „Das hat er mir selbst später erzählt, daß er dann auf Redeker zugegangen ist und zu ihm gesagt hat: ‚Ich weiß immer nicht, woran es bei Ihnen fehlt, ob am Charakter oder an der Intelligenz!‘ Dann sagte er noch: ‚Die Fraktion verlangt von mir, daß ich mich entschuldige; soll ich mich entschuldigen?‘ […]. Später kam er dann und sagte: ‚Ich hab‘ mir das überlegt. Ich werde mich entschuldigen, weil ich mich schlecht benommen habe, denn so etwas sagt man ja nicht. Aber ich werde es nicht zurücknehmen‘“ (Auskunft Martha Lindenmann, Gespräch am 18. 3. 1998). 296 Vgl. unten S. 496.

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menkommens dieses Gremiums und seiner relativ schwachen Verwurzelung an der Parteibasis konnte aber auch der EAK Schleswig-Holstein Osterloh keine „Machtbasis“ bieten297. „Angekommen“ war Osterloh in der schleswig-holsteinischen Landespolitik endgültig, als ihm vor der Landtagswahl 1958 der Wahlkreis 15, Steinburg-Süderdithmarschen, angetragen wurde, und er zu dieser Zeit selbst den Eindruck gewann, im Lande Fuß zu fassen: „Hier im Lande erlebe ich mit großer Freude, daß meine Bemühungen um Zusammenarbeit und Vertrauen nun doch an einigen Stellen ein beglückendes Echo finden. Gerade in den letzten Wochen bin ich wiederholt in kritischen Situationen an verschiedenen Stellen des Landes gebeten worden, die Schlichtung und Einigung herbeizuführen. Obwohl ich einen Wahlkreis an der Westküste übernommen habe, hören die Bemühungen in der Stadt Kiel nicht auf, mir den Vorsitz des Kreisverbandes zu übertragen. Meine Frau hat mich im Verdacht, daß ich mich zu sehr mit Einzelheiten belaste. Instinktiv dränge ich aber auf eine noch stärkere Verwurzelung in Schleswig-Holstein. Für den Fall, daß ich annähernd das Lebensalter meines Vaters (81 Jahre) erreichen sollte, hätte ich Anlaß, für die Episode Schleswig-Holstein durchaus eine etwas längere Zeit vorzusehen.“298

Bei der Auswahl seines Wahlkreises war es nicht um eine besondere regionale Verbundenheit gegangen; die Überlegungen gingen eher in die Richtung, dass Osterloh als Minister ein Landtagsmandat brauchte – und während die Wahlkreise in Kiel, derer die CDU sich sicher sein konnte, in festen Händen waren, war Steinburg-Süderdithmarschen „gerade frei geworden“, „das hat aber keine besondere Bedeutung gehabt“299. Entsprechendes Engagement zeigte Osterloh, der – zur Absicherung? – von der Landesdelegiertenkonferenz mit einem hervorragenden Ergebnis auch auf Platz drei der Landesliste gewählt worden war300, nun im folgenden Landtagswahlkampf301, und vor allem in seinem Wahl297 Als Indiz für die Schwäche und nur mangelhafte Organisation des Landesverbands mag hier angeführt sein, dass man nach Osterlohs Tod, als Redeker den Vorsitz nicht erneut übernehmen wollte und Stellvertreter blieb, über zwei Jahre brauchte, um einen Neuanfang der Arbeit unter Osterlohs Nachfolger auch im Kultusministerium, Claus-Joachim von Heydebreck, zu starten (vgl. das Protokoll „Über die 1. Sitzung ‚Evangelischer Arbeitskreis‘ am 26. 10. 1966 um 16,15 Uhr in Kiel, Parkhotel“, in: ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-091/008). 298 Brief Osterlohs an Gerhard Schröder vom 3. 3. 1958, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1. 299 Auskunft Gerhard Stoltenberg (Gespräch am 7. 5. 1998). 300 Osterloh erhielt 120 von 124 abgegebenen Stimmen bei zwei Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmen (ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-062/012). 301 Mitten in diesem Wahlkampf erschien der Aufsatz: E. OSTERLOH, Abenteuer (1958), in dem er – bei allem Streben nach „Sachlichkeit und Ritterlichkeit“ – seinen jungen Lesern klarmachte, dass „Langweiligkeit und Einfallslosigkeit in einem Wahlkampf […] für das Ansehen der parlamentarischen Demokratie mindestens ebenso schädlich“ seien „wie Entgleisungen und Verunglimpfungen“. Polemik gehöre „in

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kreis, den intensiv kennen zu lernen ihm trotz der räumlichen Entfernung am Herzen lag. In den Wahlkampftagen vom 26. August bis zum 26. September 1958 sind in seinem Terminkalender nicht weniger als 50 Wahlveranstaltungen vermerkt, davon die meisten in seinem Wahlkreis, in dem außerdem Dr. Gerhard Stoltenberg und von Hassel sowie die von Osterloh persönlich darum gebetenen Bundesminister Wuermeling und Oberländer je eine Veranstaltung übernommen hatten302. Mit dem Ergebnis seiner Bemühungen, von dem er auch einen Verbleib im Amt abhängig gemacht hatte303, konnte Osterloh zufrieden sein: In seinem Wahlkreis erzielte die CDU am 28. September 1958 mit 12.230 Stimmen einen Anteil von 43,8% und lag damit deutlich vor der SPD mit 34,2%304. Das Ergebnis lag damit im Trend der Wahl, die der CDU landesweit einen eindeutigen Sieg bescherte: Sie konnte 44,4%, die SPD nur 35,9% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen, aus dem Patt der Sitzverteilung im Landtag zwischen CDU und SPD nach der Wahl von 1954 (25 : 25) war ein Vorsprung von sieben Sitzen geworden (33 : 26). KaiUwe von Hassel bildete daraufhin sein zweites Kabinett, in dem zwar nur noch CDU und FDP (5,4%; 3 Sitze) vertreten waren, das aber dank des Übertrittes der ehemals zum BHE gehörenden Minister zur CDU personell unverändert blieb305. Zwar sollte das Ergebnis von 1958 Osterlohs bestes Wahlergebnis bleiben, aber es gelang ihm auch in den darauffolgenden Wahlen, die Mehrheit der Stimmen zu behaupten: In der Landtagswahl vom 23. September 1962, die in Schleswig-Holstein die Entwicklung zum Drei-Parteien-Parlament (plus SSW, der dank Sonderregelung von der 5%-Klausel befreit blieb) zunächst vollendete und der SPD einen recht deutlichen Gewinn bescherte (CDU: 45,0%; SPD: 39,2%, FDP 7,9%)306, konnte Osterloh im Wahlkreis 15 den Abstand Wahlversammlungen zur Sache“, doch sollte man nicht der Versuchung nachgeben, dem politischen Gegner „bösen Willen oder Schwachsinn“ zu unterstellen. Aus dem wenigen hier Zitierten wird ersichtlich, dass Osterloh sich in Wahlkämpfen durchaus wohlfühlen konnte. 302 „Terminkalender für die Wahlversammlungen von Osterloh“ (2. Fassung), in: ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-063-014. 303 In einem Brief vom Tage vor der Wahl hatte Osterloh von Hassel einen Auszug aus seinem Tagebuch übermittelt, in dem er die Überlegung festgehalten hatte, für den Fall, weder im eigenen Wahlkreis noch über die Landesliste in den Landtag gewählt zu werden – Letzteres hätte bei einem für CDU insgesamt überragenden Ergebnis theoretisch passieren können –, sein Ministeramt zur Verfügung zu stellen, und betonte in diesem Brief nochmals, dass er „die im Tagebuch skizzierte Haltung gegebenenfalls auch durch die Tat bewähren würde“ (Brief vom 27. 9. 1958, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-042/2). 304 Übersicht über die Wahlergebnisse des Wahlkreises 15, in: ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-065/018. 305 Vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 1132ff. 306 Vgl. EBD., S. 1135ff.

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zur SPD bei einem für beide unter dem Landesschnitt liegenden Ergebnis in etwa im Landestrend halten. Er hatte aber – wie die Landes-CDU – nur noch gut 5 Prozentpunkte Vorsprung: Die CDU erreichte 1962 in Steinburg-Süderdithmarschen 42,5%, die SPD 37,1% der abgegebenen Stimmen307. Angesichts dessen, dass vor der Wahl im Blick auf die Querelen in der Bundespartei nach der Bundestagswahl von 1961 und die Affären im Land308 ein Kopf-an-KopfRennen erwartet worden war309, sowohl für von Hassel als auch für Osterloh ein respektables Ergebnis, zumal der Vorsprung in der zuvor im Jahr abgehaltenen Kommunalwahl in Osterlohs Wahlkreis nur 3,7% betragen hatte310. Die CDU im Land bildete nach dieser Wahl zunächst eine Minderheitsregierung, da man sich mit der FDP nicht auf die Bildung einer neuen Regierung unter Ministerpräsident von Hassel einigen konnte311; mit dessen Weggang nach Bonn und der Amtsübernahme von Helmut Lemke wurde die alte Koalition erneuert, in wiederum sehr ähnlicher personeller Zusammensetzung312. Osterloh war in seiner Position im Land weitestgehend unumstritten, blieb zur Durchsetzung der von ihm für richtig befundenen Politik aus den genannten Gründen jedoch auf die „Gunst“ seines Ministerpräsidenten angewiesen. Dabei hatte er Glück, denn sowohl mit von Hassel als auch mit dessen Nachfolger Lemke verband ihn ein herzliches, mit Letzterem gar freundschaftliches Verhältnis. Gegenüber von Hassel empfand Osterloh ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit und des Respekts313. Beides – und wohl auch die richtige Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse im Land und in der Partei – hielt ihn davon ab, eine 1957/58 von einigen, zumeist oppositionell eingestellten, Beobachtern konstatierte Schwächephase von Hassels, in der Osterloh ihn in der Gunst der Mei307 Wahlergebnis der Landtagswahl 1962 im Wahlkreis 15, in: ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-065/019. 308 Vgl. unten S. 465–475. 309 Vgl. die Einschätzung zur Wahl von 1962, in: ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband SchleswigHolstein, III-006-065/019. 310 Vgl. die Übersicht über die Wahlergebnisse des Wahlkreises 15, in: EBD., III-006-065/018. 311 Zwar wären laut des Fraktionsvorsitzenden der CDU, Walter Mentzel, Verhandlungen gar nicht notwendig gewesen, weil das Sitzverhältnis zwischen CDU und FDP von 7:1 es nahe legte, dass von acht Ministern im Kabinett nur einer zur FDP gehören sollte, der dann Stellvertreter des Ministerpräsidenten hätte werden können (vgl. Art. „Dr. Lemke soll Minister bleiben“, in: Volkszeitung, 2. 10. 1962), doch war die FDP angesichts ihres Stimmenzuwachses und der Situation im Land, die der CDU praktisch keine Alternative ließ, von dieser Argumentation nicht zu überzeugen. 312 Vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 2, S. 1137f. Vgl. auch unten in diesem Abschnitt. 313 „Herr von Hassel hat mir aber bisher jedesmal bewiesen, daß meine Befürchtung unberechtigt war, wenn ich glaubte, sein uneingeschränktes Vertrauen verloren zu haben. Ich bin ihm deshalb wie am ersten Tage treu ergeben und halte mich aus persönlicher Anständigkeit und aus politischer Vernunft für verpflichtet, auf Gedeih und Verderb an seiner Seite zu stehen“ (Brief Osterlohs an Gerhard Schröder vom 2. 1. 1958, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1).

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nungsumfragen zu überflügeln schien, auszunutzen, um daraus etwa Kapital für eigene weitere Karriereschritte zu schlagen: „Vor einem Jahr hatte die sozialdemokratische Volkszeitung zum Jahreswechsel die Schlagzeile gebracht ‚Überspielt Osterloh den Ministerpräsidenten?‘ Man sagt mir, daß im Lande weitgehend die Meinung vorherrsche, daß Herr von Hassel eines Tages nach Bonn gehen werde und ich dann fast automatisch an seine Stelle treten würde. Davon ging auch die in Rendsburg erscheinende ‚Landeszeitung‘ aus, als sie mich verleiten wollte, einem ihrer Korrespondenten ein allgemeines politisches Interview zu geben. Das habe ich selbstverständlich abgelehnt, denn die Wirklichkeit sieht anders aus.“314

Schon damals hatte er richtig erkannt, dass erstens die verbreiteten Gerüchte über einen baldigen Wechsel von Hassels nach Bonn sich zunächst nicht bewahrheiteten, und dass zweitens selbst für diesen Fall als Nachfolger nur Helmut Lemke in Frage käme: „Persönlich sehe ich in absehbarer Zeit weder einen Anlaß noch eine Chance für unseren Ministerpräsidenten, in Bonn ein Amt anzutreten. Er selbst hat mir wiederholt unmißverständlich gesagt, daß er auch gar nicht die Absicht habe. Realpolitisch hat neben ihm, Herrn von Hassel, der von uns allen mit weitem Abstand die populärste und beliebteste Figur im öffentlichen Leben ist, das größte Gewicht der mit mir befreundete Innenminister Dr. Lemke. Sein Einfluß beruht auf seiner Vertrautheit mit den intimen Dingen des politischen Lebens sowohl auf der Ebene der Gemeinden und Kreise, der Städte und kommunalen Spitzenorganisationen als auch auf dem Felde der parteipolitischen Intrigen. Er ist in Kiel geboren und hat ein begründetes und unbestrittenes Ansehen als lautere, kenntnisreiche und immer zum Frieden und zu Gefälligkeiten geneigte Persönlichkeit.“315

Seine besondere Stellung zu von Hassel hielt Osterloh jedoch nicht davon ab, diesem gelegentlich energisch zu widersprechen, besonders bei Personalentscheidungen316. In der Auseinandersetzung zwischen von Hassel und dem von Osterloh 1957 zum „Landesbeauftragten für staatsbürgerliche Bildung“ berufenen Dr. Ernst Hessenauer, der den nachsichtigen Umgang mit Ex-Nationalsozialisten vehement kritisierte und dabei auch von Hassel von seiner Kritik nicht ausnahm, stemmte er sich – gemeinsam mit Helmut Lemke – gegen den Wunsch von Hassels nach einer Ablösung Hessenauers317. 314

EBD. EBD. 316 Vgl. oben S. 417. 317 Hessenauers stellte 1957 die Grundsätze seiner Arbeit in einem Aufsatz unter der im Blick auf die genannte Auseinandersetzung wegweisenden Überschrift „Um ein neues Klima in der Politik“ vor, in dem er zur Pflege der Widerständigkeit der Staatsbürger und der traditionellen Tugenden des richtig verstandenen Bürgertums aufrief (EvW 11, 1957, S. 177–180). Zur Auseinandersetzung mit von Hassel anlässlich des Falles Reinefarth vgl. unten S. 467. 315

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Wie wichtig andererseits Osterloh als Kultusminister in den Augen seines Regierungschefs war, zeigte sich vor allem im Herbst des Jahres 1961. Hatte von Hassel als Wahlkampfleiter der Union keine Zugeständnisse im Umgang mit der SPD gemacht und auch Willy Brandts Vergangenheit als Emigrant und Offizier in norwegischen Diensten wenig zimperlich angeprangert318, war Osterloh wie eh und je eher für einen konstruktiven Dialog eingetreten319. Er hatte angesichts der Weltlage nach dem Bau der Berliner Mauer eine Große Koalition nicht ausgeschlossen320 und Brandts Verhalten in Berlin ausdrücklich gelobt321, sich sogar zu der Aussage hinreißen lassen, wer Kanzler würde, sei letztlich egal, weil es sowieso um der Sache willen eine Zusammenarbeit der beiden großen Parteien zwingend geben müsse322. Nach der Wahl erschien dann noch sein aufsehenerregender Artikel „An die Adresse der eigenen Partei“323, und alles zusammen hatte in Schleswig-Holstein und auch bei von Hassel für einige „Verstimmung“ gesorgt324. Trotzdem ließ von Hassel ihn auch in diesen Monaten nicht fallen325, obwohl es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, seine Ablösung zu begründen 318

Vgl. M. SPEICH, Kai-Uwe von Hassel, S. 223ff. Vgl. auch unten S. 509, Anm. 611. Schon in einem Brief zum Jahreswechsel 1956/57 hatte Osterloh von Hassel darauf angesprochen – damals noch in der Meinung, dieser denke und handele genauso –, dass „eine allzu scharfe Sprache in der Polemik gegen die SPD in der deutschen Öffentlichkeit nicht in einem uns förderlichen Sinne“ ankomme. Damals hatte er allerdings die „Art, in der Sie persönlich zwar in der Sache unerbittlich, in der Form aber stets verbindlich mit Ihren politischen Gegnern umgehen“, noch als vorbildlich angesehen, wogegen von Hassel schon neben Osterlohs erste Aussage ein dickes Fragezeichen gesetzt hatte (Brief Osterlohs an von Hassel vom 28. 12. 1956, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-042/2). 320 Vgl. Art. „Stimmen für eine Große Koalition“, Stuttgarter Zeitung, 1. 9. 1961: „Eine künftige Bundesregierung der Großen Koalition sei durchaus denkbar, weil gegenüber einem von Moskau und Pankow weiterhin verschärften politischen Druck durch eine möglichst enge Bindung aller Parteien die Abwehrkräfte der Bundesrepublik nur verstärkt werden könnten. Dies erklärte der Kieler Kultusminister Osterloh (CDU) auf Wahlversammlungen in Schleswig-Holstein.“ 321 In Flensburg hatte Osterloh während einer Diskussion dem Regierenden Bürgermeister von Berlin bescheinigt, „daß er in den vergangenen schweren Tagen seine Aufgabe erfüllt habe, wie es kein anderer hätte machen können“ (Art. „Allparteien-Regierung befürwortet“, FR, 1. 9. 1961). 322 Im gleichen Artikel berichtete die „Frankfurter Rundschau“, nach Osterlohs Ansicht „stünden auch im kommenden Bundestag Regierung und Opposition unter der gleichen Verpflichtung gegenüber dem deutschen Volke und der Welt. Dann sei es gleich, wie der künftige Bundeskanzler heiße“ (EBD.). 323 Vgl. auch unten S. 512f. 324 „Überraschung und Verstimmung hat bei den schleswig-holsteinischen Christlichen Demokraten ein Kommentar des Kieler Kultusministers Osterloh (CDU) zum Ausgang der Bundestagswahl ausgelöst“ (Art. „Kieler CDU über Osterloh verstimmt“, Die Welt, 23. 9. 1961). Von Hassel hatte Osterloh vor allem wegen seiner Äußerungen über eine Große Koalition und Willy Brandt „scharf angegriffen“, wie der – der SPD nahestehende – Parlamentarisch-politische Pressedienst „PPP“ am 6. 9. 1961 berichtete (LASH SCHLESWIG, 605/3272). 325 Osterloh bedankte sich am 28. 9. 1961 für von Hassels Verhalten: „Lassen Sie es sich bitte gefallen, daß ich Ihnen von Herzen danke für Ihr ritterliches Verhalten mir gegenüber vor allen Dingen in der letzten Woche, die für mich auch nicht leicht gewesen ist“ (ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-042/2). 319

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und dafür die Zustimmung jener Partei zu erhalten, die Osterloh noch bei der Aufstellung der Landesliste für die Landtagswahl 1962 „abstrafte“, indem sie ihm, nur noch auf Platz 8 der Landesliste platziert, das zweitschlechteste Abstimmungsergebnis aller CDU-Kabinettsmitglieder bescherte326. Auch in einer im Oktober/November 1961 angedachten Kabinettsumbildung waren Osterloh und Lemke – wie nach dem Ausscheiden der FDP-Minister im Oktober 1962 – praktisch die einzigen Minister, die zu keinem Zeitpunkt zur Disposition standen327. Helmut Lemkes Regierungsübernahme am 7. Januar 1963328 schließlich wäre nochmals ein Zeitpunkt gewesen, zu dem man sich von einem unbequemen Kabinettsmitglied hätte trennen können, waren doch gemäß der Landessatzung mit dem Rücktritt des Ministerpräsidenten von Hassel zwingend verbunden die Rücktritte aller seiner Minister329. Doch auch Lemke hielt ohne jede Diskussion an Osterloh fest. Die direkte Konfrontation mit einer „Bedrohung“ bisher ungekannter Art, der Konkurrenz durch einen aufstrebenden Jüngeren, blieb bis zu Osterlohs Tod aus, doch hatte er sich schon recht früh Gedanken gemacht über Dr. Gerhard Stoltenberg, den kommenden starken Mann der CDU im nördlichsten Bundesland. Stoltenberg hatte als stellvertretender Landesvorsitzender und Bundesvorsitzender der „Jungen Union“ mit seiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten 326

Osterloh erhielt auf der Landesdelegiertenversammlung in Husum am 2. 7. 1962 – wiederum ohne Gegenkandidaten – nur 98 von 120 abgegebenen Stimmen (13 Nein-Stimmen, 9 Enthaltungen). Allein Hermann Böhrnsen (Minister für Wirtschaft und Verkehr) erhielt auf Platz 7 mit 84 Ja-Stimmen ein noch schlechteres Ergebnis (vgl. ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006065/018). 327 Vgl. den „Vermerk“ von Hassels zur Regierungsumbildung vom 25. 10. 1961 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-013/2). Vor der Landtagswahl war auch von Hassel von einer „Fortsetzung der bisherigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der FDP“ ausgegangen, hatte sie aber auf dem Landesparteitag in Husum zugleich davor gewarnt, die „Parole von der ‚Opposition in der Koalition‘ wieder aufleben zu lassen“, während sich Stoltenberg deutlicher von Ansprüchen der FDP angrenzte: „[E]s gehe nicht an, einer kleinen Gruppe unverhältnismäßig viel Einfluß in den Parlamenten einzuräumen“ (Art. „Aufmarsch im Norden“, in: Sbl., Nr. 28, 15. 7. 1962, S. 9). Die Vorgänge unmittelbar nach der Landtagswahl, die zum Bruch der Koalition führten und von persönlichen Empfindlichkeiten ebenso geprägt waren wie von übergeordneten politisch-taktischen Erwägungen, spiegeln sich – in Kai-Uwe von Hassels Sicht – wider in zahlreichen zwischen dem 25. 9. und 1. 11. 1962 angelegten „Vermerken“ über den Gang der Ereignisse und die „Koalitionsgespräche“, (ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-012/1). Vgl. auch den Art. „Kieler FDP im Wartestand. Leverenz tat, was Mende nicht tat – und v. Hassel regiert allein“, in: Sbl., Nr. 43, 28. 10. 1962, S. 8. 328 Vgl. die Artt. „Lemke: ‚MP‘ an der Förde“ und „Mit einer Stimme“, in: Sbl. Nr. 1, 6. 1. 1963, S. 8 u. Nr. 2, 13. 1. 1963, S. 8. 329 Der Rücktritt erfolgte am 7. 1. 1963, Osterloh blieb – wie seine Kollegen – geschäftsführend im Amt, wurde bereits am 11. 1. erneut zum Kultusminister berufen und am 14. 1. im Landtag vereidigt (vgl. SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 5. WP, S. 98f, 101, 105f.; LASH SCHLESWIG, 605, Nr. 1992, Fasz. 15 [Personalakte Osterloh], 9–11).

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1957 die heimischen Gefilde vorerst verlassen, präsentierte sich aber seit Anfang der 1960er Jahre auch den Lesern des „Sonntagsblatts“ als programmatisch denkender Politiker mit einem besonderen Interesse an der Kulturpolitik330. Er entsprach damit in der immer noch stark vom Proporz-Denken beherrschten CDU mit den Attributen „norddeutsch, protestantisch und im kirchlichen Milieu angesehen“ genau dem Profil Osterlohs, war aber fast zwanzig Jahre jünger. Es wäre wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es zwischen Stoltenberg, der im Oktober 1965 Bundesminister für wissenschaftliche Forschung wurde, und Osterloh zu ernsthaften Rivalitäten gekommen wäre, zumal der sich über den jungen Bundestagsabgeordneten schon kritisch geäußert, ihm einen fehlenden Blick für das Allgemeine unterstellt und dabei seine größere Lebenserfahrung und sein Amt ins Spiel gebracht hatte331.

7.3.2 Kulturpolitische Aufgaben und Zielsetzungen Angesichts der Lage, die Osterloh noch 1956 vorfand, standen im Mittelpunkt seiner Aktivitäten zunächst die Probleme der Schulunterrichtsversorgung und des weiter vorhandenen „Schichtunterrichts“, die nur durch ein umfangreiches Schulbauprogramm und massive Neueinstellungen von Lehrern zu beheben waren. Die Mittel dafür in seinen Etat eingestellt zu bekommen, war ein Problem für sich, beinahe weniger im Landtag, wo die SPD sich begreiflicherweise schwer tat, gegen Mittelzuweisungen zugunsten des Kultusministeriums zu opponieren, dafür aber im Kabinett, in dem infolge der bis weit in die 1950er Jahre hinein extrem angespannten Finanzlage jedes Jahr wieder ein spannendes Ringen um die knappen Ressourcen begann. Aufgrund der persönlichen Fürsprache von Hassels konnte der neue Minister im Haushaltsjahr 1957 trotzdem mit einem erheblichen Etatzuwachs aus diesen Verteilungskämpfen gehen: Ob330

Vgl. G. STOLTENBERG, CDU; DERS., Kultur. Als Präsident der Kultusministerkonferenz hatte Osterloh sich unter anderem das Ziel gesteckt, für das Haushaltsjahr 1959/60 „100 Millionen DM aus Bundesmitteln für die Überwindung des Schichtunterrichts zu erhalten“, wofür ihm der Kanzler „in einer Unterredung unter vier Augen seine moralische Unterstützung zugesagt“ hatte. Es gab aber unvermuteten Widerstand: „Hier in Schleswig-Holstein muß ich aus der Presse entnehmen, daß der junge CDU-Bundestagsabgeordnete Stoltenberg bereits öffentlich die endgültige Verwerfung dieses Anliegens in politischen Reden ausspricht. Daß Stoltenberg dabei diese Forderung in einem Atemzuge mit Bagatellangelegenheiten nennt, bestärkt in mir den Verdacht, daß es doch problematisch ist, wenn Personen ohne jegliche Lebenserfahrung in einem schlechten Sinne vom grünen Tisch aus Politik zu machen versuchen und sich dann natürlich jeweils von einer Spezialaufgabe hypnotisieren lassen […]. Man kann nicht mit Planungen und Vorschlägen kokettieren, deren Verwirklichung Milliardenbeträge verlangen, und zugleich versäumen, das Allernotwendigste und Dringlichste zu tun, um die beschämenden Folgen, die der Krieg für das Schulwesen hatte, zu beseitigen“ (Brief Osterlohs an Gerhard Schröder vom 2. 1. 1959, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-105/1). 331

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wohl der Regierungschef die Herbeiführung eines Haushaltsausgleichs schon im September 1956 ausgeschlossen und die Ressortchefs zu nochmaliger Prüfung aller Ausgaben gedrängt hatte332, wurde der Haushalt des Kultusministeriums von 174 Millionen DM (1956) auf beinahe 200 Millionen DM aufgestockt333. Gründe dafür waren der von Osterloh im Kabinett als nach wie vor vordringlichste Aufgabe benannte Kampf gegen den Schichtunterricht, der ein großzügiges Schulbauprogramm erforderte, und das prestigeträchtige Vorhaben des Wiederauf- und Ausbaus der Kieler Universität334, das zweite der großen Vorhaben, denen Osterloh sich zunächst widmete und für das er vom Regierungschef volle Unterstützung erhielt335. Beides, Schulbau und Wiederaufbau der Universität, zählte die schleswig-holsteinische Landesregierung in ihrem Rechenschaftsbericht für die Jahre 1954 bis 1958 zu den Projekten, an denen trotz der angespannten Haushaltslage, die das Land auf Hilfen des Bundes angewiesen sein ließ, festgehalten wurde336. Eine bequeme Situation für Osterloh, die zu bewahren sein erreichbares Ziel war. In der Vorbereitung für den Landtagswahlkampf 1958 klangen dann die Ausführungen zur Kulturpolitik ähnlich einem Konjunkturprogramm zur Stützung der Bauwirtschaft: von Hassel und Osterloh hoben vor dem Landesparteitag in Husum aus dem Bereich der Kulturpolitik den Bau von über 1.500 neuen Klassenräumen und 115 Turnhallen seit 1954 hervor, und aus dem Bereich der Universität den Ausbau naturwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen und das Klinikbauprogramm337; besonders Letztere fanden Eingang in den reich bebilderten Rechenschaftsbericht der Landesregierung338. Aufgrund des im eigenen Land besonders gut ausgebauten Mittelschulwesens konnte auf dem nächsten Landesparteitag (3. und 4. Juli 1959) eine eindeutige Absage an den „Deutschen Rahmenplan“ ausgesprochen werden. Die dort vorgesehene Einführung einer Förderstufe belaste die Volksschulen schwer und nehme den weiterführenden Schulen zwei wichtige Jahre, gerade „die länd332

LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 12, 4. 9. 1956, Bl. 99f. Vgl. EBD. 334 Am 11. 9. 1956 berichtete Osterloh im Kabinett über den „Aufbauplan Universität“ (EBD., Bl. 104). 335 „Ministerpräsident von Hassel unterstrich unter Hinweis auf den großzügigen Ausbau der Universitäten Mainz und Heidelberg die unbedingte Notwendigkeit des Ausbaus der Kieler Universität“ (EBD., Bl. 105). 336 SCHLESWIG-HOLSTEIN ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN, S. 10f. 337 Vgl. Rechenschaftsbericht von Hassels auf dem Husumer Landesparteitag vom 21. 6. 1958 (ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-020/012) sowie den Art. „v. Hassel rechnet wieder mit einer Koalition“, der sich unter anderem mit der von Osterloh geleiteten Arbeitsgruppe „Kultur- und Schulpolitik“ befasst (Kieler Nachrichten, 21. 6. 1958). 338 SCHLESWIG-HOLSTEIN ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN, bes. S. 30–40. 333

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lichen Gebiete würden hierdurch benachteiligt“. Der Arbeitskreis zur Schulpolitik – Osterloh hatte das Korreferat gehalten und die anschließende Diskussion geleitet – empfahl der Landesregierung Zurückhaltung gegenüber solchen Experimenten, da sich das schleswig-holsteinische Ausleseverfahren bewährt habe und der Begabung der Kinder wie den Wünschen der Eltern gerecht werde339. Ganz ähnlich argumentierten auch die Leitsätze des Kulturkongresses der schleswig-holsteinischen CDU am 9. November 1960 in Bad Bramstedt340. In seinem Referat341 hatte Osterloh sich zuvor zu den gemeinsamen kulturpolitischen Zielen der Union bekannt, aber zugleich darauf verwiesen, dass man auch die Besonderheiten des Landes zu respektieren habe. Schleswig-Holstein sei ein ganz überwiegend evangelisches Land, in dem die kirchliche Verwurzelung der Bevölkerung nicht so stark sei, dass man Konfessionsschulen als Regelschulen einführen könnte; die von der lutherischen Landessynode diskutierte Einrichtung einer konfessionellen Privatschule aber werde man, wenn es dazu käme342, im Rahmen der Möglichkeiten unterstützen. Das damit eigentlich erschöpfend behandelte Thema wurde wieder virulent, als die Abstimmung über eine evangelische Aufbauschule in Meldorf Ende 1961 erneut die Argumente für und wider die Konfessionsschule zum Thema einer öffentlichen Diskussion machte343. Osterloh hatte zeitnah einen Aufsatz veröffentlicht, in dem er sich einmal mehr für das Nebeneinander von Konfessions-, Gemeinschafts- und Weltanschauungsschulen aussprach344, das es auch unter CDU/CSU-Verantwortung geben könne. Besonderen Unwillen in katholischen wie auch in den Kreisen der evangelischen Landeskirche Schleswig-Holsteins, denen die Gründung einer evangelischen Privatschule am Herzen lag345 (ein Unterfangen, dem Osterloh nach wie vor skeptisch gegenüberstand346), hatte folgende Äußerung ausgelöst: „Wir lehnen es als Partei ab, mit politischen Mitteln eine Schulform durchzusetzen, die von der Mehrheit der betroffenen Eltern als 339

Vgl. Art. „Ein Bekenntnis zu Adenauer und Erhard“ (Kieler Nachrichten, 6. 7. 1959). Vgl. EvW 14, 1960, S. 745. 341 E. OSTERLOH, Erbe (Typoskripte). Vgl. DERS., Erbe und Auftrag (1960). 342 Am gleichen Tage verzichtete die Landessynode darauf (vgl. M. WEICHERT, Schuldebatte). 343 Vgl. EBD. 344 E. OSTERLOH, Kulturpolitik 1962 (1962). 345 Aus Rendsburg hatte man sich bei Wuermeling beschwert, dass christliche Eltern in SchleswigHolstein gezwungen seien, „ihre Kinder auf die sehr verweltlichte staatliche Gemeinschaftsschule zu schicken“; weiter hieß es: „Privatschulen gibt es hier nicht einmal für evangelische Eltern. Herr O. half das verhindern. Die Dänen haben das Elternrecht. Darf ein solcher Mann CDU-Minister sein?“ (Brief von C. Petersen vom Dezember 1962, von Wuermeling seinem Brief an Osterloh vom 16. 1. 1962 beigelegt [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Wuermeling, I-221-022-CIII.3.]). 346 Osterloh hatte sich lange dagegen gesträubt, weil er fürchtete, dass dann auch freikirchlichen Gruppierungen ihr Wunsch nach Privatschulen nicht länger abgeschlagen werden könne (Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996). 340

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Einschränkung der Gewissensfreiheit oder als unzumutbare Monopolstellung eines bestimmten Schultyps empfunden wird.“347 Das nicht ganz begreifliche Aufsehen, dass dieser Satz, den Osterloh so oder ähnlich schon oft ausgesprochen hatte, nun auslöste348, kommentierte Franz-Josef Wuermeling, der sich aufgrund an ihn gerichteter Schreiben mit Osterloh in Verbindung gesetzt hatte349, unter der passenden Überschrift: „Erstaunliches Erstaunen“ im DeutschlandUnion-Dienst350. Abgesehen von solchen nach wie vor aufkommenden konfessionellen Streitigkeiten, die aufs Ganze gesehen aber kaum mehr Gewicht hatten, konnte Osterloh zu Beginn der 1960er Jahre mit der Bilanz seiner Schulpolitik, die im Rechenschaftsbericht der Landesregierung für die Jahre 1958–1962 erneut einen beachtlichen Raum eingeräumt bekam351, recht zufrieden sein, und er war es auch: „Wir können uns sehen lassen. Es geht auf dem schulischen Gebiet – wir sollten es nicht zu laut sagen – keinem Land augenblicklich so gut wie uns. Wir hatten, als die Legislaturperiode begann, noch 10% aller Schüler in Schichtunterricht. Wir haben jetzt echten Schichtunterricht überhaupt nicht mehr“.352

Letzte Reste von Nachmittagsunterricht in Ballungszentren gedachte Osterloh mit Hilfe eines Sonderfonds zu überwinden, aus dem man Gelder „unabhängig von den normalen Schlüsseln“ schwerpunktmäßig als „Sonderhilfen des Landes“ einsetzen könnte353. Zum Thema „Dörfergemeinschaftsschulen“, heikel in einem Land, das sehr auf Eigensinn, Unabhängigkeit und Bodenständigkeit Wert legte, sprach Osterloh deren Notwendigkeit offen aus: den kleinen, ein- und zweiklassigen Dorfschulen fehle es an geeigneten Möglichkeiten für einen modernen Volksschulunterricht, den er Dorfkindern aber im Blick auf die Chancengleichheit gegenüber Stadtkindern nicht vorenthalten wollte. Dazu komme die zunehmende Spezialisierung der Lehrerausbildung, die zu einer immer geringeren Zahl von Lehrern führe, die überhaupt noch in der Lage seien, neun verschiedenen Jahrgängen in einer einklassigen Volksschule gleich hochwertigen Unterricht zu 347

E. OSTERLOH, Kulturpolitik 1962 (1962), S. 7. Vgl. kna-Informationsdienst, Nr. 1/2 ,13. 1. 1962, S. 1–3a; freie demokratische korrespondenz (fdk), Jg. 13/5, 18. 1. 1962, S. 4–7; M. WEICHERT, Schuldebatte. 349 Briefwechsel vom Januar 1962, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Wuermeling, I-221-022-CIII.3. 350 Wuermeling wies darauf hin, dass die Union niemals die Einführung der Konfessionsschule verlangt, sondern stets nur um die Respektierung des Elternwillens gekämpft habe; nichts anderes habe Osterloh mit seinem Artikel getan (DUD, Nr. 4, 5. 1. 1962). 351 Vgl. AUFTRAG UND ERFÜLLUNG, S. 16–22. 352 E. OSTERLOH, Rede auf dem Landesparteitag in Husum am 2./3.7.1962 (Typoskripte), S. 67f.; vgl. EvW 14, 1960, S. 744f. 353 E. OSTERLOH, Rede auf dem Landesparteitag in Husum am 2./3.7.1962 (Typoskripte), S. 68. 348

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erteilen. Bei allen Zwängen und Notwendigkeiten aber werde die Landesregierung Dörfergemeinschaftsschulen „nicht zentraldirigistisch“ einrichten, sondern nur dort, „wo die Eltern und Gemeinden in freiem Entschluß zu einer solchen Planung gekommen sind“354. Viel Engagement zeigte Osterloh auch für den Ausbau des ihm wohl besonders am Herzen liegenden Zweiten Bildungsweges, den untrennbar damit verbundenen Ausbau der Aufbauzüge und der Mittelschulen, deren Besuch gerade für Landkinder oftmals immer noch der einzig mögliche war355, und des Berufsschulwesens sowie der Ingenieur- und Höheren Landbauschulen. Vermutlich wird die Erinnerung an seine eigene Schulzeit und seinen nur unter glücklichen Umständen zustande gekommenen Besuch der höheren Schule dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass er es wenigstens auf dem Wege einer Berufsschulbildung allen begabten Schülern in Schleswig-Holstein ermöglichen wollte, zur Fakultätsreife oder allgemeinen Hochschulreife zu gelangen356. Bei allem Stolz auf das Erreichte und die vorgelegten Zahlen irrte Osterloh sich in einem Punkt sehr, aber diesen Irrtum teilte er mit seinen Kollegen in den anderen Ländern: Den Lehrermangel, dessen Vorhandensein er einräumte357, von dem er aber annahm, dass er weiter zurückgehen werde358, sollte es noch auf Jahre hinaus geben, und er sollte sich im Lauf der Jahre besonders an Gymnasien noch drastisch verschlimmern, befand man sich zu diesem Zeitpunkt doch in einem rückblickend noch vergleichsweise guten Zustand359. Nicht Mangel, sondern „Überfüllung“ war das einzige Stichwort, unter dem die Opposition das zweite große Aufbauprogramm in Osterlohs Amtszeit kritisieren 354

EBD., S. 77f. Ebenfalls in seiner Husumer Rede und wiederum nicht ohne Stolz trug Osterloh vor: „In Schleswig-Holstein haben wir soviel weiterführende Bildungseinrichtungen wie in keinem anderen Lande; darauf sind wir stolz. Insgesamt 38% aus dem 4. Volksschuljahr gehen in ländliche Aufbauzüge, Mittelschulen oder Gymnasien. Wir haben zweieinhalbmal soviel Angehörige des 16 Jahre alten Jahrganges, der die Mittlere Reife hat (sic!), wie der Bundesdurchschnitt. Wir haben trotzdem auch noch mehr Abiturienten, als der Bundesdurchschnitt aufweist“ (EBD., S. 78). 356 Programmatische Äußerungen dazu finden sich in: E. OSTERLOH, Zum Zweiten Bildungsweg (1961); Zweiter Bildungsweg (1963); Aktuelle Fragen (1962); Erbe (Typoskripte), S. 14ff. 357 „Wir haben immer noch Lehrermangel. Aber wir haben weniger Lehrermangel als vor vier Jahren“ (E. OSTERLOH, Rede auf dem Landesparteitag in Husum am 2./3. 7. 1962 [Typoskripte], S. 68). 358 „Die voraussichtliche Entwicklung der Lehrerzahlen rechtfertigt die Annahme, daß bis 1967 die Zahl der Lehrer nicht nur mit der Entwicklung der Schülerzahlen Schritt halten wird, sondern daß von Jahr zu Jahr noch weitere Verbesserungen […] erwartet werden können“ (SCHL.-HOLST. LANDTAG, STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 4. WP, 18. 12. 1962, S. 90; Auszug: E. OSTERLOH, Lehrerbestand [1963], Zitat: S. 4). Ein Jahr später, in seinem letzten Artikel zur Schulsituation in Schleswig-Holstein, hoffte Osterloh noch, „diesen Stand wenigstens annähernd zu halten“ (E. OSTERLOH, Netz [1964]). 359 Vgl. ZUM LEHRERMANGEL AN DEN GYMNASIEN. 355

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konnte, den Wiederauf- und Ausbau der Kieler Universität360, zu dem sich die besondere Förderung der Pädagogischen Hochschulen im Land sowie der auf Empfehlung des Wissenschaftsrates erfolgte Aufbau einer Medizinischen Fakultät in Lübeck gesellten. Mit alledem wollte die schleswig-holsteinische Landesregierung, und federführend Kultusminister Osterloh, das Land auf die Bedürfnisse kommender Jahre vorbereiten und es zugleich als Wissenschaftsstandort etablieren361. Der Ausbau der Kieler Universität vollzog sich in einem bemerkenswerten Tempo und Umfang. Zwischen 1950 und 1960 stieg die Zahl der Planstellen an der Universität von 1.372 auf 2.102, besonders stark im Wissenschaftlichen Mittelbau, wo sich die Zahl der Stellen verdoppelte, und in den Kliniken, wo die Zahl der Oberärzte und Assistenten von 64 auf 154 zunahm. Für die umfangreichen Baumaßnahmen wurden im gleichen Zeitraum deutlich mehr als 50 Millionen DM aufgewandt, und weitere, vom Wissenschaftsrat schon genehmigte Bauten sollten bald folgen362. Grundlage dessen war eine „Großplanung“ vom Juli 1955, der eine Zahl von 5.600–6.000 Studierenden zugrunde gelegen hatte363 und die im Juli 1956 in einen unter dem Vorsitz von Osterloh erstellten „Aufbauplan“ der Universität mündete364. Schon im Sommersemester 1962 aber erreichte die Studierendenzahl der Christian-Albrechts-Universität mit 6.687 einen „absoluten Höchststand“365, so dass weitere Aus- und Umbauten absehbar waren. Einen besonderen Schwerpunkt bildete dabei die Medizinische Fakultät, deren Kliniken im Krieg fast sämtlich zerstört worden waren. Nach erfolgten Um- und Erweiterungsbauten in den Jahren 1954 bis 1958 begann das eigentliche Neubauprogramm, das bis 1961 zum Bau von Hals-, Nasen- und Ohrenklinik, Orthopädie und Röntgenstation geführt hatte, wie Osterloh in seiner Rede anläßlich der Grundsteinlegung des Instituts für die Gerichtliche und

360 Vgl. die am 26. 1. 1960 in den Landtag eingebrachte Große Anfrage der SPD-Fraktion betr. „Überfüllung der Hochschulen, höheren Fachschulen und Fachschulen Schleswig-Holsteins“ (SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 4. WP, S. 946–951) und Osterlohs Antwort (EBD., S. 951–961; Auszüge: E. OSTERLOH, Überfüllung [1960]). Osterloh konterte den Vorwurf, auf die Situation nicht angemessen zu reagieren, mit der Feststellung, niemand habe den sprunghaften Anstieg der Studentenzahlen vorhersehen können; er sei im Land noch drei Jahre zuvor dafür gerügt worden, zu viel Geld in den vermeintlich überdimensionierten Ausbau der Universität zu stecken, das im Schulbereich fehlte (vgl. EBD., S. 953). 361 Auskunft Gerhard Stoltenberg (Gespräch am 7. 5. 1998). 362 Vgl. die Zahlenangaben in: E. OSTERLOH, Erbe (Typoskripte), S. 17. Einen Überblick über die Baugeschichte der Universität von 1950 bis 1965 bietet: R. JAEGER, Baugeschichte, S. 182–202. 363 Vgl. EBD., S. 183f. 364 Vgl. SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 4. WP, 26. 1. 1960, S. 953; E. OSTERLOH, Überfüllung (1960), S. 9f. 365 AUFTRAG UND ERFÜLLUNG, S. 27.

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Soziale Medizin ausführte366. In Planung waren zu diesem Zeitpunkt schon die Neubauten des Instituts für Pharmakologie, der Kinderklinik, der Hautklinik, eines Schwesternwohnheims und der Zentralwäscherei, der zentralen Röntgentherapiestation und der Neuro-Chirurgischen Klinik367. Einen mindestens ebenso gewichtigen und in den Augen der Beteiligten vermutlich zukunftsweisenderen Schritt tat man mit dem Aufbau des Instituts für Kernphysik, angewandte Physik und Organische Chemie zwischen 1958 und 1960, zu dem das Bundesatomministerium Mittel zur Verfügung gestellt hatte368. Mit dem Entschluss zu diesem Schritt, mit dem in Schleswig-Holstein das „Atomzeitalter“ begann369, war verbunden das Gesetz über die „Errichtung und den Betrieb von Kernreaktoren für Forschung und Lehre und zur Regelung des Strahlenschutzes“, das die gesetzliche Grundlage für den Bau eines Forschungsreaktors in Geesthacht bildete370. Der Reaktor, gebaut als Gemeinschaftsprojekt der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, ging am 28. Oktober 1958 in Betrieb371. Aus den Kabinettsprotokollen wird ersichtlich, dass sich Osterloh für dessen Bau in Schleswig-Holstein stark gemacht hatte: „Minister Osterloh […] führte ergänzend aus, daß sich die zuständige Fakultät mit der Errichtung eines Instituts für Kernphysik einverstanden erklärt und die Berufung des Professor Bagge als Leiter dieses Instituts vorgeschlagen habe. Ferner sei geplant, in Verbindung mit dem Institut einen Reaktor (sog. Swimming-Pool) im Raume Kiel zu errichten. Allerdings werde es hierbei wesentlich noch auf die Zustimmung der Länder Niedersachsen, Hamburg und Bremen ankommen. Die Kultusminister-Konferenz erarbeitet zur Zeit ein Programm für die Schwerpunktbildung auf dem Gebiet der Atomforschung. Voraussichtlich würden sich die Schwerpunkte auf die Räume München, Karlsruhe, Bonn-Köln und Kiel verteilen, sofern seine Vorstellungen hinsichtlich Kiels verwirklicht würden. Hamburg sei an echter Grundlagenforschung interessiert, daher glaube er, dessen Zustimmung zu der Errichtung des Reaktors in Verbindung mit dem Institut in Kiel erlangen zu können.“372

Osterlohs besonderes Interesse, das bereits geweckt worden war, als er im Herbst 1956 den britischen Reaktor Calder Hall besucht hatte373, erwies sich auch dar366

E. OSTERLOH, Ansprache … am 13.12.1961 (Typoskripte). Vgl. EBD. 368 Vgl. SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 4. WP, 26. 1. 1960, S. 953; E. OSTERLOH, Überfüllung (1960), S. 10. 369 Vgl. E. MALETZKE, Atomzeitalter. 370 Vgl. EBD., S. 82. 371 Vgl. M. SPEICH, Kai-Uwe von Hassel, S. 132. 372 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 12, 11. 9. 1956, S. 104f. 373 Das Ergebnis dieser Reise war der Entschluss, „die mit der Kernphysik zusammenhängenden Ingenieursaufgaben in Form einer Zusatzausbildung nach abgeschlossenem Ingenieurschulstudium für begabte Absolventen mit allen Mitteln zu fördern“ (E. OSTERLOH, Ausbildung [1963], S. 9). 367

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an, dass er darauf bestand, bei der Regelung der mit Atomfragen zusammenhängenden Zuständigkeiten auf Landesebene „das Einvernehmen mit dem Kultusminister herzustellen“, sofern es um Einrichtungen ginge, „die ausschließlich der Forschung und Lehre dienen“. Im Hintergrund stand dabei die angenommene Möglichkeit, dass auch „die Universität über ein Institut mit einem Reaktor verfügen werde“, sogar die Max-Planck-Gesellschaft brachte Osterloh als potentiellen Reaktor-Betreiber in die Diskussion ein374. Befürchtungen hinsichtlich des Zusammenhangs von Institut und Forschungsreaktor wurden vom Kieler Oberbürgermeister vorgebracht, im Kabinett aber von Osterloh mit dem Hinweis beantwortet, „daß die Gefahr einer Explosion im Hinblick auf das voraussichtlich verwendete Material ausgeschlossen sei, so daß kein Anlass zur Beunruhigung bestehe“375.

7.3.3 Osterloh und die „Fälle“ – Vergangenheitsaufarbeitung in Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein wurde besonders in der zweiten Hälfte der 1950er, aber auch schon davor und noch danach von einer ganzen Reihe von „Fällen“ erschüttert, in denen aufgedeckt wurde, dass es ehemaligen hochrangigen Nationalsozialisten und ihren wegen Kriegsverbrechen oder sonstiger NS-Verbrechen verurteilten oder zu verurteilenden Schergen gelungen war, im Land unterzutauchen. Dies war teils mit Wissen, teils mit Hilfe von Beamten vor allem im Bereich der Justiz und der Verwaltung geschehen, zum Teil aber auch ganz ohne jede Tarnung – einfach weil sich zunächst kaum jemand interessierte. Diese Gleichgültigkeit lässt sich in gewissem Maße erklären durch die im Land besonders hohe Quote ehemaliger Nationalsozialisten, war Schleswig-Holstein am Ende des Krieges doch das letzte zu erreichende noch unbesetzte „Rückzugsgebiet“. Auch die hohe Zahl an Flüchtlingen, die das Land aufgenommen hatte, mag ein nachvollziehbarer Grund gewesen sein, warum man bei der immens hohen Zahl von „Fremden“ im Land nicht jedes Mal genau nachfragte, was dieser oder jener denn vor 1945 getan hatte. Dazu kam eine ausgeprägte „Schlussstrich-Mentalität“: Noch 1956, als die Landesregierung dafür kritisiert worden war, dass sie sich – mit Rücksicht auf die Reaktion im Ausland angesichts der gerade stattfindenden Kieler Woche – gegen die Aufnahme Erich Raeders, bis 1943 Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, als Ehrenmitglied in den Deutschen Marinebund ausgesprochen hatte, wies von 374 375

LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 18, 6. 9. 1960, S. 11f. LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 13, 16. 4. 1957, S. 120.

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Hassel mit Stolz darauf hin, dass man in Schleswig-Holstein als erstem CDU-geführten Bundesland schon 1950/51 die Entnazifizierung beendet hatte376. Kein Wunder in einem Land, in dem man sich 1951/52 zwar über die Tatsache ereifern konnte, dass der neugewählte Ministerpräsident Friedrich Wilhelm Lübke Katholik war, und deshalb den Konfessionsfrieden gestört sah, aber niemand sich daran störte, dass seinem Kabinett mit Ausnahme des Innenministers Pagel nur ehemalige Nationalsozialisten angehörten377. Die nahezu allgemeine Übereinstimmung darin, dass nach dem Entnazifizierungsschlussgesetz vom 17. März 1951 eine weitere Beschäftigung mit der NS-Zeit nicht mehr erforderlich sei, sollte sich jedoch bald und nicht nur in Schleswig-Holstein als Illusion erweisen378. Die „Fälle“, mit denen sich vor allem die Regierung von Hassel auseinander zu setzen hatte, lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Zunächst gab es Probleme mit Pensions- oder Entschädigungsforderungen schwer belasteter Personen, wie zum Beispiel eines SS-Oberführers aus Lettland, eines ehemaligen Anklägers des Volksgerichtshofes und der Witwe Reinhard Heydrichs, die sich auf formales Recht berufen konnten379. Oder den Fall der ehemaligen KZ-Ärztin Hertha Oberheuser, in Nürnberg wegen ihrer Beteiligung an Menschenversuchen verurteilt, was für die Ärztekammer Schleswig-Holstein aber noch längst kein Grund war, von sich aus Schritte gegen ihr Wirken in einer eigenen Praxis bei Plön einzuleiten, bis schließlich Innenminister Lemke ihr

376 Vgl. die Ausführungen von Hassels zum Fall Raeder auf dem Landesparteitag in Rendsburg am 8. und 9. 6. 1956 (ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-016/005). Die unangenehmere Aufgabe hatte Innenminister Lemke übernommen: Weil man offenbar fürchtete, Raeder könne der CDU durch offene Stellungnahmen gegen das Verhalten von Hassels schaden, schrieb er, dessen Vater mit Raeder von früher her bekannt war, „in alter Verehrung und Verbundenheit“ an den „sehr“ bzw. „hochverehrten Herrn Grossadmiral“ (fünfmalige Anrede im Brief ) und versuchte ihn davon zu überzeugen, dass sowohl die Landes-CDU wie speziell von Hassel sich immer für das Soldatentum, die Marine und die „Freilassung des Grossadmirals“ eingesetzt hätten. Das Anbiedern jedoch half nicht: In einem Schreiben voller Uneinsichtigkeit, Eitelkeit und Verkennung der Verhältnisse wies Raeder auf das „Opfer“ hin, dass er gebracht habe, als er zur Kieler Woche nicht erschienen sei, weil sonst der Bundespräsident und ausländische Gäste nicht gekommen wären. Auf Veranlassung der „zweiten Internationale“ sei dort mehr Rücksicht auf die Ausländer genommen worden als „auf einen alten deutschen Offizier“. Deshalb habe er nun kein weiteres „Opfer“ zu bringen, so gern er „mit den massgeblichen Herren in Kiel und Schleswig-Holstein in angenehmen Verhältnissen leben möchte“ (Briefwechsel vom September 1956 in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-044/4). 377 Vgl. B. KASTEN, Ansehen, S. 268; ADENAUER: „ES MUSSTE ALLES NEU GEMACHT WERDEN.“, S. 51; F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 113; A. MEIER, Hermann Ehlers, S. 331. C. O. STRUCK, Politik, lässt das konfessionelle Problem außer Acht. 378 Vgl. zur frühen Vergangenheitsbewältigung Deutschland jüngst: A. WEINKE, Verfolgung; N. FREI, Karrieren; P. REICHEL, Vergangenheitsbewältigung. 379 Vgl. B. KASTEN, Ansehen, S. 268ff., 277.

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die Approbation entzog380. Hier wäre es auch einer entschlosseneren Landesregierung schwergefallen, den rechten Weg zwischen moralischer Empörung und juristisch einwandfreiem Verhalten zu finden. Dann gab es einen Fall wie den des Westerländer Bürgermeisters und späteren Landtagsabgeordneten (BHE) Heinz Reinefarth, als ehemaliger SS-Gruppenführer und Polizeiführer Wartheland an der Niederschlagung des Warschauer Aufstands beteiligt, wo die Landesregierung auf eine Beurlaubung bis zum Abschluss einer eingehenden Untersuchung drängte. Die zuständigen untergeordneten Stellen, in diesem Fall die CDU- und die SPD-Fraktion der Westerländer Stadtvertretung, widersetzten sich diesem Ansinnen aber in aller Unschuld mit den Argumenten, Reinefarth sei hochangesehen, soeben wiedergewählt und seine Vergangenheit interessiere in Westerland niemanden. Erschwerend kam hinzu, dass Reinefarth noch nach Bekanntwerden der Vorwürfe für den BHE in den Landtag einzog, was dem Fall eine ganz andere politische Dimension gab, da es zu Protesten im Ausland, begreiflicherweise vor allem in Polen führte. Hier versuchte von Hassel, zwischen den Beschwerden des BHE über angeblich ungerechtfertigte Vorwürfe und der öffentlichen Meinung zu vermitteln, geriet dabei aber in Konflikt mit dem Landesbeauftragten für staatsbürgerliche Bildung, Dr. Ernst Hessenauer, der in einer weiteren Tätigkeit Reinefarths eine „Todsünde für die Demokratie“ erblickte und sich nicht scheute, auch von Hassel selbst wegen seiner zögerlichen Haltung zu kritisieren. Von Hassel hielt es daraufhin für angemessen, Hessenauer daran zu erinnern, dass er als Beamter des Landes den vom Gesetzgeber gezogenen „Schlußstrich unter die Entnazifizierung“ zu respektieren habe, stieß damit jedoch auf Widerspruch innerhalb seiner eigenen Partei, bis hin zu Osterloh, der Hessenauer ja eingestellt hatte381. Schließlich gab es die beiden großen „Fälle“ Heyde/Sawade und Catel, an denen überdeutlich wurde, wie stark Justiz und Ärzteschaft in Schleswig-Holstein „renazifiziert“ waren382 bzw. einer konsequenten Aburteilung von NS-Tätern im Wege standen. Werner Heyde383, SS-Arzt und Leiter des unter dem Kürzel „Aktion T4“384 bekannten „Euthanasie“-Programms, dem nach 1939 mehr als 380 Vgl. EBD., S. 278. Über die folgende Klage gegen den Entscheid Lemkes berichtet der Art. „Scherben in der Wunde“ (Der Spiegel, Nr. 46, 9. 11. 1960, S. 47ff.). 381 Die Vorgänge sind dokumentier in: LASH SCHLESWIG, 605/2626. Die Auseinandersetzung zwischen von Hassel und Hessenauer spiegelt sich in beider Briefwechsel von 1959 bis 1963 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-036/3). Vgl. auch B. KASTEN, Ansehen, S. 271–274. 382 Vgl. K.-D. GODAU-SCHÜTTKE, Recht; DERS., Kontinuitäten. 383 Zum Fall Heyde/Sawade liegt neben der monographischen Untersuchung von K.-D. GODAUSCHÜTTKE, Heyde/Sawade-Affäre, eine knappe Zusammenfassung vor in: T. FREIMÜLLER, Mediziner, S. 53–58. An beiden Darstellungen orientiert sich der folgende Überblick. 384 „T4“ leitet sich ab von der Organisationszentrale in Berlin, Tiergartenstr. 4, und war kein von den Beteiligten verwendeter Code (so noch H.-U. THAMER, Verführung, S. 698), sondern wurde erst in den

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100.000 Patienten durch Todesspritzen, Unterernährung, Kohlenmonoxid oder Zyklon-B-Gas zum Opfer fielen385, war es nach 1945 gelungen, sich – obwohl 1946 von einem deutschen Gericht zum Tode verurteilt – dem alliierten Gewahrsam zu entziehen und in Flensburg unter dem Namen Sawade eine Stelle als Sportarzt an der Landessportschule Mürwik zu bekommen. Mit Wissen um seine wahre Identität wurde er vom Direktor des Oberversicherungsamtes Schleswig, Ernst-Siegfried Buresch, zum Gutachter bestellt und erarbeitete bis zu seiner zufälligen Entdeckung im November 1959, als Buresch längst Präsident des Landessozialgerichts Schleswig war, ca. 7000 neurologische Gutachten. Außer Buresch wussten zahlreiche hochgestellte Persönlichkeiten der schleswigholsteinischen Justiz- und Gesundheitsverwaltung um Sawades wahre Identität, nach dessen eigener Aussage sogar der damalige Innenminister Helmut Lemke, was aber nicht bewiesen werden konnte. Im Dezember 1959 setzte der Landtag auf Antrag der SPD-Opposition einen Untersuchungsausschuss ein, der 1960/61 in 43 Sitzungen tagte und eine Anzahl von Mitwissern identifizierte386. Während jedoch keiner der Mitwisser letztendlich bestraft wurde – Heyde selbst entzog sich der schließlich in Frankfurt anberaumten Hauptverhandlung durch Selbstmord387 –, gab es im Zusammenhang mit der Affäre letzten Endes doch ein Urteil: Das gegen Volkmar Hoffmann, der am 20. November 1959 in der „Frankfurter Rundschau“ geschrieben hatte: „Selbst Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel (CDU) und Kultusminister Osterloh (CDU) – oder gar das ganze Kabinett? – wußten seit mehreren Monaten, daß sich unter dem Namen Dr. Sawade der steckbrieflich gesuchte Euthanasiearzt und SS-Standartenführer Professor Werner Heyde verbarg.“388 Sowohl von Hassel als auch Osterloh stellten umgehend Strafantrag gegen Hoffmann und reichten zugleich eine Klage auf Unterlassung und Widerruf der aufgestellten Behauptungen ein. Hoffmann wurde am 23. November 1960 wegen übler Nachrede zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt389.

Prozessen und der Geschichtsschreibung nach 1945 zum Kürzel für das NS-„Euthanasie“-Programm (vgl. A. HINZ-WESSELS U. A., Abwicklung, S. 79, Anm. 1). 385 Vgl. A. PLATEN-HALLERMUND, Tötung; E. KLEE, „Euthanasie“; M. BURLEIGH, Tod; DERS., Zeit, S. 441–466; A. HINZ-WESSELS U. A., Abwicklung; H.-U. THAMER, Verführung, S. 697–700. 386 Vgl. SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 4. WP, S. 843–874, 2146–2170, sowie DRUCKSACHEN, 4. WP, Nr. 202, 444. Vgl. K.-D. GODAU-SCHÜTTKE, Heyde/Sawade-Affäre, S. 219–223. 387 Vgl. Art. „Flucht in den Tod“ (Sbl., Nr. 8, 23. 2. 1964, S. 1). 388 Art. „Der Justizminister macht die Schotten dicht – Schweigemauer in Schleswig-Holstein um SSArzt Heyde – von Hassel wußte Bescheid“ (FR, 20. 11. 1959). 389 Der Prozess gegen Hoffmann lässt sich von der Veröffentlichung seines Artikels an rekonstruieren durch die in LASH SCHLESWIG, 605/3347, befindlichen Akten (Presseberichterstattung: EBD., 605/3274); K.-D. GODAU-SCHÜTTKE, Heyde/Sawade-Affäre, S. 304–310, bezieht sich im Wesentlichen auf Dokumente aus dem Nachlass Volkmar Hoffmanns.

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Die wohl im Anschluss an Hoffmann vom SPD-Abgeordneten Jochen Steffen angedeutete Existenz von Mitwissern auch in der Regierung hatte zu heftigem Streit im Landtag und zur Einsetzung eines zweiten Untersuchungsausschusses geführt, mit dem CDU und FDP unter anderem die Frage geklärt sehen wollten, welche Unterlagen Steffen hatte, um solche Behauptungen aufzustellen390. Die Urteilsbegründung gegen Hoffmann, der sich auf den Direktor der Kieler Universität, Helmuth Reinwein, verlassen hatte, welcher ihm mitgeteilt haben sollte, er selbst habe von Hassel und Osterloh bereits im Juli 1959 über Ungereimtheiten im Falle Dr. Sawades unterrichtet, sich vor Gericht an diesen Vorgang aber konkret nicht mehr zu erinnern vermochte391, stellte klar, dass die Mitwisserschaft von Angehörigen der Regierung nicht bewiesen werden könne392. Vor dem Untersuchungsausschuss musste Steffen zugeben, dass seine Andeutungen lediglich auf Vermutungen beruht hatten393. War Osterloh von der Heyde/Sawade-Affäre lediglich am Rande und aufgrund einer falschen Anschuldigung betroffen, lagen die Dinge im „Fall“ Catel etwas anders. Professor Werner Catels Rolle in der Euthanasieaktion war unter anderem vom „Spiegel“ an die Öffentlichkeit gebracht und wie folgt beschrieben worden: „Während Heyde in Berlin als Obergutachter die erwachsenen Euthanasie-Opfer aussortierte, wählte Kinderarzt Catel als Sachverständiger die Kleinen aus, die ihm für die Beförderung vom Leben zum Tod geeignet dünkten“394. Nach dem Krieg war Catel 1947 in Hessen als „überzeugter Antifaschist“ entnazifiziert worden, 1948 in Hamburg aber mit 17 anderen Medizinern wegen Totschlags und Beihilfe zum Totschlag angeklagt gewesen. Das Verfahren wurde jedoch vor Beginn der Hauptverhandlung mit der Begründung eingestellt, dass die vorgeworfene Tötung zwar objektiv feststehe und rechtswidrig gewesen sei, man aber einen Schuldbeweis nicht werde führen können, da alle Angeklagten erklärt hatten, „an die Rechtmäßigkeit ihrer Handlungsweise geglaubt zu haben“. Zur Begründung dafür, dass fehlendes Bewusstsein der Rechtswidrigkeit in diesem Falle zur Einstellung des Verfahrens hinreichte, zogen die Richter antikes 390 Vgl. SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 4. WP, S. 844–874, 2168f. Vgl. K.-D. GODAU-SCHÜTTKE, Heyde/Sawade-Affäre, S. 219–233. 391 „Ebenso soll nach der übereinstimmenden Aussage aller beteiligten Zeugen am 6. Juli 1959 anläßlich einer Besprechung bei Ministerpräsident v. Hassel […] mit keinem Wort die Angelegenheit Sawade-Heyde erwähnt worden sein“ (Art. „von Hassel und Osterloh sind nicht unterrichtet worden“ [FAZ, 22. 1. 1960]). 392 Text des Urteils, dessen verfügenden Teil Osterloh und von Hassel auf Kosten des Angeklagten in mehreren überregionalen Tageszeitungen abdrucken lassen durften: K.-D. GODAU-SCHÜTTKE, Heyde/Sawade-Affäre, S. 310. 393 Vgl. den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses (SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 4. WP, S. 2168f.). 394 Art. „Eingeschläfert“, in: Der Spiegel, Nr. 34, 17. 8. 1960, S. 31–34, zit. S. 33.

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Gedankengut heran: „Dem klassischen Altertum war die Beseitigung lebensunwerten Lebens eine völlige Selbstverständlichkeit. Man wird nicht behaupten können, daß die Ethik Platos oder Senecas, die u. a. diese Ansicht vertreten haben, sittlich tiefer steht als diejenige des Christentums“395. Auf diese Weise „exkulpiert“396, bewarb Catel sich um ein Ordinariat für Kinderheilkunde an der Kieler Universität, wurde im Jahre 1954 berufen und war inzwischen Direktor der Kieler Universitäts-Kinderklinik397. Osterloh, durch die vorangegangenen und noch laufenden Enthüllungen und Ermittlungen im Fall Heyde/Sawade sensibilisiert und diesmal insoweit mitbetroffen, als die Universität als Arbeitgeberin Catels in seinen Zuständigkeitsbereich fiel, auch wenn Catel bereits unter seinem Vorgänger eingestellt worden war, reagierte schnell: Noch vor der Veröffentlichung im „Spiegel“ hatte er aufgrund anderer in der Presse veröffentlichter Vorwürfe gegen Catel am 16. August 1960 dem Kabinett berichtet, wie er in der Pressekonferenz des darauffolgenden Tages Stellung zu nehmen gedachte: „Seine Nachprüfungen hätten ergeben, daß keinerlei Anlaß oder Handhabe mehr gegeben sei, gegen Professor Dr. Catel disziplinär einzuschreiten. In völliger Kenntnis seiner früheren Gutachtertätigkeit habe sich die medizinische Fakultät der ChristianAlbrechts Universität seinerzeit für die Berufung des Professors mit Abstand vor anderen Vorschlägen eingesetzt, ohne allerdings von ihren Kenntnissen über die frühere Tätigkeit des Professors den damaligen Minister Dr. Pagel zu unterrichten. Damit habe die Fakultät zu erkennen gegeben, daß sie bereit war, die volle Verantwortung für die Berufung des Professors zu übernehmen. Im übrigen sei Professor Dr. Catel in zwei gegen ihn angestrengten Spruchkammerverfahren unter betonter Anerkennung seines aktiven Widerstandes gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft als Entlasteter in die Gruppe V eingestuft worden. Er sei in diesen Verfahren von Rechtsanwalt von Schlabrendorff, einem bekannten Manne des 20. Juli, verteidigt worden. Wenn er, der Minister, auch persönlich Gegner jeder Form von ‚Euthanasie‘ sei, fühle er sich doch verpflichtet, Professor Dr. Catel vor nicht zu rechtfertigenden Angriffen und Maßnahmen zu schützen.“398

In der Pressekonferenz selbst führte Osterloh nach dem übereinstimmenden Bericht verschiedener Tageszeitungen weiter aus, „er sehe keinen Anlaß, das Geschehene irgendwie decken zu wollen. Entscheidend sei aber allein die Rechtslage, an die er sich zu halten habe“, und wiederholte seine schon zu Beginn abgegebene Erklärung, „daß er selbst die Euthanasie restlos ablehne“399, bevor er zum ent395

EBD. EBD. 397 Vgl. EBD.; T. FREIMÜLLER, Mediziner, S. 33. 398 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 17, 16. 8. 1960, S. 258. 399 Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 18. 8. 1960. 396

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scheidenden Satz kam: „Der Minister fühlte sich aber ferner verpflichtet zu sagen, daß Catel subjektiv der Überzeugung war, auch im sittlichen Sinne nicht Unrechtes getan zu haben.“400 Aus dieser Aussage machte der Kieler Korrespondent Ottomar Witow in Berichten für zwei Tageszeitungen folgendes: „Nach Osterlohs Überzeugung habe Prof. Catel im moralischen Sinne nichts Unrechtes getan“401, und, diesmal in einer kurzen Notiz für die FAZ: „Catel habe, da er aus subjektiver Überzeugung handelte, im sittlichen Sinne nichts Unrechtes getan“402. Jürgen Scheel, damals auch Pressereferent im Kultusministerium, war daraufhin sofort bei Osterloh erschienen und hatte ihn gedrängt, diese Notiz zu berichtigen. Osterloh aber, zu diesem Zeitpunkt bei bestimmten Gelegenheiten schon „ziemlich fatalistisch und entschlußunfreudig“, hätte nur „Ach nein, nein...“ gesagt und abgewinkt403. Ein schwerer Fehler, wie sich schnell zeigen sollte. Denn die kurze Notiz, in der renommierten FAZ erschienen, wurde überregional beachtet und beherrschte bald die Schlagzeilen. Auch der „Spiegel“ berichtete eine Woche später erneut über den „Fall“ Catel und ließ an den Ausführungen Osterlohs kaum ein gutes Haar: Osterloh habe aus Überzeugung „beteuert“, dass Catel „subjektiv ‚im sittlichen Sinne nichts Unrechtes getan habe‘“, er habe die „Tatsache der rechtswidrigen Tötung wehrloser Kinder“ mit der Bemerkung „verharmlost“, dass „die Euthanasiefrage theoretisch unter Ärzten diskutiert werde“ (woran der Autor selbst anschloss: „mithin umstritten sei“), und schließlich habe er Catel durch den Hinweis auf dessen unbeanstandete Entnazifizierung vor der Presse vollends reingewaschen. Osterloh erschien im Bericht als kalter und herzloser Bürokrat mit einer indifferenten Einstellung zur Euthanasie, dem die Tötung von Kindern weniger bedeutete als juristische Winkelzüge und dem man abschließend unterstellen konnte, aus egoistischen Motiven zu handeln: „Kultuswart Osterloh, dem am Verbleib des Catel als Ordentlicher Professor und Direktor der Universitäts-Kinderklinik auch fürderhin gelegen ist, warb öffentlich für den ehemaligen NS-Sterbehelfer: ‚Ich habe aus persönlicher Kenntnis (des Catel) die Überzeugung, daß Eltern ihre Kinder ohne jede Sorge dem Arzt zur Betreuung übergeben können.‘“404 Niemand wies – ob bei richtiger oder falscher Zitierung – übrigens darauf hin, dass Osterlohs persönliche Überzeugung, Catel sei ein guter Arzt, 400 VZ – Kieler Morgenzeitung, 18. 8. 1960 (ohne Hervorhebung). Sinngemäß zitierten am selben Tag: Südschleswigsche Heimatzeitung, Kieler Nachrichten, Pinneberger Tageblatt, aber auch der Rheinische Merkur im Art. „Erfolg des moralischen Widerstandes“ vom 16. 9. 1960 (Zusammenstellung der Pressestelle der Landesregierung Schleswig-Holstein vom 20. 2. 1962 auf Anfrage Ministerialrat Ranfts [angefertigt von Heinz Onnasch], in: LASH SCHLESWIG, 605/3272). 401 Lübecker Nachrichten, 18. 8. 1960. 402 FAZ, 18. 8. 1960; abgedruckt (mit der falschen Datumsangabe 17. 8.) auch in: JK 21, 1960, S. 506. 403 Auskunft Jürgen Scheel (Gespräch am 18. 3. 1998). 404 Art. „Fürchtet euch nicht“, Der Spiegel, Nr. 35, 24. 8. 1960, S. 21. Nach Kenntnis der Pressestelle des Landes war der Verfasser dieses Artikels identisch mit dem des o. g. richtig zitierenden Artikels in

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in der Tat auf eigenen und sogar einschlägigen Erfahrungen beruhte, denn die jüngste, schwerbehinderte Tochter Osterlohs befand sich in Kiel in einer ihr sehr helfenden Behandlung – bei Professor Catel405. Zeitgenössisch, in den Jahren darauf und bis heute wurde und wird die falsche Version von Osterlohs Aussagen verbreitet, oft bitterböse kommentiert und selbst aus dem Ausland kritisiert406. Alexander Mitscherlich äußerte sich zu der von ihm wohl als symptomatisch empfundenen Aussage in einem Leserbrief, in dem er Osterloh mit wenig professoraler Gediegenheit als „Professionschrist und Minister der demokratischen Bundesrepublik“ bezeichnete, der sich „einer nicht mehr als vage zu vermutenden Autorität“ der Mediziner beuge und sich von dem distanziere, „was er selbst als sittliches Gebot anerkennt“. Dahinter vermutete Mitscherlich die Einstellung: „Jedem seine Privatsittlichkeit ohne Verbindlichkeit, das scheint man sich unter Demokratie vorzustellen“.407 Im darauffolgenden Jahr druckte der „Spiegel“ selbst – nach erneuter Zitierung des vermeintlichen Ausspruches Osterlohs in einem Artikel am 3. Mai 1961408 – eine Gegendarstellung Heinz Onnaschs, des Leiters der Pressestelle des Landes Schleswig-Holstein, als Leserbrief ab409. Auch im Artikel anlässlich von Osterlohs Tod brachte man das Zitat endlich einmal in der korrekten Fassung –verbunden allerdings mit dem Hinweis, Osterloh „verteidigte“ Catel damit, und der Zitierung eines Kommentars aus dem SPD-Pressedienst, dass eine solche Affäre „einem Minister in einem demokratisch fortgeschritteneren Staat zum Verhängnis geworden wäre“410. Dennoch kommt es selbst im Jahre 2004 noch zu Verzerrungen des Sachverhalts in einer eigentlich wissenschaftlichen Darstellung, die sich auf die verfälschenden „Spiegel“-Artikel bezieht, um daraus ein Urteil über „Osterlohs Wertekonzept“ abzuleiten411. VZ – Kieler Morgenzeitung vom 18. 8. 1960 (vgl. Zusammenstellung der Pressestelle der Landesregierung Schleswig-Holstein vom 20. 2. 1962, LASH SCHLESWIG, 605/3272). 405 Auskunft Gertrud Osterloh (Gespräch am 5./6. 2. 1996). 406 Vgl. die Zusammenstellung der Pressestelle der Landesregierung Schleswig-Holstein vom 20. 2. 1962 (LASH SCHLESWIG, 605/3272). 407 Der Spiegel, Nr. 36, 31. 8. 1960, S. 7f. 408 „Die Kreuzelschreiber“, Der Spiegel, Nr. 19, 3. 5. 1961, S. 35–44. 409 Der Spiegel, Nr. 21, 17. 5. 1961, S. 7. 410 „Schatten am Meer“, Der Spiegel, Nr. 10, 4. 3. 1964, S. 21f., hier: S. 22. 411 In ihrer Dissertation geht Christiane Kuller auf Osterlohs Tätigkeit im Familienministerium ein. Sie stellt mit Blick auf seine spätere Tätigkeit als Kultusminister, über die sie Informationen lediglich aus einem kurzen biographischen Artikel (M. WOLFES, Art. „Osterloh, Edo“, wo an Sekundärliteratur zu Osterloh für die Zeit nach 1945 nur der „Spiegel“-Artikel „Schatten am Meer“ [4. 3. 1964] angegeben ist) und aus zwei weiteren „Spiegel“-Artikeln („Eingeschläfert“ [17.8.1960] und „Fürchtet euch nicht“ [24.8.1960]) bezieht, fest: „Es wirft ein bezeichnendes Licht auf Osterlohs Wertekonzept, daß er sich während dieser Zeit unter anderem mit Nachdruck für den Kieler Ordinarius für Kinderheilkunde, Werner Catel, einsetzte, der 1960 durch eine Pressekampagne des ‚Spiegel‘ und Strafanzeigen

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Seine persönliche Meinung zum Thema „Verfolgung von NS-Straftätern“ hatte Osterloh am Ende des Jahres 1961 im Artikel „Was erwarten wir – was erwartet uns?“ zusammengefasst, der Ausblick und Rückblick auf die Jahre seit 1945 zugleich war: „Niemand darf dem Aberglauben verfallen, als ob das nachträgliche Einfangen und Aburteilen einzelner Sündenböcke uns als Nation von der Last unserer Vergangenheit befreien könnte. Es verleitet vielmehr manche zur Lüge, zur unerträglichen Heuchelei und zum Zynismus. Andere treibt dieses späte Opfern einzelner in die Verzweiflung oder in den politischen Extremismus, weil sie es einfach nicht zu verstehen vermögen. Dem Recht muß Genüge geschehen. Aber seine Anwendung mußte der [sic!; besser: müßte den; P. Z.] Verdacht ausschließen, daß sie vom mehr oder weniger zufälligen Auftauchen historischer Dokumente abhängig ist, wenn ein allgemeines Bewußtsein der Rechtssicherheit und öffentlicher Gerechtigkeit Bestand haben soll. Wir dürfen keinen Verbrecher ungestraft lassen. Wir müssen aber auch einer endlosen gegenseitigen Selbstzerfleischung unseres Volkes widerstehen und einem gemeinsamen Neuanfang zustreben, in dem wir die gemeinsame Last auch gemeinsam tragen. Wir sollten es nicht ablehnen, sondern bejahen, wenn die uns ausnahmslos alle beanspruchende Gemeinsamkeit dieser Last in Zukunft unausweichlicher als bisher werden wird.“412

Die Landesregierung sah sich im Zuge der Häufung der sog. „Fälle“ zu einer Regierungserklärung eigens zu diesem Thema veranlasst, in der von Hassel am 16. Januar 1961 die Vorwürfe Fall für Fall durchging und zu klären versuchte. Dabei fand er jeweils durchaus gute Argumente, das Vorgehen der Landesregierung zu begründen, es gelang ihm aber insgesamt doch nicht, den Eindruck völlig von der Hand zu weisen, dass die Häufung der Vorkommnisse im Lande Schleswig-Holstein eben kein Zufall war413. So sah sich auch Justizminister Dr. zum Rücktritt gezwungen wurde“ (CHR. KULLER, Familienpolitik, S. 93). Im Blick darauf, dass Kuller einen der „Spiegel“-Artikel nicht korrekt zuordnet (den Artikel „Fürchtet euch nicht“ datiert sie auf den 4. 3. 1964), eine erbetene Emeritierung (vgl. unten) einen qualitativen Unterschied zu einem erzwungenen Rücktritt aufweist und es im Ganzen fraglich erscheint, aus einer konkreten Entscheidung auf ein Wertekonzept rückzuschließen, muss man diese Darstellung wohl als ein weiteres spätes Opfer der „Spiegel“-Pressekampagne bezeichnen. 412 Selbst wenn zuzugestehen ist, dass die Rechtsprechung natürlich davon abhängig sein muss, ob und wann historische Dokumente auftauchen oder nicht (hier trägt Osterlohs Argumentation nicht), erscheinen seine Gedanken doch – zusammenhängend zitiert – viel tiefer und unangreifbarer als in der Version, in der sie der „Spiegel“ nach seinem Tode brachte: Laut „Spiegel“ forderte Osterloh, „daß man zwar ‚keinen (NS-)Verbrecher ungestraft lassen‘ dürfe. Aber: ‚Das nachträgliche Einfangen und Aburteilen einzelner Sündenböcke‘ und das ‚späte Opfern einzelner‘ treibe manche ‚in die Verzweiflung […], weil sie es einfach nicht zu verstehen vermögen‘“ (Art. „Schatten am Meer“, Der Spiegel, Nr. 10, 4. 3. 1964). Schade, dass Matthias Wolfes sich nicht bemüßigt fühlte, das Osterloh-Zitat, das er in seinem Lexikon-Artikel (sic !) über Osterloh nach der „Spiegel“-Version zitiert (sic !), auch zu überprüfen, wie man es in wissenschaftlichen Publikationen dieser Art voraussetzen dürfen müsste (vgl. M. WOLFES, Art. „Osterloh, Edo“). 413 SCHL.-HOLST. LANDTAG. STENOGRAPHISCHE BERICHTE, 4. WP, S. 1885–1904. Debatte: EBD., S. 1904– 1931. Das Presseecho auf die Regierungserklärung ist gesammelt in: LASH SCHLESWIG, 605/3588.

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Bernhard Leverenz in einem „Spiegel“-Gespräch vier Monate später414 noch mit dem Vorwurf konfrontiert, in seinem Land werde „eine ‚braune Patronage‘ geduldet und betrieben“415. Dem Gespräch waren beißende Karikaturen und eine Hintergrundinformation beigefügt, in der es hieß: „In Schleswig-Holstein gibt sich der BHE dezidiert-nationalistisch, die SPD strikt national, Hassels CDU ist nach rechts unbeschränkt offen. Die FDP mit ihren nicht einmal 5.000 Mitgliedern kann und will da nicht zurückstehen.“416 Für Catel ging die Affäre damit zu Ende, dass er – 67jährig – um seine Emeritierung bat, ein Ansinnen, dem die Landesregierung entsprach417. Osterloh, dem die ungeahnten Folgen seines Versäumnisses viel Kummer bereiteten, der sich aber ansonsten persönlich auch in dieser „Affäre“ nichts vorzuwerfen hatte, sah sich schon im Januar 1963 erneut mit dem Thema „Vergangenheitsbewältigung“ konfrontiert, und diesmal ging ihm der Vorgang noch näher: Am Gymnasium Geesthacht hatte anlässlich des 30. Januars auf Einladung der Schülermitverwaltung, deren Sprecher Uwe Barschel hieß, und mit Zustimmung des Schulleiters, Oberstudiendirektor Dr. Georg Rühsen, der letzte „Reichskanzler“ und Großadmiral a. D. Karl Dönitz vor den Schülern zu den Themen Zweiter Weltkrieg, Nürnberger Prozess, seine Haft in Spandau und „schließlich über die heikle Schlußfrage der Schüler nach der rechten politischen Staatsform“ gesprochen. Auf erste Proteste hin erklärte Osterlohs Vertreter im Amt Kock – Osterloh selbst war im Urlaub –, man „hätte ernste Bedenken erhoben, wäre man vorher von der Schulleitung informiert worden“, und kündigte eine Befragung des Schulleiters und eine Untersuchung darüber an, wie es zu einer solchen Einladung überhaupt habe kommen können418. Wiederum zog der „Skandal“ seine Kreise, große Tageszeitungen berichteten, und man erwog, einen namhaften Historiker einzuladen, der „Schüler und Lehrer in Geesthacht über die Rolle aufklären würde, die Dönitz im Zweiten Weltkrieg gespielt hat“419. Die Protestwelle, die – wie das „Sonntagsblatt“ schon vor dessen tragischem Ende 414

Der Spiegel, Nr. 20, 10. 5. 1961, S. 24–31. EBD., S. 24. 416 EBD., S. 25. – Auf einer der Karikaturen steht ein deutlich als Hitler zu erkennender Mann vor einem mit Schleswig-Holsteins Wappen verzierten Schreibtisch; er bewirbt sich bei dem am Tisch sitzenden Beamten offenbar um eine Stelle und erhält als Antwort: „So, Schicklgruber heißen Sie? – Ja, dann steht ihrer Bewerbung bei uns nichts im Wege.“ – Eine andere zeigt einen recht grobschlächtigen Mann in Medizinerkleidung, der ein noch von Blut triefendes Schlachterbeil in der Hand hält, und kommentiert: „Approbation in Ordnung“. 417 Vgl. Der Spiegel, Rubrik „Rückspiegel“, Nr. 39, 21. 9. 1960, S. 98. 418 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 21, 5. 2. 1963, S. 122. In der gleichen Sitzung teilte Kock aber auch mit, ein disziplinarisches Vorgehen sei nicht vorgesehen. 419 Art. „Die Woche brachte: Patentdemokraten“, in: Sbl., Nr. 6, 10. 2. 1961, S. 1. – Weitere Berichte in: Die Welt, 1., 2., 4., 5., 8. u. 11. 2. 1963; WamS, 10. 2. 1963; Die Zeit, 8. 2. 1963; Der Spiegel, Nr. 8, 20. 2. 1963, S. 18f. 415

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feststellte – dem Vorgang keineswegs angemessen war, trieb Rektor Dr. Rühsen in den Selbstmord, weil er sich und seine Kollegen „zu pädagogischen Trotteln oder zu Neonazis gestempelt“ sah. Dabei hatte er nur die Absicht gehabt, nichts als eine interessante Geschichtsstunde mit Zeitzeugenbefragung zu organisieren, in der Dönitz sich übrigens eindeutig zur Demokratie bekannt hatte420. Dieser Fall, an dem sich zeigte, wie sehr das anfängliche Herunterspielen solcher Vorfälle inzwischen zu einem hysterischen Aufbauschen geworden war, ging Osterloh sehr nah; ihn plagten Schuldgefühle, obwohl, oder wohl gerade weil er wieder nicht in das Geschehen hatte eingreifen können421, da er sich vom 31. Januar bis 22. Februar 1963 im Urlaub befand422. Kaum von diesem Vorfall losgekommen und gesundheitlich angeschlagen – statt seines eigentlich geplanten Ski-Urlaubs vom 9. bis 20. März 1964 hatte er auf Anraten seines Arztes schon am 20. Januar einen knapp vierwöchigen Kuraufenthalt im Schwarzwald angetreten – kam ein neuer und nun letzter „Fall“ auf Osterloh zu: der des im November 1963 zum Rektor der Universität gewählten Juristen Eberhard Menzel. Im Januar 1964 hatte das Ministerium einen anonymen Hinweis mit Zitaten aus einer Schrift von 1938 erhalten, an der Menzel mitbeteiligt war. Nach Osterlohs Tod räumte diesmal sogar „Der Spiegel“ ein, dass Menzel sich glaubhaft und nachweislich gegen die im Raum stehenden, noch dazu anonym vorgebrachten Vorwürfe verteidigt hatte423. Nach der Rückkehr aus seinem Urlaub musste Osterloh trotzdem in der Sache entscheiden, da sich an der Universität wie im Kabinett zwischenzeitlich die Meinung durchgesetzt hatte, Menzel dürfe unter diesen Umständen nicht Rektor werden: „Neun Tage vor dem Tode Osterlohs kam es zu einem Gespräch zwischen dem Minister und dem gewählten Rektor. Der Professor schlug eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung vor: Der Minister solle die Wahl Menzels zum Rektor bestätigen, dann werde er auf dieses Amt verzichten. Osterloh willigte ein.“424 Schon 1959 hatte Osterloh Hermann Kunst gegenüber geklagt: „Auch Schleswig-Holstein läßt die Reihe von widerwärtigen ‚Fällen‘ nicht abreißen, die offenbar die seelsorgerliche Wirkung haben sollen, uns vor jeder securitas zu bewahren.“425 Eine etwas geringere Dosis dieser Art von „Bewahrung“ hätte ihm sicher gut getan.

420

Vgl. Art. „Die Woche brachte: Vor-Urteil“, in: Sbl., Nr. 7, 17. 2. 1961, S. 1. Auskunft Gertrud Osterloh (Gespräch am 5./6. 2. 1996). 422 LASH SCHLESWIG, 605/1992, Fasz. 15 (Personalakte Osterloh), Bl. 13. 423 Vgl. „Schatten am Meer“, in: Der Spiegel, Nr. 10, 4. 3. 1964, S. 21f., hier: S. 22. 424 EBD. Vgl. auch M. WEICHERT, Ende. 425 Brief vom 4. 5. 1959 (Privatarchiv Hermann Kunst). 421

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7.4 Osterloh in der Bundespolitik 7.4.1 Kultusministerkonferenz und Wissenschaftsrat Die Kultusministerkonferenz (KMK) war und ist in der föderal strukturierten Schul- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland das für die Ausprägung und Weiterentwicklung des deutschen Schulwesens entscheidende Gremium. Osterloh wurde als schleswig-holsteinischer Kultusminister ihr „geborenes“ Mitglied, kurz nachdem es der KMK gelungen war, die zehnjährige Phase des bundesdeutschen „Schulchaos“ zu beenden, in der in einer extensiven Auslegung der föderalen Ordnung jedes Land beinahe nach Belieben sein Schulsystem wiederaufgebaut, reformiert oder nach einer erfolgten Reform wieder in alter Form restauriert hatte426. Mit dem – von den Ministerpräsidenten verabschiedeten – Düsseldorfer „Abkommen zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens“ vom 17. Februar 1955 hatte man einen einheitlichen Rahmen für das allgemeinbildende Schulwesen festgeschrieben, von dem allerdings die Volksschulen ausgenommen blieben. Man einigte sich auf eine einheitlichere Termingestaltung für den Schuljahresbeginn und die großen Ferien, schrieb das dreigliedrige Schulsystem fest – und schränkte damit laufende Schulversuche erheblich ein –, regelte die gegenseitige Anerkennung der Prüfungen wie die einheitliche Bezeichnung der Notenstufen und schuf Möglichkeiten zum Schulwechsel von Land zu Land auch bei Oberstufenschülern427. Nachdem man im Mai 1956 noch gemeinsame Grundsätze für die Volksschule verabschiedet hatte, in denen eine erste Empfehlung für ein verbindliches 9. Volksschuljahr enthalten war, kam es im Schulbereich zu einer „Übergangsphase“, in der sich keine wesentlichen Veränderungen ergaben428. Ein fortwährender Reibepunkt blieb – im Grunde bis heute429 – die Einrichtung eines Bundeskultusministeriums, zumindest einer Koordinierung der kulturpolitischen Zuständigkeiten des Bundes bei einer Stelle, wie sie auch inner-

426

Vgl. oben S. 224f. Vgl. P. FRÄNZ/J. SCHULZ-HARDT, Geschichte, S. 186; W. MÜLLER, Gründung, S. 105f. 428 Vgl. P. FRÄNZ/J. SCHULZ-HARDT, Geschichte, S. 189. 429 So wurde auch 1998 im „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt“ nach einem Bundeskultusminister verlangt; Anlass war die halbjährige Vakanz in der Position des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, weil das Kanzleramt und die Länder sich nicht auf einen Nachfolger einigen konnten: „Weil das föderalistische System hier eine Lücke gelassen hat, wird der Ruf immer lauter: Wir brauchen einen Bundeskultusminister!“ (Art. „Eine starke Stimme für alle“, in: Sbl., Nr. 26, 26. 6. 1998, S. 27). Als „immer lauter“ werdend kann man diese Forderung aber wohl nur dann empfinden, wenn man ausblendet, dass sie seit Beginn der 1950er Jahre von Zeit zu Zeit erhoben wird. 427

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halb der KMK für vernünftig gehalten wurde430. Edo Osterloh beteiligte sich 1956 an dieser Diskussion und hielt ein Bundeskultusministerium oder wenigstens eine zentrale Stelle des Bundes, die für übergreifende, von den Ländern allein nicht zu bewältigende Aufgaben zuständig sein sollte, für diskussionswürdig. Er wies sogar darauf hin, „daß […] unser gesamtes Schulwesen von der Sache her danach verlangt, nicht ausschließlich nach Ländergesichtspunkten, sondern auch nach dem Rhythmus des Lebens der Nation geprägt zu werden“431. Den Alternativvorschlag, neue überparteiliche Expertengremien zu schaffen, mit denen man die Entscheidungen zu „versachlichen“ bzw. zu „entpolitisieren“ hoffte, bezeichnete er als Illusion, denn „jede politische Tätigkeit“ untergrabe „ihre wesentlichen Positionen, wenn sie die Verantwortung für Kerngebiete des kulturellen Lebens an ‚Fachleute‘ delegiert und damit aus ihrer Kompetenz entlässt […]. Es gibt keinen Experten, dessen Existenz nicht auch politisch verankert ist. Es wäre eine auf politischem Substanzverlust beruhende Selbsttäuschung, wenn man versuchen würde, die staatliche Mitverantwortung für Forschung und Lehre, Erziehung und Schule zu ‚entpolitisieren‘“.432 Die Schaffung eines Bundeskultusministeriums hielt er aber nur für sinnvoll, wenn sie mit einer Änderung des Grundgesetzes einherginge, die diesem weitergehende Kompetenzen verleihen müsste, „als sie gegenwärtig auf dem Boden des geltenden Verfassungsrechtes oder auch darüber hinausreichend von verschiedenen Bundesministerien wahrgenommen werden“433.

430

Nach einem Vermerk des Abteilungsleiters des Referates III des Bundesinnenministeriums, der als Gast bei den Sitzungen der KMK zugegen war, hatten die Kultusminister u. a. in einer vertraulichen Besprechung am 20. 9. 1956 ihrer Meinung Ausdruck verliehen, dass man Wert darauf legen müsste, „in kulturpolitischen Fragen nicht mit einer Vielzahl von Bundesressorts verhandeln zu müssen“, und eine Bündelung der kulturpolitischen Maßnahmen des Bundes bei einer einzigen Stelle bevorzuge (Vermerk zur 54. Plenarsitzung der KMK am 20./21. 9. 1956 in Regensburg, in: BA KOBLENZ, B 106/1073). 431 E. OSTERLOH, Bundeskultusministerium (1956), S. 415. Daneben nannte er die staatsbürgerliche Erziehung, die Pflege des gesamtdeutschen Denkens und insbesondere des mittel- und ostdeutschen Erbes, das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften, sowie den Bereich des Films, der Literatur und der bildenden Künste (vgl. EBD., S. 416). Vgl. auch W. BERKEFELDT, Bund. 432 E. OSTERLOH, Bundeskultusministerium (1956), S. 414. 433 EBD. Osterloh, der sich in der Landtagsdebatte über das Schulunterhaltungs- und Verwaltungsgesetz skeptisch zu der Ansicht geäußert hatte, ein Bundesministerium löse auf einen Schlag alle Probleme der Kulturpolitik (vgl. oben S. 425), verhielt sich in dieser Frage lavierend. Im Landtagswahlkampf 1958 erwog er erneut die Einrichtung eines solchen Ministeriums, bezeichnete dies aber später, als er sich im Bundesvorstand am 29. 1. 1960 gegen die entsprechende, nicht in der KMK abgesprochene Forderung seines Berliner Amtskollegen Tiburtius verwahrte, lediglich als einen „Versuchsballon“, den er im Wahlkampf habe aufsteigen lassen (vgl. unten S. 490). Vgl. den auf Osterlohs Äußerungen bezugnehmenden Art. „Einheit muß sichtbar sein. Keine Chancen für ein Bundeskultusministerium“, in: Sbl., Nr. 8, 21. 2. 1960, S. 19f.

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In der Folgezeit kam es trotz Rückschlägen434 zu Annäherungen von Bund und Ländern auf dem Gebiet der Kulturpolitik, unter anderem durch das auf 1957 und 1958 befristete „Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern betreffend den Ausbau der Ingenieurschulen durch die Länder und die Förderung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen durch den Bund“435 und das „Abkommen über die Errichtung eines Wissenschaftsrates“ vom 5. September 1957. Mit Letzterem wurde erstmals ein gemeinsames Beratungsorgan von Bund und Ländern installiert, das Empfehlungen zur Förderung von Wissenschaft und Forschung aussprechen sollte. Besonders mit diesem Gremium, das aus einer Bildungskommission (Wissenschaftler und Vertreter von Interessengruppen) und einer Regierungskommission (Vertreter von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden) bestand, verband Osterloh große Erwartungen. Er hoffte, durch die Verzahnung von Fachkompetenz und politischer Verantwortung in einem über dem Parteienkampf stehenden Gremium zu wirklichen Lösungen der sich immer deutlicher abzeichnenden Probleme auf dem Gebiet der Hochschulen und der Wissenschaft kommen zu können436. Am 29. Oktober 1957 wurde er vom schleswig-holsteinischen Kabinett zum Mitglied des Wissenschaftsrates ernannt437, dem er bis zu seinem Tode angehören sollte. Zwar hat Osterloh die Möglichkeiten des Wissenschaftsrates letztendlich wohl überschätzt438, denn einerseits blieben die Interessenunterschiede und die politischen Differenzen auch der Mitglieder des Rates natürlich nicht außen vor, 434

Das herrschende Klima wird illustriert anhand zweier Unstimmigkeiten aus dem Jahr 1957: Im Februar/März 1957 kam es zwischen der KMK und dem Bundesinnenministerium zu einem Streit, dessen Anlass eine der westdeutschen Rektorenkonferenz übermittelte Bitte des Innenministeriums um Beratung in Fragen der Forschungsförderung war. Diese stieß KMK übel auf, weil es zwischen Rektorenkonferenz und KMK einige Jahre vorher heftige Kompetenzstreitigkeiten gegeben hatte. Drei Monate später entsandte das Bundesinnenministerium auch zur 60. Plenarsitzung am 13. und 14. 6. in Travemünde keinen Vertreter, weil der Vorsitzende der KMK vor der vorangehenden 59. Sitzung darum gebeten hatte, keinen Vertreter zu entsenden, da die Konferenz allein tagen wollte (vgl. die Berichte zu den Plenarsitzungen in: BA KOBLENZ, B 106/1073). 435 Das Abkommen beinhaltete eine Finanzhilfe des Bundes für den Ausbau der Ingenieurschulen, mit der man dem in einem Gutachten der KMK prognostizierten erhöhten Bedarf auf diesem Gebiet hoffte gerecht werden zu können (vgl. P. FRÄNZ/J. SCHULZ-HARDT, Geschichte, S. 188). Auch Schleswig-Holstein profitierte von diesem Abkommen (vgl. oben S. 462–465). 436 Nach der Erinnerung Gerhard Stoltenbergs, von 1955 bis 1961 als Bundesvorsitzender der „Jungen Union“ Mitglied des Parteivorstands der CDU und seit 1955 stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holsteins, verband Osterloh „ganz große Hoffnungen“ mit dieser Konzeption, die für ihn einen „großen Durchbruch“ darstellte; in den Gremien der CDU habe er „mit leuchtenden Augen“ vom Wissenschaftsrat berichtet (Auskunft Gerhard Stoltenberg, Gespräch vom 7. 5. 1998). 437 Vgl. LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 14, Bl. 34. 438 So die Einschätzung Gerhard Stoltenbergs (Gespräch vom 7. 5. 1998), der wenige Jahre später Minister des aus dem Atomministerium hervorgegangenen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung werden sollte.

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sondern bestanden weiter und fanden ihren Niederschlag auch in den Sitzungen des Rates, und andererseits blieb der Wissenschaftsrat, obwohl mit der Politik besser verzahnt als beispielsweise der „Deutsche Ausschuß“, immer ein nur beratendes Gremium. Zunächst allerdings eines mit erheblichem Einfluss: Die von ihm 1960 veröffentlichten „Empfehlungen“ über einen groß angelegten Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen, mit dem ein erster Schritt getan werden sollte, um dem prognostizierten massiven Mangel an Akademikern in Deutschland zu begegnen439, wurden von der KMK mitgetragen440 und zeigten auch schnell erste Früchte. Schon 1963 konnte der Wissenschaftsrat die zunächst erfreulich schnelle Umsetzung des von ihm empfohlenen Bauprogramms feststellen, musste aber nunmehr im Blick auf „Anspannungen auf dem Baumarkt und finanzielle Schwierigkeiten“ – wohl zusammenhängend mit der ersten kleinen Konjunkturdelle am Beginn der 1960er Jahre – die Gefährdung der weiteren rechtzeitigen Durchführung konstatieren, für deren Gelingen einmal mehr der Bund rettend eingreifen sollte441. Als turnusmäßig gewählter Präsident der KMK amtierte Osterloh von Oktober 1958 bis September 1959442; in seiner Amtszeit gelang es, der Eigenart der KMK im Vergleich mit den Konferenzen anderer Landesminister und ihrer höheren Bedeutung für die politische Eigenständigkeit der Länder dadurch Ausdruck zu verleihen, dass das Generalsekretariat der KMK nunmehr als von allen Ländern finanzierte Dienststelle beim Land Berlin geführt wurde443. Das Bemühen Osterlohs um einen Ausgleich im Verhältnis zum Bund führte zur Bildung einer Verhandlungskommission der Länder, deren Aufgabe es sein sollte, sich mit Vertretern des Bundes über die Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten im kulturellen Bereich zu verständigen, aber nicht zu konkreten Ergebnissen444. 439 Empfehlungen des Wissenschaftsrates, Teil I. Vgl. Art. „Drastische ‚Empfehlungen‘. Der Wissenschaftsrat errechnet dringenden Baubedarf von 2,6 Milliarden“, in: Sbl., Nr. 49, 4. 12. 1960, S. 8. 440 Vgl. die Pressemitteilungen über die Plenarsitzungen der KMK am 8. und 9. 12. 1960 (BA KOBLENZ, B 106/1074). In der Pressemitteilung über die Sitzung am 16. und 17. 11. 1961 unterstützte die KMK die volle Verwirklichung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates, die allein für 1962 die Neuschaffung von 355 Ordinariaten und Extraordinariaten, 731 Stellen des akademischen Mittelbaus und 1276 Stellen für wissenschaftliche Assistenten sowie eine Sachmittelerhöhung um 30% vorsahen (EBD.). 441 Entschließung des Wissenschaftsrates auf seiner 17. Vollversammlung am 6. 7. 1963 in Berlin (Anlage zum Protokoll), in: BA KOBLENZ, B 153/692, 272. 442 Seine Wahl erfolgte auf der 67. Plenarsitzung am 25. und 26. 9. 1958 in Berlin, die Neuwahl des Präsidiums fast genau ein Jahr später (24. und 25. 9. 1959) am gleichen Ort (Sitzungsberichte: BA KOBLENZ, B 106/1073; 1074). 443 Vgl. E. OSTERLOH, Jahresbericht (1959), S. 149; P. FRÄNZ/J. SCHULZ-HARDT, Geschichte, S. 190. 444 Auf der 68. Plenarsitzung am 22. und 23. 10. 1958 in Kiel wurde bekanntgegeben, dass mit Billigung der Ministerpräsidentenkonferenz „Verhandlungen über die Abgrenzung des kulturellen Bereichs mit der Bundesregierung geführt werden“ sollen (vgl. Sitzungsbericht in: BA KOBLENZ, B 106/1073),

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Ebenfalls im Jahr seiner Präsidentschaft stellte der „Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen“, an dessen Gründung Osterloh mitbeteiligt gewesen war, den von ihm erarbeiteten „Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinbildenden öffentlichen Schulwesens“ vor445, der – in der KMK wie auch in der Presse – sehr intensiv und ebenso kontrovers diskutiert wurde446 und deshalb ohne „einen praktischen Ertrag […] in den frühen 1960er Jahren“ blieb447. Auch Osterloh wandte sich gegen den „Rahmenplan“ und die ihm zu weit gehenden Vereinheitlichungstendenzen, verkannte aber keineswegs dessen richtungweisende Momente, wie besonders aus einem Wortbeitrag auf dem 9. Bundesparteitag der CDU hervorgeht, in dem er dazu aufrief, die Ablehnung des Planes durch eigene konstruktive Vorschläge zu untermauern: „Wir werden dem Rahmenplan des Deutschen Ausschusses nur begegnen können, wenn das Vorhaben der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland – ich bitte dabei zu bedenken, daß wir in ihr gegenwärtig von 11 Kultusministern doch 7 von der Christlich Demokratischen Union stellen – gelingt, den Rahmenplan durch eine Rahmenvereinbarung für das deutsche Schulwesen zu überwinden, in der das landschaftlich Gegliederte, das eigentümlich Gewachsene, das Gesetz der Bodenständigkeit des Pädagogisch-Methodischen berücksichtigt und verwirklicht wird, in der aber zugleich die zufälligen anstößigen Unterschiede überwunden werden.“448

Unter mehrfachem großen Beifall rief er seine Partei zur Unterstützung des Erhaltes der Konfessionsschulen dort auf, wo sie historisch gewachsen seien: „Obwohl wir Länder haben – Schleswig-Holstein gehört dazu –, in denen die Christliche Gemeinschaftsschule die Regel darstellt, ist es nicht angängig, daß evangelische Mitglieder der Christlich Demokratischen Union gegen die Möglichkeit der

von denen Osterloh in seinem Jahresbericht aber keine konkreten Ergebnisse mitteilen konnte. Verwundern kann dies kaum, hieß es doch noch in einer Pressemitteilung über die 87. Plenarsitzung am 22. und 23. 3. 1962 in Münster/Westf., man habe in einer „umfassenden Aussprache“ die „Probleme der kulturpolitischen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern […] erörtert“. Das Ergebnis, zu dem man nach dieser „umfassenden Aussprache“ drei Jahre später kam: „Die Kultusminister und -senatoren beschlossen, an der bisherigen sachlichen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in kulturellen Fragen festzuhalten“ (Beilage zum Sitzungsbericht in: BA KOBLENZ, B 106/1074). 445 Zum „Deutschen Ausschuß“, dessen Rahmenplan und seiner – weitgehend unterbliebenen – Umsetzung vgl. oben S. 353ff. 446 Die KMK befasste sich auf ihren Plenarsitzungen vom 24./25.9.1959 und 11./12.2.1960 intensiv mit dem „Rahmenplan“ (Berichte: BA KOBLENZ, B 106/1074). Zur öffentlichen Diskussion in der Presse vgl. W. BERKEFELDT, Schulplan; DERS., Rahmenplan; S. BERGMANN, Diskussion, S. 117ff. Stellungnahmen der führenden Lehrerverbände sind abgedruckt in: EvV 7, 1959, Nr. 11, S. 10ff. 447 P. LUNDGREEN, Sozialgeschichte, S. 27. 448 CHRISTLICH DEMOKRATISCHE UNION DEUTSCHLANDS [HRSG.]. 9. Bundesparteitag, S. 211.

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Konfessionsschule polemisieren (Lebhafter Beifall), sondern es ist notwendig, daß auch wir als evangelische Mitglieder der Christlich Demokratischen Union herausstellen, daß für uns der christliche Charakter einer Schule sich nicht erschöpft im bloßen Religionsunterricht (Bravo-Rufe – Lebhafter Beifall), sondern daß wir uns darunter vorstellen – ich darf das ganz schlicht sagen –, daß die Schule nicht als ein von öffentlichen Steuermitteln lebendes Instrument mißbraucht werden kann zur weiteren Säkularisierung unserer Familien und unseres Volkes. (Lebhafter Beifall.) […] Wir werden die Länder behalten, in denen gleichberechtigt – wie ich es als Ideal empfinde – wie in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, Konfessionsschulen, Christliche Gemeinschaftsschulen und Gemeinschaftsschulen nebeneinander bestehen. Wir werden aber auch den Zustand bejahen müssen, daß es Länder gibt, in denen die Konfessionsschule die Regelschule ist, und daß es Länder gibt, in denen die Christliche Gemeinschaftsschule die Regel ist.“449

Über dieses Bekenntnis zur von ihm immer schon verfochtenen Anerkennung auch der Bekenntnisschule als einer möglichen Regelschule hinaus und neben lobenden Worten für die CDU-Bundestagsfraktion, die sichergestellt habe, dass gemäß der vom Wissenschaftsrat erarbeiteten Empfehlungen „von diesem Jahre ab bis 1964 zusätzlich 400 Millionen DM für den Bau von Universitätsinstituten eingesetzt werden“, mahnte Osterloh aber auch konkrete Schritte zur Lösung der Probleme des allgemein-bildenden Schulwesens an, die in seiner Partei offenbar nicht ganz so populär waren: „Es wäre etwas gewonnen, wenn wir sagen könnten, wir verlangen als Bundespartei in allen Ländern, sobald es möglich ist, die Verlängerung der allgemeinen Schulpflicht auf neun Jahre. Wir lehnen aber die Verlängerung auf 10 Jahre als illusionär ab und sind der Ansicht, daß demgegenüber das berufsbildende Schulwesen verstärkt werden muß. (Beifall.) Es wäre etwas gewonnen, wenn wir sagen könnten, als Bundespartei treten wir dafür ein, daß die Vokabel ‚Zweiter Bildungsweg‘ mit einer Reihe konkreter Vorstellungen gefüllt wird, so daß der einzelne begabte Handwerkerbub erkennen kann, auf welchem Wege er durch das begleitende berufsbildende Schulwesen, durch die Fach- und Ingenieurschule auch noch eine besondere Hochschulreife erlangen kann.“450

Dass Osterloh, der den „Rahmenplan“ schon als zu vereinheitlichend empfand, den zeitnah vorgestellten „Bremer Plan“ rundweg ablehnte, versteht sich fast von selbst. Dieser Plan ging auf einen „Kongreß der Lehrer und Erzieher“ Anfang Juni 1960 in Bremen zurück. den die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Lehrerverbände“ veranstaltet hatte. Er sah eine noch wesentlich stärkere Vereinheitlichung samt einer Durchbrechung des dreigliedrigen Schulsystems zugunsten einer stärkeren Verbindung zwischen den einzelnen Gliedern vor451. Osterloh 449

EBD. EBD., S. 212. 451 Vgl. G. NIEMEIER, „Bremer Plan“. Vgl. auch EvW 14, 1960, S. 388f., 550f. 450

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fühlte sich vom „Bremer Plan“ „in großen Zügen an das sowjetzonale Schulsystem“452 erinnert und lag damit im Trend seiner Partei und ihr nahestehender Kirchenkreise: In den Ende November 1960 auf dem Kulturpolitischen Kongress der CDU in Gelsenkirchen verabschiedeten Grundsätzen wurde unterstrichen, „daß der ‚Bremer Schulplan‘ für die CDU keine Diskussionsgrundlage bilde“453, und Johannes Pohlschneider, Bischof von Aachen, bezeichnete ihn im „Rheinischen Merkur“ gar als eine „revolutionäre Konspiration gegen die christliche Erziehung unserer Jugend“454. Trotz seiner prinzipiellen Ablehnung des „Rahmenplans“ und erst recht des „Bremer Plans“ war Osterloh den darin angesprochenen Erfordernissen gegenüber keineswegs verschlossen. Wie schon seine Initiativen in Schleswig-Holstein455, aber auch sein Werben auf dem Parteitag der CDU zeigen, setzte auch er sich für eine Öffnung des Schulwesens und seine größere Durchlässigkeit ein, bevorzugte dabei jedoch die Installierung eines allen zugänglichen zweiten Bildungswegs zum Abitur. Die Oberstufen der Gymnasien wollte er durch den – in Schleswig-Holstein schon weit fortgeschrittenen – Ausbau der Mittelschulen und die mit der durchgängigen Einführung eines neunten Schuljahres vollzogene Aufwertung der Volksschulen entlasten. Sie sollten auf diese Weise und mit entsprechender finanzieller Förderung ihres großzügigen Ausbaus die Möglichkeit erhalten, entsprechend mehr Schüler zum Abitur zu führen, was schon damals den erkannten Erfordernissen der Zeit entsprach. Auch den Bedürfnissen der Lehrer gegenüber zeigte er sich einsichtig, insbesondere die kritische Situation der Volksschullehrer beschäftigte ihn auch auf Veranlassung der KMK, die sich auf ihrer 92. Plenarsitzung am 17. Dezember 1962 nur mit den „Fragen der Volksschullehrerbildung und des Volksschullehrerbedarfs“ beschäftigte. Angesichts des abzusehenden eklatanten Mangels an Volksschullehrern wurde Osterloh mit der Leitung einer Kommission beauftragt, die konkrete Lösungsvorschläge zur Behebung dieses Mangels und zur Koordinierung der Maßnahmen der Länder unterbreiten sollte456. Im schon auf der nächsten Sitzung der KMK vorgelegten Kommissionsbericht wurde nach einer Aufzählung der Faktoren, die den Lehrermangel hervorriefen bzw. verstärkten, festgestellt: „Der Lehrermangel trifft die Länder mit unterschiedlicher Härte. Er hemmt überall den notwendigen weiteren Ausbau unseres Erziehungswesens und kann nicht als eine vorübergehende Nachwuchskrise angesehen werden, die mit einigen Einzelmaßnahmen 452

EvW 14, 1960, S. 389. EBD., S. 743. 454 Zit. nach EBD., S. 456. Vgl. Art. „Zwei Zeilen Religion“, in: Der Spiegel, Nr. 42, 12. 10. 1960, S. 45ff. 455 Vgl. oben S. 462. 456 Vgl. den Bericht über die Sitzung in: BA KOBLENZ, B 106, 21344. 453

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zu beheben wäre. Ähnliche Mangelerscheinungen zeigen sich in der Hochkonjunktur in fast allen Berufen; Schule und Lehrerschaft sind damit einer erheblichen Konkurrenz ausgesetzt, die sie nur bestehen können, wenn die Öffentlichkeit ihre Arbeit anerkennt und unterstützt.“457

Folgende Maßnahmen wurden vorgeschlagen, dem erkannten Befund zu begegnen: „1. Der weitere Ausbau der Volksschuloberstufe zu einer den Zeitforderungen entsprechenden Bildungsstufe; 2. die Sicherung einer den wachsenden Aufgaben angemessenen Hochschulbildung der Lehrer; 3. der weitere Ausbau der Pädagogischen Hochschulen und die Verstärkung des Zugangs zu ihnen durch Vermehrung der Zahl der Abiturienten und Erweiterung der Wege zum Hochschulstudium, auch über den 2. Bildungsweg. Hinzuweisen ist besonders auf die weitere Gewinnung begabter Schüler aus ländlichen Gebieten, den Ausbau der Mädchenbildung und die Errichtung von Aufbaugymnasien und Anschlußklassen für Mittelschulabsolventen; 4. die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Lehrer und 5. eine intensive Werbung für Schule und Lehrerberuf.“458

Als Nothilfemaßnahmen, die „in der Regel zu befristen und, sobald es die Bedarfslage zuläßt, wieder abzubauen“ seien, wurden u. a. vorgeschlagen eine Reihe von Sonderregelegungen zur Förderung der „Weiter- oder Wiederbeschäftigung verheirateter Lehrerinnen“, der „Mitarbeit pensionierter Lehrkräfte“ und der „freiwilligen Übernahme zusätzlicher Verpflichtungen“ durch im Dienst befindliche Lehrer459. Als vertretbar angesehen wurde auch die in einigen Ländern schon praktizierten oder beabsichtigten „Kurzausbildungen von Aushilfskräften“460. Mit den hier vorgeschlagenen langfristigen Maßnahmen begann eine Phase der Wandlungen „in der sozialen Lage und dem Selbstverständnis der Lehrerschaft […], die es in dieser Form und Intensität zuvor nicht gegeben“ hatte461, und es mutet angesichts der mannigfachen Kritik, die Osterloh gerade seitens der Lehrerverbände in seinen verschiedenen Funktionen in Kirche und Staat einzustecken hatte, fast schon ironisch an, dass er ganz am Anfang maßgeblich daran beteiligt war. Bei aller Zurückhaltung gegenüber ihm zu weit gehenden Reformen zögerte Osterloh nicht, seine eigene Partei vehement dafür zu kritisieren, dass sie sich 457 Anlage „Maßnahmen zur Behebung des Mangels an Volkschullehrern“ zum Bericht über die 93. Plenarsitzung der KMK am 14./15. 2. 1963 in Hannover (BA KOBLENZ, B 106/21344). 458 EBD. 459 EBD. 460 Vgl. EBD. 461 R. BÖLLING, Sozialgeschichte, S. 156.

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den einmal als notwendig erkannten Veränderungen und Verbesserungen im Schul- und Bildungswesen gegenüber verschloss bzw. die Problematik zwar sah, aber keine Konsequenzen daraus zog462. Die von ihm angestrebten Innovationen innerhalb des bestehenden Systems wurden hinfällig, als sich ganz kurze Zeit nach seinem Tode der Blick auf die bildungspolitische Landschaft rapide veränderte, ausgelöst durch die wegweisenden Schriften von Georg Picht (1964) und Ralf Dahrendorf (1965)463, die der Diskussion und damit der dann anvisierten Expansion des gesamten Bildungswesens eine völlig andere Dimension gaben464.

7.4.2 Mitglied im Bundesvorstand der CDU Als eine an verschiedenen Orten unabhängig voneinander gegründete Partei existierte die CDU in den Jahren bis 1950 praktisch nur auf Landesebene. Im Parlamentarischen Rat ebenso wie im Wahlkampf zum ersten Bundestag präsentierte man sich eher als ein Interessenbündnis verschiedener Landes- und Standesvertreter, das allerdings so gut funktionierte, dass – erst Recht nach erfolgter Regierungsübernahme – eine bundesweite Organisation zwingend notwendig wurde. Behindert wurde sie sowohl von der Länderebene her, wo die regionalen Parteiführer eine Beschränkung ihres Einflusses befürchteten, aber auch von Adenauer, der bis dahin durch Ausbalancieren der verschiedenen Interessen, durch ein hohes Maß an Integrationskraft, aber auch durch das Gegeneinanderausspielen der „Landesfürsten“ zur eindeutigen Leitfigur auf Bundesebene aufgestiegen war und nun der Etablierung von Bundesgremien ebenfalls mit gemischten Gefühlen entgegensah465. In der Konferenz der Landesvorsitzenden – bezeichnenderweise von Konrad Adenauer in Konkurrenz zu einer bis dahin bestehenden „Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU“ ins Leben gerufen – wurde schließlich am 11. Mai 1950 die „Christlich-Demokratische Union als Gesamtpartei Deutschlands“ gegründet und Adenauer zum vorläufigen Vorsitzenden gewählt466. Auf dem ersten Bundesparteitag vom 20. bis 22. Oktober in Goslar erfolgte die Verabschiedung einer 462 Vgl. Art. „Scharfe Kritik an der christlich-demokratischen Kulturpolitik“ (FAZ, 26. 10. 1959). Vgl. auch unten S. 511f. 463 G. PICHT, Bildungskatastrophe; R. DAHRENDORF, Bildung. 464 Vgl. P. LUNDGREEN, Sozialgeschichte, S. 27f. 465 Zur Frühgeschichte der CDU vgl. W. BECKER, CDU und CSU; DERS., Neubeginn; F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, bes. S. 21–109 u. 237f.; H.-P. SCHWARZ, Adenauer, Bd. 1, S. 477–518. 466 Vgl. F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 238; ADENAUER: „ES MUSSTE ALLES NEU GEMACHT WERDEN.“, Einleitung, S. VIII.

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Parteisatzung, in der neben dem Bundesparteitag der Bundesvorstand und ein Bundesparteiausschuss467 als neue Parteiinstanzen vorgesehen waren. Dem Vorstand sollten nach § 9 der Satzung zunächst der Vorsitzende, seine beiden Stellvertreter, ein geschäftsführendes Mitglied, der Schatzmeister und zehn weitere Mitglieder angehören, für letztere zehn sollte auch je ein Stellvertreter gewählt werden468. War der Vorstand ursprünglich als „ein kleines und schlagkräftiges Gremium geplant worden“469, litt er schon bald darunter, zunehmend nach Proporz besetzt und vor allem dauernd vergrößert zu werden. Auch hier stand die konfessionelle Ausgewogenheit im Vordergrund, erschwerend kamen aber noch hinzu die Wünsche der Länder und der Parteigruppen, die alle vertreten sein wollten. 1953 beschloss der Hamburger Parteitag deshalb eine Satzungsänderung, nach der nun auch die siebzehn Landesvorsitzenden dem Vorstand angehören sollten470. Daneben gab es je und je gute Gründe, wichtige Amtsträger hinzuzuziehen, beispielsweise diejenigen Ministerpräsidenten, die nicht zugleich Landesvorsitzende waren, oder die Vorsitzenden der Parteivereinigungen (Frauenausschüsse, Sozialausschüsse, Kommunalpolitische Vereinigung, Junge Union). Bis zur erneuten Satzungsänderung im Jahre 1956, durch die man die bis dahin weitgehend eigenmächtig vollzogenen Vergrößerungen des Gremiums offiziell machte, war der Vorstand damit auf 49 ordentliche Mitglieder angewachsen, zu den Sitzungen eingeladen wurden aber noch deutlich mehr, schließlich bis zu 80 Personen471. Die Vergrößerung des Vorstands verlieh ihm zwar innerparteilich mehr Gewicht, gehörten doch nun beinahe alle Funktionsträger auf Bundesebene und die wichtigsten auf Landesebene dazu, führte jedoch andererseits zu einer kaum zu verkennenden Schwerfälligkeit. Die Regelmäßigkeit der Treffen litt ebenso wie Möglichkeit, sich möglichst reaktionsschnell zu bestimmten Vorkommnissen zu besprechen472. Gab es in der ersten Legislaturperiode noch 26 Sitzungen 467 Zum Parteiausschuss, der von den Ländern beschickt wurde und bis 1959 auf 213 Mitglieder anwuchs, vgl. F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 244ff. 468 Vgl. ADENAUER: „ES MUSSTE ALLES NEU GEMACHT WERDEN.“, Einleitung, S. XI. 469 F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 246. 470 Vgl. ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, Einleitung, S. XXIII. 471 Vgl. EBD., S. XXIIIf. 472 Während Günter Buchstab in ADENAUER: „ES MUSSTE ALLES NEU GEMACHT WERDEN.“, Einleitung, S. XV, die innerparteiliche Gewichtszunahme hervorhebt, verweist F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 247, vor allem auf die negativen Folgen. Übrigens sah auch Adenauer selbst die Größe des Gremiums durchaus kritisch. Er äußerte sich vor dem Stuttgarter Parteitag von 1956 in der Diskussion um einen einzurichtenden „engeren Vorstand“: „Ich muß noch folgendes hinzufügen: Der Vorstand selbst ist – Sie sehen es hier – reichlich groß. Man kann ihn nicht alle 14 Tage einladen, weil erfahrungsgemäß dann der größte Teil der Herren einfach wegbleibt. Es hat sich aber die Notwendigkeit herausgestellt, ein Gremium zu schaffen – nennen wir es mal engerer Vorstand von 10 bis 15 Mitgliedern –, das oft und schnell zusammentreten kann, weil die politische Situation bis zur nächsten Bundestagswahl so sein

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(und das lediglich im Zeitraum von Dezember 1950 bis Juli 1953), traf man sich in den vollen vier Jahren der darauffolgenden Legislaturperioden nur noch zu 20 (1953–1957 und 1961–1965) bzw. 22 (1957–1961) Sitzungen, im Schnitt also nur alle zwei bis drei Monate473. Ein Entscheidungszentrum, gar ein politischer Machtfaktor konnte der Bundesvorstand im Vergleich etwa mit dem Kabinett oder der Fraktion somit kaum sein474. Er diente eher der gegenseitigen Information und Abstimmung zwischen der engeren Führungsriege um Adenauer und den „Multiplikatoren“ der Partei, wobei es ein deutliches Informationsgefälle zugunsten Adenauers gab. Dieser Austausch konnte durchaus kontrovers verlaufen, wurde in der Regel aber von Adenauer beherrscht. Hierzu trugen seine einleitenden Berichte zur Lage wesentlich bei, gaben sie doch Themenstellung und Akzentuierung bereits vor und beruhten zum Teil auf Informationen, die den übrigen Teilnehmern nicht zugänglich waren475. Daneben gelang es Adenauer, bisweilen aufkommende Kritik durch humorige Bemerkungen, aber auch durch die direkte Ansprache einzelner Kritiker, die sich daraufhin dem Zwang ausgesetzt sahen, ihre Meinung gegen ihn zu verteidigen, niederzuhalten. War absehbar, dass er damit keinen Erfolg haben würde, konnte er die weitere Diskussion auch einfach abbrechen, oder es zu einer solchen gar nicht erst kommen lassen: Während der Debatte um die Präsidentschaftsnachfolge im Jahr 1959, in der er seine angekündigte eigene Kandidatur nach kurzer Zeit wieder zurückzog, weil es ihm nicht gelang, Ludwig Erhard als Nachfolger im Kanzleramt auszuschließen, und ihm die geringen Befugnisse des Präsidenten wohl erst verspätet klar geworden waren, wurde der Vorstand zwischen 11. März und 16. September gar nicht zusammengerufen476. Osterloh wurde auf dem sechsten Bundesparteitag der CDU in Stuttgart am 16. Mai 1956 als eines der „zehn weiteren Mitglieder“ in den Bundesvorstand gewählt. Er war damit neben Kai-Uwe von Hassel, der zum stellvertretenden Parteivorsitzenden aufgerückt war, und Gerhard Stoltenberg als dem Bundes-

wird, daß die Wahl nicht gut genug vorbereitet werden kann“ (ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS S. 908). Die Anzahl der Sitzungen ist den einzelnen in diesem Abschnitt angeführten Protokollbänden zu entnehmen. Vgl. auch F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 247. 474 Vgl. EBD. 475 Vgl. EBD., S. 249; ADENAUER: „ES MUSSTE ALLES NEU GEMACHT WERDEN.“, Einleitung, S. XXIIf. 476 Vgl. die Übersicht der Sitzungen in: ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN.“, Einleitung, S. XXVII. Zur Präsidentschaftskrise, die in vielen Darstellungen den Anfang vom Ende der Ära Adenauer markiert, vgl. K. ADENAUER, Erinnerungen, Bd. 6, S. 217–285 (mit vielen Dokumenten); H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Epochenwechsel, S. 177–192; DERS., Adenauer, Bd. 2, S. 502–526; H. KÖHLER, Adenauer, Bd. 2, S. 468–492; V. HENTSCHEL, Ludwig Erhard, S. 326–346; M. GÖRTEMAKER, Geschichte, S. 365–370; R. MORSEY, Bundesrepublik, S. 74f.; K. ADENAUER/T. HEUSS, Unter vier Augen, S. 290–309.

GESCHAFFEN.“, 473

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vorsitzenden der „Jungen Union“ der dritte Vertreter Schleswig-Holsteins im Gremium477. Bei seiner schnellen Wahl in den Vorstand – er war noch nicht einmal zwei Jahre Mitglied der CDU – dürfte sein ausgewiesen protestantisches Profil eine gewichtige Rolle gespielt haben478. Überblickt man Osterlohs Rolle im Bundesvorstand der CDU über die folgenden acht Jahre hinweg, stellt sich schnell die Frage, ob er wirklich ein geeigneter Kandidat für diese Art von Gremium war, in dem es nicht primär darum ging, konstruktiv und ergebnisoffen um die Sache zu diskutieren. Seinem „Antrittsbesuch“ am 12. Juli 1956, bei dem er sich am Gespräch nicht beteiligte, obwohl oder vielleicht gerade weil von Hassel auf seine Rolle in Schleswig-Holstein Bezug nahm479, folgten in den nächsten acht Monaten drei Sitzungen, an denen Osterloh entweder nicht teilnahm oder nicht das Wort ergriff480. Erst am 11. Mai 1957, als der Vorstand wegen des am darauffolgenden Tag beginnenden Parteitages der CDU in Hamburg tagte, beteiligte er sich erstmals am Gespräch. Die Krise im Jahr 1956 war für die CDU überwunden, alle Indikatoren deuteten auf einen Wahlsieg hin481. Doch nun stand man vor dem Problem, wie auf dem Parteitag mit dem Göttinger Aufruf gegen die Atombewaffnung vom 12. April 1957482 und insbesondere mit Albert

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Vgl. ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, Einleitung, S. XXVf. Ein Hinweis darauf findet sich in den Ausführungen von Hassels, die dieser am 12. 7. 1956 in der Diskussion des Bundesvorstands über den vorzubereitenden Bundestagswahlkampf und die Lage innerhalb des evangelischen Bevölkerungsteils vortrug: Er teilte nicht „den Pessimismus hinsichtlich der Lage im evangelischen Raum“, wenn es gelänge, „im norddeutschen Raum eine Reihe von Persönlichkeiten herauszustellen, die das Vertrauen der evangelischen Wählerschaft“ besäßen. Nach Nennung Osterlohs, dem er damit eine „Vorzeigefunktion“ zuteil werden ließ, ergänzte er: „Wenn wir ein halbes Dutzend Männer zu denen hinzubringen, die wir schon im evangelischen Raum haben, die auch innerhalb der evangelischen Gemeinschaft Ansehen genießen, dann wird es uns gelingen, diese Schwierigkeiten zu überwinden“ (ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, S. 942f.). 479 Vgl. EBD., S. 920f. 480 Nur für die Sitzungen vom 20. 9. 1956 und 7. 2. 1957 sind Entschuldigungen Osterlohs im Protokoll vermerkt (vgl. ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, S. 1014, 1181). Jedoch sind nicht in allen Protokollen, an deren Beginn jeweils eine Sprecherliste steht, Entschuldigungen überhaupt vermerkt, so dass aus der ansonsten verdienstvollen Edition Günter Buchstabs leider nicht hervorgeht, wer an welchen Sitzungen teilgenommen hat, wenn er dort nicht auch gesprochen hat. 481 1956 hatte die Union besonders in den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gegenüber der SPD an Boden verloren, die im Vergleich zur vorherigen Kommunal- wie zur Bundestagswahl im Schnitt über 10% zulegen konnte. Koalitionskräche mit den kleineren Partnern und ein Ansehensschwund Adenauers trugen zu einem Gefühl der Krise bei, das sich aber zum Jahreswechsel legen und in einen positiven Meinungstrend für die Union umschlagen sollte, der sie in der Bundestagswahl 1957 schließlich zur absoluten Mehrheit der Stimmen führte (vgl. EBD., Einleitung, S. XIII–XXI; H.-P. SCHWARZ, Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 312–319, 363–374; H. KÖHLER, Adenauer, Bd. 2, S. 352–386). 482 ARCHIV DER GEGENWART, 12. 4. 1957 (Sonderausgabe, S. 1925f.); vgl. PROTESTCHRONIK III, S. 1613f. 478

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Schweitzers diesen Aufruf unterstützender Stellungnahme vom 23. April483, die deutlich mehr Rückhall in der Öffentlichkeit gefunden hatte484, umzugehen sei. Osterloh unterstützte den Vorschlag Gerhard Schröders, den Professor für Chemiewirtschaft und Bundesminister für Atomfragen Siegfried Balke sprechen zu lassen485, der zuvor Verständnis für die Göttinger Professoren geäußert und damit den Unwillen Adenauers erregt hatte486. Dies sollte den in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck widerlegen, Balke verträte nicht mehr die Linie des Bundeskanzlers, und dazu beitragen, „daß jedenfalls die eine Seite der öffentlichen Meinung beruhigt wird“, denn Balke hatte „in weiten Kreisen das Ansehen des unpolitischen Wissenschaftlers, was ihm in diesem Fall sehr zugute käme“487. Weiter versprach Osterloh, zusammen mit von Hassel den Versuch zu unternehmen, den für den Parteitag als Hauptredner gewonnenen Helmut Thielicke zu einer Kürzung seiner 42 Schreibmaschinenseiten umfassenden Rede zu bewegen, war aber schon im Ansatz skeptisch, ob dies gelingen würde: „Ich kann nicht dafür garantieren, daß es mir gelingen wird. Herr Thielicke ist ein ziemlich souveräner Mann“.488 Wiederum sollten acht Monate vergehen, bis Osterloh am 17. Januar 1958 erneut in einer Sitzung das Wort ergriff, als es um die sich anbahnenden Kontakte von SPD- und Kirchenvertretern ging489. Gegen Ende der Sitzung mahnte Osterloh – ungewohnt in dieser Runde wie von ihm – mehr Unabhängigkeit in der deutschen Außen-, speziell der Deutschlandpolitik an. Vorangegangen war eine Stellungnahme Eugen Gerstenmaiers, der verlangt hatte, in Reaktion auf die ständigen Friedensangebote der Sowjetunion diese auf politisch-diplomatischem Weg an den Verhandlungstisch zu zwingen, um so die Unaufrichtigkeit

483 Schweitzer hatte in einem über Radio Oslo verbreiteten Aufruf vor der atomaren Gefahr gewarnt (vgl. PROTESTCHRONIK III, S. 1619f.). 484 Adenauer selbst hatte im Bundesvorstand der CDU festgestellt, „eine Wirkung dieser Erklärung der Wissenschaftler“ sei „nicht vorhanden“ gewesen; dies habe sich „aber schlagartig geändert durch den Aufruf von Albert Schweitzer“ (ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, S. 1224). Robert Jungk schrieb später, durch Albert Schweitzer sei „die Flamme der Anti-Atom-Bewegung“ als eine „wahrhaft weltumfassende Bewegung“ entfacht worden (PROTESTCHRONIK III, S. 1619). Zur weiteren Diskussion vgl. unten S. 518–526. 485 Vgl. ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, S. 1239. 486 Vgl. P. WEBER, Art. „Balke, Siegfried“, S. 114f. 487 ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, S. 1239. Auf ihre Weise kamen Schröder und Osterloh ihrem Anliegen nach, indem sie in der von ihnen gemeinsam herausgegebenen „Evangelischen Verantwortung“ eine Beilage „Dokumente zur Atomdebatte“ veröffentlichten, in der sich Wissenschaftler zustimmend zum Kurs der CDU bzw. kritisch zum Appell der Göttinger Professoren äußerten (Beilage zu: EvV 5, 1957, Nr. 8). 488 Vgl. ADENAUER: „WIR HABEN WIRKLICH ETWAS GESCHAFFEN.“, S. 1243f., Zitat: S. 1244. 489 Vgl. unten S. 518ff.

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dieser Angebote zu erweisen490. Osterloh unterstützte diesen Vorschlag: „[I]ch würde es begrüßen, wenn wir stärker als bisher uns gegen die Verdächtigung wehren könnten, als ob unsere Außenpolitik, insbesondere hinsichtlich der Wiedervereinigung, insgesamt in Amerika gemacht würde.“491 Er präzisierte, indem er nach der Möglichkeit einer Absprache mit den Verbündeten fragte, die es erlaubt hätte, „ein wenig beweglicher zu erscheinen, als wir es […] realpolitisch sein können“. Weiter erklärte er: „Ich würde es nicht für verboten halten, eine klare Linie in der Politik festzuhalten, damit nicht der Eindruck entsteht, als ob wir nur hypothetische Vorschläge machten.“492 Auf diese Kritik reagierte Adenauer direkt: „Ich muß aufrichtig gestehen, ich bin etwas erstaunt.“ Dann wies er Osterloh zurecht: „Wenn Sie, Herr Osterloh – das ist vielleicht in Ihren Augen etwas vermessen, was ich jetzt sage –, erklärten, die amerikanische Politik werde zum Teil von hier aus gesteuert, dann kämen Sie der Sache näher!“ Schließlich zitierte er ausführlich aus einer eigenen Radioansprache, schloss mit dem Ausspruch: „Ich weiß nicht, ich finde es schön!“ und erntete damit einmal mehr vom Protokoll vermerkte „Heiterkeit“493. Bis zur nächsten Sitzung, in der eine Äußerung Osterlohs protokolliert wurde, sollten nun über zwei Jahre vergehen, in denen Osterloh im Vorstand lediglich zweimal kritisch erwähnt wurde: Am 16. September 1959 durfte er sich persönlich das Missfallen des Bundeskanzlers über seinen Auftritt auf dem Münchener Evangelischen Kirchentag anhören494, am 9. November 1959 zog in seiner Abwesenheit Gerstenmaier über seine Rede zur Kulturpolitik der CDU her, die er am 24. Oktober des Jahres auf einer kulturpolitischen Landestagung der hessischen CDU gehalten hatte und in der er die Kulturpolitik der eigenen Partei, insbesondere Adenauers Fernsehpläne zur Schaffung eines überregionalen zweiten Programms unter entscheidendem Einfluss des Bundes kritisiert und als Eingriff in die Kulturhoheit der Länder gewertet hatte495. Während Gerstenmaier recht scharfe Worte zum Missklang zwischen Bundes- und Länderpolitik fand496, zeigte sich Adenauer diesmal erstaunlich milde, wies auf die föderale Struktur des Landes hin und ordnete die Evangelischen Osterloh und Gerstenmaier – sicher nicht zu dessen Freude – zusammen: „Sie haben von Ihrem [sic!] Kultusminister

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Vgl. ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN.“, S. 96f. EBD., S. 101. 492 EBD. 493 EBD., S. 101f. 494 Vgl. dazu unten S. 531f. 495 Vgl. Art. „Scharfe Kritik an der christlich-demokratischen Kulturpolitik“ (FAZ, 26. 10. 1959). Vgl. auch unten S. 511f. 496 „Jetzt sollte endlich Feierabend sein!“; „Das geht nicht mehr. Das ist völlig ausgeschlossen.“ (ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN.“, S. 477). 491

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gesprochen. Mir ging es genauso wie Ihnen. Aber Sie sehen, wenn man wegen eines Fernsehkanals den Mund auftut, wird man totgeschlagen, indem gesagt wird, das ist Kultur. Es ist lächerlich zu sagen: Das ist Kultur!“497 Am 29. Januar 1960 schließlich meldete Osterloh sich wieder selbst zu Wort und plädierte – schon mit Blick auf die Bundestagswahl 1961 – dafür, auf mehreren Politikfeldern ein einheitlicheres Bild der Union zu schaffen, denn es komme bei dieser Wahl „auf Propaganda und auf Schaumschlagen an“498. Im Einzelnen nannte er die Wirtschaftspolitik499 und die Kulturpolitik. Die Relevanz der Letzteren für das Wahlergebnis schränkte er zwar selbst ein, wies aber auf „Einbrüche […] bei sogenannten Intellektuellen“ hin, die auch als „kleine Minderheit“ zu beachten seien, weil sie „meinungsbildend“ seien500. Konkret monierte er den Antrag seines Berliner Amtskollegen Tiburtius zur Bildung eines Bundeskultusministeriums. Er erinnerte daran, dass er selbst „aus wahltaktischen Gründen diesen Versuchsballon“ zwei Jahre zuvor in Norddeutschland habe steigen lassen, fragte Gerhard Schröder nach dem Bestehen solcher Pläne und bezeichnete nach dessen Verneinung den Antrag aus Berlin als „Verwirrung für die Wählerschaft“. Im kommenden Wahlkampf, in dem die SPD versuchen werde, „auch auf dem Gebiete der Kulturpolitik […] Propaganda gegen uns zu machen“, könne dies nur schaden501. Eine Fehlprognose gab er hinsichtlich der anstehenden Wahl eines Nachfolgers für den EKD-Ratsvorsitzenden Dibelius ab. Befürchtungen, auf Dibelius, der sein Ausscheiden aus dem Amt für Mitte 1961 angekündigt hatte, würde ein der CDU nicht ähnlich verbundener Kandidat folgen, versuchte Osterloh zu zerstreuen, indem er seiner Meinung Ausdruck verlieh, als Nachfolger kämen nur Hanns Lilje oder Martin Haug in Frage, mithin zwei Bischöfe, „die uns immer gewählt haben und die immer unterderhand für uns Propaganda, auch unter ihren Pfarrern, gemacht haben“502. Der für 1960 geplante kulturpolitische Kongress der CDU führte schließlich in der Sitzung vom 23. Mai 1960 zu den bei weitem umfangreichsten Äuße497 EBD., S. 481. Zum „Fernsehstreit“, der Adenauer aufgrund des Widerstands auch der CDU-geführten Länder eine herbe innenpolitische Niederlage bescherte, die am 28. 2. 1961 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts besiegelt wurde, das dem Bund das Betreiben eines allein in seiner Hand befindlichen Senders untersagte, vgl. H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Epochenwechsel, S. 167ff. 498 ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN.“, S. 609. 499 Hier trat er als „Nichtfachmann“ dafür ein, lieber „an wenigen Beispielen Preissenkungen durchzuführen“, um den Wählern „glaubhaft zu machen, wir sind die Partei der Währungs- und Preisstabilität“, als „mit irgendeinem Versprechungsgeschenk“ vor die Wähler zu treten, „das wir auch noch im nächsten Jahre machen können“ (EBD.). 500 EBD., S. 609f. 501 EBD., S. 610. 502 EBD., S. 610f. Osterloh konnte bei seiner Prognose die Zuspitzung der politischen Situation in der DDR, die schließlich zur Wahl des Präses Scharf führten, nicht vorausahnen, zumal Lilje bis in die dritte Abstimmung hinein ein stark unterstützter Kandidat blieb (vgl. KJ 88, 1961, S. 18f.).

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rungen Osterlohs im Bundesvorstand, war es doch auch das erste Mal, dass dort überhaupt intensiv über Kulturpolitik debattiert wurde503. Eingangs hatte Adenauer sein Unbehagen gegen die Bezeichnung „kulturpolitisch“ angemeldet und seiner Vorstellung Ausdruck verliehen, dass es bei diesem Kongress darum gehen solle, „wie wir in einer Zeit, in der die Wirtschaft immer mehr technisiert wird […] der jungen Generation soviel an Wissen, Können und Erziehung vermitteln können, daß damit die Kenntnisse und der Arbeitswille […] im deutschen Volk gefördert werden und erhalten bleiben“504. Auf die Elternhäuser, die eine zunehmende Zahl von Schlüsselkindern hervorbrächten, sei in dieser Frage kein Verlass mehr505. „Also nicht die Kulturpolitik, sondern dieses Arbeitsproblem, die Heranbildung der Jugend zu tüchtigen Leuten, das soll das Hauptthema sein!“506 Dies alles sei aber keine Frage der akademischen Intelligenz und daher auch nicht von den Hochschulen zu lösen: „Ich bin weiter der Auffassung, daß man, bevor man alle Gelder in die Hochschule steckt, zunächst einmal unten anfangen soll bei den Volksschulen, den Berufsschulen und den mittleren Schulen.“507 Gerhard Stoltenberg vertrat in seinem Votum den gegenteiligen Ansatz eines klassischen kulturpolitischen Kongresses, der Stellung nehmen sollte zur Situation des allgemeinbildenden Schulwesens, zum materiellen und organisatorischen Ausbau der Hochschulen sowie zur grundsätzlichen Auseinandersetzung mit liberalistischen und sozialistischen Bildungsideen. Damit sollten die Fragen gerade der intellektuellen Meinungsführer beantwortet werden, wie denn die CDU zu diesen Themen stehe, die in der damaligen Öffentlichkeit weitgehend von SPD und FDP besetzt waren508. Osterloh schloss sich zunächst dem Votum Stoltenbergs an, wollte zwar ebenso wie Adenauer keine einseitige Festlegung auf die Hochschulproblematik, diese aber auch nicht übergehen, zumal er – aus der schleswig-holsteinischen Perspektive – das Volks- und gerade auch das Mittelschulwesen nicht annähernd so schlecht geredet wissen wollte, wie Adenauer es zuvor getan hatte. Osterloh wollte dezidiert einen „kulturpolitischen Kongreß der CDU riskieren“, an dessen Vorbereitung ein Kreis von Vertretern aller Länder beteiligt sein sollte. Er wollte das Schwergewicht auf die „Ingenieurschulen und die mittlere Ebene des technischen Nachwuchses“ legen und die Hochschulen ebenso wenig ausklammern wie allgemeine Kultur- und Bildungsfragen, zu denen er anmahnte, dass die 503

Vgl. das Votum Gerstenmaiers: „Wir führen zum erstenmal in diesem Kreis eine Debatte über ein solches Thema“ (ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN.“, S. 683). 504 EBD., S. 676. 505 Vgl. EBD., S. 677. 506 EBD. 507 EBD. 508 Vgl. EBD., S. 678.

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Union in der Auseinandersetzung mit SPD und FDP nicht den Fehler machen dürfe, „das ‚Christliche‘ antifreiheitlich aus[zu]drücken“. Gerade im Norden müsse die Partei sich „schützen vor der Möglichkeit, daß wir verdächtigt werden als Kämpfer für die Konfessionalisierung“509. Auf den erneuten Einwand Adenauers, es ginge ihm vor allem um die kleinen und mittleren Leute, um das Handwerk, das keine Gesellen mehr hätte, die rechnen können510, versuchte von Hassel zu vermitteln. Er erinnerte daran, dass der 9. Parteitag in Karlsruhe beschlossen habe, „eine Bundestagung zu veranstalten, deren Thema die Kulturpolitik der Christlich-Demokratischen Union ist“, und versuchte offenbar, die Diskussion dadurch zu beenden, dass er die Einsetzung eines vorbereitenden Ausschusses anregte, dem unter anderem Gerstenmaier und Osterloh angehören sollten511. Gerstenmaier wiederum zog die Diskussion erneut ins Grundsätzliche, indem er Adenauers Position ausdeutete als „interessante Antithese zur sozialistischen Kulturpolitik“512, um daraufhin die christliche „Weltanschauungspartei“ CDU der SPD mit ihrem „kultivierten“ Bildungsglauben, der inzwischen an die Stelle der revolutionären Parolen getreten sei, gegenüberzustellen513. Kein Wunder, dass Adenauer diesmal Gerstenmaier zustimmte; Osterloh aber beharrte auf seiner abweichenden Prioritätensetzung: „Mein Plädoyer läuft darauf hin, das zu tun, was Ihnen vorschwebt, aber doch das andere nicht fallenzulassen, […] nämlich den Bereich der Hochschule und das Problem der Weltanschauungspartei.“514 Den Gedanken, auch die „intellektuelle“ Seite der Kulturpolitik auf dem in Aussicht genommenen Kongress zur Geltung kommen zu lassen, unterstützte Gerstenmaier nun nachdrücklich. Er bezeichnete es zwar nach wie vor als „völlig falsch, eine Kulturpolitik nur auf die Förderung der Intellektuellen zu stützen“, hielt Adenauer aber vor, man könne andererseits auch „nicht die geistige Führungsschicht der Nation der SPD überlassen“ und nicht „den Eindruck aufkommen lassen […], als ob die SPD die Partei des Geistes sei“515. Adenauer jedoch blieb dabei, es handle sich „bei dem ganzen Gedanken nur um eine Erziehungsaufgabe zur Arbeit“516, und wollte im Vorbereitungsgremium „möglichst wenig Kultusminister drinhaben“, „viel lieber einen Wirtschaftsminister“517. Gegen die abschließende Terminfestlegung

509

Vgl. EBD., S. 679ff. Vgl. EBD., S. 681. 511 Vgl. EBD., S. 682. 512 EBD., S. 683. 513 Vgl. EBD., S. 683–686. 514 EBD., S. 689. 515 EBD., S. 692. 516 EBD., S. 693. 517 EBD., S. 694. 510

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auf Ende November protestierte Osterloh mit dem Argument, man könne „keinen Zeitpunkt festlegen, bevor man nicht weiß, welche Themen dort behandelt werden“, konnte sich aber damit in der des Themas offenbar überdrüssigen Runde kein Gehör mehr verschaffen518. Erst im November 1962 ergriff Osterloh noch einmal und damit auch zum letzten Mal das Wort im Bundesvorstand und unterstützte in der Sache Adenauers Sicht über die im Rahmen der „Spiegel“-Affäre erfolgte Festsetzung von Conrad Ahlers in Spanien519, während er die Informationspolitik von Franz Josef Strauß kritisierte. Er vergaß jedoch nicht anzufügen: „Aber ich bin Nichtjurist; das möchte ich noch dazu sagen.“520 Im Ganzen wird man Osterlohs Auftreten im Bundesvorstand in mancherlei Hinsicht als symptomatisch für den Zustand des Gremiums insgesamt ansehen können. In Diskussionen ging es nicht um einen freien Austausch gleichberechtigter Meinungen, die im Idealfall von mit der Materie vertrauten Spezialisten vorgebracht und dann diskutiert wurden. Nein, üblicherweise trug Adenauer seine Sicht vor, zu der die Anwesenden dann zustimmend oder ablehnend Stellung beziehen konnten, bei letzterer Möglichkeit aber darauf gefasst sein mussten, ihrerseits Gegenstand heftigster Kritik zu werden. Bei der kritischen Meinungsäußerung Osterlohs zur Außenpolitik wie bei seiner Ablehnung der Fernsehpläne Adenauers oder seinem zu kollegialen Austausch mit Fritz Erler auf dem Münchener Kirchentag konnte es kaum überraschen, dass er sich damit Zurechtweisungen Adenauers zuzog. Es musste aber doch zu denken geben und ihn ernsthaft treffen, dass Adenauer sich offenbar auch in den Curricula der Volks- und Mittelschulen für kompetenter wähnte als ein Kultusminister, dass er besser zu wissen glaubte, was kulturpolitisch notwendig war und was nicht, dass er über den Wissenstand der Schulabgänger besser informiert sein wollte als ein Fachminister. Kein Wunder, dass Osterloh seine Wortmeldungen im Bun518 EBD., S. 697. Die Ideen Adenauers hatten dann aber mit dem Programm des Gelsenkirchener Kulturpolitischen Kongresses – auch in der Namensgebung hatten sich die Kritiker durchgesetzt – nichts mehr gemein. Er stand unter dem Generalthema „Erziehung – Bildung – Ausbildung“, und die Grundsatzreferate zu den Themen „Freiheit – wozu?“ (Eugen Gerstenmaier) und „Christentum – Humanismus – Neue Zeit“ (Bernhard Hanssler, Direktor des Zentralausschusses Deutscher Katholiken) deuten schon an, dass Adenauer sich mit seinem Wunsch nach einer starken Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Wirtschaft hin nicht durchsetzen konnte (vgl. EvW 14, 1960, S. 742ff.). 519 Adenauer hatte zuvor ausgeführt, Ahlers sei mit Material im Ausland gewesen, während der Verlag vorzeitig benachrichtigt und Beweismaterial vernichtet worden sei, und daraus geschlussfolgert: „Nun sage ich Ihnen in aller Offenheit, ob der Ahlers nun in Frankfurt verhaftet oder in Spanien festgehalten wird, das ist gehüpft wie gesprungen. Ich bin froh, daß er zur Stelle ist. Wenn er unschuldig ist, kann er das nachweisen [sic !], und wenn er nicht unschuldig ist, dann muß er bestraft werden“ (ADENAUER: „STETIGKEIT IN DER POLITIK“, S. 299). Zur „Spiegel“-Affäre vgl. D. Schoenbaum, Abgrund; H.-P. SCHWARZ, Die Ära Adenauer. Epochenwechsel, S. 261–273; M. GÖRTEMAKER, Geschichte, S. 381–386. 520 ADENAUER: „STETIGKEIT IN DER POLITIK“, S. 299.

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desvorstand, mit denen er sich in der Regel im Gegensatz zu Adenauer befand, auf ein Minimum reduzierte.

7.4.3 Der EAK und die „Evangelische Verantwortung“ seit 1956 Nach dem frühen Verlust von Hermann Ehlers versetzte der Tod seines unumstrittenen Nachfolgers an der Spitze des EAK, Robert Tillmanns, dem Arbeitskreis nur ein gutes Jahr später einen Schlag, von dem er sich im Grunde nie richtig erholt hat. Die Lücke, die beide hinterließen, lässt sich schon an einer vergleichsweise belanglosen Äußerlichkeit ablesen, der Herausgeberschaft der „Evangelischen Verantwortung“. Wanderte sie nach dem Tod von Hermann Ehlers, der sie ursprünglich zusammen mit Robert Tillmanns innehatte, ohne Diskussionen in die Hände von Tillmanns, der sie nun gemeinsam mit Oberkirchenrat Adolf Cillien versah521, änderte man sie Anfang 1956 grundsätzlich. Als Herausgeber erschienen jetzt der neue Bundesvorsitzende Gerhard Schröder und Adolf Cillien, jedoch von nun an „in Verbindung mit“ anderen Persönlichkeiten, zu Beginn unter anderem Elisabeth Schwarzhaupt und Walter Strauß, aber auch – bis zur erneuten Umstellung im Oktober 1962 – Edo Osterloh522. Die in dieser Marginalie sich andeutende Unsicherheit, ob einer (bzw. in diesem Falle zwei) allein die Lücke schließen konnte, riss auch nach der relativ schnellen Wahl des Nachfolgers von Robert Tillmanns nicht ab. Der gewählte Gerhard Schröder, bisher zwar im Vorstand des EAK, auf dessen Sitzungen aber kaum in Erscheinung getreten, hatte sich in internen Überlegungen gegen „theologisch-kirchlich“ verwurzeltere Konkurrenz durchgesetzt, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil man meinte, der Bundesvorsitzende des EAK benötige einen sicheren Rückhalt durch einen hohen politischen Posten in Bonn. Kandidaten wie Cillien und Gerstenmaier, aber auch Osterloh wurden nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Der ebenfalls gehandelte, aber für zu jung und zu weit von Bonn entfernt befundene von Hassel hatte abgesagt, so dass die Entscheidung auf den profiliertesten evangelischen Minister im Kabinett zulief, und das war Gerhard Schröder523, der seine in der Sitzung des Bundesarbeitskreises vom 1. Dezember 521

Vgl. die Titelblätter von EvV 1, 1953 – 3, 1955. Vgl. EvV 4, 1956, Nr. 2, S. 1. Vom Oktoberheft 1962 an beschränkte man sich auf die allgemeine Angabe „Herausgegeben im Auftrag des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU“ (EvV 10, 1962, Nr. 10, S. 1). 523 Vgl. Art. „Wem paßt der Mantel Ehlers’. Auf der Suche nach dem prominenten Protestanten in der CDU“ (Deutsche Zeitung, 26. 11. 1955); F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 332f.; T. OPPELLAND, Gerhard Schröder, S. 384f.; A. MARTIN/G. MEHNERT, Arbeitskreis, S. 47, 49; M. KLEIN, Protestantismus, S. 250. 522

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1955 erfolgte einstimmige Wahl nach fünf Tagen Bedenkzeit annahm524. Mit dieser Wahl aber verbanden sich Zeichen eines nachlassenden politischen Einflusses des EAK, der noch zu Zeiten von Hermann Ehlers als „Hausmacht“ des potentiellen Kanzlernachfolgers galt. Hatte Robert Tillmanns diesen Anspruch bereits nicht mehr erheben können, war er gleichwohl als stellvertretender Bundesvorsitzender, Berliner CDU-Landesvorsitzender, Bundesminister und EAKVorsitzender einer der einflussreichsten evangelischen CDU-Politiker. Schröder aber gelang es nicht, auf dem Bundesparteitag 1956 stellvertretender Parteivorsitzender zu werden, er – und damit in gewisser Weise auch der EAK – unterlag den Interessen der Landesverbände, denen neben Jakob Kaiser und Karl Arnold als „gesetzten“ katholischen Vertretern ein dritter nordrhein-westfälischer Kandidat nicht mehr abzuringen war. Evangelische Stellvertreter Adenauers wurden Gerstenmaier und von Hassel525. Der EAK musste sich in der Folgezeit trotzdem mit dem Vorwurf auseinandersetzen, mit der Wahl des Innenministers „den personalpolitischen Machtzuwachs in der Partei der programmatischen und kirchlichen Profilierung“ vorgezogen zu haben526. Unter der Überschrift „Ämterhäufung“ stellten die „Deutschen Kommentare“ fest: „Es wäre einmal zu untersuchen, ob es wirklich der Mangel an geeigneten Persönlichkeiten oder nur die Unfähigkeit der demokratischen Institutionen ist, geeignete Persönlichkeiten für den rechten Platz zu finden, der zu solchen Ämterhäufungen, vor allem aber zur Vermischung von Partei- und Staatsämtern führt.“527 Edo Osterloh hat zu allen drei von ihm erlebten Vorsitzenden des EAK ein besonderes Verhältnis gehabt: mehr noch als mit Hermann Ehlers, mit dem er seit ihrer gemeinsamen Zeit in Oldenburg bestens bekannt war und spätestens seit beider Eintreten gegen Kloppenburg im „Bischofsstreit“ wieder ein gutes Verhältnis hatte, und mit Robert Tillmanns, mit dem er immerhin so gut bekannt war, dass er die Vorlage eines Artikels für ihn schrieb, den Tillmanns daraufhin wenig verändert unter seinem eigenen Namen veröffentlichte528, verband ihn mit 524 Zwar hatte zuvor auch Schröder erklärt, nicht kandidieren zu wollen, was von Gerstenmaier zusätzlich zur angekreideten Ämterhäufung als Argument gegen ihn vorgebracht wurde, doch war dies von Osterloh dahingehend entkräftet worden, dass dies nicht automatisch heiße, Schröder werde ein ihm angetragenes Amt ablehnen (Protokoll der Sitzung [ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-002/1]). Die Einstimmigkeit der Wahl kam – Oppelland zufolge – trotzdem nur zustande, weil Cillien und Gerstenmaier zuvor die Sitzung verlassen hatten (vgl. T. OPPELLAND, Gerhard Schröder, S. 386). Die Annahme der Wahl teilte Schröder in einem Schreiben an Walter Strauß vom 6. 12. 1955 mit (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-438-055/2). 525 Parteitagsbericht: CHRISTLICH-DEMOKRATISCHE UNION DEUTSCHLANDS (Hrsg.): 6. Bundesparteitag. Vgl. T. OPPELLAND, Gerhard Schröder, S. 387ff.; M. KLEIN, Protestantismus, S. 249. 526 F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 333. 527 Deutsche Kommentare, 17. 12. 1955. 528 E. OSTERLOH, Christen (Typoskripte). Das Typoskript findet sich im Nachlass Osterlohs in einer Sammlung seiner Texte und ist – abgesehen von geringfügigen stilistischen Korrekturen und der Hin-

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Gerhard Schröder so etwas wie eine Freundschaft. Deren Anfänge sind in der gemeinsamen Bonner Zeit und dabei vermutlich vor allem im EAK zu suchen, in dem sich beide etwa zeitgleich zu engagieren begannen. So verstand es sich mit der Wahl Gerhard Schröders zum Vorsitzenden des EAK für Osterloh von selbst, in diesem Gremium eher noch mehr als bisher aktiv zu werden, zumal er selbst nunmehr dem neuen „Vorstand“ des Bundesarbeitskreises angehörte, der ebenfalls am 1. Dezember 1955 anstelle des Geschäftsführenden Ausschusses gewählt worden war529. Schon kurze Zeit nach seinem Amtsantritt in SchleswigHolstein begann er außerdem, sich des dortigen, weitgehend brachliegenden Arbeitskreises anzunehmen, zu dessen Landesvorsitzendem er Ende 1956 gewählt wurde530. Er kam in den Herausgeberkreis der „Evangelischen Verantwortung“, der er nach dem Wunsch Schröders neue Impulse geben sollte531, nahm an den Bundestagungen des EAK, die sich mehr und mehr zu den Höhepunkten der Tätigkeit des Gremiums entwickelten, regelmäßig teil und war dort häufig Referent oder Leiter einer Arbeitsgruppe. Diese Bundestagungen des EAK vereinten weiterhin prominente Namen: Auf der fünften Tagung in Berlin-Dahlem vom 11. bis 13. Oktober 1956 hielten Osterloh, Volkmar Herntrich und Ludwig Erhard die drei Hauptreferate, während Adenauer, Gerstenmaier und Schröder auf der Schlussversammlung sprachen. Osterloh hielt in der Plenarversammlung das Hauptreferat zur Schul-

zufügung von zwei einleitenden und einem Schlussabsatz – identisch mit dem Text: R. TILLMANNS, Christen (Typoskript-Text = EBD., S. 109–113). Auf der ersten Typoskript-Seite ist auf dem oberen Rand handschriftlich vermerkt: „Für Min. Dr. Tillmanns“. 529 Vgl. Protokoll dieser Sitzung des Bundesarbeitskreises (ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-002/1). Auf seine Teilnahme an den Sitzungen wirkte sich diese Wahl übrigens kaum aus. Nach seiner Wahl zum Kultusminister verzeichnen die Sitzungsprotokolle für den Rest der 1950er Jahre ganze drei Teilnahmen (vgl. EBD.). 530 Vgl. die Mitteilung an die Bundesgeschäftsstelle vom 15. 12. 1956 (ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-005/2). Bezeichnenderweise hatte sich die Gründung des dortigen EAK lange verzögert, weil zwei NS-belastete CDU-Mitglieder, der eine bis 1945 stellvertretender Direktor der Prager Reinhard-Heydrich-Stiftung und SS-Hauptsturmbannführer, der andere ehemaliger Flensburger Oberbürgermeister, die beide während der NS-Zeit aus der Kirche ausgetreten waren, um den Vorsitz stritten. Erste Konturen nahm der Landes-EAK erst an, als Martin Redeker – aufgrund seiner kirchenpolitischen Haltung zwischen 1933 und 1945 ebenfalls nicht unumstritten (vgl. oben Anm. 294) – 1954 den Vorsitz übernahm, um sich nach Osterlohs Amtsantritt mit der Position des stellvertretenden Vorsitzenden zu begnügen (vgl. F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 335 mit Anm. 283). 531 „Auf der letzten Vorstandssitzung des Evangelischen Arbeitskreises haben alle gewünscht, dass Sie sich an der künftigen Gestaltung der ‚Evangelischen Verantwortung‘ möglichst nachdrücklich beteiligen möchten. Ich bin sicher, dass Sie das bereitwillig tun werden. Mir scheint, dass wir aus den Mitteln, die für die ‚Evangelische Verantwortung‘ aufgewendet werden, mehr machen könnten, als das bisher geschehen ist. Vielleicht überlegen Sie schon einmal, was dazu im einzelnen getan werden könnte“ (Brief an Osterloh vom 19.3.1956, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1).

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und Kulturpolitik in Ost und West532. Hierin stellte er die Situation im Osten jeweils der im Westen gegenüber, wandte sich dabei natürlich eindeutig gegen die Indoktrination und den Zentralismus im Osten, merkte aber auch Kritisches zum westdeutschen Schulwesen und Kulturbetrieb an. Beide unterlägen den Gefährdungen eines übertriebenen Föderalismus, einer unbegrenzten Toleranz und eines uneingeschränkten Individualismus. Der Orientierung der östlichen Kulturpolitik an den Werken von Marx und Lenin stellte er die These entgegen, der Westen könne sich „gegenüber dieser Pseudo-Mission nur behaupten“, wenn er sich ebenfalls an einem Buch orientiere, nämlich an der Bibel mit ihrem vielgestaltigen und realistischen Menschenbild: „Wir werden Schul- und Kulturpolitik im Westen nur treiben können, wenn wir die Fähigkeit besitzen und behalten, die Grundsätze unseres Handelns immer neu uns geben zu lassen aus dem Umgang der Bibel mit uns.“533 Im nächsten Jahr war Osterloh an der im unmittelbaren Vorfeld der Bundestagswahl stattfindenden Bundestagung in Kassel vom 20. bis 22. Juni 1957 nicht direkt beteiligt534. Er hatte sich aber im April bei Gerhard Schröder dafür verwandt, das zunächst für die Tagung vorgesehene Motto „Volk – Gesellschaft – Familie“, das er für „wenig attraktiv“ und ungeeignet hielt, „evangelische Wähler im Sinne der CDU zu beeinflussen“, abzuändern in: „Unsere deutschen Parteien heute – was sie sagen und was sie tun – im Urteil des evangelischen Christen“535. Vielleicht erschien dies zu sehr am beginnenden Wahlkampf orientiert, jedenfalls tagte der Arbeitskreis schließlich unter dem Generalthema: „Evangelische Verantwortung heute“. Die gleichnamige Schlusserklärung ist von Osterloh mitunterzeichnet; den Wahlparolen anderer Parteien zum Trotz, nach denen die CDU eine katholische Partei sei, wurde in ihr behauptet: „Die Union ist Wirklichkeit!“, und der evangelische Wähler wurde aufgefordert, CDU/CSU zu wählen, um die Fortsetzung dieses erfolgreichen Modells der Zusammenarbeit zu gewährleisten536. Die 7. Bundestagung des EAK am 6. und 7. Juni 1958 in Essen stand ganz im Zeichen der großen Schlagworte, um die sich die Bundestagsrede Heinemanns vom 23. Januar 1958 gedreht hatte: „Wiedervereinigung – Verteidigung – Euro-

532

E. OSTERLOH, Grundsätze (1957). Die „Leitgedanken“ des Referats finden sich auch in einem vierseitigen Typoskript, das – mit dem Vermerk „Gesperrt bis 12. 10. 1956, 9.30 Uhr“ versehen – offenbar der Unterrichtung der Presse diente (ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-010/2). Vgl. den Bericht über die Arbeitsgruppe von Hellmut Lauffs (EvV 4, 1956, Nr. 10, S. 4f.) sowie die Berichterstattung in EvW 10, 1956, S. 630. 533 E. OSTERLOH, Grundsätze (1957), S. 9. 534 Programm: EvV 5, 1957, Nr. 6, S. 2f. 535 Brief vom 25. 4. 1957, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-053/3. 536 Abdruck samt Unterzeichnerliste: EvV 5, 1957, Nr. 8, S. 1ff.

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pa“537. Schon das nächste auf diese Rede folgende Heft der „Evangelischen Verantwortung“ hatte sich ausschließlich mit der Heinemann-Rede befasst538, und neben vielen anderen hatte auch Osterloh eine Entgegnung beigetragen539. Das vom Thema her zu Osterloh besonders passende Referat „Theologische Fragen zur Verteidigung“ übernahm Wilhelm Halfmann540. Osterloh hielt sich auch diesmal aus der aktiven Gestaltung der Tagung heraus, wie man in diesen Jahren überhaupt den Eindruck bekommt, dass er sich vor anstehenden Wahlkämpfen, in denen er in der Regel stark beansprucht wurde541, durch eine etwas weniger intensive Mitarbeit im EAK Entlastung zu verschaffen suchte. Daneben spielte der Gedanke eine Rolle, auf der Essener Tagung kurz vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen (6. Juli 1958) einheimische Redner „unter dem Gesichtspunkt ihrer vermutlichen Wirkung auf die evangelischen Wähler“ auszusuchen, wie Osterloh es selbst in einem Brief an Gerhard Schröder formulierte542. Im Jahr der „Präsidentschaftskrise“ 1959 fand keine Bundestagung des EAK statt. Mit besonderer Intensität widmete Osterloh sich der am 1. und 2. April 1960 in Mannheim stattfindenden achten Bundestagung unter dem Gesamtthema „Der Einzelne und die Gesellschaft heute“543, in deren vorbereitende Programmkommission ihn der Bundesvorstand des EAK gewählt hatte544. Er hielt zwar selbst kein Hauptreferat, leitete auch keine Arbeitsgruppe, sondern nahm lediglich an einer teil545, war aber unter den Rednern der Schlusskundgebung vom 2. April 1960. In seiner Ansprache zur Rolle des Vaterlands in der politischen Verantwortung evangelischer Christen546 nannte er das „Bekenntnis 537

Programm: EvV 6, 1958, Nr. 5, S. 2. EvV 6, 1958, Nr. 2/3. 539 E. OSTERLOH, Christus (1958). Andere Verfasser waren u. a. Gerhard Schröder, Eugen Gerstenmaier, Bischof Wilhelm Halfmann, Elisabeth Schwarzhaupt und Hellmut Lauffs. Auch Osterlohs fachkompetenter Abriss über die Bedeutung des Opfertodes Jesu für alle Menschen und damit auch für Karl Marx, von denen er die christlich zu vertretende Ansicht über Werk und Lehre desselben aber strikt abgehoben wissen wollte (EBD.), konnte wie das ganze Heft kaum darüber hinwegtäuschen, dass es sich zwar um eine geballte und wohl auch berechtigte Zurückweisung der Heinemannschen Überlegungen handelte, diese aber zweifelsohne zu spät kam. Dies nicht nur, weil sich die Herausgabe des Heftes auch noch verzögert hatte (vgl. Brief Schröders an Osterloh vom 25. 2. 1958 [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1]): In der Debatte selbst hatte es der Union an einer kompetenten Antwort gemangelt. 540 Abdruck: EvV 6, 1958, Nr. 6, S. 8–13. 541 Vgl. oben S. 449f., 452f. 542 Brief vom 3. 3. 1958 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1). 543 Programm: EvV 8, 1960, Nr. 2, [S. 6f.]. 544 Vgl. das Protokoll der Bundesvorstandssitzung des EAK vom 17. 9. 1959 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-055/2). 545 Osterlohs Name findet sich auf der Teilnehmerliste zur Arbeitsgruppe IV, „Die soziale Ordnung in unserer Gesellschaft“ (ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-012/2). 546 E. OSTERLOH, Vaterland (1960). 538

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zum Vaterland“ einen „Ausdruck christlicher Dankbarkeit und mannhafter Demut“, über die bestehende Trennung und die „schwarzen Schatten teuflischer Gespenster wie Hitler, Himmler und Goebbels“ hinweg, die wieder vertrieben würden „von den guten Geistern und großen Gestalten der deutschen Geschichte“547. In der auf seinen Antrag hin angenommenen Entschließung wurde die „bewährte“ politische Zusammenarbeit zwischen beiden Konfessionen in der Union betont548. Anlässlich dieser Tagung machte Ernst-Otto Maetzke die wohl zutreffende Beobachtung, das Nachlassen der großen innerprotestantischen Auseinandersetzungen, die in Mannheim kaum noch eine Rolle gespielt hatten, habe die Position der Evangelischen in der Union nicht gerade gestärkt, zumal die Katholiken nach wie vor die Befürchtung hegten, auf die Protestanten sei bei Wahlen „kein Verlaß“549. Auf der nächsten Bundestagung vom 1. bis 3. Juni 1961 in Hamburg kam endgültig zum Vorschein, dass es verschiedene Meinungen darüber gab, welchem Zweck die Bundestagungen des EAK primär dienen sollten. Es kam zum Aufeinanderprallen zweier Grundauffassungen über den EAK, der von jeher das Ziel hatte, die breite evangelische Wählerschaft an die Union heranzuführen, zugleich aber einer allgemeineren geistigen Orientierung dienen und damit Anschluss an das gebildete protestantisch-kirchliche Milieu halten sollte. Über Kritik daran, dass letztere Aufgabe unter Schröders Vorsitz zu kurz käme, hatte Osterloh diesem bereits Anfang 1958 berichtet. Damals war es in erster Linie um Schröders zumeist recht kurze Aufsätze für die „Evangelische Verantwortung“ gegangen, die viele auch aus Schröders „näherem Bonner Freundeskreis“ als „zu kalt, zu einseitig und im Hinblick auf den theologischen Hintergrund zu harmlos“ empfanden550. Schien das Oberthema der Hamburger Tagung, „Die Entscheidung des evangelischen Wählers“551, von vornherein auf eine primär dem Bundestagswahlkampf dienende Veranstaltung hinzudeuten, hatten die an den ersten beiden Tagen gehaltenen Referate dieses Vorurteil nachhaltig korrigiert. Beeindruckt hatten vor allem die Einführungsreferate von Eugen Gerstenmaier („Christliche 547

EBD. Vgl. Art. „Schröder: Stehen, Durchstehen, Aufbauen“, in: Die Welt, 4. 4. 1960. 549 Vgl. E.-O. MAETZKE, Das „C“. 550 Brief vom 2. 1. 1958 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1). Schröders Antwort, die Bezeichnung „Freundeskreis“ sei hier wohl etwas „euphemistisch“, und manch einer übersähe offenbar, dass es sich laut Untertitel der „Evangelischen Verantwortung“ um „Politische Briefe“ handele (Brief vom 9. 1. 1958 [EBD.]), mag „treffend“ sein (so T. OPPELLAND, Gerhard Schröder, S. 390, Anm. 577). Wer sich mit diesem knappen Kommentar begnügt, übersieht aber das dahinter stehende Problem, dass die mit dem EAK-Vorsitz verbundene Aufgabe, auch eine tiefere geistige Orientierung zu bieten, Schröder offenbar fremd geblieben ist (vgl. auch M. Klein, Protestantismus, S. 250ff.). 551 Programm: EvV 9, 1961, Nr. 4/5, [S. 6f.]. 548

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Parteien in der säkularisierten Welt“) und Wilhelm Hahn („Evangelische Theologen und politische Parteien heute“552), dem Osterloh seit dessen Kandidatur für das Bischofsamt in Oldenburg eng verbunden geblieben war, sowie das in der Plenarversammlung gehaltene Referat Osterlohs553. Konnte man sich angesichts des Niveaus der Referate wie der anschließenden Diskussionen nunmehr auf einer akademischen Veranstaltung wähnen554, was Osterloh und Hahn wohl nicht als Vorwurf verstanden hätten, zerstörte das Abschlussreferat von Gerhard Schröder diese Illusion gründlich. Unter dem richtungweisenden Titel „Kompromiß mit der SPD?“555 benutzte er die Tagung als Bühne für einen Wahlkampfauftritt erster Güte, indem er sich in aller Schärfe mit den politischen Grundpositionen der SPD auseinander setzte und einer Großen Koalition aufgrund des erhobenen Befunds eine klare Absage erteilte556. Die Reaktion: es gab kaum Jubel, denn wenn das Publikum auch in seiner Mehrheit der Auffassung Schröders sicherlich zustimmte, hatte man doch das Gefühl, sie sei am falschen Platz kundgetan worden557. Für Schröder jedoch war die Tagung „ein schöner Erfolg“ und er hoffte, dass er sich „für die kommende Wahlentscheidung günstig auswirkt“558. Das Zusammenspiel von Osterloh und Wilhelm Hahn, denen angesichts des sich abzeichnenden „evangelischen Unbehagens“ an der Union559 und deutlicher Kritik auch an der (fehlenden) Wirksamkeit des EAK560 daran lag, den Kontakt des EAK zu Kirche und Theologie wieder zu festigen561, zeigte sich erneut auf der

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Abdruck: EBD., Nr. 6, S. 4ff. Auszüge: EvW 15, 1961, S. 488f. E. OSTERLOH, Erziehung zur Verantwortung (1961). 554 Eberhard Bitzer, der Korrespondent der FAZ, sprach von einem „fast akademischen Charakter“ der Tagung an ihren ersten beiden Tagen (DERS., Paukenschlag). 555 Abdruck: EvV 9, 1961, Nr. 6, S. 14ff. 556 Vgl. EBD. 557 Vgl. E. BITZER, Paukenschlag. 558 Briefe an Walter Strauß und Osterloh vom 6. 6. 1961 (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Schröder, I-483052/1). 559 Vgl. K.-U. VON HASSEL, Unbehagen. In seinem Artikel „Das evangelische Unbehagen an der CDU“ bezog Wolfgang Höpker in der „Zeitwende“ dieses Unbehagen konkret auf die CDU, die bei der Bundestagswahl 1961 in protestantischen Gebieten mit großem Einfluss der Kirchlichen Bruderschaften überdurchschnittliche Verluste hatte hinnehmen müssen (vgl. W. HÖPKER, Unbehagen, S. 434). 560 „Wo bleibt eigentlich, fragt man sich mit wachsendem Erstaunen, der ‚Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU‘ […]? Hier wäre das Instrument gegeben, das ‚evangelische Unbehagen‘ auf seinen eigentlichen Kern hin zu durchleuchten und all das nun auch wirklich zur Sprache zu bringen, was untergründig in der Union rumort […]. Mit einer Galavorstellung im Jahr, da sich der Arbeitskreis in wohlpräparierten Referaten der Öffentlichkeit vorstellt, ist es dabei nicht getan. Gerhard Schröder, der nach dem Tode von Ehlers und Tillmanns den Vorsitz übernahm, ist bei seiner Beanspruchung als Außenminister noch weniger denn zuvor als Bundesinnenminister in der Lage, das Gespräch zwischen den Konfessionen in der Partei zu intensivieren“ (EBD., S. 436). Vgl. auch Art. „Hermann Ehlers und die Epigonen. Wo bleibt der Evangelische Arbeitskreis der CDU?“ (Sbl., Nr. 7, 18. 2. 1962, S. 1). 561 Vgl. T. Oppelland, Arbeitskreis, S. 127–132. Vgl. auch unten in diesem Abschnitt. 553

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10. Bundestagung des EAK in Wiesbaden vom 4. bis 6. Oktober 1962. Osterloh leitete das „Gespräch des Bundesarbeitskreises mit evangelischen Theologen“562, während Hahn das Einführungsreferat über „Die CDU als Problem der evangelischen Theologie“563 hielt. Osterloh übernahm außerdem die Leitung der Arbeitsgruppe „Die Bedrohung der Freiheit durch die freiheitliche Gesellschaft“, deren Thema an eigene frühere Ausführungen auf der Bundestagung von Berlin 1956 erinnerte564. Diesmal hielt Helmut Thielicke das Referat zum Thema, in dem er sich u. a. gegen ein generelles Verbot der Schwangerschaftsunterbrechung bei Vergewaltigungen aussprach und die Beibehaltung des § 175 im Strafgesetzbuch bedauerte565, was für Aufsehen und Gesprächsstoff sorgte und zu einer Entgegnung Osterlohs führte566. Insgesamt fand diese Tagung wieder in deutlich ruhigerem Fahrwasser statt, sie „war keine Heerschau und kein propagandistischer Aufmarsch. Sie faßte keine Beschlüsse und verabschiedete keine Resolutionen. Man traf sich, weil man Fragen hatte oder Lösungen für die Probleme der Zeit vorschlagen wollte. Man sprach miteinander, weil man sich der gleichen Verantwortung bewußt war und gemeinsam nach Antworten auf die Fragen, die die Zeit auferlegt, suchen wollte. Es war eine politische Versammlung, ohne daß 562 Programm: EvV 10, 1962, Nr. 7/8/9, [S. 7f.]. In der Aussprache wurden „die Ansichten der Bruderschaften ausführlich vorgetragen“, deren Fragen, „die in nahezu zehn Jahren nicht geklärt werden worden sind“, konnten aber auch „im Rahmen dieses Gesprächs nicht beantwortet werden“ (EvV 10, 1962, Nr. 11, S. 16). 563 Abdruck: EvV 10, 1962, Nr. 10, S. 3–8. Gegen die verbreitete Kritik, eine christliche Partei sei gar nicht oder allenfalls aus dem Notstand der Situation nach 1945 zu rechtfertigen, anerkannte Hahn die Rolle dieser Notzeit für die Gründung der CDU, folgerte aber daraus: „[E]s gibt keine punktuellen ethischen Entscheidungen, bei denen man nicht auch zu den Konsequenzen Ja sagen müsste […]. Nein, die einmal in einer konkreten Situation aus christlicher Verantwortung entstandene Partei ist nun eine Gegebenheit“. Im Weiteren ersparte er den anwesenden Theologen nicht einen kleinen Seitenhieb: „Die Bildung der Partei ging nicht von Theologen aus. Es ist ein Unglück der evangelischen Kirche in Deutschland, daß sie theologisch ständig die Initiative der Laien fordert, wenn diese aber erscheint, sie jedesmal theologisch ‚beckmessert‘ und in theologischer Kritik zu ersticken droht, statt ihr mit theologischen Mitteln zur rechten Lösung zu verhelfen. Die Sache der christlichen Laien in der CDU ist aber theologisch so legitim, daß sie eine theologische Kritik nicht zu scheuen braucht“ (EBD., S. 7 u. 8). 564 Vgl. E. OSTERLOH, Grundsätze (1957); vgl. dazu oben in diesem Abschnitt. 565 Vgl. EvV 10, 1962, Nr. 12, S. 9ff. 566 Osterloh „distanzierte“ sich in der Aussprache von diesen Äußerungen Thielickes und wies darauf hin, „daß sich die Mehrheit seines Arbeitskreises gegen eine Veränderung der strafrechtlichen Situation“ wende. Es gäbe zwar in solch schwierigen Fragen innerhalb der CDU keinen Fraktionszwang, doch könnten evangelische Abgeordnete sich „auch aus anderen Gründen zu den gleichen Entscheidungen bekennen wie ihre durch Naturrecht und Dogma gebundenen katholischen Kollegen“ (Art. „Osterloh distanziert sich von Thielicke. Die Tagung des Evangelischen Arbeitskreises der Union beendet“, in: FAZ, 8. 10. 1962). Eine positive Reaktion darauf erhielt Osterloh von Rainer Barzel, der ihm schrieb, er habe sie „mit befreiendem Aufatmen“ gelesen, „weil Thielickes Rede ohne Ihre Antwort zu einer ernsten Belastung geworden wäre“ (Brief vom 8. 10. 1962, am 11. 10. als Abschrift an von Hassel weitergeleitet, in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL von Hassel, I-157-012/1, Akte T 1962).

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man den Bereich, der hinter aller sachlichen Politik liegt, aus den Augen verlor.“567 Ohne dass die Urheberschaft jener Zeilen über die Wiesbadener Tagung zu klären ist, wird man davon ausgehen können, dass eine dieser Beschreibung entsprechende Veranstaltung ganz im Sinne der Bemühungen Osterlohs und Hahns lag568. Beide konzentrierten sich weiter darauf, innerhalb des EAK ein Forum für grundsätzliche Diskussionen über das Wesen evangelischer Politik zu schaffen. Man gründete zu diesem Zweck 1963 die sogenannte „Studiengruppe“ des EAK569, nach Hahns eigenen Worten „ein hochrangiges Gremium, dem ein gewisser elitärer Charakter nicht abzusprechen war“570. Nach Osterlohs baldigem Tod führte Hahn deren Arbeit bis in die 1970er Jahre hinein fort571. An der von der Mehrzahl der Mitglieder angestrebten organisatorischen Straffung des Evangelischen Arbeitskreises auf Bundesebene, der seit Hermann Ehlers’ Zeiten keine festgeschriebenen Statuten gehabt hatte und dessen Mitglieder „mehr oder weniger ungeregelt kooptiert“ worden waren572, beteiligte Osterloh sich kaum, war aber auf der entscheidenden Tagung des „Ausschusses zur Beratung einer Ordnung für den Bundesarbeitskreis“ anwesend, die am 11. Mai 1962 in der Politischen Akademie Eichholz stattfand573. Wie Schröder warnte er davor, die lockere Struktur zu sehr zu verfestigen, um die Katholiken in der Union, die schon zu Ehlers’ Zeiten das Entstehen einer „Partei in der Partei“ befürchtet hatten, nicht zu provozieren574. Noch 1962 erhielt der Bundesarbeitskreis seine neue „Ordnung“, nach der Osterloh dem Vorstand weiterhin angehörte575. 567

EvV 10, 1962, Nr. 11, S. 1f. Es sollte jedoch die letzte Bundestagung gewesen sein, an der Osterloh teilnehmen konnte, da entschieden wurde, 1963 wegen der anstehenden Regierungsumbildung keine solche Tagung stattfinden zu lassen (vgl. Sitzungsprotokoll des Bundesarbeitskreises vom 19. 3. 1963, in: ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-002/2). 569 Das Einsetzen einer solchen „theologischen Arbeitsgruppe“ hatte Osterloh auf der Sitzung des Bundesarbeitskreises vom 19. 3. 1963 als eines der wichtigsten Vorhaben des EAK bezeichnet; er und Hahn wurden in derselben Sitzung mit der Vorbereitung einer solchen Arbeitsgruppe beauftragt (EBD.). 570 W. HAHN, Ich stehe dazu, S. 93. 571 Vgl. EBD., S. 92f.; T. OPPELLAND, Arbeitskreis, S. 129f.; A. MARTIN/G. MEHNERT, Arbeitskreis, S. 64; M. KLEIN, Protestantismus, S. 252. 572 T. OPPELLAND, Gerhard Schröder, S. 390; vgl. F. BÖSCH, Die Adenauer-CDU, S. 334. 573 Beschlussprotokoll der von 9.20 bis 20.45 Uhr andauernden Tagung: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/2. 574 Vgl. T. OPPELLAND, Gerhard Schröder, S. 390. 575 Die „Ordnung“ sah eine Mischung aus gewählten Delegierten (drei je Landesarbeitskreis), „geborenen Mitgliedern“ (evangelische Mitglieder der Präsidien von CDU und CSU, evangelische Bundesminister und, soweit evangelisch, der Bundesgeschäftsführer und seine Stellvertreter) und bis zu zwölf kooptierten Mitgliedern vor, die alle zwei Jahre den Vorstand zu wählen hatten (zur Arbeit an der neuen Ordnung des EAK vgl. ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-003/2; vgl. T. OPPELLAND, Arbeitskreis, S. 119; DERS., Gerhard Schröder, S. 390). Bei der Wahl der sechs Vorstandsmitglie568

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Intensiver kümmerte Osterloh sich um die ihm von Schröder schon 1956 ans Herz gelegte „Evangelische Verantwortung“. Neben konkreten Vorschläge, welche Texte seiner Meinung nach zum Abdruck kommen sollten, wandte er sich auch mit grundsätzlichen Erwägungen an Gerhard Schröder. In einem Brief vom 2. Januar 1958 äußerte er seine prinzipielle Zustimmung zur „Art und Weise der ‚Evangelischen Verantwortung‘“, mahnte aber für die Jahre zwischen den Wahlkämpfen an, „der theologisch-problematischen Seite einen etwas breiteren Raum“ zu gewähren576. Er nannte die Namen von Asmussen, Künneth, Thielicke, Althaus und Gogarten, von denen man Beiträge erbitten könne, und berichtete von Gesprächen mit Lilje und Reinold von Thadden, in denen er seine Auffassung bestätigt fand, „daß wir Anlaß haben, uns vom Konformismus zu distanzieren. Man muß sehen und lesen, daß wir die Argumente des Gegners in uns selbst zu Wort kommen lassen“577. Nachdem solche Vorschläge offenbar nicht fruchteten, schlug Osterloh in der Sitzung des Bundesarbeitskreises vom 17. September 1959 nochmals vor, „auch maßgebliche Autoren aus dem reformierten, dem unierten und dem freikirchlichen Bereich als Autoren zu gewinnen“578. Mit dem leitenden Redakteur Hans Strümpfel, der dieses Amt seit 1953 parallel zur Geschäftsführung des Bundesarbeitskreises innehatte, pflegte Osterloh einen engen Kontakt, der sich nicht auf Belange der Zeitschrift beschränkte579. Schon am Ende der 1950er Jahre deutete sich an, dass die bisherige Gestalt der „Evangelischen Verantwortung“ äußerlich und inhaltlich nicht mehr den Anforderungen entsprach, denen sie sich durch die veränderte politische, theologische und kirchenpolitische Situation ausgesetzt sah. Mehrfach war dies ein Thema auf den Bundesvorstandssitzungen, auf denen auch die Überlastung Hans Strümpfels angesprochen wurde580, bis es 1962 schließlich zu konkreten Schritten kam. Man bat den Marburger Theologen Eberhard Amelung, als Nachfolger Strümpfels in der Redaktion vorgesehen, um die Ausarbeitung eines Konzepts zur Neugestaltung581, das dieser im Mai vorlegte582. Auffallendste Folge des von der erhielt Osterloh, der zusammen mit Martin Redeker gemäß der neuen Ordnung vom Landesverband Schleswig-Holstein zum Mitglied nominiert worden war, als viertes gewähltes Mitglied 28 Stimmen (vgl. Protokoll der Sitzung des Bundesarbeitskreises vom 10. 12. 1962 [ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-002/2]). 576 ACDP, NL Gerhard Schröder, I-483-054/1. 577 EBD. 578 Sitzungsprotokoll: ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-002/1. 579 Vgl. den Briefwechsel der Bundesgeschäftsstelle des EAK mit Osterloh (ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-026/2). 580 Osterloh hatte am 1. 6. 1961 für eine Entlastung Strümpfels „durch die Mitarbeit aller“ plädiert (Sitzungsprotokoll: ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001-002/2). 581 Vgl. das Anschreiben vom 21. 5. 1962, mit dem Strümpfel das von Amelung erarbeitete Konzept an die Bundesvorstandsmitglieder versandte (ACDP ST. AUGUSTIN, NL Gerhard Schröder, I-483-054/2). 582 „Vorschläge zur Neugestaltung der ‚Evangelischen Verantwortung‘“ (EBD.).

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den Bundesvorstandsmitgliedern gebilligten Konzepts war die Veränderung der „Evangelischen Verantwortung“ zu einer echten Zeitschrift, die nun häufiger eigenständige Texte drucken sollte, statt nahezu ausschließlich Redeabdrucke zu präsentieren, und deren Ausgaben vermehrt einem bestimmten Thema gewidmet sein und den Diskussionen innerhalb der CDU ein Forum bieten sollten583. Das erste umgestaltete Heft erschien im Oktober 1962 und führte abgesehen von den Begründern der Zeitschrift, Hermann Ehlers und Robert Tillmanns, keine namentlich genannten Herausgeber mehr auf.

7.4.4 Der Kronberger Kreis Seit kurzem erst beschäftigt die zeitgeschichtliche Forschung sich mit dem „Kronberger Kreis“, einem nach seinem im Taunus gelegenen Tagungsort benannten evangelischen Kreis von Kirchenvertretern, CDU-Politikern, Wirtschaftlern und Journalisten584. Dieser Kreis war 1951 von Eberhard Müller, Reinold von Thadden-Trieglaff und Hanns Lilje mit dem Ziel gegründet worden, durch „gemeinsames Handeln, geistigen Austausch und gegenseitige Förderung und Unterstützung“ „unter den neuen Gegebenheiten der Bundesrepublik eine effektive Interessenvertretung der Protestanten im öffentlichen Raum zu fördern und ihnen in den politischen und gesellschaftlichen Debatten mehr Gewicht zu verleihen“585. Gemeinsam war den Gründern und ersten Mitgliedern des Kreises ihre Verwurzelung im nationalkonservativ geprägten Protestantismus des Kaiser583

Vgl. EBD.; vgl. auch die redaktionelle Vorbemerkung in EvV 10, 1962, Nr. 10, dem ersten neugestalteten Heft. 584 Im Wesentlichen sind es die auf das Tübinger Forschungsprojekt „Deutscher Protestantismus und der ‚Westen‘“ bzw. „Westernization“ zurückgehende Monographie und einige Aufsätze bzw. Vorträge Thomas Sauers, die dieses Gremium in die zeitgeschichtliche Forschung eingeführt haben: T. SAUER, Westorientierung; DERS., Kronberger Kreis; DERS., Kronberger Kreis: Christlich-konservative Positionen. Aufnahme fand es in den weitergehenden Ansatz einer „Westernisierung“ der Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren, wie er von Anselm Doering-Manteuffel, Sauers Projektleiter in Tübingen, vertreten wird (vgl. A. DOERING-MANTEUFFEL, Blockbildung, S. 39–42; DERS., Wie westlich sind die Deutschen?). 585 T. SAUER, Kronberger Kreis, S. 38. Vgl. DERS., Westorientierung, S. 71–84. Die Gedanken einer stärkeren Verzahnung von Politik und protestantischem Milieu und des Aufbaus eines protestantischkonservativen „Netzwerks“ betonte auch Erich Ruppel in seiner Einladung an Osterloh: „Die Zusammenkünfte sind seinerzeit eingerichtet worden, weil aus Kreisen der Politiker an Herrn Landesbischof D. Lilje immer die Klage gerichtet wurde, daß es an der erforderlichen Zusammenarbeit und Information maßgebender evangelischer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens fehle […]. Uns schwebte bei der Sache auch vor, führenden Persönlichkeiten Gelegenheit zu geben, sich gegenseitig kennen zu lernen und so eine Grundlage dafür zu gewinnen, auch in anderen Angelegenheiten, in denen sie gegenseitig Hilfe gebrauchen konnten, Verbindung miteinander aufzunehmen“ (Brief vom 4. 7. 1956, in: LKA HANNOVER, N 60, Nr. 374).

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reichs, aber auch die Erfahrungen, die sie während der Weimarer Republik durch ihre Mitgliedschaft in der DCSV mit ihren internationalen Verbindungen sammeln konnten. Durch diese Erfahrungen hoben sie sich in ihrer Offenheit gegenüber westlichen Einflüssen von denjenigen Protestanten ab, die ungebrochen an der nationalkonservativen Tradition festhielten586. Unmittelbarer Anlass für die Gründung des informellen Kreises im Sommer 1951 war der Streit um die Wiederbewaffnung, in dem die genannten Personen aufgrund ihrer Zustimmung zur Westintegration zu entschiedenen Befürwortern der Politik Adenauers gehörten und so wie von selbst in einen strikten Gegensatz zu den sich um Niemöller und Heinemann sammelnden „Barthianern“ kamen. Der Öffentlichkeits- und Medienwirksamkeit dieser Kreise wollten die Mitglieder des Kronberger Kreises nicht länger tatenlos zusehen und konzipierten ihrerseits die aufsehenerregende Denkschrift „Wehrbeitrag und christliches Gewissen“, die – mit den Unterschriften zahlreicher evangelischer Kirchenführer versehen und von Eberhard Müller entsprechend in der Presse lanciert – erfolgreich den Eindruck zu erwecken suchte, die Kirche stünde in ihrer Mehrheit hinter der Wiederbewaffnung587. Diesem ersten Schritt in die Öffentlichkeit nicht einmal drei Monate nach der Gründung des Kreises folgte noch die Denkschrift „Steuerethos und Staatsgesinnung“, die aber „inhaltlich dürftig war und öffentlich kaum beachtet wurde“588. Danach zog sich der Kronberger Kreis aus der Öffentlichkeit zurück und wurde zu einem „reinen Gesprächszirkel, der nicht auf spektakuläre Außenwirkung bedacht war“589 und nicht einmal in den Memoiren seiner Gründer Erwähnung fand590. In dieser Phase erst wurde Edo Osterloh von Oberlandeskirchenrat Erich Ruppel angesprochen, ob er Interesse habe, an den Zusammenkünften des Kronberger Kreises teilzunehmen. In einem Brief vom 4. Juli 1956 erläuterte Ruppel zugleich die Regeln der Aufnahme und die Gründe für die ergangene Einladung: „Wir halten es nämlich so, daß wir uns immer in unserem Kreise darüber vorher verständigen, welche weiteren Teilnehmer wir in unserem Kreis sehen möchten. Ihre Aufnahme ist vom Vorstand ausdrücklich genehmigt und ist von mir besonders betrieben worden, weil Sie sowohl Bonn als auch den Norden kennen, und weil mir überhaupt […] Ihre Mitarbeit für uns äußerst erwünscht erscheint.“591 Über die politische Ausrichtung ließ Ruppel ebenso wenig einen Zweifel aufkommen wie über die prinzipielle Offenheit auch der SPD gegenüber, die sich 586

Vgl. T. SAUER, Kronberger Kreis, S. 43; A. DOERING-MANTEUFFEL, Blockbildung, S. 40f. Vgl. oben S. 308. 588 T. SAUER, Kronberger Kreis, S. 42, Anm. 19; vgl. DERS., Westorientierung, S. 114–117. 589 T. SAUER, Kronberger Kreis, ebd. 590 Vgl. H. LILJE, Memorabilia; E. MÜLLER, Widerstand. 591 LKA HANNOVER, N 60, Nr. 374. 587

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schon frühzeitig in der Unterstützung von Plänen für eine Große Koalition äußerte592: „An sich sind die Zusammenkünfte überparteilich. Wir hätten auch schon immer gern einige Mitglieder gewonnen, die der SPD nahestehen, haben uns aber immer wieder auf Rat von Sachkennern entschlossen, davon abzusehen, weil uns gesagt wurde, daß dann die erforderliche Vertraulichkeit, die gegebenenfalls auch einmal gegenüber der SPD-Parteileitung wie überhaupt gegenüber anderen Parteileitungen gewahrt werden muß, bei der inneren Organisation der SPD nicht gewährleistet sei.“593 Osterloh musste sich schon dadurch geschmeichelt fühlen, dass er als Kenner der Bonner Lage angesprochen wurde, und Ruppel zugleich darauf verwiesen hatte, dass man den Kontakt „zu maßgebenden Stellen in Bonn“ durch den Tod von Hermann Ehlers und Robert Tillmanns etwas verloren habe – Letzterer wurde als „regelmäßiger Teilnehmer unserer Zusammenkünfte“ bezeichnet594. Dies bedeutete schließlich nichts anderes, als dass man ihm zutraute, wie schon im „Evangelischen Arbeitskreis“ auch hier die Lücke füllen zu helfen, die beider Tod hinterlassen hatte. Dazu kam noch, dass Ruppel sich nicht sicher gewesen war, „ob Herr Ministerpräsident v. Hassel schon eingeladen worden ist“595, was wiederum auf eine gewisse Rangfolge schließen ließ, die man im Kronberger Kreis zu diesem Zeitpunkt wohl noch anders aufstellte als dies dem protokollarischen Rang entsprochen hätte. Außerdem musste die Zusammensetzung des Kreises sein Interesse wecken, denn zu diesem Zeitpunkt gehörten ihm neben den schon Genannten unter anderem an Ernst Lemmer (damals Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen), der aber nur von Zeit zu Zeit anwesende enge Kanzlerberater Robert Pferdmenges, Otto A. Friedrich (Vorstandsvorsitzender der Hamburger Phoenix-Gummiwerke), Heinrich Kost (Vizepräsident des BDI), Klaus von Bismarck, Hans Hermann Walz und Axel Seeberg596. Jedenfalls dankte Osterloh in seiner Antwort „für das mir entgegengebrachte Vertrauen“ und beteuerte, ihm läge sehr daran, „in einem solchen Kreise an der Urteilsbildung und an dem Versuch teilzunehmen, für die vielfachen Aufgaben

592 Vgl. T. SAUER, Westorientierung, S. 292: „Auf den politischen Bereich bezogen, hatte das Idealbild der konsensgeleiteten Gesellschaft zur Folge, daß die Mitglieder des Kronberger Kreises die Entwicklung der Sozialdemokratie zur staatstragenden Partei ausdrücklich befürworteten und schon 1956 diskutierten, ob der Wandel innerhalb der SPD nicht durch die Einbindung der Partei in eine Große Koalition unterstützt werden könnte“. 593 Brief Ruppels an Osterloh vom 4. 7. 1956, in: LKA HANNOVER, N 60, Nr. 374. 594 EBD. 595 EBD. 596 Vgl. die Protokolle Ernst Ruppels von den Sitzungen des Kreises (LKA HANNOVER, N 60, Nr. 374). Die bei Doering-Manteuffel aufgeführte Liste von Namen unterscheidet leider nicht nach dem Zeitpunkt der Zugehörigkeit (DERS., Blockbildung, S. 40).

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der Gegenwart und Zukunft eine echte Orientierung zu finden“597. Trotzdem musste er seine Teilnehme an der für den 14. und 15. Juli 1956 angesetzten nächsten Zusammenkunft absagen, weil gerade in diesen Tagen der Umzug der Familie von Bonn nach Kiel anstand. Er wollte jedoch auch ohne eigene vorherige Teilnahme schon Kai-Uwe von Hassel auf dessen mögliches Interesse hin ansprechen598. Die den Protokollen Erich Ruppels zu entnehmenden Teilnahmen Osterlohs an Zusammenkünften des Kronberger Kreises erfolgten nur sehr vereinzelt. Ob dies auf den bloß beratenden Charakter der Sitzungen zurückzuführen war oder darauf, dass er sich durch seine ausgezeichneten Kontakte zu den Evangelischen Akademien und der evangelischen Presse sowie durch seine eigene Mitarbeit im EAK und beim DEKT als einer der wenigen Teilnehmer in allen vier „Schnittstellen zur Öffentlichkeit“599 quasi „zu Hause“ fühlte und sich deshalb mit dem hier versammelten Kreis von Personen auch außerhalb der Zusammenkünfte regelmäßig austauschen konnte, muss offen bleiben. Die Beiträge Osterlohs waren jedenfalls kaum einmal so ausführlich wie in der Sitzung vom 8. und 9. Februar 1958, in der er nach einer allgemeinen Lagebeurteilung durch Lilje ausführlich auf die Bundestagsdebatte vom 23. Januar, Heinemanns berühmt gewordene Rede und Liljes Verteidigung Heinemanns600 einging. Grundsätzlich sah er es als eine Gefährdung der CDU an, „daß man in der Bundestagsfraktion auch Bundestagsbeschlüsse fassen kann“, und behauptete damit eine für die Gründlichkeit und Aufmerksamkeit in der politischen Arbeit schädliche Wirkung der absoluten Mehrheit. Man habe eine „Schlappe erlitten“; Adenauer habe „sich auf Argumente dieser Art nicht vorbereiten lassen wollen“. Während auf ihn persönlich Heinemanns Rede „kalt gewirkt“ habe, sei der Artikel Liljes als eine „Stärkung der Pseudo-Autorität Heinemanns“ empfunden worden601. Auf Osterlohs noch vorhandene Bonner Kontakte griff man ein gutes Jahr später zurück, 597

Brief Osterlohs an Ruppel vom 7. 7. 1956 (LKA HANNOVER, N 60, Nr. 374). Vgl. EBD. 599 T. SAUER, Westorientierung, S. 239. 600 Lilje hatte im „Sonntagsblatt“ (Nr. 5, 2. 2. 1958) „Anmerkungen“ zu Heinemanns Rede gemacht, in denen er auf eine politische Bewertung verzichtet, als ihre hervorragenden Kennzeichen aber ihre „Sachlichkeit“ und ihre „christliche Ausrichtung“ genannt hatte. Sätze wie: „Das gegenwärtige deutsche Parlament hat eine so unmittelbare und substantielle christliche Redeweise wahrscheinlich noch nicht gehört“, oder: „Auch wer nicht ohne weiteres die politischen Konsequenzen bejaht, die Dr. Heinemann aus seinen christlichen und politischen Überzeugungen zieht, kann das hohe geistige und ethische Niveau dieser Rede nicht überhören“, scheinen aber als Stellungnahme zugunsten Heinemanns verstanden worden zu sein, obwohl aus ihnen wohl eher die Enttäuschung über das Ausbleiben einer adäquaten Erwiderung seitens der CDU-Redner sprach. 601 Vgl. Stichwort-Protokoll über die Sitzung des Kronberger Kreises vom 8. 2. 1958 (LKA HANNOVER, N 60, Nr. 374). Schon zuvor hatte Eberhard Müller bemerkt, Liljes Rede habe „mehr zu Comeback beigetragen wie Rede von Heinemann selbst“ (EBD.). Lilje verteidigte seinen Artikel mit dem bemer598

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als man ihn bat, Dr. Claussen, Staatssekretär im Sozialministerium, wegen einer möglichen Teilnahme anzusprechen602; er tat dies mit Erfolg603. Vergleicht man Osterloh politisches Handeln und die Maximen, die von Thomas Sauer für den Kronberger Kreis herausgearbeitet wurden, lassen sich durchaus Übereinstimmungen feststellen, zum Beispiel beim relativ unbefangenen Umgang mit SPD-Politikern, bei seiner konsequenten Unterstützung der Grundlinien der Außen- und Sicherheitspolitik Adenauers und bei seinem an einem möglichst breiten Konsens orientierten Handeln in der Kultur- und besonders der Schulpolitik. Doch bereitet die Praxis des Kronberger Kreises, insonderheit auf „arrivierte“ und gleichgesinnte Persönlichkeiten zuzugehen und sie in die Beratungen einzubeziehen, dem aus zeitlichem Abstand urteilenden Betrachter die Schwierigkeit zu entscheiden, inwieweit solche Positionen schon vor dem Eintritt in den Kronberger Kreis vorhanden waren oder erst danach verstärkt zum Tragen kamen. Im Falle Osterlohs liegt Ersteres auf der Hand. Die Beurteilung der Wirkung des Kronberger Kreises fällt selbst seinem „Wiederentdecker“ Thomas Sauer schwer604. Zwar wird man seine Wichtigkeit selbst dann nicht unterschätzen dürfen, wenn es sich nur um einen informellen Zirkel gehandelt haben sollte, dessen wesentliche Bedeutung darin lag, konservativ gesonnene Protestanten in ihrer Meinung, die scheinbar gegenläufig zur Mehrheitsmeinung des Protestantismus war, zu bestärken und sie in möglichst wichtige Positionen zu bringen bzw. in ihrer Arbeit dort zu unterstützen. Die offensichtlich geringe Bedeutung, die auch Hauptbeteiligte der Arbeit des Kreises im Abstand von Jahren beimaßen – denn eine andere Begründung für das Fehlen von Hinweisen auf seine Arbeit in ihren (Auto-)Biographien ist kaum vorstellbar605 –, darf sicher nicht dazu verleiten, die Wirkung eines solchen Gremiums in einem zeitgenössisch als katholisch dominiert empfundenen politischen Umfeld zu vernachlässigen. Sie muss aber andererseits als Warnung davor verstanden werden, die Bedeutung des Kronberger Kreises zu überschätzen.

kenswerten Satz: „Wenn wir unabhängiges Blatt bleiben wollen, muß es so etwas geben; Demokratie muß gewagt werden“ (EBD.; i. Orig. nicht hervorgehoben). 602 Vgl. Protokoll vom 25. 4. 1959 (EBD.). 603 Vgl. den sich anschließenden Briefwechsel zwischen Claussen und Ruppel vom Mai 1959 (EBD.). 604 Nach Sauer war der Kreis „zu keiner Zeit in der Lage, von sich aus neue Themen ins Gespräch zu bringen. Eine meinungsbildende Funktion hat er deshalb auch bestenfalls für die Mitglieder wahrnehmen können; seine Stimme, so sie überhaupt nach außen drang, blieb eine unter vielen“ (DERS., Westorientierung, S. 118). 605 Kann man bei den noch recht zeitnah geschriebenen Memoiren Liljes vielleicht eine Rücksichtnahme auf zugesicherte Vertraulichkeit in Rechnung stellen, fällt dies bei der Autobiographie Müllers aus dem Jahre 1987 schon schwerer. Daneben findet sich aber auch in der von Torsten Oppelland verfassten Biographie Gerhard Schröders kein Hinweis darauf, dass die Tätigkeit des Kreises Schröders Politik in irgendeiner Weise beeinflusst hätte.

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Es erscheint vom belegbaren direkten Einfluss selbst auf die Angehörigen des Kreises kaum gedeckt, zu behaupten, der Kronberger Kreis sei ein „besonders aktiver und wirkungsmächtiger Zirkel zur Verbreitung bestimmter gesellschaftspolitischer Ordnungsideen“ gewesen606. Wenn der von diesem Kreis propagierte „Pragmatismus“ und sein „Konsens“-Gedanke gar in einen direkten Zusammenhang mit der Großen Koalition gebracht werden607, bei deren Bildung sich „die [sic !; P.Z.] ‚Kronberger‘ am Ziel ihrer Wünsche“ wähnten608, und es im gleichen Zusammenhang als nicht zufällig bezeichnet wird, dass „drei prominente ‚Kronberger‘ Politiker, die zugleich dem Evangelischen Arbeitskreis angehörten, 1966 Minister in der Großen Koalition wurden: Schröder, von Hassel, Stoltenberg“609, dann ist der Bereich eines nachweisbaren Einflusses des Kronberger Kreises wohl endgültig verlassen. Keiner der drei Genannten war im Kabinett der Großen Koalition erstmals Minister, sondern sie hatten alle schon in CDU/CSU/FDPKoalitionen amtiert610. Gerade von Hassel und Schröder hatten noch Anfang der 1960er Jahre Aufsehen erregt durch hart sich von der Politik der SPD abgrenzende Reden, die selbst in CDU-nahen Kreisen nicht mehr auf volles Verständnis stießen611. Von Hassel erschien als „einer der unnachgiebigsten Gegner einer Großen Koalition“612. Schröder schließlich gehörte, wie zuletzt Torsten Oppelland in seiner profunden Biographie herausgearbeitet hat, „dem liberalkonservativen Flügel der Union an und galt ähnlich wie Erhard als Exponent der kleinen Koalition“613, und: „Jedermann in Bonn wußte, daß er kein Anhänger der Großen Koalition war“614. Wenn nun aber ausgerechnet solch „prominente 606

So A. DOERING-MANTEUFFEL, Blockbildung, S. 41. Vgl. EBD., S. 42. 608 So T. SAUER, Westorientierung, S. 292. 609 So A. DOERING-MANTEUFFEL, Blockbildung, S. 42. 610 Von Hassel war seit 1963 Bundesminister für Verteidigung, Schröder gehörte seit 1953 dem Kabinett an als Innen-, seit 1961 als Außenminister, Stoltenberg war schon 1965 Bundesminister für Wissenschaft und Forschung geworden. 611 Von Hassel hatte als Wahlkampfleiter des Bundestagswahlkampfes 1961 immer wieder die vorgebliche außenpolitische Unzuverlässigkeit der SPD angeprangert und auch vor persönlichen Angriffen auf Brandt wegen dessen Emigration und seiner Tätigkeit als norwegischer Presseoffizier nicht zurückgeschreckt (vgl. M. SPEICH, Kai-Uwe von Hassel, S. 223ff.; vgl. auch oben S. 456). Schröder, der sich schon 1958 in Reaktion auf die Heinemann-Rede im Bundestag scharf mit der SPD auseinandergesetzt und ihr eine „Kapitulation auf Raten“ vorgeworfen hatte (vgl. G. SCHRÖDER, Raten), nahm auch den mit Godesberg vollzogenen programmatischen Wandel der SPD nicht ernst und versuchte ihn noch im Juni 1961 auf der EAK-Bundestagung in Hamburg als reine Täuschung zu entlarven. In dieser als „Paukenschlag“ bezeichneten Rede (vgl. E. BITZER, Paukenschlag), deren Polemik auch von den Teilnehmern der Tagung als unpassend empfunden wurde, grenzte Schröder sich strikt von Überlegungen hinsichtlich einer Großen Koalition ab (vgl. oben S. 500). 612 M. SPEICH, Kai-Uwe von Hassel, S. 365. 613 T. OPPELLAND, Gerhard Schröder, S. 679. 614 EBD., S. 688. 607

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‚Kronberger‘“, die ausgewiesene Gegner der Großen Koalition waren, in ihr Minister wurden bzw. blieben, muss man dies doch wohl auf andere Einflüsse zurückführen als ausgerechnet auf den des Kronberger Kreises, von dem der Eindruck erweckt wird, diese Koalition sei die Erfüllung seiner Arbeit gewesen.

7.4.5 Osterloh als Mahner und Kritiker seiner Partei Wie ausführlich dargestellt mahnte Osterloh – ob auf dem Kirchentag, im EAK, im Bundesvorstand oder in Briefen – seine Parteifreunde beständig. Einmal zu einem zwar in der Sache harten, aber demokratischeren, weniger demagogischen und mehr an der gemeinsamen Verantwortung orientierten Umgang mit der SPD und den anderen Parteien. Sodann zu einer modernen Sozialpolitik und zu einer offeneren, schulpolitisch nicht konfessionell verengten, auf die Intelligenz zugehenden und damit den Bedürfnissen der sich wandelnden Gesellschaft Rechnung tragenden Gestaltung der Kulturpolitik. Er stieß damit jedoch in der Regel auf wenig Gegenliebe bei den Entscheidungsträgern der CDU. Besonders prägnant wurden diese Mahnungen und seine damit verbundene Kritik in drei überregional publizierten Artikeln formuliert, die hier abschließend vorzustellen sind. Schon 1956 warnte er in seinem Fazit der als „Test“ für die kommende Bundestagswahl deklarierten Landtagswahl in Baden-Württemberg, die der CDU einen deutlichen Zugewinn an Stimmen eingebracht hatte615, vor falschem Übermut: „Die Bundespolitiker werden jetzt davon ausgehen müssen, dass zumindest in absehbarer Zeit nicht mit einem Zwei-Parteien-System in Deutschland zu rechnen ist […]. Die CDU ist unzweideutig in einer sogar noch gestärkten Führerstellung geblieben, muss aber zur Kenntnis nehmen, dass der liberale Gedanke und auch das im BHE profiliert angesprochene Heimatgefühl und Nationalbewusstsein in der Politik zu berücksichtigen sind. Aus ungezählten Wahlversammlungen musste die CDU lernen, dass zwar der Grundgedanke der Kindergeldgesetzgebung Anerkennung findet, dass aber das System der Mittelaufbringung einer baldigen wirksamen Reform bedarf. Ausserdem wird sie Folgerungen daraus zu ziehen haben, dass die übrigen Parteien Kapital aus dem falschen Gerücht schlagen konnten, die CDU trete für eine Monopolstellung der Konfessionsschule ein. Das Volk will offenbar nicht die Übermacht einer einzelnen Partei, aber auch keine Zersplitterung, sondern die Zusammenarbeit verschiedener Kräfte, unter denen rein

615 Die CDU hatte 42,6%, die SPD 28,9%, die FDP 16,6% und der BHE 6,3% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen können (vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 1, S. 106).

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politisch das konservative, das liberale, das nationale und vor allem auch das soziale Element ausschlaggebende für die Zukunft sein dürften.“616

Drei Jahre später formulierte er auf einer kulturpolitischen Tagung der hessischen CDU deutliche Kritik an den Versäumnissen in der Kulturpolitik, deren sich die Mehrheit der CDU seines Erachtens schuldig gemacht hatte617. In seinem Referat „Die Einheit und Vielgestaltigkeit christlich-demokratischer Kulturpolitik in Bund und Ländern“ warf er der CDU neben dem Fehlen der „Klarheit in der Generallinie der zu vertretenden Kulturpolitik“ eine Vielzahl von Einzelversäumnissen in den Fragen vor, von denen die gesellschaftliche Diskussion am Ende der 1950er Jahre beherrscht wurde: „Die Partei gerate in den Verdacht reaktionärer Haltung, wenn sie sich nicht endlich mit aller Entschiedenheit für die Einführung des neunten Schuljahres einsetze, das schon lange überfällig sei.“ Die Differenzen in der Rundfunk- und Fernsehfrage618 belasteten nicht nur das Verhältnis zwischen Bund und Ländern, sondern „noch mehr die Glaubwürdigkeit der CDU ganz allgemein“. Besonders erregte sich Osterloh über die nicht bewilligte einmalige Finanzhilfe des Bundes zur Behebung der noch immer bestehenden Schulraumnot619: „‚Ich schäme mich, daß es noch Schichtunterricht gibt und daß es bisher nicht möglich war, dort zu helfen, wo die Verhältnisse immer wieder den Machthabern der sowjetischen Besatzungszone das Propagandamaterial liefern‘“.

Überall mangele es an der Koordinierung in der Kulturpolitik, und als weiteres Beispiel nannte er eine klare Stellungnahme zur Konfessionsschule, bei der es nach wie vor nicht anginge, sich entweder auf die Konfessions- oder auf die Gemeinschaftsschule festzulegen: „Ein Monopolrecht einer einzigen Schulart dürfe es nicht geben“. Zum Religionsunterricht forderte er die Beibehaltung der bisher geübten Praxis, nach der er in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kirchen zu erteilen sei. Einheitsschule, Lernmittelfreiheit und – heute wieder aktuell – die absolute Gebührenfreiheit an Universitäten lehnte er ab, „da das Vorrecht der akademischen Ausbildung auch mit Opfern verbunden sein müsse“. Was moderne Kunst und modernes Theater angehe, so Osterloh weiter, komme die Haltung mancher Parteikreise „‚fast einem parteischädigenden Verhalten‘ 616

E. OSTERLOH, „Test“-Wahl (1956), S. 14. Art. „Scharfe Kritik an der christlich-demokratischen Kulturpolitik. Kulturminister Osterloh fordert eine einheitliche Linie/‚Ich schäme mich, daß es noch Schichtunterricht gibt‘“, in: FAZ, 26. 10. 1959. Hieraus auch die folgenden Zitate. 618 Im Hintergrund standen die Pläne des Bundes zum Aufbau einer eigenen Fernsehanstalt; vgl. oben S. 489f. 619 Vgl. oben S. 458, Anm. 331. 617

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gleich“; die CDU sei hier rückständiger als die Kirchen, „‚bei denen auch Abstrakte ihre Heimat gefunden haben‘“620. Abschließend nochmals auf das Verhältnis Bund – Länder eingehend, sprach sich Osterloh für eine klarere Aufgabenteilung aus: „Der Bund sollte durchaus bei großen überregionalen Aufgaben mitwirken, während nach seiner Auffassung die Kulturhoheit der Länder in erster Linie das Schulwesen“ beträfe. Seine Rede endete mit der Mahnung, die Bedeutung einer attraktiven Kulturpolitik für kommende Wahlen nicht zu unterschätzen: „Die Zeit sei jetzt gekommen, daß in den entscheidenden Fragen der Kulturpolitik klare Uebereinstimmung innerhalb der CDU erzielt werde, denn nur dann könne die Anziehungskraft der Partei erhalten bleiben“. Hatte er schon für die genannten Ausführungen Kritik einstecken müssen621, sollte diese sich mit dem letzten und aufsehenerregendsten der hier vorzustellenden Texte noch einmal erheblich verschärfen, diesmal sogar bis in seinen Landesverband hinein622. Unmittelbar nach der Bundestagswahl 1961, die der CDU zum ersten Mal auf Bundesebene deutliche Verluste beschert hatte623, richtete Osterloh im „Sonntagsblatt“ einen Aufruf „An die Adresse der eigenen Partei“624. Aus dem Wahlergebnis schloss er – wie schon 1956! –, dass die Wähler nicht „die ans Fatalistische grenzende Zwangsläufigkeit eines Entweder-oder“ wünschten, sondern „nach einer neuen Alternative“ suchten. Der erstmalige Rückgang an Stimmen für die CDU sei deshalb besonders ernst zu nehmen, weil er vor allem auf Verluste bei jungen Wählern und bei der Intelligenz zurückzuführen sei. Die Partei „würde sich um die Einsicht in die wirklichen Ursachen ihrer Krise selbst betrügen“, wenn sie nur nach praktischen oder organisatorischen Fehlern fragen würde. Auch die Berlin-Krise sei nicht ausschlaggebend gewesen, sondern die davor entstandene „Vertrauenskrise in beträchtlichen Teilen der Bevölkerung gegenüber der CDU-Führung“. In den folgenden Absätzen nannte Osterloh beim Namen, wen er damit hauptsächlich meinte, und die Art, wie er dies tat und begründete, lässt darauf schließen, dass sich hier auch ein lang angestauter Groll über dessen Verhalten zum Beispiel im Bundesvorstand entlud: 620 Er selbst hatte sich durchaus mit moderner Malerei vertraut gemacht, wie aus seiner Ansprache anlässlich der Eröffnung der Gedächtnisausstellung für den am 13. 4. 1956 verstorbenen Emil Nolde hervorgeht: E. OSTERLOH, Emil Nolde (1957). 621 Vgl. oben S. 489. 622 Vgl. oben S. 456f. 623 CDU und CSU rutschten von 50,2% auf 45,3% der abgegebenen Stimmen, während umgekehrt die SPD um 4,4 Prozentpunkte zulegen und den Abstand damit von zuvor beinahe 20 auf nur noch 9,1 Prozentpunkte reduzieren konnte; zudem war die SPD erstmals seit 1949 wieder stärker als die CDU allein (36,2% : 35,8%). Vgl. WAHLHANDBUCH, Bd. 1, S. 15ff. 624 E. OSTERLOH, Adresse (1961). Hieraus auch die folgenden Zitate.

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„Es handelt sich im Entscheidenden um eine Krise, in deren Mittelpunkt der Bundeskanzler selbst steht. Sein Verhalten beim Abgang von Professor Heuss und vor der Neuwahl von Bundespräsident Lübke haben Zweifel daran ausgelöst, daß er höchste staatliche Einrichtungen und Ämter so wertet und respektiert, wie es jedenfalls der gesamtprotestantischen Tradition in Deutschland entspricht625. Ähnliche Empfindungen der Skepsis, der Bestürzung und Enttäuschung sind ausgelöst worden durch das Verhalten der von Adenauer geführten Regierung im Streit um das zweite Fernsehen. Beträchtliche Teile des deutschen Volkes halten es für bedenklich, wenn das höchste deutsche Gericht so kritisiert wird, wie es geschehen ist626. Schließlich darf auch nicht verschwiegen werden, daß wiederholte direkte Interventionen des Kanzlers auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik bei den Urteilsfähigen den Eindruck erweckt haben, daß sein Verhältnis zu den zuständigen Ressortministern mit einer Problematik belastet ist, die in meinungsbildenden Kreisen der Öffentlichkeit Unbehagen auslöst.“

Angesichts dieser umfassenden Kritik an Adenauers politischem Führungsstil, der dem, wofür Osterloh einstand, so gar nicht entsprach, konnte auch der abschließende Absatz, in dem Osterloh Adenauers „einzigartige geschichtliche Leistung“, seine „selbstlose Einsatzbereitschaft für Deutschland“, seine „Unerschrockenheit und politische Genialität“ würdigte, über eines nicht hinwegtäuschen: Dies war ein – nur wenig verfrühter – Abgesang auf eine zwar bewunderte, aber im Grunde nur noch historisch zu würdigende politische Führungsperson, der man eine aktive Rolle selbst in der nahen Zukunft nicht mehr zutraute und auch nicht mehr wünschte.

625 In einem 1963 in der Evangelischen Akademie Bad Boll gehaltenen Referat über die „stilbildende Aufgabe der Politiker und Journalisten“ (E. OSTERLOH, Demokratie [1963]), hat Osterloh sein Entsetzen über die Vorgänge von 1959 noch pointierter ausgedrückt: „Für mich ist die schrecklichste Phase der Bundesrepublik, die mich als Politiker an den Rand radikaler Resignation gebracht hat, gekennzeichnet durch den Übergang des Bundespräsidentenamtes von einer Person auf die andere. Es ist die Grenze dessen verletzt worden, was in einer solchen Phase überhaupt erörtert werden kann.“ Nach einigen Beispielen schloss er die Ausführungen dazu mit der „verlockenden“ Idee einer „volkspsychologische[n] Analyse über die situationsmäßige Herkunft der Beteiligten“, aus der seiner Meinung nach vermutlich zu entnehmen wäre, „daß hier die Stillosigkeit zuletzt darin lag, daß in einer ganz bestimmten Landschaft – ich formuliere gefährlich – das preußische Verständnis von staatlichen Aufgaben nie wirklich Allgemeingut geworden ist“ (EBD., S. 49). 626 Das Bundesverfassungsgericht sprach sein Urteil im „Fernsehstreit“ am 28. 2. 1961 und gab den gegen den Bund klagenden Ministerpräsidenten in allen wesentlichen Punkte recht (ARCHIV DER GEGENWART, 3. 3. 1961 [Sonderausgabe, S. 2772–2775]); vor allem Innenminister Schröder äußerte sich dazu kritisch: „Ihn stimmten Passagen des Urteils ‚traurig‘, und er vertrat wiederum die Ansicht, die ‚konstitutionellen Schwächen unseres Grundgesetzes wurden bei dem Urteil deutlich‘“ (H. KÖHLER, Adenauer, Bd. 2, S. 529).

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7.5 Das kirchliche Engagement Osterlohs nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst der EKD Osterloh blieb den Mitarbeitern der Kirchenkanzlei, aber auch der Institution EKD nach seinem Wechsel in die Politik eng verbunden, wie schon anhand der engen Kontakte, die er von Bonn aus zur Kirchenkanzlei zum gegenseitigen Vorteil aufrecht erhielt627, deutlich wird.

7.5.1 Die Kammer für öffentliche Verantwortung Großen Wert legte Osterloh auf seine weitere Zugehörigkeit zur Kammer für öffentliche Verantwortung628, deren Arbeit er als zuständiger Referent der Kanzlei lange wesentlich mitgestaltet hatte629. Er wurde nach seinem Ausscheiden aus dieser Funktion als Mitglied in die Kammer berufen und erschien zur Sitzung vom 18. und 19. Januar 1954 im nahe gelegenen Königswinter, bei der über das Verhältnis der EKD zur SPD beraten werden sollte630. In seiner Anwesenheit bejahte man „die Notwendigkeit eines beständigen Gespräches mit der SPD auf allen Ebenen, d. h. auf der Ebene des Rates, der Kirchenleitungen wie der Gemeinden“, und bat den Rat, eine Kommission zur Vorbereitung dieses Gespräches zu berufen, der Osterloh aber nicht angehören sollte631. Als „vordringliche Gesprächsthemata“ wurden benannt „die Fragen 1. der Geistesfreiheit (Verkirchlichung und Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens) und 2. des Wohlfahrtsstaates und der persönlichen Verantwortung“632. Breiten Platz nahm auf dieser Sitzung das Thema „Wiedervereinigung“ ein, angestoßen durch die anstehende, viele Hoffnungen erweckende Viermächtekonferenz vom 25. Januar bis 18. Februar 1954 in Berlin633. Auf Beiträge unter anderem von Iwand und Osterloh hin lehnte man den Vorschlag ab, dass der Rat ein „Wort an die 627

Vgl. oben S. 352. Vgl. Brief Osterlohs an Tillmanns vom 24. 3. 1953 (EZA BERLIN, 2/1348, Bl. 44): „Es würde mir sehr viel bedeuten, wenn sich die Möglichkeit ergeben würde, auch von meiner neuen Arbeit aus weiterhin in der Kammer für öffentliche Verantwortung mitzuarbeiten.“ 629 Vgl. oben S. 218. 630 Es handelte sich um eine gemeinsame Sitzung der Kammer und des Synodalausschusses für öffentliche Verantwortung; vgl. EZA BERLIN, 2/1349, Bl. 70. 631 Niederschrift über die Verhandlungen: EBD., Bl. 59–67. Zitat: Bl. 63. 632 EBD. 633 Zu Vorgeschichte und Verlauf der umstrittenen und letztlich gescheiterten Konferenz und den Reaktionen darauf vgl. H.-J. RUPIEPER, Außenministerkonferenz; M. GÖRTEMAKER, Geschichte, S. 315–320; A. M. BIRKE, Nation, S. 327–330; ARCHIV DER GEGENWART, 23. 2. 1954 (Sonderausgabe, S. 1099–1102). 628

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Konferenz der Außenminister“ richten sollte. Man beriet über verschiedene Aspekte einer möglichen Wiedervereinigung und zog es vor, „ganz auf der inneren Linie zu bleiben“634. Zur Kammersitzung am 21. und 22. Januar 1955 in Berlin hatte Osterloh erneut zugesagt. Im Mittelpunkt stand diesmal allgemein die Frage des Verhältnisses von Kirche und Politik. Die Kammer führte in ihrer Empfehlung an die Synode weitgehend das aus, was Osterloh in seinen Beiträgen zu den Auseinandersetzungen in der evangelischen Kirche immer wieder hervorgehoben hatte und woran er sich grundsätzlich auch in der Politik zu halten gedachte. Die Kirche habe einen Verkündigungsauftrag, ihre Aufgabe besteht nicht in der „Ausgabe von Parolen für die rein politische Entscheidung“. Es sei ein „Mißbrauch der Heiligen Schrift, einzelne Bibelworte als Argumente für oder gegen eine politische Konzeption zu zitieren“, die politische Diskussion dürfte von der Heiligen Schrift her nicht durch die Berufung auf das Gewissen abgebrochen und der politische Gegner nicht als „gewissenlos“ hingestellt werden, der evangelische Christ habe sich im Umgang mit dem politischen Gegner jeder Diffamierung zu enthalten635. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass Osterloh deshalb so viel Wert auf seine weitere Zugehörigkeit zur Kammer für öffentliche Verantwortung legte, weil er sich im hier versammelten Personenkreis heimisch fühlte, in kirchlicher wie in politischer Hinsicht. Gerade die Bandbreite der hier vertretenen politischen Meinungen, hier seien stellvertretend genannt Robert Tillmanns und Helmut Gollwitzer (dessen Platz nach seinem Wechsel in die Sozialkammer Hans-Joachim Iwand einnehmen sollte), macht deutlich, was das Besondere und Reizvolle war: Das hier vertretene Milieu eines politisch interessierten und zum politischen Engagement bereiten Protestantismus war (noch) nicht so stark parteipolitisch festgelegt, dass man nach durchaus kontrovers geführten Beratungen nicht zu gemeinsamen Beschlüssen fähig gewesen wäre. Das Wissen um 634 EZA BERLIN, 2/1349, Bl. 60f. Die Niederschrift Niemeiers ordnet die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht den einzelnen Teilnehmern zu, was angesichts des teils erstaunlichen Weitblicks, mit dem das Thema hier behandelt wurde, besonders bedauerlich ist. Hingewiesen wurde u. a. darauf, dass „Befriedung nicht einfach identisch sei mit der Wiederherstellung des status quo, d. h. der deutschen Grenzen von 1937, daß vielmehr, wo solche Meinung gehegt werde, eine Unbußfertigkeit herrsche, die die Gerichte Gottes nicht ernst nehme“, dass „eine der Entnazifizierung ähnliche Behandlung der ostzonalen Funktionäre von vornherein ausgeschlossen werden müsse“ und dass „die Neuschaffung Deutschlands nur in einem neuen Geist erfolgen könne“. Zur Rolle der Kirche führte man aus, sie könne nur etwas tun, „was ihrem spezifischen Auftrag an unserem Volk entspricht, daß sie dieses aber auch tun müsse, und zwar kirchlich tun müsse, nicht aber in der Haltung, als sei sie ein dem Staat ähnliches Gebilde“ (EBD., Bl. 61). 635 Bericht Niemeiers über die Sitzung vom 21. und 22. 2. 1955 in Berlin (EZA BERLIN, 2/1350, Bl. 151f.).

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die gemeinsame Verantwortung vor Gott und für die Welt führte hier Christen unterschiedlicher politischer Richtungen zusammen und ließ sie anscheinend auch in denjenigen Kammermitgliedern, die sich dem anderen politischen Lager zuordneten, zuvorderst Mitchristen wahrnehmen, mit denen eine gemeinsame Ebene der Verständigung eigentlich nicht erst gesucht werden muss. In seiner Sitzung vom 6. und 7. Juli 1955 in Berlin berief der Rat Osterloh erneut in die Kammer für öffentliche Verantwortung, und Osterloh nahm diese Berufung wieder an636. In der Folgezeit kam es aber aufgrund immer neuer Terminprobleme nur noch sehr sporadisch dazu, dass Osterloh an einer Sitzung teilnehmen konnte637. Mitglied der Kammer aber blieb er bis an sein Lebensende. Auch die „erhebliche personelle Umstrukturierung“ der Kammer im Winter 1961/62, nach der sich die Tätigkeit der Kammer von der reinen Beratung des Rates zur Abfassung von Denkschriften hin verlagerte, änderte daran nichts638.

7.5.2 Der Deutsche Evangelische Kirchentag Der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) war 1949 durch Reinold von Thadden-Trieglaff gegründet worden, der damit – wie mit den von ihm initiierten „Evangelischen Wochen“ der 1930er Jahre – in erster Linie volksmissionarische Gedanken verfolgte. Thadden-Trieglaff hatte Unterstützung bei Eberhard Müller gefunden, der vor allem organisatorische Hilfestellung gab und sein akademisch-problemorientiertes Konzept mit in die Gestaltung der Kirchentage einbrachte. Mit dem Kirchentag 1951, der – gegen den Willen des Gründers – unter der symbolträchtigen Losung „Wir sind doch Brüder!“ im geteilten Berlin stattfand, waren diese Grundkonzeptionen durch die politisch-symbolhafte Bedeutung des Kirchentages als Klammer für das geteilte Deutschland überlagert worden. Erst mit der Verfestigung des Ost-West-Gegensatzes Mitte der 1950er Jahre und dem zunehmenden Desinteresse der Regierenden in Ost und West an der Veranstaltung, das unter anderem zum Scheitern des für 1957 in Thüringen geplanten Kirchentages führte, kamen die ursprünglichen Ideen, zunächst vor allem das Konzept Müllers, wieder zum Tragen639. 636

Vgl. EBD., Bl. 128f.; Bl. 116. Vgl. die diesbezüglichen Briefwechsel und Absagen Osterlohs in: EZA BERLIN, 2/1350; 2/1351. 638 Vgl. T. E. HECK, EKD, S. 153, der vom niedersächsischen Kultusminister Osterloh spricht, dem er – gemeinsam mit den anderen CDU-Mitgliedern der Kammer – „zum Themenkomplex Ostpolitik und Heimatrecht keine innovativen Positionen unterstellen“ mochte (EBD.). An den weiteren Beratungen über die zu erstellende Denkschrift zur Ostpolitik war Osterloh nicht mehr beteiligt. 639 Vgl. zur Geschichte des DEKT in den 1950er Jahren R. HENKYS, Wunschbild, und besonders D. PALM, Brüder. Vor Palms Studie gab es „keine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende historische 637

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Hinsichtlich der Teilnehmerzahl, der inhaltlichen Orientierung und der Vielfalt der Angebote unterschied sich der Kirchentag der 1950er Jahre noch erheblich von dem, was man heute mit Kirchentag verbindet640. Aber auch damals war er im Großen, was die Kammer für öffentliche Verantwortung auf einer anderen Ebene im Kleinen war: ein Forum des Austausches, der gemeinsamen Besinnung über das, was den Christen in der Welt zu tun aufgegeben ist. Kein Wunder also, dass Osterloh, dem die besondere Kirchentagsatmosphäre schon von seinen vor allem dienstlich motivierten Besuchen während seiner Zeit an der Kirchenkanzlei bekannt war641, sich hier engagierte, zumal ihm über seine Verbindungen aus seiner Zeit als Dozent und besonders als Studentenpfarrer der Bekennenden Kirche in Berlin viele der Verantwortlichen aus dem Präsidium des Kirchentags seit Jahren bekannt waren642. Auch dienstlich war er sowohl in der Kirchenkanzlei als auch im Bonner Innenministerium mit Vorgängen um den Kirchentag befasst gewesen. Im Vorfeld des Berliner Kirchentages 1951 hatte er versucht, Kritiker zu beschwichtigen, die sich über die – mit Rücksicht auf die Verbreitungsmöglichkeit in der DDR vorgenommene – „Entschärfung“ des Vorbereitungsheftes bei der Kanzlei der EKD beschwerten643. Vor dem Hamburger Kirchentag 1953 hatte es ein Gespräch zwischen ihm und Otto-Heinrich Ehlers, dem Generalsekretär des Kirchentags, über die Präsenz der Bundesregierung und speziell ein von Innenminister Lehr gewünschtes Grußwort gegeben, in dem Osterloh von Studie über den Deutschen Evangelischen Kirchentag“ (EBD., S. 16). Von Bedeutung ist neben den hier nicht aufgelisteten Dokumentationsbänden zu jedem Kirchentag folgende Literatur: P. STEINACKER, Art: „Kirchentage“; H. SCHROETER, Kirchentag; HÖREN – HANDELN – HOFFEN; ZEITANSAGE; KIRCHE IN BEWEGUNG; T. JÄHNICHEN, Kirchentage. 640 Die Zahl der Dauerteilnehmer lag in den 1950er Jahren bei durchschnittlich 50.000, während sie seit den 1980er Jahren stets weit über 100.000 liegt, der Anteil jugendlicher Teilnehmer lag in diesen Jahren bei 25–30%, um dann bis in die 1980er Jahre hinein stark anzusteigen (vgl. P. STEINACKER, Art.: „Kirchentage“, S. 105ff.). Inhaltlich sei hier lediglich auf zwei wesentliche Unterschiede hingewiesen: das Fehlen direkt ausgesprochener Kritik an der Kirche, die lediglich unterschwellig vorhanden gewesen sein mag, und die weitgehende Übereinstimmung mit der Gesellschaftsform, ein „völlig systemkonformes Mitwirken am Wiederaufbauwillen“ (H. H. Walz, 30 Jahre, S. 171), worauf auch schon die Überschrift hinweist, unter der Reinhard Henkys die ersten zwölf Jahre des Kirchentags beschreibt: „Wunschbild einer Gesellschaft ohne Widersprüche“. 641 Osterlohs Anwesenheit ist belegt für den Kirchentag der Berliner Bekennenden Kirche im Januar 1950 – nach fast fünf Jahren Osterlohs erster Aufenthalt in Berlin (vgl. Dienstreisebericht vom 31. 1. 1950, in: EZA BERLIN, 2/1934). Die Diskussion, die er am 28. 8. 1951 in Essen mit Oskar Hammelsbeck über Schulfragen führte (vgl. oben S. 250), war dem Dienstreisebericht Osterlohs vom 30. 8. 1950 zufolge ausgewiesen als „Sonderveranstaltung des Kirchentages“, dessen Abschlusskundgebung tags zuvor stattgefunden hatte (EZA BERLIN, 2/3585). Die Besprechung mit Dr. v. Meibom anlässlich seiner bevorstehenden Berufung in das Innenministerium (vgl. oben S. 350) fand statt am 26. und 27. 8. 1952 in Stuttgart, wo am 27. der 4. Deutsche Evangelische Kirchentag eröffnet wurde. 642 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch vom 3. 6. 1999. 643 Beschwert hatten sich – beide Osterloh bestens bekannt – Pfarrer Eitel-Friedrich von Rabenau aus Berlin und Hans Asmussen, inzwischen Propst in Kiel (vgl. D. PALM, Brüder, S. 111f.).

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einer zu starken Anlehnung an die Bonner Regierung abriet, bezeichnenderweise mit dem Argument, die Bundesregierung habe dann am meisten vom Kirchentag, „wenn er politisch auch vom Osten her unangreifbar bleibt“644. Zunächst war es Gertrud Osterloh, die sich 1956 als Referentin auf dem Frankfurter Kirchentag hervortat645, und sie sollte es sein, die von 1962 bis 1968 und nochmals von 1970 bis 1977 dem Präsidium des Kirchentags angehörte und 1970/71 sogar Präsidentin des Kirchentags und damit auch des ökumenischen Pfingstreffens in Augsburg war646. Von Edo Osterloh ist bis dahin lediglich ein Diskussionsbeitrag dokumentiert, den er 1953 auf dem Hamburger Kirchentag leistete. Als Zuhörer der Arbeitsgruppe II („Werft Euer Vertrauen nicht weg – in der Familie“) wurde er von Diskussionsleiter Kurt-Dietrich Schmidt gebeten, zum Thema „Gleichberechtigung“ eine Art „Gegendarstellung“ zum Referat von Amtsgerichtsrat Arnold zu geben647, um das Spektrum der Meinungen innerhalb der evangelischen Kirche angemessen zu Wort kommen zu lassen. Arnold hatte mit Blick auf die grundgesetzliche Festschreibung der Gleichberechtigung und im Anschluss an ein Gutachten von Ernst Wolf die Auffassung vertreten, als evangelischer Christ dürfe man nicht für einen Letztentscheid des Mannes bzw. Vaters in Ehe- bzw. Erziehungsangelegenheiten eintreten648. Osterloh stellte dagegen die Meinung „einer großen Zahl von evangelischen Theologen“, die sowohl Zweifel an der Schlüssigkeit des Wolfschen Gutachtens hegten als auch an der Notwendigkeit, aus dem Artikel der Gleichberechtigung zwingend eine Zurückweisung eines Letztentscheids des Vaters zu folgern649. 7.5.2.1 Christen und Politik im Kontext der Atomdebatte – vom Kirchentagskongress in Hamburg 1958 zum Münchener Kirchentag 1959 Nach seinem Eintritt in die CDU versuchte Osterloh, die Bedeutung des Kirchentags und die Wirkung eines gelungenen Auftrittes auf einem solchen auch seiner Partei zu vermitteln. Im Vorfeld des Kirchentagskongresses 1958 in Ham644 Aktenvermerk über ein Telefonat mit Osterloh, 10. 7. 1953 (zit. nach EBD., S. 176; vgl. EBD., 175f.). 645 Im Rahmen ihrer Mitarbeit in der Arbeitsgruppe II (Familie und Erziehung) hielt sie den Vortrag „Wer hat uns was zu sagen“ und beteiligte sich auch an den Diskussionen (vgl. ERLEBTER KIRCHENTAG … FRANKFURT 1956, S. 127ff., 137, 139). Am 26. 10. 1957 sprach sie auf dem Regionalkirchentag in Flensburg zum Thema: „Der Nächste ist unser Bruder – haben wir ihn nötig?“ (vgl. KIRCHENTAGE ZWISCHEN FRANKFURT UND MÜNCHEN, S. 110; Auszug u. d. T.: „Seit du da bist“, in: EBD., S. 111–114). 646 Vgl. ZEITANSAGE, S. 211, 213. 647 Schmidt sprach von einer „Stimme der Gegenseite“, die zu Wort kommen müsse, obwohl nur ein Referent für das Thema zur Verfügung gestanden hatte (WERFT EUER VERTRAUEN NICHT WEG, S. 144). 648 EBD., S. 142ff. 649 Vgl. EBD., S. 145f. Zu Osterlohs Haltung vgl. auch oben S. 269–276.

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burg650, der über die Zukunft und inhaltliche Ausrichtung des Kirchentages diskutieren sollte, nachdem das mehrere Jahre verfolgte Konzept sich mit der Absage des in Erfurt geplanten Treffens als brüchig erwiesen hatte651, mahnte er im Parteivorstand die Teilnahme qualifizierter Parteikollegen eindringlich an. Anlässlich einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern, auf der als einzige protestantische Vertreter Sozialdemokraten anwesend waren, war es am 17. Januar 1958 im Bundesvorstand der CDU zu einer heftigen Debatte gekommen, an der sich vor allem Eugen Gerstenmaier und Adenauer kontrovers beteiligten. Während Gerstenmaier den Verantwortlichen für die Tagung „missionarische“ Absichten zugute hielt, sah Adenauer darin nur einen „sehr großen Schaden“ und wandte sich energisch gegen alle Gespräche von Kirchenvertretern mit Sozialdemokraten, da sie dem Eindruck Vorschub leisteten, als bahne sich eine ernstgemeinte Annäherung von Sozialdemokratie und Kirche an. Er unterstellte der Sozialdemokratie allein parteipolitisch-taktische Gründe für ihre Annäherung an kirchliche Kreise und fürchtete im Falle der angeblich verabredeten Fortsetzung solcher Gespräche offensichtlich den Erfolg einer solchen Taktik: „[W]ie sollen wir dann noch in unseren katholischen Organisationen im vorpolitischen Raume die Leute bei der Stange halten? Das ist doch völlig unmöglich.“652 Osterlohs darauf folgendes Votum zeigt, dass seine Offenheit für kontroverse Diskussionen innerhalb kirchlicher und politischer Gremien sich keineswegs auf die Sozialdemokratie als Partei erstreckte. Zwar unterstützte er Gerstenmaiers Äußerungen über den missionarischen Anspruch kirchlicher Kräfte, blieb aber inhaltlich und im Ton seiner Aussage einem scharfen Abgrenzungskurs verpflichtet. Ganz im Sinne Adenauers hob er auf fortgesetzte kirchen- und christentumsfeindliche Äußerungen sozialdemokratischer Politiker ab653 und hielt es für entscheidend, dass die CDU den fundamentalen Unterschied, der sie von SPD und Liberalen trennt, gegenüber den christlichen Kirchen offensiv vertritt: „Wichtig scheint mir zu sein erstens der Kontakt mit den Kirchenleitungen und zweitens, einen Überblick über die Schwerpunktveranstaltungen zu schaffen, an denen Gespräche nicht zu vermeiden sind. Wir müssen dafür sorgen, daß diese Tagungen mit Persönlichkeiten beschickt werden, die in der Lage sind, dem Feinde die Stirn zu

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Der Kongress stand unter dem Motto „Wirklichkeit heute“, die dort gehaltenen Referate erschienen – in derselben äußeren Aufmachung wie die Dokumentationsbände der Kirchentage – in einem Band gleichen Namens. Vgl. auch D. PALM, Brüder, S. 264–267. 651 Vgl. EBD., S. 257ff. 652 Abdruck der Beiträge Gerstenmaiers und Adenauers: ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN“, S. 73–79. 653 Hierbei relativierte er sein erstes pauschales Urteil – vielleicht unabsichtlich – schon im folgenden Satz: „Es scheint mir wichtig zu sein, daß das antichristliche Verhalten der Sozialdemokratie herausgestellt wird. Es gibt solche antichristlichen Äußerungen unter den Sozialdemokraten“ (EBD., S. 82).

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bieten. Wir müssen insgesamt den Eindruck einer Weltanschauungspartei pflegen und aufrechterhalten. Ich sehe keine andere Möglichkeit, dem Liberalismus und der Sozialdemokratischen Partei, die immer stärker versucht, den Eindruck einer liberalen und bürgerlichen Partei zu machen, entgegenzutreten.“654

Diesem Entgegentreten nun sollte auch seine Zusage dienen, beim anstehenden Kirchentagskongress in Hamburg die Leitung der Sektion „Politik“ zu übernehmen, obwohl den Hauptvortrag dieser Sektion der Sozialdemokrat Adolf Arndt halten sollte. Osterloh hatte sich zuvor mit Kai-Uwe von Hassel, als Regierungschef von Schleswig-Holstein und Landesvorsitzender der dortigen CDU in doppelter Hinsicht Osterlohs „Vorgesetzter“, abgestimmt und benannte nun das Pro und Contra seines Entschlusses: „Ich hatte das Bedenken, der Kirchentag wird dadurch den Eindruck in der Öffentlichkeit erwecken, als ob die Sozialdemokraten mit uns Arm in Arm einig wären. Ich habe mir weiter gesagt, wenn ich abgesagt hätte, dann hätte man unter Umständen einen bekannten Sozialdemokraten, der nicht in der vordersten politischen Front steht, für die Leitung des Kongresses genommen. Mit blieb nichts anderes übrig, als den Versuch zu machen, uns hier zu vertreten.“655

Osterloh schloss mit dem Aufruf zur unterstützenden Teilnahme weiterer kompetenter Parteifreunde an dieser Veranstaltung und verwies auch auf die sich ihm bietende Chance, jenseits der Abwehr sozialdemokratischen Ausgreifens auf kirchliche Kreise auch die eigene Partei entsprechend darzustellen: „Erfolgreich kann das nur sein, wenn die politischen Freunde auch anwesend sind und denjenigen unterstützen, der hier versucht, unter Wahrung des kirchlichen Gesichts auch für die CDU als Partei werbend zu wirken.“656

Der Kirchentag, genauer: der Kirchentagskongress, erscheint hier bis in die Wortwahl hinein als eine Art Nebenkriegsschauplatz der politischen Auseinandersetzung, der angesichts der Bedeutung des evangelisch-kirchlichen Milieus für die CDU und ihren überkonfessionellen Charakter unversehens zu einem Hauptschauplatz werden könnte. Ob die Zuhörerschaft, vor der dies ausgesprochen wurde, für diese – in deutlicher Parallele zum eigenen Vorwurf an die Sozialdemokratie – sehr politisch-taktische Schilderung der Rolle solcher kirchlicher Veranstaltungen für die politische Bewusstseinsbildung ausschlaggebend war, muss offen bleiben. Es erscheint aber nicht ausgeschlossen, dass Osterloh auf diese Weise versuchte, die Verzahnung von CDU und protestantischem Milieu, der durch den schnell aufeinander folgenden Tod von Hermann Ehlers und Ro654

EBD., S. 83. EBD. 656 EBD. 655

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bert Tillmanns schwerer Schaden zugefügt worden war657, wieder zu verbessern. Dazu kam in den folgenden Monaten noch ein Umstand, der den Beratungen des Kirchentagskongresses eine weitreichende Bedeutung geben konnte: Der Kongress tagte vom 16. bis 20. April 1958 und schloss damit nur sechs Tage vor dem Beginn der EKD-Synode in Berlin-Weißensee, von der jeder ungeachtet des vorgesehenen Themas „Kirche und Erziehung“ vor allem eine Entscheidung zur Frage der Atombewaffnung erwartete, die schon ein Jahr lang in Öffentlichkeit und Kirche äußerst kontrovers diskutiert wurde658. Ende Februar/Anfang März 1958 war es angesichts der für Ende März anstehenden Entscheidung des Bundestages zur Gründung der Aktion „Kampf dem Atomtod“ gekommen659, die in der folgenden Zeit zahlreiche gut besuchte Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet organisierte660. Ebenfalls Anfang März forderten die „Kirchlichen Bruderschaften“ in ihrer „Anfrage an die Synode der EKD“ ein vorbehaltloses Nein gegen den atomaren Krieg und alle Schritte zu seiner Vorbereitung. Sie sahen schon in einer Neutralität in dieser Frage eine Verletzung aller drei Artikel des christlichen Glaubens und damit an dieser Stelle den status confessionis gegeben661. Vor diesem Hintergrund dürfte Osterloh das Diskussionsergebnis der Sektion Politik des Kirchentagskongresses, das er als Sektionsleiter in einem Arbeitsbe657

Vgl. oben S. 398f., 494. Im Gefolge der Ungarn-Krise 1956 war es innerhalb der NATO zu Überlegungen gekommen, auch den westeuropäischen Partnern im Ernstfall Atomwaffen zur Verfügung zu stellen. Auf einer Pressekonferenz am 4. 4. 1957 hatte Adenauer, der zunächst gegen solche Pläne war, dies für die Bundeswehr ausdrücklich begrüßt und dabei äußerste Erregung hervorgerufen, weil er ausführte, die kleineren, „taktischen“ Atomwaffen seien nichts weiter als eine „Weiterentwicklung der Artillerie“ (vgl. ARCHIV DER GEGENWART, 4. 4. 1957 [Sonderausgabe, S. 1922f.]; PROTESTCHRONIK III, S. 1610). Mit der politischen Durchsetzung der Stationierung von Trägersystemen und atomarer Munition unter amerikanischer Schlüsselgewalt versandete die Diskussion 1959/60. Zur Atomdebatte innerhalb der EKD, die 1958/59 ihren Höhepunkt erreichte, vgl. U. MÖLLER, Prozeß; D. BUCHSTÄDT, Kirche, S. 298–361. Wichtige Quellen: H. GOLLWITZER, Christen; CHRISTUSBEKENNTNIS IM ATOMZEITALTER?; DER CHRIST IM ATOMZEITALTER; ATOMZEITALTER, KRIEG UND FRIEDEN; KJ 85, 1958, S. 17–74; 86, 1959, S. 90–106, 106–122; 87, 1960, S. 85–100. Kommentierte Quellen-Auswahl: ATOMWAFFEN UND ETHIK. 659 Gründungsaufruf: KJ 85, 1958, S. 21f.; ARCHIV DER GEGENWART, 14. 3. 1958 (Sonderausgabe, S. 2132f.); PROTESTCHRONIK III, S. 1814. Unterzeichner waren u. a. Osterlohs alte Weggefährten Helmut Gollwitzer, Heinz Kloppenburg, Martin Niemöller und Heinrich Vogel. 660 Die Auftaktveranstaltung fand am 23. 3. 1958 in Frankfurt vor mehreren Tausend Menschen statt (vgl. PROTESTCHRONIK III, 1822f.). Nach dem Bundestagsbeschluss zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr vom 25. März schlossen sich der Aktion zahlreiche regionale und örtliche Gruppen an, nach einer emnid-Umfrage waren 83% der Befragten gegen eine Atombewaffnung der Bundeswehr (vgl. EBD., S. 1816). Unterstützung fand man u. a. beim DGB, der SPD und der „Bild“-Zeitung (vgl. EBD., S. 1825ff.). Übersichtskarten über die Atom-Proteste zwischen 1957 und 1959 finden sich in: PROTESTCHRONIK IV, S. 2510–2516. 661 Abdruck von Anschreiben und Anfrage: KJ 85, 1958, S. 29–34. Vgl. U. MÖLLER, Prozeß, S. 42–69; D. BUCHSTÄDT, Kirche, S. 308–314. 658

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richt zu präsentieren hatte662, zufriedengestellt haben. Der Referent der Sektion, Adolf Arndt, hatte mit seinem Vortrag schon den Grundstein für einen konstruktiven Verlauf der Beratungen gelegt, indem er auf parteipolitische Polemik verzichtet und stattdessen ausgewogene Gedanken zum Thema, vielfach in Frageform, vorgetragen hatte663. Arndt hatte hier eindringlich vor einer Politik gewarnt, die sich von Illusionen oder Ideologisierungen leiten lässt, und dabei die Mahnung in den Raum gestellt, es könne sich bei der Annahme, die Deutschen hätten keine Illusionen mehr und würden sich absolut nüchtern zu keiner falschen Verklärung mehr verleiten lassen, um eine besonders gefährliche Ideologie handeln. Arndt wandte sich gegen eine strikte und seiner Meinung nach künstliche und auch gegen christliche Prinzipien gerichtete Trennung von Theologie und Politik664 und erläuterte seine Sicht von der Gebrochenheit christlich verantworteter Politik, die er darauf zurückführte, dass Politik, also auch solche aus christlicher Verantwortung, natürlich immer Politik für Menschen sei, damit automatisch aber immer – und nicht nur im zeitgenössischen Ost-West-Gegensatz – auch Politik gegen Menschen, woraus er den Schluss zog: „Die Formel von der Politik aus christlicher Verantwortung scheut sich, die Politik, die als Ergebnis solcher Verantwortung getrieben wird und entsteht, selber als christlich zu werten und zu verklären.“665 Konkret am damals drängenden Beispiel der Atomwaffen erläuterte er: „Der Mensch für sich könnte oder müßte seine Hand von der atomaren Sprengkraft lassen, aber der Mitmensch für andere dürfe den von ihm zu vertretenden Nächsten den atomaren Sprengkörpern des Gegners nicht preisgeben“.666 Andererseits aber dürfe man sich auch nicht aus eigener Selbstgerechtigkeit dazu verleiten lassen, die Gedanken und Züge des Gegners, den man immer auch noch als Nächsten zu sehen habe, für sich selbst zu übernehmen, etwa mit der Behauptung: „‚In meiner Hand ist die Atombombe gut, weil ich mich als gut festgestellt annehme.‘“667

Arndts Referat lag Osterloh als Typoskript vor, an das er zahlreiche kurze Kommentare angefügt hat668. Entsprechend der eher ausgewogenen Gedankenführung Arndts sind dies in der Regel positive Kommentare, eigene Antworten 662 E. OSTERLOH, Sektion (1958). Eine Vorlage des Abdruckes, ein dreiseitiges Typoskript (DIN A 4), in das in Osterlohs Handschrift einige stilistische Verbesserungen eingearbeitet wurden, findet sich in: EZA BERLIN, 71/86/82. EBD. findet sich eine mit dem Abdruck identische Version des Diskussionsergebnisses mit einer vorgeschalteten längeren Einleitung. In dieser Form verlas Osterloh das Diskussionsergebnis offenbar auf dem Kongress. Dazu vgl. unten in diesem Abschnitt. 663 A. ARNDT, Politik. 664 Arndt führte aus, es könne nicht genügen, wenn der Theologe den Politiker nur an das Zeitlose verweise, und präzisierte: „auch der Theologe in uns selbst, da wir als Protestanten allesamt Kirche und da wir allesamt politisch sind“ (EBD., S. 42). 665 EBD., S. 44. 666 EBD., S. 45. 667 EBD., S. 47. 668 Das 14 DIN A 4-Seiten umfassende Typoskript mit den Randnotizen Osterlohs findet sich in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/002.

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auf Arndts aufgeworfene Fragen oder Hinzufügungen theologisch vertiefender Begrifflichkeiten. Mit einem „Ja!“ durch Osterloh gekennzeichnet sind u. a. folgende Sätze Arndts, die man damit wohl auch für Osterloh als grundlegend für seine Auffassung von Politik und der Notwendigkeit, sich persönlich in diesem Bereich zu engagieren, voraussetzen darf: „Politik ist nur möglich, mit dem Wert und in der Zielsetzung, wenigstens Ansätze zu Gemeinschaft zu bilden; ein anderes Verhalten sollte nicht mehr Politik genannt werden, sondern glaubens- und gnadenlose Vorbereitung des Vernichtens.“669 „[E]s ist ein unwirkliches Denkmodell, daß der eine Theologe sei und der andere Politiker; niemand ist bloß Zwischenrufer aus dem Zuschauerraum der Geschichte; keiner steht außerhalb, so daß Wirklichkeit nicht durch ihn politisch mitgeschähe, also daß sein bewußtes oder unbewußtes politisches Kalkül nicht mitzählte.“670

Die anschließende Diskussion in der Sektion Politik konzentrierte sich zeittypisch sehr auf die Frage der etwaigen Atombewaffnung der Bundesrepublik Deutschland, und hier zeigte sich, dass Arndts moderater Vortrag ganz und gar nicht bedeutete, er hätte seine strikt ablehnende Haltung gegenüber einer atomaren Bewaffnung aufgegeben. Art und Weise der Diskussion beschrieb Osterloh in seinen die Verlesung des Diskussionsergebnisses einleitenden, aber nicht in den Dokumentationsband aufgenommenen Worten: „Meine Damen und Herren! Die besondere Aktualität der in der Sektion Politik behandelten Fragen veranlaßt mich zu einer Vorbemerkung. Der Bericht ist außerordentlich komprimiert und enthält schwerwiegende Aussagen. Er ist einmütig von der Sektionsleitung671 verabschiedet worden. Leider ist eine Verabredung mit dem Abgeordneten Herrn Dr. Arndt nicht mehr zustande gekommen. Er war bei Herrn Prof. Thielicke eingeladen, und wir haben uns dann nicht mehr getroffen, bevor wir nach Mitternacht die Arbeit abgeschlossen haben. Ich möchte deshalb ausdrücklich sagen, daß es bei den Aussprachen in der Sektion nicht abgegangen ist ohne ein hartes Aufeinanderprallen und auch nicht ohne schmerzhafte Reibungen unter den Kontrahenten, daß allerdings die Verhandlungen zu einer wachsenden Kameradschaft und, ich würde auch sagen, Brüderlichkeit geführt haben, trotz der auch im Bericht zum Ausdruck gekommenen gebliebenen Spannungen und Gegensätzlichkeiten. Ich gebe Ihnen jetzt den Wortlaut des Berichts, von dem auch ich weiß, daß er in seiner Kürze nur schwer zu verstehen ist.“672

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A. ARNDT, Politik, S. 46. EBD., S. 47. 671 Neben Osterloh gehörten der Sektionsleitung an: Otto Bleibtreu, Pfr. Dr. Wolfgang Böhme (Frankfurt a. M.), Hans Dombois, Oberkirchenrat Dr. Wilhelm Wolfgang Schütz, MdB, und Elisabeth Schwarzhaupt (vgl. Verzeichnis der Mitglieder der Sektionsleitungen [Stand: 15. 4. 1958], in: EZA BERLIN, 71/86/76B). 672 EZA BERLIN, 71/86/82. 670

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Für „Die Welt“ schilderte Walter Görlitz den Diskussionsverlauf etwas konkreter, und daran wird deutlich, warum Osterloh an einer Abstimmung des Berichtes gerade mit Adolf Arndt gelegen haben musste. In seinem Bericht „Offen fragen – und in Demut fragen“ nannte er als ein Beispiel für die „ein, zwei, drei Dutzend gewichtige[n] Fragen“, die auf dem Kongress „angerissen“ worden seien: „Bei der Politik der Zwiespalt zwischen Machtpolitik und der Verfahrensweise der Bergpredigt, unter dem Aspekt der atomaren Rüstung der Bundesrepublik, gegen die ein Vertreter der Opposition (Adolf Arndt) ein scharf geschliffenes Plädoyer hielt, das ein CDU-Landesminister (Edo Osterloh) mit ernsthafter Milde zu korrigieren suchte. Einigkeit gab es nicht, nur nach schwieriger, zum Teil heftiger Debatte jene ‚Brüderlichkeit‘, die erkennen ließ, die Kirche dürfe nicht über militärpolitischem Zwiespalt zerbrechen.“673

Kam man in der Sache, angesichts der damaligen Situation muss man wohl sagen: natürlich, zu keinem Ergebnis, konnte Osterloh dennoch festhalten, was schon im Referat Arndts angeklungen war: Der theologisch begründete grundsätzliche Verzicht auf Atomwaffen wurde als möglicher Standpunkt in der Diskussion nicht aufgegriffen. Für die aktuelle politische Lage hieß dies: „Da wir nicht die Vollmacht haben, den Christen anderer Völker den unbedingten Verzicht auf Atomwaffen als theologisch begründete Forderung vorzuschlagen, kann eine solche Entscheidung auch in der Bundesrepublik nicht den Charakter einer allgemein gültigen Lösung beanspruchen. Die Möglichkeit, atomare Waffen zu Verteidigungszwecken in der Bundesrepublik vorzusehen, wurde von einigen Teilnehmern bejaht, von anderen verneint, ohne daß es zu einer abschließenden und gemeinsamen Urteilsbildung gekommen ist.“674

Entsprechend die Aufforderung an die Synode der EKD, in der die wenige Tage später verabschiedete „Ohnmachtsformel“675 im Grundsatz vorweggenommen 673

Die Welt, Nr. 92, 21. 4. 1958, S. 3. E. OSTERLOH, Sektion (1958), S. 134. 675 Die Kernsätze des Beschlusses der Synode der EKD vom 30. 4. 1958: „Die unter uns bestehenden Gegensätze in der Beurteilung der atomaren Waffen sind tief. Sie reichen von der Überzeugung, daß schon die Herstellung und Bereithaltung von Massenvernichtungsmitteln aller Art Sünde vor Gott ist, bis zu der Überzeugung, daß Situationen denkbar sind, in denen in der Pflicht zur Verteidigung der Widerstand mit gleichwertigen Waffen vor Gott verantwortet werden kann. Wir bleiben unter dem Evangelium zusammen und mühen uns um die Überwindung dieser Gegensätze. Wir bitten Gott, er wolle uns durch sein Wort zu gemeinsamer Erkenntnis und Entscheidung führen“ (Abdrucke u. a. in: KJ 85, 1958, S. 66; KTGQ, Bd. V, S. 236f.; U. MÖLLER, Prozeß, S. 400). Der Begriff „Ohnmachtsformel“, der auf den Kritiker Ernst Wolf zurückgeht (vgl. DERS., Einheit, S. 33, 34, 36 u. ö.), hat sich in der Literatur durchgesetzt, sollte aber nicht unkritisch übernommen werden. Die darin liegende Suggestion, eine Entscheidung der Synode pro oder contra Atombewaffnung hätte den Gang der Entwicklung entscheidend verändert oder auch nur eine einheitlichere Meinung der Protestanten erzeugt, setzt ein den Strukturen 674

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und zugleich eine klare Absage an den Ausschließlichkeitsanspruch des Aufrufes der kirchlichen Bruderschaften enthalten ist676: „Für die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland bleibt die entscheidende Aufgabe bestehen, die Einheit der kirchlichen Gemeinschaft zu wahren, auch wenn die evangelischen Christen sich wesentlich in der Beantwortung der politischen Existenzfragen und insbesondere in der Stellung zu den Problemen der atomaren Bewaffnung voneinander unterscheiden oder hier auf lebenswichtige Fragen keine Antwort wissen. Der Status confessionis, der zur Spaltung der Christenheit und zum Ausschluß aus der Kirchengemeinschaft führt, kann nicht mit Entscheidungen begründet werden, die keine allgemeine Verbindlichkeit für die Christenheit beanspruchen können.“677

Angesichts der Bedrohung, die von der erhitzten Diskussion der ersten Monate des Jahres 1958 weniger für die CDU mit ihrer gerade erreichten absoluten Mehrheit im Bundestag, umso stärker aber für die Einheit der EKD ausging678, kann man das, was der Atombewaffnungsbefürworter und ehemalige Artillerist Osterloh hier als Arbeitsbericht vorlegte, nur als einen Erfolg für seine Position bezeichnen. Die Feststellung, dass alle Entscheidungsmöglichkeiten, inklusive der Neutralität in dieser Frage, mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren seien, und sich infolgedessen weder die Sektion Politik des Kirchentagskongresses noch wenige Tage später die Synode zu einem eindeutigen Votum durchzuringen hatte, musste angesichts der Radikalität der zuvor erhobenen Forderungen der Kirchlichen Bruderschaften und der linken Opposition wie eine klare Niederlage dieser Kreise erscheinen. Hier war nicht nur der Versuch, die evangelische Kirche politisch auf die Opposition zum Regierungskurs festzulegen, einmal

der EKD nicht angemessenes hierarchisches Denken voraus. Außerdem sollte bedacht werden, dass die (Nicht-) Entscheidung der Synode die extremen Standpunkte beider Lager nachhaltig schwächte, indem sie deren Grundbehauptung, das jeweils entgegengesetzte Handeln verstoße gegen zentrale Inhalte des christlichen Glaubens, eben nicht bestärkte, sondern entschieden zurückwies. 676 Den engen zeitlichen und mit dem Ergebnis dieser Sektion auch inhaltlichen Zusammenhang von Kirchentagskongress und EKD-Synode lässt D. PALM, Brüder, S. 264–267, ebenso außer Acht wie die übrige, sich nicht speziell mit dem Thema Kirchentag beschäftigende Literatur. 677 E. OSTERLOH, Sektion (1958), S. 134. 678 Vgl. Gottfried Niemeiers Einschätzung der Debatte in seinen Ausführungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte (KJ 85, 1958, S. 18): „Die Vertreter entgegengesetzter Auffassungen und Entscheidungen zu Fragen der atomaren Aufrüstung der Bundeswehr standen einander weithin nicht mehr als Mitbürger und Mitchristen gegenüber, die zu gemeinsamen Fragen unterschiedliche Lösungsvorschläge haben, sondern als Fronten bitterer Unversöhnlichkeit, gegenseitiger Gereiztheit, Verhärtung und Verketzerung.“ Was Niemeier direkt im Anschluss über die EKD-Synode schrieb, darf mit Fug und Recht wohl auch für die Beratungen des – nicht erwähnten – Kirchentagskongresses reklamiert werden: „Lediglich die Synode der EKD bildete bei kompromißloser und nüchterner Bezeugung des für wahr und recht Erkannten und unzweideutiger Offenheit der Aussprache eine Ausnahme, deren geistige Höhenlage und geistlicher Tiefgang weder in den ihr vorangehenden noch den ihr nachfolgenden Auseinandersetzungen erreicht wurde“ (EBD.).

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mehr abgewiesen worden, sondern es war anhand der besonders brisanten Frage der möglichen atomaren Bewaffnung der Bundeswehr klargestellt worden, dass es auf dem Feld der politischen Entscheidungen keine eindeutige evangelische Lehrentscheidung geben könne, wie sie von den Kirchlichen Bruderschaften in bemerkenswerter Liebäugelei mit den autoritären Strukturen der katholischen Kirche offensichtlich angestrebt wurde. Ein eigener großer Redebeitrag Osterlohs folgte auf dem Münchener Kirchentag 1959, und es sollte eine Rede werden, die für einiges Aufsehen und Irritationen sorgte – vor allem bei Osterlohs Parteifreunden! Der Kirchentag in München war, wie zuvor schon der Kongress in Hamburg, eine Veranstaltung, die sich thematisch fast ausschließlich an den Verhältnissen im Westen Deutschlands orientierte und damit der Gegebenheit Rechnung trug, dass eine den Bedürfnissen und Umständen aller Deutschen entsprechende Veranstaltung faktisch unmöglich geworden war. Angesichts des Umstandes, dass die DDRRegierung es war, die statt den vorgesehenen 15.000 lediglich 1.000 Christen aus dem Osten Deutschlands gestattete, nach München zu kommen, mutet es zynisch an, wenn die offizielle DDR-Presse weisungsgemäß nur noch vom „westdeutschen evangelischen Kirchentag“ sprach – im Grunde genommen lag sie damit jedoch richtig679. Kennzeichnend für den Kirchentag war außerdem die hohe Zahl von zehn Arbeitsgruppen, deren Termine so straff organisiert waren, dass die den Kirchentag bis dahin prägende Diskussionskultur arg litt: „Der Kirchentag zeigte sich als große Evangelische Akademie“680. In Arbeitsgruppe 6, „Der Staat“, waren der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Erler und Edo Osterloh als Referenten zum Thema „Wenn Christen politische Gegner sind“ vorgesehen. Fritz Erler begann seinen Vortrag mit einem Plädoyer für die pluralistische Demokratie: In einer solchen Demokratie müsse immer um den richtigen Weg gerungen werden, bis es schließlich zur Entscheidung einer Mehrheit komme, welche sich wiederum ihrer Verantwortung für die Minderheit bewusst bleiben müsse. „Gemeinsamkeit in den großen Lebensfragen unseres Volkes“ sei wünschenswert, könne in Notzeiten gar „zwingendes Gebot“ sein, jedoch nicht „um jeden Preis“ herbeigeführt werden. Da aber das geistige Erbe des ganzen Volkes vom Christentum geprägt sei, die ganze Gesellschaft in christlichen Traditionen wurzele und sich die übergroße Mehrheit des Volkes zum

679

Vgl. D. PALM, Brüder, S. 274. Palm stellt den Abschnitt, der die Besonderheiten der Kirchentage von 1959 und 1961 behandelt, unter die bezeichnende Überschrift: „Einheit als Fassade“ (EBD., S. 268). Vgl. auch KIRCHE IN BEWEGUNG, S. 53. 680 D. PALM, Brüder, S. 275. Palm zitiert EBD., Anm. 45, die FAZ, in deren Ausgabe vom 27. 8. 1959 der Kirchentag als „kirchliche Massenvolkshochschule“ bezeichnet wurde. Bernt Conrad fragte in seinem Artikel für „Die Welt“ schon am 18. 8. 1959: „Mußte es wirklich eine solche Fülle von Diskussionen und Versammlungen geben?“ (Art. „Die Tage von München“). Vgl. KIRCHE IN BEWEGUNG, S. 54.

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christlichen Glauben bekenne, müssten Christen sich dementsprechend in allen Parteien finden. Weil die evangelische Kirche nun aber kein der katholischen vergleichbares Lehramt auch in politisch-gesellschaftlichen Dingen kenne, dürfe man aus der Zugehörigkeit zum Christentum in der politischen Auseinandersetzung kein Kapital schlagen wollen. So wie keine Partei, schon dem Namen nach immer nur ein Teil des Ganzen, beanspruchen könne, das christlich Gebotene allein gültig zu vertreten, dürfe auch die Kirche sich nicht zugunsten einer Partei in die politischen Auseinandersetzungen einmischen. Politisch seien immer mehrere Lösungen einer Streitfrage denkbar, und weil „Gottes Wort kein Rezept zur Lösung politischer Streitfragen“ biete, dürften Christen „Diskussionen nicht vorzeitig unter Berufung auf das Gewissen abbrechen“. Sie dürften „hart fechten“, sollten einander in politischen Auseinandersetzungen aber ertragen und nicht verketzern. Erler lehnte die „Definierung des Politischen als Freund-Feind-Verhältnis“ ab, da sie die Politik ‚entmenschliche‘. Es ginge aber in der Politik immer um die Gestaltung der menschlichen Gemeinschaft, um ein Zusammenleben oder gar Zusammenwirken, das auch den politischen Gegner umschließe. Dieser sei deshalb, gleich ob Christ oder nicht, entsprechend gut zu behandeln681.

Osterloh sah sich damit zum zweiten Mal innerhalb eines guten Jahres auf einer Veranstaltung des Kirchentages mit dem Referat eines Sozialdemokraten konfrontiert, dessen wesentliche Passagen er vermutlich hätte unterschreiben können. In seinem eigenen Vortrag682 kam er von einer anderen Stoßrichtung her zu einem sehr ähnlichen Fazit. Er ging von dem Gedanken aus, dass Feindseligkeiten zwischen Christen auf die Welt immer abstoßender wirken als solche zwischen Nichtchristen: „Die Welt hofft im geheimen darauf, Christen zu erleben, welche von Gott verwandelt worden sind.“683 Nichtsdestotrotz könne der Christ zum Kampf genötigt werden, Beispiele seien alle totalitären Staaten, in denen eine monopolisierte Weltanschauung den Rang eines Glaubensbekenntnisses beanspruche. Gegenüber solchen aufgezwungenen Kämpfen müsse, so Osterloh, es „fast als harmloses und friedliches Idyll wirken, worüber wir uns in der Bundesrepublik gewöhnlich aufregen, ‚wenn Christen politische Gegner sind‘“684. Gegen die These, Christen dürften sich auch parteipolitisch nicht auseinandersetzen, stellte Osterloh seine Beschreibung der Wirklichkeit in Bonn, von der ein Satz besonders verdient, hervorgehoben zu werden: „An den christlichen Morgenfeiern im Bundeshaus in Bonn nehmen Abgeordnete aller Parteien teil. Und es gibt in allen Parteien Abgeordnete, die ihnen fern bleiben, ohne 681

Abdruck: DEUTSCHER EVANGELISCHER KIRCHENTAG MÜNCHEN 1959, S. 410–416. Geringfügig gekürzt in: KJ 86, 1959, S. 64–69. Längere Auszüge in: FAZ, 26. 8. 1959, S. 11; ERLEBTER KIRCHENTAG … München 1959, S. 129–132; HÖREN – HANDELN – HOFFEN, S. 68–72. 682 E. OSTERLOH, Christen (1959), zit. nach: DEUTSCHER EVANGELISCHER KIRCHENTAG MÜNCHEN 1959, S. 417–425. 683 EBD., S. 417f. 684 EBD., S. 419.

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daß man sagen darf, dieses Fernbleiben allein bedeute schon eine Ablehnung des christlichen Glaubens. Wir haben im Bundestag keine Partei, die es dem Christen wegen seines Glaubens unmöglich macht, politisch in ihr mitzuarbeiten. Überzeugte Christen sind in den letzten Jahren von einer Partei zu einer anderen übergetreten. Sie haben nicht ihren Glauben gewechselt, sie haben nur entweder andere politische Überzeugungen gewonnen oder ein anderes Urteil über bestimmte politische Parteien.“685

Im Normalfall sei es daher im Grunde erfreulich, wenn Christen politische Gegner seien, aber nur unter der Voraussetzung, dass sie ihrem Glauben gemäß im Stil ihrer politischen Arbeit gewisse Standards einhielten. Christen dürften keine politischen Ziele verabsolutieren, da Politik für sie immer nur einen relativen Wert haben könne. Sie müssten ihren christlichen Gegenübern in jedem Fall Gerechtigkeit widerfahren lassen, da sie von ihnen wissen müssten, dass auch diese ihren politischen Einsatz um Gottes und Christi willen in den Dienst der Mitmenschen stellen. Sie müssten immer „Kampfkameraden“ auf derselben Seite sein, wenn es um die Verteidigung der Menschenwürde und der Gewissensfreiheit gehe. Sie müssten Respekt vor dem sachlichen Argument und der persönlichen Überzeugung bezeugen686. Dazu komme noch die für jede Politik hilfreiche christliche Selbsterkenntnis, dass „wir als Sünder handeln und nicht durch unser Tun, sondern durch die Vergebung von der Sünde frei werden“, für Osterloh ein „wirksamer Schutz […] gegen den Aberglauben an jede endgültige und perfekte Lösung“687. Die politische Auseinandersetzung zwischen Christen könne aber auch „häßlich und abstoßend“ sein, nämlich immer dann, wenn die Grenzen zwischen politischem und theologischem Denken verwischt würden, wenn das eine in das andere in unerlaubter Weise übergreife: „Politisierende Theologen und theologisierende Politiker begegnen in der Regel berechtigten Zweifeln.“688 Interessant, welche Beispiele Osterloh hier anführt: Zum einen die Anmaßung, politische Standpunkte zur Richtschnur über das Christsein zu machen, dem politischen Gegner also wegen dessen politischer Ansichten den christlichen Glauben abzusprechen, zum anderen aber auch die Aufrichtung jeglicher Monopolansprüche in positiver oder negativer Hinsicht: „Es ist genauso unchristlich, für eine bestimmte Partei, welchen Namen sie auch immer haben mag, einen Monopolanspruch auf die Anhängerschaft aller Christen zu erheben, als den Christen verbieten zu wollen, sich um ihre besondere politische Verantwortung zu bemühen.“689 685

EBD. (i. Orig. nicht hervorgehoben). Vgl. EBD., S. 420. 687 EBD., S. 421. 688 EBD., S. 422. 689 EBD., S. 421. Natürlich konnte man hieraus eine grundsätzliche Infragestellung des „C“ im Namen der CDU lesen, und u. a. deshalb erregte Osterlohs Rede Aufsehen. Man beachte aber die ebenso konse686

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An diese Erwägungen folgten abschließend Osterlohs Gedanken darüber, welche ‚Mindestanforderungen‘ Christen in der Politik erfüllen sollten, und hier zeigt sich eine große inhaltliche Nähe sowohl zu den Ausführungen Erlers als auch zur Empfehlung der Kammer für öffentliche Verantwortung an die Synode der EKD vom Januar 1955690. Politische Gegnerschaft dürfe niemals zum Verlust der Ritterlichkeit und der persönlichen Achtung führen, ebenso wenig zu einer religiösen und theologischen Verketzerung bestimmter politischer Ansichten, denn: „Das Wächteramt über die Reinheit der Lehre ist nicht Aufgabe des Politikers, auch nicht, wenn er Christ ist.“691 Es sollte Christen außerdem selbstverständlich sein, mit den eigenen Argumenten auch Nichtchristen überzeugen zu wollen, was eine Verquickung von politischen und theologischen Argumenten ebenso ausschließe wie einen vorschnellen Rückzug auf „den christlichen Glauben“ als Entscheidungsgrundlage. Die Vermeidung von persönlicher Diffamierung – und analog die offene, nicht heimtückische Untersuchung von persönlichen Vorwürfen – gehörten für Osterloh ebenso zum selbstverständlichen Verhalten eines christlichen Politikers wie der Versuch, sich immer wieder in die Situation des politischen Gegners hineinzuversetzen. Der Versuch der Verständigung untereinander dürfe zwischen Christen nie endgültig abbrechen, denn Christen hätten es als „Realpolitiker um der Wahrheit und um der Nächstenliebe willen“ zwar nicht nötig, Gegensätze und Konflikte zu beschönigen, sie wären aber in der Lage, den politisch immer wieder möglichen Ausgleich zu suchen, „solange sie gemeinsam die Glaubenserkenntnis beherzigen: Gott sitzt im Weltregiment und erwartet von den Christen, daß sich in ihrem Verhalten, auch in ihrer Politik, seine Liebe zu allen Menschen widerspiegelt.“692 Schließlich formulierte Osterloh mit eigenen Worten eine Grundeinsicht in das Wesen von Politik, die er am Referat Adolf Arndts auf dem Hamburger Kirchentagskongress ein gutes Jahr zuvor zustimmend markiert hatte und in deren Konsequenz man nachvollziehen kann, warum Osterloh selbst sich einst entschlossen hatte, seine politische Verantwortung nicht mehr passiv, sondern aktiv mitgestaltend auszufüllen: „Es braucht nicht jeder Christ ein Politiker zu sein. Der politischen Mitverantwortung für unser irdisches Schicksal aber kann niemand entgehen. Politik ist immer spannungsgeladen und voller Gegensätze. Wenn Christen politische Gegner sind, dann können quente Ablehnung des Ansinnens z. B. der Kirchlichen Bruderschaften, die Einnahme einer bestimmten politischen Haltung oder Meinung als für einen Christen verboten zu brandmarken und an dieser Stelle den status confessionis in das politische Denken einzuführen. Die ebenso deutliche Ablehnung dieses anderen Extrems, die in der Gegenüberstellung auch die Kritik zumindest an Teilen der eigenen Partei zurechtrückte, war aber weniger spektakulär und wohl schon damals weniger medienwirksam. 690 Vgl. oben S. 515. 691 E. OSTERLOH, Christen (1959), S. 424. 692 EBD., S. 425.

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zwar Gefahren entstehen, es ergeben sich aber auch einzigartige Chancen der Bewährung für den Glauben.“693

Mag einem heute vieles von dem, was Osterloh hier gesagt hatte, selbstverständlich erscheinen, sollte man sich vor Augen halten, wie ausgesprochen antagonistisch Politik in den Anfangsjahren der Bundesrepublik gestaltet und empfunden wurde. Erscheinen die beiden großen Parteien – und einige kleinere dazu – heute quälend austauschbar, gehörte damals der nahezu totale Gegensatz zwischen Opposition und Regierung fast schon zum Selbstverständnis der jeweils tragenden Parteien, bis hin zur Aussage Adenauers aus dem Bundestagswahlkampf 1957, ein Sieg der SPD führe zum Untergang Deutschlands694. Der Prozess des Umdenkens, der insbesondere nach der Wahl von 1957 innerhalb der SPD eingesetzt hatte und noch 1959 zur Verabschiedung des Godesberger Programms führen sollte, war bei der CDU, die von den bis dahin vorherrschenden Verhältnissen auf Bundesebene profitiert hatte, begreiflicherweise mit Skepsis und dem Vorwurf der Taktiererei aufgenommen worden. Innerkirchlich leistete der Münchener Kirchentag mit der hier und in den anderen Sektionen propagierten „pluralistischen Streitkultur“ einen weiteren wichtigen Beitrag zum künftigen Demokratieverständnis der evangelischen Kirche695. Beide Referate fanden dementsprechend große Beachtung, zeitgenössisch wie im Nachhinein. Schon auf der Abschlusskundgebung am 16. 8. 1959 verlieh Bundespräsident Theodor Heuss seiner Freude darüber Ausdruck, „daß es möglich war, daß der Abgeordnete Erler und Minister Osterloh miteinander gesprochen haben, und wie sie gesprochen haben, und daß sie nicht, populär gesprochen, die Klingen gekreuzt haben, sondern sich die Hand geben konnten. Das finde ich eine große, schöne Leistung von historischer Bedeutung, die 693

EBD. So Adenauers Worte auf der Schlusskundgebung des CSU-Landesparteitags in Nürnberg am 7. 7. 1957: „Wir sind fest entschlossen, daß die SPD niemals an die Macht kommt. Warum sind wir so fest dazu entschlossen? Nicht etwa – glauben Sie mir das – aus parteipolitischem Haß. Das ist nicht der Grund, sondern wir sind dazu so fest und zutiefst entschlossen, weil wir glauben, daß mit einem Sieg der Sozialdemokratischen Partei der Untergang Deutschlands verknüpft ist“ (KONRAD ADENAUER. REDEN, S. 366). Vgl. K. REPGEN, Finis Germaniae. 695 Dirk Palm spricht von einem „Bruch mit der protestantischen Tradition“ und verweist in diesem Zusammenhang auf den Hamburger Kirchentag von 1953. Auf dessen Männerkundgebung hatte Wilhelm Claussen, damals Ministerialdirektor im Bundesverkehrsministerium, noch scharfe Kritik an den „heute geltenden politischen Formen“ geübt und es als das kleinere Übel bezeichnet, „christliche Politiker“ anstelle von „Programmen“ zu wählen (D. PALM, Brüder, S. 276; vgl. EBD., S. 186f.). Auch Hartmut Przybylski sieht Akademien und Kirchentag als die „andere Seite der Kirche im Nachkriegsdeutschland“, die konstruktiven Streit und theologische Diskurse anbot, während die traditionelle Kirche der „sich entwickelnden parlamentarisch-demokratischen Gesellschaft mit ihren verbrieften […] Bürger- und Menschenrechten […] eher skeptisch“ gegenüberstand (H. PRZYBYLSKI, Demokratisierung, S. 390f.). 694

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mit diesem Kirchentag verbunden bleibt.“696 Ein Zeitungskommentar zwei Tage später hob „das faire politische Gespräch zwischen dem Sozialdemokraten Erler und dem Christlichen Demokraten Osterloh“ aus dem Kirchentagsgeschehen hervor als „bemerkenswert genug […], die Öffentlichkeit nachhaltig zu beschäftigen“697. Gerade dies brüderliche Umgehen miteinander dürfte ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass Osterloh in der nachfolgenden Diskussion seinen Korreferenten einmal mit „Bruder Erler“ ansprach698; noch dazu gestand er ihm zu, dass seiner Meinung nach ein Sieg der SPD bei einer Bundestagswahl nicht den Ruin Deutschlands bedeuten würde699. Dies wie die ganze Veranstaltung überhaupt missfiel jenen, deren Kriterien für die Beurteilung des innenpolitischen Geschehens in erster Linie daran ausgerichtet waren, wie es sich auf das Wohl oder Wehe ihrer Partei, hier der CDU, auswirkte. Johannes Albers etwa, der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmerorganisation, brachte in der Bundesvorstandssitzung vom 16. September 1959 in Anwesenheit Osterlohs dessen Gespräch mit Erler in eine Reihe mit der Teilnahme evangelischer und katholischer Vertreter am Bundeskongress des DGB vom 7. bis 12. September 1959, die er „eine Gefahr“ nannte700 – ganz so, wie Osterloh ein gutes Jahr zuvor an gleicher Stelle über den Versuch der SPD geurteilt hatte, in einen Dialog mit der 696

Das Grußwort von Theodor Heuss ist abgedruckt in: DEUTSCHER EVANGELISCHER KIRCHENTAG MÜNCHEN 1959, S. 811ff., Zitat: S. 812; vgl. ERLEBTER KIRCHENTAG … MÜNCHEN 1959, S. 295f. 697 B. CONRAD, Tage. 698 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996. Auszüge aus den nachfolgenden Diskussionen in: DEUTSCHER EVANGELISCHER KIRCHENTAG MÜNCHEN 1959, S. 426ff. (Aussprache); S. 429–436 (Podiumsdiskussion). Die monierte Anrede an Erler ist nicht abgedruckt, aber folgende Aussage Osterlohs: „Wir wollen unseren christlichen Brüdern in der Sozialdemokratischen Partei das Leben nicht dadurch erschweren, daß wir, wenn nicht offen, so doch versteckt, die Möglichkeit beargwöhnen, daß man auch in dieser Partei seines Glaubens zu leben vermag“ (EBD., S. 426). Ganz abgesehen davon, dass „Bruder“ eine in der Diskussion auch von anderen Teilnehmern verwendete Anrede war, kennzeichnet es die Atmosphäre in dieser Sektion des Kirchentages, wie Erler das mehrfach ausgedrückte Unbehagen am „C“ im Namen der CDU in der Aussprache aufnahm: „[T]rotz der heftigen Angriffe auf den Parteinamen der CDU möchte ich heute Freund Osterloh beruhigen: Selbst nach dieser Debatte steht auch für mich fest, daß Christen nach wie vor auch die CDU wählen können“ (EBD., S. 428). 699 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 3. 6. 1999. Osterlohs Aussagen hatten den späteren Bundespräsident Richard von Weizsäcker so beeindruckt, dass er sie in seinen Erinnerungen erwähnte (R. VON WEIZSÄCKER, Vier Zeiten, S. 161; der entsprechende Abschnitt wurde auch abgedruckt in: 50 JAHRE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, S. 289–292, Zitat: S. 290). 700 Vgl. ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN.“, S. 415f. Am Gewerkschaftskongress hatten als Ehrengäste auch Ludwig Erhard, Franz Josef Strauß, Theodor Blank und Richard Stücklen teilgenommen. Auf dem Kongress kündigte der DGB-Bundesvorsitzende Richter an, die Kampagne gegen den Atomtod in seinem Bereich weiter fortsetzen zu wollen, was aber keine nennenswerten Auswirkungen mehr hatte, da die Kampagne insgesamt kurz vor ihrem schleichenden Ende stand. Die erhobenen Forderungen nach mehr Demokratie auch in der Wirtschaft, einer gerechteren Vermögensverteilung und der wirksameren Kontrolle ökonomischer Machtkonzentrationen blieben moderat und allgemein formuliert (vgl. PROTESTCHRONIK III, S. 2264f.).

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katholischen Kirche zu treten701. Adenauer kommentierte diese Erwähnung des Kirchentagsgeschehens: „Das war etwas Schreckliches!“, und erhielt darauf wie so oft zustimmende Zurufe: „Sehr richtig! Leider!“702. Wenig später äußerte sich Adenauer im CDU-Bundesausschuss zur Auffassung Osterlohs, dass Christen in allen Parteien sein könnten, und kritisierte dessen Unbehagen am ‚C‘ im Namen der CDU. Er nannte in Abwesenheit Osterlohs „diese Äußerungen sachlich falsch [sic!] und im Widerspruch zu den Statuten der CDU stehend, deren Politik sich auf die christliche Überzeugung gründe“703. Für die Verfechter eines strikten Schwarz-Weiß-Denkens in der Politik, das sich in den vorausgehenden Wahlkämpfen ja auch als äußerst erfolgreich erwiesen hatte, musste der Dialog Osterlohs mit Erler in der Tat beängstigend erscheinen, hatte doch mit Osterloh ein prominenter Vertreter der CDU vor einer großen Öffentlichkeit dieses Konzept ins Wanken gebracht. Das Eingeständnis, dass auch in der SPD Christen politische Arbeit verrichten und dies auch mit gutem Gewissen tun können, ließ sich mit dem ‚Alleinvertretungsanspruch‘, den die CDU/CSU bis dahin für kirchliche Anliegen mehr oder weniger offen behauptet hatte, nun wirklich nicht mehr vereinbaren. Dass Osterloh damit nur ausgesprochen hatte, was eigentlich offensichtlich war, tat nichts zur Sache. Wie das Kaninchen auf die Schlange starrte die Mehrheit des Bundesvorstands der CDU auf die Möglichkeit einer Annäherung von SPD und Kirchen und die damit verbundene Gefahr, Teile eines sicher geglaubten Wählerreservoirs zu verlieren. Statt die sich in der SPD abzeichnende Entwicklung ernst zu nehmen und sich auch argumentativ auf sie einzustellen, verharrte man in alten Frontstellungen und unterstellte der SPD weiterhin ausschließlich taktische Motive. Dementsprechend bestürzt reagierte man auf jeden aus den eigenen Reihen, der durch sein Verhalten das bisher für alle so bequeme Weltbild in Frage stellte. Osterloh ließ sich allerdings durch solche rein politische und an einer darüber hinausgehenden Motivation recht uninteressierte Kritik an seinem Verhalten auf dem Kirchentag nicht weiter beirren704, zumal er ja prominente Unterstützung gefunden hatte.

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Vgl. oben in diesem Abschnitt. ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN.“, S. 416. 703 Art. „Kanzler rügt Osterloh“, in: Neue Rheinzeitung, 30. 9. 1959. 704 Ein knappes Jahr später sprach Osterloh vor ca. 400 Zuhörern auf Einladung der evangelischen Kirche in Berlin-Spandau über das Thema „Christen in den politischen Parteien“, zu dem am 1. Advent 1959 an gleicher Stelle Fritz Erler einen Vortrag gehalten hatte. Auch im Mai 1960 stand Osterloh weiterhin zu seinen Auffassungen: Er führte aus, dass „der christliche Glaube keineswegs in eine bestimmte Parteilinie hineinführe“, und fragte, warum „überzeugte Christen nicht gleichermaßen in der CDU, in der SPD oder in der FDP mitarbeiten“ sollten (Art. „Christen in den politischen Parteien“, in: Spandauer Volksblatt, 15. 5. 1960). Auch sein fortgesetztes Unbehagen am Parteinamen wiederholte er: Zwar 702

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7.5.2.2 Kirche und Bildung – Osterloh auf dem Dortmunder Kirchentag 1963 Auf dem Dortmunder Kirchentag 1963 sollte Osterloh erneut das Korreferat zur Rede eines anderen Politikers halten, diesmal war es die FDP-Bundestagsabgeordnete Lieselotte Funcke, die bis 1961 Landtagsabgeordnete in NordrheinWestfalen gewesen war, wo seit der Landtagswahl von 1962 eine Regierungskoalition aus CDU und FDP bestand. Thema beider Reden war „Gefährden die Kirchen die Freiheit der Bildung?“, und man erwartete von Osterloh eine scharfe Entgegnung, zumal Lieselotte Funcke sich in ihrem Referat recht kritisch zur Rolle der Kirchen und der von ihnen aufgerichteten Leitbilder im Bildungswesen geäußert hatte705. Osterloh begann seinen Vortrag706 damit, die üblich gewordenen Vorstellungen zu hinterfragen, die mit den Begriffen „Kirche(n)“, „Bildung“ und „Freiheit“ in Verbindung gebracht werden. Er verwies zunächst auf die Tatsache, dass schon der Begriff „Kirchen“ nur auf die sichtbaren Kirchen mit ihren weltlich beeinflussten Strukturen und ihrer angreifbaren Geschichte abhebt, und ergänzte dieses einseitige Bild durch den Hinweis auf den dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses. Auch „Bildung“ als ein einheitliches, „unantastbares, nahezu heiliges Ideal“ zog er in Zweifel, indem er auf konkurrierende und gegensätzliche Bildungsmächte verwies und damit einen Hinweis auf die Rolle der Kirchen als Hüterin der Freiheit der Bildung in totalitären Systemen der Vergangenheit und der Gegenwart verband. Wer die „Freiheit“ schließlich als einen Wert an sich betrachte, den es gegenüber der Kirche zu verteidigen gelte, verkenne ihre Wurzeln: „Juristische und tatsächliche Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiwilligkeit der Teilnahme am Religionsunterricht, Wahl der Erziehungsberechtigten zwischen Konfessions-, Gemeinschafts- oder Weltanschauungsschulen, Unabhängigkeit der bürgerlichen Rechtsstellung von der persönlichen Religion oder Weltanschauung – das alles sind Ergebnisse einer langen Geistesgeschichte und Wesensmerkmale einer bestimmten Bildung, die ihre Kraft und schöpferische Fähigkeit der Existenz und dem Wirken der Kirche Jesu Christi verdankt. Der lebendige christliche Glaube ist die einzige Quelle, habe er sich nach langem Zögern „schließlich für die CDU entschieden“, ihr Name aber erscheine ihm „noch heute problematisch“ (Art. „Der Christ in der Politik“, in: Der Tagesspiegel, 15. 5. 1960). 705 Lieselotte Funcke hatte zunächst negative Auswirkungen des in Nordrhein-Westfalen nach wie vor in Geltung stehenden Prinzips konfessionell getrennter Volksschulen angeprangert, und dann die Wertewelt, die von den Kirchen jahrhundertelang vermittelt wurde, einer von Pluralität und Mündigkeit geprägten Welt gegenübergestellt. Sie kam zu dem Schluss, dass die Kirchen nur dann die Freiheit der Bildung nicht gefährden, wenn sie für eine von Freiheit, Toleranz und Verantwortungsbereitschaft bestimmte Bildung eintreten, das Trennende der Konfessionen nicht in den Vordergrund rücken, sondern miteinander und auch mit Nichtchristen offen umgehen, um zu einer verantwortlichen Gestaltung der Gemeinschaft beitragen zu können (vgl. DEUTSCHER EVANGELISCHER KIRCHENTAG DORTMUND 1963, S. 392–400). 706 EBD., S. 400–408: E. OSTERLOH, Kirchen (1963).

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aus der jede tatsächlich gelebte Freiheit, auch die Freiheit der Bildung in unserer Welt, gespeist, gekräftigt und erneuert werden kann.“707

Dies sei aber nicht mit einem Ausschließlichkeitsanspruch der Christen oder der christlichen Kirchen auf Freiheit zu verwechseln, denn: „Vielmehr bewährt sich die christliche Freiheit geradezu in ihrem Eintreten für die Freiheit der Nichtchristen und die kirchliche Freiheit durch ihr Zeugnis für die Freiheit der Welt. Diese Freiheit verliert aber ihre Lebenskraft, ihren Salzcharakter, wenn sie ihre Herkunft verleugnet.“708

Nach diesen einleitenden Gedanken holte Osterloh nun aber nicht zu einem großen Schlag etwa gegen menschliche Hybris und liberalistische Fehlinterpretationen der Freiheit aus, sondern beschränkte sich darauf, in einer unprätentiösen Art und Weise und sehr theologisch die Wichtigkeit der Kirchen – bei aller berechtigten Kritik an ihnen – für den Vollzug des Glaubens und damit für die Verwirklichung der wahren Freiheit des Menschen darzulegen. In seinen Schlusssätzen nahm er die von Lieselotte Funcke vorgetragenen Bedenken auf und mahnte zugleich an, das Interesse der Kirchen an der Freiheit der Bildung auch auf die Andersdenkenden zu beziehen: „Die Kirchen verletzen ihr eigenes Lebensgesetz und rechtfertigen den Verdacht, die Freiheit der Bildung zu gefährden, wenn sie verfassungsrechtliche und gesetzliche Bestimmungen über Konfessionsschulen und Privatschulen durchsetzen und ausnutzen, die eine einseitige Privilegierung und zugleich eine Schädigung und Zurücksetzung Andersdenkender darstellen. Andererseits können die Kirchen um der Freiheit der Bildung willen keineswegs einen absoluten Monopolanspruch des Staates auf das Schulwesen anerkennen, sondern müssen darum kämpfen, daß Elternwille, Verantwortung der Pädagogen, staatliche Gerechtigkeit, sozialer Friede und religiöse Bindung ihren legitimen Beitrag zum Ganzen der Bildung in Freiheit leisten können. Wenn die Kirchen in ihrer Arbeit ihrem Ur-Auftrag treu bleiben, dann gefährden sie nicht die Freiheit der Bildung, sondern leisten für sie einen unverzichtbaren Beitrag.“709

Osterlohs Rede musste alle enttäuschen, die von ihm eine kompetente und deutliche Zurückweisung der damals wie heute wohlfeilen und mitunter deutlich überzogenen liberalen Kritik an der privilegierten Stellung der Kirchen in der Gesellschaft und auch im Bildungswesen erwartet hatten. Seiner Frau, die ihn darauf ansprach, erklärte er den Grund seiner Zurückhaltung: er könne so etwas nicht tun in einem Bundesland, in dem ein Parteifreund als Kultusminister einer 707

EBD., S. 403. EBD., S. 404. 709 EBD., S. 408. 708

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Regierung angehört, an der auch Liberale beteiligt sind710. Es war also nicht so, dass Osterloh politische Rücksichtnahmen prinzipiell ablehnte, aber er wandte sie in einer eher diffizilen Art und Weise an und versuchte, sich durch sie nicht dazu verleiten zu lassen, das, was er für das dem Christen im politischen Miteinander und menschlichen Umgang Gebotene hielt, um politischer Taktik oder kurzfristiger Erfolge willen zu verleugnen.

7.6 Osterlohs Tod Der 25. Februar 1964 brachte Kiel einen klaren Wintertag, an dem für 9:05 Uhr eine Kabinettssitzung im Landeshaus angesetzt war. Edo Osterloh verließ gegen 7:50 Uhr das Haus und ging – wegen des schönen Wetters und auf Anraten seiner Frau zu Fuß – in Richtung Ministerium. Gegen 8:05 Uhr wurde er zuletzt gesehen; blass aussehend, so ein Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums, sei er auf die zu diesem Zeitpunkt vereiste Bellevue-Brücke am HindenburgUfer zugegangen711. Bei Beginn der Kabinettssitzung stellte Ministerpräsident Lemke das Fehlen Osterlohs fest, ohne sich zu diesem Zeitpunkt darüber Gedanken zu machen. Das Protokoll vermerkt lapidar: „Nicht erschienen ist: Minister Osterloh“712. Zu etwa demselben Zeitpunkt fanden spielende Kinder in einem Wartehäuschen an der Bellevue-Brücke, nur wenige Schritte abseits seines direkten Weges, einen Hut und eine Aktentasche, die ein Polizist schnell als diejenige Osterlohs identifizierte. Bis zehn Uhr war die Landesregierung informiert worden713 und eine großangelegte Suchaktion in die Wege geleitet worden. Mit Hilfe von Tauchern und des Minensuchbootes „Stier“ wurde die Kieler Förde abgesucht – die im Bereich des Hindenburg-Ufers zwar flach ist, deren Strömungsverhältnisse aber hier treibende Gegenstände an einer ganz anderen Stelle ans Ufer spülen können –, bevor am Abend die Suche nach Osterloh auf ganz 710

Auskunft Gertrud Osterloh (Gespräch vom 5./6. 2. 1996). Die Rekonstruktion der Ereignisse des Tages erfolgt anhand der ausführlichen Berichterstattung vor allem der regionalen Tagespresse vom 26. 2. 1964, vgl. Artt. „Kultusminister Osterloh spurlos verschwunden. Fieberhafte Suche der Polizei und Marine im Kieler Hafen“ (Kieler Nachrichten); „Minister Edo Osterloh seit gestern vermißt. Mehrstündige Suche in der Förde ohne Ergebnis“ (VZ – Kieler Morgenzeitung); „Drama in Kiel“ (Flensburger Tageblatt); vgl. auch H. FRIEDRICH, Was trieb den Minister in den Tod? (Münchner Merkur, 27. 2. 1964). 712 LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 22, Bl. 237. 713 Nach dem Bericht des Flensburger Tageblattes soll Lemke, zwischenzeitlich über die von der Polizei eingeleitete Suchaktion informiert, dem Kabinett keine Mitteilung gemacht und die Sitzung fortgesetzt haben; die Zeitung kommentierte: „Wir glauben es nicht, können es nicht glauben“ (Art. „Drama in Kiel“). Im Protokoll der bis 11:00 Uhr angesetzten Sitzung findet sich jedenfalls kein Hinweis auf eine Unterbrechung der Sitzung (LASH SCHLESWIG, 605, Kabinettsprotokolle, Nr. 22, Bl. 237). 711

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Norddeutschland ausgedehnt wurde und auch die Landesregierung bekannt gab, der Tod Osterlohs sei nicht mehr auszuschließen. Am nächsten Morgen, fast genau 24 Stunden nach seinem Verschwinden, entdeckte eine Passantin nahe dem Tirpitz-Hafen einen im Wasser treibenden Körper714. Die schnell herbeigerufene Wasserschutzpolizei barg den Toten, bei dem es sich um Edo Osterloh handelte. Die in einem solchen Fall obligatorische Obduktion des Leichnams, vorgenommen im gerichtsmedizinischen Institut der Universität Kiel, ergab eindeutig, dass Osterlohs Tod durch Ertrinken eingetreten war; Spuren äußerer Gewalteinwirkung waren nicht nachweisbar715. Noch am späten Vormittag, gleich nachdem das Auffinden des Leichnams bekannt geworden war, ordnete die Landesregierung Trauerbeflaggung am Landeshaus an. Das Land betrauerte mit Osterlohs Witwe Gertrud und den acht Kindern den Tod des Kultusministers. In offiziellen Stellungnahmen wurden von Ministerpräsident Lemke, Bundesaußenminister Schröder (in seiner Eigenschaft als EAK-Vorsitzender), Landtagspräsident Claus-Joachim von Heydebreck (bald darauf Nachfolger Osterlohs im Amt des Kultusministers716), den Spitzenvertretern der im Landtag vertretenen Parteien und in einem Nachruf der ChristianAlbrechts-Universität Osterlohs Verdienste um das Land und seine Menschen, insbesondere die Kulturpolitik, aber auch seine vielfachen Tätigkeiten über Schleswig-Holstein hinaus gewürdigt717. An der von der Landesregierung am 2. März 1964 veranstalteten Trauerfeier im Kieler Stadttheater nahm zahlreiche Prominenz aus Land und Bund teil718, unter anderem sein langjähriger Rede-Kontrahent Wilhelm Siegel, Prof. Dr. Paul Mikat als amtierender Präsident der KMK, die Bundesminister von Hassel, Schwarz und Schwarzhaupt, der Rektor und viele Professoren der Kieler Universität und hochrangige Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche sowie der jüdischen Gemeinde. Die Gedenkrede hielt Ministerpräsident Lemke 714 Die Ereignisse des 26. 2. 1964 lassen sich der Berichtserstattung in regionalen und überregionalen Blättern vom 27. 2. 1964 entnehmen, vgl. etwa die Artt.: „Seine Kraft dem Lande gewidmet“ (Kieler Nachrichten); „Trauer um Edo Osterloh“ (Flensburger Tageblatt); „Minister ertrank im Kieler Hafen!“ (Bild-Zeitung); „Schleswig-Holsteins Fahnen wehen auf halbmast“ (FR); „Minister Osterloh wurde tot geborgen“ (Kölnische Rundschau). 715 Sich auf eine Mitteilung des Justizministeriums über die Obduktionsergebnisse stützende Berichte finden sich in den Artt. „Seine Kraft dem Lande gewidmet“, „Trauer um Edo Osterloh“ und „Minister ertrank im Kieler Hafen!“ (vgl. Anm. 714). 716 Ministerpräsident Lemke hatte zunächst an Gerhard Stoltenberg gedacht, der es aber vorzog, in Bonn zu bleiben (vgl. Art. „Der Nachfolger Osterlohs“, FAZ, 6. 3. 1964). 717 Vgl. die Artt. „Seine Kraft dem Land gewidmet“ (Kieler Nachrichten, 27. 2. 1964) und „Trauer um Kultusminister Osterloh“ (Norddeutsche Rundschau, 27. 2. 1964). 718 Vgl. Artt. „Er war ein Diener seines Volkes. Schleswig-Holstein nahm Abschied von Edo Osterloh“ (Kieler Nachrichten, 3. 3. 1964); „Abschied von Edo Osterloh“ (VZ – Kieler Morgenzeitung, 3. 3. 1964).

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und rief in ihr noch einmal Persönlichkeit und politische Verdienste Osterlohs in Erinnerung; ehrende Nachrufe auf den Verstorbenen trugen vor der Landtagspräsident, Wilhelm Siegel, KMK-Präsident Mikat, der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Prof. Dr. Raiser, und Ministerialdirektor Kock, der sich, nach einer Schilderung des überaus guten Miteinanders im Kultusministerium unter Osterloh719, mit sehr persönlichen Worten verabschiedete: „Was ich selbst – dieses persönliche Wort sei mir noch gestattet – dadurch in der langen Zusammenarbeit an Bereicherung, an menschlicher Beglückung empfangen durfte, vermag ich nicht in eigene Worte zu fassen, die zu sagen vermöchten, wie mir ums Herze ist. Ich kann es nur mit dem schlichten Wort von Matthias Claudius am Grabe seines Vaters sagen – und das erlauben Sie mir bitte: Sie haben einen guten Mann begraben Und mir war er mehr.“720

Im Anschluss fand die kirchliche Trauerfeier in der Heiligengeistkirche am Niemannsweg statt, in der die Familie oft am Gemeindegottesdienst teilgenommen hatte. Die Beisetzung erfolgte danach im engsten Familien- und Freundeskreis auf dem Kieler Nordfriedhof. Angesichts der Umstände konnte es kaum ausbleiben, dass in der Presse – noch vor der definitiven Nachricht vom Tode Osterlohs, und erst recht danach – ohne größere Rücksicht auf die Gefühle der Hinterbliebenen Spekulationen über Gründe für einen etwaigen Freitod Osterlohs ausführlich Raum gegeben wurde. Besonders peinlich wirkt im Nachhinein Hans Friedrichs Artikel „Was trieb den Minister in den Tod?“, in dem der Autor sich nicht scheute, verschiedene mögliche und reichlich unmögliche Theorien jeweils anonymen „Hinweisgebern“ in den Mund zu legen, bei deren örtlicher Zuordnung er sogar seine Literaturkenntnis unter Beweis stellen zu müssen meinte721. Aber auch seriösere Berichte und sogar eine Stellungnahme der Landesregierung setzten sich mit möglichen 719

Vgl. oben S. 416f. Lemkes Gedenkrede und Kocks Nachruf sind abgedruckt in: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 12, 1964, Nr. 4, S. 26ff. 721 Friedrich nannte die Häufigkeit ungeklärter Selbstmorde dieser Zeit, den Zusammenhang mit „Nazi-Geschichten“, einen Selbstmord, um „noch Schlimmeres für sich und andere zu verhindern“, also wohl aus gesundheitlichen Gründen, sowie Vermutungen über verborgene Gründe oder sogar Urheber, von denen niemand etwas wisse. Seine vermeintlichen „Quellen“ waren „die Frau eines Lehrers“ aus „Flensburg an der dänischen Grenze“, „ein Kaufmann“ aus „Husum, Theodor Storms grauer Stadt am Meer“, ein Bürgerschaftsabgeordneter aus Hamburg, ein Industrieller aus Kiel (zu beiden Großstädten hielt Friedrich es wohl nicht für nötig, geographische oder literarische Erläuterungen zu geben) sowie wiederum eine Frau, diesmal die eines Rechtsanwalts, ohne Nennung ihres Wohnortes. Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen, dem Anlass allerdings keineswegs angemessenen Komik, wenn Friedrich sich nicht auch noch dazu bemüßigt gefühlt hätte, diese Aufzählung abzuschließen mit Sätzen, die wohl 720

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Ursachen eines nicht auszuschließenden Freitods auseinander, und in der Presse wurde dabei auch auf Osterlohs langanhaltende „Sorgen mit Rechtsradikalen“ hingewiesen722. Jedoch haben andere, zum Teil sogar die gleichen Berichte überzeugende Argumente aufgelistet, die einen solchen Zusammenhang unwahrscheinlich machen. Wie oben gezeigt723, betrafen die allermeisten der „Fälle einer braunen Hinterlassenschaft nicht das Kultusministerium“724. Weil seine Haltung im Fall Eberhard Menzels „von der CDU-Fraktion voll unterstützt“ wurde, sei es „sehr zu bezweifeln, ob dieser Fall beim Tode Edo Osterlohs eine Rolle gespielt“ habe725, und: „Selbst die sozialdemokratische Opposition, die in Schleswig-Holstein eine Zeitlang einen Schlupfwinkel für braune Übeltäter aller Art gesehen hat, ließ diesen Politiker in Frieden“726. Jenseits aller Spekulation steht fest, dass Osterloh gesundheitlich seit Jahren angeschlagen war und seine dienstlichen Aufgaben, verbunden mit seinen außerordentlich weitgespannten sonstigen Verpflichtungen und Interessen, ihn einer enormen Dauerbelastung ausgesetzt hatten. Mit Blick auf seine „strenge christliche Einstellung“ hielten Ärzte in Kiel es daher für nicht ausgeschlossen, dass er infolge eines Schwächeanfalls verunglückt sei727. Die Möglichkeit eines Freitodes rückt eine Nachricht in den Blick, die er Anfang 1964 erhalten hatte: Anlässlich der Behandlung einer akuten Augenerkrankung hatte sein behandelnder Arzt bei ihm Symptome der Parkinsonschen Krankheit festgestellt, deren Ausbruch er für eine mögliche Spätfolge der 1934 durchlittenen schweren Erkrankung728 Seriosität und Nachdenklichkeit signalisieren sollten: „Acht Kinder verloren den Vater und eine Frau den Ehemann. Das setzt die Akzente“ (H. FRIEDRICH, Minister). 722 Art. „Schleswig-Holsteins Fahnen wehen auf halbmast“ (FR, 27. 2. 1964); vgl. auch die Artt. „Ein Rätsel“ (General-Anzeiger, 26. 2. 1964); „Eine Lücke“ (Husumer Nachrichten, 27. 2. 1964); „Er hatte sich viel vorgenommen“ (Schwarzenburger Tageblatt, 27. 2. 1964); „Schatten am Meer“ (Der Spiegel, Nr. 10, 4. 3. 1964). – In der ersten Verlautbarung der Landesregierung hatte es u. a. geheißen: „Wenn ein Freitod vorliegt, kann es sich – auch nach Auffassung des behandelnden Arztes – nur um eine krankhafte Kurzschlussreaktion gehandelt haben“ (zit. im Art. „Trauer um Kultusminister Osterloh“ [Norddeutsche Rundschau, 27. 2. 1964]). 723 Zu den Erwähnungen der „Fälle“ vgl. oben S. 465–475. 724 Art. „Ein Rätsel“ (General-Anzeiger, 26. 2. 1964). 725 Art. „Er hatte sich viel vorgenommen“ (Schwarzenburger Tageblatt, 27. 2. 1964). 726 Art. „Ein Rätsel“ (General-Anzeiger, 26. 2. 1964). Diese etwas beschönigende Wendung ließ den im „Spiegel“ angeführten Kommentar eines nicht näher benannten SPD-Pressedienstes außer Acht, nach dem Osterloh in einem „demokratisch fortgeschritteneren Staat“ aufgrund seiner – falsch zitierten – Stellungnahme im Falle Catel hätte zurücktreten müssen („Schatten am Meer“, Der Spiegel, Nr. 10, 4. 3. 1964; vgl. oben S. 471f.). 727 „Es sei durchaus die Regel, daß ein kreislaufkranker Mensch, der auf der Straße plötzlich einen Anfall erleidet, schnell eine Stelle aufsuche, wo ihn niemand sehen könne. Ein Kranker reiße sich in einer solchen Situation dann auch als erstes den Hut vom Kopf und öffne den oberen Kragenknopf, um wieder zu Atem zu kommen“ (Art. „Seine Kraft dem Landes gewidmet“ [Kieler Nachrichten, 27. 2. 1964]). 728 Vgl. oben S. 36.

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hielt729. Angesichts der so oder so tiefen Tragik des Geschehens erscheint es unangemessen, darüber an dieser Stelle weiter zu spekulieren und den Reigen der zeitgenössisch schon ausführlich ausgebreiteten Theorien um eine weitere zu ergänzen. Auf die Fülle der Nachrufe auf Edo Osterloh ist hier im Einzelnen nicht einzugehen730. Es seien lediglich zwei längere Zitate herausgegriffen: Aus der eher im Oppositionslager stehenden „Volkszeitung“ ein plastisches, von einer über die politische Differenz hinweggehenden Sympathie gezeichnetes Bild des „Vollblutpolitikers“ Osterloh, das haltlose Vermutungen über dessen Ende zurückwies: „Vermutungen, politische oder personelle Entscheidungen hätten den Minister in eine Lage getrieben, aus der er kein Ausweichen sah, können niemandem einleuchten, der den gesunden Edo Osterloh kannte. Niemals wich der gebürtige Ostfriese [sic!] einer Auseinandersetzung aus, immer war er sich der Stärke seiner Meinung voll bewußt, auch dann, wenn eine spätere Entwicklung zeigte, daß es eine andere und der seinen sachlich überlegene Position gab. Alle, die Sinn für gesundes Selbstbewußtsein und für temperamentvollen Einsatz in der Politik haben, konnten ihm deshalb nicht gram sein. Mit Osterloh konnte man Florett fechten, aber ihn auch auf ‚schwere Säbel‘ fordern. Er wich der Diskussion nicht aus, weder innerhalb seiner Partei noch außerhalb. Es gibt liebenswerte Episoden aus der Tätigkeit des CDU-Politikers Edo Osterloh, wie jene Geschichte von einer Kirchentagsdiskussion, bei der er in der Hitze des Wortgefechts seinen sozialdemokratischen Diskussionspartner mit ‚Bruder Erler‘ anredete. Dieser lapsus linguae wurde ihm – schrecklich, es zu sagen – nachgetragen, aber Osterloh fertigte solche Uebelnehmer in der Union mit Ueberlegenheit ab. Er überstand auch die Anfeindungen, als er als einer der ersten in aller Oeffentlichkeit den Abgang Adenauers forderte.“731

Abschließend die Worte, mit denen sich Heinz Zahrnt im „Sonntagsblatt“ souverän über jede Diskussion bezüglich der Umstände von Osterlohs Tod hinwegsetzte und ihm zugleich eine der Tiefe seines Denkens angemessene Würdigung zuteil werden ließ: 729 Auskunft Gertrud Osterloh, Gespräch am 5./6. 2. 1996. Jürgen Scheel und Martha Lindenmann wiesen zudem auf seine deutlich ungelenker werdende Unterschrift hin (Gespräch am 18. 3. 1998), deren Entwicklung man auch anhand der vielen von ihm unterzeichneten Dokumente verfolgen kann. 730 Nachrufe, abgesehen von den schon angeführten, finden sich (wenn nicht anders angegeben, am 27. 2. 1964) u. a. in: Die Welt; FAZ; Süddeutsche Zeitung; Stuttgarter Zeitung; Rheinischer Merkur (6. 3. 1964); Die Schleswig-Holsteinische Schule 18, 1964, Nr. 5, 10. 3. 1964 [das Organ der LandesGEW; P.Z.]; Sbl., Nr. 10, 8. 3. 1964, S. 2 [Hanns Lilje]; Volkshochschule im Westen 16, 1964, Nr. 2, April 1964 [Hellmut Becker]; die Spur 4, 1964, H. 1, S. 2ff. [Karl Hauschildt und Martin Fischer]; Kirche und Mann 17, 1964, Nr. 4, S. 3 [Heinrich Giesen]. Vgl. die in LASH SCHLESWIG, 605/6307 angelegte Sammlung der Presseberichte. 731 VZ – Kieler Morgenzeitung, 27. 2. 1964.

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Kultusminister in Schleswig-Holstein

„Was einer ist, erweist sich daran, ob er das, was er ‚oben‘ in der Öffentlichkeit darstellt, auch ‚unten‘ im Privaten bewährt. Osterloh hat dies getan. Derselbe Mann, der oben in der Öffentlichkeit all das geleistet hat, wovon in diesen Tagen die Zeitungen schreiben, konnte unten gleichzeitig einem Theologen in einer dunklen, schweren Stunde seines Lebens zum Seelsorger werden und sich einem kranken Kinde väterlich zuwenden. Die Bibel nennt dies ‚Diakonie‘. Damit wird der einheitliche Ursprung sichtbar: Diakonie war beides in Osterlohs Leben, das Große und das Kleine, das Politische und das Private. Das führt zum Letzten, Tiefsten. Auf die Frage, wie sich ein christlicher Politiker von einem anderen unterscheide, hat Osterloh in einem Vortrag einmal die Antwort gegeben: Nicht in der Ethik – die haben die anderen auch, sondern allein dadurch, daß er um Schuld und Vergebung weiß. Das korrespondierte seinem Wissen vom Menschen, daß er ein Sünder sei. Osterlohs politische Existenz war gelebte Rechtfertigung des Sünders allein aus dem Glauben. Nun ist er von uns gegangen. Warum, wieso, ich weiß es nicht, aber ich kann es verstehen. Dabei ist mir um Edo Osterloh nicht bange. Er ist in die Hand Gottes gefallen, und seine Barmherzigkeit ist groß, größer als die der Menschen. Das steht in meiner Bibel. Wer anders denkt, hat eine andere Bibel. Bange ist mir um uns, die wir zurückbleiben. Sollen wir immer mehr in die Hände der Pragmatiker fallen, der bloßen Techniker der Macht, die immer durchkommen, denen es immer wohl geht und die lange leben auf Erden? Gott hat uns verheißen, daß er die Starken zum Raube haben wolle. Ich sehe so wenig von der Erfüllung dieser Verheißung; wenn er sie aber einmal erfüllt hat, dann scheint er sie sogleich wieder rückgängig zu machen: Hermann Ehlers, Robert Tillmanns, Volkmar Herntrich, Edo Osterloh – wahrhaftig, Gott macht es uns nicht leicht!“732

732

H. ZAHRNT, Gott macht es uns nicht leicht.

8. Edo Osterloh – ein Beispiel für den Weg der evangelischen Kirche in die Demokratie

Edo Osterlohs Lebensweg kannte an seinen völlig unterschiedlichen Stationen in den verschiedensten sozialen Milieus eigentlich immer nur eine Richtung: aufwärts. Ausschlaggebend dafür war das Vermögen, die ihm gegebene Intelligenz und seinen Fleiß mit einer unerhörten Zielstrebigkeit und einer großen Sicherheit im Auftreten und in der Rede auch vor einem großen Zuhörerkreis zu kombinieren. Der Bauernsohn, dem die Übernahme des Hofes die naheliegendste Perspektive gewesen wäre, schaffte mit Hilfe seiner Lehrer den Sprung an die Höhere Schule, wurde dort nach kurzer Zeit Klassenprimus und legte ein so gutes Abitur ab, dass die Studienstiftung des deutschen Volkes ihn zu ihrem Stipendiaten machte. Nach erfolgreichem Studium konnte ihn nur seine schwere Erkrankung 1934 daran hindern, in der ihm angetragenen Assistentur in Bethel länger als ein Semester zu bleiben; nach einem nur kurzen Zwischenspiel als Vikar Heinz Kloppenburgs berief man ihn als Dozent an die Kirchliche Hochschule, obwohl er noch nicht einmal sein zweites theologisches Examen abgelegt hatte. Dort gelang es ihm, trotz der hohen Arbeitsbelastung und dem Druck durch die Illegalität der Hochschule, eine ansehnliche Zahl wissenschaftlicher Aufsätze und Arbeiten zu veröffentlichen, die zu anderen Zeiten mit Sicherheit der Grundstein für eine wissenschaftliche Karriere gewesen wären. Seine Einberufung zur Wehrmacht im Jahre 1940 beförderte ihn erneut in ein ganz anderes Milieu, und gerade vier Jahre nach seiner Grundausbildung war er Stabsoffizier im Generalstab einer Heeresgruppe. Noch krank und gezeichnet von seiner Flucht aus russischer Gefangenschaft wurde er, kaum in Oldenburg zurück, nebenamtlicher, nach zwei weiteren Jahren hauptamtlicher Oberkirchenrat, bevor er an die Kirchenkanzlei nach Hannover ging, um von dort aus 1953 als Ministerialrat nach Bonn zu wechseln. Nach Wissenschaft, Militär und Kirche begann nun auch im politischen Milieu ein steiler Aufstieg: ein Jahr später war er Ministerialdirektor im Familienministerium, und nach seinem Eintritt in die CDU im Herbst 1954 sollte es nicht einmal zwei Jahre dauern, und er war im Bundesvorstand der Partei und des Evangelischen Arbeitskreises sowie Kultusminister in Schleswig-Holstein. Dabei war dieser Weg keineswegs konfliktfrei verlaufen, im Gegenteil, an jeder dieser Stationen zwischen Theologie, Kirche und Politik war Osterloh in die großen Auseinandersetzungen jener Zeiten involviert.

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Ein Beispiel für den Weg der evangelischen Kirche in die Demokratie

Den Kampf des nationalsozialistischen Staates gegen eine ihrem Auftrag treu bleiben wollende Bekennende Kirche erlebte er besonders ungeschützt als Dozent an der illegalen Kirchlichen Hochschule, die nicht nur den Repressalien von Polizei und Gestapo ausgesetzt war, sondern selbst in den verschiedenen Lagern innerhalb der Bekennenden Kirche nur wenige wirkliche Unterstützer fand. In dieser Situation und angesichts der Bedrohung der Kirche durch einen feindlich gesonnenen Staat kamen Osterloh Zweifel an der Tragfähigkeit des traditionellen Landeskirchentums, das seines Erachtens unter Beweis gestellt hatte, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, mit denen sich die Kirche im Zuge der Säkularisierung konfrontiert sah. Hieraus wie aus seiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Hesekiel-Buch zog er für sich die ein wenig schwärmerisch anmutende Konsequenz, den an keinen Ort und keine institutionelle Absicherung gebundenen „Auftrag“ Gottes zur Verkündigung über jedes Trachten nach Sicherheit oder Intaktheit von Kirchenstrukturen zu stellen. Im Gegensatz zu vielen anderen Schwärmereien bewährte diese Haltung sich an einem Ort, der so gar nichts Schwärmerisches hatte, an der Ostfront, im Gespräch mit vielen seiner Kameraden. Berücksichtigt man weiter sein von Beginn seines Studiums an vorrangiges Interesse an der Vermittelbarkeit der biblischen Botschaft dem modernen Menschen gegenüber, das ihn zur Theologie Rudolf Bultmanns geführt hatte, kann es kaum verwundern, dass er auch den Gedanken der liturgischen Bewegung gegenüber skeptisch blieb. In ihnen sah er eine Wendung zur Innerlichkeit wie zur überkommenen katholischen Tradition, und beides führte in seinen Augen vom modernen Menschen weg und die Kirche in einer Sackgasse. Mit dieser Haltung setzte er sich noch im Krieg, aber auch im Oldenburg der Nachkriegszeit quasi zwischen alle Stühle, denn die für die Neuordnung der oldenburgischen Kirche in der unmittelbaren Nachkriegszeit maßgeblichen Mitglieder des Oberkirchenrats, Heinz Kloppenburg und Wilhelm Stählin, hatten eine Beibehaltung bzw. schnelle Neukonstituierung der kirchlichen Strukturen bereits durchgesetzt, als Osterloh Ende August 1945 wieder dorthin kam, und wollten nun ihr Vorhaben umsetzen, bei der weiteren Ausgestaltung der Neuordnung das Erbe der Bekennenden Kirche mit den Ideen der liturgischen Bewegung zu verknüpfen. Osterloh, dem angesichts der Zustände im Land die Notwendigkeit des Erhalts wenigstens der kirchlichen Strukturen wohl einleuchten mochte, tat trotzdem mit, und zwar vor allem in dem Aufgabenbereich, der für den Rest seines Lebens bestimmend bleiben sollte: Schule, Religionsunterricht, Ausbildung des theologischen Nachwuchses und Erwachsenenbildung. Hier konnte er versuchen, seine gewonnenen Einsichten umzusetzen, hier versuchte er, Neues aufzubauen. Seine Ziele waren eine echte partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Pfarrern bzw. Theologen, die zu einem neuen Geist an den Schulen führen sollte, sowie die Sammlung evangelischer Eltern,

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die keineswegs nur dem Zweck dienen sollte, die Bekenntnisschule zu sichern (diese war in Oldenburg noch lange Zeit nicht gefährdet), sondern sicherstellen sollte, dass – in welchem Schulsystem auch immer – das evangelische Anliegen in der Schule auch unabhängig von der Rechtslage und ohne direkte Intervention kirchlicher Stellen zum Tragen kommt. Weiter vorhandene Schulaufsichtsallüren auf der einen wie tief sitzendes Misstrauen und nicht in Frage gestellte Vorurteile auf der anderen Seite behinderten diese Bemühungen ebenso wie das vielerorts mangelnde Interesse auf Elternseite im traditionell nicht sehr kirchlichen Oldenburg. Es lag daher nahe, als zuständiger Referent in der Kirchenkanzlei auf EKD-Ebene einen erneuten Versuch zu unternehmen, diesmal ausgehend von den stark kirchlich geprägten Gebieten Süd- und Westdeutschlands. Als Schulreferent der Kirchenkanzlei versuchte Osterloh, die teils gegenläufigen Interessen einzelner Landeskirchen auszutarieren und die bisher bei der vom Bruderrat beeinflussten Schulkammer und den landeskirchlichen Schulreferenten undurchsichtig verteilten Kompetenzen, die bis 1950 jede einheitliche Stellungnahme zur Schulfrage verhindert hatten, bei der Kanzlei zu bündeln. Damit einher ging eine Aufwertung der Rolle der EKD gegenüber den Landeskirchen. Das gleiche gilt für die eigenmächtige Bestellung eines leitenden Seelsorgers für die Arbeitsdiensteinheiten in der amerikanischen Zone, die Osterloh den Landeskirchen lediglich mitteilte. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt begann die EKD, Aufgaben wahrzunehmen und Funktionen auszuüben, die ihr laut Grundordnung nicht zukamen, wogegen aber die Landeskirchen keinen vernehmbaren Protest anmeldeten1. Während seiner Zeit an der Kirchenkanzlei trat auch der Bruch im Verhältnis Osterlohs zu Martin Niemöller und offen zutage, und zwar anhand der unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob man als Christ zur politischen Frage der Wiederaufrüstung verschiedener Meinung sein könne. Der politische Gegensatz spiegelte aber nur einen tiefergehenden kirchenpolitischen, der schon in Oldenburg sichtbar geworden war am dissonanter werdenden Verhältnis Osterlohs zu Heinz Kloppenburg. In seinem Amt in der Kirchenkanzlei, das er gegen Niemöllers Rat angetreten hatte und in dem er in engem Kontakt mit Heinz Brunotte, Otto Dibelius und Hanns Lilje stand, vertieften sich diese Spannungen besonders mit Kloppenburg zusehends, mit dem er nun sachlich und persönlich in immer neue Konflikte geriet, bevor die Vorgänge der Oldenburger „Bischofskrise“ das Verhältnis endgültig zerrütteten. 1 Joachim Mehlhausen erinnerte in seinem Vortrag zum Festakt anlässlich des 50. Jahrestages der Verabschiedung der Grundordnung in Eisenach an diese Entwicklung, die mit ausschlaggebend für die letztlich gescheiterte EKD-Struktur- und Verfassungsreform Anfang der 1970er Jahre war, benannte aber keine konkreten Vorgänge (vgl. DERS., Grundordnung, S. 174f.).

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Das politische Interesse Osterlohs deutete sich schon im Krieg an, als er auf einem zusammen absolvierten Lehrgang gemeinsam mit Franz Josef Strauß darüber nachdachte, welches Amt man in einer zukünftigen deutschen Regierung würde übernehmen wollen. Ohne seine damalige Entscheidung für das Kultusministerium überbewerten zu wollen, belegt diese Anekdote doch, dass bei Osterloh nichts zu spüren war von der Politikferne und den Vorbehalten gegenüber einer parlamentarischen Demokratie, die man prominenten konservativen Lutheranern der Nachkriegszeit gern und in Teilen zu recht nachsagt. In den folgenden Jahren liefert der Werdegang Osterlohs Hinweise darauf, dass man sich hüten sollte, den Weg der evangelischen Kirche in die Demokratie zu schematisch zu beschreiben. Osterloh rief gemeinsam mit seinen Kollegen im Oberkirchenrat zur Mitarbeit beim Aufbau einer deutschen Demokratie auf, und dies, obwohl er von einer fortschreitenden Säkularisierung ausging und an eine tiefgreifende Rechristianisierung des deutschen Volkes, auf die mancher im Blick auf die Hinwendung zur Kirche 1945/46 hoffte, keinen Gedanken verschwendete. Gerade deshalb aber bemühte er sich – und man muss hinzufügen: im Auftrag des Rates der EKD, in dem mehrheitlich lutherische Kirchenführer saßen – während seiner Zeit in der Kirchenkanzlei um Mitarbeit bei der Ausgestaltung der neuen demokratischen Ordnung der Bundesrepublik. Nachdem die evangelische Kirche, mit sich selbst und ihren immanenten Problemen beschäftigt und um Rücksicht auf ihren gesamtdeutschen Bezug bemüht, den Beratungen des Parlamentarischen Rates eher von Ferne zugesehen hatte als aktiv auf sie Einfluss zu nehmen, galt es nun, den verbliebenen Spielraum zu nutzen und evangelische Akzente zu setzen. Deutlich wird das In- und Miteinander von Politik und evangelischer Kirche, die gegenseitige Abstimmung schon in einem sehr frühen Stadium bei den deshalb ausführlich dargestellten Beratungen um eine neue Ehegesetzgebung, vor allem aber anhand der Vorverhandlungen um die Militärseelsorge in etwaigen deutschen Verbänden, in denen von evangelischer Seite, und daran war Osterloh maßgeblich beteiligt, die Bereitschaft zum Aufbau einer solchen Seelsorge und damit die grundsätzliche Zustimmung zu einer Wiederbewaffnung signalisiert wurde, bevor die politische Entscheidung darüber überhaupt gefallen war. Das hier sichtbar werdende Engagement, wie immer man es inhaltlich bewerten mag, belegt eines ganz bestimmt: Im Gegensatz zur vorherrschenden Ablehnung der ersten Demokratie auf deutschem Boden nach 1918/19 gab es ein Interesse gerade auch im lutherisch-konservativen Flügel der EKD am Mitwirken im neuen politischen Gemeinwesen, das sich auch im regen Austausch in den Akademien und auf den Kirchentagen manifestierte, die damals keineswegs ein Kristallisationspunkt der kirchlichen Opposition waren. Natürlich wurde dieses Akzeptanz verratende Interesse und Engagement – gerade im Vergleich

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mit 1919 – begünstigt durch die konservative Ausrichtung der ersten Regierung, durch die „Vaterfiguren“ Theodor Heuss, Konrad Adenauer und den das einsetzende „Wirtschaftswunder“ verkörpernden Ludwig Erhard, und nicht zuletzt durch den Umstand, dass es angesichts der Weltlage und der vor Augen stehenden Zustände in der DDR keine vernünftige Alternative gab. Aber warum sollte es in diesem Punkt lutherischen Kirchenführern anders gehen als dem Rest der Bevölkerung? Aufgrund der Tradition des landesherrlichen Summepiskopats wie ihrer sozialen und mentalitätsgeschichtlichen Verwurzelung hatten sie natürlich einen weiten Weg zurückzulegen, um in der Demokratie „anzukommen“. Deshalb sollte man zur Erhellung des Verhältnisses von Kirche und Demokratie nach 1945 nicht immer nur Äußerungen etwa von Dibelius aus der unmittelbaren Nachkriegszeit heranziehen, sondern auch in den Blick nehmen, dass es schon damals, erst recht aber 1948/49 keine ernstzunehmende Opposition aus Kirchenkreisen, egal welcher Couleur, gegen den Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens gab. Das erscheint im Nachhinein selbstverständlich, bleibt im Vergleich zum Verhalten 30 Jahre zuvor aber doch bemerkenswert, zumal dem Luthertum nach wie vor die theologische Grundlage zur Näherbestimmung des Verhältnisses von Staat und Kirche in einer Demokratie fehlte. Anzeichen der sich wandelnden Einstellung gab es jedenfalls in den frühen 1950er Jahren bereits genug, und dieses „learning by doing“ zeitigte recht schnell erste vorzeigbare Ergebnisse. Die sich um Niemöller scharende kirchliche Linke dagegen, der zumindest in ihren reformiert geprägten Teilen eine innere Akzeptanz der Demokratie viel leichter hätte fallen müssen, verharrte ausgerechnet gegenüber der ersten wirklich stabilen, demokratisch gewählten Regierung in Deutschland in einer Art Fundamentalopposition, die sich auf teils haltlose Unterstellungen und Vermutungen gründete, und sprach ihr, ohne jede eigene demokratisch legitimierte Grundlage dafür, die Legitimation ab, die Wiederbewaffnung einzuleiten und die Westbindung vertraglich festzuschreiben. Die Vorbereitungen zum Übertritt Osterlohs in die Bonner Ministerialbürokratie reichten bis weit in das Jahr 1952 zurück, in dem das zukünftige Schicksal der Regierung Adenauer keineswegs so sicher erschien, wie es in Kenntnis der nachfolgenden Wahlergebnisse den Anschein hat. Die Auseinandersetzung um die Wiederbewaffnung und ihre möglichen Auswirkungen auf das die Protestanten besonders berührende Thema Wiedervereinigung war ebenso offen wie der – nur teilweise berechtigte – Vorwurf einer katholischen Personalpolitik für das Ansehen der Regierung in evangelischen Kreisen gefährlich war. Der als Reaktion darauf gegründete Evangelische Arbeitskreis hatte seine Arbeit aufgenommen, konnte aber ein wesentliches Dilemma von sich aus nicht beheben: es gab vielfach keine geeigneten evangelischen Bewerber für neu zu besetzende höhere Staatsämter, da die Quote der nationalsozialistisch Vorbelasteten im evangeli-

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schen Teil der Bevölkerung, und dort in erster Linie bei denen, die für solche Ämter in Frage kamen, deutlich höher lag als bei den Katholiken. In dieser Situation wollte Osterloh sich der Verantwortung nicht entziehen und wurde in seiner bejahenden Antwort auf eine entsprechende Anfrage des Innenministeriums von Dibelius bestärkt. Beider Hoffnungen auf eine wichtige Rolle Osterlohs im „Koordinierungsreferat Schul- und Erziehungswesen“ gingen fehl, weil sie die mangelnde Kompetenz des Bundes auf diesem Gebiet außer Acht ließen. Erst im Jahr 1954 übernahm Osterloh mit seinem Wechsel in das neue Familienministerium, der beginnenden Mitarbeit im Evangelischen Arbeitskreis und schließlich dem Eintritt in die CDU eine weithin beachtete politische Rolle. Der Wechsel in den politischen Bereich war für Osterloh von mehr Kontinuität gekennzeichnet, als man zunächst vermuten sollte. Die Themen, um die er sich bevorzugt kümmerte und für die er zuständig war, blieben vielfach dieselben: Schule, Familie, Erziehung, der von vielen geführte Diskurs über die Rolle der evangelischen Kirche im Staat, in der Gesellschaft und in der Kulturpolitik und nicht zuletzt die Frage der Wiederbewaffnung. Über seine weitere Präsenz in der Kammer für öffentliche Verantwortung, auf den Kirchentagen und auf Akademietagungen blieb er zugleich dem konservativ-protestantischen Milieu verhaftet, dessen Nähe auch vom Evangelischen Arbeitskreis gesucht wurde, in dem Osterloh sich nun engagierte. Blieb die Verbindung mit dem kirchenpolitischen Milieu, in das er spätestens im Verlauf seiner Tätigkeit in der Kirchenkanzlei hineingewachsen war, weitgehend erhalten, gab es – Zug um Zug seit seinem Offenen Brief an Niemöller – eine immer größere Entfremdung von den alten Gefährten der Berliner und noch der Oldenburger Zeit. Dabei war es lediglich im Verhältnis zu Kloppenburg so, dass die auch persönliche Entfremdung von beiden ausging. Darunter, dass ihm auch die „Brüder“ aus Berliner Tagen, insbesondere Niemöller, spätestens nach seinem Eintritt in die CDU stillschweigend die brüderliche Verbundenheit aufkündigten, hat er dagegen gelitten. Für ihn war es kaum einmal ein Problem, harte sachliche Gegensätze von einer tiefen, diese Gegensätze weit überspannenden Verbundenheit zu unterscheiden2. Gegenüber Niemöller hatte er gut drei Jahre vor dem Beginn seiner politischen Laufbahn darauf bestanden, die beiden „Reiche“ zu unterscheiden, Politik und Theologie nicht zu vermengen, die einzelne politische Entscheidung nicht als vom christlichen Glauben her verbindlich zu erklären, und er bewährte diesen Anspruch, von dem aus allein es ihm möglich schien, als Christ politisch 2

Deutlich wird dies in seinem Verhältnis etwa zu Renate Riemeck, der Ziehmutter seines Patenkindes Ulrike Meinhof, die den Osterlohs seit ihrer Oldenburger Zeit vertraut und herzlich verbunden war. Riemeck, eine ausgewiesene „Linke“ in Pädagogik und Politik, und Osterloh konnten sich auf einer gemeinsam besuchten Akademietagung zur Verwunderung der Anwesenden „herzlich umarmen“ (R. RIEMECK, Mensch, S. 129f.).

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tätig zu werden, im politischen Alltag. Ob Wiederbewaffnung, die Diskussion über einen zu leistenden Treueid oder Atomrüstung: Gern entkräftete er die Theologie und Politik verquickenden Argumentationsstränge des politischen Gegners oder kirchenpolitischen Gegenübers, indem er darauf hinwies, dass die vorgetragene Auffassung eben nicht die biblische sei oder zumindest auch die andere Meinung nicht im Widerspruch zur biblischen Aussage stehe, um seine eigene Entscheidung im Anschluss daran mit politischen, „weltlichen“ Erwägungen zu begründen. Der Konflikt mit denen, die es gern eindeutiger gehabt hätten, erreichte im kirchlichen Bereich einen Höhepunkt in der Auseinandersetzung um eine mögliche Atombewaffnung der Bundeswehr. Die Kirchlichen Bruderschaften und ihre Sympathisanten, gleichfalls aber auch konservative evangelische Theologen erwarteten 1958 von der Synode der EKD eine verbindliche Stellungnahme gegen bzw. für das Recht zu einer Atombewaffnung und verbanden damit die Forderung nach Erklärung des status confessionis in dieser Frage. Osterloh dagegen, der wenige Tage vor der Synode auf dem Kirchentagskongress in Hamburg die Sektion „Politik“ leitete, deren Hauptreferat mit Adolf Arndt ein kirchenverbundener Sozialdemokrat hielt, pochte schon an dieser Stelle darauf, dass das Evangelium auch für diese Entscheidung keine eindeutige Handlungsanweisung liefere und man sich deshalb als Christ so oder so und selbst neutral verhalten könne, ohne deshalb seinem Glauben untreu zu werden. Diese Haltung, die wenig später Eingang in das Votum der Synode fand, wurde maßgeblich von Ernst Wolf mit dem Diktum „Ohnmachtsformel“ belegt. Wolf kritisierte, dass die Synode, hin- und hergerissen zwischen den beiden Extremen, nicht zu einem eindeutigen Votum habe finden können und deshalb „ohnmächtig“ den Weg des geringsten Widerstand gegangen sei. Im Blick auf die Entwicklungen im Verhältnis von Theologie, Kirche und Politik aber scheint die negative Konnotation, die in der genannten Charakterisierung dieses Beschlusses zum Ausdruck kommt, fehl am Platze. Denn die „Ohnmacht“, wie sie sich in der von der Synode verabschiedeten Formel tatsächlich ausdrückt, kann verglichen werden mit der „Ohnmacht“ des demokratischen Entscheidungsprozesses. Müssen dort immer mehrere politische Möglichkeiten gleichberechtigt erwogen werden, bevor die Mehrheit entscheidet oder einen Kompromiss findet, gilt dies ebenso für die Diskussion von politisch-ethischen Fragen im Raum der evangelischen Kirche, zu denen es in aller Regel keine direkt aus Schrift und Bekenntnis ableitbare, eindeutige Entscheidung gibt. Auch in der kirchlichen Diskussion muss dann abgewogen werden, aber im Unterschied zum politischen Bereich, in dem solche Fragen letztlich zu einer Entscheidung gebracht werden müssen, kann die Synode als in diesem Fall maßgebliches Organ der EKD geradezu verpflichtet sein, eben keine eindeutige Entscheidung zu treffen, sondern auf die Vielgestalt

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der dem Christen möglichen Handlungsweisen in einer bestimmten Situation hinzuweisen. Insofern kann man sagen, dass die „Ohnmachtsformel“ für die evangelische Kirche ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur „Demokratiefähigkeit“, zur inneren Akzeptanz der pluralistisch-demokratisch ausgerichteten Gesellschaft war. Die Synode der EKD hat in einer höchst prekären Situation erkannt, dass die evangelische Kirche keine alleinige politische Deutungshoheit hat, sie in einer pluralistisch ausgerichteten Demokratie auch gar nicht haben darf. Aus der Erkenntnis, dass das Evangelium keine eindeutigen Anweisungen für das politische Tagesgeschäft enthält, wurde die logische Konsequenz gezogen, dass es Christen möglich sein müsse, unterschiedliche politische Konzepte zu vertreten, ohne damit ihrem Glauben zu widersprechen. Von hier bis zu der Einsicht, dass dem christlichen Anliegen am besten gedient sei, wenn überzeugte Christen sich an möglichst vielen verschiedenen Stellen im demokratischen Meinungsbildungsprozess beteiligen, war es dann nur noch ein relativ kleiner Schritt, der durch eine Rede wie die auf dem Kirchentagskongress von Adolf Arndt gehaltene in ihrer fragenden und nach Kompromissen suchenden Art sicher erleichtert wurde. Hatte Osterloh – schon aus der Politik kommend – hier noch einmal im innerkirchlichen Bereich, auf dem Forum des Kirchentagskongresses, einen Beitrag zu einer für das Verhältnis von Kirche und Politik bedeutenden Entscheidung geleistet, war es ihm ein Jahr zuvor vergönnt gewesen, qua Amt an der Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Kirche im Land Schleswig-Holstein mitzuwirken. Seine christliche Überzeugung und kirchliche Herkunft hatte er auch bei der Übernahme des schleswig-holsteinischen Kultusministeriums nicht verleugnet, und gerade in den Verhandlungen um den Staatskirchenvertrag in Schleswig-Holstein sollte sich zeigen, wie gut es für die Kirche sein kann, einen auf theologisch-kirchlichem Gebiet so kompetenten Verhandlungspartner zu haben, wie gut es aber auch für den Staat sein kann, jemanden in den eigenen Reihen zu haben, der mit den Abläufen in evangelischen Landeskirchen und ihren Interna bestens vertraut ist. Der Staatskirchenvertrag war Osterloh ein echtes Anliegen, wie es ihm auch sonst darum ging, der Kirche den ihr zukommenden Raum zur freien Entfaltung zu sichern, sah er sie doch im Rahmen der freiheitlichen Grundordnung des Rechtsstaates in einem Wettbewerb mit anderen, vom Prinzip dieser Ordnung her gleichberechtigten Weltanschauungen; heute würde man vom Pluralismus der Überzeugungen sprechen. Auch hier aber waren Osterlohs Argumente im Kabinett zur Durchsetzung der seines Erachtens berechtigten kirchlichen Forderungen nicht etwa theologischer Natur oder von seiner eigenen Verwurzelung im kirchlichen Bereich her begründet, sondern von politischen Erwägungen bestimmt, die sich am Nutzen oder Schaden für das Land Schleswig-Holstein orientierten.

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Den wohl wichtigsten Beitrag zur Verhältnisbestimmung von persönlichem Glauben und Politik leistete Osterloh jedoch an anderer Stelle. Von Anfang an und durchgängig legte er Wert darauf, dass Christen in der Politik daran zu erkennen sein sollten, welchen Umgang sie miteinander (und mit NichtChristen) pflegen, zumal wenn sie in verschiedenen Parteien tätig sind. Bei aller notwendigen Schärfe in der sachlichen politischen Auseinandersetzung, vor der Osterloh nicht zurückschreckte, beharrte er auf der Forderung nach einem „ritterlichen“ Umgang miteinander. Dies schloss für ihn persönliche Angriffe und Verunglimpfungen ebenso aus wie das Unterstellen von Böswilligkeit oder mutwilligem Unsinn. Im Verhältnis zu seinem politischen Hauptkontrahenten in Schleswig-Holstein, Wilhelm Siegel, fiel ein solcher Umgang leicht, zumal man bei dem damals weitgehenden schulpolitischen Konsens im Land den Eindruck gewinnen konnte, dass es beiden trotz allerlei Scharmützeln um Einzelfragen eher darum ging, die für die Schulpolitik notwendigen Mittel gegen andere Interessen zu verteidigen. Aber auch über Schleswig-Holstein hinaus vertrat Osterloh in aller Öffentlichkeit im Umgang mit dem politischen Gegner diese Grundsätze; sehr zum Verdruss etwa Adenauers, der zentrale Elemente seiner Wahlkampftaktik gestört sah und offenbar meinte, auch auf diesem Gebiet fachkompetent genug zu sein, um Osterlohs Überzeugungen als sachlich falsch kennzeichnen zu können. Prominentestes und vielbeachtetes Beispiel dafür war die Diskussion Osterlohs mit Fritz Erler auf dem Münchener Kirchentag 1959. Das Bewusstsein von der gemeinsamen Verantwortung für das Gemeinwesen, der jeder Politiker an seiner Stelle nachzukommen hatte, aber auch und vor allem von der allen Christen gemeinsamen übergreifenden Verantwortung vor Gott ließ es nicht zu, dass Osterloh diese Grundsätze wahltaktischen Überlegungen opferte. So distanzierte er sich 1957 von dem Diktum Adenauers, ein Wahlsieg der SPD bedeute den Untergang Deutschlands, ebenso wie 1961 von der von seinem Ministerpräsidenten geleiteten Wahlkampagne gegen Willy Brandt, dem er attestierte, niemand hätte sich angesichts des Mauerbaus in Berlin besser verhalten können als er es tat. Beliebt machte er sich in der Führungsebene seiner Partei damit wahrlich nicht. Auch seine anhaltende Kritik an der ihm nicht weit genug gehenden Familienförderung der Regierung sowie sein Beharren auf einer modernen Kulturpolitik, die sich verstärkt der (technischen) Intelligenz und den im Zuge des sozialen Wandels aufstrebenden Angestellten, einer schon damals ansatzweise erkennbaren „Neuen Mitte“ zuzuwenden habe, trug nicht zu seinem weiteren Fortkommen bei. So ist nach dem bis dahin immer wieder zu beobachtenden steilen Aufstieg Osterlohs ab 1956 eine gewisse Stagnation, allerdings auf hohem Niveau, unverkennbar, auch wenn er bis zu seinem Tod zu den profiliertesten evangelischen Politikern der CDU gerechnet wurde, dessen Stimme gerade zu Themen der Schul- und Kulturpolitik immer Gehör fand. Ihm fehlte

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die Hausmacht – der Evangelische Arbeitskreis konnte angesichts seines eigenen Bedeutungsverlustes diese Rolle schon Ende der 1950er Jahre nicht mehr spielen. Osterloh war nicht bereit, die dafür notwendigen machtpolitischen Intrigen zu spinnen, er war aber wohl manchem auch zu unbequem und unabhängig, um in die vorderste Reihe der Bonner Politikprominenz vorstoßen zu können. Diese innere Unabhängigkeit, die ihn von Zeit zu Zeit ohne Rücksicht auf seine Stellung und sein Ansehen in den entscheidenden Zirkeln der Partei einfach seine Meinung sagen ließ, ist vielleicht das entscheidende Moment, von dem das Verhältnis eines überzeugten Christen zur Politik geprägt sein sollte. Sie entsprang bei Osterloh einem tiefen Glauben an die höhere, das politische Tagesgeschäft und parteipolitische Auseinandersetzungen umschließende und in sich aufnehmende Wirklichkeit Gottes, vor dem auch der christliche Politiker, Sünder wie jeder andere Mensch, nicht durch sein Tun, sondern allein durch den Glauben Rechtfertigung erlangen kann. Als Christ Politiker zu sein ist nicht bequem, der Christ kann, und wenn er aus einer recht verstandenen christlichen Freiheit heraus Politik betreibt muss er vielleicht sogar in Konflikt geraten mit den eingeschliffenen Spielregeln und ungeschriebenen Gesetzen des politischen Lebens in einer Parteiendemokratie; auch davon legt der Werdegang Osterlohs ein beredtes Zeugnis ab. Trotzdem sollte der Lebensweg Osterlohs Ermutigung zum politischen Engagement von überzeugten Christen sein, denn nicht einmal in erster Linie die Kirche bedarf eines solchen Engagements in Zeiten, in denen ihre Bedeutung für die Gesellschaft zu schwinden scheint, nein, vor allem die Demokratie selbst lebt davon, dass in ihr Christen tätig sind, die um die Unmöglichkeit endgültiger oder perfekter Lösungen politischer Streitfragen wissen, sich in der politischen Auseinandersetzung entsprechend verhalten und so einen unverzichtbaren Beitrag zur politischen Kultur leisten. Der inzwischen wieder weit verbreiteten Politikverdrossenheit, dem Unbehagen an den komplexen, langwierigen und vielfach nicht von Erfolg gekrönten politischen Entscheidungsprozessen, die oft genug aufgrund von taktischen und machtpolitischen Erwägungen scheitern, sei deshalb abschließend ein Wort Osterlohs entgegengestellt: „Es braucht nicht jeder Christ ein Politiker zu sein. Der politischen Mitverantwortung für unser irdisches Schicksal aber kann niemand entgehen. Politik ist immer spannungsgeladen und voller Gegensätze. Wenn Christen politische Gegner sind, können zwar Gefahren entstehen, es ergeben sich aber auch einzigartige Chancen der Bewährung für den Glauben.“3 3

E. OSTERLOH, Christen (1959), S. 425.

Dokumente

Nachfolgend sind solche Dokumente abgedruckt, die bisher nicht oder nur schwer zugänglich veröffentlicht sind und die für Osterlohs Biographie bzw. für Aspekte des übergreifenden Themas „Theologie und Politik“ aus der Perspektive dieser Biographie wichtig sind. Hervorhebungen – in den Originalen gesperrt oder unterstrichen – sind kursiv markiert. Die Originalpaginierung ist zwischen senkrechten Strichen vermerkt.

1. Denkschrift Osterloh zur Lage der Bekennenden Kirche1 EZA BERLIN, 50/474, Bl. 30–34. – Undatierter Brief Osterlohs an Präses Kurt Scharf und andere führende Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche. Laut Stempelvermerk abgelegt am 9. 11. 1939. Pastor Osterloh. Lukas 9[,]62: Jesus aber sprach zu ihm: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes“[.] 2. Mose 16,2.3: Und es murrte die ganze Gemeinde der Kinder Israel wider Mose und Aaron in der Wüste und sprachen: „wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des Herrn Hand, da wir bei den Fleischtöpfen sassen und hatten die Fülle Brot zu essen; denn ihr habt uns darum ausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde Hungers sterben lasset“. Hesekiel 8,12: Denn sie sagen: „Der Herr sieht uns nicht, sondern der Herr hat das Land verlassen“.

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Zu Bezeichnung und vermutlicher Datierung vgl. oben S. 72, Anm. 143 u. 144.

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Matthäus 6,30: So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, sollte er das nicht vielmehr euch tun, o ihr Kleingläubigen. Meine Brüder und Schwestern in der Bekennenden Kirche! Meine Brüder im Amt der Leitung! Jesus Christus ist unsere einzige Verheissung, unsere einzige Gabe und unser einziger Richter. Er ist unsere einzige Zukunft. In ihm haben wir das Leben. Als Seine Gemeinde hat er uns in unserem Vaterlande und Volk gesammelt durch Sein Wort und Sakrament und uns dadurch bis zur heutigen Stunde überreich gesegnet und all unsere Sünden vergeben. Uns ist Erkenntnis der Wahrheit, Liebe des Nächsten und Fürbitte für einander und für die Feinde der Kirche geschenkt worden. Arme und Bedrückte durften bei uns eine Zuflucht suchen, weil wir selber unter dem Schutz des Höchsten stehen. In uns wirk|2|te die Kraft, dass wir Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen durften. Nicht wenige haben unter uns in diesen Zeiten der Heimsuchung die Vollmacht zu dem Zeugnis erhalten, dass man Gott mehr gehorchen muss, als den Menschen. Wir sind gewürdigt worden, im Namen Jesu das Leid auf uns zu nehmen und dabei in der Freude zu bleiben. Unsere Predigt hat Hörer gefunden, die Heilige Taufe und das Heilige Abendmahl verbinden uns mit Gott und mit einander. Aus aller Not, in die wir durch eigene und durch fremde Schuld hineingeraten sind, wurden wir wider alles Erwarten immer wieder befreit. Christus hat es nicht zugelassen, dass die Heilige Schrift zerrissen und verstümmelt wurde, das Alte Testament ist nicht aus dem Kanon herausgeworfen worden. Der Mythos hat bis heute das Evangelium nicht aus unserer Verkündigung verdrängen können. Jesus Christus hat uns nicht im Stiche gelassen und seinem Widersacher ausgeliefert, sondern ist bei uns geblieben und hat uns behütet in jeder Lage. Und nun finden wir seit einiger Zeit, dass es „so nicht weitergehen könnte“, dass wir „die Schlacht verloren“ hätten, dass es auf einen „ehrenvollen Rückzug“ ankäme, dass wir nicht mehr Kirche, sondern nur noch Bekennende Bewegung sein könnten. Wir sind drauf und dran, den Anfang im Geiste durch ein Ende im Fleische zu verraten. In unsern Herzen greift neben der Gottesfurcht die Angst um sich, die Kirche könne vielleicht doch nicht allein vom Glauben an Christi Verheissung leben, sondern müsse sich daneben auch noch andere Sicherheiten verschaffen. Für das konkrete Leben scheinen „Schrift und Bekenntnis“ doch eine zu schmale Basis abzugeben, auf der es vielen bereits so schwindlig wird, dass sie sich entschlossen nach einem solideren Halt bei den sogenannten „Gegebenheiten“ umsehen. Der

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Stempel des Konsistoriums auf der Bescheinigung über das Theologische Examen scheint für das tatsächliche Predigtamt bedeutsamer zu sein als die Beziehung dieses Examens zur Kirche oder zur Unkirche. Man muss befürchten, dass die Bekennende Kirche eines Tages kein ordentliches Gehalt mehr auszahlen kann, ja, man muss – was viel wesentlicher ist – befürchten, dass die Bekennende Kirche ihren |3| jüngsten Geistlichen häufig kein Kirchengebäude und keine Kanzel mehr bieten kann. Sollen denn Kirchen und Kanzeln den Gegnern in die Hände gespielt werden? Müssen wir „Jungen“ unter den Pastoren der Bekennenden Kirche nicht versuchen, „unter jeder Bedingung“ zunächst einmal in ein öffentlich-rechtliches Pfarramt hineinzukommen? Ist es nicht das Entscheidende, dass wir erst einmal eine Kanzel erobern, egal wie? In den bedrückten Aussprachen über diese Lage hat sich sogar der Begriff der „öffentlich-rechtlichen Kanzel“ gebildet mit dem Anspruch, dass die Beziehung zu ihm den Pfarrer vom Diakonen unterscheide. Niemand will wahr haben, dass es ihm auf wirtschaftliche Sicherheit und Pensionsberechtigung ankomme, aber viele rechtfertigen sich selbst bei ihrem Krebsgang mit dieser „Notwendigkeit des öffentlichen Rechtes für die Kirche“ und der anerkannten Kanzel für die Predigt des Evangeliums. Auf eine andere Weise, sagt man, komme man doch nicht an das Volk heran, dem man das Wort verkündigen müsse. Was so in Vikarsbruderschaften und Familien verhandelt wird, das ist nur das Spiegelbild von den merkwürdigen Plänen und Experimenten, mit denen führende Männer der Bekennenden Kirche heute umgehen. Der eigentliche „Kirchenkampf“ soll abgebrochen werden, mit der „Mitte“ will man einen sauberen Vergleich machen, der Begriff des „Minderheitenrechtes“ taucht auf als Tarnung für den Einfall der „Unkirche“ in die „Kirche“. Die konsistoriale Bürokratie soll allen Ernstes ihre Berücksichtigung im Leben der Kirche finden ohne ernste Überprüfung ihres Verhältnisses zum alleinigen Herrn der Kirche. Die übernommenen faktischen Verantwortungen für die theologische Ausbildung des Pastoren-Nachwuchses sind so drückend geworden, dass man sie Schritt für Schritt zurückgeben möchte. Vor der unlöslichen Bindung der Konsistorien an antikirchliche Mächte und Gewalten schliesst man beide Augen, um sich selber und anderen vormachen zu können, es handele sich um neutrale Verwaltungsdinge – auch bei der Erteilung der Erlaubnis zu Predigt und Sakramentsverwaltung. Man sieht auf einzelne Prediger bei der Gegenseite und freut sich, durch die triviale Feststellung, dass dort doch auch Evangelium laut werde, seinen eigenen Rückfall unter das Gesetz der Staatskirche vernebeln zu können. |4| Es besteht heute die aktuelle Gefahr, dass wir uns einen Scheinfrieden in der Kirche erschleichen und die äussere Möglichkeit zur Verkündigung durch einen Trick erlisten wollen. Wir stehen in der Versuchung, durch eine Hintertür vor

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unserer kirchlichen Not und damit zugleich vor unserer kirchlichen Verheissung zu entweichen und damit den einzigen Felsen zu verlassen, den die Pforten der Hölle nicht überwinden werden. Das „öffentlich-rechtliche Siegel“ ist die Anfechtung für das einzige Amt auf Erden geworden, das sich auf göttliches Recht berufen darf, für das Amt der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung. Das öffentliche Recht ist für uns Junge Ägypten, das Knechtshaus, aus dem der Herr selber uns hinausgeführt hat. Etliche unter uns sehnen sich zurück, weil die Wüste allzu bedrohlich und auswegslos erscheint. Die Eidesleistung der Pfarrer will vielen als eine solche Umkehr nach dem Ägypten des „öffentlichen Rechtes“ erscheinen. Ich bete zu Gott, dass er mich vor dieser Rückkehr aus Gnade und Barmherzigkeit bewahren möge. Ich kenne nicht Gottes Mass für unsere Wüstenzeit und das gelobte Land der kirchlichen Zukunft liegt auch für mich im Dunkel. Auch mein Herz kennt das Zagen und Zittern der Angst und der Ungewissheit. Aber dennoch weiss ich, dass keiner, der dem Wort weiterhin in die Wüste hinein folgen wird, von Gott verlassen ist. Er soll sich auch nicht wegen Nahrung und Kleidung sorgen, und den Wirkungskreis wird der Herr selber ihm schenken, so dass er müde werden wird von der Arbeit in Seinem Reiche. Praktisch wird es nicht anders gehen, als dass begüterte Christen der Kirche des öffentlichen Rechtes den Rücken kehren und all ihre „Kirchensteuern“ der freien Bekennenden Kirche zuwenden für ihren Dienst an der Wahrheit des Evangeliums. Die Zugehörigkeit zur Kirche Jesu Christi wird ja nicht auf den Amtsgerichten entschieden, sondern gegenüber dem Amt der Verkündigung und der Schlüsselgewalt. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, das zur Zeit Konstantins des Grossen begrün|5|det worden ist, kann heute weder von Seiten der Kirche, noch von Seiten des Staates aufrecht erhalten werden. Wir haben gar keine Wahl zwischen „Staatskirche“ und „Freikirche“, sondern nur die Wahl zwischen Gehorsam oder Ungehorsam gegenüber dem Herrn aller Herrn, der Seine Gemeinde heute jenseits des Schutzes durch das öffentliche Recht sammelt. Liebe Brüder und Schwestern! Mein Ruf, auf dem beschrittenen Wege weiterzugehen und sich nicht umzuwenden, lieber die Gefahren und die scheinbare Aussichtslosigkeit der Freikirche auf sich zu nehmen als unter dem Scheine des Rechtes das Unrecht zu decken, will niemandem ein Gesetz auferlegen. Er will an die frohe Kunde erinnern, dass wir um Jesu Christi willen umsonst gerettet werden durch den Glauben zum ewigen Leben. Diese Rettung allein schafft und erhält die Kirche auf Erden und im Himmel.

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Diesen Brief überreiche ich an: Staatssekretär Hoffmann, Prof. Dr. med. Kunstmann, Geheimrat Quaatz, Gräfin von Behr, Senatspräsident Troost, Frh. von Arnim-Lützlow, Dr. Ehlers, Fräulein von Bülow, Fräulein Dr. Schäder, P. Asmussen D.D., Lic. Niesel, Präses Jacobi D.D., Präses Scharf, P. Kloppenburg, Präses D. Koch, P. von Rabenau und P. Müller, Vorsitzenden d. VKL, mit der Bitte, mir schriftlich ihr geistliches Urteil über die von mir aufgeworfenen Fragen mitzuteilen und mir zu helfen, das Grundsätzliche sowohl als das Konkrete klarer und besser darzustellen und die Folgerungen für das Tun zu bedenken. Dieses Wort ist streng vertraulich zu behandeln. Die Veröffentlichung an einen weiteren Kreis muss ich mir persönlich vorbehalten. (Edo Osterloh.) Pastor. Berlin NW 87 Holsteiner Ufer 7.

2. Osterloh an Heinz Kloppenburg über die Aufgabe der BK Ostfront 1942 Juni 19 ABS OLDENBURG, V.01. Bd. 2(2). – Durchschlag eines dreiseitigen, einzeilig beschriebenen Typoskripts (DIN A 4). Edo Osterloh 05647 D Lieber Heinz! Meinem kurzen Kartengruß soll ein richtiger Brief folgen, in dem ich versuchen will, meine Gedanken über die Aufgabe der BK in der Gegenwart und für die Zukunft zusammenzufassen. 1. Die Aufgabe der BK ist die Aufgabe der christlichen Kirche überhaupt. Sie erwächst aus dem Auftrag und aus der Gabe, die Gott uns mit dem Geschenk der Kirche Christi gegeben hat. Sie besteht wesentlich darin, die Botschaft der Bibel in der Gegenwart so bekannt zu machen, daß Menschen sie als Einladung zur Versöhnung mit ihrem Herrn vernehmen und sich ihr gegenüber zur Bejahung oder Verneinung durch ihre ganze Lebensgestaltung entscheiden können. Wir pflegen keine bestimmte Religiosität, sondern wir geben einen bestimmten, den ewigen, Ruf in der Sprache unserer Zeit weiter

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und orientieren an ihm unsere Existenz. Zugleich wahren wir das Wissen um diesen Ruf für die nach uns kommenden Geschlechter, denen wir es weitergeben als das kostbarste Erbe, das wir selber empfangen haben. Die Begegnung mit dem von uns vernommenen und weitergegebenen Ruf ist die Begegnung mit Gott und damit zugleich das Innewerden der Wahrheit der Welt und des Menschen. Diese Begegnung ist Gericht und Erfüllung des Lebens. 2. Der Geist der Zeit steht diesem Rufe, seinen Trägern und Anhängern feindlich gegenüber. Er will ihn auslöschen, denn er hält ihn für Lüge. Er sieht in ihm eine unerträgliche Hemmung gegen sein eigenes Bemühen, eine gottlose Welt zu gestalten unter der Voraussetzung, daß der Mensche als reines Naturund Geschichtsprodukt nichts als Vollstrecker erkennbarer und menschlich beherrschbarer Gesetze sei. Die Existenz einer ewigen Wirklichkeit jenseits menschlich erfaßbarer Relativität wird bezweifelt; das Hören der Stimme Gottes wird als Illusion oder als Betrug aufgefaßt. Skeptizismus als Sophismus, Materialismus als Atheismus, und Resignation als Ignorismus beherrschen faktisch das moderne Abendland. 3. Die kath. Kirche pflegt in dieser Situation eine synkretische Religiosität. In undurchsichtiger Weise verbindet sie Elemente der christlichen Botschaft mit Dingen, die dem religiösen Bedürfnis aller Zeiten und auch der Gegenwart entgegenkommen und übt eine beachtliche Herrschaft über die Seelen vieler Menschen aus. Sie lebt von ihrem Wissen um Seelenführung und Seelenbeherrschung und konkurriert dadurch mit modernen Ideologien, die das gleiche Ziel haben. Sie ist eine Weltmacht. Sie entzieht sich der Wahrheitsfrage und gibt Lehren und Wirklichkeiten als christlich aus, die es ganz und gar nicht sind. Sie trägt die Hauptverantwortung dafür, daß viele Menschen der Gegenwart die christliche Kirche nur durch die Brille völlig verfehlter Vorurteile sehen können und deshalb überhaupt nicht wissen, was sie tun, wenn sie den christlichen Glauben ablehnen. 4. Die deutsche Evangelische Kirche ist durch verräterischen Abfall, durch haarsträubende Unfähigkeit ihrer Leitung zu Grunde gegangen. Die Gründe für ihren Verfall liegen wesentlich in ihr selber und nicht in dem – ihr zweifellos auch gegnerisch gegenüberstehenden – Verhalten von Staatsbehörden. 5. Die evgl. Landeskirchen in Deutschland haben als Organisation seit Entstehung der Reichseinheit jede Existenzberechtigung verloren. Ihr Kampf um ein Eigendasein und um Berücksichtigung je der besonderen Lage innerhalb der Gesamtsituation der Kirche in Deutschland |2| ist unchristlich und dis-

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kreditiert den Glauben. Sie sind Einrichtungen geworden, die auf der einen Seite dem „Zeitgeist“ dazu dienen, das Evangelium zu bekämpfen, die auf der anderen Seite aber zugleich dem Amt des Wortes und Sakramentes eine gewisse Wirkungsmöglichkeit frei halten: Die „Leitungen der Landeskirchen“ sind grundsätzlich nicht anders anzusehen, als die Stammeshäuptlinge, die sich mit Missionaren auf Verhandlungen darüber einlassen, ob in ihren Gebieten gepredigt und getauft werden darf oder nicht. Entscheidenden Einfluß auf den Inhalt der Predigt und die Praxis der Sakramentsverwaltung ist ihnen nicht einzuräumen. (Diese Feststellungen schließen nicht aus, daß etwa ein Landesbischof sich als echter kirchlicher Führer bewährt. Er tut das aber nicht kraft seines landeskirchlichen Amtes, sondern kraft seiner Treue zu seiner allgemein kirchlichen Ordination und kraft der ihm von Gott gegebenen Gaben.) 6. Die BK ist die Tat der Treue Gottes mitten in der Verwirrung und im Abfall der Menschen. Das ist die Wahrheit trotz aller Jämmerlichkeit und das allzu Menschliche in ihr. Sie hat das Erbe der Reformatoren mitten in unsere Zeit und unser Volk hineingestellt. Sie hat vor den Regierenden und ihren Gerichten ihre Sache darlegen dürfen. Ihr sind Zeugen geschenkt worden, die unübersehbare Zeichen darstellen in der ganzen Welt. Gott hat ihr auch einen Mann gegeben, in dem sie ihren Weg verkörpern konnte. Es ist der Weg des Glaubenssieges mitten im äußeren Zusammenbruch und in aller Gebundenheit. Sie hat junge Prediger bekommen, für die das Amt Existenz ist, und für die Stand und äußere Existenzbedingungen gleichgültig geworden sind. Sie hat verwirklicht, daß die Kirche Gottes und nicht der Menschen Instrument auf Erden ist. Sie hat die Liebe zum Nächsten auch unter Gefahren geübt. Sie hat Verzagenden Heimat geboten und ist den Selbstherrlichen fremd geblieben. Sie ist die heimliche Hoffnung „der harrenden Kreatur“. In der Barmer theologischen Erklärung hat sie am Werk der Apostel und Reformatoren gestanden. In den kirchlichen Hochschulen haben wir den für die Zukunft der Kirche gefährlichsten Angriff der Gegner erfolgreich abgeschlagen und eine den Krieg entscheidende Schlacht gewonnen. Wir dürfen das nicht vergessen, gerade dann nicht, wenn wir eigene Fehler und eigene Niederlagen nüchtern sehen. a) Ein schwerer Fehler lag sehr früh in der von Oeynhausen (Asmussen) aus verbreiteten Irrlehre, wir dürften kein „Programm“, kein „Bild der Kirche der Zukunft“ haben. Das bedeutete praktisch Ziellosigkeit der tatsächlich getroffenen organisatorischen Maßnahmen. b) Damit hing zusammen die selbstverschuldete Unklarheit, ob wir um Sitze in den bestehenden Kirchenregierungen oder um eine Reform der „Kir-

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chenverfassung“ kämpften. Niemöller stellte sich taub gegenüber der sehr frühzeitig von Hildebrandt erhobenen Frage nach der Freikirche. Die Zeit der „Ausschüsse“ zerstörte darum notwendig den „Augsburger Zentralbau der BK in Deutschland“. c) Wir sind zu schnell von Fragen des Inhaltes auf Fragen der Form gekommen. Auf Barmen ist zu schnell Dahlem gefolgt. Kurzschlüssig wurden aus theologischen Erkenntnissen scheinbar notwendige kirchenpolitische Folgerungen gezogen. Der Illusion von Augsburg mußte die Katastrophe von Oeynhausen folgen. d) Sich uns hemmend in den Weg legende interne Probleme haben wir ungelöst übersprungen. Ich denke an meine Frage nach „Bewegung oder Freikirche“, die jetzt sehr viel verhängnisvoller von Jacobi aufgerollt worden ist. Ich denke auch an das Problem wehrloser Öffentlichkeit oder geschützter Verborgenheit in bewußter Tarnung. Die |3| Unklarheit darüber hat manchen Schwachen unnötig abtrünnig gemacht. e) Die Frage der Legalisierung ist wie eine eiternde Wunde am Körper der BK seit dem Augenblick, in dem sie aufgebrochen ist. Sie hat zum Teil die BK wieder in Landeskirchen zerfallen lassen und zum Beispiel den Präses Koch aus der Reihe der führenden Kirchenmänner ausscheiden lassen. f ) Das Amt der Leitung in der BK ist nie klar bestimmt und darum auch nie endgültig besetzt worden. Die „Vorläufigkeit“ wurde ein sich mit der Zeit selbst potenzierendes Dogma. Darum ist die Leitung der BK zwangsläufig der Selbstauflösung verfallen. Was ist nun von uns zu tun? I. Wir glauben an die Kirche in der BK als an Gottes gegenwärtiges Werk. II. Wir sehen nüchtern, daß wir organisatorisch zusammengebrochen sind und theologisch stagnieren. Die uns keimhaft geschenkte „Erweckung“ droht zu ersticken. III. Wir nehmen die Arbeit bei der theologischen Erklärung von Barmen wieder auf mit dem bewußten Ziel, zu einem Bekenntnis in der Sprache unserer Zeit zu gelangen. Dabei lassen wir uns von Männern wie Bultmann zwingen, nichts nachzuplappern, sondern wirklich zu übersetzen. IV. Wir machen uns und unseren Gemeinden klar, daß weder Rom noch die deutschen Landeskirchen noch die Organisation der BK die Kirche Christi darstellen, sondern daß diese sich gegenwärtig nur in Einzelgemeinden, in

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einzelnen Trägern des Amtes und in Konventen und Synoden verwirklicht, wann und wo Gott es will. Zugleich bereiten wir eine kommende Gestalt der Kirche vor durch Predigt und Seelsorge. V. Wir – die auf dem Grunde von Barmen stehenden Pastoren – wählen einen evgl. Bischof für Deutschland auf 5 Jahre, der mit Hilfe von 10 durch ihn bestimmter Amtsbrüder die Seelsorge an uns ausübt, die Konvente besucht und für den Ausgleich der Dinge sorgt, die des Leibes Notdurft und Nahrung angehen. VI. Wir bilden einen evgl. Orden von Trägern des Amtes und von Laien, die sich einer klaren Zucht unterstellen.

3. Hans Asmussen an Osterloh Kärnten 1942 September 17 ABS Oldenburg, V.01. Bd. 2(2). – Handschriftliches Original, verfasst auf einem Kanzleibogen, dessen 4 Seiten einzeilig beschrieben sind. Daneben liegt eine in Satz, Zeichensetzung und Rechtschreibung nicht völlig identische maschinenschriftliche Abschrift vor. Lieber Bruder Osterloh! Heute will ich eine Reihe von Randbemerkungen zu Ihren Briefen schreiben. Vielleicht ist es ganz gut, wenn ich Sie in Ihrer Welt damit belästige. Denn im Grunde sind wir doch alle in einer Lage, nur daß das „Kriegerhandwerk“ bei uns ein anderes Gesicht hat. I. Zuerst zu Ihrem an mich gerichteten frdl. Brief vom 31. 8.! 1. Das Wort von der Auferstehung „der Person“ halte ich für unklar. a. Es entspricht nicht den Auferstehungsberichten, die entscheidend Gewicht darauf legen, daß das Grab leer war. b. Wenn die Kirche Auferstehung „des Fleisches“ bekennt, will sie mit Recht die griech. Philosophie von einem „Fortleben nach dem Tode“ ausgeschaltet wissen. c. Sie sind dem Verdacht gegenüber nicht gesichert, daß die Verachtung des „Fleisches“ zu Gunsten des „Geistes“ bei Ihnen doch noch eine Rolle spielt. Denn was soll der Begriff „Person“, wenn er den Leib ausschließt? d. Ich fürchte allerdings, daß die Auferstehungsberichte

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für Sie nicht durchschlagend sind, da Sie nach einem vorgefaßten Begriff eine Auswahl aus der Schrift treffen. 2. Letzteres wird mir ganz deutlich, wenn Sie über die Berichte von der Jungfrauengeburt sprechen. a. Denn auch Sie gehen bei der Beurteilung von Matth. 1 u. 2 u. Lc. 1 u. 2 von dem aus, was Sie „historische Erweisbarkeit“ nennen und richten danach die Schrift. b. Wir beide verstehen unter „hist. erweisbar“ etwas ganz anderes. Ich verstehe darunter, daß kein Wunder so getrachtet ist und so berichtet wird, daß ein Theologieprofessor gezwungen werden kann, um seines Verstandes willen es für geschehen zu erachten. So wird Matth. 1+2 u. Lc. 1+2 auch von der Jungfrauengeburt als einer historisch nicht erweisbaren Angelegenheit berichtet. c. Ich werde nicht müde zu betonen, daß Ihre Methode der Textkritik Sie doch zum Herren des Textes macht, indem Sie vorher einen Maßstab zu seiner Beurteilung haben. So unangenehm Ihnen nachstehendes Zitat von Lietzmann sein mag, Sie dürften sich der darin ausgesprochenen Meinung doch nicht schämen: „Das heißt aber, daß er (der Textkritiker) ihnen (den bibl. Texten) gegenübersteht als erfahrener|2| und unparteiischer Richter, nicht als grundsätzlich mißtrauischer Ankläger“. Seien Sie mir nicht böse: das ist so naiv, wie nur ein Theologieprofessor sein kann; aber es paßt auch für klügere als Lietzmann. d. Unter „wirklich“ verstehe ich negativ diejenigen im Dasein wirksamen Kräfte, die unsere Anschauung und Untersuchung nicht als vorhanden oder wirksam erweisen kann, die aber – positiv – das Wesen des Geschaffenen ausmachen. e. Darum sind auch die Grenzen zwischen dem „Wirklichen“ und dem „Gleichnis“ nicht so zu ziehen, wie die Theologie des 19. u. 20. Jahrhunderts sie unter dem Einfluß Kants zu ziehen gewohnt ist. 3.a. Darum ist auch den „Gleichnisreden“ der bibl. Apokalyptik gegenüber eine größere Ehrfurcht am Platze, als unsere Textkritiker sie an den Tag legen, die uns lehren, es sei wunder was, wenn sie ein Motiv dieser Gleichnisreden auch im außerbiblischen Schrifttum nachweisen. b. Wenn man im Auge hat, daß wir doch einen Spiegel im Rätsel sehen, wird man grundsätzlich damit Ernst machen, daß sie eine Auflösung ins Nichts nicht vertragen. Und eine solche Auflösung liegt vor, wenn man – wie ich Bultmann in jener Schrift verstehen muß – die Leute lehrt, mit dem Kommen eines bestimmten Tages nicht mehr zu rechnen. 4. Vom Chiliasmus der Wissenschaft kann ich gerade Bultmann nicht freisprechen. Was er in jener Schrift von der Wissenschaft schreibt, kann mit Fug nur als ihre wesentliche Verabsolutierung verstanden werden. Was sollte sonst der Hinweis auf meine Autos guten Angedenkens und auf mein künstliches Gebiß als bindende Beweise gegen den „Geisterglauben“ des NT und die Botschaft von der Auferstehung?! In dieser Partie der betr. Schrift überschlägt sich der Wissenschaftsglaube geradezu, – und um einen solchen geht es bei Bultmann.

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II. Nun ist mir noch eine Anzahl von Briefen in Sachen unseres Gespräches auf den Tisch gekommen, die ich um unseres persönlichen Verhältnisses willen nicht verleugnen, sondern beantworten will. Ich verstehe sie so, daß Sie drauf u. dran waren, mir dasselbe zu sagen, was Sie anderen über mich sagten, aber dann aus Rücksichtnahme auf meine Erlebnisse nicht dazu kamen. Wenn ich sie so verstehen darf, können wir ganz ohne Harm über sie reden, obschon ich die |3| Zugängigmachung von Briefen für einen großen oder größeren Personenkreis nicht für gut halte. (Sie ist leider in Sachen Bultmann oft vorgekommen). 1. Was Sie an Varrentrap über die Kath. Kirche schreiben, erregt meinen Widerspruch, da es zeigt, wie gerade der Wissenschaftler sich vorgefaßten Meinungen hingibt. (Dasselbe gilt von den entsprechenden Partien in dem Brief an Kloppenburg) Wann wollt Ihr Wissenschaftler aufhören, Euch damit zu trösten, als lebten in Kath. Kirche lauter raffiniert „Seelenbeherrschte“, die den Hauch des freien Geistes nie verspürten? Warum seid Ihr so ängstlich zu sehen, daß die Kath. Kirche den Beweis liefert, wie „verständlich“ ihre Liturgie ist? Ich will’s Ihnen sagen: Die römische Kirche liefert den Beweis, daß der wissenschaftliche Begriff des „Verstehens“, um dessen willen Euer ganzes Unternehmen da ist, in seinem Grunde irrig ist. Ihr habt nicht den Mut zu sehen, daß die Kenntnis biblischer Geschichten (und der lateinischen Sprache und die Denkfähigkeit) nach 4 Jahrhunderten Humanismus nur sehr unbeachtlich gestiegen ist. Die Kath. Kirche ist – ich sage das auf die Gefahr hin, als ultramontan zu erscheinen – in ihrer Existenz ein einziger großer Gegenbeweis gegen Euren Wissensoptimismus. Das sage ich gerade im Bewußtsein ihrer Vielgestaltigkeit, da ich es für „unwissenschaftlich“ halte, eine „unwissende“ Kärntner kath. Gemeinde mit einer „wissenden evg.“, etwa in Wuppertal zu vergleichen. 2. Damit komme ich auf die Liturgie, die Sie gründlich mißverstehen. („Zurückziehen auf eine innere Linie etc.“) (Ich muß nun wieder zuerst den Wissenschaftler in Ihnen anreden! Darum bediene ich mich „wissenschaftlicher Begriffe“.) Ist es nicht eigentlich unverantwortlich, daß Sie diesem Sektor der Erscheinungswelt so wenig Aufmerksamkeit widmen, Sie und andere, die ähnlich denken?! Lieber Br. Osterloh! Was weiß denn ein protestantischer (sic) Theologe von der Liturgie, wohl gar vom Brevier und vom Meßbuch und von den griechischen Gottesdiensten? Ihr kennt den Urmarkus und alle Jesajasse, die vielleicht nie lebten, aber nicht, woraus 100000de jetzt lebender Christen ihre Kraft holen. Wie nun, wenn die Kenntnisnahme dieser Dinge Fragen stellte, die einen ganz neuen Aspekt eröffneten, der im wahrsten Sinne als theologisch und als aktuell anzusprechen wäre?! Wie nun, wenn die Schriftauslegung durch die Schrift hier in solchem Maße geübt worden wäre wie sonst selten?! Wie nun, wenn hier ein |4| Wahrheitsverständnis an den Tag käme, das dem Humanismus völlig fremd ist und ihn richtet? Wie nun, wenn es sich herausstellte, daß die

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reformatorische Botschaft dem Sinn der Reformatoren weit gemäßer durch die Liturgie erschlossen würde als durch die Erwägungen ihrer humanistisch verseuchten Epigonen?! Wie nun, wenn sich aus der Erfahrung belegen ließe, daß die Angriffskraft des Liturgischen – ich meine damit nicht jene Ausgeburt von Auszehrung aus dem Jahre 1895 – höchst überraschend und viel zentraler ist als Manches, von dem wir es bisher glaubten?! Müßten dann nicht gerade Sie als Wissenschaftler fragen, warum das alles wohl so ist, warum die angeblich so unverständliche Sprache der Liturgie sich als viel verständlicher erweist denn die mit so viel Anspruch auftretende „Übersetzerarbeit“ – über die ja auch noch ein Wörtchen zu reden wäre?! (Ich darf am Rande bemerken, daß die Deutung des liturgischen Wollens als eines „Rückzuges auf die innere Linie“ der Polemik seiner Gegner entstammt, nicht aber meine eigene Deutung ist.) 3. Zur Beurteilung meines persönlichen Verhaltens will ich nicht viel schreiben. Es betrübt mich wohl, wenn es so mißverstanden wird. Denn eigentlich liefert mein Lebenslauf nicht gerade den Beweis, daß ich päpstlich gehandelt hätte, daß ich mich außer Schußlinie begeben hätte etc. Ob ich zielbewußt handelte, ist eine Frage, über die ich gerne Rede u. Antwort stehen will. Jedenfalls aber beurteilt Alex mein Vorgehen so ziemlich konträr wie Sie. Und außerdem – ist es denn so wichtig, ob wir „verstanden“ werden?! Diese Frage wird doch auch Ihnen in ihrer Ernsthaftigkeit nicht fremd sein! Sa Sa: wir können das „Verständnis“, das wir voneinander haben, weithin auf sich beruhen lassen. Es tut nicht viel aus. Nun hoffe ich, daß Sie mich darin verstehen, wenn ich von mir aus Ihre nicht an mich gerichteten Briefe beantwortete und damit den Versuch machte, etwas, was Sie bedrücken könnte, aus dem Wege zu räumen. Wenn Sie es für gut halten, senden Sie diesen Brief an Kloppenburg. Gott segne Sie! Ihr getreuer gez. Hans Asmussen

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4. Osterloh an Hans Asmussen Ostfront 1942 November 1 ABS OLDENBURG, V.01. Bd. 2(2). – Durchschlag eines dreiseitigen, einzeilig beschriebenen Typoskripts (DIN A 4). Edo Osterloh. 05647 D Lieber Bruder Asmussen! Wir haben heute morgen das Gedächtnis der Reformation gefeiert in einem Gottesdienst bei dem Kriegspfarrer Küfner aus Tübingen. Er hat recht gepredigt von Römer 1,16. Mit ein paar andern Offizieren und Männern bin ich zum Abendmahl gegangen. Ich habe mir das für unser altsein Entscheidende sagen und geben lassen. Ich konnte einfach hinhören und annehmen. Gott ist auch hier unsere feste Burg. Liturgie und Kult waren auf das Minimum zusammengeschrumpft. Sie sind für das Ganze heute hier bedeutungslos gewesen. Vorher bin ich in eine grosse russische Kirche hineingegangen. Um das Gebäude herum standen die kleinen Panje-Wagen der Bauern, die aus den umliegenden Dörfern mit Kind und Kegel am Sonntag zur Kirche fahren. Sie haben es 25 Jahre lang nicht gedurft und nicht getan. Ihr Pope war verbannt und lebte als Arbeiter auf einem Kolchos-Betriebe. Nachts hat er sich von Haus zu Haus geschlichen und getauft. Häufig hat er nichts anderes getan als nur getauft. Gelegentlich hat er aber auch eine Geschichte aus den Evangelien erzählt. Und jetzt sind in der Kirche wieder viele, viele Männer und Frauen jeden Alters vom Greise bis zum Säugling. Die Toten sind in der Mitte des Gedränges in offenen Särgen aufgebahrt. Kinder wimmern und schreien, Mütter beruhigen und schelten, Männer flüstern – und doch wird der Raum seltsam erfüllt von dem feierlichen Klang liturgischen Gesanges. Andächtige Gesichter verneigen und bekreuzigen sich vor den vielen Bildern, die im Zentrum des Raumes um das Heiligste herum stehen. Rechts neben mir ein alter Bauer in weißem Haar, links eine junge, schön gekleidete Städterin: Beider Augen spiegeln etwas wider von dem, was die angeschauten Bilder meinen. Im russischen Volk lebt seine Religion noch, obwohl ein Vierteljahrhundert konsequenter antireligiöser Propaganda und totaler Politik darauf eingewirkt haben. Der orthodoxe Kult hat im Erleben des Russen einen Platz durch Tränen und Blut hindurch behalten auch in einer Zeit, in der er nur von der Erinnerung leben konnte.

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Solche Eindrücke verführen mich aber nicht zu der Meinung, die gegenwärtige Krise der christlichen Kirche und des Glaubens überhaupt könne auf dem Wege der Liturgie und des Kultes überwunden werden. Vielmehr ist es durchweg in Wirklichkeit so, daß der Raum, den das Kultische im modernen Leben einnimmt, geradezu über die Leere und Ratlosigkeit des Glaubens hinwegtäuscht und häufig bewußt hinwegtäuschen soll. Viele Menschen unserer Zeit betäuben ihre Wahrnehmung der Unlösbarkeit des letzten Rätsels und des Nichts mit religiösen Übungen, durch die sie sich im Kult eine eigene Scheinwelt hervorzaubern. Angesichts ihrer tatsächlichen Welt- und Geschichtserfahrung vermögen sie nicht an das zu glauben, was ihnen als Inhalt des Glaubens vorgehalten wird oder vorschwebt – sie leben in Wirklichkeit glaubenslos –[,] sie gestehen sich das aber nicht ein, sondern sie flüchten sich in Kult und Liturgie und damit in Zusammenhänge hinein, die nur unter Voraussetzung der Gültigkeit des Glaubens sinnvoll sind. Sie selber sind ein Beispiel dafür. Die von der historisch-kritischen Bibelwissenschaft – sie ist nur eine Form gegenwärtigen Erkennens – aufgeworfenen Fragen und erzielten konkreten Ergebnisse nehmen ihren Formulierungen vom Inhalt des christlichen Glaubens die Grundlagen. Ihrem Empfinden nach stehen moderne wissenschaftliche Forschung und die Art, wie der Mensch nach Humanismus und Aufklärung sein Schicksal erlebt, auf der einen Seite dem christlichen Glauben auf der anderen Seite als Todfeinde gegenüber. |2| Sie begeben sich deshalb auch nicht auf das Kampffeld moderner Wissenschaft und Forschung, sie beteiligen sich nicht an der Erforschung der konkreten Entstehungsgeschichte der Bibel, sondern sie ziehen sich auf die Behauptung zurück, der Wahrheits-Begriff historisch kritischer Forschung sei ein Selbstbetrug und der typische Gegenwartsmensch lebe in der Lüge, die Wahrheit sei nur in der Teilnahme am christlichen Kult erfahrbar, und vom Kult her müsse das ganze Leben durchdrungen und durchgestaltet werden. Darum meinen Sie aufatmen zu können, wenn Sie feststellen, daß die Diskussion um Bultmann in der Kirche ihren Höhepunkt überschritten habe. Abgesehen davon, daß diese Feststellung den Tatsachen nicht entspricht, sondern nur Ihren Wunsch widerspiegelt – in Kurhessen, Brandenburg, Württemberg, im Rheinland, in Berlin und in Oldenburg wirkt Bultmanns Ruf auf die Predigt –[,] zeigt sie in erschütternder Weise, daß Sie der Frage nach dem Inhalt de[s] christlichen Glaubens nicht standhalten, sondern daß Sie diese Frage umgehen oder totzuschweigen gedenken, so wie die Antichristen unserer Zeit den christlichen Glauben im Schweigen untergehen lassen möchten. Wenn Bultmann recht hätte, dann wäre der Ihnen bewußte Inhalt Ihres

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Glaubens hinfällig geworden. Die konkreten Einzelargumente Bultmanns zu widerlegen, sind Sie nicht in der Lage. Sie lehnen seinen Ausgangspunkt und seine Methode total ab, Sie erklären seine Theologie für Abfall und setzen naiv voraus, daß Ihr Verständnis vom christlichen Glauben einzig richtig sei. Ebenso halten Sie die Themen Ihrer letzten Bücher für die eigentlichen Arbeitsgebiete der Kirche in der Gegenwart. Bultmann hat recht, und die Kirche sollte sich in Wirklichkeit um gar nichts so leidenschaftlich bemühen wie um die Antwort auf die Frage: Woran glaube ich und woran glaube ich nicht? Ihre Mitarbeit an der Altonaer Erklärung und an den Barmer Sätzen beweist, daß auch Sie diese Frage wohl gehört und verstanden hatten. Sie wird uns gestellt von Gott her durch die Menschen unserer Zeit. In Ihrem „Galater“ schreiben Sie in einem Vorwort oder irgendwo im Kommentar dem Sinne nach: Wenn Sie „weich“ werden sollten, dann warte schon eine härtere Generation darauf, an Ihre Stelle zu treten. Meine Freunde und ich haben Sie wiederholt vernehmbar und auch schweigend gefragt, ob Sie nicht weich geworden seien. Ich weiß, daß ich selber jede Stunde so gefragt werden kann. Trotzdem darf ich weder Ihnen noch mir die Feststellung ersparen: Ihre Arbeit in der Kirche zielt darauf ab, die „Christliche Substanz“ in gottesdienstlichen Formen zu konservieren und zu „überwintern“ für bessere Zeiten. Sie machen die hinter uns liegende Bekenntnisbildung der Kirche zu einem Gesetz für den Ausdruck des Glaubens in der Gegenwart. Sie wollen in der Etappe eine Streitmacht für die Zukunft sammeln. Sie wollen die Glaubenden und ihre Pfarrer aus der unmittelbaren Gefahrenzone heraushalten und die innere Anfechtung im Kult überwinden. Sie führen den Rückzug auf die innerste Linie. Sie antworten nicht auf die Fragen nach dem Verhältnis von Staat und Kirche, von Rasse und Taufe, von Recht und Rechtfertigung, von Unglaube und Glaube. Sie kämpfen für Formen und Formeln bei der Taufe, Sie kämpfen für das Dogma von der Jungfrauengeburt und für den Mirakelglauben. Sie veröffentlichen so viel Gebete, daß ich an Jesu Warnung denken muß, nicht viel Worte zu machen. Sie verteilen Ketzerhüte und erreichen damit, daß mancher Widerspruch des Herzens und des Kopfes gegen Ihre Behauptungen nicht über die Lippen kommt. Sie verlieren zugleich damit die letzte innere Autorität gegenüber manchen Amtsbrüdern, die die Katastrophe von Oeynhausen Ihnen noch gelassen hat. Sie selbst wissen, daß ich vor Ketzerhüten keine Angst habe. Sie |3| wissen auch, daß wir hier alle ohne Kult und Liturgie leben. Vielleicht wissen Sie auch

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noch, daß wir unsere Lage, in der wir um und für den Bestand des Deutschen Reiches kämpfen, durch das Evangelium als ein Geschenk Gottes bejahen und ergreifen. Zur Kenntnis nehmen müssen Sie, daß es mich nicht erschüttern wird, wenn Sie mir nach diesem Brief den christlichen Glauben absprechen. Meine Glaubensgewißheit ist von keinem menschlichen Urteil abhängig. Ich glaube tatsächlich nicht an die Auferstehung des Fleisches, sondern an die Auferstehung der Person. Ich glaube nicht an die Jungfrauengeburt, sondern an die uneingeschränkt natürliche Menschlichkeit Jesu, in der mir Gott begegnet. Ich glaube nicht an die Christlichkeit des Kultes, sondern an die Gotteskraft im Wort. Mein Glaube ist nicht durch ein formuliertes Symbol gebunden, sondern frei zu eigenen Ausdrucksformen. Sie haben aber in Wirklichkeit keinen anderen Glauben als ich. So wahr Gott Einer ist, so wahr hat der Glaube aller Menschen nur einen Grund und nur einen Inhalt. Sie können an gar nichts Anderes glauben, als woran ich auch glaube. Ihr Bewußtsein kann sich irren, und Ihre Worte können mir fast unverständlich sein. Noch verstehe ich Sie aber so gut, daß ich weiß – mögen Sie dagegen vorbringen, was Sie wollen –: Wir haben den gleichen Glauben, aber Sie sind Reaktionär und ich bin Revolutionär geworden. Sie gehören der Vergangenheit und den Alten, ich gehöre der Zukunft und den Jungen. Daß ich um die Glaubensgemeinschaft weiß, in der der Revolutionär dem Reaktionär, der Alte dem Jungen – und umgekehrt – gehört, mag die Tatsache dieses Briefes zeigen. Ich verlasse mich darauf, daß es unwichtig ist, welches Selbstverständnis wir von uns selbst und von einander haben. Allein wichtig ist, daß wir erfahren, was Gott an uns tut, daß wir frei werden zum Ja und zum Dank und zur Freude mitten in dem Schicksal, das unser geworden ist, bevor wir gefragt wurden. Diese Freiheit verwirklicht sich in der Liebe unter uns, an der erkannt werden kann, daß Gottes Gegenwart uns verbindet. Das Nein wird vom Ja aufgehoben werden. Ihr Edo Osterloh.

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5. Heinz Kloppenburg an Osterloh Oldenburg 1942 November 27 ABS OLDENBURG, V.03. B02. – Durchschlag eines vierseitigen Typoskripts (DIN A 4, einzeilig beschrieben). Lieber Edo! Vor mir liegt Dein Brief an mich vom 23.10. und der an Hans Asmussen vom 1.11. Aber ehe ich Dir zu beiden schreibe, gedenke ich der Nachricht, die gestern kam, dass nun in Eurem Abschnitt im Osten der Kampf wieder voll entbrannt ist. Gott behüte Dich und Deine Kameraden und erbarme sich derer, die ihr Leben hingeben müssen. Wir wollen Euch in der Fürbitte und dem brüderlichen Gedenken die Treue halten. Zu dieser Treue gehört es auch, dass ich Dir zu den beiden erwähnten Briefen mitten in den Kampf hinein schreibe. Ich bin betrübt über Deinen Brief an Hans Asmussen, weil ich glaube, dass Du ihn sachlich falsch beurteilst und ausserdem ihm persönlich Vorwürfe machst, die nicht berechtigt sind. Ich habe kürzlich an einen anderen Bruder an der Front geschrieben, ob es nicht zum Ernstnehmen Eurer jetzigen Existenz gehört, dass Ihr das theologische Gespräch in der Heimat wohl mit Randbemerkungen, Warnungen und Ermunterungen begleitet, aber im übrigen bedenkt, dass das Bild, das Ihr Euch von den einzelnen Vorgängen verschaffen könnt, notgedrungen lückenhaft bleiben muss, und dass die Sache infolgedessen selber Euch eine Zurückhaltung in letzten Urteilen nahelegt. Dein leidenschaftlicher Protest gegen Hans Asmussen gibt nun allerdings letzte Urteile ab. Dennoch kann ich sie nicht als solch letztes Wort werten, denn Du siehst einfach bestimmte Dinge nicht, weil Du nicht hier bist. Ich nehme sie als einen leidenschaftlichen Ausruf, der auf Gefahren hinweist, die zweifellos vorhanden sind, auf den hin Du Dir aber gefallen lassen musst, dass ich etwas dagegen sage. Zur Sache selbst möchte ich folgendes erwidern: 1) Es ist richtig, wenn Du und Ihr, d. h. die Brüder aus dem Felde, uns mahnt, nie zu vergessen, dass wir Euch Brüdern draußen und der Gemeinde in der Heimat ganz schlicht und einfach Dolmetsch des Evangeliums zu sein haben, und dass es eine Situation geben kann, in der der Kultus nichts, die brüderliche Anrede alles ist. Götz Harbsmeier hat in einem Gespräch über diese Dinge mit Recht darauf hingewiesen, dass die konkrete Verkündigung immer „Gelegen-

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heitsrede“ sei, wie eben auch die heiligen Schriften der Form nach Gelegenheitsschriften sind. Niemals dürfen die Boten des Evangeliums vergessen, dass sie an konkrete Menschen mit bestimmt umschriebenem Weltbild und einer bestimmten Sprache gewiesen sind. Um der Agape willen ist es uns geboten, sehr ernsthaft hinzuhören, wenn uns einer sagt: Diese eure Sprache (beispielsweise die kultische) verstehen wir nun gar nicht. Sofern das Programm der Entmythologisierung nicht mehr sagen will als die hier gegebene Aufgabe, bedeutet es eine Selbstverständlichkeit. Bultmanns Versuch könnte dann verstanden werden als ein Versuch einer Übersetzung der Botschaft des Evangeliums in die Sprache der Philosophie (denn es ist nicht ohne weiteres richtig, dass das von Bultmann vorausgesetzte Weltbild das Weltbild der Gegenwart ist). Solcher Versuch ist zu unternehmen, wobei Bultmann sich allerdings nicht genügend gegen den Verdacht geschützt hat, als ob er einen absoluten Wahrheits- und Gültigkeitsanspruch für das moderne Weltbild erhebe. Das Wort Christi, dass er die Wahrheit sei, hat seine Bedeutung auch hinsichtlich der Wahrheitsansprüche der Weltbilder aller Zeiten. Die Frage der Gültigkeit der Weltbilder ist keine vortheologische Frage, sondern die |2| Frage der Gültigkeit des Weltbildes der Bibel gehört in die Lehre von der Kenosis. 2) Ganz zweifellos gibt es heute in der Kirche eine Flucht vor der Übersetzungsaufgabe in den Kultus. Ganz zweifellos liegt in der Hinwendung zum KultischLiturgischen die Versuchung, der Aufgabe der konkreten Verkündigung und der Hinwendung zu dem uns von Gott gesetzten Bruder und dem Ernstnehmen seiner Bedingtheiten auszuweichen. Wenn Du aber etwas von den Predigten von Hans Asmussen aus den letzten Jahren wüsstest, dann würdest Du wissen, dass Hans Asmussen dieser Aufgabe gerade nicht ausweicht, sondern ihr in einer Weise standhält wie kaum einer von uns. Ich kann Dir nur berichten, dass eine dem Kultischen so kritisch gegenüberstehende Frau wie Frau Blanck mir mehr als einmal gerade in dieser Hinsicht von der Bedeutung der Predigt Hans Asmussen’s berichtet hat. 3) Ich halte Deine Gegenüberstellung von Kultus und Übersetzung nicht für richtig. Du verkennst da, was im Kultus vor sich geht. Die Kirche trägt mit sich einen Schatz von Gebeten, Hymnen und Bekenntnissen, die [sic!] ihr ebenso anvertraut ist wie die Übersetzungsaufgabe. Die Kirche steht in einem unauflöslichen Zusammenhang mit der Kirche, die zeitlich vergangen ist. Die Väter und wir stehen unter dem gleichen Ruf und in der gleichen Anbetung. Die Vergangenheit der Kirche ist nicht Vergangenheit im Sinne der Profangeschichte. Wie wollten wir von unseren Vätern nicht lernen dürfen, was Anbetung und Bekenntnis ist. Ja, es könnte doch sein, dass die Sprache und die Bilder der Heiligen

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Schrift und bestimmte Bekenntnisse der Kirche dem in der Herablassung Gottes in Christo gegebene[n] Sachverhalt in geeigneterer Weise als Ausdrucksformen dienen können als alle anderen menschlichen Möglichkeiten. (Vergleiche hierzu die Stellungnahme des kurhessischen Bruderrates zu Bultmann). Dabei wissen wir, dass das Zeichen niemals die Sache selbst ist. Aber ist es nicht seltsam, dass der, der vom Wort Gottes wirklich konkret getroffen ist, es erfährt, dass sich ihm der Schatz der Kirche im Kultus ganz neu erschliesst und dass ihm die alten Formen wieder zu lebenden Zeugnissen werden, die auch er mit der Kirche aller Zeiten dankbar bekennen kann? Ist es nicht das Wahrzeichen der rechten Übersetzung in die Sprache der Gegenwart, dass sie uns modernen Menschen in den Stand setzt, gemeinsam mit den Vätern aus allen Zeiten in einer gemeinsamen Sprache anzubeten und zu bekennen? 4) Jede Übersetzung, deren Sachgehalt nicht identisch ist mit der Wahrheit, die die kirchlichen Bekenntnisse bezeugen, ist eine falsche Übersetzung. Dies wirst Du auch sagen: Wer die Gebete der Väter mitbetet, ihre Lobgesänge singt, wird bewahrt vor mancher falschen oder unzulänglichen Übersetzung. Wenn man etwa den Tatbestand der Himmelfahrt mit dem Ausdruck „Machtübernahme durch Christus“ übersetzt, so liegt hier (wie es in einem Gespräch mit Wilkens und Harbsmeier deutlich wurde) nicht nur sprachlich ein Abrutsch ins Triviale vor, sondern doch auch wohl eine Kürzung des Sachgehaltes. Ich weiss ja, dass ich mit dieser Feststellung bei Dir offene Türen einrenne. Aber ich muss sie doch machen, denn es geht hier nicht, wie Bultmann meint, nur um Feststellung, wie schwierig die Aufgabe der Übersetzung ist und wie unzulänglich unsere bisherigen Leistungen sind, sondern es geht um die Feststellung, die ich oben schon machte, dass das Sprachproblem und das Problem der Denkformen ein im strengsten Sinne theologisches Problem ist und mit der Kenosis |3| zusammenhängt. Die Windeln, in die das Christuskind gewickelt ist, sind eben ganz bestimmte Windeln und nicht irgend welche. 5) Der unauflösliche Zusammenhang von Kultus und Übersetzung wird am deutlichsten sichtbar im Sakrament. Das Sakrament ist unübersetzbar. Es bleibt entweder ein Anstoss und ein Fremdkörper oder es wird anerkannt als das gegenwärtige Handeln Gottes. Wenn ich aus all diesen Erwägungen heraus Deine Alternative nicht acceptiere, so weise ich damit zugleich Deine Bemerkung zurück, als ob Hans Asmussen unter die Magier gegangen sei. Hans Asmussen ist der letzte, der seine Darlegungen als endgültig ansehen will. Insbesondere ist sein Versuch, das Problem, das mit dem Anspruch der Wissenschaft auf absolute Geltung ihrer Erkenntnisse

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gestellt ist [Nebensatz nicht zu Ende geführt], ein erster Versuch einer umfassenden Untersuchung des Wahrheitsbegriffes überhaupt. Ich glaubte bisher, mit Dir einer Meinung zu sein in der Beurteilung der Relativität der historischkritischen Forschung. Die Formulierungen Deines Briefes grenzen nun aber so stark an einen Rückfall in den massivsten Liberalismus, daß ich die Frage, die Du an Hans Asmussen stellst, Dir einfach zurückgeben muss. Dass Du einfach die Sache nicht triffst, wenn Du meinst, Hans Asmussen sei gegenüber der von Altona bis Barmen gegebenen Aufgabe weich geworden, habe ich Dir oben schon hinsichtlich der Predigten gesagt. Ich glaube, dass ich manche Eigenart unseres Bruders Asmussen genau so kenne wie Du. Ich weiss, dass [s]ein Charisma nicht auf dem Gebiet der beharrlichen Durchführung einer bestimmten kirchenleitenden Aufgabe liegt. Aber ich sehe sein Charisma da, dass er mit einer ganz starken Instinktsicherheit spürt, wo die Kirche heute gefragt ist, und dass er sich dann gegenüber den neuen Fragestellungen, denen wir konfrontiert werden, in der Leidenschaft des Gebetes der theologischen Besinnung zuwendet. Die Kirche ist nicht nur gefragt von den Brüdern im Felde, so gewiss uns deren Frage unüberhörbar und, rein menschlich gesehen, die nächste ist. Aber die Kirche ist auch gefragt von den anderen Kirchen um uns, die Kirche ist auch gefragt von unseren Vätern, die Kirche ist auch gefragt von denen, die an dem, was in unserer Kirche an Predigt geleistet wird, einfach verzweifelt sind. (Vergiss doch nicht, dass wir auch darin einig sein dürften, dass der Zustand, in dem alles im Sonntagsgottesdienst von der Person des zufällig Predigenden abhängt, ein schwerer Krankheitszustand ist.) Ich sehe gerade hierin den besonderen Dienst unseres Bruders Asmussen, dass er nach allen Seiten hin offen ist. Dabei kann es in der Tat geschehen, dass eine der ihm gestellten Fragen ihm so vordringlich wird, dass die anderen scheinbar etwas in den Hintergrund treten. Aber wie soll das anders sein? Spüren wir nicht alle miteinander die Not, die darin liegt, dass wir jeweils nur einer Aufgabe[,] nur einem Bruder wirklich voll gerecht werden können? Ich weiss auch, dass manche Handlungen von Hans Asmussen den Anschein erwecken konnten, als gehe er vorzeitig in die Etappe. Aber vielleicht handelt es sich dabei ja gar nicht um die Etappe, sondern vielleicht handelt es sich dabei nur darum, sich in dem richtigen Abschnitt einzusetzen. Ich denke doch an manchen Bruder, der im Kirchenkampf andere Wege ging, weil er sah, dass die Not der Kirche tiefer sitzt als wir oft gemeint haben, und dass die Geschütze, mit denen wir schossen, das Ziel gar nicht erreichten, weil wir in falschen Frontstellungen kämpften. Ich glaube, dass wir vorsichtig sein müssen mit dem Wort von der Etappe, und ich glaube, dass wir uns vor allen Dingen hüten |4| müssen, zu richten, ohne wirklich die Sache gesehen zu haben. Ich habe Dir ja gesagt, dass ich auch den Startpunkt von Hans Asmussen in der Angelegenheit Bultmann für unglücklich halte; auch er hat am Anfang zu kurz

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geschossen. Aber war er in der Sache sagt, ist unüberhörbar, und Ihr müsst das ernstnehmen, wenn hier ein christlicher Bruder ein leidenschaftliches Nein sagt. Im übrigen wird auch Hans Asmussen selber nicht bestreiten, dass er nicht unfehlbar ist und wie jeder von uns Irrtümern ausgesetzt war und morgen wieder sein kann. Aber sind wir darin nicht alle gleich? Auf die Einzelheiten des letzten Drittels Deines Briefes möchte ich nicht eingehen, denn das Notwendige ist mit dem Vorstehenden gesagt. Ich habe Hans Asmussen, ehe ich Deinen Brief kannte, gesagt, dass ich glaubte, alles, was D[u] ihm schriebest, sei im Grunde diktiert von einer grossen Liebe zu diesem Bruder. Ich bin auch nach Kenntnis Deines Briefes noch dieser Meinung. Aber deshalb muss ich Dir auch sagen, dass Du doch in Deinem Brief in einzelnen Sätzen und Vorwürfen nicht die Ehrerbietung gewahrt hast, die jeder Bruder dem anderen schuldig ist. Lass mich Dir das brüderlich sagen und nimm es von mir an als von Deinem Bruder und Episkopus. Du hast zu sehr mit Keulen um Dich geschlagen in Deinem Brief. Ich spüre aus dem allen Deine verwundete Liebe und bin auch nicht einen Augenblick von unguten Gedanken gegen Dich erfüllt. Aber Deine Worte sind nicht gut gewesen. Du brauchst Hans Asmussen zu diesem Punkt nicht zu schreiben; wenn Du mir etwas darüber sagst, dann weiss ich, dass das auch Hans Asmussen gilt und dass die brüderliche Gemeinschaft zwischen ihm und Dir die alte ist, auch im Widerspruch. Dass Du die Predigten von Hans Asmussen nicht kennst, ist vielleicht der ganze Grund dessen, dass Du ihn jetzt nicht richtig siehst. Aber wie sollst Du ihn predigen hören, wenn Du draussen bist? Das meinte ich, wenn ich ganz am Anfang meines Briefes davon schrieb, dass Ihr an der Front jetzt in dem Stand seid, dass Ihr Randbemerkungen und Rufe an uns weitergebt, aber die letzten Urteile zurückhalten solltet, bis das konkrete persönliche Beieinander wieder hergestellt ist. Ich grüße Dich in brüderlicher Liebe und Treue als Dein

[gez. Heinz]

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6. Osterloh an Hans Asmussen und Heinz Kloppenburg Ostfront 1942 Dezember 8 ABS Oldenburg, V.03. B02. – Handschriftliches Original des zehnseitigen Briefes (DIN A 5); beim Präsidium der Bekenntnissynode mit einem Eingangsstempel vom 25.12.1942 versehen. Edo Osterloh 05647 D Lieber Bruder Asmussen, lieber Heinz! Weil es in diesem Streit um uns selber nur insofern geht, als wir Werkzeuge und Organe dessen sind, wofür wir eintreten, weil wir von ihm gepackt sind, darum wird es wohl angehen, daß wir Brüder bleiben, obwohl wir einander Schmerz zufügen und uns zeitweise nicht verstehen. Meine Vorwürfe gegen Asmussen entspringen nicht der Unehrerbietigkeit, und meine Weigerung, sie zurückzunehmen, hat ihre Wurzel nicht in meinem Stolz, sondern ich stehe unter der Notwendigkeit, Euch so entgegen zu treten, daß ich Euch hemme in einer Wirksamkeit, die dazu führen muß, aus dem Christentum eine Religiosität und aus dem Glauben eine pharisäische Frömmigkeit, aus der Theologie Christgelehrtentum und aus dem Gebet eine geistliche Übung zu machen. Ich muß mich Asmussen deshalb mit aller Leidenschaft entgegen|2|stellen, weil er eine Arbeit, wie Bultmann sie leistet und verlangt, nicht im Einzelnen kritisiert, sondern als Ganzes als „unkirchlich“ und „unchristlich“ diffamiert. Dabei kommt es auf die Besonderheiten der Bultmann-Schule und auf ihre eigentümliche theologische Methode gar nicht an, vielmehr wird von Asmussen grundsätzlich dem naturwissenschaftlich historischen Denken das Lebensrecht im Raum der christlichen Kirche abgesprochen. Asmussen verlangt nicht nur, daß wir den Glauben der Väter teilen – das wollen und tun auch wir, die er exkommuniziert – sondern er legt den Menschen heute die Denk- und Anschauungsweise vergangener Menschen als Gesetz für ihr geistliches Leben auf. Er glaubt mich in die von ihm bereits abgeschlossene Schublade des Liberalismus und Protestantismus hineinstecken und damit als erledigt ausgeben zu können. Mir ist es gleichgültig, ob ich des Liberalismus oder des Protestantismus oder einer anderen Ketzerei beschuldigt werde, Asmussen weiß ja selber, daß er mich damit nicht trifft, |3| mich berührt es auch wenig, ob man mich für gescheit oder

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für dumm hält; Ihr werdet mir zugeben müssen, daß die Forderung des Paulus an den Verkündiger der Botschaft von Jesus Christus, den Griechen ein Grieche zu werden, für uns vollinhaltlich lautet, den Menschen unserer Gegenwart ein Mensch unserer Gegenwart zu werden. Dabei meine ich ebensowenig wie Paulus, daß wir deswegen taub und blind würden gegenüber der Wirklichkeit, die der „Mensch unserer Gegenwart“ von sich aus ebensowenig sieht, wie der Grieche es tat, bevor der Glaube sich ihm erschloß. Alle meine Kameraden wissen, daß meine Existenz unter der Offenbarung steht, an deren Möglichkeit der Mensch an sich eigentlich nicht einmal denken kann. Paulus hat die Urapostel auf seine Missionserfolge hingewiesen, um die Anerkennung seines („gesetzesfreien“ Evangeliums) Weges zu Jesus ohne den Umweg über das Judentum zu erlangen. Luther hat die Notwendigkeit des römischen Weges bestritten und eine ihn mit Freude erfüllende Bestätigung seines Rechtes auch darin erblickt, daß der „Haufe“ sein Wort vom Glauben ohne des Gesetzes Werke |4| annahm. Ich denke wirklich nicht daran, mich mit Paulus oder Luther zu vergleichen – wenn mir das aber jemand vorwerfen und sich dann über mich lustig machen will, so sei es ihm unbenommen – aber es ist natürlich auch schön für mich, daß alle meine ganz weltlichen Kameraden, die Klugen und die Dummen, die Katholischen, die Evangelischen und die Gottgläubigen mich nicht nur für einen ganz ausgesprochenen und eindeutigen Christen halten, sondern auch meinen, ich könne ihnen Auskünfte geben, was der entscheidende Inhalt des Glaubens sei, und was man als wandelbare Form und sich änderndes Ausdrucksmittel ansehen müsse und dürfe. Ich weiß, daß darin ebensowenig ein Argument für das Recht meiner Position liegt, wie Asmussen seine Stellung auch nicht durch den Hinweis auf das ihn so stark beeindruckende Beispiel der vielen römisch katholischen Christen unserer Tage befestigen kann. Dazu muß ich überhaupt sagen, daß mich dieser Hinweis abschreckt. Mir stehen einige Katholiken sehr nahe. Sie alle haben aber gar |5| nicht den römischen Glauben, sondern sie empfinden und denken typisch evangelisch. Sie halten der römisch-katholischen Kirche die Treue aus Gründen, die nicht dem Glauben, sondern machtpolitischen und massenpsychologischen Erwägungen entspringen. Man kann sich der Illusion hingeben, eine solche Haltung sei eine konkrete Form der Liebe, die den Menschen so nimmt und behandelt, wie er ist. Der Durchschnittskatholik aber hat in Wirklichkeit kaum eine Ahnung vom christlichen Glauben, sondern ist in einer gesetzlichen synkretistischen Religiosität befangen. Ich kann auch nicht vergessen, daß die römisch-katholische Kirche die ihr von Luther gestellte Frage nach ihrer Wahrheit nicht beantwortet, sondern unterdrückt hat, und dadurch die wesentliche Schuld dafür trägt, daß jenes Zerr-

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bild vom christlichen Glauben möglich wurde, das zum Beispiel Rosenberg für die Sache selbst hält. Natürlich sehe ich die „Wirkungen“ von Liturgie und Kultus, ich selber bin auch gar kein Tempelstürmer, aber ich weiß auch, daß es sich dabei gar nicht um spezifisch christliche Erscheinungen |6| handelt. Viele Dinge, die Asmussen über das Gebet geschrieben hat, und die ich inzwischen wieder nachgelesen habe, könnten genau so vom jüdischen und vom heidnischen Beten ausgesagt werden. Aber Asmussen will ja mit Recht keine Aussprache über das Gebet, sondern er will, daß gebetet wird. Dabei sollten wir von uns selber vor Menschen gar nicht oder wirklich nur unter 4 Augen reden. Wohl aber muß ich daran erinnern, daß der Christ nicht von seinem Gebet, sondern von Gott die Wandlung der Dinge erwartet. Ich meine nicht, daß Luther uns theologiegeschichtlich die gegenwärtige Krise des Glaubens löst, ich weiß aber auch, daß eine „Gebets-Bewegung“ das nicht tun wird. Und ich weiß, daß der Unglaube nur überwunden wird, wenn man ihm standhält und ihn sich selber eingesteht. Es geht aber heute nur um den Kampf zwischen Glaube und Unglaube, nicht um die Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Orthodoxie, |7| nicht um Kult und Liturgie, auch nicht um die Konfessionen. Ob ich die Messe verstehe, das ist eine Frage meiner geschichtlichen Bildung und meiner geistlichen Schulung, ebenso ist es mit der liturgischen Arbeit von Asmussen, darin entscheiden sich aber nicht Glaube und Unglaube. Um Bultmanns Aufsatz im Einzelnen verstehen zu können, muß ich auch theologisch und philosophisch geschult sein, das Ergebnis dieser Arbeit aber ist die einfache Frage nach dem Ärgernis oder dem christlichen Glauben. Eine Theologie, die sich vor Bultmanns Arbeit so verschließt, wie es das theologische Denken von Asmussen tut, hat auch ernsthafte Selbstkritik unmöglich gemacht und leugnet grundsätzlich, daß auch der Theologe als simul justus simul peccator denkt und sinnt und lehrt. Wenn ich wegen meiner kirchlichen Handlungen und Entscheidungen so angegriffen würde, wie ich Asmussen angegriffen habe, dann wäre es mir unmöglich, mich so zu |8| verteidigen, wie Ihr beide es tut. Jedenfalls habe ich mich nicht nur in der allgemein menschlichen Weise gelegentlich geirrt, sondern schwere Fehler begangen und mich mit Schuld beladen. Ich muß Euch an einige Tatsachen erinnern: 1. Meine Unterredung mit Heinz Kloppenburg, bevor ich sein „Gehilfe“ wurde. 1935.

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2. Meine beständigen Anfragen nach einer einheitlichen Regelung der Examensfragen und der „Anerkennung“ im Raum der B. K. 1935. 3. Meine Problemstellung: Kirche oder Bewegung. 1935. 4. Die Verhandlung mit Volkers 1935. 5. Mein Protest gegen die Verzeichnung des Luthertums in Hannover und Oeynhausen 1935. 6. Die Warnung vor der Programmlosigkeit Oeynhausens 1935. 7. Mein Brief an Niemöller gegen die Beschlüsse der Oeynhauser Synode 1936. 8. Die von Hildebrandt und mir gestellten Alternativen: Bewegung oder Freikirche 35.36.37. 9. Die „Öffentlichkeit der Kirchlichen Hochschule“ 37. |9| 10. Meine brieflichen Versuche, die kirchliche Verbundenheit zwischen Euch beiden und Merz aufrecht zu erhalten. 11. Die Eidesfrage. 12. Das Verfahren gegen die Studenten in Marburg. 13. Das Ausbleiben eines kirchlichen Wortes zum Wege von Bruder Martinus. (Vor den Beratungen darüber wurde Skat gespielt). 14. Der Fall Karl Immer. 15. Die Kasuistik in der Legalisierungsfrage. Wir sind noch alle in der Etappe, Ihr beide auch. Von der „Front“ kam der Gruß, mit dem Bruder Asmussen seinen Brief anfangen mußte. Zwei Tage, bevor der Brief von Heinz hier ankam, erreichte mich ein Brief von Albertz, in dem er mir sein Du anbietet, und in dieser ganzen Zeit haben wir alle im gleichen |10| Amt gearbeitet. Auch wenn Ihr beide es mir bestreitet, so könnt Ihr an der Tatsache nichts ändern. Wir Soldaten dürfen uns aber um Euretwillen auch nicht von Heinz Kloppenburg an den „Rand“ des kirchlichen Geschehens und theologischen Denkens drängen lassen. Der Abstand läßt nicht nur das Einzelne verschwinden, sondern zugleich auch die Perspektiven des Ganzen erkennen. Ihr müßt wissen, daß ich nie den Anspruch erheben werde, fromm zu sein, daß ich meines Glaubens an Christus aber gewiß bin, so wahr Er selber den Unglauben in mir täglich und stündlich überwindet. Die Ewigkeit wird es enthüllen, daß wir in Seinem Reiche die Freiheit haben. Laßt Euch nicht daran irre machen, daß ich durch den Glauben Euer Bruder bin. Euer Edo O.

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7. Erklärung Osterlohs vor der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche inOldenburg Oldenburg 1949 November 22 LKA Nürnberg, Pers. XVIII, Nr. 121. – Bei dem Typoskript aus dem Nachlass Wilhelm Stählins handelt es sich um eine Abschrift des Synodalprotokolls 2. Liebe Brüder und Schwestern! Vermutlich hat man mich in die Oldenburgische Kirchenleitung berufen aus dem Willen heraus, in ausgesprochener oder unausgesprochener Weise, jene Stimmen zur Wirkung kommen zu lassen, die eine Bedrohung durch einfließende römisch-katholische Ideen befürchteten. Im Laufe dieser Arbeit sind mir viele stattliche Gebiete zugekommen, über deren Bearbeitung ich einen schriftlichen Bericht eingereicht habe. An dieser Stelle möchte ich zunächst dem Synodalausschuß und der Synode dafür danken, daß ich jederzeit das Gefühl haben konnte, in Einmütigkeit mit der Synode und ihren Organen zu handeln. Ich möchte insbesondere dem Herrn Bischof und den Mitgliedern des Oberkirchenrates dafür danken, daß mir in beglückender Übereinstimmung Erkenntnisse geschenkt worden sind, die ich in dieser Weise vor 1945 nicht gehabt habe und die ich in meiner kirchlichen Arbeit nicht wieder werde verleugnen können. Ich möchte besonders Herrn Oberkirchenrat Dr. Ehlers für das danken, was er meiner Meinung nach unserer Kirche durch seinen sich selbst aufopfernden Einsatz für den Aufbau des Hilfswerkes geschenkt hat. Ich bin der Ansicht, daß das Evangelische Hilfswerk in Oldenburg etwas Neues darstellt und in vielen einzelnen Gemeinden mit dem Geist der Liebe verbunden ist. Ich bin der Ansicht, daß sich durch die Arbeit des Herrn Bischof etwas von dem unter uns verwirklicht hat, das in dem Wort beschlossen liegt: Herr, Ich habe lieb die Stätte Deines Hauses. Wir haben ein neues Verhältnis zur Kirche und auch zu einem Gottesdienst gewonnen, in dem Christus in uns gegenw[ä]rtig wirkt. Ich muß dieses vorausschicken und muß bitten, mir zu glauben, daß ich die Synode und Herrn Bischof ehren möchte, wenn ich jetzt einer Sorge Ausdruck gebe, und zwar der, daß mit meinem Fortgang das theologische Gegengewicht nicht in der erforderlichen Weise dargestellt wird. Ich will ganz schlicht meine 2 Im AELOKR OLDENBURG ließen sich die Protokolle der betreffenden Synode und damit auch diese Erklärung und der erwähnte Bericht Osterlohs trotz mehrmaliger Anfrage nicht finden.

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Ansicht sagen. Ich bejahe das Recht der Befürchtung, daß durch die Theologie des Herrn Bischof auch römisch-katholische Ideen zur Wirksamkeit kommen. Ich halte die Auffassung des Herrn Bischof von der Gliederung des Amtes |2| und von der Rangordnung des geistlichen Amtes für nicht mit den Erkenntnissen der evangelisch-lutherischen Kirche vereinbar. Das ist auch die Ansicht vieler anderer Brüder. Ich halte auch gewisse Äusserungen in seinen Predigthilfen ebenfalls nicht für reformatorisch. Ich bin aber der Ansicht, daß eine echte Überprüfung der reformatorischen Position stattfinden muß, in der Meinung, wie Luther und Calvin wirklich eine Kirche gewollt haben, daß der Bischof in der ganzen evangelischen Kirche einen Dienst an dieser Stelle tut, wie ihn kein anderer tun kann. Weil ich dieser Ansicht bin, muß ich nun aber auch dafür eintreten, daß hier in unserer Kirche die Echtheit dieser Begegnung dargestellt werden kann und inhaltlich in den öffentlichen Handlungen der Kirche zum Ausdruck kommt. Ich bin der Ansicht, daß eine vorläufige Beauftragung eines nebenamtlichen Mitgliedes des Oberkirchenrates dem nicht Rechnung trägt. Ich bin der Ansicht, daß das bisherige Gleichgewicht und die bisherige echte Begegnung in unserer Kirchenleitung nur erhalten würde, – und das ist meine wirkliche Meinung –, wenn Oberkirchenrat Schmidt mein hauptamtlicher Nachfolger wird. Ich kenne die schweren Bedenken, und das sind auch Bedenken, die mich am meisten beschäftigen. Ich bin aber der Ansicht, daß da Opfer gebracht werden müssen. Ich kenne keinen meiner Amtsbrüder, der im ganzen gesehen in der Lage wäre, meine Arbeitsgebiete so wahrzunehmen, wie Pastor Dr. Hans Schmidt dazu in der Lage ist. Da ist besonders das Schulgebiet, das nur von einem Manne, der nicht wieder abberufen werden kann, auf Jahre hinaus betreut werden kann. Darum muß gerungen werden, ohne daß wir nun etwa ein anderes falsch machen und Ansprüche erheben. Die Schulverwaltung ist bereit, mit uns zusammenzuarbeiten. Solche Gegenstände können nur von jemandem bearbeitet werden, der einen freien Rücken hat, der hauptamtlich berufen ist und nicht abhängig ist von dem wechselnden Urteil über seine gegenwärtigen Leistungen. Ich möchte ein anderes Gebiet anschneiden. Das ist das Gebiet der Betreuung der Theologiestudenten. Oldenburg ist die einzige Kirche, die jedes Jahr zweimal die Theologiestudenten zu Rüstzeiten zusammenruft. Wir haben ihnen eine kirchliche Heimat geboten – und die Gespräche zwischen Herrn Bischof und |3| mir aus diesem Anlaß sind für mich die beglückendsten Erinnerungen –, und die Studenten haben eine Berührung bekommen mit dem innersten Leben der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ich bin überzeugt, daß niemand mehr dazu in der Lage ist, das weiter wahrzunehmen, als Dr. Hans Schmidt.

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Dann möchte ich noch mein Lieblingsgebiet erwähnen: die Bäuerliche Volkshochschule. Ich bitte Sie: helfen Sie mir, die Bäuerliche Volkshochschule am Leben zu erhalten. Ich bin überzeugt, von hier aus allein können wir das junge Bauerntum wirklich zu einer kirchlichen Arbeit bringen. Ich habe das offen ausgesprochen und niemanden verletzen wollen. Ich habe das Vertrauen zu Ihnen, daß Sie keine Sensation daraus machen. Ich möchte mit einem Wort des Dankes mich von Ihnen allen verabschieden und uns wünschen, daß jenes Wort über uns stände: „Seid allezeit fröhlich. Betet ohne Unterlaß. Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch.“ 1. Thessal. 5,16–18.

8. „Theologischer Beitrag zur Diskussion über die Eherechtsreform im Zusammenhang mit der Angleichung des Eherechts an den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau“ Hannover 1951 September EZA Berlin, 2/4345. – Das elfseitige Typoskript diente als Grundlage der Beratungen der Eherechtskommission der EKD vom 8.–10. 9. 1951 im Christophorus-Stift in Hemer. Überblick: A. Die Frage. B. Die Antwort der lutherischen Bekenntnisschriften. C. Das Problem des gegenwärtig geltenden Schriftverständnisses oder der in Kraft befindlichen Lehre der evangelischen Kirche von der Ehe heute. D. Das gegenwärtige evangelische Verständnis von den unveränderlichen Strukturelementen der Ehe und von der geschichtlichen Wandelbarkeit ihrer Gestalt. E. Wie wirkt sich die Agape als Gesichtspunkt für ein ratsames Gutachten der evangelischen Kirche zu Fragen der Ehegesetzgebung heute aus. a) Welches sind nach der Erkenntnis des evangelischen Glaubens die besonderen Gefahren, von denen die Ehe heute bedroht wird.

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b) Wie kann dieser Bedrohung durch Gestaltung des positiven Rechts begegnet werden. A. Die Frage. Durch die bisherigen Beratungen in Hemer hat sich das Problem einer Beratung der staatlichen Ehegesetzgebung durch die evangelische Kirche zugespitzt zu der Frage, ob nach der Erkenntnis des christlichen Glaubens eine wie auch immer geartete Unterordnung der Frau unter den Mann für die Ehe konstituierende Bedeutung hat oder nicht. Dabei geht es um die Ehe überhaupt und nicht etwa nur um die Ehe zwischen Christen. Die Frage lautet, ob nach christlicher Erkenntnis die Ehe als solche gefährdet ist, wenn grundsätzlich das Entscheidungsrecht des Mannes aufgehoben oder doch |2| wesentlich eingeschränkt wird. Diese Frage kann sich auch so stellen, ob der Mann nach christlicher Erkenntnis wesensnotwendig das Haupt oder der die Einheit der Ehe darstellende Repräsentant der Ehe ist. Allgemein gefaßt lautet das Problem, ob nach christlicher Erkenntnis die geschlechtliche Differenziertheit der Ehepartner wesensnotwendige Konsequenzen für ein bestimmtes Rechtsverhältnis zueinander innerhalb der Ehe und in der Vertretung der Ehe nach außen hat oder nicht. B. Die Antwort der lutherischen Bekenntnisschriften. Die Antwort der lutherischen Bekenntnisschriften muß nach den bisherigen Erörterungen über einschlägige Aussagen der Bibel als wesentlich für das Verständnis der Bibel mitgehört werden, bevor systematisch-theologische Entscheidungen getroffen werden können. Wir gliedern die Aussagen der lutherischen Bekenntnisschriften nach folgenden Gesichtspunkten auf: 1.) Summarische theologische Charakteristik der Ehe (formal). 2.) Die Ehe gehört zum Bereich des schöpferischen und erhaltenden Handelns Gottes und nicht zur Heilsgeschichte. 2a.) Die Bekenntnisschriften behaupten eine Analogie zwischen Ehe und Magistrat. 3.) Aussagen über unveränderliche Wesensmerkmale der Ehe. 4.) Ehe als Gegenstand weltlicher Rechtsprechung in geschichtlicher Entwicklung. 5.) Aufgaben der Ehe. 6.) Ermahnungen an die Frauen zur Unterordnung unter den Mann als christliche Bejahung der zeitgeschichtlichen Gegebenheiten, nicht als Hinweis auf Strukturelemente der Ehe.|3| 7.) Die Ehe als Wagnis. 8.) Ehe als Bild des Bundes (Sakrament) zwischen Christus und der Kirche.

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Zu 1.) Die Termini der Bekenntnisschriften, die die Ehe charakterisieren, sind: officium – domum – ordo – status – opus divinum – praeceptum divinum, institutio Dei – ordinatio – creatio – ordinatio creaturae – mandatum. Hervorhebungen: ordo honorificus et necessarius – non privatus aliquis status – sed communissimus et nobilissimus (gr. Katechismus 210) – alle ordines, spirituales aut saeculares sollen sich vor diesem ordo demütigen. Diese Ausdrücke gehen alle davon aus, daß die Ehe ihrem entscheidende[n] Wesen nach eine von menschlicher Willkür und geschichtlicher Wandelbarkeit im Kern unabhängige Vorgegebenheit ist. Zu 2.) Apol. XIII,14 stellt ausdrücklich fest, daß die Ehe nicht etwa eine Institution de[s] Neuen Testamentes ist, sondern zur Schöpfung des Menschengeschlechtes gehört. Göttliches Mandat und göttliche Verheißung bezüglich der Ehe beziehen sich nicht auf das Neue Testament, sed magis pertinentes ad vitam corporalem. Darum kann Apol. XXIII sagen, daß wir des Ehestandes brauchen mögen mit Danksagung wie wir Speiß und Trank usw. brauchen. Es wird von einem ligitimus (sic!) usus coniugii gesprochen. Es wird ausdrücklich festgestellt, daß weder die Ehe noch Ehelosigkeit die Rechtfertigung erwerben. Vielmehr wird der Ehestand „rein, gut, christlich und heilig[“] nur „um des Glaubens willen an Christum“.|4| Zu 2a.) Von entscheidender Wichtigkeit wird die Frage sein, ob wir wie Apol. XIII,15 die Ehe als status und officium auf eine Ebene stellen können mit dem magistratus. Das Gleiche geschieht Apol. XV,25, wo nebeneinander stehen administratio rei publicae – administratio oeconomiae-vita coniugalis und educatio liberorum. Zu 3.) Apol. XXIII,39 verzeichnet es als ius naturale immutabile, daß Mann und Frau heiraten. Apol. XXIII,19 erscheint das als lex naturae im Gegensatz zur Gnadengabe der Jungfernschaft. Dazu gehört, daß die Ehe erscheint als remedium humanae infirmitatis. Sie ist aber wesentlich nicht nur eine Zähmung der concupiscentia, sondern entspricht auch einem natürlichen, zu bejahenden appetitus, dem natürlichen Umgang, dem natürlichen Wesen von Fleisch und Blut. Als unveränderliche Bestandteile der Ehe erscheinen a) die Geschlechtsgemeinschaft, und zwar sowohl als der göttlichen Schöpfung entsprechend, als auch als Bändigung der Sucht, b) die grundsätzliche Unlösbarkeit. Sie wird ausdrücklich festgehalten gegenüber den Wiedertäufern. F.C. Epit. XII,13 und Sol.decl. XV. Es wird ausdrücklich gesagt, daß die Ehe nicht nur wegen der Fortpflanzung

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besteht, sondern auch abgesehen von ihr in der Geschlechtsgemeinschaft der Ehepartner ihren Sinn hat. Zu 4.) Sofern die Ehe ein Rechtsinstitut darstellt, betonen die Bekenntnisschriften mit großer Schärfe, daß sie ein weltlicher Stand sei (Traubüchlein) und darum humano iure behandelt werden müsse. Die prinzipes haben die Pflicht, die Eherechtspflege zu verantworten.|5| Die Bischöfe können das Eherecht nur stellvertretend wahrnehmen und müssen notfalls vom weltlichen Magistrat, falls sie versagen, aus diesem Rechtsgebiet verdrängt werden. In diesem Zusammenhang weisen die Bekenntnisschriften darauf hin, daß die Ehegesetzgebung in verschiedenen Zeiten der Geschichte verschiedene Inhalte gehabt habe, und Luther bekämpft ausdrücklich die Rechtspraxis der Bischöfe bei der Aufrichtung von Ehehindernissen. Die Bekenntnisschriften sehen das positive Eherecht in geschichtlicher Entwicklung als veränderlich an. Zu 5.) Der große Katechismus umschreibt die Aufgabe der Ehe als „sich zusammenhalten, fruchtbar sein, Kinder zeugen, nähren und aufziehen zu Gottes Ehren“. Zu 6.) Es ist auffallend, daß die Bekenntnisschriften Ermahnungen an die Frau, sich dem Manne unterzuordnen, nur in den Haustafeln des kleinen Katechismus kennen, und im Traubüchlein nicht etwa bei der Traufrage an die Frau, sondern erst nach der Zusammensprechung des Paares, ohne jede Betonung bei der Verlesung von Bibelworten als Zuspruch, Ermahnung und Trost für die jungen Eheleute. So ist bezeichnend, daß es in Luthers Ermahnung zum 6. Gebot heißt „und ein jeglicher sein Gemahl lieben und ehren“ und kein Hinweis gegeben wird auf die besondere Unterordnung der Frau unter den Mann. Zu 7.) Im Traubüchlein begründet Luther die kirchliche Trauung wesentlich damit, daß ein Paar, das die Ehe schließt, sich in „Fahr und Not“ begibt, daß der „Teufel“ viel „Unglücks anricht“ in dem Ehestand mit Ehebruch, Untreu, Uneinigkeit und allerlei Jammer. Die Kirchliche Einsegnung der Ehe erscheint also als Gebet um Beistand gegen die in der Ehe aufbrechende besondere Gefährdung des Menschen.|6| Zu 8.) Das Traubüchlein stellt eine Beziehung zwischen der Ehe und dem Sakrament erst in dem Vorschlag für den Segen vor der Entlassung des jungen Paares her. Dort heißt es: „Herre Gott, der du Mann und Weib geschaffen und zum Ehestand verordnet hast, dazu mit Frucht des Leibes gesegnet und das Sakrament deines lieben Sohnes Jesu Christi und der Kirche seiner Braut darin bezeichnet...“.

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C. Das Problem des gegenwärtig geltenden Schriftverständnisses oder der in Kraft befindlichen Lehre der evangelischen Kirche von der Ehe heute. Wie wenig auch bei lutherischen Kirchenleitungen die Aussagen der lutherischen Bekenntnisschriften gegenwärtig als theologisch oder gar rechtlich verbindlich angesehen werden, wird deutlich an den voneinander abweichenden Stellungnahmen beispielsweise zu folgenden Fragen: a) Gibt es die Möglichkeit eines gerechten Krieges? b) Ist das Fordern von Eiden eindeutiges Recht des Staates? c) Stehen Ehe und Magistrat theologisch grundsätzlich auf einer Ebene? Es ist festzustellen, daß eine gewisse Neigung in der evangelischen Kirche verbreitet ist, der Bibel nicht nur die zentrale Botschaft für die Verkündigung (Rechtfertigungslehre) zu entnehmen, sondern in ihr darüber hinaus die rechte Anschauung von der Welt und ihren Ordnungen zu finden. Es gibt theologische Kräfte in der evangelischen Kirche, die das reformatorische Materialprinzip als eine Verkürzung des Inhalts der Bibel ansehen.|7| Trotz der nicht abgeschlossenen Diskussion über die kirchliche Gültigkeit der theologischen Erklärung von Barmen wird man aber doch sagen müssen, daß die theologische Grundlinie des Schriftverständnisses von Barmen für die gegenwärtig ausschlaggebenden Kräfte in der Evangelischen Kirche in Deutschland maßgebend ist. In unserem Zusammenhang bedeutet das, daß die Bibel als Kanon zur Geltung kommt, sofern sie das Dokument der sich ereignenden Offenbarung des dreieinigen Gottes ist, und nicht, sofern in ihr bestimmte geschichtlich gewordene und in einzelnen Phasen der Entwicklung festgehaltene konkrete Ordnungen oder Auffassungen vom naturhaften und geschichtlichen Leben ihren Niederschlag gefunden haben. Wenn es in Barmen 3 heißt: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung dem Bleiben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden Weltanschauungen und politischen Überzeugungen überlassen“, so meint sie mit der Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung die Verkündigung von Gesetz und Evangelium, als das Geltendmachen von Gottes Zuspruch und Anspruch, aber nicht eine dogmatisch statische Lehre von einer irgendwie verstandenen Uroffenbarung scheinbar zur Verfügung stehender Ordnungen menschlichen Daseins. Zu den unveränderlichen Dingen, von denen hier gesprochen wird, gehört zweifellos nicht das konkrete Eherecht. Vielmehr wird man den Schluß von Barmen 5 „wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne sich die Kirche über ihren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen, um damit selbst zu einem

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Organ des Staates zu werden“, so verstehen müssen, daß das Problem der Rechtsbeziehung zwischen Mann und Frau innerhalb der Ehe auf keinen Fall zum status confessiones werden kann.|8| Man wird sagen müssen, daß gegenwärtig im allgemeinen in der Evangelischen Kirche lehrmäßige Übereinstimmung darin besteht, dass die kirchliche Verkündigung Gottes Wort geltend macht gegenüber der geschichtlichen Gegebenheit der jeweiligen Stunde. Im Licht dieses GottesWortes wird die geschichtliche Stunde in ihrer tatsächlichen Bestimmtheit durch Gottes Schöpfung und durch die Sünde der Menschen erkannt. Die Botschaft der Kirche deckt also auf, daß das menschliche Leben in allen seinen Bezügen und in jedem Augenblick immer zugleich bestimmt ist durch die Schöpfung Gottes und durch den sündigen Abfall des Menschen. In der Verkündigung des Gesetzes wird die Schöpfung Gottes zum Maßstab für das tatsächliche Handeln. D. Das gegenwärtige evangelische Verständnis von den unveränderlichen Strukturelementen der Ehe und von der geschichtlichen Wandelbarkeit ihrer Gestalt. Durch die Botschaft der Bibel erscheint die Ehe als Gabe des Schöpfers, sofern sie die Zusammengehörigkeit der Ehepartner auf Lebensdauer in gemeinsamer einheitlicher Verantwortung für die Existenz der Kinder zum Ausdruck bringt. Als Schöpfung Gottes ist die Ehe die Verwirklichung der schöpfungsmäßigen Bestimmtheit des Menschen in der Schicksalseinheit (ein Fleisch) mit seinem Ehepartner und in der darin grundsätzlich eingeschlossenen Mitwirkung an der Erhaltung und Fortpflanzung der Schöpfung (pro creatio). Dabei erscheint die Kinderzeugung und Verantwortung für die Entwicklung der Kinder als normale und natürliche Folge, nicht aber als Vorbedingung für die schöpfungsmäßige Wirklichkeit der Ehe. Das Problem der Monogamie kann theologisch nur erörtert werden innerhalb einer Entfaltung der gegliederten Einheit und der Lebensdauer der Ehe.|9| (Die theologisch-dogmatische Begründung der Monogamie löst in der Literatur überall Verlegenheit aus). Als unveränderliche Strukturelemente der Ehe erscheinen: gegliederte Schicksalseinheit, Lebensdauer, gemeinsame einheitliche Verantwortung für die Entwicklung der Kinder. Dagegen zeigt schon 1. Mose 3, daß die inhaltliche Verschiedenheit der Beziehung von Mann und Frau zueinander abgesehen vom geschlechtlichen Unterschied auch Ausdruck der Sünde ist (sie gilt deshalb auch nicht für den Bereich der Kirche, ebenso wenig, wie der Unterschied zwischen Sklave und Freier, Jude und Grieche). Die Herrschafts- und Rechtsbeziehungen zwischen Mann und Frau innerhalb der Ehe und nach außen hin müssen als geschichtlich veränderlich erkannt werden. Zwar gehört es zum unveränderlichen Wesen der Ehe, daß

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sie nach außen als Einheit repräsentiert wird, es kann aber nicht als schöpfungsmäßig entschieden gelten, wer sie jeweils repräsentiert, und nicht einmal, daß sie immer durch den gleichen Ehepartner repräsentiert werden muß. Schließlich sind die Verfügungsmöglichkeiten über Vermögensrecht usw. unbestritten geschichtlich veränderlich. E. Wie wirkt sich die Agape als Gesichtspunkt für ein ratsames Gutachten der evangelischen Kirche zu Fragen der Ehegesetzgebung heute aus. a) Welches sind nach der Erkenntnis des evangelischen Glaubens die besonderen Gefahren, von denen die Ehe heute bedroht wird. Das Bedenklichste ist die Erscheinung häufiger Scheidungen, in denen in vielen Fällen nicht nur die Zerstörung einmal eingegangener Ehen zum Ausdruck kommt, sondern darüber hinaus offenbar wird, daß die Partner nie ein klares Bewußtsein davon gehabt haben, was die Ehe, in der sie zu leben vermeinten, hätte bedeuten und darstellen können. Sowohl die Verengung des Ver-|10|ständnisses der Ehe auf das rein sexuelle und erotische Gebiet als auch ein brutal utilaristisches Denken, die beide von dem Aberglauben ausgehen, als gehöre die Ehe zu der Art von Lebenserscheinungen, die technisch bewältigt und gemeistert werden können, führen in immer größer werdenden Volkskreisen dazu, daß die Erkenntnis dessen verloren geht, was die Ehe ihrem Wesen nach ist und für den Menschen bedeuten kann. Diesen Vorgängen gegenüber erscheint die Regelung rechtlicher Einzelfragen, auch die Frage nach dem Entscheidungsrecht des Mannes als oberflächlich und secundär. Der Christ wird jedenfalls erkennen können, daß eine Überwindung der gegenwärtigen, nun schon wenigstens ein halbes Jahrhundert akuten Ehekrise nicht von der Rechtsreform her zu erwarten ist, sondern vielmehr eine tiefgreifende volkserzieherische Arbeit in Polarität zur viva vox evangelii verlangt. Die vom Eherecht zu leistende Hilfe in diesem Prozeß wird sich vermutlich wesentlich auf den Rechtsvorgang der Eheschließung und auf die Berücksichtigung der im Ehescheidungsprozeß gemachten Erfahrungen beschränken müssen. b) Wie kann dieser Bedrohung durch Gestaltung des positiven Rechts begegnet werden. Unverbindliche Vorschläge: 1.) Eine Eheschließung kann erst vollzogen werden, wenn beide Partner eine rechtsverbindliche Erklärung abgegeben haben über folgende Fragen:

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a) Wer entscheidet über den Wohnsitz? b) Wer entscheidet über die Kindererziehung im allgemeinen? c) Welche gemeinsame Entscheidung wird über die religiöse Kindererziehung getroffen? d) Vermögensrechtliche Erklärung, auch wo kein Vermögen vorhanden ist; Erklärung über die finanzrechtliche gegenseitige Verpflichtung.|11| 2.) Das allgemeine Entscheidungsrecht des Mannes fällt fort. 3.) Der Gesetzgeber sichert, daß die Ehe in bestimmten Zusammenhängen jeweils nur von einem Ehepartner nach vorheriger Vereinbarung als Repräsentant der Ehe vertreten werden kann.

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Die aufgenommenen Titel sind nach Jahren, innerhalb eines Jahres alphabetisch geordnet. Typoskripte und Texte, von denen kein Abdruck ermittelt werden konnte, sind am Ende der Bibliographie alphabetisch sortiert aufgelistet, da bei ihnen eine eindeutige zeitliche Zuordnung oft nicht möglich ist. Speziell für die Jahre ab 1956, in denen Artikel Osterlohs oft auch in regionalen und lokalen Tageszeitungen veröffentlicht wurden (etwa, wenn er in deren Einzugsbereich eine Rede gehalten hatte), kann die vorliegende Bibliographie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Es ist aber davon auszugehen, dass auch für diesen Zeitraum die wichtigen Veröffentlichungen Osterlohs aufgenommen sind.

1935 Evangelische Freiheit. Biblische Ansprache – gehalten auf dem Gemeindeabend in der Dreifaltigkeitskirche zu Osternburg am Reformationsfest 1935. In: Gemeindebrief für Rüstringen und Friesland, Nr. 4, 10. 11. 1935. [u. a. in: LKA BIELEFELD, 5.1, 199/2]. Der Fall Wiefels, Sonderdruck, Rüstringen – Wilhelmshaven o. J. [1935]. [u. a. in: LKA BIELEFELD, 5.1, 199/2]. (Hg.): Die Oldenburgische Bekenntniskirche im Aufbau. Verhandlungen und Beschlüsse der Bekenntnissynode der ev.-luth. Kirche in Oldenburg. 1. Tagung in Varel am 27. 2. 1935. 2. Tagung in Kirchhatten am 7. 7. 1935. Als Manuskript gedruckt. Rüstringen o. J. [1935].

1936 Als die Verführer und doch wahrhaftig. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Invocavit. Matth. 4,1–11; 2. Kor. 6,1–10. In: JK 4, 1936, S. 212f. Beschenkte und Kämpfer zugleich. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Septuagesimä. Matth. 20,1–16; 1. Kor. 9,24–27. In: JK 4, 1936, S. 111f. Christliche Gemeinde durch den Heiligen Geist. Besinnung über Evangelium und Epistel am Pfingstsonntag. Joh. 14,23–31; Apg. 2,1–13. In: JK 4, 1936, S. 522. Drinnen und draußen. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Reminiscere. Matth. 15,21–28; 1. Thess. 4,1–12. In: JK 4, 1936, S. 214. Erfolg und Mißerfolg der Verkündigung. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Sexagesimä. Luk. 8,4–15; 2. Kor. 12,1–10. In: JK 4, 1936, S. 162f.

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Er ist auferstanden und ist nicht hier. Besinnung über Evangelium und Epistel am Ostersonntag. Mk. 16,1–8; 1. Kor. 5,7.8. In: JK 4, 1936, S. 327. Die Freude der Fremdlinge. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Jubilate. Joh. 16,16–23; 1. Petr. 2,11–20. In: JK 4, 1936, S. 427. Die Gemeinde „unter“, aber ihr Herr „über“ den Gewalten. Besinnung über Evangelium und Epistel am 4. Sonntag nach Epiphanias. Matth. 8,23–27; Röm. 13,1–10. In: JK 4, 1936, S. 110f. Der Gott der Christen. Besinnung über Evangelium und Epistel am Trinitatisfeste. Joh. 3,1–15. Röm. 11,33–36. In: JK 4, 1936, S. 523f. Die gute und vollkommene Gabe. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Kantate. Joh. 16,5–15; Jak. 1,16–21. In: JK 4, 1936, S. 427f. Die Herrschaft über das Leid. Besinnung über Evangelium und Epistel am 3. Sonntag nach Epiphanias. Matth. 8,1–13; Röm. 12,17–21. In: JK 4, 1936, S. 72f. Jesu Vater! (Besinnung über das Evangelium am 1. Sonntag nach Epiphanias.) Lk. 2,41–52. In: JK 4, 1936, S. 21f. Die Kinder des Lichts. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Okuli. Luk. 11,14–28; Eph. 5,1–9. In: JK 4, 1936, S. 214f. Die Kirche und die Welt. Besinnung über Evangelium und Epistel am Pfingstmontag. Joh. 3,16–21; Apg. 10,42–48. In: JK 4, 1936, S. 522f. Das Kirchenjahr und der Kampf um die junge Kirche. In: JK 4, 1936, S. 470–473. Der König in Knechtsgestalt. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Palmarum. Matth. 21,1–9; Phil. 2,5–11. In: JK 4, 1936, S. 326. Das Leben. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Lätare. Joh. 6,1–15; Röm. 5,1–11. In: JK 4, 1936, S. 263. Das Leben angesichts des Endes. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Exaudi. Joh. 15,26 – 16,4; 1. Petr. 4,7–11. In: JK 4, 1936, S. 474. Liebe und Kreuz. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Estomihi. Luk. 18,31–41; 1. Kor. 13. In: JK 4, 1936, S. 164. Der Mittler des Neuen Testamentes. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Judika. Joh. 8,46–59; Hebr. 9,11–15. In: JK 4, 1936, S. 264. Seid aber Täter des Wortes und nicht Hörer allein. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Rogate. Joh. 16,23–33; 1. Jak. 1,22–27. In: JK 4, 1936, S. 473. Die Sicherheit der Gemeinde. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Misericordias Domini. Joh. 10,12–16; 1. Petr. 2,21–25. In: JK 4, 1936, S. 377. Der Stern des Christus. (Besinnung über das Evangelium am Epiphaniasfest.) Matth. 2,1– 12. In: JK 4, 1936, S. 19f. Unser Glaube ist der Sieg. Besinnung über Evangelium und Epistel am Sonntag Quasimodogeniti. Joh. 20,19–31; 1. Joh. 5,1–5. In: JK 4, 1936, S. 376f.

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1937 Die Geschichte vom Sündenfall in der christlichen Verkündigung und in der Theologie des Alten Testaments. In: EvTh 4, 1937, S. 193–198, 437–444. Zur Bibelarbeit des Semesters: Sinn und Geheimnis der Geschichte. Offenb. 12,1–17; Das Tier aus dem Abgrund und sein Prophet. Offenb. 13,1–18; Der neue Himmel und die neue Erde. Offenb. 21,1–8. In: Der christliche Student. Mitteilungen aus einer Deutschen Christlichen Studenten-Bewegung, Nr. 3 (415), Sommersemester 1937, Berlin, 1. 6. 1937, S. 158–160.

1938 Der Schöpfungsbericht der Bibel. In: JK 6, 1938, S. 419–424.

1939 Christlicher Glaube oder eine neue Religion. In: JK 7, 1939, S. 799–805. Die Gottebenbildlichkeit des Menschen. Eine exegetisch-systematische Untersuchung zu Gen. 1,27. In: Theologia viatorum. Theologische Aufsätze von M. Albertz, H. Asmussen, G. Dehn, G. Harder, W. Niesel, E. Osterloh, H. Vogel. München 1939, S. 9–32. Die Offenbarung Gottes in der Fremde. Die Botschaft des Buches Ezechiel. München 1939.

1940 Gottes Gerechtigkeit und menschliches Recht im Alten Testament (TEH. 71). München 1940.

1946 Allzumal einer in Christo. In: OlSbl., Jg. 1, Nr. 21, 25. 8. 1946. Der Christ und die deutsche Ehre. In: Kirche und Mann – Botschaft und Dienst kirchlicher Männerarbeit [1946]. Als Manuskript gedruckt nur zur Vorlage bei der Alliierten Militärregierung und den Kirchenleitungen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wiederabdruck u. d. T.: „Ein Artikel, der nie erschienen ist“. In: Kirche und Mann 17, 1964, Nr. 4, S. 2. Evangelische Männerarbeit in Oldenburger Gemeinden. In: OlSbl., Jg. 1, Nr. 8, 26. 5. 1946.

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Die Kirchenfrage in aller Welt. In: OlSbl., Jg. 1, Nr. 15, 14. 7. 1946. Die theologische Wissenschaft und die Kirche. In: EvTh 6, 1946/47, S. 57–82. Ein Wort zur Lage unseres Volkes (gemeinsam mit Wilhelm Stählin, Hermann Ehlers und Heinz Kloppenburg). In: OlSbl., Jg. 1, Nr. 20, 18. 8. 1946. Auch als Flugblatt gedruckt.

1947 Schule und Kirche (GVbl. für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg. Beih. 1). Oldenburg 1947. Schule und Kirche II. Antwort auf „Einige Bemerkungen …“ von Wilhelm Schwecke (GVbl. für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg. Beih. 4). Oldenburg 1947 (enth. als Beilage: Brief Karl-Eduard Hollwegs an Wilhelm Schwecke vom 10. 11. 1947). Zum Sonntagsevangelium (Joh. 6,60–69). In: OlSbl., Jg. 2, Nr. 17, 4. 5. 1947. Zum Sonntagsevangelium (Joh. 10,1–11). In: OlSbl., Jg. 2, Nr. 15, 20. 4. 1947. Zum Sonntagsevangelium (Joh. 12,20–26). In: OlSbl., Jg. 2, Nr. 16, 27. 4. 1947. Zum Sonntagsevangelium (Luk. 11,1–13). In: OlSbl., Jg. 2, Nr. 18, 11. 5. 1947. Zur Frage der „Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands“. Eine Erklärung des Oberkirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg (gemeinsam mit Wilhelm Stählin, Hermann Ehlers und Heinz Kloppenburg) (Evangelischer Schriftendienst. 11). Schwäbisch-Gmünd [1947].

1948 Die ABC-Schützen. In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 17, 25. 4. 1948. Das Amt. In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 11, 14. 3. 1948. Bäuerliche Volkshochschule in Oldenburg (Lehrgang für junge Mädchen vom Lande, 1. Juni bis 15. Oktober 1948). In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 14, 4. 4. 1948. Bäuerliche Volkshochschule und Landvolk. In: Landwirtschaftsblatt Weser-Ems. Amtliche Zeitschrift der Landwirtschaftskammer Oldenburg, Jg.95, Nr. 8, 21. 4. 1948, S. 62 Bericht über die gegenwärtige theologische Arbeit der Evang.-Luth. Kirche in Oldenburg. In: ELKZ 2, 1948, S. 12ff. Evangelische Christen in Oldenburg (gemeinsam mit Wilhelm Stählin, Hermann Ehlers und Heinz Kloppenburg). In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 28, 11. 7. 1948. Hilfe für Theologiestudenten. In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 31, 1. 8. 1948. Kirche und Schule im Dienste der christlichen Unterweisung (Auszug aus „Schule und Kirche“ [1947]). In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 20, 16. 5. 1948. So lebt ein Theologiestudent heute. In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 32, 8. 8. 1948. Der Strom wird tiefer. Christlicher Glaube im selbständigen Indien. In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 43, 24. 10. 1948. Vom Tode und vom Sterben. In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 47, 21. 11. 1948. Was ist in Ahlhorn geschehen? In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 50, 12. 12. 1948.

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Wer ist Ricci? In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 40, 3. 10. 1948. Wie kann Wichern uns heute helfen? (Mitteilungen und Besinnung zum 22. September, dem 100. Geburtstag der Inneren Mission). In: OlSbl., Jg. 3, Nr. 38, 19. 9. 1948. Fortsetzung der Betrachtung unter dem gleichen Titel in: OlSbl., Jg. 3, Nr. 45, 7. 11. 1948. 4. Sonntag im Advent. Jes. 45,1–8. In: MPTh 38, 1948/49, S. 43–48.

1949 Angefeindete Theologie. Ein Bericht über wissenschaftliche Arbeit der Kirche in den Jahren 1933–1945. In: JK 10, 1949, Sp. 431–440. Der christliche Anspruch auf die Schule im heutigen Staat nach den Grundsätzen der lutherischen Sozialethik. In: ELKZ 3, 1949, S. 291–294. Übers. ins Schwedische: Den kristna kyrkans krav på skolan enligt den lutherska socialtikens grundsatser. In: Kyrka och Skola. Organ för Sveriges Kyrkliga Lärarförbund 9, 1949, H. 6 [Deckblatt; erste Heftseite: H. 7], S. 3–10. Erfahrungen eines Pfarrers in einer bäuerlichen Landgemeinde 1941–1949. In: Die Hand am Pfluge. Berichte und Besinnungen über Arbeit und Leben in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg zum hundertjährigen Jubiläum des Oberkirchenrates. Hg. vom EvangelischLutherischen Oberkirchenrat in Oldenburg. Oldenburg 1949, S. 65–79. Die erneuerte Kirche zu Holle. In: OlSbl., Jg. 4, Nr. 19, 8. 5. 1949. Gegen das staatliche Schulmonopol. In: Sbl., Nr. 30, 24. 7. 1949, S. 16. Ist das Ende der Welt nahe? In: OlSbl., Jg. 4, Nr. 47, 20. 11. 1949. Jubilate. Jes. 40,26–31. In: MPTh 38, 1948/49, S. 207ff. Rezension zu: Georg Ried: Ja und Nein zur Schulreform. Augsburg 1949. In: ELKZ 3, 1949, S. 299f. Rezension zu: Kurt Frör: Neue Wege im kirchlichen Unterricht. München 1949. In: ELKZ 3, 1949, S. 299. Rezension zur Schriftenreihe der Evangelischen Studiengemeinschaft: H. 1: Peter Petersen: Jugenderziehung und Jugendseelsorge; H. 2: Reinhard Ritter: Die kindliche Geschlechtsentwicklung und ihre große Gefahr; H. 3: Reinhard Ritter: Flegeljahre und Backfischalter. Alle: Bremen 1949. In: ELKZ 3, 1949, S. 300f. Rudolf Bultmann, geb. am 20. 8. 1884 in Wiefelstede i. O. Ein Wort des Dankes und eine Frage an seine Gegner, an seine Freunde und an ihn selber anläßlich seines 65. Geburtstages. In: JK 10, 1949, Sp. 441f. Die Schulfrage in Deutschland als theologisches Problem. In: ELKZ 3, 1949, S. 117f. Von den Voraussetzungen, Grenzen und Konflikten des Gespräches zwischen Theologen und Pädagogen. In: JK 10, 1949, S. 135–141. Was sagt uns die Bibel vom Anfang und vom Ende der Welt? In: OlSbl., Jg. 4, Nr. 4, 23. 1. 1949. Fortgesetzt in: Nr. 5, 30. 1. 1949; Nr. 6, 6. 2. 1949; Nr. 7, 13. 2. 1949; Nr. 8, 20. 2. 1949. Zum Sonntagspsalm (1. Petr. 2,2). In: OlSbl., Jg. 4, Nr. 17, 24. 4. 1949. Zum Sonntagspsalm (Psalm 33,5.6). In: OlSbl., Jg. 4, Nr. 18, 1. 5. 1949.

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1950 Aus finsterem Tal. Totensonntag. In: Sbl., Nr. 48, 26. 11. 1950, S. 3. Die Bedeutung der naturwissenschaftlichen Forschung, des philosophischen Denkens und der theologischen Wissenschaft in ihrer geschichtlichen Entwicklung seit 1920 für die geistige und religiöse Situation der Gegenwart. In: JK 11, 1950, Sp. 353–366. Bewegung und Erstarrung im Leben der Gemeinde und der Kirche heute. Wie lange soll der Bruderkrieg in der evangelischen Kirche noch fortdauern? In: JK 11, 1950, Sp. 89–96. [unter dem Namen Grete Schulz:] Der Brief einer Mutter: Wie stehen evangelische Eltern zur Gemeinschafts- und Bekenntnisschule? In: Evangelische Erziehung in Schule und Haus, hg. von Edo Osterloh, Stuttgart 1950, S. 16. Darf der Christ zur Waffe greifen? In: Sbl., Nr. 45, 5. 11. 1950, S. 19. Das Elternrecht in theologischer Beleuchtung. In: ELKZ 4, 1950, S. 119f. U. d. T.: Das Elternrecht in theologischer Sicht. In: EvW 4, 1950, S. 295f. Das Elternrecht – theologisch beleuchtet. In: Christen und Nichtchristen in der Rechtsordnung. Vorträge der 5. Plenarsitzung der Studiengemeinschaft der Evangelischen Akademie. o. O. [Bad Boll], o. J. [1950], S. 84–95. [Hg.:] Evangelische Erziehung in Schule und Haus (Sonderheft von ChrWelt). Stuttgart 1950. Die Freude am Tischgebet. In: Evangelische Erziehung in Schule und Haus. Hg. von Edo Osterloh. Stuttgart 1950, S. 2f. Ein klärendes Wort zur Schulfrage. Gespräch mit Oberkirchenrat Edo Osterloh (Hannover). In: epd ZA, Nr. 42 [Titelblatt: Nr. 43], 20. 2. 1950, S. 6f. Auch abgedruckt in: EvW 4, 1950, S. 129f.; Allgemeine Deutsche Lehrer-Zeitung, 15. 4. 1950, S. 111; KJ 77, 1950, S. 404f.; Evangelischer Religionsunterricht in einer säkularisierten Gesellschaft. Hg. von Horst Gloy. Göttingen 21972, S. 34f. Offener Brief an Kirchenpräsident D. Niemöller. In: EvW 4, 1950, S. 644f. Rezension zu: Biblisch-Theologisches Handwörterbuch zur Luther-Bibel. Hg. von Edo Osterloh und Hans Engelland. In: DtPfrBl 50, 1950, S. 476. Rezension zu: Eberhard Müller: Recht und Gerechtigkeit in der Mitbestimmung. Stuttgart 1950. In: ELKZ 4, 1950, S. 271. Rezension zu: Ernst Kinder: Evangelium und Enthusiasmus. Neuendettelsau 1949. In: ELKZ 4, 1950, S. 79. Rezension zu: Heinrich Bornkamm: Luther und das Alte Testament. Tübingen 1948. In: ELKZ 4, 1950, S. 28. Rezension zu: Schule und Leben. Zeitschrift für christliche Erziehung und Unterweisung. München 1949ff. In: ELKZ 4, 1950, S. 64. Schule und Erziehung in evangelischer Sicht. In: Deutsche Tagespost, 23. 5. 1950. U.d.T.: Schule und Weltanschauung. Die Stellung der Evangelischen Kirche. In: Lübecker Nachrichten, Nr. 128, 4. 6. 1950, und anderen Tageszeitungen. Der Stand des evangelischen Lehrers und seine Arbeit in der Kirchengemeinde. In: Schule und Leben 1, 1949/50, S. 353–356. Zwangsjacke für die Freiheit der Christenmenschen? In: Rundschau für Lüdenscheid und das Volmetal, 4. 7. 1950.

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1951 Christ und Eigentum. In: Die Botschaft. Hannoversches Sonntagsblatt, 11. 2. 1951, S. 1f. Freude an Gott. 12. nach Trinitatis. In: Sbl., Nr. 32, 12. 8. 1951, S. 3. Gott und das Eigentum. In: Botschaft und Dienst. Monatshefte für kirchliche Männerarbeit 2, 1951, Nr. 3, S. 41f. U. d. T.: Die biblische Lehre vom Eigentum (Thesenreihe). In: EvW 5, 1951, S. 52. Kriegsdienstverweigerer um des Gewissens willen. In: EvW 5, 1951, S. 721ff. Auch abgedruckt in: Christliche Stimmen zur Wehrdienstfrage. Hg. von Werner Jentsch. Kassel [1953]. Rezension zu drei Festschriften zum 70. Geburtstag von Otto Dibelius: Die Stunde der Kirche. Stuttgart 1950; Theologia Viatorum. Berlin 1950; Verantwortung und Zuversicht. Gütersloh 1950. In: ELKZ 5, 1951, S. 98. Rezension zu: Hans Dombois: Politische Gerichtsbarkeit. Gütersloh [1950]. In: ELKZ 5, 1951, S. 99. Rezension zu: Heinrich Schmidt: „Und lehret Sie!“. 2 Bände. Neuendettelsau 1950. In: ELKZ 5, 1951, S. 163. Rezension zu: Volkmar Herntrich: Der Prophet Jesaja. Kapitel 1–12. Göttingen 1950. In: ELKZ 5, 1951, S. 177. Schule und Kirche nach dem Zusammenbruch 1945. In: KJ 77, 1950, Gütersloh 1951, 372–422. Synode – Rat – Kirchenkonferenz. Der Aufbau der Evangelischen Kirche in Deutschland. In: Sbl., Nr. 13, 1. 4. 1951, S. 19. Was ist eine Familie? In EsuG 3, 1951, S. 1.

1952 Eltern sprechen zu Eltern. Erziehungsfragen auf dem Evangelischen Elterntag. In: Unsere Kirche. Evangelisches Sonntagsblatt für Westfalen, Nr. 20, 18. 5. 1952, [S. 3]. Elternsorgen – Elterntag. Zum Deutschen Evangelischen Eltern- und Erziehertag. In: Kirche und Mann 5, 1952, Nr. 6, S. 3f. Evangelische Jugendhilfe und die wissenschaftliche Pädagogik der Gegenwart. In: Evangelische Jugendhilfe 72, 1952, H. 1, S. 7–13. Gleichberechtigung von Mann und Frau. Ein Wort zur Eherechtsreform. In: Botschaft und Dienst. Monatshefte für kirchliche Männerarbeit 3, 1952, Nr. 5, S. 94–97. Das gute Gewissen. In: Sbl., Nr. 2, 13. 1. 1952, S. 20. „Können wir unsere Kinder noch erziehen?“ Entschließung des 3. Deutschen evangelischen Eltern- und Erziehertages vom 13.–15. 6. 1952. In: INLL 1, 1952, S. 226. Die Last dieser Synode... In: Die neue Furche 6, 1952, S. 721–724. Die Not schafft einen neuen Stand in der Kirche. Lektoren – Pfarrverwalter – Pfarrvikare – Pfarrhelfer – Pfarrverweser. In: Sbl., Nr. 48, 30. 11. 1952, S. 23.

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Die Schule im Bereich der DDR. und die Sowjetpädagogik, 11 S. Als Manuskript gedruckt (Teil der Arbeitshilfe „Staat, Schule, Kirche und Elternschaft“ [Typoskripte]). Hannover o. J. [1952]. Sieben Jahre Bischof in Oldenburg. Zum Abschied von Bischof D. Stählin. In: ELKZ 6, 1952, S. 149. Unter dem Titel: Ein wirklicher lutherischer Bischof. In: EvW 6, 1952, S. 413f. Tragende Fundamente des Lebens. In: Kirche und Mann 5, 1952, Nr. 5, S. 6f. Vom Eid und der Verantwortung des Soldaten. In: EvW 6, 1952, S. 724f. Vom Selbstverständnis der Pädagogik und der Theologie heute. In: Schule und Leben 3, 1952, S. 162–166. Was geht die Schulgesetzgebung unsere Gemeinden an? In: INLL 1, 1952, S. 33ff. Wer erzieht christlich? In: Sbl., Nr. 17, 27. 4. 1952, S. 20. Wir können hoffen! Laetare. In: Sbl., Nr. 12, 23. 3. 1952, S. 3. Zum 3. Elterntag. Sinn und Bedeutung der Elterntage. In: ESuG 4, 1952, H. 4, S. 2.

1953 Abendmahlsgespräch. Bericht über die Tagungen in Frankfurt 1947, Hamburg 1951 und Hannover 1952. In: ELKZ 7, 1953, S. 41f. Die Diskussion über die Todesstrafe. Ihre Voraussetzungen und ihre Konsequenzen. In: EvW 7, 1953, S. 17–20. Schule und Kirche im norddeutschen Raum. Rückblick und Ausblick. In: INLL 2, 1953, S. 10ff. [Bearb.:] Vorschlag zur Reform des Theologiestudiums (Brackwede, Januar 1953). In: MPTh 42, 1953, S. 260–265. Wie die andern. Misericordias Domini. In: Sbl., Nr. 16, 19. 4. 1953, S. 3. Zur Krise in Oldenburg. In: INLL 2, 1953, S. 6f.

1954 Biblisch-Theologisches Handwörterbuch zur Lutherbibel und zu neueren Übersetzungen. Hg. von Edo Osterloh und Hans Engelland. Göttingen 1954; 21959; 31964. Darin folgende 62 Artikel Osterlohs (alle schon in der ersten Aufl., danach auch die in Klammern gesetzten Seitenangaben): abfallen (S. 10); Abgott, Abgötter, Abgötterei, Götter, Götze, Götzendienst, Göttin, „Gott“ (S. 11ff.); Abraham = Abram (S. 13ff.); alt (das Alter, die Alten) (S. 20f.); Aman (S. 22f.); Anfechtung (S. 25f.); Angesicht (S. 26f.); anziehen (S. 29f.); Apokryphen (S. 31); Bundeslade (S. 70f.); Dämon (S. 80f.); Ebenbild Gottes (S. 90f.); Elia (S. 102f.); Engel (S. 106f.); erlassen – Erlaßjahr (S. 116); Finsternis (S. 137f.); Fisch (S. 138f.); Geheimnis (S. 159f.); Gerecht, Gerechtigkeit (S. 174–182); Gericht (S. 182f.); Gesicht (Vision) (S. 191f.); Gewissen (S. 195f.); Heer (S. 234f.); Horn (S. 266f.); Israel (S. 280f.); Ja (S. 281); Jerusalem (S. 285–288); Jude, Judengenosse, Ju-

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denchrist (S. 291); Klug, Klugheit, klüglich (S. 307); Kreatur (S. 318); Kuß, küssen (S. 327); Land (S. 331f.); Laubhüttenfest (S. 335); Meer (S. 375f.); Mensch (S. 376ff.); Michael (S. 379); Mond (S. 382f.); Monotheismus (S. 383); Mose (S. 384–391); Opfer, opfern (S. 428–431); Paradies (S. 434); Priester, Priesteramt, Priestertum, priesterlich, Hoherpriester (S. 459–462); Raphael (S. 469); Rest (S. 479f.); richten (S. 481f.); Richthaus (S. 482); Richtstuhl (S. 482f.); Salbe, salben, Salböl, Gesalbter (S. 492f.); Satan (S. 494ff.); Segen, segnen (S. 535f.); Seraphim (S. 541); Stiftshütte (S. 560); Tempel (S. 580–583); Testament (S. 583); (zusammen mit Georg Jaspers:) Todesstrafe (S. 587); Überkleiden (S. 598); vergelten, Vergelter, Vergeltung (S. 626f.); vergessen (S. 627f.); weben, Webe, Webe-Opfer (S. 667f.); Zebaoth (S. 701f.); (aus dem Nachtrag:) Ärgern, Ärgernis (S. 718f.); böse (S. 721f.). Das Bundesministerium für Familienfragen. In: EvV 2, 1954, Nr. 4, S. 12ff. Auszüge u. d. T.: Der Staat erkennt seine Aufgabe. In: Kirche und Mann 7, 1954, S. 2; u. d. T.: Warum ein Familienministerium? In: EvW 8, 1954, S. 329. Die Entwicklung des Volksschulwesens in der Bundesrepublik seit 1945. In: Ein evangelischer Erzieher. Festschrift für Reinhold Sautter anläßlich seines Ausscheidens aus dem Dienste der Evangelischen Landeskirche Württemberg. Hg. von Erwin Brandes und Willy Grüninger. Stuttgart 1954, S. 76–85. Die Erziehung zur Familie. In: Blätter der Wohlfahrtspflege – deutsche Zeitschrift für Sozialarbeit 101, 1954, Nr. 8, S. 282f. Familie unter dem Segen Gottes. In: Unsere Kirche. Evangelisches Sonntagsblatt für Westfalen, Nr. 18, 2. 5. 1954, [S. 1f.]. Familienglück – wirtschaftlich blockiert. Junge Ehen und ihre Probleme. In: Die Mitarbeit. Monatshefte der Aktion Evangelischer Arbeitnehmer, Nr. 2, Mai 1954, S. 1–4. Familienpolitik heute. Was jeder evangelische Christ von ihr wissen muß. In: EvW 8, 1954, S. 721f. [Original: Ansprache auf der Arbeitstagung der Fürsorgerinnen vom 1.–3. 10. 1954, 23 S., Typoskript, DIN A 4. In: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003] Familienpolitik in evangelischer Sicht. In: Sbl., Nr. 39, 26. 9. 1954, S. 20. Familienpolitik – materialistisch? In: ZW 25, 1954, S. 696ff. Ist eine „moderne“ Ehe möglich? In: ChrWelt, Nr. 39, 30. 9. 1954. Religionsunterricht als „ordentliches Lehrfach“. In: Die evangelische Elternschaft. Informationsdienst für Schulfragen 5, 1954, Nr. 10, S. 9ff. Überwindung der Verweltlichung des Lebens. Bericht von der 2. Arbeitsgruppe der 3. Tagung des Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU vom 11.–13. Juni 1954 in Worms. In: EvV 2, 1954, Nr. 6/7, S. 6ff. Zum letzten Geleit. Hermann Ehlers – mit den Augen eines Freundes gesehen. In: Deutscher Zeitungsdienst, „Zeitfragen“, Nr. 47, 30. 10. 1954, S. 1f. U. a. auch in: Deutschland Union-Dienst, 29. 10. 1954; Nordwest-Zeitung (Oldenburg), 3. 11. 1955; Segeberger Zeitung, 3. 11. 1954; Wetzlarer Neue Zeitung, 3. 11. 1954.

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1955 Arbeit, Freizeit und Familie. Ein wichtiges Problem für die kinderreiche Familie – Gesunde Kraft der Regeneration. In: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 111, 21. 6. 1955, S. 923f. Auch in: Arbeit, Freizeit und Familie in Hinblick auf die Ehe, das Alter und die Jugend. Referate und Ergebnisse der Arbeitstagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung 1955 in Nürnberg. Hg. von Lothar Loeffler. Stuttgart 1955, S. 3f.; Gesundheitsfürsorge. Zeitschrift für die gesundheitlichen Aufgaben im Rahmen der Familienfürsorge 5, 1955, S. 54f.; Deutsches Volksblatt, Stuttgart, Nr. 144, 27. 6. 1955; Schwäbische Rundschau. Christliche Wochenzeitung für Politik, Kultur, Wirtschaft, Nr. 27, 9. 7. 1955, S. 4. Christ in der Welt. Zum einjährigen Todestag von Hermann Ehlers. Rundfunkvortrag für den Kirchenfunk des NWDR, gesendet am 29. 10. 1955, 18 Uhr. (Typoskript, 5 S. DIN A 4. In: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003). Christlicher Glaube in unserer Zeit. In: General-Anzeiger (Bonn), 14./15. 5. 1955. Erste Ergebnisse familienpolitischer Arbeit und weitere Ziele. In: EvV 3, 1955, Nr. 3/4, S. 9–13. Auszüge: Was wurde für die Familie getan? In: EvW 9, 1955, S. 234f.; Die familienpolitische Arbeit und ihre Ziele. In: Union in Deutschland. Informationsdienst der CDU/CSU, Nr. 33/34, 4. 5. 1955, S. 3. Der Fahneneid in theologischer Sicht. In: EvV 3, 1955, Nr. 7/8, S. 14–19; Nr. 9, S. 10–13. Auszüge in: EvW 9, 1955, S. 614. Familienpolitik – Häusliche Erziehung. In: Die evangelische Elternschaft. Informationsdienst für Schulfragen 6, 1955, Nr. 4, S. 15f. Familienpolitik. Wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen als internationales Phänomen. In: WuW 10, 1955, S. 505–518. In der Sorge um die Familie. In: Sbl., Nr. 33, 14. 8. 1955, S. 2. Die Losung [Jes. 43,2]. In: Jahrestagung 1955 des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/ CSU vom 6.-8. Mai in Worms [Programmheft], [S. 4f.]. Oberkirchenrat in Oldenburg. In: Hermann Ehlers. Hg. von Friedrich Schramm u. a. Wuppertal 1955, S. 74–84. [Mitunterzeichner:] Offener Brief: An die evangelischen Pfarrer und Gemeindeglieder, die sich in öffentlichen Erklärungen gegen die Pariser Verträge gewandt haben. In: EvV 3, 1955, Nr. 3/4, S. 1–5. Die Schule und ihre Lehrer im Kraftfeld der großen Bildungsmächte. In: EsuG 7, 1955, Nr. 5, S. 1f. Auch in: Die evangelische Elternschaft. Informationsdienst für Schulfragen, Nr. 3, März 1955, S. 2f.; Neue deutsche Schule 7, 1955, S. 104f. Sozialreform und Familienlastenausgleich. In: Sbl., Nr. 37, 11. 9. 1955, S. 24. „Unsere Verteidigungspflicht“. Bericht über die zweite Arbeitsgruppe [der Jahrestagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU in Worms]. In: EvV 3, 1955, Nr. 5, S. 11–14. Auszüge in: JK 16, 1955, S. 269f. Das Wagnis des Glaubens auf dem Felde politischer Entscheidungen. In: EvV 3, 1955, Nr. 11/12, S. 6–10. Was tut der Staat für seine Kinder? In: Kirche und Mann 8, 1955, Nr. 7, S. 3f.

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Die Zukunft der Unionsidee. In: Rheinischer Merkur, 1. 12. 1955. [Typoskript: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003].

1956 Bemerkungen über die Grundkräfte der Erziehung. In: Evangelische Schule und Erziehung zum staatspolitischen Denken. Sechs Beiträge. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Schulbünde. Bielefeld 1956, S. 7–13. Brauchen wir ein Bundeskultusministerium? In: Schule und Leben 8, 1956, S. 412–416. Dankeswort an Karl Arnold. In: Union in Deutschland. Informationsdienst der ChristlichDemokratischen und Christlich-Sozialen Union Deutschlands 10, 1956, Nr. 17/18 (1. 3. 1956), S. 1. Auch in: Rheinische Post, Nr. 48, 25. 2. 1956; Ruhr-Nachrichten, Nr. 48, 25./26. 2. 1956. Grundsätze und Ziele der Sozialreform. In: PSK 5, 1956, Nr. 12, S. 3ff. Die Jugend muß sich ihrer Sendung bewußt bleiben! [Auszüge aus der Rede: Was kann die Jugend für die Wiedervereinigung tun?]. In: Der Ring. Monatsschrift für die Jugendpflege im Lande Schleswig-Holstein, Kiel, Nr. 1/1956, S. 3–8. Ost-West-Kontakte im Bereich der Landesregierung Schleswig-Holstein [leicht gekürzte Landtagsrede vom 13. 11. 1956]. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 4, 1956, S. 155ff. Sozialreform. In: Christlich-Demokratische Union Deutschlands. 6. Bundesparteitag, Stuttgart 26.–29. 4. 1956. Hamburg [1956], S. 100–104. Stellungnahme zur Frage der Vereidigung von Soldaten. In: Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte, 2. WP, Bd. 28, von der 122. Sitzung am 12. Januar 1956 bis zur 138. Sitzung am 23. März 1956. Bonn 1956, S. 6877–6880. Die „Test“-Wahl in Baden-Württemberg. In: EvV 4, 1956, Nr. 3, S. 13f. Unser Familienleben ist sehr schlecht. Ist es dann eine Sünde, wenn sich die Eltern scheiden lassen? Kann ich mit Gottes Hilfe Frieden ins Haus bringen? In: Wir antworten. Männer und Frauen der evangelischen Kirche stehen jungen Menschen Rede und Antwort in Fragen des Glaubens. 2. Folge. Hg. von Richard Eckstein. München 1956, S. 182–189. Zur Charakteristik der Familie in unserer Zeit. In: Fernsehen und Familie. Referate und Diskussionen einer Tagung der Evangelischen Akademie für Rundfunk und Fernsehen in Bad Boll vom 21. bis 23. November 1955 (Schriftenreihe der Evangelischen Akademie für Rundfunk und Fernsehen. H. 2). München 1956, S. 7–17.

1957 Ansprache bei der Unterzeichnung des Vertrages zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein am 23. April 1957 in Kiel. In: 30 Jahre Staatskirchenvertrag – 10 Jahre Ev.-Luth. Nordelbische Kirche. Eine

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Dokumentation. Hg. von Klaus Blaschke und Hans-Joachim Ramm (SVSHKG. 38). Neumünster 1992, S. 12f. [Typoskript: LASH SCHLESWIG, 605/516] Ansprache vor der Hauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft am 28. 6. 1957 in Lübeck. In: Mitteilungen aus der Max-Planck-Gesellschaft 4, 1957, S. 190–194. Blick auf die geistige Haltung unserer Jugend heute. In: EvV 5, 1957, Nr. 10, S. 9. Emil Nolde. In: Schleswig-Holstein. Monatshefte für Heimat und Volkstum, Nr. 1, Januar 1957, S. 4–7. Geleitwort. In: Der deutsche Osten in der bildnerischen Erziehung. Sonderheft der Zeitschrift „Kunst und Jugend“ (Bund Deutscher Kunsterzieher), o. O., o. J. [Ratingen 1957], S. 1. Grundsätze der Schul- und Kulturpolitik in Ost und West (Referat vor der 5. Bundestagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Berlin 1956). In: EvV 5, 1957, Nr. 5, S. 3–9. Hochschulgerechte Studienförderung. Ausführungen des Kultusministers Osterloh im Landtag am 17. Dezember 1957. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 5, 1957, Nr. 24. Lehrermangel und Nachwuchsbedarf in Schleswig-Holstein [gekürzter Wortlaut des am 1. 7. 1957 vor dem Landtag erstatteten Berichts]. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 5, 1957, S. 93–97. Möglichkeiten und Grenzen einer christlichen Partei. In: INLL 6, 1957, S. 33ff. Auch in: EvV 5, 1957, Nr. 3/4, S. 7–10 (Auszüge daraus u. d. Titel: Zur Problematik einer christlichen Partei. In: EvV 12, 1964, Nr. 3/4, S. 7f.). Rundfunkvortrag von Kultusminister Osterloh in einer kirchlichen Sendung des UKW Nord am 18. Mai 1957 über den Staat-Kirchen-Vertrag. In: JÜRGENSEN, Kurt: Die Stunde der Kirche. Die Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg (SVSHKG. 24). Neumünster 1976, S. 328f. [Typoskript: LASH 605/516]. Staatskirchenvertrag. In: Sbl., Nr. 26, 30. 6. 1957, S. 24. Der Staatsvertrag mit den evangelischen Kirchen Schleswig-Holsteins [Auszug aus der Erklärung vor dem Landtag am 20. 5. 1957]. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 5, 1957, S. 69ff. Die vorläufige Satzung für die Pädagogischen Hochschulen im Landes Schleswig-Holstein. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 5, 1957, S. 21–24. Unsere Ziele und Aussichten 1957. In: PSK 6, 1957, Nr. 1, S. 6ff.

1958 Das Abenteuer des Wahlkampfs. In: Junge Stimme. Eine Zeitung junger Christen 7, 1958, Nr. 17, S. 1. Die CDU in Schleswig-Holstein. Erfahrungen und Ziele. In: EvV 6, 1958, Nr. 8, S. 4–7. „Christus nicht gegen Karl Marx gestorben, sondern für uns alle“. In: EvV 6, 1958, Nr. 2/3, S. 8f.

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… denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. In: Evangelisches Gemeindeblatt Berlin, Jg. 9, Nr. 1, Januar 1958, S. 1f. Destiny and Human Initiative. In: EvV 6, 1958, Nr. 12, S. 4–9. Erkennen und Entscheiden. Bemerkungen zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik, Separatdruck eines Vortrages vor dem Delegiertentag des Deutschen Lehrerbundes (Landesverband Schleswig-Holstein) am 23. 5. 1958 in Kiel, o. O., o. J., 12 S. [ein Exemplar in: ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/004]. Auszüge u. d. Titel: Erkennen und Entscheiden. Zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik. In: Sbl., Nr. 38, 21. 9. 1958, S. 16f. Neue Ingenieurschule geplant. Interview mit Kultusminister Osterloh. In: Wort und Bild. Stimme der CDU in Schleswig-Holstein, Nr. 3, April 1958, S. 7. Sektion Politik. In: Wirklichkeit heute. Referate und Arbeitsberichte vom Kirchentagskongreß Hamburg. Hg. im Auftrag des Deutschen Evangelischen Kirchentages von Hans Hermann Walz. Stuttgart 1958, S. 133f. Der unbezahlbare Mensch. In: Das Baugerüst. Zeitschrift für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der evangelischen Jugendarbeit und außerschulischen Bildung 10, 1958, Nr. 4, S. 128. Utopie und Wirklichkeit der Schulreform. Hellmut Beckers Bildungsplan vor der Schullage eines Bundeslands. In: ChrWelt, Nr. 34, 21. 8. 1958, S. 9. Verteidigung. In: Schleswig-Holsteinische Landeszeitung/Rendsburger Tageblatt, Nr. 79, 3. 4. 1958, S. 2. Vollmacht zum Frieden. In: Sbl., Nr. 14, 6. 4. 1958, S. 1f.

1959 Beitrag zu: „Aus besonderem Anlaß“. Eine Sendung zum 70. Geburtstag des Berliner Volksbildungssenators Professor Joachim Tiburtius, ausgestrahlt am 11. 8. 1959 über RIAS I (20.30–21.00 Uhr) und RIAS II (20.00–20.30 Uhr). [Typoskript des Beitrags: ACDP ST. AUGUSTIN, Evangelischer Arbeitskreis, IV-001–026/1 = Anlage zum Brief Osterlohs an Hans Strümpfel vom 17. 8. 1959] Brief an die Leser des „Stern“ zum Thema „Schichtunterricht an den Schulen“. In: Der Stern, Nr. 15, 15. 4. 1959, S. 5f. Christliche Existenz in der Politik [Zusammenstellung dreier Zitate Osterlohs anlässlich seines 50. Geburtstags]. In: EvV 7, 1959, Nr. 4, S. 11f. Jahresbericht der Kultusminister-Konferenz, erstattet vom Präsidenten Kultusminister Edo Osterloh für die Zeit vom 1. Okt. 1958 bis zum 30. Sept. 1959. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 7, 1959, S. 149ff. Kirche und Staat in evangelischer Sicht. In: PSK 8, 1959, Nr. 9, S. 5ff. Die politische Verantwortung des Christen. In: Gott ist am Werk. Festschrift für Landesbischof D. Hanns Lilje zum 60. Geburtstag. Hg. von Heinz Brunotte und Erich Ruppel. Hamburg 1959, S. 183–191. Auch in: EvV 7, 1959, Nr. 11, S. 3–6. Rezension zu: Die Evangelische Christenheit in Deutschland – Gestalt und Auftrag. Hg.

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Bibliographie Edo Osterloh

von Günter Jacob, Hermann Kunst und Wilhelm Stählin. Stuttgart 1958. In: EvV 7, 1959, Nr. 3, S. 7–10. Wenn Christen politische Gegner sind. In: Deutscher Evangelischer Kirchentag München 1959. Dokumente. Hg. im Auftrag des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Stuttgart 1959, S. 417–425. Auszugsweise Abdrucke in: FAZ, Nr. 196, 26. 8. 1959, S. 11; Erlebter Kirchentag. Deutscher Evangelischer Kirchentag München 1959. Im Auftrag des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages hg. von Heinrich Giesen. Stuttgart 1959, S. 132–135; KJ 86, 1959, S. 69–75; EvV 7, 1959, Nr. 9, S. 5–9; Hören – Handeln – Hoffen. 30 Jahre Deutscher Evangelischer Kirchentag. Hg. von Carola Wolf und Hans Hermann Walz. Stuttgart/Berlin 1979, S. 72–76.

1960 Die Aufgabe der Politik gegenüber der Theologie und Pädagogik unserer Zeit. In: Glauben und Erziehen. Pädagogen und Theologen im Gespräch. FS Gerhard Bohne zum 65. Geburtstag. Hg. von Hellmut Heeger. Neumünster 1960, S. 20–29. Aufgaben und Möglichkeiten der Landespolitik. In: EvV 8, 1960, Nr. 1, S. 2–5. Bemerkungen zur politischen Urteilsbildung der deutschen Akademiker. In: Die Deutsche Universitätszeitung, Nr. 5, Mai 1960, S. 31f. Erbe und Auftrag kultureller Arbeit. In: PSK 9, 1960, Nr. 23, S. 3ff. (Auszug aus: Erbe und Auftrag kultureller Arbeit in Schleswig-Holstein [Typoskripte]) Kirche und Wirtschaftswelt. Über die Grenzen des Meinungsbildungsauftrags der Kirche in der Arbeits- und Wirtschaftswelt. In: EvV 8, 1960, Nr. 6, S. 5ff.; Nr. 7, S. 10f. Auszüge u. d. T.: Jede Anfechtung birgt eine Chance. In: Wort und Bild. Stimme der CDU in Schleswig-Holstein, Nr. 9/10, September/Oktober 1960, S. 10. Mut zur Politik. Podiumsdiskussion mit Hellmut Becker, Hans-Joachim Lieber und Carlo Schmid. Sonderdruck aus der Broschüre des Verbandes Deutscher Studenten zum 6. Deutschen Studententag, Berlin 4.–8. April 1960, S. 155–168. Studentenwohnheim – Hotel oder College? In: Schleswig-Holstein. Monatshefte für Heimat und Volkstum 12, 1960, H. 2, S. 29f. Vaterland in der politischen Verantwortung eines evangelischen Christen. In: EvV 8, 1960, Nr. 6, S. 9f. Auch in: Wort und Bild. Stimme der CDU in Schleswig-Holstein, Nr. 5, Mai 1960, S. 10. Wovon leben wir? In: Sbl., Nr. 16, 17. 4. 1960, S. 40. Zu Problemen der Schulreform. Beitrag für „Der Standpunkt“, NDR (UKW), 22. 6. 1960, 19.45 Uhr. [Typoskript, DIN A 4, 3 S.: ACDP ST. AUGUSTIN, Dokumentensammlung, Kasten 100] Zum 70. Geburtstag von Emil Brunner. In: EvV 8, 1960, Nr. 1, S. 10. Zur Entflechtung der Volksoberschule Preetz. Eine Darstellung des Kultusministers. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 8, 1960, S. 91f. Zur Überfüllung der Hoch- und Fachschulen [gekürzter Rechenschaftsbericht vor dem Landtag in Beantwortung einer Großen Anfrage der SPD-Fraktion am 26. 1. 1960]. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 8, 1960, S. 9–14.

Bibliographie Edo Osterloh

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1961 An die Adresse der eigenen Partei. Lehren aus dem Ergebnis der Bundestagswahl. In: Sbl., Nr. 39, 24. 9. 1961, S. 30. Auszüge in: JK 22, 1961, S. 645f. Bedrohung durch das Konventionelle. Offener Brief an Helmut Gollwitzer. In: EvV 9, 1961, Nr. 1, S. 12. Christliche Erziehung in öffentlichen Schulen. In: Wort und Bild. Stimme der CDU in Schleswig-Holstein, Nr. 11, Oktober/November 1961, S. 5. Dörfergemeinschaftsschule. Keine zentralistische Planung. Gegenwärtiger Stand der Diskussion in Schleswig-Holstein. In: Wort und Bild. Stimme der CDU in Schleswig-Holstein, Nr. 5, Mai 1961, S. 12. Erziehung zur Verantwortung in Volk und Staat. Referat auf der 9. Bundestagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU in Hamburg. In: EvV 9, 1961, Nr. 6, S. 6–10. Gemeinschaft und Gewissen. Ein Gespräch mit Kultusminister Osterloh. In: Echo der Zeit, Nr. 24, 11. 6. 1961, S. 9. Ja – zur Säkularisierung. Ein Gespräch zwischen Edo Osterloh und Axel Seeberg anläßlich der Jahrestagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU. In: Sbl., Nr. 24, 11. 6. 1961, S. 1 u. 29. Die politische Eintracht der Konfessionen. In: PSK 10, 1961, Nr. 17, S. 5f. Staatsbürgerliche Bildungsarbeit in Schleswig-Holstein. In: EvV 9, 1961, Nr. 4/5, S. 11f. Der Student – Hofnarr der Politik? [Gespräch]. In: Agora. Studentenzeitung der Universität Kiel. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft für aktive Hochschulpolitik. Kiel, Nr. 2, Juni 1961, S. 5f. Was erwarten wir – was erwartet uns? In: Sbl., Nr. 53, 31. 12. 1961, S. 1f. Wie soll es weitergehen mit der staatsbürgerlichen Bildung? In: Wort und Bild. Stimme der CDU in Schleswig-Holstein, Nr. 11, Oktober/November 1961, S. 12. Zum Zweiten Bildungsweg [gekürzte Beantwortung einer Großen Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag am 30. 5. 1961]. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 9, 1961, S. 81ff.

1962 Aktuelle Fragen des Mittelschulwesens. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 10, 1962, S. 177ff. Das „C“ der Christlich-Demokratischen Union. In: Die Mitarbeit. Evangelische Monatshefte zur Gesellschaftspolitik 11, 1962, Beilage zu Heft 4. Dänisch-schleswig-holsteinische Kulturprobleme in der Europäischen Gemeinschaft. In: Landesverband der Volkshochschulen Schleswig-Holsteins, Kiel/Det Danske Selskab, Kopenhagen: Zweite dänisch-schleswig-holsteinische Nachbarschaftstagung vom 5. bis 12. August 1962 auf Schloß Tremsbüttel und in Kiel. O.O., o. J., S. 21–31. Für die Zukunft planen. Kulturpolitik. In: Sbl., Nr. 34, 26. 8. 1962, S. 10. (Auszüge aus:

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Bibliographie Edo Osterloh

Schwerpunkte schleswig-holsteinischer Kulturpolitik in den nächsten Jahren [Typoskripte]). Gesamtdeutsche Hochschule. In: Sbl., Nr. 3, 21. 1. 1962, S. 1f. Investivlohn – Eigentumsbildung. Evangelisches und katholisches Votum zu einem Kernproblem heutiger Wirtschafts- und Sozialpolitik. In: Die Mitarbeit. Evangelische Monatshefte zur Gesellschaftspolitik 11, 1962, S. 441–447. Kulturpolitik 1962. In: PSK 11, 1962, Nr. 1, S. 6ff. Kulturpolitik 1963. In: Kieler Nachrichten, 31. 12. 1962, S. 20. Auch in: PSK 12, 1963, Nr. 1, S. 12ff. Der politische Stil in der Bundesrepublik. In: PSK 11, 1962, Nr. 14, S. 3f. Was bedeuten „evangelische Akzente“? In: Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 4. 1. 1962. Wesenszüge schleswig-holsteinischer Kulturpflege und Schulpolitik. In: Grenzfriedenshefte 10, 1962, Nr. 1, S. 15–18. Die Wiederherstellung eines einheitlichen Hochschulwesens bei der Wiedervereinigung Deutschlands. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 10, 1962, S. 2ff.

1963 Die Ausbildung zum Kerntechnik-Ingenieur. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 11, 1963, S. 9f. Demokratie ist Stil – von der stilbildenden Aufgabe der Politiker und Journalisten. In: Protokolldienst Nr. 20/1963 der Evangelischen Akademie Bad Boll: Politiker, Juristen und Journalisten in Widerspiel und Zusammenarbeit. Bad Boll 1963, S. 42–57. Die Familie als Erziehungsfaktor. In: Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen 1953–1963. Festgabe, Bonn [1963], [S. 5ff ]. Gefährden die Kirchen die Freiheit der Bildung? In: Deutscher Evangelischer Kirchentag Dortmund 1963. Dokumente. Hg. im Auftrag des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Stuttgart/Berlin 1963, S. 400–408. Auszüge in: Mit Konflikten leben. Erlebter Kirchentag Dortmund 1963. Hg. im Auftrag des Deutschen Evangelischen Kirchentages von Carola Wolf und Gerhard Schnath. Stuttgart/Berlin 1963, S. 138ff. Lehrerbestand und Lehrerbedarf. Gegenwärtige Personallage und voraussichtliche Entwicklung. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 11, 1963, S. 3–6. Die politischen Parteien – ihre Chancen und ihre Gefahren. In: Kirche und Mann 16, 1963, Nr. 6, S. 2. Schlußlicht: Die Familie. In: Sbl., Nr. 35, 1. 9. 1963, S. 1f. – U. d. T.: Die Familie bekommt, was übrigbleibt. Was ist mit der Familienpolitik der Bundesregierung los? In: Kirche und Mann 17, 1964, Nr. 1, S. 5; u. d. T: Familienpolitik als Konzession oder als Konzeption. In: Die Stimme der Familie. Mitteilungsdienst des Familienbundes der deutschen Katholiken, Nr. 1, 31. 1. 1964, S. 8. Trotz allem Zuversicht! Kulturpolitik 1952–1963. In: PSK 12, 1963, Nr. 6, S. 24ff.

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Der unsichtbare Stacheldraht. Zur Lage der Evangelischen Landeskirchen in der sowjetisch besetzten Zone. In: Wort und Bild. Stimme der CDU in Schleswig-Holstein, Nr. 12, Dezember 1963, S. 6. „Volkssturm“ auch noch 1970? „Spiegel“-Gespräch mit dem schleswig-holsteinischen Kultusminister Osterloh über den Lehrermangel. In: Der Spiegel, Nr. 22, 29. 5. 1963, S. 40–51. Was bleibt zu tun? Sieben Forderungen an die Kulturpolitik. In: Sbl., Nr. 39, 29. 9. 1963, S. 1f. Wenn wir Politiker im Westen … Brief über die zehn Artikel an einen Freund in Amerika. In: Sbl., Nr. 29, 21. 7. 1963, S. 11. Unter dem Titel: Die politische Bedeutung der „10 Artikel über Freiheit und Dienst der Kirche“. In: EvV 11, 1963, Nr. 7, S. 7f. Zweiter Bildungsweg – Ausbildungshilfe. Referat auf dem 2. Kulturpolitischen Kongreß der CDU/CSU. In: Christlich-Demokratische Union Deutschlands (Hg.): Bildung und Beruf in der modernen Gesellschaft. Zur Kulturpolitik der CDU/CSU. Hg. von der Bundesgeschäftsstelle der CDU. Bonn 1963, S. 56–68. Auszüge: CDU-Landesdienst Schleswig-Holstein, Nr. 39/62, 3. 11. 1962, S. 1ff. (Typoskript: ACDP ST. AUGUSTIN, Dokumentensammlung, Kasten 100). Der 17. Juni ein Tag ernsten Gedenkens. Ein Aufruf des Kultusministers. In: Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein 11, 1963, S. 77.

1964 Ansprache anläßlich des Festakts zum 50. Jahrestag der Gründung des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel am 18. 2. 1964. In: Fünfzig Jahre Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Reden und Ansprachen anläßlich des Festakts am 18. Februar 1964 im Stadttheater Kiel. Kiel 1964, S. 25ff. Ein dichtes Netz weiterführender Schulen. Das Bildungswesen in Schleswig-Holstein. In: Das Parlament, Nr. 2–3, 8. 1. 1964, S. 15. Familie und Erziehung. In: Neue Ruhr Zeitung, 27. 2. 1964. Kulturpolitik und die Jungen. Brief eines Kultusministers an seinen Sohn. In: Sbl., Nr. 2, 12. 1. 1964.

Typoskripte/nicht verifizierte Drucke Aktuelle Schulprobleme in Schleswig-Holstein und im Bund. Rede des Kultusministers Edo Osterloh auf der Hauptversammlung des Verbandes der Schulbuchverleger am 6. 11. 1963 in Travemünde, 8 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/005]. Aktuelle Schulprobleme und Lehrerbildung in Schleswig-Holstein. Thesen für den kulturpolitischen Arbeitskreis des Parteitages der CDU in Bad Segeberg am 1./2. 7. 1963, 3 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-031/034].

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Bibliographie Edo Osterloh

Ansprache anläßlich der Enthüllung des Hoffmann von Fallersleben-Denkmals am 10. 10. 1960 auf Helgoland, 4 S., Typoskript (DIN A 4). [LASH SCHLESWIG, 605/3272]. Ansprache anläßlich der Grundsteinlegung des Instituts für Gerichtliche und Soziale Medizin am 13. 12. 1961 in Kiel, 3 S., Typoskript (DIN A 4). [LASH SCHLESWIG, 605/3272]. Ansprache anläßlich der Unterzeichnung der neuen Rechtsordnung der Landeskirche am 27. 8. 1958 im Sitzungssaal des Landeskirchenamtes, 7 S., Typoskript (DIN A 5). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/005]. Ansprache zur Einweihung des Isotopenlaboratoriums der Staatlichen Ingenieurschule in Kiel am 14. 6. 1962, Auszüge, 4 S., Typoskript (DIN A 4). [LASH SCHLESWIG, 605/3272]. Arbeitshilfe „Staat, Schule, Kirche und Elternschaft“, Typoskript (DIN A 4), erste Ausgabe: 16. 12. 1949 (abgedruckt in: MÜLLER-ROLLI, Sebastian: Evangelische Schulpolitik in Deutschland 1918–1958. Dokumente und Darstellung, Göttingen 1999, S. 637–650), danach durchnummeriert in loser Folge. (Vermerk auf der ersten Seite der ersten Ausgabe: „nicht zu veröffentlichen, nur für den Dienstgebrauch“). [EZA BERLIN, 2/3640–2/3642; einzelne Ergänzungslieferungen auch in: EZA BERLIN, 2/3583; 2/3744; 2/3745; 2/3739]. Das Bild der Evangelischen Kirche in Deutschland, 3 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Denkschrift zur Lage der Bekennenden Kirche, 5 S., Typoskript (DIN A 4). [EZA BERLIN, 50/474, Bl. 30–34; Abdruck: Dokumentenanhang, Nr. 1]. Ehe und Familie, 8 S., Typoskript (DIN A 4). (Handschriftliche Notiz auf S. 1: „für eine Broschüre des Burckhardthauses-Verlages“ [sic!] [konnte nicht ermittelt werden]). [EZA BERLIN, 2/4347]. Eltern und Schule (Von dem Referenten selbst durchgesehener Auszug aus dem Vortrag „Eltern und Schule“, gehalten auf der Jahreshauptversammlung der „Landeselternvertretung schleswig-holsteinischer Gymnasien“ in Kiel am 29. Januar 1958), 7 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/004]. Erbe und Auftrag kultureller Arbeit in Schleswig-Holstein (Vortrag von Kultusminister Edo Osterloh auf dem Kulturkongreß der CDU Schleswig-Holsteins in Bad Bramstedt am 9. 11. 1960), 18 S., Typoskript (DIN A 4). (S. 1–9 = „Erbe und Auftrag kultureller Arbeit“ [1960]). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Wuermeling, I-221-022-CIII.3; Anlage zum Brief Osterlohs vom 12. 1. 1962]. Eröffnungsrede zum Vierten Deutschen Studententag Hamburg, 3.–6. Mai 1956, 6 S., Typoskript (DIN A 4). (vgl. Colloquium. Eine Deutsche Studentenzeitschrift 10, 1956, H. 6, S. 15) [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/004]. Geschichte und Gegenwartsaufgabe der Mittelschule in Schleswig-Holstein (Auszüge aus dem Vortrag Kultusminister Osterlohs auf dem Landesmittelschultag am 22. 9. 1956 in Schleswig), 3 S., Typoskript (DIN A 4). Das Haushaltsgeld der Familie und der „Kindersegen“, Bonn, 11. 5. 1955, 8 S., Typoskript (DIN A 4). (überwiegend identisch mit: „Erste Ergebnisse familienpolitischer Arbeit und weitere Ziele“ [1955]). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003].

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Hochschulpolitik in der Sicht eines CDU-Politikers, 3 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/005]. Johannes Bugenhagen. Rede, gehalten am 2. 11. 1958 in Ratzeburg, 12 S., Typoskript, (DIN A 4). Die Kulturarbeit in Schleswig-Holstein ohne Berücksichtigung von Schulen und Universität. Ansprache anläßlich der Einweihung des Volkshochschultraktes des Niederen Arsenals in Rendsburg am 8. 10. 1962, 20 Uhr, 6 S., Typoskript (DIN A 4). [LASH SCHLESWIG, 605/3272]. Leitsätze über die Predigt. Vortrag im Seminar am Quellenweg, 26. 4. 1946, 2 S., Typoskript (DIN A 4). [AELOKR OLDENBURG, A XXVI-31 III]. Dem Manne untertan!, 4 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Medizinische Akademie Lübeck, 4 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/005]. Not und Verheißung der Predigt im Gottesdienst der Gegenwart. Vortrag von Oberkirchenrat P. Osterloh-Holle bei Oldenburg, gehalten auf dem Mitarbeiterlehrgang im Anschluß an das 110. Jahresfest der Norddeutschen Missions-Gesellschaft in Bremen am 25. Juni 1946, 5 S., Typoskript (DIN A 4). [ZEKHN DARMSTADT, Best. 62, Akz.Nr. 677; LKA BIELEFELD, Best. 5.1, Nr. 646/1]. Die öffentliche Verantwortung des Christen. (Von der 4. Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Elbingerode 6.–10. 10. 1952), 9 S., Typoskript (DIN A 4). (Vorform von „Die Last dieser Synode“ [1952]). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Politische Entscheidungen und christlicher Glaube, 10. 5. 1955, 3 S., Typoskript (DIN A 4). (Handschriftliche Notiz: „Gen.-Anz. Groß-Oberhausen, Sonderausgabe“). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Politische Gegenwartsfragen im Lichte des Evangeliums, 22. 9. 1955, 38 S., Typoskript (DIN A 5). (handschriftliche Notiz: „Geschickt an ‚Kirche und Mann‘, 26. 9.“ [dort kein Abdruck]). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Rede auf dem Landesparteitag in Husum am 2./3. 7. 1962. In: Landesparteitag 1962 in Husum, Typoskript (DIN A 4) (ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006–026/031), S. 65–80 [S. 70–75 = 1 S.]. Rezension zu: Magdalene von Tiling: Der Unterricht im Neuen Testament auf der Unterund Mittelstufe, Berlin 1948, 2 S., Typoskript (DIN A 4). (Handschriftliche Notiz: 18. 3. [1950]). [EZA BERLIN, 2/3839]. Schwerpunkte evangelischer Elternarbeit heute als Aufgaben für einen Informationsdienst, 4 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Schwerpunkte der Kulturpolitik des Landes. Minister Osterloh am 11. Dezember 1957 in „Haus Rissen“, 14 S., Typoskript (DIN A 4). (Am 20. Januar 1958 vom Landesverband der CDU Schleswig-Holsteins als Wahlkampfmaterial an die Kreisvorsitzenden und Kreisgeschäftsführer verschickt; als „vertraulich“ gekennzeichnet). [ACDP ST. AUGUSTIN, Landesverband Schleswig-Holstein, III-006-060/009]. Schwerpunkte schleswig-holsteinischer Kulturpolitik in den nächsten Jahren (Vortrag auf

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Bibliographie Edo Osterloh

der Kulturpolitischen Arbeitstagung der CDU in Bad Bramstedt am 17. August 1962), Typoskript (DIN A 4), 21 S. (vgl. EvW 16, 1962, S. 553f ). [ACDP ST. AUGUSTIN, Dokumentensammlung, Kasten 100]. Theologischer Beitrag zur Diskussion über die Eherechtsreform im Zusammenhang mit der Angleichung des Eherechts an den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Vorbereitender Beitrag für die Beratungen der Eherechtskommission der EKD vom 8.–10. 9. 1951 im Christophorus-Stift in Hemer), 11 S., Typoskript (DIN A 4). [EZA BERLIN, 2/4345; Abdruck: Dokumentenanhang, Nr. 8]. Thesen für die Pressetagung am 9./10. 6. 1951 in Königswinter, Gruppe: Erziehung, 2 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Vom Abenteuerlichen des Elterntages, 2 S., Typoskript (DIN A 4). [EZA Berlin, 2/3777]. Warum müssen die Belange der Familie durch einen Minister in der Bundesregierung vertreten werden?, 9 S., Typoskript (DIN A 4) (Handschriftliche Notiz: „Südwestfunk, Sept. 54). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Warum sind die Christen in ihrem Gewissen oft so verschieden, besonders in der Politik?, Bonn, 13. 5. 1955, 5 S., Typoskript (DIN A 4). (Handschriftliche Notiz: „Für Min. Dr. Tillmanns“; mit Hinzufügungen zweier einleitender Absätze und eines abschließenden Absatzes sowie geringfügigen stilistischen Korrekturen identisch mit: TILLMANNS, Robert: Warum sind die Christen in ihrem Gewissen oft so verschieden, besonders in der Politik. In: Wir antworten. Männer und Frauen der evangelischen Kirche stehen jungen Menschen Rede und Antwort in Fragen des Glaubens, hg. von Richard Eckstein, München 1955, S. 108–113). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003]. Was ist eine Familie?, 1 S. [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262–006]. Was sagt uns Weihnachten heute noch?, 18. 12. 1961, 4 S. / 3 S. (2 Fassungen), Typoskript (DIN A 4). Weihnachten 1962, 12. 12. 1962, 6 S., Typoskript (DIN A 4). Wie sieht das kommende Europa aus? Vortrag auf der Schlußversammlung der „Flensburger Tage 1962“ am 27. 10. 1962 um 10 Uhr im Flensburger Stadttheater, 8 S., Typoskript (DIN A 4). [LASH SCHLESWIG, 605/3272]. Weltentstehung: Wissenschaft und Mythologie – Schöpfung: Glaube und Bibel, 6 S. Typoskript (DIN A 4). [LKA BIELEFELD, 5.1, 119]. Zur Lage der Exilkirchen, 17 S., Typoskript (DIN A 4). [ACDP ST. AUGUSTIN, NL Osterloh, I-262/003].

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Archivalische Quellen Karl Barth-Archiv, Basel (KBA Basel) – Briefwechsel Karl Barth Bundesarchiv Berlin (BA Berlin) – NSDAP-Gaukartei Evangelisches Zentralarchiv (EZA Berlin) Bestand 2: Kirchenkanzlei der EKD: – P 154: Personalakte Osterloh – 63: Rat der EKD, Sitzungsniederschriften II 1949 – 1347: Kammer für öffentliche Verantwortung III 1/1951–10/1952 – 1348: Kammer für öffentliche Verantwortung IV 10/1952–3/1953 – 1349: Kammer für öffentliche Verantwortung V 4/1953–12/1954 – 1350: Kammer für öffentliche Verantwortung VI 1955 – 1351: Kammer für öffentliche Verantwortung VII 1–9/1956 – 1754: Rat der EKD 9/1949–3/1951 – 1755: Rat der EKD 4/1951–12/1952 – 1792: Ratsprotokolle (Benutzerexemplar), 10.–17. Sitzung – 1793: Ratsprotokolle (Benutzerexemplar), 18.–24. Sitzung – 1794: Ratsprotokolle (Benutzerexemplar), 25.–29. Sitzung – 1795: Ratsprotokolle (Benutzerexemplar), 30.–36. Sitzung – 1844: Hausverfügungen 11/1949–7/1953 – 1934: Bekennende Kirche 1949–1951 – 2109: Evangelisch-Lutherische Kirche Oldenburg 6/1952–7/1953 – 2429: Evangelische Arbeitsgemeinschaft für öffentliche Verantwortung 1/1952–3/1960 – 2535: Kirche und politisches Leben – CDU – 2574: Kriegsdienstverweigerung 1950–1951 – 2575: Kriegsdienstverweigerung 1951–1952 – 2576: Kriegsdienstverweigerung 1952–1955 – 2666: Tagungen (Evangelische Akademien) 8/1949–2/1956 – 3060: Kirchliche Männerarbeit 1/1949–12/1951 – 3583: Schule, allgemein 12/1948–1/1950 – 3584: Schule, allgemein 2–8/1950 – 3585: Schule, allgemein 6/1950–6/1951 – 3586: Schule, allgemein 4–12/1951

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Quellen- und Literaturverzeichnis

– 3587: Schule, allgemein 1–12/1952 – 3588: Schule, allgemein 1/1953–9/1954 – 3640: Arbeitshilfe „Staat, Schule, Kirche und Elternschaft“ I – 3641: Arbeitshilfe „Staat, Schule, Kirche und Elternschaft“ II – 3642: Arbeitshilfe „Staat, Schule, Kirche und Elternschaft“ III – 3738: Schulreferenten 11/1949–9/1951 – 3739: Schulreferenten-Tagung in Berlin-Spandau 1953 – 3744: Schulreferenten-Tagung in Fulda 1950 – 3745: Schulreferenten-Tagung in Treysa 1951 – 3746: Schulreferenten-Tagung in Berlin-Spandau 1952 – 3777: 2. Evangelischer Elterntag – 3779: 3. Evangelischer Elterntag 8/1951–3/1952 – 3780: 3. Evangelischer Elterntag 4–9/1952 – 3794: Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Erzieher – 3839: Religionsunterricht an Schulen 12/1950–8/1951 – 3840: Religionsunterricht an Schulen 8–12/1951 – 4014: Militärseelsorge III 1/1951–4/1959 – 4039: Seelsorge im Dienstbereich der US-Armee 9/1950–10/1951 – 4040: Seelsorge im Dienstbereich der US-Armee 10/1951–10/1952 – 4041: Seelsorge im Dienstbereich der US-Armee 10/1952–12/1954 – 4096: Militärseelsorge, Ausschuss-Protokolle 10/1953–7/1954 – 4160: Displaced Persons, Allgemeines 4/1949–3/1951 – 4161: Displaced Persons, Allgemeines 4–7/1951 – 4162: Displaced Persons, Allgemeines 8/1951–12/1952 – 4214: Displaced Persons, Tagung in Imbshausen – 4215: Displaced Persons, Tagung in Ratzeburg 7–12/1951 – 4345: Ehesachen, Eherecht 3/1949–8/1951 – 4346: Ehesachen, Eherecht 9/1951–2/1952 – 4347: Ehesachen, Eherecht 3–8/1952 – 4348: Ehesachen, Eherecht 8–11/1952 Bestand 14: Konsistorium Berlin-Brandenburg: – 1614 Bestand 50: Archiv für die Geschichte des Kirchenkampfes: – 69: Abgabe Harder, Kirchliche Hochschulen, Synoden – 101: VKL, Allgemeine Angelegenheiten 1935: Korrespondenz, Denkschriften, Sitzungsberichte – 104: VKL, Urteile und Gutachten bei Kirchlichen Prozessen, Strafverfahren und Disziplinierungen 1934–1941 – 138: VKL, Theologiestudium und theologische Akademiker 1937–1941 – 467: K. Scharf: Kirchliches Lehramt und Theologiestudium 1935–1942 – 470: Kalendarium aus Amtskalendern W. Niesels vom 29. 5. 1934 – 5. 4. 1945 – 471: Kirchliche Hochschule WS 1935/36 – SS 1937 (Abschriften und Kopien aus dem Besitz Niesels) – 474: Original-Korrespondenz und Notizen K. Scharfs 1933–1941.1942–1943

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Bestand 71: Deutscher Evangelischer Kirchentag: – 86/76b – 86/82 Bestand 613: Nachlass Heinz Kloppenburg – 53: Schriftwechsel mit dem OKR und Pfarrern in Oldenburg 1949–1950 – 54: Oldenburger Bischofsamt 1952 – 55: Oldenburger Bischofsamt 1–5/1953 – 56: Oldenburger Bischofsamt 6–12/1953 u. 1955 – 57: Oldenburger Bischofsamt, Handakte 1949, 1951, 3/1952–2/1953 – 58: Oldenburger Bischofsamt, Abschriften – 59: Oldenburger Bischofsamt, Bericht des Ausschusses, fremde u. eigene Darstellungen – 60: Oldenburger Bischofsamt, Presseberichte 12/1952–8/1953 – 81: Taschenkalender 1945 Best. 619: Nachlass Wilhelm Niesel: – 14: Kirchliche Hochschule Berlin/Elberfeld 1935–1939 Hauptarchiv der von Bodelschwinghschen Anstalten, Bethel (HA Bethel) Best. 2: Theologische Schule, Allgemeines: – 41–10a: 1934–1935 – 41–29: Neuanfang 1945–1948 – 41–40: Sitzungsprotokolle 1928–1940 – 41–43: Kuratorium, Geschäftsführender Ausschuss u. dergl. 1945–1960 – 41–62: Personal- und Gehaltssachen 1929–1940 Landeskirchliches Archiv Bielefeld (LKA Bielefeld) Bestand 5.1: Kirchenkampfsammlung: – 115: Kirchliche Hochschule und Fakultäten – 119: Theologiestudentenamt der EKdAPU: Rundschreiben, Briefwechsel u. a. – 122: Material Helmut Gollwitzers zur Frage der Legalisierung – 199/1: Oldenburg II,1 – 199/2: Oldenburg II,2 – 200/2: Oldenburg III,2 – 223/3: Schlesien III – 310: Hans Asmussen – 642/2: Sammlung Middendorff: Kirchenkampf – 646/1: Sammlung Middendorff: Kirchengeschichte, EKD 1945–1947 – 785/2: Sammlung Hermann Hesse: Bekennende Kirche, BK-Synoden der DEK – 822/2: Landeskirchen: Oldenburg I – 822/3: Landeskirchen: Oldenburg II – 909/5: Private Korrespondenz OKR Kloppenburg M–O – 910/6: Junge Kirche: Schriftwechsel Kloppenburg M–O Privatarchiv Hermann Kunst (†) (Bonn) – Briefwechsel Osterloh - Kunst (1957–1964)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (ZEKHN Darmstadt) Best. 62: Privatdienstliches Schriftgut D. Martin Niemöller: – Akz.-Nr. 677: Briefwechsel Niemöller-Osterloh Landeskirchliches Archiv Hannover (LKA Hannover) – D 15 V, Nr. 10 – L2, Nr. 4a), II,1 – N 60 (Erich Ruppel), Nr. 374 (Kronberger Kreis) Bundesarchiv Koblenz (BA Koblenz) B 106: Bundesministerium des Innern: – 1073: Konferenz der Kultusminister I – 1074: Konferenz der Kultusminister II – 1700: Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen – 1703: Förderungsmaßnahmen für Schüler aus der SBZ – 21344: Konferenz der Kultusminister III – 55164: Geschäftsverteilungspläne B 153: Bundesministerium für Familie und Jugend: – 2: Persönlicher Referent des Ministers/Staatssekretär II – 397: Hausverfügungen – 405: Tätigkeitsberichte – 692: Errichtung eines wissenschaftlichen Instituts für Familienfragen – 735: Gesetz über die Gewährung von Kindergeld III – 736: Gesetz über die Gewährung von Kindergeld IV – 791: Familienpolitik und Steuerreform – 812: Stellungnahmen und Reaktionen auf die Denkschrift zum Familienlastenausgleich – 2709: Kabinettsvorlagen II N 1439: Nachlass Otto Dibelius: – 8: Briefwechsel Hessisches Staatsarchiv Marburg (Hess. StA Marburg) – 305a, Acc. 1959/09, Nr. 805 – 305a, Acc. 1963/13, Nr. 100, Nr. 105 Landeskirchliches Archiv Nürnberg (LKA Nürnberg) Best. Nr. 101: Personen, XVIII, Familienarchiv Stählin: – Nr. 121: Kirchliche Lage in Oldenburg Archiv der Bekenntnis-Synode Oldenburgs (ABS Oldenburg) – – – – –

I.A.7: Lutherischer Rat V.01, Bd. 2/2: Theologischer Briefwechsel G–S V.03. B 02: Korrespondenz mit Brüdern im Feld H–P V.10.1: Korrespondenz mit dem Reichsgebiet A–Z V.10.3: Korrespondenz Kloppenburg J–S

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Archiv des Evangelisch-Lutherischen Oberkirchenrats Oldenburg (AELOKR Oldenburg) Best. A III: Oberkirchenrat: – 3: Die Verteilung der Geschäfte unter die Mitglieder des Oberkirchenrats 1849–1955 – 7-1a: Bischof Stählin – 7-1a: Bischof Stählin, Handakte „Mil.-Reg.“ – 7-7a: Ernennung des Kreispfarrers Chemnitz zum nebenamtlichen Mitglied des Oberkirchenrats – 7-8: Das hauptamtliche Mitglied des Oberkirchenrats OKR Dr. Müller-Jürgens – 27: Wahlen zum Oberkirchenrat – 37-2: Sitzungsbeschlüsse des Oberkirchenrats II – 37-3: Sitzungsbeschlüsse des Oberkirchenrats III – 37-5: Sitzungsbeschlüsse des Oberkirchenrats V – 53: Bischofsstreit – 55: Bischofsstreit Best. A IV: Landessynode: – 45: Einberufung einer außerordentlichen (32.) Landessynode 1945–1947 Best. A XIII: Kinderlehre/Religionsunterricht: – 4.3: Religionsunterricht in den Volksschulen 1941–1957 – 4.4: Religionsunterricht in den Volksschulen/Christliche Unterweisung 1945–1957 – 10: Lehrkräfte für den Religionsunterricht 1945–1949 Best. A XIV: Schulwesen: – 25: Christliche Unterweisung (Einsichtnahmen) – 26/I: Lehrkräfte für die Christliche Unterweisung I Best. A LVI: Überregionales: – 126: Stellung der Kirche zu politischen und wirtschaftlichen Fragen 1933–1950 Best. B XXVIII: Prüfungen, Personalien der Kandidaten, Pfarrer: – 28: Anerkennung der Hilfsprediger der BK – 30: Theologische Schule in Bethel 1945–1956 Best. B XXIXa: Personalakten: – 513–5, Pers.-Nr. 140: Personal-Akte Osterloh Best. C XXXV: Gemeinde Holle: – 39: Akte betr. Wiederbesetzung der Pfarrstelle nach dem Tode des Pfarrers Rathe durch den Pastor Osterloh, Berlin – 40: Akte betr. die Verwaltung der Pfarrstelle nach der Ernennung des Pfarrers Osterloh zum Oberkirchenrat durch den Hilfsprediger Jacoby in Holle Nachlass Dr. Hans Schmidt, Handakten: – 1: Schule, allgemein – 3: Schule und Kirche – 4: Schule und Kirche – 6: Bekenntnisschulwesen – 8: Christliche Unterweisung – 15: Pädagogische Akademie

612 – – – – –

Quellen- und Literaturverzeichnis

19: Schulreferenten-Tagungen 21: Kreisbeauftragte für Christliche Unterweisung 35: Landesbruderrat 36: Ahlhorner Gespräche mit Bischof Stählin 38: Vorgänge um die Bischofswahl

Niedersächsisches Staatsarchiv, Abt. Oldenburg (NdsStA Oldenburg) Best. 134: Ministerium für Kirchen und Schulen: – 21: Mitglieder des Oberkirchenrats – 280: Pfarramt in Holle – 1194: Religionsunterricht an Schulen Privatbesitz Gertrud Osterloh (Ratzeburg) – Brief Edo Osterlohs an seine Frau vom 10.10.1944 Schleswig-Holsteinisches Landesarchiv (LASH Schleswig) Best. 605: Staatskanzlei: – Kabinettsprotokolle, Nr. 11–22 – 605/350: Organisationsgutachten über Dienststellen im Kultusministerium 1956/57 – 605/515: Staatskirchenvertrag I – 605/516: Staatskirchenvertrag II – 605/884: Gesetzesvorlagen – 1992, 15: Personalakte Osterloh – 605/3272: Presseberichterstattung Kultusministerium – 605/3274: Presseberichterstattung zum Fall Heyde/Sawade – 605/3347: „Frankfurter Rundschau“ zum Fall Heyde/Sawade u. a. – 605/3588: Regierungserklärungen Ministerpräsident von Hassel – 605/6307: Presse zum Tode von Kultusminister Osterloh Best. 811: Kultusministerium: – 3989: Schulunterhaltungs- und Schulverwaltungsgesetz I – 4188: Schulunterhaltungs- und Schulverwaltungsgesetz II – 4231: Religionsunterricht Archiv für christlich-demokratische Politik der Konrad Adenauer-Stiftung (ACDP St. Augustin) Dokumentensammlung, Kasten 100 – Edo Osterloh Best. I-157: Nachlass Kai-Uwe von Hassel: – 012/1: Akte T (1962) – 013/2: Akte T (1960–61) – 036/3: Korrespondenz H–K (auch: Landtagswahl 1959) – 042/2: Korrespondenz O–R 1956–1974 – 044/4: Aufnahme Erich Raeders als Ehrenmitglied in den Deutschen Marinebund 1956 Best. I-191: Nachlass Alfred Gramsch: – 003/1: Untersuchungsausschuss unter Bischof Haug

Quellen- und Literaturverzeichnis

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– 003/2: Briefwechsel – 004/1: Briefwechsel – 004/2: Briefwechsel Best. I-221: Nachlass Franz-Josef Wuermeling: – 004/2: Familienministerium, Presseberichterstattung Oktober – Dezember 1953 – 004/3: Familienministerium, Presseberichterstattung Januar – April 1954 – 005: Familienministerium, Presseberichterstattung Mai – Dezember 1954 – 017: Reden und Aufsätze zur Familienpolitik – 022-CIII.3: Briefwechsel, u. a. mit Edo Osterloh Best. I-262: Nachlass Edo Osterloh: – 001: Persönliches: Lebenslauf, Nachrufe, Tagebücher 1958–1961 [= Verzeichnis von Wahlkampfauftritten] – 002: Reden und Aufsätze 1949–1955: Evangelische Theologie, Christliche Politik, Schulpolitik, Familienpolitik – 003: Reden und Aufsätze 1951/52: Christliche Erziehung, Evangelische Kirche – 004: Reden und Aufsätze 1956–1959 – 005: Reden und Aufsätze 1960–1964 – 006: Presseberichte über Tätigkeit als Kultusminister von Schleswig-Holstein Best. I-483: Nachlass Gerhard Schröder: – 052/1: EAK Bundestagung Hamburg 1961 – 053/3: EAK Bundestagungen Siegen, Hannover, Kassel – 054/1: EAK Korrespondenz A–Z – 054/2: EAK Korrespondenz betr. Schriftleitung „Evangelische Verantwortung“ 055/2: EAK Vorstand, Bundesarbeitskreis – 105/1: Korrespondenz M–R 1954–1961 – 198/4: Hermann-Ehlers-Stiftung – 288/1: Briefwechsel Bundespräsident, Bundeskanzler, u. a. Best. III-006: Landesverband Schleswig-Holstein: – 016/005: Landesparteitag Rendsburg 1956, Akte I – 017/007: Landesparteitag Rendsburg 1956, Entschließung und Protokoll der Arbeitsgruppe I – 018: Landesparteitag Kiel 1957, Akte I – 019: Landesparteitag Kiel 1957, Akte II – 020: Landesparteitag Rendsburg 1958 – 021: Landesparteitag Bad Schwartau 1959 – 022: Landesparteitag Mölln 1960, Akte I–III – 023: Landesparteitag Mölln 1960, Akte IV-VI – 024: Außerordentlicher Landesparteitag Heide 1960 – 025: Landesparteitag Rendsburg 1961 – 026: Landesparteitag Husum 1962 – 027: Landesparteitag Bad Segeberg 1963 – 062: Landtagswahl 1958 – 063/014: Landtagswahl 1958, Rednereinsatz, u. a. Osterloh

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Quellen- und Literaturverzeichnis

– 065/018: Landtagswahl 1962 – 066/022: Landtagswahl 1963, Rednereinsatz, u. a. Osterloh – 091/008: EAK Schleswig-Holstein, 1963–1970 Best. IV-001: Evangelischer Arbeitskreis: – 002/1: Bundesarbeitskreis, Sitzungen 1952–1959 – 002/2: Bundesarbeitskreis, Sitzungen 1960–1963 – 003/2: Bundesarbeitskreis, Ordnung – 005/2: Landesarbeitskreise N–Z – 008/3: 3. Bundestagung Wuppertal 1954 – 009/1: 4. Bundestagung Worms 1955 – 010/2: 5. Bundestagung Berlin 1956 – 012/2: 8. Bundestagung Mannheim 1960 – 026/2: Bundesgeschäftsstelle, Korrespondenz 1959 Best. IV-008: Junge Union Schleswig-Holstein Universitätsbibliothek Tübingen (UB TÜBINGEN) – Nachlass Rudolf Bultmann, Nr. 1322: Briefe von Edo Osterloh Lothar Meyer-Gymnasium, Varel – Stammliste der Städt. Oberrealschule Varel, Nr. 1279 – Reifezeugnis Edo Osterloh vom 27.2.1928 Nachlaß Dr. Hans Schmidt (Privatbesitz Rüdiger Schmidt, Varel) – Bericht über den Besuch von Ministerpräsident Hellwege bei uns im Hause am 26.8.1955

2. Mündliche und schriftliche Auskünfte Gespräche Irmela u. Hartmut Jacoby, Pfr. i. R., 4. 4. 1996 (Oldenburg) Sieghild Jungklaus, Oberkirchenrätin i. R., 23. 9. 1996 (Berlin-Spandau) Hermann Kunst (†), Dr. theol. D. DD., Altbischof, 23. 9.1997 (Bonn) Heidi Leonhardt, 3. 5. 1996 (Wuppertal) Martha-Maria Lindemann, MinRätin i. R., Mitarbeiterin im schleswig-holsteinischen Kultusministerium, 18. 3. 1998 (Kiel) Gertrud Osterloh, 5./6. 2. 1996 u. 3. 6. 1999 (Ratzeburg) Dr. Jürgen Scheel, Ministerialdirigent a. D., Persönlicher Referent Osterlohs, 18. 3. 1998 (Kiel) Rüdiger Schmidt, Pfr. i. R., 18. 1. 1998 (Varel) Gerhard Stoltenberg (†), Dr. phil., Bundesminister a. D., 7. 5. 1998 (Bonn) Walter Zulauf, Oberstudiendirektor, 19. 7. 1999 (Varel)

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Briefliche/telefonische Auskünfte Marie Bayer, Telefonat vom 19. 5. 1996 Marius Böger, Studienstiftung des Deutschen Volkes, Brief vom 7. 11. 1997 Bundesarchiv Berlin, Brief vom 11. 7. 2001 Deutsche Dienststelle (Wehrmachtsauskunftsstelle [WASt]) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, Brief vom 18. 10. 2001 Hansgeorg Hootz, Brief vom 14. 8. 1996 Helene Kohlwes, Telefonat vom 29. 4. 1996; Brief vom 3. 5. 1996 Siegfried Lange, Brief vom 24. 8. 1996 Wolfgang Lehmann, Telefonat vom 5. 4. 1996 Heidi Leonhardt, Telefonat vom 28. 4. 1996 Dr. Hartmut Ludwig, Brief vom 20. 3. 1996 Dr. G.A. Nogler, Universitätsarchiv Zürich, Brief vom 10. 8. 1998 Gertrud Osterloh, Briefe vom 11. 1., 12. 2., 26. 2. u. 12. 5. 1996 Dr. Helmut Schirmer, Oldenburg, Telefonat vom April 2003 Prof. Dr. Hartwig Thyen, Brief vom 2. 3. 1996 Dr. Wilhelm Wachholtz, Escola Superior de Teologia in São Leopoldo (Brasilien), E-mails vom 5. u. 16. 12. 2003 Dr. Erich Weingardt, Brief vom 19. 7. 1996

3. Veröffentlichte Quellen und Literatur ABELSHAUSER, Werner: Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder. Deutschlands wirtschaftliche Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg und die Folgen für die Nachkriegszeit. In: VZG 47, 1999, S. 503–538. –, Der Lastenausgleich und die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge. Eine Skizze. In: Flüchtlinge und Vertriebene in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte. Hg. von Reinhard Schulze u. a. Hildesheim 1987, S. 229–238. ABRATH, Gottfried: Subjekt und Milieu im NS-Staat. Die Tagebücher des Pfarrers Hermann Klugkist Hesse 1936–1939. Analyse und Dokumentation (AKIZ. B 21). Göttingen 1994. ADAM, Gottfried: Oskar Hammelsbeck (1899–1975). in: Klassiker der Religionspädagogik. Hg. von Henning Schröer und Dietrich Zilleßen. Frankfurt a. M. 1989, S. 236–249. ADENAUER: „ES MUSSTE ALLES NEU GEMACHT WERDEN“. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1950–1953. Bearb. von Günter Buchstab (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte. 8). Stuttgart 21986. ADENAUER: „STETIGKEIT IN DER POLITIK“. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1961– 1965. Bearb. von Günter Buchstab (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte. 32). Düsseldorf 1998. ADENAUER: „… UM DEN FRIEDEN ZU GEWINNEN“. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1957–1961. Bearb. von Günter Buchstab (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte. 24). Düsseldorf 1994.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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–, Art. „Redeker, Martin“. In: BBKL 16, 1999, Sp. 1317–1329. WOLFRUM, Edgar: Die Bundesrepublik Deutschland 1949–1990 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. 23). 10., völlig neu bearbeitete Aufl. Stuttgart 2005. –, Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland anhand von Biographien. Heinrich Lübke, Carlo Schmid, Thomas Dehler, Franz Josef Strauß, Ludwig Erhard. In: ZfG 46, 1998, S. 40–54. WOLGAST, Eike: Nationalsozialistische Hochschulpolitik und die evangelisch-theologischen Fakultäten. In: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 45–79. –, Die Wahrnehmung des Dritten Reiches in der unmittelbaren Nachkriegszeit (1945/46) (Schriften der Philosophisch-Historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 22). Heidelberg 2001. WUERMELING, Franz-Josef: Erstaunliches Erstaunen. In: Deutschland-Union-Dienst, Nr. 4, 5. 1. 1962. –, Der Familienlastenausgleich. Erwägungen zur gesetzgeberischen Verwirklichung. Eine Denkschrift des Bundesministers für Familienfragen. Bonn 1955. –, Um den Familienlastenausgleich. In: Die neue Ordnung 10, 1956, S. 257–267. WULF, Peter: „Sammlung rechts von der Sozialdemokratie“. Geschichte der CDU in Schleswig-Holstein 1945/46. In: ZGSHG 126, 2001, S. 119–156. ZAHRNT, Heinz: Gott macht es uns nicht leicht. Zum Tode Edo Osterlohs. In: Sbl., Nr. 10, 8. 3. 1964, S. 2. ZEIDLER, Manfred, Kriegsende im Osten. Die Rote Armee und die Besetzung Deutschlands östlich von Oder und Neiße 1944/45. München 1996. ZEITANSAGE. 40 Jahre Deutscher Evangelischer Kirchentag. Hg. von Rüdiger Runge und Christian Krause im Auftrag des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Stuttgart 1989. ZOCHER, Peter: Die Neuordnung der ev.-luth. Landeskirche in Oldenburg in der Nachkriegszeit (Oldenburger Studien. Bd. 37). Oldenburg 1995. ZUM LEHRERMANGEL AN DEN GYMNASIEN IN SCHLESWIG-HOLSTEIN 1957–1967. Dokumentation. Zusammengestellt von Wolfgang Hubrich. Kiel 1967. ZWEITE FREIE REFORMIERTE SYNODE IN SIEGEN VOM 26. BIS 28. MÄRZ 1935. Im Auftrage des Synodalvorstandes hg. von Karl Immer. Wuppertal 1935. 30 JAHRE STAATSKIRCHENVERTRAG – 10 JAHRE EV.-LUTH. NORDELBISCHE KIRCHE. Eine Dokumentation. Hg. von Klaus Blaschke und Hans-Joachim Ramm (SVSHKG. 38). Neumünster 1992. 50 JAHRE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND. Daten und Diskussionen. Hg. von Eckart Conze und Gabriele Metzler. Stuttgart 1999. 150 JAHRE OLDENBURGISCHE KIRCHENVERFASSUNG. In Verbindung mit Günther Raschen hg. von Rolf Schäfer. Oldenburg 1999.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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4. Zeitschriften/Zeitungen/Periodika/Nachrichtenagenturen Aufgenommen sind um einer größeren Übersichtlichkeit willen nur bedeutendere, in der Regel mehrfach herangezogene Organe. Zu den Periodika, die allein deshalb eine Rolle spielen, weil Osterloh in ihnen einen oder mehrere Texte veröffentlicht hat, sei auf die Bibliographie verwiesen, zu lokalen oder regionalen Blättern, die wegen der Berichterstattung etwa über einen bestimmten Vortrag Osterlohs oder die Umstände seines Todes herangezogen wurden, auf die diesbezüglichen Fußnoten. Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung (AELKZ), 1933ff. Bild-Zeitung Christ und Welt (ChrWelt) Deutsche Kommentare, Stuttgart/Berlin deutsche Presseagentur (dpa) Deutsche Zeitung, Stuttgart/Köln Deutschland-Union-Dienst (DUD) Echo der Zeit, Recklinghausen Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung (ELKZ), München 1947ff. Evangelische Verantwortung. Politische Briefe des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/ CSU (EvV), Bonn 1953ff. Evangelische Welt. Informationsblatt für die Evangelische Kirche in Deutschland (EvW), Bielefeld 1947ff. evangelischer Pressedienst. Zentralausgabe (epd) Flensburger Tageblatt Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Frankfurter Rundschau (FR) freie demokratische korrespondenz (fdk) General-Anzeiger, Bonn Informationsblatt für die Gemeinden in den niederdeutschen lutherischen Landeskirchen (INLL), Hamburg 1952–1961 Informationsdienst der Landesregierung Schleswig-Holstein, Kiel 1956ff. Junge Kirche (JK), 1933ff. Kieler Nachrichten Kirche und Mann. Monatszeitung für Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1948ff. Kirchliche Informationen für Schleswig-Holstein, Ausgabe A, 1957 katholische nachrichten agentur (kna)-Informationsdienst Oldenburger Sonntagsblatt (OlSbl.), 1946ff. Das Parlament, Bonn 1951ff. Politisch-Parlamentarischer-Pressedienst (PPP) Radius. Vierteljahresschrift der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland, 1956– 1964.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Reformierte Kirchenzeitung (RKZ), 1933ff. Rheinischer Merkur Die Sammlung. Zeitschrift für Kultur und Erziehung, 1946ff. Schule und Leben, München 1949/50ff. Sonntagsblatt, hrsg. v. Hanns Lilje (Sbl.), Hannover/Hamburg 1948–2000 (1967–1994 und 1997–2000: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt; 1995–1997: Das Sonntagsblatt) Der Spiegel Der Stern Süddeutsche Zeitung, München Der Tagesspiegel, Berlin Volkszeitung (VZ) – Kieler Morgenzeitung Die Welt, Hamburg Welt am Sonntag (WamS) Die Zeit

Abkürzungen

Die Abkürzungen theologischer Literatur richten sich nach: SCHWERTNER, Siegfried M.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 21992. Darüber hinaus wird verwendet: AKIZ APuZ ESuG EvV EvW FAZ FR GEW GVbl. HBSZ KGVbl. OJb OlSbl. Protestchronik PSK Sbl.

SchlHA

WamS ZPT

Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte. A: Quellen; B: Darstellungen Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Bonn 1953ff Elternhaus, Schule und Gemeinde Evangelische Verantwortung, Bonn 1953ff Evangelische Welt, Bethel 1947ff Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Rundschau Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften Gesetz- und Verordnungsblatt Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt Oldenburger Jahrbuch, Oldenburg 1892ff Oldenburger Sonntagsblatt, Oldenburg 1946ff Kraushaar, Wolfgang, Die Protestchronik 1949–1959. Politisch-Soziale Korrespondenz, Organ der Gemeinschaft für christlichsoziale Schulung und Meinungsbildung e.V., Bonn 1(1952)ff Sonntagsblatt (1967–1994 u. 1997–2000: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt; 1995–1997: Das Sonntagsblatt), Hannover (später Hamburg) 1948–2000 Schleswig-Holsteinische Anzeigen. Justizministerialblatt für SchleswigHolstein, hrsg. von dem Landesminister der Justiz für Schleswig-Holstein in Kiel Welt am Sonntag Zeitschrift für Pädagogik und Theologie. Der Evangelische Erzieher, Frankfurt a. M. 1998ff (bis 1997: EvErz)

Die sonstigen Abkürzungen richten sich nach den im Duden gebräuchlichen Regeln oder sind im Text hinlänglich erklärt. Besonders hingewiesen sei an dieser Stelle auf die Abkürzung DP, die hier wie in der einschlägigen Fachliteratur doppelte Verwendung findet (1. Deutsche Partei; 2. Displaced Person). Aus dem jeweiligen Kontext geht eindeutig hervor, welche der beiden Bedeutungen gemeint ist.

Personenregister / Biographische Angaben

Bei Personen, deren Lebensabriss sich dort findet, wird am Ende des Biogramms verwiesen auf: PERSONENLEXIKON ZUM DEUTSCHEN PROTESTANTISMUS 1919–1949, zusammengestellt und bearb. von Hannolore Braun und Gertraud Grünzinger (AKiZ. A 12), Göttingen 2006. ADENAUER, Konrad, Dr. h.c. mult. 15, 144, 249, 265, 280, 295, 303, 305–309, 312, 320, 322ff., 326, 331, 348, 356ff., 360f., 363, 365, 378, 386f., 389–394, 484ff., 488f., 491–496, 505, 507f., 513, 519, 521, 530, 532, 545, 549 geb. 5. 1. 1876 Köln, gest. 19. 4. 1967 Rhöndorf b. Bonn, 1917–1933 Oberbürgermeister Köln, 1920–1933 Mitglied und Präsident des Preußischen Staatsrates, 1944 verhaftet, 1945 Oberbürgermeister Köln, Gründungs- und Vorstandsmitglied der Christlich-Demokratischen Partei des Rheinlands, CDU-Vors. des Landesverbandes Rheinland, 1946 Vors. der CDU in der brit. Besatzungszone, MdL (CDU) NRW und CDU-Fraktionsvors., 1947 Vors. der Fraktionsgemeinschaft der CDU/CSU, 1948/49 Präsident des Parlamentarischen Rates, 1949–1967 MdB, 1949–1963 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (1951–1955 auch Außenminister), 1950–1966 Bundesvors. der CDU. AHLERS, Conrad 493 geb. 8. 11. 1922 Hamburg, gest. 19. 12. 1980 Bonn, 1962 als Redakteur des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ im Zuge der „Spiegel-Affäre“ verhaftet, 1969–1972 beamteter Staatssekretär, Regierungssprecher, Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 1972–1980 MdB (SPD), 1980 Intendant der Deutschen Welle. AHLHORN, Gustav 46 geb. 23. 8. 1886 Oldenburg, gest. 11. 1. 1971 Bad Sooden-Allendorf, 1921–1934 Mitglied Oberkirchenrat LK Oldenburg, 1945 Oberkirchenrat, 1946–1952 Präsident des Landeskirchenamtes Hannover. [Personenlexikon, S. 18] AHLHORN, Walther 133, 136 geb. 20. 1. 1879, gest. 20. 1. 1961, höherer Verwaltungsbeamter in Deutsch-Südwestafrika, Bezirksamtmann, 1945–1951 Präsident der Landessynode LK Oldenburg. ALBERS, Johannes 531 geb. 8. 3. 1890 Mönchengladbach, gest. 8. 3. 1963 Köln, 1919–1933 Sekretär der Christlichen Gewerkschaften Köln, 1924–1931 und 1945–1948 Stadtverordneter Köln, 1927 stellv. Vors. des Zentrum Köln, 1945 Mitbegründer und Vors. CDU Köln, 1946 Leitung der Programmkommission des CDU-Landesverbands Rheinland, 1946–1950 MdL NRW, 1949–1957 MdB, seit 1951 stellv. Vors. der CDU Fraktion, Mitbegründer und 1958–1963 Vors. der CDU-Sozialausschüsse.

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Personenregister / Biographische Angaben

ALBERTZ, Martin, Lic. theol., D. 48ff., 59, 62, 65f., 75, 88, 226, 575 geb. 7. 5. 1883 Halle/Saale, gest. 29. 12. 1956 Berlin, ref. Theologe, Universitätslehrer (ref. Theologie), 1931–1953 Pfr. und Superintendent Berlin-Spandau, 1935–1941 Dozent Kirchliche Hochschule Berlin und Leiter des Theologischen Prüfungsamtes der BK in Berlin-Brandenburg, 1945 Prof. Kirchliche Hochschule Berlin (zuletzt dort Rektor). [Personenlexikon, S. 19] ALTHAUS, Paul, Lic. theol., D. DD. theol., Dr. jur. h.c. 503 geb. 4. 2. 1888 Obershagen bei Celle, gest. 18. 5. 1966 Erlangen, luth. Theologe, Universitätslehrer (ST, Dogmatik, NT-Exegese, Lutherforschung), 1925–1945 und 1948–1956 o. Prof. für Dogmatik, seit 1931 für Systematische Theologie und Neues Testament Erlangen. [Personenlexikon, S. 20] AMELUNG, Eberhard, Dr. theol. 503 geb. 7. 7. 1926 Königsstein/Ts., Theologe, Universitätslehrer (Sozialethik), 1961 Oberassistent Marburg, zugleich ab 1962 Redaktion der „Evangelischen Verantwortung“, 1971 o. Prof. Marburg, 1975 München (Bundeswehr-Universität). ANDRÄ, Hermann 76 geb. 1914, gef. im Zweiten Weltkrieg, Theologiestudium in Berlin, 1937 Relegation von der Universität Berlin. ANZ, Siegfried 74, 76 geb. 1915, gef. im Zweiten Weltkrieg, Theologiestudium in Berlin, 1937 Relegation von der Universität Berlin, 1940 kurzzeitig Assistent Osterlohs an der Kirchlichen Hochschule Berlin. ARNDT, Adolf, Dr. jur. 520, 522ff., 529, 547f. geb. 12. 3. 1904 Königsberg, gest. 13. 2. 1974 Kassel, 1949–1969 MdB (SPD), 1956–1964 Mitglied des Parteivorstands und Vors. des Rechtspolitischen Ausschusses der SPD, 1963/64 Berliner Senator für Kunst und Wissenschaften. ARNDT, Martin 74 1934/35 Vikar in der Geschäftsstelle der BK Berlin-Brandenburg, Assistent Osterlohs an der Kirchlichen Hochschule Berlin. ARNHEIM, Friedel (Frieda) 65 23. 2. 1909 Berlin, gest. Januar 1942 bei Riga, 1938–1940/41 Sekretärin im Lehr- und Prüfungsamt der Kirchlichen Hochschule Berlin, 1941 inhaftiert, nach Lettland deportiert und im Wald von Riga ermordet. ARNIM-LÜTZLOW, Wilhelm Freiherr von 555 geb. 27. 2. 1879 Gut Züsedom, Kreis Angermünde, gest. 23. 11. 1943 Berlin (Luftangriff ), Presbyter und Mitglied der BK, 1934 Mitglied des Provinzialbruderrats BerlinBrandenburg (nach 1935: Brandenburg). [Personenlexikon, S. 22] ARNOLD 518 Amtsgerichtsrat, 1953 Teilnehmer Dt. Ev. Kirchentag Hamburg. ARNOLD, Karl, Dr. ing. h.c. 495 geb. 21. 3. 1901 Herlishöfen/Württ., gest. 29. 6. 1958 Düsseldorf, seit 1920 Funktionär in der christlichen Arbeiterbewegung, 1929 Stadtverordneter Düsseldorf (Zentrum), 1944 inhaftiert, 1945 Gründung und Vors. der Christlich Demokratischen Partei (CDP) Düsseldorf, Gründung und Vors. der Einheitsgewerkschaft Düsseldorf, 1946

Personenregister / Biographische Angaben

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Oberbürgermeister Düsseldorf, Lizenzträger der „Rheinischen Post“, stellv. Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen, 1947–1956 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, 1949 erster Bundesratspräsident, 1956 Vors. Landespräsidium der CDU Nordrhein-Westfalens, stellv. Bundesvorsitzender der CDU, 1957 MdB, 1958 Bundesvors. der CDU-Sozialausschüsse. ASBACH, Hans-Adolf 435f. geb. 18. 9. 1904 Demmin, gest. 31. 3. 1976 Eutin, Jurist, 1934 Mitarbeiter für Arbeitsrecht bei der Deutschen Arbeitsfront, 1939 Sozialamtsleiter Stettin, 1940 Referent in der Regierung, 1941–1945 Kreishauptmann für vier Landkreise des Generalgouvernements, 1945 Berufsverbot, 1948 Gesellenprüfung als Maurer, 1950 Mitgründer und Mitglied des Landesvorstands des GB/BHE, 1950–1962 MdL Schleswig-Holstein, 1950/51 Minister für Soziales, Arbeit und Flüchtlingsfragen, 1951–1957 Minister für Arbeit, Soziales und Vertriebene, 1954–1957 stellv. Ministerpräsident in SchleswigHolstein, 1954 Landesvors. GB/BHE, 1957 Rücktritt wegen des Vorwurfes der Protektion ehemaliger NSDAP-, SA- und SS-Mitglieder in seinem Ministerium, 1958–1961 stellv. Vors. des Landtagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. ASMUSSEN, Hans, D. DD. 18, 45f., 48, 52f., 55, 57, 59ff., 63f., 66, 75, 83, 92, 108, 110ff., 115–119, 135, 144, 154, 201, 204, 221, 228, 300, 413, 503, 517, 543, 555, 557, 559–575 geb. 21. 8. 1898 Flensburg, gest. 30. 12. 1968 Speyer, luth. Theologe, kirchlicher Doz. (PT, AT), 1932–1934 Pfr. in Altona, Vorkämpfer der BK, 1935–1937 erster Leiter der Kirchlichen Hochschule Berlin, dort bis 1941 Dozent, 1945–1948 Präsident der Kirchenkanzlei der EKD in Schwäbisch Gmünd. [Personenlexikon, S. 22f.] ASSMANN, Dr. 418 Prof., 1960 Leiter der Abt. 4 im Kultusministerium Schleswig-Holstein. BACH, Arthur 248 geb. 1900, gest. 1968, Lehrer, 1933 Mitgl. BK und Bruderrat Hamborn, 1946 Mitgl. Schulkammer LK Rheinland, 1950 Mitbegründer Gemeinschaft ev. Erzieher, 1952 und 1964–1966 Vors. Arbeitsgemeinschaft ev. Erzieher in Deutschland, 1956 Landeskirchenrat Schulabteilung des rheinischen Landeskirchenamtes, 1957 Geschäftsführender Vors. Comenius-Institut. BACH, Ernst 388 geb. 19. 9. 1902 Castrop-Rauxel, gest. 13. 3. 1965 Siegen, Politiker, 1929–1933 Mitglied des Stadtrates Siegen (DNVP), 1945 Mitbegründer der CDU in Siegen, Fraktionsvors. Stadtrat Siegen, 1948–1956 Oberbürgermeister Siegen, 1958–1965 MdL Nordrhein-Westfalen, 1950–1960 Bundesschatzmeister CDU, 1952 Mitinitiator der Gründung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (1. Tagung in Siegen). BAGGE, Ernst Rudolf, Dr. rer. nat. 464 geb. 30. 5. 1912 Neustadt bei Coburg, gest. 5. 6. 1996, Kernphysiker, im Zweiten Weltkrieg Mitarb. Kaiser-Wilhelm-Institut, Mitarb. am deutschen „Uranprojekt“, 1945 einer von zehn in Farm Hall (England) internierten dt. Physikern, 1948 ao. Prof. Universität Hamburg, 1956 Mitbegründer Ges. für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt GmbH Geesthacht, 1957 Leiter Institut für reine und angewandte Kernphysik Universität Kiel.

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Personenregister / Biographische Angaben

BALKE, Siegfried, Dr. ing. 488 geb. 1. 6. 1902 Bochum, gest. 11. 6. 1984 München, Chemiker, Universitätslehrer, Politiker, 1920–1924 Studium der Chemie, 1925 Promotion, 1925–1952 Tätigkeit als Chemiker in verschiedenen Firmen, 1952 Eintritt in das Direktorium der Wacker-Chemie GmbH, 1953–1956 Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, 1954 Eintritt in die CSU, seit 1956 Hon.-Prof. für Chemiewirtschaft München, 1956–1962 Bundesminister für Atomfragen bzw. Atomkernenergie und Wasserwirtschaft, 1957–1969 MdB, 1964–1969 Präsident Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. BANNACH, Horst 72 geb. 14. 4. 1912 Allenstein (Ostpreußen), gest. 23. 6. 1980 Stuttgart, 1938/39 Reisesekretär DCSV (Sitz in Berlin), 1939 illegaler Vikar, Sekretär des Bruderrats der EKapU, 1946–1956 Generalsekretär Ev. Studentengemeinde Deutschland. [Personenlexikon, S. 25] BARSCHEL, Uwe, Dr. jur. 474 geb. 13. 5. 1944 Glienicke, gest. 11. 10. 1987 Genf, Jurist, Politiker, seit 1962 Mitgl. CDU, 1963 Sprecher der Schüler-Mitverwaltung am Gymnasium Geesthacht, 1967–1971 Landesvors. Junge Union, seit 1969 zugleich stellv. Landesvorsitzender CDU Schleswig-Holstein, 1971 MdL Schleswig-Holstein, 1973 Vors. CDU-Fraktion, 1979 Finanzminister, dann Innenminister Schleswig-Holstein, 1982 Ministerpräsident ebd., 1987 Rücktritt. BARTELS, Friedrich 239ff. geb. 28. 1. 1903 Nienburg, gest. 29. 6. 1973 Hemmingen-Westerfeld, 1930 Pfr. Neuhaus, 1936 Landeskirchenrat des Landeskirchenamts Hannover, 1943 Oberlandeskirchenrat ebd., 1965 Geistl. Vizepräsident ebd., 1949–1959 Mitgl. Schiedsgerichtshof der EKD. BARTH, Karl, D. theol., DD. 41, 45f., 51, 57, 61, 88, 92, 131, 151, 154, 167, 187, 203, 323 geb. 10. 5. 1886 Basel, gest. 10. 12. 1968 Basel, ref. Theologe, Universitätslehrer (Reformierte Theologie, Dogmatik, ST) 1911 Pfr. Safenwil, Kanton Aargau, 1921 Prof. Göttingen, 1925 o. Prof. Münster, 1930 Bonn, 1935 Zwangspensionierung und Ausweisung aus Deutschland, 1935–1962 o. Prof. Basel. [Personenlexikon, S. 27] BARZEL, Rainer, Dr. jur. 501 geb. 20. 6. 1924 Braunsberg, gest. 26. 8. 2006 München, Jurist, Politiker, 1941–1945 Kriegsdienst, 1945–1948 Studium der Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre, 1949 Promotion, Eintritt in den nordrhein-westfälischen Landesdienst, zunächst beim Wirtschaftsrat in Frankfurt/Main, dann in der Bonner Landesvertretung des Landes, 1954 Eintritt in die CDU, 1956 Geschäftsführer gemeinsamer Landesvorstand CDU Rheinland und Westfalen-Lippe, 1957–1987 MdB, 1962–1963 Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, 1963 amtierender Vors., 1964 gewählter Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion, 1971–1973 CDU-Bundesvorsitzender, 1977–1979 Vors. Wirtschaftsausschuss des Dt. Bundestags, 1980–1982 Vors. Auswärtiger Ausschuss ebd., 1982–1983 Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, 1983–1984 Präsident des Dt. Bundestags. BAUDISSIN, Wolf Graf von 306, 315, 317f., 321 geb. 8. 5. 1907 Trier, gest. 5. 6. 1993 Hamburg, Soldat, Dozent, 1926/27 und 1930–1941 Militär- und Kriegsdienst, 1941–1947 britische Kriegsgefangenschaft, 1951 Referent

Personenregister / Biographische Angaben

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für „Inneres Gefüge“ im Amt Blank, 1955 Unterabteilungsleiter für „Innere Führung“ im Bundesverteidigungsministerium, 1956 Oberst, 1959 Brigadegeneral, 1961 Generalmajor und stellv. Chef des Generalstabs für Operations and Intelligence im NATOHauptquartier AFCENT Fontainebleau, 1963–1965 Kommandeur des NATO-Defence College Paris, 1965 Generalleutnant und stellv. Chef des Stabes für Planung und Operationen beim SHAPE (NATO-Oberkommando Europa) Paris (später Casteau/Belgien), 1971–1984 Gründungsrektor Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Hamburg, 1979 Prof. ebd., 1980–1986 Doz. für Sozialwissenschaften Bundeswehruniversität ebd. BECKMANN, Joachim, Lic. theol., D. 88, 347 geb. 18. 7. 1901 Wanne-Eickel, gest. 18. 1. 1987 Düsseldorf, 1933–1948 Pfr. Düsseldorf, 1945 Mitglied der Kirchenleitung LK Rheinland, 1948 Oberkirchenrat und 1952–1958 theol. Dirigent Landeskirchenamt, 1958–1971 Präses LK Rheinland. [Personenlexikon, S. 31] BEHR, Gräfin von 555 1939 Adressatin der „Denkschrift“ Osterlohs. BELL, George Kennedy Allen, Dr. h.c. mult. 135f. geb. 4. 2. 1883 Hayling Island Hants/Hampshire, gest. 3. 10. 1958 Canterbury, 1910–1914 Tutor und Doz. (KG) Oxford, 1914 Sonderreferent für internationale und interkonfessionelle Beziehungen und zugleich Davidsons Residential Chaplain Canterbury, 1929–1957 Bischof von Chichester, 1948–1954 Vors. Zentralkomitee des ÖRK, 1954 Ehrenpräsident des ÖRK. BENCKERT, Heinrich, Dr. phil., Dr. theol., D. 69 geb. 5. 9. 1907 Berlin, gest. 13. 5. 1968 Rostock, Theologe, Universitätslehrer (ST), 1932 Pfr. Schönow (Neumark), 1935 Breslau, 1936/37 Aufenthaltsverbot für die Provinz Schlesien, Gefängnishaft, 1945–1955 Pfr. Erfurt, 1949–1955 zugleich Lehrauftrag in Halle, 1955–1968 o. Prof. Rostock. BENDER, Julius, D. theol. 321 geb. 30. 8. 1893 Michelfeld (Baden), gest. 19. 1. 1966 Karlsruhe, 1939/45 Kriegsdienst als Militärpfr., 1945 Mitglied Erweiterter Oberkirchenrat Karlsruhe, 1946–1964 Landesbischof LK Baden. [Personenlexikon, S. 32f.] BETTERMANN, Karl A., Dr. jur. 270 geb. 4. 8. 1913 Wuppertal-Barmen, gest. 11. 12. 2005 Hamburg, Jurist, Richter, Universitätslehrer, Studium in Gießen und Münster, 1937 Promotion, 1939–1945 Kriegsdienst, 1945 Richter Landgericht Hagen, 1948 Habil. Münster, 1948–1956 Privatdoz. ebd., danach ao. Prof. ebd., 1950–1954 Richter Oberverwaltungsgericht ebd., 1954– 1956 Bundesverwaltungsgericht Berlin, 1956–1970 o. Prof. FU Berlin, 1970–1979 Hamburg, 1962–1968 ehrenamtl. Vors. Verwaltungsgerichtshof der EKU Berlin. BISCHOFF, Martha 29 verheiratet mit Veit Bürkle, Cousine Edo Osterlohs. BISMARCK, Klaus von, D. theol. 389, 506 geb. 6. 3. 1912 Jarchlin (Pommern), gest. 22. 5. 1997 Hamburg, 1939–1945 Kriegsdienst, 1945 Leiter Jugendamt Herford, 1946 Mitgründer Jugendhof Vlotho, bis 1949 erster Leiter ebd., 1949–1961 Leiter Sozialamt LK Westfalen (Haus Villigst bei Schwerte),

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1951–1961 Mitgl. Kammer für soziale Ordnung der EKD, 1952/53 Mitgl. Verwaltungsrat NWDR, 1955 Präs. Dt. Ev. Kirchentag, 1955–1967 Mitgl. Synode der EKD, 1957–1964 Präs. Gesellschaft für Sozialen Fortschritt, 1959–1989 Präsidiumsmitgl. Dt. Ev. Kirchentag, 1961–1976 Intendant WDR Köln, seit 1961 Mitgl. Zentralkomitee ÖRK, 1963/64 Vors. ARD, 1977–1979 Präs. Dt. Ev. Kirchentag, 1977–1989 Präs. Goethe-Institut, 1990 Ehrenmitgl. Dt. Ev. Kirchentag. BISMARCK, Otto von 448 geb. 1. 4. 1815 Schönhausen, gest. 30. 7. 1898 Friedrichsruh, seit 1862 preußischer Ministerpräsident, 1871–1890 deutscher Reichskanzler. BLANCK 568 BK-Sympathisantin, 1942 in Kontakt mit Hans Asmussen und Heinz Kloppenburg. BLANK, Theodor 306, 531 geb. 19. 9. 1905 Elz bei Limburg/Lahn, gest. 14. 5. 1972 Bonn, Schreiner, Metallarbeiter, Politiker, 1919–1923 Modellschreinerlehre und Lehrgang für Metallarbeiter, 1923–1929 Arbeiter in einer Steinfabrik, 1929–1933 Sekretär im Zentralverband christl. Fabrikund Transportarbeiter, 1936 nachgeholtes Abitur, 1937 Ausbildung zum Maschinenbauzeichner, 1939–1945 Kriegsdienst, 1945 Mitbegründer Einheitsgewerkschaft DGB, 1945–1950 Mitgl. Vorstand IG Bergbau, seit 1948 dritter Vors., 1945 Mitbegründer CDU, 1946–1949 MdL Nordrhein-Westfalen, 1947–1949 Mitgl. Wirtschaftsrat für das vereinigte Wirtschaftsgebiet Frankfurt/Main, 1949–1972 MdB, 1949–1950, 1957, 1965–1972 Mitgl. Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 1950 Beauftragter, später: Bevollmächtigter des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der Alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen, 1951 Chef der dt. Delegation beim Interimsausschuss für die Organisation der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, 1955–1956 Bundesminister für Verteidigung, 1957–1965 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1958–1969 Mitgl. Bundesvorstand CDU, 1958–1967 stellv. Bundesvorsitzender CDU und Mitgl. CDU-Präsidium. BLANKENBURG, Martin 72, 74, 76 1938/39 Assistent Osterlohs an der Kirchlichen Hochschule Berlin, Mitarbeiter im Theologiestudentenamt der BK Berlin. BLEIBTREU, Otto 313, 523 geb. 19. 7. 1904 Greifswald, gest. 6. 6. 1959 Düsseldorf, Jurist, Politiker, 1926 Rechtsreferendar Bonn und Köln, 1928 zugleich Hilfsassistent Universität Bonn, 1931 Hilfsrichter Bonn und Köln, 1933 aus politischen Gründen entlassen, dann Hilfsarbeiter bei Rechtsanwälten, 1935–1940 Rechtsanwalt Bonn, 1940–1945 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1946–1948 Landgerichtsrat bzw. -direktor Bonn, 1948 Ministerialdirektor Justizministerium Nordrhein-Westfalen, 1949 Mitgl. Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD, 1959 stellv. Vors. ebd., 1951–1956 stellv. Vors. Rechtsausschuss Bundesrat, 1952 Staatssekretär Justizministerium Nordrhein-Westfalen, 1956–1958 Leiter der Düsseldorfer Staatskanzlei, 1957 stellv. Mitgl. Kirchenleitung LK Rheinland, 1959 Leiter der Berliner Senatskanzlei. BLUMHARDT, Christoph, d. Ä. 31 geb. 16. 7. 1805 Stuttgart, gest. 25. 2. 1880 Bad Boll, 1830–1837 Missionslehrer Basel, 1837 Pfarrgehilfe Iptingen, 1838 Pfr. Möttlingen b. Bad Liebenzell, dort 1844 nach der

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geistlichen und körperlichen Heilung einer „Besessenen“ Erweckungsbewegung im ganzen Ort und darüber hinaus, 1852–1880 Leiter des eigenen Seelsorgezentrums Bad Boll. BODELSCHWINGH, Friedrich von, D. D., Dr. med. h.c. 33f. geb. 14. 8. 1877 Bethel, gest. 4. 1. 1946 Bethel, 1910–1946 Leiter von Bodelschwinghschen Anstalten, 27.5.–24.6.1933 designierter Reichsbischof der werdenden DEK, Rücktritt nach Einsetzung August Jägers als Staatskommissar. [Personenlexikon, S. 39] BÖHLER, Wilhelm 279ff., 353, 443 geb. 18. 11. 1891 Wichterich, gest. 25. 7. 1958 Köln, 1915 Priesterweihe und Kaplan Mönchengladbach, 1918 Caritasdirektor ebd., 1920 Generalsekretär der „Katholischen Schulorganisation Deutschlands“ und der „Bischöflichen Zentrale für Ordensschulen und Ordensinternate“, 1922 der „Katholischen Aktion in Deutschland“, 1933 Leiter der Zentrale (Bischöfliche Hauptarbeitsstelle) der „Katholischen Aktion in Deutschland“, 1935 Pfr. Essen-West, 1938 Verhaftung wegen des Vorwurfs staatsfeindlichen Verhaltens, 1945 Domkapitular und Leiter der Schulabteilung des Generalvikariats Köln. BÖHME, Albert 249, 252 1952 Vors. Freie Vereinigung ev. Eltern und Erzieher. BÖHME, Wolfgang, Dr. 523 Pfr. Frankfurt/Main, 1958 Mitgl. Sektionsleitung „Politik“ auf dem Hamburger Kirchentagskongress. BÖHRNSEN, Hermann 457 geb. 18. 9. 1900 Rendsburg, gest. 19. 5. 1976 Rendsburg, Tischler, Politiker, 1927 Eintritt in den väterlichen Tischlereibetrieb, 1929 Alleininhaber, 1935–1948 Obermeister der Tischlereiinnung, 1945–1952 Landesinnungsmeister Schleswig-Holstein, 1950– 1967 MdL Schleswig-Holstein (CDU), 1952–1967 Wirtschaftsminister ebd., Verfasser mehrer Gedichtbände in plattdeutschem Dialekt. BÖNING 135f. 1945 Bürgermeister Hohenkirchen, Mitgl. außerordentliche Landessynode LK Oldenburg. BÖNING, Herta 327 1950 Ärztin in Oldenburg. BÖTTCHER, Walther, Dr. jur. 409 geb. 1. 4. 1901 Lübeck, gest. 26. 3. 1983 Scharbeutz, Jurist, Politiker, Studium der Philologie, später Volkswirtschaft, Jura und Politik, Rechtsanwalt in Lübeck, 1943 Verteidiger kath. Geistlicher vor dem Volksgerichtshof, 1946–1962 MdL Schleswig-Holstein (CDU), 1954–1959 Präsident des Landtages, 1955 Stadtpräsident, im folgenden Jahr Bürgermeister Lübeck, 1959 von der Lübecker Bürgerschaft abgewählt. BOHNE, Gerhard, Dr. phil, D. theol. 167f. geb. 2. 4. 1895 Zeusch, gest. 11. 6. 1977 Heikendorf, Pädagoge, Universitätslehrer, 1930 Prof. für Religionspädagogik an der Pädagogischen Akademie Frankfurt/Oder, 1932 Elbing, 1933 Hochschule für Lehrerbildung Kiel, 1946 Pädagogische Hochschule Flensburg, 1948–1961 Universitätslehrbeauftragter Pädagogische Hochschule Kiel. BOHNENKAMP, Hans 239 geb. 1893, gest. 1970, seit 1930 Prof. für Mathematik und Praktische Pädagogik an der Päd. Akademie Frankfurt/Oder und Cottbus, seit 1946 Prof. für Pädagogik und

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Philosophie Päd. Hochschule Celle, später Osnabrück, 1946–1954 erster Direktor Pädagogische Hochschule Celle, dort und 1954–1973 (Umzug der Hochschule) in Osnabrück Leiter des Adolf-Reichwein-Archivs, 1950–1958 Vors. Konferenz der Päd. Hochschulen Niedersachsens, 1953–1965 Mitgl. Dt. Ausschuss für das Erziehungsund Bildungswesen. BONHOEFFER, Dietrich, Lic. theol. 45f., 108 geb. 4. 2. 1906 Breslau, gest. 9. 4. 1945 (hingerichtet) KZ Flossenbürg (Oberpfalz), luth. Theologe, Universitätslehrer, 1933 öffentlicher Widerspruch gegen NS-Regime und DC, insbesondere gegen die Judenverfolgung, 1935–1937 Leiter BK-Predigerseminare Zingst und Finkenwalde (Pommern), anschließend bis 1939/40 Leiter von BK-Sammelvikariaten Köslin und Schlawe (Hinterpommern), Kontakte zum Widerstand, dann auch eigene Widerstandstätigkeit, April 1943 Verhaftung wegen „Wehrkraftzersetzung“. [Personenlexikon, S. 41] BORNKAMM, Günter, Lic. theol., Dr. theol., D. DD. 69 geb. 8. 10. 1905 Görlitz, gest. 18. 2. 1990 Heidelberg, Theologe, Universitätslehrer (NT, Biblische Theologie), 1937–1939 Doz. Theol. Schule Bethel, erneut 1945/46 (auch Münster), 1946 ao. Prof. Göttingen, 1949–1972 Heidelberg. [Personenlexikon, S. 42] BORNKAMM, Heinrich, Lic. theol., D. 220 geb. 26. 6. 1901 Wuitz, Kreis Zeitz, gest. 21. 1. 1977 Heidelberg, Theologe, Universitätslehrer (KG, Reformationsgeschichte), 1927 o. Prof. Gießen, 1933/34 Rektor ebd., 1935–1945 (Entlassung) Leipzig, 1948–1966 Heidelberg. [Personenlexikon, S. 42f.] BOUÉ, Edgar 242 geb. 9. 7. 1898 Leonka, Fidji-Inseln (Australien), gest. 29. 10. 1974 Ratingen, 1933–1949 Pfr. Oberkassel bei Bonn, seit 1946 Superintendent Kirchenkreis Bonn, 1949–1963 Oberkirchenrat, hauptamtl. Mitglied Kirchenleitung LK Rheinland. [Personenlexikon, S. 43] BRANDT, Wilhelm, Lic. theol., Dr. theol. h.c. 29, 35 geb. 27. 8. 1894 Iserlohn, gest. 18. 10. 1973 Bethel, kirchl. Doz. (Innere Mission, Dogmatik, NT), 1922 Vorsteher Diakonissenhaus Münster, 1927–1939 Doz. (Innere Mission) Theol. Schule Bethel, 1933–1936 deren Leiter, 1945–1958 erneut Doz. Theol. Schule Bethel. [Personenlexikon, S. 44] BRANDT, Willy 456, 509, 549 geb. 18. 12. 1913 Lübeck, gest. 8. 10. 1992 Unkel bei Bonn, Politiker, 1930 Eintritt in die SPD, 1931 Übertritt in die Sozialistische Arbeiterpartei, 1933 Emigration nach Skandinavien, 1940 Annahme der norwegischen Staatsbürgerschaft, 1946 Berichterstatter beim „Nürnberger Prozess“, 1948 Wiedereinbürgerung in Deutschland, 1949–1957 und 1969–1992 MdB (SPD), 1950–1970 Mitgl. der Abgeordnetenhauses Berlin, 1955–1957 Präsident des Abgeordnetenhauses ebd., 1957–1966 Regierender Bürgermeister Berlin, 1958–1962 Landesvorsitzender SPD Berlin, 1958–1963 Präsident Dt. Städtetag, 1961, 1965 SPD-Kanzlerkandidat, 1964–1987 SPD-Vorsitzender, 1966–1969 Bundesminister des Äußeren und Vizekanzler, 1969–1974 Bundeskanzler, 1971 Verleihung des Friedensnobelpreises, 1976–1992 Präsident der Sozialistischen Internationale, 1977–1980 Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission, 1979–1983 Mitgl. Europäisches Parlament.

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BRONISCH-HOLTZE, Ernst, Lic. theol. 77 geb. 26. 9. 1890 Wabnitz, Kreis Oels, gest. 20. 7. 1944 Königsberg (in Gestapo-Haft), 1927–1942 Pfr. Berlin (Dreifaltigkeitskirche), seit 1927 zugleich Studentenpfarrer Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin. BRÜNING, Heinrich, Dr. rer. pol. 434 geb. 26. 11. 1885 Münster/Westf., gest. 30. 3. 1970 Norwich/Vermont, Studium der Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaft, 1911 wiss. Prüfung für das höhere Lehramt, 1915 Promotion Bonn, Offizier im ersten Weltkrieg, 1919 Sekretär des katholischen Sozialpolitikers Carl Sonnenschein, 1920 Referent des preußischen Wohlfahrtsministers Adam Stegerwald, 1920–1930 Geschäftsführer des Christl. Dt. Gewerkschaftsbundes, 1923 Mitorganisator des passiven Widerstands im Ruhrkampf, 1924–1933 MdR (Zentrum), seit 1928 auch MdL Preußen, führender Finanzpolitiker, 1929 Fraktionsvors., 1930–1932 Reichskanzler, 1933 vergeblicher Widerstand gegen die Zustimmung des Zentrums zum Ermächtigungsgesetz, Mai 1933 Vors. Zentrum, Juli 1933 Auflösung des Zentrums, 1934 Emigration über England in die USA, dort 1937 Prof. an der HarvardUniversity, 1952–1955 Prof. für Politik in Köln, nach der Emeritierung Rückkehr in die USA. BRUNNER, Emil, Lic. theol., D. DD. 30f. geb. 23. 12. 1889 Winterthur, gest. 6. 4. 1966 Zürich, ref. Theologe, Universitätslehrer (PT, ST), 1913 Lic. theol. Zürich, 1922 Habil., Privatdoz. und 1924–1953 o. Prof. Zürich, Mitbegründer der Dialektischen Theologie. [Personenlexikon, S. 46] BRUNNER, Peter, Dr. theol., D. 88, 335 geb. 25. 4. 1900 Arheilgen bei Darmstadt, gest. 24. 5. 1981 Heidelberg, luth. Theologe, Universitätslehrer (ST, lutherische Dogmatik), 1936–1940 und 1945–1947 Doz. Theol. Schule Elberfeld bzw. Kirchliche Hochschule Wuppertal, 1947–1968 o. Prof. Heidelberg. [Personenlexikon, S. 46] BRUNOTTE, Heinz, D. theol. 192, 204ff., 219ff., 228f., 236, 239f., 257, 271, 285, 290, 320f., 345f., 389, 543 geb. 11. 6. 1896 Hannover, gest. 2. 2. 1984 Hannover, luth. Theologe, 1936–1945 Oberkonsistorialrat Kirchenkanzlei der DEK, 1944 faktisch Leiter Kirchenkanzlei der DEK, 1946 Oberlandeskirchenrat Hannover, 1949–1965 Präsident der Kirchenkanzlei der EKD, zugleich bis 1963 Luth. Kirchenamt der VELKD. [Personenlexikon, S. 46f.] BUCHMAN, Frank 360 geb. 4. 6. 1878 Pennsburg/Pa., gest. 7. 8. 1961 Freudenstadt/Schwarzwald, amerikanischer Theologe, 1921 Begründer und Leiter der Oxfordbewegung, 1938 Gründer der „Moralischen Aufrüstung“. BÜLOW, Fräulein von 555 1939 Adressatin von Osterlohs „Denkschrift“. BÜRKLE, Veit (= Bischoff, Karl Heinrich) 29 geb. 1900, gest. 1978, schwäbischer Heimatschriftsteller. BUHRE, Gunnar 105 geb. 30. 1. 1889 Wesenberg (Estland), gest. 23. 4. 1965 Hamburg, Theologiestudium in Dorpat, Hauslehrer und Erzieher in der Ukraine, 1910 stellv. Pfr. Aschabad, 1916 Ordination Reval, Pfr. Nuckö/Wieck, 1925 Feldberg, 1932–1954 Berlin, 1935 Mitgl. des

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Bruderrats Berlin, zeitweise aus Berlin ausgewiesen, 1945–1948 Lagerpfr. HamburgNeuengamme, Mitarb. Ev. Akademie und Studentengemeinde Hamburg. BULTMANN, Friedrich 103, 105 geb. 7. 2. 1882 Holle, Theologiestudium in Halle und Greifswald, 1909 Hilfsprediger Ganderkesee, 1910–1933 Pfr. ebd., 1933 in den Ruhestand versetzt. BULTMANN, Ludwig 172 1948/49 im kirchlichen Dienst LK Oldenburg. BULTMANN, Rudolf, Lic. theol., D. DD. 22, 30–33, 54, 56, 68, 75, 84, 93, 107f., 111f., 115–118, 139, 168, 185–189, 219f., 542, 558, 560f., 564f., 568, 570, 572, 574 geb. 20. 8. 1884 Wiefelstede (Oldenburg), gest. 30. 7. 1976 Marburg, luth. Theologe, Universitätslehrer (NT), 1910 Lic. theol., 1912 Habil., Privatdoz. Marburg, 1916 ao. Prof. Breslau, 1920 o. Prof. Gießen, 1921–1951 Marburg. [Personenlexikon, S. 48] BURESCH, Ernst-Siegfried 468 Direktor Oberversicherungsamt Schleswig, später Präsident Landessozialgericht Schleswig. BUTENANDT, Adolf, Dr. rer. nat., Dr. h.c. 354 geb. 24. 3. 1903 Lehe (heute Bremerhaven), gest. 18. 1. 1995 München, Biochemiker, Studium in Marburg und Göttingen, 1930 Habil. Göttingen, 1933 o. Prof. Technische Hochschule Danzig, 1935 Ablehnung eines Rufes nach Harvard, 1936 Direktor Kaiser Wilhelm-Institut für Biochemie Berlin-Dahlem, 1939 Nobelpreis für Chemie, dessen Annehme ihm verboten wurde, kriegsbedingte Auslagerung des Instituts nach Tübingen, dort 1945–1956 o. Prof. und weiter Direktor des Instituts (seit 1949 Max-PlanckInstitut), 1952 Ruf nach München, dort 1956 o. Prof., 1960–1972 Präsident MaxPlanck-Gesellschaft, CALVIN, Johannes 577 geb. 10. 7. 1509 Nyon/Picardie, gest. 27. 5. 1564 Genf, Reformator. CATEL, Werner, Dr. med. 467, 469–472, 474, 538 geb. 27. 6. 1894 Mannheim, gest. 30. 4. 1981 Kiel, Pädiater, Studium in Halle/Saale und Freiburg i. Br., 1926 Habil. Leipzig, 1933–1946 o. Prof. und Direktor der Kinderklinik Universität Leipzig, 1940–1944 Tätigkeit als Gutachter im nationalsozialistischen „Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung schwerer erb- und anlagebedingter Leiden“, 1947 Chefarzt Landeskinderheilstätte Mammolshöhe (Hessen), 1954–1960 o. Prof. und Direktor Universitätskinderklinik Kiel, 1960 Emeritierung aufgrund seiner Gutachter-Tätigkeit, die während des Krieges zur Tötung schwerbehinderter Säuglinge und Kleinkinder führte. CHAMBON, Joseph 59 geb. 17. 4. 1884 Ludwigshafen, gest. 18. 10. 1965 Zürich, ref. Theologe, kirchlicher Doz. (Ref. KG), 1935 Doz. Kirchliche Hochschule Berlin, 1939 Versetzung in den Ruhestand auf eigenen Antrag. [Personenlexikon, S. 50f.] CHANDLER, Edgar, B.S., M.A., B.D., DD. 293 geb. 17. 7. 1904 Providence (USA), 1933 Pfr. Boston, 1941 Marinepfr., 1946 Direktor Congregational Service Comittee, 1950 Direktor Department of Inter-Church Aid and Service to Refugees, ÖRK Genf, 1960 geschäftsführender Vizepräs. Kirchenbund Groß-Chicago.

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CHEMNITZ, Erich 78–82, 114, 125ff., 133f., 200, 202, 214, 327, 335ff., 345 geb. 11. 8. 1880 Ellwürden, gest. 1. 9. 1956 Westerstede, Studium der ev. Theologie in Erlangen und Halle, 1908 Hilfsprediger Atens, 1909–1920 Pfr. Schweiburg, 1920–1953 Westerstede, 1945 nebenamtl. Mitgl. Oberkirchenrat LK Oldenburg, 1946 „Kirchenrat“. CILLIEN, Adolf 380–383, 388, 494f. geb. 23. 4. 1893 Volksberg, Kreis Zabern, gest. 29. 4. 1960 Hannover, Theologe, Politiker, 1937–1953 Leiter Amt für Gemeindedienst LK Hannover, ab 1943 als Oberkirchenrat und ao. Mitglied Landeskirchenamt, 1945 Mitbegründer und erster Landesvors. CDU Niedersachsen, 1946–1951 MdL Niedersachsen, Vors. CDU-Landtagsfraktion, 1953–1960 MdB. [Personenlexikon, S. 51] CLAUSSEN, Ludwig 424 geb. 19. 4. 1906 Tinningstedt, gest. 25. 3. 1974, Lehrer, Politiker (CDU), 1927 Hauslehrer Westerland/Sylt, 1929–1945 im Schuldienst für die dt. Minderheit Nordschleswig, 1947 Lehrer in Nordfriesland, später Hauptlehrer Volksschule Niebüll, 1948 Eintritt CDU, 1948–1953 Gemeidevertreter Niebüll, 1950–1969 MdL Schleswig-Holstein, 1950–1954 Vors., 1954–1968 stellv. Vors. Volksbildungsausschuss des Landtags. CLAUSSEN, Wilhelm, Dr. phil. 508, 530 geb. 5. 8. 1901 Husum, gest. 4. 4. 1980 Niederaula, Philosoph, kirchl. Doz., Ministerialbeamter, 1924–1933 Doz. Ev.-Soziale Schule Johannesstift Berlin-Spandau, Sekretär des Reichstagsabgeordneten Reinhard Mumm, 1933–1936 Referent beim Zweigamt des Internationalen Arbeitsamtes in Berlin, 1936–1941 Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik bei der I.G.-Farben, 1941–1946 Kriegsdienst und -gefangenschaft, seit 1946 im öffentlichen Dienst, 1952–1957 im Bundesverkehrsministerium, 1957–1965 Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. DAHRENDORF, Ralf Baron, Dr. phil. 484 geb. 1. 5. 1929 Hamburg, Soziologe, Publizist, Politiker, Studium der Philosophie und Klassischen Philologie in Hamburg, 1952 Promotion (Philosophie) Hamburg, 1957 Promotion (Soziologie) London, Habil. Saarbrücken, seit 1958 o. Prof. für Soziologie Hamburg, Tübingen und Konstanz, nach Zugehörigkeit zur SPD 1967 Übertritt in die FDP, maßgebliche Beteiligung an der programmatischen Neuausrichtung der Partei in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren, 1968/69 MdL Baden-Württemberg, 1969/70 MdB, kurzzeitig Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt, 1970–1974 Kommissar für Außenbeziehungen und Außenhandel, dann für Forschung, Wissenschaft und Bildung EU-Kommission Brüssel, 1974–1984 Leiter London School of Economics, 1984–1986 o. Prof. Konstanz, 1987–1997 Rektor St. Antonys College Oxford, 1991–1997 zugleich Prorektor der Universität ebd., 1988 Annahme der britischen Staatsbürgerschaft, seit 2005 Forschungsprof. am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. DEHLER, Thomas, Dr. jur. 265, 278ff. geb. 14. 12. 1897 Lichtenfels, gest. 21. 7. 1967 Streitberg, Jurist, Politiker, 1924–1926 Rechtsanwalt München, 1926–1945 Bamberg, 1945/46 Landrat Kreis Bamberg, 1945–1947 Generalstaatsanwalt Bamberg, 1946/47 Generalkläger am Kassationshof beim bayerischen Sonderministerium für politische Befreiung, 1946 Mitgl. Verfassung-

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gebende Landesversammlung Bayern, 1946–1956 Vors. FDP-Landesverband Bayern, 1946–1949 MdL Bayern, 1947–1949 Präs. Oberlandesgericht Bamberg, 1948/49 Mitgl. Parlamentarischer Rat, 1949–1967 MdB (FDP), 1949–1953 Bundesjustizminister, 1953–1957 Vors. FDP-Bundestagsfraktion, 1954–1957 Vors. FDP, 1960–1967 Vizepräs. des Dt. Bundestags. DEHN, Günther, D. theol. 32, 59, 65 geb. 18. 4. 1882 Schwerin, gest. 17. 3. 1970 Bonn, Theologe, kirchlicher Doz., Universitätslehrer (PT, Religionssoziologie, Jugendpsychologie), 1911–1931 Pfr. Berlin-Moabit, 1931 o. Prof. Halle/Saale, 1932 Beurlaubung, 1935–1941 Doz. Kirchliche Hochschule Berlin, 1946–1954 o. Prof. Bonn. [Personenlexikon, S. 56] DETERING 240 1952 Landessuperintendent Hildesheim. DETTEN, Hermann von 64 geb. 30. 5. 1879 Hamm, gest. 19. 1. 1954 Natingen (Westfalen), aktiver Offizier, Gutsbesitzer Möllenhagen (Mecklenburg), Mitbegr. und Mitarb. Franz von Papens in der „Arbeitsgemeinschaft Kath. Deutscher“, 1933 Eintritt in die NSDAP, 1934 Leiter der „Abteilung für den kulturellen Frieden“ in der Reichsleitung der NSDAP, 1935 Ministerialrat, dann Ministerialdirigent im Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten, 1936 beurlaubt, 1937 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. DIBELIUS, Otto jr. 321 geb. 26. 8. 1908 Crossen/Oder, gest. 7. 7. 1994 Bonn, Jurist, 1933 Gerichtsreferendar, 1937–1945 Verwaltungsbeamter (später Oberintendanturrat) der Kriegsmarine, 1945 Kriegsgefangenschaft, dann Sachbearbeiter im Ev. Hilfswerk Westfalen, 1947 Hilfswerk für die Deutschen aus Ostpreußen, 1948 jur. Hilfsreferent der Kirchenkanzlei der EKD, 1949 Kirchenrat ebd., 1950–1974 Oberkirchenrat ebd. DIBELIUS, Otto, Dr. phil., Lic. theol., D. 15, 203ff., 207, 221, 223, 227, 249, 278, 307f., 312, 316f., 321, 335, 344, 346f., 355, 395, 490, 543, 545f. geb. 15. 5. 1880 Berlin, gest. 31. 1. 1967 Berlin, 1925 Generalsuperintendent Kurmark, 1933 Beurlaubung, Ruhestandsversetzung, seit 1934 Bruderrat BK Berlin-Brandenburg, 1936 Mitgl. Kuratorium der Kirchl. Hochschule Berlin, 1945–1966 Bischof LK BerlinBrandenburg, 1945 Mitglied Vorläufiger Rat der EKD, 1949–1961 Vors. Rat der EKD. [Personenlexikon, S. 58] DIECKMANN, Johannes 394 geb. 19. 1. 1893 Fischerhude bei Bremen, gest. 22. 2. 1969 Berlin (Ost), Politiker, Studium der Nationalökonomie und Philologie, 1918 Soldatenrat, Beitritt zur DVP, als Mitarbeiter von Gustav Stresemann DVP-Generalsekretär Weser-Ems, Niederrhein und Sachsen, 1929 MdL Sachsen (DVP), seit 1933 Geschäftsführer mehrerer Kohlewirtschaftsverbände in Sachsen, 1945 Gründung Sächsisches Kohlekontor sowie Verlag „Sächsisches Tageblatt“, 1946 Mitbegründer LDPD und erneut MdL Sachsen, Eintritt für die Einbeziehung der LDPD in das Blockparteiensystem, 1948–1950 Justizminister und stellv. Ministerpräsident Sachsen, 1949–1969 Mitgl. der Volkskammer, stellv. Vors. LDPD, Präsident der Volkskammer, 1960–1969 einer der stellv. Vors. des Staatsrates der DDR. DIEM, Hermann, D. 154 geb. 2. 2. 1900 Stuttgart, gest. 27. 2. 1975 Tübingen, Theologe, Universitätslehrer (ST),

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1930 Religionslehrer Göppingen, 1934–1951 Vors. Kirchl.-theol. Sozietät Württemberg, 1955 Hon.-Prof. Tübingen, 1957 o. Prof. ebd. [Personenlexikon, S. 59f.] DILSCHNEIDER, Otto, Dr. theol. 115 geb. 24. 1. 1904 Berlin, gest. 30. 3. 1991 Berlin, Theologe, kirchlicher Doz. (ST), 1937 illegaler BK-Studentenpfr. Jena, 1939 Ordination und Pfr. Kemberg (Sachsen), 1941–1960 Pfr. Berlin-Zehlendorf, einer der Wiederbegründer, Doz. und 1951–1971 Prof. Kirchliche Hochschule Berlin. [Personenlexikon, S. 61] DIRKS, Walter 354 geb. 8. 1. 1901 Hörde (heute Dortmund), gest. 30. 5. 1991 Wittnau, Publizist, Schriftsteller, Studium der Theologie (nicht abgeschlossen), 1923 Sekretär Romano Guardinis in Potsdam, dann bis 1934 Redakteur „Rhein-Mainische Volkszeitung“ Frankfurt, 1933 mehrwöchige Schutzhaft, 1935–1943 (Schreibverbot) Musikkritiker „Frankfurter Zeitung“, 1945 Mitbegr. CDU Hessen, von der er sich später abwandte, 1946 Hg. „Frankfurter Hefte“ (mit Eugen Kogon), seit 1949 auch innenpolitischer Kommentator beim Südwestfunk, 1953–1956 Mitarb. „Insitut für Sozialforschung“ Frankfurt (Theodor W. Adorno), 1956–1967 Leiter Kulturressort Westdeutscher Rundfunk Köln. DITTLER, Dr. 58 1935 Kriminalrat im Untersuchungsgefängnis am Alexanderplatz. DITZ, Berthold 424 geb. 24. 2. 1909 Steinhagen bei Butzow, gest. 1977, Journalist, Politiker (GB/BHE), nach dem Zweiten Weltkrieg als Heimatvertriebener in Schleswig-Holstein niedergelassen, 1954–1958 MdL Schleswig-Holstein. DOEHRING, Johannes, Dr. theol. 319 geb. 16. 9. 1908 Fischau (Westpreußen), gest. 1997, 1933 Assistent Königsberg, Wehrmachtspfr. Tusterberg, 1937 Oberwehrmachtspfr. Potsdam, 1945 Pfr. Hannover, 1946 Mitbegründer Ev. Akademie Hermannsburg, 1957 Leiter Ev. Akademie Loccum, 1961 Beauftragter der Rheinischen und Westfälischen Kirche bei der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. DÖNITZ, Karl 474f. geb. 16. 9. 1891 Grünau bei Berlin, gest. 24. 12. 1980 Aumühle, 1910–1936 Marinelaufbahn bis zum Admiral und „Führer der U-Boote“, 1939 als „Befehlshaber der U-Boote“ Vereinigung aller Aufgaben der Waffe in seiner Hand, 1943 als Großadmiral zugleich Oberkommando der Kriegsmarine, 1945 zunächst Befehlshaber im Nordraum des gespaltenen Rest-Reiches, dann am 30.4.1945 von Hitler zum Reichspräsidenten und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht ernannt, 3.5.1945 Teilkapitulation gegenüber den brit. Streitkräften, 7./8.5.1945 Gesamtkapitulation, 23.5.1945 Verhaftung, 1946 Verurteilung zu zehn Jahren Haft im Nürnberger Prozess, 1956 Entlassung. DÖRRIES, Hermann, Dr. theol., D. 153 geb. 17. 7. 1895 Hannover, gest. 2. 11. 1977 Göttingen, Theologe, Universitätslehrer (KG), 1922 Dr. theol. Marburg, 1923 Habil., Privatdoz. Tübingen, 1926 ao. Prof. ebd., 1928 o. Prof. Halle, 1929–1963 Göttingen. [Personenlexikon, S. 63] DOHMS, Hermann, Dr. theol. 396 geb. 3. 11. 1887 Sapiranga/Rio Grande do Sul, gest. 1956, Theologiestudium in Deutschland, 1914 Ordination in Brasilien und Übernahme der Gemeinde Cachoeira do Sul

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(Synode Rio Grande), 1919 Gründung der Zeitschrift „Deutsche Ev. Blätter für Brasilien“, 1921 Gründung eines „Evangelischen Proseminars“, 1946 Gründer und Leiter der „Escola Superior de Teologia“ São Leopoldo. DOHRMANN, Franz, D. theol. 319f. geb. 4. 10. 1881 Großlübbichow bei Frankfurt/Oder, gest. 19. 4. 1969 München, 1908– 1919 Pfr. und Militärseelsorger Potsdam, Bromberg und an der Front, 1920 Wehrkreispfr. und Konsistorialrat Stettin, 1934–1945 Ev. Feldbischof der Wehrmacht, 1946–1951 Pfr. München. [Personenlexikon, S. 63] DOMBOIS, Hans Adolf, Dr. jur., Dr. theol. h.c. 269ff., 334, 523 geb. 15. 10. 1907 Berlin, gest. 24. 6. 1997 Porta Westfalica, Jurist, Doz., 1933 Gerichtsassessor, dann Staatsanwalt in Berlin, Potsdam, Frankfurt/Main, Fulda, 1947/48 Mitgl. Gutachterkommission des Kirchl. Außenamtes für Fragen der Kriegsverbrecher, 1952 Mitgl. Ev. Studiengemeinschaft Heidelberg, 1954–1957 Mitgl. Rat der EKD, 1964–1966 Lehrbeauftragter für Kirchenrecht, Rechtstheologie und Familienrecht. DONATH, Martin 361 geb. 3. 1. 1904 Dessau, gest. 12. 10. 1966 auf einer Reise nach Bonn, Dipl.-Volkswirt, kirchl. Doz., 1948–1952 Geschäftsführer Wirtschaftsgilde der Ev. Akademie Bad Boll, 1952 Ev. Akademie Mühlheim, 1952–1956 Geschäftsführer Sozialethischer Ausschuss LK Rheinland, 1955–1957 Erster Vors. der Ev. Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, 1962–1966 Präs. ebd. und Mitgl. Aufsichtsrat des Ev. Zentralinstituts für Familienberatung, Doz. Diakoniewissenschaftliches Institut Heidelberg, Sozialreferent LK Baden. DRESS (auch Dreß), Walter, Lic. theol. 59, 88 geb. 18. 6. 1904 Berlin, gest. 6. 2. 1979 Berlin, Theologe, Universitätslehrer, kirchlicher Doz. (KG), 1937/38–1941 Doz. Kirchliche Hochschule Berlin, dann Pfr. Berlin-Dahlem, 1946–1961 Hon.-Prof. Berlin, 1962 Doz. Kirchliche Hochschule Berlin. [Personenlexikon, S. 64] EBELING, Gerhard, Dr. theol., D. DD. 72 geb. 6. 7. 1912 Berlin, gest. 30. 9. 2001 Zürich, luth. Theologe, Universitätslehrer (KG, ST, PT), seit 1930 Studium Marburg, Zürich, Berlin, 1934 Vikar Predigerseminar Finkenwalde, 1946 o. Prof. Tübingen, später Zürich. [Personenlexikon, S. 66] EHLERS, Hermann, Dr. jur., D. theol. 18, 124, 127, 134ff., 143, 145, 159, 161, 175, 190, 192f., 196, 200, 202, 208, 212, 249, 257, 259, 310, 333, 335–338, 341, 344, 359, 378, 380, 385, 387–395, 399, 401, 494f., 500, 502, 504, 506, 520, 540, 555, 576 geb. 1. 10. 1904 Schöneberg, gest. 29. 10. 1954 Oldenburg, Jurist, Richter, 1935 Mitglied und Justitiar Bruderrat EKapU, 1945 Oberkirchenrat LK Oldenburg, 1946 Mitgl. CDU, Stadtrat Oldenburg, 1949 MdB, 1950–1954 Bundestagspräsident, 1952–1954 stellv. Vors. CDU, Gründungsvors. EAK. [Personenlexikon, S. 67f.] EHLERS, Otto-Heinrich 517 geb. 3. 3. 1913 Kiel, Berufsoffizier, 1945–1947 brit. Kriegsgefangenschaft, 1947–1949 organisatorische Arbeiten für das „Sonntagsblatt“, 1950–1954 Generalsekretär des Dt. Ev. Kirchentages, 1954–1977 Leiter des Sozialwesens bei BP Deutschland. EICHELE, Erich, Dr. theol. 335 geb. 26. 2. 1904 Stuttgart, gest. 11. 6. 1985 Stuttgart, Studium in Tübingen, 1926 Ordination, 1927 Promotion, Vikariat Göttelfingen, 1929 Studienaufenthalt Hartford

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(Connecticut, USA), danach Stadtpfarrverweser Schwenningen und Kirchheim/Teck, 1931 Repetent Tübinger Stift, 1934 dritter Stadtpfr. Stiftskirche Stuttgart, Mitgl. Oberkirchenrat als Referent für evangelischen Religionsunterricht Stuttgart, 1936 Kirchenrat, 1944 Oberkirchenrat ebd., enger Mitarbeiter Bischof Theophil Wurms, 1951 Prälat Sprengel Ulm, 1962–1969 Landesbischof LK Württemberg, 1966–1969 Vors. Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. EMCKE, Max, Dr. jur. 413 geb. 22. 7. 1892 Tingleff (Nordschleswig), gest. 8. 11. 1982 Kiel, Jurist, Politiker, Studium in Leipzig, Berlin und Kiel, seit 1925 Rechtsanwalt, später Notar in Kiel, 1945 Oberbürgermeister Kiel, Mitbegr. CDU Schleswig-Holstein, bis 1950 MdL Schleswig-Holstein (CDU), 1950 Austritt aus der CDU, 1954 Gegenkandidat Kai-Uwe von Hassels bei der Wahl für das Amt des Ministerpräsidenten, danach Beendigung der politischen Karriere, erneut Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar. ENGELLAND, Hans, Dr. theol. 200, 219 geb. 23. 6. 1903 Föhrden, gest. 4. 11. 1970 Kiel, kirchlicher Dozent, Universitätslehrer, 1938 Vorsteher Diakonissenhaus Oldenburg, 1948 Doz. Kirchliche Hochschule Hamburg, 1954 Hon.-Prof. Hamburg, 1962 Hauptpastor ebd., 1963 Prof. Kiel. [Personenlexikon, S. 71] EPHA, Oskar, Dr. jur., D. theol. 437, 439, 441, 445 geb. 2. 11. 1901 Kiel, gest. 11. 9. 1982 Kiel-Schulensee, seit 1927 Kirchenjurist im Landeskirchenamt Kiel, 1948 Oberkonsistorialrat und ständiger Vertreter des Präsidenten ebd., 1954–1964 Präsident ebd. [Personenlexikon, S. 71] ERBE, Walter, Dr. jur. 380 geb. 20. 6. 1909 Reutlingen, gest. 3. 10. 1967 Tübingen, Jurist, Politiker, 1940 Habil. Tübingen, 1945 o. Prof. ebd., 1948–1951 Rektor Universität Tübingen, Vertreter der deutschen Universitäten bei der UNESCO, 1951–1967 Vorstandsvors. Dt. Institut für Auslandsbeziehungen, 1952–1967 (Unterbrechung 1956/57) MdL Baden-Württemberg (FDP). ERHARD, Ludwig, Dr. rer. pol. 486, 496, 509, 531, 545 geb. 4. 2. 1897 Fürth, gest. 5. 5. 1977 Bonn, Kaufmann, Politiker, 1913–1916 Kaufmannslehre, 1916–1918 Kriegsdienst, 1919–1922 Studium Handelshochschule Nürnberg, Diplomkaufmann, 1922–1925 Studium Frankfurt/Main, 1925 Promotion, 1925–1928 Geschäftsführer im elterlichen Betrieb, 1928–1942 Wiss. Assistent und stellv. Leiter Institut für Wirtschaftsbeobachtung der Dt. Fertigware Nürnberg, 1942–1945 Gründer und Leiter Institut für Industrieforschung, 1945–1946 bayerischer Staatsminister für Handel und Gewerbe, 1947 Hon.-Prof., Leiter Expertenkommission „Sonderstelle Geld und Kredit“ bei der Verwaltung der Finanzen der Bizone, 1948–1949 Direktor Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, 1949–1977 MdB (CDU), 1949–1963 Bundesminister für Wirtschaft, 1957–1963 Stellv. des Bundeskanzlers, 1963–1966 Bundeskanzler, 1966–1967 Bundesvorsitzender der CDU (ohne vorherigen Parteieintritt). ERLER, Fritz 318, 493, 526, 529–532, 549 geb. 14. 7. 1913 Berlin, gest. 22. 2. 1967 Pforzheim, Verwaltungsbeamter, Politiker, 1928 Mitgl. Sozialistische Arbeiterjugend, wenig später auch der SPD, 1933 Ausschluss nach

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politischen Differenzen, aber Weiterarbeit für beide Organisationen, 1938 Verhaftung, 1945 Beteiligung am Wiederaufbau der SPD, Landrat Biberach und Tuttlingen, 1947 MdL Württemberg-Hohenzollern, 1949–1967 MdB (SPD), 1953–1957 stellv. Vors. Verteidigungsausschuss des Dt. Bundestags, 1957 stellv. SPD-Fraktionsvors., 1964–1967 stellv. Vors. SPD und Vors. SPD-Bundestagsfraktion. FAHLAND, Paul 77 Konsistorialrat, bis 1945 Mitgl. Konsistorium Berlin, 1945 aus dem Amt entlassen. FEHLING, August-Wilhelm, Dr. phil. 418 geb. 1896, gest. 1964, 1922 Promotion, Leiter Abt. 5 (Wissenschaftliche Hochschulen) im Kultusministerium Schleswig-Holstein. FICHTNER, Johannes, Lic. theol. 138 geb. 14. 7. 1902 Reichenbach (Oberlausitz), gest. 1. 7. 1962 Speyer, Theologe, Universitätslehrer, kirchlicher Doz. (AT), 1930 Privatdoz. und Standortpfr. Greifswald, 1937 apl. Prof., 1939–1948 ao. Prof. ebd., 1949–1962 o. Prof. Kirchliche Hochschule Bethel, 1950–1955 deren Leiter. [Personenlexikon, S. 75] FINKEN, Ahlke, geb. Osterloh, Dr. med. 151 geb. 13. 12. 1947 Holle, Ärztin, Tochter Edo und Gertrud Osterlohs. FISCHER 338 1952 Synodaler LK Oldenburg. FISCHER, Martin, D. DD. 72, 76f. geb. 9. 8. 1911 Magdeburg, gest. 3. 3. 1982 Berlin, Theologe, kirchlicher Doz. (PT), 1935–1938 Reisesekretär DCSV, 1935 Mitbegründer und Doz. Kirchliche Hochschule Berlin, 1937–1945 Leiter Studentenarbeit der BK, 1945 Doz. Kirchliche Hochschule Berlin, 1950–1970 Prof. ebd. [Personenlexikon, S. 77] FLECK 340 Postrat, 1952 Synodaler LK Oldenburg. FLOR, Wilhelm 42, 47 geb. 23. 5. 1882 Oldenburg, gest. 19. 11. 1938 Leipzig, Jurist, 1925 nebenamtl. rechtskundiges Mitglied Ev. Oberkirchenrat LK Oldenburg, 1931 Abordnung an das Reichsgericht Leipzig, 1933 Reichsgerichtsrat ebd., 1933 Begründer und Hauptvertreter des Bekenntnisrechts. [Personenlexikon, S. 78] FREDRICHSDORFF, Ilse 68 geb. 19. 11. 1913 Berlin, gest. 16. 11. 1945 Lietzen bei Lebus/Oder, 1932 Ausbildung zur Buchhändlerin, 1933/34 BK-Sympathisantin, 1936 Abitur, Theologiestudium Berlin, 1937 Relegation von der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin wegen Teilnahme an Veranstaltungen der BK, Fortsetzung des Studiums an der Kirchl. Hochschule, 1938 ein Semester in Basel, dann erneut in Berlin, 1940 erstes Theol. Examen (illegale Prüfungskommission der BK), Vikariat bei Klara Hunsche und im Büro Grüber, 1943 Vertreterin für zwei Pfarrstellen Lietzen, zweites Theol. Examen, Ordination in Sachsenhausen durch Kurt Scharf, 1945 April Führung des Lietzener Flüchtlingstrecks, Rückkehr im Sommer. FREUDENBERG, Adolf, Dr. jur. 55, 66, 91 geb. 4. 4. 1894 Weinheim/Bergstraße, gest. 7. 1. 1977 Bad Vilbel, 1922–1935 Auswärtiger Dienst, Legationsrat Auswärtiges Amt, Studium der Ev. Theol., Anschluss an die

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BK, 1937 Ausschluss vom Studium an allen dt. Hochschulen, 1938/39 Mitarb. Hilfsstelle für „nichtarische“ Christen („Büro Grüber“) Berlin, 1939 Ordination, Auswanderung nach England. [Personenlexikon, S. 79] FREUDENBERG, Elsa, geb. Liefmann 55 geb. 1897, gest. 1988, Medizinerin, Ehefrau von Adolf Freudenberg. FREY, Hellmuth 138 geb. 20. 12. 1901 Torri, gest. 27. 12. 1982 Bethel, Theologe, kirchlicher Dozent (AT, PT), Studium (Jura, Theol.) Dorpat, 1930 Pfr., Leiter Innere Mission ebd., 1931–1939 Doz. Theol.-Philosophisches Lutherinstitut ebd., 1946–1963 Doz. Theol. Schule Bethel. [Personenlexikon, S. 80] FRICK, Robert, Lic. theol., D. theol. 29, 138 geb. 3. 9. 1901 Charlottenburg, gest. 13. 2. 1990 Düsseldorf, Theologe, kirchlicher Doz. (KG, Griechisch), 1931–1939 Doz. Theol. Schule Bethel, 1945 erneut Doz. ebd., bis 1948 deren Leiter, 1949–1969 Direktor Diakonissenanstalt Kaiserswerth. [Personenlexikon, S. 81] FRIEDRICH, Otto A. 506 geb. 3. 7. 1902 Leipzig, gest. 8. 12. 1975 Düsseldorf, Industrieller, Studium der Medizin, später Volkswirtschaft in Marburg, Königsberg, Frankfurt/Main, Heidelberg, Berlin und Wien, kaufmännische Ausbildung, 1926–1930 Tätigkeit in den USA, 1930–1932 Leiter Berliner Niederlassung der Reifenwerke B.F. Goodrich Company, anschließend Geschäftsführer versch. Verbände der dt. Kautschuk-Industrie, 1939–1965 Mitgl. Vorstand der Hamburger Gummiwarenfabrik Phönix AG, 1939–1945 geschäftsführender Reichsbeauftragter Reichsstelle Kautschuk in Berlin, seit 1945 Wiederaufbau des Werkes Phönix AG, 1949–1965 Vorstandsvors. und Generaldirektor ebd., 1966 Wechsel in den Aufsichtsrat ebd., Aufsichtsratsmitgl. Siemens AG München und Daimler Benz AG Stuttgart, 1969 Präsident Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. FRINGS, Josef, Dr. theol. 278 geb. 6. 2. 1887 Neuss/Rhein, gest. 17. 12. 1978 Köln, 1915–1922 Pfarrrektor KölnFühlingen, 1924–1937 Köln-Braunsfeld, 1935 Prosynodalrichter, 1937 Synodalrichter, 1937–1942 Regens Erzbischöfliches Priesterseminar Bensberg, 1942–1969 Erzbischof Köln, 1945–1965 Vors. Fuldaer bzw. Dt. Bischofskonferenz, 1946 Kardinal. FRÖR, Kurt, D. theol. 232f., 254 geb. 10. 10. 1905 Rothenburg o.d.T., gest. 16. 2. 1980 Erlangen, Theologe, Universitätslehrer (PT), 1928 Stadtvikar München, 1932 Inspektor Predigerseminar Nürnberg, 1936 Pfr. München, 1948 Beauftragter für Kirchl. Unterweisung LK Bayern, 1951 Mitgl. Kammer für Erziehung und Unterweisung, 1952–1972 o. Prof. Erlangen. FUNCKE, Lieselotte, Dr. h.c. 533f. geb. 20. 7. 1918 Hagen, Prokuristin, Politikerin, Studium der Betriebswirtschaftslehre Berlin, anschließend Prokuristin im Familienbetrieb Funcke & Hueck, 1946 Eintritt in die FDP, 1947–1981 Mitgl. Landesvorstand Nordrhein-Westfalen, 1964 Bundesvorstand, 1968 Präsidium, 1977–1982 stellv. Bundesvors. der FDP, 1950–1961 MdL Nordrhein-Westfalen, 1961–1979 MdB, 1969–1979 Vizepräs. ebd., 1979/80 Ministerin für Wirtschaft und Verkehr in Nordrhein-Westfalen, 1981–1991 Ausländerbeauftragte der Bundesregierung,

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GABLENTZ, Otto Heinrich von der, Dr. rer.pol. 310 geb. 11. 9. 1898 Berlin, gest. 27. 4. 1972 Berlin, Nationalökonom, Universitätslehrer (Soziologie, Politikwissenschaft), 1948 Abteilungsleiter und 1955–1959 Leiter Deutsche Hochschule für Politik, 1949 zugleich Lehrbeauftr., 1953 ao. Prof. und 1959–1966 o. Prof. Berlin (FU), 1950–1958 Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin (CDU). [Personenlexikon, S. 83] GADAMER, Hans-Georg, Dr. phil., Dr. h.c. mult. 30 geb. 11. 12. 1900 Marburg, gest. 13. 3. 2002 Heidelberg, Philosoph, Schüler Martin Heideggers, 1937 ao. Prof. Marburg, 1939 o. Prof. Leipzig, 1947 Frankfurt/Main, 1949 Heidelberg (Nachfolge Jaspers). GERLICH, Gerhard, Dr. phil. 450 geb. 9. 9. 1911 Troppau (Österreichisch-Schlesien), gest. 27. 12. 1962, Historiker, Lehrer, Doz., Politiker (CDU), Studium der Geschichte und Geographie Prag, Promotion Prag, Gymnasiallehrer in Böhmen, Prof. am Dt. Landesschulrat für Böhmen in Prag, Doz. Pädagogische Akademie ebd., 1945 vertrieben, Lehrauftrag im Fachschuldienst und Volksschullehrer Neumünster, später Oberstudienrat am Gymnasium ebd., 1950–1962 MdL Schleswig-Holstein, 1950–1954 Parlamentarischer Staatssekretär beim Kultusminister, 1955–1962 parlamentarischer Vertreter des Kultusministers, 1956 stellv. Landesvors. CDU. GERSTENMAIER, Eugen, D. Dr. theol., Dr. h.c. mult. 402, 488f., 491ff., 495f., 498f., 519 geb. 25. 8. 1906 Kirchheim/Teck, gest. 13. 3. 1986 Oberwinter, Kaufmann, Theologe, Politiker, 1942 Konsistorialrat Kirchl. Außenamt, Unterstützung des Widerstands, 1945 Begründer, bis 1951 Leiter Hilfswerk der EKD, 1947 Oberkirchenrat, 1949–1969 MdB (CDU), 1954–1969 Bundestagspräsident. [Personenlexikon, S. 87] GLOY, Albert 27f. geb. 8. 5. 1893 Bremen, gest. 1960 Varel, Lehrer, 1910–1914 und 1919/20 Studium, 1914–1918 Kriegsdienst, 1921 Höherer Schuldienst im Land Oldenburg, Klassenlehrer Osterlohs an der Oberrealschule Varel, 1939–1945 Kriegsdienst, danach erneut im Schuldienst, Leiter Volkshochschule Varel, zuletzt Leiter Gymnasium Varel, 1958 i. R. GOEBBELS, Joseph, Dr. phil. 64, 499 geb. 29. 10. 1897 Rheydt, gest. 1.5.1945 Berlin (Selbstmord), NSDAP-Politiker, 1933– 1945 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda. GÖRING, Hermann 60 geb. 12. 1. 1893 Marienbad bei Rosenheim (Oberbayern), gest. 15.10.1946 Nürnberg (Selbstmord), 1914 Kriegsfreiwilliger, Jagdflieger, Auszeichnung mit dem Pour-leMérite, nach 1918 Testpilot und Kunstflieger in Dänemark, 1920 Mitarbeit Svenska Lufttravik Stockholm, 1922 Verbindung mit Hitler, Oberkommando „Sturmabteilung (SA)“, 1923 Beteiligung am Hitler-Putsch, Flucht nach Österreich und Italien, 1926 Rückkehr nach Berlin, Vertreter dt. Flugzeugfirmen, 1928 MdR (NSDAP), 1932 Reichstagspräsident, 1933 Reichsminister ohne Portefeuille, Reichskommissar Luftfahrt, bis 1934 preußischer Innenminister, 1936 Generalbevollmächtigter für den ersten Vierjahresplan, 1935 Oberbefehlshaber der Luftwaffe, 1939 und 1941 von Hitler zum Stellvertreter und Nachfolger in allen Ämtern benannt, April 1945 von allen Ämtern enthoben, 1946 im Nürnberger Prozess zum Tode durch den Strang verurteilt.

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GOGARTEN, Friedrich, Lic. theol., D. 503 geb. 13. 1. 1887 Dortmund, gest. 16. 10. 1967 Göttingen, luth. Theologe, Universitätslehrer (ST), 1917 Pfr. Stelzendorf, 1925 Dorndorf/Saale, 1931 o. Prof. Breslau, 1935 Lehrstuhlvertr. Bonn (für Karl Barth), 1935–1955 Göttingen, Mitbegründer der Dialektischen Theologie. [Personenlexikon, S. 90] GOLLWITZER, Helmut, Lic. theol., D. 18, 55, 59, 76, 91, 309, 324, 335, 515, 521 geb. 29. 12. 1908 Pappenheim (Bayern), gest. 17. 10. 1993 Berlin, Theologe, kirchlicher Doz., Universitätslehrer, 1935 Mitarbeit im BK-Studentenamt der EKapU, 1938–1940 Pfr. Berlin-Dahlem, Doz. Kirchliche Hochschule Berlin, 1949 o. Prof. Bonn, 1957–1975 Berlin (FU), Mitglied EKD-Kammer für soziale Ordnung. [Personenlexikon, S. 90] GOLTZEN, Herbert 199f. geb. 5. 9. 1904 Berlin, gest. 28. 6. 1979 Kaufbeuren, Studium der ev. Theologie in Tübingen, Marburg und Göttingen, 1929 Jugendleiter des BDJ Solingen und Lehrvikar, 1930 Synodalvikar Düsseldorf, 1931 Hilfsprediger Alsum, 1932 Pfr. Kohlo (Niederlausitz), 1945 vertrieben, 1946 Pfr. Oldenburg, 1954–1969 Cappeln, Kreis Cloppenburg, 1965 „Kirchenrat“. GRAMSCH, Alfred, Dr. phil. 124, 135f., 169, 173, 334–341, 343–347 geb. 26. 10. 1894, gest. 15. 9. 1988, Lehrer, 1931–1936 Oberstudiendirektor, 1936 aus dem Schuldienst entlassen, vor 1933 Mitgl. DNVP, 1945–1959 Ministerialrat im Ministerium bzw. beim Verwaltungspräsidium Oldenburg, 1951–1955 Präsident der Synode LK Oldenburg, 1952 Eintritt in die CDU, 1959–1967 MdL Niedersachsen, 1963 Mitgründer und bis 1976 Vors. Ev. Arbeitskreis Oldenburg. GRAU, Ernst 322 Pfr., 1953 leitender Seelsorger bei den Arbeitsdiensteinheiten im Bereich der USArmee, Mitgl. „Bender-Ausschuss“. GREIN, Karl 311 gest. 1958, 1945 Mitgl. vorläufige Kirchenleitung LK Hessen-Nassau, später Oberkirchenrat ebd. GRISEBACH, Eberhard 31 geb. 1880, gest. 1945, Philosoph und Pädagoge, Prof. Jena, seit 1931 Zürich. GRIMME, Adolf 175, 259 geb. 31. 12. 1889 Goslar, gest. 27. 8. 1963 Degerndorf, Lehrer, Politiker, 1914 Lehrer Hannover, 1925 Oberschulrat Magdeburg, 1928 Ministerialrat im preußischen Kultusministerium, 1929 Vizepräs. Provinzialschulkollegium Provinz Brandenburg, 1930–1932 preußischer Kultusminister, 1942 inhaftiert, 1945 Regierungsdirektor Hannover, 1946 Volksbildungsminister Land Hannover (später Niedersachsen), Leiter des Schulwesens in der Britischen Besatzungszone, 1947 Kultusminister ebd. und Mitgl. Zonenbeirat der Britischen Zone, 1948–1956 Generaldirektor NWDR. GROTELÜSCHEN, Wilhelm, Dr. phil. 340, 346 Lehrer, Heimatkundler, Universitätslehrer, 1933 Promotion, Tätigkeit in Ahlhorn, später Prof. für Geographie an der Universität Oldenburg, 1952 Synodaler LK Oldenburg. GROTHUSEN, Gehrd, Dr. jur. 418, 436 Jurist, 1935 Promotion Göttingen, in Osterlohs Amtszeit Leiter der Abt. 1 (Allgemeines) im Kultusministerium Schleswig-Holstein.

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GRÜBER, Heinrich, D. theol., Dr. h.c. mult. 314 geb. 24. 6. 1891 Stolberg (Rheinland), gest. 29. 11. 1975 Berlin, Theologe, 1938 Gründer und bis 1940 Leiter Hilfsstelle für „nichtarische“ Christen („Büro Grüber“), 1945 Propst Berlin, 1949–1958 Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Regierung der DDR, 1951 Mitarbeit Kommission der EKD zur Erarbeitung einer Stellungnahme zur Frage der Kriegsdienstverweigerung. [Personenlexikon, S. 92f.] HAAS, Friedrich 103f. geb. 27. 9. 1907 Ziegenhain, Bez. Kassel, gest. 5. 9. 1977 Kirchhatten, Theologiestudium in Erlangen, Marburg und Göttingen, 1935 beschäftigt im Auftrag des Präsidiums der Bekenntnissynode Oldenburg, 1938/39 Hilfsprediger Apen, dann Schortens, 1941 Vakanzprediger Altenhuntorf-Bardenfleth, Kandidat Holle, 1942 zugleich Verwaltung Neuenbrok, 1942–1946 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1946 Verwaltung Fedderwardergroden-Voslapp, 1947–1950 Pfr. ebd., 1950–1975 Pfr. Jade. HAFA, Herwig Olaf, Dr. phil. 351 geb. 6. 3. 1910 Gnadau, gest. 28. 4. 2000 Berlin, 1938–1940 Studienassessor und Internatsleiter der Brüdergemeine, zugleich 1939 Lehrvikar, 1941 ordiniert, 1941 Internatsleiter und Hilfsprediger, 1942 Studienrat Hirschberg, 1947 Stadtsynodalpfr. Berlin, zugleich nebenamtl. Bearbeiter von Schulfragen in der Kirchenkanzlei, Berliner Stelle, 1956 theol. Referent ebd., 1955–1959 Geschäftsführer der Kirchl. Erziehungskammer der EKD, 1961 Provinzialpfr. Berlin. HAGEMEYER, Maria, Dr. jur. 270, 279 geb. 1896, gest. 1991, Juristin, 1920 Referendarin, 1922 Promotion, 1924 Assessorprüfung, Hilfskraft im preußischen Justizministerium, 1927 Amts- und Landrichterin, 1928 Land- und Amtsgerichtsrätin Bonn, 1951 Oberlandesgerichtsrätin. HAHN, Wilhelm, Lic. theol. 69, 219, 335, 337–344, 346, 354, 500ff. geb. 14. 5. 1909 Dorpat, gest. 9. 12. 1996 Heidelberg, Theologe, Universitätslehrer (Homiletik, Liturgik, Katechetik), Politiker, 1919 Flucht der Familie nach Göttingen (Vater in Estland ermordet), Studium in Tübingen, Göttingen, Bonn und Münster, 1937 Promotion, Pfr. Minden, 1942 Sanitätssoldat, 1946 erneut Pfr. Minden, zugleich Vertreter der Kirchen der britischen Besatzungszone bei der Alliierten Kontrollkommission, 1949 Superintendent Minden, 1950 o. Prof. Heidelberg, 1958 Rektor Universität Heidelberg, 1955–1962 Mitgl. Dt. Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen, 1956 Eintritt in die CDU, 1962–1964 MdB, 1964–1978 Kultusminister Baden-Württemberg, 1967–1977 Mitgl. Bundesvorstand CDU, 1968–1980 MdL Baden-Württemberg, 1979–1987 Mitgl. des Europaparlaments. HALDER, Franz 95 geb. 30. 8. 1884 Würzburg, gest. 2. 4. 1972 Aschau/Oberbayern, Militär, im ersten Weltkrieg Generalstabsoffizier, 1922 Major in der Reichswehr, verschiedene Stabs- und Truppenverwendungen, seit 1936 im Oberkommando des Heeres, 1938 Chef des Generalstabs des Heeres, 1940/41 Generaloberst, Leiter der militärischen Operationen in Polen, Frankreich, auf dem Balkan und in Russland, 1942 nach mehrmaligen Zerwürfnissen mit Hitler abgelöst, 1944 Verhaftung, KZ-Haft, 1945 von amerikanischen Truppen befreit. HALFMANN, Wilhelm, D. theol. 227, 233, 413, 429, 432, 437, 439, 441, 443ff., 498 geb. 12. 5. 1896 Wittenberg, gest. 8.1.1964 Kiel, Theologe, ab 1933 geistl. Leiter BK

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Schleswig-Holstein, 1945 Vors. (Präses) der (zunächst Vorläufigen) Kirchenleitung, 1946–1964 Bischof Sprengel Holstein. [Personenlexikon, S. 97] HAMMELSBECK, Oskar, D. Dr. phil. 167f., 204f., 217, 219, 222, 226–233, 236, 240, 254–261, 517 geb. 22. 5. 1899 Elberfeld, gest. 14. 5. 1975 Detmold, Pädagoge, Hochschullehrer, 1937 Aufbau und Leitung Katechetisches Seminar BK Berlin, 1946–1959 Aufbau, Prof. und Rektor Pädagogische Akademie Wuppertal, 1946–1971 nebenamtl. Lehrer (Pädagogik, Katechetik) Kirchliche Hochschule Wuppertal, 1946–1954 Vors. Kammer für Erziehung und Unterweisung der EKD. [Personenlexikon, S. 98] HANSSLER, Bernhard 493 geb. 23. 3. 1907 Tafern bei Überlingen, gest. 11. 8. 2005 Stuttgart, kath. Theologe, 1932 Priesterweihe, 1934 Jugendpfr., 1936 Studentenpfr. Tübingen, Redeverbot, seit 1942 Schreibverbot, 1945–1951 Pfr. Schwäbisch-Hall, 1952–1955 Stuttgart, 1956 Mitbegründer Cusanus-Werk, erster Geschäftsführer, 1957–1970 geistlicher Direktor, später bischöflicher Assistent des Zentralkomitees Dt. Katholiken Bad Godesberg, 1970–1974 Rektor des dt. Priesterkollegs in Rom, 1981–1991 Akademikerseelsorger Stuttgart. HARBSMEIER, Götz 80f., 567 geb. 13. 8. 1910 Weißenburg (Elsass), gest. 1979, Theologe, Universitätslehrer (PT), 1937–1939 Pfr. Wilhelmshaven, 1943 Reiffenhausen bei Göttingen, 1953 Prof. Pädagogische Hochschule Lüneburg, 1961 o. Prof. Göttingen, 1965 Universitätsprediger ebd., 1971 Abt Kloster Bursfelde. HARDER, Günther, Dr. jur., Lic. theol., D. theol. 49, 59, 72, 88 geb. 13. 1. 1902 Groß-Breesen, Kreis Guben, gest. 12. 9. 1978 Berlin, Theologe, kirchlicher Doz. (NT), 1935 Mitbegründer Kirchliche Hochschule Berlin, bis 1941 und erneut 1945–1948 Doz. ebd., bis 1972 Prof., wiederholt Rektor ebd. [Personenlexikon, S. 99] HARNACK, Adolf (seit 1914 von), Dr. phil., Dr. h.c. mult. 183 geb. 7. 5. 1851 Dorpat, gest. 10. 6. 1930 Heidelberg (bestattet in Berlin), luth. Theologe, Universitätslehrer (KG), 1888–1921 o. Prof. Berlin, 1911 Mitbegründer und bis 1930 erster Präsident Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (seit 1948 Max-Planck-Gesellschaft). [Personenlexikon, S. 99f.] HARTONG, Franz 78, 80f., 125f., 134f. geb. 1882 Oldenburg, gest. 14. 11. 1945 auf der Fahrt von Hude nach Oldenburg, Jurist, 1908–1918 Staats- und Kommunaldienst, 1918–1932 Tätigkeit bei der Fa. Nordwolle Delmenhorst, 1919–1932 Mitgl. DVP, 1920–1932 MdL Oldenburg, 1932 Rechtsanwalt, 1935 Notar Oldenburg, 1935–1945 nebenamtl. juristisches Mitgl. Oberkirchenrat LK Oldenburg, 1945 Wiederzulassung als Notar. HASSEL, Kai-Uwe von 21, 404–407, 409f., 413, 430, 432, 435, 437ff., 441, 443, 445, 449f., 453–459, 465–469, 473f., 486f., 492, 494f., 501, 506f., 509, 520, 536 geb. 21. 4. 1913 Gare/Tanganjika (ehemals Deutsch-Ostafrika, heute Tansania), gest. 8. 5. 1997 Aachen, Politiker, 1919 Ausweisung aus Tanganjika, 1933 Abitur, landwirtschaftlich-kaufmännische Ausbildung, 1935 Rückkehr nach Tanganjika als Pflanzungskaufmann, 1940–1945 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1946 Eintritt in die CDU Schleswig-Holstein, 1947–1963 Mitgl. Stadtvertretung, Bürgermeister und Bürger-

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vorsteher Glücksburg, Mitgl. des Kreistages, 1950–1965 MdL Schleswig-Holstein, 1953–1954 und 1965–1980 MdB, 1954–1963 Ministerpräsident Schleswig-Holstein, 1956–1969 stellv. Bundesvorsitzender CDU, 1963–1966 Bundesminister für Verteidigung, 1966–1969 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1969–1972 Präsident, 1972–1976 Vizepräsident des Dt. Bundestags, 1973–1981 Präsident der Europäischen Union Christlicher Demokraten, 1976–1977 Vizepräsident Parlamentarische Versammlung des Europarats, 1976–1981 stellv. Vors. der Europäischen Volkspartei, 1977–1980 Präsident Parlamentarische Versammlung der WEU, 1979–1984 Mitgl. des Europäischen Parlaments. HAUER, Jakob Wilhelm, Dr. phil. 40 geb. 4. 4. 1881 Ditzingen bei Leonberg (Württemberg), gest. 18. 2. 1962 Tübingen, Missionar, Religionswissenschaftler, Universitätslehrer (Allg. Religionsgeschichte, Indologie), 1933 mit Ernst Graf von Reventlow Begründer Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung (Deutsche Glaubensbewegung). [Personenlexikon, S. 101] HAUG, Martin, D. Dr. theol. 334, 346f., 490 geb. 14. 12. 1895 Calw, gest. 28. 3. 1983 Freudenstadt, Theologe, Lehrer, 1943 Oberkirchenrat (Personalreferent), 1946 Prälat, 1949–1962 Landesbischof LK Württemberg, 1952–1957 Mitglied Rat der EKD, 1953 Leiter Untersuchungskommission zur Oldenburger Bischofswahl. [Personenlexikon, S. 101] HECK, Bruno, Dr. phil. 375 geb. 20. 1. 1917 Aalen, gest. 16. 9. 1989 Blaubeuren, Politiker, 1946 Mitglied CDU 1949/50 Schuldienst, 1950–1952 Regierungsrat Kultusministerium Württemberg-Hohenzollern, 1952–1958 Bundesgeschäftsführer CDU, 1957–1976 MdB, 1961/62 Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 1962–1968 Bundesminister für Familien- und Jugendfragen, 1966 kurzfristig zugleich Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau, 1967–1971 Generalsekretär der CDU. HECKEL, Johannes, Dr. jur., D. theol. 440 geb. 24. 11. 1889 Kammerstein (Mittelfranken), gest. 15. 12. 1963 Tübingen, Jurist, Universitätslehrer (Staatsrecht, luth. Kirchenrecht), 1928 o. Prof. Bonn, 1934–1945 und 1948–1957 München, 1931 maßgebliche Beteiligung am preußischen Staatskirchenvertrag. [Personenlexikon, S. 102] HECKEL, Theodor, Lic. theol., Dr. theol., D. Dr. jur. h.c. 106f. geb. 15. 4. 1894 Kammerstein (Mittelfranken), gest. 24. 6. 1967 München, 1934–1945 Leiter des neu errichteten Kirchl. Außenamtes der DEK, Bischof der dt. Auslandsgemeinden, 1939 Gründer und Leiter Ev. Hilfswerk für Internierte und Kriegsgefangene. [Personenlexikon, S. 102] HEGEL, Georg Wilhelm Friedrich 379 geb. 27. 8. 1770 Stuttgart, gest. 14. 11. 1831 Berlin, Philosoph. HEGER, Erwin 150 geb. 3. 5. 1915 Oldenburg, Studium in Heidelberg und Göttingen, 1936–1938 Vakanzprediger Großenmoor, 1938 auf eigenen Antrag aus dem Dienst entlassen, 1938–1947 Wehr- und Kriegsdienst, russ. Gefangenschaft, 1948 Lehrvikar Holle, dann Oldenburg, dann Sande, 1950 Pfr. Ihausen, 1951 Waddens, 1952 Pfr. Zetel, 1970–1978 Oldenburg-Osternburg.

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HEIDLAND, Hans, D. 321f. geb. 20. 7. 1912 Koblenz, gest. 11. 1. 1992 Vogelbach, Theologe, Universitätslehrer (PT), 1935 Vikar Karlsruhe, danach Heidelberg, Standortpfr. Mannheim, 1940–1945 Wehrmachtspfr., danach Pfr. Heidelberg-Wieblingen, zugleich hauptamtl. Pfr. Männerwerk LK Baden in Karlsruhe, 1949 Oberkirchenrat, 1960 o. Prof. Heidelberg, 1964–1980 Landesbischof LK Baden. HEILMANN, Martin 249, 251 geb. 1. 9. 1893 Usingen (Hessen), gest. 7. 9. 1979 Gladbeck, 1929–1957 Pfr. Gladbeck, zugleich 1931–1957 Provinzialpfr. für Volksmission / Leiter Volksmissionarisches Amt, 1951/53 Geschäftsführer „Freie Vereinigung evangelischer Eltern und Erzieher“. [Personenlexikon, S. 104] HEINEMANN, Gustav W., Dr. jur., Dr. rer. pol., Dr. theol. h.c. 217, 249f., 303, 305–310, 313, 322, 358, 386–389, 393, 398, 497f., 505, 507, 509 geb. 23. 7. 1899 Schwelm (Westfalen), gest. 7. 7. 1976 Essen, Jurist, 1945–1952 Mitglied Kirchenleitung LK Rheinland, 1949–1955 Präses der Synode der EKD, 1949/50 Bundesinnenminister, 1952 Mitbegründer Gesamtdeutsche Volkspartei, 1957 Auflösung GVP, Mitglied SPD, 1966–1969 Bundesjustizminister, 1969–1974 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. [Personenlexikon, S. 105] HEINEN, Friedrich 188 geb. 1877, Lehrer, 1948 Mitglied der Erziehungskammer LK Oldenburg. HELD, Heinrich, D. theol. 248, 259, 307 geb. 25. 9. 1897 St. Johann bei Saarbrücken, gest. 19. 9. 1957 Düsseldorf, 1930–1946 Pfr. Essen-Rüttenscheid, 1934 Mitglied Bruderrat Rheinland, Bruderrat und Rat der EKapU, 1946 Superintendent und Oberkirchenrat, 1948–1957 Präses LK Rheinland. [Personenlexikon, S. 106] HELLWEGE, Heinrich 379–384 geb. 18. 8. 1908 Neuenkirchen (Kreis Stade), gest. 4. 10. 1991 Neuenkirchen (Kreis Stade), Kaufmann, Politiker, Ausbildung zum Ex- und Importkaufmann, 1933 Eintritt in das elterliche Geschäft, Engagement in der Bekennenden Kirche, 1945 Mitbegründer der Niedersächsischen Landespartei, 1947 Erweiterung zur Deutschen Partei unter seiner Führung, 1946–1950 MdL Niedersachsen (NLP, DP), 1949–1955 MdB, Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats, 1955–1959 Ministerpräsident Niedersachsen, 1961 Eintritt in die CDU, 1979 Austritt, nach 1963 Verzicht auf politische Ämter. HENNIG, Heidi, geb. Osterloh 56, 94, 96, 99f., 106, 147 geb. 8. 7. 1940 Berlin, Lehrerin, Schulrektorin, Tochter Edo und Anneliese Osterlohs. HERMAN, Stuart W., D. DD. 292ff. geb. 4. 8. 1909 Harrisburg (USA), gest. 16. 2. 2006 Greenport/NY, amerikanischer Theologe, 1934 Ordination, 1936–1941 Gesandtschaftspfr. Berlin, 1941 Internierung in Bad Nauheim, 1942–1948 Doz. in England und USA, 1944/45 Government Service USA, 1945–1947 stellv. Direktor Wiederaufbauabt. ÖRK Genf, 1948–1952 Direktor der Flüchtlingshilfe, 1952 Direktor Lateinamerikakommission des LWB, bis 1963 Executive Secretary of the Lutheran World Federation Affairs im National Lutheran Council New York, 1957–1959 Präsident der Conference of Non-Governmental Organizations Interested in Migration, 1964–1971 Präsident der Lutheran School of Theology Chicago.

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HERMES, Andreas, Dr. phil. 144 geb. 16. 7. 1878 Köln, gest. 4. 1. 1964 Krälingen, Dipl.-Landwirt, Politiker, 1918 Referent und später Ministerialdirektor im Reichswirtschaftsministerium, 1920–1922 Leiter Reichsernährungsministerium, 1920–1923 MdL Preußen, MdR (Zentrum), 1922/23 Reichsfinanzminister, 1928 Präs. Vereinigung der dt. christl. Bauernvereine und Präs. Reichsverband der dt. landwirtschaftlichen Genossenschaften (Raiffeisen), 1933 Verfahren wegen angeblicher Untreue, 1936–1939 Aufbau eines Genossenschaftswesens in Kolumbien, 1945 stellv. Oberbürgermeister und Leiter des Ernährungswesens Stadt Berlin, Mitbegr. CDU Berlin und deren erster Vors. in der SBZ, 1946 Wohnsitznahme in Westdeutschland, 1946–1954 Präs. Dt. Bauernverband, 1954–1964 Ehrenpräs. ebd., 1947–1961 Leiter des Raiffeisenverbandes, 1954–1958 Präs. Verband Europäischer Landwirtschaft, 1958–1964 Ehrenpräs. ebd. HERNTRICH, Volkmar, Lic. theol., D. 36, 138, 220, 314, 331f., 335, 392, 405f., 413, 496, 540 geb. 8. 12. 1908 Flensburg, gest. 14. 9. 1958 Lietzow bei Nauen (Verkehrsunfall), Theologe, kirchlicher Dozent (AT), 1934–1942 Pfr. und Doz. Theol. Schule Bethel, 1948 Oberkirchenrat, 1956–1958 Landesbischof LK Hamburg, 1949–1958 Mitglied Rat der EKD. [Personenlexikon, S. 109] HESSENAUER, Ernst, Dr. phil. 455, 467 geb. 1922, 1946 Mitbegründer Junge Union Schleswig-Holstein, Sprecher ders. in der britischen Zone, 1957 Landesbeauftragter für staatsbürgerliche Bildung Schleswig-Holstein, Regierungsrat. HEUSINGER, Adolf 304, 306 geb. 4. 8. 1897 Holzminden, gest. 30. 11. 1982 Köln, Militär, 1915 Armeeeintritt, 1921 Übernahme in die Reichswehr, 1929 Oberleutnant im Reichswehrministerium, 1931 Hauptmann im Generalstab, 1940 Generalleutnant und Chef der Operationsabteilung des Heeres, 1944 kurzzeitig verhaftet, 1945–1948 interniert, seit 1950 militärischer Berater Konrad Adenauers, führend Beteiligter beim Aufbau der Bundeswehr, 1955 Generalleutnant, 1957 als General erster Generalinspekteur der Streitkräfte. HEUSS, Theodor, Dr. rer. pol. 249, 309f., 354, 513, 530f., 545 geb. 31. 1. 1884 Brackenheim, gest. 12. 12. 1963 Stuttgart, Politiker, Universitätslehrer (Politikwissenschaft), 1918 Mitbegr. DDP, 1920 Dozent Deutsche Hochschule für Politik Berlin, 1924–1928 und 1930–1933 MdR (DDP), 1945/46 Kultusminister Baden-Württemberg, 1946 Mitbegründer FDP, 1947–1963 Prof. Technische Hochschule Stuttgart, 1948/49 Bundesvors. FDP, 1949 MdB (FDP), 1949–1959 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. HEUSS-KNAPP, Elly 249 geb. 25. 1. 1881 Straßburg, gest. 19. 7. 1952 Bonn, Lehrerin, Politikerin, 1899 Lehrerinnenexamen, Einführung in die Volkswirtschaftslehre durch Friedrich Naumann, Doz., Kursleiterin und Publizistin, 1914–1918 ehrenamtl. Tätigkeit für Rotes Kreuz und Wohlfahrtspflege, nach 1922 Fortsetzung der sozialen Arbeit in Berlin, 1933–1945 Tätigkeit in der Werbebranche, 1945–1949 MdL Württemberg-Baden, Niederlegung des Mandats nach der Wahl ihres Mannes Theodor Heuss zum Bundespräsidenten, 1950 Gründerin Müttergenesungswerk.

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HEYDE, Werner (alias Sawade, Fritz), Dr. med. 467–470 geb. 25. 4. 1902 Forst (Lausitz), gest. 13. 2. 1964 Butzbach (Freitod), Mediziner, Universitätslehrer, Studium in Würzburg, 1927 Promotion, 1932 Habil. Würzburg, 1933 Eintritt in die NSDAP, 1934 Eintritt in die SS, 1939 ao. Prof. Würzburg, dann o. Prof. und Direktor der Universitäts-Nervenklinik, 1940 als Leiter und Hauptgutachter der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegestätten der medizinische Hauptverantwortliche für die Ausführung des Euthanasieprogramms, auf dessen Anweisungen hin vermutlich mehr als 100.000 Patienten umgebracht wurden, 1945 Verhaftung, 1947 Flucht, Neuaufbau einer Existenz in Flensburg-Mürwik unter dem Namen Fritz Sawade, 1959 Entdeckung und erneute Verhaftung. HEYDEBRECK, Claus-Joachim von 452, 536 geb. 28. 10. 1906 Potsdam, gest. 28. 8. 1985 Kiel, Jurist, Politiker (CDU), Studium in Göttingen und Berlin, 1934 Rechtsanwalt Berlin, 1946 Rechtsanwalt und Notar Glückstadt, 1948–1955 Vors. CDU-Fraktion Stadtverordnetenversammlung Glückstadt, 1954–1964 Mitgl. Kreistag Steinburg, bis 1962 auch Vors. CDU-Fraktion, 1958–1971 MdL Schleswig-Holstein, 1959–1964 Landtagspräsident, 1963–1967 stellv. Landesvorsitzender CDU Schleswig-Holstein, 1964–1969 Kultusminister, 1969 Justizminister Schleswig-Holstein. HEYDRICH, Reinhard 466 geb. 7. 3. 1904 Halle/Saale, gest. 4. 6. 1942 Prag (Folgen eines Bombenattentats), 1922–1931 Marinesoldat, unehrenhaft entlassen, 1931 Eintritt in die NSDAP und die SS, 1932 SS-Standartenführer und Chef des Sicherheitsdienstes (SD), 1933 SS-Oberführer, Leiter der bayerischen Politischen Polizei, 1934 SS-Gruppenführer, 1936 Chef der Sicherheitspolizei und des SD im ganzen Dt. Reich, 1939 Leiter Reichssicherheitshauptamt, seitdem oberster Organisator der Judenverfolgung und -vernichtung, 1941 stellv. Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, 1942 Einberufung der Wannsee-Konferenz. HILDEBRANDT, Franz, Lic. theol., D. theol. 45, 48, 59, 558, 575 geb. 20. 2. 1909 Berlin, gest. 25. 11. 1985 Edinburgh, luth. Theologe, kirchl. Doz. (luth. Theologie), 1934 Pfr. und Geschäftsführer Pfarrernotbund Berlin-Dahlem, 1935–1937 Doz. Kirchl. Hochschule Berlin, 1937 Verhaftung, Emigration nach Großbritannien. [Personenlexikon, S. 112] HIMMLER, Heinrich 499 geb. 7. 10. 1900 München, gest. 23. 5. 1945 im britischen Vernehmungslager 031 bei Lüneburg (Selbstmord), Diplomlandwirt, NSDAP-Politiker, Studium in München, 1922/23 von Ernst Röhm zur NSDAP gebracht, Partei-Eintritt, Teilnahme am Hitlerputsch, 1925 hauptamtl. Sekretär und Gaugeschäftsführer Gregor Strassers, im selben Jahr zugleich stellv. Gauleiter Niederbayern, 1926 stellv. Reichspropagandaleiter, 1927 zugleich stellv. Reichsführer der SS, bis 1932 systematischer Ausbau der SS, 1933 Polizeipräsident München, seit 1933/34 Inspekteur der Gestapo, 1936 „Chef der dt. Polizei“, 1939 „Reichskommissar für die Festigung des dt. Volkstums“ in den besetzten Gebieten, 1941 Übertragung der „polizeilichen Sicherung“ der Ostgebiete, Beginn der Ausrottung der osteuropäischen Juden durch die Einsatzgruppen des SD, 1944 Befehlshaber, 1945 Oberbefehlshaber des Ersatzheeres und Chef der Heeresrüstung, nach Kriegsende untergetaucht und bei einer Routinekontrolle festgenommen.

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HINRICHS, Claas 134 geb. 22. 1. 1895 Klein-Wiefels, gest. 27. 10. 1962 Kirchhatten, 1915–1918 Kriegsdienst, Theologiestudium in Göttingen, Münster und Rostock, 1923–1926 prov. Assistenzund Hilfsprediger Bad Zwischenahn, 1926–1961 Pfr. Hude, 1956 „Kirchenrat“. HIRSCH, Emanuel, Lic. theol., D. theol. 32, 117 geb. 14. 6. 1888 Bentwisch/Westprignitz (Brandenburg), gest. 17. 7. 1972 Göttingen, Theologe, Universitätslehrer (KG, ST), 1921–1945 o. Prof. Göttingen, 1933–1939 Dekan ebd., theol. Wortführer der DC, Berater Ludwig Müllers, 1945 Zwangsemeritierung. [Personenlexikon, S. 113f.] HITLER, Adolf 32, 35, 63f., 94, 102f., 165, 320, 330, 474, 499 geb. 20. 4. 1889 Braunau/Inn, gest. 30. 4. 1945 Berlin (Selbstmord), Politiker, „Führer“ der NSDAP, 1933 Reichskanzler, 1934 zugleich Reichspräsident. HITZIGRATH, Hellmut 74 geb. 7. 5. 1891 Hamburg, gest. 23. 9. 1950 Berlin, Studium der ev. Theologie, 1916/17 Zivilerzieher Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde, 1926 Pfr. Berlin, 1935 stellv. Präses Bruderrat Berlin, 1934–1937 (?) Studentenpfarrer der BK Berlin, 1941 wegen der Teilnahme an illegalen Prüfungen verhaftet, 1946 Superintendent Berlin. HÖPKEN, Heinrich 80, 102, 132, 152, 160, 197f., 200f., 208f., 212, 335, 337 geb. 28. 1. 1911 Esenshamm, gest. 10. 2. 2005 Bernkastel/Kues, Theologiestudium in Marburg und Bonn, 1936 prov. Hilfsprediger Edewecht, 1936/37 Heppens, 1938–1941 Hilfsprediger, dann Pfr. Goldenstedt, 1945–1955 Kreispfarrer Wildeshausen, 1947– 1980 Hg. Oldenburger Sonntagsblatt, 1947/48 nebenamtl. Mitgl. des Oberkirchenrats LK Oldenburg in Vertretung Heinz Kloppenburgs, 1950 „Kirchenrat“, 1953 nebenamtl. Mitgl., 1955–1981 hauptamtl. Mitgl. Oberkirchenrat, HÖRMANN 26 1922 Junglehrer an der Volksschule Jeringhave. HOFFMANN 555 Staatssekretär, 1939 Adressat von Osterlohs „Denkschrift“. HOFFMANN, Volkmar 468f. Journalist, 1959 Reporter, später Chefreporter „Frankfurter Rundschau“. HOLLJE, Ernst 38, 42 geb. 18. 3. 1866 Vechta, gest. 27. 12. 1951 Oldenburg, Theologe, 1932 Obmann DC Oldenburg, 1933 i. R., 1933–1934 Wahrnehmung der Geschäfte des zweiten geistlichen Mitglieds des Oberkirchenrates, 1934–1943 Vors. Landeskirchenausschuss LK Oldenburg. [Personenlexikon, S. 115] HOLLWEG, Karl-Eduard, Dr. 173, 183f. Lehrer, Doz., Gymnasiallehrer Oldenburg, nach 1945 Direktor Päd. Akademie OL HOLZAPFEL, Friedrich, Dr. jur. 387f. geb. 20. 7. 1900 Bielefeld, gest. 15. 11. 1969 New York, Jurist, Unternehmer, Politiker, 1923 Handwerkskammer Bielefeld, 1927 Bezirksverwaltungsgericht Minden, 1933–1937 erneut Handwerkskammer Bielefeld, 1940 selbständiger Unternehmer, 1945 Oberbürgermeister Herford, Gündungsmitgl. CDU Westfalen, 1946 MdL, 1949–1953 MdB, 1951–1958 Gesandter bzw. Botschafter in Bern.

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HOWE, Günter, Dr. rer. nat. 220, 269f., 273 geb. 16. 8. 1908 Hamburg, gest. 28. 7. 1968 Heidelberg, Physiker, 1930–1933 Lehrauftrag Universität Hamburg, 1947 Wiss. Mitarbeiter Christophorus-Stift Hemer, 1957 bei der Ev. Studiengemeinschaft Heidelberg, 1967 Hon.-Prof. Theol. Fakultät Heidelberg. HOYER, Albrecht 47, 157 geb. 1867, gest. 1958, 1916 Amts-, später Landgerichtsrat in Oldenburg, 1934 im Ruhestand. HÜBNER, Hans Jürgen 55, 150 geb. 18. 11. 1919, gest. 1990, 1946 kurzzeitig Vikar Holle, dann Pfr. Idar-Oberstein, Militärpfr. Hamburg, später Militärdekan, dann nochmals Gemeindepfr. Metzingen, Schwager Edo Osterlohs. HÜBNER, Heidi → LEONHARDT, Heidi HÜBNER, Irmela → JACOBY, Irmela HÜBNER, Johannes 36, 99f. geb. 27. 3. 1881 Kassel, gest. 12. 11. 1966 Wuppertal, Theologe, Pfr. Wuppertal, Vater Anneliese Osterlohs. HÜBNER, Mathilde 36, 96, 100 geb. 4. 1. 1890 Karnitz bei Treptow (Pommern), gest. 17. 6. 1976 Oldenburg, Mutter Anneliese Osterlohs, Großtante Ulrike Meinhofs. HUMBURG, Paul, D. theol. 56 geb. 22. 4. 1878 Mülheim/Ruhr, gest. 21. 5. 1945 Dortmund, ref. Theologe, 1934 Mitglied im Bruderrat der freien reformierten Synode, 1934–1936 Mitglied VKL I, 1934–1943 Präses Bekenntnissynode Rheinland. [Personenlexikon, S. 118] IBEN, Heinrich 38 geb. 29. 10. 1864 Wichtens (Oldenburg), gest. 31. 12. 1947 Rastede, Theologe, Studium in Tübingen, Greifswald und Marburg, danach im Pfarramt, 1895–1910 Hg. „Oldenburger Kirchenblatt“, 1925–1935 „Oldenburger Sonntagsblatt“, 1910 Hofprediger Oldenburg und bis 1933 Mitgl. Oberkirchenrat LK Oldenburg, 1933 Pensionierung, Anschluss an die Bekennende Kirche. IMMER, Karl, Lic. theol. 45f., 51f., 575 geb. 1. 5. 1888 Manslagt (Ostfriesland), gest. 6. 6. 1944 Meinberg an der Lippe, ref. Theologe, 1927 Pfr. Barmen-Gemarke, 1933 Gründer Coetus ref. Prediger, 1934 Mitglied Moderamen Ref. Bund, 1934–1936 Reichsbruderrat, 1935 Mitbegründer Kirchl. Hochschulen Wuppertal und Berlin. [Personenlexikon, S. 121] IWAND, Hans Joachim, Lic. theol., D. theol. 69, 153, 309, 339, 514f. geb. 11. 7. 1899 Schreibendorf (Schlesien), gest. 2. 5. 1960 Bonn (bestattet Beienrode), luth. Theologe, Universitätslehrer (ST), 1935–1937 Gründer und Leiter illegales BKPredigerseminar Blöstau (Ostpreußen), 1945 o. Prof. Göttingen, 1951–1960 Bonn, 1949 Mitglied Kammer für soziale Ordnung der EKD, 1959/60 Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD. [Personenlexikon, S. 121] JACOB, Günter, Lic. theol. 45 geb. 8. 2. 1906 Berlin, gest. 29. 9. 1993 Berlin, 1932 Pfr. Noßdorf bei Forst, 1933 Mitbegründer Pfarrernotbund, Mitglied Bruderrat Berlin-Brandenburg. [Personenlexikon, S. 122]

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JACOBI, Gerhard, D. DD. 346f., 555, 558 geb. 25. 11. 1891 Bremen, gest. 12. 7. 1971 Oldenburg, 1930–1954 Pfr. Berlin, 1934 Mitglied Reichsbruderrat, Präses Bekenntnissynode Berlin-Brandenburg, 1954–1967 Bischof LK Oldenburg. [Personenlexikon, S. 122] JACOBY, Hartmut 54, 150f., 327 geb. 29. 11. 1918 Berlin, gest. 6. 12. 1999 Oldenburg, Studium in Bethel, Marburg und Berlin, 1939–1946 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1948 Vikar Langenselbold (Kurhessen-Waldeck), 1949–1951 Lehr- und Pfarrvikar in Holle, 1951–1959 Pfr. Holle, 1959–1985 Pfr. Oldenburg, 1955–1972 Mitgl. Synode LK Oldenburg, 1972–1978 nebenamtl. Mitgl. Oberkirchenrat ebd. JACOBY, Irmela, geb. Hübner 96, 151 geb. 4. 2. 1924 Wuppertal, gest. 29. 11. 2005 Oldenburg, verheiratet mit Hartmut Jacoby, Schwester Anneliese Osterlohs. JASPERS, Karl, Dr. med. 187 geb. 23. 2. 1883 Oldenburg, gest. 26. 2. 1969 Basel, Philosoph, Studium der Rechtswissenschaften, später der Medizin in Freiburg i. Br., Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1908–1915 Medizinalpraktikant, dann Mitarbeiter der psychiatrischen Klinik in Heidelberg, 1909 Promotion (Medizin), 1913 Habil., 1919 „Psychologie der Weltanschauungen“, 1922 o. Prof. für Philosophie in Heidelberg, 1933 Ausschluss von der Universitätsverwaltung, 1937 zwangsweise Versetzung in den Ruhestand, 1943 Publikationsverbot, 1945 Mitarbeit beim Wiederaufbau der Universität Heidelberg, 1948–1961 o. Prof. Basel, 1958 Friedenspreis des Dt. Buchhandels. 135 JENSEN, Hans-Werner geb. 15. 11. 1912 Kiel, gest. 6. 4. 1983 Kiel, 1945/46 Theologischer Referent in der Kirchenkanzlei, 1946–1970 Pfr. in Schleswig-Holstein, zuletzt seit 1966 Oberlandeskirchenrat und Leiter Katechetisches Amt. JOEST, Wilfried, Dr. theol. 377 geb. 3. 4. 1914 Karlsruhe, gest. 31. 12. 1995 Erlangen, Theologe, Universitätslehrer (ST), 1946 Promotion, 1948 Habil., 1948–1953 Doz. Heidelberg, 1953–1956 o. Prof. Neuendettelsau, 1956–1981 Erlangen. JOHN, Otto, Dr. jur. 406 geb. 19. 3. 1909 Marburg, gest. 26. 3. 1997 Innsbruck, Studium in Frankfurt/Main und Berlin, 1934 Promotion, 1936 Rechtsabteilung der Lufthansa, dort über seinen Vorgesetzten Klaus Bonhoeffer Kontakt zu Dietrich Bonhoeffer, 1944 Beteiligung am Putschversuch im Bendlerblock, Flucht über Portugal nach Großbritannien, Arbeit beim Propaganda-Sender „Soldatensender Calais“, 1946/47 Zeuge der Anklage in Nürnberg, 1950 Präsident Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln, 1954 unter ungeklärten Umständen in die DDR gelangt, umstrittenes Auftreten dort, Propagandatätigkeit gegen die Regierung Adenauer, jedoch kein wissentlicher Geheimnisverrat, 1955 erneuter Wechsel nach West-Berlin, 1956 Anklage wegen Landesverrats und Verurteilung zu vier Jahren Zuchthaus, bis zu seinem Lebensende Bemühung um Rehabilitierung. JÜRGENSEN, Wilhelm 424 Politiker (SHB), 1954–1958 MdL Schleswig-Holstein.

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JUNGK, Robert, Dr. phil., Dr. h.c. 488 geb. 11. 5. 1913 Berlin, gest. 14. 7. 1994 Salzburg, Publizist, Journalist, Zukunftsforscher, als Schüler Mitgl. der antibürgerlichen deutsch-jüdischen Jugendbewegung, 1932 Philosophiestudium Berlin, 1933 verhaftet, Emigration nach Paris, Studium an der Sorbonne, 1939–1945 Tätigkeit für verschiedene Zeitungen in Zürich, 1945 Korrespondent in Paris, Washington und Los Angeles, 1952 „Die Zukunft hat schon begonnen“, 1957 Übersiedlung nach Österreich, 1970 Hon.-Prof. TU Berlin, ab 1980 aktives Mitgl. der Friedensbewegung, 1986 Alternativer Nobelpreis. JUNGKLAUS, Sieghild 54, 75 geb. 27. 3. 1915 Berlin, Abitur 1934, danach Studentin an der Kirchl. Hochschule Berlin, 1937 Relegation, 1943 auf Initiative von Martin Albertz ordiniert, nach dem Zweiten Weltkrieg erste Pfarrerin LK Berlin-Brandenburg. KÄBER, Wilhelm 433 geb. 27. 12. 1896 Duderstadt, gest. 19. 11. 1987, Lehrer, Politiker (SPD), 1921–1925 Volksschullehrer, 1925 Kommunalbeamter, 1933 entlassen, Arbeit als Kaufmann, 1945–1955 Gemeinderat im Lockstedter Lager, Mitgl. Kreistag Steinburg, 1946–1950 Innenminister Schleswig-Holstein, 1949/50 zugleich stellv. Ministerpräsident, 1946–1967 MdL Schleswig-Holstein, 1953–1966 SPD-Fraktionsvors., Oppositionsführer. KAESTNER, Fritz 156, 190, 192f. 1945–1954 Minister für Justiz, Kirchen und Schulen Land Oldenburg, später Leiter der entsprechenden Abt. im Regierungsbezirk Oldenburg. KAISER, Jakob 144, 495 geb. 8. 2. 1888 Hammelburg (Unterfranken), gest. 7. 5. 1961 Berlin, Buchbinder, Politiker, 1901–1905 Buchbinderlehre, 1919 stellv. Vors. Zentrumspartei Rheinland, Geschäftsführer Christlich Gewerkschaften Westdeutschland, 1933 MdR, seit 1934 Tätigkeit im Widerstand, 1938 Gestapo-Haft, seit dem 20. Juli 1944 untergetaucht, 1945 Mitbegründer CDUD, Vorsitzender CDU Berlin, CDU SBZ, 1947 Absetzung als CDU-Vorsitzender der SBZ durch die SMAD, 1948/49 Mitgl. des Parlamentarischen Rates, seit 1949 Vors. Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmer, 1949–1957 MdB, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, 1950 stellv. Vors. der CDU. KANT, Immanuel 560 geb. 22. 4. 1724 Königsberg, gest. 12. 2. 1804 Königsberg, Philosoph. KERRL, Hanns 47, 59, 64 geb. 11. 12. 1887 Fallersleben, gest. 15. 12. 1941 Berlin, Justizbeamter, Politiker, 1923 NSDAP-Eintritt, 1928–1933 MdL Preußen, 1933 kurzzeitig preußischer Justizminister, ab Nov. 1933 MdR, 1934 Reichsminister ohne Geschäftsbereich, 1935–1941 Reichskirchenminister. KETELHUT, Karl 150 geb. 29. 7. 1908 Greifenhagen (Pommern), naturwissenschaftliches und altsprachliches Studium in Königsberg, Bonn und Greifswald, Theologiestudium in Greifswald, 1935/36 Prädikant Schlosskirche Stettin, dann Koblentz, 1936/37 Vikar Domkandidatenstift Berlin, 1937/38 Prädikant, Hilfsprediger, Pfr. Pribbernow (Pommern), 1938–1942 Pfr. Zittow, 1942–1945 Kriegspfr. (Lazarett- und Divisionspfr.), 1945 Be-

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schäftigungsverhältnis LK Oldenburg, kurzzeitige Vertretung in Holle, 1946–1953 Pfr. Neuenhuntorf, 1948–1961 Vorsteher Bäuerliche Volkshochschule, 1953–1962 Inhaber Pfarrstelle für den Dienst an der Jugend des Landvolks, 1962–1973 Landespfr. für Innere Mission und das Ev. Hilfswerk LK Oldenburg, 1962–1979 Strafanstaltspfr. JVA Oldenburg. KIECKBUSCH, Wilhelm, D. theol. 441 geb. 28. 5. 1891 Hamburg-Eppendorf, gest. 26. 3. 1987 Stockelsdorf bei Lübeck, 1930 Landespropst Eutin, 1933 Präsident Landessynode Eutin, 1961–1976 Bischof LK Eutin. [Personenlexikon, S. 132] KIERKEGAARD, Sören Aabye 31 geb. 5. 5. 1813 Kopenhagen, gest. 11. 11. 1855 Kopenhagen, dänischer Theologe, Philosoph, Schriftsteller. KIESEWETTER, Franz 159, 170f., 175, 195 geb. 1883, gest. 1967, Lehrer, Ausbildung in Bradby (Brandenburg), 1917 Lehrer Oldenburg, aktives Mitgl. Oldenburger Landeslehrerverein, Rektor Ev. Volksschule für Mädchen Oldenburg-Eversten, ab 1949 führende Beteiligung an der Wiedereinsetzung des Verständigungsausschusses zwischen Kirche und Schule in Oldenburg. KITTEL, Helmuth, Lic. theol., D. 167, 219, 232, 239, 318 geb. 11. 4. 1902 Potsdam, gest. 20. 1. 1984 Göttingen, Theologe, Religionspädagoge, Universitätslehrer (NT, Religionspädagogik), DC-Sympathisant, Berater von Reichskirchenminister Kerrl, 1946 Prof. Pädagogische Hochschule Celle, 1953 Pädagogische Hochschule Osnabrück, 1962–1970 o. Prof. Münster. [Personenlexikon, S. 134] KLABUNDE, Erich 394 geb. 20. 2. 1907 Hamburg, gest. 21. 11. 1950 Bad Pyrmont, Journalist, Politiker, Studium in Hamburg, Redakteur und Anschluss an die SPD, 1933 Berufsverbot, 1939 Geschäftsführer des Revisionsverbandes der Baugenossenschaften Hamburg, 1945 erster Vors. Berufsvereinigung Hamburger Journalisten, 1946 Mitgl. der Bürgerschaft Hamburg und Vors. SPD-Fraktion ebd., 1949 MdB, Wahl zum Vors. der gesamtdeutschen Journalistenvereinigung. KLAPPROTH, Erich 72 gef. 18. 7. 1943 bei Orel, 1934 Mitbegründer, 1938 Leiter der Gruppe illegaler Vikare und Hilfsprediger von Berlin-Brandenburg („Bruderbund junger Theologen“). KLESSMANN, Ernst, Dr. phil. 226f. geb. 1899, gest. 1986, 1935 Pfr. Jöllenbeck bei Bielefeld, 1953–1964 Leiter Katechetisches Amt LK Westfalen, 1945 Teilnehmer Kirchenkonferenz in Treysa. 36 KLEVINGHAUS, Hans (Johannes) geb. 1911, gest. 1970, 1935 Nachfolger Osterlohs in Bethel, Pfarrer, Leiter der Anstalten Wittekindshof, Vors. Innere Mission (Westfalen). KLOPPENBURG, Heinz 18, 33, 36, 39–42, 44f., 47ff., 52ff., 60, 74f., 78ff., 82, 92f., 97, 101f., 104f., 109f., 112–119, 123–127, 129ff., 134f., 138, 141, 143, 147, 152, 154–157, 161, 169f., 196ff., 201ff., 205f., 208ff., 214f., 291–294, 298, 324, 326ff., 334–347, 495, 521, 541ff., 546, 555, 561f., 567–575 geb. 10. 5. 1903 Elsfleth/Wesermarsch, gest. 18. 2. 1986 Bremen, 1933 Gründer und Leiter Pfarrernotbund, dann BK Oldenburg, 1934 Mitglied Reichsbruderrat, 1945

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Oberkirchenrat LK Oldenburg, 1947–1950 Mitarb. Sekretariat für Flüchtlingsfragen des ÖRK Genf, 1952 Scheitern des Versuchs, zum Bischof von Oldenburg gewählt zu werden. [Personenlexikon, S. 137] KNAK, Siegfried, D. theol. 52 geb. 12. 5. 1875 Zedlitz (Schlesien), gest. 22. 5. 1955 Berlin, 1910–1920 Inspektor Berliner Missionsgesellschaft, 1921–1949 Missionsdirektor ebd., 1935 Berufung an die Kirchl. Hochschule Berlin, 1950 Prof. ebd. (Missionswissenschaft). [Personenlexikon, S. 138] KNOLLE, Theodor, D. theol. 429 geb. 18. 6. 1885 Hildesheim, gest. 2. 12. 1955, Theologe, kirchl. Doz. (PT), 1946 Oberkirchenrat, 1948–1954 Präsident Landessynode Hamburg, Doz. Kirchl. Hochschule Hamburg, 1954 (Einführung 1955) Landesbischof Hamburg. [Personenlexikon, S. 139] KOCH, Karl, D. theol. 70, 555, 558 geb. 6. 10. 1876 Witten, gest. 28. 10. 1951 Bielefeld, 1916–1949 Pfr. Bad Oeynhausen, seit 1927 Präses der Synode Provinzialkirche Westfalen, 1934–1939 Vors. Bruderrat Westfalen, seit 1934 Mitglied Rat der DEK, Präses der Bekenntnissynode der DEK, 1945–1949 Präses LK Westfalen. [Personenlexikon, S. 140] KOCH, Fritz, Dr. jur. 213, 340 geb. 15. 3. 1900 Oldenburg, gest. 1985, Jurist, Rechtsanwalt, Verwaltungsbeamter, 1917/18 Kriegsdienst, Jurastudium in Tübingen und Göttingen, 1919 Freikorpsmitglied, Beteiligung an den Kämpfen gegen die Bayerische Räterepublik, 1918/19 Eintritt in die DVP Oldenburg, Leiter von deren Jugendorganisation, 1923 Promotion Göttingen, 1925 Rechtsanwalt Oldenburg, Eintritt in die Kanzlei von Justizrat Lohse, 1937–1945 Notar im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg, 1945 Wiederzulassung als Rechtsanwalt und Notar, 1931/32 Stadtrat Odlenburg (DVP), 1932 Austritt aus der DVP, 1933 Eintritt NSDAP, 1940–1943 Regierungsrat beim Luftgaukommando Hamburg, 1943–1945 Rechtsrat Stadtverwaltung Oldenburg, 1945/46 Oberstadtdirektor Oldenburg, Mitgl. der außerordentlichen und der folgenden Landessynoden LK Oldenburg. KOCH, Gustav A. 299 1951 Nachfolger Arthur Piepkorns als Senior Chaplain der US-Besatzungstruppen in Deutschland. KOCK, Franz 414–417, 430, 441, 474, 537 1952–1966 Ministerialrat, dann Ministerialdirektor Kultusministerium Schleswig-Holstein, 1966 i. R. KÖHLER, Erich, Dr. sc. pol. 387 geb. 27. 6. 1892 Erfurt, gest. 23. 10. 1958 Wiesbaden, Studium der Volkswirtschaft, der Staatswissenschaft und des Handelsrechts in Marburg, Berlin, Leipzig und Kiel, 1919 Promotion, 1919–1933 Geschäftsführer Bund der Arbeitgeber in Kiel, als Mitgl. der Dt. Volkspartei (DVP) Angehöriger des schleswig-holsteinischen Landesvorstands und des zentralen Parteivorstands, Entlassung aus seinen Ämtern und Stellungen wegen seiner Ehe mit einer Jüdin, Arbeitslosigkeit, 1939–1945 Tätigkeit als Versicherungsagent, 1945 Mitbegr. CDU Wiesbaden, 1945–1949 Hauptgeschäftsführer Industrie- und

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Handelskammer ebd., 1946 MdL Hessen, Vors. der CDU-Fraktion, 1947 Wahl in den Vorstand der Arbeitsgemeinschaften der CDU- und CSU-Organisationen, 1947–1949 Präsident Zwei-Zonen-Wirtschaftsrat Frankfurt/Main, 1947–1950 Vors. des Verwaltungsrates der Landeszentralbank Hessen, 1949–1957 MdB, 1949–1950 erster Bundestagspräsident. KÖHLER, Ludwig, Dr. phil., D.D. 28, 30f., 84 geb. 14. 4. 1880 Neuwied/Rhein, gest. 25. 11. 1956 Zürich, ref. Theologe, Universitätslehrer (AT, NT, PT), 1923–1947 o. Prof. Zürich. [Personenlexikon, S. 142] KOHLS, Ewald 340, 346 Prokurist, 1952 Mitgl. Synode LK Oldenburg. KOHLWES, Helene, geb. Osterloh 24 geb. 1911 Rotenhahn bei Varel (Oldenburg), Schwester Edo Osterlohs. KOLLMANN, Egon 338 geb. 22. 2. 1914 Wilhelmshaven, Studium in Heidelberg und Göttingen, 1937 Hilfsprediger Rüstringen, Heppens und Bant (heute Wilhelmshaven), 1939–1945 Kriegsdienst, 1945 Ordination, 1945 Pfr. Varel, 1948–1952 Synodaler LK Oldenburg, 1968–1975 Kreispfarrer Kirchenkreis Varel. KOST, Heinrich 506 geb. 11. 6. 1890 Betzdorf, gest. 3. 7. 1978 Kapellen (heute Moers), Industrieller, 1919 Bergreferendarexamen Technische Hochschule Berlin, 1921 Bergassessor, 1922–1925 Direktion Altenburg der Dt. Erdöl AG, Zeche Graf Bismarck, anschließend Vorstandsmitgl. Magdeburger Bergwerksgesellschaft und Bergwerksdirektor Wanne-Eickel, seit 1932 Generaldirektor der Gewerkschaft Rheinpreußen, der späteren Rheinpreußen AG für Bergbau und Chemie, 1934 und 1944 verhaftet, 1945 zum Tode verurteilt, 1947 von den Alliierten zum Generaldirektor der Deutschen Kohlebergbauleitung ernannt, bis 1964 Präsident der Wirtschaftsvereinigung Bergbau. KREHLE, Heinrich 269 geb. 21. 1. 1892 München, gest. 16. 10. 1969 München, Schreiner, Gewerkschafter, Politiker, 1920 Rückkehr aus englischer Kriegsgefangenschaft, Mitgl. und 1922 Geschäftsführer des Zentralverbandes Christlicher Holzarbeiter, 1930 Landessekretär der christlichen Gewerkschaft in Bayern und Geschäftsführer des Dt. Gewerkschaftsbundes, 1933 seiner Ämter enthoben, Tätigkeit in der Reichsfinanzverwaltung, 1939 zum Kriegsdienst eingezogen, 1945 Stadtrat München, zugleich Staatssekretär im bayerischen Arbeitsministerium, seit 1946 MdL Bayern (CSU), 1947–1950 Arbeitsminister im Kabinett Ehard. KRIMM, Herbert, Dr. theol. 232 geb. 6. 11. 1905 Przemsyl (Galizien), gest. 22. 1. 2002 Karlsruhe, Theologe, Universitätslehrer (PT, Diakoniewissenschaft), 1946 Hauptgeschäftsführer Zentralbüro des Hilfswerks der EKD, 1951 Leiter des Zentralbüros, 1954 Gründer Diakoniewiss. Institut der EKD Heidelberg und dessen Leiter. [Personenlexikon, S. 145] KRÖHNERT, Otto 226 geb. 1911, gest. 1994, Mitgl. BK Ostpreußen, 1937–1939 Vikar Königsberg-Haberberg, 1939–1945 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1945–1969 Pfr. JVA Münster, 1945 Teilnehmer Bruderratstagung Frankfurt/Main.

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KÜFNER 563 Kriegspfarrer aus Tübingen. KÜNNETH, Walter, Dr. phil., Lic. theol., D. theol. DD. 333, 503 geb. 1. 1. 1901 Etzelwang (Oberpfalz), gest. 26. 10. 1997 Erlangen, luth. Theologe, kirchl. Doz., Universitätslehrer (ST, Christliche Soziallehre), 1932–1937 Leiter Apologetische Centrale der Inneren Mission Berlin-Spandau, 1944 Dekan und zugleich Hon.-Prof. Erlangen, 1953–1969 o. Prof. ebd. [Personenlexikon, S. 148] KÜSSNER 58 1935 Kriminalrat im Untersuchungsgefängnis am Alexanderplatz. KUNST, Hermann, Dr. theol. D. DD. 225, 299, 301, 312, 314, 316f., 321f., 330, 335, 337, 389, 405f., 436, 442f., 449, 475 geb. 21. 1. 1907 Ottersberg (Hannover), gest. 6. 11. 1999 Bonn, 1932 Pfr. Herford, Stellv. von Präses Karl Koch, 1943–1945 Wehrmachtspfr., 1950–1977 Bevollmächtigter der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, 1956–1972 ev. Militärbischof im Nebenamt. [Personenlexikon, S. 149] KUNSTMANN, Dr. med. 555 Prof., 1939 einer der Adressaten von Osterlohs „Denkschrift“. LAACK, Fritz, Dr. jur. 418 geb. 1. 9. 1900 Berlin, gest. 1990 Mülheim/Ruhr, Jurist, Ministerialbeamter, Studium in Berlin und Freiburg i.Br., 1924 Promotion, 1925–1927 hauptamtl. Lehrer Heimvolkshochschule Rendsburg, 1927 Geschäftsführer „Deutsche Schule für Volksforschung und Erwachsenenbildung“ Berlin, Redaktion Zeitschrift „Freie Volksbildung“, 1933 Aufgabe beider Ämter, kurzzeitige Emigration, dann Tätigkeiten in Sozial- und Verwaltungsabteilungen der chemischen Industrie, 1947–1951 Wiederaufbau der Heimvolkshochschule Rendsburg, 1951 Leiter der Abt. 6 (Kultur, Erwachsenenbildung, Jugend und Sport) im Kultusministerium Schleswig-Holstein, 1954–1956 zugleich Leiter der Filmbewertungsstelle der Länder in Wiesbaden, 1965 als Ministerialrat i. R. LANGE, Siegfried 75f. Theologiestudium in Berlin 1936/37, 1937 Relegation, Studium in Marburg, 1938 kurzzeitig verhaftet, danach weiteres Studium am Seminar der Brüdergemeine Herrnhut, nach 1945 im Pfarramt. LAUFFS, Hellmut 498 geb. 25. 12. 1890 Bonn, gest. 1. 3. 1985, Lehrer, Politiker, 1914 Krankendienst als Felddiakon des Johanniterordens, 1920–1952 Schuldienst, 1934 Mitgl. Bekenntnissynode Düsseldorf, 1935 Mitgl. Kreisbruderrat ebd., 1934–1947 Leitung Bekenntnisgemeinde Benrath, 1945 Mitgründer CDU Benrath und Studiendirektor, 1945/46 Stadtverordneter Düsseldorf, 1948 Oberstudiendirektor, 1952 Leiter Schulkollegium Düsseldorf, Oberschulrat, dann Leitender Regierungsdirektor, 1955 Pädagogischer Dezernent für die höheren Schulen des Landeskirchenamts LK Rheinland. LEHMANN, Wolfgang 55, 66, 73 geb. 24. 12. 1914 Bad Kösen, Theologiestudium, 1933 Mitgl. Jungreformatorische Bewegung, 1934 BK, seit 1936 Mitarbeiter Hans Asmussens an der Kirchlichen Hochschule Berlin, 1950–1984 Pfr. Offenbach.

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LEHR, Robert, Dr. jur., Dr. med. h.c. 281, 349f., 353, 355, 387, 517 geb. 20. 8. 1883 Celle, gest. 13. 10. 1956 Düsseldorf, Jurist, Politiker, 1903–1907 Studium der Rechtswissenschaften, 1908 Promotion, 1912 Assessor Amtsgericht Kassel, danach juristischer Hilfsarbeiter Stadtverwaltung Rheydt, 1914–1924 Polizeidezernent, Beigeordneter, Finanzdezernent Düsseldorf, 1924–1933 Oberbürgermeister Düsseldorf, Vorstandsmitgl. Deutscher, Preußischer und Rheinischer Städtetag, 1933 Amtsenthebung und Verhaftung aus politischen Gründen, 1945 Mitbegr. und Vorstandsmitgl. CDU Rheinland, 1945/46 Oberpräsident der Provinz Nordrhein, 1946–1947 Mitgl. und Vors. Zonenbeirat, Mitgl. und Präs. ernannter Landtag Nordrhein-Westfalen, 1947–1950 MdL Nordrhein-Westfalen, 1948/49 Mitgl. Parlamentarischer Rat, 1949– 1953 MdB, 1950–1953 Bundesinnenminister. LEMKE, Helmut, Dr. jur. 405, 407, 413, 427, 429, 435, 450, 454f., 457, 466ff., 535ff. geb. 29. 9. 1907 Kiel, gest. 15. 4. 1990 Lübeck, Jurist, Politiker, Studium in Tübingen und Kiel, 1929 Promotion Heidelberg, 1933–1937 Bürgermeister Eckernförde, anschließend Schleswig, im Zweiten Weltkrieg Marineoffizier, 1948 Rechtsanwalt Lübeck, Eintritt in die CDU, 1950 Schulsenator und 2. Bürgermeister Lübeck, 1954 Kultusminister, 1955 Innenminister Schleswig-Holstein, 1963–1971 Ministerpräsident ebd., 1963–1973 Mitgl. Bundesvorst. CDU. LEMMER, Ernst 506 geb. 28. 4. 1898 Remscheid, gest. 18. 8. 1970 Berlin, Politiker, 1918 Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in Remscheid, seit 1922 Generalsekretär der Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften, 1924–1933 MdR, zweiter Vors. des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, seit 1933 Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ u. a. ausländischer Zeitungen, Kontakt zum Widerstand, 1945 Mitbegründer der CDUD in Berlin, 1946–1948 zweiter Vors. der CDU in der SBZ, 1948–1956 Mitgl. Abgeordnetenhaus Berlin, seit 1951 Fraktionsvorsitzender, 1951–1970 MdB, 1956–1957 Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, 1957–1962 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, 1964–1965 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1965–1969 Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Berlin. LENIN, Wladimir Iljitsch 497 geb. 22. 4. 1870 Simbirsk (heute Uljanowsk), gest. 21. 1. 1924 Gorki, Politiker, Jurastudium, ab 1893 Anwalt in St. Petersburg, 1895 Gründung „Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse“, 1897–1900 Verbannung nach Sibirien, 1900–1905 Emigration, 1907–1917 zweite Emigration, 1912 Herausgeber „Prawda“, 1917 Rückkehr nach Russland, Oktoberrevolution, Vors. des Rats der Volkskommissare, 1919 Gründung Politbüro, ZK-Sekretariat. LENZ, Otto, Dr. jur. 356 geb. 6. 7. 1903 Wetzlar, gest. 2. 5. 1957 Neapel, Jurist, Politiker, 1928–1933 Pressereferent im preußischen Justizministerium, 1933–1938 Referent für Handels- und Schifffahrtsfragen ebd., 1938 Landgerichtsdirektor, Entlassung aus dem Staatsdienst aus politischen Gründen, Rechtsanwalt, 1939–1944 Rechtsberater am Oberprisenhof Berlin, 1944/45 Haft aus politischen Gründen, 1945 Mitbegr. und Vorstandsmitgl. CDU Ber-

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lin, 1945–1949 Rechtsanwalt Berlin, 1949 München, 1951–1953 Staatssekretär im Bundeskanzleramt Bonn, 1953–1957 MdB (CDU). LEONHARDT, Heidi, geb. Hübner 67, 96, 104 geb. 1. 1. 1918 Wuppertal, Photographin, Schwester von Anneliese Osterloh. LESSING, Gotthold Ephraim 181, 183 geb. 22. 1. 1729 Kamenz/Dresden, gest. 15. 2. 1781 Braunschweig, Schriftsteller, im Sinn der Aufklärung für den Gebrauch der kritischen Vernunft und religiöse Toleranz eintretend, 1767 Leiter Nationaltheater Hamburg, 1770 Bibliothekar in Wolfenbüttel. LEVERENZ, Bernhard, Dr. jur. 436, 438–441, 473f. geb. 15. 2. 1909 Grabow, gest. 4. 6. 1987 Karlsruhe, Jurist, Politiker (FDP), Studium in Rostock und Heidelberg, 1934 Promotion, anschließend Gerichtsassessor Landgerichte Neustrelitz und Schwerin, 1935 Rechtsanwalt Rostock, 1946 Steuerberater Rostock, 1947–1949 Staatsanwalt Kiel, danach wieder Rechtsanwalt und Notar, 1949 Eintritt in die FDP, 1951 stellv. Vors., 1952–1963 Landesvors. der FDP Schleswig-Holstein, Mitgl. FDP-Bundesvorstand, 1954–1963 MdL Schleswig-Holstein, 1954–1962 und 1963–1967 Justizminister ebd., 1958–1962 auch Stellv. des Ministerpräsidenten. LEX, Hans Ritter von 349f. geb. 27. 10. 1893 Rosenheim, gest. 26. 2. 1970 München, Jurist, Ministerialbeamter, Soldat im Ersten Weltkrieg (Verleihung des Militär-Max-Joseph-Ordens und damit des persönlichen Adels), anschließend Abschluss des Jurastudiums in München, 1921–1923 Regierungsassessor und Regierungsrat im Bayerischen Kultusministerium, 1923 Bezirksamtmann Rosenheim, 1927–1933 Staatsministerium für Unterricht und Kultus in München, 1933–1945 Reichsministerium des Innern, u. a. betraut mit der Vorbereitung der Olympischen Spiele 1936, seit 1946 Tätigkeit im bayerischen Innenministerium, 1949 Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, 1961–1967 Präsident Dt. Rotes Kreuz. LIETZMANN, Hans, Lic. theol., D. D. 560 geb. 2. 3. 1875 Düsseldorf, gest. 25. 6. 1942 Locarno (bestattet Berlin-Wilmersdorf ), Theologe, Philologe, Universitätslehrer (ältere KG, NT, Archäologie, Vergleichende Religionswissenschaft), 1908 o. Prof. Jena, 1924–1941 Berlin, 1934/35 Mitglied und kurzfristig Prüfer der BK. [Personenlexikon, S. 157] LILJE, Hanns, Dr. theol., D. DD. 203, 240, 248, 257, 318, 326, 346, 362, 490, 503f., 507f., 543 geb. 20. 8. 1899 Hannover, gest. 6. 1. 1977 Hannover, 1927–1935 Generalsekretär DCSV, 1932 Dr. theol. Zürich, 1934 Mitglied Lutherischer Rat, 1936 Lutherrat, 1937–1946 Generalsekretär Lutherischer Weltconvent, 1945 Oberlandeskirchenrat Hannover, 1947–1971 Landesbischof LK Hannover, 1955–1969 Ltd. Bischof VELKD, 1949–1967 stellv. Vors. Rat der EKD. [Personenlexikon, S. 157f.] LINDENBERG, Werner 346 geb. 15. 12. 1914 Danzig, Studium in Königsberg, Riga, Tübingen und Greifswald, 1938 Lehrvikar Stolp, Kriegsteilnehmer, bis 1945/46 in verschiedenen Gemeinden und Dienstverhältnissen in Pommern, 1946 Pfr. Blexen, 1947 Nordenham, 1950–1953 Synodaler LK Oldenburg, 1954 Kreispfarrer Butjadingen.

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LOEWENBERG, Harry Richard 91 geb. 1887, Journalist, Leitender Redakteur der „Textil-Woche“ Berlin, 1938 vor der aufgrund seiner jüdischen Herkunft drohenden Verhaftung und Verschleppung ins KZ untergetaucht und nach England emigriert. LÖWITH, Karl, Dr. phil. 30 geb. 9. 1. 1897 München, gest, 24. 5. 1973 Heidelberg, Philosoph, Universitätslehrer, 1914–1917 Kriegsdienst, Verwundung, italienische Kriegsgefangenschaft, 1917 Studium in München (Philosophie und Biologie), 1919 Freiburg, 1923 Promotion München, Tätigkeit als Hauslehrer in Mecklenburg, 1928 Habil. Marburg, bis 1933/34 Vorlesungstätigkeit, 1934–1936 Zuflucht in Rom, um den beginnenden anti-jüdischen Ausschreitungen zu entgehen, 1935 Entzug des Lehrauftrags in Marburg, 1936 Berufung nach Sendai (Japan), ab 1941 Tätigkeit am Theologischen Seminar Hartford (USA), 1949 Berufung an die New School für Social Research New York, 1952–1964 o. Prof. Heidelberg. LOGEMANN, Heinrich 346 geb. 27. 7. 1886 Löningen, gest. 1. 12. 1969 Ganderkesee, Studium der ev. Theologie in Halle, Berlin und Straßburg, Assistenz- und Hilfsprediger in Delmenhorst, Ohmstede und Osternburg, 1913–1934 Pfr. Sengwarden, 1934–1958 Pfr. Ganderkesee, 1954 Titel „Kirchenrat“, Synodaler LK Oldenburg. LOHSE, Eduard, Dr. theol., D. 219 geb. 19. 2. 1924, Theologe, Universitätslehrer (NT), 1949 Promotion, 1950 Pfr. in Hamburg, 1953 Privatdoz. Mainz, 1956 o. Prof. Kiel, 1964 Göttingen, 1970/71 Rektor Universität Göttingen, 1971–1988 Landesbischof LK Hannover, 1973–1985 Mitgl., 1979–1985 Vors. Rat der EKD, 1975–1978 Leitender Bischof VELKD, 1977–2000 Abt Kloster Loccum. LUCHTENBERG, Paul, Dr. phil. 380 geb. 3. 6. 1890 Burscheid, gest. 7. 4. 1973 Burscheid, Pädagoge, Universitätslehrer, Politiker, Studium der Psychologie, Philosophie und Pädagogik in Bonn, Münster, und München, 1915 Promotion, 1916–1923 Unterricht in Remscheid-Lennep, 1921 Habil. Köln, 1925 ao. Prof. und Direktor des Psychologischen Instituts der Technischen Hochschule Darmstadt, 1931 o. Prof. ebd., 1936 Amtsenthebung aus politischen Gründen, nach 1945 Mitbegründer der FDP, MdL Nordrhein-Westfalen, MdB, 1956–1958 Kultusminister in Nordrhein-Westfalen. LÜBBEN, Heinz 43 geb. 13. 9. 1907 Oldenburg, gest. 19. 6. 1942 (gef. vor Leningrad), Theologiestudium in Marburg, Tübingen und Göttingen, 1933 prov. Assistenzprediger Oldenburg, danach prov. Vakanzprediger Wiefels-Westrum, 1935 Ordination durch Landesbischof August Marahrens, 1935 Ausweisung aus Wiefels, Vakanzprediger der BK Oldenburg, 1936 Rückkehr nach Wiefels, 1940 Pfr. Dedesdorf, Kriegsdienst. LÜBKE, Friedrich-Wilhelm 404, 410, 416, 466 geb. 25. 8. 1887 Enkhausen, Kreis Arnsberg (heute zu Sundern/Sauerland), gest. 16.10.1954 Augaard bei Flensburg, Kapitän, Landwirt, Politiker, Ausbildung zum Steuermann und Handelsschiffskapitän, Marineoffizier im Ersten Weltkrieg, 1920 Landwirt in Augaard, bis 1933 zweiter Vors. Schleswig-Holsteinischer Bauernverband, 1946

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Landrat Kreis Flensburg, Mitbegr. CDU Schleswig-Holstein, 1947 MdL SchleswigHolstein, 1951–1954 Ministerpräsident ebd., Bruder Heinrich Lübkes. LÜBKE, Heinrich 513 geb. 14. 10. 1894 Enkhausen, Kreis Arnsberg (heute zu Sundern/Sauerland), gest. 6. 4. 1972 Bonn, Agrarwissenschaftler, Politiker, 1914 und 1919–1921 Studium der Agrarwissenschaft, Examen als Vermessungs- und Kulturingenieur (dazwischen Kriegsdienst), 1921–1922 Studium der Volkswirtschaft, 1922–1933 Organisationstätigkeit in klein- und mittelbäuerlichen Interessenvertretungen in Berlin, (Vorstands-) Mitgl. landwirtschaftlicher Siedlungsgesellschaften und Kreditanstalten, 1932–1933 MdR (Zentrum), 1933/34 Entlassung aus seinen öffentlichen Ämtern, 1934/35 zwanzigmonatige Untersuchungshaft, 1935/36 in Augaard (auf dem Bauernhof seines Bruders Friedrich-Wilhelm Lübke), 1937–1939 Leitender Mitarbeiter Niedersächsische Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft in Berlin, 1939–1945 Vermessungsingenieur und Bauleiter (Berlin, Peenemünde, Sachsen-Anhalt), 1945 Eintritt in die CDU, 1945/46 Baubüro in Höxter, 1946 Mitgl. Beratender Westfälischer Provinzialrat Münster, Vorstandsmitgl. CDU Westfalen, 1946–1954 MdL Nordrhein-Westfalen, 1947–1952 Minister für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten Nordrhein-Westfalen, 1949/50 und 1953–1959 MdB, 1953 Generalanwalt Raiffeisenverband Bonn, 1953–1959 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 1959–1969 Bundespräsident. LÜCKING, Karl Hermann 250, 339, 340, 344 geb. 23. 11. 1893 Lüdenscheid, gest. 30. 11. 1976 Bad Salzuflen, 1945 nebenamtl. Mitglied Kirchenleitung Westfalen, 1946 Superintendent, 1949–1960 theol. Vizepräsident Landeskirchenamt und hauptamtl. Mitglied Kirchenleitung LK Westfalen. [Personenlexikon, S. 161] LUTHER, Martin, D. 33f., 44, 53, 84, 102, 194, 243, 329, 574, 577, 581 geb. 10. 11. 1483 Eisleben, gest. 18.2.1546 Eisleben, Reformator. MAAS, Franz 134 geb. 11. 4. 1900 Hameln, gest. 20. 4. 1963 Bockhorn, Theologiestudium in Bethel, Tübingen und Marburg, 1918 Kriegsdienst, 1925 Kandidatenkonvikt Bethel, 1926–1929 Hilfsprediger bzw. Assistenzprediger in Rastede, Schortens und Idafehn, 1929–1950 Pfr. Hohenkirchen, 1950–1961 Varel, 1961–1963 Bockhorn. MARAHRENS, August, D. 33, 43, 125 geb. 11. 10. 1875 Hannover, gest. 3. 5. 1950 Kloster Loccum, nach dem ersten theologischen Examen Lehrer in Rethem, 1902 am Gymnasium Goslar, 1904 zweiter Schlossprediger und Konsistorialassessor Hannover, 1909 Studiendirektor Predigerseminar auf der Erichsburg, 1919 Superintendent Einbeck, 1922 Generalsuperintendent Sprengel Stade, 1925–1947 Landesbischof LK Hannover, 1928–1950 Abt von Loccum, 1935– 1945 Präsident des Lutherischen Weltkonvents, 1939–1945 Mitgl. Geistlicher Vertrauensrat, an der Neuordnung 1945 nicht beteiligt, 1947 Rücktritt. MARX, Karl, Dr. phil. 379, 497f. geb. 5. 5. 1818 Trier, gest. 14. 3. 1883 London, Journalist, Philosoph, Politiker, Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie in Bonn und Berlin, 1841 Promotion, 1842 Chefredakteur „Rheinische Zeitung“ Köln, 1843 Emigration nach Frank-

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reich, dort erste sozialistische Schriften und Kennenlernen Friedrich Engels’, 1845 Ausweisung aus Frankreich, Niederlassung in Belgien, dort 1848 zusammen mit Engels Verf. „Kommunistisches Manifest“, 1848 Rückkehr nach Köln, 1849 erneut ausgewiesen, Emigration nach London, dort Niederschrift des Großteils seiner Werke. MATTHEWES, Ernst 219 geb. 1901, gest. 1983, nach 1945 Landesschulrat Hamburg, gemeinsam mit Bischof Hans-Otto Wölber Vors. „Gemischte Kommission Schule Kirche“ ebd. MCCLOY, John Jay 303 geb. 31. 3. 1895 Philadelphia, gest. 11. 3. 1989 Stamford (Connecticut), 1941–1945 Unterstaatssekretär im US-amerikanischen Kriegsministerium, 1945–1947 Leiter Civil Affairs Division der Vereinigten Generalstäbe, 1947–1949 Präs. der Weltbank, 1949–1952 Militärgouverneur und Hoher Kommissar in Deutschland. MEIBOM, von, Dr. 350, 517 1952/53 Pers. Referent von Bundesinnenminister Robert Lehr. MEIER (BISCHOF) = MEYER, Heinrich MEINHOF, Ulrike 546 geb. 7. 10. 1934 Oldenburg, gest. 8. 5. 1976 Stuttgart-Stammheim (Selbstmord), Journalistin, Patenkind Edo Osterlohs, Nichte Anneliese Osterlohs, Studium in Marburg und Münster, 1957 Sprecherin des „Anti-Atomtod-Ausschusses“ in Münster, 1958 Mitglied des AStA ebd., 1959 Mitglied der verbotenen KPD, 1959–1969 Redakteurin, 1962–1964 Chefredakteurin der Zeitschrift „konkret“, Symbolfigur der Linken, zunehmende Radikalisierung, 1970 Beteiligung an der Befreiung Andreas Baaders, Schritt in die Illegalität, Mitglied der „Rote Armee Fraktion“ (RAF), 1972 Verhaftung, 1974 Verurteilung zu acht Jahren Freiheitsstrafe. MEINZOLT, Hans, Dr. jur., Dr. theol. h.c. 70 geb. 27. 10. 1887 Bächingen an der Brenz, gest. 20. 4. 1967 Weßling (Oberbayern), Jurist, seit 1933 im Kirchendienst, Oberkirchenrat, 1935–1945 Vizepräsident Landeskirchenamt München, 1935 Mitglied Finanzabt. bei der Dt. Ev. Kirchenkanzlei. [Personenlexikon, S. 169] MEISER, Hans, D. 46, 112, 227, 320, 388 geb. 16. 2. 1881 Nürnberg, gest. 8. 6. 1956 München, 1933–1955 Landesbischof LK Bayern, 1934 kurzfristige Absetzung, Vors. Lutherischer Rat, 1936 Mitbegründung Lutherrat, 1938 dessen Vors., 1949 Ltd. Bischof der VELKD, 1945 Mitglied Vorl. Rat und 1949–1954 Rat der EKD. [Personenlexikon, S. 169f.] MENSING, Carl, Dr. jur., Dr. theol. h.c. 128 geb. 21. 12. 1876 Koblenz, gest. 2. 1. 1953 Düsseldorf, Jurist, kirchlicher Doz. (Kirchenrecht), Rechtsanwalt, nebenamtl. Doz. Kirchl. Hochschule Elberfeld (später Wuppertal), 1945 Mitglied Kirchenleitung LK Rheinland, 1948–1953 Oberkirchenrat Düsseldorf. [Personenlexikon, S. 171] MENZEL, Eberhard, Dr. jur. 475, 538 geb. 1904, gest. 1973, Jurist, Universitätslehrer, 1943 Habil. Frankfurt/Main, 1949 Privatdoz. Hamburg, 1952 ao. Prof., 1955 o. Prof. Kiel, Direktor des Instituts für Internationales Recht, 1963 gewählter Rektor Universität Kiel, Verzicht nach Bestätigung der Wahl durch das Kultusministerium.

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MENTZEL, Walter 454 Landrat Eckernförde, 1954–1971 MdL Schleswig-Holstein (CDU), 1958–1969 CDUFraktionsvorsitzender ebd. MERKATZ, Hans Joachim von, Dr. jur. 381 geb. 7. 7. 1905 Stargard (Pommern), gest. 25. 2. 1982 Bonn, Jurist, Politiker, 1928–1931 Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 1934 Promotion, 1935–1938 Referent Kaiser Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin, 1938–1945 Generalsekretär Ibero-Amerikanisches Institut Berlin, 1946 Sachbearbeiter an der Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Hannover, zugleich Rechtsberater des Direktoriums der Deutschen Partei, 1947 Fraktionssekretär der DP im Niedersächsischen Landtag, 1948/49 Mitgl. Parlamentarischer Rat (DP), 1949–1969 MdB (DP, seit 1960 CDU), 1949–1952 Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs im Bundesministerium für Bundesratsangelegenheiten, seit 1952 Mitgl. Direktorium der DP, 1953–1955 Vors. DP-Bundestagsfraktion, 1955 stellv. Vors. DP, 1955–1962 Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats (seit 1957: für Angelegenheiten des Bundesrats und der Länder), 1956–1957 zugleich Bundesminister der Justiz, 1960–1961 zugleich Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1960 Eintritt in die CDU, seit 1966 Hon.-Prof. Bonn, seit 1967 Präsident der Paneuropa-Union. MERZ, Georg, D. 44ff., 51, 57, 219, 575 geb. 3. 3. 1892 Walkersbrunn (Oberfranken), gest. 16. 11. 1959 Neuendettelsau, Theologe, kirchlicher Doz. (PT, KG), 1922–1933 Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift „Zwischen den Zeiten“, 1930 Doz. Theol. Schule Bethel, 1936–1939 deren Leiter. [Personenlexikon, S. 171] MERZYN, Friedrich, Dr. jur., Dr. theol. h.c. 228, 351 geb. 2. 6. 1904 Kassel, gest. 17. 1. 1991 Hannover, 1936 juristischer Hilfsarbeiter und Konsistorialrat der Kirchenkanzlei der DEK Berlin, 1939 Oberkonsistorialrat, 1941 Oberkirchenrat der Kirchenkanzlei der DEK, 1945–1965 in der Kirchenkanzlei der EKD. MEYER, Heinrich, Dr. theol., D. DD. 439, 441, 445 geb. 16. 10. 1904 Apenrade (Nordschleswig), gest. 25. 2. 1978 Lübeck, Theologe, Missionar, Universitätslehrer (Missionswissenschaft), 1953 Prof. Kirchl. Hochschule Hamburg, 1954 apl. Prof. Universität Hamburg, 1956–1972 Bischof LK Lübeck. [Personenlexikon, S. 173] MEYER, Rudolf 30 geb. 23. 8. 1905 Velbert, gest. 9. 6. 1976 Friesoythe, kaufmännische Lehre, 1928–1933 Studium der Theologie in Bethel, Marburg, Tübingen und Bonn, 1934 Vikar Friesoythe, 1935 Vakanzprediger ebd., 1936 Pfr. ebd., 1957 Oldenburg, 1963 Wangerooge. MIDDELMANN, Werner 293 geb. 10. 10. 1909 Offenbach, Prokurist, Ministerialbeamter, 1928–1932 Angest. in der Elektro- und Chemischen Industrie, 1933–1945 Büroleiter, Prokurist und Geschäftsführer in der Elektroindustrie, 1945/46 Landrat Kreis Bruchsal (Baden), 1946/47 Landesflüchtlingskommissar Karlsruhe, 1947–1949 Referent beim süddt. Länderrat Stuttgart und Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft der dt. Länderflüchtlingsverwaltung

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ebd., 1949 Abteilungsleiter Amt für Fragen der Heimatvertriebenen Frankfurt/Main, zugleich Ministerialrat, 1951 Ministerialdirigent im Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1951–1961 dt. Delegierter beim Exekutivrat der Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen, Genf, 1961–1965 Regionaldirektor für den Mittleren Osten der UNICEF, Sitz Beirut, 1966 Comptroller UNICEF New York. MIDDENDORF, Friedrich 154 geb. 2. 2. 1883 Emden, gest. 12. 5. 1973 Schüttorf, ref. Theologe, 1926–1956 Pfr. Schüttorf, 1937–1946 Vors. Moderamen des Ref. Bundes, 1946–1953 Präses Gesamtsynode, d. h. Kirchenpräsident LK Hannover reformiert (seit 1949: Ev. ref. Kirche Nordwestdeutschland). [Personenlexikon, S. 175] MIEHE, Werner 103 geb. 27. 3. 1913 Varel, Theologiestudium in Göttingen, 1936 Hilfsprediger in Bant, danach Ihausen, 1940–1944 Vertretungen in Wildeshausen/Dötlingen, Altenesch/Bardewisch, Brake/Golzwarden/Ovelgönne, 1941 Kandidat Holle, 1944–1958 Pfr. Schwei, 1958–1978 Essen (Oldenburg). MIKAT, Paul, Dr. jur., Dr. h.c. mult. 536f. geb. 10. 12. 1924 Scherfede, Jurist, Universitätslehrer, Politiker (CDU), Studium der Rechtswissenschaften in Bonn, 1954 Promotion ebd., 1956 Habil. ebd., 1957 o. Prof. Würzburg, 1965–1990 Bochum, 1962–1966 Kultusminister Nordrhein-Westfalen, 1969–1987 MdB, Mitgl., 1998–2001 Präsident der nordrhein-westfälischen Akademie der Wissenschaften. MINDERMANN 133 Landwirt aus Kirchkimmen, 1945 Alterspräsident der außerordentlichen Synode LK Oldenburg. MITSCHERLICH, Alexander 472 geb. 20. 9. 1908 München, gest. 26. 6. 1982 Frankfurt/Main, Psychoanalytiker, Schriftsteller, 1928 Studium der Geschichte München, dann der Medizin in Berlin, 1932 Buchhändler in Berlin, 1935 Fortsetzung Medizin-Studium in Freiburg i. Br., 1936 Emigration nach Zürich, 1937 Verhaftung auf einer Reise in Deutschland und achtmonatige Haft, danach Fortsetzung des Studiums in Heidelberg, 1945 Ernennung zum Mitgl. der „Regionalen Zivilregierung für Saar, Pfalz und Rheinhessen“, schnelle Rückkehr nach Heidelberg, dort 1946 Habil., als Leiter der dt. Ärztekommission Beobachter des Nürnberger Prozesses, 1950–1967 Leiter psychosomatische Abt., später Klinik an der Universität Heidelberg, seit 1952 apl. Prof. ebd., 1960–1976 Direktor SigmundFreud-Institut in Frankfurt/Main, 1966–1973 o. Prof. Frankfurt/Main. MITTELMANN = MIDDELMANN, Werner MOCHALSKI, Herbert 304 geb. 28. 2. 1910 Görlitz, gest. 27. 12. 1992 Hannover, 1939–1945 Pfr. Schöneberg und Berlin-Dahlem (dort Verwalter der Pfarrstelle Martin Niemöllers), 1946–1951 Referent Kirchenkanzlei der EKD, 1948–1951 Geschäftsführer Bruderrat der EKD, 1951–1961 Studentenpfr. Darmstadt, 1949–1973 Chefredakteur der „Stimme der Gemeinde“. [Personenlexikon, S. 176] MÖHLMANN, Carl 418 geb. 13. 8. 1896 Burg Berum (Ostfriesland), gest. Februar 1961 Kiel, Philologiestudium

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(Englisch und Französisch), Studienrat Reform-Realgymnasium Kiel, nach 1945–1960 Leiter der Abt. 4 (Höhere Schulen) Kultusministerium Schleswig-Holstein, Ministerialrat. MOSOLF, Anna 239 Ministerialrätin Hannover, 1958 3. Vors. Arbeitsgemeinschaft Dt. Lehrerverbände, 1965 i. R., 2. Vors. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. MÜLLER, Eberhard, Dr. phil., D. theol. 307f., 319, 326, 389, 504f., 507f., 516 geb. 22. 8. 1906 Stuttgart, gest. 11. 1. 1989 Heidelberg, 1932–1938 Generalsekretär DCSV, 1938 Studentenpfr. Tübingen, 1942 Militärpfarrer, 1945–1972 Direktor Ev. Akademie Bad Boll, 1953–1979 Mitglied Kammer für Soziale Ordnung der EKD, 1961–1979 deren Vors. [Personenlexikon, S. 178] MÜLLER, Konrad, Dr. jur. 444 geb. 26. 1. 1912 Dambeck, gest. 6. 6. 1979 Marburg, Jurist, 1936 Referendar Provinz Sachsen, 1939 Kriegsdienst, 1946–1948 Ergänzungsstudium, 1948 Referent Kirchenrechtliches Institut der EKD, 1950 Beamter im niedersächsischen Ministerialdienst, 1956 Kurator Universität Göttingen, 1959 Staatssekretär im niedersächsischen Kultusministerium, 1966 Versetzung in den Wartestand, 1967 Hon.-Prof. Hannover. MÜLLER, Ludwig 33f., 39f., 46 geb. 23. 6. 1883 Gütersloh, gest. 31. 7. 1945 (Selbstmord) Berlin, 1932 Mitbegründer der Glaubensbewegung DC und Landesleiter Ostpreußen, 25.4.1933 Bevollmächtigter Hitlers für Fragen der ev. Kirche, 27.9.1933 Wahl zum Reichsbischof der DEK. [Personenlexikon, S. 180] MÜLLER-DAHLEM, Friedrich 45, 555 geb. 11. 3. 1889 Berlin, gest. 20. 9. 1942 (gef. Szolty/Leningrad), 1933 Pfr. BerlinDahlem, 1934 Mitglied Bruderrat, Rat der EKapU, 1935 Reichsbruderrat, 1936 Vors. VKL II, 1937–1939 Vors. Konferenz der Landesbruderräte, 1939 Amtsenthebung und Kriegsdienst. [Personenlexikon, S. 181] MÜLLER-JÜRGENS, Georg, Dr. jur. 80, 104, 125f. geb. 1883 Dresden, gest. 1971 Oldenburg, Jurist, 1919–1935 Bürgermeister Jever, 1932 NSDAP-Eintritt, 1935–1945 hauptamtliches juristisches Mitgl. Oberkirchenrat LK Oldenburg, 1945 auf Wartegeld gesetzt. MÜLLER-SCHWEFE, Hans-Rudolf, Dr. theol., D. 307, 377 geb. 26. 6. 1910 Punschrau bei Naumburg/Saale, gest. 10. 4. 1986 Hamburg, Theologe, Universitätslehrer (PT), 1939 Wehrmachtspfr., 1945 Pfr. Iba (Bebra), 1947 Kassel, zugleich Leiter Ev. Akademie von Kurhessen-Waldeck, Guntershausen (später Hofgeismar), 1955–1976 o. Prof. Hamburg. [Personenlexikon, S. 182] MÜNCHMEYER, Friedrich, D. theol. 301, 321f. geb. 14. 2. 1901 Glasgow, gest. 7. 1. 1988 Kassel, 1930–1939 Militärkreispfr. Dresden, 1940–1945 Generalfeldvikar beim Ev. Feldbischof, 1946–1957 Geschäftsführender Direktor des Centralausschusses für die Innere Mission Bethel. [Personenlexikon, S. 182] MUHS, Hermann, Dr. jur. 64 geb. 16. 5. 1894 Barlissen, gest. 13. 4. 1962 Göttingen, Politiker, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, Studium in Göttingen, Berlin und Königsberg, 1922 Promotion, 1927 Rechtsanwalt Göttingen, 1929 Mitgl. NSDAP, Göttinger Stadtverordnetenvers., 1930

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MdL Preußen, 1933 Regierungspräsident Hildesheim, 1937–1945 Staatssekretär im Reichskirchenministerium, 1942 mit der Führung der Geschäfte des Ministers betraut. MUMM, Reinhard, Dr. theol. 172 geb. 24. 12. 1916 Berlin, 1944 Ordination, 1948/49 Pfr. Rastede, 1949–1960 Minden, 1960–1967 Soest, 1967 Pfr. im Landeskirchenamt München (für EKD-Aufgaben), 1974–1979 Pfr. München, 1970 Kirchenrat, Protokollführer des ökumenischen Arbeitskreises ev. und kath. Theologen, 1978 Ältester der Ev. Michaelsbruderschaft. MUNDERLOH 26 Langjähriger Hauptlehrer an der Volksschule Jeringhave. NIEDEN, Ernst zur, D. 232 geb. 30. 4. 1903 Viernheim (Bergstraße), gest. 18. 4. 1974 Wiesbaden-Biebrich, 1926–1973 Leiter Männerwerk in Hessen und Nassau, 1929 Jugendpfr., 1933–1955 Pfr. Offenbach, 1950–1969 Propst für den Visitationsbezirk Nassau. [Personenlexikon, S. 185] NIEMEIER, Gottfried, Dr. phil., Dr. theol. 222, 243, 261, 321, 350, 515, 525 geb. 1906, gest. 1986, Theologe, kirchl. Doz., 1931 Ordination, Seelsorger Dt. ev. Gemeinde Rom, 1933–1953 Pfr. Arnsberg, seit 1946 zugleich Doz. Katechetisches Seminar LK Westfalen, 1939–1946 Kriegsdienst und Gefangenschaft, 1953 Theol. Referent (Oberkirchenrat) Kirchenkanzlei der EKD Hannover, 1965–1973 Vizepräs. ebd. NIEMÖLLER, Else (geb. Bremer) 55 geb. 20. 7. 1890 Lippstadt, gest. 7. 8. 1961 Dänemark (Verkehrsunfall), Ehefrau Martin Niemöllers. NIEMÖLLER, Martin, DD. mult. 18, 45f., 48, 52, 54f., 58, 62, 64, 71, 92, 123, 154, 203–208, 216, 226, 291, 293, 296, 298, 304–308, 311, 313ff., 324–328, 331f., 336, 339, 346, 386–389, 393, 398, 505, 521, 543, 545f., 558, 575 geb. 14. 1. 1892 Lippstadt (Westfalen), gest. 6. 3. 1984 Wiesbaden, Marineoffizier, Theologe, 1931–1937 (Verhaftung) Pfr. Berlin-Dahlem, 1933 Gründer und Leiter Pfarrernotbund, 1934 Mitgl. Bruderrat und Rat der EKapU, Reichsbruderrat, Rat der DEK, 1936 Mitgl. Kuratorium der Kirchl. Hochschule Berlin, 1938–1945 persönlicher Gefangener Hitlers, 1945 Vors. Landesbruderrat der EKapU, 1945–1955 Mitgl. Rat der EKD, 1945–1949 stellv. Vors., 1945–1956 Leiter Kirchl. Außenamt der EKD, 1947–1964 Präsident LK Hessen-Nassau. [Personenlexikon, S. 185] NIESEL, Wilhelm, Lic. theol., Dr. theol. h.c. mult., DD. 45, 48, 51f., 56, 58f., 62ff., 66, 227, 555 geb. 7. 1. 1903 Berlin, gest. 13. 3. 1988 Frankfurt/Main, ref. Theologe, kirchlicher Doz. (ST), 1930–1934 Pfr. ref. Gemeinde Elberfeld und Studieninspektor Predigerseminar Elberfeld, 1934–1945 Mitgl. Rat und Bruderrat EKapU, 1935–1940 Doz. Kirchl. Hochschule Berlin, 1945–1972 Mitgl. Rat der EKD, 1946–1968 Pfr. ref. Gemeinde Schöller (Rheinland), 1946–1973 Präses und Moderator Reformierter Bund. [Personenlexikon, S. 186] NOBILING 33 1933/34 Führer der Göttinger Hochschulgruppe der „Deutschen Christen“. NUSCHKE, Otto 394 geb. 23. 2. 1883 Frohburg/Leipzig, gest. 27. 12. 1957 Berlin, Journalist, Politiker, 1904–1908 Chefredakteur „Hessische Landeszeitung“ Marburg, 1910 Generalsekre-

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tär Fortschrittliche Partei, 1910–1915 Redakteur „Berliner Volksblatt“, 1915–1933 Chefredakteur „Berliner Volkszeitung“, 1918 Mitbegr. der DDP, 1919/20 Mitgl. Verfassunggebende Nationalversammlung Weimar (DDP), 1921–1933 MdL Preußen, 1931–1933 Reichsgeschäftsführer der DDP bzw. der Dt. Staatspartei, verantwortlicher Redakteur „Der Aufstieg“, ab 1933 mehrfach verhaftet, 1944 im Umfeld der Verschwörer des 20. Juli, bis Kriegsende untergetaucht, 1945 Mitbegr. der CDU in der SBZ, 1946–1952 MdL Brandenburg, 1948–1957 Vors. CDU in der SBZ/DDR, 1949–1957 stellv. Ministerpräsident der DDR. OBERHÄUSSER, Ernst 298 1951 Seelsorger an deutschen Arbeitsdiensteinheiten im Bereich der US-Streitkräfte, München. OBERHEUSER, Hertha, Dr. med. 466 geb. 15. 5. 1911 Köln, gest. 24. 1. 1978 Linz am Rhein, Ärztin, Studium der Medizin in Bonn und Düsseldorf, 1937 Promotion, Assistenzärztin in Düsseldorf, 1940 Fachärztin für Dermatologie, 1941–1943 Lagerärztin im KZ Ravensbrück, Beteiligung an Menschenversuchen, 1943–1945 chirurgische Assistentin Heilanstalt Hohenlychen, 1947 Verurteilung zu 20 Jahren Gefängnis (Nürnberger Ärzteprozess), 1952 aus der Haft entlassen, wenig später prakt. Ärztin Stocksee bei Neumünster, Arbeit in der Johanniter-Heilstätte in Plön, 1956 als ehem. KZ-Ärztin erkannt, Entlassung in Plön, 1958 Entzug der Approbation (Anfechtungsklage 1960 abgewiesen). OBERLÄNDER, Theodor, Dr. agr. et rer. pol. 450, 453 geb. 1. 5. 1905 Meiningen, gest. 4. 5. 1998 Bonn, Universitätslehrer (Agrarwissenschaften), Politiker, 1933 Eintritt in die NSDAP, 1933–1937 Gauamtsleiter der NSDAP, Gau Ostpreußen, 1934 ao. Prof. für Landwirtschaftspolitik Danzig, Direktor des Instituts für osteuropäische Fragen Königsberg, 1937 Prof. Königsberg, anschließend Greifswald, 1940–1942 als Ostexperte Hauptmann der im dt. Heeresverband ausgebildeten Ukrainer-Einheit „Nachtigall“ und später der Kaukasier-Spezialtruppe „Bergmann“, 1943 Staatsarrest, 1945/46 Kriegsgefangenschaft, 1946 Landarbeiter, Geschäftsführer der Firma „Samenzucht-Terra“ in Bayern, 1948 Eintritt in die FDP, 1950 Eintritt in den BHE, 1950–1953 MdL Bayern, bayerischer Staatssekretär, 1951 Vors. des bayerischen BHE, 1954 Bundesvors. BHE, Landesvors. BHE Nordrhein-Westfalen, 1955 Ausscheiden aus dem BHE, 1953–1960 Bundesminister für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen (seit 1954 für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte), 1953–1961 und 1963–1965 MdB (BHE, später CDU), 1956 Eintritt in die CDU, 1958–1964 Vors. CDU-Landesverband Oder-Neiße, 1960 Rücktritt vom Amt des Bundesministers. OLLENHAUER, Erich 308, 360 geb. 27. 3. 1901 Magdeburg, gest. 14. 12. 1963 Bonn, Politiker (SPD), kaufmännische Ausbildung, 1916 Mitgl. Sozialistische Arbeiterjugend, 1928 deren Vors., seit 1921 Sekretär der Internationalen Bewegung der Sozialistischen Arbeiterjugend, 1933 Mitgl. Vorstand der SPD, 1933–1946 Exil in Prag, Paris und London, 1946 stellv. Parteivors., 1949 stellv. Fraktionsvors., 1952–1961 Nachfolger Kurt Schumachers als Partei- und Fraktionsvorsitzender. OLTMANNS, Wilhelm 211 1946/47 Oberstadtdirektor Oldenburg.

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Personenregister / Biographische Angaben

ONNASCH, Heinz 471f. 1960/61 Leiter der Pressestelle der Landesregierung Schleswig-Holstein. OSTERLOH, Adele 24, 26 geb. 1913 Rotenhahn, Schwester Edo Osterlohs. OSTERLOH, Ahlke → FINKEN, Ahlke OSTERLOH, Anna Catharina, geb. Janssen 24f. geb. 16. 9. 1881 Brümme, Mutter Edo Osterlohs. OSTERLOH, Anna Katharine, geb. Frerichs 24 Ehefrau Heinrich Osterlohs. OSTERLOH, Anneliese, geb. Hübner 29f., 34, 36, 54ff., 62, 96, 99, 104 geb. 12. 6. 1910 Halle/Saale, gest. 28. 8. 1941 Sorenbohm bei Köslin, Theologiestudium in Bethel, erste Ehefrau Edo Osterlohs. OSTERLOH, Antje 472 geb. 14. 5. 1955 Bonn, Tochter Edo und Gertrud Osterlohs OSTERLOH, Arn 151, 209 geb. 29. 6. 1949 Holle, Jurist, Rechtsanwalt, Sohn Edo und Gertrud Osterlohs. OSTERLOH, Arnold 24, 27 geb. 2. 4. 1920 Rotenhahn, Landwirt, Bruder Edo Osterlohs. OSTERLOH, Brun, Dr. rer. pol. 99f., 106, 147 geb. 9. 5. 1940 Stuttgart, Wirtschaftsingenieur, Sohn Gertrud Osterlohs. OSTERLOH, Eilert, Dr. jur. 55f., 96, 99f., 106, 147 geb. 8. 9. 1938 Berlin, Jurist, Rechtsanwalt, Sohn Edo und Anneliese Osterlohs. OSTERLOH, Gertrud, geb, Wilmanns 24, 30, 93, 98–101, 105f., 147, 204, 209, 249, 328, 371, 378, 396, 518, 535f. geb. 18. 5. 1910 Wuppertal, Theologiestudium in Bethel, Verlagsredakteurin, 1962–1968 und 1970–1977 Mitgl. Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags, 1970/71 dessen Präsidentin, zweite Ehefrau Edo Osterlohs. OSTERLOH, Heidi → HENNIG, Heidi OSTERLOH, Heinrich 24 gest. in Rotenhahn, Landwirt, Vater Johann Hinrich Osterlohs. OSTERLOH, Helene → KOHLWES, Helene OSTERLOH, Johann Hinrich 24–27, 452 geb. 6. 4. 1875 Altjührden, Soldat im ersten Weltkrieg, Landwirt, Vater Edo Osterlohs. OSTERLOH, Lerke, Dr. jur. 106, 147 geb. 29. 9. 1944 Holle, Juristin, Universitätslehrerin, Richterin, 1990 o. Prof. für Öffentliches Recht und Steuerrecht Trier, 1993 Frankfurt/Main, 1998 Bundesverfassungsrichterin, Tochter Edo und Gertrud Osterlohs. OSTERLOH, Martha 24 geb. 1912 Rotenhahn, Schwester Edo Osterlohs. OSTERLOH, Wiebke → PUTZ-OSTERLOH, Wiebke PAGEL, Paul, Dr. agr., Dr. rer. pol. 405, 421, 466, 470 geb. 29. 12. 1894 Bredenfelde (Mecklenburg), gest. 11. 8. 1955 Kiel, Landwirt, Politiker (CDU), Studium der Landwirtschaft und Staatswissenschaften, Diplom-Landwirt, Verwaltungsdienst, 1945 Mitbegründer CDU Bad Segeberg, 1946/47 und 1950–1955

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MdL Schleswig-Holstein, 1947 kurzzeitig Minister für Volkswohlfahrt ebd., 1950–1955 Innenminister ebd., 1950–1954 zugleich Minister für Volksbildung / Kultusminister ebd., 1951–1955 Stellv. des Ministerpräsidenten. PATERSON-MORGAN, F., D. 292, 294 1956 Leiter Zentrale für Deutschland des Word Council of Churches, Stuttgart (Abteilung für zwischenkirchliche Hilfe und Flüchtlingsdienst). PAULSEN, Anna, Dr. theol., D. theol. 219, 271, 276f. geb. 29. 3. 1893 Hoirup (Nordschleswig), gest. 30. 1. 1981 Heide (Holstein), Theologin, kirchl. Doz. (AT), 1926 Leiterin Seminar für Kirchl. Frauendienst Burckhardt-Haus Berlin-Dahlem, 1951 Berufung in die Kirchenkanzlei der EKD als Frauenreferentin, Aufbau eines Frauenreferats (bis 1958). [Personenlexikon, S. 192] PAUTKE, Johannes, D. theol. 429 geb. 8. 4. 1888 Freienwalde, gest. 24. 11. 1955 Lübeck, Theologe, 1913 Pfr. Usedom, 1914 Lübeck, Militärseelsorger, 1934 Mitgl. Pfarrernotbund, Bruderrat Lübeck, 1939/40 dessen Vors., 1945 Propst und Mitgl. Kirchenleitung LK Lübeck, 1948–1955 Bischof ebd. [Personenlexikon, S. 192] PETERSEN, Georg, Dr. jur. 271, 278 geb. 1889, Jurist, 1950–1956 Ministerialdirektor und Leiter Abteilung I Bundesjustizministerium. PFERDMENGES, Robert 506 geb. 27. 3. 1880 Mönchengladbach, gest. 18. 9. 1962 Köln, Bankier und Politiker, 1929–1953 Teilhaber des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie., 1951–1960 Präsident Bundesverband deutscher Banken, 1945 Mitbegründer der CDU, 1946 in der Leitung der Programmkommission des CDU-Landesverbands Rheinland, 1947 MdL NordrheinWestfalen, 1947–1949 Vertreter der CDU im Wirtschaftsrat der Bizone, 1950–1962 MdB, 1961 Alterspräsident des 4. Bundestages (Verzicht Konrad Adenauers), enger Freund Adenauers, dessen einflussreichster Finanzberater. PICHT, Georg, Dr. phil. 354, 484 geb. 9. 7. 1913 Straßburg, gest. 7. 8. 1982 Hinterzarten/Schwarzwald, Pädagoge, 1940–1942 Lehrer, bis 1945 Assistent und Lehrbeauftragter Universität Freiburg, 1945–1955 Leiter Landerziehungsheim Birklehof bei Hinterzarten, 1952–1962 Mitgl. Dt. Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen, seit 1958 Leiter Forschungsstätte der Ev. Studiengemeinschaft (FEST) Heidelberg, ab 1965 o. Prof. für Religionsphilosophie Freiburg, Engagement in der Friedensforschung, 1961 Mithg. „Tübinger Memorandum“, 1970 Mitgl. Kuratorium Dt. Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung. PIEPKORN, Arthur Carl, Dr. theol. 296ff., 395 geb. 21. 6. 1907 Milwaukee (Wisconsin), gest. 13. 12. 1973 St. Louis (Missouri), Theologe, Universitätslehrer (ST), 1936 Pfr. und Militärpfr. St. Louis, Chisholm (Minnesota) und Cleveland (Ohio), 1945–1951 Senior Chaplain der US-Besatzungstruppen in Deutschland, 1951 Prof. St. Louis. PIUS XI. (= RATTI, Achille) 64 geb. 31. 5. 1857 Desio b. Mailand, gest. 10. 2. 1939 Rom, Priester, Präfekt der Vatikanischen Bibliothek, 1918–1920 Nuntius in Polen, 1921/22 Erzbischof von Mailand, Kardinal, 1922–1939 Papst.

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PLEUS, Hermann 200, 298f., 301f., 312f., 321 geb. 7. 5. 1914 Oldenburg, Theologiestudium in Tübingen, Bonn und Berlin, 1936–1938 Wehrdienst, 1938/39 Hilfsprediger Ahlhorn, Ovelgönne/Golzwarden und Heppens, 1939–1945 Kriegsdienst, 1945–1951 Pfr. Westerstede, 1951/52 Seelsorger für deutsche Arbeitsdiensteinheiten im amerikanischen Dienst Heidelberg, 1952–1963 Pfr. Jever, danach Pfr. in Bremen. POHLSCHNEIDER, Johannes, Dr. phil., Dr. theol. 482 geb. 18. 4. 1899 Osterfeine, Gemeinde Damme, Kreis Vechta, gest. 7. 3. 1981 Aachen, Theologe, 1924 Priesterweihe, 1925–1940 Seelsorger v. a. in Osternburg (Oldenburg), 1940 Offizial des oldenburgischen Teils der Diözese Münster mit Sitz in Vechta und Domkapitular, 1943 päpstlicher Hausprälat, 1948 Generalvikar der Diözese Münster, 1954–1975 Bischof von Aachen. PRELLE, Karl 25, 173 geb. 1895 Elsfleth, gest. 1975, Lehrer, Reform-Pädagoge, 1914–1918 Kriegsdienst, Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie in Rostock, 1920 Lehrerseminar Oldenburg, danach Lehrer Ostrittrum (Wildeshauser Geest), 1928–1937 Volksschullehrer Jeringhave, 1937 nach Wilhelmshaven zwangsversetzt, im Zweiten Weltkrieg erneut Kriegsdienst, 1946–1957 Etzhorn. PRELLER, Ludwig, Dr. phil. 366 geb. 16. 2. 1897 Burgstädt bei Chemnitz, gest. 29. 11. 1974 Rossert/Ts., Volkswirt, Politiker, seit 1920 Mitgl. der SPD, 1922 Promotion, Ausbildung zum Gewerbeaufsichtsbeamten, 1926 Regierungsrat im Reichsarbeitsministerium, dann im Sächsischen Arbeitsund Wohlfahrtsministerium, 1933 Entlassung aus politischen Gründen, Angestellter einer Stuttgarter Strickwarenfabrik, 1946 Leiter der Abt. Sozial- und Kulturpolitik im Süddeutschen Länderrat in Stuttgart, 1947 Hon.-Prof. Technische Hochschule Stuttgart, 1948–1950 Minister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr in Schleswig-Holstein, 1951 Doz. Akademie der Arbeit in Frankfurt/Main, 1951–1957 MdB. PRESSEL, Wilhelm 112, 125 geb. 22. 1. 1895 Creglingen/Tauber, gest. 24. 5. 1986 Tübingen, 1933–1945 Oberkirchenrat und Mitgl. Ev. Oberkirchenrat LK Württemberg, 1936 Mitgl. Lutherrat (ständiger Stellv. von Landesbischof Theophil Wurm), 1945–1950 Leiter Ev. Hilfswerk Württemberg, Krankenhauspfr. [Personenlexikon, S. 197] PUTZ, Eduard 321f. geb. 9. 1. 1907 Altenschönbach (Unterfranken), gest. 22. 9. 1990 Erlangen, Theologe, 1927 Mitgl. NSDAP, 1927/28 Mitbegründer NS-Studentenbund Tübingen und Erlangen, 1934 Träger des goldenen Parteiabzeichens, 1933 theol. Hilfsreferent Landeskirchenrat München, 1935–1953 Pfr. Fürth, 1954 Dekan Erlangen. [Personenlexikon, S. 198] PUTZ-OSTERLOH, Wiebke, Dr. phil. 151 geb. 9. 6. 1946 Holle, Psychologin, Universitätslehrerin, Diplom in Psychologie, Promotion, Oberassistentin Technische Hochschule Aachen, 1988 o. Prof. Bayreuth, 2002– 2005 Vizepräsidentin Universität Bayreuth, Tochter Edo und Gertrud Osterlohs. QUAATZ, Reinhold Georg, Dr. rer. soc. oec. 555 geb. 8. 5. 1876 Berlin, gest. 15. 8. 1953 Berlin, Jurist, Politiker, Studium in Jena und Berlin, Eintritt in den preußischen Staatsdienst, Tätigkeit bei der Staatseisenbahnverwal-

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tung in der Inneren Verwaltung, dort zuletzt Regierungsrat und Direktionsmitgl., 1919 Geheimer Regierungs- und Vortragender Rat im preuß. Ministerium der Öffentlichen Arbeiten, seit 1920 MdR (DNVP), 1920–1923 Syndikus der Handelskammer Essen, daneben Leitung mehrerer Wirtschaftsverbände, 1924 Rechtsanwalt in Bonn, 1933 aus allen öffentlichen Ämtern entfernt, weiter Anwalt in Berlin, nach 1945 Doz. (Soziologie) an der Kirchl. Hochschule Berlin, Beteiligung am Aufbau der Berliner CDU. QUERVAIN, Alfred de, Lic. theol., D. theol. 267 geb. 28. 9. 1896 La Neuveville, Kanton Bern, gest. 30. 10. 1968 Bern, ref. Theologe, Universitätslehrer (ST, Soziologie, Praktische Exegese), 1931 Pfr. Elberfeld (Niederländisch-ref. Gemeinde), 1934 BK-Mitglied, 1935 Doz. Theol. Schule Elberfeld, 1938 Pfr. Laufen (Schweiz), 1948–1966 o. Prof. Bern. [Personenlexikon, S. 199] RABENAU, Eitel Friedrich von, Dr. phil. 45, 517, 555 geb. 13. 1. 1884 Schweidnitz (Schlesien), gest. 5. 10. 1959 Berlin, Theologe, kirchlicher Doz. (PT), 1923 Pfr. Berlin-Schöneberg, 1933/34 Mitbegründer Pfarrernotbund und BK Berlin, Mitgl. Bruderrat Berlin-Brandenburg (ab 1935 Berlin), Bruderrat EKapU. [Personenlexikon, S. 199f.] RAD, Gerhard von, Lic. theol., D. theol., DD. 203 geb. 21. 10. 1901 Nürnberg, gest. 31. 10. 1971 Heidelberg, luth. Theologe, Universitätslehrer (AT), 1934 o. Prof. Jena, 1945 o. Prof. Göttingen. [Personenlexikon, S. 200] RAEDER, Erich 465f. geb. 24. 4. 1876 Wandsbek b. Hamburg, gest. 6. 11. 1960 Kiel, Marineoffizier, 1914–1918 Kriegsdienst, 1925 Vizeadmiral, Chef der Marinestation Ostsee, 1928 Admiral, Chef der Marineleitung, 1934 „Generaladmiral“, 1939 Großadmiral, 1935–1943 „Oberbefehlshaber der Kriegsmarine“. RAISER, Ludwig, Dr. jur., D. Dr. phil. h.c. 537 geb. 27. 10. 1904 Stuttgart, gest. 13. 6. 1980 Tübingen, Jurist, Universitätslehrer (Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Handelsrecht), 1945 o. Prof. Göttingen, 1955 Tübingen, seit 1949 Mitgl. EKD-Synode, 1957 Mitbegründer, 1964 Vors. Dt. Wissenschaftsrat. [Personenlexikon, S. 201f.] RAMSAUER, Erich 134, 338 geb. 29. 4. 1902 Ofen, gest. 19. 12. 1984 Fischerhude, 1928–1937 Pfr. Osternburg (Oldenburg), 1934 Teilnehmer der Bekenntnissynoden von Barmen und Dahlem, 1937–1967 Leiter Norddt. Mission Bremen. [Personenlexikon, S. 202] RAMSAUER, Helene, Dr. phil. 173 geb. 26. 8. 1905 Rodenkirchen, gest. 30. 1. 2001, Dozentin, Universitätslehrerin (Ev. Theologie und Religionspädagogik), Lehramtsstudium in Heidelberg, Wien und Marburg, 1945 Doz. Pädagogische Hochschule Oldenburg, 1956 o. Prof. ebd. RANFT, Dietrich 417f., 471 geb. 1922 Großdeuben bei Leipzig, gest. 29. 5. 2002 München, Jurist, 1952 Finanzverwaltung Hamburg, 1961 Leiter Abt. 5 Kultusministerium Schleswig-Holstein, Kurator Universität Kiel, 1976–1987 Generalsekretär Max-Planck-Gesellschaft. RANG, Martin 168 geb. 6. 11. 1900 Wolfskirch bei Posen, gest. 14. 3. 1988 Frankfurt/Main, Pädagoge, Universitätslehrer, Theologiestudium in Marburg, Lehramtsstudium in Jena, Gießen

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und Paris, 1926 Staatsexamen für das höhere Lehrfach, 1928 Assessorexamen, Assessor Frankfurt/Main, dann Studienrat Elberfeld, 1930 Doz. für Religionspädagogik an der Pädagogischen Akademie Halle/Saale, 1931 Prof. ebd., 1933 suspendiert, 1935 Lehrer in Wiesbaden, 1938 Ausschluss aus dem NS-Lehrerbund, 1939–1946 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1946 Leiter Volksschullehrerausbildung Nordhessen, 1950 Prof. Pädagogische Hochschule Oldenburg, 1956–1960 Vors. der Konferenz Pädagogischer Hochschulen Niedersachsens, 1960–1968 o. Prof. Frankfurt/Main. RANKE, Hansjürg (Hans Georg) 228, 270f., 273, 276–279, 291, 299, 361, 393 geb. 9. 6. 1904 Arosa (Schweiz), gest. 3. 2. 1987 Berlin, Jurist, Oberkirchenrat, seit 1933 im kirchlichen Dienst, 1947 Berufung in die Kirchenkanzlei der EKD, 1950 Oberkirchenrat Außenstelle Bonn, 1955 Oberkonsistorialrat (Sozialreferent) Kirchenkanzlei der EKD. [Personenlexikon, S. 202] RATHE, Johann Wilhelm Albrecht 103 geb. 16. 4. 1877 Rastede, gest. 24. 7. 1941 Holle, Theologiestudium in Erlangen, Halle und Greifswald, 1905 Hilfsprediger Waddens, danach Vakanzprediger in Burhave, Zetel und Elisabethfehn, 1907–1924 Pfr. Elisabethfehn, 1924–1941 Holle. REDEKER, Martin, Lic. theol., Dr. phil., D. theol. 451f., 496, 503 geb. 21. 10. 1900 Bielefeld, gest. 14. 5. 1970 Kiel, Theologe, Universitätslehrer (PT, ST, Pädagogik), 1933 Mitgl. der NSDAP, 1935 o. Prof. Münster, 1936–1969 Kiel, nach 1945 Mitgl. CDU, 1954–1967 MdL Schleswig-Holstein, zeitweise im Bundesvorstand des EAK, Vors., dann stellv. Vors. EAK Schleswig-Holstein. [Personenlexikon, S. 203] REINEFARTH, Heinz (Heinrich), Dr. jur. 455, 467 geb. 26. 12. 1903 Gnesen, gest. 7. 5. 1979 Westerland/Sylt, Jurist, Polizei-Offizier, Politiker, Studium in Jena, Tätigkeit als Richter, 1932 Eintritt in die NSDAP und die SS, 1939–1945 Kriegsteilnehmer als Offizier der Waffen-SS, 1942 Generalinspekteur der Verwaltung im Protektorat Böhmen und Mähren, 1944 Beteiligung an der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes, 1945 Festungskommandant Küstrin, britische Gefangenschaft, 1951–1964 Bürgermeister Westerland, 1958–1962 MdL (GB/BHE), 1967 Rechtsanwalt Westerland. REINWEIN, Helmuth, Dr. med. 469 geb. 22. 2. 1895 Dubenburg bei Stralsund, gest. 17. 12. 1966 Gauting bei München, Mediziner, Universitätslehrer, 1914 Kriegsdienst, russische Gefangenschaft, dort Dienste als Sanitäter, 1918–1922 Medizinstudium, 1927 Habil. Würzburg, dann Leiter Medizinische Abt. Diakonissenanstalt Hannover, 1934 o. Prof. und Direktor Universitätsklinik Gießen, 1942–1962 Kiel, 1958/59 Rektor Universität Kiel. RENGSTORF, Karl-Heinrich, Lic. theol., D. Dr. theol. h.c. mult. 271f., 276ff. geb. 1. 10. 1903 Jembke, Regierungsbezirk Lüneburg, gest. 24. 3. 1992 Münster, Theologe, Universitätslehrer (NT, Judentum), seit 1947 o. Prof. Münster, 1947–1981 Wiederbegründer und Leiter des Institutum Judaicum Delitzschianum ebd. [Personenlexikon, S. 205] RESE, Ludwig 254 Rektor, 1950/51 Leiter „Verein evangelischer Lehrer und Erzieher“ (Westfalen). RICHTER, Willi 531 geb. 1. 10. 1894 Frankfurt/Main, gest. 27. 11. 1972 Frankfurt/Main, Feinmechaniker,

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Gewerkschafter, nach dem Ersten Weltkrieg Tätigkeit in der Stadtverwaltung Frankfurt/ Main, zuletzt Vorstand Gesamtbetriebsrat aller Kommunalbetriebe, 1926 Sekretär des Gesamtverbandes der Öffentlichen Betriebe in Darmstadt, 1928–1933 Bezirkssekretär im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, seit 1928 Stadtrat (SPD) in Dortmund, nach dem Zweiten Weltkrieg Beteiligung am Wiederaufbau der Gewerkschaften v. a. in Hessen, Mitgl. verfassungsberatende Landesversammlung Hessen, 1949–1957 MdB (SPD), 1956–1962 Vors. des Deutschen Gewerkschaftsbundes. RICKLEFS, Friedrich 39 Jurist, Amtgerichtsrat, 1935 Vors. Bekenntnissynode LK Oldenburg. RIECKHOFF 192 Professor, Oberschulrat, 1948 Mitgl. der Erziehungskammer LK Oldenburg. RIEDEL, Heinrich 293 geb. 17. 3. 1903 Nürnberg, gest. 8. 6. 1989 München, 1947–1962 Oberkirchenrat München, 1962 Leiter geistliche Abt. Landeskirchenrat, 1955–1967 Mitgl. Rat der EKD. [Personenlexikon, S. 207] RIEHL, Wilhelm Heinrich von 267 geb. 6. 5. 1823 Biebrich, gest. 16. 11. 1897 München, Theologe, Kulturhistoriker, Novellist. RIEMECK, Renate, Dr. phil. 546 geb. 4. 10. 1920 Breslau, gest. 12. 5. 2003 Alsbach-Hähnlein, Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte, 1943 Promotion, nach dem zweiten Weltkrieg bis 1955 Doz. in der Lehrerbildung in Oldenburg, Braunschweig und Weilburg/Lahn, 1949 Vormundschaft für Ulrike Meinhof, 1955 Prof. Pädagogische Hochschule Wuppertal (Geschichte und Politische Bildung), ab 1957 Engagement in der Initiative „Kampf dem Atomtod“, 1960 Gründungsmitgl. Dt. Friedensunion, 1961 deren Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf, 1960 Entzug der akademischen Prüfungsberechtigung, 1979 Lehrauftrag für Pädagogik in Marburg. RITTER, Gerhard, Dr. phil., Dr. theol. h.c., Dr. jur. h.c. 259, 313 geb. 8. 4. 1888 Sooden/Werra, gest. 1. 7. 1967 Freiburg i. Br., Historiker, Universitätslehrer (Mittelalter, Neuzeit), 1925–1956 o. Prof. Freiburg i. Br., 1948–1953 Vors. Verband der Historiker Deutschlands, Mitbegründer Institut für Zeitgeschichte München, Mitgl. Kammer der EKD für politische Verantwortung. [Personenlexikon, S. 208] RÖNNEBECK, Günther, Dr. phil. 175ff., 189–192 geb. 1901, gest. 1986, Lehrer, Ministerialbeamter, 1924–1929 Lehrer (Deutsch, Geschichte) in Landerziehungsheimen, 1929 Schuldienst Hannover, 1939–1945 Kriegsdienst, 1945–1966 Referent für Schulreform im Oberpräsidium Hannover, nach der Gründung des Landes im niedersächsischen Kultusministerium, 1947 Leiter der Schulabteilung, 1952 Ministerialdirigent ebd. 382 RÖPKE, Dr. 1955 Mitgl. FDP Braunschweig. RONNEBERGER, Friedrich 299f., 317 geb. 21. 9. 1886 Kamenz (Sachsen), gest. 16. 6. 1968 Wilhelmshaven, 1915 Marinepfr. Wilhelmshaven, 1939 Leiter der gesamten Marineseelsorge, 1945–1947 Leiter Kirchl. Arbeit bei den dt. Minenräumkommandos, Beauftragung mit der seelsorgerlichen Be-

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treuung der Kriegsgefangenen und Heimkehrer in der britischen Besatzungszone, 1949 Pfr. Wilhelmshaven. [Personenlexikon, S. 209] ROOSEVELT, Franklin Delano 386 geb. 30. 1. 1882 Hyde Park/N.Y., gest. 12. 4. 1945 Warm Springs/Georgia, Rechtsanwalt, Politiker (Demokratische Partei), 1910 Senator im Staat New York, 1913–1921 Unterstaatssekretär im Marineministerium, 1920 demokratischer Anwärter auf das Amt des Vizepräsidenten, 1921 Erkrankung an Kinderlähmung, 1928 Gouverneur des Staates New York, 1932–1945 Präsident der USA. ROSENBERG, Alfred 41 geb. 12. 1. 1893 Reval, gest. 16. 10. 1946 Nürnberg (hingerichtet), Architekt, Publizist, Politiker, 1921 Hauptschriftleiter des NS-Parteiorgans „Völkischer Beobachter“, 1927 Gründer „Kampfbund für dt. Kultur“, 1930 Verfasser von „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“, 1934 offizieller Leiter der weltanschaulichen Erziehung, Führer des außenpolitischen Amtes der NSDAP, 1941 Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. ROSENBOOM, Enno, Dr. theol. 395 geb. 1924 Großwolde bei Leer, luth. Theologe, 1952 Vikar, dann Pfarrvikar Cloppenburg, 1953–1956 Pfr. Jever, danach Pfr. in Westfalen, 1977–1987 Oberkirchenrat und Dezernent für Bildungs-, Erziehungs- und Schulwesen LK Nordelbien. ROTH, Hans (Johannes) 195, 200 geb. 6. 6. 1896 Neuenkirchen, gest. 31. 12. 1958 Ahlhorn, Kriegsdienst 1914–1918, Theologiestudium in Leipzig, Marburg und Münster, 1924 Hilfsprediger Eversten, 1926 Ahlhorn, 1927–1958 Pfr. ebd., 1951 „Kirchenrat“. ROTT, Wilhelm 226 geb. 25. 1. 1908 Düsseldorf, gest. 27. 1. 1967 Koblenz, Hilfsprediger Mühlheim/Ruhr, 1935 Studieninspektor Finkenwalde, 1937 Pfr. Berlin, Geschäftsführer der Schulkammer der VKL II, 1945 Lagerpfr. Moosburg, 1946 Pfr. Koblenz, 1959 Superintendent ebd. RUDOLPH, Anni 276ff. geb. 8. 4. 1911 Herford, gest. Juni 2000 Frankfurt/Main, seit 1935 soziale Arbeit und Unterrichtstätigkeit Herford, Gelsenkirchen, Detmold, Schülerinnenarbeit in der Ev. Kirche von Westfalen, 1946 Witten, 1950–1968 hauptamtl. Geschäftsführerin Ev. Frauenarbeit in Deutschland, Frankfurt/Main. RÜHE, Johannes 39, 105, 135, 200 geb. 10. 7. 1886 Westerstede, gest. 20. 6. 1975 Oldenburg, Theologiestudium in Tübingen, Berlin und Halle, 1910–1913 Assistenz- und Hilfsprediger, 1913–1922 Pfr. Wiefelstede, 1922–1958 Oldenburg. RÜHSEN, Georg, Dr. phil. 474f. gest. Februar 1963, Lehrer, 1929 Promotion Marburg, Oberstudiendirektor, bis 1963 Schulleiter Otto-Hahn-Gymnasium Geesthacht. RUPPEL, Erich, Dr. jur. 504–508 geb. 25. 1. 1903 Wuppertal-Elberfeld, gest. 7. 7. 1975 Hannover, Jurist, 1947–1958 Leiter Kanzlei des hannoverschen Landesbischofs, seit 1949 zugleich jur. Referent und Mitgl. Kollegium des Landeskirchenamts Hannover, 1958 jur. Dirigent und Leiter jur. Abt. im Landeskirchenamt Hannover, 1965 rechtskundiger Vizepräsident ebd. [Personenlexikon, S. 211]

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RUST, Bernhard 50, 425 geb. 30. 9. 1883 Hannover, gest. 8. 5. 1945 Berne (Oldenburg) (Selbstmord), Lehrer, Politiker, Studium der Germanistik, Philosophie und Klassischen Philologie, Lehrer an höheren Schulen, Studienrat, schwere Kopfverletzung im Ersten Weltkrieg, 1922 Mitgl. NSDAP, 1925 Gauleiter Hannover-Nord (seit 1928: Südhannover-Braunschweig), 1930 aus dem Schuldienst entlassen, 1930 MdR, 1933 Kommissar für das preußische Kultusministerium, 1934–1945 Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. SASSE, Hermann, Lic. theol., D. theol., DD. 44, 58 geb. 17. 7. 1895 Sonnewalde, Kreis Lennep (Brandenburg), gest. 8. 8. 1976 North Adelaide (Australien), luth. Theologe, Universitätslehrer (KG, Dogmengeschichte, Symbolik, Konfessionskunde), 1933 ao. Prof. Erlangen, 1934 Teilnehmer Bekenntnisynoden Barmen (dort Bedenken gegen die Theologische Erklärung) und Dahlem, 1934/35 Mitgl. Lutherischer Rat. [Personenlexikon, S. 212f.] SAUTTER, Reinhold 232 geb. 1888, gest. 1971, 1917–1923 Oberlehrer am ev. Lehrerseminar Backnang, 1924 Pfr. Schalkstetten, 1928 Religionslehrer Stuttgart, 1936–1953 Schulreferent im Ev. Oberkirchenrat in Stuttgart, 1944/45 inhaftiert. SCHAEDER, Hildegard, Dr. phil. 555 geb. 13. 4. 1902 Kiel, gest. 11. 4. 1984 Frankfurt/Main, Slawistin, Universitätslehrerin (Geschichte der orthodoxen Kirchen), 1934 BK-Mitgl., privates Theologiestudium, 1935 Stipendiatin, 1941 wiss. Mitarbeiterin Publikationsstelle für Osteuropäische Forschungen im Preußischen Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem, 1936 Gemeindearbeit in Martin Niemöllers Gemeinde Berlin-Dahlem, Tätigkeit in einem Helferkreis zur Hilfestellung für Juden. [Personenlexikon, S. 213f.] SCHAEFER, Carl-Anton, Dr. rer. pol. 436 geb. 19. 7. 1890 Zweibrücken, gest. 29. 1. 1974 Kiel, Wirtschaftsfachmann, Politiker, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, 1913 Promotion, 1913–1915 Mitarbeiter Dt. Petroleum AG Berlin, 1915–1917 Leiter Dt.-Türkische Wirtschaftszentrale Berlin und Konstantinopel, ab 1917 Mitarbeit in verschiedenen Banken, 1929 Vorstandsmitgl. und 1933 Präsident Noten-Bank des Freistaats Danzig, 1939–1942 Vorstandsvors. Danziger Privat-Aktienbank, nach Entlassung aus französischer Kriegsgefangenschaft 1948 in Oberbayern, ab 1949 in Kiel, dort 1951–1953 Generalbevollmächtigter des Bankhauses Wilhelm Ahlmann, 1953 Mitgl. im BHE, 1953–1961 Finanz- und Justizminister von Schleswig-Holstein, 1958 Übertritt zur CDU. SCHÄFFER, Fritz 363 geb. 12. 5. 1888 München, gest. 29. 3. 1967 Berchtesgaden, Jurist, Politiker, 1907–1911 Studium der Rechtswissenschaften, 1911–1914 Rechtsreferendar, 1915–1917 Kriegsteilnahme, 1917 Bezirksassessor Kelheim, 1918 Mitbegr. Bayerische Volkspartei, 1920–1933 MdL Bayern, 1920–1934 Regierungs-, später Oberregierungsrat im bayerischen Ministerium für Unterricht und Kultus, 1929–1933 Vors. Bayerische Volkspartei, 1931–1933 Geschäftsführender bayerischer Finanzminister, 1933 Verhaftung wegen Verweigerung der Parteiauflösung, 1934–1945 Rechtsanwalt, 1945 Mitbegr. der CSU, erster bayerischer Ministerpräsident (124 Tage, dann von der amerikanischen Militärregierung ab-

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gesetzt), 1948 Austritt aus der CSU, 1949 Wiedereintritt, 1949–1961 MdB, 1949–1953 Vors. der CSU-Landesgruppe im Bundestag, 1949–1957 Bundesfinanzminister, 1957– 1961 Bundesjustizminister. SCHARF, Kurt, D. theol. 112, 206, 335, 490, 555 geb. 21. 10. 1902 Landsberg/Warthe, gest. 28. 3. 1990 Berlin, 1933 Pfr. Sachsenhausen, Vertrauensmann Jungreformatorische Bewegung, Pfarrernotbund, 1934 Mitgl. Provinzialbruderrat Berlin-Brandenburg, 1935 Vors. Provinzialbruderrat Brandenburg, 1938 Vors. Konferenz der Landesbruderräte als Präses der Bekenntnissynode Brandenburg, 1945 Eintritt in das Konsistorium Berlin-Brandenburg (Bezeichnung „Präses“), 1946–1966 geistl. Leiter Abt. Brandenburg beim Konsistorium Berlin-Brandenburg mit dem Titel „Propst“, 1951 Pfr. Berlin (Marienkirche) mit Wohnsitz in Ost-Berlin, 1957–1960 Vors. Rat der EKU, 1961 Verweser des Bischofsamtes Berlin-Brandenburg im östlichen Kirchengebiet und Pfr. Berlin-Steglitz, 1961–1967 Vors. Rat der EKD, 1966–1976 Bischof Berlin-Brandenburg (ab 1972 nur noch Westregion). SCHEEL, Jürgen, Dr. jur. 407, 414, 417f., 471 1956–1964 Persönlicher Referent Edo Osterlohs, Leiter der Abt. 6 (Kunst, Volksbildung, Jugend und Sport) im Kultusministerium Schleswig-Holstein. SCHEFFLER, Erna, Dr. jur. 266 geb. 21. 9. 1893 Breslau, gest. 22. 5. 1983 London, Juristin, Studium in München, Berlin und Breslau, 1914 Promotion, 1928 Eintritt in den Justizdienst, 1930 Amts- bzw. Landgerichtsrätin in Berlin, 1933 wegen ihrer jüdischen Herkunft entlassen, 1945 Landgerichtsdirektorin Berlin, 1948 Verwaltungsgerichtsdirektorin Düsseldorf, 1951–1963 Richterin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. SCHELSKY, Helmut, Dr. phil. 362f. geb. 14. 10. 1912 Chemnitz, gest. 24. 2. 1984 Münster, Soziologe, Studium der Philosophie, 1935 Promotion, 1938 Assistent Arnold Gehlens in Königsberg, 1939 Habil. (Philosophie und Soziologie) ebd., 1943–1945 Kriegsdienst, 1948 Ruf an die Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg, 1953 o. Prof. Hamburg, 1960 Münster, zugleich Leiter Sozialforschungsstelle Dortmund, Leiter Gründungsausschuss Universität Bielefeld, 1970 Wechsel dorthin, 1973 Rückkehr nach Münster. SCHERFFIG, Wolfgang, Dr. theol. h.c. 72 geb. 1913, Theologiestudium in Marburg, Bonn, Elberfeld und Basel, 1937 Leiter des Theologiestudentenamtes der rheinischen BK, 1938 Leiter der Bruderschaft rheinischer Hilfsprediger und Vikare, 1947–1963 Pfr. Düsseldorf, 1963–1972 Essen-Rellinghausen. SCHEUNER, Ulrich, Dr. jur. 273 geb. 24. 12. 1903 Düsseldorf, gest. 25. 2. 1981 Bonn, Jurist, Universitätslehrer (Staatsund Völkerrecht mit Schwerpunkt Kirchen- und Staatskirchenrecht), 1947–1949 Mitarb. Zentralbüro des Hilfswerks der EKD Assenheim und Stuttgart, 1948 Lehrbeauftr. Stuttgart (TH), 1950–1969 o. Prof. Bonn. [Personenlexikon, S. 215f.] SCHLEIFER, Kurt 415f., 418 1956 Leiter der Abt. 2 (Volks- und Mittelschulen, Sonderschulen) im Kultusministerium Kiel.

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SCHLIER, Heinrich, Lic. theol., D. theol. 30, 54, 58, 83, 88 geb. 31. 3. 1900 Neuburg/Donau, gest. 26. 12. 1978 Bonn, luth., später kath. Theologe, kirchl. Doz., Universitätslehrer (NT, altchristliche Literaturgeschichte), seit 1935 Mitgl. und theol. Lehrer der BK, Verweigerung der akademischen Lehrerlaubnis, hauptamtl. Doz. Kirchl. Hochschule Wuppertal (bis zur Schließung 1936), 1937–1945 Pfr. Elberfeld. [Personenlexikon, S. 217f.] SCHLISSKE, Otto, Dr. 174 geb. 1906, Studienrat, 1947–1952 Pfr. Jever (Wiefels), danach Schulreferent Synode Essen. SCHLÜTER, Leonhard 379f. geb. 2. 10. 1921 Rinteln, Politiker, 1939/40 Kriegsdienst, 1940 wegen seiner jüdischen Mutter aus der Wehrmacht entlassen, Studium der Rechtswissenschaften, 1945–1947 Leiter der Kriminalpolizei Göttingen, 1947 Strafverfahren wegen versch. Amtsdelikte, Anschluss an die Deutsche Rechtspartei (DRP), 1948 Landesvors., 1948/49 Mitarbeiter Public Opinion Research Office Hannover, wegen zu starker politischer Exponierung ausgeschieden, 1951 MdL Niedersachsen (erst DRP, dann FDP), Austritt aus der DRP und Übertritt in die FDP, dort stellv. Fraktionsvorsitzender, April bis Juni 1955 Kultusminister Niedersachsen, Rücktritt nach heftigen Protesten im In- und Ausland. SCHMIDT 380 1955 kurzzeitig im Gespräch als FDP-Kandidat für den Posten des Kultusministers in Niedersachsen. SCHMIDT 418 Leiter der Abt. 3 (Berufsbildende Schulen) im Kultusministerium Schleswig-Holstein. SCHMIDT, Hanno 413 Chefredakteur Flensburger Tageblatt, MdL Schleswig-Holstein (CDU). SCHMIDT, Hans 301 geb. 11. 11. 1902 Erlangen, gest. 12. 4. 1992 München, 1946 Oberkirchenrat Landeskirchenrat München, 1961–1971 Kreisdekan München. [Personenlexikon, S. 221] SCHMIDT, Hans (Johannes), Dr. theol. 39, 80, 123f., 152f., 160, 173, 195, 197, 199ff., 208ff., 212, 214f., 327, 337, 340ff., 345, 383, 577 geb. 31. 7. 1902 Bockhorn, gest. 6. 11. 1977 Oldenburg, Studium der ev. Theologie in Berlin und Heidelberg, 1925 Promotion Heidelberg, 1926 prov. Assistenzprediger, 1927 Synodalvikar Birkenfeld, Hilfsprediger Ohmstede, 1929 Ordination, Vakanzprediger, 1930 Pfr. Bardewisch, 1932 Wiefelstede, bis 1940 Mitgl. Präsidium der oldenburgischen Bekenntnissynode, 1940–1945 Kriegsdienst, 1946–1949 Pfr. Varel, 1948 Vertreter des beurlaubten hauptamtl. Oberkirchenrats Heinz Kloppenburg, 1949–1971 hauptamtl. Oberkirchenrat Oldenburg SCHMIDT, Hans Wilhelm, Lic. theol. 35 geb. 11. 2. 1903 München, gest. 14. 11. 1991 Riemerling (Bayern), Theologe, kirchl. Doz., Universitätslehrer (ST, NT), 1927 Doz. Theol. Schule Bethel, 1934 o. Prof. Münster (NT), 1939 Wien (ST), Mitgl. DC und NSDAP, 1947 Verhaftung durch die Sowjets, Rückkehr nach Bayern, Übernahme in den Kirchendienst LK Bayern. [Personenlexikon, S. 221]

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SCHMIDT, Kurt Dietrich, Lic. theol., D. theol. 518 geb. 25. 10. 1896 Uthlede, Kreis Cuxhaven, gest. 27. 7. 1964 Hamburg, luth. Theologe, Universitätslehrer (KG, Religionspädagogik, Konfessionskunde), kirchl. Doz., 1948–1953 Prof. Kirchl. Hochschule Hamburg, 1948 Prof. und 1953–1964 o. Prof. der Ev.-theol. Fakultät der Universität Hamburg. [Personenlexikon, S. 222] SCHÖNE, Bernhard 76 geb. 1913, gef. 31. 5. 1944, 1933–1935 Wehrdienst, Offizier, 1935–1937 Theologiestudium in Berlin, 1937 Relegation von der Universität Berlin, Wechsel nach Marburg, 1938 kurzzeitig inhaftiert, danach weiteres Studium am Seminar der Brüdergemeine Herrnhut, ab 1939 Kriegsdienst. SCHOLDER, Klaus, Dr. phil. 318 geb. 12. 1. 1930 Erlangen, gest. 10.4.1985 Tübingen, Theologe, Universitätslehrer (KG), seit 1949 Studium der Theologie und Germanistik in Tübingen und Göttingen, 1954 Promotion in Tübingen, 1956–1958 Kulturreferent für die FDP-Bundestagsfraktion, 1958 Pfarrverweser Bad Überkingen, 1959 Repetent am Stift in Tübingen, 1965 Habil. Tübingen, 1969–1985 o. Prof. ebd., seit 1970 Mitgl. der Synode der EKD. SCHRAMM, Percy Ernst, Dr. phil. 318 geb. 14. 10. 1894 Hamburg, gest. 12. 11. 1970 Göttingen, Historiker, Universitätslehrer, Studium in Hamburg, München und Heidelberg, 1922 Promotion Heidelberg, 1924 Habil. ebd., 1929–1963 o. Prof. Göttingen, 1943 mit der verantwortlichen Führung des „Kriegstagebuchs des Oberkommandos der Wehrmacht“ betraut. SCHRÖDER, Hinrich 424 geb. 29. 12. 1906 Lentföhrden, gest. 30. 12. 1992 (Verkehrsunfall), Landwirt, Politiker (FDP), Bauer in Lentföhrden, 1940–1942 Kriegsdienst, 1948–1982 Bürgermeister Lentföhrden, 1952 Amtmann Kaltenkirchen, 1954–1967 MdL Schleswig-Holstein, 1963–1967 Vors. FDP-Landtagsfraktion, 1958–1962 Parlamentarischer Vertreter des Justizministers. SCHRÖDER, Christel Matthias, Dr. phil. 221 geb. 1915, gest. 1996, Theologe und Religionswissenschaftler, 1940–1951 Pfr. Jever, danach Pfr. in Bremen (St. Ansgarii). SCHRÖDER, Gerhard, Dr. jur. 21, 358, 364, 377f., 385, 406, 488, 490, 494–500, 502f., 508f., 513, 536 geb. 11. 9. 1910 Saarbrücken, gest. 31. 12. 1989 Kampen (Sylt), Jurist, Politiker, 1933 Promotion, 1933–1934 Fakultätsassistent Bonn, 1934–1936 Referent am Kaiser Wilhelm-Institut Berlin für Ausländisches und Internationales Privatrecht, 1936–1939 Anwaltsassessor, 1939–1945 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1945–1947 Beamter im Oberpräsidium der Nordrhein-Provinz bzw. im Innenministerium Nordrhein-Westfalen, 1947–1953 Rechtsanwalt und Abteilungsleiter North German Iron and Steel Control (seit 1949: Stahltreuhändervereinigung), 1949–1980 MdB (CDU), 1952–1953 stellv. Vors. CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 1953–1961 Bundesminister des Innern, 1955–1978 Bundesvorsitzender EAK, 1961–1966 Bundesminister des Auswärtigen, 1966–1969 Bundesminister für Verteidigung, 1967–1973 stellv. Bundesvorsitzender der CDU, 1969–1980 Vors. Außenpolitischer Ausschuss des Dt. Bundestags. SCHÜSSLER, Wilhelm, Dr. phil. 269 geb. 12. 7. 1888 Bremen, gest. 11. 11. 1965 Bernsheim, Historiker, Universitätslehrer,

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Studium in Freiburg i. Br. und Heidelberg, 1913 Promotion, 1919 Habil. Frankfurt/ Main, 1922 ao. Prof., 1925 o. Prof. (mittlere und neuere Geschichte) Rostock, 1934/35 Herder-Institut Riga, danach Würzburg, 1936–1945 Berlin, nach 1945 Stiftsrat des Christophorus-Stiftes in Hemer, Lehrtätigkeit an der dortigen Ev. Akademie, bis 1959 o. Prof. Darmstadt. SCHÜTTE, Heinrich 26 Lateinlehrer Osterlohs an der Oberrealschule Varel. SCHÜTZ, Wilhelm Wolfgang, Dr. 523 Oberkirchenrat, 1958 Mitgl. Sektionsleitung Politik auf dem Kirchentagskongress Hamburg. SCHUMACHER, Kurt, Dr. rer. pol. 303f., 308f., 326 geb. 13. 10. 1895 Kulm (Westpreußen), gest. 20. 8. 1952 Bonn, Journalist, Politiker, 1914 Kriegsdienst, 1920–1930 Redakteur „Schwäbische Tagwacht“, 1924–1931 MdL Württemberg (SPD), 1930–1933 MdR (SPD), 1933 Verhaftung, bis 1936 Inhaftierung im KZ Heuberg, Oberer Kuhberg und Flossenbürg, 1936–1943 KZ Dachau, 1944 KZ Neuengamme, 1946 Parteivors. SPD, 1949–1952 MdB, Vors. Bundestagsfraktion. SCHUMANN, Friedrich Karl, Dr. phil., Dr. theol., D. theol. 269ff., 276–279, 281 geb. 15. 6. 1886 Meßkirch (Baden), gest. 21. 5. 1960 Münster, Theologe, Universitätslehrer (PT, ST, Kirchenrecht), 1933 (bis November) Mitgl. DC, Berater von Ludwig Müller, 1948 Leiter Ev. Forschungsakademie Hemer, 1951 Hon.-Prof., 1955 (em.) o. Prof. Münster. [Personenlexikon, S. 232] SCHUSTER, Willy, Dr. phil. 320ff. geb. 27. 2. 1901 Nürnberg, gest. 28. 4. 1971 Hechlingen, theol. Redakteur beim Verlag Brockhaus, 1929 Ordination Würzburg, Studentenpfr. ebd. und Leipzig, 1932–1934 Pfr. Leipzig, 1934 Reichswehr, 1935/36 Standortpfr. Berlin, 1937–1939 Oberpfr., Generalkommando Kassel, 1941–1943 Heeresgruppenpfr. ebd., 1943–1945 Wehrmachtsdekan ebd., 1946–1967 Pfr. Fulda, 1947–1967 Dekan Kirchenkreis Fulda. SCHWARZ, Werner 536 geb. 21. 1. 1900 Hamburg, gest. 2. 9. 1982 Gut Frauenholz bei Bad Oldesloe, Landwirt, Politiker, 1918 Kriegsdienst, 1918–1922 landwirtschaftliche Ausbildung, 1922–1925 Studium der Landwirtschaft, seit 1926 selbständiger Landwirt auf Gut Frauenholz, 1948–1959 zweiter Landesvorsitzender des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Mitgl. Präsidium des Dt. Bauernverbandes, 1952 Eintritt in die CDU, 1953–1965 MdB, 1959–1965 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. SCHWARZHAUPT, Elisabeth, Dr. jur. 232, 313, 494, 498, 523, 536 geb. 7. 1. 1901 Frankfurt/Main, gest. 29. 10. 1986 Frankfurt/Main, Juristin, seit 1935 jur. Referentin in zentralen Dienststellen der DEK, 1945 Kirchenkanzlei der EKD, 1955 Mitgl. Familienrechtskommission der EKD, 1948–1958 jur. Referentin bzw. Oberkirchenrätin Kirchl. Außenamt, 1953–1969 MdB (CDU), 1961–1966 Bundesgesundheitsministerin. [Personenlexikon, S. 233] SCHWECKE, Wilhelm 164, 169, 180–186, 188f., 191, 201 geb. 16. 7. 1855 Alse, gest. 26. 1. 1949 Oldenburg, Lehrer, Rektor, 1870–1875 Lehrerseminar Oldenburg, 1875 Nebenlehrer in Varel, 1876 Oldenburg, 1882 Lehrer ebd.,

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1908 Schulvorsteher ebd., 1906–1919 Vors. Oldenburgischer Landeslehrerverein (OLLV), seit 1916 Schulvorstand Stadt Oldenburg, 1920 Rektor, 1922 pensioniert, bis nach 1945 für den OLLV tätig. SCHWEITZER, Albert, Lic. theol., Dr. med., Dr. h.c. mult. 487f. geb.14. 1. 1875 Kaysersberg (Elsass), gest. 4. 9. 1965 Lambarene (Gabun), Theologe, Universitätslehrer, Kulturphilosoph, Musiker, Tropenarzt, 1913–1917 Aufbau von Tropeninstitut, Spital und Spitalsdorf Lambarene, 1924–1927 Fortführung der Arbeit in Lambarene, seit 1929 weitere Aufenthalte ebd., 1952 Friedensnobelpreis, 1957/58 öffentliche Aufrufe gegen Atomwaffen. [Personenlexikon, S. 234] SCHWINKOWSKI, Arthur, Dr. phil. 413 geb. 9. 8. 1908 Kiel, gest. 3. 1. 1994 Konstanz, Lehrer, Politiker, 1932 Promotion Kiel, Befähigung zum Lehramt an höheren Schulen, 1932–1939 Austauschlehrer Rennes, dort Heirat und Tätigkeit in der Textilindustrie, 1939 Rückkehr nach Deutschland, Lehrer in Flensburg, 1940 Lektor am Dt. Institut in Paris, anschließend Direktor Dt. Institut Rennes, Scheidung, 1943 Kriegsdienst als Dolmetscher, 1945 Rückkehr nach Kiel, Studienrat im Schuldienst, Mitbegr. CDU Schleswig-Holstein, 1950–1968 MdL ebd., parlamentarischer Vertreter des Kultusministers, Landtagsvizepräsident, 1960–1968 Oberstudiendirektor Gymnasium Kiel-Wellingsdorf, 1965–1967 Verwaltungsrat NDR, 1968 Niederlegung aller Ämter, danach Wohnsitze in Konstanz und Tunesien, Mitbegr. Dt.-Tunesische Gesellschaft. SEEBERG, Axel 362, 378, 506 geb. 1904, gest. 1986, Doz. Hochschule für Politik, Mitarbeiter Dt. Auslandswissenschaftliches Institut, nach 1949 Mitgl. Geschäftsführender Ausschuss des Arbeitskreises für Ost-West-Fragen beim Auswärtigen Amt, 1954–1969 Chefredakteur des „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts“. SEEBOHM, Hans-Christoph, Dr. ing. 381 geb. 4. 8. 1903 Emanuelssegen (Oberschlesien), gest. 17. 9. 1967 Bonn, 1921–1928 Studium der Bergwissenschaften, 1932 Promotion, 1933–1946 verschiedene leitende Funktionen im Bergbau und in der Industrie, 1946–1948 MdL Niedersachsen (DP), Minister für Aufbau, Arbeit und Gesundheitswesen in Niedersachsen, 1947–1963 Präsident Industrie- und Handelskammer Braunschweig, 1947–1955 stellv. Bundesvorsitzender DP, 1948/49 Mitgl. Parlamentarischer Rat, 1949–1967 MdB (DP, später CDU), 1949–1966 Bundesminister für Verkehr, 1960 Wechsel von der DP zur CDU, 1962 zweiter stellv. Vors. CDU Landesverband Hannover, 1964 Vors. ebd., 1967 Bundesschatzmeister CDU. SELBERT, Elisabeth, geb. Rohde 265 geb. 22. 9. 1896 Kassel, gest. 9. 6. 1986 Kassel, Juristin, Politikerin, 1918 Mitgl. SPD, Abitur, Studium der Rechtswissenschaften, 1934 Zulassung als Rechtsanwältin, 1945 Parteivorstand SPD, Mitgl. Stadtverordnetenvers. Kassel, Verfassunggebende Versammlung Hessen, 1946–1958 MdL Hessen, 1948/49 Mitgl. Parlamentarischer Rat. SIEGEL, Wilhelm 409, 421–425, 427, 441f., 536f., 549 geb. 15. 12. 1890 Hamburg, gest. 5. 11. 1977, Pädagoge und Politiker, Volksschullehrer, 1916–1918 Kriegsdienst, 1918–1923 Mitgl. KPD, 1946 Mitgl. SPD, Mitgl. Kreistag Stormarn, 1946–1956 Landrat ebd., 1949–1951 und 1957–1963 Bezirksvorstand der

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SPD ebd., 1947–1967 MdL Schleswig-Holstein, 1949/50 Minister für Volksbildung ebd., 1954–1967 Vors. Volksbildungsausschuss Landtag Schleswig-Holstein, 1958–1967 Vizepräsident des Landtags, SIMPFENDÖRFFER, Wilhelm 388 geb. 25. 5. 1888 Neustadt/Haardt, gest. 4. 5. 1973 Heilbronn, Lehrer, Politiker, 1910 Lehrer Höhere Knabenschule Korntal bei Stuttgart, 1945–1953 Leiter ebd., 1924 Mitgründer Christlich-Sozialer Volksdienst und 1929–1933 Reichsvors., 1945 einer der Gründer der CDU Nordwürttemberg und 1949–1958 deren Vors., 1946/47 und 1953– 1958 Kultusminister Nordwürttemberg bzw. Baden-Württemberg, bis 1960 MdL, 1965 Niederlegung des Ehrenvors. wegen der Haltung der CDU in der Frage der Oder-NeißeLinie, 1971 Austritt aus der CDU nach der Wahl Rainer Barzels zum Vorsitzenden. SKIBA 383 1955 Staatssekretär von Ministerpräsident Heinrich Hellwege (Niedersachsen). SMEND, Friedrich, Lic. theol., D. Dr. phil. h.c. 49, 109 geb. 26. 8. 1893 Straßburg, gest. 10. 2. 1980 Berlin, Theologe, Musikwissenschaftler, Bibliothekar, kirchl. Doz. (Kirchenmusik, Hymnologie, Liturgik), 1923–1945 Preußische Staatsbibliothek Berlin, 1945 Doz. und 1949–1959 Prof. Kirchl. Hochschule Berlin, 1955–1957 Rektor ebd. [Personenlexikon, S. 239] SMEND, Rudolf, Dr. jur., D. theol., Dr. rer. pol. h.c. 314, 440 geb. 15. 1. 1882 Basel, gest. 5. 7. 1975 Göttingen, Jurist, Universitätslehrer (Öffentl. Recht, Staatstheorie, ref. Kirchenrecht), 1935–1950 o. Prof. Göttingen, 1945–1963 Mitgl. Moderamen Ref. Bund, 1945–1955 Mitgl. Rat und 1946 Verfassungsausschuss der EKD. [Personenlexikon, S. 239] SMIDT, Udo, D. theol. 217 geb. 1. 7. 1900 Groothusen (Ostfriesland), gest. 18. 4. 1978 Lage-Hörste, 1934–1951 Pfr. Bremerhaven-Lehe, 1951 Studiendirektor Ref. Predigerseminar Wuppertal, 1958– 1970 Landessuperintendent Detmold, 1961–1970 Mitgl. Rat der EKD, Mitgl. Moderamen des Ref. Bundes. [Personenlexikon, S. 239f.] SMITS, E. 286 Professor, 1950 Mitgl. und Delegierter des Luth. Weltbundes bei der DP-Tagung Imbshausen. SODEN, Hans Freiherr von, Lic. theol. 30, 54, 57, 75 geb. 4. 11. 1881 Striesen bei Dresden, gest. 2. 10. 1945 Marburg, luth. Theologe, Universitätslehrer (NT, ältere KG, Christl. Archäologie, Kirchenrecht), 1924–1945 o. Prof. Marburg, 1933/34 Mitgl. BK, Pfarrernotbund, Bruderratsvors. Kurhessen-Waldeck, 1934 Mitgl. und Sachverständiger für Hochschulfragen im Reichsbruderrat. [Personenlexikon, S. 240] SØE, Niels Hansen 267 geb. 29. 11. 1895, gest. 10. 6. 1978, dänischer luth. Theologe, Universitätslehrer (ST), 1925 Pfr. Hvidovre, 1930 Schanghai, 1937–1966 o. Prof. (Religionsphilosophie und Ethik) Kopenhagen. SÖHLMANN, Fritz 328 geb. 14. 4. 1905 Hannover, gest. 30. 9. 1977 Hannover, Theologe, Fürsorger, Journalist, 1933–1941 Schriftleiter / verantwortl. Redakteur „Junge Kirche“, 1946 Mitbegründer

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und Vors. CDU Landesverband Oldenburg, 1946–1951 MdL Oldenburg, dann Niedersachsen, 1949 erneut Hg. „Junge Kirche“. [Personenlexikon, S. 240] SPEIDEL, Hans, Dr. phil. 304, 306 geb. 28. 10. 1897 Metzingen, Kreis Reutlingen, gest. 28. 11. 1984 Bad Honnef, Militär, nach 1919 als Offizier in die Reichswehr übernommen, Studium der Volkswirtschaft und Geschichte in Berlin, Tübingen und an der Technischen Hochschule Stuttgart, 1925 Promotion, 1930 Generalstabsausbildung, 1933–1935 Gehilfe des dt. Militärattachés in Paris, 1936 Bataillonskommandeur, 1936/37 Leiter der Abt. Fremde Heere West im Generalstab des Heeres, im Krieg Chef des Stabes in verschiedenen Truppenteilen, 1944 bei der Heeresgruppe B unter Erwin Rommel, 1944 als Angehöriger der militärischen Widerstandsbewegung verhaftet, 1945 von französischen Truppen befreit, Habil. Tübingen, einer der wichtigsten Berater Konrad Adenauers in militärischen Fragen, 1955–1957 Generalleutnant und Leiter der Abt. Gesamtstreitkräfte, maßgeblich am Aufbau der Bundeswehr beteiligt, 1957–1963 Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa, danach Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Fragen der atlantischen Verteidigung. SPIEGEL-SCHMIDT, Friedrich 289 geb. 27. 12. 1912 Montreux (Schweiz), 1944/45 Kriegspfr. ungarische Armee, 1958–1969 Pfr. Berchtesgaden, seit 1946 Vors. Hilfskomitee für die Ev. Deutschen aus Ungarn, seit 1948 Mitgl., 1950–1958 Geschäftsführer Ostkirchenausschuss der EKD, 1950–1956 Mitgl. Synode der EKD. [Personenlexikon, S. 242] SPITTA, Walter 40 geb. 5. 10. 1903 Bremen, gest. 26. 1. 1945 Nakel/Bromberg, 1923–1928 Theologiestudium in Marburg und Berlin, 1928–1931 Vikariat in Bad Zwischenahn und Jade, 1931 Pfr. Jade, ab 1933 einer der führenden Köpfe der BK Oldenburg, 1942 Kriegsdienst als Sanitätsgefreiter. STAA, Friedrich Wilhelm von 291, 352 geb. 7. 12. 1911 Essen-Rüttenscheid, gest. 27. 6. 1984 Düsseldorf, 1946 Pfr. Köln, 1949 Liblar, 1952 Pfr. und theol. Referent (Kirchenrat) in der Kirchenkanzlei der EKD, 1954–1956 Oberkirchenrat ebd., 1956–1978 Direktor des Diakonischen Werkes LK Rheinland. STÄHLIN, Wilhelm, Dr. phil., D. DD. 18, 122–128, 131–137, 142f., 155ff., 160f., 166ff., 170–173, 188, 191–203, 208–212, 214f., 334f., 338, 341, 343f., 542, 576f. geb. 24. 9. 1883 Gunzenhausen (Bayern), gest. 16. 12. 1975 Prien am Chiemsee, luth. Theologe, Universitätslehrer (PT, Religionspsychologie), 1923 Mitbegründer Berneuchener Kreis, 1931 Mitbegründer und 1942–1946 Ältester der Ev. Michaelsbruderschaft, 1926–1945 o. Prof. Münster, 1944 Ruf in das Bischofsamt der LK Oldenburg, 1945–1952 Bischof LK Oldenburg, Rücktritt nach theol. und persönlichen Differenzen im Kollegium des Oberkirchenrats. [Personenlexikon, S. 243] STAUFFER, Ethelbert, Lic. theol. 56 geb. 8. 5. 1902 Friedelsheim (Pfalz), gest. 1. 8. 1979 Erlangen, Theologe, Universitätslehrer (NT, altchristl. KG), 1933 Lehrstuhlvertretung Bonn, 1934–1948 o. Prof. ebd., aktiver DC. [Personenlexikon, S. 246]

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STEFFEN, Jochen 469 geb. 19. 9. 1922 Kiel, gest. 27. 9. 1987 Kiel, Politiker, Publizist, Kabarettist, Studium der politischen Wissenschaft, der Philosophie, Psychologie und Soziologie in Kiel, seit 1955 journalistische Tätigkeit in Flensburg, seit 1946 Mitgl. der SPD, 1954 Vors. der Jungsozialisten Schleswig-Holstein, 1958–1977 MdL Schleswig-Holstein, 1966–1973 Fraktionsvors. der SPD im Landtag, 1965–1975 Landesvors. SPD Schleswig-Holstein, 1968–1975 Mitgl. Bundesvorstand SPD, 1973–1977 Vors. Grundwertekommission der SPD, 1977 Abwendung von der Politik, Tätigkeit als freier Publizist und Kabarettist. STOLTENBERG, Gerhard, Dr. phil. 406, 450, 453, 457f., 478, 486, 491, 509, 536 geb. 29. 9. 1928 Kiel, gest. 23. 11. 2001 Bonn-Bad Godesberg, Politiker, 1947 Eintritt in die CDU, 1949–1953 Studium der Neueren Geschichte, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und der Philosophie, 1954 Promotion, 1954–1957 MdL SchleswigHolstein, 1957–1971 und 1983–1998 MdB, 1960 Habil., 1965 Direktor Friedrich Krupp GmbH Essen, 1965–1969 Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, 1969–1970 Leiter Stabsabt. Wirtschaftspolitik Friedrich Krupp GmbH, 1971–1982 Ministerpräsident Schleswig-Holstein, 1971–1989 Landesvors. CDU ebd., 1982–1989 Bundesminister der Finanzen, 1989–1992 Bundesminister für Verteidigung. STRAUSS, Franz Josef 100, 358, 363, 493, 531, 544 geb. 6. 9. 1915 München, gest. 3. 10. 1988 Regensburg, Politiker, 1935–1940 Studium der Altphilologie, Germanistik, Geschichte und Staatswissenschaft, 1939–1945 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1941 Staatsexamen für das höhere Lehramt, 1945/46 Dolmetscher und Mitarbeiter im Landrat von Schongau, 1946 gewählter Landrat Schongau, 1948/49 Mitgl. Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets Frankfurt/Main, 1949–1978 MdB (CSU), 1949 Generalsekretär der CSU, 1952–1961 stellv. Parteivors., 1953–1955 Bundesminister für besondere Aufgaben, 1955–1956 Bundesminister für Atomfragen, 1956–1962 Bundesminister für Verteidigung (Rücktritt im Gefolge der „Spiegel“-Affäre), 1961–1988 Parteivors. der CSU, 1966–1969 Bundesfinanzminister, 1978–1988 Ministerpräsident Bayern, 1980 Kanzlerkandidat der CDU/CSU. STRAUSS, Walter, Dr. jur. 217, 265f., 269, 279f., 351, 398, 406, 494f. geb. 15. 6. 1900 Berlin, gest. 1. 1. 1976 Unterwösen (Oberbayern), Jurist, Politiker, Studium der Rechtswissenschaften, Geschichte und Volkswirtschaft, 1924 Promotion Heidelberg, Wiss. Hilfsarbeiter Berliner Industrie- und Handelskammer, 1928 Hilfsreferent Reichswirtschaftsministerium, 1935 Versetzung in den Ruhestand, bis 1943 Wirtschaftsberater und freier Mitarbeiter von Anwaltskanzleien, 1943–1945 Rüstungsarbeiter, 1945/46 Leiter von Lazaretten, 1945 Gründungsmitgl. CDU Berlin, 1946/47 Staatssekretär Staatskanzlei Hessen, 1947–1949 stellv. Direktor für Wirtschaft im Vereinigten Wirtschaftsgebiet, 1948 Leiter des Rechtsamtes der Bizonenverwaltung, Mitgl. Parlamentarischer Rat, 1950–1963 Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, 1963–1970 Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Luxemburg. STRÖMER, Joachim 382f. Politiker (FDP), 1953–1955 MdL Niedersachsen, FDP-Vors. Niedersachsen. STRÜMPFEL, Hans 391, 503 Bundessekretär der „Freien Vereinigung ev. Eltern u. Erzieher“, 1953–1968 Geschäftsführer EAK, bis 1962 auch Redakteur der „Evangelischen Verantwortung“.

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STÜCKLEN, Richard 531 geb. 20. 8. 1916 Heideck (Mittelfranken), gest. 2. 5. 2002 Weißenburg (Mittelfranken), Elektroingenieur, Politiker, 1945 Mitbegründer CSU Heideck, Landkreis Hilpoltstein, 1953–1957 Mitglied Geschäftsführender Vorstand, 1967–1989 Präsidium der CSU, 1949–1990 MdB, 1953–1957 und 1967–1976 stellv. Vors. CDU/CSUBundestagsfraktion, 1957–1976 Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, 1976–1979 und 1983–1990 Vizepräs. Dt. Bundestag, 1979–1983 Präs. Dt. Bundestag. STUKENBERG, Wilhelm 169 geb. 2. 2. 1878 Bielefeld, gest. 8. 10. 1964 Wiesbaden, Pädagoge, Oberschulrat, 1898 Volksschullehrer, 1901–1905 Erzieher „Trüpersche Erziehungsheime für nervöse und schwierige Kinder“ bei Jena, zugleich Studium in Jena, 1905 Doz. Lehrerseminar Oldenburg (Deutsch, Geschichte, Spezielle Unterrichtslehre), 1907 Rektorprüfung, 1910 Kreisschulinspektor Bant (Wilhelmshaven), 1920 Schulrat Oldenburg, 1918 Mitgr. Deutsche Demokratische Partei in Rüstringen (Wilhelmshaven), 1919/1920 Mitgl. verfassunggebende Landesversammlung, 1923–1925 MdL Oldenburg, 1932 Suspendierung durch die nationalsozialistische Landesregierung, 1933 Versetzung in den Ruhestand, 1945–1947 Oberschulrat Oldenburg, 1947–1951 Leiter Lehrerfortbildungsheim Dreibergen. TANTZEN, Richard 383f. geb. 12. 12. 1888 Hoffe bei Abbehausen, gest. 30. 1. 1966 Oldenburg, Jurist, Ministerialbeamter, Politiker, Jurastudium in Marburg, Lausanne, München und Berlin, 1910 Referendar im oldenburgischen Staatsdienst, 1923 Amthauptmann Jever, 1927 Ministerialrat Staatsministerium Oldenburg, Leiter der Landwirtschaftlichen Abt., seit 1934 Vors. Denkmalrat und Landesbeauftragter für Naturschutz Oldenburg, 1934–1945 Mitgl. Oberverwaltungsgericht ebd., 1945 aller Ämter enthoben und interniert, später wieder in seiner Ämter eingesetzt, 1953 i. R., 1955/56 Kultusminister Niedersachsen. TANTZEN, Theodor 126, 133, 166, 169 geb. 14. 6. 1877 Heering bei Abbehausen, gest. 11. 1. 1947 Oldenburg, Landwirt, Politiker, 1898 Übernahme des elterlichen Hofes, seit 1897 Mitgl., 1911 Vorstand Freisinnige Volkspartei Oldenburg, Abg. des oldenburgischen Landtags, 1916 Vors. Freisinnige Volkspartei Bezirk Oldenburg/Ostfriesland, 1918/1919 Mitgl. Direktorium und Beirat Soldatenrat Oldenburg, 1919 Spitzenkandidat der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) Oldenburg, Mitgl. verfassunggebende Nationalversammlung und verfassunggebende Landesversammlung, 1919–1923 Ministerpräsident Oldenburg, 1918/19 Mitgl. prov. Hauptvorstand, 1921/22 Vorstand, 1925–1927 Parteiausschuss und 1927–1930 Vorstandsmitgl. DDP, 1928 MdR, 1930 Niederlegung des Mandats und Parteiaustritt, 1933 erzwungenes Ende der politischen Tätigkeit, Landwirt, 1945 erneut vorläufiger Ministerpräsident Land Oldenburg, 1946/47 nach der Gründung Niedersachsens Verkehrsminister und stellv. Ministerpräsident Niedersachsen. TAYLOR, John W. 225 geb. 26. 9. 1906 Covington/Kentucky, gest. 2001, 1943–1944 Leiter der Schule für

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Militärregierung und Militärverwaltung der US-amerikanischen Armee in Nordafrika, 1945–1947 Leiter Abt. „Schule, Erziehung und religiöse Angelegenheiten“ bei der amerikanischen Militärregierung in Deutschland, 1947 Rektor Universität Louisville/ Kentucky, 1951 stellv., 1952–1953 amtierender Generalsekretär UNESCO. TAYLOR, Myron C. 386 geb. 18. 1. 1874 Lyons/NY, gest. 6. 5. 1959 New York City, ab 1927 in leitenden Positionen bei der US-Steel-Company, 1939–1950 US-Sondergesandter beim Vatikan. TEUSCH, Christine 351 geb. 11. 10. 1888 Köln-Ehrenfeld, gest. 24. 10. 1968 Köln, Lehrerin, Politikerin, 1910– 1917 Lehrerin an Oberschulen für Mädchen in Neuss und Köln, 1915–1917 Leiterin Kath. Lehrerinnenverein, 1918–1920 Leiterin des von ihr mitgegründeten Frauendezernats bei der Zentrale der Christlichen Gewerkschaften, 1919–1933 MdR (Zentrum), 1923 Vors. Kath. Mädchenschutzverband Deutschlands, 1933 Rückkehr in den Schuldienst, 1936 Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand, 1944 „Schutzhaft“, 1945 Stadtverordnete Köln, Vors. Kulturausschuss der CDU in der britischen Zone, 1947–1966 MdL Nordrhein-Westfalen (CDU), 1947–1954 Kultusministerin Nordrhein-Westfalen. THADDEN-TRIEGLAFF, Reinold von, D. Dr. jur., DD. 249, 252, 318, 503f., 516 geb. 13. 8. 1891 Mohrungen (Ostpreußen), gest. 10.10.1976 Fulda, Jurist, Gutsbesitzer, 1928–1939 (Auflösung) Vors. DCSV, 1935 Mitinitiator der „Ev. Wochen“, 1948 Referent der Kirchenkanzlei der EKD, 1949 Proklamierung der Ev. Woche Hannover und damit Gründer des Dt. Ev. Kirchentags, bis 1964 dessen Präs. [Personenlexikon, S. 255] THIELICKE, Helmut, Dr. phil., Lic. theol., D. DD., Dr. jur. h.c., Dr. phil. h.c. 115, 268, 377, 488, 501, 503, 523 geb. 4. 12. 1908 Wuppertal-Barmen, gest. 5.3.1986 Hamburg, luth. Theologie, Universitätslehrer (ST), 1945 o. Prof. Tübingen, 1954 Gründungsdekan der ev.-theol. Fakultät und bis 1975 o. Prof. Hamburg. [Personenlexikon, S. 256] THIMME, Hans, D. Dr. theol. 219, 346 geb. 6. 6. 1909 Fallersleben bei Wolfsburg, gest. 1.4.2006 Münster, 1934 Hilfsprediger Bad Oeynhausen, Mitarb. von Präses Karl Koch, 1935 Ordination, Pfr. in Sprenge, 1945 Leiter Pfarrerausbildung LK Westfalen, 1947 Ephorus am Predigerseminar Brackwede, später Soest, ab 1949 nebenamtl. Mitgl. Kirchenleitung LK Westfalen, ab 1957 OKR und hauptamtl. Mitgl Kirchenleitung ebd., 1960 Vizepräses ebd., 1969–1977 Präses ebd., 1972–1975 Vors. Rat der EKU, 1973–1979 Mitgl. Rat der EKD. THORADE, Hans (Johannes) 43 geb. 2. 9. 1886 Hude, gest. 4.10.1962 Rastede, Theologiestudium in Greifswald und Halle, 1912 Hilfsprediger Oldenburg, 1914 Vakanzprediger, dann Pfr. Langwarden, 1925–1953 Tettens, 1953–1956 Wahrnehmung der Dienstgeschäfte Emstek. THYEN, Hartwig, Dr. theol. 26 geb. 21. 4. 1927 Varel, Theologe, Universitätslehrer (NT), 1944/45 Kriegsdienst, Studium in Mainz und Marburg, 1953 Promotion, 1951/52 Lehr- und Pfarrvikar in Goldenstedt, Cloppenburg und Brake, 1952–1959 Pfr. Brake, 1959–1963 Militärpfr.

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(Standort Oldenburg), 1963 Wiss. Assistent Heidelberg, 1966 Privatdoz. ebd., 1971 o. Prof. ebd. THYEN, Hermann, Dr. phil. 26–29 geb. 2. 10. 1897 Brake, gest. 20. 10. 1976, 1923–1935 Lehrer für Mathematik, Physik, Chemie und Biologie an der Oberrealschule Varel, 1929 Promotion, später o. Prof. in Darmstadt und Frankfurt/Main. TIBURTIUS, Joachim, Dr. phil. 477, 490 geb. 11. 8. 1889 Liegnitz, gest. 27. 5. 1967 Berlin, Universitätslehrer, Politiker, 1946–1957 o. Prof. für Handelsforschung Berlin (Freie Universität), 1949–1951 Mitgl. Kammer für soziale Ordnung der EKD, Mitgl. Stadtverordnetenkammer Berlin (CDU), 1950–1963 Senator für Volksbildung Berlin. TILEMANN, Heinrich, D. Dr. phil. 39, 47, 125, 155ff., 159, 161, 175, 197, 211 geb. 18. 6. 1877 Norden, gest. 22. 3. 1956 Oldenburg, 1917 Oberkirchenrat und Hofprediger Hannover, 1920–1934 Oberkirchenratspräsident ebd., 1934 Teilnehmer der Bekenntnissynode Barmen. [Personenlexikon, S. 258] TILLMANNS, Robert, Dr. rer. pol. 378, 386ff., 394, 397, 399, 401, 494ff., 500, 504, 506, 515, 520f., 540 geb. 5. 4. 1896 Wuppertal-Barmen, gest. 12. 11. 1955 Berlin, Volkswirt, Politiker, 1945 Mitbegr. CDU Berlin und SBZ, 1949 stellv., 1952 Vors. CDU-Landesverband Berlin, 1949–1955 MdB, 1950 Mitgl. Hauptvorstand der Exil-CDU, 1953 Bundesminister für besondere Aufgaben, 1954 Vors. EAK, 1955 stellv. Vors. CDU. [Personenlexikon, S. 259f.] TIMM, Marianne 233 geb. 8. 2. 1913 Hamburg, gest. 1. 11. 1993 Hamburg, Theologin, Studium der Theologie in Hamburg, Teilnehmerin Bekenntnissynode Barmen, seit 1939 Tätigkeit in der Studentenseelsorge, seit 1941 Organisation illegaler Tagungen für Vertrauensstudentinnen, nach 1945 Religionspädagogin, 1953 Ordination, 1969 Pfr. Hamburg, 1970 Kirchenrätin, Mitgl. der Synode LK Hamburg. TÖPKEN, Carl 130, 156 geb. 3. 4. 1899 Apen, gest. 10. 4. 1970 Oldenburg, 1917/18 Kriegsdienst, Theologiestudium in Tübingen und Göttingen, 1925–1927 Assistenz- und Hilfsprediger, 1927 Vakanzprediger Blexen, dann Stuhr, dann Hilfsprediger Ganderkesee, 1928–1935 Pfr. Neuenburg, 1935–1947 Oldenburg, 1947 i. R. TRAUB, Helmut, Dr. theol. h.c. 219 geb. 13. 7. 1904 Dortmund, gest. 3. 8. 1994 Bietigheim-Bissingen, ev. Theologe, Doz., 1923 Jura- und Volkswirtschaftsstudium Berlin, 1930–1934 Theologiestudium in Tübingen und Bonn, 1933/34 Wohnung im Hause Karl Barths, 1934 Relegation, 1935 Vikar Bad Honnef, 1937 Ordination, Pfarramtskandidat Fürstenwalde/Spree, 1938 Redeverbot, 1938/39 BK-Pfarrstelle Potsdam, 1939/40 Doz. am Katechetischen Seminar der Goßnermission in Berlin-Friedenau, 1940–1942 Kriegsdienst, 1942 zur I.G. Farben nach Berlin dienstverpflichtet, Mitarbeit im Büro Grüber, 1945 Flucht aus Berlin, Pfr. Glinde bei Hamburg, 1946 zugleich Seelsorger im Interniertencamp Neumünster, 1947/48 Pfr. Hamburg-Volksdorf, 1949 Anschluss an die reformierte Gemeinde Stuttgart, 1957 Pfr. auf einer landeskirchlichen Pfarrstelle in Stuttgart, zugleich bis 1979 Re-

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ligionslehrer an der Werkhaus-Werkschule A. L. Merz in Stuttgart, zugleich 1961–1989 Doz. an der Ev. Missionsschule der Bahnauer Bruderschaft in Unterweissach, 1969 emeritiert. TRILLHAAS, Wolfgang, Dr. phil., Lic. theol., D. theol. 52, 62 geb. 31. 10. 1903 Nürnberg, gest. 24. 4. 1995 Göttingen, luth. Theologe, Universitätslehrer (PT, Pädagogik, ST, Philosophie), 1935/36 Lehrstuhlvertr. Halle/Saale, wegen BK-Engagements keine Berufung, 1945 o. Prof. Erlangen, 1946 o. Prof. (PT) und 1954–1971 (ST) Göttingen. [Personenlexikon, S. 261] TROOST = TROST, Johannes 555 Senatspräsident Berlin, Mitgl. BK Berlin, 1939 Adressat von Edo Osterlohs „Denkschrift“. VARRENTRAP = VARRENTRAPP, Franz, Dr. jur. 561 geb. 1884, gest. 1956, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften Marburg, Bonn und Straßburg, 1905 Justizdienst Preußen, 1908 Promotion, Rechtsanwalt Berlin, Magistratsassessor Breslau, 1918 Referent für das Volksschulwesen im preußischen Kultusministerium, 1926 Oberregierungsrat, 1933 Zwangspensionierung, bis 1933 Schriftführer Verfassungsausschuss der Generalsynode der EKapU, Vater einer Studentin an der Kirchlichen Hochschule Berlin. VIOLET, Bruno, D. Dr. theol. 77 1895 Promotion Straßburg, Pfr. Berlin (Friedrichswerder), Mitgl. BK, Prüfungsamt Berlin. VISCHER, Wilhelm, Lic. theol., Dr. theol. h.c. 35f. geb. 30. 4. 1895 Davos (Schweiz), gest. 27. 11. 1988 Montpellier (Frankreich), ref. Theologe, Universitätslehrer (Biblische Theologie, AT), 1928 Doz. Theol. Schule Bethel, 1933 Beurlaubung und Entlassung, Rückkehr in die Schweiz. [Personenlexikon, S. 264] VOGEL, Heinrich, D. Dr. theol. 45, 48ff., 52, 57, 59, 61f., 64, 69, 74, 521 geb. 9. 4. 1902 Pröttlin (Westprignitz), gest. 25. 12. 1989 Berlin, luth. Theologe, kirchl. Doz., Universitätslehrer, seit 1932 Pfr. Dobbrikow, Kreis Luckenwalde, 1933 aktives Mitgl. Pfarrernotbund, 1934 Bruderrat Berlin-Brandenburg, 1935 Doz. und 1937–1941 Leiter Kirchl. Hochschule Berlin, 1946 Prof. und bis 1972 Leiter Kirchl. Hochschule Berlin, 1948–1973 zugleich o. Prof. Berlin (Humboldt-Universität). [Personenlexikon, S. 265] VOIGT, Richard 175 geb. 7. 6. 1895 Braunschweig, gest. 10. 3. 1970 Hannover, Lehrer, Politiker, 1910–1915 Besuch des Lehrerseminars in Braunschweig, im Ersten Weltkrieg verwundet, seit 1916 Lehrer in Braunschweig, 1923 Erzieher am Großen Waisenhaus ebd., 1925 für die SPD Stadtverordneter ebd., 1928 Schulrat Helmstedt, 1931 Verlust des Amtes aus politischen Gründen, 1933 aus dem Schuldienst entlassen, bis 1945 Handelsvertreter und Versicherungskaufmann, 1945 Landrat, später Oberkreisdirektor Helmstedt, 1948–1955 und 1959–1963 Kultusminister Niedersachsen, 1951–1967 MdL Niedersachsen. VOLKERS, Johannes 39, 42f., 80, 103ff., 114, 124, 575 geb. 5. 10. 1878 Oldenbrok über Brake, gest. 25. 6. 1944 Oldenburg, 1904 Ordination und Pfr. Minsen, 1920 Jade, 1930 Ganderkesee, 1933 Mitgl. DC (Austritt 1934), 1934

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Geistl. Mitgl. des Oberkirchenrats, Oberkirchenrat, Landespropst, Bischof Oldenburg. [Personenlexikon, S. 266] WALZ, Hans Hermann 506 geb. 3. 8. 1914 Essingen (Württemberg), gest. 4. 7. 1998 Fulda, Theologe und Jurist, 1945 Mitarbeiter Ev. Akademie Bad Boll, 1949 Sekretär Studienabteilung des ÖRK, 1952–1954 stellv. Direktor des Ökumenischen Instituts Bossey bei Genf, 1954–1981 Generalsekretär des Dt. Ev. Kirchentags. WEBER, Hans Emil, Lic. theol. Dr. phil., D. theol. 56 geb. 8. 3. 1882 Mönchengladbach, gest. 13. 6. 1950 Bonn, Theologe, Universitätslehrer (NT, ST), seit 1914 o. Prof. Bonn, 1935 Zwangsversetzung nach Münster, 1937 Zwangsemeritierung, 1946 Restituierung und bis 1950 o. Prof. Bonn. [Personenlexikon, S. 268f.] WEGGEMANN, Heinrich 418 Leiter der Abt. 2 (Volks- und Mittelschulen, Sonderschulen) im Kultusministerium Schleswig-Holstein. WEINREICH, Gustav 418 1956 Leiter der Abt. 3 (Berufsbildende Schulen) im Kultusministerium Schleswig-Holstein. WEIZSÄCKER, Richard von, Dr. jur., Dr. h.c. mult. 387, 532 geb. 15. 4. 1920, Jurist, Politiker, 1938–1945 Militär- und Kriegsdienst, 1945–1950 Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte, 1948/49 als Assistent Hellmut Beckers Hilfsverteidiger seines Vaters Ernst von Weizsäcker in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, 1950 Referendarexamen, 1950–1967 verschiedene Positionen in der Privatwirtschaft, 1953 Assessorexamen, 1954 Eintritt in die CDU, 1955 Promotion, seit 1962 Mitgl. Präsidium des Dt. Ev. Kirchentags, 1964–1970 und 1979–1981 Präsident ebd., deshalb 1965 Ablehnung eines ihm angetragenen Bundestagsmandats, 1966–1984 Mitgl. CDU-Bundesvorstand, 1968–1975 Sitz und Stimme im Zentralausschuss des ÖRK, 1969–1981 MdB, 1969–1984 Mitgl. Synode und Rat der EKD, 1973–1979 stellv. Vors. CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 1979–1981 Vizepräs. Dt. Bundestag, 1979–1984 Mitgl. Abgeordnetenhaus Berlin, 1981–1984 Regierender Bürgermeister von Berlin, 1984–1994 Bundespräsident. WENDE, Erich, Dr. jur. 190f., 351 geb. 14. 9. 1884 Stargard (Pommern), gest. 29. 9. 1966 Bonn, Jurist, Kulturpolitiker, 1910 Richter, 1913 Justitiar Provinzialschulkollegium Münster, 1917 Volksschulabt. Preußisches Kultusministerium, 1926 deren Leiter, 1923–1926 zugleich Kurator Universität Kiel, 1932 Ministerialdirektor, 1933 Versetzung in den Ruhestand, bis 1945 Landgerichtsdirektor Berlin, 1945 Präsident Justizprüfungsamt, 1947 Staatssekretär im niedersächsischen Kultusministerium, 1950–1953 Leiter der Kulturabteilung Bundesinnenministerium, 1954–1961 Präsident Gesellschaft für Osteuropakunde. WENDEL, Joseph, Dr. phil., Dr. theol. 363 geb. 27. 5. 1901 Blieskastel, gest. 31. 12. 1960 München, Studium in Rom, 1927 Priesterweihe, Seelsorger in Kaiserslautern, Präses Kath. Arbeiterverein, 1929–1938 Direktor Bischöfliches Studienheim Speyer, 1938 Diözesan-Caritasdirektor, 1941 Titularbischof und Koadjutor des Bischofs von Speyer, 1943 Bischof von Speyer, 1952 Erzbischof von

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München und Freising, 1953 Kardinal, 1956–1960 zugleich Militärbischof der Dt. Bundeswehr. WENDLAND, Heinz-Dietrich, Lic. theol., D. theol. 219, 268 geb. 22. 6. 1900 Berlin, gest. 7. 8. 1992 Hamburg, Theologe, kirchl. Doz., Universitätslehrer (NT, Christl. Gesellschaftswissenschaft, Sozialethik, Biblische Theologie), 1937 o. Prof. Kiel, 1939–1949 Kriegsdienst (Marinepfr.) und Gefangenschaft, 1955–1970 o. Prof. Münster. [Personenlexikon, S. 272] WENIGER, Erich, Dr. phil. 232 geb. 11. 9. 1894 Steinhorst, gest. 2. 5. 1961 Göttingen, Pädagoge, Universitätslehrer, 1926 Habil. Göttingen, 1928 Prof. Pädagogische Akademie Kiel, anschließend Leiter Pädagogische Akademie Altona, dann Frankfurt/Main, 1933 Entlassung aus politischen Gründen, 1945 Leiter Pädagogische Hochschule Göttingen, 1949 o. Prof. Universität Göttingen, seit 1953 Mitgl. Dt. Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen. WERTHMANN, Georg 299f., 302, 320 geb. 8. 12. 1898 Kulmbach, gest. 25. 5. 1980 Bamberg, kath. Theologe, Militärpfr., 1916–1920 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1924 Priesterweihe, Kaplan Nürnberg, später Bamberg, 1929 Studienrat, Religionslehrer und Präses der Marianischen Schülerinnen-Kongregation Bamberg, Jugendseelsorger ebd., 1935 Militärpfr. Berlin, 1936 Heerespfarrer, Generalvikar des Apostolischen Administrators für die Wehrmachtsseelsorge, 1937 Heeresoberpfr., 1940 Wehrmachtsdekan, 1942 päpstlicher Hausprälat, 1945 kommissarischer Feldbischof der Wehrmacht, später Benefiziat Bamberg, 1946 Stadtpfr. und Dekan Kronach, 1952 Leiter der kath. Seelsorge an den Arbeitsdiensteinheiten im Bereich der US-Armee, später betraut mit dem Wiederaufbau der Militärseelsorge, 1956–1962 Generalvikar, Leiter des kath. Militärbischofsamtes Bonn, 1958 Apostolischer Protonotar. WESSEL, Helene 309 geb. 6. 7. 1898 Dortmund, gest. 13. 10. 1969 Bonn, Fürsorgerin, Politikerin, 1921–1928 hauptamtl. Parteisekretärin Zentrumspartei, 1928 MdL Preußen, 1939 leitende Fürsorgerin Zentrale des Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder, Dortmund, 1945 Mitbegr. Deutsche Zentrumspartei, 1946 MdL Nordrhein-Westfalen, 1946–1949 zugleich Geschäftsführerin „Neuer Westfälischer Kurier“, 1949 Vors. Deutsche Zentrumspartei, 1949–1951/52 MdB, 1951 Mitbegr. „Notgemeinschaft für den Frieden Europas“ (seit 1952 Gesamtdeutsche Volkspartei), 1954–1957 Gewerkschaftssekretärin des DGB Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, 1957–1969 MdB (SPD). WIESNER, Werner, Lic. theol. 34 geb. 19. 3. 1902 Groß Ballerstedt, gest. 15. 7. 1974 Mainz, Universitätslehrer (ST), 1928 Studieninspektor am Ref. Studentenkonvikt Halle/Saale, 1933 kurzzeitig Mitgl. DC, 1939 abgesetzt und Hilfsprediger Memel, 1941 Kriegsdienst, 1945 Doz. Universität Göttingen, 1948 apl. Prof., 1951 o. Prof. Mainz. WILDERMUTH, Eberhard 249 geb. 23. 10. 1890 Stuttgart, gest. 9. 3. 1952 Tübingen, Jurist, Politiker, 1909–1914 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften 1914–1918 Kriegsdienst, 1918 Soldatenrat, 1919 Eintritt in die DDP, seit 1930 Mitgl. Deutsche Staatspartei, 1919–1921 Befehls-

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haber eines Studentenbataillons und von Sicherheitskompanien zur Niederschlagung republikfeindlicher Aufstände, 1921 Assessorexamen, 1921–1928 Tätigkeiten bei der Stadt Stuttgart, der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung in Berlin, Oberregierungsrat im Reichsarbeitsministerium, seit 1928 Direktor Deutsche Bau- und Bodenbank AG Berlin, seit 1930 Mitgl. des Vorstands, später Präsident Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten, 1939–1945 Kriegsdienst und -gefangenschaft, 1946 Staatssekretär für Wirtschaft in der provisorischen Regierung von Württemberg-Hohenzollern, 1947–1949 Staatsminister für Wirtschaft in Württemberg-Hohenzollern, Mitgl. Landesvorstand Demokratische Volkspartei (DVP/FDP), 1947–1950 MdL Württemberg-Hohenzollern, seit 1948 Mitgl. geschäftsführender FDP-Bundesvorstand, 1949–1952 MdB, Bundesminister für Wohnungsbau, 1950–1952 Mitgl. FDP-Bundesvorstand. WILKENS, Wilhelm 45, 105, 135, 160, 200, 334, 347 geb. 25. 4. 1902 Oldenburg, Studium der ev. Theologie in Leipzig und Halle, 1926 prov. Hilfsprediger Oldenburg, 1929–1945 Pfr. Bant (Wilhelmshaven) 1943–1945 Kriegsdienst, 1945–1971 Osternburg, Mitgl. Synode LK Oldenburg, 1966 „Kirchenrat“. WILM, Ernst, D. theol. 248, 309, 351 geb. 27. 8. 1901 Reinswalde (Niederlausitz), gest. 1. 3. 1989 Lübbecke, 1928 Pfr. Bethel, 1929 Lüdenscheid, 1931 Mennighüffen, 1937 Haft, 1942 erneut Haft KZ Dachau wegen Protests gegen die sog. Euthanasieaktion, 1945 Kriegsdienst in einer Bewährungskompanie, 1946 Synodalassessor Herford, 1948–1968 Präses LK Westfalen, 1957–1973 Mitgl. Rat der EKD. [Personenlexikon, S. 276] WINTERMANN, Gerhard 41f., 80, 199f., 338, 340 geb. 16. 6. 1911 Oldenburg, Studium der ev. Theologie in Tübingen und Bonn, 1934 prov. Assistenzprediger Oldenburg, prov. Vakanzprediger Altenesch, 1935 dienstentlassen, 1936 zunächst Hilfsprediger Heppens, dann prov. Vakanzprediger Großenkneten, 1937 Ordination, keine Anerkennung als Pfr., 1942–1947 Pfr. Cloppenburg (unterbrochen von Kriegsdienst), ab 1945 Mitgl. der außerordentlichen Landessynode und der weiteren Synoden LK Oldenburg, 1946 Mitgl. Theol. Kammer LK Oldenburg, 1947–1963 Pfr. Großenkneten, seit 1954 ständiger Vertreter bei der Ev. Konferenz, später Arnoldshainer Konferenz, 1963 Inhaber Landeskirchliche Pfarrstelle für kirchlich-theologische Arbeit. WISCHMANN, Adolf, D. theol. 319, 377 geb. 17. 10. 1908 Bockel, Kreis Rotenburg a. d. W., gest. 27. 10. 1983 Rotenburg a. d. W., 1948–1955 Direktor Ev. Akademie Hermannsburg/Loccum, 1955–1956 Landessuperintendent Osnabrück-Diepholz, Mitgl. Bischofsrat Hannover, 1956–1974 Präsident Kirchl. Außenamt der EKD. [Personenlexikon, S. 277] WITOW, Ottomar 471 Kieler Zeitungskorrespondent. WITT, Karl 220, 232f. geb. 19. 6. 1900 Taarstedt, gest. 13. 2. 1990 Celle, 1935 Doz. Hochschule für Lehrerbildung Kiel, 1943 Oberschulrat Hannover, 1944 Eintritt in das Reichserziehungsministerium, 1949 Studienleiter Ev. Akademie Hermannsburg, 1950–1965 Leiter Katechetisches Amt LK Hannover.

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WOCKE, Max, Dr. phil. 327 Universitätslehrer (Geologie, Wirtschaftsgeographie, Morphologie), 1930–1933 Doz. Pädagogische Akademie Frankfurt/Oder und Elbing, 1946 Prof. Pädagogische Hochschule Celle, 1948 Direktor Pädagogische Hochschule Oldenburg. WOEBCKEN, Carl 160 geb. 18. 10. 1878, gest. 31. 8. 1965 Sillenstede, Studium in Göttingen und Halle, 1903 Hilfsprediger Osternburg, 1904 Pfr. Altenesch, 1911–1947 Sillenstede, 1947–1954 Prozess gegen seine Zurruhesetzung durch den Oberkirchenrat. WOLF, Erik, Dr. jur., D. theol. 127ff. geb. 13. 5. 1902 Biebrich/Rhein, gest. 13. 10. 1977 Oberrotweil (Kaiserstuhl), Jurist, Universitätslehrer (Strafrecht, Rechtsphilosophie, Kirchenrecht, Geschichte der Rechtswissenschaft), 1930–1967 o. Prof. Freiburg i. Br., Mitgl. Landesbruderrat Baden, 1945–1948 Vors. EKD-Verfassungsausschuss, 1949 Rücktritt von allen kirchl. Ämtern. [Personenlexikon, S. 278] WOLF, Ernst, Lic. theol., Dr. theol. h.c. mult. 69, 115, 153, 518, 524, 547 geb. 2. 8. 1902 Prag, gest. 11. 9. 1971 Garmisch-Partenkirchen, Theologe, Universitätslehrer (KG, Christl. Archäologie, ST), 1931 o. Prof. Bonn, 1934 Vorlesungsverbot, 1935 Zwangsversetzung nach Halle/Saale, 1947 o. Prof. (KG) und 1957 (ST) Göttingen, 1964–1971 Vors. der EKD-Kommission zur Erforschung des Kirchenkampfes, bis 1971 Vors. Wiss. Gesellschaft für ev. Theologie. [Personenlexikon, S. 279] WOLFF, Hans Walter, Lic. theol. 57, 138 geb. 17. 12. 1911 Barmen, gest. 22. 10. 1993 Heidelberg, Theologe, Universitätslehrer (AT), Studium in Bethel, Göttingen und Berlin, 1942 Promotion, 1938–1949 Pfr. Solingen, 1947–1949 Doz. Kirchl. Hochschule Wuppertal, 1951–1959 o. Prof. Mainz, dann Heidelberg. WOLFF, Johannes 52, 59 geb. 6. 7. 1901 Tandala (Ostafrika), kirchl. Doz. (Kirchengeschichte) 1929 Pfr., 1935– 1941 und ab 1949 Doz. Kirchl. Hochschule Berlin, Mitgl. Prüfungskommission BK Berlin-Brandenburg, nach 1945 Leiter Sprachenkonvikt der LK Berlin-Brandenburg. WUERMELING, Franz-Josef, Dr. rer. pol. 348, 358, 360f., 363ff., 367, 369, 373–377, 380f., 453, 460f. geb. 8. 11. 1900 Berlin, gest. 7. 3. 1986 Münster, Ministerialbeamter, Politiker, 1918– 1921 Studium der Rechtswissenschaft und der Volkswirtschaft, 1921 Promotion, 1926 Regierungsassessor, anschließend Tätigkeit im preußischen Ministerium des Innern, 1931–1939 Provinzialverwaltung Kassel, Entlassung aus politischen Gründen, 1945 Eintritt in die CDU, vorübergehend Bürgermeister von Linz/Rh., bis 1947 Tätigkeit in der Basaltindustrie, 1947–1951 MdL Rheinland-Pfalz, 1947–1949 Staatssekretär Innenministerium Rheinland-Pfalz, 1949–1968 Mitgl. CDU-Landesvorstand ebd., 1949–1969 MdB, 1949–1950 Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, 1953–1962 Bundesminister für Familienfragen (seit 1957: für Familien- und Jugendfragen). WURM, Theophil, D. theol. 109, 112ff., 128, 156, 203 geb. 7. 12. 1868 Basel, gest. 28. 1. 1953 Stuttgart, 1929 Kirchenpräsident LK Württemberg (1933–1949 mit dem Titel „Landesbischof“), ab 1941 Begründung des Kirchl.

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Einigungswerkes, Protest gegen Euthanasiemaßnahmen, 1943 gegen die Vernichtung der Juden, 1945–1949 Vors. Rat der EKD. [Personenlexikon, S. 280] ZAHRNT, Heinz, Dr. theol. 539 geb. 31. 5. 1915 Kiel, gest. 1. 11. 2003 Soest, Theologe und Publizist, 1933–1938 Theologie-, Philosophie- und Geschichtsstudium in Kiel, Marburg und Tübingen, 1940/41 Leitung Theol. Studienhaus Wien, Assistent Universität Wien, 1941–1945 Kriegsdienst, 1945/46 Pfr. Rosenheim, 1946–1951 Hochschulpfr. Kiel, 1949 Promotion, 1950–1975 Theol. Chefredakteur des „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts“, 1960–1999 Mitgl. Präsidium des Dt. Ev. Kirchentags, 1971–1973 dessen Präsident. ZOCHER, Johannes 98 geb. 30. 12. 1924 Halle/Saale, gest. 7. 4. 1994 Wilhelmshaven, Korrektor, 1942/43 Kriegsdienst (Stalingrad).