E-Vergabe: Systematische Darstellung der Vorschriften des Vergaberechts im Lichte der europäischen Richtlinien [1 ed.] 9783428558513, 9783428158515

Mit der aktuellen Vergaberechtsmodernisierung wird die elektronische Verfahrensdurchführung (E-Vergabe) obligatorisch im

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E-Vergabe: Systematische Darstellung der Vorschriften des Vergaberechts im Lichte der europäischen Richtlinien [1 ed.]
 9783428558513, 9783428158515

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Beiträge zum Vergaberecht Band 4

E-Vergabe Systematische Darstellung der Vorschriften des Vergaberechts im Lichte der europäischen Richtlinien

Von

Victor Vogt

Duncker & Humblot · Berlin

VICTOR VOGT

E-Vergabe

Beiträge zum Vergaberecht Herausgegeben von Prof. Dr. Thorsten Siegel, Berlin Prof. Dr. Jan Ziekow, Speyer

Band 4

E-Vergabe Systematische Darstellung der Vorschriften des Vergaberechts im Lichte der europäischen Richtlinien

Von

Victor Vogt

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextformA(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2364-8724 ISBN 978-3-428-15851-5 (Print) ISBN 978-3-428-55851-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85851-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern, Melanie und Eberhard Vogt

Vorwort Die Arbeit ist Anfang Januar 2019 am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen worden. Sie entspricht dem Stand der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur im Dezember 2018. Die vorliegende Fassung berücksichtigt zudem die im Februar 2019 bekannt gemachte Neufassung des ersten Abschnitts der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB / ​A) in Kapitel E. Mein Dank gebührt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Thorsten Siegel. Seine konstruktiven Vorschläge sowie stets hilfreichen Anregungen haben mir entscheidende Impulse für die Herangehensweise an die Thematik gegeben und die Ausarbeitung meiner Dissertation wesentlich geprägt. Bei Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Jan Ziekow von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer möchte ich mich für die zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtens bedanken. Beiden sei zudem für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe gedankt. Der FAZIT-STIFTUNG danke ich für die finanzielle Förderung, die eine zügige Fertigstellung meiner Dissertation im geplanten Zeitrahmen ermöglicht hat. In diesem Zusammenhang möchte ich mich vor allem auch noch einmal sowohl bei meinem Doktorvater als auch beim Präsidenten des Kammergerichts, Herrn Dr. Bernd Pickel, bedanken, die meine Bewerbung um das Stipendium maßgeblich unterstützt haben. Für den offenen Gedankenaustausch und ihre wertvollen Hinweise danke ich meinen Doktorandenkolleginnen Marta Paul, LL.M., und Jana Himstedt sowie Dr. Jonathan Bauerschmidt herzlich. Abschließend gilt mein ganz besonderer Dank meiner Freundin, Alev Gündoğdu, die mir während der ganzen Promotionsphase verständnisvoll zur Seite gestanden und mich immer wieder ermutigt hat, sowie meinen Eltern, Melanie und Eberhard Vogt, die mich auf meinem ganzen bisherigen Lebensweg stets liebevoll unterstützt und gefördert haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, im August 2019

Victor Vogt

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Technische Grundlagen und unionsrechtliche Querschnittsmaterien . . . . . . . . . 25 I.

Elektronische Kommunikation und Datensicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Funktionsweise und Risiken der Datenübertragung im Internet . . . . . . . . . 25 2. Datensicherheit und Vertrauensdienste der eIDAS-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Verschlüsselung zum Schutz der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Sicherstellung der Authentizität und Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 aa) Technische Basis digitaler Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 bb) Public-Key-Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c) Elektronische Signaturen und Siegel gemäß der eIDAS-VO . . . . . . . . . 31 aa) Elektronische Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (1) Fortgeschrittene elektronische Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (2) Qualifizierte elektronische Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 bb) Fortgeschrittene und qualifizierte elektronische Siegel . . . . . . . . . . 34 cc) Rechtswirkung und Beweiskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 d) Elektronische Zeitstempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

II.

Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der E-Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Personenbezogene Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Datenschutzrechtlich Verantwortliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Zentrale Grundsätze der Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Datenminimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4. Rechtsfolgen bei Datenschutzverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

C. Entwicklung des Rechtsrahmens für die E-Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I.

Zulassung elektronischer Kommunikationsmittel im Vergabeverfahren . . . . . . 48 1. Entwicklung auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Entstehung von TED und SIMAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Internationale Entwicklungen als Impulsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Zulassung elektronischer Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

10

Inhaltsverzeichnis 2. Öffnung des nationalen Rechtsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II.

Gleichstellung der elektronischen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Europäische Vergaberechtsreform 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Angleichung des nationalen Rechtsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

III. Entwicklung bis zur Richtlinienreform 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I.

Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Richtlinienvorgaben der VRL und SRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (1) Kommissionsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (2) Modifizierung im Gesetzgebungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (1) Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (2) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Richtlinienvorgaben der KVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (1) Kommissionsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (2) Modifizierung im Gesetzgebungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Vergabe öffentlicher Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Vergabe von Konzessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Pflichtumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (1) Senden, Empfangen und Weiterleiten von Daten . . . . . . . . . . . 76 (2) Auslegung des Begriffs des Speicherns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (a) Ableitung der Pflicht zur elektronischen Aktenführung . . 78 (b) Temporäre Speicherung im Kommunikationsprozess . . . . 78 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (3) In einem Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 c) Subjektive Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Besondere elektronische Methoden und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Inhaltsverzeichnis

11

a) Dynamische Beschaffungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Elektronische Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) Elektronische Kataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 II.

Elektronische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Auslegung im Lichte der Richtlinienbegriffsbestimmung . . . . . . . . 93 bb) E-Vergabeplattformen als primäre elektronische Mittel . . . . . . . . . 94 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Allgemeine Gebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (1) Nichtdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (2) Allgemeine Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (3) Kompatibilität mit allgemein verbreiteten IKT-Erzeugnissen . 98 (4) Verbot der Zugangseinschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (1) Voranstellung der allgemeinen Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Nichtdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (3) Kompatibilität mit allgemein verbreiteten IKT-Produkten . . . . 101 (4) Verbot der Zugangseinschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Anforderungen an die Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Unionsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (1) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (2) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

12

Inhaltsverzeichnis bb) Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (3) Mindestanforderungen an die barrierefreie Zugänglichkeit . . . 107 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Anforderungen an die Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (1) Vorgaben des BGG im Kontext der E-Vergabe . . . . . . . . . . . . . 110 (2) Einheitliche Geltung für Auftraggeber i. S. v. § 99 GWB . . . . . 112 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Mindestanforderungen an die Interoperabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (1) Reichweite der Ermächtigung zur Standardsetzung . . . . . . . . . 116 (2) Entwicklungsstand von Standards und Komponenten . . . . . . . 117 (a) CEN BII Profiles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (b) PEPPOL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (c) e-SENS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) XVergabe als nationaler Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Entwicklung des Standards im Projekt XVergabe . . . . . . . . . . . 123 (2) XVergabe-Kommunikationsschnittstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (3) Zeitplan für die Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Alternative elektronische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Auslegung der inhaltlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Alternativer Zugang zu den Instrumenten und Vorrichtungen . . . . . 129 (1) Unentgeltlicher, uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (2) Zugang mittels provisorischer Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (3) Alternativer Kanal zur elektronischen Angebotseinreichung . . 132 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Inhaltsverzeichnis

13

2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Alternative elektronische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Restriktive Auslegung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Anforderungen an die alternative Zugangseröffnung . . . . . . . . . . . . 136 cc) Anwendbarkeit der nicht umgesetzten Richtlinienszenarien . . . . . 137 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Sonderfall: Elektronische Mittel zur Bauwerksdatenmodellierung . . . . . . . 139 a) Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Auslegung der inhaltlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Nutzung elektronischer Mittel für die Bauwerksdatenmodellierung 141 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 V.

Datensicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Grundlegende Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Gebot zur Wahrung der Integrität und Vertraulichkeit . . . . . . . . . . 144 (1) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Mindestanforderungen der VRL und SRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (2) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (a) Modifizierung der Bestimmungen der VKR / ​SKR . . . . . . . 147 (b) Vorgaben der Mindestanforderungen im Einzelnen . . . . . . 148 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Allgemeines Gebot zur Wahrung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . 150 bb) Konkretisierung für die elektronischen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (1) Geltung während der gesamten elektronischen Kommunikation 152 (2) Erforderliche organisatorische und technische Maßnahmen . . 152 (a) Absicherung der Datenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (b) Absicherung der IT-Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 cc) Spezielle Anforderungen an die zum Empfang verwendeten elektronischen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) Zwingende Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (a) Bestimmung des Empfangszeitpunktes durch elektronischen Zeitstempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

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Inhaltsverzeichnis (b) Ausschluss des vorzeitigen Zugriffs durch verschlüsselte Aufbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (c) Zugriffsbeschränkungen nach der erstmaligen Öffnung . . . 159 (d) Feststellbarkeit von versuchten bzw. vollendeten Verstößen 160 (2) Verfügbarmachung notwendiger Informationen . . . . . . . . . . . . 161 (a) Reichweite der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (b) Zurverfügungstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Festlegung des Sicherheitsniveaus bzgl. der Echtheit und Unversehrtheit der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Entstehung und Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Verhältnismäßigkeitsabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Elektronische Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (a) Fakultative Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (b) Bedingungen für elektronische Signaturen . . . . . . . . . . . . 168 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Vorliegen eines inzidenten nationalen Rahmenkonzepts . . . . . . . . 171 (1) Festlegung des Sicherheitsniveaus für die elektronischen Mittel 171 (2) Einsatz elektronischer Signaturen und Siegel bei erhöhten Sicherheitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (3) Grenzen des Abwägungsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (a) Erforderlichkeit der einschränkenden Auslegung . . . . . . . . 176 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Auslegung der inhaltlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Form und Modalitäten unionsweiter Bekanntmachungen . . . . . . . . 180 bb) Veröffentlichungen im Beschafferprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Verwendung der EU-Standardformulare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Angaben zur elektronischen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Verlinkung der Eignungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

Inhaltsverzeichnis

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(1) Pauschale Verlinkung auf die Vergabeunterlagen . . . . . . . . . . . 186 (2) Unmittelbare Verlinkung der Eignungsanforderungen . . . . . . . 187 (3) Vollständige Angabe in der Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . 188 (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Anforderungen an die Übermittlung mit elektronischen Mitteln . . . . . . 189 c) Veröffentlichungen im Beschafferprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Ausgestaltung des Beschafferprofils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Veröffentlichungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Auslegung der inhaltlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 aa) Bereitstellung unter einer Internetadresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 bb) Uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang . . . . . . . . . . 196 cc) Ergänzung des Erfordernisses der Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . 197 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Bereitstellungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Sonderfall: Aufforderung zur Interessensbestätigung . . . . . . . . . . . 199 bb) Sonderfall: Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb . . 200 b) Angabe einer elektronischen Adresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 d) Uneingeschränktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Technische Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Zeitliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (1) Erforderlichkeit der durchgehenden Bereitstellung . . . . . . . . . . 205 (a) Zeitliche Einschränkbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (b) Durchgehende Bereitstellungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (2) Bereitstellungsdauer bei zweistufigen Verfahren . . . . . . . . . . . . 207 (a) Ablauf der Angebotsfrist oder der Teilnahmefrist . . . . . . . 207 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 cc) Personelle Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Registrierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (a) Verantwortungsverteilung beim anonymen Abruf . . . . . . . 210 (b) Informationspflichten bei freiwilliger Registrierung . . . . . 211 (2) Sonderfall: Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens 212

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Inhaltsverzeichnis e) Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Reichweite der Bereitstellungspflicht in zweistufigen Verfahren . . 213 (1) Pflicht zur Bereitstellung der vollständigen Unterlagen . . . . . . 214 (2) Bereitstellung der erforderlichen Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . 214 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 f) Direktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Anforderungen an die Textform für elektronische Erklärungen . . . . . . . 221 aa) Abgabe einer lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger 222 bb) Person des Erklärenden bei Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Zugang der elektronischen Verfahrenserklärungen beim Auftraggeber . 223 aa) Erreichen des Machtbereichs des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . 223 (1) E-Mail-Postfach als elektronische Empfangsvorrichtung . . . . . 224 (2) E-Vergabeplattform als elektronische Empfangsvorrichtung . . 225 bb) Möglichkeit der Kenntnisnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) Risikoverteilung bei technischen Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Von den Bewerbern bzw. Bietern zu vertretende Umstände . . . . . . 227 (1) Verspäteter Beginn der Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . 227 (2) Technische Schwierigkeiten im eigenen Verantwortungsbereich 228 bb) Nicht von den Bewerbern bzw. Bietern zu vertretende Umstände . 229 (1) Verschulden des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (a) Funktionsstörungen der E-Vergabeplattform . . . . . . . . . . . 230 (b) Funktionsstörungen des Bieterclients als Annex der E-Vergabeplattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (c) Mangelnde Kompatibilität eines XVergabe-fähigen Bieterclients . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (d) Kein (Mit-)Verschulden des Bewerbers bzw. Bieters . . . . . 232 (2) Technische Störungen aufgrund höherer Gewalt . . . . . . . . . . . . 233 (3) Materielle Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IX. Feststellung der Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Richtlinienvorgaben der VRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Einheitliche Europäische Eigenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 aa) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Inhaltsverzeichnis

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(1) EU-Standardformular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) Zweistufige Nachweisführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (3) Verwendungs- oder Akzeptanzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) e-Certis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 aa) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Umsetzung in der VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) Elektronische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Systematische Einordnung der eEEE als Nachweismittel . . . . . . . . 246 cc) Nachweisführung mit der eEEE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (1) Vorlage der geforderten Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (2) Ausnahmen von der Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 dd) e-Certis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Anwendbarkeit in der SektVO und KonzVgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 X.

Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation . . . . . . . . . . . 251 1. Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Ausnahmen vom elektronischen Einreichungsverfahren . . . . . . . . . . . . 251 aa) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (1) Einheitlicher Anwendungsbereich für Einreichungsverfahren . 254 (2) Gebot der restriktiven Auslegung und Begründungspflicht . . . 255 (3) Ausnahmen aus technischen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (a) Spezifische Instrumente, Vorrichtungen oder Dateiformate

256

(b) Dateiformate zur Angebotsbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . 257 (c) Spezielle Bürogeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (d) Physische oder maßstabsgetreue Modelle . . . . . . . . . . . . . 258 (4) Ausnahmen aus Sicherheitsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (a) Verletzung der Sicherheit der elektronischen Kommunikationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (b) Besondere Empfindlichkeit der Informationen . . . . . . . . . . 259 (5) Übermittlung auf einem anderen geeigneten Weg . . . . . . . . . . 260 b) Ausnahmen von der elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen 261 aa) Richtlinienvorgaben der VRL und SRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (1) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

18

Inhaltsverzeichnis (2) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (a) Verweis auf die Ausnahmen von der elektronischen Einreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (b) Vertraulichkeit der Informationen in den Auftragsunterlagen 263 bb) Richtlinienvorgaben der KVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (1) Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (2) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Ausnahmen in der VgV und SektVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Bereitstellung der Vergabeunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (1) Ausnahmen aus technischen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (a) Erforderlichkeit spezieller elektronischer Mittel . . . . . . . . 267 (b) Proprietäre Dateiformate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (c) Besondere Bürogeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (d) Festlegung des alternativen Übermittlungswegs und Fristverlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (2) Schutz der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Ausnahmen von der elektronischen Einreichung . . . . . . . . . . . . . . . 273 (1) Technische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (a) Beschränkung des Anwendungsbereichs in der VgV . . . . . 274 (b) Verweis auf die technischen Gründe zu den Vergabeunterlagen 275 (2) Sicherheitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (a) Besondere Empfindlichkeit der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (b) Sicherheitsverletzung der elektronischen Mittel . . . . . . . . 278 b) Ausnahmen in der KonzVgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 XI. Grenzen der Zulässigkeit mündlicher Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Entstehung und Richtlinieninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 2. Regelung im Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Zulässigkeit mündlicher Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Betroffenheit wesentlicher Verfahrensbestandteile . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Sonderfall: Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Dokumentationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Inhaltsverzeichnis

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E. E-Vergabe im Haushaltsvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 I.

Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Grundsatz der elektronischen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Anforderungen an die elektronischen Mittel und Datensicherheit . . . . . . . . 292 3. Veröffentlichung der Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 4. Bereitstellung der Vergabeunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5. Übermittlung der Verfahrenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 6. Feststellung der Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 7. Ausnahmen vom Einsatz elektronischer Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

II.

Abweichungen bei der Vergabe von Bauleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 F. Elektronische Rechnungsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I.

Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1. Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 2. Auslegung der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 b) Semantische Interoperabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 c) Pflicht zum Empfang und zur Verarbeitung von E-Rechnungen . . . . . . 306 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

II.

Regelung im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 1. Umsetzung im EGovG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 aa) Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Richtlinienkonformität des nationalen Verständnisses der E-Rechnung . 310 2. Ausgestaltung des elektronischen Rechnungsverkehrs in der E-Rech-VO . 311 a) Grundsatz der elektronischen Rechnungsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 aa) Ausstellung und Übermittlung in elektronischer Form . . . . . . . . . . 312 bb) Ausnahmen im Unter- und Oberschwellenbereich . . . . . . . . . . . . . 312 b) Anforderungen an die E-Rechnungsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 aa) Rechnungsausstellung und -übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (1) Verwendung EN-konformer Datenaustauschstandards . . . . . . . 314 (2) Übermittlung über ein Verwaltungsportal des Bundes . . . . . . . 315 bb) Empfang und Verarbeitung der E-Rechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

20

Inhaltsverzeichnis

G. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

A. Einführung Bestrebungen zur Elektronisierung der öffentlichen Auftragsvergabe bilden bereits seit fast zwei Jahrzehnten einen Kernbestandteil europäischer und nationaler E-Government-Initiativen.1 In Anbetracht der ökonomischen Signifikanz der öffentlichen Beschaffung im Binnenmarkt, die sich auf einen geschätzten Anteil von 14 % des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union beläuft,2 wird der Digitalisierung in diesem Bereich ein erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung, Prozessrationalisierung und damit nicht zuletzt zur Kostensenkung beigemessen.3 Nachdem bereits Ende der 1990er-Jahre der europäische Vergaberechtsrahmen – bedingt durch internationale Entwicklungen – für die elektronische Kommunikation grundlegend geöffnet worden war, erfolgte mit Erlass des Richtlinienpakets im Jahr 2004 die Gleichstellung elektronischer mit anderen Kommunikationsmitteln in den reformierten Vergabekoordinierungsrichtlinien. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist die Durchführung der Vergabe öffentlicher Aufträge mit elektronischen Mitteln (E-Vergabe4), d. h. von der Bekanntmachung bis zur Zuschlagserteilung5,6 1

Vgl. die EU-Aktionspläne eEurope 2002: Auswirkungen und Prioritäten, KOM (2001) 140, sowie eEurope 2005: Eine Informationsgesellschaft für alle, KOM (2002) 263. Parallel dazu wurde auf nationaler Ebene das Projekt „Öffentlicher Eink@uf Online“ als eines der Leitprojekte der im Jahr 2000 vorgestellten E-Government-Initiative „BundOnline 2005“ durchgeführt, vgl. insg. Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 63 ff. Aktuell bildet der Übergang der Mitgliedstaaten zur vollständig elektronischen Auftragsvergabe einen politischen Schwerpunkt des europäischen eGovernment-Aktionsplans 2016–2020: Beschleunigung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, KOM (2016) 179. 2 Vgl. Eine funktionierende öffentliche Auftragsvergabe in und für Europa, KOM (2017) 572, S. 1. 3 Die Kommission führte am Rande der aktuellen Richtlinienreform an, dass – nach einer konservativen Überschlagsrechnung in einer Studie der Deutschen Bank – jährlich Einsparungen zwischen 50 und 75 Mrd. Euro durch die Einführung der E-Vergabe ermöglicht werden könnten. Zudem rechnet sie mit erheblichen makroökonomischen Effekten, vgl. Eine Strategie für die e-Vergabe, KOM (2012) 179, S. 4. 4 Es kursieren die divergierenden Schreibweisen „e-Vergabe“ sowie „eVergabe“. Die Wortpaarung „elektronisch“ und „Vergabe“ bilden zusammengefasst in „E-Vergabe“ eine Nominalkomposition. Es entsteht damit ein reguläres Substantiv. E-Vergabe ist daher mit einem großen Anfangsbuchstaben zu schreiben. Zudem werden Einzelbuchstaben in der deutschen Schreibweise stets mit einem Bindestrich verbunden, z. B. „E-Mail“, vgl. Fluck, E-Vergabe versus eVergabe, blog.cosinex.de, v. 20.1.2015. 5 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang teilweise der Begriff der E-Vergabe „im engeren Sinn“ verwendet, vgl. Mosbacher, DÖV 2001, 573 (574); Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 51, ders., in: Kilian / ​Heussen, ComputerR-HdB, Teil 19, Rn. 4; ders., NZBau 2015, 131 (131); Schippel, VergabeR 2016, 434 (435); Hölzl, in: Kulartz / ​ Kus / ​Portz / ​Prieß, in: GWB, § 120, Rn.  8; Masing, in: Reidt / ​Stickler / ​Glahs, Vergaberecht, § 97, Rn. 99. Zur Kritik sogleich in Fn. 15. 6 Zutreffend ist der klarstellende Hinweis von Siegel, dass das Verfahren zwar grundsätzlich in elektronischer Form durchzuführen ist, der Begriff der E-Vergabe jedoch nicht erfordert, dass

22

A. Einführung

oberhalb der europäischen Schwellenwerte optional zulässig. Obgleich die Kommission die Umstellung von der papierbasierten hin zur elektronischen Vergabe priorisierte und förderte, erlangte die vollständige elektronische Verfahrensabwicklung de facto in den nachfolgenden Jahren nur eine geringe Relevanz in den Mitgliedstaaten.7 Unterschiedliche Regelungsansätze, Akzeptanzprobleme wegen technisch divergierender Systeme und Authentifizierungsanforderungen sowie eine gewisse „Trägheit“ der Akteure, die eingefahrenen Prozessabläufe der Vergabe zu verändern, hinderten nach Einschätzung der Kommission die flächendeckende Verbreitung.8 Mit dem Ziel, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, um der E-Vergabe zum Erfolg zu verhelfen, hat der Unionsgesetzgeber nunmehr erneut umfassende Legislativmaßnahmen ergriffen. Als zentraler Schritt9 enthalten die Richtlinie 2014/24/EU für die Vergabe öffentlicher Aufträge (VRL)10 und die Richtlinie 2014/25/EU für die Vergabe von Aufträgen im Sektorenbereich (SRL)11 die obligatorische Hinwendung zur elektronischen Kommunikation in allen Verfahrensphasen. Ebenso eröffnet die neu geschaffene Konzessionsvergaberichtlinie 2014/23/EU (KVR)12 die Möglichkeit der elektronischen Konzessionsvergabe. Des Weiteren wurde – neben der flankierenden Reform des europäischen Signaturrechts – ergänzend die Richtlinie über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen erlassen.13 Der Unionsgesetzgeber intendiert mit der letzteren die Schaffung eines rechtlichen Anreizes, auch weitere Prozesse des Beschaffungsvorgangs zu digitalisieren, um letztlich eine „durchgehend elektronische Vergabe“14, d. h. von der ersten Bekanntmachung bis hin zu Bezahlung,15 zu erreichen. sämtliche Schritte, insb. interne Vorgänge, elektronisch abgewickelt werden, Siegel, LKV 2017, 385 (385). S. zum Pflichtumfang Kap. D. I. 2. b) cc). 7 Noch im Jahr 2010 lag der Anteil der vollständig elektronisch vergebenen Aufträge bei weniger als 5 % des gesamten Beschaffungsvolumens, vgl. Grünbuch zum Ausbau der e-Beschaffung in der EU, KOM (2010) 571, S. 11. 8 Vgl. KOM (2010) 571, S. 2 sowie die Mitteilungen zur Strategie für die e-Vergabe, KOM (2012) 179, S. 5 f. 9 Mit der anschaulichen Bezeichnung als „krönender Abschluss der Entwicklung“, Siegel, LKV 2017, 385 (386). 10 Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG. 11 Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG. 12 Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe. Vgl. zu den Besonderheiten Kap. D. I. 1. b). 13 Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen. 14 Vgl. Durchgehend elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung KOM (2013) 453, S. 4. Das Konzept hatte die Kommission bereits in den Mitteilungen KOM (2012) 179, S. 3 sowie – wenn auch mit anderer Bezeichnung – in dem Grünbuch zum Ausbau der e-Beschaffung in der EU, KOM (2010) 571, S. 3 f., skizziert. 15 In Teilen der Literatur werden die Vorgänge des Beschaffungsprozesses, die dem Vergabeverfahren nachfolgen, als E-Vergabe „im weiteren Sinn“ bezeichnet, vgl. Schäfer, in: Kilian / ​ Heussen, ComputerR-HdB, Teil 19, Rn. 1; ders., NZBau 2015, 131 (131); Schippel, VergabeR

A. Einführung

23

Diese Forcierung der vollständig elektronischen Verfahrensabwicklung auf legislativer Ebene bedeutet eine komplexe rechtliche, personelle und technische Herausforderung. Sie bietet den Auftraggebern jedoch gleichzeitig die Chance zu einer weitergehenden Restrukturierung, Standardisierung und Optimierung der Prozessabläufe des gesamten Beschaffungsvorgangs,16 um künftig Einsparungspotenziale zu realisieren. Der Fokus dieser Arbeit richtet sich auf die eingehende Untersuchung der reformierten rechtlichen Anforderungen an die E-Vergabe, die den Handlungsrahmen der Umstellung determinieren. Einleitend folgt im ersten Abschnitt des Kapitels B. die Darstellung der technischen Grundlagen der elektronischen Kommunikation und der IT-Sicherheit unter Berücksichtigung des reformierten europäischen Signaturrechts. Im zweiten Abschnitt werden darüber hinaus daten-schutzrechtliche Implikationen für die E-Vergabe dargelegt. Anschließend wird in Kapitel C. die historische Entwicklung der Digitalisierung des Vergabeverfahrens auf europäischer und nationaler Ebene bis zur Reform des Vergaberechtsrahmens im Jahr 2014 nachgezeichnet, die sodann den Schwerpunkt der Arbeit bildet. Im Hauptteil konzentriert sich die Untersuchung in Kapitel D. auf die Umsetzung der Richtlinienvorgaben im Kartellvergaberecht. Der erste Kapitelabschnitt untersucht die Reichweite des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren. Die nachfolgenden Abschnitte II. bis V. erörtern die grundlegenden Anforderungen an die im Verfahren zu verwendenden elektronischen Mittel. Im Anschluss erfolgt in den Abschnitten VI. bis IX. die Darstellung der zentralen Verfahrensschritte, für die spezifische Vorgaben bestehen. Abschließend werden in den Abschnitten X. und XI. die Konstellationen analysiert, in denen im Ausnahmefall auf den Einsatz elektronischer Mittel verzichtet werden kann. Ergänzend zu den Ausführungen zum Kartellvergaberecht im Kapitel D. wird in Kapitel E. die Entwicklung der E-Vergabe auch im haushaltsrechtlich determinierten Unterschwellenbereich17 aufgezeigt, in dem zumindest partiell eine funktionale Annäherung zu beobachten ist.18

2016, 434 (435); Hölzl, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, in: GWB, § 120, Rn.  8; Masing, in: Reidt / ​ Stickler / ​Glahs, Vergaberecht, § 97, Rn. 99. Das Begriffsverständnis ist allerdings nicht einheitlich, denn teilweise werden hierunter auch die der Verfahrensdurchführung vorgelagerten Prozesse verstanden, vgl. i. d. S. Arnold / ​Eßig, in: BME / ​BMWi Grundlagen der elektronischen Vergabe, S. 35; Mosbacher, DÖV 2001, 573 (573 f.); Laux, Wirksamkeit der Nutzung von E-Vergabe, S. 14 f.; Zielke, VergabeR 2015, 273 (273). Aus diesem Grund wird die missverständliche Begriffspaarung E-Vergabe „im engeren Sinn“ und „im weiteren Sinn“ im Rahmen dieser Arbeit nicht verwendet. 16 KGSt, E-Vergabe i. S. d. Vergaberichtlinien, B 2/2015, S. 14 f; Zielke, VergabeR 2015, 273 (274 f.). 17 Eingehend zum sog. Haushaltsvergaberecht Siegel, VerwArch 2016, 1. 18 Vgl. auch Siegel, VergabeR 2018, 183.

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A. Einführung

Nachfolgend wird im Kapitel F. die Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erörtert. Die Umsetzung der Richtlinien­ vorgaben erfolgt auf nationaler Ebene nicht im Sachzusammenhang mit dem Vergaberecht, sondern im E-Government-Gesetz (EGovG)19 und entfaltet – zumindest für die öffentlichen Auftraggeber des Bundes – sowohl im Oberschwellen- als auch im Unterschwellenbereich Geltung. Abschließend werden die wesentlichen Erkenntnisse des Hauptteils in Kapitel G. in der Schlussbetrachtung zusammengefasst.

19 Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz), G. v. 25.7.2013, BGBl. I S. 2749, zuletzt geändert durch Art. 1 G. v. 5.7.2017, BGBl. I S. 2206.

B. Technische Grundlagen und unionsrechtliche Querschnittsmaterien I. Elektronische Kommunikation und Datensicherheit 1. Funktionsweise und Risiken der Datenübertragung im Internet Das „Interconnected Network“, besser bekannt als Internet, stellt das weltweit größte und aufgrund seiner Verbreitung bedeutendste Rechnernetz aus verbundenen Netzwerken und Computersystemen dar.1 Im Gegensatz zu proprietären Netzen weist das Internet eine offene Systemarchitektur auf, deren Standards frei verfügbar und allgemein zugänglich sind.2 Die Datenübertragung erfolgt im Internet mittels der TCP / ​IP-Protokollfamilie (Protocol-Suite), die aus einer Vielzahl von aufeinander abgestimmten Protokollen besteht, die effizient miteinander interagieren.3 Diese werden ihrer Funktion entsprechend der Netzzugangsschicht,4 der Internetschicht,5 der Transportschicht6 oder Anwendungsschicht7 des TCP / ​IP-Refe 1

Das Internet ist nicht gleichzusetzen mit dem World Wide Web. Bei letzterem handelt es sich um einen speziellen Dienst, der mit dem HTTP-Protokoll übertragen wird, Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 17. 2 Die Internet-Standards werden als technische Berichte, sog. Requests for Comments (RFC) durch die Internet Engineering Steering Group (IESG) oder das Internet Authority Board (IAB) veröffentlicht. Zum Ablauf des Standarisierungsprozesses ausführlich, Meinel / ​Sack, Internetworking, S. 20 ff. 3 TCP / ​IP steht grundsätzlich für das Standardprotokollpaar des Internets „Transmission Control Protocol / ​Internet Protocol“, Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 165. 4 Wesentliche Funktion ist die Zusammenfassung, sog. Rahmenbildung (Framing), der Bitfolgen eines Datenstroms zu kohärenten Einheiten (Datenpakete), die zwischen zwei Endsystemen entlang des Kommunikationskanals ausgetauscht werden. Baun, Computernetze kompakt, S. 34. 5 Protokolle der Internetschicht dienen der Ermöglichung der Datenkommunikation zwischen zwei Endsystemen – ggf. durch Überbrückung und Vereinigung unterschiedlicher Netzwerkarchitekturen hinweg (Internetworking) – im Netzwerk. Dafür ist ein eindeutiges Adressierungsschema (IP-Adressierung) erforderlich. Das Internet Protokoll (IP) in den Versionen IPv4 und IPv6 ist das zentralste, aber nicht das einzige Protokoll dieser Schicht, vgl. Meinel  / ​ Sack, Internetworking, S. 57 ff.; dies., Digitale Kommunikation, S. 149 f. 6 Protokolle der Transportschicht (z. B. TCP und UCP) fungieren im Wesentlichen zur Einrichtung und Nutzung einer Verbindung zwischen Anwendungsprogrammen von zwei End­ systemen (Ende-zu-Ende-Kommunikation) sowie der Fluss- und Überlastungskontrolle, Meinel / ​Sack, Internetworking, S. 59 f. 7 Protokolle der Anwendungsschicht (z. B. HTTP, FTP, SMTP, POP3, DNS) dienen der Zusammenarbeit mit Anwendungssoftware z. B. E-Mail-Clients oder Web-Browsern, Baun, Computernetze kompakt, S. 34 ff.

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B. Technische Grundlagen 

renzmodells zugeordnet.8 Beim Kommunikationsvorgang durchlaufen die Daten die unterschiedlichen Schichten beim Absender und Empfänger in umgekehrter Reihenfolge. Für die Datenübertragung werden die Daten in Pakete fragmentiert und mit zusätzlichen Informationen zur Steuerung und Adressierung (Header) versehen (IP-Datagramme).9 Sodann werden die Datenpakete verbindungslos, d. h. unabhängig voneinander, über Vermittlungsstellen (Router), welche diese temporär speichern und weiterleiten (Store-and-Forward-Verfahren), an den Empfänger übermittelt (Routing) und dort wieder defragmentiert. Bei diesem Übertragungsvorgang ist nicht von vorneherein festgelegt, welche Route die einzelnen Datenpakete durch das Netzwerk nehmen. Durch den mit dem IP-Protokoll gesteuerten Routing-Prozess wird vor allem eine schnelle und ausfallsichere Übermittlung ermöglicht, ohne allerdings die Dienstqualität, also die verlustfreie Übertragung der Pakete in der richtigen Reihenfolge, zu garantieren (Best-Effort-Strategie).10 Die Prüfung der Vollständigkeit und ggf. erneute Anforderung fehlender Datenpakete erfolgt durch den Einsatz entsprechender Protokolle auf der nächsthöheren Transportschicht.11 Das Internet hat vor allem aufgrund seiner offenen Netzwerkarchitektur weltweite Verbreitung gefunden.12 Aus dieser offenen Struktur ergeben sich jedoch – im Gegensatz zu geschlossenen Netzwerken – bei der Datenübertragung zwischen Sender und Empfänger erhebliche Sicherheitsrisiken in Bezug auf die Vertraulichkeit, Authentizität und Integrität von Daten.13 2. Datensicherheit und Vertrauensdienste der eIDAS-VO Erforderlich sind daher Technologien zur Absicherung der Kommunikation und Gewährleistung der Verbindlichkeit, deren technische Grundlagen nachfolgend aufgezeigt werden. Berücksichtigt werden dabei die rechtlichen Anforderungen der Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/ EG (sog. eIDAS-VO), die am 1. Juli 2016 für alle europäischen Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist und in all ihren Bestandteilen verbindlich gilt, Art. 288 Abs. 2 8

Ernst / ​Schmidt / ​Beneken, Grundkurs Informatik, S. 290. Leinmeinster, Wirtschaftsinformatik, S. 102. 10 Leinmeinster, a.o.O; Meinel / ​Sack, Internetworking, S. 58. 11 Insb. durch TCP. Keine Prüfung der Datenübertragung bietet hingegen das UDP, das Datensegmente ebenfalls verbindungslos überträgt, sodass ein Verlust einzelner Datenpakte möglich ist. Dafür wird jedoch ein höherer Datendurchsatz erreicht, weshalb dieses Protokoll z. B. für die Videotelefonie oder das Videostreaming eingesetzt wird, Baun, Computernetze kompakt, S. 149 f.; dazu auch Meinel / ​Sack, Internetworking, S. 59 ff.; dies., Digitale Kommunikation, S. 150 f. 12 Es basiert auf dem Konstruktionsprinzip „Keep it Simple and Stupid“ (KISS), das auf eine möglichst einfache und weitgehende Teilnahmemöglichkeit zielt, Roßnagel / ​Hornung / ​Knopp / ​ Wilke, DuD 2009, 728 (728). 13 Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 307; dies., Sicherheit und Vertrauen im Internet, S. 3; zur derzeitigen Bedrohungen BSI, Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2017, S. 22 ff. 9

I. Elektronische Kommunikation und Datensicherheit

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AEUV. Zum effektiven Verordnungsvollzug wurde in Deutschland das auf der Signaturrichtlinie 1999/93/EG14 basierende Signaturgesetz15 durch das Vertrauensdienstgesetz16 als Durchführungsakt der eIDAS-VO ersetzt17.18 Der reformierte europäische Rechtsrahmen enthält die zwei Regelungsschwerpunkte: elektronische Sicherungsmittel und -dienste (sog. Vertrauensdienste)  sowie Identifizierungssysteme und -mittel,19 mit denen die Rechts- und Beweissicherheit elektronischer Transaktionen im europäischen Binnenmarkt sichergestellt werden soll.20 Ziel ist es, durch die Schaffung einheitlicher rechtlicher Grundlagen für die sichere elektronische Interaktion zwischen Bürgern, Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen, das Vertrauen in elektronische Transaktionen im Binnenmarkt zu stärken.21 Bevor auf die rechtlichen Anforderungen und Wirkungen näher eingegangen wird, bedarf es zunächst der Darlegung technischer Grundlagen der Datensicherheit, deren Gewährleistung auch bei der E-Vergabe eine wesentliche Bedeutung zukommt.22 a) Verschlüsselung zum Schutz der Vertraulichkeit Bei der Kommunikation über ein offenes Netzwerk muss für die Gewährleistung der Vertraulichkeit sichergestellt werden, dass bei der Datenübertragung kein unbefugter Dritter Kenntnis vom Inhalt nehmen kann. Zur Geheimhaltung des Nachrichteninhalts werden kryptografische Verschlüsselungsmethoden eingesetzt. Grundidee der Kryptografie23 ist es, eine Klartextinformation mittels Ver 14 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen. 15 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (SigG) v. 22.7.1997, BGBl. I S. 1870, 1872. 16 Vertrauensdienstegesetz (VDG) v. 18.7.2017, BGBl. I S. 2745. 17 Vor der Umsetzung galten die Regelungen des SigG (2001) und der SigV, soweit diese nicht im Widerspruch zur eIDAS-VO standen, Roßnagel, NJW 2014, 3686 (3691); ders., MMR 2015, 359 (360). 18 Vgl. zum Gesetzgebungsprozess und Regelungsumfang Roßnagel, MMR 2018, 31. 19 In Bezug auf elektronische Identifizierungsmittel differenziert die eIDAS-VO zwischen den Sicherheitsniveaus „niedrig“, „substanziell“ und „hoch“, Art. 8 Abs. 2 eIDAS-VO. Der deutsche Personalausweis mit der eID-Funktion wurde am 26.7.2017 europaweit als erstes elektronisches Identifizierungsmittel überhaupt notifiziert und erfüllt zudem das höchstmögliche Vertrauensniveau, Abl. EU 2017/C 319/03 v. 26.9.2017. 20 Roßnagel, NJW 2014, 3686 (3686 f.); Niessen / ​Pohlmann, IT-Sicherheit 4/2015, 51 (51). 21 ErwGrd Nr. 3 eIDAS-VO. 22 Vgl. dazu im Hauptteil zu Datensicherheit Kap. D. V. 23 Die Kryptografie (vom altgriech. kryptós „verborgen“ und gráphein „schreiben“) hat eine Jahrtausende alte Historie, die bis in die Antike zurückreicht. Berühmt ist z. B. die sog. Caesar-Verschlüsselung des gleichnamigen römischen Kaisers, bei der alle Zeichnen um den Wert 3 (entsprechend der Stellung des Buchstabens „C“ im Alphabet) verschoben werden. Ausführliche Darstellung der Historie bei, Gerhard, (Grund)-Recht auf Verschlüsselung?, S. 29 ff.; Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 317 ff.

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B. Technische Grundlagen 

schlüsselung durch mathematische Algorithmen (Chiffrierung) in einen Schlüsseltext (Chiffrat) zu transformieren, der nur vom berechtigten Empfänger dechiffriert werden kann. In der Kryptographie wird zwischen symmetrischen, asymmetrischen und hybriden Verschlüsselungstechniken unterschieden. Bei der symmetrischen Verschlüsselung nutzen Sender und Empfänger denselben, zuvor vereinbarten Schlüssel zur Ver- und Entschlüsselung (Secret-Key-Encryption).24 Zwar sind mit Hilfe der Computertechnik hochkomplexe, symmetrische Verschlüsselungsverfahren möglich, die eine hinreichende Sicherheit bieten,25 allerdings stellt die Notwendigkeit des Austauschs des geheimen Schlüssels zwischen den Kommunikationspartnern26 stets ein inhärentes Sicherheitsrisiko dar. Demgegenüber wird bei der asymmetrischen Verschlüsselung ein Schlüsselpaar erzeugt, das aus einem geheimen, privaten Schlüssel und einem – aus diesem berechneten – öffentlichen Schlüssel besteht (Public-Key-Encryption).27 Während der private Schlüssel beim Anwender verbleibt, ist der öffentliche Schlüssel für jedermann zugänglich. Dies bedeutet kein Sicherheitsrisiko, denn es ist nahezu unmöglich, aus dem öffentlichen den privaten Schlüssel zu errechnen.28 Zur Verschlüsselung nutzt der Absender einer Nachricht den öffentlichen Schlüssel des Empfängers, sodass nur dieser den Inhalt durch seinen privaten Schlüssel wieder entschlüsseln kann.29 Die Verschlüsselungsmethode basiert auf einer Einwegfunktion 24 Dies bildet die urspr. Form der Verschlüsselung. Zur Chiffrierung wurden nach festgelegten Mustern die Basisoperationen der Substitution, d. h. der Ersetzung von Zeichen, sowie der Permutation, d. h. dem Vertauschen von Zeichen, verwendet, Gerhard, (Grund)-Recht auf Verschlüsselung?, S. 30 f. 25 Aktuelle Standards nutzen Block- oder Strom-Verschlüsselungsverfahren. Bei ersteren wird der Klartext in Blöcke eingeteilt, die unabhängig voneinander mit demselben Schlüssel verschlüsselt werden. Der Advanced Encryption Standard (AES), der mit Blocklänge von 128 Bit und einer variablen Schlüssellänge (128, 192, 256 Bit) arbeitet, bildet einen der wichtigsten Standards. Weitere verbreitete Block-Verschlüsselungsstandards sind DES, Tripple-DES, IDEA und RC2, RC6, Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 323. Daneben bestehen sog. Strom-Verschlüsselungsverfahren, z. B. die RC4-Verschlüsselung, die u. a. bei den Internetprotokollen HTTPS, WEP und WPA bis zum Jahr 2016 weitverbreitet zum Einsatz kam, Meinel  / ​ Sack, Sicherheit und Vertrauen im Internet, S. 14. Die RC4-Verschlüsselung gilt mittlerweile allerdings als unsicher, sodass diese für die Transport-Verschlüsselung TLS vom Internet Engineering Task Force (IETF) untersagt wurde. Vgl. Schirrmacher, Webbrowser: Endgültig Schluss mit RC4, heise / ​Security.de, v. 4.9.2015. 26 Dies kann durch einen vertrauenswürdigen Dritten in Form eines Schlüsselverteilungszentrums (Key Distribution Center, KDC) erfolgen, welches geheime Schüssel verwaltet und auf Abruf an die registrierten Kommunikationsteilnehmer verteilt, Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 347 f. 27 Grundlagen der wegweisenden Technik wurden erstmals im Jahr 1976 von Diffie und Hellmann vorgestellt (Diffie-Hellmann-Schlüsselaustausch). Wie später bekannt wurde, hatten jedoch Kryptologen des britischen Geheimdienstes bereits 1970 ein entsprechendes Verfahren entwickelt, Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 328. 28 Beutelspacher / ​Schwenk / ​Wolfenstetter, Moderne Verfahren der Kryptographie, S. 15. 29 Die erste und gleichzeitig bekannteste asymmetrische Verschlüsselungsmethode ist das – nach seinen Entwicklern, Rivest, Shamir und Adleman, benannte – RSA-Verfahren, das heute noch verwendet wird. Ausführlich zur Funktionsweise des mathematischen Algorithmus, Beutelspacher / ​Schwenk / ​Wolfenstetter, Moderne Verfahren der Kryptographie, S. 24 ff.

I. Elektronische Kommunikation und Datensicherheit

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(One-Way-Function), die effizient berechnet werden kann, aber ohne eine zusätzliche Information (sog. Trapdoor) kaum zu invertieren ist.30 Auch die asymmetrische Verschlüsselung bietet keine absolute Sicherheit. Insbesondere erweist sich die Speicherung und Geheimhaltung des privaten Schlüssels als problematisch.31 An sich kann diese Verschlüsselungsform allerdings mit heutigen Mitteln32, aufgrund der Komplexität des privaten Schlüssels, nicht in überschaubarer Zeit gebrochen werden.33 Sie erweist sich jedoch gleichzeitig als wesentlich komplexer und damit – gerade bei großen Datenmengen – signifikant zeitaufwändiger als die symmetrische Verschlüsselung.34 Aus diesem Grund sind in der Praxis Kombinationen verbreitet, sog. hybride Verschlüsselungstechniken. Dabei wird der Nachrichteninhalt  – z. B. mit einem temporären Sitzungsschlüssel (Session-Key)  – symmetrisch chiffriert.35 Dieser (Sitzungs-)Schlüssel wird wiederum mit dem öffentlichen Schlüssel des Empfängers asymmetrisch verschlüsselt und die Nachricht für die Übertragung angehängt, sodass der Empfänger zunächst mit seinem privaten Schlüssel den Sitzungsschlüssel dechiffrieren kann und sodann mit diesem den Nachrichteninhalt.36 b) Sicherstellung der Authentizität und Integrität Für eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation bedarf es der eindeutigen Feststellung der Authentizität des Absenders sowie der Datenintegrität. Beide Funktionen vereinen digitale37 Signaturen in sich, die als elektronisches Äquivalent zur Unterschrift38 eingesetzt werden können.

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Beutelspacher / ​Schwenk / ​Wolfenstetter, Moderne Verfahren der Kryptographie, S. 16 ff. BSI, Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2017, S. 43 f. 32 Dies könnte sich jedoch durch die Entwicklung von skalierbaren universellen Quantencomputern vollkommen verändern, vgl. BSI, Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2017, S. 37. Dazu auch Finsterbusch, Ein Quantum Sicherheit, FAZ Woche Nr. 12/2017, 59 (60). 33 Die Länge des privaten Schlüssels beim RSA-Verfahren kann 2048 Bit, 4.096 Bit und länger sein, Meinel / ​Sack, Sicherheit und Vertrauen im Internet, S. 16. 34 Bspw. ist das RSA-Verfahren um den Faktor 1.000 langsamer als die symmetrischen Verfahren Triple-DES oder AES, Meinel / ​Sack, Sicherheit und Vertrauen im Internet, S. 17. 35 Grigorjew, Beweiseignung fortgeschrittener elektronischer Signaturen, S. 18. 36 Verschlüsselungsverfahren werden bei den Protokollen HTTPS durch die Protokolle SSL / ​ TLS und IPsec sowie bei der E-Mail-Verschlüsselung mittels PGP oder GPG eingesetzt, Meinel / ​Sack, Sicherheit und Vertrauen im Internet, S. 16. Vgl. für den Einsatz im Vergabeverfahren Kap. D. V. 37 Während sich die Begrifflichkeit der digitalen Signatur auf das technische Verfahren bezieht, sind die Bezeichnungen „elektronische Signatur“ und „elektronische Siegel“ Rechtsbegriffe, die durch eine digitale Signierung umgesetzt werden können, Gerhard, (Grund)-Recht auf Verschlüsselung?, S. 39 Fn. 55. 38 Für die rechtliche Äquivalenz sind allerdings zusätzliche Anforderungen an die Signierung zu stellen, die nur von einer qualifizierten elektronischen Signatur erfüllt werden. 31

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B. Technische Grundlagen 

aa) Technische Basis digitaler Signaturen Die digitale Signierung basiert ebenfalls auf dem Public-Key-Prinzip, bei dem für den Anwender ein öffentlicher und ein privater Schlüssel paarweise erzeugt werden.39 Abweichend von der asymmetrischen Verschlüsselung zur Gewährleistung der Vertraulichkeit wird eine Nachricht oder ein Dokument dabei mit dem privaten Signaturschlüssel des Absenders verschlüsselt. Der Empfänger kann die Authen­ tizität verifizieren sowie die Unversehrtheit von Manipulationen oder Beschädigungen bei der Datenübertragung prüfen, wenn sich die Nachricht mit dem öffentlichen Signaturprüfschlüssel des Absenders entschlüsseln lässt und der Nachrichteninhalt aus der Signatur mit dem Klartext übereinstimmt.40 Um die Verschlüsselung effizient zu gestalten,41 wird der Nachrichteninhalt in der Regel als kurzes Derivat in festen Bitlängen (sog. Hashwert)42 mittels einer kryptografischen Hashfunktion43 berechnet. Nur dieser Hashwert wird mit dem privaten Signaturschlüssel verschlüsselt und gemeinsam mit dem Klartext an den Empfänger übersandt. bb) Public-Key-Infrastruktur Bei asymmetrischen Public-Key-Verschlüsselungsverfahren wird der öffentliche Schlüssel frei zugänglich bereitgestellt. Zur Gewährleistung, dass dieser öffentliche Schlüssel auch tatsächlich der ausgewiesenen Person zuzuordnen ist und weiterhin Gültigkeit besitzt, kann die Schlüsselzuordnung von einem vertrauenswürdigen Dritten durch Ausstellung eines elektronischen Zertifikats44 bestätigt werden. Das System zur Erzeugung, Bereitstellung, Verwaltung und zum Widerruf von solchen Zertifikaten über den gesamten Lebenszyklus nach festgelegten Regeln (Security-

39 Für die Erzeugung von Signaturen wird (wie auch zur Verschlüsselung) vor allem das RSA-Verfahren eingesetzt, Beutelspacher / ​Schwenk / ​Wolfenstetter, Moderne Verfahren der Kryptographie, S. 24 ff. 40 Meinel / ​Sack, Sicherheit und Vertrauen im Internet, S. 27 f. 41 Technisch wäre es zwar auch möglich, den gesamten Inhalt einer Nachricht mit dem privaten Signaturschlüssel asymmetrisch zu verschlüsseln, allerdings ist dieses Verfahren – wie dargestellt – äußerst ressourcen- und zeitintensiv. Zudem würde sich dadurch das zu übertragende Datenvolumen verdoppeln, da die Signatur stets so lang ist wie die Nachricht selbst, Meinel  / ​ Sack, Sicherheit und Vertrauen im Internet, S. 30. 42 Auch: „Message Digest“. Aufgrund ihrer Einzigartigkeit werden diese als elektronische Fingerabdrücke bezeichnet, Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 341 ff. 43 Wichtigste Bedingung einer sicheren Hashfunktion ist es, dass es nahezu unmöglich sein muss, dass aus dem generierten Hashwert ein Rückschluss auf die ursprünglichen Daten gezogen werden kann. Aus diesem Grund werden Einwegfunktionen zur Berechnung verwendet, vgl. Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 343. 44 Zertifikate entsprechen derzeit dem internationalen Standard X. 509. Enthalten sind neben eindeutigen Namen des Subjekts z. B. Angaben über Herausgeber, Gültigkeitsdauer, Seriennummer und Algorithmus-Informationen, vgl. Schwenk, Kryptologie und Sicherheit im Internet, S. 22 f.

I. Elektronische Kommunikation und Datensicherheit

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Policies) wird als Public-Key-Infrastruktur (PKI) bezeichnet.45 Die Zertifizierungsstellen gewährleisten dabei die nachprüfbare und fälschungssichere Bindung eines öffentlichen Schlüssels an eine Person durch Erteilung eines Zertifikats an einen Benutzer.46 c) Elektronische Signaturen und Siegel gemäß der eIDAS-VO Die elektronischen Signaturen und Siegel im Sinn der eIDAS basieren auf denselben  – soeben dargestellten  – technischen Grundlagen. Die Zertifizierung im Rahmen der Public-Key-Infrastruktur erfolgt durch Zertifizierungsstellen, die in der eIDAS-VO als Vertrauensdiensteanbieter (VDA) bezeichnet werden.47 Differenziert wird dabei zwischen nicht qualifizierten und qualifizierten VDA.48 Nach Konformitätsprüfung werden qualifizierte VDA in einer öffentlich zugänglichen Vertrauensliste49 geführt und unterliegen einer strengeren Aufsicht.50 Die Konformität wird mindestens alle 24 Monate von einer akkreditierten Konformitätsbewertungsstelle geprüft.51 aa) Elektronische Signaturen Die natürliche Person, die eine elektronische Signatur erstellt, wird im Kontext der eIDAS-VO als „Unterzeichner“ bezeichnet.52 Elektronische Signaturen werden nach den Begriffsbestimmungen definiert als „Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet“.53 Im 4. Abschnitt der eIDAS-VO sind die konkreten Anforderungen an elektronische Signaturen – aufbauend auf den bisherigen Vorgaben der Signaturrichtlinie – normiert.

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Grigorjew, Beweiseignung fortgeschrittener elektronischer Signaturen, S. 21 f. Meinel / ​Sack, Digitale Kommunikation, S. 350. 47 Jandt, NJW 2015, 1205 (1207). 48 Vgl. Art. 3 Nr. 16 und Nr. 17 eIDAS-VO. 49 Auf europäischer Ebene ist die EU Trust Service Status List (TSL) unter der Internetadresse: http://tlbrowser.tsl.website/tools/ und in Deutschland unter: https://www.nrca-ds.de/ abrufbar [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 50 Die eIDAS-VO enthält im Vergleich zur Signatur-RL ein wesentlich strengeres Aufsichtskonzept für qualifizierte Vertrauensdienste, Roßnagel, NJW 2014, 3686 (3689). 51 Vgl. Art. 20 Abs. 1 S. 1 eIDAS-VO. 52 Art. 3 Nr. 9 eIDAS-VO. 53 Art. 3 Nr. 10 eIDAS-VO. 46

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B. Technische Grundlagen 

(1) Fortgeschrittene elektronische Signaturen Art. 26 eIDAS-VO normiert die Mindestvoraussetzungen an die fortgeschrittenen elektronischen Signaturen. Diese müssen zunächst eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet sein und dessen Identifizierung ermöglichen. An die Identifizierung werden dabei keine Qualitätsanforderungen geknüpft. Sie kann insbesondere durch die Ausstellung eines Zertifikates durch einen nichtqualifizierten oder qualifizierten VDA erfolgen. Ferner bedarf es einer derartigen Verbindung zwischen der fortgeschrittenen Signatur und den unterzeichneten Daten, dass eine nachträgliche Veränderung erkennbar ist. Dies kann durch die Verwendung einer sicheren Hashfunktion und Verschlüsselungsverfahren gewährleistet werden.54 Diese Voraussetzungen entsprechen weitgehend der zuvor geltenden Regelung der Signaturrichtlinie. Im wesentlichen Unterschied zu den vorherigen Anforderungen wird es jedoch nicht mehr zwingend vorausgesetzt, dass die Signatur mit Mitteln erstellt wird, die der Unterzeichner unter alleiniger Kontrolle hält.55 Zulässig ist nunmehr das Erstellen unter Verwendung von elektronischen Signaturerstellungsdaten, die der Unterzeichner „mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle“ verwenden kann.56 Damit ist die Signaturerzeugung nunmehr gleichfalls mittels der Einschaltung eines autorisierten Dritten, der die Signaturerstellungsdaten des Unterzeichners aufbewahrt, zulässig (sog. Fernsignatur)57. Für die Anerkennung von Fernsignaturen ist nach den Erwägungen in der eIDAS-VO die Schaffung einer „vertrauenswürdigen Umgebung“ nötig, u. a. durch die Verwendung abgesicherter elektronischer Kommunikationskanäle,58 welche die Nutzung unter alleiniger Kontrolle des Unterzeichners gewährleistet.59 Das Sicherheitsniveau von fortgeschrittenen elektronischen Signaturen kann auch nach Inkrafttreten der eIDAS-VO nicht

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Grigorjew, Beweiseignung fortgeschrittener elektronischer Signaturen, S. 50. Vgl. noch Art. 2 lit. c) Signaturrichtlinie. 56 Art. 26 lit. c eIDAS-VO. 57 Vgl. ErwGrd Nr. 51 und 52 eIDAS-VO; auch „Remote- oder Serversignatur“, Kübler, in: Waldmann, 25. SIT-SmartCard Workshop, S. 24 f.; Vogt, Information. Wissenschaft & Praxis 2016, 61 (64). Die Signierung erfolgt dabei durch den Dritten, nachdem sich der Unterzeichner diesem gegenüber authentifiziert hat. Eine bereits vor Erlass der eIDAS-VO in einigen Mitgliedstaaten, u. a. in Österreich, Finnland und Estland, in verschiedenen Varianten eingesetzte Fernsignatur stellt die Mobil-Signatur (auch „Handy-Signatur“) dar. Zur Signierung autorisiert sich der Unterzeichner bspw. durch Passworteingabe gegenüber dem Anbieter, der diesem im Anschluss eine temporär gültige mobile TAN (mTAN) übersendet, durch deren Eingabe die Signierung ausgelöst wird. Allg. zur Fernsignatur Schmeh, DUD 2017, 29 (32); Michalek, IT-Administrator 10/2016, 100 (101); Vogt, Information. Wissenschaft & Praxis 2016, 61 (66); Niessen / ​Pohlmann, IT-Sicherheit 4/2015, 51 (52); Seegebarth, DUD 2014, 675 (677). 58 ErwGrd Nr. 52 eIDAS-VO. Einen solchen sicheren Kommunikationskanal gewährleistet das Signaturaktivierungsprotokoll (SAP), Michalek, IT-Administrator 10/2016, 100 (101). 59 Ein entsprechend eIDAS-konformer Dienst wird in Deutschland von der Bundesdruckerei in Form des „sign-me Signaturportals“ angeboten, Bundesdruckerei, eIDAS Whitepaper, S. 15. Zur Zertifizierung als eIDAS-konforme Fernsignatur vgl. die Meldung im Behörden Spiegel Nr. 848, 8/2017, S. 2. 55

I. Elektronische Kommunikation und Datensicherheit

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einheitlich beurteilt werden.60 Gerade die Sicherstellung der Authentizität ist stark von der Qualität des Identifizierungsverfahrens abhängig, für das weiter keine einheitlichen Maßgaben definiert werden.61 (2) Qualifizierte elektronische Signaturen Eine qualifizierte elektronische Signatur ist eine fortgeschrittene Signatur, die mit einer qualifizierten Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat beruht.62 Für die Ausstellung eines solchen Zertifikates durch einen qualifizierten VDA bedarf es der eindeutigen Identifizierung des Unterzeichners.63 Des Weiteren unterliegen qualifizierte Signaturerstellungseinheiten erhöhten technischen Anforderungen.64 Gleichwohl wird aus den Erwägungen ersichtlich, dass es dem Unterzeichner grundsätzlich möglich sein soll, diese der Obhut eines Dritten anzuvertrauen, jedenfalls solange sichergestellt ist, dass er weiterhin die alleinige Kontrolle über die Verwendung seiner elektronischen Signaturerstellungsdaten hat.65 Damit wird deutlich, dass auch elektronische Fernsignaturen in qualifizierter Form generiert werden können. Die Erzeugung und Verwaltung von elektronischen Signaturerstellungsdaten darf allerdings nur von einem qualifizierten VDA durchgeführt werden.66 Bislang setzten die Bestimmungen der Signaturrichtlinie 60 Umfassende Darstellung verschiedener Verfahren sowie deren Schutzniveau bei Grigorjew, Beweiseignung fortgeschrittener elektronischer Signaturen, S. 66 ff. 61 Grigorjew, Beweiseignung fortgeschrittener elektronischer Signaturen, S. 316. 62 Art. 3 Nr. 11 eIDAS-VO. 63 Dies ist möglich durch persönliche Identifizierung des Unterzeichners bzw. dessen Vertreters oder Verwendung durch ein elektronisches Identifizierungsmittel, das mindestens das Sicherheitsniveau substanziell erfüllt, z. B. den Personalausweis mit eID, oder durch ein qualifiziertes Signatur- oder Siegel-Zertifikat, Art. 24 Abs. 1 UA. 2 lit. a)–c) eIDAS-VO. Ferner ist eine Identifizierung auch mit anderen in den Mitgliedstaaten „anerkannten und gleichwertigen Methoden“ zulässig, Art. 24 Abs. 1 UA. 2 lit. d) eIDAS-VO. Solche innovativen Identifizierungsmethoden können gem. § 11 Abs. 1 VDG in Deutschland von der BNetzA nach Anhörung der betroffenen Kreise und im Einvernehmen mit dem BSI festgelegt werden. Im Januar 2018 fand eine erste Anhörung zur Zulassung der Videoidentifizierung statt, vgl. Anhörung zur Festlegung anerkannter sonstiger Identifizierungsmethoden und der jeweiligen Mindestanforderungen zur Ausstellung eines qualifizierten Zertifikats im Sinne des Artikels 24 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe d Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 in der erstmaligen Verfügung nach § 11 Absatz 1 Vertrauensdienstegesetz (VDG) v. 25.1.2018. 64 Art. 3 Nr. 23, Art. 29 Abs. 1 i. V. m. Anhang II eIDAS-VO, z. B. dass die Signaturerstellungs­ daten praktisch nur einmal vorkommen dürfen und deren Vertraulichkeit angemessen sichergestellt ist. 65 ErwGrd Nr. 51 eIDAS-VO. 66 Art. 29 Abs. 1 i. V. m. Anhang II Abs. 3 eIDAS-VO sowie ErwGrd Nr. 52 eIDAS-VO. Die Signaturerstellungsdaten werden dabei auf dessen Servern gespeichert. Wenn der Unterzeichner eine Signierung auslösen will, ist eine Identifizierung gegenüber dem VDA erforderlich. Obwohl der Identifizierung für das Sicherheitsniveau eine entscheidende Bedeutung zukommt, enthält die eIDAS-VO hierzu keine konkreten Vorgaben, vgl. Kübler, in: Waldmann, 25. SIT-SmartCard Workshop, S. 24 f.; krit. hinsichtlich der fehlenden Festlegung eines

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B. Technische Grundlagen 

für eine qualifizierte Signaturerstellung stets den Besitz von Hardware, in Form eines physischen Trägers, z. B. eines USB-Sticks oder einer Chipkarte67 (mit Pin) und eines entsprechenden Lesegeräts68 voraus. Durch die gleichwertige rechtliche Anerkennung elektronischer Fernsignaturen wird einerseits die Verwendung qualifizierter elektronischer Signaturen für den Endanwender künftig wesentlich erleichtert. Anderseits wird damit jedoch eine Herabsetzung des Sicherheitsniveaus69 in Kauf genommen.70 bb) Fortgeschrittene und qualifizierte elektronische Siegel Ein Novum des europäischen Signaturrechts bilden elektronische Siegel, die im 5. Abschnitt der eIDAS-VO normiert werden.71 Im Unterschied zu elektronischen Signaturen sind diese nicht einem Unterzeichner, sondern einer juristischen Person als Siegelersteller zugeordnet.72 In Deutschland wird damit erstmals die Ausstellung von Organisationszertifikaten rechtlich zulässig.73 Die Begriffsbestimmungen und Anforderungen an fortgeschrittene und qualifizierte elektronische Siegel sind weitgehend parallel zu denen der elektronischen Signaturen ausgestaltet oder verweisen gänzlich auf diese,74 sodass die dargestellten Anforderungen gelten. Sicherheitsniveaus Vogt, Information. Wissenschaft & Praxis 2016, 61 (64). Erforderlich dürfte jedoch mindestens eine Zwei-Faktor-Authentifizierung in unabhängigen Komponenten (z. B. Besitz, Wissen oder Biometrie) sein. Zu möglichen Varianten Schmeh, DUD 2017, 29 (32); s. a. Michalek, IT-Administrator 10/2016, 100 (101). Nach erfolgreicher Identifizierung wird die qualifizierte Signatur unmittelbar auf dem Server des VDA durch eine qualifizierte Signaturerstellungseinheit, in Form von Hardware-Sicherheitsmodulen (HSM), erstellt, vgl. Pohlmann, DUD 2014, 661 (662 f.). 67 Zu den technischen Details von Smart-Cards, Pohlmann, DUD 2014, 661 (662). 68 Zudem war ein entsprechendes Lesegerät nötig, Vogt, Information. Wissenschaft & Praxis 2016, 61 (64). 69 Fernsignaturen, bei denen der private Signaturschlüssel auf einem Server gespeichert ist, bürgen grundsätzlich ein höheres Missbrauchsrisiko durch eine nicht autorisierte Verwendung als die lokale Signaturerstellung mit Mitteln, die sich im ausschließlichen Besitz der signierenden Person befinden. 70 Vogt, Information. Wissenschaft & Praxis 2016, 61 (66); mit Darstellung der einzelnen rechtlichen Absenkungen, Roßnagel, MMR 2016, 647 (648), ders., Das Recht der Vertrauensdienste, S. 126 f. 71 Zuvor konnte ein Zertifikat mit dem Pseudonym der jur. Pers. verwendet werden, Roß­ nagel, NJW 2014, 3686 (3690). Eine Verwendung von Pseudonymen ist allerdings im (elektronischen) Geschäftsverkehr nicht gängig und wirkt nicht vertrauensfördernd, Niessen / ​Pohlmann, IT-Sicherheit 4/2015, 51 (52). 72 Vgl. Art. 3 Nr. 24 eIDAS-VO. 73 Vogt, Information. Wissenschaft & Praxis 2016, 61 (64); dies ist in der Vergangenheit unter Geltung des SigG (2001) von Branchenverbänden kritisiert worden, Seegebarth, DUD 2014, 675 (676). 74 Vgl. Art. 39–40 eIDAS-VO; Anhang III entspricht zudem Anhang I, Roßnagel, NJW 2014, 3686 (3690). Die qualifizierte elektronische Siegelerzeugung kann ebenso lokal mit einer qualifizierten Siegelerstellungseinheit erfolgen oder durch einen qualifizierten VDA in Form einer

I. Elektronische Kommunikation und Datensicherheit

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cc) Rechtswirkung und Beweiskraft In der eIDAS-VO werden für die Vertrauensdienste bestimmte Rechtswirkungen angeordnet und Beweisregeln festgelegt.75 Die Verordnung berührt allerdings nicht das nationale Recht bezüglich des Abschlusses und der Gültigkeit von Verträgen oder anderer rechtlicher oder verfahrensmäßiger Formvorschriften.76 Insoweit gelten die allgemeinen zivilrechtlichen und prozessualen Bestimmungen. Für eine qualifizierte elektronische Signatur ordnet die eIDAS-VO die gleichen Rechtswirkungen an, wie bei einer handschriftlichen Unterschrift.77 Dies ergibt sich parallel im nationalen Recht aus den §§ 126 Abs. 3, 126a Abs. 1 BGB, wonach eine gesetzlich angeordnete Schriftform durch die elektronische Form grundsätzlich gleichwertig ersetzt werden kann.78 Elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur unterschrieben werden, haben gemäß § 371a Abs. 1 S. 1 ZPO ferner dieselbe Beweiskraft bezüglich des Ausstellers wie private Urkunden, d. h. sie bieten den vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen vom Signaturersteller stammen.79 Zudem besteht ein Anscheinsbeweis für die Echtheit einer Erklärung nach Prüfung der Gültigkeit der Signatur gem. § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO80, für dessen Erschütterung faktisch nur wenig Raum verbleibt.81 Mit fortgeschrittenen elektronischen Signaturen kann nicht der elektronischen Form, § 126a BGB, entsprochen werden, wohl aber einer gewillkürten elektronischen Form, § 127 Abs. 3 S. 1 BGB, die zwischen den Beteiligten vereinbart werden kann.82 Die eIDAS-VO verlangt darüber hinaus, dass einer elektronischen Signatur Fernsignatur. Dazu DIHK, Sichere (elektronische) Dokumente, S. 20; Michalek, IT-Administrator 10/2016, 100 (101). 75 Dazu im Einzelnen Jandt, NJW 2015, 1205 (1206 ff.); Roßnagel, NJW 2014, 3686 (3690 f.). 76 Art. 2 Abs. 3 eIDAS-VO. 77 Art. 25 Abs. 2 eIDAS-VO. Diese müssen zudem in allen Mitgliedstaaten als qualifizierte elektronische Signatur anerkannt werden, Art. 25 Abs. 3 eIDAS-VO. Diese Signaturen sind inländischen mithin vollständig gleichgestellt, Einsele, in: MüKO BGB, Bd. 1, § 126a, Rn. 20. 78 Die Ersetzbarkeit der Schriftform durch die elektronische Form kann vom Gesetzgeber jedoch ausgeschlossen werden, § 126 Abs. 3 Hs. 2 BGB, z. B. bei Formvorschriften, die primär Warnfunktion besitzen und damit dem Übereilungsschutz dienen, Einsele, in: MüKO BGB, Bd. 1, § 126, Rn. 23. 79 Bach, in: Vorwerk / ​Wolf, BeckOK ZPO, § 371a, Rn. 4. 80 Die Beweisregel des § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO wurde im Rahmen des eIDAS-Durchführungsgesetzes (eIDASDG), G. v. 18.07.2017 BGBl. I S. 2745, angepasst, vgl. Art. 10 Nr. 3 eIDAS-DG. Krit. zur fehlenden Aufnahme qualifizierter Siegel und Zeitstempel in die Regelung, Roßnagel, MMR 2018, 31 (35). 81 Ernstliche Zweifel an der Echtheit können wohl allenfalls mit einer unberechtigten Verwendung des Signaturschlüssels (z. B. durch Entwendung der Signaturerstellungseinheit) oder fehlerhafter Zertifikatzuordnung (z. B. bei unterlassener Sperrung eines Zertifikats) begründet werden, Bach, in: Vorwerk / ​Wolf, BeckOK ZPO, § 371a, Rn. 5. 82 Einsele, in: MüKO BGB, Bd. 1, § 127, Rn. 13.

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B. Technische Grundlagen 

die Zulässigkeit als Beweismittel nicht allein deshalb abgesprochen werden darf, weil sie lediglich in elektronischer Form vorliegt oder nicht die qualifizierten Anforderungen erfüllt.83 Nach den allgemeinen Grundsätzen des zivilprozessualen Beweisrechts können mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur signierte elektronische Dokumente als Augenscheinsobjekte gem. § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO in einem Gerichtsverfahren vorgelegt werden und unterliegen als solche der freien Beweiswürdigung des Richters gemäß § 286 Abs. 1 ZPO.84 Elektronische Siegel, die nicht einer natürlichen, sondern einer juristischen Person zugeordnet sind, genügen ebenso wenig der elektronischen Form, § 126a BGB. Beweisrechtlich gilt allerdings für qualifizierte elektronische Siegel gemäß den Bestimmungen der eIDAS-VO die umfassende rechtliche Vermutung der Unversehrtheit und Richtigkeit der Herkunftsangabe der Daten, mit denen diese verbunden sind.85 Durch diese rechtliche Vermutung wird den qualifizierten elektronischen Siegeln ein hoher Beweiswert zugewiesen,86 der über den Anscheinsbeweis hinausgeht und kein Äquivalent in der ZPO aufweist.87 Diese Vermutungsregel lässt sich nach der Rechtsprechung des EuGH nur durch den Beweis des Gegenteils der zu beweisenden Tatsache widerlegen.88 Diese weitreichende Beweisregel ist insbesondere hinsichtlich der Authentizität der verbundenen Daten aufgrund der inhärenten Missbrauchsgefahren durchaus kritisch zu beurteilen.89 Fortgeschrittenen elektronischen Siegeln kommt hingegen nicht dieselbe Beweiswirkung zu, sondern damit unterzeichnete elektronische Dokumente unterliegen der freien Beweiswürdigung des Richters, § 286 Abs. 1 ZPO.90

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Art. 25 Abs. 1 eIDAS-VO. Bacher, NJW 2015, 2753 (2759). Beweisrechtlich relevant kann sein, dass die von der BNetzA bei qualifizierten Signaturen für erforderlich gehaltenen Algorithmen und Parameter verwendet werden Jandt, NJW 2015, 1205 (1208); allg. Grigorjew, Beweiseignung fortgeschrittener elektronischer Signaturen, S. 321 ff. 85 Art. 35 Abs. 2 eIDAS-VO. Daneben ist die Beweisregel des § 371a Abs. 3 ZPO nicht für qualifiziert signierte öffentliche Dokumente anwendbar, Jandt, NJW 2015, 1205 (1209). 86 Jandt, NJW 2015, 1205 (1206); Grigorjew, Beweiseignung fortgeschrittener elektronischer Signaturen, S. 322. 87 Bacher, NJW 2015, 2753 (2759); dafür argumentierend, dass die Vermutungen der eIDASVO als Anscheinsbeweis verstanden werden sollten, Roßnagel, MMR 2016, 647 (652), ders., MMR 2018, 31 (35). 88 Jandt, NJW 2015, 1205 (1206). 89 Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass qualifizierte elektronische Siegel von natürlichen Personen im Außenverhältnis eingesetzt werden, die im Innenverhältnis nicht für die jur. Person als Siegelersteller vertretungsberechtigt sind, ohne dass sich dies vom Empfänger nachvollziehen lässt, da das zugrunde liegende Organisationszertifikat keine Angaben zur Vertretungsberechtigung enthält, Jandt, NJW 2015, 1205 (1206); ebenso Vogt, Information. Wissenschaft & Praxis 2016, 61 (67); Roßnagel, Das Recht der Vertrauensdienste, S. 28. 90 Vgl. Bacher, NJW 2015, 2753 (2759). 84

II. Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der E-Vergabe

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d) Elektronische Zeitstempel Insbesondere bei der fristgebundenen elektronischen Kommunikation bedarf es der beweissicheren Feststellung des Eingangszeitpunktes der übermittelten Daten. Zu diesem Zweck können elektronische Zeitstempel eingesetzt werden, die durch die Verknüpfung mit den empfangenen Daten als digitale Eingangsstempel dienen. Dadurch lässt sich der Nachweis erbringen, dass die verknüpften Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt existiert haben.91 Für qualifizierte elektronische Zeitstempel gilt gleichfalls die rechtliche Vermutung der Richtigkeit der Zeitangabe sowie der Unversehrtheit der verbundenen Daten.92 Voraussetzung dafür ist, dass die Datums- und Zeitangabe auf einer korrekten Zeitquelle basieren, die auf der koordinierten Weltzeit (UTC) beruht. Ferner muss der Zeitstempel derart mit den Daten verknüpft sein, dass die Möglichkeit der unbemerkten Veränderung der Daten nach vernünftigem Ermessen ausgeschlossen ist.93 Technisch erfolgt dies derzeit insbesondere durch die digitale Signierung der Daten bzw. aus Effizienzgründen von deren Hashwerten. Qualifizierte elektronische Zeitstempel müssen dabei mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur bzw. einem Siegel eines qualifizierten VDA signiert werden.94

II. Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der E-Vergabe Der Datenschutz war zwar schon in der Vergangenheit im Bereich des Vergaberechts beachtlich. Mit der Hinwendung zur E-Vergabe und der damit einhergehenden vermehrten Datenerhebung zeichnet sich jedoch zunehmend ein Spannungsverhältnis zwischen beiden Rechtsmaterien ab.95 Hinzu tritt, dass das Datenschutzrecht jüngst auf europäischer Ebene umfassend reformiert worden ist. Die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)96 bezweckt eine unionsweite Harmonisierung des Datenschutzes zur Schaffung eines gleichmäßigen und hohen Datenschutzniveaus in den Mitgliedstaaten.97 Als Verordnung ist sie gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV in all ihren Teilen verbindlich und entfaltet unmittel 91

Art. 3 Nr. 33 eIDAS-VO. Art. 41 Abs. 2 eIDAS-VO. 93 Art. 3 Nr. 34 i. V. m. Art. 42 eIDAS-VO. 94 Die eIDAS-VO ist in diesem Punkt allerdings technologisch offen und lässt auch die Verwendung „gleichwertiger Verfahren“ zu, wenn diese ein gleichwertiges Sicherheitsniveau bieten, vgl. Art. 42 Abs. 1 Nr. 3 eIDAS-VO sowie ErwGrd Nr. 62 eIDAS-VO. 95 Vgl. Siegel, LKV 2017, 385 (392). Gar von einer „direkten Kollision“ mit der Intention des Datenschutzes ausgehend Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (71); Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 179. 96 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG. Zur Entstehung: Schantz, NJW 2016, 1841 (1841). 97 Vgl. ErwGrde Nr. 9 ff. DS-GVO. 92

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B. Technische Grundlagen 

bare Geltung in den Mitgliedstaaten. Die DS-GVO reguliert das Datenschutzrecht umfänglich, allerdings nicht abschließend. Sie enthält partiell Öffnungsklauseln, die den nationalen Gesetzgebern Gestaltungsspielräume zur Konkretisierung bieten.98 Der Bundesgesetzgeber hat das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)99 entsprechend modifiziert.100 In Anbetracht des Umfangs der datenschutzrechtlichen Bestimmungen erweist sich die nachfolgende Darstellung nicht als erschöpfend, sondern zeigt lediglich kursorisch zentrale Maßgaben des reformierten Datenschutzrechts auf, die für die E-Vergabe bedeutsam sind. 1. Personenbezogene Daten Die Anwendbarkeit der Datenschutzbestimmungen der DS-GVO knüpft an die Verarbeitung personenbezogener Daten an. Dies sind solche Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (Betroffener) beziehen.101 Als personenbezogene Daten sind insbesondere persönliche Angaben zu qualifizieren, z. B. Name, Alter, Geschlecht, Anschrift, Geburtsdatum, Familienstand o. Ä.102 Die bloße Identifizierbarkeit einer Person dehnt den Anwendungsbereich erheblich aus.103 So weisen etwa die Telefon-, Versicherungs- oder Personal­ ausweisnummer einer natürlichen Person sowie deren Online-Kennungen, z. B. IP-Adressen,104 einen hinreichenden Personenbezug in diesem Sinn auf.105 Datenschutzrechtlich nicht erfasst werden hingegen vertrauliche, aber rein unternehmensbezogene Informationen, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.106 Einem hervorgehobenen Schutz unterliegen in der DS-GVO bestimmte sensible Informationen über eine Person. Dies bezieht sich auf sog. „besondere Kategorien

98 Eine Absenkung des materiellen Schutzstandards ist jedoch unzulässig, Schantz, NJW 2016, 1841 (1842). 99 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) v. 30.6.2017, BGBl. I S. 2097. 100 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU), BT-Drs. 110/17. Der Entwurf der Bundesregierung erfuhr Kritik in zahlreichen Punkten. Dazu Helfrich, ZD 2017, 97 (97 f.); Jensen, ZD-Aktuell 2017, 05596; Kuntz, MMR-Aktuell 2017, 389116. Daneben finden sich Datenschutzregelungen auf Länderebene und in spezialgesetzlich geregelten Materien. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die DS-GVO und das BDSG. 101 Vgl. Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Abs. 1 DS-GVO. 102 Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (6); Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 179. 103 Luedtke, Aspekte des Datenschutzes für die E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 19.7.2018. 104 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.10.2016, Rs. C-582/14, Rn. 34 ff. 105 Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (6). 106 Vgl. Die Vertraulichkeit dieser Daten wird im Rahmen des Vergabeverfahrens unmittelbar durch vergaberechtliche Bestimmungen geschützt, z. B. §§ 124 Abs. 9 lit. c), 128 Abs. 2 S. 2 GWB, Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (72) in Fn 6.

II. Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der E-Vergabe

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personenbezogener Daten“, z. B. solche, aus denen die rassische und ethnische Herkunft oder biometrische oder Gesundheitsdaten hervorgehen.107 Ferner betrifft dies „personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten“.108 Im Vergabeverfahren erlangen personenbezogene Daten eine maßgebliche Signi­ fikanz bei der Eignungsprüfung, in deren Rahmen die Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu prüfen ist.109 Insbesondere zur Feststellung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit kann der Auftraggeber  – neben unternehmens­ bezogenen Nachweisen – auch Belege verlangen, die einen unmittelbaren Bezug zu einer natürlichen Person aufweisen. Dies ist etwa bei der Forderung der namentlichen Nennung technischer Fachkräfte oder dem Verlangen von Studien- und Ausbildungsnachweisen, Lebensläufen oder Bescheinigungen über die Berufsausübungserlaubnis der Inhaber oder Führungskräfte des Unternehmens der Fall.110 Dabei können im Einzelfall besondere Kategorien personenbezogener Daten von Bedeutung sein, z. B. beim Erfordernis der Einreichung von Gesundheitszeugnissen bestimmter Mitarbeiter.111 Zudem können die als Nachweis vorzulegenden Referenzlisten Daten mit Personenbezug, z. B. Ansprechpartner, Projektleiter und Kontaktadressen etc. beinhalten.112 Ebenso sind im Kontext der Ausschlussgründe und von Selbstreinigungsmaßnahmen besonders sensible personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten einzelner Personen von Relevanz. Das künftig – ab einem geschätzten Auftragswert von 30.000 € – zwingend von öffentlichen Auftraggebern vor Zuschlagserteilung abzufragende Wettbewerbsregister des Bundes113 ist primär personenbezogen und enthält mitunter Angaben zu rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen, Strafbefehlen oder Bußgeldent-

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Vgl. die Anforderungen in Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Vgl. Art. 10 DS-GVO. 109 Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (72); Klipstein, Datenschutz und E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 10.12.2014; Willenbruch, Vergaberecht und Datenschutz, blog.cosinex.de v. 19.3.2013. 110 Vgl. § 46 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 6 VgV. Dazu auch Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (6). 111 Mit dem Bsp. der Vergabe eines Catering-Auftrags, Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (72). 112 Vgl. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV. Aus datenschutzrechtlicher Sicht liegt dabei jeweils bei der Erstellung der Referenzlisten durch ein Unternehmen und der Bewertung durch den Auftraggeber ein selbstständig zu beurteilender Verarbeitungsvorgang vor, der jeweils gesondert zu beurteilen ist, Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (6). Das OLG München hat insoweit angemerkt, „dass ein sachliches, im Vergaberecht […] allgemein anerkanntes Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Benennung eines Ansprechpartners für Referenzobjekte besteht, da andernfalls die behaupteten Referenzen und damit die Eignung des Bieters nicht überprüfbar wären. Dass sich daraus für die Bieter die Notwendigkeit ergibt, bei den Auftraggebern ihrer Referenzprojekte um die Einwilligung in die Weitergabe von Kontaktdaten nachzusuchen, macht die Anforderung nicht unzulässig.“, OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16 –, juris, Rn. 72. 113 Dies löst die Anfragen beim Gewerbezentralregister ab, aus welchem sich lediglich Angaben zur Zuverlässigkeit im gewerberechtlichen Sinn ergaben, sowie solche bei den Registern der Länder, vgl. Regierungsentwurf v. 24.4.2017, BT-Drs. 18/12051, S. 17. Im Kontext der E-Vergabe Siegel, LKV 2017, 385 (389); allg. Fülling / ​Freiberg, NZBau 2018, 259 (259 ff.); krit. zur Eintragung von Kartellrechtsverstößen: Dreher, NZBau 2017, 313 (314). 108

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B. Technische Grundlagen 

scheidungen, die gegen natürliche Personen in leitender Funktion114 ergangen und einem Unternehmen zuzurechnen sind.115 Im Vergabeverfahren können personenbezogene Daten ferner bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots Bedeutung erlangen. Die Organisation, Qualifi­ kation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals ist nunmehr ausdrücklich als Zuschlagskriterium berücksichtigungsfähig, sofern die Personalqualität erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.116 Für die Wertung kann daher die Abfrage der Lebensläufe, der Berufserfahrung oder der Dauer der Unternehmenszugehörigkeit einzelner Mitarbeiter erforderlich sein.117 Bei der Verwendung einer E-Vergabeplattform werden zudem regelmäßig personenbezogene Anmelde- bzw. Nutzerdaten, z. B. Benutzername und E-Mail-Adresse, verlangt sowie Nutzungsaktivitäten protokolliert, die Rückschlüsse auf Verhalten zulassen, z. B. Log-in, Plattformaktionen, Server-IP etc.118 Sofern die Plattform oder das Rechenzentrum nicht vom Auftraggeber selbst betrieben werden, sondern auf die technische Infrastruktur eines Dienstleisters zurückgegriffen wird, sind insoweit die Anforderungen der Auftragsverarbeitung beachtlich.119 2. Datenschutzrechtlich Verantwortliche Der personelle Anwendungsbereich der DS-GVO adressiert die datenschutzrechtlich Verantwortlichen, d. h. natürliche und juristische Personen, die – allein oder gemeinsam mit anderen – über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden.120 Die DS-GVO verfolgt einen einheit­lichen Ansatz bezüglich der datenschutzrechtlichen Pflichten bei der Daten­verarbeitung für öffentliche und nicht öffentliche Stellen.121 114 § 2 Abs. 3 S. 2 WRegG. Die Zurechnung von Rechtsverstößen natürlicher Personen zu Unternehmen richtet sich nach § 123 Abs. 3 GWB. Erforderlich ist eine leitende Stellung in der Unternehmensführung als Verantwortlicher, wozu auch die Ausübung von Kontrollbefugnissen zählt. Zu diesem Personenkreis dürften insb. Geschäftsführer, Prokuristen, Aufsichtsratsmitglieder, aber auch Compliance-Officer in leitender Funktion o.ä. gehören, Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (72). 115 Vgl. § 2 WRegG. 116 Vgl. § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VgV. 117 Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (6). 118 Luedtke, Aspekte des Datenschutzes für die E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 19.7.2018. 119 Vgl. Art. 4 Nr. 8 i. V. m. Art. 28 ff. DS-GVO; § 46 Nr. 8 i. V. m. §§ 62 ff. BDSG. Aus der Perspektive eines E-Vergabedienstleisters: Klipstein, Datenschutz und E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 10.12.2014. Zu den Einzelheiten s. Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (74 ff.); ders, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 190 ff.; allg. zum IT-Outsourcing und Bedeutung der Auftragsverarbeitung Petri, ZD 2015, 305 (305). 120 Vgl. Art. 4 Abs. 7, Abs. 8. 121 Buchner, DUD 2016, 155 (155).

II. Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der E-Vergabe

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In § 1 Abs. 1 BDSG wird der Anwendungsbereich dahingehend konkretisiert, dass zum einen öffentliche Stellen des Bundes (d. h. Behörden, Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen122) und der Länder123 erfasst sind, soweit der Datenschutz für letztere nicht durch Landesgesetz geregelt ist und diese Bundesrecht ausführen. Öffentliche Auftraggeber, § 99 GWB, sind damit in aller Regel als öffentliche Stellen zu qualifizieren.124 Die datenschutzrechtlichen Maßgaben gelten gleichfalls für nicht öffentliche Stellen, also natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, die personenbezogene Daten nicht nur aus persönlichen oder familiären Gründen verarbeiten.125 Davon erfasst sind regelmäßig sowohl private Sektorenauftraggeber, § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB, und Konzessionsgeber, § 101 Abs. 1 Nr. 3 GWB, als auch die am Verfahren teilnehmenden Unternehmen, die ihrerseits zur Einhaltung des Datenschutzrechts, insbesondere gegenüber ihren Mitarbeitern und Referenzgebern, verpflichtet sind.126 3. Zentrale Grundsätze der Datenverarbeitung Der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO erstreckt sich auf die ganz oder teilweise automatisierte sowie auf die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.127 Der Begriff der „Verarbeitung“ ist extensiv gefasst und bezieht sich auf jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder ausgeführte Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten.128 Jede personenbezogene Datenverarbeitung unterliegt insbesondere den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit, Transparenz, Zweckbindung sowie der Datenminimierung, die in Art. 5 Abs. 1 DS-GVO verbindlich aufgestellt werden.129 Die verantwortliche Stelle trifft gemäß dem nachfolgenden Absatz eine Rechenschaftspflicht, die Einhaltung der Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener 122

Vgl. § 2 Abs. 1 BDSG. Vgl. § 2 Abs. 2 BDSG. 124 Pauka, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 180 f. 125 § 1 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 2 Abs. 4 1 S. 1 BDSG. 126 Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (6). 127 Vgl. Art. 2 Abs. 1 DS-GVO. 128 Nicht abschließend wird das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung von Daten genannt, Art. 4 Abs. 2 DS-GVO. 129 Weiter sind dort die Grundsätze der Verarbeitung nach Treu und Glauben, der Richtigkeit der Datenverarbeitung, der Speicherbegrenzung sowie der Integrität und Vertraulichkeit niedergelegt, vgl. dazu im Einzelnen Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 183 ff. 123

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B. Technische Grundlagen 

Daten nachzuweisen. Die Auftraggeber müssen zu diesem Zweck ein Verzeichnis aller datenschutzrechtlich relevanten Verarbeitungstätigkeiten  – schriftlich oder in elektronischer Form  – anlegen.130 Als Ausdruck der fairen und transparenten Verarbeitung personenbezogener Daten bestehen daneben Informationspflichten gegenüber dem Betroffenen,131 mit denen bestimmte Betroffenenrechte, etwa auf Auskunft, korrespondieren.132 Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die zentralen Grundsätze der Rechtmäßigkeit, Zweckbindung und Datenminimierung, die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten im Vergabeverfahren von hervorgehobener Bedeutung sind. a) Rechtmäßigkeit Die DS-GVO normiert für die personenbezogene Datenverarbeitung ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt,133 d. h. eine solche ist grundsätzlich unzulässig, es sei denn, mindestens ein Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 UA. 1 lit. a)–f) DS-GVO liegt vor. Nachfolgend werden die Tatbestände näher untersucht, welche den Auftraggeber im Vergabeverfahren zur Verarbeitung personenbezogener Daten legitimieren134 können. Ein Rechtsgrund besteht für eine Datenverarbeitung, die erforderlich ist zur Vertragserfüllung135 oder zur Durchführung einer vorvertraglichen Maßnahme auf Anfrage der Betroffenen.136 Die zweite Alternative bezieht sich auf die Vorbe 130

Vgl. Art. 30 DS-GVO. ErwGrd Nr. 60 DS-GVO i. V. m. Art. 12–14 DS-GVO. Dazu im allg. ausführlich Franck, RDV 2016, 111 (115 ff.). Im Vergabehandbuch des Landes Brandenburg für die Vergabe von Leistungen (VHB-VOL Bbg) stehen Musterformulare bereit, mit denen den Informationspflichten der DS-GVO bei EU-weiten Vergabeverfahren entsprochen werden kann. Vgl. Formular 2.8 (Teilnahmewettbewerb) und Formular 3.9 (Angebotsphase) mit dem Titel: „EU und Information nach EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)“, online abrufbar unter: https://vergabe. brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.508691.de [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 132 Vgl. Art. 15–21 DS-GVO. Übersicht bei Sörup, ArbRAktuell 2016, 207 (207 f.). 133 Der Ansatz wird teilweise als zu pauschal („One-size-fits-all“) kritisiert und stattdessen ein risikobasierter Regelungsansatz präferiert, z. B. Schneider / ​Härting, ZD 2012, 199 (202); Veil, ZD 2015, 347 (348). Allerdings enthält die DS-GVO an verschiedenen Stellen auch risikobasierte Abstufungen. Für eine Vereinbarkeit der Ansätze: Buchner, DUD 2016, 155 (156 f.). 134 Unternehmen können sich bei Angabe personenbezogener Daten, etwa bei der Nachweisführung, im Vergabeverfahren im Verhältnis zu ihren Mitarbeitern regelmäßig auf das Bestehen eines berechtigten Interesses berufen. Art. 6 Abs. 1 UA. 1 lit. f) DS-GVO beinhaltet insoweit eine offen formulierte Interessenabwägungsklausel. Behörden und öffentlichen Stellen ist der Rückgriff auf diesen Erlaubnistatbestand hingegen verwehrt, soweit sie die Datenverarbeitung in Erfüllung ihrer Aufgaben vornehmen (dazu sogleich), Albers / ​Veit, in: Wolff / ​Brink, BeckOK Datenschutzrecht, DS-GVO, Art. 6, Rn. 46. 135 Dies dürfte v. a. in Bezug auf die Verarbeitung der Anmelde- und Nutzdaten relevant sein, da regelmäßig ein Nutzungsvertrag zwischen dem E-Vergabeplattformbetreiber und dem registrierten Nutzer geschlossen wird, vgl. Luedtke, Aspekte des Datenschutzes für die E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 19.7.2018. 136 Art. 6 Abs. 1 UA. 1 lit. b) DS-GVO. 131

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reitungsphase bzw. die Anbahnung eines Vertrags, wobei auf die zivilrechtlichen Grundsätze des § 311 Abs. 2 BGB als Anhaltspunkt abgestellt werden kann.137 Im Allgemeinen erstreckt sich der Rechtsgrund auf die umfangreiche Erfassung auch höchstpersönlicher Daten vor Vertragsschluss, auf deren Grundlage die potenziellen Vertragspartner die Entscheidung hinsichtlich des Vertragsschlusses treffen.138 Die Durchführung des Vergabeverfahrens dient gerade der Anbahnung bzw. Vorbereitung eines Vertrages über den öffentlichen Auftrag139 und kann damit grundsätzlich als vorvertragliche Maßnahme qualifiziert werden.140 Allerdings besteht der Rechtsgrund ausdrücklich nur gegenüber dem vom Vertrag „Betroffenen“. Da der Vertragsabschluss regelmäßig zwischen dem Unternehmen und dem Auftrag­geber erfolgt, umfasst dies nicht die im Verfahren übermittelten personenbezogenen Daten einzelner Mitarbeiter oder Referenzgeber.141 Ein Rechtsgrund besteht jedoch auch für die Datenverarbeitung, die für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, welche im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt.142 Die Aufgabenzuweisung muss durch eine unionsrechtliche oder nationale Rechtsvorschrift definiert werden und bestimmten staatlichen oder nichtstaatlichen Stellen zugewiesen sein.143 Im Vergaberecht ergibt sich insbesondere aus der Maßgabe des § 122 Abs. 1 GWB144 die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe der Auftraggeber, § 99 GWB, Aufträge ausschließlich an fachkundige und leistungsfähige, d. h. geeignete Unternehmen zu vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB145 ausgeschlossen worden 137

Albers / ​Veit, in: Wolff / ​Brink, BeckOK Datenschutzrecht, DS-GVO, Art. 6, Rn. 33. Frenzel, in: Paal / ​Pauly, DS-GVO, Art. 6, Rn. 15. 139 Vgl. die st. Rspr. des BGH zum Bestehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses ab Anforderung der Ausschreibungsunterlagen, BGHZ 139, 259 (261); 139, 273 (275); 139, 280 (283). 140 Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (8); Luedtke, Aspekte des Datenschutzes für die E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 19.7.2018. In der Literatur wird allerdings bezweifelt, ob diese „auf Anfrage der betroffenen Person“ erfolgt, Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (76). Dieses Merkmal bezweckt jedoch primär den – von der Situation im Vergabeverfahren abweichenden – Ausschluss der eigenmächtigen oder vorsorglichen Datenverarbeitung ohne konkretes zweiseitiges Näheverhältnis, Hattig / ​Oest, a. a. O. 141 Hattig / ​Oest, ebd.; Luedtke, Aspekte des Datenschutzes für die E-Vergabe, blog.cosinex. de v. 19.7.2018. 142 Vgl. Art. 6 Abs. 1 UA. 1 lit. e) DS-GVO; § 3 BDSG. Zur Abgrenzung der Abstellung auf das Bestehen einer Rechtspflicht, Art. 6 Abs. 1 UA. 1 lit. c) DS-GVO, Hattig / ​Oest, Vergabe​ Navigator 4/2018, 5 (9). Die Tatbestände stehen jedoch häufig in einer Wechselbeziehung, vgl. Buchner / ​Petri, in: Kühling / ​Buchner, DS-GVO, Art. 6, Rn. 114. 143 Vgl. Art. 6 Abs. 3 DS-GVO. Frenzel, in: Paal / ​Pauly, DS-GVO, Art. 6, Rn. 23. 144 Dies gilt auch bei der Konzessionsvergabe gem. § 152 Abs. 2 GWB sowie nach dem abweichenden Maßstab des § 142 Nr. 1 GWB für den Sektorenbereich. 145 Diese Bestimmungen dürften den besonderen Anforderungen des Art. 10 S. 1 DS-GVO genügen, wonach eine Datenverarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten u. a. nur vorgenommen werden, wenn „dies nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen vorsieht, zulässig ist.“ 138

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B. Technische Grundlagen 

sind.146 Daraus lässt sich die Pflicht ableiten, die Eignung anhand der festgelegten Kriterien zu prüfen und das Nichtbestehen der Ausschlussgründe festzustellen.147 Zu diesem Zweck besteht die Notwendigkeit, entsprechende Nachweise von den Unternehmen zu fordern, die – wie aufgezeigt – personenbezogene Daten enthalten können. In welcher Form die Geeignetheit zu belegen ist, ergibt sich konkretisierend aus den einzelnen Bestimmungen der Vergabeverordnungen, die einen hinreichenden Rechtsgrund für die Datenverarbeitung bilden.148 Einschränkend ist jedoch stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur beachten, nach dem die Datenverarbeitung auf ein zur Erreichung des legitimen Zwecks erforderliches und angemessenes Maß zu beschränken ist.149 Sofern für eine Datenerhebung kein gesetzlicher Erlaubnistatbestand vorliegt, bedarf es der Einwilligung des Betroffenen.150 Erforderlich ist eine freiwillige, unmissverständliche Willensbekundung in Kenntnis aller Umstände durch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung.151 Diese kann in elektronischer oder mündlicher Form abgegeben werden,152 wobei eine eindeutige bestätigende Handlung in Form der aktiven Zustimmung notwendig ist.153 An die Freiwilligkeit sind hohe Anforderungen zu stellen.154 Insbesondere kann diese in Zweifel gezogen werden, wenn ein klares Ungleichgewicht zwischen Betroffenen und Verantwortlichen besteht.155 Der Betroffene kann seine Einwilligung zudem jederzeit widerrufen. b) Zweckbindung Personenbezogene Daten dürfen nur zu einem festgelegten, eindeutigen und legitimen Zweck verarbeitet werden.156 Diese Bindung der Datenverarbeitung an einen klar definierten Zweck bildet einen der wesentlichen Grundsteine des Daten 146

Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (9); Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 185. Opitz, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, GWB, § 122, Rn. 15. 148 Vgl. §§ 44 ff. VgV; §§ 45 f. SektVO; §§ 25 f. KonzVgV, dazu auch Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 185 f. Gleiches gilt z. B. in Bezug auf die in Anbetracht von § 127 GWB erforderliche Prüfung der Zuschlagskriterien anhand entsprechender Nachweise, vgl. Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (9). 149 Vgl. dazu Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (9). 150 Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 183. 151 Art. 6 Abs. 1 UA. 1 lit. a) i. V. m. Art. 4 Abs. 11, Art. 7 DS-GVO. Die Möglichkeit einer konkludenten Einwilligung bestand zuvor nicht, Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (74). 152 ErwGrd Nr. 32 S. 1 DS-GVO. 153 Unzulässig sind demnach sog. Opt-out-Varianten, bei denen die Einwilligung widerrufen werden muss, z. B. ein bereits „angekreuztes“ bzw. „angeklicktes“ Feld, begrüßend Buchner, DUD 2016, 155 (158). 154 Vgl. Art. 7 DS-GVO. Krit. zu „versteckten“ Anforderungen der ErwGrde, Gierschmann, ZD 2016, 51 (54). 155 Dies soll v. a. der Fall sein, wenn der Verantwortliche eine Behörde ist. Nach den Erwägungen des Unionsgesetzgebers sei es unwahrscheinlich, dass die Einwilligung freiwillig gegeben wurde, ErwGrd Nr. 34 S. 1 DS-GVO vgl. ErwGrd Nr. 34 S. 2 DS-GVO. 156 Art. 5 Abs. 1 lit. b). 147

II. Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der E-Vergabe

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schutzrechts157. Dessen Legitimität kann sich aus der Einwilligung oder aus der gesetzlichen Grundlage ergeben.158 Der Zweckbindungsgrundsatz verlangt, dass die personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck verwendet werden, für den sie erhoben worden sind, d. h. eine weitergehende Nutzung ist grundsätzlich nicht gestattet.159 So berechtigen die vergaberechtlichen Bestimmungen zur Prüfung der Eignung den Auftraggeber zwar zum Verlangen bestimmter Nachweise, die mitunter auch personenbezogene Daten enthalten können. Die Verarbeitung dieser Daten ist jedoch ausschließlich zu diesem Zweck und nur im konkreten Verfahren legitimiert.160 Ein Rechtsgrund für die Aufbewahrung der Daten über das Vergabeverfahren hinaus kann jedoch aus den vergaberechtlichen Dokumentationspflichten im Vergabevermerk oder anderen, z. B. steuerrechtlichen, Rechtsnormen abgeleitet werden, die zwingende Aufbewahrungsfristen beinhalten.161 Besteht hingegen kein hinreichender Rechtsgrund mehr für die Speicherung, sind die personenbezogenen Daten zu löschen.162 c) Datenminimierung Die Datenminimierung gebietet es, die Verarbeitung personenbezogener Daten qualitativ und quantitativ auf ein möglichst geringes Maß zu beschränken, das dem Zweck angemessen ist.163 Der Grundsatz sollte nicht nur das Leitbild für das Verlangen von Daten, die einen Bezug zu natürlichen Personen aufweisen, im Vergabeverfahren bilden,164 sondern auch die Zielvorgabe bei der Einrichtung des internen Workflows sowie bei der technischen Ausgestaltung der verwendeten E-Vergabesysteme darstellen.165 Der allgemeine Grundsatz wird in den Konzepten des Datenschutzes durch Technik (Privacy-by-Design) und der datenschutzfreundlichen Voreinstellungen (Privacy-by-Default) näher konkretisiert.166 Ersteres erfordert, dass bereits im Stadium der Programmierung und der Konzipierung der Verarbeitungsprozesse und -technik der Datenschutz hinreichend durch entsprechende technische 157 Schantz, in: Wolff / ​Brink, BeckOK Datenschutzrecht, DS-GVO, Art. 5, Rn. 12. Die Fortschreibung der starken Zweckbindung des Datenschutzrechts wurde von Big Data-Befürwortern kritisch gesehen. Dazu Buchner, DUD 2016, 155 (156 f.). 158 Frenzel, in: Paal / ​Pauly, DS-GVO, Art. 5, Rn. 28. 159 Luedtke, Aspekte des Datenschutzes für die E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 19.7.2018. 160 Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 186. 161 Z. B. § 8 Abs. 4 VgV. Pauka / ​Kemper, NZBau 2017, 71 (74); ders. in: v. Beust et al., eVergabe, S. 186. 162 Zur Sicherstellung sollten die Auftraggeber – ggf. in Absprache mit ihrem zu benennenden Datenschutzbeauftragten, vgl. Art. 37 Abs. 1 lit a) DS-GVO, § 5 Abs. 1 BDSG, – ein Lösch­ konzept für die im Verfahren erhobenen personenbezogenen Daten erstellen, Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 186. 163 Vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. c). DS-GVO, Frenzel, in: Paal / ​Pauly, DS-GVO, Art. 5, Rn. 34. 164 Maßgeblich ist die Kontrollfrage, ob anzuerkennen ist, dass die Daten erforderlich erscheinen, um den Zweck zu erreichen, Frenzel, in: Paal / ​Pauly, DS-GVO, Art. 5, Rn. 35. 165 Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 184 f. 166 Vgl. Art. 25 DS-GVO. Ausführlich auch Baumgarnter / ​Gausling, ZD 2017, 308 (311).

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B. Technische Grundlagen 

und organisatorische Maßnahmen berücksichtigt wird.167 Gewissermaßen als Fortführung sind die Datenverarbeitungssysteme mit datenschutzfreundlichen Voreinstellungen zu versehen, sodass nur das für den Zweck erforderliche Mindestmaß an personenbezogenen Daten verarbeitet wird.168 Diese Anforderungen sollten bei der Beschaffung einer E-Vergabelösung in den Zuschlagskriterien oder als besondere Bedingungen für die Auftragsausführung Berücksichtigung finden.169 4. Rechtsfolgen bei Datenschutzverstößen Bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht drohen dem Verantwortlichen Bußgelder in Höhe von bis zu 20 Mio. € oder bis zu 4 % des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes.170 Öffentliche Auftraggeber als Behörden und sonstige öffentliche Stellen sind zwar grundsätzlich von dieser Sanktionierung ausgenommen,171 aber gegen sie können – anders als bislang – gleichwohl Verwarnungen und beschränkende Anordnungen der Datenschutzaufsichtsbehörden ergehen.172 Ferner bestehen bei Datenschutzverletzungen Ansprüche der Betroffenen. Diesen steht mitunter ein Recht auf Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung bzw. Berichtigung der personenbezogenen Datenverarbeitung zu.173 Sie können ferner Beschwerde bei der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde einlegen174 und nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen Unterlassung verlangen.175 Des Weiteren kann ein Betroffener sowohl datenschutzrechtliche als auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen den Verantwortlichen geltend machen, sofern ihm hierdurch ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist.176 Für ein am Vergabeverfahren als Bewerber bzw. Bieter beteiligtes Unternehmen kann ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen – neben diesen Sanktionen – auch Auswirkungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren entfalten. Die Missachtung des Datenschutzrechts kann – je nach Schwere und Ausmaß – unter 167 Bspw. durch die Integration sog. Privacy Enhancing Technologies (PETs), Martini, in: Paal / ​Pauly, DS-GVO, Art.  25, Rn.  10; Baumgarnter / ​Gausling, ZD 2017, 308 (309). 168 Baumgarnter / ​Gausling, ZD 2017, 308 (312). 169 I.d.S. und zusätzlich auch noch auf den Grundsatz der Speicherbegrenzung abstellend, Art. 5 Abs. 1 lit. c) DS-GVO, Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 185. 170 Vgl. Art. 83 Abs. 5 DS-GVO i. V. m. § 41 BDSG. 171 Art. 87 Abs. 7 DS-GVO i. V. m. § 43 Abs. 3 BDSG. 172 Vgl. Art. 58 Abs. 2 lit. lit. b), f) DS-GVO i. V. m. § 16 Abs. 1 BDSG. 173 Art. 16 ff. DS-GVO i. V. m. §§ 32 ff. BDSG, vgl. Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 187. Näheres zu den Ansprüchen im Einzelnen bei Franck, RDV 2016, 111 (114 f.). Die Aufsichtsbehörde ist bei Nichteinhaltung ggf. berechtigt, die Durchsetzung von Betroffenenrechten anzuordnen, Art. 58 Abs. 2 lit. c) DS-GVO. 174 Art. 77 Abs. 1 DS-GVO. 175 §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. der Datenschutzbestimmung bzw. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Franck, RDV 2016, 111 (113). 176 Vgl. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO sowie § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. der Datenschutz­ bestimmung.

II. Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der E-Vergabe

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Umständen als schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB zu qualifizieren sein, durch welche die Integrität des Unternehmens bei der Eignungsprüfung in Frage gestellt wird.177

177 Dazu auch Pauka, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 187; Hattig / ​Oest, VergabeNavigator 4/2018, 5 (5).

C. Entwicklung des Rechtsrahmens für die E-Vergabe I. Zulassung elektronischer Kommunikationsmittel im Vergabeverfahren 1. Entwicklung auf europäischer Ebene Vor dem Hintergrund nationaler Abschottung sowie der Zersplitterung der Märkte im Bereich der Staatsbeschaffung und in Anbetracht gänzlich unterschiedlicher Rechtstraditionen1 zielte der europäische Gesetzgeber mit der Forderung von europaweiten Ausschreibungen auf eine Öffnung innerhalb des Binnenmarktes, um neue wirtschaftliche Impulse zu setzen.2 Die Geltung der Grundfreiheiten mit ihrer rein negativen Integrationswirkung hatte sich als unzureichend erwiesen.3 Bereits im Jahr 1971 wurde daher die Richtlinie zur Koordinierung öffentlicher Bauaufträge4 erlassen.5 Die umfassende rechtliche Harmonisierung begann jedoch erst mit der Schaffung der vier materiellrechtlichen Vergabekoordinierungsrichtlinien6 sowie der zwei Rechtsmittelrichtlinien7 Anfang der 1990er Jahre.8 Zur Kommunikation im Vergabeverfahren waren darin in Anbetracht des technischen Standes zu dieser Zeit zunächst einzig analoge Kommunikationsmittel vorgesehen. 1

Heinze, Die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge, S. 52. Schäfer, BB 1996, Beilage 12, 1 (6); Schäfer, in: Kilian / ​Heussen, ComputerR-HdB, Teil 19, Rn. 19. 3 Höfferer; Vergaberecht als praktikables Regulativ, S. 58. 4 Richtlinie 71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge. 5 Schäfer, BB 1996, Beilage 12, 1 (6). 6 Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge; Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge; Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge und Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor. 7 Vgl. Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge und Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor. 8 Fehling, in: Pünder / ​Schellenberg, Vergaberecht, 2. Aufl., GWB § 97, Rn. 7: Schäfer, in: Kilian / ​Heussen, ComputerR-HdB, Teil 19, Rn. 20; ders., FS Kilian, S. 762. 2

I. Zulassung elektronischer Kommunikationsmittel 

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a) Entstehung von TED und SIMAP Erste Ansätze der Digitalisierung im Vergabeverfahren erfolgten nicht auf legislativer Ebene, sondern durch die elektronische Bereitstellung des Supplements zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft9 für das europäische öffentliche Auftragswesen in Form der zentralen Bekanntmachungsplattform TED (Tenders Electronic Daily). Mithilfe von TED konnten Bekanntmachungen – zunächst ergänzend10 – elektronisch europaweit veröffentlicht und von interessierten Wirtschaftsteilnehmern gesucht werden.11 Damit sollte der „Papierflut“12 entgegengewirkt werden, die durch das Erfordernis der europaweiten Ausschreibungen entstanden war.13 Allerdings erwies sich auch TED in der Praxis anfänglich noch als defizitär, da Unklarheiten bei der Klassifizierung und der Spezifikation von Suchbegriffen bestanden.14 Aufbauend auf diesen Erfahrungen wurde das elektronische Informationssystem zur elektronischen Erstellung und Übermittlung von Bekanntmachungen für öffentliche Aufträge (SIMAP15) im Jahr 1993 von der Kommission geschaffen.16 SIMAP setzte sich aus vier Hauptkomponenten zusammen, namentlich der elektronischen Unterstützung der Informationsverbreitung bzw. Recherche, der statistischen Marktbeobachtung sowie dem Datenaustausch sowohl zwischen öffentlichen Auftraggebern als auch der Industrie.17 Ziel war es, die Transparenz der öffentlichen Beschaffungsmärkte zu erhöhen, indem das Informationsangebot in Bezug auf die elektronische Übermittlung und Verbreitung von Auftragsbekanntmachungen insgesamt verbessert und schneller zugänglich gemacht werden sollte.18 SIMAP entwickelte sich alsbald zum Arbeitsrahmen für die Entwicklung des europäischen elektronischen Vergabewesens, das eine Vielzahl unterschiedlicher (Pilot-)Projekte beinhaltete. 9

Auch: Reihe S, Amtsblatt S oder ABl. S.  Im April 1999 wurde die papiergebundene Fassung des Supplements zum Amtsblatt endgültig eingestellt, Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 62. 11 Zudem bot die Plattform auch Informationen über Ausschreibungen in 66 AKP-Staaten (Afrika, Karibik und Pazifischer Raum) sowie in Japan und (probeweise) in den USA, Schäfer, BB 1996, Beilage 12, 1 (17). 12 So bezeichnend Schäfer, in: Kilian / ​Heussen, ComputerR-HdB, Teil 19, Rn. 52. 13 Das Supplement des Amtsblatts, in dem die Bekanntmachungen bis dahin ausschließlich in Papierform veröffentlicht worden waren, umfasste nach Angaben der Kommission bereits Anfang der 1990er Jahre täglich etwa 300 Seiten, die 400–600 Ausschreibungen enthielten. Diese nahezu unüberschaubare Vielzahl von Bekanntmachungen erschwerte eine strukturierte Suche möglicher Interessenten deutlich und erwies sich so als wettbewerbshinderlich. Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 61 f. 14 Schäfer, BB 1996, Beilage 12, 1 (17), ähnl. auch Frank, Die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union, S. 250. 15 Système d’ Information pour les Marchés Publics. 16 Schäfer, in: Kilian / ​Heussen, ComputerR-HdB, 34. EL, Teil 19, Rn. 52. 17 Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 57. 18 Grünbuch der Kommission zum öffentlichen Auftragswesen der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft, KOM (1996) 583, S. 31 f. Dazu auch Schäfer, BB 1996, Beilage 12, 1 (17). 10

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C. Entwicklung des Rechtsrahmens für die E-Vergabe

b) Internationale Entwicklungen als Impulsgeber Im Jahr 1994 wurde in den USA der Federal Acquisition Streamlining Act (FASA) erlassen, der für öffentliche Aufträge mit geringem finanziellen Volumen19 den Einsatz elektronischer Mittel verbindlich vorschrieb.20 In demselben Jahr erschien der Bericht des EG-Kommissars Bangemann mit Empfehlungen an den Europäischen Rat für den Ausbau von Informationstechnologien in Europa. Dieser identifizierte elektronische Auftragsausschreibungen zur effizienteren Gestaltung der öffentlichen Verwaltung als ein wesentliches Handlungsziel für die Zukunft.21 In der Folge wurde auch in der EG zunehmend Handlungsbedarf zur Öffnung des Vergabewesens für elektronische Mittel im Hinblick auf die globale technische Wettbewerbsfähigkeit gesehen.22 In ihrem Grünbuch von 1996 beschrieb die Kommission ihre Vision für das zukünftige Beschaffungswesen, das „zweifellos in einem vollelektronischen Aus-schreibungssystem“ liege.23 Den entscheidenden Anstoß24 für die Öffnung des Vergabeverfahrens für die neuen Kommunikationsformen stellt das mit Beschluss 94/800/EG25 des Rates genehmigte Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA)26 der Welthandelsorganisation dar, welches am 1. Januar 1996 in Kraft trat. Das Abkommen ließ in seiner ursprünglichen Fassung vom 15. April 1994 erstmals den Einsatz des Telefaxes als Kommunikationsmittel neben der Schriftform, vgl. Art. XIII Abs. 1 a) GPA, zu. Mit dieser technischen Öffnung setzte das Abkommen einen bedeutenden Antrieb für den Einsatz neuer Kommunikationsmittel auch für das europäische Vergaberecht,27 denn aus den internationalen Vorgaben entstand ein Anpassungs- und Ergänzungsbedarf im bis dahin bestehenden europäischen Vergaberechtsregelwerk.28

19

Beschaffungsvolumina von 2.500–100.000 US-Dollar, vgl. Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 61. 20 Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 60 f. In der Praxis stieß die Regelung auf erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten, Schäfer, FS Kilian, S. 767; ähnl. auch Noch, in: Noch, e-Vergabe in der Praxis, S. 5. 21 Vgl. Bangemann et al., Europa und die globale Informationsgesellschaft, S. 28. 22 Schäfer, FS Kilian, S. 767. 23 Grünbuch der Kommission zum öffentlichen Auftragswesen der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft, KOM (1996) 583, S. 33. 24 Mit der Bezeichnung als „Urknall“ Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht. S. 218. 25 Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche. Der völkerrechtliche Vertrag ersetzte den seit 1979 bestehenden „GATT-Kodex für Regierungskäufe“ und erweiterte gleichzeitig dessen Anwendungsbereich, Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S.  53 f. 26 „Agreement on Government Procurement“. 27 Schäfer, in: Kilian / ​Heussen, ComputerR-HdB, Teil 19, Rn. 13; Rn. 58; Rn. 63 ff.; Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  207 f. 28 Höfler, NZBau, 2000, 449 (452).

I. Zulassung elektronischer Kommunikationsmittel 

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c) Zulassung elektronischer Angebote Auf den Abschluss des Abkommens folgend wurden in kurzen zeitlichen Abständen die Änderungsrichtlinien 97/52/EG29 und 98/4/EG30 erlassen. Die bestehenden Richtlinien wurden dahingehend modifiziert, dass die Mitgliedstaaten die Übermittlung von Angeboten auf andere Weise als in schriftlicher Form zulassen durften.31 Damit erhielten die Mitgliedstaaten die Befugnis, auch die Abgabe elektronischer Angebote im Vergabeverfahren zu ermöglichen. Die später erlassene Sektorenrichtlinie 98/4/EG enthielt erstmals in Art. 1 Nr. 7 a) RL 98/4/EG den Zusatz, dass Anträge auf Teilnahme „in sonstiger Weise elektronisch“ übermittelt werden können.32 Allerdings stand die technische Öffnung für andere Kommunikationsmittel durch die Änderungsrichtlinien unter dem Vorbehalt der Einhaltung der Vollständigkeit sowie der Wahrung der Vertraulichkeit der Angebote, der Gewährleistung der Angebotsöffnung erst nach Fristablauf und der schriftlichen Bestätigung des Angebots, soweit dies aus Gründen des rechtlichen Nachweises erforderlich ist.33 Dieses Erfordernis behinderte die rein elektronische Angebotsübermittlung in der Praxis, wurde allerdings als erforderlich angesehen, da elektronischen Dokumenten bis zum späteren Erlass der Signaturrichtlinie 1999/93/ EG34 keine ausreichende Beweisfunktion zugemessen wurde.35 Nachfolgend erweiterte die Kommission das Angebot des SIMAP-Systems für Auftraggeber durch elektronische Standard-Formulare zur Auftragsbekanntmachung sowie um die Möglichkeit, online ein Auftraggeberprofil einzurichten.36 Mit dem nachfolgenden Erlass der Standardformularrichtlinie37 wurden die Bekanntmachungsmus 29

Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge. 30 Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor. 31 Der jeweils gleichlautende Wortlaut wurde ergänzt: Änderung der RL 92/50/EWG durch Einfügung des Art. 23 Abs. 2, vgl. Art. 1 Nr. 6 RL 97/52/EG; Änderung der RL 93/36/EWG durch Einfügung des Art. 15 III, vgl. Art. 2 Nr. 5. RL 97/52/EG; Änderung der RL 93/37/EWG durch Einfügung des Art. 18 Abs. 2, vgl. Art. 3 Nr. 5 RL 97/52/EG sowie die Änderung der RL 93/38/EWG durch Einfügung des Art. 28 Abs. 5, vgl. Art. 1 Nr. 7 RL 98/4/EG. 32 Die RL 97/52/EG habe zuvor noch wie den „leibhaftigen Gottseibeiuns“ die Nennung von elektronischen Mitteln gemieden, so Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht. S. 218. 33 Ausführlich Höfler, NZBau 2000, 449 (452); s. a. Antweiler, CR 2001, 717 (718); Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  208. 34 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen. 35 Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 61. 36 Mitteilung der Kommission, Das öffentlichen Auftragswesen in der Europäischen Union, KOM (98) 143, S. 25 f.; s. auch dazu Heiermann / ​Ax, BB 1998, 1541 (1547). 37 Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 zur Änderung des Anhangs IV der Richtlinie 93/36/EWG des Rates, der Anhänge IV, V und VI der Richtlinie 93/37/ EWG des Rates, der Anhänge III und IV der Richtlinie 92/50/EWG des Rates, in der durch

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C. Entwicklung des Rechtsrahmens für die E-Vergabe

ter38 für öffentliche Aufträge in den Anhängen der Vergabekoordinierungsricht­linien ersetzt, vereinfacht und an die elektronischen Bekanntmachungsmöglichkeiten von SIMAP angepasst.39 Ziel war es, durch die verpflichtende Nutzung der einheitlichen Standardformulare die Qualität der Auftragsbekanntmachungen zu optimieren und die Transparenz zu verbessern.40 Einerseits bedeutete dies für Auftragnehmer, dass sie einfacher und schneller für sie relevante Online-Bekanntmachungen mithilfe von automatisierten Suchwerkzeugen finden konnten. Andererseits wurde Auftraggebern die Einhaltung der Vorschriften zur Bekanntmachung erleichtert.41 Ergänzend zur Standardformularrichtlinie wurde die CPV-Verordnung (EG) Nr. 2195/200242 erlassen. Diese schrieb die Verwendung von sog. CPV-Codes für die Auftragsbekanntmachungen verpflichtend43 vor,44 um diese transparenter zu gestalten.45 die Richtlinie 97/52/EG geänderten Fassung, sowie der Anhänge XII bis XV, XVII und XVIII der Richtlinie 93/38/EWG des Rates, in der durch die Richtlinie 98/4/EG geänderten Fassung, ABl. L 285 vom 29.10.2001. Die Richtlinie wurde im Jahr 2005 von der unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbaren Verordnung Nr. 1564/2005 abgelöst, die mittlerweile durch die Verordnung Nr. 842/2011 ersetzt worden ist, Noch, in: Schulze / ​Zuleeg / ​Kadelbach, Europarecht, § 29, Rn. 73. 38 Bis dahin bestand lediglich eine Empfehlung sowie eine Mitteilung der Kommission zur freiwilligen Nutzung von Standardvordrucken für die Bekanntmachung von öffentlichen Liefer- und Bauaufträgen, die vor allem für eine einheitliche Terminologie zur besseren Verständlichkeit und Erleichterung der Veröffentlichung sorgen sollten, vgl. Empfehlung 91/561/EWG der Kommission vom 24.10.1991 über die Standardisierung der Bekanntmachung öffentlicher Aufträge, ABl. L 305 vom 6.11.1991, S. 1; Mitteilung der Kommission über die Vordrucke, die von den vom Inkrafttreten der Richtlinie 90/531/EWG betroffenen öffentlichen Auftraggebern zu benutzen sind, ABl. S 252 A vom 30.12.1992, S. 1. 39 ErwGrd Nr. 3 Richtlinie 2001/78/EG. 40 ErwGrd Nr. 3 Richtlinie 2001/78/EG. 41 Ohne die Verwendung einheitlicher Formulare waren die Bekanntmachungen häufig unvollständig und fehlerhaft erfolgt, vgl. Pressemitteilung der Kommission v. 17.9.2001, NZBau 2002, 24 (24). 42 Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV). 43 Ähnlich wie bei der Verwendung von Standardvordrucken bestand zunächst lediglich eine Empfehlung der Kommission zur Auftragsbezeichnung mittels des CPV-Codes, vgl. Empfehlung der Kommission vom 30. Juli 1996 über die Verwendung des Gemeinsamen Vokabulars für öffentliche Aufträge (CPV) zur Beschreibung des Auftragsgegenstands. 44 Zuletzt sind die CPV-Codes umfassend durch die Änderungsverordnung Nr. 213/2008 aktualisiert worden, vgl. Verordnung (EG) Nr. 213/2008 der Kommission vom 28. November 2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) und der Vergaberichtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2004/17/EG und 2004/18/EG im Hinblick auf die Überarbeitung des Vokabulars. 45 Dem Legislativakt war bereits seit Mitte der 1990er Jahre die Entwicklung eines einheitlichen und differenzierten alphanumerischen Klassifizierungssystems als Gemeinsames Vokabular für öffentliche Aufträge (Common Procurement Vocabulary) durch die Kommission vorausgegangen. Bis zur Festschreibung der einheitlichen CPV-Codes divergierten die Beschreibungen der Auftragsgegenstände allerdings in den unterschiedlichen Richtlinien Schäfer, in: Kilian / ​ Heussen, ComputerR-HdB, Teil 19, Rn. 111.

I. Zulassung elektronischer Kommunikationsmittel 

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2. Öffnung des nationalen Rechtsrahmens In Deutschland wurden die europäischen Richtlinienvorgaben verspätet in der Vergabeverordnung zum 1. Februar 2001 umgesetzt.46 Zuvor hatte sich bereits auf politischer Ebene die Bereitschaft für die elektronische Öffnung des Vergabe­ verfahrens abgezeichnet.47 Des Weiteren waren die Voraussetzungen für die Rechtswirkungen von elektronischen Erklärungen im Zivilrecht sowie mit der Neufassung des Signaturgesetzes48 und dem Erlass einer Signaturverordnung die technischorganisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen worden.49 Gemäß der zentralen Vorschrift des § 15 VgV (2001) stand die Zulassung von elektronischen Angeboten im Ermessen der Auftraggeber.50 Die digitalen Angebote51 mussten mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des SigG (2001) versehen und verschlüsselt werden. Letztere musste bis zum Ende der Angebotseinreichungsfrist aufrechterhalten werden.52 An einer rechtlich verbindlichen Festlegung für die technischen Anforderungen an die Verschlüsselung und Aufbewahrung fehlte es hingegen.53 Mit dem geringen Regelungsumfang sollte wohl bewusst ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der für weitere Entwicklungen offen

46 Malmedier, VergabeR 2001, 178 (178 f.). Zuvor waren bereits die Verdingungsordnungen VOB / ​A und VOL / ​A um Vorschriften zur elektronischen Angebotsabgabe ergänzt worden, § 21 Abs. 1 S. 2 VOB / ​A (2000); § 21 Nr. 3 VOL / ​A (2000). 47 Im Aktionsprogramm „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wurde im Jahr 1999 die Auftragsvergabe über das Internet als ein wesent­ liches Element der Verwaltungsmodernisierung betont. Ferner bildete das Projekt „Öffent­ licher Eink@uf Online“ eines der Leitprojekte der im Jahr 2000 vorgestellten Initiative „Bund Online 2005“ vgl. Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 87 ff. Aus dem Projekt ging die E-Vergabe-Plattform des Bundes hervor, die bis heute existiert: https://www.evergabe-online. de/ [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 48 Deutschland hatte bereits 1997 und damit vor Erlass der europäischen Signaturrichtlinie ein Signaturgesetz (SigG) geschaffen, um sicherzustellen, dass ein Dokument einer natürlichen Person eindeutig zugeordnet werden kann. Eine rechtliche Anerkennung ging damit allerdings noch nicht einher. Mit der Änderung des Signaturgesetzes im Jahr 2001 reagierte der Gesetzgeber auf die neuen Richtlinienvorgaben, Noch, in: ders., e-Vergabe in der Praxis, S. 8 ff. 49 Vgl. §§ 126a, 126b, 127 BGB und § 292a ZPO, Denk / ​Paul / ​Roßnagel / ​Schnellenbach-Held, NZBau 2004, 131 (131), s. a. Lott, JurPC Web-Dok. 36/2006, Abs. 4. 50 Umstritten war zum damaligen Zeitpunkt, ob das Ermessen dahingehend ausgeübt werden kann, ausschließlich elektronische Angebote zu verlangen, Malmedier, VergabeR 2001, 178 (181), a. A. Mosbacher, DÖV 2001, 573 (576), ausführlich dazu Heinze, Die elektronische Vergabe, S. 103 ff. 51 Nicht eindeutig ließ sich dem Wortlaut entnehmen, ob die Angebote vollständig elektronisch erfolgen müssen, Höfler, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 85 ff. Zur Zulässigkeit von Kombinationsmöglichkeiten, insb. dem sog. Mantelbogenverfahren, Burgi, VergabeR 2006, 149 (157). 52 Vgl. § 15 S. 2 Hs. 2 VgV (2000). 53 Durch die Zurückhaltung des Verordnungsgebers in dieser Hinsicht wurde für die Vergabe­ stellen eine nicht unbeträchtliche Rechts- und Investitionsunsicherheit geschaffen, krit. dazu Malmedier, VergabeR 2001, 178 (183).

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C. Entwicklung des Rechtsrahmens für die E-Vergabe

ist.54 In der Praxis erwies sich vor allem das Erfordernis der qualifizierten Signatur für die elektronische Angebotsabgabe als hinderlich. Insbesondere die Notwendigkeit der Zertifizierung jeder einzelnen Person, die Erklärungen im Verfahren abgeben sollte, und die erforderliche Hardware waren für Unternehmen mit Schwierigkeiten im Betriebsablauf sowie mit hohem Aufwand verbunden.55

II. Gleichstellung der elektronischen Kommunikation 1. Europäische Vergaberechtsreform 2004 Während in Deutschland der Vergaberechtsrahmen erst für die Zulassung elektronischer Kommunikation im Vergabeverfahren geöffnet wurde, legte die Kommission bereits im Jahr 2000 die Vorschläge für ein umfassendes Richtlinienpaket vor, das die Zusammenfassung der Richtlinien über die Koordinierung von Bau­ leistungen, Lieferungen und Dienstleistungen in einer einzigen Basisrichtlinie und die Neufassung der Sektorenkoordinierungsrichtlinie vorsah.56 Beide Richtlinienvorschläge enthielten die Gleichstellung von elektronischen mit den bis dahin zulässigen „klassischen“ Mitteln zum Informations- und Kommunikationsaustausch. In ihrem flankierenden Aktionsplan eEurope 2005, der den – vor allem auf den Ausbau und Zugang von Breitbandzugängen abzielenden – Aktionsplan eEurope 200257 ablöste, legte die Kommission ihre Zielvorstellung dar, wonach bis zum Jahr 2005 „die meisten öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen elektronisch durchgeführt werden.“58 Dazu sollten der Rat und das Europäische Parlament das vorgeschlagene Legislativpaket schnellstmöglich verabschieden.59 Letztlich traten die neu geschaffene Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR)60 und die

54 Kratzenberg, NZBau 2001, 119 (121), zustimmend Paul, Das elektronische Vergabe­ verfahren, S. 95. 55 Noch, in: Noch, e-Vergabe in der Praxis, S. 11. 56 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge, KOM (2000) 275; Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung, KOM (2000) 276. 57 Mitteilung der Kommission vom 13.3.2001 an den Rat und das Europäische Parlament – eEurope 2002: Auswirkungen und Prioritäten, Mitteilung an die Frühjahrstagung des Europäischen Rates in Stockholm am 23.–24.3.2000, KOM (2001) 140 endg., S. 13 ff.; zur Forderung der Einrichtung elektronischer Märkte für das elektronische Beschaffungswesen, vgl. S. 18. 58 Mitteilung der Kommission vom 28.5.2002 an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Aktionsplan eEurope 2005: Eine Informationsgesellschaft für alle, KOM (2002) 263 endg., S. 13. 59 KOM (2002) 263 endg., S. 13. 60 Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge.

II. Gleichstellung der elektronischen Kommunikation

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Sektorenkoordinierungsrichtlinie 2004/17/EG (SKR)61 nach langwierigen Verhandlungen im April 2004 in Kraft. Durch die in Art. 42 Abs. 1 VKR und Art. 48 Abs. 1 SKR enthaltene Wahlfreiheit hinsichtlich des Kommunikationsmittels wurde den Auftraggebern erstmals die Möglichkeit eröffnet, für das gesamte Verfahren ausschließlich die Verwendung elektronischer Mittel vorzugeben. Den Richtlinienerwägungen zufolge erschien die Gleichstellung der Kommunikationsmittel aufgrund der technologischen Fortschritte und der damit einhergehenden Erleichterungen für die elektronische Auftragsbekanntmachung sowie einer möglichen Steigerung von Effizienz und Transparenz im Vergabeverfahren angebracht.62 Die Richtlinienbestimmungen enthalten dabei umfangreiche Detailregelungen für die elektronische Kommunikation. Im Gesetzgebungsprozess hatte vor allem die Frage der Erforderlichkeit von elektronischen Signaturen bei der elektronischen Angebotsabgabe Diskussionen ausgelöst.63 Im Ergebnis konnte der Kompromiss geschlossen werden, dass es in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt wird, ob sie in den nationalen Umsetzungsakten eine Pflicht zur Verwendung fortgeschrittener elektronischer Signaturen vorsehen.64 Um einen Anreiz für die Auftraggeber zur Umstellung auf die elektronische Verfahrensdurchführung zu schaffen, beinhalteten die Richtlinienbestimmungen die Möglichkeit, die Verfahrensfristen durch die Verwendung elektronischer Mittel erheblich zu verkürzen.65 Des Weiteren wurden mit der elek 61 Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste. 62 ErwGrd Nr. 35 VKR; ErwGrd Nr. 46 SKR. 63 Das Europäische Parlament forderte, dass eine elektronische Angebotsabgabe nur unter der Verwendung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur i. S. d. Signatur-RL und einer zuverlässigen Verschlüsselung des Inhalts zulässig sein dürfe. Außerdem sollte die Vertraulichkeit und Integrität von Daten nicht nur bei der Übermittlung, sondern auch bei der Speicherung, Haltung und Verarbeitung von Informationen gewährleistet werden, vgl. dazu Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 64. Letzterem Vorschlag schloss sich die Kommission in ihrem geänderten Entwurf an, vgl. Abänderung 74 zur VRL, KOM (2002) 236 endg., S. 38. Demgegenüber lehnte die Kommission explizit die obligatorische Verwendung von Signaturen ab. Sie vertrat die Auffassung, dass die Datenintegrität auch durch andere technische oder organisatorische Mittel sichergestellt werden könne. Die geforderte zwingende Signaturverwendung würde unter Umständen den schnellen technischen Fortschritt möglicherweise behindern, KOM (2003) 503 endg. S. 10; dazu krit. Kullack / ​Terner, ZfBR 2004, 346 (347), nach deren Auffassung „andere technische Mittel“ zur Gewährleistung der Datensicherheit nicht ersichtlich seien. 64 Vgl. Art. 42 Abs. 5 b) VKR, Art. 48 Abs. 5 b) SKR, krit. Schäfer, in: Kilian / ​Heussen, ComputerR-HdB, Teil 19, Rn. 87 nach dessen Auffassung mit dem Kompromiss die Schaffung eines einheitlichen europäischen Sicherheitsniveaus verfehlt worden sei. 65 Es wurde garantiert, dass elektronisch erstellte und übermittelte Bekanntmachungen spätestens binnen fünf – statt in bis zu zwölf Tagen – veröffentlicht werden, Art. 36 Abs. 3 UA. 1 VKR; Art. 44 Abs. 3 UA. 1 SKR. Gleichzeitig durfte bei einer elektronischen Bekanntmachung die Einreichungsfrist für Angebote im offenen bzw. für Teilnahmeanträge im nicht offenen Verfahren sowie im Verhandlungsverfahren um sieben Tage verkürzt werden, Art. 38 Abs. 5 VKR; Art. 45 Abs. 5 SKR. Eine weitere Fristenverkürzung für die Angebotseinreichung um zusätz­ liche fünf Tage war für die genannten Verfahren möglich, soweit die Auftragsunterlagen frei, direkt und vollständig elektronisch ab dem Tag der Bekanntmachung zugänglich gemacht wurden,

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C. Entwicklung des Rechtsrahmens für die E-Vergabe

tronischen Auktion und dem dynamischen Beschaffungssystem erstmals zwei vollständig elektronische Beschaffungsinstrumente vorgesehen, deren Umsetzung jedoch in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt wurde.66 Flankierend zu diesen umfassenden Legislativmaßnahmen veröffentlichte die Kommission einen ambitionierten Aktionsplan, der die einheitliche Umsetzung und Anwendung der neuen Vorgaben zur elektronischen Kommunikation sicherstellen sollte.67 2. Angleichung des nationalen Rechtsrahmens Die Vergaberechtsnovelle 2006 setzte die Vergaberichtlinien 2004 im nationalen Recht um.68 Im Rahmen der Neufassung der VgV (2006) wurde die bis dahin zen­ trale Vorschrift des § 15 VgV für die elektronische Angebotseinreichung gestrichen. Die allgemeine Regel war nicht mehr notwendig, da mit der Reform abschließende – weitgehend parallele69 – Vorschriften in den Verdingungsordnungen normiert wurden.70 Zentral erfolgte die Gleichstellung von elektronischen mit den übrigen Kommunikationsmitteln.71 Zur Verfahrenserleichterung entfiel das Erfordernis der obligatorischen Verwendung einer qualifizierten Signatur für die elektronische Angebotseinreichung, die in der Praxis wegen der erforderlichen personengebundenen Signaturkarte und mangels technischer Interoperabilität kaum Verbreitung gefunden hatte.72 Es wurde daher in das Ermessen des Auftraggebers gestellt, ob ein Angebot stattdessen mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur versehen werden sollte.73 Diese Maßnahme zielte vor allem darauf ab, die Verbreitung der E-Vergabe zu fördern.74 Als weiterer Anreiz konnten die Verfahrensfristen bei der Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel deutlich verkürzt werden.75 Art. 38 Abs. 6 VKR; Art. 45 Abs. 6 SKR. Diese einseitigen Möglichkeiten einer erheblichen Verfahrensbeschleunigung zugunsten der Auftraggeber wurden mitunter stark kritisiert in der europäischen Wirtschaft, vgl. Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 66; Kullack / ​Terner, ZfBR 2004, 346 (350). 66 Vgl. Art. 54 Abs. 1 VKRund Art. 56 Abs. 1 SKR (elektronische Auktionen) sowie Art. 33 Abs. 1 VKR und Art. 15 Abs. 1 SKR (Dynamische Beschaffungssysteme). 67 Vgl. Aktionsplan zur Umsetzung und Anwendung der Rechtsvorschriften über die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge, KOM (2004) 841 endg. 68 Dritte Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung, BGBl. I S. 2334. BAnz Nr. 91 a v. 13.5.2006 (VOF), BAnz Nr. 94 v. 18.5.2006 (VOB) und BAnz Nr. 100 a v. 30.5.2006 (VOL). 69 Vgl. Erlass des BMVBS zur VOL-Neufassung des Teils A, v. 6.11.2006, S. 2 f. 70 Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 96. 71 § 16 Nr. 4 VOL / ​A (2006); § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB / ​A (2006); § 4 Nr. 6 VOF (2006); § 8 Nr. 1 VOL / ​A-SKR (2006); § 8 Nr.  1 VOB / ​A-SKR (2006). 72 Graef, NZBau 2008, 34 (38). 73 § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOL / ​A (2006); § 21 Nr. 1 S. 3 VOB / ​A (2006); § 4 Nr. 9 VOF (2006); § 8 Nr. 4 Abs. 1 VOL / ​A-SKR (2006); § 8 Nr. 4 Abs. 1 VOB / ​A-SKR (2006). 74 Krit. Roßnagel / ​Paul, NZBau 2007, 74 (79); dies., Das elektronische Vergabeverfahren, S. 205. 75 Dafür war die elektronische Übersendung der Bekanntmachung an das Amt für Veröffentlichungen der EG erforderlich, vgl. z. B. § 17a Nr. 1 Abs. 6 VOL / ​A (2006), sowie die freie,

III. Entwicklung bis zur Richtlinienreform 2014 

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Die Vergaberechtsnovelle 2006 diente zunächst als eine Art „Sofortpaket“ nur der Umsetzung der zwingenden Vorgaben der Vergaberichtlinien 2004.76 Eine weitere strukturelle Veränderung erfolgte drei Jahre später mit der Vergaberechtsmoder­ nisierung 2009.77 Im GWB wurden die in den Richtlinien nur optional vorgesehenen, vollständig elektronischen Verfahrensinstrumente der dynamischen Beschaffungssysteme und der elektronischen Auktion in § 101 Abs. 6 GWB ergänzt.78

III. Entwicklung bis zur Richtlinienreform 2014 Zur Evaluation des Standes der elektronischen Auftragsvergabe in den Mitgliedstaaten seit der Richtlinienreform 2004 legte die Kommission im Jahr 2010 das „Grünbuch zum Ausbau der e-Beschaffung“ vor. Darin musste sie konstatieren, dass – trotz der legislativen und flankierenden Maßnahmen – nur ein Anteil von weniger als 5 % des gesamten Beschaffungsvolumens vollständig elektronisch abgewickelt wurde.79 Die Kommission verwies auf wesentliche Problemstellungen, die ihrer Auffassung nach den erfolgreichen Übergang verhindern und Hemmnisse für die grenzüberschreitende Beteiligung darstellen würden.80 So zeige sich in der Praxis immer noch eine gewisse Zurückhaltung wegen befürchteter technologischer Risiken sowohl auf Auftraggeber- als auch Auftragnehmerseite. Zudem würde aufgrund der Absenz unionsweiter einheitlicher technischer Standards die Gefahr der Zersplitterung drohen. Außerdem fehle es an der gegenseitigen Anerkennung nationaler elektronischer Lösungen. Auch die zwischen den Mitgliedstaaten variierenden Sicherheitsanforderungen an Authentifizierung und Identifizierung würden ein Hindernis bilden. Basierend auf diesen Feststellungen wurden Gegenmaßnahmen in Form der Schaffung weiterer Anreize erwogen, um die Einführung der E-Vergabe „mit Zuckerbrot und Peitsche“81 zu beschleunigen.82 Um direkte und vollständige Zurverfügungstellung der Verdingungsunterlagen in elektronischer Form, z. B. § 18a Nr. 1 Abs. 4; Nr. 2 Abs. 3 VOL / ​A (2006). 76 Vgl. Müller, NZBau 2011, 72 (72); i. E. zu den Änderungen, Gabriel, NJW 2009, 2011. 77 Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts, G. v. 20.4.2009, BGBl. I S. 790. 78 Nur für erstere, die als „dynamisches elektronisches Verfahren“ bezeichnet wurden, erfolgte allerdings eine nähere Ausgestaltung in § 5 EG VOL / ​A (2009) und § 10 SektVO (2009). Dazu sogleich bei Kap. D. I. 3. 79 Grünbuch zum Ausbau der e-Beschaffung in der EU, KOM (2010) 571 endg., S. 11. Die von den Ministern der Mitgliedstaaten in einer Erklärung aus dem Jahr 2005 als „ambitioniert, aber realistisch“ eingeschätzte Mindestquote von 50 % der Oberschwellenbeschaffungen auf elektronischem Weg in den kommenden fünf Jahren, vgl. Manchester Ministerial Declaration on eGovernment, MEMO/05/446 v. 25.11.2005, S. 3, konnte damit nicht einmal im Ansatz erreicht werden. 80 KOM (2010) 571 endg., S. 12 ff. 81 Der Duktus der Kommission wirkt im Grünbuch stellenweise geradezu verägert über das zögerliche Handeln der Mitgliedstaaten, vgl. dazu auch Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 220. 82 Die Kommission erwog etwa zur Steigerung der Attraktivität von Online-Instrumenten eine Verantwortungsverlagerung für die Einhaltung von Verfahrensvorschriften zugunsten der Auf-

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C. Entwicklung des Rechtsrahmens für die E-Vergabe

die Bereitschaft aller Beteiligten zur Setzung rechtlicher Anreize zu ergründen, leitete die Kommission zudem eine öffentliche Konsultation ein.83 Darin wurde zur Disposition gestellt, ob „das EU-Recht es erlauben [sollte], dass elektronische Verfahren für bestimmte von EU-Richtlinien erfasste Beschaffungen verbindlich vorgeschrieben werden“.84 Die eingegangenen Antworten spiegelten ein geteiltes Meinungsbild wieder. Eine Mehrheit von 53 % sprach sich für die obligatorische Einführung auf europäischer Ebene aus.85 Aufgeschlüsselt nach den partizipierenden Interessengruppen lehnte allerdings die Hälfte der Teilnehmer aus dem öffentlichen Sektor eine solche Einführung ab.86 Nachfolgend legte die Kommission zudem ein weiteres Grünbuch zur Modernisierung des europäischen Vergabewesens vor, mit dem die weiteren Schlüsselbereiche einer möglichen Richtlinienreform identifiziert werden sollten.87 Nach Abschluss der Konsultationen legte die Kommission im Dezember Jahr 2011 – statt eines ursprünglich angekündigten Weißbuchs88 – unmittelbar erste Vorschläge für die Reform der Vergabekoordinationsrichtlinien sowie erstmals für eine Konzessionsrichtlinie vor, die die obligatorische Hinwendung zur elektronischen Verfahrensdurchführung beinhalteten.

traggeber, wenn diese E-Vergabe-Systeme nutzen, die die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften im Verfahren gewährleisten würden, KOM (2010) 571 endg., S. 14 f. 83 Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/10/1347 v. 18.10.2010; KOM (2010) 571 endg., S. 14 ff. 84 KOM (2010) 571 endg., S. 15. 85 Summary of the Response to the Green Paper on Expanding the Use of E-Procurement in the EU, S. 3. 86 Summary of the Response to the Green Paper on Expanding the Use of E-Procurement in the EU, S. 3. 87 Grünbuch über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, Wege zu einem effizienteren europäischen Markt für öffentliche Aufträge, KOM (2011) 15 endg. 88 Vgl. noch Ankündigung in KOM (2010) 571 endg., S. 2.

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht Mit der Vergaberechtsmodernisierung 2016 wird die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren zum Regelfall im Oberschwellenbereich. In diesem Kapitel werden die nationalen Vorschriften zur E-Vergabe eingehend im Lichte des verbindlichen europäischen Richtlinienrahmens betrachtet. Der deutsche Norm­ geber intendiert mit der Reform grundsätzlich eine „Eins-zu-eins“-Umsetzung der Bestimmungen der VRL, SRL und KVR (Vergaberichtlinien) in das nationale Kartellvergaberecht.1 Den Ausgangspunkt bilden in jedem Abschnitt die Darstellung der Entstehung und die Ermittlung des verbindlichen Richtliniengehalts, anhand dessen sodann die nationalen Vorschriften untersucht werden.

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation 1. Richtlinienvorgaben Die Vergaberichtlinien enthalten jeweils einen zentralen Artikel mit den „Vorschriften über die Kommunikation“. Während die Bestimmungen in der VRL und SRL bereits seit den ersten Kommissionsvorschlägen2 bis hin zur finalen Richtlinienfassung im Gesetzgebungsprozess weitgehend parallel ausgestaltet3 worden sind, unterscheiden sich diese in der erstmals erlassenen KVR. Aus diesem Grund erfolgt in diesem Abschnitt die gemeinsame Betrachtung der grundlegenden Kommunikationsvorgaben der VRL und SRL, bevor im Anschluss auf die Besonderheiten der Konzessionsvergabe eingegangen wird.

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Vgl. BMWi, Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts, Beschl. des Bundeskabinetts v. 07.1.2015, S. 2; dazu auch Solbach, in: Pünder / ​Prieß, Vergaberecht im Umbruch II, S. 142. 2 Vgl. Vorschlag für Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffent­ liche Auftragsvergabe, KOM (2011) 896 endg. (im Folgenden: VRL-E) und Vorschlag für Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, KOM (2011) 895 endg. Im Folgenden: SRL-E. 3 Im Wortlaut der deutschen Sprachfassungen der Art. 22 VRL und Art. 40 VRL-2014/25/ EU bestehen z. T. geringfügige Abweichungen, die wohl auf die Übersetzung zurückzuführen sind und nicht die Annahme inhaltlicher Divergenzen begründet, vgl. Wankmüller, in: Soudry / ​ Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 217.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

a) Richtlinienvorgaben der VRL und SRL aa) Entstehung und Inhalt (1) Kommissionsvorschläge Ein übergeordnetes Ziel der Reform der VKR und SKR bildete die Steigerung der Verfahrenseffizienz.4 Die Kommissionsvorschläge enthielten insoweit Maßnahmen zur Vereinfachung und Flexibilisierung des Vergabeverfahrens. Zur Verwirklichung dieser Zielsetzung führte die Kommission auch die Förderung des Übergangs zur elektronischen Auftragsvergabe an.5 Sie betonte deren Potenzial zur Kostensenkung und Verbesserung der Beschaffungsergebnisse. Gleichzeitig könne der Einsatz elektronischer Hilfsmittel helfen, Verschwendung und Fehler zu vermeiden.6 Die Erwägungen der Vorschläge stellten dementsprechend vor allem auf die Steigerung der Effizienz und Transparenz durch den Einsatz elektronischer Informations- und Kommunikationsmittel ab, die künftig zum Standard werden sollten. Des Weiteren wurde darin angeführt, dass deren Einsatz zu Zeitersparnissen führe, weshalb die Mindestfristen weiter verkürzt werden müssten.7 Um die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung des Übergangs zur elektronischen Auftragsvergabe zu unterstützen, sahen die Vorschläge in dem zentralen Kommunikationsartikel  – der anfänglich noch unter dem Titel „Vorschriften über Mitteilungen“ firmierte  – zunächst nur die Pflicht im jeweils ersten Absatz vor, die Bekannt­ machungen elektronisch zu übermitteln und die Auftragsunterlagen elektronisch verfügbar zu machen.8 Für alle Mitteilungen und den gesamten Informationsaustausch sollte demselben Absatz nach der Auftraggeber weiter zwischen elektronischen Mitteln, Post oder Fax, Telefon sowie aus einer Kombination dieser Mittel wählen können.9 Die Fortgeltung des Wahlrechts war jedoch nur für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren nach Ablauf einer eineinhalbjährigen Umsetzungsfrist bestimmt, wie sich aus dem siebten Absatz des Artikels der VRL-E – bzw. aus dem nachfolgenden Artikel in der SRL-E10 – entnehmen ließ. Zentrale Beschaf 4

Vgl. Begr. VRL-E, S. 2; Begr. SRL-E, S. 2. Vgl. Begr. VRL-E, S. 10; Begr. SRL-E, S. 11. 6 Vgl. Begr. VRL-E, S. 10; Begr. SRL-E, S. 11. 7 ErwGrd Nr. 19 VRL-E; ErwGrd Nr. 27 SRL-E. 8 Art. 19 Abs. 1 UA 1 Hs. 1 VRL-E; Art. 33 Abs. 1 UA 1 Hs. 1 SRL-E. Die weiteren Fälle der obligatorischen Verwendung von elektronischen Mitteln bezogen sich auf die ohnehin vollständig elektronischen Instrumente in Form dynamischer Beschaffungssysteme, elektronischer Auktionen sowie elektronischer Kataloge. Vgl. hierzu Kap. D. I. 3. 9 Art. 19 Abs. 1 UA 1 Hs. 2 lit. a – d VRL-E; Art. 33 Abs. 1 UA 1 Hs. 2 lit. a–d SRL-E. 10 Art. 19 Abs. 7 UA 1 VRL-E; Art. 34 UA 1 SRL-E. In einem späteren Kompromissvorschlag des Rates wurde der Regelungsinhalt in Art. 33 SRL-E zusammengeführt und die Umsetzungsfrist gesondert geregelt. Damit wurde die SRL-E der Struktur des Art. 19 VRL-E angeglichen, vgl. Council of the European Union, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on procurement by entities operating in the water, energy, transport and postal services sectors, Presidency compromise text / ​Consolidated version, 2011/0438 (COD), v. 30.10.2012. Im Folgenden: Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 5

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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fungsstellen sollten hingegen ohne weitere Übergangszeit dazu verpflichtet sein, alle Vergabeverfahren mit elektronischen Kommunikationsmitteln abzuwickeln.11 Dies erachtete die Kommission als zweckmäßig, da elektronische Kommunikationsmittel für die automatisierte Verarbeitung großer Datenmengen im Rahmen der zentralisierten Beschaffungstätigkeit besonders geeignet seien und zur Optimierung der Informations- und Transaktionskosten führen könne. Zudem erhoffte sie sich davon Konvergenzen der Praktiken in den Mitgliedstaaten.12 Im Anschluss an die Vorlage der Legislativvorschläge präsentierte die Kommission in einer komplementären Mitteilung ihre „Strategie für die E-Vergabe“.13 Darin führte sie aus, dass die vorgeschlagene stufenweise Einführung der E-Vergabe einerseits intendiere, allen Akteuren ausreichend Zeit zur Bewältigung der operationellen Herausforderungen zu gewähren, aber andererseits auch eine Beschleunigung der Umstellung unter Beachtung eines einheitlichen Zeitplans gewährleisten solle.14 Neben den legislativen Schritten, die zur erfolgreichen unionsweiten Etablierung der E-Vergabe notwendig seien, kündigte sie flankierende Maßnahmen an, um die Mitgliedstaaten bei der Umstellung zu unterstützen.15 Abschließend verwies die Kommission darauf, dass die Umstellung auf die elektronische Kommunikation weniger ein technologisches Problem darstelle, sondern vielmehr eine wirtschaftliche und politische Herausforderung sei. Daher ersuchte sie die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament um ein „klares politisches Signal ihrer Entschlossenheit“, insbesondere durch die zeitnahe Annahme des Legislativpakets bis Ende des Jahres 2012, sodass bereits im Juni 2016 die unter die Vorschläge fallenden Vergabeverfahren mehrheitlich elektronisch abgewickelt werden könnten.16 (2) Modifizierung im Gesetzgebungsprozess Nach Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten wurden die von der Kommission vorgeschlagenen „Vorschriften über Mitteilungen“ im Ministerrat wesentlich modifiziert.17 Die ersten Ratskompromissvorschläge unterstrichen die Absicht der 11

Art. 19 Abs. 1 UA. 1 i. V. m. Art. 35 Abs. 4 VRL-E; Art. 33 Abs. 1 UA. 1 i. V. m. Art. 49 Abs. 4 SRL-E. 12 Vgl. ErwGrd Nr. 25 VRL-E und ErwGrd Nr. 33 SRL-E. 13 KOM (2012) 179. 14 KOM (2012) 179, S. 7. 15 Angekündigt wurde u. a. die Einsetzung einer Expertengruppe, die Empfehlungen zur Förderung der bewährtesten E-Vergabe-Systeme herausgeben sollte. Ferner kündigte die Kommission an, die im Rahmen des PEPPOL Projekts (dazu Kap. D. III. 3. a) bb) (2) (b)) entwickelten Komponenten nachhaltig zu fördern und die Entwicklung einer unionsweiten technischen Infrastruktur für die E-Vergabe zur Verbesserung der Interoperabilität zu unterstützen. Des Weiteren sollte eine Verbreitungsstrategie erarbeitet werden, um den Vergabestellen und Zulieferern die Vorteile und optimale Nutzung aufzuzeigen, KOM (2012) 179, S. 8 ff. 16 KOM (2012) 179, S. 13. 17 Vgl. hierzu auch Ferk, in: Skovgaard Ølykke / ​Sanchez-Graells (Ed.), Reformation or Deformation of the EU Public Procurement Rules, S. 108 f.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

obligatorischen Einführung der elektronischen Kommunikation durch eine Umstrukturierung des jeweiligen zentralen Artikels. Anstatt weiterhin das Wahlrecht im ersten Absatz beizubehalten, wurde dort die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorgesehen zu gewährleisten, „dass die gesamte Kommunikation und der gesamte Informationsaustausch […], insbesondere die elektronische Einreichung von Unterlagen, unter Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel […] erfolgen.“18 Zur Verdeutlichung der Reichweite dieses Grundsatzes erfolgte eine Ergänzung der Erwägungsgründe dahingehend, dass die ausschließliche elektronische Kommunikation alle Verfahrensstufen betreffe, einschließlich der Übermittlung von Teilnahmeanträgen und Angeboten.19 Elektronische Kommunikationsmittel sollten zum Standard werden, weil sie die Teilnahmemöglichkeiten der Wirtschaftsteilnehmer im gesamten Binnenmarkt stark verbessern würden.20 Gleichzeitig erfolgte darin die Einschränkung, dass den Auftraggebern nicht die Pflicht zur elektronischen bzw. automatischen Angebotsverarbeitung oder Bewertung aufgegeben werden dürfe. Außerdem sollten die elektronischen Kommunikationspflichten im Rahmen er Richtlinien nicht für die Bestandteile gelten, die sich der Auftragsvergabe anschließen.21 Im späteren Verlauf wurde zudem die interne Kommunikation der Auftraggeber ausdrücklich vom Anwendungsbereich exkludiert.22 Überdies sahen die Ratskompromissvorschläge im Vergleich zu den Kommissionsvorschlägen längerfristige Übergangsfristen von bis zu 54 Monaten – bzw. 36 Monaten für zentrale Beschaffungsstellen – nach Inkrafttreten der Richtlinien für die Umstellung auf die obligatorische elektronische Kommunikation vor.23

18 Art. 19 Abs. 1 UA 1 S. 1 VRL-E, Rat der Europäischen Union, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe, Kompromisstext des Vorsitzes / ​Konsolidierte Fassung, 2011/0438 (COD), v. 24.07.2012. Im Folgenden: Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 24.07.2012; vgl. auch Art. 33 Abs. 1 UA 1 S. 1 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. Das Wahlrecht wurde nur noch im Rahmen der Übergangsbestimmungen vorgesehen, vgl. Art. 92 Abs. 2 UA 2 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 24.07.2012; Art. 101 Abs. 2 UA 2 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 19 ErwGrd Nr. 19 S. 3 Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 24.07.2012; ErwGrd Nr. 27 S. 3 Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 20 ErwGrd Nr. 19 S. 2 Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 24.07.2012; ErwGrd Nr. 27 S. 2 Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 21 ErwGrd Nr. 19 S. 4 f. Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 24.07.2012; ErwGrd Nr. 274 S. 4 f. Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 22 ErwGrd Nr. 19, Council of the European Union, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement, Presidency compromise text / ​Consolidated version, 2011/0438 (COD), v. 2.10.2012. Im Folgenden: Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 2.10.2012; ErwGrd Nr. 27 Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 23 Art. 92 Abs. 1, Abs. 2 UA 1, UA 2 VRL-E, Rat der Europäischen Union, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe – Kompromisstext des Vorsitzes, 2011/0438 (COD), v. 30.11.2012 (überarbeitete dt. Fassung des Dokuments, v. 27.11.2012  – 16725/12). Im Folgenden: Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.11.2012; Art. 102 Abs. 1, Abs. 2 UA 1, UA 2 SRL-E, Council of the European Union, Pro-

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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Der Ausschuss der Regionen (AdR) befürwortete die elektronische Auftragsvergabe und begrüßte die Vorschläge der Kommission ausdrücklich.24 Gleichzeitig plädierte er aber für eine gänzliche Streichung einer Umsetzungsfrist für die vollständige elektronische Kommunikation. Statt eine kurzfristige Umstellung zu erzwingen, sollten die Mitgliedstaaten nur mit dem aktiven Hinwirken auf die elektronische Auftragsvergabe betraut werden. Dies sei wegen der divergierenden Handlungsvoraussetzungen sachdienlicher.25 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hatte bereits im Vorfeld zum Gesetzgebungsprozess in seiner Stellungnahme zum Grünbuch über die Modernisierung des europäischen Auftragswesens das Potenzial der elektronischen Auftragsvergabe zur Bekämpfung von „Günstlingswirtschaft“ und Korruption betont.26 An dieser Position hielt er im Gesetzgebungsprozess ausdrücklich fest.27 Das Europäische Parlament hatte gleichfalls in seiner Entschließung zu eben jenem Grünbuch die Ausweitung des Einsatzes der elektronischen Auftragsvergabe zur Vereinfachung und Beschleunigung des Vergabeprozesses grundlegend begrüßt. Diese könne nicht nur zu einer beträchtlichen Kosten- und Zeiteinsparung führen, sondern würde auch die Transparenz und Zugänglichkeit steigern.28 Die Kommissionsvorschläge wurden intensiv in den Parlamentsausschüssen diskutiert.29 Die Ausschüsse für Verkehr und Fremdenverkehr (TRAN), für Industrie, Forschung und Energie (REGI) und für regionale Entwicklung (ITRE) unterstützten zwar grundlegend die Hinwendung zur elektronischen Auftragsvergabe.30 Gefordert wurde allerdings ein verlängerter31 posal for a Directive of the European Parliament and of the Council on procurement by entities operating in the water, energy, transport and postal services sectors, Presidency compromise text, 2011/0439 (COD), v. 30.11.2012. Im Folgenden: Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.11.2012. 24 Stellungnahme des AdR, Maßnahmenpaket für das öffentliche Auftragswesen, (2012/C 391/09), Nr. 17. 25 Ebda., Änderungsvorschlag 9.  26 Stellungnahme des EWSA zu dem Grünbuch über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens – Wege zu einem effizienteren europäischen Markt für öffentliche Aufträge KOM(2011) 15 endg., Pkt. 1.14. 27 Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste“ COM(2011) 895 final  – 2011/0439 (COD), dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe“ COM(2011) 896 final – 2011/0438 (COD) und dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe“ COM(2011) 897 final – 2011/0437 (COD)(2012/C 191/16), Pkt. 3.4 ff. 28 Vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Oktober 2011 zu der Modernisierung im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, (2011/2048(INI)), Nr. 47 ff. 29 Schwab / ​Giesemann, VergabeR 2014, 351 (359). 30 Vgl. Report on the proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on public procurement (COM (2011) 0896 – C7-0006/2012 – 2011/0438(COD)). Im Folgenden: Parlamentsbericht zur VRL-E. 31 TRAN plädiert für eine zweistufige Einführung. Danach sollten bis zum 1.1.2017 mind. 70 % der Vergabeverfahren elektronisch erfolgen und im Anschluss bis 1.1.2020 sämtliche Vergabeverfahren ausschließlich mittels elektronischer Kommunikation abgewickelt werden, Par-

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

bzw. flexiblerer32 Übergangszeitraum. Diese Änderungsvorschläge fanden letztlich allerdings keinen Eingang in die legislativen Entschließungen des Europäischen Parlaments, die insoweit den Kommissionsvorschlägen folgten.33 Am Ende des nachfolgend eingeleiteten sog. Trilogverfahrens34 zwischen Rat, Europäischem Parlament und der Kommission konnte im Juni 2013 eine politische Einigung dahingehend erzielt werden, dass die Pflicht zur elektronischen Kommunikation mit einer Übergangsfrist von 54 Monaten – bzw. 36 Monaten für zentrale Beschaffungsstellen – nach Inkrafttreten der Richtlinien verbindlich Geltung erlangt.35 Nach der formellen Annahme durch das Europäische Parlament und durch den Rat traten die Richtlinien schließlich am 17. April 2014 nach einem fast drei Jahre andauernden Gesetzgebungsprozess in Kraft. bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben Der jeweilige erste Absatz des Artikels zu den „Vorschriften über die Kommunikation“ in der VRL und SRL statuiert die zentrale Pflicht für die Mitgliedstaaten, lamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013, Änderung Nr. 4, S. 334. REGI erwog die Übergangsfrist in Art. 19 Abs. 7 UA 1 VRL-E auf 4 Jahre zu verlängern, Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013, Änderung Nr. 39, S. 379. 32 ITRE schlug vor, in den Erwägungen festzuhalten, dass eine „angemessene Zeit“ für die Umstellung auf die elektronische Kommunikation zu gewähren sei, um die Schulung aller Beteiligten zu ermöglichen, Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013, Änderung Nr. 11, S. 276. Ergänzend sollte den Mitgliedstaaten in einem neuen Unterabsatz des Kommunikationsartikels vorgeschrieben werden, rechtzeitig Schulungsmöglichkeiten anzubieten, Parlamentsbericht zur VRL-E, Änderung Nr. 41, S. 293. 33 Vgl. Draft European Parliament Legislative Resolution, Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013 sowie zur SRL-E den Report on the proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on procurement by entities operating in the water, energy, transport and postal services sectors (COM (2011) 0895 – C7-0007/2012 – 2011/0439(COD)). Im Folgenden: Parlamentsbericht zur SRL-E, v. 7.2.2013. 34 Allg. dazu Schwab / ​Giesemann, VergabeR 2014, 351 (352). Krit. dazu Schäfer, in: Pünder / ​ Prieß, Vergaberecht im Umbruch II, S. 156 f., der anmerkt, dass bei dieser Verfahrensweise unter großem Zeitdruck Kompromissentscheidungen zu besonders umstrittenen Fragen von einem nur kleinen Kreis von politischen Entscheidungsträgern getroffen würden, an denen nur wenige im Detail mit der Materie vertraute Abgeordnete des EU-Parlaments mitwirken. Im Nachgang der politischen Einigung seien die EU-Institutionen kaum noch zu einer Revision bereit, weshalb es an einer angemessenen Endkontrolle fehle. 35 Art. 92 Abs. 2 UA. 1, UA. 2 VRL-E, Council of the European Union, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement (Classical Directive) (First reading), Approval of the final compromise text, 2011/0438 (COD), v. 13.7.2013, im Folgenden: Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013; Art. 101 UA. 1, UA. 2 SRL-E, Council of the European Union, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on procurement by entities operating in the water, energy, transport and postal services sectors (First reading), Approval of the final compromise text, 2011/0439 (COD), v. 15.7.2013, im Folgenden: Finaler Kompromisstext des Trilogs zur SRL-E, v.  15.7.2013.

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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zu gewährleisten, dass die gesamte Kommunikation und der gesamte Informationsaustausch anhand elektronischer Kommunikationsmittel erfolgen.36 (1) Personeller Anwendungsbereich Der personelle Anwendungsbereich des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation adressiert die Auftraggeber, d. h. die vom jeweiligen Anwendungs­ bereich erfassten öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber. Dies ergibt sich mittelbar aus dem Umsetzungsauftrag der Mitgliedstaaten, der sich jeweils auf den gesamten Kommunikations- und Informationsaustausch „nach dieser Richt­ linie“ bezieht. Adressat der in den Richtlinien festgelegten Verfahrensregeln für die Auftragsvergabe sind gemäß dem jeweils ersten Artikel die Auftraggeber.37 Bestätigung findet dieses Ergebnis in den Ausnahmeregelungen der nachfolgenden Unterabsätze. Diese richten sich explizit an die Auftraggeber und geben vor, dass sie nur in bestimmten Fällen nicht verpflichtet sind, elektronische Kommunikationsmittel im Einreichungsverfahren zu verlangen.38 (2) Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich ist im Geltungsbereich der VRL und SRL für die Auftragsvergabe von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen ab Erreichen der EU-Schwellenwerte eröffnet.39 Die Pflicht zur Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel bei dem gesamten Kommunikations- und Informationsaustausch bezieht sich umfänglich auf die Durchführung des Ver­ gabeverfahrens. Im Regelfall gilt diese – seit Ablauf der Übergangsfristen40 – auf allen Stufen eines Verfahrens, unabhängig von der Verfahrensart,41 als allgemeiner Grundsatz der Kommunikationsvorschriften. Daneben wird jeweils in eigenen Artikeln die Verpflichtung des Auftraggebers zur elektronischen Übermittlung der Bekanntmachung42 sowie zur elektronischen Bereitstellung der Auftragsunter­ lagen43 spezifisch geregelt. Der allgemeine Grundsatz erlangt damit primär in

36

Vgl. Art. 22 Abs. 1 UA. 1 S. 1 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 1 S. 1 SRL. Vgl. Art. 1 Abs. 1 VRL; Art. 1 Abs. 1 SRL. Ebenso Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn. 219. 38 Art. 22 Abs. 1 UA. 2, UA. 4 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 2, UA. 4 1 SRL. I.d.S. auch Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn. 220. Zu den Ausnahmen i. E. Kap. D. X. 1. 39 Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 VRL; Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 SRL. 40 D. h. für zentrale Beschaffungsstellen ab dem 18. April 2017 sowie für allen übrigen Auftraggeber ab dem 18. Oktober 2018, Art. 90 Abs. 2 UA. 1, UA. 2 VRL; Art. 106 Abs. 2 UA. 1, UA. 2 SRL. 41 Vgl. ErwGrd Nr. 52 S. 3 VRL; ErwGrd Nr. 63 S. 3 SRL. 42 Art. 51 Abs. 2 S. 1 VRL; Art. 71 Abs. 2 S. 1 SRL. Dazu Kap. D. VI. 1. 43 Art. 53 Abs. 1 UA. 1 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 1 SRL. Dazu Kap. D. VII. 1. 37

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Bezug auf die elektronische Kommunikation und den Informationsaustausch im Verhältnis zu den Wirtschaftsteilnehmern Relevanz. Die Pflicht betrifft zuvörderst die elektronische Durchführung der Einreichungsverfahren. Dies zeigt die Hervorhebung der  – bei allen Verfahrensarten stets erforderlichen  – elektronischen Angebotseinreichung im Wortlaut.44 Im Umkehrschluss aus der Regelung der Ausnahmen45 sind die Auftraggeber grundsätzlich verpflichtet, von den Wirtschaftsteilnehmern die elektronische Übermittlung zu verlangen. Selbiges gilt auch für die übrigen formalen Verfahrenserklärungen, d. h. vor allem für die Vorgabe der elektronischen Einreichung von Teilnahmeanträgen bei einer zweistufigen Verfahrensgestaltung.46 Aus der umfänglichen Anordnung folgt weiter, dass die Kommunikation des Auftraggebers sowohl mit den Bewerbern – z. B. zur Aufklärung von Unklarheiten bei den Auftragsunterlagen – als auch mit den Bietern – beispielsweise bei der Nachforderung von Unterlagen – ausschließlich elektronisch zu erfolgen hat.47 Die Pflicht zum Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Auf Hinwirken des Rates hat der Unionsgesetzgeber in den Erwägungen klargestellt, dass die interne Kommunikation nicht erfasst sein soll.48 Damit besteht keine rechtliche Notwendigkeit zur Ausgestaltung eines vollständig elektronischen, also medienbruchfreien Workflows einschließlich der Genehmigungsvorgänge beim Auftraggeber.49 Ferner wird in den Erwägungen betont, dass die Auftraggeber weder zur elektronischen Bewertung noch zur elektronischen oder automatischen Verarbeitung von Angeboten verpflichtet sind.50 Die Generierung eines Preisspiegels und der eigentliche Wertungsprozess müssen demnach ebenfalls nicht elektronisch abgebildet werden.51 Die Reichweite des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation begrenzt sich zudem auf das Vergabeverfahren, d. h. die der Zuschlagserteilung und Vergabebekanntmachung nachfolgenden Prozesse werden nicht umfasst.52

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Vgl. Vgl. Art. 22 Abs. 1 UA. 1 S. 1 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 1 S. 1 SRL. Vgl. Art. 22 Abs. 1 UA. 2, UA. 4 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 2, UA. 4 1 SRL. 46 Vgl. ErwGrd Nr. 52 S. 3 VRL; ErwGrd Nr. 63 S. 3 SRL. Hierzu auch KGSt, E-Vergabe i. S. der europäischen Vergaberichtlinien, Bericht Nr. 2/2015, S. 9. 47 Ebenso Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 222 f.; Zeiss, VPR 2014, 53; KGSt, E-Vergabe i. S. der europäischen Vergaberichtlinien, Bericht Nr. 2/2015, S. 9. 48 ErwGrd Nr. 52 S. 6 Hs. 2 VRL; ErwGrd Nr. 63 S. 6 Hs. 2 SRL. 49 Zeiss, VPR 2014, 53. 50 ErwGrd Nr. 52 S. 5 VRL; ErwGrd Nr. 63 S. 5 SRL. 51 KGSt, E-Vergabe i. S. der europäischen Vergaberichtlinien, Bericht Nr. 2/2015, S. 10. 52 ErwGrd Nr. 52 S. 6 Hs. 1 VRL; ErwGrd Nr. 63 S. 6 Hs. 1 SRL. 45

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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b) Richtlinienvorgaben der KVR Mit dem Erlass der KVR hat der Unionsgesetzgeber erstmals eine eigenständige sekundärrechtliche Grundlage für den Inhalt, das Verfahren und den Rechtsschutz der Konzessionsvergabe geschaffen.53 Bis dahin bestanden lediglich grundlegende Bestimmungen für Baukonzessionen in der VKR.54 Dienstleistungskonzessionen wurden hingegen vom Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts ausgenommen. Beim Vorliegen eines grenzüberschreitenden Interesses bestanden allerdings gewisse Mindestanforderungen an den Wettbewerb, die Transparenz und Gleichbehandlung, die der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aus den Grundfreiheiten herleitete.55 Mit dem Richtlinienvorschlag zur Schaffung eines einheitlichen Rechtsregimes zielte die Kommission insbesondere auf die Verbesserung der Rechtssicherheit ab.56 Allerdings erwies sich die generelle Notwendigkeit der Kodifizierung57 sowie die erforderliche Regelungsdichte als hoch umstritten.58 aa) Entstehung und Inhalt (1) Kommissionsvorschlag Die Kommission betonte einleitend in den Einzelerläuterungen zu ihrem Vorschlag, dass die Richtlinienbestimmungen eine entscheidende Verbesserung des Zugangs der Wirtschaftsteilnehmer zu den Konzessionsmärkten bezwecken und zur Steigerung der Transparenz und Fairness des Verfahrens beitragen würden. Die Verfahrensdurchführung sollte ein größeres Maß an Flexibilität im Vergleich zu der öffentlichen Auftragsvergabe aufweisen.59 Daher wurde kein Katalog von Verfahrensarten, sondern allgemeine Grundsätze und bestimmte Verfahrensgarantien vorgesehen.60 In Bezug auf die Kommunikation beinhaltete der Vorschlag einen zentralen Artikel zu den „Vorschriften über Mitteilungen“.61 In dessen erstem Ab 53

Knauff / ​Badenhausen, NZBau 2014, 395 (395); Siegel, VergabeR 2015, 265 (265). Die Baukonzessionsvergabe war zwar bereits Bestandteil der VKR, aber diese enthielt nur wenige Bestimmungen, 54 Schwab / ​Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363). 55 Prieß / ​Marx / ​Hölzl, NVwZ 2011, 65 (67 f.); Siegel, VergabeR 2015, 265 (265). 56 Vgl. Bgr. S. 6 Vorschlag für Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe, KOM (2011) 897 endg. Im Folgenden KVR-E. 57 Vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Oktober 2011 zu der Modernisierung im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, (2011/2048(INI)), Nr. 7. Der Bundesrat sprach sich entschieden gegen die KRL-E aus, vgl. Beschl. v. 2.3.2012, BR-Drs. 874/11. Ebenso Prieß / ​Marx / ​Hölzl, NVwZ 2011, 65 (71 f.); zu den Positionen umfänglich Braun, EuZW 2012, 451 (453 ff.). 58 Schwab / ​Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363); Prieß / ​Stein, VergabeR 2014, 499 (500). 59 Vgl. Begr. KVR-E, S. 7 f. 60 Vgl. Art. 34, Art. 35 KVR-E. 61 Art. 25 KVR-E.

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satz wurden die elektronische Übermittlung der Bekanntmachungen und die Bereitstellung der Konzessionsunterlagen im Verfahren verbindlich vorgeschrieben.62 Für alle anderen Mitteilungen und den gesamten Informationsaustausch war zunächst ein Wahlrecht hinsichtlich des Kommunikationsmittels vorgesehen. Spätestens nach Ablauf einer fünfjährigen Übergangszeit sollte die vollständige Umstellung auf die elektronische Kommunikation, insbesondere elektronische Einreichung von Unterlagen, erfolgen.63 Den Mitgliedstaaten sollte es freistehen, über diese Vorgaben hinauszugehen.64 Die Anforderungen an die elektronischen Kommunikationsmittel entsprachen im Umfang und in der Regelungsdichte im Wesentlichen den Anforderungen der Entwürfe zur VRL und SRL.65 In den Erwägungen führte die Kommission aus, dass elektronische Informations- und Kommunikationsmittel die Bekanntmachung erheblich vereinfachen und die Effizienz und Transparenz im Verfahren steigern. Sie sollten zum Standard für Kommunikation und Informationsaustausch werden.66 (2) Modifizierung im Gesetzgebungsprozess Sowohl der Rat in seinem Kompromissvorschlag67 als auch nachfolgend das Europäische Parlament in der Legislativen Entschließung68 plädierten für eine substantielle Modifikation des Artikels. Abgesehen von der elektronischen Übermittlung der Bekanntmachung und der Bereitstellung der Konzessionsunterlagen, sollte von dem obligatorischen Übergang zur elektronischen Kommunikation abgesehen werden. Stattdessen votierten Rat und Parlament für die grundsätzliche Beibehaltung der Wahlfreiheit des Auftraggebers zwischen unterschiedlichen Kommunikationsmitteln im Verfahren, wenn auch unter Beibehaltung der von der Kommission vorgeschlagenen Öffnungsklausel zugunsten der Mitgliedstaaten, weitergehende Vorgaben zur Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel zu treffen. Zur Reduktion der Regelungsdichte wurden ferner die Detailregelungen des 62

Art. 25 Abs. 1 UA 1 i.V.m Art.28 Abs.2 und Art. 30 KVR-E. Art. 25 Abs. 7 UA 1 KVR-E. 64 Art. 25 Abs. 1 UA 1. 65 Vgl. Art. 25 Abs. 3-Abs. 5, Abs. 7 f. KVR-E. 66 ErwGrd Nr. 30 KVR-E. 67 Vgl. Art. 25 KVR-E, Council of the European Union, Proposal for  a Directive of the European Parliament and of the Council on the award of concession contracts, Consolidated Presidency compromise proposal, 2011/0437 (COD), v. 16.10.2012. Im Folgenden: Kompromissvorschlag des Rates zur KVR-E, v. 16.10.2012. 68 Vgl. Report on the proposal for a directive of the European Parliament and of the Councilon the award of concession contracts (COM(2011)0897 – C7-0004/2012 – 2011/0437(COD)). Im Folgenden: Parlamentsbericht zur KRL-E, v. 1.2.2013, v. 1.2.2013, Änderung Nr. 163 ff., S. 104 ff. Demgegenüber hatte der ITRE-Ausschuss die von der Kommission vorgeschlagene Regelung unterstützt und sogar die Reduktion der Übergangsfrist auf drei Jahren gefordert, da die fünfjährige Frist im Vergleich zu der Übergangszeit bei der öffentlichen Auftragsvergabe als zu lang empfunden wurde, Parlamentsbericht zur KRL-E, v. 1.2.2013, Änderung Nr. 44, S. 240 f. 63

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Kommunikationsartikels weitgehend gestrichen. Das Europäische Parlament führte zur Begründung aus, dass wegen der Besonderheiten der Konzessionsvergabe, die wesentlich durch Verhandlungen geprägt werde, die weitreichende Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel – im Gegensatz zur öffentlichen Auftragsvergabe – nicht angezeigt sei. Andererseits müsse die elektronische Übermittlung von Bekanntmachungen und die elektronische Verfügbarkeit der Konzessionsunterlagen zwingend vorgeschrieben werden, da diese wesentlich zur Transparenz und Effizienz des Verfahrens beitragen würden.69 Daher teilte das Parlament die Erwägungen der Kommission zwar grundlegend, ergänzte sie jedoch dahingehend, dass elektronische Kommunikationsmittel zum Standard für die Kommunikation und Informationsaustausch werden könnten, da sie die Teilnahmemöglichkeiten der Wirtschaftsteilnehmer im gesamten Binnenmarkt stark verbessern würden.70 In dieser Form fanden die Erwägungen und die von Rat und Europäischem Parlament modifizierten Vorschriften zur Kommunikation letztlich Eingang in die KVR,71 die am 17. April 2014 gemeinsam mit den anderen beiden Richtlinien in Kraft trat. bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben Der personelle Anwendungsbereich der KVR richtet sich primär an öffent­liche Auftraggeber sowie an Auftraggeber, die bestimmte Sektorentätigkeiten ausüben.72 Diese können das Verfahren grundsätzlich frei gestalten und sind nicht an bestimmte Verfahrensarten gebunden.73 Insoweit erscheint die Auswahlfreiheit des Auftraggebers bezüglich des Kommunikationsmittels grundsätzlich als konsistent.74 Allerdings ist die Frage, ob die Normierung eines verbindlichen Vorrangs der elektronischen Kommunikation aus Gründen der Verfahrenseffizienz und der Kohärenz des europäischen Vergaberechtsregimes nicht auch bei der Konzessionsvergabe zweckmäßig wäre, im Gesetzgebungsprozess kaum inhaltlich diskutiert worden.75 Die vorangegangene Darstellung verdeutlicht, dass der Rat und das Europäische Parlament sich vor allem darauf bedacht zeigten, die umfangreichen Detailregelungen zu den Kommunikationsvorgaben zu reduzieren und zu simplifizieren. Die verkürzte Begründung des Europäischen Parlaments, dass der Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel bei der von Verhandlungen geprägten Konzessionsvergabe nicht in demselben Maß wie bei der öffentlichen Auftragsvergabe angezeigt wäre, 69 Vgl. Begr. zur Streichung der Art. 25 Abs. 3–8, Parlamentsbericht zur KRL-E, v. 1.2.2013, Änderung Nr. 165–170, S. 104 ff. sowie Änderung Nr. 165–170, S. 104 ff. 70 ErwGrd Nr. 30, Änderung Nr. 48, S. 40, Parlamentsbericht zur KRL-E. 71 Vgl. Art. 29 KVR und ErwGrd Nr. 74 KVR. 72 Art. 1 Abs. 2 a), b) i. V. m. Anhang II KVR. Dazu Siegel, VergabeR 2015, 265 (267). Nachfolgend hier einheitlich als „Auftraggeber“ bezeichnet. 73 Art. 30 Abs. 1 KVR. 74 Insoweit Art. 29 Abs. 1 UA. 1 KVR als „konsequenter Fortführung des Grundsatzes der freien Verfahrensgestaltung“ bezeichnend Siegel, NVwZ 2016, 1672 (1675). 75 Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 345.

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überzeugt indes in dieser Pauschalität nicht. Obgleich die rechtlich regelmäßig komplexen Verhandlungen den Kernbestandteil bilden und nur schwerlich elektro­ nisch abbildbar sind, ist die Konzessionsvergabe grundsätzlich in einem rechtsförmigen Verfahren durchzuführen.76 Die vermeintliche „Freiheit“ gilt demnach nur unter Beachtung der Bestimmungen der KVR, die ein einheitliches Maß an Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung sicherstellen sollen.77 Neben der obligatorischen elektronischen Übermittlung der Konzessionsbekanntmachung an das Amt für Veröffentlichungen der EU78 und der Bereitstellung der Konzessionsunterlagen in elektronischer Form79 treffen den Auftraggeber während der Verfahrensdurchführung konkrete Mitteilungspflichten gegenüber allen Teilnehmern hinsichtlich der Organisation des Verfahrensablaufs sowie bezüglich sämtlicher Änderungen im Verfahren und seiner Zuschlagsentscheidung.80 Ferner sind die Angebote und – je nach Verfahrensgestaltung – ggf. Teilnahmeanträge formal unter Einhaltung bestimmter Mindestfristen einzureichen.81 Es erscheint schwerlich nachvollziehbar, weshalb dieser Kommunikations- und Informationsaustausch – der nicht den Verhandlungsprozess als solches betrifft – künftig nicht primär elektronisch erfolgen sollte, zumal der Unionsgesetzgeber das Potenzial zur Effizienz- und Transparenzsteigerung sowie zur Verfahrens­ beschleunigung in den Erwägungen der KVR grundsätzlich anerkennt.82 Insofern ist es zwar zu begrüßen, dass die Richtlinie eine Öffnungsklausel zugunsten der Mitgliedstaaten zur Einführung der verbindlichen elektronischen Kommunikation enthält. Die geringe Regelungsdichte führt allerdings dazu, dass die Mitgliedstaaten die Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel bei der Konzessionsvergabe unter divergierenden Bedingungen und in unterschiedlichem Umfang vorgeben können.83 Letztlich wird so das Ziel der Vereinfachung und Gewährleistung von mehr Rechtssicherheit durch einheitliche Verfahrensvorschriften nicht gänzlich erreicht.84

76

Vgl. in Anbetracht von Art. 37 Abs. 3 KVR überzeugend eine am nicht offenen Verfahren mit Teilnahmewettbewerb orientierten Verfahrensdurchführung Siegel, VergabeR 2015, 265 (270); dgg. für „ein strukturiertes Verhandlungsverfahren“, Braun, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 181 f. 77 Vgl. Art. 30 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Art. 3 KVR. Dazu im Einzelnen Prieß / ​Stein, VergabeR 2014, 499 (507 ff.); Knauff / ​Badenhausen, NZBau 2014, 395 (400 f.); Siegel, VergabeR 2015, 265 (269 f.). 78 Art. 29 Abs. 1 UA. 1 i. V. m. Art. 33 Abs. 2 KVR. 79 Art. 29 Abs. 1 UA. 1 i. V. m. Art. 34 Abs. 1 KVR. 80 Vgl. Art. 37 Abs. 4 KVR; Art. 40 Abs. 1 UA. 1 KVR. 81 Vgl. Art. 39 KVR. 82 ErwGrd Nr. 74 KVR. 83 Die KVR enthält insb. keine Ausnahmekonstellationen für die Einreichungsverfahren, sodass theoretisch eine uneingeschränkte Einführung im Vergleich zur öffentlichen Auftragsvergabe möglich wäre, vgl. Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 346. 84 Ähnl. Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 347; allg. i.d.S. auch Knauff  / ​ Badenhausen, NZBau 2014, 395 (401).

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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c) Zwischenergebnis Bei der Reform der Vergabekoordinierungsrichtlinien für die öffentliche Auftragsvergabe und für die Vergabe von Aufträgen im Sektorenbereich bestand im Gesetzgebungsprozess zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament Konsens dahingehend, dass die obligatorische Einführung der elektronischen Kommunikation erforderlich ist, um die E-Vergabe flächendeckend in den Mitgliedstaaten zu etablieren. Uneinigkeit herrschte auf europäischer Ebene einzig über den Übergangszeitraum. Während die Kommission und das Europäische Parlament eine zügige Einführung intendierten, um ein längeres Nebeneinander der elektronischen und papierbasierten Verfahrensdurchführung zu vermeiden,85 überwogen letztlich wohl die Bedenken der Mitgliedstaaten gegenüber einer zu raschen Umstellung in Anbetracht der rechtlichen, technischen und organisatorischen Herausforderungen.86 Die letztlich im Trilogverfahren getroffene Einigung hinsichtlich der vom Rat geforderten erheblich längeren Übergangsfristen sollte indes nicht über die eindeutige Zielsetzung hinwegtäuschen. Vielmehr kann die – im Vergleich zu den Kommissionsvorschlägen – sprachlich deutlich verbind­ lichere Formulierung des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation in den Ratskompromissvorschlägen durchaus als das politische Signal der Bereitschaft der Mitgliedstaaten verstanden werden, welches die Kommission am Rande des Gesetzgebungsprozesses eingefordert hatte.87 Ein weniger eindeutiges Bild zeichnet sich bei der erstmals erlassenen KVR ab. Zwar konnte sich der Kommissionsvorschlag hinsichtlich der obligatorischen Hinwendung zur elektronischen Kommunikation im Verfahren nicht durchsetzen. Allerdings fand hierzu im Gesetzgebungsprozess auch keine vertiefte Ausein­ andersetzung statt. Dies dürfte wohl primär den zahlreichen weiteren, wesentlich grundlegenderen politischen Streitpunkten hinsichtlich der Regelung und Aus­ gestaltung der Konzessionsvergabe geschuldet sein.88 Mit der Normierung der Öffnungsklausel schließt der Unionsgesetzgeber die Hinwendung zur E-Vergabe bei der Konzessionsvergabe – wie auch die entsprechenden Erwägungen zeigen – nicht aus, sondern unterstützt diese grundsätzlich.89 Die Entscheidung hinsichtlich der Einführung und Reichweite der obligatorischen elektronischen Kommunikation 85

Vgl. KOM (2012) 179, S. 7. Ferk, in: Skovgaard Ølykke / ​Sanchez-Graells (Ed.), Reformation or Deformation of the EU Public Procurement Rules, S. 109. Vgl. z. B. krit. Stellungnahme des Bundesrates zur Zeitplanung, BR-Drs. 15/1, S. 3. 87 Ähnl. Ferk, in: Skovgaard Ølykke / ​Sanchez-Graells (Ed.), Reformation or Deformation of the EU Public Procurement Rules, S. 108 f. 88 Zudem könnte auch der Umstand, dass die KRL abgetrennt von der VRL und SRL im Gesetzgebungsprozess weiterentwickelt wurde, hierzu beigetragen haben, Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 345. 89 Sehr weitgehend Braun, der davon ausgeht, dass das „Reformziel bei der Novellierung, auch im Konzessionsbereich, […] die Durchsetzung der elektronischen Kommunikation [ist]“, Braun, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 190. 86

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

wird jedoch den einzelnen Mitgliedstaaten zugewiesen, sodass unterschiedliche Regelungsansätze möglich sind. Die einheitliche Ausgestaltung der Kommunikations­ vorschriften in den Richtlinien wäre allerdings zur Effizienz- und Transparenzsteigerung durchaus sinnvoll gewesen und hätte die Rechtssicherheit gerade im grenzüberschreitenden Bereich deutlich erhöht. Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber mit der aktuellen Richtlinienreform in konsequenter Fortentwicklung des Rechtsrahmens die Hinwendung zur E-Vergabe vollzieht.90 In welchem Maß dies zu der angestrebten Effizienzsteigerung und Stärkung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs im Binnenmarkt führen wird, bleibt abzuwarten. Maßgeblich beeinflusst wird der Erfolg zum einen davon, ob die zwingende Umsetzung der rechtlichen Vorgaben als Anlass zur tiefgreifenden strategisch-organisatorischen Neustrukturierung und Prozessoptimierung des gesamten Beschaffungsprozesses von den Auftraggebern genutzt wird.91 Des Weiteren bedarf es der Überwindung von Akzeptanzproblemen, die gegenüber der Digitalisierung sowohl auf Seiten der Auftraggeber als auch seitens der Wirtschaftsteilnehmer in der Praxis bestehen. Dies hängt nicht zuletzt von der technischen Ausgestaltung der verwendeten E-Vergabesysteme ab. Bislang hinderten insbesondere die Komplexität der Systeme, differierende technische Standards in den Mitgliedstaaten sowie unterschiedliche Anforderungen an die Authentifizierung eine einfache elektronische Verfahrensteilnahme, gerade im grenzüberschreitenden Bereich. Insoweit zeichnen sich jedoch durchaus positive Entwicklungstendenzen auf europäischer Ebene ab. Insbesondere die Schaffung einer unionsweiten technischen Infrastruktur, die auf einheitlichen Komponenten und Standards basiert, wird zur Förderung der grenzüberschreitenden Interoperabilität verstärkt vorangetrieben.92 Eine von der Kommission in Auftrag gegebene Benchmarkstudie identifiziert ferner Best-Practice-Modelle für die effektive und benutzerfreundliche technische Gestaltung von E-Vergabeplattformen,93 die als Implementierungshilfe zugrunde gelegt werden sollten. Zudem bewirken die einheitlichen Maßgaben der eIDAS-VO eine deutliche Verbesserung der Vereinheitlichung und gegenseitigen Anerkennung der Identifizierungs- und Authentifizierungsverfahren sowie von elektronischen Signaturen.94

90 Mit der anschaulichen Bezeichnung als „krönender Abschluss der Entwicklung“, Siegel, LKV 2017, 385 (386). 91 Vgl. die Empfehlung des KGSt, E-Vergabe i. S. der europäischen Vergaberichtlinien, Bericht Nr. 2/2015, S. 13 ff.; dazu auch Zielke, VergabeR 2015, 273 (274 f.); Zeiss, VPR 2014, 53. 92 Dazu Kap. D. III. 3. a) (2) 93 Vgl. PWC, e-Procurement Golden Book of Good Practice. 94 Vgl. Kap. B. I. 2. c).

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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2. Regelung im Kartellvergaberecht Der Grundsatz der elektronischen Kommunikation wird auf Gesetzesebene an prominenter Stelle im fünften Absatz der Zentralnorm des § 97 GWB in den Grundsätzen der Vergabe im Kartellvergaberecht normiert. Die Vorschrift verpflichtet Auftraggeber und Unternehmen, grundsätzlich elektronische Mittel für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten im Vergabeverfahren zu verwenden. Damit begründet der Gesetzgeber einen verbindlichen Vorrang der elektronischen Kommunikation gegenüber anderen Kommunikationsformen.95 Der deutsche Gesetzgeber teilt die Einschätzung des Unionsgesetzgebers, dass elektronische Kommunikationsmittel zur Vereinfachung des Vergabeverfahrens sowie zur Steigerung der Effizienz und Transparenz beitragen.96 Von der Umstellung auf die elektronische Vergabe werden erhebliche Einsparpotenziale sowohl für Unternehmen als auch für die Auftraggeber erwartet.97 Die einzelnen Anforderungen, die Reichweite und Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation werden in den – auf Grundlage von § 113 S. 2 Nr. 4 GWB erlassenen – Vergabeverordnungen konkretisiert.98 a) Personeller Anwendungsbereich Der personelle Anwendungsbereich ist zunächst für Auftraggeber eröffnet. Gemäß § 98 GWB bezieht sich dies sowohl auf öffentliche Auftraggeber, § 99 GWB, und Sektorenauftraggeber, § 100 GWB, als auch auf Konzessionsgeber, § 101 GWB. Daneben nennt § 97 Abs. 5 GWB „Unternehmen“. Diese Formulierung erweist sich als missverständlich, denn die zugrunde liegenden Richtlinienvorgaben adressieren nur die vom Anwendungsbereich jeweils erfassten Auftraggeber.99 Die Pflicht der Unternehmen zur Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel korreliert einzig mit der entsprechenden Vorgabe durch jene im Verfahren. Dies verdeutlicht die Überlegung, dass in den begründeten Ausnahmefällen, in welchen der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, den Einsatz elektronischer Mittel zu verlangen,100 95

Braun, VergabeR 2016, 179 (181); Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  224. Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 1. 97 Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 4 ff. 98 §§ 9 ff. VgV; §§ 9 ff. SektVO; §§ 7 ff. KonzVgV. Neben den Vergabeverordnungen sind die Vorgaben für die Vergabe von Bauaufträgen im zweiten Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil A (VOB / ​A-EU) relevant. Die dortigen Regelungen weisen zwar eine abweichende Regelungsstruktur auf, sind aber vom zuständigen DAV mit dem Willen einer einheitlichen Ausgestaltung der elektronischen Kommunikation im Oberschwellenbereich erlassen worden, vgl. §§ 11, 11 a EU-VOB / ​A. Dabei bündelt § 11a EU-VOB / ​A im Wesentlichen die Regelungen der §§ 9–12 VgV in einer Vorschrift. Auf die Besonderheiten der Bauvergabe wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Es werden jedoch die Vorschriften zur elektronischen Kommunikation in den Fußnoten referenziert. 99 Dazu oben Kap. D. I. 1. a) bb) (1). 100 Vgl. im Einzelnen zu den Ausnahmeregelungen Kap. X. 2. 96

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keine Pflicht der Unternehmen zu deren Nutzung aus § 97 Abs. 5 GWB gegeben sein kann. Der Wortlaut ist daher im Einklang mit den Richtlinienvorgaben dahingehend zu verstehen, dass eine solche Verpflichtung für Unternehmen nur dann besteht, wenn der Auftraggeber deren Einsatz für die Beteiligung am Vergabeverfahren verlangt.101 Hierzu ist er in Anbetracht des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation im Regelfall verpflichtet.102 Der Nennung von Unternehmen im personellen Anwendungsbereich der Vorschrift ist daher nur deklaratorische Bedeutung beizumessen.103 b) Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation ist für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen ab Erreichen der EU-Schwellenwerte eröffnet, § 106 Abs. 1 S. 1 GWB. aa) Vergabe öffentlicher Aufträge Die Pflicht zum Einsatz elektronischer Mittel im Verfahren gilt grundsätzlich für die Vergabe aller öffentlichen Aufträge, § 103 Abs. 1 GWB, unabhängig vom Liefer- oder Leistungsgegenstand.104 Der Anwendungsbereich erstreckt sich hingegen nicht auf Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge, § 104 Abs. 1 GWB, die nach dem spezifischen Regelungsregime der §§ 144 ff. GWB i. V. m. VSVgV vergeben werden. In der Literatur vertritt jedoch Müller die Auffassung, dass nunmehr auch für diesen Bereich eine vorrangige Pflicht zur elektronischen Kommunikation Anwendung finden müsse.105 Dem ist entgegenzuhalten, dass der Grundsatz des § 97 Abs. 5 GWB „nach Maßgabe der aufgrund des § 113 [GWB] erlassenen Verordnungen“ gilt. In dem bereichsspezifischen Sondervergaberecht der VSVgV, das durch eine besondere Sensibilität gekennzeichnet und eng mit der Souveränität der Mitgliedstaaten verbunden ist,106 erweist sich daher die Vorschrift des § 19 VSVgV weiter als maßgeblich.107 Danach gibt 101

Zutreffend Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  221. Treffender wäre daher die Formulierung: „Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verlangen Auftraggeber grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.“ 103 Ebenso Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  217 ff.; ders., in: Kurlatz / ​ Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.17 ff.; zustimmend Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017; ebenso Masing, in: Reidt / ​Stickler / ​Glahs, Vergaberecht, § 97, Rn.  103. 104 Vgl. Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 68. 105 Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  222. 106 Voll, NVwZ 2013, 120 (121). 107 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 19; ebenso Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil I. Pkt. 4., blog. 102

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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der öffentliche Auftraggeber vor, ob die Informationen auf dem Postweg mittels Telefax, elek­tronisch, telefonisch oder durch eine Kombination dieser Kommunikationsmittel zu übermitteln sind. Eine Anpassung dieser Maßgabe war im Rahmen der Vergaberechtsmodernisierung108 unionsrechtlich nicht geboten. Die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen wird nicht durch die Vergaberichtlinien, sondern durch die Verteidigungsvergaberichtlinie 2009/81/EG (VSVKR)109 determiniert. Letztere bildete keinen Bestandteil der aktuellen Richt­linienreform und war daher nicht von den Digitalisierungsbestrebungen des Unionsgesetzgebers erfasst. Vielmehr beinhaltet die VSVKR weiterhin die Wahlfreiheit hinsichtlich des Kommunikationsmittels zugunsten der öffentlichen Auftraggeber.110 Im Ergebnis zeigt sich mithin, dass § 19 Abs. 1 VSVgV sowohl richtlinienkonform ist, als auch mit der Regelung des § 97 Abs. 5 GWB111 im Einklang steht. bb) Vergabe von Konzessionen Der Anwendungsbereich des § 97 Abs. 5 GWB wird derweil in Gänze für die Konzessionsvergabe eröffnet. Dies verdeutlicht zunächst die Gesetzesbegründung, die explizit auf die Umsetzung der KVR Bezug nimmt.112 Eine Konkretisierung erfolgt auf Verordnungsebene in der KonzVgV. Darin werden die Kommunikationsregelungen weitestgehend parallel zu den Bestimmungen in der VgV und SektVO, einschließlich entsprechender Übergangsfristen, normiert. Damit nutzt der Verordnungsgeber die Öffnungsklausel der KVR für die Einführung der obligatorischen elektronischen Kommunikation bei der Konzessionsvergabe im Karcosinex.de v. 18.1.2016; Prell, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 1, Rn. 13; Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 388. 108 In diesem Bereich erfolgten im Wesentlichen redaktionelle (Folge-)Änderungen, vgl. Begr. VergRModG, BTDrs.  18/6281, S. 126 f. sowie Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 308. Dazu auch v. Wietersheim, VergabeR 2016, 269 (274 f.). 109 Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/ EG und 2004/18/EG. 110 Art. 36 Abs. 1 Richtlinie 2009/81/EG. 111 Der Gesetzgeber erachtete eine weitergehende Klarstellung im Wortlaut offenbar nicht als notwendig. In der Begründung zu § 97 Abs. 5 GWB heißt es, „[m]it dieser grundsätzlichen Vorgabe zur Nutzung elektronischer Mittel sind Ausnahmen wie zum Beispiel im Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/81/EG ebenso erfasst wie die in den Richtlinien […] vorgesehenen Übergangsfristen.“, Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 68. 112 Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 68. Der Hinweis auf die Umsetzung von Art. 29 KVR erweist sich allerdings zumindest als ungenau, da der zitierte Artikel im ersten Unterabsatz gerade das grundsätzliche Wahlrecht hinsichtlich des Kommunikationsmittels normiert. Offensichtlich bezieht sich der Gesetzgeber hingegen auf den zweiten Unterabsatz, der eine weitergehende Regelung der verbindlichen elektronischen Kommunikation in den nationalen Umsetzungsakten zulässt.

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tellvergaberecht.113 Die amtliche Begründung nimmt ausdrücklich auf die in der Richtlinie angeführten Erwägungen des Unionsgesetzgebers Bezug hinsichtlich der Steigerung der Effizienz, Schnelligkeit und Transparenz des Verfahrens, der Vereinfachung der Bekanntmachung durch die Verwendung elektronischer Informations- und Kommunikationsmittel sowie der Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten im Binnenmarkt.114 Die Ausgestaltung der Kommunikationsvorschriften in der KonzVgV folgt dabei im Sinne einer effizienten Verfahrensabwicklung und einheitlicher Vorgaben für die Auftrags- und Konzessionsvergabe den Bestimmungen der VRL und SRL.115 Dies überzeugt aus den bereits zur KVR dargelegten Gründen.116 Der Verordnungsgeber weist zudem zu Recht darauf hin, dass die Konzessionsgeber regelmäßig ohnehin als öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber zur Verwendung elektronischer Mittel verpflichtet sind.117 Die weitestgehend einheitliche Normierung der Kommunikationsvorgaben erweist sich im Ergebnis als überzeugend. Es wird damit ein kohärenter Rechtsrahmen im Kartellvergaberecht geschaffen, der deutlich zur Rechtssicherheit beiträgt. cc) Pflichtumfang Die Pflicht zur Verwendung elektronischer Mittel erstreckt sich gem. § 97 Abs. 5 GWB auf das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren. Den Maßstab bilden die Richtlinienvorgaben, wonach die gesamte Kommunikation und der gesamte Informationsaustausch elektronisch zu erfolgen hat, deren Umsetzung der Gesetzgeber mit der Formulierung intendierte.118 (1) Senden, Empfangen und Weiterleiten von Daten Die Prozesse des Sendens, Empfangens und Weiterleitens bilden zentrale Bestandteile bei der elektronischen Kommunikation. Im Allgemeinen beschreibt das „Senden“ den vom Absender initiierten Transport von Daten, der nach außen gerichtet ist.119 Als Pendant dazu ist unter dem „Empfangen“ die vollständige Entgegennahme der übermittelten Daten durch den Empfänger zu verstehen.120 Beim Vorgang des „Weiterleitens“ werden die vom Empfänger entgegengenommenen 113 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 282 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 29 Abs. 1 UA. 2 KVR. 114 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 282. 115 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 282. 116 Kap. D. I. 1. b) bb). 117 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 282. Wie hier auch Siegel, NVwZ 2016, 1672 (1675); ders., VergabeR 2018, 183 (186). 118 Vgl. Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 68. 119 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 38. 120 Koch, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 5, Rn. 20.

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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Daten – ohne Veränderung von Inhalt und Form – an mindestens einen weiteren Empfänger transportiert.121 Es handelt sich dabei also um einen Unterfall des Sendens, dessen Nennung wohl nur deklaratorischen Charakter hat.122 Diese Vorgänge richten sich auf den wechselseitigen Datenaustauschprozess. Da die gesamte Kommunikation in allen Verfahrensstadien nach der Intention des Gesetzgebers vom sachlichen Anwendungsbereich erfasst sein soll,123 muss der Begriff der „Daten“ in diesem Kontext extensiv verstanden werden. Umfasst sind daher nicht nur die in elektronischen Dokumenten strukturierten Informationen, also etwa die Vergabeunterlagen oder die Verfahrenserklärungen der Bieter, sondern jegliche im Zusammenhang mit dem Verfahren stehende Informationen und Mitteilungen.124 Die Pflicht erstreckt sich allerdings nur auf Datenaustauschprozesse zwischen dem Auftraggeber und den Unternehmen, nicht aber auf die interne Kommunikation.125 Die entsprechenden Erwägungen des Unionsgesetzgebers finden sich in der amtlichen Begründung zur Konkretisierung des Grundsatzes in der VgV. Darin heißt es, dass die Ausgestaltung der internen Arbeitsabläufe den Auftraggebern und Unternehmen überlassen bleibt.126 Im Kartellvergaberecht besteht mithin keine Verpflichtung zur Einrichtung eines vollständig elektronischen Workflows. Als interner Vorgang sind damit insbesondere die Prüfung und Wertung der Angebote vom Anwendungsbereich ausgenommen.127 (2) Auslegung des Begriffs des Speicherns Als auslegungsbedürftig erweist sich der Begriff des „Speicherns“. Im Unterschied zu den anderen Vorgängen erweist sich die Datenspeicherung auf den ersten Blick nicht als Teil des Kommunikationsprozesses oder des Informationsaus­ tausches.128 In der Literatur wird unterschiedlich beurteilt, welche Bedeutung dem beizumessen ist. 121 Bspw. dürften hiermit Fälle gemeint sein, in denen der Auftraggeber die Antwort auf eine Bewerber- oder Bieterfrage an sämtliche Verfahrensteilnehmer weiterleitet, Koch, in: Burgi / ​ Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 5, Rn. 21. 122 Koch, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 5, Rn. 21. 123 Vgl. Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 68. 124 Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs.  5, Rn. 45; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 37. 125 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 97 GWB, Rn. 114; Koch, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 23. 126 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 163. 127 Schippel, VergabeR 2016, 434 (441). Dies verdeutlicht zudem der Umkehrschluss aus den Grundsätzen für die elektronische Auktion, § 120 Abs. 2 GWB i. V. m. § 25 Abs. 2 VgV. Für dieses spezielle Verfahrensinstrument wird nämlich spezifisch angeordnet, dass „Angebote mittels festgelegter Methoden elektronisch bewertet und automatisch in eine Rangfolge gebracht“ werden müssen. Die Notwendigkeit einer solchen Regelung zeigt, dass dies allgemeinhin nicht zwingend erforderlich ist, vgl. Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK ­VergabeR, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 47. 128 Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  226.

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(a) Ableitung der Pflicht zur elektronischen Aktenführung Nach einer Auffassung folgt daraus die Pflicht zur Führung einer einheitlichen elektronischen Vergabeakte (E-Vergabeakte).129 Angeführt wird, dass der nationale Gesetzgeber mit der Formulierung des „Speicherns von Daten“, die sich in dieser Form nicht den Richtlinienvorgaben entnehmen lässt, inhaltlich den Pflichtenkreis des Auftraggebers dahingehend erweitern wollte.130 Die Regelung sei auch zweckmäßig, da eine Umstellung auf die elektronische Verfahrensdurchführung zwar auch ohne eine E-Vergabeakte möglich sei, aber im Sinne der Effizienz und Effektivität nicht sinnvoll wäre.131 Kerninhalt bildet der Vergabevermerk, der ohnehin elektronisch geführt werden müsse.132 (b) Temporäre Speicherung im Kommunikationsprozess Die Vertreter der Gegenauffassung nehmen hingegen an, dass der Begriff des Speicherns im Kontext des Kommunikationsprozesses verstanden wird.133 Für die Kommunikation im konkreten Verfahren sei dies technisch notwendig, damit die Daten während des gesamten Vergabeverfahrens verfügbar und abrufbar sind.134 Dieses Verständnis werde auch aus den Begriffsbestimmungen der elektronischen Mittel in den Richtlinien deutlich,135 die auf „die Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten“ abstellen.136 Im Übrigen konstituiere die Erwähnung der Speicherung keine weitergehenden Anforderungen. Die Pflicht zur elektronischen Aktenführung gehe inhaltlich weit über die bloße Speicherung der Daten im Kommunikationsprozess hinaus.137 129 Insb. Adams, VergabeFokus 6/2015, 12 (12); ders., VergabeFokus 4/2016, 12 (13); ders. VergabeFokus 6/2016, 10 (12); Wagner, in: Müller-Wrede, GWB, § 97, Rn. 231 f. Portz, Die Gemeinde SH 3/2016, 59 (62); allg. dafür offenbar auch Frenz, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, GWB, § 97, Rn. 135. 130 Adams, VergabeFokus 6/2015, 12 (12 f.); ders. VergabeFokus 6/2016, 10 (12); Wagner, in: Müller-Wrede, GWB, § 97, Rn. 232 f. 131 Adams, VergabeFokus 3/2015, 12 (12); ders., VergabeFokus 4/2016, 12 (13). 132 Unter Bezugnahme auf § 8 VgV Adams, VergabeFokus 4/2016, 12 (13); ders., Vergabe Fokus 6/2016, 10 (12). 133 Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  227 f.; ders., in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​ Prieß, VgV, § 9, Rn. 22; Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 46; Koch, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 5, Rn. 22; Probst / ​Winters, CR 2016 349, (355); offenlassend Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, juris​ PK-VergabeR, § 9 VgV, Rn. 41 ff. 134 Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  227 f.; ders., in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​ Prieß, VgV, § 9, Rn. 24 f.; Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 46; Koch, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 5, Rn. 22. 135 Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 19 VRL; Art. 2 Nr. 15 SRL; Art. 5 Nr. 9 KVR. Dazu im Anschluss Kap. D. II. 1. 136 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  24 f. 137 Vgl. Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 46.

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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(c) Stellungnahme Die Ableitung der Pflicht zur Anlegung einer E-Vergabeakte allein aus dem Begriff des „Speicherns“ in § 97 Abs. 5 GWB begegnet gewichtigen Bedenken. Bereits die gleichrangige Nennung neben den Vorgängen des Sendens, Empfangens und Weiterleitens im Wortlaut legt nahe, dass das Speichern von Daten sich ebenfalls ausschließlich auf den elektronischen Kommunikationsprozess zwischen Auftraggeber und den Bewerbern bzw. Bietern beziehen soll. Für eine Pflicht zur elektronischen Aktenführung finden sich zudem systematisch keine Anhaltspunkte in den Vergabeverordnungen, die den Grundsatz der elektronischen Kommunikation konkretisieren. Die Dokumentation hat danach einzig durch die Anfertigung des Vergabevermerks in Textform, § 126b BGB, zu erfolgen.138 Der Verordnungsgeber hat insoweit in der amtlichen Begründung ausdrücklich hervorgehoben, dass die Gestaltung der internen Arbeitsabläufe den Auftraggebern obliegen soll und nicht durch die Vergabeverordnungen geregelt wird. Dazu gehört vor allem die Möglichkeit, den Vergabevermerk in Papierform anzufertigen und sämtliche im Verfahren anfallenden elektronischen Daten auszudrucken und zu archivieren.139 Diese Ausführungen gewinnen an Gewicht in Anbetracht ihres Entstehungsprozesses. Die Einfügung dieses Passus erfolgte, nachdem der Referentenentwurf erheblicher Kritik wegen der Unklarheit ausgesetzt war, ob eine über die Richtlinien hinausgehende Pflicht zur elektronischen Aktenführung mit dem Begriff des Speicherns eingeführt werden solle.140 Die Ergänzung der amtlichen Begründung kann demnach als eindeutige Klarstellung verstanden werden, dass der Normgeber keine derartige Intention mit der Formulierung verbunden hat.141 Im Ergebnis sprechen daher sowohl der Wortlaut als auch die Systematik und die Entstehungsgeschichte gegen die Annahme, dass sich aus dem Begriff des Speicherns die Pflicht zur elektronischen Aktenführung ableiten ließe. Obgleich in dieser Hinsicht keine Rechtspflicht besteht, ist die vollständige elektronische Aktenführung zulässig und erscheint zur Steigerung der Effizienz

138

Vgl. § 8 VgV, § 8 SektV, § 6 KonzVgV. Eine dem § 6 Abs. 1 S. 1 EGovG entsprechende Vorgabe besteht hingegen nicht. Ein Rückgriff auf diese Maßgabe ist ausgeschlossen, da die Auftragsvergabe als Teil der Fiskalverwaltung grds. vom Anwendungsbereich des EGovG ausgenommen ist, vgl. Begr. zum Entwurf des EGovG, BT-Drs. 17/11473, S. 32. Die Erstreckung der Pflichten des EGovG auf diesen Bereich bedarf der expliziten Anordnung wie sie in § 4a EGovG für den elektronischen Rechnungsempfang erfolgt ist, vgl. Kap. E. II. 1. 139 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 163. 140 Vgl. noch anders der RefE zur VergModVO v. 9.11.2015, S. 145. Vgl. mit dieser Forderung VKU, Stellungnahme des zum Entwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015, S. 5; die DB, Stellungnahme zum Referentenentwurf vom 09.11.2015 zur neuen Sektorenverordnung (SektVO-E), S. 2; vgl. auch die DAV Stellungnahme durch den Ausschuss Vergaberecht zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (Stand: 09.11.2015), S. 7 sowie die DIHK, Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015, S. 3. 141 I.d.S. auch Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 9, Rn. 7.

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und Transparenz im Vergabeverfahren durchaus zweckmäßig. Die ohnehin im Verfahren anfallenden elektronischen Daten können dadurch medienbruchfrei für die Dokumentation genutzt werden.142 Eine – parallel oder in Teilen – in Papierform geführte Verfahrensdokumentation erhöht demgegenüber den Verfahrens­aufwand.143 Mit einer vollständigen E-Vergabeakte als zentrale Informationsquelle lässt sich ferner die Verfahrensorganisation und der Informationsfluss bei der arbeitsteiligen Zusammenarbeit optimieren, weil alle Berechtigten – selbst unterschiedlicher Fachabteilungen – jederzeit Einsicht in den aktuellen Stand der Aktenlage nehmen können.144 Da der Zugang zu den elektronischen Daten ohne Zeitaufwand für den physischen Transport erfolgt, verringert sich zudem die Durchlaufzeit.145 (3) In einem Vergabeverfahren Der sachliche Anwendungsbereich des § 97 Abs. 5 GWB betrifft die Kommunikationsprozesse „in einem Vergabeverfahren“, gilt also grundsätzlich für alle Verfahrensphasen innerhalb des Vergabeprozesses.146 Die Gesetzesbegründung hebt die elektronische Erstellung und Bereitstellung der Bekanntmachung147 und der Vergabeunterlagen148, die elektronische Angebotsabgabe149 sowie die elektronische Vorbereitung des Zuschlags als maßgebliche Verfahrensschritte exemplarisch hervor.150 Das Verfahren beginnt mit der ersten nach außen erkennbaren Handlung, also regelmäßig mit der elektronischen Übermittlung der Auftrags- bzw. Konzessionsbekanntmachung an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.151 Vorgelagerte Prozesse  – wie die Bedarfsermittlung, die Markterkundung oder Machbarkeitsstudien – erfolgen noch nicht in einem konkreten Vergabeverfahren und sind damit nicht von der Pflicht zur Verwendung elektronischer Mittel er-

142 Vgl. ähnl. auch Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 48; Adams, VergabeFokus 6/2015, 12 (13); ders., Service-Guide 4, 5 (9). 143 Probst / ​Winters, CR 2016 349, (355). 144 Erforderlich ist dafür allerdings, dass elementare Nutzungs- und Zugriffsregeln festgelegt und technisch abgesichert werden, vgl. Adams, VergabeFokus 6/2015, 12 (14 f.); ders., Service-Guide eVergabe 2014, 5 (9). 145 Adams, VergabeFokus 6/2015, 12 (14); ders., Service-Guide eVergabe 2014, 5 (9). 146 Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 68. 147 § 40 Abs. 1 S. 1 VgV; § 40 Abs. 1 S. 1 SektVO, § 23 Abs. 1 KonzVgV. Eine solche übergreifende Regelung findet sich in der VOB / ​A-EU nicht. Stattdessen werden die Übermittlungsmodalitäten im Zusammenhang mit der jeweiligen Bekanntmachung geregelt: § 12 EU, § 18 EU Abs. 3 EU und § 22 EU Abs. 5 VOB / ​A. Dazu Kap. D. VI. 2. 148 § 41 Abs. 1 VgV; § 41 Abs. 1 SektVO; § 17 Abs. 1 KonzVgV. Im Wortlaut und Systematik wiederum abweichend § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB / ​A. Vgl. Kap. D. VII. 2. 149 § 53 Abs. 1 VgV; § 43 Abs. 1 SektVO; § 28 Abs. 1 KonzVgV. Vgl. auch § 11 EU Abs. 4 VOB / ​A. Kap.  D.  VIII. 2. 150 Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 68. 151 OLG München, Beschl. v. 12.11.2010 – Verg 21/10 –, juris, Rn. 17; Müller, in: Kulartz / ​ Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  229.

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fasst.152 Ein Verfahren endet – sofern es nicht aufgehoben wird – mit dem Zuschlag. Die Zuschlagsvorbereitung hat gemäß der Gesetzesbegründung elektronisch zu erfolgen.153 Dies bezieht sich nicht auf die Angebotsprüfung und -bewertung, die – wie bereits aufgezeigt – als interne Vorgänge nicht vom sachlichen Anwendungsbereich erfasst sind.154 Die Zuschlagsvorbereitung betrifft vielmehr zunächst die Bieterkommunikation nach Angebotsabgabe, insbesondere zur Aufklärung oder Nachforderung von Unterlagen. Ferner gilt dies für die in den Vergabeverordnungen vorgesehene unverzügliche Mitteilung155 des Auftraggebers hinsichtlich der Zuschlagserteilung an die unterlegenen Bieter.156 Davon abzugrenzen ist die zusätzlich bestehende Pflicht des Auftraggebers zur Information gem. § 134 Abs. 1 GWB. Die mit der Unterrichtung verbundene, zwingend einzuhaltende Wartefrist bis zum Vertragsschluss, bezweckt einen effektiven Primärrechtsschutz der unterlegenen Bieter.157 Im Umkehrschluss lässt sich aus dem Wortlaut von § 134 Abs. 2 S. 2 GWB, der eine Fristverkürzung für die elektronische Übermittlung vorsieht, schließen, dass insoweit weiterhin ein Wahlrecht hinsichtlich des Kommunikationsmittels besteht. Dies ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden, denn die Vorschrift entstammt der Rechtsmittelrichtlinie RL 2007/66/EG, die kein Bestandteil der aktuellen Richtlinienreform ist und die elektronische Kommunikation nicht zwingend vorsieht.158 Nach Zuschlagserteilung ist wiederum die Vergabebekanntmachung elektronisch an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union zu übermitteln. Die nachfolgenden Prozesse der Vertragsabwicklung und -durchführung sind dagegen nicht mehr von dem Anwendungsbereich des § 97 Abs. 5 GWB erfasst.159 Die Pflicht zum Empfang und zur Verarbeitung elektronischer Rechnungen in dieser Phase folgt nicht aus dem Grundsatz des § 97 Abs. 5 GWB oder dessen Konkretisierungen in den Vergabeverordnungen, sondern aus § 4a EGovG.160

152

Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 46. Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 68. 154 Dazu oben bei Kap. D. I. 2. b) cc). 155 Vgl. § 62 Ab. 1 VgV; § 56 Ab. 1 SektVO; § 30 Ab. 1 KonzVgV, die „unbeschadet“ von § 134 GWB bestehen und im Einzelnen einen abweichenden Inhalt aufweisen können, vgl. Dreher / ​Hoffmann, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 134, Rn. 86 f.; Conrad, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 62 VgV, Rn.  49. 156 Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  229; Schippel, VergabeR 2016, 434 (442). A. A. ohne nähere Begr. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 8. 157 Dreher / ​Hoffmann, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 134, Rn. 12. 158 Vgl. Art. 2a Abs. 2 RL-2007/66/EG, dazu auch Zeiss, VPR 2014, 53; ebenso Honekamp, in Greb / ​Müller, SektVergR, § 9 SektVO, Rn. 28; ebenso Wagner, in: Müller-Wrede, GWB, § 97, Rn. 216. 159 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 97 GWB, Rn. 114. 160 Zutreffend Siegel, LKV 2017, 385 (389 f.). Dazu im Einzelnen Kap. F. II. 153

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c) Subjektive Rechtsposition Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob aus dem Grundsatz der elektro­ nischen Kommunikation, § 97 Abs. 5 GWB, eine korrespondierende subjektive Rechtsposition folgt.161 Allgemein begründet die Vorschrift des § 97 Abs. 6 GWB162 einen „Anspruch“ zugunsten der Unternehmen, dass die „Bestimmungen über das Vergabeverfahren“ einzuhalten sind. Diese Subjektivierung der Verfahrensvorschriften fungiert als Rechtswegeröffnung zum vergaberechtlichen Primärrechtsschutz, §§ 155 ff. GWB.163 In der Literatur stellt insbesondere Müller grundlegend in Frage, dass die Regelung des § 97 Abs. 5 GWB den Bestimmungen über das Vergabeverfahren zuzurechnen ist.164 Streng genommen sei die Vorgabe zur Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel dem eigentlichen Verfahren vorgelagert. Damit werde nur das Medium zur Verfahrensdurchführung, nicht aber das Verfahren selbst bestimmt.165 Diese sehr formalistische Argumentation überzeugt indes nicht. Die Sichtweise erscheint nur schwerlich mit dem Umstand vereinbar, dass die verbindliche Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel nunmehr die gesamte Verfahrensdurchführung durchdringt.166 Insbesondere beruht die Rechtfertigung der Verkürzung der Mindestfristen auf dem Gedanken der Verfahrensbeschleunigung durch ihren Einsatz in allen Verfahrensphasen.167 Überdies legt die systematische Stellung und die sprachliche Fassung des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation („in einem Vergabeverfahren“) im Absatz vor der Regelung des § 97 Abs. 6 GWB die Einbeziehung in die Bestimmungen über das Vergabeverfahren nahe.168 Ein maßgebliches Argument für den subjektiv-rechtlichen Charakter liefern die Erwägungen des Unionsgesetzgebers, nach denen die obligatorische elektronische Kommunikation zur Gewährleistung der Verfahrenstransparenz und zur Verbesserung der Teilnahmemöglichkeit im gesamten Binnenmarkt beitragen soll.169 161 Diese Frage wurde von Wankmüller bereits zu den Richtlinien aufgeworfen. Da die Umsetzung der verbindlichen Kommunikationsvorgaben im Kartellvergaberecht ausstand, ließ er seine Position im Ergebnis allerdings noch offen, vgl. Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 237 f. 162 Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 69. Der Wortlaut der Vorschrift wurde zwar im Rahmen der Vergaberechtsreform 2016 leicht modifiziert. Inhaltlich wird damit jedoch keine Veränderung intendiert. Zur sprachlichen Neufassung Dörr, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 6, Rn. 5. 163 Dörr, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 6, Rn. 13. 164 Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  233 f. 165 Müller, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 97, Rn.  234; ders., in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​ Prieß, VgV, § 9, Rn. 46; i.d.S. auch Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 238. 166 Ähnl. auch Siegel, LKV 2017, 385 (390). 167 Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs.  5, Rn.  42. 168 Siegel, LKV 2017, 385 (390); Koch, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 5, Rn. 12. 169 Überzeugend Siegel, LKV 2017, 385 (390).

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Im Ergebnis sprechen mithin die besseren Gründe für die Annahme einer subjektiven Rechtsposition aus § 97 Abs. 5 GWB.170 Folglich haben Unternehmen gegenüber dem Auftraggeber einen Anspruch, dass der gesamte Kommunikations- und Informationsaustausch im Vergabeverfahren – sofern kein begründeter Ausnahmefall vorliegt171 – elektronisch erfolgt, der im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden kann.172 Unabhängig davon folgen weitere subjektive Rechtspositionen zugunsten der Unternehmen aus den einzelnen Verfahrensvorschriften zur elektronischen Kommunikation in den Vergabeverordnungen.173 d) Ergebnis Die Statuierung des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation in § 97 Abs. 5 GWB sowie dessen Konkretisierung in den Vergabeverordnungen bedeutet einen Paradigmenwechsel für die Vergabe im Oberschwellenbereich, der die zwingende Umstellung von der papiergestützten hin zu einer vollständig elektronischen Verfahrensdurchführung bewirkt. Die Verankerung in der Zentralvorschrift des materiellen Kartellvergaberechts174 verdeutlicht, welche maßgebliche Bedeutung der Gesetzgeber der obligatorischen Hinwendung zur E-Vergabe im Rahmen der aktuellen Vergaberechtsmodernisierung beimisst. In Anbetracht des zu erwartenden Transparenzgewinns und der Effizienzsteigerung, gerade in Bezug auf die Verfahrensbeschleunigung, die sich potenziell mit der elektronischen Kommunikation realisieren lassen, erscheint die nunmehr gesetzlich forcierte Einführung als überfälliger Schritt. Eine vollständig medienbruchfreie Abwicklung des Vergabeverfahrens wird zwar durch die Ausklammerung der internen Prozesse weiterhin nicht gänzlich erreicht. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die obligatorische Vorgabe der Verwendung elektronischer Mittel für den gesamten Kommunikations-

170 Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs.  5, Rn. 42; Koch, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 5, Rn. 12; ohne nähere Begr. auch Braun, VergabeR 2016 179 (183); Masing, in: Reidt / ​Stickler / ​Glahs, Vergaberecht, § 97, Rn. 102; ebenso, allerdings im Ergebnis bzgl. der Durchsetzbarkeit einschränkend: Siegel, LKV 2017, 385 (390 f.); offenlassend Prell, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 1, Rn. 52. 171 S. dazu Kap. D. X. 2. 172 Zutreffend Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 42. Bei einer Verletzung des § 97 Abs. 5 GWB durch die Verwendung anderer als elektronischer Kommunikationsmittel droht den Unternehmen zumindest wegen der faktischen Verkürzung der Mindestfristen für die Übermittlung der Verfahrenserklärungen – in Anbetracht der verlängerten Übertragungszeit bei anderen Kommunikationsformen, insbesondere bei der postalischen Versendung – ein relevanter Schaden. 173 Prell, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 1, Rn. 52. 174 Krit. hierzu BRAK, Stellungnahme zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 30. April 2015 – Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts Nr. 23/2015, S. 6; Koch, in: Burgi / ​Dreher, VergabeR, Bd. 1, GWB, § 97, Abs. 5, Rn. 12.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

und Informationsaustausch in allen Verfahrensphasen künftig auch zu einer stärke­ ren Digitalisierung des internen Workflows führen wird.175 Die langfristige Aufrechterhaltung von papierbasierten Parallelstrukturen, insbesondere bei der Aktenführung, erhöht hingegen den Verwaltungsaufwand, steigert die Prozesskosten und birgt Fehlerpotenziale. Dies sollte vermieden werden, zumal der Weg hin zur E-Vergabe unwiderruflich eingeschlagen ist.176 3. Besondere elektronische Methoden und Instrumente Die Ausführungen dieses Kapitels konzentrieren sich im Wesentlichen auf die allgemeinen Anforderungen an die elektronischen Mittel und die im Regelfall elektronisch durchzuführenden Verfahrensschritte eines Vergabeverfahrens, die den rechtlichen Umfang der E-Vergabe nach der Vergaberechtsmodernisierung nunmehr verbindlich definieren. Hiervon zu unterscheiden sind die besonderen elektronischen Methoden und Instrumente in Form dynamischer Beschaffungssysteme, elektronischer Auktionen und elektronischer Kataloge. Bereits die übergeordnete Bezeichnung verdeutlicht, dass es sich um Sonderformen der E-Vergabe handelt.177 Ihre Anwendung steht im Ermessen des Auftraggebers. Die technischen Voraussetzungen für den Einsatz müssen nicht zwingend geschaffen werden.178 Nachfolgend werden daher nur kursorisch die Funktionsweise dieser besonderen elektronischen Methoden und Instrumente179 sowie gewisse Anknüpfungspunkte zu den allgemeinen Verfahrensarten aufgezeigt. a) Dynamische Beschaffungssysteme Dynamische Beschaffungssysteme (DBS) waren bereits im Rahmen der Vergabekoordinierungsrichtlinien als fakultative Instrumente enthalten und wurden vom deutschen Gesetzgeber mit der Vergaberechtsmodernisierung 2009 im nationalen Vergaberecht erstmals eingeführt.180 Sie erlangten in der nachfolgenden Zeit jedoch unionsweit nahezu keine praktische Relevanz, sodass auf europäischer 175 Für diese Entwicklung dürfte es auch förderlich sein, dass sich gleichfalls im Unterschwellenbereich, zumindest im Bereich der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, mit der Einführung der UVgO die obligatorische Hinwendung zur E-Vergabe abzeichnet. Dazu Kap. E. 176 Zutreffend Siegel, LKV 2017, 385 (392). 177 Vgl. Schäfer, NZBau 2015, 131 (136), ders., in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 334. 178 Hölzl, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, in: GWB, § 120, Rn. 8; ebenso Siegel, LKV 2017, 385 (390). 179 Da diese sowohl unter den Begriff der Methode als auch den des Instruments subsumiert werden können, erscheint eine differenzierende Zuordnung nicht erforderlich, Amelung, in: Müller-Wrede, GWB, § 120, Rn. 11. 180 Als „dynamisches elektronisches Verfahren“, vgl. § 101 Abs. 6 S. 2 GWB a. F. Vgl. dazu bereits B. II. 2.

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Ebene bereits die Abschaffung gefordert wurde.181 Die Kommission sprach sich hingegen für Beibehaltung im Rahmen der VRL und SRL in einer rationalisierten und verbesserten Form aus.182 Mit der Zustimmung der anderen europäischen Legislativorgane fanden die reformierten183 Regelungen Eingang in Art. 34 VRL bzw. Art. 52 SRL, die im nationalen Vergaberecht in § 120 Abs. 1 GWB i. V. m. §§ 22 ff. VgV und §§ 20 ff. SektVO umgesetzt wurden. Bei einem DBS handelt es sich um ein befristetes, ausschließlich elektronisches Verfahren zur Beschaffung marktüblicher Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen, § 120 Abs. 1 GWB. Anders als die Legaldefinition zunächst suggeriert, ergibt sich schon systematisch aus der Regelung außerhalb des § 119 GWB, der einen numerus clausus für die zulässigen Verfahrensarten enthält, dass ein DBS keine eigenständige elektronische Verfahrensart darstellt,184 sondern eine Unterform des nicht offenen Verfahrens185 bildet. Die Einrichtung und der Betrieb erfolgen demnach zweistufig.186 Auf erster Stufe müssen die Bewerber ihre Eignung nach den vom Auftraggeber bekanntgemachten Kriterien zur Zulassung in das DBS nachweisen. Alle zugelassenen Bewerber, die eine Art Lieferantenpool bilden,187 werden sodann gesondert zur Angebotsabgabe für jeden Einzelauftrag während der Laufzeit des DBS vom Auftraggeber aufgefordert.188 In seiner Funktion ähnelt es damit einer Rahmenvereinbarung. Der entscheidende Unterschied besteht in der Offenheit des DBS, die während der gesamten Betriebszeit die Aufnahme weiterer Teilnehmer ermöglicht, die die bekannt gemachten Eignungskriterien erfüllen.189 Eine Begrenzung der Bewerberzahl ist unzulässig.190 Die Rahmenvereinbarung erweist sich demgegen 181

Schäfer, NZBau 2015, 131 (136), ders., in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 335. Vgl. Einzelerläuterungen zu den Richtlinienvorschlägen, KOM (2011) 896, S. 10, KOM (2011) 895, S. 11. Dazu auch KOM (2012) 179, S. 6. Der KVR-E sieht diese hingegen nicht vor. Da sich ein DBS auf die Beschaffung standardisierter Leistungen richtet, erscheint ein solches für die Konzessionsvergabe auch grundlegend ungeeignet. A. A. Braun, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 190 f. 183 Krit. zur weiterhin komplexen Regelungsumfang, Braun, VergR 2016, 179 (186); positiver hingegen Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (142). 184 Hölzl, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, in: GWB, § 120, Rn.  19; Osseforth, in: Gabriel / ​Krohn / ​ Neuen, HdB VergabeR, § 13, Rn. 125; Bernhardt, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 22, Rn. 8; a. A. als Verfahrensart sui generis einordnend Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 256; zu § 101 Abs. 6 S. 2 GWB a. F. ebenso Müller, NZBau 2011, 72 (73). 185 § 22 Abs. 2 VgV; § 20 Abs. 2 SektVO. Urspr. war das DBS als eine spezielle Ausgestaltung des offenen Verfahrens konzeptioniert. Mit der Neuregelung entfällt vor allem die Erforderlichkeit der damit zuvor einhergehenden Abgabe eines unverbindlichen Angebots zur Aufnahme in das DBS, das sich nach den Erwägungen des europäischen Gesetzgebers als eine der größten Belastungen für die Bieter erwies, vgl. ErwGrd Nr. 63 S. 2 VRL, ErwGrd Nr. 73 S. 2 SRL. 186 Zum Verfahrensablauf i. E. Thomas, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 123 ff. 187 Vgl. Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 25. 188 § 22 Abs. 4 S. 1 VgV; § 20 Abs. 4 S. 1 SektVO. 189 Vgl. § 21 Abs. 6 S. 1 VgV; § 20 Abs. 6 S. 1 SektVO. 190 § 22 Abs. 4 S. 2 VgV; § 20 Abs. 4 S. 2 SektVO als lex specialis zu § 51 VgV und § 45 Abs. 3 S. 1 SektVO. 182

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über als statischer, denn der / ​die Vertragspartner müssen bei Abschluss feststehen und können während der Vertragslaufzeit nicht gewechselt werden.191 Damit gestaltet sich ein DBS nicht nur als flexibler, sondern erzeugt auch einen höheren Wettbewerbsdruck, weil der Lieferantenpool potenziell ständig erweitert werden kann.192 Das Instrument erscheint gerade für die zentrale Beschaffungstätigkeit, § 122 Abs. 4 S. 1 GWB, in Bezug auf marktübliche bzw. gebrauchsfertige Waren- und Dienstleistungen193 als effizientes Mittel zur Bedarfsdeckung über einen längeren Zeitraum194. Bislang existiert allerdings in Deutschland – anders als z. B. in Österreich195 – noch kein DBS. Dies dürfte vor allem dem nicht unerheblichen technischen Aufwand der Einrichtung des vollständig elektronischen Instruments geschuldet sein, den insbesondere die flexible Betriebsgestaltung bedingt.196 Die IT-Beschaffungsstrategie für die zentralen IT-Beschaffungsstellen, die vom IT-Planungsrat am 24. Januar 2018 beschlossen wurde, enthält allerdings zumindest die Ankündigung, künftig zunehmend DBS für die Beschaffung von standardisierten Massenartikeln einsetzen zu wollen.197 b) Elektronische Auktionen Elektronische Auktionen (E-Auktionen) wurden nach kontroversen Diskussionen im Gesetzgebungsprozess198 zunächst ebenfalls in die Vergabekoordinierungsrichtlinien zur fakultativen Umsetzung aufgenommen. Trotz der bislang nur äußerst geringen praktischen Anwendung199 behält der Unionsgesetzgeber die Regelungen zur E-Auktion in überarbeiteter Form in Art. 35 VRL und Art. 53 SRL weiterhin 191 Zu weiteren Unterschieden ausführlich Einmahl / ​Siedenberg, Praktische Anwendungsmöglichkeiten für das dynamische Beschaffungssystem, Vergabeblog.de, Nr. 29726, v. 28.3.2017. 192 Dies bedeutet allerdings gleichzeitig einen erhöhten Aufwand für den Auftraggeber wegen der jeweils durchzuführenden Eignungsprüfung, Queisner, in: Vergaberecht 2018, 31 (32). 193 § 22 Abs. 1 VgV; § 20 Abs. 1 SektVO, z. B. Büromaterial und -möbel, Reinigungsmittel, Hygeneprodukte, Streusalz etc. Weitere Bsp. bei Bernhardt, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 22, Rn. 7. 194 Die Betriebsdauer ist in der Auftragsbekanntmachung anzugeben, § 23 Abs. 1 VgV; § 21 Abs. 1 SektVO. Eine Höchstgültigkeitsdauer – etwa von vier Jahren wie in den Vorgängerregelungen – besteht nicht mehr. Die Zulassung einer längerfristen Betriebsdauer begegnet wegen der Pflicht zur ständigen Zulassung neuer Bewerber keinen Bedenken in Bezug auf den Wettbewerbsgrundsatz, § 97 Abs. 1 S. 1 GWB. 195 Österreich, das die Aufnahme von DBS in die Vergaberichtlinien 2004 maßgeblich initiierte, vgl. Müller, NZBau 2011, 72 (72), beitreibt auf Bundesebene seit 2014 ein DBS, vgl. https:// www.bbg.gv.at/lieferanten/dbs [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 196 Dazu ausführlich auch Einmahl / ​Siedenberg, Praktische Anwendungsmöglichkeiten für das dynamische Beschaffungssystem, Vergabeblog.de, Nr. 29726, v. 28.3.2017. 197 Vgl. Initiale IT-Beschaffungsstrategie für die zentralen IT-Beschaffungsstellen, Vers. 1.0, S. 33, Anlage zum Beschluss des IT-Rat Nr. 2018/2, v. 24.1.2018. 198 Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 68 f. 199 Im Jahr 2010 wurden unionsweit E-Auktionen bei weniger als 1 % der Aufträge (in Bezug auf Volumen und Anzahl) eingesetzt, obwohl zu diesem Zeitpunkt 26 Mitgliedstaaten die Richtlinienvorgaben aus Art. 54 VKR und Art. 56 SKR freiwillig umgesetzt hatten, vgl. Comission

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bei. Im nationalen Vergaberecht wurde die E-Auktion vor der Vergaberechtsmodernisierung 2016 nur rudimentär im GWB erwähnt, ohne eine konkretisierende Ausgestaltung auf untergesetzlicher Ebene, weshalb die Zulässigkeit Anlass für Diskussionen bot.200 Da die reformierten Richtlinienvorgaben zur E-Auktion verbindlich umzusetzen sind,201 hat der deutsche Normgeber die Verfahrensregeln in § 120 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 25 f. VgV, §§ 23 f. SektVO vollständig überführt. Gemäß der Legaldefinition bildet die E-Auktion ein sich schrittweise wiederholendes elektronisches Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots, § 120 Abs. 2 S. 1 GWB. Es handelt sich um Durchführungsmodifikationen202 des offenen, nicht offenen oder des Verhandlungsverfahrens,203 die im Verfahrensablauf in der Angebotsphase vor der Zuschlagserteilung zu verorten sind.204 Eine E-Auktion kann zudem für die Einzelabrufe bei einer Rahmenvereinbarung oder in Kombination mit einem DBS eingesetzt werden.205 Tauglicher Gegenstand sind ausschließlich standardisierte Leistungen, die in den Vergabeunterlagen hinreichend präzise beschrieben und mithilfe automatischer Bewertungsmethoden eingestuft werden können, also quantifizierbar sind.206 Geistig-schöpferische Leistungen207 werden hingegen explizit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.208 Die E-Auktion verläuft invers, d. h. nach einer verbindlichen ersten Bewertung der eingereichten Angebote anhand der bekanntgemachten Zuschlagskriterien209 können die Bieter iterativ in den nachfolgenden Phasen210 den Preis und / ​oder – abhängig von der BewertungsStaff Working Paper, Evaluation Report Impact and Effectiveness of EU Public Procurement Legislation, SEC(2011) 853 final, S. 113. 200 Lediglich § 101 Abs. 6 GWB (2009) enthielt eine knappe Formulierung. Trotz der fehlenden Ausgestaltung wurde die Zulässigkeit von E-Auktionen in richtlinienkonformer Auslegung von der h. M. angenommen, vgl. Schröder, NZBau 2010, 411 (412); umfassend zum Literaturstand VK Niedersachsen, Beschl. v. 10.5.2011 – VgK-11/2011 –, juris, Rn. 38 ff.; a. A. Waldmann, VergabeR 2a/2010, 298 (301). 201 Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 338. 202 Hölzl, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, in: GWB, § 120, Rn.  27; Amelung, in: Müller-Wrede, GWB, § 120, Rn. 11; Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 25, Rn. 1; a. A. noch zu § 101 Abs. 6 S. 1 GWB a. F. Gabriel, NJW 2009, 2011 (2014). 203 Vgl. § 25 Abs. 1 S. 1 VgV; § 23 Abs. 1 S. 1 SektVO. 204 Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 259. 205 § 25 Abs. 1 S. 4 VgV; § 23 Abs. 1 S. 4 SektVO. 206 Vgl. § 25 Abs. 1 S. 1 VgV; § 23 Abs. 1 S. 1 SektVO. 207 Krit. zur Unbestimmtheit dieses Begriffs Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 25, Rn. 5 f., der zutreffend anführt, dass geistig-schöpferische Leistungen nur insoweit nicht erfasst werden können, wenn sie als Angebotsbestandteil der Wertung unterliegen. Im Übrigen können für Entwicklungs- Beratungs- und Schulungsleistungen durchaus feste Parameter bestimmt werden, die der automatischen Bewertung zugänglich sind. 208 § 25 Abs. 1 S. 2 VgV; § 23 Abs. 1 S. 2 SektVO. Die Verordnungsbegründung führt das Bsp. der Planung und Gestaltung eines Bauwerkes an, Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 180 (VgV); S. 244 (SektVO). 209 § 120 Abs. 2 S. 2 GWB i. V. m. § 25 Abs. 1 S. 3 VgV; § 23 Abs. 1 S. 3 SektVO. 210 Gem. § 25 Abs. 1 S. 5 VgV; § 23 Abs. 1 S. 5 SektVO „kann“ die E-Auktionen auf mehreren, aufeinanderfolgenden Phasen bestehen. Zwingend ist also einzig die Durchführung einer Phase.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

methode – auch andere wertungsrelevante Angebotskomponenten korrigieren.211 Diese Folgeangebote werden maschinell, also ohne subjektiven Wertungsspielraum des Auftraggebers, durch ein elektronisches System ausgewertet und automatisch in eine Rangfolge gebracht, die den Bietern aus Transparenzgründen unverzüglich mitzuteilen ist.212 Dieser inversive Charakter der E-Auktion, dessen (analoger) Ursprung im sog. Lizitationsverfahren liegt,213 das auf eine „Absteigerung“ abzielt, ist seit jeher erheblicher Kritik ausgesetzt.214 Es wird vor allem die Gefahr gesehen, dass sich die Bieter in einen ruinösen Preiskampf begeben könnten, der nicht nur zu einer minderwertigen Qualität, sondern langfristig auch zur Reduktion der Anbieterstruktur führen könnte.215 Andererseits bieten E-Auktionen dem Auftraggeber gerade bei standardisierten Leistungen, die eine hohe Wettbewerbsintensität erwarten lassen, eine – aufgrund des vollautomatischen Ablaufs – effiziente und – wegen der Mitteilungspflichten – transparente Möglichkeit, das wirtschaftlichste Angebote zu ermitteln.216 c) Elektronische Kataloge Elektronische Kataloge (E-Kataloge)  sind vom Unionsgesetzgeber als eigenständiges Instrument in Art. 36 VRL und Art. 54 SRL neu implementiert worden. Sie wurden zuvor nur in den Erwägungen der Vergabekoordinierungsrichtlinien als zulässige Online-Beschaffungstechnik erwähnt.217 Im nationalen Vergaberecht sind die Regelungen in § 120 Abs. 3 GWB i. V. m. § 27 VgV, § 25 SektVO umgesetzt. Ein E-Katalog ist gemäß der Legaldefinition des § 120 Abs. 3 GWB ein auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung erstelltes Verzeichnis der zu beschaffenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in einem elektronischen Format, das Abbildungen, Preisinformationen und Produktbeschreibungen umfassen kann. Sie können nach dem Ermessen des Auftraggebers in jedem Vergabeverfahren als Angebot oder als Angebotsbestandteil verlangt bzw. akzeptiert werden.218 Im Kern handelt 211 Schematische Übersicht des Ablaufs nach der VRL bei Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 263; i. E. auch Thomas, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 131 ff. 212 Vgl. §§ 25 Abs. 2 S. 1, 26 Abs. 5 S. 1 VgV; §§ 23 Abs. 2 S. 1, 24 Abs. 5 S. 1 SektVO. 213 Diese Form der mündlichen Absteigerung, deren Wurzeln bis in das antike römische Recht zurückreichen, bildete im 19. Jahrhundert die ursprüngliche Form der öffentlichen Auftragsvergabe in Deutschland, die erst später von der schriftlichen Angebotsabgabe (Submission) abgelöst wurde, Schröder, NZBau 2010, 411(414). 214 Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 69; Schröder, NZBau 2010, 411 (413). 215 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates gegen die Einführung des § 101 Abs. 6 GWB im Rahmen der Vergaberechtsmodernisierung 2009, BR-Drs. 349/08 (Beschluss), S. 8. Ähnl. Schäfer, NZBau 2015, 131 (136). 216 So bereits Knauff, EuZW 2004, 141 (142 f.); zustimmend Osseforth, in: Gabriel / ​Krohn / ​ Neuen, HdB VergabeR, § 13, Rn. 146. 217 ErwGrd Nr. 12 VKR; ErwGrd Nr. 20 SKR. Dazu näher auch Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 67. 218 Vgl. § 27 Abs. 1 VgV; § 25 Abs. 1 SektVO.

I. Allgemeiner Grundsatz der elektronischen Kommunikation

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es sich damit um eine spezifische Form der Angebotseinreichung.219 Aus der Legaldefinition lässt sich ableiten, dass die E-Kataloge von den Bietern auf Grundlage der jeweiligen Leistungsbeschreibung verfahrensspezifisch220 zu erstellen bzw. zu modifizieren sind.221 Dies gewährleistet die Vergleichbarkeit der in Form von E-Katalogen eingereichten Angebote und sichert so die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz,222 bedeutet jedoch für die Bieter einen höheren Aufwand.223 Zur einheitlichen Ausgestaltung und Darstellung der Verzeichnisse hat der Auftraggeber das elektronische Format,224 das von allen Bietern zu verwenden ist, festzulegen225 und bekanntzugeben. Der Einsatz von E-Katalogen bietet sich wegen der vom Unionsgesetzgeber angestrebten Rationalisierung des Beschaffungsprozesses226 insbesondere an, wenn eine Vielzahl unterschiedlicher Standardleistungen, z. B. Verbrauchsprodukte wie Büromaterial, benötigt wird.227 Den primären Anwendungsfall bildet der Abschluss einer Rahmenvereinbarung auf Grundlage von E-Katalogen, vgl. § 120 Abs. 3 S. 2 GWB. Nach Vertragsschluss werden die von der Rahmenvereinbarung umfassten Leistungen in einer internen Datenbank des Auftraggebers eingestellt und können von dessen Mitarbeitern abgerufen werden. Diesem Konzept entspricht z. B. das webbasierte Katalogbestellsystem Kaufhaus des Bundes (KdB),228 das öffentlichen Auftraggebern der Bundesver 219

Amelung, in: Müller-Wrede, GWB, § 120, Rn. 27. Unzulässig ist nach den Erwägungen des europäischen Gesetzgebers die Einreichung von „allgemeinen Katalogen“, also etwa solchen, die auf der Internetseite eines Unternehmens einem unbestimmten Personenkreis präsentiert und angeboten werden, Wankmüller, in Soudry / ​ Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 254. Zulässig ist es hingegen, dass die Informationen, die in einem allgemeinen Katalog enthalten sind, in den E-Katalog zur Angebotseinreichung kopiert werden, ErwGrd Nr. 68 S. 7 ff. VRL und ErwGrd Nr. 77 S. 7 ff. SRL. 221 Amelung, in: Müller-Wrede, GWB, § 120, Rn. 29. 222 Vgl. ErwGrd Nr. 68 S. 6 VRL und ErwGrd Nr. 77 S. 6 SRL. 223 Krit. Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (141). 224 Weder der europäische noch der deutsche Gesetzgeber treffen derzeit spezifische Formatvorgaben, sodass sowohl einfache Auflistungen in einem nicht weiter strukturierten Dokument, etwa in Form einer Kalkulationstabelle, als auch strukturierte Datensätze in spezifischen Katalogformaten, z. B. BMEcat und GAEB, einen E-Katalog darstellen können, vgl. auch Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs. 5, Rn. 33. Künftig könnte die Kommission auf Grundlage der Ermächtigung in Art. 22 Abs. 7 VRL; Art. 40 Abs. 7 KVR jedoch delegierte Rechtsakte zur Standardisierung von E-Katalogen, etwa auf Basis von der PEPPOL-Spezifikation für E-Kataloge BIS 1A Catalogue Only, erlassen, s. dazu Kap. D. III. 3. a) bb). Dies erscheint zur Verbesserung der unionsweiten Interoperabilität von E-Katalogen im grenzüberschreitenden Verkehr wünschenswert. 225 Die Festlegung in „Form eines elektronischen Kataloges“, § 27 Abs. 1 S. 1 VgV; § 25 Abs. 1 S. 1 SektVO, ist in Anbetracht der Vorgaben des Art. 36 Abs. 2 UA. 1 VRL; Art. 54 Abs. 2 UA. 1 SRL richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dies gleichfalls das Format, einschließlich der Spezifikationen, einschließt. 226 ErwGrd Nr. 68 S. 4 VRL und ErwGrd Nr. 77 S. 4 SRL. 227 Zimmermann, in: Gabriel / ​Mertens / ​Prieß / ​Stein, BeckOK VergabeR, GWB, § 97 Abs.  5, Rn. 33. 228 Allg. zur Entstehung und Funktion des KdB, Egler / ​Funk, in: Eßig / ​Witt (H.), Öffentliche Logistik, S. 420 ff. 220

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

waltung229 zur Verfügung steht. Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung auf der Grundlage von E-Katalogen erweist sich jedoch als statisch, denn während der Vertragslaufzeit können keine Veränderungen am Sortiment der Waren und Leistungen vorgenommen werden.230 Aus diesem Grund ist der Auftraggeber berechtigt, vorzugeben, dass nach Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehr als einem Unternehmen231 die Einzelauftragsvergabe in einem erneuten sog. „Miniwettbewerb“ auf Grundlage aktualisierter E-Kataloge erfolgt. Dafür kann der Auftraggeber entweder die Unternehmen auffordern, die Verzeichnisse zu aktualisieren und erneut zu übermitteln232 oder – nach vorheriger Ankündigung – die erforderlichen Daten aus den bereits eingereichten E-Katalogen selbst entnehmen.233 Abgesehen vom Einsatz zum Leistungsabruf innerhalb einer Rahmenvereinbarung eignen sich E-Kataloge in besonderem Maß als spezifische Angebotsform in einem vollelektronischen DBS.234 Gemäß der Richtlinienvorgaben können die Auftraggeber dabei – parallel zum Verfahren bei der Rahmenvereinbarung – die Vergabe der Einzelaufträge auf Grundlage einer eigenen Datenerhebung aus den E-Katalogen vornehmen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass bereits dem Antrag auf Teilnahme am DBS ein E-Katalog im vom Auftraggeber festgelegten Format beigefügt wird.235 Sofern von dieser Möglichkeit, die im nationalen Vergaberecht nicht in der VgV und SektVO umgesetzt wurde, Gebrauch gemacht werden soll, sind die zuvor beschriebenen Vorgaben für die eigenständige Datenerhebung von bereits eingereichten E-Katalogen bei der Einzelauftragsvergabe

229

Vgl. die Zugangsvoraussetzungen in § 1 Abs. 1 Nutzungsbedingungen des KdB, Stand: 01/2018. 230 Krit. Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (141); ähnl. auch Overbuschmann, in: MüllerWrede, VgV / ​UVgO, § 27 VgV, Rn.  34. 231 Anders als der Wortlaut „mit einem oder mehreren Unternehmen“ in § 27 Abs. 3 VgV /  § 25 Abs. 3 SektVO nahelegt, ist die Möglichkeit nur für Rahmenvereinbarungen mit mehreren Unternehmen eröffnet. Der gleichlautende deutsche Richtlinientext enthält nämlich insoweit einen Übersetzungsfehler. In der engl. Sprachfassung heißt es explizit: „Where a framework agreement has been concluded with more than one economic operator“. 232 § 27 Abs. 3 Nr. 1 VgV; § 25 Abs. 3 Nr. 1 SektVO. 233 Vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 2 VgV; § 25 Abs. 3 Nr. 2 SektVO. In diesem Fall hat der Auftraggeber jedem Bieter allerdings die gesammelten Daten vor Zuschlagserteilung vorzulegen, sodass dieser die Möglichkeit zum Einspruch oder zur Bestätigung hat, dass das Angebot keine materiellen Fehler enthält, vgl. § 27 Abs. 4 VgV; § 25. Abs. 4 SektVO. Diese Variante wurde in den Kommissionsvorschlägen noch als „punch out“-Verfahren bezeichnet, Art. 34 Abs. 4 S. 2 lit. b) VRL-E; Art. 48 Abs. 5 S. 2 lit. b) SRL-E. In Anbetracht des notwendigen Prüfverfahrens erscheint es durchaus zweifelhaft, ob diese Variante praktische Relevanz erlangen wird, zumal die Bieter auch berechtigt sind, diese Methode von vornherein abzulehnen, vgl. allg. kritisch zum sehr komplizierten Regelungsinhalt Overbuschmann, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 27 VgV, Rn. 32. 234 Vgl. auch Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (144). 235 Art. 36 Abs. 6 UA. 2 VRL; Art. 54 UA. 2 SRL. Dazu Wankmüller, in Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 254; Hamer, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 36, Rn. 30 f.

II. Elektronische Mittel

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in einer Rahmenvereinbarung in richtlinienkonformer Auslegung entsprechend anzuwenden.236

II. Elektronische Mittel An die Kommunikationsmittel, die im Verfahren zum elektronischen Kommunikations- und Informationsaustausch zum Einsatz kommen, werden verschiedene Anforderungen geknüpft. Bevor diese in den nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels näher untersucht werden, bedarf es zunächst einer grundlegenden begriff­ lichen Einordnung. 1. Richtlinienvorgaben a) Entstehung und Inhalt Bereits die ersten Kommissionsvorschläge enthielten eine einheitliche Begriffsbestimmung für elektronische Mittel in den drei Richtlinien.237 Diese fanden letztlich unverändert Eingang in die Richtlinienfassungen. Danach sind elektronische Mittel „elektronische Geräte für die Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten, die über Kabel, per Funk, mit optischen Verfahren oder mit anderen elektromagnetischen Verfahren übertragen, weitergeleitet und empfangen werden“.238 b) Auslegung der Richtlinienvorgaben Eine nahezu wortgleiche Begriffsbestimmung befand sich bereits in den Vergabe­ koordinierungsrichtlinien.239 Aus dem Erfordernis, dass die Datenübertragung, -weiterleitung oder der -empfang über Übertragungsmedien (Kabel, Funk, opti­ sche Verfahren), die entwicklungsoffen nicht abschließend aufgezählt werden, (oder andere elektromagnetische Verfahren) zu erfolgen hat, lässt sich zunächst folgern, dass die elektronischen Mittel das Vorhandensein eines Kommunikations-

236

Müller, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 20 SektVO, Rn. 11; ebenso Bernhard, in: Ziekow / ​ Völlink, VergabeR, VgV, § 27, Rn. 13; implizit auch Osseforth, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 13, Rn. 146. 237 Art. 2 Abs. 21 VRL-E; Art. 2 Abs. 21 SRL-E; Art. 2 Abs. 12 KVR-E. 238 Art. 2 Abs. 1 Nr. 19 VRL; Art. 2 Nr. 15 SRL; Art. 5 Nr. 9 KVR. 239 Vgl. Art. 1 Abs. 12 VKR; Art. 1 Abs. 13 SKR. Verzichtet wird auf eine sprachliche Redun­ danz, indem zentral nur noch auf die Verarbeitung und Speicherung von „Daten“ und deren Übertragung, Weiterleitung oder Empfang abgestellt wird, anstatt auf Daten und Informationen.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

netzes voraussetzen, das den Austausch von Signalen ermöglicht.240 Diese müssen ferner die Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speiche­rung der Daten gewährleisten. Dieser Definition dürfte grundsätzlich auch ein Faxgerät genügen.241 Allerdings ergibt sich aus der Richtliniensystematik, in der diese in den Übergangsbestimmungen der VRL und SRL bzw. im Rahmen des Kommuni­ kationsartikels der KRL neben der Kommunikation mit elektronischen Mittel eingeordnet werden,242 dass der Unionsgesetzgeber Faxgeräte nicht zu letzteren zählt.243 Bereits an der erforderlichen Datenübertragung von elektronischen Signalen über ein entsprechendes Übertragungsmedium im Sinne der Begriffsbestimmung fehlt es ferner bei der postalischen Versendung von elektronischen Speicher­ medien.244 Die Definition von elektronischen Mitteln bezieht sich nur auf elektronische „Geräte“, sodass von einem ausschließlich hardwarebasierten Verständnis aus­ gegangen werden könnte. In der englischen Sprachfassung wird hingegen treffender der weiter gefasste Terminus „electronic equipment“ verwendet, der ebenso korrespondierende Software einschließen kann.245 Dieses Verständnis legt auch die Systematik nahe, denn für die Kommunikation mit elektronischen Mitteln,246 also über ein Netzwerk, sind sowohl Instrumente (engl. „tools“), worunter die Kommission bislang primär Softwareprodukte verstand,247 als auch Vorrichtungen, also Hardwaregeräte, erforderlich.

240 Vgl. Commission Staff Working Document, Requirements for conducting public procure­ ment using electronic means under the new public procurement Directives 2004/18/EC and 2004/17/EC, SEC(2005) 959, S. 5. 241 Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 226. 242 Vgl. Art. 90 Abs. 2 UA 3 VRL; Art. 106 Abs. 2 UA 3 SRL; Art. 29 Abs. 1 UA. 1 KVR. 243 Die Datenübermittlung erfolgt per Fax zwar mittels elektronischer Signale, allerdings empfängt der Kommunikationspartner diese verkörpert in Papierform, vgl. dazu auch die EXEP Subgroup, Report and Recommendations of the Regulatory Aspects and Interpretation, S. 15. Faxgeräte genügen zudem nicht den umfangreichen Anforderungen an die Datensicherheit, vgl. Kap. D. V. 1. 244 Bsp. optische Datenspeicher (CD-Rom, DVD, BD) oder Flash-Speicher (USB-Sticks, SD-Karten etc.). Ebenso auch Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9, Rn. 29. 245 Ebenso Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 9, Rn. 13. 246 Art. 22 Abs. 1 UA. 1 S. 2 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 1 S. 2 SRL; vom Wortlaut leicht abweichend, da das Wahlrecht weiterhin besteht: Art. 29 Abs. 2 KVR. In den drei Richtlinien heißt es im Englischen jeweils parallel: „The tools and devices to be used for communicating by electronic means […]“. Dies wird in der deutschen Übersetzung zur VRL mit „[d]ie für die elektronische Kommunikation […]“ übersetzt, in der SRL und KVR dagegen mit „[d]ie für die elektronische Übermittlung […]“. Inhaltlich ergibt sich aus der unterschiedlichen Übersetzung allerdings keine Divergenz. 247 Vgl. Diese Software(tools) setzen nicht zwingend ein Netzwerk voraus, sondern könnten auch lediglich lokal installiert sein, Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 7.

II. Elektronische Mittel

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c) Zwischenergebnis Die Begriffsbestimmung der elektronischen Mittel ist technisch offen formuliert. Sie eignet sich primär als Abgrenzung zu technischen Geräten, die zwar elektronische Signale übertragen, aber keine elektronischen Mittel im Sinne der Richtlinien darstellen. 2. Regelung im Kartellvergaberecht Der Verordnungsgeber definiert den Begriff der elektronischen Mittel248 einleitend in der jeweiligen Vorschrift zu den „Grundsätzen der Kommunikation“ im ersten Abschnitt der Vergabeverordnungen,249 ohne Bezugnahme auf die Richt­ linienbegriffsbestimmung.250 a) Legaldefinition Gemäß der Legaldefinition bezeichnen elektronische Mittel Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung. Diese sind grundsätzlich für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabe­ verfahren vom Auftraggeber und den Unternehmen zu verwenden. aa) Auslegung im Lichte der Richtlinienbegriffsbestimmung Die Legaldefinition stellt in erfreulicher Deutlichkeit klar, dass sowohl Geräte als auch Programme elektronische Mittel darstellen können. Dies entspricht dem Verständnis der Richtlinien. Die gleichrangige Nennung ist zweckmäßig, denn Hardware und Software wirken in der Regel in einem elektronischen System un-

248 Als irreführend erweist sich der Wortlaut der jeweiligen Ermächtigung von Verwaltungsvorschriften in § 13 Abs. 1 VgV und § 11 Abs. 1 KonzVgV, der scheinbar eine abweichende Legaldefinition für „elektronische Mittel (Basisdienste für die elektronische Auftragsvergabe)“ enthält. Dieser Eindruck beruht allerdings einzig auf der Klammersetzung. Bei den Basisdiensten handelt es sich gleichfalls um elektronische Mittel i. S. d. allg. Legaldefinition, zutreffend Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9, Rn. 33. Aus der amtlichen Begründung ergibt sich, dass diese ledglich zentral zur Verfügung gestellt werden, vgl. Begr. VergRModVO, BRDrs. 87/16, S. 167 (VgV); S. 285 (KonzVgV). 249 § 9 Abs. 1 VgV; § 9 Abs. 1 SektVO; § 7 Abs. 1 KonzVgV. S. auch § 11 EU Abs. 1 VOB / ​A. 250 Vgl. mit dieser Forderung BDI, Vorläufige Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 3.12.2015, S. 2; VDMA, Stellungnahme zum Referentenentwurf „Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts“ des Bundes­ ministeriums für Wirtschaft und Energie, v. 25.11.2015, S. 1.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

mittelbar zusammen.251 Die Formulierung der „elektronischen Datenübermittlung“ erweist sich allerdings als missverständlich.252 Die Übermittlung von Daten impliziert sprachlich zunächst die Übertragung an ein anderes System. Die elektronischen Mittel sind jedoch im Vergabeverfahren nicht nur zum Senden und Weiterleiten im Kommunikationsvorgang einzusetzen, sondern auch zum Empfang und Speichern der Daten. Im Lichte der Begriffsbestimmung der Richtlinien, in der umfassender auf die weitergehenden technischen Prozesse der „Verarbeitung und Speicherung“ abgestellt wird, kann die elektronische Datenübermittlung im Sinne der Legaldefinition dahingehend verstanden werden, dass hiervon auch die Übertragung der Daten zwischen Geräten und Programmen innerhalb eines elektronischen Systems umfasst ist. bb) E-Vergabeplattformen als primäre elektronische Mittel Für die Abwicklung des Vergabeverfahrens werden primär E-Vergabeplattformen als zentrale Kommunikationsportale zwischen den Bewerbern bzw. Bietern und den Auftraggebern eingesetzt,253 die die rechtlichen und technischen Anforderungen des Vergaberechts254 abbilden können müssen. Diese sind von reinen Bekanntmachungsplattformen zu unterscheiden, die ausschließlich zur Veröffentlichung von Bekanntmachungstexten und damit der Informationsvermittlung dienen, aber keine Kommunikationsmöglichkeit bieten.255 E-Vergabeplattformlösungen werden von verschiedenen privaten E-Vergabedienstleistern mit unterschiedlichem Funktionsumfang am Markt angeboten.256 Die proprietären technischen Systeme sind regelmäßig modulartig aufgebaut und können je nach Umfang und Komple­ xität der Ausschreibungspraxis erweitert oder vollständig den individuellen An 251 Bezeichnung als „denklogisch“, Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  26; befürwortend auch Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil I. Pkt. 3 a), blog.cosinex.de v. 18.1.2016. Dies entspricht auch dem bisherigen Verständnis im nationalen Vergaberecht, das spezifische Anforderungen an die zu verwendenden Programme und Geräte für die elektronische Kommunikation vorsah, vgl. z. B. § 13 Abs. 2, Abs. 3 EG VOLA (2009); § 5 Abs. 2, 4 SektVO (2009). 252 Krit. zu Formulierung ebenfalls Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 9, Rn. 12. 253 Etwa die zentrale E-Vergabeplattform des Bundes: http://www.evergabe-online.info/ [zuletzt abgerufen am 1.12.2018], die von der unmittelbaren Bundesverwaltung zwingend zu verwenden ist. Historisch zur Entstehung der Plattform aus dem Projekt „Öffentlicher Eink@uf Online“ zur Umsetzung der Zielvorgaben der Initiative BundOnline 2005, Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 108 ff. 254 Zu den Anforderungen sogleich bei Kap. D. V. 2. 255 Diese ermöglichen eine strukturierte Suche nach relevanten Ausschreibungen. Im Oberschwellenbereich werden die Bekanntmachungen zentral auf der europäischen Plattform Tenders Electronic Daily (TED) http://ted.europa.eu/ veröffentlicht. E-Vergabeplattformen sind i. d. R. mit diesen über Kommunikationsschnittstellen verknüpft und / ​oder bieten gesonderte Bekanntmachungsmöglichkeiten. 256 Für einen umfassenden Marktüberblick vgl. Zimmermann, in: ders., E-Vergabe, S. 31 ff.; v. Beust, in: ders. et al., eVergabe, S. 11 ff.; Probst / ​Winter, CR 2015, 557 (560).

II. Elektronische Mittel

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forderungen des Auftraggebers angepasst werden.257 Für E-Vergabeplattformen sind unterschiedliche Betriebsmodelle denkbar.258 Der Auftraggeber kann diese in einem Lizenzmodell selbst betreiben, d. h. mittels einer eigenen IT-Infrastruktur, oder eine webbasierte Cloud- bzw. Software-as-a-Service-Lösung (SaaS) nutzen, bei der die Software und die Rechenzentren vom Anbieter bereitgestellt werden. Letztere Variante ist mit deutlich geringeren Investitionskosten verbunden und bietet sich insbesondere für kleine und mittlere Vergabestellen an, die nicht über die entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen für den Eigenbetrieb verfügen.259 Der Fremdbetrieb entbindet den Auftraggeber freilich nicht von der Letztverantwortlichkeit für die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorgaben bei Verfahrensdurchführung.260 Die Unternehmen, die als Bewerber und Bieter an einem Verfahren teilnehmen, benötigen zur Datenübermittlung eine mit der E-Vergabeplattform korrespondierende Software. Dies kann entweder ein lokal installierter oder ein rein webbasierter Bieterclient sein.261 Zusätzlich können bei der Datenübermittlung weitere Geräte und / ​oder Programme, insbesondere aus Sicherheitsgründen, erforderlich sein, z. B. Verschlüsselungs- und / ​oder Signatursoftware,262 Kartenlesegeräte sowie entsprechende Signaturkarten oder auch Scanner.263 b) Ergebnis Die parallele Legaldefinition der elektronischen Mittel in den Vergabeverordnungen besticht durch ihre scheinbare sprachliche Klarheit, erweist sich jedoch hinsichtlich der Prozesse des Empfangens und Speicherns zumindest als missverständlich. Im Lichte der Richtlinienbegriffsbestimmung ließe sich die Definition zur Klarstellung wie folgt präzisieren: Elektronische Mittel sind Geräte und Programme für die elektronische Übermittlung von Daten, einschließlich deren Verarbeitung und Speicherung, mittels Kabel, per Funk, mit optischen Verfahren oder mit anderen elektromagnetischen Verfahren. 257

Die Programmierung einer Individualsoftware bedarf in Anbetracht von Kosten und Nutzen zumindest einer genauen Abwägung, Zimmermann, in: ders., E-Vergabe, S. 31 ff. Zudem ist möglich, korrespondierende Vergabemanagementsysteme (VMS), die den internen Workflows einschließlich Genehmigungsprozessen abbilden, zu nutzen, Broens / ​Glock / ​Weichert, in: Glock / ​Broens, Public eProcurement, S. 12 f. Umfänglich zu der Auswahl und Beschaffung einer E-Vergabelösung Baumann, in: v. Beust et al., eVergabe, S. 151 ff. 258 Aus Anbietersicht auch Czyszewski, Datensicherheit und E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 20.4.2015. 259 Zu den Vorteilen s. auch Adams, VergabeNavigator 2015, 12 (15). 260 Dazu i. E. Roßnagel / ​Paul, VergabeR 2007, 313 (314 ff.); Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 377 ff. 261 Zur Risikoverteilung bei der Datenübermittlung mittels Bieter-Clients s. Kap. D. VIII. 2. c). 262 Vgl. Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 9 SektVO, Rn. 21. 263 Mit weiteren Bsp. Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 9, Rn. 5.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel 1. Allgemeine Gebote Im Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts sind die im AUEV primärrechtlich niedergelegten Grundfreiheiten des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie die daraus abgeleiteten Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, des Wettbewerbs sowie der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit264 als übergeordnete Leitprinzipien im Vergabeverfahren zu beachten.265 Für die elektronischen Kommunikationsmittel, die bei der E-Vergabe eingesetzt werden, gelten spezifische Ausflüsse dieser Grundsätze als grundlegende Gebote.266 a) Richtlinienvorgaben aa) Entstehung und Inhalt Inhaltlich einheitlich normieren die VRL, SRL und KVR, dass die Instrumente und Vorrichtungen, die zur elektronischen Kommunikation verwendet werden, sowie deren technische Merkmale nicht diskriminierend, allgemein verfügbar, mit den allgemein verbreiteten Erzeugnissen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sein müssen und den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer zum Vergabeverfahren nicht einschränken dürfen.267 Die grundlegenden Anforderungen für die zur elektronischen Kommunikation genutzten Mittel basieren auf den Vorgängervorschriften268 und unterlagen im Reformprozess keinen wesent­ lichen Veränderungen.269

264

ErwGrd Nr. 1 VRL; ErwGrd Nr. 2 SRL; ErwGrd Nr. 4 KVR. Vgl. Art. 18 Abs. 1 UA. 1 VRL; Art. 36 Abs. 1 UA. 1 SRL; Art. 3 Abs. 1 UA. 1 KVR sowie die nationale Umsetzung in § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB. Grundlegend dazu Burgi, NZBau 2008, 29 (31 f.). 266 Mit der Bezeichnung als „Principles of E-Procurement“, Ferk, in: Skovgaard Ølykke / ​Sanchez-Graells (Ed.), Reformation or Deformation of the EU Public Procurement Rules, S. 115 ff. Mit der Betitelung als „allgemeine Gebote“ Schäfer, NZBau 2015, 131 (135). 267 Art. 22 Abs. 1 UA. 1 S. 2 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 1 S. 2 SRL. Inhaltlich identisch, in der Formulierung allerdings wegen des weiterhin bestehenden Wahlrechts zwischen den Kommunikationsmitteln leicht abweichend, Art. 29 Abs. 2 UA. 2 KVR. 268 Vgl. Art. 42 Abs. 2, Abs. 4 VKR; Art. 48 Abs. 2, Abs. 4 SKR. 269 Vgl. Art. 19 Abs. 3 UA 1 S. 1 VRL-E; Art. Art. 33 Abs. 3 UA 1 S. 1 SRL-E; Art. 25 Abs. 3 UA. 1 S. 1 KVR-E. 265

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben (1) Nichtdiskriminierung Zunächst bildet das Erfordernis der Nichtdiskriminierung ein grundlegendes Gebot. Dem primärrechtlich in Art. 18 AUEV verankerten Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit kommt im Unionsrecht eine hervorgehobene Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erweist sich insoweit jede, auch nur mittelbare Diskriminierung grundsätzlich als unzulässig.270 Durch die Nennung der Nichtdiskriminierung an erster Stelle betont der Unionsgesetzgeber die Geltung in Bezug auf die zur elektronischen Kommunikation verwendeten Instrumente und Vorrichtungen in besonderem Maße.271 Die Kommission hatte in der Vergangenheit dazu exemplarisch ausgeführt, dass – unbeschadet des Rechts des Auftraggebers im Vergabeverfahren die Angebotsein­reichung in Landessprache zu verlangen – die Zurverfügungstellung der für das Verfahren einzusetzenden Software in anderen Sprachen erwogen werden sollte oder zumindest von Hinweisen zur Bedienung und Installation, um Diskriminierungen zu vermeiden.272 Ferner könne, sofern z. B. in einer spezifischen Branche mehrere technische Lösungen üblich sind, der Auftraggeber jedoch nur eine bestimmte hiervon verlangt, sodass einzelne Wirtschaftsteilnehmer dadurch potenziell bevorzugt würden, über längere Einreichungsfristen nachgedacht werden, um allen Interessenten die Einarbeitung zu ermöglichen.273 Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass das Erfordernis der Nichtdiskriminierung extensiv zu verstehen ist. Die Wirtschaftsteilnehmer dürfen durch die Wahl des elektronischen Kommunikationsmittels nicht benachteiligt werden.274 (2) Allgemeine Verfügbarkeit Weiterhin erforderlich ist die allgemeine Verfügbarkeit der elektronischen Instrumente und Vorrichtungen. Dem liegt der Leitgedanke zugrunde, allen Wirtschaftsteilnehmern eine Beteiligung am elektronischen Vergabeverfahren durch die Verwendung von Standardinstrumenten und -vorrichtungen durch das frei zugängliche Internet zu ermöglichen.275 Zur Beurteilung der allgemeinen Verfügbar 270

Vgl. EuGH, Urt. v. 27.10.2005 – C-234/03 (Contse SA u. a. / ​Insalud), Rn. 35 ff. Ferk, in: Skovgaard Ølykke / ​Sanchez-Graells (Ed.), Reformation or Deformation of the EU Public Procurement Rules, S. 116. 272 Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 8. 273 Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 8. 274 Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 22, Rn. 10; i. d. S. bereits zu den Bestimmungen der Vergaberichtlinien 2004, Schäfer, in: FS Kilian, S. 772. 275 Vgl. die Kommissionausführungen hierzu: „[G]uiding principle is always that whoever can have access to the Internet via a normal computer with standard applications and programs shall be able to participate in the public procurement procedure“, Commission Staff Working 271

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

keit empfiehlt die Kommission einen „pragmatischen Ansatz“, der sich an unterschiedlichen Kriterien orientiert.276 Entscheidend können dabei die Erhältlichkeit und Zugänglichkeit für jedermann sowie die Verhältnismäßigkeit der Anschaffungskosten in Anbetracht des Verwendungszwecks sein. Daraus wird ersichtlich, dass die Bestimmung der allgemeinen Verfügbarkeit nicht rein abstrakt, sondern unter Berücksichtigung der Umstände des Vergabeverfahrens zu erfolgen hat.277 So erfordert diese nicht generell die Kostenlosigkeit der für das Vergabeverfahren erforderlichen Instrumente und Vorrichtungen, denn auch übliche Standardprogramme und -systeme sowie der Netzzugang zum Internet müssen von den Wirtschaftsteilnehmern in der Regel kostenpflichtig erworben werden. An der allgemeinen Verfügbarkeit mangelt es jedoch, wenn der Erwerb eines speziell für die Verfahrensbeteiligung erforderlichen Programms oder Geräts unverhältnis­ mäßig hohe Kosten in Anbetracht der Nutzung im konkreten Verfahren verursachen würde. Ebenso fehlt es an dieser, wenn die eingesetzten technischen Mittel generell für die Wirtschaftsteilnehmer nicht frei zugänglich sind. Dies betrifft insbesondere die Verwendung eines vom Internet abgetrennten, internen Netzes des Auftraggebers.278 (3) Kompatibilität mit allgemein verbreiteten IKT-Erzeugnissen Als dritte grundsätzliche Anforderung müssen die zur elektronischen Kommunikation verwendeten Instrumente und Vorrichtungen mit allgemein verbreiteten Erzeugnissen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) kompatibel sein. Kompatibilität beschreibt in diesem Kontext die funktionelle Verträglichkeit der Instrumente und Vorrichtungen mit unterschiedlichen technischen Systemen, sodass die Fähigkeit zum Informationsaustausch mit diesen gewährleistet ist.279 Allgemein verbreitet sind Standardhardware- und Softwareprodukte, die als IKTErzeugnisse üblich sind.280 Das Erfordernis bezieht sich einzig auf die funktionelle technische Verträglichkeit der zur elektronischen Kommunikation eingesetzten Instrumente und Vorrichtungen mit den allgemein verbreiteten IKT-Erzeugnissen. Nicht adressiert wird hingegen die Interoperabilität von unterschiedlichen E-Vergabesystemen miteinander.281 Letzteres würde die gemeinsame Verwendung einDocument, SEC(2005) 959, S. 7. Darauf abstellend auch Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 22, Rn. 9. 276 Vgl. Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 6 ff. 277 Ähnl. auch Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 22, Rn. 9. 278 Dazu sogleich bei den „Alternativen elektronischen Mitteln“, vgl. D. IV. 1. b) bb). 279 Vgl. Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 22, Rn. 11. 280 Vgl. Ferk, in: Skovgaard Ølykke / ​Sanchez-Graells (Ed.), Reformation or Deformation of the EU Public Procurement Rules, S. 117, Fn. 48. 281 Ferk, in: Skovgaard Ølykke / ​Sanchez-Graells (Ed.), Reformation or Deformation of the EU Public Procurement Rules, S. 117, Fn. 48.

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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heitlicher Datenaustauschstandards voraussetzen, die – anders als im Bereich der elektronischen Rechnungsstellung bei der öffentlichen Auftragsvergabe282 – in den Richtlinien nicht verbindlich vorgegeben werden.283 (4) Verbot der Zugangseinschränkung Das letzte Erfordernis, dass der Zugang der Wirtschaftsteilnehmer zum Vergabeverfahren nicht eingeschränkt werden darf, bleibt in Anbetracht der übrigen allgemeinen Anforderungen hinsichtlich des eigenständigen normativen Gehalts unklar. Es dürfte sich vor allem um einen Auffangtatbestand handeln, der insbesondere mittelbare Zugangshemmnisse ausschließen kann, die nicht bereits nach den anderen Anforderungen unzulässig sind. cc) Zwischenergebnis Die grundlegenden Anforderungen an die zur elektronischen Kommunikation verwendeten Instrumente und Vorrichtungen gelten auch unter den reformierten Vergaberichtlinien fort. Sie dienen dem Zweck, jegliche Zugangseinschränkung durch die technische Ausgestaltung auszuschließen und eine Bevorzugung bestimmter (nationaler) Wirtschaftsteilnehmer durch die Auswahl von spezifischen technischen Lösungen zu unterbinden. Deren Gewährleistung ist daher für die Chancengleichheit und Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer und für die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs maßgeblich. Diese entscheidende Bedeutung hebt der Unionsgesetzgeber durch die Normierung im unmittelbaren Anschluss an den Grundsatz der elektronischen Kommunikation im jeweiligen Kommunikationsartikel hervor. b) Regelung im Kartellvergaberecht In den Vergabeverordnungen werden die Gebote hinsichtlich der allgemeinen Verfügbarkeit, der Nichtdiskriminierung und der IKT-Kompatibilität im ersten jeweils wortgleichen Absatz der Vorschrift zu den Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel und deren technische Merkmale im Vergabeverfahren normiert.284 Der jeweilige zweite Satz ergänzt, dass der Zugang von Unternehmen zum Vergabeverfahren nicht eingeschränkt werden darf.285 Darüber hinaus wird der 282

Näheres im Kap. F. I. 2. b). Dazu sogleich bei Kap. D. III. 3. a) bb). 284 § 11 Abs. 1 S. 1 VgV; § 11 Abs. 1 S. 1 SektVO; § 9 Abs. 1 S. 1 KonzVgV. § 11a EU Abs. 1 S.  1 VOB / ​A. 285 § 11 Abs. 1 S. 2 VgV; § 11 Abs. 1 S. 2 SektVO; § 9 Abs. 1 S. 2 KonzVgV. § 11a EU Abs. 1 S.  2 VOB / ​A. 283

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Auftraggeber nach dem jeweiligen dritten Satz dazu verpflichtet, die barrierefreie Ausgestaltung der elektronischen Mittel zu gewährleisten.286 aa) Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren Obgleich der Auftraggeber in den Anforderungen an den Einsatz elektroni­ scher Mittel nur in Bezug auf die Gewährung der Barrierefreiheit ausdrücklich verpflichtet wird, richten sich die Vorgaben der ersten beiden Sätzen ebenso an diesen, da er die einzusetzenden Kommunikationsmittel für das Vergabeverfahren vorgibt.287 (1) Voranstellung der allgemeinen Verfügbarkeit In sprachlicher Abweichung zu den Richtlinienvorgaben stellt der nationale Verordnungsgeber das Erfordernis der allgemeinen Verfügbarkeit dem Diskriminierungsverbot voran. Dies erscheint aus systematischen Gründen als sinnvoll, denn der Auftraggeber kann ausnahmsweise vom Grundsatz der allgemeinen Verfügbarkeit beim Einsatz sog. alternativer elektronischer Mittel abweichen.288 Die übrigen Gebote sind jedoch auch in diesen Fällen beachtlich. Gemäß der amtlichen Begründung setzt die allgemeine Verfügbarkeit der elektronischen Mittel voraus, dass diese für alle Menschen ohne Einschränkung verfügbar sind und bei Bedarf, gegebenenfalls gegen ein marktübliches Entgelt, erworben werden können.289 Diese offene Definition ermöglicht eine einzelfallbezogene Bestimmung der Zugänglichkeit der Geräte und Programme und folgt damit dem pragmatischen Ansatz, den die Kommission empfiehlt. Wesentliche Voraussetzung ist es, dass die elektronischen Mittel potenziell am Markt für jedermann ohne erheblichen Aufwand erhältlich sind. Die Kostenpflichtigkeit, z. B. für Lizenzen von Standardsoftware wie Betriebssystemen und Textbearbeitungsprogrammen,290 steht der allgemeinen Verfügbarkeit nicht grundsätzlich entgegen. Etwas anderes gilt jedoch bei unverhältnismäßig hohen Kosten.291 Mit dem ggf. erforderlichen Erwerb gegen ein „marktübliches Entgelt“ benennt der Verordnungsgeber insoweit ein geeignetes Kriterium zur Ermittlung der Verhältnismäßigkeit der Anschaffungskosten. Für die Marktüblichkeit lassen

286

§ 11 Abs. 1 S. 3 VgV; § 11 Abs. 1 S. 3 SektVO; § 9 Abs. 1 S. 3 KonzVgV. § 11a EU Abs. 1 S.  3 VOB / ​A. 287 Ähnl. Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 45. 288 Vgl. § 12 Abs. 1 VgV; § 12 Abs. 1 SektVO; § 10 KonzVgV; § 11a EU Abs. 6 VOB / ​A. Kap. D. IV. 2. 289 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 235 (SektVO), S. 284 (KonzVgV). 290 Mit weiteren Bsp. Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11 VgV, Rn. 18. 291 Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 11, Rn. 9.

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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sich keine abstrakten Wertgrenzen bestimmen. Vielmehr muss diese im Kontext des konkreten Verfahrens bestimmt werden.292 (2) Nichtdiskriminierung Elektronische Mittel sollen dem Erfordernis der Nichtdiskriminierung gemäß der amtlichen Begründung genügen, wenn diese für alle Menschen, auch mit Behinderung, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.293 Die Begründung ist an den Wortlaut der Definition der Barrierefreiheit des § 4 S. 1 BGG294 angelehnt, jedoch weitergehend formuliert, da sie auf „alle Menschen“ Bezug nimmt. Die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderung ist nur ein spezifischer Ausdruck der Nichtdiskriminierung, den der Verordnungsgeber noch einmal mit einer gesonderten Regelung betont.295 Die Auswahl der elektronischen Mittel darf gemeinhin nicht zu einer Benachteiligung weder von inländischen noch ausländischen Bewerbern bzw. Bietern im Verfahren führen.296 Unvereinbar damit wäre es, wenn die Geräte und Programme, etwa aufgrund technischer Besonderheiten297, nur einem begrenzten Nutzerkreis offenstehen.298 (3) Kompatibilität mit allgemein verbreiteten IKT-Produkten Ferner ist die Kompatibilität der elektronischen Mittel mit allgemein verbreiteten Geräten und Programmen der IKT sicherzustellen. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf der Auftraggeber davon abweichen.299 Im Regelfall erfordert dies gemäß der amtlichen Begründung, dass jeder Bürger und jedes Unternehmen die in privaten Haushalten oder Unternehmen üblicherweise verwendete Hardware und 292

Z. B. kann die Anschaffung einer speziellen Planungssoftware im Einzelfall mit sehr hohen Kosten verbunden sein, die aber aus objektiver Sicht marktüblich sind, vgl. Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 7.  293 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 235 (SektVO), S. 284 (KonzVgV). 294 Vgl. „Barrierefrei sind […] Systeme der Informationsverarbeitung, […], wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind“, § 4 S. 1 BGG. 295 § 11 Abs. 1 S. 3 VgV; § 11 Abs. 1 S. 3 SektVO; § 9 Abs. 1 S. 3 KonzVgV. § 11a EU Abs. 1 S. 3 VOB / ​A. Dazu sogleich Näheres bei Kap. D. III. 2. b). 296 Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 11, Rn. 10. 297 Dies erweist im z. B. Fall der Vorgabe des deutschen De-Mail-Netzwerkes zur Kommunikation als problematisch, vgl. Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergabeR, § 10 VgV, Rn. 23 f. Zu der Problematik Kap. D. V. 1. b) bb) (2) (a). 298 Vgl. Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 11, Rn.  11; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 11, Rn. 8. 299 Vgl. § 41 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 53 Abs. 2 S. 1 VgV; § 41 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 2 S. 1 SektVO; § 17 Abs. 2 S. 1 KonzVgV; § 11b EU Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 VOB / ​A. Dazu unter Kap. D. X. 2. a) aa) (1) (a).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Software nutzen kann, um sich über öffentliche Vergabeverfahren zu informieren oder an diesen teilzunehmen.300 Die allgemeine Verbreitung soll also demnach offenbar von der Üblichkeit der Verwendung in privaten Haushalten und Unternehmen abhängen.301 Auf ersteres kann es jedoch nur bedingt ankommen, da sich Bürger zwar über öffentliche Vergabeverfahren informieren,302 aber sich nicht als Privatpersonen an diesen beteiligen.303 Entscheidend ist primär, jedem Unternehmen eine Verfahrensbeteiligung mit Standardhardware und -software zu ermög­ lichen, also insbesondere mit einem handelsüblichen Arbeitsplatzcomputer auf dem ein Betriebssystem und Anzeige- sowie Office-Programme zur Textverarbeitung und Tabellenkalkulation installiert sind.304 Nach den Richtlinienvorgaben verlangt die Kompatibilität allein die funktionelle Verträglichkeit mit unterschiedlichen heterogenen technischen Systemen. Dies setzt voraus, dass die verwendeten elektronischen Mittel, z. B. eine Bieterclient- oder eine Signatursoftware, mit unterschiedlichen Betriebssystemen in verschiedenen Versionen305 und / ​oder – bei webbasierten Anwendungen – Browsern306 uneingeschränkt nutzbar sind. Wesentliche Bedeutung für die Kompatibilität kommen zudem den von elektronischen Mitteln verwendeten Dateiformaten zu.307 Allgemein verbreitet sind in diesem Sinn vor allem herstellerneutrale, offene Dateiformate, z. B. PDF, HTML und XML308 sowie die von Microsoft entwickelten Office Open XML Formate,309 die von unterschiedlichen Office-Programmen verarbeitet werden können.310

300

Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 235 f. (SektVO), S. 284 (KonzVgV). Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 32. 302 Vgl. zu den Vergabeunterlagen, Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 (VgV); S. 260 (SektVO). 303 Für eine unternehmensbezogene Bestimmung Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 11, Rn. 8; implizit auch Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 11, Rn.  14; Schubert, in: Willenbruch  / ​ Wieddekind, VergabeR, VgV, § 11, Rn. 6. 304 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 35 ff. 305 Allgemein verbreitet sind primär Microsoft Windows und Mac OS in unterschiedlichen Versionen. Im Januar 2017 erreichte das Betriebssystem Windows (XP, 7, 8, 10) weltweit einen Marktanteil von 88,67 %. Mac OS X wies einen Marktanteil von 4,14 % auf. Damit sind diese Betriebssysteme auf knapp 93 % der weltweit genutzten stationären Computer installiert. Vgl. Aschemann, Betriebssysteme: Marktanteile im Überblick, praxistipps.chip.de v. 24.3.2017. 306 Bei Browsern ist die allgemeine Verbreitung der Softwareanwendungen Microsoft Internet Explorer, Google Chrome, Mozilla Firefox, Apple Safari und Opera in jeweils unterschiedlichen Versionen anzunehmen. 307 Noch, in: ders., e-Vergabe in der Praxis, S. 31; Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 10; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 37. 308 Weitere Bsp. sind JPG, TXT, TIFF vgl. Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 10. 309 DOC[X], XLS[X] und PPT[X]. Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 10; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 37; ebenso Adams, VergabeFokus 5/2015, 11 (12 f.). 310 Neben den Microsoft-Office-Anwendungen unterstützen unterschiedliche Open-SourceAnwendungen die Formate, z. B. LibreOffice, Apache OpenOffice und Kingsoft Office. 301

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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(4) Verbot der Zugangseinschränkung Weiterhin dürfen die elektronischen Mittel den Zugang zum Vergabeverfahren für Unternehmen nicht einschränken. Bereits aus der systematischen Regelung in einem – den übrigen allgemeinen Anforderungen jeweils nachgeordneten – zweiten Satz wird deutlich,311 dass es sich hierbei um einen Auffangtatbestand handelt.312 Im konkreten Einzelfall können davon vor allem mittelbare Zugangshemmnisse durch die elektronischen Mittel erfasst sein, die die Unternehmen zwar nicht unmittelbar benachteiligen, allerdings technische Hindernisse für eine Verfahrensbeteiligung bilden können. Den bloß mittelbaren Zugangseinschränkungen muss allerdings ein gewisses Gewicht zukommen. Dies legt die amtliche Begründung nahe, die exemplarisch ausführt, dass ein Zugang für Unternehmen nicht schon dann eingeschränkt werde, wenn der Auftraggeber eine maximal zulässige Dateigröße, die im Rahmen des Vergabeverfahrens an diesen gesendet werden kann, festlege.313 Wertungsmäßig übertragbar ist dies auf die Bestimmung einer maximal zulässigen Anzahl von zu übermittelnden Dateien durch den Auftraggeber, die demnach in der Regel kein unzulässiges Hemmnis in diesem Sinn bildet. Potenziell relevante mittelbare Zugangseinschränkungen können hingegen langfristige Wartungsarbeiten an den zu verwendenden elektronischen Mitteln durch den Auftraggeber innerhalb der Verfahrensfristen darstellen. Dies bedarf jedoch der Beurteilung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, wie lange die Wartungen andauern und ob sie ggf. hinreichend transparent angekündigt worden sind.314 bb) Ergebnis Der Verordnungsgeber setzt die allgemeinen Gebote an die elektronischen Mittel, die zur Verfahrensdurchführung verwendet werden, systematisch nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Grundsatz der elektronischen Kommunikation in § 97 Abs. 5 GWB oder dessen Konkretisierung in den Vergabeverordnungen um. Als allgemeine Grundsätze, die bei dem Einsatz elektronischer Mittel im Rahmen der E-Vergabe stets zu beachten sind, wäre eine derartige systematische Hervorhebung durchaus denkbar gewesen. Inhaltlich folgt der Verordnungsgeber jedoch den Richtlinienvorgaben. In der Gesamtheit dienen die Anforderungen als spezifische Ausformungen der allgemeinen Vergaberechtsgrundsätze, insbesondere der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs, dem Zweck, allen Unternehmen einen ungehinderten Zugang zum elektronischen Vergabeverfahren zu ermöglichen. Sie

311

§ 11 Abs. 1 S. 2 VgV; § 11 Abs. 1 S. 2 SektVO; § 9 Abs. 1 S. 2 KonzVgV. § 11a EU Abs. 1 S.  2 VOB / ​A. 312 Im Ergebnis auch Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 44; Voppel / ​Ochsenbrück / ​Bubert, VgV, § 11, Rn. 10. 313 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 236 (SektVO), S. 284 (KonzVgV). 314 Differenzierend Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 11 VgV, Rn. 22 ff.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

entfalten in all ihren Ausprägungen bewerber- bzw. bieterschützende Wirkung315 und sind bei der Auswahl und der technischen Ausgestaltung der elektronischen Mittel als Leitprinzipien zu beachten. 2. Anforderungen an die Barrierefreiheit Neben der Beachtung der allgemeinen Gebote bei der E-Vergabe sind die Belange von Menschen mit Behinderung bei der technischen Ausgestaltung der elektronischen Mittel, die im Vergabeverfahren eingesetzt werden, zu berücksichtigen. a) Unionsrechtliche Vorgaben aa) Richtlinienvorgaben (1) Entstehung und Inhalt In die Kommissionsvorschläge floss die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen an verschiedenen Stellen mit ein.316 Der jeweilige Kommunikationsartikel sah jedoch keine konkreten Anforderungen an eine barrierefreie Ausgestaltung der für die elektronische Kommunikation zu verwendenden Instrumente und Vorrichtungen vor. Ein entsprechender Ergänzungsvorschlag des Europäischen Parlaments, das Erfordernis der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung in die allgemeinen Gebote aufzunehmen,317 fand zwar letztlich keine Zustimmung. Allerdings wurden die Erwägungen in den endgültigen Fassungen der VRL und SRL dahingehend ergänzt, dass die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)318 bei der nationalen Umsetzung der Richtlinien Berücksichtigung finden soll, insbesondere im Zusammenhang mit der Wahl der Kommunikationsmittel.319 Die Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel sollte ferner auch der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen hinreichend Rechnung tragen.320

315

Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 85; Voppel / ​Ochsenbrück / ​Bubert, VgV, § 11, Rn. 20. 316 Vgl. ErwGrde Nr. 29, 34, 41, 43 VRL-E; ErwGrde Nr. 37, 40, 47, 50 SRL-E; Nr. 29 KVR-E. 317 Vgl. Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013, Änderung Nr. 94, S. 63. 318 Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen v. 13.12.2006. 319 ErwGrd Nr. 3 VRL; ErwGrd Nr. 5 SRL. 320 ErwGrd Nr. 53 S. 2 VRL; ErwGrd Nr. 64 S. 2 SRL.

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

105

(2) Auslegung der Richtlinienvorgaben Die Richtlinien enthalten keine konkreten Vorgaben, in welcher Form die Zugänglichkeit zu den Instrumenten und Vorrichtungen, die zur elektronischen Kommunikation zu verwenden sind, für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen ist. Aus den Erwägungsgründen der VRL und SRL wird allerdings zumindest deutlich, dass dies in hinreichender Weise zu erfolgen hat. Diese Erwägungen erweisen sich zwar als weniger verbindlich im Vergleich zu dem Vorschlag des Europäischen Parlaments, einen allgemeinen Grundsatz zur Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung in den Kommunikationsartikel aufzunehmen. Es wird jedoch deutlich, dass dieser Aspekt in den nationalen Umsetzungsakten Beachtung finden muss. Ein grundlegendes Konzept der Zugänglichkeit ergibt sich aus der UN-BRK, der nach den parallelen Erwägungsgründen der VRL und SRL bei der Richtlinienumsetzung Rechnung zu tragen ist. Die Zugänglichkeit bildet darin einen allgemeinen Grundsatz des Art. 3 UN-BRK. Zu dessen Verwirklichung besteht die Verpflichtung, Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu allen Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, die zur Nutzung offenstehen oder bereitgestellt werden, zu ermöglichen sowie vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren zu beseitigen.321 Dieses Zugänglichkeitsverständnis der UN-BRK kann bei der nationalen Umsetzung als Orientierung dienen, um den Belangen von Menschen mit Behinderung hinreichend Rechnung zu tragen.322 bb) Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen Im Anschluss an die Reform des europäischen Vergaberechtsrahmens hat der Unionsgesetzgeber im Oktober 2016 die Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen mit einer Umsetzungsfrist bis zum 23. September 2018 erlassen. Für bereits bestehende Websites sieht die Richtlinie eine zweijährige und für mobile Anwendungen eine dreijährige Übergangsfrist vor.323 (1) Personeller Anwendungsbereich Der personelle Anwendungsbereich der Richtlinie richtet sich an die öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten. Gemäß der Begriffsbestimmung sind dies die 321

Vgl. Art. 9 Abs. 1 UN-BRK. Weitergehender noch Carstens, ZRP 2015, 141 (144). 323 Vgl. Art. 12 Abs. 3 RL-(EU) 2016/2102. 322

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Stellen des Staates und dessen Gebietskörperschaften sowie Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder daraus bestehende Verbände, deren Gründungszweck in der Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art besteht.324 Damit bezieht sich der Anwendungsbereich in personeller Hinsicht im Wesentlichen325 auf die öffentlichen Auftraggeber im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 VRL. In den Erwägungen werden die Mitgliedstaaten zudem auf freiwilliger Basis ermutigt, die Richtlinienvorgaben auch für private Stellen vorzuschreiben, die Einrichtungen und Dienstleistungen anbieten, der Öffentlichkeit offenstehen oder bereitgestellt werden. Dabei wird vor allem auch auf die Sektorenbereiche, insbesondere Verkehr, Strom, Gas, Wärme, Wasser und Postdienste, im Sinne des Art. 8 bis 13 SRL verwiesen.326 (2) Sachlicher Anwendungsbereich Die Richtlinie dient der Mindestharmonisierung327 der Vorgaben zu den Barrierefreiheitsanforderungen für Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen, um deren Zugänglichkeit insbesondere für Menschen mit Behinderung zu erhöhen und der Fragmentierung des Binnenmarktes in diesem Bereich entgegenzuwirken.328 Das in der Richtlinie enthaltene technologieneutrale329 Konzept eines „barrierefreien Zugangs“ beinhaltet Grundsätze und Techniken, die bei dessen Ausgestaltung, Erstellung, Pflege und Aktualisierung zu beachten sind.330 Der sachliche Anwendungsbereich erstreckt sich grundsätzlich auf textuelle und nicht textuelle Informationen der Websites und mobilen Anwendungen sowie auf Dokumente und Formulare, die dort zum Download angeboten werden und ggf. zur Interaktion (z. B. durch eine Bearbeitungsfunktion) genutzt werden können.331 Vom Anwendungsbereich ausgenommen werden u. a. vor dem 23. September 2018 publizierte Dokumente in Office-Anwendungsdateiformaten, z. B. PDF oder von Microsoft,332 sofern diese nicht für aktive Verfahren verwendet werden, sowie Inhalte interner

324

Art. 1 Abs. 2 RL-(EU) 2016/2102 i. V. m. Art. 3 Nr. 1 RL-(EU) 2016/2102. Vom Anwendungsbereich ausgenommen werden gem. Art. 1 Abs. 3 lit. a) RL-(EU) 2016/ 2102 die Websites und mobilen Anwendungen von Rundfunkanstalten sowie deren und andere (Zweig-)Stellen, die der Wahrnehmung eines öffentlichen Sendeauftrags dienen, die im Vergaberecht als öffentliche Auftraggeber zu qualifizieren sind, vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – C-337/06 (Rundfunkanstalten). In diesem Bereich erachetet der Unionsgesetzgeber sektorspezifische Vorschriften, die auch für private Rundfunkanbieter gelten sollen, für geboten, vgl. ErwGrd Nr. 23 RL-(EU) 2016/2102. 326 ErwGrd Nr. 34 RL-(EU) 2016/2102. 327 Vgl. Art. 2 RL EU/2016/2102. 328 Vgl. Art. 1 Abs. 1 RL-EU/2016/2102. 329 Vgl. ErwGrd Nr. 36 RL-(EU) 2016/2102. 330 ErwGrd Nr. 2 RL-(EU) 2016/2102. 331 ErwGrd Nr. 19 RL-(EU) 2016/2102. 332 Vgl. ErwGrd Nr. 26 RL-(EU) 2016/2102. 325

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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Netze der öffentlichen Stellen und Archivinhalte, die vor dem 23. September 2019 veröffentlicht wurden.333 (3) Mindestanforderungen an die barrierefreie Zugänglichkeit In Art. 4 RL-(EU) 2016/2102 werden die Mitgliedstaaten verpflichtet sicherzustellen, dass die öffentlichen Stellen erforderliche Maßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit der Websites und der mobilen Anwendungen treffen, indem sie diese nach den vier Barrierefreiheitsgrundsätzen der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit334 gestalten. Zur Konformitätsprüfung der Zugänglichkeit dienen eine oder mehrere harmonisierte Norm(en), mit deren Erstellung die europäischen Normungsorganisationen (ENO)335 von der dazu ermächtigten Kommission beauftragt wurden.336 Grundlage bildet die Europäische Norm EN 301 549 zur barrierefreien öffentlichen Beschaffung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen,337 die bis zur Geltung der neu zu schaffenden harmonisierten Norm(en) zur Konformitätsbewertung von Websites heranzuziehen ist.338 Letztere enthält konkrete Erfolgskriterien und erforderliche Konformitätsstufen, die sich an den Anforderungen der international als Standard anerkannten Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (WCAG 2.0)339 des World Wide Web Consortiums (W3C) 333

Vgl. Art. 1 Abs. 4 lit. a), lit. g), lit. h). Wahrnehmbarkeit setzt voraus, dass die Informationen und Komponenten der Nutzerschnittstelle den Nutzern in einer Weise dargestellt werden müssen, dass sie diese wahrnehmen können; Bedienbarkeit erfordert die Handhabbarkeit der Komponenten der Nutzerschnittstelle und der Navigation für die Nutzer; Verständlichkeit bedeutet, dass die Informationen und die Handhabung der Nutzerschnittstelle verständlich sein müssen; Robustheit verlangt, dass die Inhalte robust genug sein müssen, um zuverlässig von einer Vielfalt von Benutzeragenten, einschließlich assistiven Technologien, interpretiert werden zu können, vgl. ErwGrd Nr. 37 RL-(EU) 2016/2102. 335 ENO besteht aus dem Europäischen Komitee für Normung (CEN), dem Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) und dem Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI). 336 Art. 6 Abs. 2 UA 2 RL-(EU) 2016/2102 i. V. m. Durchführungbeschluss der Kommission vom 27.4.2017 über einen Normungsauftrag an die europäischen Normungsorganisationen zur Unterstützung der Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. 337 Barrierefreiheitsanforderungen für die öffentliche Beschaffung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen in Europa (Europäische Norm EN 301 549 V1.1.2 (2015–04). 338 Vgl. Art. 6 Abs. 3 UA. 1 RL-(EU) 2016/2102. 339 „Web Content Accessibility Guidelines“. Im Zentrum stehen die Grundsätze der Barrierefreiheit in Form der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit, denen jeweils 12 Richtlinien (Guidelines) als Spezifikation zugeordnet sind. Zu diesen Richtlinien werden prüfbare Erfolgskriterien definiert, die in einem dreistufigen Konformitätsmodell nach Priorität (A = Muss-Kriterien, AA = Soll-Kriterien, AAA = Kann-Kriterien) zugeordnet werden. Zur Realisierung jeder Richtlinie werden jeweils etwa 200 Vorschläge (Techniques) angeboten, die die Erfolgskriterien realisieren oder über diese hinaus gehen, vgl. Kerkmann, Informatik-Spektrum 5/2013, 455 (456). 334

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

orientieren340 und für die barrierefreie Ausgestaltung der Webseiten zu berücksichtigen sind. Die Ausgestaltung der Pflicht zur uneingeschränkt barrierefreien Zugänglichmachung steht unter dem Vorbehalt des Art. 5 Abs. 1 RL-(EU) 2016/2102, dass dadurch keine unverhältnismäßige Belastung für die öffentlichen Stellen entstehen darf. Bei der Beurteilung im Einzelfall hat eine Abwägung unter Beachtung der Größe, Ressourcen und Art der öffentlichen Stelle zwischen den geschätzten Kosten und Vorteilen für diese im Verhältnis zu den geschätzten Vorteilen für Menschen mit Behinderungen zu erfolgen.341 Hinsichtlich der Konformität müssen die öffentlichen Stellen eine Erklärung zur Barrierefreiheit bereitstellen, die ggf. auch eine Begründung zum Vorliegen einer unverhältnismäßigen Belastung enthält und regelmäßig zu aktualisieren ist. Die Kommission wird insoweit ermächtigt, mittels Durchführungsakten einheitlich geltende Mustererklärungen zu erlassen.342 cc) Zwischenergebnis Die Bedeutung der Belange von Menschen mit Behinderung wird in den Richtlinien vom Unionsgesetzgeber im Vergleich zu dem zuvor geltenden europäischen Vergaberechtsrahmen deutlich stärker betont.343 In Bezug auf die Zugänglichkeit der Instrumente und Vorrichtungen, die zur elektronischen Kommunikation verwendet werden, bestehen zwar keine konkreten Anforderungen. Zumindest im Geltungsbereich der VRL und SRL muss diesen allerdings in den nationalen Umsetzungsakten hinreichend Rechnung getragen werden.344 Der Umsetzungsspielraum wird dabei sowohl durch die Zugänglichkeitsanforderungen der UN-BRK als auch durch die – zumindest für die vom personellen Anwendungsbereich erfassten öffentlichen Auftraggeber geltenden – Mindestvorgaben der RL-(EU) 2016/2102 determiniert.

340 Vgl. Kapitel 9 EN 301 549. Ebenso werden dezidierte Anforderungen an nicht webbasierte Dokumente, z. B. im PDF oder einem Office-Format, gestellt, Kapitel 10, und an Software, Kapitel 11, EN 301 549. 341 Vgl. dazu ErwGrd Nr. 39 S. 3 RL-(EU) 2016/2102. 342 Vgl. Art. 7 RL-(EU) 2016/2102. 343 Ausführlich zu den einzelnen Bestimmungen Carstens, ZRP 2015, 141 (141 ff.). 344 Die KVR enthält keine entsprechenden Erwägungsgründe. Allerdings ist zum einen zu bedenken, dass dort in Ermangelung der Verbindlichkeit der elektronischen Kommunikation die diesbezüglichen Erwägungen generell äußerst knapp formuliert sind. Zum anderen kann daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die KVR der Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderung, deren Bedeutung im Rahmen der Richtlinie an verschiedenen Stellen grundsätzlich anerkannt wird, in Bezug auf die zur elektronischen Kommunikation zu verwendenden Instrumente und Vorrichtungen entgegensteht.

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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b) Regelung im Kartellvergaberecht Auf Gesetzesebene findet sich keine ausdrückliche Regelung zur barrierefreien Ausgestaltung der im Vergabeverfahren verwendeten elektronischen Mittel.345 Der Gesetzesbegründung zu § 97 Abs. 5 GWB lässt sich jedoch entnehmen, dass in dieser Hinsicht den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen hinreichend Rechnung zu tragen ist.346 Eine weitergehende Konkretisierung, in welcher Weise dies in hinreichender Form zu erfolgen hat, erfolgt sodann in den Vergabeverordnungen. Gemäß den Vorgaben der jeweiligen Vorschrift zu den Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren haben die Auftraggeber die barrierefreie Ausgestaltung der elektronischen Mittel nach den §§ 4, 12a und 12b Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)347 in der jeweils geltenden Fassung zu gewährleisten.348 aa) Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung Im Gesetzgebungsprozess hat Carstens angezweifelt, dass die Verordnungsermächtigung des § 113 Abs. 1 Nr. 4 GWB ohne einen expliziten Zusatz hinsichtlich der Regelung der Anforderungen zur Barrierefreiheit mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar sei.349 Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits dann hinreichend bestimmt ist, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen.350 Dabei können die Zielsetzung des Gesetzes, der Sinnzusammenhang mit anderen Bestimmungen und die Entstehungsgeschichte von Bedeutung sein.351 Die Verordnungsermächtigung des § 113 Abs. 1 Nr. 4 GWB zur Ausgestaltung des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation, § 97 Abs. 5 GWB, kann unter Berücksichtigung des in der Gesetzesbegründung kundgetanen 345

Krit. hierzu Carstens, ZRP 2015, 141 (144), der vorgeschlagen hatte, in den fünften Absatz den zweiten Satz aufzunehmen: „Die elektronische Kommunikation ist technisch so zu gestalten, dass sie grundsätzlich auch für Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich und nutzbar ist.“ 346 Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 69. Diesen Zusatz enthielt der erste Referentenentwurf zunächst noch nicht, vgl. RefE zum VergModVO v. 30.4.2015, S. 81. 347 Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG), G. v. 27.4.2002, BGBl. I S. 1467. 348 § 11 Abs. 1 S. 3 VgV, § 11 Abs. 1 S. 3 SektVO; § 9 Abs. 1 S. 3 KonzVgV; § 11a EU Abs. 1 S. 3 VOB / ​A. Diese Konkretisierung wird von Sozialverbänden grds. begrüßt, vgl. BAGFW, Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, S. 4 sowie DBSV, Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, S. 1 f. 349 Carstens, ZRP 2015, 141 (144), insb in Fn. 45. 350 BVerfGE 8, 274 (307); BVerfGE 123, 39 (78). 351 BVerfGE 123, 39 (78).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Ziels des Gesetzgebers, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen hinreichend Rechnung tragen zu wollen, dahingehend ausgelegt werden, dass dies auch die Normierung konkreter Anforderungen an die Barrierefreiheit erfasst. Im Ergebnis bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. bb) Anforderungen an die Barrierefreiheit Die konkreten Anforderungen an die Barrierefreiheit ergeben sich aus den §§ 4, 12a und 12b BGG. Obgleich die Verweisung auf das BGG in der jeweils geltenden Fassung in den Bestimmungen der Vergabeverordnungen dynamisch ausgestaltet ist, erforderten Umstrukturierungen des BGG, insbesondere zur Umsetzung der Vorgaben der RL-(EU) 2016/2102, bereits eine zweimalige Anpassung der referenzierten Paragrafen seit der Vergaberechtsmodernisierung 2016.352 (1) Vorgaben des BGG im Kontext der E-Vergabe In § 4 S. 1 BGG wird das Verständnis der Barrierefreiheit dargelegt. Danach sind die hier relevanten Systeme der Informationsverarbeitung barrierefrei, wenn diese für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Diese Anforderungen entsprechen dem Grunde nach dem Zugänglichkeitskonzept der UN-BRK.353 Im Kontext der Vergabeverordnungen führt der Verordnungsgeber in der amtlichen Begründung konkretisierend aus, dass zur Gewährleistung der Barrierefreiheit die elektronische Umgebung derart einzurichten ist, sodass niemand von der Nutzung ausgeschlossen wird und diese für alle in gleicher Weise möglich ist. Dazu sollten die verwendeten, barrierefreien Lösungen auf eine möglichst allgemeine, breite Nutzbarkeit abgestimmt werden.354 Dies 352

In den urspr. Fassungen verwiesen die Vergabeververordnungen auf §§ 4, 11 BGG, weshalb die amtl. Begr. auf diesen Paragrafen Bezug nimmt. Das BGG wurde jedoch zunächst im Rahmen des eIDAS-Durchführungsgesetzes (eIDAS-DG), G. v. 18.07.2017, BGBl. I S. 2745, modifiziert. Dabei wurde die frühere Regelung des § 11 BGG ist in § 12 BGG überführt und – neben sprachlichen Anpassungen – um die Anforderungen an Informationsangebote im Intranet erweitert, vgl. BT-Drs. 18/7824, S. 13. Die Verweisungen in den Vergabeverordnungen wurden entsprechend angepasst, vgl. Art. 8 Nr. 1, Art. 9 Nr. 1, Art. 10 Nr. 1 eIDAS-DG. Zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 erfolgte sodann eine weitergehende Anpassung des BGG durch das Gesetz zur Verlängerung befristeter Regelungen im Arbeitsförderungsrecht und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (SozRÄndG), G. v. 10.07.2018, BGBl. I S. 1117, durch das auch die Vergabeverordnungen in den Art. 4, Art. 5 und Art. 6 SozRÄndG in die derzeit geltende Form geändert wurden. 353 Welti, Sozialer Fortschritt 11/2015, 267 (269). 354 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 236 (SektVO), S. 284 (KonzVgV).

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schließt die Erforderlichkeit der behinderungsbedingten Nutzung assistiver Hilfsmittel ein, z. B. einer Braille-Tastatur oder einer Vorlesesoftware, § 4 S. 2 BGG.355 Exemplarisch wird in der amtlichen Begründung die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderung, z. B. von Blinden und Gehörlosen, bei der Ausgestaltung der E-Vergabeplattform genannt.356 Konkrete Anforderungen zur barrierefreien Informationstechnik ergeben sich insoweit aus § 12a BGG, welcher der Umsetzung der Mindestanforderungen der RL-(EU) 2016/2102 dient und gleichzeitig den Zielen des Art. 9 Abs. 1 UN-BRK Rechnung trägt.357 Gemäß dem ersten Absatz besteht die grundlegende Pflicht für öffentliche Stellen des Bundes zur barrierefreien Ausgestaltung von Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für die Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet. Die noch in der Vorgängervorschrift enthaltene, zeitlich unbestimmte „schrittweise“ technische Gestaltung ist wegen der konkreten Zeitvorgaben für die Umsetzung der RL-(EU) 2016/2102 entfallen.358 Die Pflicht erstreckt sich auf den Inhalt der Websites und mobilen Anwendungen, wozu nach der Gesetzesbegründung die textuellen und nicht textuellen Informationen, Dokumente und Formulare zum Herunterladen sowie zur beidseitigen Interaktion gehören.359 Für die E-Vergabe bedeutet dies, dass nicht nur die Weboberfläche der E-Vergabeplattform, sondern auch auf dieser bereitgestellte Dokumente grundsätzlich barrierefrei, z. B. als sog. tagged PDF-Dateien,360 zu gestalten sind. Nach welchen Maßgaben die Ausgestaltung der Barrierefreiheit zu erfolgen hat, richtet sich gem. § 12a Abs. 2 S. 1 BGG nach der BarrierefreieInformationstechnik-Verordnung (BITV 2.0).361 Diese enthält in Anlage 1 den weitgehend auf dem WCAG 2.0 Standard362 basierenden Prioritätenkatalog zur Gewährleistung der Prinzipien der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit,363 die bereits in der derzeitigen Fassung den Mindestanforderungen der RL-(EU) 2016/2102 für Webinhalte weitgehend genügen dürften.364 Von der barrierefreien Ausgestaltung kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden, 355

Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 11, Rn. 7. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 236 (SektVO), S. 284 (KonzVgV). 357 BT-Drs. 19/2072, S. 19. 358 BT-Drs. 19/2072, S. 18. 359 BT-Drs. 19/2072, S. 29. 360 Hellbusch, Information – Wissenschaft & Praxis 56(2005)8, 435 (435 ff.). 361 Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz, V.  v.  12.9.2011, BGBl. I S. 1843, zuletzt geändert durch Art. 4 V. v. 25.11.2016, BGBl. I S. 2659. 362 Vgl. Begründung zur Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung, BITV 2.0 v. 12.9.2011, S. 3. 363 Zur praktischen Umsetzung der einzelnen Prinzipien, Anforderungen und Bedingungen der BITV 2.0, vgl. Thesmann, Interface Design, S. 55 ff. 364 Dies folgt aus dem Umstand, dass sowohl der bis zur Schaffung einer harmonisierten Norm relevanten EN  301  549 zur barrierefreien öffentlichen Beschaffung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen als auch der Anlage I BITV 2.0 im Wesentlichen der internationale Standard WCAG 2.0 zugrunde liegt. Zur Umsetzung der RL-(EU) 2016/2102 ist eine Überarbeitung der BITV 2.0 durch das hierzu gem. § 12d BGG ermächtigte Bundesministerium für Arbeit und Soziales angekündigt, vgl. BT-Drs. 19/2072, S. 30. 356

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soweit hierdurch eine unverhältnismäßige Belastung entstehen würde, § 12a Abs. 6 BGG. In richtlinienkonformer Auslegung hat dies im Einzelfall im Wege einer Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung der Größe, Ressourcen und Art der öffentlichen Stelle zwischen den Kosten und Nutzen für diese im Verhältnis zum Nutzen für Menschen mit Behinderungen im Sinne des Art. 5 RL-(EU) 2016/2102 zu erfolgen.365 Eine unverhältnismäßige Belastung kann nach den Richtlinienerwägungen insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der öffentlichen Stelle dadurch eine übermäßige organisatorische oder finanzielle Last auferlegt oder dadurch ihre Fähigkeit gefährdet würde, ihren Zweck zu erfüllen oder Informationen, die für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich sind, zu veröffentlichen.366 Weiterhin beachtlich ist die Informationspflicht des § 12b BGG, nach welcher eine Erklärung zur Barrierefreiheit der Websites oder mobilen Anwendungen zu veröffentlichen ist, die ggf. auch Ausführungen dazu enthalten muss, aus welchen Gründen bestimmte Inhalte nicht vollständig barrierefrei angeboten werden.367 Für bereits vor dem 23. September 2018 als Website eingerichtete E-Vergabeplattformen gilt diese Publizitätspflicht nach einer zweijährigen Übergangsfrist, vgl. § 12b Abs. 3 Nr. 2 BGG. (2) Einheitliche Geltung für Auftraggeber i. S. v. § 99 GWB Die Anforderungen an die barrierefreie Informationstechnik des BGG gelten gem. § 12 BGG unmittelbar nur für die öffentlichen Stellen des Bundes. Die öffentlichen Stellen der Länder und private Rechtsträger werden dagegen nicht von den Verpflichtungen adressiert.368 Durch den Anwendungsverweis in der jeweiligen Bestimmung der Vorschrift zum Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren,369 deren barrierefreie Ausgestaltung gem. §§ 4, 12a, 12b BGG zu gewährleisten ist, werden jedoch alle öffentlichen Auftraggeber des Bundes und der Länder,370 Sektorenauftraggeber sowie Konzessionsgeber im Sinne von § 98 GWB im Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts zur Einhaltung der Bestimmungen 365

Vgl. BT-Drs. 19/2072, S. 29. Zu beachten ist, dass der Unionsgesetzgeber mangelnde Priorität, Zeit oder Kenntnis sowie die Nichtbeschaffung barrierefreier Techniken mangels angeblich fehlender Verfügbarkeit in Anbetracht der ausreichend am Markt verfügbaren technischen Lösungen nicht als berechtigte Gründe für die Rechtfertigung einer unverhältnismäßigen Belastung ansieht, vgl. ErwGrd Nr. 39 RL-(EU) 2016/2102. 367 Vgl. § 12b Abs. 1 Nr. 1 BGG. Die Erklärung ist auf der Website zu publizieren, vgl. § 12b Abs. 3 BGG. 368 Für öffentliche Stellen der Länder und Kommunen gelten die Landesgleichstellungsgesetze und etwaige Verordnungen, die sich am BGG und der BITV 2.0 orientieren, vgl. Frevert  / ​ Wagner, NVwZ 2011, 76 (78). Private Unternehmen können bzgl. der Barrierefreiheit Zielvereinbarungen mit Verbänden schließen, § 5 BGG, vgl. Wenckebach / ​Welti, VuR 2015, 209 (211). 369 § 11 Abs. 1 S. 3 VgV, § 11 Abs. 1 S. 3 SektVO; § 9 Abs. 1 S. 3 KonzVgV; § 11a EU Abs. 1 S.  3 VOB / ​A. 370 Die Vorgaben der RL-(EU) 2016/2102 sind im BGG nur für öffentliche Stellen des Bundes umgesetzt worden. Auf Landesebene bedarf es einer eigenen Umsetzung. 366

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verpflichtet.371 In Bezug auf die Pflichten des § 12a und § 12b BGG erscheint der uneingeschränkte Anwendungsbefehl für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber, insbesondere wenn es sich um private Unternehmen handelt, zunächst als sehr weitreichend.372 Zumindest ursprünglich intendierte der Verordnungsgeber in diesem Bereich offenbar eine zurückhaltendere Regelung. Diesen legen zum einen die Einzelausführungen der amtlichen Begründung zur SektVO und KonzVgV nahe, in denen darauf abgestellt wird, dass die Barrierefreiheit im Sinne von § 4 BGG – im Gegensatz zur VgV – nicht zu gewährleisten, sondern dieser nur „in angemessener Form Rechnung“ zu tragen ist.373 Ferner enthielt die bei der Vergaberechtsmodernisierung in Bezug genommene Vorschrift des § 11 BGG a. F. allein die Pflicht zur schrittweisen barrierefreien Gestaltung der Informationstechnik und wies damit einen deutlich weniger verbindlichen Charakter auf. Dennoch scheidet eine einschränkende Auslegung der nunmehr geltenden Fassungen unter Bezugnahme auf diese Erwägungen aus. Der nationale Verordnungsgeber hat die Geltung der Pflicht zur Gewährleistung der §§ 4, 12a, 12b BGG mit der – sogar zweimalig erfolgten374 – parallelen Anpassung der Vergabeverordnungen zumindest implizit hervorgehoben. Bei einer abweichenden Intention wäre es ansonsten durchaus möglich gewesen, die Bestimmungen in der SektVO und KonzVgV als Soll-Vorschrift auszugestalten. Ferner entspricht diese verbindliche Vorgabe für alle Auftraggeber im Sinne von § 99 GWB der Ermutigung des Unionsgesetzgebers, die Anforderungen der RL-(EU) 2016/2102 über die Mindestvorgaben hinaus im nationalen Recht einzuführen, insbesondere auch für private Stellen aus dem Sektorenbereich.375 Es trägt überdies den Zielvorgaben der von Deutschland ratifi­ zierten UN-BRK Rechnung, deren Zugänglichkeitskonzept für Menschen mit Behinderung sich gleichfalls an private Akteure richtet.376 cc) Ergebnis In den Vergabeverordnungen werden durch die Verweisung auf die novellierten Vorgaben der §§ 4, 12a, 12b BGG hohe Anforderungen an die barrierefreie Ausgestaltung der elektronischen Mittel gestellt, die sowohl die Vorgaben der RL-(EU) 2016/2102 als auch die Ziele der UN-BRK berücksichtigen. Diese Umset­zung 371

Vgl. auch Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11 VgV, Rn. 26; ders., in: MüllerWrede, SektVO, § 11 VgV, Rn. 24. 372 Krit. bereits zur urspr. Verweisung auf §§ 4, 11 BGG a. F., Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 12. 373 Vgl. Begr. VergRModVO, S. 236 (SektVO), S. 284 (KonzVgV). 374 Vgl. Art. 8 Nr. 1, Art. 9 Nr. 1, Art. 10 Nr. 1 eIDAS-DG, v. 18.07.2017, BGBl. I S. 2745, sowie Art. 4, Art. 5 und Art. 6 SozRÄndG, G. v. 10.07.2018, BGBl. I S. 1117. 375 Vgl. Art. 2 sowie ErwGrd Nr. 34 S. 2 RL-(EU) 2016/2102. 376 Im Rahmen der Evaluation des BGG wurde das bislang unzureichende Hinwirken auf die barrierefreie Gestaltung der Informationstechnik durch private Akteure in Anbetracht der auch für diese geltenden Vorgaben der UN-BRK explizit angemerkt, vgl. Welti et. al., Forschungsbericht: Evaluation des Behindertengleichstellungsgesetzes, S. 495.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

im Kartellvergaberecht trägt der Zugänglichkeit der elektronischen Kommunikationsmittel für Menschen mit Behinderung damit in den Vergabeverordnungen im Sinne der Erwägungsgründe der VRL und SRL hinreichend Rechnung. Die Barrierefreiheitsanforderungen des § 12a BGG sind primär für die als elektronische Mittel genutzten webbasierten E-Vergabeplattformen relevant.377 Bereits vor dem 23. September 2018 bestehende Portale müssen überprüft378 und ggf. bis zum Ablauf der zweijährigen Übergangsfristen der RL-(EU) 2016/2102 den Anforderungen des § 12a BGG i. V. m. BITV 2.0 angepasst werden. Gerade für private Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber, die eventuell erstmalig durch die nunmehr geltenden Vorgaben verpflichtet werden, ihre E-Vergabeplattformen den Barrierefreiheitsanforderungen im Sinne des BGG anzupassen, kann dies eine unverhältnismäßige Belastung im Sinne von § 12a Abs. 6 BGG darstellen.379 Zu beachten ist allerdings, dass – in Anbetracht der am Markt bereits ausreichend verfügbaren Lösungen380 – die Annahme einer solchen nicht pauschal auf eine fehlende technische Realisierbarkeit oder mangelnde Priorität der Beschaffung derartiger Systeme gestützt werden kann.381 Vielmehr bedarf es der spezifischen Begründung im Einzelfall, die gem. § 12b Abs. 1 BGG zu publizieren ist. Sofern eine E-Vergabelösung neu beschafft wird, folgt aus § 121 Abs. 2 GWB die Pflicht, die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen oder die Konzeption eines „Designs für alle Nutzer“ in der Leistungsbeschreibung vorzugeben.382 Die Gewährleistung der Barrierefreiheit der elektronischen Mittel dient – wie die übrigen im jeweiligen Absatz zum Einsatz elektronischer Mittel normierten Gebote – der Ermöglichung eines ungehinderten und vor allem diskriminierungsfreien Zugangs zum elektronischen Vergabeverfahren für alle Interessenten – und hat als besonderer Ausdruck des Grundsatzes der Gleichbehandlung grundsätzlich bewerber- bzw. bieterschützende Wirkung.383

377

Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 236 (SektVO), S. 284 (KonzVgV). Zur Überprüfung können z. B. die Online-Angebot: https://www.bitvtest.de/bitvtest.html oder http://barrierekompass.de/ genutzt werden. [zuletzt abgerufen am 12.12.2018]. 379 Allg. auch Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 11, Rn. 8. 380 Technisch lässt sich die barrierefreie Gestaltung unter Beachtung der Vorgaben der BITV 2.0 mittels unterschiedlicher Content-Management-Systeme (CMS) realisieren, z. B. mittels des Open Source CMS Drupal 8.0. Zur Gewährleistung der Barrierefreiheit einer E-Vergabeplattform aus Anbietersicht der Cosinex GmbH, vgl. Neue EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von Internet-Angeboten der öffentlichen Hand, blog.cosinex.de v. 7.12.2016. 381 Vgl. ErwGrd Nr. 39 S. 5 f. RL-(EU) 2016/2102. 382 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 46. 383 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 11, Rn. 85; Voppel / ​Ochsenbrück / ​Bubert, VgV, § 11, Rn. 20. 378

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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3. Mindestanforderungen an die Interoperabilität In der Vergangenheit entwickelten sich in den Mitgliedstaaten vor allem spezifische proprietäre E-Vergabesysteme und Plattformen, die unterschiedliche technische Eigenschaften und Funktionen aufweisen.384 Die Marktfragmentierung und mangelnde Interoperabilität der unionsweit über 300 eingesetzten Systeme385 untereinander erschwert die Beteiligung am elektronischen Vergabeverfahren gerade im grenzüberschreitenden Verkehr, aber auch innerstaatlich, erheblich. Die Kommission identifizierte die Problematik als eines der wesentlichen Hindernisse für die E-Vergabe.386 Zur Verbesserung der Interoperabilität wird sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene bereits seit geraumer Zeit an einheitlichen Datenaustauschstandards und -schnittstellen gearbeitet. Die technischen Entwicklungen und deren rechtliche Verbindlichkeit werden nachfolgend erörtert. a) Richtlinienvorgaben aa) Entstehung und Inhalt In den Richtlinienentwürfen schlug die Kommission vor, sie zum Erlass delegierter Rechtsakte im Hinblick auf die obligatorische Verwendung bestimmter technischer Standards zumindest für die elektronische Einreichung von Unterlagen, E-Katalogen und Mittel für die elektronische Authentifizierung zu ermächtigen.387 In den Erwägungen wurde dazu ausgeführt, dass die Ermächtigung notwendig sei, damit unter Berücksichtigung der technologischen Entwicklungen und des Bedarfs der Verwaltung bestimmte verbindliche technische Normen für die elektronische Kommunikation erlassen werden können, um die Interoperabilität der technischen Formate, Prozesse und Mitteilungssysteme bei elektronischen Vergabeverfahren gerade im grenzübergreifenden Zusammenhang sicherzustellen.388 Diese Ermächtigung wurde in den Ratskompromissvorschlägen dahingehend ergänzt, dass die Kommission zum Erlass solcher delegierten Rechtsakte nur berechtigt sein soll, sofern die technischen Standards gründlich erprobt wurden und sie ihre Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt haben.389 Zudem wurde in die Erwägungsgründe aufgenommen, dass bei der Frage, ob Standards zur Sicherstellung der Interoperabilität verbindlich vorzuschreiben sind und ggf. welche, die Meinungen der Betroffenen weitestgehend Berücksichtigung finden sollen. Des Weiteren sollte die Kommission zunächst sorgfältig prüfen, welche Kosten mit der Vorgabe der Stan-

384

Vgl. KOM (2010) 571, S. 12 f. Brunner, in: Noch, e-Vergabe in der Praxis, S. 75; Ferk, EPPPL 2016, 327 (335). 386 Vgl. bereits KOM (2012) 179, 6 f. 387 Art. 19 Abs. 3 UA. 3 VRL-E; Art. 33 Abs. 3 UA. 3 SRL; Art. 25 Abs. 3 UA. 3 KVR. 388 ErwGrd Nr. 54 S. 6 VRL-E; ErwGrd Nr. 62 S. 4 SRL-E; ErwGrd Nr. 38 S. 2 KVR-E. 389 Vgl. Art. 19 Abs. 7a UA. 2 Hs. 2 Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 24.7.2012. 385

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dards verbunden sind, vor allem in Bezug auf erforderliche Anpassungen bestehender Lösungen für das elektronische Beschaffungswesen, einschließlich Infrastrukturen, Verfahren oder Software.390 Die Erforderlichkeit der Prüfung der Kosten wurde schließlich nicht nur in die Erwägungen, sondern unmittelbar in die Ermächtigungsnorm eingefügt.391 Der Vorschlag des Europäischen Parlaments, dass die Kommission lediglich bestimmte Standards empfehlen können sollte, konnten sich hingegen nicht durchsetzen.392 Vielmehr fand die Ermächtigung in der Form der Ratskompromisstexte einschließlich der ergänzten Erwägungen Eingang in die endgültigen Richtlinienfassungen der VRL und SRL.393 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben Die Richtlinienvorgaben enthalten keine verbindlichen Interoperabilitätsstandards für die elektronische Kommunikation im Verfahren. Allerdings wird die Kommission im Rahmen der VRL und SRL zur verbindlichen Standardsetzung ermächtigt. Dies hat durch den Erlass delegierter Rechtsakte zu erfolgen. Gemäß Art. 290 Abs. 1 AUEV sind dies Rechtsakte ohne Gesetzescharakter jedoch mit allgemeiner Geltung, mit denen die Kommission nicht wesentliche Vorschriften, d. h. solche die nicht die politischen Grundentscheidungen einer Materie betreffen,394 ergänzen und ändern kann. Die Übertragung der Rechtsetzungskompetenz auf die Kommission in dieser Form dient vor allem der Entlastung des Unionsgesetzgebers im Hinblick auf Detailregelungen.395 Für die technische Normung erscheint dies grundsätzlich als geeignetes Regelungsinstrument. Die Grenzen der Ermächtigung ergeben sich aus der jeweiligen Befugnisnorm. (1) Reichweite der Ermächtigung zur Standardsetzung Aus den Richtlinienerwägungen lässt sich zunächst die Zielsetzung entnehmen, durch die Festlegung verbindlicher technischer Normen für die elektro­nische Kommunikation, die Interoperabilität der technischen Formate, Prozesse und Mitteilungssysteme bei elektronischen Vergabeverfahren im grenzübergreifen 390

ErwGrd Nr. 19 b) f. Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 24.7.2012. Art. 19 Abs. 7 UA 2 S. 2 Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 19.10.2012; vgl. auch die Übernahme der Änderungen der VRL in Art. 33 Abs. 7a UA. 2 und ErwGrd Nr. 27 b) f. Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. In der KVR entfiel die Regelung hingegen, vgl. Kompromissvorschlag des Rates zur KVR-E, v. 16.10.2012. 392 Vgl. Änderung Nr. 96, S. 64, Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013; Änderung Nr. 109, S. 65, Parlamentsbericht zur SRL-E, v. 7.2.2013. 393 Vgl. Art. 22 Abs. 7 UA. 3 sowie ErwGrde Nr. 55 f., Nr. 129 S. 3 Hs. 5 VRL; Art. 40 Abs. 7 UA. 3 und ErwGrde Nr. 66 f., Nr. 135 S. 2 Hs. 5 SRL. 394 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.10.1992 – Rs. C-240/90, Rn. 37; allg. zum Wesentlichkeitsmaßstab des EuGH Ruffert, in: Calliess / ​Ruffert, EUV / ​AEUV, Art.  290 AUEV, Rn.  10. 395 Ruffert, in: Calliess / ​Ruffert, EUV / ​AEUV, Art.  290 AUEV, Rn.  5. 391

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den Zusammenhang sicherzustellen.396 Inhaltlich begrenzt sich die Ermächtigung nicht nur auf die explizit genannten Bereiche der elektronischen Einreichung von Unterlagen, E-Katalogen und Authentifizierungsmittel.397 Es handelt sich nur um eine exemplarische Aufzählung von Anwendungsfällen, die „insbesondere“ Gegenstand der Standardisierung sein können.398 Vor der verbindlichen Festlegung bestimmter Standards hat die Kommission jedoch zwingend die Anwendbarkeit zu erproben, mit der die Praxistauglichkeit der Standards im grenzüberschreitenden Verkehr nachzuweisen ist.399 Ferner sind die Folgekosten gründlich zu prüfen, die durch technisch erforderliche Anpassungen eventuell entstehen können.400 Diese Bedingungen, die auf Hinwirken des Rates in den Richtlinientext aufgenommen wurden, berücksichtigen, dass die Festlegung eines unionsweiten Standards die Gefahr birgt, die bis zu diesem Zeitpunkt in einem Mitgliedstaat getätigten Investitionen in technische E-Vergabesysteme, die auf anderen Standards basieren, zu annihilieren.401 In den Richtlinienerwägungen wird dazu ergänzend angeführt, dass die Meinungen der Betroffenen weitestgehend Berücksichtigung finden sollen und die Kommission zu bedenken hat, in welchem Umfang ein Standard bereits in der Praxis genutzt wird und ob dieser sich bewährt hat.402 Ähnliche Anforderungen hat der Unionsgesetzgeber für die Standardisierung der elektronischen Rechnungen normiert, die ebenfalls auf die Verbesserung der grenzüberschreitenden Interoperabilität abzielt.403 Die Befugnis zum Erlass der delegierten Rechtsakte wird der Kommission grundsätzlich auf unbestimmte Zeit übertragen, kann jedoch vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden.404 (2) Entwicklungsstand von Standards und Komponenten Zwar bestehen bislang auf europäischer Ebene keine verbindlichen technischen Vorgaben für die elektronische Verfahrensabwicklung. Im Rahmen unterschied­ licher Interoperabilitätsinitiativen und -projekte wurden allerdings technische Spezifikationen für die unterschiedlichen Phasen des Vergabeverfahrens entwickelt 396

Vgl. ErwGrd Nr. 129 S. 3 Hs. 5 VRL ErwGrd Nr. 135 S. 2 Hs. 5 SRL. Inbesondere die fehlende gegenseitige Anerkennung von Authentifizierungsverfahren und von elektronischen Signaturen hatte in der Vergangenheit zu Beteiligungshemmnissen beim elektronischen Vergabeverfahren geführt, vgl. KOM (2010) 571, S. 12 f. Da mit der eIDAS-VO nach Inkrafttreten der Vergaberichtlinien der Rechtsrahmen für die elektronische Identifizierung, Authentifizierung und für elektronische Signaturen unionsweit vereinheitlicht worden ist, vgl. Kap. B. I. 1. c), dürfte insoweit allerdings kein Bedürfnis mehr zur Standardisierung im Wege delegierter Rechtsakte bestehen. 398 Vgl. Art. 22 Abs. 7 UA. 3 S. 1 Hs. 2 VRL; Art. 40 Abs. 7 UA. 3 S. 2 Hs. 1 SRL. 399 Art. 22 Abs. 7 UA. 3 S. 1 Hs. 2 VRL; Art. 40 Abs. 7 UA. 3 S. 1 Hs. 3 SRL. 400 Art. 22 Abs. 7 UA. 3 S. 2 VRL; Art. 40 Abs. 7 UA. 3 S. 2 SRL. 401 Allg. zu dieser Gefahr Jahns / ​Dorloff, ACSIS 2016, 181 (181). 402 ErwGrd Nr. 56 S. 1 f. VRL; Art. 40 Abs. 7 UA. 3 und ErwGrd Nr. 67 S. 1 f. SRL. 403 Dazu bei Kap. F. I. 1. 404 Art. 87 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 VRL; Art. 103 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 SRL. 397

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und in Teilen bereits praktisch erprobt, die künftig die Grundlage verbindlicher Standards bilden könnten. (a) CEN BII Profiles Angesiedelt beim Europäischen Komitee für Normung (CEN) fanden im Zeitraum zwischen 2007 und 2015 in drei zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen sog. CEN-Workshops statt, die die Interoperabilität von E-Beschaffungssystemen zum Gegenstand hatten (CEN / ​WS BII)405.406 An den regelmäßigen Treffen der informellen Arbeitsgruppe nahmen Softwareanbieter aus mehr als 20 Mitgliedstaaten, Verbände, Experten aus der Wissenschaft sowie Normungsgremien und Behörden teil.407 Ansatz war es, Leitlinien zu entwickeln, wie bestehende, ggf. konkurrierende Standards in den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer elektronischen Verfahrensdurchführung effizient miteinander in Einklang gebracht werden können, um die system- und grenzüberschreitende Interoperabilität zu verbessern.408 Einen Schwerpunkt der Arbeit bildete dabei die Identifizierung und Harmonisierung der Kernanforderungen für die einzelnen Prozesse vor und nach der Zuschlagserteilung. Für diese wurden sodann jeweils modular aufgebaute, technische Spezifikationen auf XML-Basis erarbeitet (sog. CEN BII Profiles). Diese enthalten einheitliche semantische Datenmodelle409 der auszutauschenden Informationen und können damit in unterschiedlichen Nachrichtenformaten410 übermittelt werden. Die Ergebnisse wurden in Form von CEN-Workshop-Agreements (CWA) für wesentliche Phasen des gesamten Beschaffungsprozesses veröffentlicht.411 Nach Abschluss der CEN-Workshops wurde das „Technische Gremium 440 Elektro­ nisches öffentliches Beschaffungswesen (CEN / ​TC 440)“ zur Fortentwicklung der CEN BII Profiles eingerichtet.

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„Workshop on Business Interoperability Interfaces for Public Procurement in Europe“. Zum Inhalt der einzelnen Phasen Jahns / ​Dorloff, ACSIS 2016, 181 (182). 407 Jahns / ​Dorloff, ACSIS 2016, 181 (182). 408 Jahns / ​Dorloff, ACSIS 2016, 181 (182). 409 Vgl. zur semantischen Interoperabilität im Zusammenhang mit der elektronischen Rechnung Kap. F. I. 2. b). 410 Insb. mit dem Standard Universal-Business-Language (UBL) sowie United Nations Centre for Trade Facilitation and Electronic Business (UN / ​CEFACT), Jahns / ​Dorloff, ACSIS 2016, 181 (182). 411 Vgl. für Bekanntmachungen: BII Notification, für die Kommunikation während der Angebotsphase: BII Tendering, für den Austausch von E-Katalogen vor und nach Zuschlagserteilung: BII Catalogue sowie für Bestellungen, Rechnungen und Bezahlungen in der Vertragsphase: BII Post-award, online abrufbar unter: http://cenbii.eu/deliverables/cen-wsbii-3/ [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. Diese enthalten insb. die BII Profiles sowie abgestimmte XML-Syntaxbindungen. Zum Inhalt im Einzelnen Jahns / ​Dorloff, ACSIS 2016, 181 (184 f.). 406

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(b) PEPPOL PEPPOL (Pan-European Public Procurement Online)  wurde im Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) der Kommission als Pilotprojekt von einem Konsortium aus 18 Projektpartnern aus 11 Mitgliedstaaten im Jahr 2008 gegründet.412 Wesentliches Projektziel war es, eine standardisierte ITInfrastruktur sowie einheitliche Dienste zu schaffen, um die E-Beschaffungssysteme in den Mitgliedstaaten grenzüberschreitend miteinander zu verbinden.413 Aufbauend auf den CEN BII Profiles wurden modulare PEPPOL-Business-Interoperability-Specifications (BIS) für bestimmte Beschaffungsprozesse und die darin ausgetauschten Nachrichten, insbesondere in der Vertragsphase, z. B. zur Bestellung (e-orders) und Rechnungsstellung (e-invoice), definiert.414 Die PEPPOL BIS enthalten die formalen Anforderungen, die die Interoperabilität der auszutauschenden Dokumente sicherstellen. Zur Datenübermittlung zwischen heterogenen technischen Systemen dient das PEPPOL-Netzwerk als eine Art „Interoperabilitätsbrücke“, deren Kernelement die PEPPOL-Transport-Infrastruktur bildet.415 Das Netzwerk kann über sog. Access-Points erreicht werden, die von zertifizierten öffentlichen Stellen oder privaten Unternehmen angeboten werden.416 Die Kommunikation erfolgt über ein Open-4-corner-Model, d. h. der Absender erstellt die Daten innerhalb seines technischen Systems und übermittelt sie an einen Access-Point, der diese über das PEPPOL-Netzwerk an den Access-Point des Empfängers weiterleitet, an dem dieser sie abrufen und in dem von ihm verwendeten System verarbeiten kann. Die Adressierung erfolgt im Netzwerk mittels eines ServiceMetadata-Locators (SML) anhand von Metadaten der registrierten Nutzer.417 Nach Projektende im August 2012 wurde die gemeinnützige Organisation OpenPEPPOL zur Fortführung des PEPPOL-Netzwerkes gegründet418 (c) e-SENS Das vom Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen koordinierte Projekt e-SENS (Electronic Simple European Networked Services) wurde von April 2013 bis März 2017 mit über 20 Projektbeteiligten aus 22 Mitgliedstaaten sowie aus 412

Ciciriello, PEPPOL Transport Infrastructure Technical Overview 2011, S. 3. KOM (2012) 179, S. 9 f.; dazu auch Zimmermann, in: ders., E-Vergabe, S. 30. 414 Pedersen / ​Thomassen Hoddevik / ​Ciciriello, PEPPOL Final Report 2012, S. 15. 415 Pedersen / ​Thomassen Hoddevik / ​Ciciriello, PEPPOL Final Report 2012, S. 16 ff.; dazu auch Liljemo / ​Prinz, in: IRM, Small and Medium Enterprises, S. 1888. 416 Vgl. die Anbieterliste: https://peppol.eu/who-is-who/peppol-certified-aps/ [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 417 Vgl. Ciciriello, PEPPOL Transport Infrastructure Technical Overview 2011, S. 5 ff. 418 Pedersen / ​Thomassen Hoddevik / ​Ciciriello, PEPPOL Final Report 2012, S. 7. Im Juni 2015 hat OpenPEPPOL die Vereinbarung mit der Kommission geschlossen, dass diese den Service Metadata Locators (SML) als zentrale Komponente der PEPPOL Tansportinfrastruktur im CEF eDelivery Network hostet. 413

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Norwegen und der Türkei durchgeführt und von der Kommission im Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) gefördert.419 Ziel des groß angelegten Projekts war es, eine europaweit anwendbare digitale Infrastruktur für rechtssichere und grenzüberschreitende elektronische Verwaltungsdienste aufzubauen, die Bürgern, Behörden und der Privatwirtschaft zur Verfügung gestellt werden kann.420 Die modularen Bausteine (Building-Blocks), die als Digitale Serviceinfrastrukturen (DSI) im Rahmen des EU-Infrastrukturinstruments „Connecting Europe Facility“ (CEF) aus den Erfahrungen von Interoperabilitätsinitiativen in unterschiedlichen Bereichen erstellt worden waren, sollten konsolidiert, fortentwickelt und sektorenspezifisch in Pilotprojekte angewendet werden, um wiederverwendbare, generische Softwarekomponenten, zu schaffen.421 Einen bedeutsamen Baustein bildet dabei eDelivery. Diesem liegt das Konzept zugrunde, eine interoperable Transportsinfrastruktur zu errichten, die übergreifend unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Anwendungsbereiche, z. B. in den Sektoren Justiz, Gesundheit und der öffentlichen Auftragsvergabe, genügt. Die Infrastruktur basiert – ausgehend von den Projekterfahrungen u. a. aus PEPPOL – auf einem Open-4-corner-Model, bei dem der Datenaustausch zwischen Absender und Empfänger mittels Access-Points als Intermediäre auf beiden Seiten über das eDelivery Netzwerk422 erfolgt. Der Kommunikation zwischen den Intermediären findet auf Grundlage gemeinsamer Standards statt, sodass ein Informationsaustausch trotz des Einsatzes unterschiedlicher technischer Systeme auf Empfänger- und Absenderseite grenzübergreifend möglich ist. Ein Projektteil von e-SENS beschäftigte sich mit der sektorspezifischen Anwendbarkeit der CEF-Bausteine im Bereich der Beschaffung. In Anbetracht der neuen Vorgaben der reformierten Vergaberichtlinien standen dabei – im Vergleich zu PEPPOL – vor allem die Prozesse der Vergabephase vor der Zuschlagserteilung im Fokus.423 Im Rahmen des „e-Tendering Pilots“ wurde der grenzübergreifende Dokumentenaustausch durch die Vernetzung bestehender E-Vergabesysteme erstmals praktisch erprobt. Den Ausgangspunkt bildeten 419

Vgl. e-SENS White Paper S. 3. Vgl. e-SENS White Paper S. 1. 421 Vgl. e-SENS and Connecting Europe Facility: how do they work together? v. 25.2.2015, https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/e-sens-and-connecting-europe-facility-howdo-they-work-together [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 422 Für die Implementierung eines Access Points spezifiert der Baustein CEF eDelivery gegenwärtig noch das innerhalb von PEPPOL entwickelte „OpenPEPPOL AS2 profile“ für den Bereich des Vergaberechts sowie das im Rahmen von e-SENS aus Interoperabilitätsprojekten in anderen Bereichen entwickelte „eDelivery AS4 profile“, welches auf aktuelleren Transportstandards basiert, vgl. https://ec.europa.eu/cefdigital/wiki/display/CEFDIGITAL/ Access+Point+specifications [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. Nachdem bereits im Mai 2015 eine Vereinbarung zwischen OpenPEPPOL und der Kommission zur Kollaboration getroffen wurde, hat OpenPEPPOL in einer weiteren Absichtserklärung gegenüber der Kommission im September 2016 erklärt, die Transportstandards bis zum 2. Quartal 2019 an das „eDelivery AS4 profile“ anzupassen, vgl. https://ec.europa.eu/cefdigital/wiki/display/CEFDGTLTEMP/New+​ Agreement+between+the+European+Commission+and+OpenPEPPOL [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 423 Vgl. https://www.esens.eu/content/e-procurement [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 420

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dabei vor allem das deutsche XVergabe-Konzept424 sowie die CEN BII Profiles für die semantische Datenmodellierung und die darauf aufbauenden PEPPOL BIS. In der Echtphase des Pilots gelang der Austausch von Informationen zwischen den drei technisch unterschiedlich ausgestalteten E-Vergabeplattformen: „evergabeonline“ aus Deutschland, „ETHICS“ aus Dänemark und „TenderNed“ aus den Niederlanden mittels der eDelivery Transportinfrastruktur.425 cc) Zwischenergebnis Die Interoperabilitätsinitiativen auf europäischer Ebene richten ihren Fokus primär auf die Verbindung bereits bestehender technischer E-Vergabesysteme. Dies erweist sich als sinnvoller Ansatz, um die bisherigen Investitionen in die E-Beschaffungslösungen auf nationaler Ebene nicht zu annihilieren. In Anbetracht der Divergenzen der Anforderungen, Funktionen und Ausgestaltung der Plattformen in den Mitgliedstaaten erweist sich die Verbindung als komplexe, aber nicht unmögliche technische Herausforderung. Dies zeigt sich anhand der elektronischen Rechnungsstellung, für die mittlerweile die Standardisierung auf europäischer Ebene erfolgreich realisiert worden ist.426 Basis für die Harmonisierung bilden einheitliche semantische Datenmodelle für die unterschiedlichen Verfahrensschritte, die in Form der CEN BII Profiles bereits für Kernprozesse der Vergabephase zur Verfügung stehen. Deren Funktionsfähigkeit konnte mit Hilfe der in den Projekten PEPPOL und e-SENS entwickelten Transportinfrastrukturen und Komponenten, die die CEN BII Profiles verwendeten, bereits grundlegend praktisch erprobt werden. Im Februar 2018 hat das von CEN eingerichtete Technische Gremium 440 – auch unter Berücksichtigung der Projektergebnisse – einen auf den CEN BII Profiles aufbauenden Standard publiziert.427 Die praktischen Erfahrungen hinsichtlich der Umsetzbarkeit des grenzüberschreitenden Datenaustauschs bei Verwendung technisch divergierender E-Vergabeplattformen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten, begrenzen sich derzeit allerdings auf den e-SENS-e-Tendering-Piloten, der einen begrenzten Anwendungsrahmen aufwies. In Anbetracht der Anforderungen der Ermächtigung an die unionsweite Standardsetzung in der VRL und der SRL, dürfte dies noch nicht als hinreichender Nachweis der Praxistauglichkeit genügen, der für die Befugnis der Kommission erforderlich ist, diese CEN Standards im Wege delegierter Rechtsakte verbindlich vorzuschreiben.

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Dazu sogleich bei Kap. D. III. 3. b) aa). Vgl „Successful cross-border exchange of messages in e-Tendering“, Pressemitteilung v. 31.7.2015, https://www.esens.eu/uploads/media/e-Tendering_pilot_EN.pdf [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 426 Dazu ausführlich Kap. F. I. 2. b). 427 Vgl. Electronic public procurement  – Business interoperability interfaces (BII), e-Ten­ dering – Part 101 (CEN / ​TR 17014–101:2018), verfügbar auf https://standards.cen.eu/ [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 425

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

b) Regelung im Kartellvergaberecht Im Unterschied zu den Richtlinienvorgaben sehen die Vergabeverordnungen obligatorisch vor, dass die elektronischen Mittel, die zum Empfang der Verfahrenserklärungen genutzt werden, über eine einheitliche Datenaustauschschnittstelle verfügen müssen.428 Regelungsintention des Verordnungsgebers ist es, die E-Vergabesysteme und deren Bedienkonzepte mit einem Mindestmaß an Kompatibilität und Interoperabilität auszustatten. Die Unternehmen sollen sich möglichst mit einer einzigen elektronischen Anwendung an allen Vergabeverfahren beteiligen können, ohne gezwungen zu sein, für jedes von den Auftraggebern verwendete E-Vergabesystem eine eigenständige Lösung in ihrer Programm- und Geräteumgebung einzurichten.429 Die einheitliche Datenaustauschschnittstelle dient also der Vereinheitlichung des Verfahrenszugangs zur Schaffung einer höheren Akzeptanz auf Seiten der Unternehmen, um deren Beteiligungsbereitschaft zu steigern.430 aa) XVergabe als nationaler Standard Für die Datenaustauschschnittstelle sind die jeweils geltenden Interoperabilitätsund Sicherheitsstandards der Informationstechnik gemäß § 3 Abs. 1 IT-Staatsvertrages431 zu verwenden.432 Die Standards werden vom Planungsrat für die Zusammenarbeit der öffentlichen Verwaltung zwischen Bund und Ländern (IT-Planungsrat) mit einer qualifizierten Mehrheit, bestehend aus dem Bund und elf Bundesländern, die nach ihren Finanzierungsanteilen mindestens zwei Drittel des Königsberger Schlüssels abbilden, beschlossen.433 Mit der Entscheidung 2015/18 hat der IT-Planungsrat in seiner 17. Sitzung die „XVergabe-Kommunikationsschnittstelle (Version 15.01)“ im Juni 2015 zum nationalen Standard erklärt.434 Im Zusammenspiel mit der jeweiligen Vorschrift zu den Anforderungen an die verwendeten elektro­ 428

§ 10 Abs. 2 S. 1 VgV; § 10 Abs. 2 S. 1 SektVO; § 8 Abs. 2 S. 1 KonzVgV. Vgl. auch § 11a EU Abs. 5 S. 1 VOB / ​A. Dies begrüßend DIHK, Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015 S. 3; mit Forderungen der weitergehenden Standardisierung Bitkom, Stellungnahme zur Vergaberechtsmodernisierung, insbesondere Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (VgV-E), v. 12.1.2016, S. 6. 429 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 235 (SektVO), S. 283 f. (KonzVgV). 430 I.d.S. bereits Brunner, in: Noch, e-Vergabe in der Praxis, S. 75. 431 Vertrag über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern – Vertrag zur Ausführung von Artikel 91c GG (IT-Staatsvertrag). 432 § 10 Abs. 2 S. 2 VgV; § 10 Abs. 2 S. 2 SektVO; § 8 Abs. 2 S. 2 KonzVgV. 433 Vgl. § 3 Abs. 2 S. 1 IT-Staatsvertrag. Diese sog. „Passerelle-Klausel“ ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, Siegel, Der Staat 49 (2010), 299 (310). 434 Entscheidung 2015/18 – XVergabe als nationaler Standard, 17. Sitzung des IT-Planungsrats, v. 17.6.2015.

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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nischen Mittel in den Vergabeverordnungen435 ergibt sich, dass die XVergabe den verbindlichen nationalen Standard für die einheitliche Datenaustauschschnittstelle darstellt.436 Dessen Entstehung und gegenwärtiger Stand wird nachfolgend dargestellt. (1) Entwicklung des Standards im Projekt XVergabe Die Spezifikationen des XVergabe-Standards wurden im Rahmen des gleich­ namigen Projekts XVergabe erarbeitet, das bereits im Jahr 2007 im Rahmen der E-Governmentinitiative „Deutschland-Online“ vom Beschaffungsamt unter der Beteiligung von öffentlichen Trägern, privaten Softwarelösungsanbietern und Verbänden initiiert wurde.437 Ziel des Projekts war es, einen einheitlichen Bieterzugang zu den unterschiedlichen, nicht interoperablen Bekanntmachungs- und E-Vergabe­ plattformen zu schaffen.438 Dadurch sollte es möglich sein, dass Unternehmen mittels einer universellen Softwarelösung  – einem sog. Multi-Plattform-BieterClienten (MPBC)439 – auf diese zugreifen können. Im Rahmen des Projekts beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit der Entwicklung einer Schnittstelle für den Datenaustausch zwischen Bieteranwendungen und E-Vergabeplattformen (Client-Interface)  sowie einer für den Austausch von Bekanntmachungen bzw. deren Metadaten440 (Notice-Interface)441. Eine weitere Arbeitsgruppe verfolgt das

435 § 10 Abs. 2 S. 1 VgV; § 10 Abs. 2 S. 1 SektVO; § 8 Abs. 2 S. 1 KonzVgV; § 11a EU Abs. 5 S.  1 VOB / ​A. 436 Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 10 VgV, Rn. 27; Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 10, Rn.  22; Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 10, Rn. 9; Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 11, Rn. 24; Zimmermann, in: ders., E-Vergabe, S. 29 f. 437 Federführend sind das Land Nordrhein-Westfalen und das BeschA, der BME, vgl. auch zu den weiteren Akteuren, Schmidt, in: Glock / ​Broens, Public eProcurement, S. 218 f. 438 Schmidt, in: Glock / ​Broens, Public eProcurement, S. 218. 439 Der AI Angebotsassistent der Administration Intelligence AG stellte wohl die erste am Markt verfügbare Software dar, die als eine Art MPBC fungierte, jedoch nur auf die AI-Plattformen zugreifen konnte, allg. dazu Schinzer / ​Viola, Elektronische Beschaffung nimmt langsam Fahrt auf, eGovernement-Computing.de, v. 3.9.12. 440 Die Metadaten umfassen in die ausschreibende Stelle, die Leistung, Fristen, Ausführungsort sowie den Link zur Bekanntmachung, Schmidt, in: Glock / ​Broens, Public eProcurement, S.  219. 441 Im Mai 2010 veröffentlichte die AG Bekanntmachung die erste Spezifikation für den Austausch von Bekanntmachungen. Zugrunde gelegt wurden zunächst Schemas des Amtes für Veröffentlichung der EU, die um weitere Informationen ergänzt wurden. In der nächsten Version beinhaltete die Spezifikation zudem Muster für Vorinformationen und Bekanntmachungen vergebener Aufträge. Basierend auf dieser Spezifikation wurde im folgenden Jahr der IT-Dienst XVergabe-Proxy bereitgestellt, der die Übersendung der Bekanntmachungsmetadaten zur Veröffentlichung an die Bekanntmachungsplattform des Bundes: http://www.service.bund.de/ ermöglicht [zuletzt abgerufen am 1.12.2018], vgl. Brunner, in: Noch, e-Vergabe in der Praxis, S. 77.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Ziel, XML-Schemata für den Aufbau der Vergabeunterlagen zu definieren (FormInterface).442 (2) XVergabe-Kommunikationsschnittstelle XVergabe beinhaltet in der Version 4.6 ausschließlich die Definition der Kommunikationsschnittstelle zwischen Bieteranwendungen und E-Vergabeplattformen (Client-Interface).443 Der plattformübergreifende Standard gewährleistet insoweit einen zuverlässigen und sicheren Austausch von Daten und Dokumenten.444 Durch die XVergabe-Kommunikationsschnittstelle ist es möglich, mit einer Bieterclientsoftware verschiedene XVergabe-konforme Plattformen anzusprechen und unterschiedlich definierte Prozessschritte nach der Bekanntmachung445 bis zur Zuschlagserteilung gleichförmig abzubilden.446 Dafür werden Prozessgruppen für die einzelnen Verfahrensphasen, für das offene und nicht offene Verfahren sowie für Verhandlungsverfahren mit und ohne Teilnahmewettbewerb beschrieben.447 Grundlegende Voraussetzung ist zunächst der Prozess der Anmeldung am Verfahren („eSubscription“). Hierdurch erfolgt die technische Zuordnung448 eines Unternehmens zu einem konkreten Vergabeverfahren. Diese eSubscription, die keine Regis-

442 Auf diesem Ansatz basiert das Prinzip elektronischer Steuerklärungen mittels Elster. Obwohl die Darstellung unterschiedlicher Steuersoftware beim Anwender variiert, lassen sich die Daten von den Finanzämtern aufgrund der standardisierten Daten verarbeiten, Schmidt, in: Glock / ​Broens, Public eProcurement, S. 219. 443 Vgl. https://www.xvergabe.org/confluence/pages/viewpage.action?pageId=16155004# Version4.6(27.09.2017)-DieXVergabe-Kommunikationsschnittstelle [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. Im Folgenden: XVergabe Vers. 4.6 v. 27.9.2017. Nicht definiert sind bislang Schnittstellen zwischen E-Vergabe- und Bekanntmachungsplattformen sowie zwischen E-Vergabeplattformen und Vergabemanagementsystemen. Die Arbeitsgruppen des Projekts XVergabe sind weiterhin mit der Entwicklung entsprechender Lösungen befasst. 444 Die jeweils auszutauschenden Nachrichten bestehen stets aus den fachlich-inhaltlichen Informationen sowie einem Nachrichtenkopf (Message-Header), der Informationen zur Steuerung der Nachricht (u. a. eine Nachrichten- und Verfahrens-ID sowie Informationen zum Absender und der von ihm eingesetzten Software) enthält. Letzterer kann zudem die sog. Credential-Items beinhalten, die das zu verwendende Schlüsselmaterial für die Verschlüsselung transportieren, vgl. Nachrichtenaufbau, Pkt. 1.7.1, XVergabe Vers. 4.6 v. 27.9.2017. 445 Die Prozessgruppe „eNotice“, die den elektronischen Austausch von Bekanntmachungen beschreibt, und einen Bestandteil des Projekts XVergabe darstellt, ist bislang nicht Bestandteil der XVergabe-Kommunikationsschnittstelle, vgl. Abgebildete Anwendungsfälle, Pkt. 1.2., XVergabe Vers. 4.6 v. 27.9.2017. 446 Vgl. Abgebildete Anwendungsfälle, Pkt. 1.2., XVergabe Vers. 4.6 v. 27.9.2017. 447 Die Umsetzbarkeit weitere Verfahrensarten insb. Wettbewerblicher Dialog, Interessensbekundungsverfahren mit Interessensbestätigung, Innovationspartnerschaften, DBS sowie E-Auktionen, wird noch geprüft, vgl. Unterstützte Verfahrensarten, Pkt. 1.3., XVergabe Vers. 4.6 v. 27.9.2017. 448 Diese ist nicht gleichzusetzen mit einem Teilnahmeantrag, der von den Unternehmen zur Beteiligung am Teilnahmewettbewerb in zweistufigen Verfahren einzureichen ist.

III. Anforderungen an die elektronischen Mittel

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trierung verlangt,449 bildet die Grundlage für den weiteren Nachrichtenaustausch mit der jeweiligen E-Vergabeplattform, die vom Auftraggeber für die Verfahrensdurchführung verwendet wird. Die angemeldeten Unternehmen erhalten Zugang zu den Vergabeunterlagen450 („eAccess“) und Benachrichtungen zu Aktualisierungen. Eine weitere Prozessgruppe beschreibt die Bewerber- bzw. Bieterkommunikation innerhalb eines Vergabeverfahrens („eEnquiry“). Dabei ist es möglich, die konsolidierten Antworten des Auftraggebers allen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die zentrale Kernprozessgruppe bildet die Einreichung von Teilnahmeanträgen und Angeboten („eSubmission“).451 Ferner wird die Versendung der Zuschlagsmitteilung bzw. Absage an die Bieter („eAward“) unterstützt. (3) Zeitplan für die Implementierung Im Oktober 2017 hat der IT-Planungsrat in seiner 24. Sitzung mit der Entscheidung 2017/38 dem durch den Bund und Nordrhein-Westfalen vorgelegten Finanzierungskonzept für den Betrieb des Standards XVergabe durch Bund und Länder zugestimmt.452 Die technische Implementierung in die E-Vergabeplattformen soll innerhalb eines Jahres erfolgen.453 Spätestens ab Oktober 2018 müssen die von Auftraggebern eingesetzten E-Vergabeplattformen mithin den XVergabe-Standard integrieren,454 um den vergaberechtlichen Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel zu genügen. Damit steht der Implementierungsplan in zeitlicher Kohärenz zu den Übergangsfristen für die verbindliche elektronische Kommunikation.455 449

Eine Registrierung für den Zugang zu den Vergabeunterlagen ist rechtlich unzulässig, § 9 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 VgV; § 9 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 SektVO; § 7 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 KonzVgV; § 11 EU Abs. 6 S. 2 VOB / ​A, vgl. Kap. D. VII. 2. d) cc). Sofern eine solche von der Vergabestelle für die nachfolgende Kommunikation verlangt wird, muss diese auf der E-Vergabeplattform selbst erfolgen. Der XVergabe-Standard geht insoweit von vorregistrierten Nutzern aus, die sich authen­ tifizieren können, vgl. Rahmenbedingungen, Pkt. 1.1., XVergabe Vers. 4.6 v. 27.9.2017. 450 Kein Bestandteil des XVergabe-Standards ist aktuell die einheitliche Strukturierung der Vergabeunterlagen und deren semantisches Datenmodell, vgl. Die XVergabe-Kommunikationsschnittstelle, Pkt. 1. XVergabe Vers. 4.6 v. 27.9.2017. 451 XVergabe-Kommunikationsschnittstelle unterstützt dabei eine Vielfalt von Verschlüsselungs- und Signaturverfahren. Überdies kann bei hohen Sicherheitsanforderungen das OSCI-Protokoll, s. dazu Kap. D. V. 1. b) bb) (2) (a), zur Übermittlung verwendet werden, vgl. Nachrichtenaufbau, Pkt. 1.7.1, XVergabe Vers. 4.6 v. 27.9.2017. 452 Entscheidung 2017/38, 24. Sitzung des IT-Planungsrats, v. 5.10.2017. Die Beauftragung des Bundes und des Landes NRW zur Erstellung des Finanzierungskonzepts erfolgte mit der Entscheidung 2017/07, 22. Sitzung des IT-Planungsrats, v. 22.3.2017. 453 Vgl. die Zeitplanung der urspr. Entscheidung 2015/18 – XVergabe als nationaler Standard, 17. Sitzung des IT-Planungsrats, v. 17.6.2015. 454 Zur Durchführung von Testphasen stellt das BeschA kostenlos und öffentlich das XVergabe-Validation-Portal für Softwareanbieter und Plattformbetreiber zur Verfügung: https:// standard.xvergabe.org/gp/xvergabe/page/home [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 455 § 81 VgV; § 64 SektVO; § 34 KonzVgV. Dies begrüßend Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 89. Ende 2018 lässt sich der aktuelle Stand der Implementierung mangels öffentlich zugänglicher Informationen der Anbieter derzeit nur schwerlich beurteilen.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

bb) Ergebnis Das Erfordernis einer einheitlichen Datenaustauschschnittstelle für die elektroni­ schen Mittel, die zum Empfang der Verfahrenserklärungen verwendet werden, entspricht der Bestrebung auf europäischer Ebene, die Interoperabilität zwischen den E-Vergabesystemen zu verbessern. Solange die Kommission nicht von der Befugnis Gebrauch macht, verbindliche europäische Interoperabilitätsstandards mittels delegierter Rechtsakte zu erlassen, stehen die Richtlinienvorgaben einer nationalen Standardisierung nicht entgegen. Aus der praktischen Erprobung von XVergabe können zudem wichtige Erkenntnisse für den europäischen Harmonisierungsprozess gewonnen werden. Dies hat sich bereits bei dem groß angelegten Projekt e-SENS im „e-Tendering Pilot“ gezeigt, für den XVergabe als maßgeblicher Ausgangspunkt fungierte. Die nationale Standardisierung bildet daher einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Im Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts sollte es jedoch das Ziel sein, auch grenzüberschreitend die Interoperabilität zu verbessern, um die technischen Hindernisse für den Wettbewerb im Binnenmarkt durch die Verwendung unterschiedlicher Systeme und Standards bei der E-Vergabe abzubauen. Die Anbindung XVergabe-konformer E-Vergabeplattformen an die mittlerweile auf europäischer Ebene entwickelten Interoperabilitätslösungen, insbesondere an das CEF-eDelivery-Netzwerk, sowie die Nutzung weiterer CEF-Bausteine, die im Rahmen des EU-eGovernment-Aktionsplans 2016–2020 auch für die elektronische Auftragsvergabe weiter von der Kommission gefördert werden,456 sollte daher eine wesentliche Priorität bilden.457

IV. Alternative elektronische Mittel Einen der tragenden Grundsätze der E-Vergabe bildet das Erfordernis der allgemeinen Verfügbarkeit der verwendeten elektronischen Mittel. Dem liegt der Leitgedanke zugrunde, allen Interessenten eine Beteiligung am elektronischen Vergabeverfahren durch Verwendung von für jedermann am Markt erhältlichen Standardgeräten und -programmen zu ermöglichen. In Anbetracht der nunmehr zwingenden elektronischen Kommunikation mag im Einzelfall jedoch die technische Notwendigkeit bestehen, spezielle Geräte und Programme einzusetzen, die diesen Anforderungen nicht genügen.458 Unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist, wird nachfolgend erörtert.

456 Vgl. EU-eGovernment-Aktionsplan 2016–2020: Beschleunigung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, COM (2016) 179, S. 5 f. 457 Im Rahmen des e-SENS Projekts wurde bereits ein e-SENS-XVergabe-Adapter zur Verbindung mit einem Access Point des eDelivery Netzwerks entwickelt, vgl. Apitzsch, e-Vergabe im e-SENS e-Tendering Piloten, https://www.it-planungsrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Fachkongress/3FK2015/Workshop_e-SENS02.pdf [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 458 Vgl. Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (139).

IV. Alternative elektronische Mittel

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1. Richtlinienvorgaben a) Entstehung und Inhalt Die Richtlinienvorschläge der Kommission beinhalten einen parallel formulierten Absatz in den jeweiligen Vorschriften über Mitteilungen, nach dem der Auftraggeber erforderlichenfalls die Verwendung von Instrumenten vorschreiben könnte, die nicht allgemein verfügbar sind, sofern sie einen alternativen Zugang bieten.459 Im zweiten Unterabsatz wurden Möglichkeiten aufgeführt, in denen ein geeignetes alternatives Zugangsmittel in diesem Sinne besteht. Zunächst sollte dies der Fall sein, wenn die öffentlichen Auftraggeber einen direkten Zugang anhand elektronischer Mittel zu den Instrumenten ermöglichen, der uneingeschränkt und vollständig ist.460 Dazu wurde vorgesehen, dass die Auftraggeber mit Veröffentlichung der Bekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbekundung einen Link zur Internet-Adresse angeben, unter dem die Instrumente abrufbar sind. Zweitens sollte ein alternatives Zugangsmittel gegeben sein, sofern für Bieter aus einem anderen Mitgliedstaat der Zugang zum Vergabeverfahren durch einen provisorischen Token ermöglicht wird. Solche Token müssten online und unentgeltlich vom öffent­ lichen Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden.461 Ein alternativer Zugang sollte drittens vorliegen, wenn ein alternativer Kanal für die elektronische Angebotseinreichung unterstützt wird.462 Während der Absatz in der KVR im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsprozesses entfiel,463 blieb die Regelung im Rahmen der VRL und SRL im Kern erhalten, unterlag jedoch gewissen Modifikationen. Klargestellt wurde, dass die alternativen Zugangsmittel sich nicht nur auf Instrumente, sondern auch auf Vorrichtungen beziehen können. Die erste alternative Zugangsmöglichkeit erhielt den Zusatz, dass der Zugang zu diesen nicht nur uneingeschränkt und vollständig, sondern zudem unentgeltlich und direkt zur Verfügung gestellt werden müsse.464 Als zweite Zugangsmöglichkeit sollte der Auftraggeber für Bieter ohne einen entsprechenden Zugang zu den Instrumenten und Vorrichtungen sowie ohne Möglichkeit, diese innerhalb der einschlägigen Fristen zu beschaffen, einen solchen mittels online unentgeltlich zur Verfügung gestellter provisorischer Token gewährleisten, sofern das Fehlen des Zugangs nicht dem betreffenden Bieter zuzuschrei-

459

Art. 19 Abs. 4 UA 1 VRL-E; Art. 33 Abs. 4 UA 1 SRL-E; Art. 25 Abs. 4 UA 1 KVR-E. Art. 19 Abs. 4 UA 2 lit. a VRL-E; Art. 33 Abs. 4 UA 2 lit. a SRL-E; Art. 25 Abs. 4 UA 2 lit. a KVR-E. 461 Art. 19 Abs. 4 UA 2 lit. b VRL-E; Art. 33 Abs. 4 UA 2 lit. b SRL-E; Art. 25 Abs. 4 UA 2 lit. b KVR-E. 462 Art. 19 Abs. 4 UA 2 lit. c VRL-E; Art. 33 Abs. 4 UA 2 lit. c SRL-E; Art. 25 Abs. 4 UA 2 lit. c KVR-E. 463 S. zur Entstehung der KVR Kap. D. I. 1. b) aa). 464 Vgl. Art. 19 Abs. 4 UA 2 lit. a Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 24.7.2012; Art. 33 Abs. 4 UA 2 lit. a Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 460

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

ben ist.465 Die dritte Möglichkeit der Unterstützung eines alternativen Kanals zur Angebotseinreichung blieb in der von der Kommission vorgeschlagenen Formulierung erhalten. Am Ende des Gesetzgebungsprozesses wurden zudem im Kontext der Ausnahmen von der elektronischen Kommunikation bei besonders sensiblen Informationen die Richtlinienerwägungen dahingehend ergänzt, dass auf nicht allgemein verfügbare elektronische Mittel in diesem Sinne zurückgegriffen werden sollte, sofern diese das erforderliche Schutzniveau bieten könnten.466 b) Auslegung der inhaltlichen Vorgaben Der Unionsgesetzgeber normiert im jeweils fünften Absatz des Kommunikationsartikels467 die Bedingungen, unter denen der Auftraggeber Instrumente und Vorrichtungen verwenden darf, die nicht allgemein verfügbar sind. Es handelt sich damit um eine Abweichung vom Grundsatz des ersten Absatzes, dass die für die elektronische Kommunikation zu verwendenden Instrumente und Vorrichtungen allgemein verfügbar sein müssen. Eine nähere Begriffsbestimmung erfolgt nicht. Aus dem systematischen Zusammenhang mit dem jeweiligen ersten Absatz lässt sich aber entnehmen, dass die nicht allgemein verfügbaren Instrumente und Vorrichtungen ebenfalls elektronisch sein müssen.468 Denkbar erscheint beispielsweise, dass der Auftraggeber eine spezielle Software verwendet, die mit proprietären Dateiformaten arbeitet, spezielle Hardwaresicherungen für die Datenübertragung verlangt oder vom Internet abgeschirmte Datennetze einsetzt, die nicht allgemein zugänglich sind. aa) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschrift ist offen formuliert.469 Dem Wortlaut, dass die Auftraggeber erforderlichenfalls die Verwendung von nicht allgemein verfügbaren Instrumenten und Vorrichtungen vorschreiben können, sofern sie alternative Zugangsmittel anbieten,470 lässt sich zunächst keine Begrenzung auf

465 Vgl. Art. 19 Abs. 4 UA 2 lit. b, lit.  c Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 24.7.2012; Art. 33 Abs. 4 UA 2 lit.  b, lit.  c Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 466 Vgl. ErwGrd Nr. 19 (aa), Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013; ErwGrd Nr. 27 (aa), Finaler Kompromisstext des Trilogs zur SRL-E, v. 15.7.2013. 467 Art. 22 Abs. 5 VRL; Art. 40 Abs. 5 SRL. 468 Anfängliche Diskussionen, ob Telefone und Faxgeräte derartige Instrumente und Vorrichtungen darstellen können, wurden nicht aufgegriffen, vgl. Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 239. 469 Mit der Bezeichnung des Regelungsinhalts als „nebulös“ Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 239; Ley / ​ders., Das neue Vergaberecht 2016, S. 283. 470 Art. 22 Abs. 5 UA. 1 VRL; Art. 40 Abs. 5 UA. 1 SRL.

IV. Alternative elektronische Mittel

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bestimmte Verfahrensarten oder -phasen entnehmen. Ebenso spricht der systema­ tische Vergleich zu den generellen Ausnahmen von der Verwendung elektronischer Mittel, die sich explizit auf die Einreichungsverfahren471 und die Bereitstellung der Vergabeunterlagen472 richten, dafür, dass diese grundsätzlich in jedem Vergabe­ verfahren nach dem Ermessen des Auftraggebers eingesetzt werden können.473 Als Ausnahme vom Grundsatz des jeweils ersten Absatzes von der Verwendung allgemein verfügbarer Instrumente und Vorrichtungen zur elektronischen Kommunikation bedarf es allerdings der restriktiven Auslegung. Eine Abweichung erscheint daher nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Dies legt bereits die einschränkende Formulierung „erforderlichenfalls“ im Wortlaut nahe. Noch deutlicher wird dies aus den Richtlinienerwägungen ersichtlich. Darin heißt es, dass Auftraggeber abgesehen von „spezifischen Sonderfällen“ elektronische Kommunikationsmittel nutzen sollen, die nichtdiskriminierend, allgemein verfügbar sowie mit den allgemein verbreiteten Erzeugnissen der IKT kompatibel sind und den Zugang zum Vergabeverfahren nicht einschränken.474 Ein potentieller Anwendungsfall ergibt sich aus den Erwägungen in Bezug auf den Schutz besonders sensibler Informationen. Darin wird klargestellt, dass in diesen Fällen dem gänzlichen Verzicht auf die elektronische Kommunikation die Verwendung nicht allgemein verfügbarer elektronischer Mittel vorgehen soll, sofern diese das nötige Schutzniveau bieten.475 Exemplarisch wird die Möglichkeit benannt, dass die Auftraggeber die Nutzung spezieller sicherer Kommunikationskanäle vorschreiben, zu denen sie den Zugang anbieten.476 Aus diesen Erwägungen lässt sich schließen, dass nicht allgemein verfügbare Instrumente und Vorrichtungen aus Sicherheitsgründen notwendig sein können. Dies bedeutet jedoch keine Beschränkung auf derartige Fälle. Vielmehr ist der Anwendungsbereich grundsätzlich offen formuliert, sodass dieser auch aus anderen, etwa technischen Gründen, im Einzelfall eröffnet sein kann. bb) Alternativer Zugang zu den Instrumenten und Vorrichtungen Voraussetzung für die Vorgabe nicht allgemein verfügbarer Instrumente und Vorrichtungen im Vergabeverfahren ist, dass der Auftraggeber einen alternativen Zugang in hinreichender Form zur Verfügung stellt. In den Bestimmungen der VRL und SRL werden drei Situationen beschrieben, in denen davon auszugehen ist, 471

Vgl. Art. 22 Abs. 1 UA. 2, UA. 4 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 2, UA. 4. Dazu Kap.D. X. 1. a). Art. 53 Abs. 1 UA. 2, UA. 3; Art. 73 Abs. 1 UA. 2, UA. 3 SRL. Hierzu Kap. D. X. 1. b). 473 Im Ergebnis auch Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 239. 474 ErwGrd Nr. 53 S. 1 VRL; ErwGrd Nr. 64 S. 1 SRL. 475 ErwGrd Nr. 54 S. 2 VRL; ErwGrd Nr. 65 S. 2 SRL. Dazu Kap. D. X. 1. a) bb) (4) (b). 476 ErwGrd Nr. 54 S. 3 VRL; ErwGrd Nr. 65 S. 3 SRL. Wie der Verweis in Art. 22 Abs. 1 UA. 4 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 4 zeigt, bezieht sich dies explizit auf Art. 22 Abs. 5 VRL; Art. 40 Abs. 5 SRL. 472

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

dass ein geeigneter Zugang477 angeboten wird. Diese aktive Pflicht des Auftraggebers zur Zugangsbereitstellung wirkt dem potentiell wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Verwendung von (länder-)spezifischen technischen Lösungen, Komponenten und abgeschirmten Netzwerken entgegen. Die Regelung dürfte von dem Grundgedanken getragen sein, dass die Verwendung nicht allgemein verfügbarer Instrumente und Vorrichtungen keine unüberwindbare Barriere für eine Beteiligung am Vergabeverfahren durch Interessenten, insbesondere aus anderen Mitgliedstaaten, darstellen darf.478 Vielmehr soll, trotz des regelmäßig zu erwartenden, zusätzlichen technischen Aufwands, auch in diesen Fällen eine möglichst einfache Teilnahme am elektronischen Verfahren ermöglicht werden.479 (1) Unentgeltlicher, uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang Dies ist zunächst der Fall, wenn unentgeltlich ein uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang anhand von elektronischen Mitteln zu den Vorrichtungen und Instrumenten ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung im Sinn des jeweiligen Anhangs480 oder ab dem Versanddatum der Aufforderung zur Interessensbestätigung zur Verfügung gestellt wird.481 Dazu ist die Internetadresse anzugeben, über die die nicht allgemein verfügbaren Instrumente und Vorrichtungen abrufbar sind. Die Anforderungen an die Zugangseröffnung entsprechen den Kriterien an die Verfügbarmachung der Auftragsunterlagen.482 Vorausgesetzt wird damit, dass kostenlos und ohne eine komplexe Registrierung oder weitere Zwischenschritte ein Zugang zu den Instrumenten und Vorrichtungen unter einer Internetadresse zur Verfügung gestellt wird. Im Fall der Erforderlichkeit der Verwendung einer spezifischen Software genügt den Anforderungen die Bereitstellung zum Download unter einem Direktlink.483 Sofern der Auftraggeber nicht allgemein

477 Art. 22 Abs. 5 UA. 2 VRL. Sprachlich abweichend bezieht sich Art. 40 Abs. 5 UA. 2 SRL auf „Zugangsmittel“. Die engl. Sprachfasssungen verwenden hingegen einheitlich die Terminologie „alternative means of access“. 478 Vgl. i.d.S. die Ausführungen des unverbindlichen Arbeitspapiers der E-Vergabe-Arbeitsgruppe, DG Internal Market, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement – Cluster 4: E-procurement, Doc.-No. 6575/12, Annex, S. 5. 479 In diese Richtung hatte sich die Kommission, auf deren Vorschlägen die Regelungen basieren, in dem parallel zum Gesetzgebungsprozess veröffentlichten Strategiepapier zur E-Vergabe geäußert. vgl. COM(2012) 179, S. 8. Dies anführend Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 239. 480 Anhang VIII VRL; Anhang IX KVR. 481 Art. 22 Abs. 5 UA. 2 lit. a) VRL; Art. 40 Abs. 5 UA. 2 lit. a) SRL. 482 Art. 53 Abs. 1 VRL; Art. 73 Abs. 1 SRL; Art. 34 Abs. 1 KVR, allerdings mit der Bezeichnung „kostenlos“ anstatt „unentgeltlich“. Dazu ausführlich unter Kap. D. VII. 1. b). 483 Vgl. zu diesem Anwendungsbeispiel, DG Internal Market, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement – Cluster 4: E-procurement, Doc.-No. 6575/12, Annex, S. 5.

IV. Alternative elektronische Mittel

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verfügbare Netze einsetzt, kann ein Zugang in diesem Sinn durch den Einsatz von Virtuell-Private-Network(VPN)-Technologie484 angeboten werden.485 (2) Zugang mittels provisorischer Token Erhebliche Unklarheiten weist die zweite in den Richtlinienbestimmungen geschilderte Situation auf,486 die maßgeblich in den Ratskompromissvorschlägen modifiziert wurde. Diese soll es den Auftraggebern ermöglichen, den Bietern ohne Zugang zu den betreffenden Instrumenten und Vorrichtungen oder ohne Möglichkeit, diese innerhalb der einschlägigen Fristen zu beschaffen, mittels online kostenlos zur Verfügung gestellter provisorischer Token einen Zugang bereitzustellen, sofern das Fehlen nicht dem betreffenden Bieter zuzuschreiben ist.487 Dem Wortlaut lässt sich zunächst im Vergleich zur ersten Variante die Einschränkung entnehmen, dass ein solcher alternativer Zugang nur für „Bieter“, also offenbar nur für die Angebotseinreichung, zulässig sein soll. Des Weiteren erscheint es erforderlich, dass diese ansonsten überhaupt keinen Zugang zu den nicht allgemein verfügbaren Instrumenten und Vorrichtungen haben oder alternativ488 einen solchen nicht rechtzeitig beschaffen können. In der zweiten Variante bestünde also grundsätzlich die Möglichkeit des Bieters, anderweitig Zugang zu erlangen, allerdings nur mit einem nicht unerheblichen zeitlichen Aufwand. Dies trägt weiter zur Unklarheit bei, was genau unter einem „provisorischen Token“ zu verstehen ist. Bei dem Begriff „Token“ handelt es sich nicht um eine einheitlich verwendete Begrifflichkeit. Vielmehr wird diese für unterschiedliche Hilfsmittel im Datenaustauschprozess, etwa bestimmte Hardwarekomponenten, die an ein physisches Besitzelement anknüpfen489 und verschlüsselte Zugangsinformationen zur Identifizierung und Authentifizierung von Nutzern enthalten (sog. „Security Token“),490 oder auch 484 In einem VPN erfolgt die Datenübertragung durch einen logischen Pfad (sog. Tunnel) zwischen zwei definierten Endpunkten mittels Tunneling-Protokollen, z. B. dem Protokoll Internet-Protocol-Security (IPsec) oder Secure-Socket-Layer VPN (SSL-VPN). Zur Datenübertragung werden Datenpakete beim Absender eingekapselt und durch den virtuellen VPN-Tunnel über die Infrastruktur eines öffentlichen Netzwerkes zum Empfänger transportiert, wo diese wieder entkapselt werden. Zudem werden sie dabei regelmäßig verschlüsselt, vgl. Lerch, Elektrische Messtechnik, S. 678. Durch eine sog. Remote-Access-VPN-Anwendung (auch Endto-Site VPN) kann ein externer Rechner über einen VPN-Gateway Zugang zu einem internen Netzwerk erlangen, das ansonsten vom Internet durch eine Firewall abgeschirmt ist. 485 Zeiss, VPR 2014, 107; ders., in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 12 VgV, Rn. 10. 486 Ebenso Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (139). 487 Art. 22 Abs. 5 UA. 2 lit. b) VRL; Art. 40 Abs. 5 UA. 2 lit. b) SRL. 488 Wie ein Vergleich mit der engl. und frz. Sprachfassung zeigt, die jeweils die Alternativen durch ein „oder“ abgrenzen, besteht insoweit in der dt. Richtlinienfassung der VRL und SRL, die stattdessen ein „und“ verwenden, offensichtlich ein Übersetzungsfehler. 489 Also insb. physische Träger wie USB-Sticks. Aber auch Chip-, RFID- oder Magnet­ streifenkarten, vgl. Bundesdruckerei, Whitepaper Authentifikation und Biometrie, S. 7. 490 Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 240.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

im Zusammenhang mit der Netzwerkarchitektur491 verwendet. In Anbetracht der Pflicht zur Online-Bereitstellung und des lediglich „provisorischen“ Charakters scheint der jeweiligen Regelung jedoch eine abweichende Vorstellung eines „Tokens“ zugrunde zu liegen. Dies zeigen die Ausführungen aus dem unverbindlichen Arbeitspapier der E-Vergabe-Arbeitsgruppe. Danach soll sich dies auf Fälle beziehen, in denen bestimmte Informationen, etwa eine Registrierungsnummer o. Ä., erforderlich sind. Es bestehe insoweit die Möglichkeit, dass der Auftraggeber eine „dummy reference“ online unentgeltlich bereitstellt.492 Hierunter könnte z. B. ein allgemein gültiger Zugangscode oder ein Softwarezertifikat verstanden werden, die einen Zugang zu einer E-Vergabeplattform oder einer Softwareanwendung ohne eine weitere Anmeldung oder Registrierung eröffnen.493 Hintergrund der Regelung dürfte die Feststellung der Kommission sein, dass teilweise aufwändige Registrierungs- oder Authentifizierungsverfahren angewandt werden, die mitunter Instrumente und Komponenten verlangen, die nur in einzelnen Mitgliedstaaten vorhanden sind.494 Provisorische Token sollen in diesen Fällen eine vereinfachte Zugangsmöglichkeit bieten. Diese Intention verdeutlicht auch der insoweit noch eindeutigere Wortlaut der Kommissionsvorschläge, nach dem diese Form der Zugangseröffnung ausdrücklich für Bieter vorgesehen war, die in anderen Mitgliedstaaten als der Auftraggeber niedergelassen sind.495 Durch die unionsweite Vereinheitlichung des Rechtsrahmens für die Identifizierungsmittel durch die eIDAS-VO496 dürfte diese Problematik zumindest hinsichtlich komplexer nationalstaatlicher Authentifizierungsverfahren allerdings künftig an Relevanz verlieren. (3) Alternativer Kanal zur elektronischen Angebotseinreichung Die dritte Möglichkeit einer geeigneten Zugangsbereitstellung in Form der Unterstützung eines „alternativen Kanals“ für die elektronische Einreichung von Angeboten497 bleibt ebenfalls äußerst vage. Deutlicher als bei der zweiten Variante stellt der Wortlaut klar, dass diese Möglichkeit nur für die Angebotseinreichung zur Verfügung steht. Nach den im Arbeitspapier der E-Vergabe-Arbeitsgruppe geäußerten Vorstellungen muss der Auftraggeber jedenfalls einen alternativen Kanal anbieten, wenn er, z. B. aufgrund lizenzrechtlicher Probleme, weder unentgeltlich einen uneingeschränkten, vollständigen direkten Zugang anhand von elektronischen Mitteln zu den Vorrichtungen und Instrumenten noch unentgeltlich online

491

Z. B. beim sog. Token-Ring, Baun, Computernetze kompakt, S. 45 f. Vgl. DG Internal Market, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement – Cluster 4: E-procurement, Doc.-No. 6575/12, Annex, S. 5. 493 Ähnl. auch Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 240. 494 Vgl. KOM (2012) 179, S. 8. 495 Art. 19 Abs. 4 UA 2 lit. b VRL-E; Art. 33 Abs. 4 UA 2 lit. b SRL-E. 496 Dazu bereits unter Kap. B. I. 497 Art. 22 Abs. 5 UA. 2 lit. c) VRL; Art. 40 Abs. 5 UA. 2 lit. c) SRL. 492

IV. Alternative elektronische Mittel

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provisorische Token bereitstellen kann.498 Exemplarisch wird die Möglichkeit eines Web-Uploads der Angebotsdokumente genannt. Den Ausführungen lässt sich im Wesentlichen entnehmen, dass die Unterstützung eines alternativen Kanals in der dritten Variante eine Art Auffangtatbestand darstellen soll.499 In welcher Form ein alternativer Kanal eröffnet wird, konkretisieren die Richtlinienbestimmungen nicht näher. Damit hat der Auftraggeber insoweit einen Ausgestaltungsspielraum, unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls einen solchen zugunsten der Bieter einzurichten. c) Zwischenergebnis Mit der Regelung berücksichtigt der Unionsgesetzgeber einerseits, dass ein Bedürfnis des Auftraggebers – beispielsweise aus Sicherheitsgründen – bestehen kann, (länder-)spezifische technische Lösungen und Komponenten bei der elektronischen Kommunikation einzusetzen, die nicht allgemein verfügbar sind. Das dadurch entstehende Spannungsverhältnis zum Leitgedanken, allen Interessenten eine Teilnahme am elektronischen Vergabeverfahren mit allgemein verfügbaren Standardinstrumenten und -vorrichtungen zu ermöglichen, wird durch die aktive Pflicht des Auftraggebers, eine alternative Zugangsmöglichkeit bereitzustellen, abgemildert. Kritisch zu beurteilen sind insoweit die, gerade in Bezug auf die Verwendung „provisorischer Token“ und Unterstützung eines „alternativen Kanals“, technisch äußerst vagen Formulierungen der VRL und SRL, in denen ein geeigneter Zugang angenommen werden soll. An dieser Stelle wären konkretisierende Erwägungen des Unionsgesetzgebers für eine größere Rechtsklarheit durchaus wünschenswert gewesen. 2. Regelung im Kartellvergaberecht Der deutsche Verordnungsgeber hat die Richtlinienvorgaben zur Verwendung nicht allgemein verfügbarer Instrumente und Vorrichtungen jeweils parallel in einem eigenen Paragrafen im Unterabschnitt der Kommunikationsvorschriften in den Vergabeverordnungen in Teilen umgesetzt.500

498 DG Internal Market, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement – Cluster 4: E-procurement, Doc.-No. 6575/12, Annex, S. 5. 499 Im Ergebnis auch Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 22, Rn. 20. 500 § 12 Abs. 1 VgV; § 12 Abs. 1 SektVO; § 10 KonzVgV; vgl. auch § 11a EU Abs. 6 VOB / ​A.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

a) Alternative elektronische Mittel In der nationalen Umsetzung werden elektronische Mittel, die nicht allgemein verfügbar sind, als „alternative elektronische Mittel“ legal definiert.501 Damit wird in erfreulicher Deutlichkeit – im Vergleich zu den Richtlinienbestimmungen der VRL und SRL – sprachlich klargestellt, dass diese ebenfalls elektronisch sein müssen. In der amtlichen Begründung wird zudem im Umkehrschluss zum Verständnis des Verordnungsgebers der allgemeinen Verfügbarkeit502 definiert, dass es an einer solchen fehlt, wenn die elektronischen Mittel nicht für alle Menschen ohne Einschränkung verfügbar sind und auch nicht von jedermann – ggf. gegen marktüb­ liches Entgelt – bei Bedarf erworben werden können.503 Dies bedarf der Bestimmung im konkreten Einzelfall.504 Neben spezifischen Software505- oder Hardwarekomponenten sind elektronische Mittel jedenfalls dann nicht allgemein verfügbar, wenn sie durch spezielle Sicherungssysteme, wie eine Firewall, abgeschirmt werden.506 Dies betrifft interne Netzwerke des Auftraggebers  – bzw. von diesen noch einmal gesondert abgetrennte Zwischennetze (sog. Demilitarized Zones (DMZ))507 – z. B. ein Intranet oder ein behördenübergreifendes internes Verwaltungsnetz508.509 aa) Restriktive Auslegung des Anwendungsbereichs Weiter wird in der amtlichen Begründung ausgeführt, dass es einem Auftraggeber nur in Ausnahmenfällen gestattet ist, ein Vergabeverfahren mittels alternativer elektronischer Mittel durchzuführen.510 Der Anwendungsbereich soll einerseits für Vergabeverfahren eröffnet sein, bei denen die Verwendung alternativer elektronischer Mittel zum „Schutz besonders sensibler Daten“ erforderlich ist oder andererseits, wenn Daten übermittelt werden müssen, deren Übertragung „aus an 501

§ 12 Abs. 1 VgV; § 12 Abs. 1 SektVO; § 10 KonzVgV; § 11a EU Abs. 6 VOB / ​A. Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 235 (SektVO), S. 284 (KonzVgV). 503 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 (VgV); S. 236 (SekVO); S. 285 (KonzVgV). 504 Vgl. zur allgemeinen Verfügbarkeit Kap. D. III. 1. b) aa) (1). 505 Am Bsp. der Unterlizenzierung einer zentral beschafften Software für BIM-gerechtes Planen, Eschenbruch / ​Grüner, NZBau 2014, 402 (405). 506 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 12 VgV, Rn. 13. 507 Eine DMZ ist ein vom Internet durch eine Firewall getrenntes Zwischennetz, das wiederum vom internen Netzwerk durch eine zweite Firewall abgtrennt wird, vgl. v. Kielpinski, IT-Administrator 3/2014, 75. 508 Insb. das für den Bund, die Länder und Kommunen als Kommunikationsinfrastruktur zur Verfügung gestellte Kommunikationsnetz des Bundes (NdB-Verbindungsnetz, vormals Deutschland-Online-Infrastruktur (DOI)) oder die Netzinfrastruktur des Informationsverbundes Berlin-Bonn (IVBB), vgl. Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil 2, II. Pkt. 3. b., blog.cosinex.de v. 3.2.2016. 509 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 12, Rn.  10; Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR,  § 12 SektVO, Rn. 7; Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 12VgV, Rn. 9; Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 12, Rn. 4. 510 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 (VgV); S. 236 (SekVO); S. 285 (KonzVgV). 502

IV. Alternative elektronische Mittel

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deren als aus Sicherheitsgründen“ nicht mit allgemein verfügbaren elektronischen Mitteln möglich ist.511 Diese Ausführungen des Verordnungsgebers legen eine restriktive Auslegung des Anwendungsbereichs alternativer elektronischer Mittel beim Vorliegen besonderer Gründe nahe. Dagegen wird in der Literatur teilweise ein extensives Verständnis angenommen.512 Nach Auffassung von Honekamp bestehe ein freies Wahlrecht des Auftraggebers zwischen allgemein verfügbaren und alternativen elektronischen Mitteln.513 Dafür spreche, dass sich die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Ausnahmefälle, die die amtliche Begründung enthält, nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift zu den alternativen Mitteln entnehmen lasse. Ferner komme es bei deren Einsatz auch nicht zu einer Benachteiligung der Wettbewerbsteilnehmer, da der Auftraggeber verpflichtet sei, einen alternativen Zugang anzubieten.514 Diese Ansicht verkennt jedoch den systematischen Gesamtzusammenhang. In der jeweils vorhergehenden Vorschrift zu den Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren betont der Verordnungsgeber – entsprechend den Vorgaben des Unionsgesetzgebers – den Grundsatz, dass elektronische Mittel und ihre technischen Merkmale allgemein verfügbar sein müssen.515 Bereits hieraus wird ersichtlich, dass es sich bei den nachfolgend geregelten Vorgaben zu den alternativen elektronischen Mitteln nur um eine Ausnahme handeln soll. Dem Hinweis in der amtlichen Begründung kommt insoweit lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Es ist daher geboten, den Anwendungsbereich für alternative elektronische Mittel restriktiv auszulegen,516 damit die Ausnahme nicht zum Regelfall wird. Diese Auslegung steht zudem im Einklang mit den zugrunde liegenden Richtlinienbestimmungen, die einen Einsatz in Abweichung zum Grundsatz nur „erforderlichenfalls“ zulassen. Die Anwendung bedarf also des Vorliegens von Sicherheitsgründen im Fall besonders sensibler Daten517 oder anderer sachlicher Gründe, die über allgemeine Sicherheitsbedenken oder reine Zweckmäßigkeitserwägungen des Auftraggebers hinausgehen.518

511

Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 (VgV); S. 236 (SekVO); S. 285 (KonzVgV). Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 12, Rn.  10. 513 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 12 SektVO, Rn. 9; ihm nachfolgend wohl auch Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 12, Rn. 4. 514 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 12 SektVO, Rn. 9. 515 § 11 Abs. 1 S. 1 VgV; § 11 Abs. 1 S. 1 SektVO; § 9 Abs. 1 S. 1 KonzVgV; § 11a EU Abs. 1 S.  1 VOB / ​A. 516 Zutreffend Siegel, LKV 2017, 385 (388); ebenso Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 12, Rn. 8; Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 12, Rn. 2; im Ergebnis auch Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 12 VgV, Rn.  11. 517 Dazu Näheres bei Kap. D. X. 2. a. bb) (2) (a). 518 Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 12, Rn. 2; hinsichlich unzureichender Sicherheitsbedenken Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 12 VgV, Rn. 11. 512

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

bb) Anforderungen an die alternative Zugangseröffnung Die Entscheidung, ob der Einsatz alternativer elektronischer Mittel in einem konkreten Vergabeverfahren ausnahmsweise erforderlich erscheint, steht im Ermessen des Auftraggebers.519 Sie dürfen gemäß den Vorschriften in den Vergabeverordnungen nur unter zwei Bedingungen verlangt werden.520 Der Auftraggeber muss zum einen während des gesamten Vergabeverfahrens unter einer Internetadresse einen unentgeltlichen, uneingeschränkten, vollständigen und direkten Zugang521 zu den alternativen elektronischen Mittel gewähren. Dies dient dem Zweck, trotz der Vorgabe der nicht allgemein verfügbaren elektronischen Mittel durch den Auftraggeber, allen interessierten Unternehmen die Beteiligung am Vergabeverfahren zu ermöglichen.522 Zum anderen ist erforderlich, dass der Auftraggeber die alternativen elektronischen Mittel selbst verwendet. Die Voraussetzungen müssen dem Wortlaut nach kumulativ vorliegen. Diese Umsetzung weicht von den Vorgaben der VRL und SRL ab. Zunächst setzt der Verordnungsgeber damit ausschließlich eine der drei Möglichkeiten um, in denen ein geeigneter alternativer Zugang vom Unionsgesetzgebers angenommen wird. Weiter fehlt es bei dem umgesetzten Richtlinienszenario bei der ersten Bedingung scheinbar an der genauen Bestimmung des Zeitpunkts der Zugangseröffnung und dessen Bekanntmachung. Der Wortlaut, der die Bereitstellung eines unentgeltlichen, uneingeschränkten, vollständigen und direkten Zugangs „während des gesamten Vergabeverfahrens“ fordert,523 bleibt indifferent. Es sind jedoch die Ausführungen aus der amtlichen Begründung ergänzend heranzuziehen, die insoweit eine Konkretisierung enthalten, die den Vorgaben der VRL und SRL entspricht. Darin heißt es, dass der Auftraggeber den Unternehmen bei der Verwendung alternativer elektronischer Mittel einen Zugang im vorgenannten Sinn grundsätzlich ab dem Datum der Veröffentlichung der Auftrags- bzw. der Konzessionsbekanntmachung gewähren muss.524 Die Internetadresse ist im Bekanntmachungsformular anzugeben.525 Als alternativer Zeitpunkt wird im Rahmen der 519 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 12 VgV, Rn. 14; Schubert, in: Willenbruch  / ​ Wieddekind, VergabeR, VgV, § 12, Rn. 3. 520 Vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 VgV; § 12 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 SektVO; § 10 Nr. 1, Nr. 2 KonzVgV. § 11a EU Abs. 6 Nr. 1, Nr. 2 VOB / ​A. 521 Die einzelnen Anforderungen an die „unentgeltliche, uneingeschränkte, vollständige und direkte“ Zugangsbereitstellung entsprechen jenen an die Verfügbarmachung der Vergabeunterlagen, sodass hier insoweit auf die bei Kap. D. VII. 2. erfolgende ausführliche Darstellung der einzelnen Kritierien verwiesen wird. 522 Die Regelung ist als spezifischer Ausfluss der vergaberechtlichen Grundsätze des Wettbewerbs, § 97 Abs. 1 S. 1 GWB, und der Gleichbehandlung, § 97 Abs. 2 GWB, zu verstehen und entfaltet bewerber- bzw. bieterschützenden Wirkung, Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 12, Rn. 11; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 12 VgV, Rn. 29; allgemeiner Müller, in: Kurlatz / ​Kus//Marx / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  44. 523 Vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 VgV; § 12 Abs. 1 Nr. 1SektVO; § 10 Nr. 1 KonzVgV. § 11a EU Abs. 6 Nr.  1 VOB / ​A. 524 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 (VgV); S. 236 (SekVO); S. 285 (KonzVgV). 525 Zu den verbindlichen Angaben in den zu verwendenden Standardformularen der unmittelbar geltenden Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986, vgl. Kap. D. VI. 2. a) aa).

IV. Alternative elektronische Mittel

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Einzelbegründung zur VgV und SektVO das Datum des Versendens der Aufforderung zur Interessensbestätigung genannt.526 Dies ist nur für Fälle relevant, in denen im nicht offenen Verfahren oder im Verhandlungsverfahren unter Beachtung qualifizierter Anforderungen eine verbindliche Vorinformation als Aufruf zum Wettbewerb veröffentlicht wird, die eine Auftragsbekanntmachung entbehrlich macht.527 Die Internetadresse ist dabei im Text der Aufforderung zur Interessenbestätigung bekannt zu machen. Der Zugang ist nach dem Eröffnungszeitpunkt während des gesamten Vergabeverfahrens vom Auftraggeber aufrechtzuerhalten, was sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Verordnungsvorschriften ableiten lässt. Die zweite Bedingung, dass der Auftraggeber die alternativen elektronischen Mittel selbst verwenden muss, wird in den Richtlinienbestimmungen nicht ausdrücklich verlangt. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass auch die Richtlinien von letzterem zumindest implizit ausgehen. Es wäre schlicht widersinnig, wenn der Auftraggeber alternative elektronische Mittel in einem Vergabeverfahren vorgeben würde, die er nicht selbst nutzt.528 cc) Anwendbarkeit der nicht umgesetzten Richtlinienszenarien Dem Wortlaut nach enthält die jeweilige Vorschrift nicht die Möglichkeit für den Auftraggeber, bei der Verwendung alternativer elektronischer Mittel einen geeigneten Zugang mittels provisorischer Token oder mithilfe eines alternativen Kanals zur Angebotseinreichung zu eröffnen. Es könnte daher zumindest in der VgV und der SektVO von einer unzulänglichen Richtlinienumsetzung der Vorgaben der VRL und SRL auszugehen sein, sodass die unmittelbare Wirkung der Richtlinienbestimmungen zu diskutieren wäre.529 Allerdings ist an dieser Stelle abermals die amtliche Begründung zu beachten. Darin führt der Verordnungsgeber aus, dass die Auftraggeber, die keinen uneingeschränkten, vollständigen und direkten Zugang zu den verwendeten alternativen elektronischen Mitteln einräumen können und wo das Fehlen eines solchen Zuganges nicht auf dem Verschulden des betreffenden Unternehmens beruht, „anderweitig Zugang“ gewährleisten müssen.530 Die Auftraggeber könnten dazu beispielsweise „spezielle sichere Kanäle zur Nutzung vorschreiben, zu denen sie individuellen Zugang gewähren“. Aus diesen Ausführungen, die zur richtlinienkonformen Auslegung der Bestimmungen der Vergabe­

526

Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 (VgV); S. 236 (SekVO). Vgl. § 38 Abs. 4 VgV; § 12 EU Abs. 2 VOB / ​A. Bzw. „regelmäßig nicht verbindliche Bekanntmachung als Aufruf zum Wettbewerb“, § 36 Abs. 4 SektVO. 528 Müller, in: Kurlatz / ​Kus//Marx / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 12, Rn, 14. 529 Vgl. grundlegend zu den Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen im Bereich des Vergaberechts, EuGH, Urt. v. 22.6.1989 – C-103/88 (Fratelli Costanzo), Rn. 35 ff. 530 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 (VgV); S. 236 (SekVO); S. 285 (KonzVgV). 527

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

verordnungen ergänzend heranzuziehen sind,531 wird ersichtlich, dass eine anderweitige Zugangseröffnung auch im nationalen Kartellvergaberecht möglich ist. Die Richtlinienszenarien hinsichtlich der Bereitstellung eines provisorischen Tokens und eines alternativen Kanals beziehen sich gerade auf die beschriebene Situation, dass ein uneingeschränkter, vollständiger und direkter Zugang zu alternativen elektronischen Mitteln nicht bereitgestellt werden kann, ohne dass dies den Unternehmen zuzurechnen wäre. Da die amtliche Begründung an dieser Stelle nur exemplarisch die nicht weiter spezifizierten „speziellen sicheren Kanäle“ nennt, liegt es nahe, dass ein derartiger individueller Zugang auch mittels provisorischer Token oder eines alternativen Angebotseinreichungskanals vom Auftraggeber angeboten werden kann.532 Im Ergebnis ist damit noch von einer richtlinienkonformen Umsetzung auszugehen. b) Ergebnis Der Verordnungsgeber widmet den alternativen elektronischen Mitteln zwar jeweils eine eigene Vorschrift in den Vergabeverordnungen, setzt darin die Richt­ linienvorgaben der VRL und SRL allerdings nur in Ansätzen um. Erst durch die Hinzuziehung und Auslegung der amtlichen Begründung kann gerade noch die Richtlinienkonformität angenommen werden. Zur Rechtsklarheit wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Verordnungsgeber an dieser Stelle eine eindeutigere Regelung geschaffen hätte. Dies gilt in besonderem Maß in Bezug auf die unterschiedlichen Möglichkeiten, in denen die Bereitstellung eines geeigneten Verfahrenszugangs beim Einsatz alternativer elektronischer Mittel anzunehmen ist. Die Vermeidung der ausdrücklichen Benennung der vom Unionsgesetzgeber verwendeten Begrifflichkeiten des „provisorischen Tokens“ und eines „alternativen Kanals“ mag in deren aufgezeigter technischer Unklarheit begründet sein. Der Verordnungsgeber hätte dies jedoch auch als Chance begreifen können, diese zumindest in der amtlichen Begründung nach seinem Verständnis zu präzisieren. Es bleibt abzuwarten, ob die als Ermessensvorschrift ausgestaltete Ausnahmevorschrift zur Verwendung alternativer elektronischer Mittel in dieser Form zukünftig eine praktische Relevanz erlangen wird.533

531 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 12 VgV, Rn. 20; ebenfalls Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 12, Rn. 1. 532 Im Ergebnis auch Müller, in: Kurlatz / ​Kus//Marx / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 12, Rn, 15. 533 Zweifelnd Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil II. Pkt. 4 e), blog.cosinex.de v. 3.2.2016.

IV. Alternative elektronische Mittel

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3. Sonderfall: Elektronische Mittel zur Bauwerksdatenmodellierung Einen Sonderfall bilden elektronische Mittel für die Bauwerksdatenmodellierung (Building Information Modeling (BIM)) im europäischen und nationalen Recht. BIM beschreibt eine modellbasierte virtuelle Planungsmethode für Bauvorhaben.534 Erstellt wird ein mehrdimensionales Modell des geplanten Bauwerkes. Zur Erstellung werden dafür die Projektdaten der einzelnen Beteiligten, z. B. Architekten, Ingenieure, Statiker und Projektleiter, an eine gemeinsame Informationsdatenbank gesendet.535 Neben der dreidimensionalen Abbildung des Bauvorhabens können weitere Informationen, z. B. Termine und Kosten, zur Visualisierung einzelner Planungsschritte hinzugefügt werden (n-D-Modelle).536 In der Praxis sind zwei BIM-basierte Anwendungsformen gängig. Die unterschiedlichen Fachplaner können separate Fachmodelle mit einer einheitlichen Software erstellen. Nach Fertigstellung von maßgeblichen Abschnitten werden diese in einem Metamodell zusammengeführt (closed BIM).537 Andererseits ist es technisch auch möglich, dass sämtliche Projektbeteiligte an einem Modell arbeiten, welches mittels eines einheitlichen Standards auf einen softwareübergreifenden Informationsaustausch abgestimmt ist. Hierdurch ist die Verwendung unterschiedlicher Planungsprogramme möglich (open BIM).538 a) Richtlinienvorgaben aa) Entstehung und Inhalt Erst am Ende des Gesetzgebungsprozesses wurde  – wohl auf Vorschlag des Europäischen Parlaments539  – in den finalen Trilogtexten zu der VRL und SRL ein gänzlich neuer Absatz im Rahmen der jeweiligen Kommunikationsvorschrift eingefügt.540 Nach diesem sollte es den Mitgliedstaaten bei der Vergabe von Bau 534

Eschenbruch / ​Grüner, NZBau 2014, 402. Allg. BMVI, BIM-Leitfaden für Deutschland, S. 18. 536 Eschenbruch / ​Grüner, a. a. O. 537 Eschenbruch / ​Grüner, a. a. O. Die Datenübertragung erfolgt dabei auf Basis von IT-Plattformen mittels spezieller Austauschsoftware oder durch Erweiterungsprogramme der eigentlichen Planungssoftware, vgl. dazu Eschenbruch / ​Malkwitz / ​Grüner / ​Poloczek, Maßnahmenkatalog zur Nutzung von BIM, S. 5. 538 Eschenbruch / ​Grüner, NZBau 2014, 402. Die wichtigste offene, herstellerneutrale Schnittstelle zum Daten- und Informationsaustausch wird als IFC (Industry Foundation Classes) bezeichnet. Daneben existiert z. B. der Standard BCF (BIM Collaboration Format), vgl. ausführlich dazu BMVI, BIM-Leitfaden für Deutschland, S. 87. 539 Vgl. Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013, Änderung Nr. 98, S. 64 f.; Änderung Nr. 111, S. 66, Parlamentsbericht zur SRL-E, v. 7.2.2013. 540 Art. 19 Abs. 3 Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013.; Art. 33 Abs. 3 Finaler Kompromisstext des Trilogs zur SRL-E, v. 15.7.2013. 535

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

aufträgen und Wettbewerben möglich sein, spezifische elektronische Instrumente, z. B. zur Bauwerksdatenmodellierung541 oder dergleichen, zu verlangen. Die Auftraggeber müssten in diesen Fällen einen alternativen Zugang im Sinne des jeweils nachfolgenden Absatzes bis zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stellen, bis diese allgemein verfügbar sind. In dieser Form fanden die Bestimmungen unverändert Eingang in die endgültigen Richtlinienfassungen.542 Die weitergehende Forderung des Europäischen Parlaments zur Ergänzung der Richtlinienerwägungen dahingehend, dass der Einsatz von Instrumenten zur Bauwerksdatenmodellierung zu der Modernisierung des Beschaffungsprozesses und zur Erzielung weiterer Effizienzgewinne bei Bauaufträgen gefördert werden sollte,543 wurde hingegen nicht übernommen. bb) Auslegung der inhaltlichen Vorgaben Die jeweilige Regelung in der VRL und SRL adressiert die Mitgliedstaaten, die das Verlangen spezifischer elektronischer Instrumente speziell im Zusammenhang mit der Vergabe von Bauleistungen optional umsetzen können. Systematisch handelt es sich dabei grundsätzlich um einen Spezialfall nicht allgemein verfügbarer Instrumente,544 wie der explizite Verweis auf Gewährung eines alternativen Zugangs bis zum Zeitpunkt der allgemeinen Verfügbarkeit im Richtlinienwortlaut zeigt.545 Die elektronischen Instrumente zur Bauwerksdatenmodellierung werden lediglich beispielhaft angeführt,546 sodass ebenso vergleichbare elektronische Bauplanungsinstrumente in einem Vergabeverfahren denkbar wären. Diese dürften jedoch den zentralen Anwendungsfall bilden. cc) Zwischenergebnis Grundsätzlich hätte es in Anbetracht der allgemeinen Regelung zu den nicht allgemein verfügbaren elektronischen Instrumenten und Vorrichtungen keiner speziellen Regelung hinsichtlich des Einsatzes von spezifischen elektronischen Planungsinstrumenten, insbesondere der Bauwerksdatenmodellierung, in einem eigenen Absatz des jeweiligen Kommunikationsartikels der Richtlinien bedurft. Eine dahingehende Ergänzung der Richtlinienerwägung hätte ausgereicht. Die Schaffung einer spezifischen Regelung weist darauf hin, dass der Unionsgesetz 541

Der engl. Begriff der „building information electronic modelling tools“ wurde in den deutschen Richtlinienfassungen mit elektronische Instrumente „zur Gebäudedatenmodellierung“ übersetzt, anstatt mit der im Deutschen gängigeren Bezeichnung als „Bauwerksdatenmodellierung“, die nachfolgend bevorzugt wird. 542 Art. 22 Abs. 4 VRL; Art. 40 Abs. 4 SRL. 543 Vgl. Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013, Änderung Nr. 20, S. 23 f. 544 I.d.S. auch Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich (Hg,), Das neue Vergaberecht, S. 241. 545 Art. 22 Abs. 4 S. 2 VRL; Art. 40 Abs. 4 S. 2 SRL. 546 Vgl. Art. 22 Abs. 4 S. 1 VRL; Art. 40 Abs. 4 S. 1 SRL.

IV. Alternative elektronische Mittel

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geber künftig auf eine verstärkte Nutzung dieser Instrumente bei der Vergabe von Bauaufträgen hinwirkt.547 b) Regelung im Kartellvergaberecht Der deutsche Verordnungsgeber hat im Rahmen der VgV und der SektVO von der Option Gebrauch gemacht, die Nutzung elektronischer Mittel zur Bauwerksdatenmodellierung im Rahmen der Vergabe von Bauleistungen und Planungswettbewerben548 vorzusehen. Da es sich dem Grunde nach um einen Sonderfall alternativer elektronischer Mittel handelt, erfolgt die Regelung systematisch konsequent jeweils in einem zweiten Absatz im Rahmen der Vorschrift zu deren Einsatz.549 Für die Anforderungen an die Zugangsbereitstellung wird auf den jeweiligen ersten Absatz verwiesen.550 Aus der amtlichen Begründung ergibt sich überdies, dass die elektronischen Mittel für die Bauwerksdatenmodellierung allgemein zugängliche offene Schnittstellen aufweisen müssen, sodass eine produktneutrale Ausschreibung möglich ist.551 Die Nutzung elektronischer Mittel zur Bauwerksdatenmodellierung wird sodann in das Ermessen des Auftraggebers gestellt. Die Richtlinienbestimmungen weisen zwar die Entscheidung, ob derartige elektronische Instrumente im Vergabeverfahren verlangt werden können, grundsätzlich den Mitgliedstaaten zu. Dies schließt jedoch nicht a priori aus, dass die Festlegung im konkreten Verfahren sodann den Auftraggebern überlassen wird. Vielmehr kann der Wortlaut der – insoweit nicht eindeutig formulierten – Richtlinienbestimmungen dahingehend ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten nur generell die Grundsatzentscheidung zu treffen haben, ob diese Mittel überhaupt im nationalen Vergaberecht zugelassen werden.552 aa) Nutzung elektronischer Mittel für die Bauwerksdatenmodellierung In der Literatur wird die Frage diskutiert, in welcher Form elektronische Mittel für die Bauwerksdatenmodellierung bei der Vergabe zu nutzen sind. Es handelt sich dabei – wie eingangs dargelegt – um eine softwarebasierte Methode zur Er 547

Ähnl. auch Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 12, Rn. 2. So ausdrücklich die Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 (VgV); S. 237 (SektVO). Krit. zur fehlenden Einbeziehung von Planungsleistungen Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 12, Rn. 9. 549 § 12 Abs. 2 VgV; § 12 Abs. 2 SektVO. Der RefE des BMWi in der Fassung v. 9.11.2015 enthielt allerdings noch keine derartige Regelung. Vgl. auch § 11a EU Abs. 7 VOB / ​A. 550 § 12 Abs. 2 S. 2 VgV; § 12 Abs. 2 S. 2 SektVO. Ebenso § 11a EU Abs. 7 S. 2 VOB / ​A. 551 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 f. 552 Für diese weite Auslegung des Richtlinienwortlauts, zudem aus Gründen der Praktikabiliät Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 12, Rn. 4 f. 548

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

stellung von Baumodellen, der bislang keine Relevanz bei der Verfahrensdurchführung zukam. In der amtlichen Begründung führt der Verordnungsgeber zudem aus, dass von dem Unternehmen auf dessen Angebot der Zuschlag erteilt wird, verlangt werden könne, elektronische Mittel für die Bauwerksdatenmodellierung bei der Auftragsausführung zu nutzen.553Aus dieser Formulierung schließen Teile der Literatur, dass es sich um eine Ausführungsbestimmung im Sinne von§ 128 Abs. 2  GWB handele.554 Ausgehend vom Wortlaut, nach dem die Nutzung der elektronischen Mitteln zur Bauwerksdatenmodellierung „im Rahmen der Vergabe“ verlangt werden kann, nimmt eine andere Auffassung an, dass deren Verwendung bereits bei der Verfahrensdurchführung von den Auftraggebern, z. B. zur Angebotseinreichung, vorgeschrieben werden könne.555 Neben dem Wortlaut spreche die systematische Stellung der Regelung in den allgemeinen für das Verfahren geltenden Kommunikationsvorschriften für diese Auslegung.556 Zudem wäre der Verweis auf die Eröffnung eines alternativen Zugangs im Sinne des ersten Absatzes wenig sinnvoll, da dieser gerade „während des gesamten Vergabeverfahrens“ zur Verfügung gestellt werden müsse.557 Überdies bestehe der Sinn und Zweck der Regelung darin, dass bereits im Verfahren, insbesondere bei Verhandlungsverfahren, wettbewerblichem Dialog sowie Planungswettbewerben, an einem gemeinsamen BIM-System gearbeitet wird.558 In der Tat sprechen dogmatisch die besseren Argumente für letztere Auslegung, zumal der Verordnungsgeber den Begriff der „elektronischen Mittel“ für die Bauwerksdatenmodellierung benutzt, welche definitionsgemäß der elektronischen Datenübermittlung innerhalb eines Vergabeverfahrens dienen.559 Die Ansichten schließen sich allerdings nicht gegenseitig aus. Vielmehr erscheint es mit dem Wortlaut vereinbar, dass die Nutzung von Bauwerksdatenmodellierungssystemen sowohl bei der Verfahrensdurchführung als auch nach Zuschlagserteilung als Ausführungsbestimmung vom Auftraggeber verlangt werden kann.560

553

Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166 f. (VgV); S. 237 (SektVO). Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil II. Pkt. 2 b), blog.cosinex.de v. 3.2.2016; Müller, in: Kurlatz / ​Kus//Marx / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 12, Rn, 20; Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 12, Rn. 11; Voppel  / ​ Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 12, Rn. 7; wohl auch Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 6. 555 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 12, Rn. 28; Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​ Summa, jurisPK-VergR, § 11 VgV, Rn. 21 ff.; Leinemann / ​Leinemann, in: ders., Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 202. 556 Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 11 VgV, Rn. 22. 557 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 12, Rn. 28. 558 Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 11 VgV, Rn. 23. 559 Vgl. § 9 Abs. 1 VgV; § 9 Abs. 1 SektVO; § 7 Abs. 1 KonzVgV. § 11 EU Abs. 1VOB / ​A. 560 Im Ergebnis auch Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 12, Rn. 28; wohl ebenfalls Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 12, Rn. 11. 554

V. Datensicherheit 

143

bb) Ergebnis Befürworter der Bauwerksdatenmodellierung weisen mitunter auf deren Potential zur Steigerung der Planungsqualität sowie zur Transparenzverbesserung durch die unmittelbare Visualisierung von Planungsentscheidungen und mögliche Effizienzgewinne bei der Gestaltung des Vergabeprozesses hin.561 Bislang wurde diese virtuelle Planungstechnologie in der deutschen Bauwirtschaft im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern in der Vergangenheit nur für vereinzelte Projekte und zumeist lediglich in Kombination mit anderen Methoden eingesetzt.562 Mit der Umsetzung der fakultativen Richtlinienbestimmungen in der VgV und SektVO verleiht der Verordnungsgeber nunmehr seinem Willen Ausdruck, die Bauwerks­ datenmodellierung künftig bei der Auftragsvergabe von Bauleistungen und Planungswettbewerben stärker fördern zu wollen,563 ohne deren Anwendung unmittelbar verbindlich vorzuschreiben. Die Erforderlichkeit alternativer Zugangsmöglichkeiten für Unternehmen anzubieten, sofern eine nicht allgemein verfügbare BIM-Software zum Einsatz kommt, trägt vor allem auch dem in § 97 Abs. 4 GWB zum Ausdruck kommenden Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen Rechnung, da gerade KMU im Bausektor regelmäßig noch nicht über die erforderlichen technischen Mittel verfügen dürften.

V. Datensicherheit Die Bedeutung von Kommunikationssicherheit bei der elektronischen Kommu­ nikation und elektronische Sicherungsmittel der eIDAS-VO wurden bereits im ersten Abschnitt in Kapitel B dargelegt. Im Folgenden werden die Anforderungen an die Datensicherheit erörtert, die bei der E-Vergabe zu beachten sind. 1. Grundlegende Anforderungen Im Allgemeinen bilden die Sicherstellung der Integrität, d. h. die inhaltliche Unversehrtheit der Daten,564 der Vertraulichkeit, also der Ausschluss der unbefugten Kenntnisnahme, und der Echtheit, also die Authentizität des ausgewiesenen Urhe 561 Vgl. Eschenbruch / ​Grüner, NZBau 2014, 402 (403), die auch die geäußerten Kritikpunkte insb. hinsichtlich des höheren Planungsaufwandes darstellen. 562 Eschenbruch / ​Grüner, NZBau 2014, 402 (403). 563 I.d.S. enthält der Erlass „Digital unterstütztes Planen und Bauen (BIM) beim zivilen Bundesbau im Inland“ des BMUB v.  16.1.2017 die Anforderung, dass für Hochbauprojekte ab einem Baukostenvolumen von 5 Millionen Euro stets die BIM-Geeignetheit zu prüfen ist. 564 Kahlert, DUD 2006, 419 (420). Bereits in der Vergangenheit wurden die Begriffe „Integrität“ und „Unversehrtheit“ im Kartellvergaberecht synonym verwendet, vgl. z. B. § 8 Nr. 3 SKR-VOL / ​A (2006); § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 1 EG-VOL / ​A (2006), dazu Dittmann, in: Kurlatz / ​ Marx / ​Portz / ​Prieß, VOL / ​A, 3.  Aufl., § 13, Rn.  18.

144

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

bers,565 wichtige Schutzziele der IT-Sicherheit.566 Im Vergabeverfahren, das einen manipulationsfreien und geheimen Wettbewerb sicherstellen soll, kommt deren Gewährleistung beim Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel eine hervorgehobene Bedeutung zu. a) Richtlinienvorgaben aa) Gebot zur Wahrung der Integrität und Vertraulichkeit (1) Entstehung und Inhalt Bereits die Vorschläge der Kommission enthielten einen Unterabsatz im jeweiligen Kommunikationsartikel, nach dem die Auftraggeber bei allen Mitteilungen dem Austausch und der Speicherung von Informationen die Integrität der Daten sowie die Vertraulichkeit der Angebote und Teilnahmeanträge gewährleisten müssen. Der Inhalt der Angebote und Teilnahmeanträge sollte von den Auftraggebern erst nach Ablauf der Einreichungsfrist geprüft werden.567 Diese grundsätzlichen Anforderungen fanden letztlich im Kern unverändert Eingang in die jeweiligen endgültigen Fassungen der Richtlinien.568 (2) Auslegung der Richtlinienvorgaben Die Pflicht, während der gesamten Kommunikation, dem Austausch und der Speicherung569 von Informationen die Integrität der Daten und die Vertraulichkeit der Angebote und Teilnahmeanträge bis zum Ablauf der Einreichungsfrist zu gewährleisten, adressiert den Auftraggeber.570 Damit wird ein allgemeines Gebot statuiert, das sich nicht nur spezifisch auf die Kommunikation mit elektronischen Mitteln bezieht. Dies zeigt zunächst die wortgleiche Normierung der KVR, in deren Anwendungsbereich die Konzessionsgeber weiterhin zwischen den unterschied­ lichen Kommunikationsmitteln nach ihrem Ermessen wählen können. Zudem be-

565

Kahlert, DUD 2006, 419 (420 f.). Zur Integrität, Vertraulichkeit, Authentizität bereits Kap. B. I. 2. 566 Vgl. allg. zu den IT-Schutzzielen, Bedner / ​Ackermann, DUD 2010, 323. 567 Art. 19 Abs. 2 UA. 2 VRL-E; Art. 33 Abs. 2 UA. 2 SRL-E; Art. 25 Abs. 2 UA. 2 KVR-E. 568 Statt „allen Mitteilungen“ sprechen die Richtlinienfassungen von der „gesamten Kommunikation“, vgl. Art. 22 Abs. 3 VRL; 40 Abs. 3 SRL; Art. 29 Abs. 2 UA. 2 KVR. 569 Die Erweiterung um die „Speicherung der Daten“ wurde bereits auf Empfehlung der europäischen Wirtschaft im Rahmen der Vergaberechtsreform 2004 in den Wortlaut aufgenommen, vgl. begrüßend Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 64. 570 Also nicht etwa die Bewerber bzw. Bieter, wie zunächst angenommen werden könnte, da letztere zur Einreichung dieser Erklärungen verpflichtet sind, Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich (Hg,), Das neue Vergaberecht, S. 228.

V. Datensicherheit 

145

fand sich auch in der VKR und SKR, die ebenfalls die Wahlfreiheit des Auftraggebers vorsahen, eine inhaltsgleiche Regelung.571 Das Gebot ist umfassend formuliert und bezieht sich sowohl auf die gesamte Kommunikation als auch den Austausch und die Speicherung von Informationen. Während es naheliegt, dass sich die „Kommunikation“ auf den Informationsaustausch im Verhältnis zu den Wirtschaftsteilnehmern bezieht, richten sich der „Austausch“ und die „Speicherung“ vor allem auch auf die internen Verarbeitungsprozesse nach Empfang. Die Integrität der Daten ist dabei in Bezug auf alle Informationen zu gewährleisten. Der Ausschluss von Veränderungen und Verfälschungen der im Verfahren ausgetauschten Daten durch unbefugte Personen hat eine zentrale Bedeutung für die Sicherstellung eines manipulationsfreien Wettbewerbs.572 Die Wahrung der Vertraulichkeit bezieht sich auf Teilnahmeanträge und Angebote, gilt also nicht in gleicher Weise für sämtliche Informationen.573 Aus dem jeweils zweiten Satz ergibt sich ausdrücklich der Regelungszweck, dass der Auftraggeber nicht vor Ende der Einreichungsfristen Kenntnis vom Inhalt der Teilnahmeanträge und Angebote erlangen darf.574 Die gleichzeitige Kenntnisnahme aller Verfahrenserklärungen durch den Auftraggeber nach Ablauf der bekanntgemachten Fristen dient maßgeblich der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer und zur Sicherstellung des Geheimwettbewerbs im Verfahren. Das Gebot erschöpft sich allerdings nicht in der Verhinderung der Kenntnisnahme durch den Auftraggeber vor Fristablauf, sondern erstreckt sich in Anbetracht der weiter gefassten Formulierung generell auf den Ausschluss der Kenntniserlangung von Informationen durch unbefugte Personen während des Verfahrens, auch nach der erstmaligen Öffnung durch die Berechtigten.575

571

Vgl. Art. 42 Abs. 3 VKR; Art. 48 Abs. 3 SKR. Vgl. bereits zur parallelen Bestimmung der VKR: Kahlert, DUD 2006, 419 (420). 573 Eine umfassendere Pflicht war noch während des Gesetzgebungsprozesses zu der VKR / ​ SKR diskutiert worden. Die Kommission schlug vor, dass bei der Mitteilung bzw. Übermittlung von Informationen die Integrität der Daten und die Vertraulichkeit der Angebote „sowie aller von den Wirtschaftsteilnehmern übermittelten Informationen“ gewährleistet werden müsste, vgl. Art. 42 Abs. 2 im Vorschlag KOM 2000, 275 sowie Art. 47 Abs. 2 lit. a) KOM 2000, 276. Diese Vorschläge konnten sich letztlich nicht durchsetzen. Krit. zur damaligen Beschränkung auf den Inhalt der Teilnahmeanträge und Angebote, Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 64. Ergänzend ist allerdings das allgemeine Vertraulichkeitsgebot hinsichtlich der von den Wirtschaftsteilnehmern als vertraulich eingestuften Informationen zu beachten, Art. 21 Abs. 1 VRL; Art. 39 Abs. 1 SRL; Art. 28 Abs. 1 KRL. 574 Vgl. Art. 22 Abs. 3 S. 2 VRL; 40 Abs. 3 S. 2 SRL; Art. 29 Abs. 2 UA. 2 S. 2 KVR. I.d.S. bereits zu Art. 42 Abs. 3 VKR, vgl. Contag, in: Müller-Wrede, VOL / ​A, § 13 EG, Rn. 5. 575 Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 22, Rn. 16. 572

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

bb) Mindestanforderungen der VRL und SRL In welcher Form die Datenintegrität und Vertraulichkeit der Angebote und Teilnahmeanträge vom Auftraggeber sicherzustellen ist, lassen die Richtlinien grundsätzlich offen.576 Für die elektronische Kommunikation enthalten die Anhänge der VRL und SRL Mindestanforderungen an die Instrumente und Vorrichtungen, die der Auftraggeber zum Empfang der Angebote und Teilnahmeanträge verwendet, die das allgemeine Gebot konkretisieren.577 Hinsichtlich deren technischen Spezifikationen sind den Wirtschaftsteilnehmern zudem Informationen, einschließlich solcher zur Zeitstempelung und Verschlüsselung, zugänglich zu machen, um ihnen die Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen.578 (1) Entstehung und Inhalt Die Kommissionsvorschläge enthielten parallel formulierte Anhänge, in denen die Anforderungen an die Vorrichtungen für die elektronische Entgegennahme von Angeboten und Teilnahmeanträgen definiert wurden, die mittels geeigneter technischer Mittel und entsprechender Verfahren gewährleistet werden müssen.579 Nach den Bestimmungen sollte sich zunächst der Eingangszeitpunkt der Erklärungen genau bestimmen lassen.580 Ferner müsste es als sicher gelten, dass niemand vorzeitig Zugriff auf die Daten nehmen kann.581 Verstöße gegen das Zugangsverbot müssten sich eindeutig aufdecken lassen.582 Die Festlegung und Änderung des Öffnungszeitpunktes dürfte nur durch ermächtigte Personen erfolgen.583 Ein Zugang zu den Daten bzw. zu Teilen davon sollte in den verschiedenen Phasen des Verfahrens, insbesondere bei erstmaliger Öffnung zum festgelegten Zeitpunkt, nur den Ermächtigten bei gleichzeitigem Tätigwerden möglich sein.584 Die empfangenen und geöffneten Angaben dürften weiterhin ausschließlich den zur Kenntnisnahme ermächtigten Personen zugänglich bleiben.585 Die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen wurde in den Ratskompromisstexten formal neu geordnet und inhaltlich teils modifiziert.586 Klargestellt wurde, dass nicht nur vollendete, sondern auch versuchte Verstöße, sowohl gegen das Zugangsverbot als auch gegen die übri-

576

Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich (Hg,), Das neue Vergaberecht, S. 228. Vgl. Anhang IV VRL; Anhang V SRL. 578 Art. 22 Abs. 6 lit. a) VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. a) SRL. 579 Anhang IV VRL-E; Anhang IV SRL-E. 580 Anhang IV lit. (a) VRL-E; Anhang IV lit. (a) SRL-E. 581 Anhang IV lit. (b) VRL-E; Anhang IV lit. (b) SRL-E. 582 Anhang IV lit. (c) VRL-E; Anhang IV lit. (c) SRL-E. 583 Anhang IV lit. (d) VRL-E; Anhang IV lit. (d) SRL-E. 584 Anhang IV lit. (e) – (f) VRL-E; Anhang IV lit. (e) – (f) SRL-E. 585 Anhang IV lit. (g) VRL-E; Anhang IV lit. (g) SRL-E. 586 Vgl. Anhang IV lit. b) VRL; Anhang V lit. b) SRL. 577

V. Datensicherheit 

147

gen Zugangsbedingungen, eindeutig feststellbar sein müssten.587 Ferner entfiel das Erfordernis des gleichzeitigen Tätigwerdens.588 (2) Auslegung der Richtlinienvorgaben Mit den Bestimmungen werden Mindestanforderungen für die elektronische Aufbewahrung von Angeboten und Teilnahmeanträgen bis zum Öffnungszeitpunkt sowie nach erstmaliger Öffnung normiert. Dem Wortlaut nach beziehen sich diese allein auf „geeignete technische Mittel und entsprechende Verfahren“. Jede technische Maßnahme bedarf allerdings notwendigerweise auch flankierender organisatorischer Anordnungen des Auftraggebers, z. B. der Festlegung, welche Personen im Organisationsgefüge zum Datenzugriff berechtigt werden.589 (a) Modifizierung der Bestimmungen der VKR / ​SKR Die Vorgaben knüpfen inhaltlich grundsätzlich an die entsprechenden Anhänge der VKR und SKR an.590 Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Vorrichtungen nicht mehr die Prüfung der Konformität von elektronischen Signaturen mit den einzelstaatlichen Vorgaben zur Umsetzung der Signaturrichtlinie, bzw. nunmehr der eIDAS-VO, gewährleisten müssen.591 Durch den Wegfall der zuvor durchaus missverständlichen Formulierung, die als Pflicht zur elektronischen Signierung interpretiert werden konnte,592 stellt der Unionsgesetzgeber klar, dass elektronische Signaturen für die Einreichung der Verfahrenserklärungen optional vorzuschreiben sind.593 Eine weitere wesentliche Änderung bedeutet ferner der Verzicht auf die Erfor­ derlichkeit eines gleichzeitigen Datenzugriffs. Diese Anforderung hat in der Vergangenheit zu Auslegungsunsicherheiten geführt, wann technisch von einem simultanen Zugriff auszugehen ist.594 Mit der weiterhin erfolgten sprachlichen Überarbeitung verfolgte der Unionsgesetzgeber überwiegend das Ziel, die Vorgaben zur besseren Verständlichkeit zu vereinfachen und zu präzisieren.595 587

Anhang IV, Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 19.10.2012; Anhang IV, Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 588 Anhang IV lit. (e), (f), Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 19.10.2012; Anhang IV lit. (e), (f), Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 589 Zutreffend Kahlert, DUD 2006, 419 (422). 590 Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich (Hg,), Das neue Vergaberecht, S. 247. 591 Anhang X lit. a VKR; Anhang XXIV SKR. Dazu im Einzelnen bereits Kahlert, DUD 2006, 419 (420 f.). 592 Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (140). 593 Dazu sogleich in Kap. D. V. 2. a) bb) (2). 594 Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (140). 595 Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 22, Rn. 22.

148

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

(b) Vorgaben der Mindestanforderungen im Einzelnen Zunächst muss der Eingangszeitpunkt sämtlicher Erklärungen, die dem Auftraggeber zugehen, genau hinsichtlich des Tages und der Uhrzeit bestimmt werden.596 Für eine genaue Bestimmung des Eingangs bedarf es des Einsatzes elektronischer Zeitstempel, die den Nachweis erbringen, dass die mit diesen verknüpften Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt existiert haben.597 Die Erforderlichkeit des Einsatzes von Zeitstempeln hatte die Kommission bereits zu den vergleichbaren Vorgängerregelungen betont.598 Systematisch wird dies zudem aus der Informationspflicht ersichtlich, die verlangt, dass den Wirtschaftsteilnehmern Informationen zur „Zeitstempelung“ zugänglich gemacht werden müssen.599 Die ursprünglichen Kommissionentwürfe, die insoweit noch unklarer von „Zeiterfassung“ sprachen, wurden ausdrücklich dahingehend klargestellt.600 Für die „genaue“ Zeitbestimmung, die im Richtlinienwortlaut gefordert wird, dürfte der Einsatz von qualifizierten elektronischen Zeitstempeln im Sinne von Art. 3 Nr. 34 eIDAS notwendig sein, deren Datums- und Zeitangabe unveränderlich mit der koordinierten Weltzeit (UTC) verknüpft wird. Nach dem Eingang muss bis zum Öffnungszeitpunkt gewährleistet sein, dass niemand vor dem festgelegten Termin Zugriff auf die Daten haben kann.601 Dies erfordert eine Erfassung und Speicherung der übermittelten Daten in einer Art und Weise, die keinen vorzeitigen Zugang erlaubt.602 Technisch kann dies durch Datenverschlüsselung und eine entsprechend verschlüsselte Aufbewahrung umgesetzt werden.603 Die Richtlinien enthalten insoweit keine verbindlichen Standards. Vielmehr ergibt sich aus der Informationspflicht, dass die Auftraggeber den Wirtschaftsteilnehmern die technischen Spezifikationen der Verschlüsselung zugänglich machen müssen.604 Dies impliziert, dass der Auftraggeber die Verschlüsselungsverfahren festlegt. Die Formulierung „niemand“ ist weitreichender als noch in den Vorgaben der VKR und SKR. Damit wird sprachlich verdeutlicht, dass jegliche Zugriffe unterbleiben

596

Anhang IV lit. a) VRL; Anhang V lit. a) SRL. Vgl. Art. 3 Nr. 33 eIDAS-VO. Dazu bereits in Kap. B. I. 3. d). 598 Zudem sollte z. B. die Zeitzone erfasst werden und eine Zugangsbestätigung oder ggf. eine Fehlermeldung an den Absender automatisch versandt werden, Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 14. 599 Art. 22 Abs. 6 lit. a) VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. a) SRL. 600 Vgl. DG Internal Market, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement – Cluster 4: E-procurement, Doc.-No. 6575/12, Annex, S. 6. 601 Anhang IV lit. b) VRL; Anhang V lit. b) SRL. 602 Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 15. 603 Vgl. Kahlert, DUD 2006, 419 (422 f.). Vgl. zu den unterschiedlichen Verschlüsselungstechniken vgl. Kap. B. I. 2. a). 604 Vgl. Art. 22 Abs. 6 lit. a) VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. a) SRL. 597

V. Datensicherheit 

149

müssen, auch z. B. von verfahrensexternen Personen, die in Kontakt mit den Daten kommen können605. Die übrigen Bestimmungen richten sich im Wesentlichen auf die Regulierung des Zugriffs auf die empfangenen Daten in der technischen Sphäre des Auftrag­ gebers. Die Vorrichtungen müssen durch geeignete technische Mittel und Verfahren sicherstellen, dass der – vollständige oder teilweise – Datenzugang, die Festlegung bzw. Änderung des Zugriffszeitpunkts und die Gewährung von Zugangsrechten nur durch jeweils ermächtigte Personen erfolgen kann.606 Welche Personen auf Seiten des Auftraggebers zum Datenzugriff ermächtigt werden können, geben die Richtlinien nicht verbindlich vor, sodass diesen bzw. den Mitgliedstaaten insoweit ein Umsetzungsspielraum607 verbleibt. Technisch lassen sich diese Vorgaben – neben der verschlüsselten Aufbewahrung  – durch die Einrichtung eines Rollen- und Rechte­managements erreichen.608 Die Anforderungen an die Feststellbarkeit von Verstößen wurden im Gesetzgebungsprozess noch einmal wesentlich verschärft. Nicht nur vorzeitige Zugriffe müssen nunmehr erkennbar sein, sondern auch die Verstöße gegen die Zugriffs­ bedingungen nach erstmaliger Öffnung. Dies betrifft insbesondere den unzulässigen Zugang von nicht ermächtigten Personen auf die Angebote und Teilnahmeanträge. Erforderlich ist dafür, dass die elektronischen Instrumente und Vorrichtungen eine automatische Aufzeichnung der Systemprotokolle und jedes Datenzugriffs anfertigen.609 Als sehr weitgehend erweist sich das Erfordernis, dass sich auch bloße Zugriffsversuche eindeutig feststellen lassen können müssen. Dies stellt erhebliche Anforderungen an die Auftraggeber, denn gerade der eindeutige Nachweis eines bloßen Versuchs, wenn tatsächlich kein Zugriff erfolgt ist, kann sich technisch als schwierig erweisen. cc) Zwischenergebnis Die Wahrung der Datenintegrität und der Vertraulichkeit von Angeboten und Teilnahmeanträgen bildet ein Leitprinzip, das unabhängig vom eingesetzten Kommunikationsmittel zu beachten ist. Für die elektronische Kommunikation wird dieses zumindest partiell in den verbindlichen Vorgaben für die Vorrichtungen und Instrumente, die zur elektronischen Entgegennahme von Angeboten und Teilnahmeanträgen verwendet werden, konkretisiert. Die Anhänge der VRL und SRL 605 Bsp. Systemadministratoren. Dazu aus Sicht des E-Vergabeanbieters Cosinex GmbH: EU definiert Anforderungen an E-Vergabeplattformen, blog.cosinex.de v. 2.9.2015. 606 Anhang IV lit. c)–e) VRL; Anhang V lit. c)–e) SRL. 607 Vgl. auch die Einschätzung der EXEP Subgroup, Report and Recommendations of the Regulatory Aspects and Interpretation, S. 51. 608 Cosinex GmbH, EU definiert Anforderungen an E-Vergabeplattformen, blog.cosinex.de v. 2.9.2015. 609 Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 15.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

definieren keine einheitlichen Standards, sondern enthalten technikneutrale Anforderungen, sodass die konkrete Ausgestaltung in unterschiedlicher Form erfolgen kann. Es ist in diesem Zusammenhang zu begrüßen, dass der Unionsgesetzgeber diese insgesamt sprachlich präzisiert hat. Dies führt zu einer besseren Verständlichkeit und sorgt somit für mehr Rechtsklarheit. In der Gesamtschau gewährleisten die Anforderungen ein durchaus hohes, wenn auch nicht unionsweit einheitliches, Mindestmaß an Sicherheit für die empfangenen Verfahrenserklärungen.610 b) Regelung im Kartellvergaberecht Die Umsetzung des Gebots zur Wahrung der Datenintegrität und der Vertraulichkeit erfolgt in den Vergabeverordnungen in einer zentralen Vorschrift, die für den Regelfall der elektronischen Kommunikation in spezifischen Verfahrensbestimmungen konkretisiert wird.611 aa) Allgemeines Gebot zur Wahrung der Vertraulichkeit In den „allgemeinen Bestimmungen“ des ersten Unterabschnitts der Vergabeverordnungen hat der Verordnungsgeber unterschiedliche Aspekte der Vertraulichkeit jeweils in einer Vorschrift zur „Wahrung der Vertraulichkeit“ gebündelt.612 Während im ersten Absatz ein spezifisches Weitergabeverbot des Auftraggebers für durch die Unternehmen als vertraulich gekennzeichnete Informationen, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, normiert wird,613 übernimmt der jeweilige zweite Absatz die Richtlinienvorgaben zur Wahrung der Datenintegrität und der Vertraulichkeit im Wesentlichen.614 Die Vertraulichkeit ist dabei im Rahmen der VgV und SektVO nicht nur für die Teilnahmeanträge und Angebote zu wahren, sondern ebenso für Interessensbekundungen und Interessensbestätigungen. Zwar erwähnen die Richtlinienvorgaben der VRL und der SRL diese – in einem Interessensbekundungsverfahren ausnahmsweise vorgeschalteten  – Verfahrens­ 610

Schäfer, VOB-Aktuell 2016, 19 (20). Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 5, Rn. 6. 612 § 5 VgV, § 5 SektVO; § 4 KonzVgV. § 5 VgV gilt i.V.m § 2 S. 1 VgV auch für die Vergabe von Bauaufträgen. 613 § 5 Abs. 1 S. 1 VgV, § 5 Abs. 1 S. 1 SektVO; § 4 Abs. 1 S. 1 KonzVgV. 614 § 5 Abs. 2 S. 1 VgV, § 5 Abs. 2 S. 1 SektVO; § 4 Abs. 2 S. 1 KonzVgV. Als systematisch unpassend in den Vorschriften mit dem Titel „Wahrung der Vertraulichkeit“ erweist sich jedoch die Forderung nach der Gewährleistung der Datenintegrität, denn der Schutz von übermittelten Daten vor nachträglichen Veränderungen ist an sich kein Bestandteil der Vertraulichkeit, zutreffend Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil II. Pkt. 3 b), blog.cosinex.de v. 3.2.2016. Vorzugswürdig wäre daher die Regelung im Rahmen der Kommunikationsvorschriften, §§ 9 ff. VgV / ​SektVO; §§ 7 ff.  – wie es die Richtlinien vorsehen – gewesen, vgl. auch die Erwägungen von Röwekamp, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​ Prieß, VgV, § 5, Rn. 8.  611

V. Datensicherheit 

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erklärungen nicht ausdrücklich. Der zugrunde liegende Regelungszweck steht deren Einbeziehung jedoch nicht entgegen. Insbesondere Interessensbestätigungen werden in den Richtlinien wie Teilnahmeanträge und Angebote als wesentlicher Verfahrensbestandteil anerkannt.615 Sie können bereits bestimmte Unternehmensdaten (z. B. Umsätze, Mitarbeiterzahlen oder Ausstattung) enthalten, die für den weiteren Wettbewerb relevant sind,616 sodass die Sicherung der Vertraulichkeit gleichfalls erforderlich erscheint. Daneben hebt der Verordnungsgeber in der nationalen Umsetzung hervor, dass sich die Vertraulichkeit auf die Anlagen der Verfahrenserklärungen beziehen soll, also z. B. auf Erläuterungen, Konzepte, Pläne oder Muster.617 Dieser Zusatz dient vor allem der Klarstellung im Vergleich zu den Richtlinien, da Anlagen ohne Weiteres bereits als Bestandteil der Verfahrenserklärungen verstanden werden können. Im Übrigen entspricht die Bestimmung dem Regelungsgehalt der Richtlinien. Die Datenintegrität und die Vertraulichkeit der Verfahrenserklärungen sind also vom Auftraggeber – unabhängig vom verwendeten Kommunikationsmittel618 – während der gesamten Kommunikation, d. h. in allen Verfahrensstadien und gegenüber allen Verfahrensteilnehmern619 sowie bei der internen Verarbeitung, insbesondere beim Betrieb einer von den Fachabteilungen unabhängigen Vergabestelle, sicherzustellen.620 bb) Konkretisierung für die elektronischen Mittel Für die elektronische Kommunikation folgt aus den jeweiligen „Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren“ im zweiten Unterabschnitt des ersten Abschnitts der Vergabeverordnungen die Pflicht des Auftraggebers, für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren ausschließlich solche elektronischen Mittel zu verwenden, die die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten gewährleisten.621

615

Vgl. ErwGrd Nr. 58 S. 1 VRL; ErwGrd Nr. 69 S. 1 VRL. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 5, Rn. 2. 617 Vgl. Mußgnug, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 5, Rn. 34. 618 Die Verwendung anderer Kommunikationsmittel ist nur bei der Annahme des Vorliegens eines Ausnahmefalls vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation relevant, vgl. Kap. D. X. 2. 619 Ausgeschlossen werden muss z. B., dass sich inhaltliche Angebotsdetails eines Bieters aus Hinweisen ergeben, die ein Auftraggeber zur allgemeinen Aufklärung von Unklarheiten veröffentlicht, Mußgnug, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 5, Rn. 32. 620 Mußgnug, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 5, Rn. 31 ff. Darüber hinaus ist der Auftraggeber verpflichtet, die Vertraulichkeit der Angebote und Teilnahmeanträge sowie die Dokumentation über die Öffnung und Wertung nach Abschluss des Verfahrens zu gewährleisten, vgl. § 5 Abs. 2 S. 2 VgV, § 5 Abs. 2 S. 2 SektVO; § 4 Abs. 2 S. 2 KonzVgV. 621 § 11 Abs. 2 VgV; § 11 Abs. 2 SektVO; § 9 Abs. 2 KonzVgV; § 11a EU Abs. 2 VOB / ​A. 616

152

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

(1) Geltung während der gesamten elektronischen Kommunikation Die parallele Formulierung zum allgemeinen Grundsatz der elektronischen Kommunikation622 legt nahe, dass sich die Verpflichtung auf sämtliche Kommunikationsvorgänge im Vergabeverfahren beziehen soll. Eine Beschränkung auf bestimmte Informationen, insbesondere die Verfahrenserklärungen, besteht nicht.623 Die Pflicht ist vielmehr absolut formuliert. Die Auftraggeber haben „ausschließlich“ solche Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung zu verwenden, die die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit aller verfahrensbezogenen Daten gewährleisten.624 (2) Erforderliche organisatorische und technische Maßnahmen Aus der umfassenden Anordnung folgt, dass die eingesetzten technischen Systeme diese Aspekte der Datensicherheit sowohl bei der Übertragung als auch innerhalb der IT-Infrastruktur des Auftraggebers sicherstellen müssen.625 Die Vorgaben hat der Auftraggeber durch entsprechende Vorkehrungen zu gewährleisten. Erforderlich ist gemäß der amtlichen Begründung die Ergreifung von geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnologie vor unbefugten Zugriffen.626 Konkrete Vorgaben ergeben sich insoweit aus den Anforderungen an die elektronischen Mittel, die der Auftraggeber für den Empfang von Angeboten, Teilnahmeanträgen und Interessensbestätigungen verwendet, welche den Umgang mit den übermittelten Erklärungen festlegen.627 Im Übrigen verbleibt dem Auftraggeber ein gewisser Ausgestaltungsspielraum, Maßnahmen vorzunehmen, um die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten bei der elektronischen Kommunikation sicherzustellen. Der Verordnungsgeber ordnet in der Einzelbegründung zur VgV allerdings für öffentliche Auftraggeber an, dass nur solche technischen Systeme und Bestandteile einzusetzen sind, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen.628

622 Vgl. „Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren“, § 9 Abs. 1 VgV; § 9 Abs. 1 SektVO; § 7 Abs. 1 KonzVgV; § 11 EU Abs. 1 VOB / ​A. 623 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11 VgV, Rn. 50. 624 Dies ergibt sich in dieser Form, insb. bzgl. der Gewährleistung der Echtheit der Daten, nicht unmittelbar aus den Vorgaben der VRL / ​SRL. Der Verordnungsgeber nutzt insoweit jedoch einen ihm vom Unionsgesetzgeber zugebilligten Umsetzungsspielraum zur Vorgabe eines Abwägungsrahmens für die Festlegung des Sicherheitsniveaus, vgl. dazu sogleich Kap. D.  V. 2. b) aa) (3) (b). 625 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11 VgV, Rn. 61. 626 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166. 627 § 10 Abs. 2 S. 2 VgV; § 10 Abs. 2 S. 2 SektVO; § 8 Abs. 2 S. 2 KonzVgV; § 11a EU Abs. 4 S. 2 VOB / ​A. Dazu nachfolgend im Kap. D. V. 1. b) cc) (1). 628 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 166.

V. Datensicherheit 

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Der Verweis auf die Beachtung des Standes der Technik629 bildet zwar einerseits eine Machbarkeitsgrenze dahingehend, dass nur bereits marktfähige Technologien einzusetzen sind. Gleichzeitig bewirkt dieser eine dynamische Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, fortwährend neue technologische Entwicklungen zu berücksichtigen. Dies erscheint in Anbetracht der schnell voranschreitenden technischen Entwicklungen gerade in Bereich der IT-Sicherheit sachgerecht. Dem aktuellen Stand der Technik entsprechen insbesondere die Bausteine des IT-Grundschutz-Kompendiums des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik,630 die bei der Ausgestaltung zumindest als Orientierung dienen sollten. (a) Absicherung der Datenübertragung Der Datenaustausch erfolgt im Vergabeverfahren in der Regel mittels einer webbasierten oder lokal installierten Bieterclientsoftware über eine E-Vergabeplattform.631 Eine abgesicherte Kommunikation zwischen Client und Server bietet insoweit das Anwendungsprotokoll HTTPS, das mit dem SSL- bzw. TLS-Protokoll632 zusammenwirkt.633 Das Protokoll TLS nutzt hybride Verschlüsselungstechnologien zum Schutz der Vertraulichkeit.634 Zur Sicherung der Echtheit und Unversehrtheit werden Zertifikate zur Authentifizierung der Kommunikationspartner eingesetzt sowie den Daten Kontrollinformationen635 angehängt, um Veränderungen bei der Übertragung auszuschließen. Der Grad an Sicherheit, der mit TLS erreicht werden kann, ist vor allem abhängig von der ausgewählten Chiffrensammlung (Cipher-Suite), d. h. der Kombination der Algorithmen zum Schlüsselaustausch, der Authentifizierung, der Hashfunktion und der Verschlüsselung.636 Hierfür bestehen derzeit weder im Vergaberecht noch an anderer Stelle gesetzliche Vorgaben. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat allerdings eine Techni-

629 Zum Begriff und zur Abgrenzung zu den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ und dem „Stand von Wissenschaft und Technik“ nach der herrschenden 3-Stufen-Theorie, Seibel, NJW 2013, 3000 (3003). 630 BSI, IT-Grundschutz-Kompendium, 1. Ed. 2018, https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/ ITGrundschutz/ITGrundschutzKompendium/itgrundschutzKompendium_node.html [zuletzt abegrufen am 1.12.2018]. 631 Vgl. dazu Kap. D. II. 2. a) bb). 632 Das Protokoll Transport Layer Security (TLS) basiert auf einer Weiterentwicklung des Secure Socket Layer (SSL). In der Praxis werden die Begriffe häufig synonym verwendet, Jendrian, DUD 2015, 114 (114). 633 Auch andere Anwendungsprotokolle nutzen zur Absicherung TLS, z. B. IMAPS, POP3S, SMTPS. 634 Zur Funktionsweise und Sicherheitsrisiken, Fox, DUD 2015, 77 (78 ff.); Jendrian, DUD 2015, 114 (114 f.). Allg. zu hybrider Verschlüsselung, vgl. Kap. B. I. 2. a). 635 I.d.R. Message Authentication Codes (MAC), die auf Basis von krypotografischen Hashfunktionen (HMAC) erstellt werden, Eckert, IT-Sicherheit, S. 357 ff. 636 Jendrian, DUD 2015, 114 (115).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

sche Richtlinie erlassen, in der Cipher-Suiten für TLS empfohlen werden.637 Als weitere Maßnahme zur Sicherstellung der Absenderidentifikation erscheint es ergänzend denkbar, die Anlegung eines Benutzerkontos vor der Datenübermittlung638 zu verlangen.639 Für dessen Einrichtung kann – je nach abzubildendem Sicherheitsniveau640 – eine einfache Registrierung unter Angabe einer eindeutigen Unternehmensbezeichnung sowie einer E-Mail-Adresse ausreichen641 oder aber die Erbringung eines eindeutigen Identitätsnachweises gefordert werden, z. B. mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur bzw. eines elektronischen Siegels oder der eID des Personalausweises642. Ein besonders hohes Maß an Sicherheit für die Kommunikation mittels einer E-Vergabeplattform kann ferner durch die Implementierung der OSCI643-Infra­ struktur erreicht werden.644 Charakteristisch für die Transportinfrastruktur des Protokolls OSCI-Transport  1.2645 ist die asynchrone Kommunikation unter Einbeziehung einer zentralen Vermittlungsstelle (Intermediär). Der Intermediär übernimmt – neben der Zwischenspeicherung und Weiterleitung von Nachrichten – z. B.

637 Technische Richtlinie TR-02102–2 Kryptographische Verfahren: Empfehlungen und Schlüssellängen Teil 2  – Verwendung von Transport Layer Security (TLS), Version 2018-01. Für Bundesbehörden ist der Einsatz des TLS Protokolls zudem als Mindeststandard für die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Bundesbehörden, aber auch inter- und intrabehördlich vorgesehen, vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 BSIG i. V. m. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Inkraftsetzung des Mindeststandards des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. 638 Unvereinbar mit § 9 Abs. 3 S. 2 VgV; § 9 Abs. 3 S. 2 SektVO; § 7 Abs. 3 S. 2 KonzVgV; § 11 EU Abs. 6 S. 2 VOB / ​A ist hingegen das Verlangen einer Registrierung für den Zugang zur Bekanntmachung und zu den Vergabeunterlagen, vgl. Kap. D. VII. 2. d) cc) (1). 639 Zu dieser Möglichkeit auch Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 18 f.; Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 11, Rn. 12. 640 Dazu sogleich Kap. D. V. 2. b) aa) (1). 641 I. S.v. § 9 Abs. 3 S. 1 VgV; § 9 Abs. 3 S. 1 SektVO; § 7 Abs. 3 S. 1 KonzVgV; § 11 EU Abs. 6 S.  1 VOB / ​A. 642 Eine Ausgestaltungsmöglichkeit zeigt das Verfahren der Steuerplattform ELSTER. Die Nutzer müssen sich dort mit der eID-Funktion des Personalausweises in Verbindung mit der steuerlichen Identifikationsnummer (IdNr) einmalig identifizieren. Für die Anmeldung zum Benutzerkonto erhalten sie nach der Identifizierung ein ELSTER-(Software)Zertifikat. Nur mittels des Zertifikats und einem festgelegten Passwort ist die Anmeldung und eine anschließende Datenübermittlung über die Plattform möglich, vgl. ELSTER (FAQ), Hilfe zur Registrierung mit Identifikationsnummer und dem neuen Personalausweis, https://www.elster.de/eportal/ helpGlobal?themaGlobal=help_eop#c4001 [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 643 Online Service Computer Interface Protokoll. 644 Vgl. zur technischen Umsetzung Czyszewski, Datensicherheit und E-Vergabe, blog. cosinex.de v. 20.4.2015. 645 Daneben existertiert derzeit noch parallel das OSCI-Transport 2.0 als eigenständiges Protokoll. Dieses ermöglicht auch eine synchrone Kommunikation ohne einen Intermediär. Zudem ist das Prinzip des geschachtelten Umschlags von Inhalts- und Nutzungsdaten nur optional, sodass andere Sicherungsmöglichkeiten, z. B. das SSL / ​TLS-Protokoll, genutzt werden können. OSCI-Transport 2.0, das nicht kompatibel zu OSCI-Transport 1.2. ist, hat jedoch keine große praktische Relevanz erlangt.

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die Zertifikatsprüfung sowie die Quittierung und Protokollierung.646 Bei OSCI-Nachrichten werden die zu übermittelnden Informationen nach dem Prinzip eines „geschachtelten Umschlags“ in die Nutzungsdaten sowie die Inhaltsdaten getrennt.647 Sowohl die Inhalts- als auch die Nutzungsdaten können vom Absender – unabhängig voneinander – zum Schutz der Integrität, Authentizität sowie der Vertraulichkeit signiert und / ​oder verschlüsselt werden.648 Für die Signierung und (hybride) Verschlüsselung werden abgestufte Schutzbedarfsklassen von gering bis sehr hoch unterstützt.649 Der Intermediär hat bei der Weiterleitung der Nachrichten lediglich Zugriff auf die Nutzerdaten, welche die für den Transport notwendigen Angaben – u. a. Absender- und Empfängerzertifikate sowie Zeitstempel650 – enthalten, sodass die Vertraulichkeit der verschlüsselten Inhaltsdaten gewahrt bleibt.651 Der Verordnungsgeber nennt zudem ausdrücklich die Möglichkeit der Datenübermittlung mittels De-Mail-Diensten652.653 Die abgesicherte Kommunikation erfolgt dabei im geschlossenen De-Mail-System.654 Teilnehmer müssen jeweils ein Konto bei einem vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik akkreditierten De-Mail-Anbieter (DMDA)655 einrichten, der die entsprechenden Dienste (in der Regel kostenpflichtig) anbietet. Für die Einrichtung eines De-Mail-Kontos ist eine persönliche Identifizierung656 der natürlichen oder juristischen Person durch akkreditierte De-Mail-Anbieter notwendig.657 Zur sicheren658 Anmeldung beim De-Mail-Konto ist eine 2-Faktor-Authentifizierung

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OSCI Leitstelle, OSCI-Transport 1.2., Entwurfsprinzipien, Sicherheitsziele und -mechanismen, S. 7 f. 647 Ebenda, S. 10. 648 Ebenda, S. 6. 649 Ebenda, S. 18. 650 Ebenda, S. 13. 651 Ebenda, S. 8. 652 Rechtliche Grundlage bildet das De-Mail-Gesetz, G. v. 28.4.2011, BGBl. I S. 666, zuletzt geändert durch Art.3 G. v. 18.7.2017, BGBl. I S. 2745. Zur Entstehung Roßnagel / ​Hornung / ​ Knopp / ​Wilke, DuD 2009, 728 (729). 653 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164. Vgl. auch Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​ Summa, jurisPK-VergR, § 11 VgV, Rn. 47 ff. 654 Gehrling, DUD 2014, 109 (110). 655 § 2 De-Mail-G. Das BSI erarbeitet zudem die „Technische Richtlinie 01201 De-Mail“ (BSI TR 01201), die die Anforderungen an die DMDA in Bezug auf Funktionalität, Interoperabilität und Sicherheit der Dienste sowie deren Überprüfung definiert. Derzeit ist die BSI TR 01201 in der Version 1.4 online verfügbar: https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/ DE/BSI/Publikationen/TechnischeRichtlinien/De_Mail/TR_De_Mail.pdf [zuletzt abegrufen am 1.12.2018]. 656 Dies kann der Verfahrensausgestaltung des De-Mail-Anbieters entweder Vorort oder online mit einer eID erfolgen, z. B. des Personalausweises oder des elektronischen Aufenthaltitels. 657 Vgl. § 3 Abs. 2, Abs. 3 De-Mail-G. 658 Der Zugang kann auch ohne eine sichere Anmeldung, also nur durch ein Sicherungsmittel (v. a. Benutzernamen und Passwort), eröffnet werden, § 4 Abs, 1 S. 3 De-Mail-G, allerdings steht in diesem Fall nicht der volle Funktionsumfang zu Verfügung, BSI (Hg), De-Mail, S. 15.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

mittels zwei voneinander unabhängiger Sicherungsmittel erforderlich.659 Der Nachrichtenversand erfolgt zwar verschlüsselt660 über die Server des De-Mail-Anbieters auf Sender- und Empfängerseite mittels eines gegenseitig authentisierten Kanals (Transportverschlüsselung),661 jedoch ohne eine durchgängige Verschlüsselung.662 Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist allerdings durch die Einbindung zusätzlicher Verschlüsselungssoftware möglich.663 Zu beachten ist gleichwohl, dass das Vergaberecht für bestimmte Verfahrenserklärungen spezifische Anforderungen an die Zugriffsbeschränkung stellt, die mit De-Mail-Postfächern allein nicht sichergestellt werden können.664 Technisch denkbar wäre es wohl aber, die De-Mail-Dienste als Kommunikationskanal in einer E-Vergabeplattform einzubinden.665 Die Vorgabe der ausschließlichen Verwendung von De-Mail-Diensten steht allerdings im Spannungsverhältnis zu den allgemeinen Geboten an die eingesetzten elektronischen Mittel666, da die ausschließlich in Deutschland verfügbaren Dienste potentiell diskriminierend gegenüber Interessenten aus anderen Mitgliedstaaten wirken.667 Zulässig erscheint es hingegen, wenn neben De-Mail vergleichbare qualifizierte Zustelldienste, an die in Art. 3 Nr. 36 i. V. m. Art. 44 eIDAS-VO668 nunmehr unionsweit einheitliche Anforderungen gestellt werden, als Kommunikationskanäle669 zur E-Vergabeplattform zugelassen werden. 659

Vgl. § 4 Abs, 1 S. 2 Hs. 1 De-Mail-G. I.d.R bestehend aus Wissens- und Besitzelement. Als Besitzelement kommen, ggf. abhängig vom De-Mail-Anbieter, Chipkarten mit eID-Funktion (z. B. der Personalausweis), USB-Token oder Einmal-Passwort-Token („OTP-Token“) in Betracht, BSI (Hg), De-Mail, S. 17. 660 Die Verschlüsselung erfolgt mit dem S / ​MIME Standard, wobei nur der Domain-Schlüssel des Anbieters, der für alle Kunden identisch ist, verwendet wird, Gehrling, DUD 2014, 109 (110). 661 Vgl. § 5 Abs. 3 S. 2 De-Mail-G. Die Sicherheit der Transportverschlüsselung wird teilweise als unzureichend kritisiert. Grds. begrüßend hingegen, Gehrling, DUD 2014, 109 (110). 662 Die Nachricht wird im Rechenzentrum des De-Mail-Anbieters zur Prüfung der Meta-Daten sowie hinsichtlich Spam und Viren automatisiert entschlüsselt, BSI (Hg), De-Mail, S. 17. 663 Die zur Verschlüsselung benötigten Informationen in Form des öffentlichen Schlüssels des Empfängers werden im Verzeichnisdienst des De-Mail-Anbieters veröffentlicht, vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 De-Mail-G. Eine Verschlüsselung ist mittels Einsatzes der PGP-Software möglich, BSI (Hg), De-Mail, S. 19. Von den De-Mail-Anbietern wurde mittlerweile das BrowserPlug-in-Mailvelope, das die quelloffene JavaScript-Implementierung OpenPGP.js nutzt, in die Web-Oberfläche von De-Mail integriert, Bleich, De-Mail: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit PGP gestartet, heise / ​Security.de, v. 24.4.2015. 664 Dazu sogleich im Anschluss Kap. D. IV. 1. b) cc) (1). 665 Zur Möglichkeit der Anbindung einer E-Mail-Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung oder eines Unternehmens an einen De-Mail-Dienst mittels eines Gateways, Keller-Herder  / ​ Dietrich, DUD 2010, 299 (300). 666 Vgl. Kap. D. III. 1. b) aa) (2). 667 Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergabeR, § 10 VgV, Rn. 23 f. 668 Zur eIDAS-Konformität von De-Mail, vgl. BSI, Erfüllung der Anforderungen an quali­ fizierte Dienste für die Zustellung elektronischer Einschreiben nach eIDAS-Verordnung durch De-Mail-Dienste. 669 Technisch realisierbar erscheint dies theoretisch durch die Einbindung des Governikus MultiMessengers (GMM) in das E-Vergabesystem. Die Multikanal-Kommunikationsplattform unterstützt unterschiedliche Nachrichtentransportkanäle und soll künftig auch alle europäischen

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(b) Absicherung der IT-Infrastruktur Die IT-Infrastruktur, in der die Daten nach Empfang verarbeitet und aufbewahrt werden, muss zudem an sich vor unbefugten Zugriffen geschützt sein. Dabei ist eine Reihe von technischen und organisatorischen Maßnahmen denkbar. Ins­ besondere sind Antivirenkonzepte und Firewalls sowie weitere Sicherungsvorkehrungen670 einzurichten, die das interne Netzwerk vor Ausspähung, Diebstahl oder Manipulation von Daten, etwa durch Hackerangriffe, schützen. Ferner bedarf es allgemeiner Sicherungen der technischen Systeme, um Datenverluste zu vermeiden, z. B. redundante Ausfallsicherungen wie eine Notstromversorgung oder Backup-Mechanismen.671 cc) Spezielle Anforderungen an die zum Empfang verwendeten elektronischen Mittel Die elektronischen Mittel, die zum Empfang von Angeboten, Teilnahmeanträgen und Interessensbestätigungen verwendet werden, müssen spezifischen Mindestanforderungen genügen, die die Gewährleistung der Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit nach der Übermittlung der Erklärung bis zur erstmaligen Öffnung und nach diesem Zeitpunkt sicherstellen.672 In der jeweiligen Vorschrift zu den „Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel“ werden dazu die Anhänge der VRL und der SRL parallel umgesetzt.673 (1) Zwingende Vorgaben (a) Bestimmung des Empfangszeitpunktes durch elektronischen Zeitstempel Zunächst muss gewährleistet sein, dass die Uhrzeit und der Tag des Datenempfanges genau bestimmbar sind.674 Zur beweissicheren und exakten Bestimmbarkeit elektronischen Dienste für die Zustellung elektronischer Einschreiben technisch-juristisch verarbeiten können. Governikus GmbH & Co. KG, Produktbroschüre Governikus MultiMessenger, Zukunftssichere Multikanalkommunikation, Stand Mai 2017, vgl. S. 8 f. 670 Zur Erkennung von Netzwerkangriffen kann z. B. ein IDS (Intrusion Detection System) und / ​oder ein IPS (Intrusion Prevention System) zur Abwehr eingesetzt werden, vgl. Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11 VgV, Rn. 71 f. Zu weiteren Sicherungsmitteln s. auch Bitkom, Spionage, Sabotage und Datendiebstahl – Wirtschaftsschutz im digitalen Zeitalter, S. 30. 671 Übersicht bei Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 11 VgV, Rn. 41. 672 Vgl. insb. zur Sicherstellung der Echtheit Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 11, Rn. 19 f. 673 § 10 Abs. 1 S. 2 VgV; § 10 Abs. 1 S. 2 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 2 KonzVgV. Vgl. auch § 11a EU Abs.  4 S.  2 VOB / ​A. 674 § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VgV; § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KonzVgV; § 11a EU Abs. 4 S. 2 Nr. 1 VOB / ​A.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

des Empfangszeitpunkts, den die Richtlinienvorgaben insoweit erfordern, bedarf es der Verwendung qualifizierter elektronischer Zeitstempel im Sinne von Art. 3 Nr. 34 eIDAS.675 Die Datenübertragung an den qualifizierten Zeitstempeldienst nach Datenempfang676 hat dabei vollständig automatisiert abzulaufen, um die zwangsläufige Abweichung des Eingangs- und des Zeitstempelzeitpunktes so gering wie möglich zu halten.677 Als elektronisches Äquivalent zu einem Eingangsvermerk erfüllen elektronische Zeitstempel zudem gleichzeitig die Pflicht zur Kennzeichnung der eingegangenen Verfahrenserklärungen.678 (b) Ausschluss des vorzeitigen Zugriffs durch verschlüsselte Aufbewahrung Weiterhin darf kein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten möglich sein.679 In Anbetracht der Richtlinienvorgaben ist das Verbot des vorzeitigen Zugriffs restriktiv in dem Sinn zu verstehen, dass niemand vor Fristablauf Zugriff auf die zugegangenen Daten erlangen darf. Der Zweck der Regelung erfasst zwar zuvörderst den Ausschluss der Kenntnisnahme durch den Auftraggeber, um den Geheimwettbewerb sicherzustellen und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Aus dem umfassenden Gebot der Vertraulichkeit folgt ferner, dass der Zugriff ebenso für verfahrensexterne Personen, die aufgrund ihrer Tätigkeit mit den Daten in Berührung kommen können,680 ausgeschlossen sein muss. Diesem Zweck dient die Verschlüsselung,681 die das technische Äquivalent zu einem verschlossenen Briefumschlag bildet.682 Hinsichtlich der Verschlüsselungstechnik werden – wie in den Richtlinien – auch in den Vergabeverordnungen keine technischen Mindeststandards definiert. Erforderlich erscheint jedoch eine durchgehende Ende-zu-EndeVerschlüsslung der elektronischen Verfahrenserklärungen, um die Daten vor jeglichen Zugriffen zu schützen. Die Verschlüsselung ist bis zum Öffnungstermin aufrechtzuerhalten.683 Dies bedarf eines entsprechenden Schlüsselmanagements, das die Schlüssel zur Entschlüsselung erst ab diesem Zeitpunkt für den Auftrag 675

Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 60. Hierzu Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 10, Rn. 10 sowie ausführlich auch Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11 VgV, Rn. 80 ff. 677 So bereits Paul, Das elektronische Vergabeverfahren S. 144. 678 Vgl. § 54 S. 1 VgV. Ebenso Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 59; Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 54, Rn. 4. 679 § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VgV; § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KonzVgV; § 11a EU Abs. 4 S. 2 Nr. 2 VOB / ​A. 680 Z. B. Mitarbeiter des Internetproviders oder eines verwaltungsexternen E-Vergabelösungsanbieters sowie (interne oder externe) Systemadministratoren. Dazu Cosinex GmbH, EU definiert Anforderungen an E-Vergabeplattformen, blog.cosinex.de v. 2.9.2015. 681 Dies ergibt sich auch aus § 54 S. 1 VgV, der ausdrücklich die verschlüsselte Aufbewahrung von elektronisch übermittelten Verfahrenserklärungen anordnet. 682 Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 205. 683 Vgl. §§ 54 S. 1, 55 Abs. 1 VgV; § 29 KonzVgV. Vgl. für Angebote auch § 14 EU Abs. 1 S. 2 VOB / ​A. 676

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geber freigibt.684 Ein besonders hohes Maß an Sicherheit bietet der Einsatz eines Intermediärs, der die verschlüsselte Verwahrung in einer sicheren Umgebung vornimmt, wie dies die OSCI-Transportinfrastruktur vorsieht.685 Zu beachten ist, dass die verwendeten elektronischen Mittel dem Wortlaut nach an sich die vorzeitige Zugriffsmöglichkeit ausschließen müssen. Den Anforderungen kann nicht durch ein einfaches E-Mail- oder ein DE-Mail-Postfach genügt werden, da diese keine hinreichende technische Möglichkeit bieten, den Zugriff technisch  – nicht bloß durch organisatorische Anordnung – bis zum Ablauf der Einreichungsfristen zu unterbinden.686 (c) Zugriffsbeschränkungen nach der erstmaligen Öffnung Ab dem ausschließlich von den Berechtigten festzulegenden687 Öffnungszeitpunkt müssen die elektronischen Mittel zudem gewährleisten, dass nur dieser Personenkreis Zugriff auf die zugegangenen Verfahrenserklärungen nehmen kann.688 In der amtlichen Begründung wird zur Konkretisierung der Richtlinienvorgaben klargestellt, dass der jeweils zuständige Auftraggeber befugt ist, festzulegen, wer als Berechtigter gelten soll.689 Dies dürften jeweils nur die Mitarbeiter sein, die mit der konkreten Verfahrensdurchführung betraut sind.690 Ferner muss durch die elektronischen Mittel gewährleistet sein, dass nur Berechtigte Zugriff auf die Daten gewähren dürfen. Eine Übermittlung an Unberechtigte muss ausgeschlossen sein.691 Aus

684 Die Schlüssel sollten hierzu in einem abgetrennten System aufbewahrt werden, Cosinex GmbH, EU definiert Anforderungen an E-Vergabeplattformen, blog.cosinex.de v. 2.9.2015. 685 Zu dieser Möglichkeit ausführlich Czyszewski, Datensicherheit und E-Vergabe, blog.cosinex.de v. 20.4.2015. Ebenso Adams, VergabeFokus 10/2015, 11 (13). 686 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 10 SektVO, Rn. 21; Schubert, in: Willenbruch  / ​ Wieddekind, VergabeR, VgV, § 10, Rn. 14; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 10, Rn. 7. Zwar wäre es theoretisch denkbar, ein gesondertes Postfach für ein Vergabeverfahren einzurichten, zu dem nur die Berechtigten die Zugangsdaten erhalten und in dem die Erklärungen Ende-zu-Ende-verschlüsselt empfangen werden, allerdings wird damit nicht technisch ausgeschlossen, dass ein vorzeitiger Zugriff erfolgen könnte. A. A. in Bezug auf die SekVO (2009) Stahlmann, in: Eschenbruch / ​Opitz, SektVO, 1. Aufl., § 5, Rn. 38. 687 Dies muss ebenfalls durch die elektronischen Mittel sichergestellt sein, vgl. § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 VgV; § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 KonzVgV; § 11a EU Abs. 4 S. 2 Nr. 3 VOB. 688 § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VgV; § 10 Abs.1 S. 2 Nr. 4 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KonzVgV; § 11a EU Abs. 4 S. 2 Nr. 4 VOB. Es kann zudem erforderlich sein, dass die Angebotsöffnung durch zwei Berechtigte gleichzeitig erfolgt. Das Vier-Augen-Prinzip ist jedoch nicht (mehr) in den technischen Mindestanforderungen geregelt, sondern folgt aus speziellen Verfahrensregeln, vgl. § 55 Abs. 2 VgV; § 14 EU Abs. 1 S. 1 VOB / ​A. 689 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/165, S. 165 (VgV); S. 235 (SektVO); S. 283 (KonzVgV) mit dem Verweis auf die Ausgestaltung nach dem Vorbild von § 10 VgV. 690 In diese Richtung auch Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 67. 691 § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, Nr. 6 VgV; § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, Nr. 6 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, Nr. 6 KonzVgV; § 11a EU Abs. 4 S. 2 Nr. 5, Nr. 6 VOB.

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dem Zusammenspiel dieser Vorgaben lässt sich ferner ableiten, dass ebenso eine (interne) Weiterleitung oder Dateifreigabe nur zwischen solchen Personen erfolgen darf, die vom Auftraggeber hierzu ermächtigt wurden. Zur Erfüllung dieser Anforderungen ist auch nach der erstmaligen Öffnung die verschlüsselte Aufbewahrung der Daten erforderlich. Dies gilt aufgrund des allgemeinen Vertraulichkeitsgebots sogar über den Abschluss des Verfahrens hinaus.692 Überdies müssen die elektronischen Mittel ein Rechte- und Rollenmanagement ermöglichen.693 In diesem sind individuelle Berechtigungsstufen zuzuweisen.694 Mit der elektronischen Zuweisung muss exakt bestimmt werden, welcher Nutzer in welchem Verfahrensstadium und in welcher Form, also mit welchen Rechten, Zugriff auf die Daten nehmen darf. Damit ist sicherzustellen, dass die Daten nicht sämtlichen Mitarbeitern des Auftraggebers zur Verfügung stehen, sondern nur denjenigen, die mit der Prüfung und Bewertung im konkreten Verfahren befasst sind. Zur Sicherstellung, dass nur Berechtigte Zugriff nehmen, ist deren Autorisierung zu verlangen, z. B. durch Passwort oder Chipkarte.695 (d) Feststellbarkeit von versuchten bzw. vollendeten Verstößen Erforderlich ist zudem, dass sich versuchte oder vollendete Verstöße gegen die soeben aufgeführten Mindestanforderungen eindeutig feststellen lassen.696 Hierfür ist eine automatische Dokumentation der Systemprotokolle erforderlich. Der Umfang folgt aus dem soeben dargestellten vorzeitigen Zugriffsverbot und den nach der Öffnung bestehenden Zugriffsbeschränkungen. Zu dokumentieren ist also mindestens die Rechte- und Rollenzuweisung sowie jeder Datenzugriff und jede Datenfreigabe. Aus dem Erfordernis der Eindeutigkeit der Feststellbarkeit der Verstöße kann abgeleitet werden, dass zudem die Dokumentation selbst hinreichend vor nachträglichen Manipulationen geschützt werden muss. Dies kann durch eine verschlüsselte Speicherung sichergestellt werden. Die Einzelbegründung zur VgV enthält einschränkend den Hinweis, dass bei der Feststellung von Verstößen der Stand der Technik zu beachten ist.697 Es sind also nur bereits marktfähige Technologien einzusetzen. Damit trägt der Verordnungsgeber dem Umstand Rechnung, dass sich gerade die Feststellung von bloß versuchten Verstößen als äußerst schwierig 692

Vgl. § 5 Abs. 2 S. 2 VgV, § 5 Abs. 2 S. 2 SektVO; § 4 Abs. 2 S. 2 KonzVgV. Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil II. Pkt. 2 b), blog.cosinex.de v. 3.2.2016; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 66 ff. 694 Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 9 VgV, Rn. 12. 695 Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 9 VgV, Rn. 12. 696 § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 VgV; § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 KonzVgV; § 11a Abs. 4 S. 2 Nr. 7 EU-VOB. 697 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 f. Dies muss ebenso im Rahmen der SektVO gelten, vgl. Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 10 SektVO, Rn. 22, sowie der KonzVgV, die auf den einheitlichen europäischen Vorgaben der VRL und SRL basieren. 693

V. Datensicherheit 

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erweisen kann,698 sodass von den Auftraggebern nichts technisch Unmögliches verlangt werden kann. Diese Einschränkung ist gleichfalls im Anwendungsbereich der SektVO und KonzVgV beachtlich,699 obgleich es an einem entsprechenden Hinweis in der amtlichen Begründung fehlt. (2) Verfügbarmachung notwendiger Informationen Der Auftraggeber hat den Unternehmen alle notwendigen Informationen zu den verwendeten elektronischen Mitteln, den technischen Parametern zur Einreichung von Teilnahmeanträgen, Angeboten und Interessensbestätigungen einschließlich der Verschlüsselungs- und Zeiterfassungsverfahren zur Verfügung zu stellen.700 Die Informationspflicht stellt eine spezifische Ausprägung des Transparenzgrundsatzes701 dar und dient der Ermöglichung des ungehinderten Verfahrenszugangs für die Unternehmen. Ihr kommt damit bewerber- bzw. bieterschützende Wirkung zu.702 (a) Reichweite der Informationspflicht Die Reichweite der Informationspflicht erweist sich hinsichtlich ihres Umfangs als äußerst unbestimmt. Dies bedingt insbesondere die allgemeine Inbezugnahme der im Vergabeverfahren verwendeten elektronischen Mittel,703 die sehr weitgehend verstanden werden könnte und sich in dieser Form nicht aus den zugrundliegenden Richtlinienbestimmungen ergibt.704 Die abschließend formulierten Richtlinienvorgaben richten sich allerdings allein auf die Zugänglichmachung von Informationen über die Spezifikationen für die elektronische Einreichung der Angebote und Teilnahmeanträge, einschließlich der Verschlüsselung und Zeitstempelung.705 „Notwendig“ sind in Anbetracht dessen nur die Informationen, die die Unternehmen zu diesem Zweck benötigen.706 Informationen in diesem Sinn können damit 698 Hacker suchen und entwickeln gerade immer neue Wege, um technische Systeme unbemerkt zu infiltrieren, Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 81. 699 Von der Geltung für die SektVO ohne Weiteres ausgehend Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 10 SektVO, Rn. 22; ebenso Grünhagen, in: Müller-Wrede, SektVO, § 10, Rn. 84. 700 § 11 Abs. 3 VgV; § 11 Abs. 3 SektVO; § 9 Abs. 3 KonzVgV; § 11a EU Abs. 3 VOB / ​A. 701 Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 11 VgV, Rn. 51; ähnl. auch Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 11, Rn. 23. 702 Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 11, Rn. 20; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11 VgV, Rn. 85. 703 § 11 Abs. 3 Nr. 1 VgV; § 11 Abs. 3 Nr. 1 SektVO; § 9 Abs. 3 Nr. 1 KonzVgV; § 11a EU Abs.  3 Nr.  1 VOB / ​A. 704 Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 11, Rn. 23. 705 Vgl. Art. 22 Abs. 6 lit. a) VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. a) SRL. 706 Systematisch hätte der Verordnungsgeber die jeweilige Regelung daher in den Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel verorten sollen, in der die soeben dargestellten, verbindlichen technischen Vorgaben an diese normiert sind. Ebenso Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​ Portz / ​Prieß, VgV, § 10, Rn.  6.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

z. B. die zur Einreichung zu verwendende E-Vergabeplattform, korrespondierende Verschlüsselungs- und / ​oder Signatursoftware sowie Kartenlesegeräte und entsprechende Signaturkarten betreffen. Detaillierterer Ausführungen bedarf es ferner zu deren technischen Parametern.707 Denkbar sind Angaben zu den Systemanforderungen der zu verwendenden Software / ​Hardware, Hinweise zur Einrichtung und Kompatibilität (etwa mit Betriebssystemen, Browsern oder Anzeigeprogrammen)708 sowie zu Netzwerkeinstellungen (z. B. Proxyservern). Informationen über die verwendeten Verschlüsselungs- und Zeiterfassungsverfahren werden in der jeweiligen Bestimmung der Vergabeverordnungen gesondert aufgeführt,709 obwohl es sich der Sache nach ebenfalls um technische Parameter handelt, wie bereits der Richtlinienwortlaut in der VRL und SRL zeigt. Anzugeben sind etwaige Verschlüsselungsstandards und Informationen zum Zeitstempelungsverfahren710 der Zeiterfassung. (b) Zurverfügungstellung Die Informationen sind den Unternehmen zur Verfügung zu stellen, also hinreichend zugänglich zu machen711. Weder den Richtlinienvorgaben noch ihrer deutschen Umsetzung lässt sich entnehmen, in welcher Form dies zu erfolgen hat. Der Transparenzgrundsatz gebietet es aber, dass eine hinreichende Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestehen muss. Grundsätzlich scheint es dafür auszureichen, dass die Informationen einseh- und abspeicherbar auf der vom Auftraggeber genutzten E-Vergabeplattform zum Download bereitgestellt werden, die in der Auftrags­ bekanntmachung genannt wird.712 Dies gilt jedenfalls für allgemeine Informationen zu den elektronischen Mitteln, die verfahrensunabhängig gelten, also etwa Bedienungsanleitungen, Leitfäden, Installations- oder Nutzungshinweise. Die VK Südbayern hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass ein durchschnittlich versierter Bieter bei einer Bereitstellung in dieser Form eine hinreichende Möglichkeit zur Kenntnisnahme besitzt, da sich die Konsultation der Plattform bei deren Nutzung geradezu aufdrängt.713 Besondere, auftragsspezifische Informationen, die darüber 707

Vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 VgV; § 11 Abs. 3 Nr. 2 SektVO; § 9 Abs. 3 Nr. 2 KonzVgV; § 11a EU Abs.  3 Nr.  2 VOB / ​A. 708 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 24 f. 709 § 11 Abs. 3 Nr. 3 VgV; § 11 Abs. 3 Nr. 3 SektVO; § 9 Abs. 3 Nr. 3 KonzVgV; § 11a EU Abs.  3 Nr.  3 VOB / ​A. 710 Dazu ausführlich Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11 VgV, Rn. 80 ff. 711 Die Formulierung weicht sprachlich ebenfalls von den Art. 22 Abs. 6 lit. a) VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. a) SRL ab, die eine Zugänglichmachung erfordern. Allerdings ist vom Verordnungsgeber keine inhaltliche Abweichung intendiert. Dies zeigt die amtliche Begründung, in der es heißt, dass die Auftraggeber die Informationen „zugänglich machen müssen“, vgl. BR-Drs. 16/87, S. 166 (VgV); S. 236 (SektVO); S. 284 (KonzVgV). 712 VK Südbayern, Beschl. v. 19.3.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17 –, juris, Rn. 112. Ähnl. bereits zuvor Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 11, Rn. 11; dem folgend Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11 VgV, Rn. 83. 713 VK Südbayern, Beschl. v. 19.3.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17 –, juris, Rn. 119 f.

V. Datensicherheit 

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hinaus zur Einreichung von Verfahrenserklärungen in einem konkreten Vergabeverfahren erforderlich sind, sollten in die Vergabeunterlagen aufgenommen werden, damit sie hinreichend zur Kenntnis genommen werden können.714 dd) Ergebnis Das allgemeine Gebot zur Wahrung der Integrität der Daten und der Vertraulichkeit der Verfahrenserklärungen dient maßgeblich der Sicherstellung des manipulationsfreien und geheimen Wettbewerbs im Vergabeverfahren. Es wird durch die Pflicht zur Verwendung ausschließlich solcher elektronischen Mittel, die die Unversehrtheit, die Vertraulichkeit und die Echtheit der Daten gewährleisten,715 als auch durch die speziellen Anforderungen an die elektronischen Mittel, die zum Empfang der Verfahrenserklärungen verwendet werden, konkretisiert. Diese Anforderungen an die Gewährleistung der Datensicherheit sind grundsätzlich an den Auftraggeber adressiert. Die Maßgaben begründen jedoch nicht dessen Alleinverantwortlichkeit. Diesem obliegt die Einhaltung der Datensicherheit primär in seinem technischen Einflussbereich.716 In Bezug auf die Angebotsverschlüsselung hat das OLG Karlsruhe angemerkt, dass es dem Sinn und Zweck der Bestimmungen zur Datensicherheit „diametral zuwiderlaufen“ würde, „wenn nicht auch der Bieter dem Gebot der Datensicherheit unterworfen wäre, weil nur er es in der Hand hat, für eine Verschlüsselung des Angebots bis zum Eingang bei der Vergabestelle zu sorgen.“717 Diese Feststellung erweist sich als zutreffend und ist bezüglich der Verantwortungsverteilung verallgemeinerungsfähig. Den Auftraggeber trifft in Bezug auf die Absicherung der Datenübermittlung die Pflicht, ausschließlich solche elektronischen Mittel im Vergabeverfahren vorzugeben, welche die Unversehrtheit, die Vertraulichkeit und die Echtheit der Daten gewährleisten.718 Die sichere 714 Die VK Südbayern führt insoweit aus, dass besondere Angaben über die technischen Parameter sinnvollerweise in die Aufforderung zur Angebotsabgabe, § 29 Abs.1 S. 2 Nr.1 VgV, und allgemeingültigere Angaben in den Bewerbungsbedingungen, § 29 Abs.1 S. 2 Nr. 2 VgV, ausgenommen werden sollten. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung sei eine abweichende Einordnung jedoch unschädlich, da diese im Einzelfall schwierig sei und der Bieter ohnehin sämtliche Vergabeunterlagen lesen müsse, VK Südbayern, Beschl. v. 19.3.2018 – Z3-3-31941-54-11/17 –, juris, Rn. 121. 715 Zum Verhältnis Festlegung des Sicherheitsniveaus bei den elektronischen Mitteln sogleich Kap. D. V. 2. b) (aa) (3). 716 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 21; Wichmann, in: Ziekow / ​ Völlink, VergabeR, VgV, § 11, Rn. 13; VK Südbayern, 19.03.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17 –, juris, Rn. 108. 717 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.3.2017 – 15 Verg 2/17 –, juris, Rn. 45. Das Gericht stellt ergänzend fest, dass sich nichts anderes aus Art. 22 Abs. 3 VRL ergebe: „insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass dort dem Auftraggeber besondere Pflichten zur Gewährleistung der Datensicherheit auferlegt werden, nicht ableiten, dass der Bieter für die Datensicherheit keinerlei Verantwortung trägt und ihm freisteht, ein unverschlüsseltes Angebot einzureichen, dessen Geheimhaltung dann allerdings der Auftraggeber sicherzustellen hat.“ 718 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 11, Rn. 75. Hierzu Kap. D. V. 1. b) bb) (2) (a).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Übermittlung mit Hilfe dieser elektronischen Mittel obliegt hingegen dem Verantwortungsbereich der Bewerber bzw. Bieter, da der Auftraggeber auf diese keinen weiteren Einfluss nehmen kann.719 Die alleinige Verantwortlichkeit des Auftraggebers für die Datensicherheit beginnt erst mit vollständiger Übertragung der Daten in seinen technischen Einflussbereich.720 Zur Sicherstellung der verbindlichen Anforderungen an die zum Empfang der Verfahrenserklärungen genutzten elektronischen Mittel bedarf es dabei wohl zwingend des Einsatzes spezifischer E-Vergabesysteme, die geeignet sind, die recht­ lichen Vorgaben technisch abzubilden.721 Letztere bilden nicht bloß reine Ordnungsvorschriften. Dies legt bereits die Erforderlichkeit der eindeutigen Feststellbarkeit von versuchten und vollendeten Verstößen gegen die Bestimmungen nahe, die gerade eine Überprüfung ermöglichen sollen.722 Die darin zum Ausdruck kommenden Zugriffsverbote und -beschränkungen dienen vielmehr der effektiven Sicherstellung des Geheimwettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Verfahrensteilnehmer. Sie entfalten mithin bewerber- bzw. bieterschützende Wirkung, sodass den Unternehmen ein Anspruch auf deren Einhaltung zukommt.723 2. Festlegung des Sicherheitsniveaus bzgl. der Echtheit und Unversehrtheit der Daten Die Echtheit und Unversehrtheit von Daten kann durch unterschiedliche technische Vorkehrungen bei der elektronischen Kommunikation sichergestellt werden. In der Vergangenheit wurden für diesen Zweck insbesondere elektronische Signaturen im Vergabeverfahren eingesetzt.724 Die reformierten Vorgaben im Oberschwellenbereich sehen diese nicht mehr generell für bestimmte Verfahrenserklärungen vor, sondern enthalten einen risikobasierten Ansatz zur Bestimmung des erforderlichen Sicherheitsniveaus, der nachfolgend untersucht wird.

719

Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 22. Mit der Bezeichnung als „Übergabepunkt“ Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 11, Rn. 13; nachfolgend VK Südbayern, 19.03.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17 –, juris, Rn. 108. 721 I.d.S. auch Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil II. Pkt. 2 b), blog.cosinex.de v. 3.2.2016; Probst / ​Winters, CR 2016 349, (353); Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 10 SektVO, Rn. 21; Schubert, in: Willenbruch  / ​ Wieddekind, VergabeR, VgV, § 10, Rn. 14; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 10, Rn. 7. 722 Braun, VergabeR 2016, 179 (184); Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 95. 723 Braun, VergabeR 2016, 179 (184); Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 95; wohl auch Prell, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 1, Rn. 51; im Ergebnis ebenfalls, allerdings unter Abstellung auf die §§ 5, 54, 55 VgV, Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 10, Rn. 11. 724 Vgl. Kap. C. II. 2. sowie allg. zur Funktionsweise Kap. B. I. 3. c). 720

V. Datensicherheit 

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a) Richtlinienvorgaben aa) Entstehung und Auslegung Bereits die Kommissionsvorschläge beinhalteten eine spezifische Verhältnismäßigkeitsabwägung. Danach sollten die Auftraggeber das für die elektronischen Kommunikationsmittel erforderliche Sicherheitsniveau in den verschiedenen Phasen des jeweiligen Vergabeverfahrens im Verhältnis zu den verbundenen Risiken festlegen.725 In nachfolgenden Kompromisstexten des Rates wurde ergänzt, dass diese Abwägung entweder durch die Mitgliedstaaten zu erfolgen habe oder durch die Auftraggeber, die innerhalb eines vom Mitgliedstaat zuvor festgelegten Rahmenkonzepts handeln.726 Ferner wurden die konkretisierenden Erwägungen eingefügt, dass der Festlegung des Sicherheitsniveaus eine vorherige Abwägung durch die Mitgliedstaaten oder die Auftraggeber vorausgehen sollte zwischen einerseits den Anforderungen zur Sicherstellung einer sachlich richtigen und zuverlässigen Identifizierung der Absender sowie der Unversehrtheit der Daten und andererseits der Gefahr von Problemen, die infolge einer Mitteilung durch einen anderen als den angegebenen Absender entstehen könnten.727 In unmittelbarer Bezugnahme auf diese vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsabwägung728 sollten die Mitgliedstaaten oder die Auftraggeber, die innerhalb des Rahmenkonzepts des Mitgliedstaates handeln, zu dem Schluss gelangen können, dass das eingeschätzte Risiko den Einsatz fortgeschrittener elektronischer Signaturen im Sinne der Signaturrichtlinie, die auf einem qualifizierten Zertifikat basieren, erfordert.729 Für diesen Fall enthielten bereits die Kommissionsvorschläge dezidierte Bedingungen zu Signaturformaten auf

725

Art. 19 Abs. 5 lit. c) VRL-E; Art. 33 Abs. 5 lit. c) SRL-E sowie Art. 25 Abs. 5 lit. c) KVR-E, der im weiteren Gesetzgebungsprozess der KVR jedoch wieder entfiel. 726 Art. 19 Abs. 5 lit. b) Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 19.10.2012; Art. 33 Abs. 5 lit. c) Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. Der Vorschlag, dass allein die Mitgliedstaaten das Sicherheitsniveau in den verschiedenen Phasen des Verfahrens festlegen können sollten, wurde hingegen verworfen, vgl. noch Art. 19 Abs. 5 lit. b) Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 2.10.2012. 727 ErwGrd Nr. 19d Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 24.7.2012 sowie diesen ergänzend, Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 19.10.2012; ErwGrd Nr. 27d, Kompromissvorschlag des Rates zur SRLE, v. 30.10.2012. 728 Die insoweit sprachlich nur unklarer formulierten Kommissionsverorschläge, vgl. Art. 19 Abs. 5 lit. d) VRL-E; Art. 33 Abs. 5 lit. d) SRL-E wurde in den Kompromisstexten des Rates durch eine ausdrückliche Verweisung auf die vorhergehend geregelte Verhältnismäßigkeits­ abwägung präzisiert. 729 Art. 19 Abs. 5 lit. b) Kompromissvorschlag des Rates zur VRL-E, v. 19.10.2012; Art. 33 Abs. 5 lit. d) Kompromissvorschlag des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Grundlage des Kommissionsbeschlusses 2011/130/EU730 und der Validierung,731 die im weiteren Gesetzgebungsprozess noch näher präzisiert wurden.732 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben (1) Verhältnismäßigkeitsabwägung Nach den Richtlinienvorgaben der VRL und SRL ist grundlegend eine Verhältnismäßigkeitsabwägung zur Festlegung des erforderlichen Sicherheitsniveaus für die elektronischen Kommunikationsmittel in den verschiedenen Verfahrensphasen vorzunehmen.733 Diese betrifft im Kern das Abwägen der Anforderungen an die Absenderidentifizierung und Datenunversehrtheit mit den Risiken, die bestehen, wenn diese Aspekte der Datensicherheit nicht hinreichend gewährleistet werden. Der Richtlinienwortlaut verdeutlicht, dass das Sicherheitsniveau bei der elektronischen Kommunikation nicht einheitlich festzulegen ist, sondern in den unterschiedlichen Phasen eines Vergabeverfahrens differieren kann. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Bedeutung der exakten Feststellung der Identität des Absenders variiert. Exemplarisch wird dazu in den Erwägungen ausgeführt, dass das Sicherheitsniveau für eine Anfrage zur Bestätigung der Anschrift einer Informationsveranstaltung nicht so hoch sein müsse wie für ein Angebot.734 Es liegt auf der Hand, dass die Gefahren, die von einem unzutreffend ausgewiesenen Absender bei organisatorischen Anfragen ausgehen, für die Verfahrensdurchführung relativ gering sind, während demgegenüber bei der Einreichung eines rechtsverbindlichen Angebots der korrekten Absenderidentifikation zur Identifizierung des potentiellen Vertragspartners und der Unveränderbarkeit des von ihm erklärten Angebotsinhalts eine entscheidende Bedeutung zukommt. Es wäre daher unverhältnismäßig, für beide Fälle dieselben technischen Sicherungsmittel zur Sicherstellung der Absenderidentifizierung und Datenunversehrtheit vorzuschreiben.

730

Beschluss 2011/130/EU der Kommission vom 25. Februar 2011 über Mindestanforderungen für die grenzüberschreitende Verarbeitung von Dokumenten, die gemäß der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt von zuständigen Behörden elektronisch signiert worden sind. 731 Art. 19 Abs. 5 lit. d) (i), (ii) VRL-E; Art. 33 Abs. 5 lit. d) (i), (ii) SRL-E; Art. 25 Abs. 5 lit. d) (i), (ii) KVR-E. 732 Vgl. die endg. Fassungen Art. 22 Abs. 6 lit. c) UA. 1 S. 1 (i), (ii); UA. 2 VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. c) UA. 1 S. 1 (i), (ii); UA. 2 SRL. 733 Art. 22 Abs. 6 lit. b) VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. b) SRL. 734 ErwGrd Nr. 57 S. 2 VRL; ErwGrd Nr. 68 S. 2 SRL. Ebenso könne die Abwägung der Verhältnismäßigkeit ergeben, dass für den Zugang zu den Auftragsunterlagen oder zur erneuten Einreichung von elektronischen Katalogen oder Angeboten in Kleinstwettbewerben gemäß einer Rahmenvereinbarung ein niedrigeres Sicherheitsniveau verlangt werden könne, ErwGrd Nr. 57 S. 3 VRL; ErwGrd Nr. 68 S. 3 SRL.

V. Datensicherheit 

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Für die Festlegung des Sicherheitsniveaus eröffnet der Unionsgesetzgeber zwei Umsetzungsvarianten. Entweder können die Mitgliedstaaten die Verhältnis­ mäßigkeitsabwägung vornehmen und das erforderliche Sicherheitsniveau dementsprechend in den unterschiedlichen Verfahrensphasen festlegen oder es wird ein Rahmenkonzept geschaffen, in dem die Auftraggeber die Festlegung des Sicherheitsniveaus im konkreten Verfahren vornehmen. (2) Elektronische Signaturen Als mögliches technisches Mittel zur Sicherstellung der Absenderidentifizierung und der Datenunversehrtheit werden in der VRL und SRL fortgeschrittene elektronische Signaturen im Sinne der Signaturrichtlinie genannt, die sich auf ein qualifiziertes Zertifikat stützen.735 Die Bezugnahme auf die Signaturrichtlinie in europäischen Rechtsakten gilt gem. Art. 50 Abs. 2 eIDAS-VO seit dem 1. Juli 2016 als Verweis auf die eIDAS-VO. In der Terminologie der eIDAS-VO handelt sich es um qualifizierte elektronische Signaturen.736 (a) Fakultative Anwendung Nach den parallelen Richtlinienvorgaben können die Mitgliedstaaten oder die Auftraggeber, die in einem zuvor festgelegten Rahmenkonzept handeln, nach der Verhältnismäßigkeitsabwägung zur Festlegung des Sicherheitsniveaus zu der Einschätzung gelangen, dass das Risiko den Einsatz von qualifizierten elektronischen Signaturen erfordert. Die Vorgabe erweist sich also nicht als zwingend.737 Vielmehr ist es in Abwägung der Risiken ebenfalls zulässig, andere elektronische Sicherungsmittel zur Identifizierung und zum Schutz der Datenintegrität in den einzelnen Verfahrensphasen vorzusehen.738 Während im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zu der VKR insbesondere zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament kontroverse Diskussionen über die zwingende Verwendung von qualifizierten elektronischen Signaturen bei der Angebotsabgabe geführt wurden,739 stand diese Frage bei der aktuellen Richtlinienreform nicht mehr ersichtlich zur Debatte. Die 735

Vgl. Art. 22 Abs. 6 lit. c) UA. 1 VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. c) UA. 1 SRL. Qualifizierte elektronische Siegel i. S. d. Art. 38 eIDAS-VO werden in der VRL und SRL nicht erwähnt, da diese Signaturform erst nach Inkrafttreten der Richtlinien mit der eIDAS-VO erstmals im europäischen Signaturrecht eingeführt wurde, vgl. Kap. B. I. 2. c) bb). 737 EXEP Subgroup, Report and Recommendations of the Regulatory Aspects and Interpretation, S. 8. 738 Die Mitgliedstaaten sollten „die Verhältnismäßigkeit der Anwendung verschiedener Sicherheitsvorkehrungen prüfen“, vgl. Übersicht Nr. 4 der Europäischen Kommission: Elektronisches Beschaffungswesen („e-Vergabe“), S. 2, online verfügbar: https://ec.europa.eu/docs​ room/documents/15441/attachments/1/translations/de/renditions/native [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. Dazu auch Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich (Hg,), Das neue Vergaberecht, S. 243. 739 Vgl. Schäfer, in: Gehrmann / ​Schinzer / ​Tacke, Public E-Procurement, S. 64. 736

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Abkehr von der Anfang der 2000er Jahre bestehenden politischen Präferenz für diese Signaturform als technisches Mittel zur eindeutigen Absenderidentifizierung und zum Schutz der Datenunversehrtheit dürfte vor allem darin begründet sein, dass sich gerade qualifizierte elektronische Signaturen wegen des erheblichen technischen und finanziellen Erstellungsaufwandes im Laufe des nachfolgenden Jahrzehnts in der Vergabepraxis nicht durchgesetzt haben.740 Erschwerend hinzu traten in der Vergangenheit Schwierigkeiten bei der gegenseitigen Anerkennung von elektronischen Signaturen aufgrund von Interoperabilitäts- und (sprachbedingten) Validierungsproblemen. Um Letzteren entgegenzuwirken, wurden in die VRL und SRL741 umfangreiche Bedingungen für den Einsatz aufgenommen, die zulasten der Verständlichkeit sprachlich äußerst kompliziert gefasst sind.742 Rechtssystematisch sind die Vorgaben eigentlich dem Signaturrecht zuzuordnen743 und müssen nunmehr unter Berücksichtigung der eIDAS-VO744 verstanden werden. (b) Bedingungen für elektronische Signaturen Die erste Bedingung betrifft die Signaturformate, die Auftraggeber grundsätzlich zu verwenden haben und technisch verarbeiten können müssen.745 Dabei nimmt der Richtliniengeber Bezug auf den Kommissionsbeschluss 2011/130/EU,746 der vormals dem Zweck diente, die grenzüberschreitende Validierung zu vereinfachen und die Interoperabilität elektronischer Signaturen zu verbessern.747 Die technischen Referenzformate, die in dessen Anhang enthalten waren, wurden kurz nach Erlass der VRL / ​SRL durch den Durchführungsbeschluss der Kommission 2014/148/EU modifiziert.748 Nach Inkrafttreten der eIDAS-VO erließ die Kommission, aufbau 740 Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil II. Pkt. 2 b), blog.cosinex.de v. 3.2.2016. 741 Die Vorschriften in den Vergaberichtlinien 2004 begnügten sich mit einem Verweis darauf, dass die Mitgliedstaaten für elektronisch übermittelte Angebote die fortgeschrittene Signatur, die auf einem qualifizierten Zertifikat basiert, i. S. d. Signaturrichtlinie verlangen können, vgl. Art. 42 Abs. 5 lit. b) VKR; Art. 48 Abs. 5 lit. b) SKR. Im deutschen Vergaberecht wurde dementsprechend die Verwendung qualifizierter elektronischer Signaturen für Angebote verlangt, aber nicht alle Mitgliedstaaten sahen eine entsprechende Pflicht vor. 742 Krit. hierzu Schäfer, NZBau 2015, 131 (135). 743 Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (18). 744 Dazu ausführlich Kap.B. I. 1. c). 745 Art. 22 Abs. 6 lit. c) UA. 1 (i) VRL; Art. 40 Abs. 6 lit. c) UA. 1 (i) SRL. 746 Beschluss der Kommission vom 25.2.2011 über Mindestanforderungen für die grenzüberschreitende Verarbeitung von Dokumenten, die gemäß der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt von zuständigen Behörden elektronisch signiert worden sind. 747 Vgl ErwGrd Nr. 3 Beschluss 2011/130/EU. 748 Durchführungsbeschluss 2014/148/EU der Kommission vom 17. März 2014 zur Änderung des Beschlusses 2011/130/EU der Kommission über Mindestanforderungen für die grenzüberschreitende Verarbeitung von Dokumenten, die gemäß der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt von zuständigen Behörden elektronisch signiert worden sind.

V. Datensicherheit 

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end auf den vorherigen Beschlüssen749 und auf Grundlage der Ermächtigungen in Art. 27 Abs. 5 und Art. 37 Abs. 5 eIDAS-VO, sodann am 8. September 2015 den Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1506750 zur Festlegung von Spezifikationen für Formate fortgeschrittener elektronischer Signaturen und fortgeschrittener Siegel. Dieser enthält die nunmehr verbindlich geltenden Standardformate für fortgeschrittene elektronische Signaturen und Siegel (XadES, CadES, PadES) sowie die Containerdateien (ASiC),751 die unionsweit primär von den Auftraggebern im Vergabeverfahren zu verwenden sind und verarbeitet werden können müssen. Als zweite Bedingung ist in den Bestimmungen der VRL und SRL vorgesehen, dass die Auftraggeber bei einem Angebot, welches mit einem auf einer Vertrauensliste registrierten qualifizierten Zertifikat gemäß dem Kommissionbeschluss 2009/767/EG752 unterzeichnet wird, keine zusätzlichen Anforderungen festlegen dürfen, die die Bieter an der Verwendung dieser Signaturen hindern. Mit dem zitierten Beschluss wurden die Mitgliedstaaten erstmals zur Erstellung, Führung und Veröffentlichung einer „vertrauenswürdigen Liste“ verpflichtet, in der Mindestangaben über akkreditierte Zertifizierungsdienstanbieter, die qualifizierte Zertifikate ausstellen, zu verzeichnen sind.753 Damit sollte unionsweit das gegenseitige Vertrauen in die qualifizierten elektronischen Signaturen gestärkt und die grenzüberschreitende Verwendung vereinfacht werden.754 Die Vertrauenslisten sind von den Mitgliedstaaten unter Beachtung der Anforderungen des Durchführungsbeschlusses 2015/1505755 auch nach Inkrafttreten der eIDAS-VO für die Vertrauensdienstanbieter fortzuführen756 und haben gem. Art. 21 Abs. 3 eIDAS-VO nunmehr sogar 749

ErwGrd Nr. 64 eIDAS-VO. Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1506 der Kommission vom 8. September 2015 zur Festlegung von Spezifikationen für Formate fortgeschrittener elektronischer Signaturen und fortgeschrittener Siegel, die von öffentlichen Stellen gemäß Artikel 27 Absatz 5 und Artikel 37 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt anerkannt werden. 751 Art. 1 i. V. m. Anhang Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1506. 752 Beschluss 2011/130/EU der Kommission vom 25. Februar 2011 über Mindestanforderungen für die grenzüberschreitende Verarbeitung von Dokumenten, die gemäß der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt von zuständigen Behörden elektronisch signiert worden sind. 753 Vgl. Art. 2 Abs. 1 Beschluss 2009/767/EG. 754 Erwägungsgrund-Nr. 4 Beschluss 2009/767/EG. Dazu auch Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich (Hg,), Das neue Vergaberecht, S. 245. 755 Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1505 der Kommission vom 8. September 2015 über technische Spezifikationen und Formate in Bezug auf Vertrauenslisten gemäß Artikel 22 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt. 756 Art. 22 eIDAS-VO i. V. m. Art. 1 Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1505. In Deutschland wird die Vertrauensliste von der Bundesnetzagentur geführt und veröffentlicht, § 9 VDG, vgl. https://www.nrca-ds.de/ [zuletzt abegrufen am 1.12.2018]. Die Kommission ist zudem verpflichtet, die an sie von den Mitgliedstaaten übermittelten Vertrauenslisten „auf sichere Weise und elektronisch unterzeichnet oder besiegelt in einer für eine automatisierte Verarbei 750

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

konstitutive Wirkung.757 Sofern also eine qualifizierte elektronische Signatur in einem Vergabeverfahren zur Angebotsunterzeichnung zum Einsatz kommt, dürfen von den Auftraggebern keine weiteren Anforderungen gestellt werden. Dies gilt unabhängig davon, aus welchem Mitgliedstaat sie stammt.758 cc) Zwischenergebnis Mit der Aufnahme der Verhältnismäßigkeitsabwägung bei der Festlegung des Sicherheitsniveaus für die elektronischen Kommunikationsmittel berücksichtigt der Unionsgesetzgeber, dass die Anforderungen an die Absenderidentifikation und Datenunversehrtheit in den unterschiedlichen Phasen eines Verfahrens variieren können. Die Mitgliedstaaten entscheiden grundlegend, ob sie das erforderliche Sicherheitsniveau unter Abwägung der Risiken generell im nationalen Vergaberecht festlegen oder den Auftraggebern einen Entscheidungsspielraum innerhalb eines festgelegten Rahmenkonzepts übertragen. Es werden keine verbindlichen Mindestvorgaben für bestimmte Phasen, etwa die Angebotseinreichung, normiert. Damit verbleibt ein weitreichender Umsetzungsspielraum, der unterschiedliche Regelungsansätze für dieselben Verfahrensphasen in den Mitgliedstaaten ermöglicht.759 Dies betrifft im besonderen Maß auch die Verwendung von qualifizierten elektronischen Signaturen für die Abgabe bestimmter Verfahrenserklärungen.760 b) Regelung im Kartellvergaberecht In der jeweils parallel formulierten Vorschrift in den Vergabeverordnungen zu den „Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel“ wird dem Auftrag­ geber die Aufgabe zugewiesen, das erforderliche Sicherheitsniveau für die elektro­ tung geeigneten Form“ zu veröffentlichen, Art. 22 Abs. 4 eIDAS-VO vgl. https://ec.europa.eu/ information_society/policy/esignature/trusted-list/tl-mp.xml [zuletzt abegrufen am 1.12.2018]. 757 Vor der Aufnahme in die Vertrauensliste bedarf es der Verleihung des Qualifikationstatus für den VDA und die von ihm erbrachten Dienste nach Prüfung der Voraussetzung durch die nationale Aufsichtsstelle. Erst mit Eintragung als qualifizierter VDA in die Vertrauensliste dürfen die darin ausgewiesenen qualifizierten Vertrauensdienste angeboten werden, Art. 21 Abs. 2 eIDAS-VO. 758 Vgl. Art. 25 Abs. 3 eIDAS-VO. 759 Vgl. EXEP Subgroup, Report and Recommendations of the Regulatory Aspects and Interpretation, S. 8. 760 Achtzehn Mitgliedstaaten sehen die Verwendung derartiger Signaturen in ihrem nationalen Vergaberecht in zumindest einem Verfahrensschritt, insbesondere bei der Angebotsabgabe, obligatorisch oder jedenfalls optional vor, vgl. DG GROW, e-Procurement Uptake Report, S. 135 f. Der Bericht wurde allerdings im April 2015 veröffentlicht, also vor Geltung der eIDAS-VO zum 1. Juli 2016 und vor Ablauf der Umsetzungsfristen im April 2016 für die aktuellen Richtlinien, sodass sich unterdessen die Anzahl der Mitgliedstaaten, die nach der nationalstaatlichen Umsetzung der Reform elektronische Signaturen – verpflichtend oder optional – vorschreiben, noch einmal verändert haben kann.

V. Datensicherheit 

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nischen Mittel festzulegen.761 Der Wortlaut der Regelung legt nahe, dass der Verordnungsgeber sich damit für die zweite Umsetzungsvariante entschieden hat, welche den Auftraggebern die Festlegung des Sicherheitsniveaus im konkreten Verfahren auferlegt.762 Allerdings erfordern die Richtlinienvorgaben in diesem Fall die Schaffung eines innerstaatlichen Rahmenkonzepts, in dem die Auftraggeber handeln. Ein solcher verbindlicher Handlungsrahmen wurde zumindest nicht explizit im Kartellvergaberecht normiert, sodass die richtlinienkonforme Umsetzung in Zweifel gezogen werden könnte.763 Nachfolgend wird allerdings untersucht, ob der Verordnungsgeber implizit ein hinreichendes Rahmenkonzept in den Vergabeverordnungen geschaffen hat. aa) Vorliegen eines inzidenten nationalen Rahmenkonzepts Die Richtlinienvorgaben definieren nicht, welche Anforderungen an das vom Mitgliedstaat festzulegende Rahmenkonzept zu stellen sind,764 sodass tendenziell ein weitreichender Umsetzungsspielraum verbleibt. Der Sinn und Zweck der Schaffung eines nationalen Rahmenkonzepts besteht darin, einen Handlungsrahmen zu normieren, in dem die Auftraggeber das Sicherheitsniveau festlegen können. Dafür erscheint es zumindest notwendig, dass die nationale Umsetzung eine weitergehende Regelungstiefe im Vergleich zu den zugrunde liegenden Richtlinienbestimmungen aufweist.765 (1) Festlegung des Sicherheitsniveaus für die elektronischen Mittel Ausgangspunkt für die Umsetzung bildet die Anordnung, dass der Auftraggeber das erforderliche Sicherheitsniveau für die elektronischen Mittel festzulegen hat. Aus der amtlichen Begründung wird ersichtlich, dass das Sicherheitsniveau im Verhältnis zu den jeweiligen Risiken stehen muss. Demnach erfordert die Festlegung für die einzelnen Verfahrensphasen eine vorherige Abwägung zwischen den Anforderungen an die Sicherstellung einer sachlich richtigen, zuverlässigen Identifizierung des Absenders und der Unversehrtheit der Daten im Verhältnis zu den Gefahren, die von Daten ausgehen, die aus einer nicht sicher identifizierbaren Quelle stammen oder während der Übermittlung verändert wurden.766 Weiter wird in der 761

§ 10 Abs. 1 S. 1 VgV; § 10 Abs. 1 S. 1 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 1 KonzVgV. Vgl. auch § 11a EU Abs.  4 S.  1 VOB / ​A. 762 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 6. 763 Krit. dazu Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 10, Rn. 5. 764 Hierzu Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich (Hg,), Das neue Vergaberecht, S. 243 f., nach dessen Auffassung die E-Government-Initiative BundOnline 2005 ein solches Rahmenkonzept als eine Art „innerstaatlichen Konsens“ bei der Umsetzung der VRL und SRL bildete. 765 Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 10, Rn. 7. 766 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164 (VgV); S. 235 (SektVO); S. 283 (KonzVgV).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

amtlichen Begründung – wenn auch an unzutreffender Stelle767 – ausgeführt, dass das Sicherheitsniveau, dem eine E-Mail entsprechen müsse, in der sich ein Unternehmen nach der Postanschrift erkundigt, deutlich niedriger eingeschätzt werden könne im Vergleich zu dem erforderlichen Sicherheitsniveau, dem ein Angebot genügen müsse. Ebenso könne die Verhältnismäßigkeitsabwägung ergeben, dass ein niedriges Sicherheitsniveau für die erneute Einreichung von E-Katalogen, bei der Einreichung von Angeboten in einem Kleinstwettbewerb, einer Rahmenvereinbarung oder beim Abruf der Vergabeunterlagen ausreiche.768 Diese exemplarische Darstellung, die unmittelbar den Richtlinienerwägungen entstammt,769 ist zwar augenscheinlich. Ihr lässt sich allerdings nur entnehmen, dass die Abwägung für jegliche Kommunikation vorzunehmen ist und die inhaltliche Bedeutung des Informationsaustausches in den unterschiedlichen Verfahrensphasen zu berücksichtigen ist.770 Sie bietet ansonsten keinerlei konkretisierende Maßstäbe für die erforderliche Verhältnismäßigkeitsabwägung zur Festlegung des Sicherheitsniveaus, sodass den Auftraggebern insoweit ein weitgehender Abwägungsspielraum verbleibt. Um ein entsprechend differenziertes IT-Sicherheitskonzept zu entwickeln, das die elektronischen Mittel im Vergabeverfahren in den unterschiedlichen Phasen abbilden müssen, bietet sich methodisch die Vornahme einer spezifischen Schutzbedarfsfeststellung an, die sich an der IT-Grundschutz-Vorgehensweise des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik771 orientieren sollte. Sie dient der Ermittlung, welcher Schutz für die jeweiligen Informationen und die eingesetzte Informationstechnik erforderlich und angemessen ist.772 767 Die Ausführungen werden zur Ermittlung eines erhöhten Sicherheitsniveaus im Rahmen der Vorschriften zur Form und Übermittlung von Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträgen und Angeboten getroffen, vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 207 (VgV); S. 264 (SektVO); S. 296 (KonzVgV). Dort erweisen sie sich jedoch als deplatziert, denn weder einfache Bewerber-/Bieteranfragen zu einer Postanschrift per E-Mail noch der Zugang zu den Vergabeunterlagen unterfällt dem Anwendungsbereich der betreffenden Vorschrift, ähnl. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 53, Rn. 18. 768 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 207 (VgV); S. 264 (SektVO); S. 283 (KonzVgV). 769 ErwGrd Nr. 57 S. 2 f. VRL; ErwGrd Nr. 68 S. 2 f. SRL. 770 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 20; § 11, Rn. 21 f. 771 Vgl. 4.3. BSI-Standard 100–2 IT-Grundschutz-Vorgehensweise, Vers. 2.0. 772 Allg. dazu BSI, IT-Grundschutz-Kompendium, S. 10. Der Schutzbedarf von Informationen korreliert mit den potentiellen Schäden, die drohen, wenn die Echtheit und Unversehrtheit der Daten beeinträchtigt wird. Dafür können Schutzbedarfskategorien, z. B. „normal“ (begrenzte Schadensauswirkungen), „hoch“ (beträchtliche Schadensauswirkungen) und „sehr hoch“ (existentiell bedrohliche Schadensauswirkungen) festgelegt werden. Die Kategorien enthalten abgestuft Auswirkungen in unterschiedlichen Schadensszenarien, z. B. Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften oder sonstiges Recht, materielle Schäden Dritter durch fehlerhaft abgewickelte Beschaffungsvorgänge, negative Auswirkungen auf das Verfahren (z. B. Aufhebung oder Wiederholung), negative Innen- und / ​oder Außenwirkung (z. B. Zweifel an der Kompetenz der Vergabestelle / ​Imageverlust). Sodann sind die Funktionen der elektronischen Mittel und die verarbeiteten Daten in einem Vergabeverfahren in den unterschiedlichen Phasen zu ermitteln. Für die Feststellung des Gesamtschutzbedarfs sind diese nachfolgend jeweils in Bezug auf die Echtheit und Unversehrtheit (sowie sinnvollerweise auch in Bezug auf die Vertraulichkeit und Verfügbarkeit) anhand der Schutzbedarfskategorien einzelner zu bewerten und angemessene

V. Datensicherheit 

173

Der Vorgabe, dass der Auftraggeber das erforderliche Sicherheitsniveau für die elektronischen Mittel festlegt, lässt sich nicht ausdrücklich entnehmen, dass zwingend eine einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung für jedes Verfahren zu erfolgen hat. Im Gegensatz zur Prüfung des Vorliegens erhöhter Sicherheitsanforderungen für die Einreichung der Verfahrenserklärungen773 findet sich auch kein expliziter Hinweis in der amtlichen Begründung. Es erscheint daher mit dem Wortlaut vereinbar, dass ein auf Grundlage einer Schutzbedarfsfeststellung erstelltes, nach Verfahrensphasen differenziertes IT-Sicherheitskonzept der Festlegungsentscheidung hinsichtlich des Sicherheitsniveaus grundsätzlich für alle Beschaffungsvorgänge zugrunde gelegt wird.774 Gleichwohl bleibt nach diesem Verständnis eine Abweichung bei höheren Sicherheitsanforderungen im Einzelfall möglich. (2) Einsatz elektronischer Signaturen und Siegel bei erhöhten Sicherheitsanforderungen Der Verordnungsgeber hat die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass fortgeschrittene und qualifizierte elektronische Signaturen und Siegel775 im Sinne der eIDAS-VO als Sicherungsmittel zur Gewährleistung der Datenechtheit und -unversehrtheit für die Einreichung von Angeboten, Teilnahmeanträgen776 sowie Interessensbestätigungen und Interessensbekundungen777 vom Auftraggeber in einem Vergabeverfahren nur noch dann verlangt werden dürfen, wenn die zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen. Im Regelfall müssen die Verfahrenserklärungen nur der Textform, § 126b BGB, genügen,778 die – anders als die elektronische Form, § 126a BGB – keine (qualifizierte) elek­ tronische Signatur des Ausstellers voraussetzt.779 Vor der Vergaberechtsmodernisierung waren fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signaturen im Sinne

Sicherheitsvorkehrungen zu bestimmen, vgl. zur Vorgehensweise für die E-Vergabe im Einzelnen Eischner, BME in: Korruptionsprävention bei der elektronischen Vergabe, S. 39 ff. 773 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 207 (VgV); S. 264 (SektVO); S. 296 (KonzVgV). 774 I.d.S. auch Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 10 SektVO, Rn. 16 f.; Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 10, Rn. 3. A. A. wohl Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 10, Rn. 6; Wankmüller / ​Ley, Das neue Vergaberecht 2016, S. 278. 775 Die Möglichkeit des Einsatzes von elektronischen Siegeln war dabei – wie auch in den umgesetzten Vergaberichtlinien – zunächst nach der Vergaberechtsmodernisierung 2016 noch nicht vorgesehen. Erst im Rahmen des eIDAS-DG wurden die Vorgaben in den Vergabeverordnungen um die Option der Verwendung von elektronischen fortgeschrittenen und qualifizierten Siegeln in Anpassung an die eIDAS-VO erweitert, vgl. jeweils die parallele Anpassung des Wortlautes in Art. 8 Nr. 3 zur Änderung der VgV; Art. 9 Nr. 3 zur Änderung der SektVO; Art. 10 Nr. 2 zur Änderung der KonzVgV eIDAS-DG. Vgl. auch § 11a EU Abs. 5 VOB / ​A. 776 § 28 Abs. 3 KonzVgV. 777 § 53 Abs. 3 VgV; § 44 Abs. 1 SektVO. § 11 EU Abs. 5 VOB / ​A. 778 § 53 Abs. 1 VgV; § 28 Abs. 1 KonzVgV; § 43 Abs. 1 SektVO. Vgl. auch § 11 EU Abs. 4 VOB / ​A. 779 Dazu ausführlich sogleich Kap. D. VIII. 2. a).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

des SiG (2001) hingegen für die elektronische Angebotseinreichung zwingend zu verlangen.780 Dies hat in der Vergangenheit aufgrund des hohen finanziellen und technischen Aufwands, insbesondere für die Erstellung qualifizierter elektronischer Signaturen, auf Seiten der Unternehmen zu Akzeptanzproblemen für die E-Vergabe geführt. Mit der nunmehr für die Vorgabe notwendigen Feststellung erhöhter Sicherheitsanforderungen dürfte der Verordnungsgeber vor allem die Intention verfolgen, dass diese nicht mehr generell als Sicherungsmittel verlangt werden sollen, um die elektronische Verfahrensteilnahme für Unternehmen im Regelfall zu erleichtern.781 Der Auftraggeber hat das Vorliegen erhöhter Sicherheitsanforderungen für die einzelnen Einreichungsverfahren positiv festzustellen. Aus der amtlichen Begründung wird ersichtlich, dass dafür eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsabwägung anzustellen ist, deren Ergebnis der Festlegung des Sicherheitsniveaus dient, dem die einzureichenden Erklärungen entsprechen müssen.782 Dafür sind die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen für eine richtige und zuverlässige Authen­ tifizierung der Datenquelle und den Schutz der Datenunversehrtheit einerseits gegenüber den von nicht berechtigten Datenquellen stammenden und / ​oder von fehlerhaften Daten ausgehenden Gefahren andererseits abzuwägen.783 Auch an dieser Stelle mangelt es wiederum an konkreten Maßstäben für die Abwägungsentscheidung.784 Aus der Notwendigkeit der Einzelfallprüfung ergibt sich, dass der Auftraggeber die konkreten Umstände des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen hat. In Abgrenzung zur allgemeinen Festlegung des Sicherheitsniveaus für die elektronischen Mittel ist also spezifisch zu ermitteln, ob für die einzelnen Verfahrenserklärungen wegen der zu übermittelnden Daten ein erhöhtes Sicherungsbedürfnis besteht. Abzuwägen ist, mit welchen Maßnahmen die Identifizierbarkeit des Absenders und die Unverfälschtheit des Inhalts abgesichert werden kann. Die Steigerung des technischen Aufwands durch das Verlangen zusätzlicher Sicherungsmittel785 von den Bewerbern bzw. Bietern für die Datenübermittlung kann im Verhältnis nur dann nur gerechtfertigt sein, wenn gleichzeitig ein erhöhtes Gefährdungspotenzial in Anbetracht der Bedeutung der zu übermittelnden Daten besteht. Nur wenn die eindeutige Zuordnung des Inhalts einer konkreten Erklärung zu einem bestimmten

780

Im Oberschwellenbereich, z. B. in § 16 EG Abs. 1 Hs. 2 VOL / ​A (2009); § 5 Abs. 1 S. 2 SektVO (2009); § 13 EG Abs. 1 Nr. 1 S. 3 VOB / ​A (2012). 781 Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 10, Rn. 15. 782 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 207 (VgV); S. 264 (SektVO); S. 283 (KonzVgV). 783 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 207 (VgV); S. 264 (SektVO); S. 283 (KonzVgV). 784 Verfürth, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 53, Rn.  28. 785 Die Auftraggeber sind grundlegend verpflichtet, ausschließlich solche elektronischen Mittel zu verwenden, die die Unversehrtheit, die Vertraulichkeit und die Echtheit der Daten gewährleisten, Kap. D. V. 1. b) bb) (2) (a), sodass die elektronische Kommunikation im Regelfall hinreichend gesichert ist und kein erhöhtes Sicherungsbedürfnis anzunehmen ist. Zum Verhältnis dieser Verpflichtung mit der Abwägungsentscheidung zur Vorgaben elektronischer Signaturen und Siegel sogleich Kap. D. 2. b) aa) (2).

V. Datensicherheit 

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Absender wegen der Umstände des Einzelfalls so bedeutsam erscheint, dass eine falsche Zuordnung den Verfahrensfortgang oder das Beschaffungsvorhaben gefährden könnte, sind im Ergebnis erhöhte Sicherheitsanforderungen zu bejahen.786 Die Betrachtung ist differenziert für die einzelnen Einreichungsverfahren in den unterschiedlichen Verfahrensphasen vorzunehmen.787 Die tatbestandliche Annahme eröffnet in der Rechtsfolge ein Ermessen des Auftraggebers dahingehend, fortgeschrittene788 oder qualifizierte elektronische Signaturen und Siegel von den Bewerbern bzw. Bietern im Verfahren zu verlangen.789 In diesem Fall sind die Auftraggeber verpflichtet, die technischen Rahmenbedingungen zu schaffen, e­ IDAS-konforme Signaturformen entgegenzunehmen und hinsichtlich ihrer Gültigkeit zu prüfen.790 Rechtfertigt die Abwägung hingegen nicht die Festlegung erhöhter Sicherheitsanforderungen, ist die Einreichung mit elektronischen Mitteln in Textform, § 126b BGB, zuzulassen.791 (3) Grenzen des Abwägungsrahmens Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass sowohl zur Festlegung des Sicherheitsniveaus792 als auch für die Feststellung erhöhter Sicherheitsanforderungen bei der Einreichung von Verfahrenserklärungen793 eine Verhältnismäßigkeitsabwägung vom Auftraggeber vorzunehmen ist. In der Literatur wird darin teilweise ein normativer Konflikt zur gleichzeitig bestehenden Pflicht des Auftraggebers ge­

786 Verfürth, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 53, Rn.  29; Marx, in: Säcker, MüKoEu​ WettbR, KonzVgV, § 28, Rn. 4.  787 Regelmäßig wird das Schutzbedürfnis insbesondere für Teilnahmeanträge und Angebote wegen ihres sensiblen Inhalts und der maßgeblicheren Bedeutung der Zuordnung eines unveränderten Dateninhalts zu einem Bewerber bzw. Bieter höher sein als bei einer noch unverbindlichen Interessensbekundung. Ähnl. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 53, Rn. 18. 788 Fortgeschrittene Signaturen und Siegel bieten ein vergleichbares Schutzniveau für die Datenunversehrtheit wie die jeweilige qualifizierte Form, da sie auf den gleichen technischen Grundlagen basieren, verfügen jedoch regelmäßig nicht über dieselbe Rechtsverbindlichkeit hinsichtlich der Absenderidentifikation, vgl. im Einzelnen dazu sowie zur Rechtswirkung und Beweiskraft der unterschiedlichen Signatur- und Siegelformen, Kap. B. I. 3. c). 789 Vgl. § 53 Abs. 3 S. 2 VgV; § 44 Abs. 1 S. 2 SektVO; § 28 Abs. 3 S. 2 KonzVgV. § 11 EU Abs.  5 S.  2 VOB / ​A. 790 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 207 (VgV); S. 264 (SektVO); S. 283 (KonzVgV). Zur Prüfung der Gültigkeit s. Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 41 ff. 791 Die Vorgabe der Verwendung von Signaturen, ohne dass diese Voraussetzungen vorliegen, bildet eine Zugangsbeschränkung, die die Unternehmen in ihren Rechten verletzt, vgl. Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 9 VgV, Rn.  29 f.; Prell, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 1, Rn. 51 792 § 10 Abs. 1 S. 1 VgV; § 10 Abs. 1 S. 1 SektVO; § 8 Abs. 1 S. 1 KonzVgV; § 11a EU Abs. 4 S.  1 VOB / ​A. 793 § 53 Abs. 3 S. 1 VgV; § 44 Abs. 1 S. 1 SektVO; § 28 Abs. 3 S. 1 KonzVgV; § 11 EU Abs. 5 S.  1 VOB / ​A.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

sehen, für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten im Vergabeverfahren ausschließlich solche elektronischen Mittel zu verwenden, welche die „Unversehrtheit, die Vertraulichkeit und die Echtheit der Daten gewährleisten“.794 Die hierzu in der Literatur vertretenen Ansichten werden zur besseren Verständlichkeit anhand der jeweils vom Autor diskutierten Vorschriften dargestellt. Infolge der inhaltlichen Parallelität der Vorschriften in der VgV, SektVO und KonzVgV sind die Ausführungen jeweils übertragbar. (a) Erforderlichkeit der einschränkenden Auslegung Nach Auffassung von Müller erschließt sich der Zusammenhang zwischen der Pflicht zur Gewährleistung der Unversehrtheit der Daten gem. § 11 Abs. 2 VgV und der Vorgabe, dass der Auftraggeber im Wege einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Sicherheitsniveau für die elektronischen Mittel festlegen müsse gem. § 10 Abs. 1 S. 1 VgV, nicht.795 Da die Unversehrtheit ohnehin zu gewährleisten sei, erscheine die Festlegung des Sicherheitsniveaus nicht als zwingend.796 Gleichfalls sei die Forderung der Echtheit der Daten im § 11 Abs. 2 VgV nicht nachvollziehbar, denn diese könne durch elektronische Signaturen sichergestellt werden, deren Einsatz jedoch gem. § 53 VgV grundsätzlich nicht erforderlich sei.797 Im Ergebnis komme der Auftraggeber „wohl nicht darum herum“, die Gewährleistungen des § 11 Abs. 2 VgV stets zu erfüllen. Bei objektiv sicherheitsunempfindlichen Daten erscheine dies allerdings als unverhältnismäßig.798 Schubert konstatiert ebenfalls ein widersprüchliches Verhältnis zwischen den Anforderungen des § 11 Abs. 2 VgV und der Notwendigkeit der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsabwägung gem. § 10 Abs. 1 S. 1 VgV und gem. § 53 Abs. 3 VgV.799 Im Gegensatz zu Müller hält er zwar die Vornahme eine Verhältnismäßigkeitsabwägung jeweils für erforderlich. Zur Auflösung der Widersprüche seien dabei jedoch immer elektronische Mittel zu wählen, die die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten im Vergabeverfahren gewährleisten.800 Nach Ansicht von Honekamp besteht ein normativer Konflikt insbesondere hinsichtlich der Gewährleistung der Echtheit der Daten. Diese werde nicht von den elektronischen Mitteln sichergestellt, sondern sei eine Frage der Authentizität des Absenders. Eine verbindliche Absenderidentifizierung könne im elektronischen

794 § 11 Abs. 2 VgV, § 11 Abs. 2 SektVO, § 9 Abs. 2 KonzVgV; § 11a EU Abs. 2 VOB / ​A. Dazu Kap. D. V. 1. b) bb). 795 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 11, Rn.  21. 796 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 11, Rn.  21. 797 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 11, Rn.  22. 798 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 11, Rn.  24. 799 Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 11, Rn. 9. 800 Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 11, Rn. 9.

V. Datensicherheit 

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Rechtsverkehr allerdings praktisch ausschließlich durch die Übermittlung von Daten mit einer qualifizierten elektronischen Signatur ermöglicht werden.801 Da deren Verwendung allerdings nur im Einzelfall nach der Feststellung erhöhter Sicherheitsanforderungen gem. § 44 SektVO zulässig sei, bedürfte es der einschränkenden Auslegung des § 11 Abs. 2 SektVO dahingehend, dass die elektronischen Mittel die Echtheit der Daten nur dann gewährleisten müssen, wenn diese Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SektVO erfüllt werden.802 Wankmüller wies wohl als erster auf die – seiner Auffassung nach – „offensichtlichen Widersprüche“ zwischen der absoluten Regelung des § 11 Abs. 2 VgV und der Erforderlichkeit der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 10 Abs. 1 S. 1 VgV und § 53 Abs. 3 VgV hin.803 Die Vorgaben des § 11 Abs. 2 VgV müssten daher nicht nur im Hinblick auf die Echtheit der Daten, wie von Honekamp erwogen, sondern auch bezüglich deren Unversehrtheit einschränkend ausgelegt werden.804 Mit dem Begriff „gewährleisten“ gehe im Kontext von § 11 Abs. 2 VgV ausschließlich einher, dass die vom Auftraggeber verwendeten elektronischen Mittel die Funktionalitäten zur Einhaltung von dessen Anforderungen jederzeit vorhalten müssten. Der Einsatz sei jedoch sodann abhängig von der jeweils vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall gem. § 10 Abs. 1 S. 1 VgV und § 53 Abs. 3 VgV.805 Grünhagen kommt hingegen zum Ergebnis, dass ein Widerspruch zwischen den Regelungen nur zum Schein bestehe.806 Nach seiner Ansicht ist die Pflicht zur Gewährleistung der Unversehrtheit, Echtheit und Vertraulichkeit der Daten gem. § 11 Abs. 2 VgV als Einschränkung des Raumes zu verstehen, in dem sich der Auftraggeber bei seiner Abwägungsentscheidung zur Festlegung des Sicherheitsniveaus bewegen dürfe.807 In Abhängigkeit davon, wie sich die konkreten Umstände im Einzelfall darstellen würden, bedürfe es entweder höherer Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten oder eben nicht. Gegenstand der Abwägung im Rahmen von § 10 Abs. 1 S. 1 VgV und § 53 Abs. 3 VgV seien dementsprechend stets die Maßnahmen zum Schutz der Unver-

801

Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 17. Ähnl. auch Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 11, Rn.  12. 802 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 17. 803 Zunächst jedoch ohne dogmatischen Lösungsvorschlag, vgl. Wankmüller / ​Ley, Das neue Vergaberecht 2016, S. 278; ders., Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil 2, II. Pkt. 3. b., blog.cosinex.de v. 3.2.2016. 804 Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 2), Schritt 4), Vergabeblog.de, Nr. 31902, v. 25.06.2017 mit Verweis auf die Argumentation bzgl. der Datenechtheit von Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 11 SektVO, Rn. 17. 805 Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 2), Schritt 4), Vergabeblog.de, Nr. 31902, v. 25.6.2017. 806 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 20; § 11, Rn. 51. 807 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 20; § 11, Rn. 51.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

sehrtheit und Echtheit gegenüber den Gefahren, nicht aber die Unversehrtheit und Echtheit der Daten an sich.808 (b) Stellungnahme Die Bestimmung der VRL und SRL enthalten den übergeordneten Grundsatz, dass das Sicherheitsniveau bei der elektronischen Kommunikation stets im Verhältnis zu den verbundenen Risiken stehen soll. Die Erforderlichkeit der Verhältnismäßigkeitsabwägung hat der Verordnungsgeber bei der Festlegung des Sicherheitsniveaus für die elektronischen Mittel und der Feststellung erhöhter Sicherheitsanforderungen bei der Einreichung von Verfahrenserklärungen gleichfalls im Kartellvergabevergaberecht eingeführt. Aus diesem Grund liegt es nahe, dass nicht gleichzeitig die Vorgabe intendiert gewesen sein kann, bei allen ausgetauschten Daten, unabhängig von ihrer Sensibilität oder Bedeutung in einem konkreten Verfahren, die Unversehrtheit und Echtheit im gleichen Maß zu garantieren. Dies wäre – wie Müller zutreffend anmerkt – unverhältnismäßig. Im systematischen Gesamtzusammenhang ist diese Maßgabe vielmehr dahingehend zu verstehen, dass die elektronischen Mittel die Funktionalitäten abbilden können müssen, um diese Aspekte der Datensicherheit im gesamten Verfahren zu gewährleisten. Insoweit ist der Auffassung von Wankmüller zuzustimmen. Unzutreffend ist jedoch dessen Feststellung, die auch Schubert zu teilen scheint, dass sich hieraus ein grundlegender Widerspruch zu der vorzunehmenden Abwägungsentscheidung zur Festlegung des Sicherheitsniveaus ergebe. Denn den Auftraggebern verbleibt dennoch ein technischer Ausgestaltungsspielraum, wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben.809 Die Unversehrtheit und Echtheit der Daten kann mit unterschiedlichen technischen Maßnahmen abgesichert werden, die eine Differenzierung des Sicherheitsniveaus im Verhältnis zu den Risiken erlaubt. Daher ist der Auffassung von Grünhagen zuzustimmen, dass die Pflicht des Auftraggebers zur ausschließlichen Verwendung elektronischer Mittel, welche die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten gewährleisten, nur die äußeren Grenzen des Abwägungsrahmens definiert, sodass im Ergebnis kein normativer Widerspruch besteht. Ein solcher besteht nach diesem Verständnis ebenso wenig gegenüber der Erforderlichkeit der Feststellung erhöhter Sicherheitsanforderungen für das Verlangen von elektronischen Signaturen und Siegeln. Zwar kann durch deren Einsatz eine höhere Rechtsverbindlichkeit erreicht werden. Aus technischer Sicht bilden sie jedoch lediglich ein Mittel zu Sicherung der Unversehrtheit und Echtheit von Daten, auf das der Auftraggeber im konkreten Verfahren zurückgreifen kann.

808 809

Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 10 VgV, Rn. 20; § 11, Rn. 51. Kap. D. V. 1. b) bb) (2) (a).

VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung 

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bb) Ergebnis Zu der Ausgangsfrage, ob ein hinreichendes Rahmenkonzept im nationalen Kartellvergaberecht zumindest inzident normiert wurde, ist nach den vorangegangenen Ausführungen Folgendes festzuhalten: Der Verordnungsgeber weist dem Auftraggeber grundlegend die Aufgabe zu, das Sicherheitsniveau für die einzelnen Verfahrensphasen im Verhältnis zu den Risiken im Vergabeverfahren in Bezug auf die erforderliche Absenderidentifizierung und Datenunversehrtheit festzulegen. Isoliert betrachtet werden dabei keine konkretisierenden Maßstäbe definiert, sondern einzig die allgemeinen Richtlinienerwägungen wiederholt, sodass die Umsetzung eines „nationalen Rahmenkonzepts“ zunächst als unzureichend erscheint. Für die Beurteilung muss jedoch der systematische Gesamtkontext in den Vergabeverordnungen beachtet werden. Mit der Vorgabe, dass der Auftraggeber ausschließlich solche elektronischen Mittel zu verwenden hat, die die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten gewährleisten, ist nach der hier vertretenen Auslegung eine Begrenzung des Abwägungsrahmens für die Festlegungsentscheidung des Auftraggebers normiert worden. Überdies hat der Verordnungsgeber entschieden, dass das Verlangen elektronischer Signaturen und Siegel als spezifisches Sicherungsmittel für die Echtheit und Unversehrtheit nur zulässig ist, sofern der Auftraggeber in einer Einzelfallprüfung zum Ergebnis kommt, dass erhöhte Sicherheitsanforderungen an die zu übermittelnden Daten im Einreichungsverfahren zu stellen sind. Diese Abweichung vom Regelfall – für den die Einreichung der Verfahrenserklärungen mithilfe elektronischer Mittel in Textform, § 126b BGB, als ausreichend erachtet wird  – bedarf einer zusätzlichen Abwägungsentscheidung anhand der konkreten Umstände des Verfahrens. Damit wird der übergeordnete Grundsatz aus der VRL und SRL, dass das Sicherheitsniveau im Vergabeverfahren im Verhältnis zu den Risiken stehen muss, für die Einreichungsverfahren im besonderen Maß im nationalen Kartellvergaberecht betont. Diese Gesamtbetrachtung der relevanten Vorschriften ergibt damit, dass der Verordnungsgeber damit durchaus ein differenziertes nationales Rahmenkonzept für die Festlegung des Sicherheitsniveaus in den einzelnen Phasen eines Vergabeverfahrens geschaffen hat. Im Ergebnis ist daher eine richtlinienkonforme Umsetzung anzunehmen.810

VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung Unionsweite Bekanntmachungen sind sowohl zur Einleitung als auch zum Abschluss eines Vergabeverfahrens im Oberschwellenbereich aus Gründen der Transparenz und der Gleichbehandlung der Verfahrensteilnehmer geboten. Das Vergabeverfahren wird regelmäßig durch die Auftrags- bzw. Konzessionsbekanntma­chung811

810 811

Im Ergebnis auch Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 10, Rn. 8. Im Folgenden wird einheitlich der Terminus „Auftragsbekanntmachung“ verwendet.

180

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

eingeleitet. Zuvor kann eine unverbindliche Vorinformation812 veröffentlicht werden, die der frühzeitigen Information des Marktes hinsichtlich der Beschaffungsabsicht des Auftraggebers dient.813 Unter qualifizierten Voraussetzungen kann diese zudem zur Fristverkürzung oder als die Auftragsbekanntmachung ersetzender Aufruf zum Wettbewerb genutzt werden. Nach Zuschlagserteilung ist eine Vergabe­ bekanntmachung zwingend zu publizieren. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Form und Modalitäten der elektronischen Veröffentlichung, die für die Bekanntmachungen einheitlich ausgestaltet sind, sowie die Verwendung von Beschafferprofilen als zusätzliche Publikationsorgane des Auftraggebers. 1. Richtlinienvorgaben a) Entstehung und Inhalt Die Kommissionsvorschläge sahen im jeweiligen Abschnitt „Veröffentlichung und Transparenz“ – nach den Anforderungen an die einzelnen Bekanntmachungen – einen weitgehend parallel formulierten Artikel über die Abfassung und die Modalitäten der Veröffentlichung von Bekanntmachungen vor.814 Die Übermittlung der Bekanntmachungen durch den Auftraggeber sollte danach ohne eine Übergangsfrist nach Inkrafttreten der Richtlinien zwingend elektronisch erfolgen.815 In den Erwägungen führte die Kommission dazu aus, dass elektronische Informations- und Kommunikationsmittel für die Bekanntmachungen von Aufträgen eine erhebliche Erleichterung bedeuten.816 Die Vorschläge zur VRL und SRL behielten zudem die Möglichkeit für Auftraggeber bei, sich im Internet ein Beschafferprofil einzurichten, um bestimmte Informationen zu veröffentlichen.817 Diese von der Kommission vorgeschlagenen Bestimmungen fanden weitgehend unverändert Eingang in die endgültigen Richtlinienfassungen.818 b) Auslegung der inhaltlichen Vorgaben aa) Form und Modalitäten unionsweiter Bekanntmachungen Den Anforderungen an die Form und die Modalitäten der Veröffentlichung liegen im Wesentlichen die Vorgaben der VKR / ​SKR zugrunde. Einen maßgeblichen Unter 812 Als „regelmäßige nicht verbindliche Bekanntmachung“ im Sektorenbereich bezeichnet, die nachfolgend unter den Begriff der Vorinformation gefasst wird. 813 Stoye / ​Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 42. 814 Art. 49 VRL-E; Art. 65 SRL-E; Art. 28 KRL-E. 815 Art. 49 Abs. 2 VRL-E; Art. 65 Abs. 2 SRL-E; Art. 28 Abs. 2 KRL-E. 816 ErwGrd Nr. 19 S. 1 VRL-E; Nr. 27 S. 1 SRL-E; Nr. 30 S. 1 KRL-E. 817 Nr. 2 b) Anhang IX VRL-E; Nr. 2 b) Anhang IX SRL-E. 818 Vgl. Art. 51 VRL; Art. 71 SRL; Art. 33 VRL KRL.

VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung 

181

schied bildet jedoch die nunmehr ausnahmslos geltende Pflicht, die Bekanntmachung elektronisch an das Amt für Veröffentlichungen der EU zu übermitteln.819 Die Vorgängerregelungen hatten insoweit den Auftraggebern noch ein Wahlrecht zugebilligt.820 Die Bekanntmachungen müssen die in den Richtlinienanhängen jeweils vorgesehenen Informationen enthalten821 und sind im Format von Standardformularen – in einer oder mehreren vom Auftraggeber zu wählenden Amtssprache(n) der EU-Organe, die verbindlich gelten soll(en)822 – zu erstellen. Die im Wege der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986823 erlassenen EU-Standardformulare bilden die Inhalte der Richtlinienanhänge ab. Die in Teilen ausführlich formulierten Anhänge sind dabei zur Auslegung der erforderlichen Angaben in den Formularen heranzuziehen.824 Zudem ergibt sich konkretisierend aus diesen, dass die anschließende elektronische Übermittlung nur mittels der von der Kommission festgelegten Verfahren erfolgen darf, die auf SIMAP zur Verfügung stehen.825 Gemäß Art. 6 Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 kann für die Datenübermittlung in diesem Sinn entweder die Online-Anwendung eNotices oder ein TED eSender genutzt werden. Erstere wird auf dem Informationsportal SIMAP als Web-Anwendung kostenlos zur Verfügung gestellt.826 Diese enthält die Standardformulare aus den Anhängen der Durchführungsverordnung als strukturierte Online-Formulare. Zudem findet eine Eingabeprüfung der Pflichtfelder statt, um Fehleingaben zu vermeiden und die Datenqualität zu erhöhen. TED eSender sind demgegenüber Auftraggeber oder private Dienstanbieter, die die Bekanntmachungen als standardisierte XML-Dateien mittels einer eigens entwickelten Softwareanwendung über eine entsprechende XML-Schnittstelle an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union übermitteln. Die Bekanntmachungen werden spätestens fünf Tage 819

Art. 51 Abs. 2 S. 1 VRL; Art. 71 Abs. 2 S. 1 SRL; Art. 33 Abs. 2 S. 1 KRL. Vgl. Art. 36 Abs. 2 UA. 1 VKR; Art. 44 Abs. 2 UA. 1 SKR. 821 Art. 51 Abs. 1 UA. 1 i. V. m. Anhang V VRL; Art. 71 Abs. 1 UA. 1 i. V. m. Anhängen VI Teil A und B, X, XI und XII SRL; Art. 33 Abs. 1 UA. 1 i. V. m. Anhängen V, VII und VIII KRL. 822 In anderen Amtssprachen wird eine Zusammenfassung publiziert, vgl. Art. 51 Abs. 3 VRL; Art. 71 Abs. 3 SRL; Art. 33 Abs. 3 KRL. Zudem bietet TED die kostenlose Möglichkeit, eine unrevidierte maschinelle Übersetzung in allen Amtssprachen zu generieren. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Inhalt des Bekanntmachungstextes dabei nur „ungefähr“ wiedergegeben wird. 823 Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 der Kommission vom 11. November 2015 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen für öffentliche Aufträge und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 842/2011. 824 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 37, Rn.  6. 825 Vgl. Anhang Nr. 3 VIII VRL; Anhang IX Nr. 3 SRL; Anhang IX Nr. 2 KRL. Die dort jeweils angegebene URL http://simap.europa.eu ist als dynamischer Verweis zu verstehen, denn die Adresse wurde nach Erlass der Richtlinien in http://simap.ted.europa.eu [zuletzt abegrufen am 1.12.2018] geändert. 826 Erforderlich ist eine vorherige Registrierung, http://simap.europa.eu/enotices/EcasRegister​ User.do [zuletzt abegrufen am 1.12.2018]. Empfohlen wird die Nutzung von eNotices vor allem für Auftraggeber, die jährlich nur eine geringe Anzahl von europaweiten Ausschreibungen durchführen, vgl. https://simap.ted.europa.eu/de_DE/web/simap/sending-electronic-notices [zuletzt abegrufen am 1.12.2018]. 820

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

nach der Übermittlung im elektronisch geführten Supplement zum Amtsblatt der EU veröffentlicht,827 das in Form der TED-Datenbank online kostenlos nach einer Registrierung eingesehen werden kann.828 Das Amt für Veröffentlichungen der EU stellt den Auftraggebern eine Bestätigung des Erhalts der übermittelten Bekanntmachung und hinsichtlich der Veröffentlichung aus, die als Nachweis für letztere dient.829 Die Veröffentlichungskosten trägt die EU.830 bb) Veröffentlichungen im Beschafferprofil Im Anwendungsbereich der VRL und SRL besteht für öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber die in den Vergabekoordinierungsrichtlinien erstmals eingeführte Möglichkeit zur Anlegung von Beschafferprofilen im Internet. Die Richtlinienvorgaben enthalten – wie die inhaltlich weitgehend parallelen Vorgängerregelungen – keinen gesonderten Artikel zu den Beschafferprofilen. Vielmehr werden diese nur im Zusammenhang mit der Vorinformation und nationalen Parallelver­ öffentlichungen erwähnt.831 Aus den Vorgaben ergibt sich, dass eine Vorinformation, die nicht zum Wettbewerb dient, im Beschafferprofil exklusiv veröffentlicht werden kann, anstatt diese an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union zur Publikation zu übermitteln.832 Da es sich in diesem Fall lediglich um eine Bekanntgabe der Vergabeabsicht handelt, ist es gerechtfertigt, dass der Unionsgesetzgeber nicht zwingend eine Bekanntmachung im Amtsblatt der EU verlangt. Allerdings ist in diesem Fall eine Mitteilung der Veröffentlichung der Vorinformation im Beschafferprofil mittels des EU-Standardformulars 8 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 an das Amt für Veröffentlichungen der EU zu übermitteln,833 um die unionsweite Transparenz sicherzustellen. Sofern eine Vorinformation als Aufruf zum Wettbewerb dienen soll, darf sie nicht ausschließlich im Beschafferprofil bekannt gemacht werden.834 Dies ist nachvollziehbar, denn eine solche ersetzt unter qualifizierten Voraussetzungen den Inhalt im nicht offenen Verfahren und im Verhandlungsverfahren die Auftragsbekanntmachung, sodass höhere Anforderungen an die Publizität zu stellen sind. Zulässig ist jedoch eine zusätzliche nationale Parallelveröffentlichung nach der Übermittlung an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union im Beschafferprofil.835 Weitere potentielle Inhalte ergeben 827

Art. 51 Abs. 2 S. 2 VRL; Art. 71 Abs. 2 S. 2 SRL; Art. 33 Abs. 2 S. 2 KRL. Vgl. Interinstitutionelle Regeln für Veröffentlichungen, Pkt.  I. 1. 1, http://publications. europa.eu/code/de/de-110100.htm [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 829 Art. 51 Abs. 5 UA. 2 VRL; Art. 71 Abs. 5 UA. 2 SRL; Art. 33 Abs. 2 S. 2 KRL. 830 Art. 51 Abs. 2 S. 3 VRL; Art. 71 Abs. 2 S. 3 SRL; Art. 33 Abs. 2 S. 3 KRL. 831 Vgl. Art. 48 Abs. 1 VRL; Art. 52 Abs. 2 VRL; Art. 67 Abs. 1 SRL; Art. 72 Abs. 2 SRL. 832 Art. 48 Abs. 1 S. 2 VRL i. V. m. Anhang VIII Nr. 2 lit. b) VRL; Art. 67 Abs. 1 S. 3 SRL i. V. m. Anhang IX Nr. 2 b) SRL. 833 Art. 48 Abs. 1 S. 4 f. VRL; Art. 67 Abs. 1 S. 4 f. SRL. 834 Art. 48 Abs. 2 UA. 2 S. 1 VRL; Art. 67 Abs. 2 UA. 2 S. 1 SRL. 835 Vgl. Art. 48 Abs. 2 UA. 2 S. 1 i. V. m. Art. 52 VRL; Art. 67 Abs. 2 UA. 2 S. 2 i. V. m. Art. 72 SRL. 828

VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung 

183

sich aus dem jeweiligen Anhang zu den Vorgaben für die Veröffentlichung.836 Danach kann ein Beschafferprofil des Auftraggebers Angaben über laufende, geplante, vergebene oder annullierte Vergabeverfahren sowie sonstige Informationen von allgemeinem Interesse enthalten, z. B. eine Kontaktstelle und Kontaktdaten wie Telefon- und Faxnummer, Postanschrift und E-Mail-Adresse. Ein Beschafferprofil fungiert demnach als ergänzende Informationsquelle für die Wirtschaftsteilnehmer, die jedoch die zwingenden Publikationspflichten nicht ersetzen kann. Die Einrichtung ist mangels verbindlicher Vorgaben fakultativ. Weiter enthalten die Richtlinienvorgaben keine Anforderungen an die formale Gestaltung. c) Zwischenergebnis Noch im Jahr 2004 hatte die Kommission bemängelt, dass 90 % der zur Veröffentlichung bestimmten Bekanntmachungen von den Auftraggebern in Papierform übermittelt wurden.837 Bereits im Jahr 2009 hatte sich die Zahl exakt umgekehrt, sodass zu diesem Zeitpunkt schon etwa 90 % sämtlicher unionsweit zu ver­öffentlichender Bekanntmachungen in einem strukturierten elektronischen Format eingereicht wurden.838 Dies ist besonders bemerkenswert, weil die Vergabekoordinierungsrichtlinien den Auftraggebern die Wahlfreiheit hinsichtlich der Übermittlungsform eröffneten. Die elektronische Übermittlung der Bekanntmachungen war demnach bereits vor Beginn der Richtlinienreform 2014 weitgehend in den Mitgliedstaaten etabliert. Dies dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass sich die Vorschläge der Kommission zur Pflicht der elektronischen Übermittlung der Bekanntmachungen ausnahmslos und ohne Übergangsfrist im Gesetzgebungsprozess durchsetzen konnten. Hinsichtlich der Nutzung von Beschafferprofilen durch die Auftraggeber gibt es zwar keine unionsweiten Erhebungen. Es erscheint jedoch sinnvoll, dass diese als fakultative Instrumente im Rahmen der VRL und SRL beibehalten wurden. Als ergänzende Publikationsmöglichkeit können sie für Wirtschaftsteilnehmer zur Orientierung hilfreich sein, um sich über den Beschaffungsbedarf des Auftraggebers zu informieren.839 2. Regelung im Kartellvergaberecht Die Umsetzung der Bekanntmachungsvorschriften erfolgt in den Vergabeverordnungen in einem Unterabschnitt unter dem Titel „Veröffentlichungen, Transparenz“840 im zweiten Abschnitt zum Vergabeverfahren. Die Vorgaben für die 836

Anhang VIII VRL; Anhang IX Nr. 2 b) SRL. KOM (2004) 841, S. 4. 838 KOM (2010) 571, S. 8. 839 I.d.S. bereits Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 157. 840 In der KonzVgV firmiert der Unterabschnitt hingegen unter „Bekanntmachungen“. 837

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Veröffentlichungen von Auftragsbekanntmachungen, Vorinformationen, Vergabebekanntmachungen und Bekanntmachungen über Auftrags- bzw. Konzessionsänderungen, die unter dem Oberbegriff der Bekanntmachungen legaldefiniert werden, sind jeweils in einer übergreifenden Regelung normiert, in die der Verordnungsgeber die Vorgaben zur nationalen Veröffentlichung integriert hat.841 a) Verwendung der EU-Standardformulare Der amtlichen Begründung lässt sich entnehmen, dass für die Bekanntmachungen die EU-Standardformulare gemäß der Anhänge der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 zu verwenden sind.842 Die Veröffentlichung erfolgt in der vom Auftraggeber gewählten Sprache, die verbindlich gilt.843 Ergänzend ergibt sich aus der jeweiligen Einzelvorschrift zu den unterschiedlichen Bekanntmachungen, welches EU-Standardformular im Einzelnen einschlägig ist. aa) Angaben zur elektronischen Kommunikation Die Standardformulare zur Auftragsbekanntmachung844 sowie der Vorinformation845 sind in Bezug auf die Angaben zur elektronischen Kommunikation parallel aufgebaut. Im Abschnitt I. 1. zum Auftraggeber sind zwingend eine E-Mail-Adresse und die URL der Hauptinternetadresse des Auftraggebers zur Kontaktaufnahme anzugeben sowie ggf. eine abweichende Dienststelle, von der weitere Informationen bezogen werden können. Im Unterabschnitt I. 3. „Kommunikation“ muss im Regelfall die Internetadresse verzeichnet werden, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abrufbar sind.846 sowie diejenige, unter welcher die Angebote und / ​oder Teilnahmeanträge elektronisch einzureichen sind. Die im Unterabschnitt I. 3. anzugebende URL ist nicht deckungsgleich mit 841

§ 40 VgV, § 40 SektVO, § 23 KonzVgV. Systematisch hiervon abweichend werden in der VOB / ​A-EU die Bekanntmachungsarten und deren Veröffentlichungsmodalitäten jeweils in unterschiedlichen Vorschriften geregelt, vgl. § 12 EU, § 18 Abs. 3, Abs. 4 EU und § 22 EU Abs. 5 VOB / ​A. Krit. zur abweichenden Systematik der VOB / ​EU, Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​ UgVO, § 37, Rn. 14 f. 842 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/165, S. 194 (VgV); S. 258 (SektVO). In der VOB / ​A-EU wird hingegen auf die Anhänge der VRL verwiesen, die der später erlassenen Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 zugrunde liegen. 843 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/165, S. 194 (VgV); S. 259 (SektVO). Im Lichte der Art. 51 Abs. 3 S. 1 f. VRL; Art. 71 Abs. 3 S. 1 f. SRL ist auch die Wahl mehrerer EU-Amtssprachen zulässig. Entsprechendes gilt auch im Rahmen der KonzVgV unmittelbar gem. Art. 33 Abs. 3 S. 1 f. KRL. 844 Standardformular 2 (VgV); Standardformular 5 (SektVO); Standardformular 24 (KonzVgV). 845 Die zwingend anzugebenden Informationen sind davon abhängig, ob es sich um eine unverbindliche Bekanntmachung handelt oder ob diese zur Fristverkürzung bzw. als Aufruf zum Wettbewerb dienen soll, vgl. Standardformular 1 (VgV); Standardformular 4 (SektVO). 846 Zu den Anforderungen. Kap. D. VII. 2.

VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung 

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der Kontaktadresse, sondern betrifft die im Verfahren zu verwendenden elektronischen Mittel. In beiden Punkten wird regelmäßig die URL der vom Auftraggeber eingesetzten E-Vergabeplattform verfahrensspezifisch einzutragen sein. Sofern im Ausnahmefall alternative elektronische Mittel847 eingesetzt werden sollen, hat der Auftraggeber bekannt zu machen, unter welcher Internetadresse gebührenfrei ein uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang zur Verfügung steht. Fakultativ848 kann zudem in Bezug auf die elektronischen Arbeitsabläufe im zweiten Unterabschnitt des Abschnitts VI zu weiteren Angaben mitgeteilt werden, dass die Auftragserteilung elektronisch erteilt wird, sowie ob eine elektronische Rechnungsstellung849 zugelassen wird und die Zahlung elektronisch erfolgt850. Die Bekanntgabe ermöglicht es den Unternehmen, frühzeitig entsprechende Vorkehrungen zu treffen, weshalb es sich empfiehlt, von dieser Option Gebrauch zu machen.851 Im Übrigen bieten die Standardformulare den Auftraggebern nur wenig Spielraum für weitergehende Ausführungen zur elektronischen Kommunikation. Allerdings können im Unterabschnitt VI.3 – in begrenztem Umfang852 – erläuternde Hinweise als zusätzliche Angaben gemacht werden. Unter diesem Punkt kann beispielsweise angegeben werden, ob fortgeschrittene und / ​oder qualifizierte elektronische Signaturen und / ​oder Siegel für bestimmte Verfahrenserklärungen aufgrund der Annahme erhöhter Sicherheitsanforderungen an die zu übermittelnden Daten853 verlangt werden. Wird in einem Verfahren auf die Bereitstellung eines elektronischen Zugangs zu den Vergabeunterlagen – bzw. zu Teilen von diesen – und / ​oder auf die elektronische Einreichung von bestimmten Verfahrenserklärungen verzichtet, ist es zudem denkbar, dass der Auftraggeber an dieser Stelle die wesentlichen Umstände aufzeigt, die die Ausnahme begründen und eine Abweichung rechtfertigen854. Diese frühzeitige Darlegung kann ratsam sein, um einer Rüge durch die Unternehmen vorzubeugen. bb) Verlinkung der Eignungsanforderungen Gemäß § 122 Abs. 4 S. 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftrags­ bekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Im Regelfall bildet die Auftragsbekanntmachung das maß 847

Kap. D. IV. 2. Vgl Anhang V Teil C Nr. 23 VRL, wonach es sich hierbei um „gegebenenfalls“ anzugebende Umstände handelt, so auch Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 37, Rn. 232 f. 849 Die elektronische Rechnungsstellung ist künftig verbindlich zuzulassen, vgl. Kap. F. II. 850 Ggf. ist zudem der Einsatz eines dynamischen Beschaffungssystems oder die Durchführung einer elektronischen Auktion unter Punkt I. V.3 bzw. I. V.6 der Auftragsbekanntmachung einzutragen. 851 Ebenso Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 37, Rn. 233. 852 Bei eNotices ist das Eingabefeld auf 4000 Zeichen begrenzt. 853 Kap. D. V.2)b)aa)(2). 854 Allg. zur Möglichkeit des Auftraggebers an dieser Stelle zu schildern, weshalb von einer Regelverfahrensart abgewichen wird, Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 37, Rn. 234. 848

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

gebliche Mitteilungsmedium.855 Konkretisierend lässt sich den Bestimmungen der Vergabeverordnungen entnehmen, dass die Eignungsnachweise856 dort ebenfalls anzuführen sind.857 Dies entspricht den Anforderungen der Richtlinienbestimmung des Art. 58 Abs. 5 VRL. Vergleichbare Vorgaben bestanden, wenn auch weniger deutlich formuliert,858 implizit bereits vor der Vergaberechtsmodernisierung 2016 im Kartellvergaberecht. Regelungszweck ist es, dass für die interessierten Unternehmen bereits aus der Auftragsbekanntmachung ersichtlich wird, ob sie in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht potentiell geeignet sind, um die Entschließung zur Verfahrensbeteiligung zu ermöglichen.859 Weiterhin höchst umstritten ist in Rechtsprechung und Literatur die formale Frage, ob die wirksame Aufstellung der Eignungsanforderungen deren vollständige Aufnahme in den Bekannt­ machungstext erfordert oder inwieweit es zulässig sein kann, diese durch einen Verweis auf die online bereitgestellten Vergabeunterlagen mittels einer Verlinkung einzubeziehen. (1) Pauschale Verlinkung auf die Vergabeunterlagen Nach Auffassung der VK Südbayern genügt es – trotz des Wortlautes des § 122 Abs. 4 S. 2  GWB  – für eine wirksame Einbeziehung der Eignungskriterien und -nachweise, dass eine pauschale Verlinkung in der Bekanntmachung auf die Vergabeunterlagen erfolgt, welche die Eignungskriterien und -nachweise enthalten.860 Dafür spreche, dass die EU-Standardformulare hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit das Ankreuzen der „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ ausdrücklich zulasse.861 Der Link müsse dafür nicht direkt unter den Eignungsanforderungen des Bekanntmachungsformulars angegeben werden. Die ohnehin erforderliche Verlinkung zu den vollständigen Vergabeunterlagen im Unterabschnitt I. 3. reiche aus. Maßgeblich sei einzig, dass ein Bieter bei der Durch 855

Summa, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 122 GWB, Rn. 51. Vgl. Kap. D. IX. 2. 857 Vgl. § 48 Abs. 1 VgV; § 29 Abs. 2 S. 1 KonzVgV. S. auch § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 S. 1 VOB / ​A. Eine entsprechende Regelung enthält die SektVO nicht. 858 Vgl. insb.§ 15 EG Abs. 1 VOL / ​A (2009); § 9 Abs. 1 VOF (2009), die die Verwendung der Standardformulare Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 anordneten, die nach den Vorgaben Anhang VII, Teil A, Nr. 17 RL 2004/18/EG auch die Benenunng die Eignungskriterien und -nachweise verlangten, vgl. ausführlich dazu Zimmermann, jurisPR-VergR 5/2018 Anm. 4, Pkt. C. 859 Vgl.OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.2011, VII-Verg 60/11, juris Rn. 28; Beschl. v. 11.7.2018 – Verg 24/18 –, juris, Rn. 55; dies müsse „auf einen Blick“ möglich sein, Summa, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 122 GWB, Rn. 54.1; ihm nachfolgend VK Nordbayern, Beschl. v. 15.2.2018 – RMF-SG21-3194-3-1 –, juris, Rn. 63; VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 9.8.2018 – VK 2 – 11/18 –, juris, Rn. 21 f. 860 VK Südbayern, Beschl. v. 15.9.2017 – Z3-3-3194-1-30-06/17 –, juris, Rn. 120 ff. 861 VK Südbayern, Beschl. v. 15.9.2017 – Z3-3-3194-1-30-06/17 –, juris, Rn. 123. 856

VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung 

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sicht der Bekanntmachung ohne Mitwirkung des Auftraggebers sowohl von den Eignungskriterien als auch von den vorzulegenden Nachweisen Kenntnis nehmen kann.862 (2) Unmittelbare Verlinkung der Eignungsanforderungen Der wohl überwiegende Teil der Rechtsprechung und der Literatur nehmen die Vereinbarkeit einer Verlinkung der Eignungsanforderungen mit § 122 Abs. 4 S. 2 GWB zumindest unter bestimmten Voraussetzungen an. Ausgehend von einer grundlegenden Entscheidung des OLG Düsseldorf zu den bereits vormals im nationalen Vergaberecht geltenden Regelungen wird dafür eine unmittelbare Verlinkung des Dokuments in den Vergabeunterlagen verlangt, aus dem sich die Eignungsanforderungen ergeben. Erforderlich sei dabei, dass die am Auftrag interessierten Unternehmen durch bloßes Anklicken des Links direkt zu dem entsprechenden Dokument, z. B. einem Formblatt, gelangen, um dieses öffnen und ausdrucken zu können.863 Dadurch werde die freie Zugänglichkeit der Informationen gewährleistet. Ferner entspreche es zugleich in transparenter Weise dem Regelungszweck, den Unternehmen die Teilnahmeentscheidung zu ermöglichen. Das OLG Düsseldorf hat das Festhalten an dieser Sichtweise nach der Vergaberechtsmodernisierung 2016 grundlegend bestätigt.864 Es ergänzte jedoch die Anforderungen unter Bezugnahme auf eine vorhergehende Entscheidung des OLG Frankfurt dahingehend, dass sich der Direktlink zu den aufgestellten Eignungsanforderungen nicht an einer versteckten – missverständlich bezeichneten – Stelle der Auftragsbekanntmachung befinden dürfe, an der er von potentiellen Bewerbern bzw. Bietern übersehen werden könnte.865 Dies könne nur bei einem unmittelbar in die Auflistung der Eignungsanforderungen eingebundenen Link angenommen werden. Die pauschale Verlinkung oder Verweisung in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen oder auf „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ sei weder mit dem Wortlaut von § 122 Abs. 4 S. 2 GWB noch mit dem Regelungszweck vereinbar, da 862 VK Südbayern, Beschl. v. 15.9.2017  – Z3-3-3194-1-30-06/17  –, juris, Rn. 125; nachfolgend offenbar auch VK  Nordbayern, Beschl. v. 9.4.2018  – RMF-SG21-3194-3-5 Rn. 73 in Abweichung zum vorhergehenden Beschl.  v. 15.2.2018  – RMF-SG21-3194-3-1  –, juris, Rn. 60. 863 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.2011, VII-Verg 60/11, juris, Rn. 28; VK RheinlandPfalz, Beschl. v.  9.8.2018  – VK 2  – 11/18  –, juris, Rn. 21 f.; VK Nordbayern, Beschl. v. 15.2.2018 – RMF-SG21-3194-3-1 –, juris, Rn. 60; Opitz, in: Burgi / ​Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB, § 122, Abs. 1, Rn. 98; Summa, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 122 GWB, Rn. 53 ff.; Gnittke / ​Hattig, in: Müller-Wrede, GWB, § 122, Rn. 107; wohl auch, aber mangels Entscheidungsrelevanz offenlassend OLG München, Beschl. v. 27.7.2018 – Verg 02/18 –, juris, Rn. 77 f. 864 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2018 – Verg 24/18 –, juris, Rn. 48 ff. 865 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2018 – Verg 24/18 –, juris, Rn. 57 mit Bezugnahme auf OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.2.2015, 11 Verg 11/14 –, juris, Rn. 60; ebenso Opitz, in: Burgi / ​ Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB, § 122, Abs. 1, Rn. 98.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

die Interessenten erst die gesamten Vergabeunterlagen sichten müssen, um sich die Eignungsanforderungen und die zu erbringenden Nachweise zu erschließen.866 Dies sei insbesondere ausländischen Bietern nicht zumutbar. (3) Vollständige Angabe in der Bekanntmachung In Teilen der Literatur und von der VK Bund wird die Ansicht vertreten, dass nach der Vergaberechtsmodernisierung 2016 eine wirksame Aufstellung der Eignungskriterien nur durch die vollständige Aufführung in der Auftragsbekanntmachung erfolgen kann.867 Dafür spreche bereits der eindeutige Wortlaut des § 122 Abs. 4 S. 2 GWB, den der Gesetzgeber gegenüber der Vorgängerregelung noch einmal ausdrücklich in dieser Hinsicht konkretisiert hat.868 Die explizite Regelung wäre überflüssig, wenn die Benennung der Eignungsanforderungen in den Vergabeunterlagen ausreichen würde. Zudem spreche auch der Zweck der Regelung, den interessierten Unternehmen die Entschließung bezüglich einer Verfahrensteilnahme zu ermöglichen, dafür, dass dies so einfach wie möglich erfolgen müsse. Dem genüge einzig die vollständige Angabe in der Auftragsbekanntmachung, sodass die Kriterien und Nachweise auf den ersten Blick zur Kenntnis genommen werden können.869 Da der Auftraggeber ohnehin verpflichtet sei, die Eignungsanforderungen konkret zu benennen, entstehe ihm durch die Aufführung im Bekanntmachungstext zudem kein unzumutbarer Aufwand.870 (4) Stellungnahme Die Vorschrift des § 122 Abs. 4 S. 2 GWB i. V. m. § 58 Abs. 1 VgV und § 29 Abs. 2 S. 1 KonzVgV statuiert die Pflicht des Auftraggebers, dass die Eignungskriterien und -nachweise in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind. Der Gesetzgeber hat damit in Umsetzung des ebenfalls klar formulierten Art. 58 Abs. 5 VRL eine eindeutige Regelung getroffen. Dem kann es nicht genügen, wenn sich dem Bekanntmachungstext lediglich ein pauschaler Link zu den vollständigen Vergabeunterlagen, die die Eignungsanforderungen enthalten, entnehmen lässt, wie es die 866

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2018 – Verg 24/18 –, juris, Rn. 56. Hausmann / ​von Hoff, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 122 Rn.  42; Overbuschmann, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 48 VgV, Rn. 8; Csaki, in: Boyk / ​Jaeger, VergabeR, Rn. 38; wohl auch Zimmermann, jurisPR-VergR 5/2018 Anm. 4, Pkt. C; VK Bund, Beschl. v. 18.92017 – VK 2 – 96/17 –, juris, Rn. 54. 868 Hausmann / ​von Hoff, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, GWB, § 122 Rn. 42; dem folgend VK Bund, Beschl. v. 18.9.2017 – VK 2 – 96/17 –, juris, Rn. 54; wohl auch Csaki, in: Boyk / ​Jaeger, VergabeR, Rn. 38. Ausführl. Darstellung bei Zimmermann, jurisPR-VergR 5/2018 Anm. 4, Pkt. C. 869 Overbuschmann, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 48 VgV, Rn. 8 870 Overbuschmann, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 48 VgV, Rn. 8. 867

VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung 

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VK Südbayern annimmt.871 Die Bezugnahme auf die Möglichkeit, die „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ in den EU-Standardformularen ankreuzen zu können, überzeugt nicht, denn die Musterformulare vermögen es nicht, die zwingenden Richtlinienvorgaben einzuschränken.872 Die von der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur angenommene Zulässigkeit der Angabe eines Direktlinks zu den Eignungsanforderungen in den Vergabeunterlagen erscheint mit dem Wortlaut § 122 Abs. 4 S. 2 GWB gerade noch vereinbar, da – zumindest mittelbar – eine Anführung in der Auftragsbekanntmachung erfolgt. Sie entspricht dem Regelungszweck, den interessierten Unternehmen die Kenntnisnahme der Anforderungen „auf einen Blick“ zu ermöglichen.873 Dies gilt zumindest dann, wenn der Link – wie vom OLG Düsseldorf verlangt – im Bekanntmachungsformular unmittelbar in die Auflistung der Eignungsanforderungen eingebunden wird,874 d. h. in Abschnitt III des jeweiligen EU-Standardformulars. Bislang nicht abschließend entschieden ist allerdings die Zulässigkeit der Direktverlinkung, sofern die Eignungskriterien und -nachweise nicht in einem Dokument aufgeführt, sondern auf mehrere Dateien verteilt sind. Unklar bleibt insoweit, ob in diesem Fall jeweils eine gesonderte Verlinkung der relevanten Stellen im Bekanntmachungstext von der Rechtsprechung für erforderlich gehalten wird oder ein Link zum Unterverzeichnis der Vergabeunterlagen, das mehrere Dokumente enthält, als ausreichend erachtet würde. In Anbetracht der uneinheitlichen Rechtsprechung und fortbestehender Auslegungsunsicherheiten gewährleistet daher allein die vollständige Aufführung der Eignungsanforderungen direkt in der Auftragsbekanntmachung den Auftraggebern hinreichende Rechtsicherheit für die wirksame Einbeziehung. b) Anforderungen an die Übermittlung mit elektronischen Mitteln Nach der jeweiligen Vorschrift zur Veröffentlichung sind Bekanntmachungen an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union „mit elektronischen Mitteln“ zu übermitteln.875 Dieser Wortlaut ist irreführend, denn wie sich den Richt­ linienvorgaben entnehmen lässt, ist die elektronische Übermittlung nur in bestimmter Weise zulässig. Erforderlich ist die Einreichung der Bekanntmachungsformulare in strukturierter Form mittels eNotices oder als zertifizierter TED eSender mit einer Softwareanwendung, die über eine Übermittlungsschnittstelle verfügt. Das 871 Die Entscheidung der VK Südbayern als unvertretbar wertend Summa, in: Heiermann / ​ Zeiss / ​Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 122 GWB, Rn. 54.1. Mittlerweile ist die VK Südbayern von ihrer urspr. Rechtsauffassung wohl abgekehrt, vgl. VK Südbayern, Beschl. v. 20.4.2018 – Z3-3-3194-1-59-12/17 –, juris, Rn. 166. 872 Summa, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 122 GWB, Rn. 54.1. 873 Summa, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-Vergaberecht, § 122 GWB, Rn. 54.1; VK Nordbayern, Beschl.v. 15.2.2018 – RMF-SG21-3194-3-1 –, juris, Rn. 63; VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 9.8.2018 – VK 2 – 11/18 –, juris, Rn. 21 f. 874 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2018 – Verg 24/18 –, juris, Rn. 57. 875 § 40 Abs. 1 S. 1 VgV; § 40 Abs. 1 S. 1 SektVO, § 23 Abs. 1 KonzVgV.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

heißt, eine elektronische Übermittlung einer Bekanntmachung in einem unstruktu­ rierten Format, z. B. als PDF- oder Word-Datei, genügt selbst bei Verwendung der Standardformulare den Anforderungen nicht.876 Der Auftraggeber muss den Tag der Absendung der Auftragsbekanntmachung nachweisen können.877 Die amt­ liche Begründung verlangt dementsprechend, dass die elektronischen Mittel in der Lage sind, das Datum der Übersendung eines Bekanntmachungsformulars zu ermitteln und zu speichern.878 Dies ist möglich durch die Abspeicherung einer Kopie der Bekanntmachung, die von eNotices bzw. durch einen TED eSender automatisch erstellt wird und die das Datum der Absendung enthält.879 Der Nachweis ist insbesondere für die Einhaltung der Mindestfristen von Bedeutung, die bereits ab dem Tag der Absendung der Auftragsbekanntmachung beginnen.880 Ferner ist das Übermittlungsdatum bei einer nationalen Veröffentlichung anzugeben, die erst nach der Veröffentlichung durch das Amt für Veröffentlichungen der EU oder frühestens 48 Stunden nach Bestätigung des Bekanntmachungseingangs publiziert werden darf.881 Diese Angabepflicht ermöglicht die Kontrolle kongruenter Veröffentlichungszeiträume.882 Es muss nachvollziehbar sein, dass eine nationale Bekanntmachung nicht bereits vor der Absendung der unionsweiten Bekanntmachung erfolgt ist. Regelungszweck ist es, die Erlangung eines zeitlichen und inhaltlichen Vorsprungs von nationalen Unternehmen zu unterbinden.883 Die Pflicht zur unionsweiten Bekanntmachung sowie die obligatorische Wartefrist für die nationale Veröffentlichung dienen der Verwirklichung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung von in- und ausländischen Bietern, sodass sie insoweit bewerber- bzw. bieterschützende Wirkung entfalten.884

876

I.d.S. auch Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 40, Rn. 12. In § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 S. 3 VOB / ​A wird daher zutreffend angeführt, dass die Auftragsbekanntmachung „elektronisch“ zu übermitteln ist, wobei in einer Fußnote auf das Portal SIMAP verwiesen wird. 877 § 40 Abs. 1 S. 2 VgV / ​SektVO. Vgl. auch § 12 EU Abs. 3 Nr. 4 S. 1 VOB / ​A. Die KonzVgV enthält – mangels expliziter Vorgabe in der KRL – keine Regelung in dieser Hinsicht. Allerdings kann auch in diesem Bereich der Nachweis von Bedeutung sein, insb. für nationale Parallelbekanntmachungen, § 23 Abs. 3 S. 3 KonzVgV, sodass ein entsprechender Nachweis erbracht werden muss. 878 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/165, S. 194 (VgV); S. 258 (SektVO). 879 Ferber, Fristen im Vergabeverfahren, S. 45. 880 Ferber, Fristen im Vergabeverfahren, S. 45; Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 40, Rn. 16. 881 Vgl. § 40 Abs. 3 S. 1, S. 3 VgV; § 40 Abs. 3 S. 1, S. 3 SektVO; § 23 Abs. 3 S. 1, S. 3 KonzVgV. Vgl. auch § 12 EU Abs. 3 Nr. 5 S. 3 f. VOB / ​A. 882 Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 40, Rn. 30. 883 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 40, Rn.  13. 884 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 40, Rn.  4; Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​ UgVO, § 40, Rn. 39 f.; Völlink, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 40 Rn. 1. Dies gilt nicht für die reine Ordnungsvorschrift in § 40 Abs. 2 VgV; § 40 Abs. 2 SektVO; § 23 Abs. 2 KonzVgV; § 12 EU Abs. 3 Nr 4 S. 2 f. und für lediglich freiwillige nationale Bekanntmachungen, § 40 Abs. 4 VgV; § 40 Abs. 4 SektVO.

VI. Veröffentlichung der Bekanntmachung 

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c) Veröffentlichungen im Beschafferprofil Im Rahmen der VgV und der SektVO ist für öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber die Möglichkeit vorgesehen, sich im Internet zusätzlich ein Beschafferprofil einzurichten.885 Obgleich eine ausdrückliche Regelung in der KonzVgV fehlt, dürften auch Konzessionsgeber, die regelmäßig ohnehin öffent­ liche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber sind, gleichfalls berechtigt sein, sich fakultativ ein Beschafferprofil einzurichten. aa) Ausgestaltung des Beschafferprofils Die parallelen Bestimmungen der VgV und SektVO enthalten keine konkretisie­ renden Vorgaben an die formale Gestaltung des Beschafferprofils im Internet. Die Ausgestaltung obliegt damit dem einzelnen Auftraggeber. Denkbar ist die Einrichtung einer eigenen Internetseite bzw. die Erstellung einer Unterseite zu einer bestehenden Homepage des Auftraggebers, z. B. von dessen Hauptinternetadresse.886 Ebenfalls erscheint es möglich, das Beschafferprofil in eine von ihm genutzte E-Vergabeplattform zu integrieren. In Ermangelung einer entsprechenden europäischen Vorgabe muss die Einrichtung grundsätzlich nicht gegenüber der Kommission notifiziert werden.887 bb) Veröffentlichungsinhalte Dem Wortlaut der parallel formulierten Vorschrift nach enthält die Veröffentlichung von Vorinformationen Angaben über geplante, laufende oder aufgehobene Vergabe­ verfahren, über vergebene Aufträge oder Vergabeverfahren sowie alle sonstigen für die Auftragsvergabe relevanten Informationen, z. B. Kontaktinformationen des Auftraggebers888.889 Die Formulierung, die der jeweiligen Vorgängerregelung entstammt,890 erweist sich in gewisser Weise als missverständlich, denn sie könnte die Definition eines verbindlichen Inhalts suggerieren. In der amtlichen Begründung wird jedoch klargestellt, dass die aufgezeigten Informationen lediglich freiwillig

885

§ 37 Abs. 4 VgV; § 35 Abs. 4 SektVO. Marx / ​Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 37, Rn.  120; Schwabe, in: MüllerWrede, VgV / ​UgVO, § 37, Rn.  259; Völlink, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 37, Rn. 39. 887 Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 37, Rn. 262. Insoweit irreführend ist der Titel des Standardformulars 8 zur „Bekanntmachung eines Beschafferprofils“ der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986. 888 Informationen i.d.S. können auch Formularvordrucke oder einschlägige Rechtsvorschriften sein, vgl. Marx / ​Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 37, Rn.  120. 889 § 37 Abs. 4 S. 2 VgV; § 35 Abs. 4 S. 2 SektVO. 890 Vgl. § 15 EG Abs. 5 VOL / ​A (2009); § 9 VOF (2009); § 12 Abs. 3 SektVO (2009). 886

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

„veröffentlicht werden können“.891 Die Aufzählung möglicher Inhalte ist an die Richtlinienanhänge angelehnt.892 Bei dem Beschafferprofil handelt sich nur um eine „zusätzliche“ Informationsquelle, die der Auftraggeber freiwillig anbieten kann. Damit lässt sich bereits dem Wortlaut entnehmen, dass die dortige Veröffentlichung verfahrensbezogener Informationen die unionsweiten Bekanntmachungspflichten grundsätzlich – mangels hinreichender Publizität – nicht ersetzen können.893 Zulässig ist allenfalls eine inhaltlich identische und zeitlich nachgelagerte Bekanntgabe unter Berücksichtigung der Vorgaben zur nationalen Parallelveröffentlichung.894 Eine eigenständige Bedeutung als Publikationsmittel kommt dem Beschafferprofil allein bei der Vorinformation zu, die nicht als Aufruf zum Wettbewerb dient.895 Erfolgt dort eine exklusive Veröffentlichung, hat der Auftraggeber eine Mitteilung an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union mittels des EU-Standardformulars 8 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 zu übermitteln.896 Dieser Wortlaut verdeutlicht, dass die Publikation der Vorinformation der Mitteilungspflicht zeitlich vorausgeht. Dennoch wird in der Literatur vereinzelt von Rechten die Auffassung vertreten, dass – trotz des Wortlautes – im Hinblick auf den Transparenzgrundsatz die Einhaltung der umgekehrten Reihenfolge geboten sei. Da keine zwingenden Übermittlungsfristen für die Mitteilung an das Amt für Veröffentlichungen der EU vorgesehen sind, könnte ansonsten eine solche durch den Auftraggeber deutlich verzögert werden.897 Dieser Auffassung lässt sich jedoch entgegenhalten, dass eine exklusiv im Beschafferprofil veröffentlichte Vorinformation lediglich der Bekanntgabe der künftigen Beschaffungsabsicht dient, sodass keine erhöhten Publizitätsanforderungen an diese zu stellen sind. Ferner spricht der zugrunde liegende Richtlinienwortlaut, der im Perfekt formuliert ist,898 eindeutig dafür, dass die Mitteilung der Veröffentlichung im Beschafferprofil nachfolgt.899 Diesem Verständnis ist der Verordnungsgeber gefolgt. Dies zeigt der Vergleich zu Vorgängerregelungen,900 die noch ausdrücklich die zeitlich umgekehrte Abfolge normierten.

891

BR-Drs. 16/87, S. 191 (VgV); S. 254 (SektVO). BR-Drs. 16/87, S. 191 (VgV); S. 254 (SektVO). 893 Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 37, Rn. 261; Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 37, Rn. 10. 894 Vgl. BR-Drs. 16/87, S. 191 (VgV); S. 254 (SektVO). 895 Vgl. § 38 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 VgV; § 36 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 SektVO. 896 Vgl. § 38 Abs. 2 S. 2 VgV; § 36 Abs. 2 S. 2 SektVO. Anders ist hingegen der Wortlaut von § 12 EU Abs. 1 Nr. 4 S. 1 Hs. 2 VOB / ​A, in dem ausdrücklich angeordnet wird, dass zuvor eine Mitteilung zu erfolgen hat. 897 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 38, Rn.  17. 898 Vgl. „Wird die Vorinformation […] veröffentlicht, übermitteln sie […] eine Mitteilung […].“, Art. 48 Abs. 1 S. 4 VRL; Art. 67 Abs. 1 S. 4 SRL. 899 Wie hier Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 38, Rn. 37. 900 Vgl. z. B. § 15 EG Abs. 7 VOL / ​A (2009). 892

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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d) Ergebnis Die Umsetzung der Richtlinienvorgaben ist mit der Normierung in einer übergreifenden Vorschrift zur Veröffentlichung von Bekanntmachungen an die Systematik der Richtlinien angelehnt. Allerdings bleibt diese hinsichtlich der Regelungstiefe zur Form und den Modalitäten der Übermittlung hinter den europäischen Vorgaben zurück. In Bezug auf die verbindliche elektronische Übermittlung wird weder aus den Vergabeverordnungen noch aus der amtlichen Begründung ersichtlich, dass eine solche nicht generell mit elektronischen Mitteln zulässig ist, sondern nur mit den Verfahren, die SIMAP hierfür vorsieht. Zwar lassen sich die nationalen Vorgaben dahingehend richtlinienkonform auslegen; eine Klarstellung – zumindest in Form einer amtlichen Anmerkung wie sie noch die Vorgängerregelungen enthielten901 – wäre jedoch wünschenswert gewesen. Im Übrigen werden die Richtlinienvorgaben in der jeweiligen Vorschrift deutlich komprimiert umgesetzt. Insbesondere der in ihnen ausführlicher ausgeführte Veröffentlichungsprozess wird nur in der amtlichen Begründung angedeutet.902 Da aus der Schilderung der Richtlinien hinsichtlich des formalen Ablaufs der Veröffentlichung durch das Amt für Veröffentlichungen der EU und der Kostenübernahme durch die Union jedoch keine Pflichten für die Mitgliedstaaten oder die Auftraggeber erwachsen, begegnet das Fehlen einer entsprechenden Umsetzung im nationalen Recht keinen grundlegenden Bedenken. Die Vorgaben zu der Einrichtung und den Inhalten von Beschafferprofilen werden im Rahmen der VgV und der SektVO ebenfalls hinreichend umgesetzt.

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen Die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen bildet zwar keine wesentliche Neuerung der aktuellen Reformen, sondern war auch schon in der Vergangenheit fakultativ möglich.903 Die Option wird nunmehr allerdings durch obligatorische Vorgaben abgelöst, die zudem im Einzelnen über den bisherigen Pflichtumfang hinausgehen, wie die folgende Darstellung zeigt.

901

So enthielt bspw. § 15 EG Abs. 2 VOL / ​A (2009) die amtl. Anm.: „Das Muster und die Moda­litäten für die elektronische Übermittlung der Bekanntmachungen sind unter http://simap. europa.eu/ ​abrufbar.“ 902 Vgl. Art. 51 Abs. 2 S. 2 f., Abs. 3 S. 3 VRL; Art. 71 Abs. 2 S. 2 f., Abs. 3 S. 3 SRL Abs. 2 S. 3 f., Abs. 3 S. 3 KRL. Ebenso Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 40, Rn.  17. 903 Stoye / ​Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 67.

194

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

1. Richtlinienvorgaben a) Entstehung und Inhalt Die Kommissionsvorschläge beinhalteten eine ausnahmslose Pflicht der Auftraggeber zur elektronischen Verfügbarmachung der Auftrags- bzw. Konzessionsunterlagen904 mit Ablauf der Umsetzungsfrist ohne eine weitere Übergangsmög­ lichkeit. Ab dem Datum der Veröffentlichung der Bekanntmachung bzw. der Aufforderung zur Interessensbestätigung sollte unentgeltlich ein uneingeschränkter, vollständiger, direkter Zugang anhand von elektronischen Mitteln angeboten werden.905 In den Erwägungen wurde betont, dass die Transparenzgewinne und Zeitersparnisse, insbesondere durch die vollständige elektronische Bereitstellung der Auftragsunterlagen und die elektronische Übermittlung der Bekanntmachungen,906 eine Verkürzung der Mindestfristen zur Verfahrensbeschleunigung rechtfertigen würden. Die von der Kommission angestrebte unmittelbare Geltung der Pflicht stieß auf Kritik aus den Mitgliedstaaten. Der deutsche Bundesrat lehnte die Regelung in seiner Stellungnahme mit der Begründung ab, dass darin ein grundsätzlicher Widerspruch zur vorgesehenen zweijährigen Übergangszeit nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die zwingende elektronische Kommuni-kation zu sehen sei.907 Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte hingegen in seiner Stellungnahme die zwingende elektronische Bekanntmachung sowie die elektronische Bereitstellung von Dokumenten grundsätzlich, um die E-Vergabe voranzutreiben. Allerdings ging der BDI ebenso von einer zumindest einjährigen Übergangsfrist aus.908 Trotz dieser nationalen Bedenken herrschte zwischen den europäischen Gesetzgebungsinstitutionen Einigkeit, dass die elektronische Zugänglichmachung ohne eine Übergangszeit eingeführt werden sollte, sodass sich die Kommissionsvorschläge grundsätzlich – allerdings unter Aufnahme bestimmter Ausnahmetatbestände909 – in den endgültigen Richtlinienfassungen durchsetzen konnten.910

904

Im Folgenden wird einheitlich der Terminus „Auftragsunterlagen“ verwendet. Art. 51 Abs. 1 S. 1 VRL-E; Art. 67 Abs. 1 S. 1 SRL-E, der zudem in S. 2 eine Sonderregelung im Fall der Bekanntmachung über das Bestehen eines Qualifizierungssystems enthält; Art. 30 Abs. 1 S. 1 KVR-E bezieht sich alternativ auf das Datum der Bekanntmachung bzw. der Aufforderung zur Angebotsabgabe. 906 Vgl. die Ergänzung der Erwägungen der Kommmission in ErwGrd Nr. 30b Kompromisstext des Rates zur VRL-E, v. 24.7.2012, ErwGrd Nr. 38b Kompromisstext des Rates zur SRL-E, v. 30.10.2012. 907 BR-Drs. 15/12, S. 16. 908 BDI, Stellungnahme zu den Vorschlägen der Kommission zur Neufassung der EU-Ver­ gaberichtlinien, v. 31.5.2012, S. 12. 909 Dazu Kap D. X. 1. b). 910 Vgl. Art. 53 Abs. 1 VRL; Art. 73 Abs. 1 SRL; Art. 34 Abs. 1 KVR. 905

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

195

b) Auslegung der inhaltlichen Vorgaben Die elektronische Verfügbarmachung der Auftragsunterlagen, die in der VKR und SKR bereits fakultativ zur Fristverkürzung möglich war,911 wird nunmehr zum verbindlichen Regelfall. Dies betrifft gemäß der jeweiligen Begriffsbestimmung sämtliche Unterlagen, die der Auftraggeber zur Beschreibung oder Festlegung von Bestandteilen der Auftrags- bzw. Konzessionsvergabe oder des Verfahrens erstellt oder auf die er Bezug nimmt, wozu u. a. auch die Auftragsbekanntmachung zählt.912 Die elektronische Bereitstellung der Auftragsunterlagen soll nach den Erwägungen des Unionsgesetzgebers zur Steigerung der Transparenz führen und in Anbetracht der Zeitersparnisse im Vergleich zur Übermittlung der Unterlagen auf anderem Weg die Effizienz erhöhen.913 aa) Bereitstellung unter einer Internetadresse Für die Bereitstellung der Auftragsunterlagen muss der Auftraggeber eine „Internetadresse“ bekanntmachen, unter der die Auftragsunterlagen verfügbar sind.914 Als irreführend erweist sich insoweit, dass in den Richtlinienanhängen im Zusammenhang mit den Informationen, die in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind, alternativ die Möglichkeit eröffnet wird, eine E-Mail- oder Internet-Adresse anzugeben, unter die Unterlagen abgerufen werden können.915 Hierbei dürfte es sich wohl um ein Redaktionsversehen handeln.916 Gegen die Zulässigkeit der Angabe einer E-Mail-Adresse spricht der insoweit eindeutige Wortlaut der jeweiligen Richtlinienbestimmung. Der darin verwendete Begriff der Internetadresse bezieht sich ausschließlich auf eine Web-Domain in Form einer URL. Dieses Verständnis bestätigt sich zudem in den Standardformularen der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986, die zur Bekanntmachung verbindlich zu verwenden sind, und nur die Angabe einer solchen zulassen.917 Ferner stehen die Anforderungen der uneingeschränkten und direkten Bereitstellung einer Übermittlung der Unterlagen per E-Mail, selbst wenn sie automatisch erfolgt (autoreply), grundlegend entgegen.918

911

Art. 38 Abs. 6 VKR; Art. 45 Abs. 6 SKR. Art. 2 Nr. 13 VRL; Art. 2 Nr. 9 SRL; Art. 5 Nr. 12 KVR. 913 ErwGrd Nr. 80 S. 3 VRL; ErwGrd Nr. 89 S. 3 SRL. 914 Art. 53 Abs. 1 UA. 1 S. 2; Art. 73 Abs. 1 UA. 2 S. 2 SRL; Art. 34 Abs. 1 S. 2 KVR. 915 Vgl. Anhang V Teil C Nr. 2 VRL; Anhang XI Teil A Nr. 10 SRL; Anhang V Nr. 3 KVR. 916 Pfarr, Die elektronische Bereitstellung von Vergabeunterlagen – vier Fragen (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 27222, v. 4.09.2016. A. A. offenbar Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 249. 917 Vgl. Abschn. I.3 Standardformular 2; Standardformular 5; Standardformular 24.  918 Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (144). Diese Position hat die Kommission bereits zu den Vorgängerrichtlinien betont, vgl. Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 12. 912

196

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

bb) Uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang Die uneingeschränkte und direkte Verfügbarmachung anhand von elektronischen Mitteln erfordert, dass der Auftraggeber einen medienbruchfreien elektronischen Zugang zu den Auftragsunterlagen anbietet.919 Dem genügt deren Bereitstellung zum Download auf einer Internetseite.920 Nicht eindeutig entnehmen lässt sich den Richtlinienvorgaben, ob zuvor eine Registrierung von den Interessenten verlangt werden darf. Sowohl das Erfordernis der Uneingeschränktheit als auch der Direktheit scheinen dem potentiell entgegenzustehen, denn eine Registrierungspflicht bildet stets eine gewisse Zugangsbeschränkung921 und hindert die unmittelbare Abrufbarkeit. Dennoch vertrat die Kommission zu den gleichlautenden Anforderungen der VKR und SKR die Rechtsauffassung, dass das Verlangen einer simplen Registrierung, z. B. unter Angabe einer E-Mail-Adresse und der Festlegung eines Benutzernamens mit Passwort, mit diesen Anforderungen im Einklang stehe.922 Da der Unionsgesetzgeber diesem Verständnis nicht durch eine klarstellende Regelung oder abweichende Erwägungen in den reformierten Richtlinien entgegengetreten ist, dürfte nach der Neuregelung der Vorgaben, die auf den Vorschlägen der Kommission basieren, das Verlangen einer Registrierung nicht generell ausgeschlossen sein.923 Zu beachten ist allerdings, dass die Kommission in diesem Zusammenhang bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen hat, dass „idealerweise“ keine Registrierung zu verlangen sei. Es muss ferner ein vollständiger Zugang zu den Auftragsunterlagen bereitgestellt werden.924 Der Unionsgesetzgeber rechtfertigt die vorgesehenen Fristverkürzungen mit dem Transparenzgewinn und den Zeitersparnissen, die mit der voll­ständigen elektronischen Bereitstellung der Auftragsunterlagen einhergehen.925 Dies erscheint grundsätzlich sachgerecht, denn beim Download der Unterlagen von einer Internetseite entsteht – im Vergleich zur vormals regelmäßig postalischen Übersendung – kein nennenswerter übermittlungsbedingter Zeitverlust. Erforderlich ist dafür aber, dass die Auftragsunterlagen schon zu einem frühen Verfahrenszeitpunkt vollständig elektronisch bereitgestellt werden. Als Regelzeitpunkt benennen die Richtlinien insoweit einheitlich die Auftragsbekanntmachung.926 Es wird dabei im Wortlaut nicht differenziert, ob ein einstufiges Verfahren durchgeführt wird oder zuvor ein Teilnahmewettbewerb stattfindet.927 Dass im Anwendungsbereich der VRL und SRL die vollständige Bereitstellung der Auftragsunterlagen auch bei zweistufigen 919

Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht. S. 249. Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (144); Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 53, Rn. 3. 921 Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht. S. 250. 922 Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 12. 923 Ebenso Steinike, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 53, Rn. 3. 924 Art. 51 Abs. 1 UA. 1 S. 1 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 1 VRL; Art. 34 Abs. 1 KVR. 925 ErwGrd Nr. 80 S. 3 VRL; ErwGrd Nr. 89 S. 3 SRL. 926 Art. 51 Abs. 1 UA. 1 S. 1 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 1 VRL; Art. 34 Abs. 1 KVR. 927 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 27. 920

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

197

Verfahren intendiert ist, spiegelt sich in der Richtliniensystematik wider. In der jeweils nachfolgenden Bestimmung zur „Aufforderung an die Bewerber“ heißt es, dass die Aufforderung zur Angebotsabgabe, zur Teilnahme am Dialog oder an Verhandlungen, also zur jeweils zweiten Verfahrensphase, einen Verweis auf die elektronische Adresse enthalten muss, über welche die Auftragsunterlagen elek­ tronisch zur Verfügung gestellt wurden.928 Die Verwendung des Präteritums zeigt, dass zuvor bereits die vollständige elektronische Bereitstellung vorangegangen sein muss. Dies verdeutlicht ferner der Vergleich mit der Bestimmung in der KVR, die im Gegensatz zur VRL und SRL als alternativen Bereitstellungszeitpunkt explizit das Datum der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe benennt.929 Da im Rahmen der KVR der Grundsatz der freien Verfahrens-gestaltung gilt, eröffnet der Unionsgesetzgeber den Auftraggebern in diesem Bereich zutreffend ein größeres Maß an Flexibilität. cc) Ergänzung des Erfordernisses der Unentgeltlichkeit Die Notwendigkeit der Verfügbarmachung eines unentgeltlichen Zugangs zu den Auftragsunterlagen wird um die zwingenden Anforderungen an die Bereitstellungspflicht im Vergleich zu den Bestimmungen der VKR und SKR erweitert. Damit revidiert die Kommission, auf deren Vorschlägen die Erweiterung basiert, explizit ihre noch zuvor geäußerte Rechtsauffassung, dass die Auftraggeber für das Herunterladen der Unterlagen eine Gebühr von den interessierten Unternehmen verlangen können, solange die Zahlung ohne weitere Zwischenschritte auf derselben Internetseite erfolgen könne und unterschiedliche international verbreitete Zahlungsarten akzeptiert würden.930 Die danach unter den Vorgängerrichtlinien gängige Praxis, die Unterlagen nur gegen ein Entgelt den interessierten Wirtschaftsteilnehmern online anzubieten,931 bildeten de facto ein Beteiligungshemmnis932, dem der Unionsgesetzgeber durch die Neuregelung nunmehr entgegentritt. Da sich die Unentgeltlichkeit auf den „Zugang“ und nicht nur auf den „Abruf“ richtet, ist von einem umfänglichen Verständnis auszugehen. Unvereinbar erscheint das Erheben von Gebühren sowohl für das Auffinden als auch für das Herunterladen der Unterlagen.

928

Zutreffend Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  37. Art. 34 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 KVR. In der VRL und SRL wird hingegen als alternativer Zeitpunkt nur der Sonderfall der Aufforderung zur Interessensbestätigung genannt. Dieser ist nur relevant, wenn ein Interessensbekundungsverfahren nach einer qualifizierten Vorinformation, die die Auftragsbekanntmachung ersetzt, vgl. Art. 48 Abs. 2 VRL; Art. 67 Abs. 2 SRL, durchgeführt wird. 930 Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 12. 931 Dazu Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht. S. 251. 932 Niemeier / ​Zimmermann, in: Zimmermann, E-Vergabe, S. 17. 929

198

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

c) Zwischenergebnis Die Pflicht zur unentgeltlichen Bereitstellung eines uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugangs zu den Auftragsunterlagen anhand von elektronischen Mitteln trägt in besonderem Maße zu der angestrebten Transparenzsteigerung und zur Verfahrensbeschleunigung bei. Die Zurverfügungstellung der Unterlagen in dieser Form bildet nach dem Willen des Unionsgesetzgebers künftig den primären Regelfall in allen drei Richtlinien, von dem die Auftraggeber nur in dem eng umgrenzten Rahmen der Ausnahmefälle933 abweichen dürfen. 2. Regelung im Kartellvergaberecht Der deutsche Verordnungsgeber hält nach der Vergaberechtsmodernisierung 2016 weiterhin an der nationalen Terminologie der „Vergabeunterlagen“ fest. Der Begriff wird zwar in den Vergabeverordnungen nicht legaldefiniert. Es findet sich allerdings in der VgV und KonzVgV jeweils eine separate Vorschrift zu dem potentiellen Inhalt.934 In § 29 Abs. 1 S. 1 VgV wird abstrakt bestimmt, dass von den Vergabeunterlagen alle Angaben erfasst sein sollen, die Interessenten eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren ermöglichen. Dies soll nach der amtlichen Begründung die Begriffsbestimmung der Richtlinien einschließen, ohne mit dieser kongruent zu sein. Hiernach sind sämtliche Unterlagen umfasst, die der Auftraggeber erstellt oder auf die er sich bezieht, um Teile des Vergabeverfahrens zu definieren.935Als wesentlicher inhaltlicher Unterschied umfassen die Vergabeunterlagen im nationalen Verständnis nicht die Auftragsbekanntmachung. Diese Klarstellung des Verordnungsgebers936 ist im Zusammenhang mit der Pflicht zur elektronischen Bereitstellung durchaus sinnvoll, denn gerade in der Bekanntmachung ist die Internetadresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen abrufbar sind. Der Zugriff auf die Dokumente setzt also gerade die Kenntnis über die Abrufmöglichkeit aus der Auftragsbekanntmachung voraus. Es wäre daher widersinnig zu verlangen, dass die Bekanntmachungen – als Bestandteil der Auftragsunterlagen im Sinne der Richtlinien – wiederum unter der Internetadresse abrufbar sein müssen.937 In der jeweiligen Vorschrift zur „Bereitstellung der Vergabeunterlagen“ werden die Anforderungen an die elektronische Verfügbarmachung weitgehend einheitlich in den Vergabeverordnungen umgesetzt. Damit wird die bis dahin im Kartellvergaberecht bestehende fakultative elektronische Verfügbarmachung verbunden

933

S. hierzu Kap.D. X. 1. b). § 29 VgV; § 16 KonzVgV. Vgl. auch § 8 EU Abs. 2 VOB / ​A. 935 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195. Der Wortlaut des § 16 S. 1 KonzVgV orientiert sich von vorneherein wesentlich stärker an der Begriffsbestimmung der KVR. 936 Ausdrücklich zu § 29 VgV, Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 182. 937 Dies ebenfalls für „unsinnig“ haltend Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn. 17. 934

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

199

mit einer Fristenverkürzung938 zum Regelfall erklärt.939 Nach den Vorgaben ist in der Auftragsbekanntmachung oder Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abrufbar sind.940 Sprachlich richtet der Verordnungsgeber damit den Fokus stärker auf die Verpflichtung zur Angabe einer elektronischen Adresse.941 Den Kern bildet jedoch auch in der nationalen Umsetzung die Pflicht zur Bereitstellung eines Zugangs zu den Vergabeunterlagen unter den genannten Anforderungen, wie bereits der jeweilige Paragrafentitel942 zeigt. a) Bereitstellungszeitpunkt Grundsätzlich sind die Vergabeunterlagen vom Tag der Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung an zur Verfügung zu stellen.943 aa) Sonderfall: Aufforderung zur Interessensbestätigung Alternativ ist im Anwendungsbereich der VgV / ​SektVO eine Bereitstellung ab dem Zeitpunkt der Aufforderung zur Interessenbestätigung zulässig.944 Diese Möglichkeit besteht allerdings nur im nicht offenen Verfahren und im Verhandlungsverfahren bei vorheriger Veröffentlichung einer qualifizierten Vorinformation als Aufruf zum Wettbewerb durch subzentrale öffentliche Auftraggeber945 bzw. durch Sektorenauftraggeber.946 Ein derartiger Wettbewerbsaufruf substituiert eine Auf 938

Vgl. § 12 EG Abs. 6 VOL / ​A (2009); § 18 Abs. 3 SektVO (2009); § 10 EG Abs. 1 Nr. 4 VOB / ​A (2012). 939 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  2. 940 § 41 Abs. 1 VgV; § 41 Abs. 1 SektVO; § 17 Abs. 1 KonzVgV. Im Wortlaut und der Systematik dgg. abweichend § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB / ​A. 941 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  3. 942 § 41 Abs. 1 VgV; § 41 Abs. 1 SektVO; § 17 Abs. 1 KonzVgV. Irreführend ist dgg. der Titel „Versendung der Vergabeunterlagen“ von § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB / ​A, der die Beibehaltung der Rechtslage vor der Vergaberechtsmodernisierung 2016 suggeriert. Hierzu auch Horn, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 41, Rn.  4. 943 Vgl. § 41 Abs. 1 Alt. 1 VgV; § 41 Abs. 1 Alt. 1 SektVO; § 17 Abs. 1 Alt. 1 KonzVgV. Die Konkretisierung ergibt sich erst aus Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 (VgV); S. 259 (SektVO); S. 289 (KonzVgV). Vgl. auch § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Alt. 1 VOB / ​A. 944 § 41 Abs. 1 Alt. 2 VgV; § 41 Abs. 1 Alt. 2 SektVO; § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 VOB / ​A. In § 17 Abs. 1 Alt.  2 KonzVgV wird hingegen die „Aufforderung zur Angebotsabgabe“ als alternativer Zeitpunkt genannt, sofern die Konzessionsbekanntmachung eine solche nicht enthält. Dies trägt dem Grundsatz der freien Verfahrensgestaltung, § 12 Abs. 1 S. 1 KonzVgV, bei der Konzessionsvergabe Rechnung. 945 D. h. alle öffentl. Auftraggeber mit Ausnahme der obersten Bundesbehörden, vgl. § 12 EU Abs.  2 Nr.  3 VOB / ​A. 946 § 38 Abs. 4 VgV; § 12 EU Abs. 2 VOB / ​A. Bzw. „regelmäßig nicht verbindlichen Bekanntmachung als Aufruf zum Wettbewerb“, § 36 Abs. 4 SektVO.

200

D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

tragsbekanntmachung, sofern die zwingenden Mindestanforderungen erfüllt werden.947 Unternehmen, die sodann fristgerecht eine Interessenbekundung übermitteln, werden im Anschluss – frühestens 35 Tage und spätestens 12 Monate nach Veröffentlichung948 – vom Auftraggeber elektronisch949 zur Interessensbestätigung aufgefordert.950 Diese Aufforderung, die den Teilnahmewettbewerb einleitet, bildet bei einem vorgeschalteten Interessenbekundungsverfahren regelmäßig951 den entscheidenden Zeitpunkt für die Bereitstellung der Vergabeunterlagen. Dies bedingt bereits der Umstand, dass die Vergabeunterlagen bei einer – maximal 12 Monate vor Aufforderung erfolgenden  – Vorinformation noch nicht erstellt worden sein dürften.952 Dem Wortlaut lässt sich allerdings nicht entnehmen, ob für den Bereitstellungszeitpunkt auf den Zugang der Aufforderung zur Interessensbestätigung bei den Unternehmen953 oder die Absendung beim Auftraggeber abzustellen ist. Bei der elektronischen Übermittlung werden sich zwar regelmäßig keine wesentlichen zeitlichen Divergenzen ergeben. Der Wortlaut der zugrunde liegenden Richtlinienbestimmungen nimmt in der englischen Sprachfassung jedoch eindeutig Bezug auf die Versendung.954 Zudem spricht auch die Verordnungssystematik für eine Abstellung auf den Versendungszeitpunkt, denn dieser ist auch für die Fristberechnung hinsichtlich des Eingangs der Erklärungen zur Interessenbestätigung maßgeblich955. bb) Sonderfall: Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb Im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, das nur in den abschließend genannten, restriktiv auszulegenden Ausnahmefällen zulässig ist,956 erfolgt weder eine Auftragsbekanntmachung noch eine Aufforderung zu Interessenbestätigung. Mangels einer spezielleren Regelung besteht insoweit eine Regelungs­lücke

947

Vgl. § 38 Abs. 4 S. 1 VgV; § 12 EU Abs. 2 S. 1 VOB / ​A; § 36 Abs. 4 S. 1 SektVO. Vgl. § 38 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 VgV; § 36 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 SektVO; § 12 EU Abs. 2 S. 1 Nr. 1 d) VOB / ​A. 949 Mangels spezieller Regelung gilt der Grundsatz der elektronischen Kommunikation, ebenso Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 38, Rn. 78; a. A. Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​ Portz / ​Prieß, VgV, § 38, Rn.  49. 950 § 38 Abs. 5 S. 1 VgV; § 36 Abs. 5 S. 1 SektVO; § 12a EU Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 Alt. 2 VOB / ​A. 951 Die Internetadresse, unter der Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt werden, kann entweder bereits in der qualifizierten Vorinformation angegeben werden oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung, wie in FN 12 zu Standardformularen 1 und 4 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 klargestellt wird. 952 Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil III Pkt. 2 b), blog.cosinex.de v. 29.2.2016. 953 Ohne nähere Begr. Schmidt, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 13. 954 Vgl. „the date on which an invitation to confirm interest was sent“, Art. 53 Abs. 1 UA. 1 S. 1 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 1 SRL. Zutreffend Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 4. 955 Vgl. § 38 Abs. 5 S. 3 VgV; § 36 Abs. 5 S. 3 SektVO. 956 § 14 Abs. 4 VgV; § 13 Abs. 2 SektVO; § 3a EU Abs. 3 VOB / ​A. 948

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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hinsichtlich des Bereitstellungszeitpunktes der Vergabeunterlagen. Wankmüller erwägt insoweit in „richtlinienkonformer Auslegung“ die Beachtung des nicht in dieser Form umgesetzten Art. 54 Abs. 2 VRL 2014/24/EU.957 Danach muss die Aufforderung zur Angebotsabgabe einen Verweis auf die elektronische Adresse enthalten, über die die Auftragsunterlagen direkt elektronisch zur Verfügung gestellt wurden. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass sich die Regelung im ersten Absatz lediglich auf zweistufige Verfahren mit Teilnahmewettbewerb bezieht, bei denen die Angabe der Internetadresse, unter der die Vergabeunterlagen abrufbar sind, bereits in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessenbestätigung erfolgt ist. Dies zeigt der Richtlinienwortlaut, der lediglich einen Verweis auf die Internetadresse zu den bereits zur Verfügung gestellten Unterlagen fordert und die Bereitstellung der Vergabeunterlagen bereits voraussetzt, wie die Verwendung des Präteritums („wurde“) zeigt.958 Dennoch ist für die Verfügbarmachung der Vergabeunterlagen zutreffenderweise auf die Aufforderung zur Angebotsabgabe abzustellen. Dies ist verfahrensimmanent, denn die Aufforderung leitet – mangels vorhergehender Bekanntmachungen – das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ein. Auftraggeber dürften bei dieser Verfahrensart zudem berechtigt sein, die Vergabeunterlagen direkt elektronisch an die ausgewählten Unternehmen zu übermitteln.959 Für eine analoge Anwendung der Bereitstellungspflicht auf einer Internetseite gem. § 41 Abs. 1 VgV / ​SektVO fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage, da die Grundsätze der Transparenz und des Wettbewerbs im ausnahmsweise zulässigen Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erheblich eingeschränkt sind. b) Angabe einer elektronischen Adresse Zur Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen ist eine „elektronische Adresse“ anzugeben.960 Diese Wortwahl erweist sich als missverständlich, denn darunter könnte durchaus eine E-Mail-Adresse des Auftraggebers verstanden werden.961 Dies zeigt insbesondere eine systematische Betrachtung. Im Kontext des Registrierungs­ verbots für den Zugang zu den Vergabeunterlagen962 versteht der Verordnungs­ geber ausdrücklich unter einer elektronischen Adresse die Angabe einer E-Mail 957 Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017. 958 Dazu bereits oben Kap. D. VII. 1. b) bb). 959 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 40, Rn.  10; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 5. 960 § 41 Abs. 1 VgV; § 41 Abs. 1 SektVO; § 17 Abs. 1 KonzVgV. Anders hingegen § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB / ​A, der ausdrücklich die Angabe einer Internetadresse erfordert. 961 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  12; Schmidt, in: Säcker, MüKoEu​ WettbR, VgV, § 41, Rn. 9. 962 § 9 Abs. 3 S. 2 Hs. 1VgV; § 9 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 SektVO; § 7 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 KonzVgV; § 11 EU Abs. 6 S. 2 VOB / ​A. Dazu sogleich unter Kap. D. VII. 2. d) cc).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Adresse bzw. einer DE-Mail-Adresse von Unternehmen mit Sitz in Deutschland.963 Die Zulassung der Angabe einer E-Mail- (oder DE-Mail-)Adresse würde jedoch im Zusammenhang mit den Vergabeunterlagen im Widerspruch zu den Richtlinien­ vorgaben stehen, die aus den aufgezeigten Erwägungen die Nennung einer Internetadresse in Form einer Web-Domain erfordern. Eine derartige Abweichung in der deutschen Umsetzung scheint jedoch nicht intendiert gewesen zu sein, wie die amtliche Begründung zur Bereitstellung der Vergabeunterlagen zeigt. Darin wird klargestellt, dass die Vergabeunterlagen ab dem Tag der Veröffentlichungsbekanntmachung unter einer „Internetadresse“ von allen Interessenten mithilfe elektronischer Mittel abgerufen werden können müssen.964 Im Ergebnis erfüllt damit einzig die Nennung einer solchen in Form einer URL die Anforderung der Angabe einer elektronischen Adresse.965 Eine in diesem Sinn referenzierte Internetseite kann grundsätzlich jede Website sein, z. B. die Homepage oder das Beschafferprofil des Auftraggebers, eine extra für diesen Zweck eingereichte Seite bzw. ein Datenraum sowie eine E-Vergabeplattform.966 In jedem Fall muss jedoch die unentgeltliche, uneingeschränkte, vollständige und direkte Abrufbarkeit gewährleistet werden. c) Unentgeltlichkeit Im nationalen Vergaberecht galt vor der aktuellen Vergaberechtsmodernisierung im Bereich der VOL / ​A-EG das allgemeine Verbot, Entgelte für die Durchführung des Vergabeverfahrens zu erheben.967 Die Regelung sollte vor allem der Abwälzung von Kosten für den Betrieb einer E-Vergabeplattform auf die Bewerber bzw. Bieter entgegenwirken.968 Eine Ausnahme  – zumindest im offenen Verfahren  – bildete die Möglichkeit der Auftraggeber, eine Kostenerstattung für die Vervielfältigung der Vergabeunterlagen bei postalischer oder direkter Übermittlung zu fordern.969 Ein entsprechender Erstattungsanspruch wurde auch bei einer elektronischen Bereitstellung erwogen, aber mangels – bzw. wegen kaum fassbarer – Vervielfältigungskosten weitestgehend abgelehnt.970 Nichtsdestotrotz verlangten 963

Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164 (VgV). Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 (VgV); S. 259 (SektVO); S. 289 (KonzVgV). 965 I.d.S. auch Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 11; Schmidt, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 9; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 4; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 9 VgV, Rn. 75. 966 Schmidt, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 9. 967 § 6 EG Abs.  2 VOL / ​A (2009). 968 Wagner-Cardenal, in: Dieckmann / ​Scharf / ​Wagner-Cardenal, VOL / ​A, 6 EG, Rn.  28; a. A. Jung, Neue VOL / ​A, Teil 7: Vom „kostenlosen“ Vergabeverfahren, Vergabeblog.de, Nr. 5908, v. 23/05/2010. 969 Vgl. § 9 EG Abs. 3 VOL / ​A (2009); § 8 EG Abs. 7 VOB / ​A (2012). 970 VK Lüneburg, Beschl. v. 17.10.2006 – VgK-25/2006 –, juris, Rn. 33; Weynand, Vergaberecht, VOB / ​A, § 8, Rn.  104 f.; Franzius, in: Pünder / ​Schellenberg, Vergaberecht, 2.  Aufl., VOB / ​A, § 8, Rn. 58. 964

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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Auftraggeber regelmäßig eine Gebühr für den Einzelabruf der Vergabeunterlagen bzw. die vor­herige Registrierung oder Nutzungsgebühren für E-Vergabeplattformen, auf denen die Dokumente zur Verfügung gestellt wurden.971 Nunmehr hat der Verordnungsgeber im Einklang mit den reformierten Richtlinienvorgaben ausdrücklich klargestellt, dass die Vergabeunterlagen unentgeltlich zu Verfügung zu stellen sind. Vor dem Hintergrund des weiter formulierten Begriffs eines unentgeltlichen Zugangs im Sinne der Richtlinien muss die Unentgeltlichkeit umfänglich verstanden werden. Dies verdeutlichen die Ausführungen der amtlichen Begründung. Danach setzt die unentgeltliche Abrufbarkeit voraus, dass weder für das Auffinden noch den Empfang oder das Anzeigen der Vergabeunterlagen die Entrichtung eines Entgelts an den Auftraggeber oder ein Unternehmen verlangt werden darf.972 Es wird ferner klargestellt, dass sämtliche Funktionen elektronischer Mittel, die nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik für den Zugriff auf die Vergabeunterlagen erforderlich sind, umfasst sein sollen.973 Untersagt ist nicht nur das Verlangen von Gebühren für die Vergabeunterlagen an sich. Vielmehr werden sämtliche im Zusammenhang stehende Prozessschritte erfasst, d. h. die kostenlose Auffindbarkeit der Dokumente, deren Download sowie die Ansicht der Inhalte. Für die interessierten Unternehmen dürfen somit keinerlei durch den Abruf bedingte, d. h. unmittelbar kausale, Kosten entstehen.974 Dies betrifft neben der kostenlosen Auffindbarkeit auf einer Internetplattform vor allem die zur Anzeige der Dateien erforderliche Software. Es würde den Sinn und Zweck einer unentgeltlichen Zugänglichmachung unterminieren, wenn die Vergabeunterlagen zwar in einer Datenbank kostenfrei aufgefunden werden können, aber das Öffnen bzw. die Darstellung der Inhalte zwingend spezielle kostenpflichtige Programme erfordern würde.975 Sofern die Erstellung der Unterlagen – bzw. bestimmter Teile von diesen – nach Einschätzung des Auftraggebers den Einsatz einer derartig spezifischen Software erfordern würde, besteht die Möglichkeit, von der elektronischen Verfügbarmachung ausnahmsweise abzusehen.976 Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen Dokumente zwar in proprietären Dateiformaten bereitgestellt werden, diese jedoch gleichfalls mit kostenlosen Programmen kompatibel sind.977 An einer hinreichenden Kausalität fehlt es bei Kosten, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abruf der Vergabeunterlagen in einem konkreten

971 Exemplarisch Brunner, in: Noch (Hg), e-Vergabe in der Praxis, S. 56 f. Zu dieser Praxis auch VDA Position zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, S. 2. 972 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 (VgV); S. 259 (SektVO); S. 289 (KonzVgV) mit Verweis auf die VgV-Einzelbegründung. 973 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 (VgV); S. 259 (SektVO). 974 Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 11. 975 Ähnl. auch Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  22. 976 Vgl. § 41 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 53 Abs. 2 S. 1 VgV; § 41 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 2 S. 1 SektVO; § 17 Abs.2 S. 1 KonzVgV; § 11b EU Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 VOB / ​A. Dazu unter Kap. D. X. 2. a) aa) (1) (a). 977 Z. B. die MS Office Dateiformate DOC[X], XLS[X] und PPT[X].

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Vergabeverfahren stehen. Dies betrifft beispielsweise die Verbindungskosten für einen Breitbandinternetanschluss, die von Unternehmen für den Zugang zu jeglichen Online-Medien entrichtet werden müssen.978 Gemäß der amtlichen Begründung sollen Mehrwertleistungen im Zusammenhang mit Vergabeunterlagen weiterhin entgeltpflichtig angeboten werden können.979 Exemplarisch werden Dienste genannt, die das Auffinden von Bekanntmachungen erleichtern. Dies können beispielsweise spezielle Datenbanken sein, die Vergabeverfahren nach bestimmten Paramenten vorfiltern und Unternehmen branchen­spezifisch über Verfahren benachrichtigen.980 Solange der Auftraggeber die Vergabeunterlagen im eingangs dargestellten Sinn unentgeltlich unter einer Internetadresse anbietet, stehen die Richtlinien dem Angebot solcher ergänzenden Dienste, insbesondere durch private Anbieter, nicht entgegen. d) Uneingeschränktheit Die Vergabeunterlagen müssen ferner uneingeschränkt zur Verfügung gestellt werden, d. h. es dürfen weder technische, zeitliche noch personelle Zugangs­ beschränkungen errichtet werden.981 aa) Technische Einschränkungen Die uneingeschränkte Bereitstellung der Vergabeunterlagen erfordert zudem, dass keine technischen Hindernisse der Abrufbarkeit entgegenstehen. Systematisch korrespondiert dies mit dem Grundsatz, dass Auftraggeber vorrangig solche elektronischen Mittel im Verfahren einzusetzen haben, die allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und mit allgemein verbreiteten IKT-Geräten und -Programmen kompatibel sind sowie keine Zugangsbeschränkung bilden982. Für die Vergabeunterlagen bedeutet dies, dass die bereitgestellten Dateien mit allgemein verfügbarer Software- und Hardwareausstattung abgerufen und verarbeitet werden können müssen.983 Insbesondere darf für das Öffnen der Dateien nicht die Beschaffung und / ​

978 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  23; Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​ Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 11; Schmidt, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 13. 979 Es dürfte jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die entgeltpflichtigen Dienste auch unentgeltlich angeboten werden, vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 (VgV); S. 259 (SektVO). 980 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  24. 981 Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 8 ff. 982 Vgl. § 11 Abs. 1 VgV; § 11 Abs. 1 SektVO; § 9 Abs. 1 KonzVgV sowie § 11a EU Abs. 1 VOB / ​A. Dazu Kap. D. III. 1. b) aa). 983 I.d.S. auch Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 9.

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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oder Installation einer spezifischen Software erforderlich sein.984 Ist im Einzelfall die Nutzung spezifischer Dateiformate, die derartig spezielle Programme erfordern würden, nach Einschätzung des Auftraggebers zwingend geboten, kann ausnahmsweise auf eine elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen verzichtet werden.985 Regelmäßig keine technische Einschränkung stellt die Größe der Dateien dar, auch wenn diese bei hohen Datenmengen mit einer längeren Übertragungsdauer verbunden ist,986 denn der Auftraggeber ist auch zur vollständigen Bereitstellung aller Dokumente verpflichtet. Die Dateigröße muss jedoch technisch indiziert sein. Eine unzulässige Einschränkung kann vorliegen, wenn ein Auftraggeber die Vergabeunterlagen elektronisch erstellt, ausdruckt und dann wiederum als unkomprimierte Bild-Dateien einscannt, um durch die Bereitstellung enormer Datenmengen bestimmte Interessentengruppen, insbesondere KMU, abzuschrecken. bb) Zeitliche Einschränkungen In zeitlicher Hinsicht sind Einschränkungen sowohl in Bezug auf die Bereitstellungsdauer als auch hinsichtlich der erforderlichen Bereitstellungszeiten denkbar. Die Grenzen der Zulässigkeit werden in der Literatur unterschiedlich beurteilt. (1) Erforderlichkeit der durchgehenden Bereitstellung Der Verordnungsgeber konkretisiert nicht, ob ein uneingeschränkter Zugang zu den Vergabeunterlagen in zeitlicher Hinsicht eine durchgehende Bereitstellung im Sinne einer ständigen Erreichbarkeit auf der Internetseite erfordert. (a) Zeitliche Einschränkbarkeit Nach Auffassung von Bock darf die Uneingeschränktheit nicht dahingehend verstanden werden, dass die Vergabeunterlagen 24 Stunden am Tag für die gesamte Bereitstellungsdauer zur Verfügung stehen müssten.987 Sinn und Zweck der Norm sei es, interessierten Unternehmen eine Teilnahme am Verfahren zu ermöglichen. Diesem Zweck würde es genügen, wenn die Dokumente während der üblichen Geschäftszeiten zum Abruf bereitstehen würden.988

984

Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  29. Vgl. Kap. D. X. 2. a) aa) (1) (a). 986 Es kann jedoch eine Komprimierung, z. B. als ZIP-Datei, geboten sein, Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn.  9. 987 Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 18. 988 Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 18. 985

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Honekamp vertritt ebenfalls die Ansicht, dass eine uneingeschränkte Bereit­ stellung nicht zwingend die Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen „rund um die Uhr“ erfordere.989 Zwar bedeute die elektronische Verfahrensdurchführung einen Paradigmenwechsel, der vor allem auch die Beschleunigung des Verfahrens intendiere. Die verfahrenseffiziente und wirtschaftliche Beschaffung bilde allerdings weiterhin ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel. Die ständige Erreichbarkeit der Vergabeunterlagen auf einer Internetseite würde nur bedingt zur Verfahrens­ beschleunigung führen und regelmäßig Mehrkosten, z. B. in Form von Personalkosten sowie für die Ausweitung der Serverleistungen und -kapazitäten, verursachen. Daher müsse es dem Auftraggeber möglich sein, die zeitliche Erreichbarkeit der Internetseite und damit der Vergabeunterlagen im Rahmen seiner technischen Erfordernisse einzuschränken.990 (b) Durchgehende Bereitstellungspflicht Andere Autoren gehen hingegen von einer Pflicht zur durchgehenden Bereitstel­ lung aus, die einzig durch übliche Zeitfenster für Wartungsarbeiten unterbrochen werden dürfe.991 Bei einer längerfristigen Unerreichbarkeit aufgrund von Wartungen müsse von den Auftraggebern eine Fristverlängerung in Betracht gezogen werden.992 (c) Stellungnahme Bereits der Wortlaut einer uneingeschränkten Verfügbarmachung lässt eigentlich wenig Raum für zeitliche Beschränkungen. Eine Einschränkung auf die „üblichen Geschäftszeiten“ orientiert sich stark an der traditionellen, papiergebundenen Verfahrensabwicklung, die nach der ausdrücklichen Intention des Normgebers abgelöst werden soll. Es würde daher – anders als Bock meint – den Sinn und Zweck geradezu konterkarieren, mögliche Effizienz- und Flexibilisierungszugewinne einer durchgehenden elektronischen Verfügbarmachung der Vergabeunterlagen durch derartige zeitliche Einschränkungen wieder entgegenzuwirken. Überdies erscheint eine zeitliche Begrenzung auf die Geschäftszeiten nach der mitteleuropäischen Zeit (MEZ) bedenklich, denn im Oberschwellenbereich können sich auch nichteuropäische Unternehmen oder solche mit weitgehenden internationalen Verflech-

989

Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 10. Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 10. 991 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  27; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 11 f.; König, in: Zimmermann, E-Vergabe, S. 8; unklarer bei Schmidt, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 13. 992 Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 8; vorsichtiger Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​ Prieß, VgV, § 41, Rn. 27; Schmidt, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 13. 990

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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tungen beteiligen.993 Die wirtschaftlichen Bedenken, die Honekamp anführt, sind zwar grundsätzlich beachtlich, wie die Normierung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes, § 97 Abs. 1 S. 2 GWB, verdeutlicht. Seine Einwände greifen allerdings zu kurz. Zwar mag bei großen Vergabestellen die dauerhafte elektronische Zurver­ fügungstellung der Vergabeunterlagen zu Mehrkosten für den Betrieb von Rechenzentren etc. führen. Jedoch dürften die Kosten langfristig unter denen der papiergebundenen Versendung der Vergabeunterlagen liegen, die in der Vergangenheit erhebliche Druckkosten und Versandgebühren verursacht haben994. Im Ergebnis ist damit der letzten Ansicht zuzustimmen, die für das Merkmal der Uneingeschränktheit eine durchgehende Bereitstellung fordert. Diese Auslegung deckt sich auch mit der bereits in der Vergangenheit geäußerten Auffassung der Kommission, dass die Vergabeunterlagen elektronisch „rund um Uhr“ online zur Verfügung gestellt werden müssen. Zutreffend wird in der Literatur insoweit einschränkend angeführt, dass technische Wartungsfenster bei der Verwendung von elektronischen Mitteln unvermeidbar sind. Diese sind grundsätzlich unbeachtlich. Sofern es allerdings zu längerfristigen und unangekündigten Einschränkungen kommt, sind die Verfahrensfristen ggf. entsprechend zu verlängern. (2) Bereitstellungsdauer bei zweistufigen Verfahren Weiterhin wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt, bis zu welchem Zeitpunkt die Vergabeunterlagen bei zweistufigen Verfahren zur Verfügung zu stellen sind. (a) Ablauf der Angebotsfrist oder der Teilnahmefrist Bock vertritt die Ansicht, dass die Unterlagen auch bei Verfahren mit Teilnahme­ wettbewerb solange bereitgestellt werden müssten, bis eine Beteiligung am Wettbewerb nicht mehr in Betracht komme, also grundsätzlich bis zum Ablauf der Angebotsfrist und nicht der Teilnahmefrist oder der Einladung der Bewerber zur Angebotsabgabe bzw. zum Dialog.995 Bis zum Ende der Angebotsfrist könnten sich die Vergabeunterlagen noch verändern, sodass bis zum letztmöglichen Zeitpunkt ein Zugriff auf die Dokumente einschließlich etwaiger Modifizierungen möglich sein müsse. Nach der Gegenauffassung von Wichmann ist es bei Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb hingegen ausreichend, die Vergabeunterlagen bis zum Ablauf der Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge bereitzustellen.996 Nach 993

Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 12. Vgl. KOM (2012), S. 5. 995 Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 16. 996 Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 11. 994

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Ablauf dieser Frist entfalle die Entscheidungsmöglichkeit für interessierte Unternehmen, sich am Verfahren zu beteiligen. (b) Stellungnahme Letztere Ansicht überzeugt indes nicht. Die Vergabeunterlagen bilden die wesentliche Entscheidungs- und Kalkulationsgrundlage für das Angebot und sind als solche stets bis zum Ablauf der Angebotsfrist uneingeschränkt bereitzustellen. Für eine Differenzierung der Bereitstellungsdauer zwischen ein- und zweistufigen Verfahren finden sich keine normativen Anhaltspunkte. Den Unternehmen muss es daher auch nach Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs möglich sein, die Vergabeunterlagen noch (einmal) abzurufen, z. B. weil sie diese für die Erstellung des Teilnahmeantrags noch nicht vollständig heruntergeladen oder (versehentlich) wieder gelöscht haben. cc) Personelle Einschränkungen Die Uneingeschränktheit betrifft zudem die zum Abruf der Vergabeunterlagen berechtigten Personen. Die elektronische Zugänglichmachung darf nicht auf interessierte Unternehmen beschränkt werden, wie es – zumindest de facto – bei einer papiergebundenen Übermittlung auf Anfrage der Fall war997. Vielmehr folgt aus der uneingeschränkten Bereitstellung die Pflicht für den Auftraggeber, die Vergabeunterlagen grundsätzlich einem offenen Interessentenkreis zur Verfügung zu stellen.998 Darüber hinaus muss der Auftraggeber einen anonymen Zugriff durch sämtliche Interessenten zulassen. Dies hebt der Verordnungsgeber in der amtlichen Begründung hervor. Danach liegt eine uneingeschränkte – und direkte999 – Abrufbarkeit ausschließlich dann vor, wenn weder für Unternehmen noch für Bürger eine vorherige Registrierung erforderlich ist.1000 (1) Registrierungsverbot Das Verbot einer obligatorischen Registrierung ist in den allgemeinen Grundsätzen der Kommunikation normiert. Nach der darin jeweils enthaltenen Regelung darf eine Registrierung der Interessenten zwar grundsätzlich vom Auftraggeber ver-

997

Niemeier / ​Zimmermann, in: Zimmermann, E-Vergabe, S. 17. Bspw. können dazu andere Auftraggeber, Beratungsunternehmen und Journalisten zählen, vgl. Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 15. 999 Insoweit bestehen gewisse Überschneidungen, da eine vorherige Registrierung stets auch die Direktheit des Zugriffs betrifft. 1000 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 (VgV); S. 260 (SektVO). 998

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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langt werden. Dies gilt jedoch nicht für die Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen und den Zugang zu der Auftragsbekanntmachung.1001 In diesen Phasen kann allenfalls eine freiwillige Registrierung angeboten werden.1002 Mit der Normierung eines expliziten Registrierungsverbots geht der deutsche Verordnungsgeber über die verbindlichen Vorgaben der Richtlinien hinaus, aus denen sich  – wie aufgezeigt  – ein solches nicht verbindlich ableiten lässt. Die Regelung setzt jedoch die von der Kommission geäußerte Idealvorstellung eines registrierungsfreien Zugangs zu den Vergabeunterlagen um.1003 Dies bedeutet eine Abkehr von dem bis dahin geltenden Verständnis im nationalen Vergaberecht, dass bei einer elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen eine einfache Registrierung der Interessenten der uneingeschränkten und direkten Verfügbarkeit nicht entgegensteht.1004 Die Normierung des Registrierungsverbots hat weitreichende Konsequenzen auf die bislang gängige Praxis der Auftraggeber, stets für den Zugang zu den Vergabeunterlagen eine Registrierung zu verlangen. Dementsprechend stieß das – bereits im Referentenentwurf vorgesehene – Verbot im Gesetzgebungsprozess auf erhebliche Kritik.1005 Insbesondere wurde in der Möglichkeit des anonymen Abrufs die Gefahr gesehen, dass die in den Vergabeunterlagen enthaltenen Informationen unkontrolliert verbreitet oder missbräuchlich für andere Zwecke verwendet werden könnten.1006 In der Tat besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse des Auftraggebers, die Vergabeunterlagen nur für einen ihm bekannten Interessenten bereitzustellen, und der Steigerung der Verfahrenstransparenz – auch der Öffentlichkeit gegenüber1007  – und des Wettbewerbs durch eine uneingeschränkte Ver 1001

Vgl. § 9 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 VgV; § 9 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 SektVO; § 7 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 KonzVgV; § 11 EU Abs. 6 S. 2 VOB / ​A. 1002 § 9 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 VgV; § 9 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 SektVO; § 7 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 KonzVgV; § 11 EU Abs.  6 S.  3 VOB / ​A. 1003 Commission Staff Working Document, SEC(2005) 959, S. 12. 1004 Vgl. Graef, NZBau 2008, 34 (36). 1005 BAG-SPNV, Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts – Zugang zu Vergabeunterlagen bei Ausschreibungen, v. 25.11.2015; BDEW, Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts vom 9.11.2015, v. 1.12.2015, S. 5; DB, Stellungnahme zum Referentenentwurf vom 09.11.2015 zur neuen Sektorenverordnung (SektVO-E), S. 2; DIHK, Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015 S. 3; VKU, Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015, S. 6 f. Grds. befürwortend hingegen Bitkom, Stellungnahme zur Vergaberechtsmodernisierung, insbesondere Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (VgV-E), v. 12.1.2016, S. 6. 1006 BDEW, Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts vom 9.11.2015, v. 1.12.2015, S. 5. DB, Stellungnahme zum Referentenentwurf vom 09.11.2015 zur neuen Sektorenverordnung (SektVO-E), S. 2; DIHK, Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015 S. 3. 1007 Der Verordnungsgeber nennt „Bürger“ ausdrücklich als Interessenten in der Begr., vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 (VgV); S. 260 (SektVO). Krit. hierzu Horn, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 41, Rn.  14.

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fügbarmachung für einen unbestimmten Personenkreis. Der Verordnungsgeber hat entschieden, dass das Interesse des Auftraggebers insoweit grundsätzlich zurücksteht. Dies ist insoweit berechtigt, als dass ein vorrangig schützenswertes Interesse des Auftraggebers nicht für sämtliche Vergabeunterlagen pauschal angenommen werden kann. Nur im Einzelfall überwiegt das Auftraggeberinteresse, wenn ausnahmsweise eine Zugriffseinschränkung zum Schutz von vertraulichen Informationen erforderlich ist.1008 Gegen missbräuchliche Verwendungen der Vergabeunterlagen bestehen zudem weitere rechtliche Instrumente außerhalb des Vergaberechts, z. B. im Rahmen des Urheberrechts oder des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes.1009 (a) Verantwortungsverteilung beim anonymen Abruf Werden die Vergabeunterlagen uneingeschränkt vom Auftraggeber zugänglich gemacht, obliegt es der Entscheidung der Interessenten, ob sie sich zuvor freiwillig registrieren. In der Vergabeverordnungsbegründung wird für den Fall des anonymen Abrufs die Verantwortungsverschiebung dargelegt.1010 Nicht registrierte Interessenten müssen sich selbstständig über etwaige Änderungen sowie die Bewerber- bzw. Bieterfragen und deren Beantwortung durch den Auftraggeber, die einen Bestandteil der Vergabeunterlagen bilden,1011 informieren. Hierauf können die Interessenten durch einen Hinweistext auf der Internetseite, welche die Vergabeunterlagen beinhaltet, aufmerksam gemacht werden.1012 Der anonyme Zugriff auf die Vergabeunterlagen begründet also eine Art „Holschuld“ der Interessenten.1013 Diese trifft das Risiko eines Ausschlusses oder einer schlechteren Bewertung im weiteren Verfahrensverlauf, wenn nicht der aktuellste Stand der Vergabeunterlagen bei der Einreichung von Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträgen oder Angeboten berücksichtigt wird.1014 Die Risikoverteilung ist folgerichtig und bereits faktisch bedingt. Wenn die Vergabeunterlagen ohne eine Registrierung abgerufen werden, ist für den Auftraggeber nicht erkennbar, wer auf diese zugreift. Allerdings entbindet diese Holschuld der anonymen Interessenten den Auftraggeber nicht 1008

§ 41 Abs. 3 VgV; § 41 Abs. 4 SektVO; § 17 Abs. 2 SektVO; § 11b EU Abs. 2 VOB / ​A. Vgl. Kap. D. IX. a) aa) (2). 1009 Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 15; Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn.  10. 1010 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164 und S. 196. 1011 VK Nordbayern, Beschl. v. 6.1.2018 – RMF-SG21-3194-2-15; Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​ Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn. 35; a. A. Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 31. 1012 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164. 1013 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  41; Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​ Prieß, VgV, § 41, Rn. 35. Vgl. auch VK Südbayern, Beschl. v. 17.10.2016 – Z3-3-3194-1-3609/16 –, juris, Rn. 23. 1014 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164; VK Südbayern, Beschl. v. 17.10.2016 – Z33-3194-1-36-09/16 –, juris, Rn. 24 f.

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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von der Pflicht, neue Informationen allen Interessenten, unabhängig von der Registrierung, uneingeschränkt und direkt zugänglich zu machen, sodass eine Kenntnisnahme möglich ist.1015 Letzteres gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz.1016 Für die Möglichkeit der Kenntnisnahme dürfte es genügen, wenn eine neue Version der Vergabeunterlagen auf der – in der Auftragsbekanntmachung – bekanntgegebenen Internetseite eingestellt wird bzw. beantwortete Fragen zum Verfahren dort veröffentlicht werden. Für eine hinreichende Kenntnisnahmemöglichkeit ist zu fordern, dass die Aktualisierungen an den Vergabeunterlagen deutlich erkennbar sind. Hierzu sollte das Veröffentlichungsdatum der jeweils aktuellsten Fassung auf der Internetseite angegeben werden und die Dateien mit Versionsnummern gekennzeichnet werden. Auch wenn keine Aufklärungspflicht des Auftraggebers hinsichtlich der Folgen eines anonymen Abrufs besteht,1017 sollten die Interessenten auf der Internetseite oder in den Vergabeunterlagen auf die eigenverantwortlichen Informationspflichten hingewiesen werden. (b) Informationspflichten bei freiwilliger Registrierung Gemäß der amtlichen Begründung können es die Auftraggeber „ermöglichen“, dass die Interessenten sich für den Zugang zu den Vergabeunterlagen freiwillig registrieren.1018 Es besteht also keine Pflicht – wie teilweise im Gesetzgebungsprozess gefordert1019 – eine freiwillige Registrierung anzubieten. Wird allerdings eine Registrierungsmöglichkeit vorgesehen, muss der Auftraggeber deren Freiwilligkeit unmissverständlich klarstellen.1020 Andernfalls würde der Sinn und Zweck des Registrierungsverbotes ausgehöhlt. Nach einer freiwilligen Registrierung trifft den Auftraggeber bei Veränderungen in den Vergabeunterlagen eine aktive Informationspflicht. Dies wird in der zugrundliegenden amtlichen Begründung betont, die im Vergleich zu den Ausführungen des Referentenentwurfs1021 an dieser Stelle deutlich erweitert wurde. Darin wird als Vorteil einer freiwilligen Registrierung angeführt, dass Interessenten automatisch über Änderungen an den Vergabeunterlagen oder über Antworten auf Fragen zum Vergabeverfahren informiert werden.1022 Eine solche „automatische“ Informationserlangung durch die registrierten Interes 1015

Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196. Solange ein Zugang dergestalt angeboten wird, begründet die Benachrichtung der regis­ trierten Intressenten keine Ungleichbehandlung gegenüber den nicht registrierten Interessenten, denn die Informationen sind für alle in gleicher Weise zugänglich, dazu Grünhagen, in: MüllerWrede, VgV / ​UgVO, § 9 VgV, Rn.  83. 1017 Auf dieses falkultative Angebot weist die Begründung hin, Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164. 1018 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164. 1019 Bitkom, Stellungnahme zur Vergaberechtsmodernisierung, insbesondere Referenten­ entwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (VgV-E), v. 12.1.2016, S. 6. 1020 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  40. 1021 RefE zur VergRModVO, v. 9.11.2015, S. 145 f. 1022 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 164. 1016

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senten impliziert korrespondierend eine aktive Benachrichtigungspflicht durch den Auftraggeber. Technisch umsetzbar ist dies, indem die registrierten Nutzer mittels einer automatisierten Push-Benachrichtigung über die E-Vergabeplattform hinsichtlich der Aktivitäten im Zusammenhang mit den Vergabeunterlagen informiert werden.1023 Durch eine zeit- und inhaltsgleiche Benachrichtigung aller registrierten Unternehmen1024 wird eine hinreichende Möglichkeit der Kenntnisnahme gewährleistet, die den Vergaberechtsgrundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung genügt. Hierzu kann grundsätzlich ein Push-Dienst eingesetzt werden, der die registrierten Unternehmen innerhalb eines E-Vergabesystems und / ​oder per E-Mail informiert. (2) Sonderfall: Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens Eine Ausnahmemöglichkeit vom Grundsatz der uneingeschränkten Zurverfügungstellung der Vergabeunterlagen an einen anonymen Personenkreis besteht im nicht offenen Verfahren und Verhandlungsverfahren, wenn nach Veröffentlichung einer Vorinformation als Wettbewerbsaufruf1025 ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt wird.1026 In diesem Fall ist die Internetadresse, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt und vollständig direkt bereitgestellt werden, mangels Auftragsbekanntmachung in der Aufforderung zur Interessensbestätigung anzugeben. Aus diesem Umstand folgt, dass die Vergabeunterlagen nur für die Unternehmen uneingeschränkt abrufbar sind, die ihr Interesse formal gültig bekunden und daher vom Auftraggeber zur Interessensbestätigung aufgefordert werden.1027 Diese Verfahrensgestaltung steht in gewissem Widerspruch zur Intention des Verordnungsgebers, eine uneingeschränkte Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen für alle Interessenten sicherzustellen, denn hierdurch kann der Kreis der Abrufberechtigten erheblich begrenzt werden1028. Durch die qualifizierten Anforderungen an die Vorinformation und die Aufforderung zur Interessenbestätigung wird jedoch ein hinreichendes Maß an Transparenz und Wettbewerb hergestellt. Es steht zudem nicht zu befürchten, dass diese Ausgestaltung, insbesondere für das

1023

Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 9 VgV, Rn. 12.1. Als zu weitgehend erweist sich die Forderung einer Einzelbenachrichtigung der Unternehmen, die zum Änderungszeitpunkt bereits einen Teilnahmeantrag oder ein Angebot eingereicht haben, vgl. VK Südbayern, Beschl. v. 17.10.2016 – Z3-3-3194-1-36-09/16 –, juris, Rn. 22 f., da es für den Auftraggeber bis zum Ablauf der jeweiligen Einreichungsfrist aufgrund Anforderungen an die Datensicherheit regelmäßig nicht erkennbar sein dürfte, welches Unternehmen bereits eine endgültige Verfahrenserklärung abgegeben hat. 1025 Bzw. einer regelmäßig nicht verbindlichen Bekanntmachung, § 36 Abs. 4 SektVO. 1026 Probst / ​Winters, CR 2016 349, (351); Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 37. 1027 Vgl. § 38 Abs. 5 S. 1 VgV; § 36 Abs. 5 S. 1 SektVO; § 12a EU Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 Alt. 2 i.  V. m. § 12 EU Abs.  2 VOB / ​A. 1028 Probst / ​Winters, CR 2016 349, (351). 1024

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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nicht offene Verfahren, in der Praxis zum Regelfall wird, denn die Durchführung eines solchen Interessenbekundungsverfahrens, als zusätzliche Verfahrensphase, ist für den Auftraggeber mit einem nicht unerheblichen zeitlichen Mehraufwand verbunden.1029 e) Vollständigkeit Die vollständige Abrufbarkeit erfordert gemäß der amtlichen Begründung, dass sämtliche Vergabeunterlagen und nicht nur Teile derselben unter einer Internetadresse abgerufen werden können.1030 Regelungszweck ist es, die Verfahrensdurchführung zu beschleunigen und die Transparenz zu steigern. Dies wird bereits aus den Erwägungen des Unionsgesetzgebers ersichtlich.1031 Eine Beschleunigung tritt im Rahmen des Verfahrens aus der Perspektive der Interessenten insbesondere dadurch ein, dass sie unmittelbar auf die gesamten Vergabeunterlagen zugreifen können, ohne deren (postalische) Übersendung erst einzeln anfordern zu müssen. Für die Auftraggeber entfällt durch die zentrale Bereitstellung die Zeit für die Bearbeitung und Protokollierung der Versendungsanfragen und die Übermittlung an jeden einzelnen Interessenten. aa) Reichweite der Bereitstellungspflicht in zweistufigen Verfahren In der Literatur und Rechtsprechung wird bislang unterschiedlich beurteilt, ob das Erfordernis der vollständigen Abrufbarkeit ab dem Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung gem. § 41 Abs.  1 VgV / ​SektVO1032 auch bei einer zweistufigen Verfahrensgestaltung für sämtliche Vergabeunterlagen gelten soll. Bislang nutzten die Auftraggeber häufig die Dauer des Teilnahmewettbewerbs, um parallel die Vergabeunterlagen fertigzustellen. Die endgültigen Unterlagen wurden im Anschluss nur den ausgewählten Bietern zur Verfügung gestellt.1033

1029 Pfarr, Die elektronische Bereitstellung von Vergabeunterlagen – vier Fragen (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 27222, v. 4.09.2016. 1030 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 (VgV); S. 260 (SektVO). 1031 ErwGrd Nr. 52 S. 1, Nr. 80 S. 3 VRL; ErwGrd Nr. 63 S. 1, Nr. 89 S. 3 SRL; ErwGrd Nr. 74 S. 1 KVR. 1032 Im Unterschied hierzu eröffnet § 17 Abs. 1 Alt. 2 KonzVgV – in konsequenter Fortführung des Grundsatzes der freien Verfahrensgestaltung – die Möglichkeit, erst nach dem Teilnahmewettbewerb in der Aufforderung der Angebotsabgabe die Internetadresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen abgerufen werden können, s. dazu auch Pfarr, Die elektronische Bereitstellung von Vergabeunterlagen – vier Fragen (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 27222, v. 4.9.2016. 1033 Hierzu Probst / ​Winters, CR 2016, 349 (350); Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, juris​ PK-VergR, § 41 VgV, Rn. 21.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

(1) Pflicht zur Bereitstellung der vollständigen Unterlagen Das OLG München vertritt – ebenso wie Teile der Literatur – zu § 41 Abs. 1 SektVO die Auffassung, dass auch für zweistufige Verfahrensarten eine Pflicht zur vollständigen Bereitstellung der Vergabeunterlagen besteht, jedenfalls soweit diese Unterlagen bei Auftragsbekanntmachung in einer finalisierten Form vorliegen können.1034 Dies ergebe sich aus der amtlichen Begründung, nach der die Vergabeunterlagen vollständig abrufbar sind, wenn über die Internetadresse in der Bekanntmachung sämtliche Vergabeunterlagen und nicht nur Teile derselben abgerufen werden können.1035 Zu den Vergabeunterlagen würden sämtliche Unterlagen gehören, die von Auftraggebern erstellt werden oder auf die sie sich beziehen, um Teile des Vergabeverfahrens zu definieren und die alle Angaben umfassen, die erforderlich sind, um interessierten Unternehmen eine Entscheidung über die Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Auch der zugrunde liegende Art. 73 Abs. 1 SRL differenziere nicht nach ein- und zweistufigen Verfahren.1036 Im Übrigen liege es nahe, dass ein Interessent die Entscheidung, ob er einen Teilnahmeantrag einreiche, nicht zuletzt davon abhängig machen werde, nach welchen Kriterien im weiteren Verlauf des Verfahrens der Zuschlag erteilt werden soll.1037 (2) Bereitstellung der erforderlichen Unterlagen Nach der Auffassung des OLG Düsseldorf begründet die Maßgabe des § 41 Abs. 1 VgV, in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse anzuge­ ben, unter der die Vergabeunterlagen vollständig abgerufen werden können, hingegen keine Pflicht zur Bereitstellung der vollständigen Vergabeunterlagen zu diesem Zeitpunkt.1038 Das Adjektiv „vollständig“ würde sich in diesem Zusammenhang nicht auf die Vergabeunterlagen und damit auf den Umfang der zum Abruf über die elektronische Adresse bereitzustellenden Unterlagen beziehen, sondern vielmehr darauf, in welchem Umfang der Abruf der Unterlagen möglich sein muss. Die Unterlagen müssten also vollständig zum Download angeboten werden, nicht 1034

OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16 –, juris, Rn. 81 f.; VK Weimar, Beschl. v. 09.1.2017 – 250-4004-7985/2016-E-013-SM –, juris, Rn. 390 ff; Probst / ​Winters, CR 2016, 349 (350 f.); Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 27; Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 41, Rn.  7; Schmidt, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 15; Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 22 ff.; offenlassend Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn. 37 f.; zwar grundsätzlich von einer Pflicht zur vollständigen Bereitstellung ausgehend, aber im Ergebnis für eine Einschränkung plädierend Horn, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 41, Rn. 13 ff.; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn.  20 f. 1035 OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16 –, juris, Rn. 81. 1036 OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16 –, juris, Rn. 81; Honekamp, in: Greb / ​ Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 27. 1037 OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16 –, juris, Rn. 82. 1038 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2018, VII – Verg 26/18.

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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nur teilweise elektronisch und teilweise in Papierform, zugänglich sein. Dieses Verständnis finde Bestätigung in der Begründung des Verordnungsgebers und in den zugrunde liegenden Richtlinienvorgaben. Nach der Begründung des Verordnungsgebers sei es der Sinn des § 41 VgV, die elektronische Zurverfügungstellung der Vergabeunterlagen zu regeln, um den Leitgedanken des vollständigen Übergangs von einer papierbasierten zu einer durchgängig auf der Verwendung elektronischer Mittel basierenden, medienbruchfreien öffentlichen Auftragsvergabe zu vollziehen. Welche Angaben zu den Vergabeunterlagen gehören, richte sich nach § 29 VgV, worauf der Verordnungsgeber ausdrücklich Bezug nehme. Nach dessen erstem Absatz umfassen die Vergabeunterlagen alle Angaben, die erforderlich seien, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Der gem. § 41 VgV bereitzustellende Umfang der Vergabeunterlagen richte sich daher danach, ob Angaben in diesem Sinn „erforderlich“ seien. Hierbei handele es sich um eine Entscheidung im Einzelfall, die unter anderem davon abhänge, welche Verfahrensart gewählt werde und welche Bedeutung die Angaben für die Entscheidung des Bewerbers oder Bieters haben, sich an dem Verfahren zu beteiligen. Dieses Verständnis stehe auch im Einklang mit den Richtlinienvorgaben, die lediglich bestimmen, dass zur Steigerung der Effizienz und Transparenz ein vollständiger Zugang zu den Auftragsunterlagen anzubieten sei, nicht aber, welche Unterlagen in welchem Umfang zum Abruf bereitzustellen seien. Bei einem Verfahren mit Teilnahmewettbewerb setze die Teilnahme am Vergabeverfahren zunächst (nur) die Abgabe eines Teilnahmeantrags voraus. Es gehe (noch) nicht um die Kalkulation und Angebotsabgabe. Erforderlich, aber auch ausreichend, sei daher die Angabe sämtlicher Informationen, die dem Unternehmen eine belastbare Entscheidung ermöglichen könnten, ob die ausgeschriebenen Leistungen nach Art und Umfang in sein Produktportfolio fallen und es aus unternehmerischer Sicht sinnvoll sei, in den Teilnahmewettbewerb einzutreten, um die Chance zu erhalten, zur Abgabe eines Angebots aufgefordert zu werden. Um eine solche Entscheidung auf einer validen Grundlage treffen zu können, seien nicht immer zwingend sämtliche Vergabeunterlagen notwendig.1039 bb) Stellungnahme Die Reichweite der Pflicht zur vollständigen Bereitstellung der Vergabeunterlagen bei zweistufigen Verfahren erwies sich schon während des Prozesses des Normerlasses als wesentlicher Streitpunkt. Bereits im ersten Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts sah die Begründung der in Rede stehenden Passagen vor, dass zu den Vergabeunterlagen sämtliche Unterlagen gehören, „die von (öffentlichen) Auftraggebern erstellt werden oder auf die sie sich beziehen, um Teile des Vergabeverfahrens zu definieren. Sie umfassen alle 1039

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2018, VII – Verg 26/18.

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Angaben, die erforderlich sind, um dem interessierten Unternehmen eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen.“1040 Vollständig abrufbar seien diese, „wenn über die Internetadresse in der Bekanntmachung sämtliche Vergabeunterlagen und nicht nur Teile derselben abgerufen werden können.“1041 Im nachfolgenden Anhörungsprozess sprachen sich daraufhin zahlreiche Stellungnahmen dafür aus, den letztzitierten Passus zu streichen oder zumindest klarzustellen, dass dies jedenfalls nicht für zweistufige Verfahren gelten soll.1042 Trotz der vehement vorgetragenen Kritik, wurde weder die Formulierung des § 41 Abs. 1 VgV / ​SektVO modifiziert, noch die endgültige amtliche Begründung mit einem entsprechenden Hinweis versehen.1043 Die Annahme, der Verordnungsgeber habe die Besonderheiten des zweistufigen Verfahrens „schlicht übersehen“1044 oder diese Konsequenz nicht „gewollt“1045, wie nunmehr in Teilen der Literatur geäußert wird, verfangen demnach nicht. Es scheint vielmehr gerade die Intention des Verordnungsgebers gewesen zu sein, der bisherigen Praxis, die Vergabeunterlagen erst während des Teilnahmewettbewerbs zu finalisieren, entgegenzutreten. Dafür spricht zum einen, dass die zuvor bestehenden Regelungen, die es im zweistufigen Verfahren ausdrücklich erlaubten, die Vergabeunterlagen erst an die im Teilnahmewettbewerb ausgewählten Unternehmen zu übersenden, entfallen sind.1046 Zum anderen geben auch die Ausführungen in der amtlichen Begründung, dass der mit der Vorschrift intendierte Paradigmenwechsel von der papierbasierten zur elektronischen Auftragsvergabe „eine Neuorganisation der Abläufe“ sowohl bei den Auftraggebern als auch bei den Unternehmen bedinge,1047 einen wesentlich Hinweis auf die intendierte Abkehr von der bisherigen Vergabepraxis. Die genetische Auslegung widerspricht somit dem vom OLG Düsseldorf vorgetragenen Argument, dass sich das Erfordernis der Vollständigkeit nach der Intention des Verordnungsgebers nur in der Gewährleistung der vollständigen und nicht bloß teilweisen elektronischen Abrufbarkeit erschöpfen soll. Zuzustimmen ist dem Oberlandesgericht zwar darin, dass sich der Inhalt der bereitzustellenden Unterlagen nach § 29 VgV richtet. Indes überzeugt es nicht vollends, dass in einem zweistufigen Verfahren für die Ermög 1040

RefE zur VergRModVO, v. 9.11.2015, S. 175 (VgV); S. 236 (SektVO). RefE zur VergRModVO, v. 9.11.2015, S. 176 (VgV); S. 236 (SektVO). 1042 Vgl. BDEW, Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts vom 9.11.2015, v. 1.12.2015, S. 6; VITAKO, Stellungnahme zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015, S. 6 f.; VKU, Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015, S. 6 f.; Flughafenverband ADV, ADV-Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v.1.12.2015, S. 3 f. 1043 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 f. (VgV); 259 f. (SektVO). 1044 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 27. 1045 Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 22. Krit. auch Müller, juris​ PR-VergR 6/2017, Anm. 2, D. II. Diese Entscheidung des vergaberechtlichen Normgebers sei „weder rechtlich gebote[n] noch rechtspolitisch nachvollziehba[r]“. 1046 Vgl. § 15 EG Abs. 11 b) VOL / ​A (2009); § 12 EG Abs. 4 Nr. 2 VOB / ​A (2012). I.d.S. auch Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn. 37; a. A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2018, VII – Verg 26 / 18. 1047 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196. (VgV); 260 (SektVO). 1041

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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lichung der Entscheidung zur Verfahrensteilnahme nur die Angaben erforderlich sein sollen, die eine belastbare Entscheidung zum Eintritt in den Teilnahmewettbewerb erlauben. Vielmehr erfordert der Wortlaut des § 29 Abs. 1 S. 1 VgV gerade, dass die Entscheidung zur „Teilnahme am Vergabeverfahren“ ermöglicht werden muss und nicht nur am vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb. Für die grundlegende Beteiligungsentscheidung wird es – wie das OLG München zutreffend anmerkt – für ein Unternehmen durchaus schon zu Beginn des Verfahrens relevant sein, umfassende Kenntnis von den Rahmen- und Bewerbungsbedingungen, insbesondere den Zuschlagskriterien, vertragsrechtlichen Spezifika und Leistungs­ details, zu erlangen, um beurteilen zu können, ob später überhaupt eine Chance auf die Zuschlagserteilung besteht und damit eine Beteiligung am Vergabeverfahren lohnenswert erscheint.1048 Überdies wird sich auch die Beurteilung, welche Angaben für verschiedene – auch ausländische Unternehmer – erforderlich sind, um den potenziellen Interessenten eine belastbare Entscheidung zu ermöglichen, ob es aus der jeweiligen unternehmerischer Sicht sinnvoll ist, in den Teilnahmewettbewerb einzutreten,1049 für den Auftraggeber im Einzelfall als schwierig erweisen,1050 sodass eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit entsteht.1051 Im Ergebnis erscheint daher die Auffassung des OLG München vorzugswürdig, dass auch bei zweistufigen Verfahren grundsätzlich eine Pflicht zur vollständigen Bereitstellung sämtlicher Unterlagen besteht. Dies steht auch – wie aufgezeigt1052 – im Einklang mit den Richtlinienvorgaben, denn der Unionsgesetzgeber rechtfertigt gerade mit der frühzeitigen vollständigen elektronischen Bereitstellung der Unterlagen die im Gegenzug vorgesehenen Fristverkürzungen1053.1054 Letzteres kann allenfalls im Einzelfall verfahrensbedingt ausgeschlossen sein. Dies gilt vor allem beim wettbewerblichen Dialog, bei dem die Leistungsbeschreibung erst entwickelt wird.1055 Die Unterlagen müssen in diesem Fall nur insoweit bereitgestellt werden, wie sie bereits in finalisierter Form vorliegen können.1056 1048 OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16 –, juris, Rn. 82; weitergehend auch VK Weimar, Beschl. v. 9.1.2017 – 250-4004-7985/2016-E-013-SM –, juris, Rn. 392; a. A. Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 21. 1049 So das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2018, VII – Verg 26/18. 1050 I.d.S. auch der Hinweis von Kliptsein, OLG Düsseldorf zum Umfang der bereitzustellenden Vergabeunterlagen im Teilnahmewettbewerb, blog.cosinex.de v. 5.12.2018. 1051 Werden Teile der Vergabeunterlagen im Teilnehmerwettbewerb noch nicht bereitgestellt, besteht stets das Risiko, dass die Unternehmen das Fehlen erforderlicher Angaben rügen und ggf. ein Nachprüfungsverfahren anstreben, wodurch sich der Verfahrensablauf verzögert. 1052 Kap. D. VII. 1. b) bb). 1053 Vgl. dazu die Übersicht bei v. Wietersheim, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 25, Rn. 23 ff. 1054 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 27. 1055 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 28; Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​ Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn. 39, Fn. 25; weitergehender Pfarr, Die elektronische Bereitstellung von Vergabeunterlagen – vier Fragen (Teil 2), Vergabeblog.de, Nr. 27216, v. 8.09.2016. 1056 OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16 –, juris, Rn. 81 mit Verweis auf Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 28.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Zu Beginn der Dialogphase sind daher die Unterlagen verfügbar zu machen, welche die Bedürfnisse und Anforderungen des Auftraggebers zu diesem Zeitpunkt wiedergeben.1057 Die Bereitstellungspflicht kann zudem bei einer Innovationspartnerschaft oder einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb eingeschränkt sein, sofern bestimmte Aspekte der Leistungsbeschreibung zur Disposition gestellt werden.1058 f) Direktheit Die Direktheit erfordert gemäß der amtlichen Begründung eine Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen ohne wesentliche Zwischenschritte und ohne Zeitverlust.1059 Die in der Bekanntmachung anzugebende Internetadresse muss eindeutig und vollständig sein, sodass ein medienbruchfreier elektronischer Weg eröffnet wird.1060 Damit schließt der Verordnungsgeber – richtlinienkonform1061 – die Möglichkeit der Angabe einer E-Mail-Adresse explizit aus, die Interessenten zunächst kontaktieren müssten, um die Vergabeunterlagen zu erhalten.1062 Ferner lässt sich diesen Ausführungen des Verordnungsgebers entnehmen, dass die URL syntaktisch fehlerfrei bekannt gemacht und während der Dauer des Verfahrens nicht verändert werden darf. Bei einer fehlerhaften Angabe der Internetadresse hat der Auftraggeber unverzüglich eine Berichtigung der Bekanntmachung zu veranlassen.1063 Dem Erfordernis der Direktheit genügt nicht die bloße Angabe der Startseite der Homepage des Auftraggebers oder zu einer von ihm genutzten E-Vergabeplattform1064. Bei einer derartig generellen Verweisung (sog. Surface Link) müssen die Vergabeunterlagen zum konkreten Verfahren erst auf der entsprechenden Unterseite, ggf. mittels einer Suchfunktion, ausfindig gemacht werden, sodass dem Abruf noch wesentliche Zwischenschritte entgegenstehen. Daher bedarf es der Nennung der spezifischen Adresse zu dem Unterverzeichnis der Internetseite, unter dem die Vergabeunterlagen abgerufen werden können (sog. Deep Link)1065. Eine unmittelbare Verlinkung der

1057 Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil III Pkt. 2 b), blog.cosinex.de v. 29.2.2016; ähnl. auch Schubert, in: Willenbruch  / ​ Wieddekind, VergabeR, VgV, § 11, Rn. 7. 1058 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 28; Pfarr, Die elektronische Bereitstellung von Vergabeunterlagen  – vier Fragen (Teil 2), Vergabeblog.de, Nr. 27216, v. 8.09.2016. 1059 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 (VgV); S. 260 (SektVO). 1060 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 195 (VgV); S. 260 (SektVO). 1061 S. dazu oben Kap. D. VII. 1. b. bb). 1062 Die Angabe einer E-Mail-Adresse war vor der Vergaberechtsmodernisierung 2016 durchaus gängig, vgl. Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 33. 1063 Weniger streng („zeitnah“), Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 37 f. 1064 Bsp. Verweis auf Abrufbarkeit unter www.evergabe.de/. 1065 Bsp. www.evergabe.de/tenderdocuments000001.

VII. Bereitstellung der Vergabeunterlagen

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Dateien selbst wäre zwar mit der Anforderung der Direktheit vereinbar, erweist sich allerdings in Anbetracht möglicher Änderungen oder Ergänzungen der einzelnen Dokumente im Verfahrensverlauf als wenig zweckmäßig.1066 Ob die Angabe einer Internetadresse, die zu einem Unterverzeichnis führt, das unterschiedliche Vergabeunterlagen sämtlicher Vergabeverfahren des Auftraggebers enthält, noch mit dem Erfordernis der Direktheit vereinbar ist, erscheint generell zweifelhaft. Dies ist im Einzelfall davon abhängig, ob die Internetseite derart übersichtlich ausgestaltet wird, dass ein Abrufen der konkret gesuchten Vergabeunterlagen zu einem Verfahren nach den benannten Kriterien ohne wesentliche Zwischenschritte und Zeitverluste möglich ist.1067 g) Ergebnis Mit der Normierung der Erforderlichkeit der unentgeltlichen, uneingeschränkten, vollständigen und direkten Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen bezweckt der Verordnungsgeber einen Paradigmenwechsel, der unter dem Leitgedanken der Verfahrensbeschleunigung und Transparenzsteigerung steht. Erstere wird vor allem durch die zentrale Bereitstellung der Vergabeunterlagen erreicht, welche die individuelle Übermittlung der Unterlagen an die Unternehmen fortan ersetzt. Dies bedeutet eine erhebliche Erleichterung für den Auftraggeber. Die neu ausgestalteten Anforderungen an die Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen erscheinen zwar als sehr weitgehend, sind jedoch sachlich gerechtfertigt. Die Verpflichtung, diese nunmehr grundsätzlich einem anonymen Interessentenkreis im vollen Umfang direkt und kostenlos zur Verfügung zu stellen, vergrößert nicht nur den potentiellen Interessentenkreis, dem der Zugang zu den Vergabeunterlagen ohne eine Registrierung wesentlich erleichtert wird und ist damit dem Wettbewerb zuträglich. Die größere Öffentlichkeit und die Notwendigkeit der umfänglichen Erstellung der Unterlagen vor Verfahrensbeginn kann, gerade auch bei zweistufigen Verfahren, längerfristig zur Verbesserung der Qualität der Vergabeunterlagen1068 beitragen. Der vollständige Übergang von der papierbasierten zu der durchgängig auf der Verwendung elektronischer Mittel basierenden Vergabe ist unwiderruflich eingeschlagen. Die Neuorganisation der Verfahrensabläufe in Bezug auf die Erstel­ lung und Bereitstellung der Vergabeunterlagen sollte daher alsbald vollzogen

1066

Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 35. Zutreffend Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 41, Rn. 16. Als zu weitgehend erweist sich hingegen die Auffassung von Bock, dass es mit der Direktheit noch ver­ einbar sei, wenn für den Abruf ein „Scrollen über mehrere Seiten“ und ein „Wechsel in Unterverzeichnisse“ erforderlich ist, vgl. Bock in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 36. 1068 Zutreffend, dass die bisherige Praxis, die Vergabeunterlagen erst während des laufenden Teilnahmewettbewerbs zu finalisieren, im Interesse „qualitativ hochwertiger Vergabeunterlagen“ nicht sinnvoll sei, Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 21. 1067

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

werden. Dass Verstöße gegen die bewerber- bzw. bieterschützenden Anforderungen1069 an die Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen nicht „sanktionslos“1070 bleiben, verdeutlichen die bereits binnen kurzer Zeit ergangenen Entscheidungen der Vergabekammern.1071

VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen Im Vergabeverfahren sind je nach Verfahrensgestaltung bestimmte Erklärungen in Form von Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahme­ anträgen und Angeboten (Verfahrenserklärungen) fristgerecht einzureichen. Die nachfolgenden Ausführungen zeigen die reformierten Formanforderungen an diese Erklärungen auf und beschäftigen sich im Anschluss mit dem Zugang bei der elektronischen Einreichung sowie mit der Risikoverteilung bei technischen Übermittlungsschwierigkeiten. 1. Richtlinienvorgaben Die Richtlinien enthalten jeweils in der zentralen Vorschrift zur Kommunikation zwar verbindliche Vorgaben zu den im Vergabeverfahren zulässigen Kommunikationsmitteln für den gesamten Kommunikations- und Informationsaustausch, die auch für die Einreichung der Verfahrenserklärungen gelten, aber darüber hinaus keine Formerfordernisse.1072

1069 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  6; Horn, in: Müller-Wrede, VgV / ​ UVgO, § 41, Rn. 41; Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 25; Schmidt, in: Säcker, MüKo​ EuWettbR, VgV, § 41, Rn. 26. 1070 Zur Pflicht der vollständigen Bereitstellung zunächst mit dieser Einschätzung Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 24, der jedoch nach der Entscheidung OLG München relativierte, vgl. a. a. O., Rn. 24.1. 1071 VK Südbayern, Beschl. v. 17.10.2016 – Z3–3-3194-1-36-09/16; OLG München, Beschl. v. 13.3.2017 – Verg 15/16; VK Bund, Beschl. v. 11.11.2017 – VK 2 – 128/17. Ein Schaden in Form der Beeinträchtigung der Zuschlagschancen droht bei einer unzureichenden Verfügbarmachung der Vergabeunterlagen regelmäßig schon deswegen, weil die Interessenten ohne die freie Zugänglichkeit und Kenntnis aller Dokumente keine abschließende Entscheidung hinsichtlich der Teilnahme am Verfahren treffen können und / ​oder fehlerhafte Erklärungen einreichen. Unbegründet ist allerdings ein Nachprüfungsantrag, wenn trotz der unvollständigen Bereitstellung der Vergabeunterlagen ein Teilnahmeantrag eingereicht worden ist und das Unternehmen für Angebotsabgabe ausgewählt wird, VK Weimar, Beschl. v. 9.1.2017  – 250-4004-7985/2016-E-013-SM –, juris, Rn. 390 ff. 1072 Vgl. Oberndörfer / ​Lehmann, BB 2015, 1027 (1030).

VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen 

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2. Regelung im Kartellvergaberecht Die Vergabeverordnungen normieren spezifische Vorgaben zur Form und Übermittlung von Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträgen und Angeboten. Darin wird als Regelfall die Übermittlung in Textform gem. § 126b BGB mithilfe elektronischer Mittel festgeschrieben.1073 Damit werden die Formerfordernisse grundsätzlich abgesenkt. Zuvor war zumindest für die Angebotsabgabe die Verwendung einer fortgeschrittenen oder qualifizierten elektronischen Signatur erforderlich.1074 Nunmehr können diese nur noch vom Auftraggeber verlangt werden, sofern erhöhte Sicherheitsanforderungen im Einzelfall festgestellt werden.1075 Die Neuregelung bewirkt grundsätzlich eine Verfahrenserleichterung zugunsten der Unternehmen.1076 Der Verordnungsgeber dürfte vor allem darauf abzielen, die Akzeptanz für die nunmehr verbindliche elektronische Kommunikation zu steigern. In der Vergangenheit haben sich elektronische Signaturen, insbesondere in qualifizierter Form, aufgrund des hohen technischen und finanziellen Aufwands, als hinderlich für die verbreitete Nutzung elektronischer Mittel für die Einreichung der Verfahrenserklärungen erwiesen.1077 a) Anforderungen an die Textform für elektronische Erklärungen Die Textform erfordert keine Unterschrift, sondern nur die Abgabe einer lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, in der die Person des Erklärenden genannt ist, § 126b S. 1 BGB. Mit der Einführung der Textform intendierte der Gesetzgeber, insbesondere die Erschwernisse der eigenhändigen Unterschrift im Geschäftsverkehr abzumildern.1078 Anders als die elektronische Form im Sinne des § 126a BGB, die als Äquivalent zur Unterschrift eine qualifizierte elektronische Signatur voraussetzt, kommt der Textform keine Warn-, Beweis- oder Identitätsfunktion zu, sondern diese erfüllt lediglich Informations- und Dokumentationszwecke.1079 Im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU1080 1073

§ 53 Abs. 1 VgV; § 43 Abs. 1 SektVO; § 28 Abs. 1 KonzVgV. Vgl. auch § 11 EU Abs. 4 VOB / ​A. 1074 § 16 EG Abs. 1 Hs. 2 VOL / ​A (2009); § 5 Abs. 1 S. 2 SektVO (2009); § 13 EG Abs. 1 Nr. 1 S.  3 VOB / ​A (2012). 1075 Kap. D. IV. 2. b) aa) (2). 1076 Dies begrüßend Bitkom, Stellungnahme zum Vergaberechtsmodernisierung, v. 12.1.2016, S. 5. Ebenso VITAKO, Stellungnahme von zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, v. 1.12.2015, S. 2 f. 1077 Vgl. Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 10, Rn. 15. 1078 Vgl. BT-Drs. 14/4987, S. 18. 1079 Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 53, Rn. 3. 1080 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

(VerbrRRL) wurde die Vorschrift sprachlich angepasst, ohne eine inhaltliche Modifizierung zu beabsichtigen.1081 aa) Abgabe einer lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger Ein dauerhafter Datenträger im Sinne des § 126 b BGB stellt ein Medium dar, das dem Empfänger die Aufbewahrung oder Speicherung der Erklärung in der Weise ermöglicht, dass die an ihn persönlich gerichtete Erklärung für einen dem Zweck angemessenen Zeitraum zugänglich bleibt und welches zur unveränderten Wiedergabe geeignet ist, § 126b S. 2 BGB. Nach den Erwägungen der dieser Definition zugrunde liegenden VerbrRRL sollen hierzu insbesondere Papier, USBSticks, CD-ROMs, DVDs, Speicherkarten oder die Festplatten von Computern sowie E-Mails gehören.1082 Grundsätzlich kann also sowohl mit papiernen Urkunden ohne Unterschrift als auch mit elektronischen Dokumenten ohne qualifizierte elektronische Signatur dem Erfordernis der Abgabe einer lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger entsprochen werden.1083 Vor dem Hintergrund des verbindlichen Grundsatzes der elektronischen Kommunikation im Kartellvergaberecht ist allerdings eine Einreichung von Papierdokumenten durch die Bewerber bzw. Bieter ausgeschlossen. Dies spiegelt sich auch im Wortlaut der jeweiligen Bestimmung in den Vergabeverordnungen wider, der klarstellt, dass die Verfahrenserklärungen „mithilfe elektronischer Mittel“ und somit notwendigerweise als elektronische Dokumente zu übermitteln sind.1084 Erforderlich ist ferner, dass die Daten durch Anwendungsprogramme in Schriftzeichen lesbar sind.1085 Die Lesbarkeit ist bei der Verwendung von Standarddateiformaten, z. B. PDF, HTML, TXT, DOC[X], allgemein anzunehmen.1086 bb) Person des Erklärenden bei Unternehmen Die Benennung des Erklärenden erfordert bei natürlichen Personen regelmäßig die Angabe des Namens; bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften der 1081

BT-Drs. 17/12637, S. 44. Vgl. Art. 2 Nr. 10 i. V. m. ErwGrd Nr. 23 RL-2011/83/EU. 1083 Hertel, in: Staudinger, BGB AT, § 126b, Rn. 1. 1084 Abw. hierzu enthalten z. B. die Vorgaben zur Erstellung des Vergabevermerks keinen solchen Zusatz, vgl. § 8 Abs. 2 S. 1 VgV, § 8 Abs. 2 S. 1SektV, § 6 Abs. 2 S. 1 KonzVgV, sodass dieser weiterhin in Papierform erstellt werden kann, Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 163. 1085 Einsele, in: MüKO BGB, Bd. 1, § 126b, Rn. 11. 1086 Hertel, in: Staudinger, BGB AT, § 126b, Rn. 28; a. A. bzgl. DOC-Formaten Föhlisch, in: Hoeren / ​Sieber / ​Holznagel, Multimedia-Recht, 45. EL, Teil 13.4, Rn. 235, der – in Anbetracht von Open-Source-Software unzutreffend  – davon ausgeht, dass DOC-Formate stets kostenpflichtige Software voraussetzen. 1082

VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen 

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Firma, § 17 HGB.1087 In letzteren Fällen wird von den Auftraggebern in der Vergabepraxis teilweise primär die Angabe einer natürlichen Person, die die Erklärung abgibt, verlangt. Die ausschließliche Nennung eines Vertreters erweist sich allerdings nach zivilrechtlichen Maßstäben als unzureichend.1088 Da es sich bei Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträgen und Angeboten um empfangsbedürftige Willenserklärungen handelt,1089 muss erkennbar sein, wem die Erklärung zugerechnet werden soll.1090 Die Firma der juristischen Person oder Handelsgesellschaft muss also zwingend aus der Erklärung hervorgehen.1091 b) Zugang der elektronischen Verfahrenserklärungen beim Auftraggeber Die Verfahrenserklärungen müssen als empfangsbedürftige verkörperte Willenserklärungen unter Abwesenden dem Auftraggeber entsprechend § 130 S. 1 BGB zugehen. Nach herrschender Auffassung setzt der Zugang das Gelangen der Willenserklärung in den Machtbereich des Adressaten voraus, sodass bei der Annahme gewöhnlicher Verhältnisse die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht.1092 aa) Erreichen des Machtbereichs des Auftraggebers Der Machtbereich des Empfängers erstreckt sich auf Empfangsvorrichtungen, die zur Entgegennahme von Willenserklärungen gewidmet wurden.1093 Derartige Einrichtungen sind je nach Kommunikationsform in vielfältiger Ausgestaltung denkbar.1094 Im Vergaberecht erfolgt die Übermittlung von elektronischen Erklä 1087

Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 53, Rn. 3. Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 9 VgV, Rn. 38. 1089 Verfürth, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 53, Rn.  7. 1090 Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 9 VgV, Rn. 32. 1091 Zweifelhaft erscheint, ob darüber hinaus die ergänzende Angabe eines Vertreters verlangt werden darf. Dies wird vom BGH im Zivilrecht, insbesondere bei Massengeschäften, als „leere Förmelei“ abgelehnt, die dem angestrebten Zweck der Vereinfachung des Rechtsverkehrs entgegenstehe, vgl. BGH, Urt. v. 7.7.2010 – VIII ZR 321/09 –, juris, Rn. 16 f. Allerdings weist Zeiss auf die besondere Situation im Vergabeverfahren hin, in dessen Rahmen sich zumindest die Angebotsabgabe auf den Abschluss eines verbindlichen Vertrags richte. Gerade bei der Vergabe von Aufträgen mit erheblichen Volumina könne durchaus ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers an der zusätzlichen Nennung eines konkreten Vertreters vorliegen, um beispielsweise die Plausibilität des Bestehens der Vertretungsmacht im Hinblick auf § 174 BGB zu prüfen, vgl. Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 9 VgV, Rn. 39 f.; ders., Die elektronische Textform im Vergaberecht, blog.cosinex.de v. 6.6.2016. 1092 Vgl. BGHZ 67, 271 (275); 137, 205 (207); OLG Celle, Beschl. v. 7.6.2007 – 13 Verg 5/07; VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v.  2.8.2013 – 3 VK LSA 33/13; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.8.2009 – 1 VK 35/09; VK Bund, Beschl. v. 1.9.2006 – VK 3 – 105/06. 1093 Säcker, in: MüKO BGB, Bd. 1, Einl., Rn. 199. 1094 Singer / ​Benedict, in: Staudinger, BGB AT, § 130, Rn. 51. 1088

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

rungen regelmäßig über eine E-Vergabeplattform, die auf den Servern in der ITInfrastruktur des Auftraggebers oder auf den Servern eines externen Dienstleisters betrieben wird. Als Referenz wird zunächst die zivilrechtliche Beurteilung des Eingangs von E-Mails in den Machtbereich des Empfängers aufgezeigt. (1) E-Mail-Postfach als elektronische Empfangsvorrichtung Ein E-Mail-Postfach, das für den Rechts- und Geschäftsverkehr gewidmet wurde, bildet eine elektronische Empfangsvorrichtung des Empfängers.1095 Bei der E-Mail-Kommunikation kann zunächst technisch unterschieden werden, ob auf Empfängerseite ein eigener Mailserver betrieben oder ob dieser von einem E-Mail-Provider zur Verfügung gestellt wird.1096 Dieser Differenzierung folgend wird teilweise im ersten Fall angenommen, dass eine Erklärung in den Machtbereich eingehe, sobald sie den eigenen Server des Empfängers erreicht.1097 Eine erfolgreiche Speicherung dürfe für den Eingang in den Machtbereich nicht verlangt werden, da der Empfänger das Risiko für technische Störungen in seinem Einflussbereich, die das Speichern verhindern könnten, tragen müsse. Ist das E-Mail-Postfach des Empfängers hingegen auf den fremden Servern eines Providers angesiedelt, wird in Teilen der Literatur vertreten, dass der Eingang in den Machtbereich des Empfängers erst mit dem Abruf durch diesen erfolgen solle.1098 Der Server des Providers liege noch außerhalb des Einflussbereichs des Empfängers, sodass erst ab der Speicherung auf dem eigenen Computer eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit vorliege. Die überwiegende Meinung differenziert hingegen nicht danach, ob das E-Mail-Postfach auf eigenen Servern oder denen eines Providers angelegt ist.1099 Als maßgeblich für den Eingang in den Machtbereich wird vielmehr stets die abrufbare Speicherung erachtet. Dies erscheint sachgerecht. Die Auffassung, die bei dem Betrieb eigener Server bereits die bloße Speichermöglichkeit für den Eingang in den Machtbereich als ausreichend erachtet, bewirkt eine pauschale Risikoverlagerung zulasten des Empfängers.1100 Ferner verkennt sie, dass erst mit der Speicherung der empfangsbedürftigen Willenserklärungen auf einem Medium wieder eine für den Menschen wahrnehmbare Verkörperung erfolgt.1101 Die weiter vertretene Ansicht, die über die abrufbare Speicherung hinaus den Abruf durch den Empfänger 1095

Spindler, in: Spindler / ​Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 130, Rn. 4. Weiter differenzierend noch Gomille, in: Hager, BeckOGK BGB, § 130, Rn. 58. 1097 Kitz, in: Hoeren / ​Sieber / ​Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  13.1, Rn.  79; Faust, BGB AT, § 2 Rn. 33. 1098 Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 220; Herwig, MMR 2001, 145 (146). 1099 Dörner, AcP 202 (2002), 363 (366 f.); Ellenberger, in: Palandt BGB, § 130, Rn. 7a; Spindler, in: Spindler / ​Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 130, Rn. 4; Gomille, in: Hager, BeckOGK BGB, § 130, Rn. 59; Wolf / ​Neuner, BGB AT, § 33, Rn. 15. 1100 Dörner, AcP 202 (2002), 363 (370). 1101 Säcker, in: MüKO BGB, Bd. 1, Einl., Rn. 200; Gomille, in: Hager, BeckOGK BGB, § 130, Rn. 60. 1096

VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen 

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von dem Server des Providers und das Speichern auf dem eigenen Computer fordert, verlagert hingegen das Risiko unbilligerweise auf den Absender. Bereits mit der abrufbaren Speicherung erreicht die Willenserklärung den Machtbereich des Empfängers, sodass dieser die Kenntnisnahmemöglichkeit besitzt. Das Verlangen des Abrufs würde die tatsächliche Kenntnisnahme voraussetzen, die nach allgemeiner Meinung1102 für den Zugang gerade nicht vorausgesetzt wird. (2) E-Vergabeplattform als elektronische Empfangsvorrichtung Bei der E-Vergabe wird regelmäßig eine E-Vergabeplattform vom Auftraggeber zum Empfang der Verfahrenserklärungen als Empfangsvorrichtung gewidmet. Die Bewerber bzw. Bieter müssen in diesem Fall die Erklärungen an die in der Bekanntmachung anzugebende Plattform – mittels einer lokal zu installierenden oder webbasierten – Bieterclientanwendung übermitteln. Im Ausgangspunkt ist eine E-Vergabeplattform in ihrer Funktion als „elektronischer Briefkasten“ des Auftraggebers mit einem E-Mail-Postfach vergleichbar. Für die Beurteilung des Erreichens des Machtbereichs ist es daher nach den zuvor ermittelten Maßstäben erforderlich, dass die von den Bewerbern bzw. Bietern übermittelten elektronischen Verfahrenserklärungen abrufbar auf den zugrunde liegenden Servern der E-Vergabeplattform gespeichert werden.1103 Analog zum E-Mail-Postfach gilt dies unabhängig davon, ob der Auftraggeber die E-Vergabeplattform und / ​oder die Server selbst betreibt oder ein privater Dienstleister diese Aufgabe übernimmt.1104 Im Vergabeverfahren sind allerdings die Anforderungen an die Datensicherheit zu beachten.1105 Diese erfordern, dass die Verfahrenserklärungen verschlüsselt übertragen und in dieser Form abrufbar auf den Servern der E-Vergabeplattform gespeichert werden.1106 bb) Möglichkeit der Kenntnisnahme Ferner setzt der Zugang nach herrschender Auffassung nicht nur das Gelangen in den Machtbereich voraus, sondern auch das Bestehen der Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Erklärung unter gewöhnlichen Verhältnissen.1107 Bei den Einreichungsverfahren eines Vergabeverfahrens besteht insoweit die Besonderheit, dass die Kenntniserlangung bis zum Ablauf der Einreichungsfristen zur Gewährleistung des Geheimwettbewerbs dem Auftraggeber vergaberechtlich unter 1102

Statt vieler Einsele, in: MüKO BGB, Bd. 1, § 130, Rn. 16. A. A. Verfürth, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 53, Rn. 7, der offenbar die Speichermöglichkeit als ausreichend erachtet. 1104 Ebenso Verfürth, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 53, Rn.  7. 1105 Dazu im Einzelnen Kap. D. V. 1. b) cc). 1106 Im Ergebnis auch Hermann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 53, Rn. 19. 1107 BGHZ 67, 271 (275); 137, 205 (207); Ellenberger, in: Palandt BGB, § 130, Rn. 5; Einsele, in: MüKO BGB, Bd. 1, § 30, Rn. 16 m. w. N. 1103

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

sagt1108 – und bei elektronischen Erklärungen durch die verschlüsselte Übermittlung und anschließende Aufbewahrung in dieser Form technisch de facto ausgeschlossen1109 – ist. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Auftraggebers tritt also erst mit Ablauf der Einreichungsfristen ein, obgleich sich die Erklärungen bereits zuvor in dessen Sphäre befinden. Erst ab diesem Zeitpunkt ist daher der Zugang im Rechtsinn anzunehmen.1110 c) Risikoverteilung bei technischen Störungen Bei der elektronischen Übermittlung der Verfahrenserklärungen können technische Störungen auftreten, die einen Zugang verzögern oder gänzlich ausschließen. Die elektronischen Erklärungen, die beim Auftraggeber nicht fristgerecht eingehen, sind grundsätzlich auszuschließen, § 57 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 i. V. m. Abs. 3 VgV. Zwar enthalten die KonzVgV und der SektVO in dieser Hinsicht keine ausdrückliche Regelung, allerdings gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz auch in diesem Bereich, verfristete Erklärungen grundsätzlich nicht mit in die Prüfung und Wertung einzubeziehen.1111 Für die Beurteilung des fristgerechten Zugangs ist allein der Ablauf der Einreichungsfrist entscheidend. Die anschließende, regelmäßig zeitlich nachgelagerte Öffnung1112 hat keine rechtliche Bewandtnis für die Fristwahrung.1113 Sofern Verfahrenserklärungen nach Fristablauf eingehen, sind diese vom Auftraggeber zwar bis zum Öffnungszeitpunkt verschlüsselt aufzubewahren, sodann aber von der Prüfung und Wertung zwingend auszuschließen.1114 1108 Vgl. §§ 5 Abs. 2 S. 1, 54 S. 1, 55, 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VgV; §§ 5 Abs. 2 S. 1, 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SektVO; §§ 4 Abs. 2 S. 1, 29, 8 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, KonzVgV. Vgl. auch §§ 11a EU Abs. 4 S. 2 Nr. 2, 14 Abs. 1 S. 2 VOB. 1109 Zutreffend Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 222. 1110 In der Vergangenheit bereits Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 222; i.d.S. auch Müller-Wrede, in: ders., VOL / ​A, § 12 EG, Rn. 50; LG Bonn, Urt. v. 30.10.2015 – 1 O 161/15 –, juris, Rn. 42. Dem nach der Vergaberechtsmodernisierung 2016 dem Grund nach zustimmend Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 20, Rn. 75, Fn. 54. In der Folge ist ein Widerruf der Erkärungen bis zum Ablauf der Einreichungsfristen gem. der allg. zivilrechtlichen Grundsätze des § 130 Abs. 1 S. 2 BGB zulässig. 1111 Haupt, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 29, Rn. 5; i.d.S. auch Steck, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, SektVO, § 52, Rn. 3. Eine explizite Regelung enthält hingegen § 16 EU Nr.  1 VOB / ​A. 1112 Die Vorschrift des § 55 Abs. 1 S. 1 VgV verlangt, dass der Öffnungstermin für Angebote unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nach Fristablauf zu erfolgen hat. Diesem Erfordernis soll nach in der Literatur vertretener Ansicht noch eine Festsetzung am unmittelbaren Folgetag des Schlusstermins der Einreichungsfrist genügen, Schnelle, in: Müller-Wrede, VgV / ​ UVgO, § 55 VgV, Rn. 23. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 55, Rn. 4; strenger Stolz, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 55, Rn. 5, der grds. eine Öffnung pünktlich mit Ablauf der Einreichungsfrist fordert. Allerdings sei es kein erheblicher Vergabeverstoß, wenn eine Öffnung ausnahmsweise nicht unmittelbar möglich sei. 1113 Haupt, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 29, Rn. 10; Hermann, in: Ziekow / ​ Völlink, VergabeR, VgV, § 56, Rn. 4. 1114 Stolz, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 55, Rn. 5.

VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen 

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Von einem Ausschluss ist abzusehen, wenn der Bewerber bzw. Bieter den verspäteten Eingang nicht zu vertreten hat, vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 VgV. Als Ausnahme vom Grundsatz, dass die Verfahrenserklärungen bis Fristablauf zugegangen sein müssen, bedarf es der restriktiven Auslegung. Jedes, auch nur geringe Mitverschulden, schließt eine Exkulpationsmöglichkeit von vornherein aus.1115 Gleichzeitig würde es eine schwerlich mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbarende Benachteiligung zulasten eines Bewerbers bzw. Bieters darstellen, wenn ihm ein rechtzeitiger Zugang aus Gründen unmöglich war, die er nicht zu vertreten hat.1116 Als Maßstab für das Vertretenmüssen kann auf die Grundsätze der §§ 276 ff. BGB zurückgegriffen werden.1117 aa) Von den Bewerbern bzw. Bietern zu vertretende Umstände Auf der Grundlage von § 276 Abs. 1 BGB haben Bewerber bzw. Bieter eigenes oder zurechenbares, § 278 BGB, zumindest fahrlässig verursachtes Fehlverhalten oder technische Schwierigkeiten in ihrem Verantwortungsbereich zu vertreten. (1) Verspäteter Beginn der Datenübermittlung Bei der elektronischen Übermittlung verlängert sich die potentielle Zeitspanne für die Einreichung von Verfahrenserklärungen im Vergleich zu anderen Übermittlungsformen – mangels physischer Transport- oder Postlaufzeiten o. Ä. – erheblich. Den Bewerbern bzw. Bietern ist es grundsätzlich erlaubt, die Verfahrensfristen bis zum letzten Moment des Fristablaufs auszunutzen. Das Risiko der rechtzeitigen Übermittlung liegt jedoch in ihrem Verantwortungs-bereich.1118 Dieses erhöht sich, je näher der Fristablauf rückt.1119 Die Bewerber bzw. Bieter müssen also im Einzelfall alle Umstände, z. B. die zu übermittelnde Datengröße und die Verbindungsgeschwindigkeit des eigenen Internetanschlusses, für die rechtzeitige Absendung einkalkulieren. Dabei ist auch die Möglichkeit des Auftretens technischer Probleme,

1115 Haupt, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 29, Rn. 15; Dittmann, in: Kurlatz / ​ Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 57, Rn.  50; Soudry, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 57, Rn. 50. 1116 Im Ansatz mit ähnl. Erwägungen bei technischen Problemen einer E-Vergabeplattform aus der Sphäre des Auftraggebers, VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 30.12.2016 – 1 VK 51/16 –, juris, Rn. 72. 1117 Hermann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 57, Rn. 22; Soudry, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 57 VgV, Rn.  49. 1118 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 30.12.2016  – 1 VK 51/16  –, juris, Rn. 78 f.; VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.3.2018, VK-SH 01/18; Zeiss / ​Klipstein, E-Vergabe – Wem sind Probleme bei der elektronischen Angebotsabgabe zuzurechnen?, Pkt. 1, blog.cosinex.de v. 20.7.2017; Lauterbach, VergabeNavigator 3/2018, 9 (10); Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 93. 1119 Lauterbach, VergabeNavigator 3/2018, 9 (10).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

die sich für den Kommunikationsweg als typisch erweisen und somit keinen Fall höherer Gewalt darstellen, zu berücksichtigen.1120 Gerade bei der Datenübermittlung in einem Datennetz kann es zu Funktionsstörungen, z. B. beim Netzzugang aufgrund von technischen Problemen beim Internetprovider, kommen, sodass eine Verbindung temporär nicht möglich ist oder zumindest die Übertragungsgeschwindigkeit stark verringert wird.1121 Ferner sind gerade in einer komplexen IT-Umgebung zahlreiche regelmäßig auftretende technische Schwierigkeiten denkbar,1122 die zu Störungen oder Verzögerungen führen können. Schätzen die Bewerber bzw. Bieter die – für die Datenübermittlung unter Berücksichtigung typischer Risiken mindestens erforderliche – Zeit falsch ein, lassen sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, sodass sie diesen Umstand zu vertreten haben.1123 (2) Technische Schwierigkeiten im eigenen Verantwortungsbereich Technische Schwierigkeiten im Verantwortungsbereich der Bewerber bzw. Bieter sind Bestandteil des Übermittlungsrisikos.1124 Zur Datenübermittlung an eine E-Vergabeplattform des Auftraggebers sind regelmäßig Softwareanwendungen, insbesondere ein Bieterclient, sowie ggf. weitere Programme zur Signierung oder Verschlüsselung, lokal zu installieren. Die Einrichtung und Ausführung der Software erfolgt innerhalb der IT-Infrastruktur der Bewerber bzw. Bieter und ist damit ihrer technischen Einflusssphäre zuzuordnen.1125 Erforderlich ist zunächst die sachgemäße Einrichtung der im Vergabeverfahren einzusetzenden Programme und Geräte1126 sowie die anschließende korrekte Bedienung durch die Bewerber bzw. Bieter und deren Erfüllungsgehilfen unter Beachtung der im Verkehr erforder­ lichen Sorgfalt. Wird diese durch eine fehlerhafte Installation, eine inkorrekte Ein-

1120 Allg. zur Realisierung von typischen Risiken im Gegensatz zu Fällen höherer Gewalt im Zusammenhang mit dem Vertretenmüssen, VK Bund, Beschl. v. 15.8.2017 – VK 2 – 84/17 –, juris, Rn. 30. Zur Übertragbarkeit auf die elektronische Übermittlung, VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.3.2018, VK-SH 01/18; ebenso Lauterbach, VergabeNavigator 3/2018, 9 (10). 1121 Vgl. auch Paul, Das elektronische Vergabeverfahren, S. 224 f.; Zeiss / ​Klipstein, E-Vergabe – Wem sind Probleme bei der elektronischen Angebotsabgabe zuzurechnen?, Pkt. 2, blog. cosinex.de v. 20.7.2017. 1122 Z. B. notwendige Updates des Betriebssystems oder der Sicherheitssoftware oder Ausfall eines Computers, vgl. mit weiteren Bsp. VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.3.2018, VK-SH 01/18. 1123 Für eine Abgabe 90 Minuten vor Fristende, VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.3.2018, VK-SH 01/18. 1124 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 11, Rn. 18; dem folgend VK Südbayern, Beschl. v. 19.3.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17 –, juris, Rn. 108; ebenso Lauterbach, Vergabe​ Navigator 3/2018, 9 (10). 1125 VK Südbayern, Beschl. v. 19.3.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17 –, juris, Rn. 108; i.d.S. auch Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 93. 1126 Z. B. die korrekte Installation einer Signatursoftware mit einem kompatiblen Kartenlesegerät.

VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen 

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stellungskonfiguration1127 oder Bedienungsfehler außer Acht gelassen, kann die Datenübertragung gänzlich fehlschlagen oder sich zumindest verzögern. Führt dies zu einem verspäteten Zugang, haben die Bewerber bzw. Bieter dies zu vertreten. Ferner liegt es in ihrem Verantwortungsbereich, notwendige Updates für bereits einmal sachgemäß eingerichtete elektronische Mittel durchzuführen. Nach der zutreffenden Auffassung der VK Südbayern kann – auch ohne einen gesonderten Hinweis des Auftraggebers auf die letzte Aktualisierung1128 – inzwischen davon ausgegangen werden, dass Bewerber bzw. Bieter, die an EU-weiten Vergabeverfahren teilnehmen, im Allgemeinen Kenntnis über mögliche Funktionseinbußen bei der Verwendung veralteter Softwareversionen besitzen.1129 Vergewissern sie sich nicht, ob für eine bereits installierte Software ein notwendiges Update1130 verfügbar ist, handeln sie fahrlässig, sodass sie mögliche Fehlfunktionen einer veralteten Version1131 zu vertreten haben. bb) Nicht von den Bewerbern bzw. Bietern zu vertretende Umstände Bewerber bzw. Bieter haben den verfristeten Zugang einer Verfahrenserklärung dann nicht zu vertreten, wenn den Auftraggeber ein alleiniges Verschulden trifft oder ein Fall höherer Gewalt vorliegt.1132 (1) Verschulden des Auftraggebers Ein Verschulden des Auftraggebers ist anzunehmen, wenn die elektronischen Verfahrenserklärungen aus technischen Gründen, die seiner Sphäre zuzuordnen sind, nicht oder nicht rechtzeitig vor Fristablauf zugehen können.1133 Betreibt der Auftraggeber die elektronischen Mittel, insbesondere eine E-Vergabeplattform als Empfangsvorrichtung, im Vergabeverfahren nicht selbst, sondern werden diese von 1127

Z. B. in Bezug auf die Firewall- oder andere Sicherheitseinstellungen, die bei fehlender Anpassung zu einer Blockade der Kommunikation führen können. 1128 Ausreichend ist insoweit ein Hinweis in den verfügbar zu machenden Informationen, dass die jeweils aktuellste Version zu verwenden ist. Zur Informationspflicht vgl. Kap. D.  V. 1. b) cc) (2). 1129 VK Südbayern, Beschl. v. 19.3.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17 –, juris, Rn. 105 ff. 1130 Mit dem zunehmenden Einsatz von webbasierten Anwendungen, die nicht die lokale Installation eines spezifischen Programms erfordern, dürfte die Update-Problematik künftig wohl ohnehin an Bedeutung verlieren. 1131 Anders sind wiederum Konstellationen zu beurteilen, in denen ein Programmfehler gerade erst durch ein fehlerhaftes Update ausgelöst wird. In diesem Fall trifft – wie bei der Bereitstellung eines von Anfang an fehlerhaften Programms – den Auftraggeber ein Verschulden. Dazu sogleich nachfolgend. 1132 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 210. Vgl. auch VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.3.2018, VK-SH 01/18. 1133 Vgl. Haupt, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 29, Rn. 16.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

einem privaten E-Vergabedienstleister bereitgestellt, muss er sich dort auftretende Funktionsstörungen zurechnen lassen. Die privaten Dienstleister sind insoweit als dessen Erfüllungsgehilfen, § 278 S. 1 BGB, zu qualifizieren.1134 (a) Funktionsstörungen der E-Vergabeplattform Bei der Verwendung einer E-Vergabeplattform als Empfangsvorrichtung hat der Auftraggeber nach den allgemeinen Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren dafür Sorge zu tragen, dass diese bis zum Ablauf der Einreichungsfristen ohne weiteres für die Bewerber bzw. Bieter zugänglich und erreichbar sind.1135 Fehlfunktionen im Rechenzentrum1136 oder der Plattform selbst1137 sind seinem technischen Einflussbereich zuzurechnen und damit als Sorgfaltspflichtverletzung von ihm zu vertreten.1138 Hält der Auftraggeber keine – der Anzahl und Bedeutung der von ihm durchgeführten Vergabeverfahren – angemessene Kapazität hochverfügbarer Systeme in seiner IT-Infrastruktur bereit, sodass es in vorhersehbarer Weise regelmäßig zu Überlastungen oder Ausfällen kommt, kann ihm ferner ein Organisationsverschulden angelastet werden.1139 (b) Funktionsstörungen des Bieterclients als Annex der E-Vergabeplattform Einer besonders differenzierten Betrachtung der Verantwortungssphären bedarf es bei Funktionsstörungen einer Bieterclientsoftware, insbesondere, wenn diese lokal in der IT-Infrastruktur der Bewerber bzw. Bieter installiert ist. Regelmäßig können Daten nur mit dieser (proprietären) Softwarelösung übermittelt werden. Damit bildet das Programm technisch ein Annex zu der jeweils vom Auftraggeber zur Entgegennahme der Verfahrenserklärungen genutzten Plattform.1140 Funk 1134 Zeiss / ​Klipstein, E-Vergabe – Wem sind Probleme bei der elektronischen Angebotsabgabe zuzurechnen?, Pkt. 4, blog.cosinex.de v. 20.7.2017; Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 94. 1135 Kap. D. III. 1. b). Zutreffend VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 30.12.2016 – 1 VK 51/16 –, juris, Rn. 83. 1136 Z. B. Hardware-, Netzwerk- oder Systemfehler. 1137 Z. B. Programmier- oder Skriptfehler. Die E-Vergabeplattform darf etwa nicht in der Form programmiert sein, dass sie das endgültige Hochladen formwidriger Angebote generell unterbindet. Die Feststellung der Formwidrigkeit obliegt allein dem Auftraggeber, VK Südbayern, Beschl. v. 4.5.2018 – Z3-3-3194-1-05-03/18. 1138 Ähnl. Haupt, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 29, Rn. 16, allg. auch Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 94. 1139 Temporäre Überlastungen, insbesondere kurz vor Ablauf der Einreichungsfrist sind hingegen als typischer Teil des Übermittlungsrisikos von den Bewerbern bzw. Bietern zu tragen, Kap. D. VIII. 2. c) aa) (1). 1140 Zeiss / ​Klipstein, E-Vergabe – Wem sind Probleme bei der elektronischen Angebotsabgabe zuzurechnen?, Pkt. 4, blog.cosinex.de v. 20.7.2017; Dippel, Probleme bei elektronischer Angebotsabgabe, blog.cosinex.de v. 26.4.2018; Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 94.

VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen 

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tionsstörungen der E-Vergabeplattform setzen sich in der Folge unmittelbar in der korrespondierenden Software fort, sodass diese gleichfalls der Sphäre des Auftraggebers zuzurechnen und von ihm zu vertreten sind.1141 Gleiches gilt grundsätzlich auch bei eigenständigen Programm- oder Skriptfehlern, die eine vom Auftraggeber bereitgestellte Bieterclientsoftware aufweist. Da die Programme regelmäßig lokal innerhalb der IT-Infrastruktur der Bewerber bzw. Bieter installiert sind, gilt dies allerdings nur mit der Einschränkung, dass sich die Software an sich als fehlerhaft erweist und die Funktionsstörung nicht auf einer inkorrekten Einrichtung basiert oder diese nicht dem aktuellsten Stand entspricht.1142 Es bedarf also stets einer genauen Analyse der Störung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zur Abgrenzung der technischen Einflusssphären. (c) Mangelnde Kompatibilität eines XVergabe-fähigen Bieterclients Besonders diffizil zu beurteilen sind künftig Konstellationen, in denen die Bewerber bzw. Bieter eine lokal installierte Clientsoftware zur Datenübermittlung einsetzen, die eine XVergabe-Kommunikationsschnittstelle aufweist, aber nicht unmittelbar als Softwarelösung für die vom Auftraggeber vorgegebene E-Vergabeplattform entwickelt wurde. Zunächst könnte in diesem Fall angenommen werden, dass Funktionsstörungen fremder Softwarekomponenten nicht der technischen Sphäre des Auftraggebers zugeordnet werden können, weil er auf deren Funktionsfähigkeit im Zweifelsfall keinen Einfluss nehmen kann. Allerdings würde bei dieser Sichtweise nicht hinreichend berücksichtigt werden, dass die Auftraggeber gemäß den Anforderungen an die elektronischen Mittel die Pflicht trifft, nur solche zum Empfang einzusetzen, die über XVergabe als einheitliche Datenaustauschschnittstelle verfügen.1143 Die obligatorische Implementierung der XVergabe-Kommunikationsschnittstelle in die vom Auftraggeber verwendete E-Vergabeplattform betrifft demnach dessen Sphäre. Daraus folgt, dass der Auftraggeber auftretende Funktionsstörungen mit XVergabe-fähigen Bieterclients, die auf Inkompatibilitäten der von ihm verwendeten E-Vergabeplattform basieren, z. B. weil die Datenaustauschschnittstelle nicht der aktuellsten XVergabe-Spezifikation entspricht oder fehlerhaft implementiert wurde, zu vertreten hat.1144 Allerdings setzt diese Ausdehnung der Sphäre des Auftraggebers auch in diesen Fällen voraus, dass die lokal installierten XVergabe-fähigen Bieterclients korrekt in der IT-Infrastruktur

1141 Zeiss / ​Klipstein, E-Vergabe – Wem sind Probleme bei der elektronischen Angebotsabgabe zuzurechnen?, Pkt. 4, blog.cosinex.de v. 20.7.2017; ebenso Dippel, Probleme bei elektronischer Angebotsabgabe, blog.cosinex.de v. 26.4.2018. 1142 Diese Konstellationen hat der Bewerber bzw. Bieter zu vertreten Kap. D. VIII. 2. c) aa) (2). 1143 Vgl. § 10 Abs. 2 VgV; § 10 Abs. 2 SektVO; § 8 Abs. 2 KonzVgV; § 11a EU Abs. 5 VOB / ​ A. Kap. D. III. 3. b) aa). 1144 Ebenso auch Zeiss / ​Klipstein, E-Vergabe – Wem sind Probleme bei der elektronischen Angebotsabgabe zuzurechnen?, Pkt. 5, blog.cosinex.de v. 20.7.2017.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

des Bewerbers bzw. Bieters eingerichtet wurden und an sich keine Programmfehler aufweisen. Zudem ist zu verlangen, dass diese gleichfalls die aktuellste Version der XVergabe-Spezifikation1145 verwenden.1146 (d) Kein (Mit-)Verschulden des Bewerbers bzw. Bieters Maßgeblich ist, dass den Auftraggeber hinsichtlich der technischen Störungen, die den rechtzeitigen Zugang hindern, ein – eigenes oder zurechenbares – alleiniges Verschulden trifft. Jedes, auch nur geringe, Mitverschulden der Bewerber bzw. Bieter schließt eine Exkulpation aus.1147 Die Bewerber bzw. Bieter tragen grundsätzlich das Übermittlungsrisiko und müssen daher alles Zumutbare und Erforderliche1148 unternehmen, um einen Eingang in den Machtbereich bis zum Fristende zu erreichen. Treten technische Störungen bei der E-Vergabeplattform oder einem Bieterclient auf, die eine Datenübermittlung ausschließen, müssen sie deshalb Kontakt zum Auftraggeber bzw. dessen technischen Support aufnehmen, um Lösungsmöglichkeiten zu eruieren.1149 Ferner ist zu verlangen, dass ein im Einzelfall zeitlich angemessener Abstand vor Ablauf der Einreichungsfrist besteht, sodass überhaupt eine Chance auf Seiten des Auftraggebers gegeben ist, etwaige technische Probleme noch zu ermitteln und zu beheben.1150 Wird erst unmittelbar vor Fristablauf mit der Datenübermittlung begonnen und kommt es dann zu technischen Störungen, die vom Auftraggeber nicht mehr kurzfristig gelöst werden, kommt der bloßen Kontaktaufnahme keine exkulpierende Wirkung zu, denn dann verwirklicht sich ein typisches Übermittlungsrisiko, das der Bieter bzw. Bewerber zu tragen hat, selbst wenn die Ursache aus der Sphäre des Auftraggebers stammt.1151

1145 Die aktuellste Version der XVergabe-Kommunikationsschnittstelle und ein Versionsverlauf sind online abrufbar unter: https://www.xvergabe.org/confluence/display/xv/ClientInterface [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 1146 Dies verlangt von den Auftraggebern bzw. den Plattformbetreibern die Durchführung gegenseitiger Kompatibilitätstests, um die Funktionsfähigkeit unterschiedlicher Anwendungen zu erproben. Zeiss / ​Klipstein, E-Vergabe – Wem sind Probleme bei der elektronischen Angebotsabgabe zuzurechnen?, Pkt. 5, blog.cosinex.de v. 20.7.2017. 1147 Haupt, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 29, Rn. 15; Dittmann, in: Kurlatz / ​ Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 57, Rn.  50; Soudry, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 57, Rn. 50. 1148 Generell unzulässig ist es bei technischen Störungen, unter Missachtung der vergaberechtlichen Vorgaben zur Datensicherheit eine inhaltsgleiche Erklärung über einen anderen (elektronischen) Übermittlungsweg, z. B. per E-Mail zu versenden, um einen rechtzeitigen Zugang herbeizuführen. Dies stellt einen unheilbaren Verstoß gegen den Geheimwettbewerb dar, vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.3.2017 – 15 Verg 2/17, Rn. 50 ff.; VK Südbayern, Beschl. v. 4.5.2018 – Z3-3-3194-1-05-03/18; Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 94. 1149 Haupt, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 29, Rn. 16; ähnl. auch Lauterbach, VergabeNavigator 3/2018, 9 (10). 1150 Lauterbach, VergabeNavigator 3/2018, 9 (11); ähnl. Klein, VergabeNavigator 4/2018, 22 (24). 1151 Vgl. VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.3.2018, VK-SH 01/18.

VIII. Form und Zugang von Verfahrenserklärungen 

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(2) Technische Störungen aufgrund höherer Gewalt Ebenfalls nicht von Bewerbern bzw. Bietern zu vertreten sind Fälle höherer Gewalt,1152 die allerdings nur selten gegeben sein dürften. Denkbar sind etwa längerfristige Störungen der Internetinfrastruktur oder Stromausfälle, die überregional aufgrund von Naturkatastrophen oder schweren Unwettern auftreten. (3) Materielle Beweislast Aus der Formulierung des § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV folgt eine Beweislastumkehr zulasten der Bewerber bzw. Bieter.1153 Zur Exkulpation sind sie somit darlegungsund beweispflichtig.1154 Um ein eigenes Vertretenmüssen zu widerlegen, dürfte jedenfalls erforderlich sein, dass nachweislich rechtzeitig mit der Datenübermittlung begonnen wurde und die technischen Schwierigkeiten nicht aus der Einflusssphäre des Bewerbers bzw. Bieters stammen. Die Verschuldensvermutung für die verspätete Absendung dürfte durch Vorlage einer – in Anbetracht der Datenmenge, Übermittlungsgeschwindigkeit und einem Zeitpuffer für typischerweise auftretende technische Störungen – angemessenen Zeitplanung für die Datenübermittlung sowie der Protokollierung der Absendungsversuche widerlegbar sein. Zudem ist ggf. durch entsprechende Telefon- oder Chatprotokolle die unverzügliche und rechtzeitige Kontaktaufnahme mit dem Auftraggeber bzw. dessen technischen Supports zur Problembehebung vor Ablauf der Einreichungsfristen darzulegen. Zur Entlastung, dass etwaige Funktionsstörungen nicht der technischen Einflusssphäre des Bewerbers bzw. Bieters zuzuordnen sind, muss der Nachweis erbracht werden, dass die elektronischen Mittel innerhalb der eigenen IT-Infrastruktur ordnungsgemäß funktionieren, die aktuellste Softwareversion verwendet und fehlerfrei bedient wurde sowie der eigene Netzzugang nicht gestört war. Der Nachweis für die grundlegende Kompatibilität von Hard- und Software mit der E-Vergabeplattform sowie den richtigen Sicherheitseinstellungen (Firewall, Antivirenprogramm, Proxyserver etc.) und der korrekten Bedienung kann etwa mit der protokollierten Durchführung erfolgreicher Testläufe und der erfolgreichen Verwendung in anderen Verfahren erbracht werden.1155

1152

Vgl. allg. Haupt, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 29, Rn. 14; Dittmann, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 57, Rn.  50. 1153 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 210. 1154 VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.3.2018, VK-SH 01/18; Soudry, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 57, Rn.  53; Lauterbach, VergabeNavigator 3/2018, 9 (11). 1155 Vgl. auch die Praxistipps für Bieter bei Zeiss / ​Klipstein, E-Vergabe – Wem sind Probleme bei der elektronischen Angebotsabgabe zuzurechnen?, Pkt. 8, blog.cosinex.de v. 20.7.2017. Zum Umfang der Beweis- und Darlegungslast s. auch VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.3.2018, VK-SH 01/18.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

d) Ergebnis Mit der aktuellen Vergaberechtsmodernisierung werden die Formerfordernisse an die elektronisch einzureichenden Verfahrenserklärungen grundsätzlich abgesenkt. Im Regelfall genügt nunmehr die Textform, § 126b BGB, die keine qualifi­ zierte elektronische Signatur erfordert, sofern keine erhöhten Anforderungen an die Sicherheit der Daten zu stellen sind. Damit wird eine wesentliche Verfahrenserleichterung zugunsten der Unternehmen bewirkt. Die Entscheidung des Verordnungs­gebers für die Vorgabe der Textform trägt zur Vereinfachung der elektronischen Einreichung der Verfahrenserklärungen bei und dürfte in der Praxis die Teilnahmebereitschaft erhöhen. Dies ist im Sinne des Wettbewerbs zu begrüßen. Die elektronische Übermittlung ist zudem im Regelfall – mangels physischer Transportwege und Postlaufzeiten – ohne nennenswerten Zeitaufwand möglich, sodass die Verfahrensfristen effektiver ausgeschöpft werden können. Gleichwohl sind auch bei der elektronischen Kommunikation die typischen Übermittlungs­ risiken zu berücksichtigen.

IX. Feststellung der Eignung Öffentliche Aufträge und Konzessionen sind ausschließlich an fachkundige und leistungsfähige, d. h. geeignete Unternehmen zu vergeben, § 122 Abs. 1 GWB, die nicht gemäß §§ 123 f.  GWB ausgeschlossen sind. Die neu geschaffenen Instrumente der Einheitlichen Europäische Eigenerklärung und des Dokumentenarchivs e-­Certis sollen der Erleichterung der Nachweisführung im Vergabeverfahren dienen.1156 Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf diese neuen elektronischen Möglichkeiten zur Feststellung der Eignung. 1. Richtlinienvorgaben der VRL a) Einheitliche Europäische Eigenerklärung Die in der VRL vorgesehene Nachweisführung mit Hilfe der standardisierten Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) bildet ein Novum im europäischen Vergaberechtsrahmen.1157

1156

Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 329. Racca, in: Burgi / ​Tybus / ​Teumer, Qualification, Selection and Exclusion in EU Procurement, S. 303 f. 1157

IX. Feststellung der Eignung

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aa) Entstehung und Inhalt In den Erwägungen des VRL-E führte die Kommission aus, dass der Verwaltungsaufwand für die Beibringung von Nachweisen eines der Haupthindernisse für die Teilnahme am Vergabeverfahren darstelle.1158 Ausgehend von der Intention, die Informationspflichten zu reduzieren, um insbesondere den Marktzugang für KMU zu verbessern, wurde eine Stärkung der Eigenerklärung angestrebt.1159 Diese wurde als vorläufiger Nachweis für die Wirtschaftsteilnehmer vorgesehen, mit dem diese das Erfüllen der Auswahlkriterien und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen bestätigen.1160 Im Regelfall sollte der öffentliche Auftraggeber die Beibringung der unterstützenden Unterlagen einzig vom ausgewählten Bieter vor Zuschlagserteilung verlangen.1161 Eine Vorlage der Nachweise sollte unterbleiben können, wenn diese gegenüber demselben öffentlichen Auftraggeber in den vergangenen vier Jahren bereits übermittelt wurden und nach wie vor Gültigkeit besitzen.1162 Der öffentliche Auftraggeber sollte jedoch berechtigt sein, einen Bewerber oder Bieter aufzufordern, sämtliche oder Teile der Unterlagen während des Vergabeverfahrens zu erbringen, wenn dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich erscheint.1163 Flankierend zur Eigenerklärung sah der Kommissionsvorschlag einen – nach zweijähriger Übergangszeit – von Behörden der Mitgliedstaaten auf Anfrage elektronisch auszustellenden „Europäischen Pass für die Auftragsvergabe“ vor. Dieser sollte auf einem durch die Kommission erlassenen Standardformular mit einem abschließenden Informationskatalog basieren und als Nachweis für die Einhaltung der von diesem abgedeckten Teilnahmebedingungen unionsweit anerkannt werden.1164 Der Rat plädierte in seinem Kompromisstext zwar gegen einen solchen einheitlichen Pass,1165 aber für die Einführung der Eigenerklärung in einer stärker formalisierten Form.1166 Die Erbringung von Nachweisen des ausgewählten Bieters sollte ferner nicht nur unterbleiben können, wenn der öffentliche Auftraggeber diese bereits besitzt,1167 sondern auch, wenn sie aus einer gebührenfreien nationalen Daten 1158

ErwGrd Nr. 32 VRL-E. Begr. VRL-E, S. 12 sowie ErwGrd Nr. 32 VRL-E. 1160 Vgl. Art. 57 Abs. 1 VRL-E sowie erforderlichenfalls die Erfüllung objektiver Regeln und Kriterien. 1161 Art. 57 Abs. 2 UA. 2 VRL-E. 1162 Art. 57 Abs. 3 UA. 2 VRL-E. 1163 Art. 57 Abs. 2 UA. 1 VRL-E. 1164 Art. 59 Abs. 4 VRL-E sowie Begr. VRL-E, S. 12. 1165 Vgl. die Streichung von Art. 59 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.7.2012. Hintergrund der Streichung dürften wohl letztlich die Bedenken der Mitgliedstaaten bezüglich eines zu hohen bürokratischen Aufwands gewesen sein, vgl. dazu Schwab / ​Giesemann, VergabeR 2014, 351 (362). 1166 Art. 57 Abs. 1 UA. 2 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.7.2012. 1167 Nachdem diese Möglichkeit des Kommissionsvorschlags zunächst in den Ratskompromisstexten entfiel, wurde sie später wieder aufgenommen, vgl. Art. 59 Abs. 2 UA 2 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 19.10.2012. 1159

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

bank direkt abgerufen werden können.1168 Im Ratskompromisstext wurden zudem die Erwägungen zum vorzeitigen Verlangen von Nachweisen dahingehend ergänzt, dass dies insbesondere bei zweistufigen Verfahren, bei denen die Anzahl der Bewerber begrenzt werden soll, gerechtfertigt sein könnte, damit kein Wirtschaftsteilnehmer zugelassen wird, der später nicht in der Lage wäre, die Nachweise zu erbringen.1169 Die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments folgte hingegen – bis auf wenige Detailänderungen1170 – dem Kommissionsvorschlag. Als Kompromiss aus diesen unterschiedlichen Standpunkten entstand letztlich die Regelung zur Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung als formalisierte Erklärung zum vorläufigen Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen, die nach einem Übergangszeitraum von zwei Jahren ausschließlich elektronisch anhand des durch die Kommission zu erlassenden Standardformulars erstellt und übermittelt werden sollte.1171 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben Die förmliche Einheitliche Eigenerklärung ist ab dem 18. April 2018 zwingend elektronisch in Form eines standardisierten Formulars einzureichen (eEEE).1172 (1) EU-Standardformular Das Standardformular der eEEE, das wegen seines erheblichen Umfangs und strukturellen Aufbaus sowie inhaltlicher Unklarheiten auf beträchtlichen Widerstand aus den Mitgliedstaaten stieß,1173 wurde nach zweifacher grundlegender Überarbeitung im Wege der Durchführungsverordnung (EU) 2016/71174 schließlich am 5. Januar 2016 erlassen.1175 Mit der Neustrukturierung des im Anhang II befind­ 1168

Vgl. Art. 57 Abs. 2 UA 2, Abs. 3 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.7.2012. Vgl. ErwGrd Nr. 32 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.7.2012. 1170 So sollte etwa der Aufbewahrungszeitraum für bereits eingereichte Nachweise auf zwei anstatt auf vier Jahre begrenzt und der Auftraggeber bei Zweifeln an der Gültigkeit berechtigt sein, aktuelle Unterlagen zu verlangen, vgl. Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013, Änderungen Nr. 179–182, S. 105 f. 1171 Vgl. Art. 57 Abs. 1 VRL-E, Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013. 1172 Art. 59 Abs. 2 UA. 2 i. V. m. Art. 90 Abs. 3 VRL. 1173 Wirtschaftsverbände aus Deutschland bemängelten diverse Unklarheiten und bezeichneten diesen mitunter als missverständlich, fehlerhaft und praxisfremd, vgl. BDI (Hg), Stellungnahme zum Entwurf der Kommission zur Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE), v. 30.1.2015; Bitkom, Stellungnahme zum Entwurf der EU-Kommission für Einheitliche Europäische Eigenerklärung im öffentlichen Auftragswesen ab Erreichen der Schwellenwerte v. 19.2.2015. 1174 Durchführungsverordnung (EU) 2016/7 der Kommission vom 5. Januar 2016 zur Einführung des Standardformulars für die Einheitliche Europäische Eigenerklärung. 1175 Zur weiteren Optimierung hat die Kommission eine öffentliche Konsultation initiiert, COM(2017) 242, S. 13. 1169

IX. Feststellung der Eignung

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lichen Formulars wurde – in Abkehr vom ursprünglichen „one-fits-all“-Ansatz der Kommission – nicht nur eine deutliche Verkürzung des Formulars bewirkt,1176 sondern auch eine Optimierung für die elektronische Ausstellung erreicht.1177 Inhaltlich führt die Aufnahme der Möglichkeit eines Globalvermerks zur Erfüllung aller Eignungskriterien1178 und die Reduktion der notwendigen Angaben bei Bestehen einer Präqualifizierung1179 zu einer wesentlichen Vereinfachung.1180 Zur Verwendung der eEEE bestehen vier Möglichkeiten.1181 Zunächst kann der von der Kommission unentgeltlich bereitgestellte EEE-Dienst (ESPD-Service) genutzt werden.1182 Die Online-Anwendung ermöglicht es den Auftraggebern und Wirtschaftsteilnehmern, die eEEE im XML- oder PDF-Format zu erstellen und zur lokalen Speicherung zu exportieren.1183 Es können hierdurch auch wiederverwert­ bare Vorlagen der eEEE erstellt werden.1184 Bei Vergabeverfahren, für die ein Aufruf zum Wettbewerb im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, werden die vom Auftraggeber einzutragenden Informationen automatisch abgerufen,1185 sodass ein weiteres Ausfüllen des Standardformulars regelmäßig nicht notwendig ist. Der EEEDienst soll lediglich zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in der Übergangsphase dienen und zum 18. April 2019 eingestellt werden.1186 Die Kommission hat für die Verwendung der eEEE ferner das Datenmodell sowie eine quelloffene Fassung des Dienstes veröffentlicht, die bis zu diesem Zeitpunkt in nationale E-Vergabeplattformen oder Präqualifizierungssysteme implementiert werden können.1187 Überdies es ist es möglich, eine sog. virtuelle Unternehmensakte (Virtual Company Dossier), die die eEEE einschließt, zu verwenden.1188 1176 Der urspr. 23 Seiten umfassende Entwurf des im Anhang befindlichen Formulars, vgl. Draft Comission Implementing Regulation (EU) No …/.. establishing the standard form for the European Single Procurement Document, CMTD(2015)0889 v. 23.12.2015, wurde in der finalen Fassung auf 12 Seiten reduziert. 1177 Etwa durch die Möglichkeit unveränderte Daten mittels Copy-Paste-Verfahren zu übertragen, vgl. auch die Anleitung des Anhangs 1, Durchführungsverordnung (EU) 2016/7. 1178 Vgl. Teil IV. α: Globalvermerk zur Erfüllung aller Eignungskriterien, Anhang 2, Durchführungsverordnung (EU) 2016/7. 1179 Vgl. Teil II. A. Angaben zum Wirtschaftsteilnehmer, Anhang 2, Durchführungsverordnung (EU) 2016/7. 1180 Zum Inhalt im einzelnen Stolz, VergabeR 2016, 155 (157 ff.); Otting, VergabeR 2016, 317 (318 f.). 1181 DG GROW, eESPD – FAQ e(European Single Procurement Document), Pkt. I. 2. 1182 Online verfügbar unter: https://ec.europa.eu/tools/espd/ [zuletzt abegrufen am 1.12.2018]. 1183 DG GROW, eESPD – FAQ e(European Single Procurement Document), Pkt. III. 11. 1184 Eine bereits einmal an den öffentlichen Auftraggeber übermittelte eEEE kann zudem für weitere Verfahren wiederverwertet werden, sofern der Wirtschaftsteilnehmer bestätigt, dass die darin enthaltenen Informationen nach wie vor korrekt sind, Art. 59 Abs. 1 UA. 5 VRL. 1185 Vgl. Anhang 2 Teil 1 Durchführungsverordnung (EU) 2016/7. 1186 COM(2017) 242, S. 13. 1187 DG GROW, eESPD  – FAQ e(European Single Procurement Document), Pkt. IV. Das Datenmodell ist abgestimmt auf CEN / ​BII sowie auf e-SENS. 1188 DG GROW, eESPD – FAQ e(European Single Procurement Document), Pkt. IV. Bei der virtuellen Unternehmensakte handelt es sich um ein im PEPPOL Projekt entwickeltes elek­

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

(2) Zweistufige Nachweisführung Die Nachweisführung bei Verwendung einer eEEE ist zweistufig konzipiert. Die eEEE dient zunächst als vorläufiger Nachweis dafür, dass kein Ausschlussgrund vorliegt und / ​oder die im Verfahren vorgegebenen Auswahlkriterien erfüllt werden.1189 Der öffentliche Auftraggeber hat auf der ersten Stufe einzig festzustellen, dass die eEEE ordnungsgemäß nach seinen Maßgaben ausgefüllt wurde.1190 Erst vor Zuschlagserteilung wird einzig der ausgewählte Bieter aufgefordert, aktualisierte zusätzliche Unterlagen in Form von Bescheinigungen, Erklärungen und anderen Nachweisen elektronisch zu übermitteln,1191 die auf zweiter Stufe abschließend zu prüfen sind.1192 Die abweichende Möglichkeit, die Drittbescheinigungen bereits vor diesem Zeitpunkt zu verlangen, falls dies zur angemessenen Verfahrensdurchführung erforderlich ist,1193 stellt eine Ausnahme dar. Obgleich diese Option bei der zweistufigen Verfahrensdurchführung nach den Erwägungen des Unionsgesetzgebers stets erwogen werden kann,1194 ist dem Wortlaut nach die Erforderlichkeit im Einzelfall festzustellen. Zudem gebietet auch der Regelungszweck eine restriktive Auslegung des Anwendungsbereichs, denn andernfalls würde die mit der eEEE intendierte Entlastung der Wirtschaftsteilnehmer für einen Großteil der Verfahren unterminiert.1195 Die Vorlagepflicht der Bewerber bzw. Bieter besteht nicht, wenn der öffentliche Auftraggeber die Nachweise aus einer elektronischen Datenbank abrufen kann oder diese sich bereits in seinem Besitz befinden.1196 Die zweite Alternative führte die Kommission in ihrem Vorschlag als Reaktion auf die im Rahmen der öffentlichen Konsultation zur Richtlinienreform geäußerten Beschwerden ein, dass Wirtschaftsteilnehmer in der Vergangenheit wegen fehlender Unterlagen ausgeschlossen worden waren, obwohl sie diese bereits – zum Teil mehrfach – an den öffentlichen Auftraggeber übermittelt hatten.1197 Vor diesem Hintergrund erscheint die Grundintention der Regelung zwar sinnvoll. Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb nicht – entgegen dahingehender Bestrebungen im Gesetzgebungstronisches Dokumentenverwaltungssystem. Neben der Ausstellung und Speicherung der eEEE bietet die – im Rahmen von e-SENSE weiterentwickelte – virtuelle Unternehmensakte durch entsprechende Softwarekomponenten die Option, die Nachweise elektronisch in strukturierter Form aufzubewahren und zu übermitteln. Ein entsprechendes Software-Implementationsbeispiel eines VCD / ​ESPD-Services wurde im e-SENS-Projekt veröffentlicht. The European Single Procurement Document (ESPD) and e-SENS, v. 29.8.2016, vgl. https://www.esens.eu/content/ european-single-procurement-document-espd-and-e-sens [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 1189 Art. 59 Abs. 1 UA. 3 VRL. 1190 Pauka, VergabeR 2015, 505 (506). 1191 Insoweit gilt der allg. Grundsatz des Art. 22 Abs. 1 UA. 1 S. 1 VRL. Dazu Kap. D. I. 1. a) bb). 1192 Art. 59 Abs. 4 UA. 2 S. 2 i. V. m. Art. 60 Abs. 1 UA. 1 (sowie ggf. Art. 62) VRL. 1193 Art. 59 Abs. 4 UA. 1 VRL. 1194 ErwGrd Nr. 84 Abs. 3 VRL. 1195 Zutreffend Pauka, VergabeR 2015, 505 (506 f.). 1196 Art. 59 Abs. 5 UA. 1, UA. 5 VRL. 1197 DG Internal Market, Proposal for  a Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement  – Cluster 3: Reducing documentation requirements, Doc.-No. 5736/12, S. 20.

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prozess – zumindest eine zeitliche Begrenzung1198 normiert worden ist. Die elektronische Aufbewahrungspflicht von einmal eingereichten Nachweisen begrenzt sich de facto auf deren weiterhin bestehende Gültigkeit. Die grundlegende fehlende zeitliche Limitierung steht allerdings nicht nur im Spannungsverhältnis zum datenschutzrechtlichen Minimierungsgrundsatz1199, sondern erhöht auch deutlich den Verwaltungsaufwand der öffentlichen Auftraggeber,1200 die zur Archivierung und Recherche entsprechende Datenmanagementsysteme einrichten müssen.1201 Allerdings dürfte ohnehin die erste Alternative künftig größere Bedeutung erlangen. Danach sind keine Nachweise vorzulegen, wenn diese direkt aus einer kostenfreien elektronischen Datenbank abgerufen werden können. Um den Rechercheaufwand1202 des öffentlichen Auftraggebers in diesem Fall möglichst gering zu halten, muss die eEEE die benötigten Informationen für den Abruf beinhalten, z. B. die Internetadresse der Datenbank, Identifikationsdaten sowie eventuell eine Einverständniserklärung.1203 Diese Regelung dient der Verwirklichung des Ziels des Unionsgesetzgebers, dass die Wirtschaftsteilnehmer nicht oder nur ein einziges Mal aufgefordert werden, Nachweise vorzulegen, da die erforderlichen Informationen bereits in nationalen Datenbanken abrufbar sind (sog. „Once-Only-Principle“)1204. Als Datenbanken in diesem Sinn werden im Richtlinientext exemplarisch insbesondere Vergaberegister, elektronische Dokumentenablagesysteme und Präqualifikationssysteme genannt. Die Kommission hat in dieser Hinsicht angekündigt, sich insbesondere auf die Eingliederung der eEEE in die Register oder Datenbanken für Zeugnisse und Nachweise konzentrieren zu wollen.1205 1198 Zwar wird in den Erwägungen einschränkend ausgeführt, dass die öffentlichen Auftraggeber keinen „unverhältnismäßigen Archivierungs- und Registrierungsaufwand“ betreiben müssen. Dies bezieht der Unionsgesetzgeber allerdings offenbar nur auf die Anlegung von Papierarchiven, denn anschließend heißt es dort: „Die Umsetzung dieser Vorgabe sollte daher erst erfolgen, sobald die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel verpflichtend ist, da eine elektronische Dokumentenverwaltung die Aufgabe für die öffentlichen Auftraggeber erheblich erleichtern wird.“, vgl. ErwGrd Nr. 85 Abs. 2 S. 3 VRL. 1199 Vgl. Kap. B. II. 3. c). 1200 Der Bundesrat befand etwa in seiner Stellungnahme, dass die „Regelung zu erheblichem Verwaltungsaufwand und zu Bürokratie [führt] und somit in eklatantem Gegensatz zu den vorgeblichen Zielen der Richtlinie [steht]“, vgl. BR-Drs. 15/12, S. 17. 1201 Pauka, VergabeR 2015, 505 (507). 1202 Krit. zur Übertragung auf die öffentlichen Auftraggeber: Pauka, VergabeR 2015, 505 (507). 1203 Art. 59 Abs. 1 UA. 4 VRL. Die Mitgliedstaaten müssen zudem sicherstellen, dass die nationalen Datenbanken unter den gleichen Bedingungen auch von öffentlichen Auftraggebern anderer Mitgliedstaaten genutzt werden können, vgl. Art. 59 Abs. 5 UA. 3 VRL. 1204 Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Überprüfung der praktischen Anwendung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE), COM(2017) 242, S. 13. Die Förderung des Grundsatzes entspricht der allg. Zielsetzung des EU-eGovernment-Aktionsplans 2016–2020, COM(2016) 179, S. 3. Die Förderung des Grundsatzes entspricht der allg. Zielsetzung des EU-eGovernment-Aktionsplans 2016–2020, COM(2016) 179, S. 3. 1205 COM(2017) 242, S. 13.

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(3) Verwendungs- oder Akzeptanzpflicht Die Richtlinienvorgaben erfordern, dass die öffentlichen Auftraggeber die eEEE in einem Vergabeverfahren akzeptieren.1206 Die Kommission vertritt in der Anleitung zum EU-Standardformular im Rahmen der Durchführungsverordnung (EU) 2016/7 die Auffassung, dass die öffentlichen Auftraggeber in einem Vergabeverfahren in Bezug auf die EEE stets „darauf hinweisen [müssen], welche Angaben von den Wirtschaftsteilnehmern verlangt werden“.1207 „Die Wirtschaftsteilnehmer [müssen] eine ausgefüllte EEE beifügen, um die einschlägigen Informationen vorzulegen.“1208 Die Kommission geht hiernach offenbar vom Bestehen einer Verwendungspflicht aus. Der Richtlinienwortlaut ist insoweit allerdings nicht eindeutig. Ob die im Anhang der Durchführungsverordnung von der Kommission bezüglich der Richtlinienvorgaben geäußerte Auffassung allerdings eine verbindliche Konkretisierung bewirken kann, darf bezweifelt werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Kommission bei der Ausübung einer Durchführungsbefugnis gemäß Art. 291 Abs. 2 AUEV zwar grundsätzlich berechtigt, den Gesetzgebungsakt zu präzisieren. Im Umkehrschluss aus Art. 290 Abs. 1 AEUV folge jedoch, dass sie nicht befugt ist, diesen abzuändern oder zu ergänzen, auch nicht in seinen nicht wesentlichen Teilen.1209 Eine zulässige Präzisierung in diesem Sinn soll nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs vorliegen, wenn die Bestimmungen des Durchführungsrechtsakts die mit dem Gesetzgebungsakt verfolgten wesentlichen allgemeinen Ziele beachten, für dessen Durchführung erforderlich oder zweckmäßig sind und diesen nicht ergänzen oder ändern.1210 Eine Verwendungspflicht würde zwar im Einklang mit der Zielsetzung stehen, die Nachweiserbringung unionsweit zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, um den Verwaltungsaufwand zu verringern.1211 Sie erscheint zur Erreichung dieses Ziels auch zweckmäßig. Allerdings schreibt der Richtlinienwortlaut ausschließlich vor, dass die öffentlichen Auftraggeber die eEEE „akzeptieren“. Zur Annahme einer Verwendungspflicht müsste „akzeptieren“ wohl in „fordern“ umgedeutet werden. Dies erscheint nicht mehr als bloße Präzisierung des Wortlautes, sondern vielmehr als eine unzulässige Ergänzung der Richtlinienvorgaben, welche die Durchführungsbefugnisse der Kommission überschreiten würde.1212 Dies gilt insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass die Kommission ausschließlich zur Festlegung 1206

Art. 59 Abs. 1 UA. 1 VRL. Vgl. Anhang 1 Abs. 3 S. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2016/7. 1208 Vgl. Anhang 1 Abs. 4 Durchführungsverordnung (EU) 2016/7. 1209 EuGH, Urt. v. 15.10.2014, Rs. C-65/13, Rn. 43 ff. 1210 EuGH, Urt. v. 15.10.2014, Rs. C-65/13, Rn. 46. 1211 Vgl. ErwGrd Nr. 84 S. 1 VRL. Allg. i.d.S. auch Pauka, VergabeR 2015, 505 (507 f.); Prieß, Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) – Herausforderungen an die vergaberechtliche Praxis, in: forum vergabe, Dokumentation der Siebzehnten forum vergabe Gespräche 2015, S. 115; Hamer, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 59, Rn. 1, Fn. 1. 1212 Im Ergebnis auch Otting, VergabeR 2016, 316 (319); vorsichtiger Stolz, VergabeR 2016, 155 (156). 1207

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eines Standardformulars der eEEE und nicht zu einer umfänglichen Ausgestaltung vom Unionsgesetzgeber ermächtigt worden ist.1213 Folglich entfaltet die der Durchführungsverordnung zugrunde liegende Rechtsauffassung der Kommission, sofern sie eine Verwendungspflicht postulieren will, keine verbindliche Wirkung. Aus der VRL folgt ausschließlich eine Akzeptanzpflicht der eEEE für die öffentlichen Auftraggeber, wenn diese von den Wirtschaftsteilnehmern im Vergabeverfahren eingereicht wird.1214 cc) Zwischenergebnis Die Grundintention des Unionsgesetzgebers, die Beibringung von Nachweisen zu vereinfachen und den Verwaltungsaufwand zu verringern, ist zu begrüßen. Da bei der Verwendung einer eEEE im Regelfall nur der Wirtschaftsteilnehmer, der den Zuschlag erhalten soll, die endgültigen Nachweise erbringen muss, bedeutet sie grundsätzlich eine Entlastung zugunsten der Bieter und der öffentlichen Auftraggeber und erscheint geeignet, zukünftig die grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung zu erleichtern. Zur Verringerung des Aufwands bei der endgültigen Nachweiserbringung ist allerdings noch ein tiefergreifendes Maß an Digitalisierung und Vernetzung notwendig. Insbesondere bedarf es der Einrichtung bzw. des Ausbaus von zentralen nationalen Datenbanken in den Mitgliedstaaten,1215 aus denen die zur Prüfung der Angaben in der eEEE einzufordernden Nachweise – eventuell sogar automatisiert1216 – vom öffentlichen Auftraggeber abgerufen werden können. Daher ist es zu begrüßen, dass die Kommission sich künftig auf die Förderung dieses Bereichs konzentrieren will.

1213

Vgl. Art. 59 Abs. 2 S. 2 VRL. Ebenso nur von einer Akzeptanzpflicht ausgehend Racca, in: Burgi / ​Tybus / ​Teumer, Qualification, Selection and Exclusion in EU Procurement, S. 307; Gröning, VergabeR 2014 339 (344); Otting, VergabeR 2016, 316 (319); Frenz, GewArch 2018, 184 (184 f.); wohl auch Stolz, VergabeR 2016, 155 (155 f.). 1215 Im Mai 2017 war es in elf Mitgliedstaaten für öffentliche Auftraggeber noch gänzlich unmöglich, Zugang zu einer nationalen Datenbank zum Abruf erforderlicher Unterlagen zu erhalten. In elf anderen Mitgliedstaaten war zu diesem Zeitpunkt zumindest schon ein Zugang zu bestimmten Unterlagen in nationalen Datenbanken partiell möglich. In den sechs verbleibenden Mitgliedstaaten begrenzte sich die Zugangsmöglichkeit auf bestimmte Kategorien von öffentlichen Auftraggebern (z. B. zentrale Polizeibehörden, Steuerbehörden usw.), vgl. COM (2017) 242, S. 10. 1216 Bspw. verfügen Lettland und Litauen bereits über ein elektronisches System, welches es den Auftraggebern ermöglicht, den Nachweis der Einhaltung bestimmter Anforderungen automatisch einzuholen und zu überprüfen. Dort ist zudem geplant, die eEEE mit allen Registern zu verknüpfen, um alle Aspekte der Eignungsprüfung abzudecken, vgl. COM (2017) 242, S. 10. 1214

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b) e-Certis Bei e-Certis handelt es sich um eine von der Kommission bereitgestellte elektro­ nische Referenzdatenbank, die dem Austausch von häufig verwendeten Bescheinigungen und anderen Nachweisen zwischen den Auftraggebern der unterschiedlichen Mitgliedstaaten sowie denen der EEA-Staaten dient.1217 Das webbasierte Online-Dokumentenarchiv wird bereits seit Ende des Jahres 2010 von der Kommission zur fakultativen Nutzung und Pflege zur Verfügung gestellt.1218 aa) Entstehung und Inhalt Der Kommissionsvorschlag beinhaltete erstmals eine normative Verankerung von e-Certis in der VRL. Zur Erleichterung grenzüberschreitender Ausschreibungen sollten in einem ersten Schritt die Mitgliedstaaten zur kontinuierlichen Aktualisierung der Informationen und Bescheinigungen in e-Certis verpflichtet werden.1219 In den Erwägungen führte die Kommission dazu aus, dass sich nach den bisherigen Erfahrungen die freiwillige Pflege der Datenbank als unzureichend erwiesen habe, um das vollständige Vereinfachungspotenzial des Dokumentenaustausches auszuschöpfen.1220 In einem zweiten Schritt sah der Kommissionsvorschlag die obligatorische Verwendung von e-Certis für öffentliche Auftraggeber vor. Diese sollten spätestens zwei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist nur noch jene Arten von Bescheinigungen und Nachweisen vorschreiben dürfen, die in der Datenbank verfügbar sind.1221 Die Ratskompromisstexte enthielten nicht nur eine verlängerte Übergangszeit von 30 Monaten nach Ablauf,1222 sondern die Verpflichtung für die öffentlichen Auftraggeber zur Nutzung von e-Certis wurde dahin modifiziert, dass sie „in erster Linie“ Bescheinigungen und Nachweise verlangen, die von e-Certis abgedeckt sind.1223 Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde noch in einem Absatz ergänzt, dass die Kommission alle Sprachfassungen der eEEE in e-Certis bereitstellt.1224

1217

Vgl. https://ec.europa.eu/tools/ecertis/search [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. KOM (2010) 571, S. 10. 1219 Art. 58 Abs. 1 VRL-E. 1220 ErwGrd Nr. 33 VRL-E. 1221 Art. 58 Abs. 2 VRL-E. 1222 Art. 92 Abs. 2a VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 2.10.2012. 1223 Vgl. Art. 58 Abs. 2 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 19.10.2012. 1224 Vgl. Art. 58 Abs. 3 VRL-E, Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013. 1218

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bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben Die Zielsetzung des europäischen Online-Dokumentenarchivs ist die Erleichterung des Austausches von Bescheinigungen und anderen häufig von Auftraggebern verlangten Nachweisen.1225 Gerade bei grenzüberschreitenden Vergabeverfahren erweist es sich in der Regel als schwierig für die öffentlichen Auftraggeber, die Gleichwertigkeit von ausländischen Dokumenten mit nationalen Nachweisen zu prüfen, sodass diese Recherchemöglichkeit zu einer deutlichen Vereinfachung in dieser Hinsicht führt. Ebenso profitieren die Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere KMU, von einer solchen Datenbank, da sie sich im Vorgang eines konkreten Verfahrens informieren können, welche Dokumente zur Erfüllung der Ausschluss- oder Auswahlkriterien im Mitgliedstaat des öffentlichen Auftraggebers erforderlich sind. Allerdings können diese positiven Effekte nur dann eintreten, wenn die Datenbank umfassende Informationen enthält. Die fehlende Datenqualität aufgrund der mangelnden Beteiligung der Behörden der Mitgliedstaaten bildete bislang eine wesentliche Schwachstelle von e-Certis. Folgerichtig sind daher die Erwägungen des Unionsgesetz­gebers, zunächst die Mitgliedstaaten zur kontinuierlichen Erweiterung und Pflege des Online-Dokumentenarchivs zu verpflichten, bevor die Nutzung für die öffentlichen Auftraggeber verbindlich vorgeschrieben wird.1226 Für letztere besteht nach Ablauf der Übergangsfrist zum 18. Oktober 2018 allerdings nur „in erster Linie“, nicht aber ausschließlich die Pflicht zur Vorgabe von Bescheinigungen und Nachweisen, die von e-Certis abgedeckt werden. Diese Einschränkung der verbindlichen Nutzung erscheint notwendig, denn es dürfte – gerade in Anbetracht der nur relativ kurzen Übergangszeit – nicht sicher gewährleistet sein, dass sämtliche erdenklichen Nachweise aus allen Mitgliedstaaten in e-Certis verfügbar sind.1227.

1225 ErwGrd Nr. 87 VRL. Grundsätzlich positiv zu dieser Grundintention äußerten sich in ihren Stellungnahmen der Bundesrat, BR-Drs. 15/12, S. 17, sowie der BDI, Stellungnahme zu den Vorschlägen der Kommission zur Neufassung der EU-Vergaberichtlinien, v. 31.5.2012, S. 22. Ebenso Hamer, in: Steinike / ​Vesterdorf, EU Public Procurement Law, Part I, Art. 59, Rn. 15. 1226 ErwGrd Nr. 33 VRL-E. Seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die VRL konnte die Datenqualität von e-Certis bereits deutlich gesteigert werden. Während im März 2017 noch insgesamt 921 Kriterien und Nachweise auf e-Certis verfügbar waren, vgl. Single Market Scoreboard Performance per governance tool E-Certis (State of play: 09/03/2017), S. 5. Online Verfügbar: http://ec.europa.eu/internal_market/scoreboard/_docs/2017/ecertis/2017-scoreboard-​ ecertis_en.pdf [zuletzt abgerufen am 1.12.2018], sind es im Dezember 2018 bereits insgesamt 2147, vgl. die Gesamtübersicht augeschlüsselt nach Mitgliedstaaten, https://ec.europa.eu/tools/ ecertis/overview [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 1227 Vgl. i. d. S. äußerte sich bereits der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur VRL, vgl. BRDrs. 15/12, S. 17.

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c) Zwischenergebnis Die eEEE und e-Certis stehen in einem engen Zusammenhang zueinander und ergänzen sich. Bei e-Certis können nicht nur sämtliche Sprachfassungen der eEEE abgerufen werden. Die eEEE stellt auch automatisch eine Verknüpfung zu einem in e-Certis hinterlegten Dokumentenmuster her, wenn ein dort verfügbarer Nachweis vom Auftraggeber verlangt wird.1228 Zudem sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Liste der Datenbanken zu veröffentlichen und zu aktualisieren, die relevante Informationen über Wirtschaftsteilnehmer enthalten und von den öffentlichen Auftraggebern aus anderen Mitgliedstaaten im Rahmen der Eignungsprüfung konsultiert werden können.1229 Das Einstellen von Daten in e-Certis und die zentrale Einrichtung von nationalen Datenbanken sollten daher künftig von den Mitgliedstaaten stärker vorangetrieben werden, um das Potential der Digitalisierung in diesem Bereich vollständig auszuschöpfen. 2. Regelung im Kartellvergaberecht Während die materiellen Eignungskriterien sowie die obligatorischen und fakultativen Ausschlussgründe grundlegend auf Gesetzesebene in §§ 122, 123, 124 GWB normativ verankert sind, werden die zulässigen Formen der Nachweiserbringung grundsätzlich1230 auf Verordnungsebene näher ausgestaltet. a) Umsetzung in der VgV Die EEE wird im Rahmen der VgV in der Vorschrift zum „Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen“ als zulässiges Nachweismittel implementiert.1231 Im dritten Absatz der Bestimmung des § 48 VgV heißt es, dass die öffentlichen Auftraggeber die Vorlage der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptieren. Die Orientierung am zugrunde liegenden Richtlinienwortlaut legt nahe, dass nur eine Akzeptanzpflicht, nicht aber eine Verwendungspflicht bestehen soll.1232 Der öffentliche Auftraggeber hat mithin ein Wahlrecht, mit welchen 1228 BMWi, Leitfaden für das Ausfüllen der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE), Pkt. IV. 1229 Art. 59 Abs. 6 S. 1 VRL. 1230 Eine Ausnahme bildet die Möglichkeit der Präqualifikation als Eignungsnachweis in § 122 Abs. 3 GWB. 1231 Vgl. auch § 6b EU VOB / ​A. Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Regelung in der VgV, vgl. Pauka, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 105. 1232 Vgl. i.d.S. BDI, Vorläufige Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts v. 3.12.2015; S. 10; Otting, VergabeR 2016, 316 (319); Stolz, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 48, Rn. 1; Röwekamp, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV,

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Unterlagen1233 die Unternehmen ihre Eignung sowie das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben. Ungeachtet dessen sind Unternehmen gleichwohl berechtigt, in jedem Vergabeverfahren eine EEE als vorläufigen Nachweis vorzulegen.1234 aa) Elektronische Form In § 50 VgV wird die Nachweisführung mit der EEE näher konkretisiert. Für die Verwendung der EEE ist das EU-Standardformular nach den vom Auftrag­geber in der Auftragsbekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen aufgeführten Maßgaben auszufüllen1235 bzw. wiederzuverwenden1236. In der Bestimmung fehlt ein Hinweis auf die Übermittlungsform. Da die Übergangsbestimmungen des § 81 VgV nicht auf § 50 VgV Bezug nehmen, ergibt sich im Umkehrschluss, dass die EEE ausschließlich elektronisch zu erstellen und zu übermitteln ist.1237

§ 50, Rn. 4; Braun, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 30, Rn.  115; Hettich, in: MüllerWrede, VgV / ​UVgO, § 50 VgV, Rn.  9; Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 50, Rn. 3; Pauka, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 50, Rn. 3; ders, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 102; Frenz, GewArch 2018, 184 (185). 1233 Dies fungiert gem. § 48 Abs. 1 VgV als Oberbegriff für: Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise. 1234 Eine Ausnahme von der Akzeptanzpflicht gilt allerdings für die Vergabe von Aufträgen für soziale und andere besondere Dienstleistungen i. S. v. § 130 GWB gem. § 65 Abs. 4 GWB, vgl. dazu auch Pauka, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 102. 1235 Zu den inhaltlichen Angaben im Einzelnen s. die Hinweise in BMWi, Leitfaden für das Ausfüllen der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE), S. 2 sowie Stolz, VergabeR 2016, 155 (157 ff.). 1236 Dem Wortlaut von § 50 Abs. 1 S. 2 VgV lässt sich keine Einschränkung entnehmen, dass es sich um eine vorangegangene Auftragsvergabe desselben Auftraggebers handeln müsste. Vielmehr kann eine einmal ausgestellte EEE grundsätzlich für weitere Verfahren verwendet werden, solange die Informationen darin aktuell sind. Es ist jedoch zu beachten, dass die Eignungsanforderungen regelmäßig auftragsspezifisch voneinander abweichen werden, sodass die unmittelbare Wiederverwendung das Risiko eines Ausschlusses für die Bewerber bzw. Bieter birgt. Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50, Rn. 171. Allerdings bietet der EEE-Dienst die Möglichkeit, die Informationen aus einer bereits erstellten eEEE mit denen einer neuen eEEE in einem Dokument zusammenzuführen, vgl. BMWi, Leitfaden für das Ausfüllen der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE), Pkt. VII. 1237 Es kann auch nicht unterstellt werden, dass sich die Aufschiebung der Anwendung der zwingenden elektronischen Kommunikation, §§ 9 ff. VgV, oder elektronischen Einreichung von Verfahrenserklärungen, § 53 VgV, ebenso auf die EEE beziehen sollte, da diese – in Umsetzung von Art. 90 Abs. 2 VLR-2014/24/EU – einen Aufschub bis 18. Oktober 2018 vorsehen und nicht wie Art. 90 Abs. 3 VLR-2014/24/EU bis 18. April 2018, Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50 VgV, Rn.  39.

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bb) Systematische Einordnung der eEEE als Nachweismittel In der Systematik der Nachweismittel besteht die eEEE, § 48 Abs. 3 VgV, als vorläufiger Nachweis nunmehr neben den Einzelnachweisen in Form von Eigenerklärungen und anderen Unterlagen, § 48 Abs. 1 VgV, sowie dem Nachweis mittels Präqualifikation, § 48 Abs. 8 VgV.1238 Die Einzelnachweise, also z. B. amtliche Bescheinigungen, Urkunden und sonstige Dokumente,1239 dienen der Erbringung des endgültigen Nachweises der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen. Dieselbe Wirkung entfaltet nach nationalem Verständnis gleichfalls eine Eigenerklärung, die sogar das vorrangige Nachweismittel darstellt, welches der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich in einem Verfahren anzufordern hat.1240 Sinn und Zweck der Beibehaltung des bereits zuvor geltenden Vorrangs der Eigenerklärung bildet gemäß der amtlichen Begründung die Vermeidung „unnötiger bürokra­tischer Lasten“ für die Bewerber oder Bieter zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens.1241 Daneben kann der Nachweis der Eignung zudem durch Teilnahme an einem staatlichen oder privatwirtschaftlich organisierten, anerkannten Präqualifizierungssystem erbracht werden, § 122 Abs. 3 GWB.1242 Für die Unterlagen und Angaben, die in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen sind, gilt eine Eignungsvermutung, die vom öffentlichen Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen werden darf.1243 cc) Nachweisführung mit der eEEE Im Regelfall1244 prüft der öffentliche Auftraggeber bei der Einreichung einer eEEE auf erster Stufe nur vorläufig die Eignung. Erst auf zweiter Stufe erfolgt bei dem Bieter, dem der Zuschlag erteilt werden soll, die endgültige Eignungsprüfung.1245 1238

Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50 VgV, Rn. 10. Vgl. §§ 44–49 VgV. 1240 § 48 Abs. 2 S. 1 VgV. Dazu auch Otting, VergabeR 2016, 316 (318). 1241 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 201. 1242 Die „Präqualifikation“ beschreibt eine abstrakte Vorprüfung eines Unternehmens ohne konkretes Beschaffungsverfahren in Bezug auf die allgemeine Eignung zur Erbringung öffentlicher Aufträge, Pauka, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 50, Rn. 15. Zu diesen im Einzelnen Rhein, VergabeNavigator 4/2015, 9 (9 ff.). 1243 Vgl. § 48 Abs. 8 S 1. VgV. 1244 Die Möglichtkeit, die Bewerber bzw. Bieter vorzeitig während des Verfahrens zur Vorlage der Unterlagen aufzufordern, § 50 Abs. 2 S. 1 VgV, wenn dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist, bedarf – wie bereits zu den Richtlinienvorgaben ausgeführt – der restriktiven Auslegung, da ansonsten das normativ intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis unterminiert würde. Eine routinemäßige Abfrage ist – auch bei zweistufigen Verfahren – unzulässig, Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50, Rn. 182; Pauka, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 50, Rn. 17 ff.; ders, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 103 f. In der amtlichen Begründung wird ausgeführt, dass die Ausnahme insbesondere in Betracht komme, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Angaben in der EEE bestehen, VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 203. 1245 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 203. 1239

IX. Feststellung der Eignung

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(1) Vorlage der geforderten Unterlagen Dafür hat der öffentliche Auftraggeber gemäß 50 Abs. 2 S. 2 VgV dem ausgewählten Bieter vor der Zuschlagserteilung aufzugeben, die – regelmäßig in der Auftragsbekanntmachung – „geforderten Unterlagen“ beizubringen. Unter dem Begriff der Unterlagen sind gemäß § 48 Abs. 1 VgV nicht nur Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise, sondern – wie aufgezeigt – ebenso Eigenerklärungen als vollwertige Nachweisform zu verstehen. In der Konsequenz wird teilweise in der Literatur vertreten, dass eine eEEE, sofern der öffentliche Auftraggeber nur Eigenerklärungen oder solche Angaben verlange, die in ihr vollständig enthalten sind, in diesem Fall als endgültiger Nachweis ausreichen könne. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, nochmals eine inhaltsgleiche Erklärung zu verlangen.1246 Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob diese Auffassung mit den zugrunde liegenden Richtlinienvorgaben vereinbar ist. Die VRL erkennt die eEEE nur als vorläufigen Nachweis an. Für die endgültige Eignungsprüfung ist das Erfordernis statuiert, die Vorlage „zusätzliche(r) Unterlagen“ zu verlangen.1247 Noch eindeutiger wird in den Erwägungen hervorgehoben, dass – trotz der grundsätzlich intendierten Verringerung des Verwaltungsaufwandes – jedenfalls der Bieter, dem der Zuschlag erteilt werden soll, die relevanten Nachweise vorlegen muss.1248 Dies dient dem Schutz des öffentlichen Auftraggebers. Dieser soll keinen Vertrag mit einem Bieter im Vertrauen auf die erklärten Angaben abschließen, der zur Leistungserbringung eigentlich nicht in der Lage ist.1249 Dieser Schutzzweck überlagert damit nach der Intention des Unionsgesetzgebers die angestrebte Entbürokratisierung der Nachweiserbringung. In richtlinienkonformer Auslegung des § 50 Abs. 2 S. 2 VgV ist damit festzuhalten, dass eine bloße Erklärung bestimmter Angaben im Rahmen der eEEE als Nachweis für die endgültige Eignungsprüfung grundsätzlich nicht ausreichen kann.1250 Zur elektronischen Übermittlung der Originalbelege ist dem ausgewählten Bieter – in Absenz einer spezielleren Regelung – nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 20 Abs. 1 VgV eine angemessene Frist zu setzen.1251

1246 Röwekamp, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 50, Rn.  24; Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50, Rn.  173; Stolz, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 48, Rn. 12. 1247 Vgl. Art. 59 Abs. 4 UA. 2 i. V. m. Art. 60 VRL. 1248 Vgl. ErwGrd Nr. 84 Abs. 2 S. 1 VRL. I.d.S. auch Gröning, VergabeR 2014, 339 (344); grundsätzlich ebenso Stolz, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 48, Rn. 2, der jedoch annimmt, dass „der deutsche Verordnungsgeber [dem] – aus sachlich nachvollziehbaren Gründen – nicht gefolgt sei.“ 1249 ErwGrd Nr. 84 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 VRL. 1250 Im Ergebnis ebenso für die Vorlage der Belege bei der endgültigen Eignungsprüfung plädierend Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 50, Rn. 27; Otting, VergabeR 2016, 316 (319). Anders § 35 Abs. 3 UVgO, s. Kap. E. I. 6. 1251 Pauka, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 50, Rn. 15.; ders, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 102 f.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

(2) Ausnahmen von der Vorlagepflicht Ungeachtet dessen müssen die Unternehmen keine Unterlagen zur endgültigen Eignungsprüfung beibringen, sofern und soweit die zuschlagserteilende Stelle diese über eine kostenfreie Datenbank innerhalb der Europäischen Union erhalten kann oder die diese bereits besitzt.1252 Als Datenbank im Sinn der ersten Alternative werden insbesondere Präquali­ fizierungssysteme benannt. Auf nationaler Ebene besteht insoweit das bundesweit verfügbare Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen für den Lieferund Dienstleistungsbereich (AVPQ).1253 Ein darin eingetragenes Unternehmen1254 erhält ein für ein Jahr gültiges Zertifikat mit einer Identifikationsnummer sowie einen spezifischen Zugangscode zu den Daten.1255 Diese Informationen sind im Rahmen der eEEE anzugeben, damit der öffentliche Auftraggeber anhand der auf dem Zertifikat angegebenen Identifikationsnummer gebührenfrei auf die erfassten Einzelnachweise online zugreifen kann. Eine weitere Datenbank bildet auf nationaler Ebene – das derzeit noch im Aufbau befindliche – zentrale Wettbewerbsregister, welches vom Bundeskartellamt als Registerbehörde geführt wird und die Abfrage beim Gewerbezentralregister und anderen Registern auf Landesebene ersetzt.1256 Für die vom Wettbewerbsregister erfassten Ausschlussgründe, §§ 123 f. GWB, kommt demnach künftig die Anforderung von Unterlagen nicht mehr in Betracht.1257 Gleichfalls besteht gemäß der zweiten Alternative keine Beibringungspflicht der Unternehmen, sofern und soweit die zuschlagserteilende Stelle die Unterlagen bereits besitzt. Die Abstellung auf die „zuschlagserteilende Stelle“ weicht von den 1252

§ 50 Abs. 3 VgV. Die bundesweit verfügbare Datenbank wurde von dem DIHK als verzeichnisführende Stelle im August 2017 zur schrittweisen Absetzung des zuvor bestehenden PQ-VOL-Systems eingerichtet: https://www.amtliches-verzeichnis.ihk.de/Start1.aspx [zuletzt abegrufen am 1.12.1018]. 1254 Die Eintragung in das Verzeichnis erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Zur Vorprüfung bedarf es der Stellung eines Online-Antrags sowie der postalischen Einreichung der entsprechenden Nachweise bei der zuständigen Auftragsberatungsstelle, die von der örtlichen IHK getragen wird. Im Anschluss erfolgt die Prüfung zur Eintragung in das AVPQ durch die IHK. Das AVPQ ist bei e-Certis gelistet unter dem Eintrag: https://ec.europa.eu/tools/ecertis/details/ evidence/20023 [zuletzt abegrufen am 1.12.1018]. 1255 Über die Pflichtangaben hinaus können zudem weitere Nachweise, z. B. länderspezifische Unterlagen, eingereicht werden, deren Eintragung ebenfalls im amtlichen Verzeichnis erfolgt. Die zusätzlichen Informationen können zum Ausfüllen einer eEEE durch die Unternehmen genutzt werden, vgl. https://www.amtliches-verzeichnis.ihk.de/About.aspx [zuletzt abegrufen am 1.12.1018]. 1256 Ab einem geschätzten Auftragswert von 30.000 € ohne Umsatzsteuer besteht eine Abfragepflicht des Auftraggebers, § 6 Abs. 1 S. 1 WReG, vgl. dazu Siegel, LKV 2017, 385 (389). Ausführlich zum Wettbewerbsregister Fülling / ​Freiberg, NZBau 2018, 259 (260 f.). 1257 Stolz, in: Ziekow / ​Völlink, Vergaberecht, VgV, § 48, Rn. 18. Die Abfragepflicht gilt künftig gleichwohl ungeachtet der Vorlage einer eEEE durch die Unternehmen. 1253

IX. Feststellung der Eignung

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Richtlinienvorgaben ab. Dies dürfte primär zur Klarstellung dienen, dass bei Gebietskörperschaften, § 99 Abs. 1 Nr. 1 GWB, nicht auf den öffentlichen Auftrag­ geber als juristische Person abzustellen ist, sondern auf dessen handelnde Organe und Behörden, zu der die Vergabestelle zählt.1258 Zu diesem Zweck sind Datenmanagementsysteme einzurichten, in denen die einmal übermittelten Nachweise  – jedenfalls solange diese Gültigkeit besitzen1259 – zu archivieren sind.1260 dd) e-Certis Eine Regelung zur Verwendung von e-Certis findet sich wiederum nur in der VgV im Rahmen der Bestimmung zum „Beleg der Eignung und des Nichtvorlie­ gens von Ausschlussgründen“. Im Einklang mit den Richtlinienvorgaben wird darin vorgesehen, dass die öffentlichen Auftraggeber, wenn sie Bescheinigungen und sonstige Nachweise anfordern, in der Regel solche zu verlangen haben, die von e-Certis abgedeckt sind.1261 b) Anwendbarkeit in der SektVO und KonzVgV Die SektVO und KonzVgV enthalten hingegen weder Bestimmungen zur eEEE noch zur Verwendung von e-Certis.1262 Die Eignungsprüfung kann in deren Anwendungsbereich von den Sektorenauftraggebern und den Konzessionsgebern im Vergleich zur VgV grundsätzlich freier ausgestaltet werden.1263 Die zulässigen Nachweismittel sind insoweit nicht abschließend in den Verordnungen festgelegt.1264 Damit erscheint es zulässig, eine eEEE auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

1258 Zutreffend führt Pauka an, dass von einem Bundesministerium, welches für die Bundesrepublik Deutschland einen Auftrag vergibt, nicht darauf verwiesen werden kann, dass die Nachweise bereits gegenüber einem anderen Bundesministerium oder Bundesamt übermittelt wurden, Pauka, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 50 VgV, Rn. 25. Dies würde die Einrichtung zentraler Datenbanken erfordern, die jedoch sodann bereits von § 50 Abs. 3 Nr. 1 VgV erfasst wären. 1259 Datenschutzrechtlich besteht für die Aufbewahrung der eventuell in den Nachweisen enthaltenen personenbezogenen Daten ein Rechtsgrund, der jedoch entfällt, sobald diese überholt sind. Zur Gewährleistung des Datenschutzes bedarf es der Konzipierung eines entsprechenden Datenlöschkonzepts, vgl. Pauka, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 189 f. Zum Datenschutz bei der E-Vergabe s. Kap. B. II. 1260 Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50 VgV, Rn. 185. 1261 Vgl. § 48 Abs. 2 S. 1 VgV. 1262 Obgleich die europäischen Richtlinien einer solchen Regelung nicht entgegengestanden hätten, vgl. Pauka, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 106. 1263 Vgl. § 142 Nr. 1 GWB i. V. m. §§ 45 f. SektVO; § 152 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 25 f. KonzVgV. 1264 Vgl. zur SektVO Harr, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, SektVO, § 46, Rn. 5 sowie zur KonzVgV Goldbrunner, (379 f.); Stolz, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, KonzVgV, § 26, Rn. 1.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

und von Konzessionen als vorläufigen Nachweis vorzugeben.1265 Es besteht jedoch keine Akzeptanzpflicht, wenn ein Unternehmen eine solche unaufgefordert als Nachweis vorlegt.1266 Zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Beteiligung sollten auch Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber bei der Anforderung von Bescheinigungen und sonstigen Nachweisen solche priorisieren, die von e-Certis erfasst werden, obgleich die SektVO und KonzVgV insoweit keine verbindliche Vorgabe normieren. c) Ergebnis Der Verordnungsgeber führt die neuen elektronischen Instrumente in Form von e-Certis und der eEEE nur zurückhaltend im Kartellvergaberecht im Anwendungsbereich der VgV ein. Die lediglich als vorläufiger Nachweis dienende eEEE bildet in der Systematik der Nachweismittel der VgV die schwächste Nachweisform im Vergleich zur Eigenerklärung, die eine endgültige Nachweiswirkung besitzt, und der Präqualifikation, für die eine Eignungsvermutung gilt.1267 Der Verordnungsgeber hätte die eEEE in ihrer Konzeption als vorläufiger Nachweis durchaus als Korrektiv für die bisherige Nachweiswirkung der Eigenerklärung einführen können, die bereits in der Vergangenheit in Teilen der Literatur als zu weitgehend kritisiert worden ist.1268 Die Zurückhaltung gegenüber dem neuen Instrument der eEEE ist allerdings nachvollziehbar, da die Praktikabilität der zweistufigen Eignungsprüfung bislang noch nicht erprobt ist. Diese birgt jedenfalls die Gefahr strategischer Nachteile für die Verfahrensdurchführung in sich. Durch die Verlagerung der endgültigen Eignungsprüfung auf den Zeitpunkt kurz vor Zuschlagserteilung besteht das Risiko, dass der ausgewählte Bieter die Unterlagen nicht oder nicht vollständig vorlegt.1269 Der Auftraggeber hat in diesem Fall den Zweitplatzierten aufzufordern, die Nach-

1265 Wie hier auch Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50 VgV, Rn. 19; Pauka, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 106; allg. für die Anwendbarkeit der Nachweisformen der VgV in der SektVO Harr, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, SektVO, § 46, Rn. 5. 1266 Zutreffend Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50 VgV, Rn. 19. 1267 Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50 VgV, Rn. 13. 1268 Angezweifelt wird, ob noch eine hinreichende Objektivität des öffentlichen Auftraggebers und die Fairness im Verfahren gewährleistet ist, wenn er die Eigenerklärung eines Unternehmens als endgültigen Nachweis ausreichen lässt, vgl. Hettich, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 50 VgV, Rn. 13; unter Bezugnahme auf Maibaum, in: Hattig / ​Maibaum, KartellvergabeR, § 97, Rn. 151. Zu beachten ist allerdings, dass der öffentliche Auftraggeber, sofern objektiv begründete, konkrete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestehen, gleichwohl zur Überprüfung einer Eigenerklärung verpflichtet ist, vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2009 – VII-Verg 39/09 –, juris, Rn. 88 f. 1269 Pauka, VergabeR 2015, 505 (506); Stolz, VergabeR 2016, 155 (161); Otting, VergabeR 2016, 316 (319); Meißner, VergabeR 2017, 270 (273).

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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weise zu erbringen und eine erneute Eignungsprüfung durchzuführen, woraus letztlich wieder ein Mehraufwand sowie zeitliche Verzögerungen resultieren.1270 In Anbetracht des grundsätzlichen Festhaltens an den etablierten Nachweis­ formen der Eigenerklärung und der Präqualifikation auf nationaler Ebene bleibt abzuwarten, ob die eEEE große praktische Relevanz erlangen wird.1271 Die Attraktivität der eEEE könnte sich allerdings künftig für alle Beteiligten erhöhen, sofern die Mitgliedstaaten zentrale Datenbanken einrichten, welche die Nachweise enthalten, die in dem Standardformular unmittelbar verlinkt werden können, sodass öffentliche Auftraggeber diese elektronisch, bestenfalls sogar automatisiert, abrufen können.1272

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation Die Verwendung elektronischer Mittel zur Kommunikation bildet den gesetzlichen Regelfall für das Vergabeverfahren. Ausnahmen hiervon sind nur in den abschließend genannten Fallkonstellationen zulässig, die im folgenden Abschnitt näher untersucht werden. 1. Richtlinienvorgaben a) Ausnahmen vom elektronischen Einreichungsverfahren In der VRL und SRL werden die Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation für die Einreichungsverfahren zentral in einem Absatz im Rahmen des jeweiligen Kommunikationsartikels behandelt. Die KVR, die grundsätzlich das Wahlrecht hinsichtlich des Kommunikationsmittels beinhaltet, enthält hingegen keine entsprechenden Ausnahmen.1273 aa) Entstehung und Inhalt Nach den inhaltlich parallel ausgestalteten Vorschlägen der Kommission sollte die Verpflichtung zur Verwendung elektronischer Mittel nicht gelten, wenn dies den Rückgriff auf besondere Instrumente oder Dateiformate erfordern würde, die 1270 Zudem könnte der ausgeschlossene erstplatzierte Bieter, der nunmehr seine Zuschlagschance kennt, wiederum versuchen, in einem Nachprüfungsverfahren die Entscheidung anzugreifen, sodass eine „Prüfungsschleife“ entsteht, Pauka, VergabeR 2015, 505 (506). 1271 Zweifelnd bereits Stolz, VergabeR 2016, 155 (161). 1272 Kap. D. IX. 1. a) cc). 1273 Vgl. zur abweichenden Entstehung Kap. D. I. 1. b).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

nicht in allen Mitgliedstaaten allgemein verfügbar sind.1274 Es sollte insoweit den Auftraggebern obliegen, den Nachweis in den Vergabeunterlagen zu erbringen, dass aufgrund der speziellen Art der auszutauschenden Informationen solche Mittel erforderlich wären.1275 Es wurden drei Fallgruppen angedacht, bei denen davon ausgegangen werden könne, dass legitime Gründe vorliegen, keine elektronischen Mittel im Einreichungsverfahren einzusetzen.1276 Dies sollte zunächst der Fall sein, wenn aufgrund der besonderen Art der Vergabe spezielle Dateiformate notwendig sind, die nicht von allgemein verbreiteten Anwendungen unterstützt würden. Die weiteren Ausnahmen bezogen sich auf die Fälle, bei denen die geeigneten Anwendungen entweder durch Lizenzen geschützt sind und nicht vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden oder aber Dateiformate verwenden, die nicht mit Hilfe von offenen oder herunterladbaren Anwendungen gehandhabt werden könnten. Diese Ausnahmeregelung der Kommission wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren wesentlich in den Ratskompromisstexten modifiziert. Diese beinhalteten zunächst den Vorschlag, dass – anstatt der abschließenden drei Fallgruppen – diese nur noch exemplarisch („insbesondere“) genannt werden. Erweitert werden sollte diese beispielhafte Aufzählung sodann um den Fall, dass in den Auftragsunterlagen die Einreichung eines physischen oder maßstabsgetreuen Modells verlangt wird.1277 Daneben sollte die Verpflichtung zur elektronischen Einreichung auch dann nicht gelten, wenn die Verarbeitung nur durch eine spezielle Büroausstattung erfolgen könne, die den Auftraggebern nicht generell zur Verfügung stehe.1278 In den ergänzten Erwägungen wurde dabei als Beispiel ein Großformatdrucker angedacht.1279 In all diesen Fällen sei die generelle Pflicht zur Verwendung elektro­ nischer Mittel unangemessen.1280 Ferner wurde die Begründungspflicht des Auftraggebers hinsichtlich des Vorliegens einer solchen Ausnahme um das Erfordernis der obligatorischen Anfertigung eines Einzelberichts ergänzt.1281 Weiter wurde in 1274

Art. 19 Abs. 7 UA. 2 S. 1 VRL-E; Art. 34 UA. 2 S. 1 SRL-E. Art. 19 Abs. 7 UA. 2 S. 2 VRL-E; Art. 34 UA. 2 S. 2 SRL-E. 1276 Art. 19 Abs. 7 UA. 3 VRL-E; Art. 34 UA. 3 SRL-E. 1277 Art. 19 Abs. 1 UA. 2 S. 2 lit. d) VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 2.10.2012; Art. 33 lit. d) SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. 1278 Vgl. Art. 19 Abs. 1 UA. 2 S. 1 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.07.2012; Art. 33 Abs. 1 UA 2 S. 1 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. 1279 ErwGrd Nr. 19a S. 3 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.07.2012; ErwGrd Nr. 27a S. 3 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. 1280 ErwGrd Nr. 19 a S. 1 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.07.2012; ErwGrd Nr. 27a S. 1 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. 1281 Art. 19 Abs. 1 UA 3 i. V. m. Art. 85 Abs. 1 UA. 1 lit. h) VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 2.10.2012; Art. 33 Abs. 1 UA 3 2 i. V. m. Art. 94 Abs. 1 UA. 1 lit. d.) SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. Hingegen sprach sich der REGI-Ausschuss für eine gänzliche Streichung der Begründungspflicht für öffentliche Auftraggeber aus. Die von der Kommission vorgeschlagenen Fallkonstellationen seien bereits eine ausreichende Absicherung, dass Auftraggeber nur begrenzte Rechtfertigungsmöglichkeiten für das Absehen von der Nutzung elektronischer Mittel hätten, Änderung Nr. 40, S. 380, Parlamentsbericht zur VRL-E, v. 11.1.2013. 1275

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

253

die Erwägungen eingefügt, dass Auftraggeber aus technischen Gründen die maxi­ male Dateigröße für einzureichende Dateien festlegen können müssten.1282 Der letzte Ratskompromisstext enthielt noch einen neuen Unterabsatz mit einer Ausnahme. Danach sollten Auftraggeber nicht verpflichtet sein, elektronische Kommunikationsmittel vorzuschreiben, wenn die Verwendung anderer Mittel eine notwendige Maßnahme darstelle, um die vertraulichen Informationen zu schützen, die der Auftraggeber während des Vergabeverfahrens zur Verfügung stellt.1283 In den finalen Kompromisstexten des Trilogverfahrens erfolgte noch einmal eine wesentliche Modifikation der Ausnahmeregelung. Es wurde sprachlich klargestellt, dass es sich bei den Ausnahmefällen nicht nur um eine exemplarische Aufzählung – wie vom Rat intendiert – handeln soll, sondern um eine Nennung von abschließenden Fallgruppen. Gleichzeitig wurde eine Ermächtigung zum Erlass delegierter Rechtsakte geschaffen, die die Kommission berechtigt, diese Fallgruppen zu modifizieren, falls technische Entwicklungen die Ausnahmen als unangemessen erscheinen lassen oder aber neue Fallgruppen erforderlich werden sollten.1284 Die von der Kommission ursprünglich vorgeschlagenen drei Konstellationen wurden in modifizierter Form in zwei Fallgruppen übernommen.1285 Eingang fanden ebenfalls die ergänzten Ausnahmebeispiele bei der Erforderlichkeit spezieller Bürogeräte, die Auftraggebern nicht generell zur Verfügung stehen sowie bei der Einreichung von physischen oder maßstabsgetreuen Modellen.1286 Die zuletzt vom Rat vorgeschlagene Ausnahme zur Wahrung vertraulicher Informationen wurde grundlegend neu gefasst. Auftraggeber sollten danach auch dann nicht verpflichtet sein, elektronische Mittel im Einreichungsverfahren vorzugeben, wenn entweder eine Verletzung der Sicherheit der elektronischen Kommunikationsmittel vorliegt oder zum Schutz der besonderen Empfindlichkeit von Informationen.1287 Ergänzend dazu wurde ein eigener Erwägungsgrund eingefügt. In diesem wird hervorgehoben, dass Auftraggeber vor dem gänzlichen Verzicht zum Schutz besonders empfindlicher Informationen zunächst auf nicht allgemein verfügbare elektronische

1282

ErwGrd Nr. 19a Abs. 3 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 19.10.2012; ErwGrd Nr. 27a. Abs. 4, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. 1283 Art. 19 Abs. 1 UA. 4 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.11.2012; Art. 33 Abs. 1 UA. 3 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.11.2012. 1284 Die Normierung weiterer Fallgruppen durch delegierte Rechtsakte sollte dabei jedoch ausdr. der Ausnahmefall bleiben, vgl. Art. 19 Abs. 7 a UA. 2 VRL-E Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013; Art. 33 Abs. 7 a UA. 2 Finaler Kompromisstext des Trilogs zur SRL-E, v. 15.7.2013. 1285 Vgl. Art. 19 Abs. 1 UA. 2 lit. a) und b) VRL-E Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013; Art. 33 Abs. 1 UA. 2 lit. a) und b), Finaler Kompromisstext des Trilogs zur SRL-E, v. 15.7.2013. 1286 Vgl. Art. 19 Abs. 1 UA. 2 lit. c) und d) VRL-E Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013; Art. 33 Abs. 1 UA. 2 lit. c) und d), Finaler Kompromisstext des Trilogs zur SRL-E, v. 15.7.2013. 1287 Art. 19 Abs. 1 UA. 4 VRL-E, Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013; Art. 33 Abs. 1 UA. 4 Finaler Kompromisstext des Trilogs zur SRL-E, v. 15.7.2013.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Instrumente und Vorrichtungen zugreifen sollten, soweit diese ein hinreichendes Schutzniveau bieten.1288 bb) Auslegung der Richtlinienvorgaben Die Ausnahmetatbestände im ersten Absatz des jeweiligen Artikels zu den „Vorschriften über die Kommunikation“ lassen zwar eine klare Systematik vermissen.1289 Der Richtliniensystematik folgend können sie allerdings in die Ausnahmen aus technischen Gründen im zweiten Unterabsatz sowie diejenigen aus Sicherheitsgründen im vierten Unterabsatz zumindest grob eingeteilt werden. (1) Einheitlicher Anwendungsbereich für Einreichungsverfahren Die Ausnahmetatbestände der Unterabsätze scheinen zunächst einen unterschiedlichen Anwendungsbereich aufzuweisen. Während sich die Ausnahmefälle des zweiten Unterabsatzes explizit nur auf die Angebotsabgabe beziehen, betreffen die Ausnahmen des vierten Unterabsatzes allgemeiner die Einreichungsverfahren, also ebenso die Übermittlung von Teilnahmeanträgen sowie eventuell von Interessensbekundungen und Interessensbestätigungen.1290 Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob der Unionsgesetzgeber diese Divergenz tatsächlich intendiert hat. Hiergegen spricht zunächst der jeweils korrespondierende Erwägungsgrund zu den technischen Ausnahmen des zweiten Unterabsatzes, in dem ausgeführt wird, dass die Auftraggeber in diesen Fällen nicht zum Verlangen der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel im „Einreichungsverfahren“ verpflichtet sein sollten.1291 Ebenso spricht die Systematik des jeweiligen Richtlinienartikels gegen einen unterschiedlichen Anwendungsbereich, denn die Begründungspflicht im jeweiligen fünften Unterabsatz bezieht sich ausdrücklich auf die Ausnahmen des zweiten Unterabsatzes für den Fall, dass „andere als elektronische Kommunikationsmittel im Einreichungsverfahren verlang[t]“ werden. Dieses vorläufige Ergebnis lässt sich im Abgleich mit der jeweiligen englischen und französischen Sprachfassung der Richtlinienartikel verifizieren. Dort wird in den beiden Unterabsätzen zu den Ausnahmen einheitlich die Formulierung „submission process“ bzw. „processus de soumission“ verwendet. Diese Terminologie bezieht sich im Richtlinienkontext auf die Einreichungsverfahren im Allgemeinen. Im Unterschied dazu wird für die elektronische Angebotseinreichung die Terminologie „electronic submission“ 1288 Vgl. ErwGrd Nr. 19 aa)  VRL-E, Finaler Kompromisstext des Trilogs zur VRL-E, v. 12.7.2013; ErwGrd Nr. 27 aa) Finaler Kompromisstext des Trilogs zur SRL-E, v. 15.7.2013. 1289 Vgl. Art. 22 Abs. 1 UA. 2 ff. VRL; Art. 40 Abs. 1 Abs. 1 UA. 2 ff. SRL. Braun, VergabeR 2016, 179 (184). 1290 Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren, Teil IV. Pkt. 5. 1291 ErwGrd Nr. 53 S. 4 VRL-2014/24/EU; ErwGrd Nr. 63 S. 4 SRL-2014/25/EU.

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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bzw. „soumission électronique“ genutzt, wie die Erwägungen ausdrücklich klarstellen.1292 Es liegt daher nahe, dass es sich in den deutschen Sprachfassungen um einen formalen Übersetzungsfehler handelt.1293 Die nähere Betrachtung der Gesetzgebungsunterlagen zeigt, dass die Divergenz wohl auf einer missverständlichen englischen Formulierung in einem Ratskompromissvorschlag basieren könnte.1294 Die Ausnahmekonstellationen des zweiten Unterabsatzes beziehen sich demnach nicht nur auf die Angebotsübermittlung, sondern grundsätzlich auf die Einreichungsverfahren. Gleichwohl bildet die Einreichung von Angeboten als inhaltlich sensibelster und bedeutendster Verfahrensschritt in allen Verfahrensarten den wesentlichen Anwendungsfall. (2) Gebot der restriktiven Auslegung und Begründungspflicht Die in den Richtlinien vorgesehenen Ausnahmefälle sind erschöpfend aufgelistet.1295 Dies verdeutlicht insbesondere die Ablehnung des Vorschlags im Ratskompromisstext einer offeneren, nur exemplarischen Formulierung der Ausnahmetatbestände. Im Allgemeinen bedürfen Ausnahmen stets der restriktiven Auslegung, damit diese nicht zum Regelfall werden. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Zielsetzung des Unionsgesetzgebers, dass die elektronische Kommunikation und der Informationsaustausch zur Steigerung der Transparenz und Effizienz zum Standard im Rahmen von Vergabeverfahren werden.1296 In den Erwägungen wird insoweit unterstrichen, dass sich die Nutzung anderer Kommunikationsmittel nur auf die von den Ausnahmen umfassten Kommunikationsbestandteile beschränken soll.1297 Die Berufung auf einen der Ausnahmefälle bedarf zudem stets der Be-

1292 Vgl. die engl. Fassung: „in particular, the transmission of the tenders (electronic submission) should be made mandatory“, ErwGrd Nr. 52 S. 3 VRL-2014/24/EU; ErwGrd Nr. 63 S. 3 SRL-2014/25/EU. 1293 Wankmüller, Vergaberechtsreform: Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfah­ ren, Teil IV. Pkt. 5., blog.cosinex.de v. 30.3.2016. Ley / ​ders., Das neue Vergaberecht 2016, S. 420. 1294 Im Kompromisstext vom 2.10.2012 wurde erwogen, den Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 UA. 2 S. 1 VRL-E in „e-submission process“ anstatt „submission process“ zu ändern. Als „e-submission“ wird von der Kommission in verschiedenen engl. Dokumenten im Umfeld des Gesetz­ gebungsprozesses die elektronische Angebotsabgabe verstanden, vgl. COM (2012), 179 final, S. 8; COM (2013), 453 final, S. 3. Allerdings scheint im hiesigen Fall vom Rat keine Begrenzung auf die Angebotsabgabe intendiert gewesen zu sein. Dies zeigt ein Vergleich zu den Erwägungen, in denen – bezogen auf dieselben Ausnahmen – weiterhin die Formulierung „submission process“ beibehalten wurde. In den finalen Kompromissvorschlägen des Trilogverfahrens entfiel der Zusatz „e-submission process“ auch in der Ausnahmeregel der Artikel wieder, sodass die engl. Richtlinienfassungen einheitlich die Terminologie „submission process“, also „Einreichungsverfahren“, verwenden, vgl. Art. 22 Abs. 1 UA. 2 VRL-2014/24/EU; Art. 40 Abs. 1 UA. 2 SRL-2014/25/EU. 1295 Vgl. ErwGrd Nr. 53 Abs. 1 S. 4 HS. 2 VRL; ErwGrd Nr. 64 Abs. 1 S. 4 HS. 2 SRL. 1296 ErwGrd Nr. 52 S. 1 f. VRL; ErwGrd Nr. 63 S. 1 f. SRL. 1297 ErwGrd Nr. 53 Abs. 2 VRL; ErwGrd Nr. 64 Abs. 2 SRL.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

gründung des Auftraggebers im Vergabevermerk.1298 Dieses strenge Begründungserfordernis dient nicht nur der Transparenz, sondern soll wohl auch dazu dienen, einer extensiven Berufung auf das Vorliegen von Ausnahmen entgegenzuwirken.1299 (3) Ausnahmen aus technischen Gründen (a) Spezifische Instrumente, Vorrichtungen oder Dateiformate Die erste Ausnahme betrifft die Situationen, in denen die besondere Art der Auftragsvergabe spezifische Instrumente, Vorrichtungen oder Dateiformate erfordern würde, die nicht allgemein verfügbar sind oder nicht von allgemein verfügbaren Anwendungen unterstützt werden.1300 In diesen Fällen kann auf eine elektronische Einreichung verzichtet werden, weil es wegen der Besonderheiten des konkreten Beschaffungsvorgangs spezifischer Geräte oder Programme, die mit proprietären Dateiformaten arbeiten, auf Seiten der Wirtschafteilnehmer bedürfte, die ihnen mangels allgemeiner Verfügbarkeit regelmäßig nicht zur Verfügung stehen.1301 Die Bestimmung, ob die erforderlichen Instrumente, Vorrichtungen und Dateiformate allgemein verfügbar sind, richtet sich dabei im Einzelfall nach der Erhältlichkeit und Zugänglichkeit für jedermann sowie den Anschaffungskosten im Verhältnis zum Verwendungszweck.1302 An der allgemeinen Verfügbarkeit kann es beispielsweise fehlen, wenn der Auftraggeber für die Übermittlung spezielle technische Vorkehrungen, z. B. einen VPN-Router, oder die Einreichung der Erklärungen in bestimmten proprietären Formaten, wie dem CAD-Format,1303 für die Verfahrensdurchführung vorschreiben müsste.1304 Um eine generelle Umgehung des Einsatzes elektronischer Kommunikationsmittel im Einreichungsverfahren aus diesem Grund zu verhindern, muss allerdings die besondere Art der Auftragsvergabe den Einsatz solcher technischer Mittel erfordern.1305 Dies ist im Einzelfall vom Auftraggeber in der Begründung darzulegen.

1298

Vgl. Art. 22 Abs. 1 UA. 5 S. 1 i. V. m. Art. 84 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 5 S. 1 i. V. m. Art. 100 SRL. 1299 Schäfer, NZBau 2015, 131 (134). 1300 Art. 22 Abs. 1 UA. 2 lit. a) VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 2 lit. a) SRL. 1301 Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (16). 1302 Vgl. Kap. D. III. 1. a) bb) (2). 1303 Mit CAD (computer-aided design)-Software lassen sich z. B. mehrdimensionale technische Modelle erstellen. Trotz zunehmender Standardisierung arbeiten viele CAD-Systeme mit proprietären Datenformaten, vgl. Weber, Facettenbasierte Indexierung multipler Artefakte, S. 146 ff. 1304 Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (16). 1305 Z. B. kann der Einsatz von CAD Software mit proprietären Formaten erforderlich sein, weil spezifische technische Zeichnungen oder Planungsskizzen von den Wirtschaftsteilnehmern verlangt werden sollen.

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

257

(b) Dateiformate zur Angebotsbeschreibung Erst in den jeweiligen Kompromissvorschlägen des Trilogverfahrens wurde die zweite Ausnahme aus ursprünglich zwei separaten Fällen gebildet. Gemeinsames Element ist die Erforderlichkeit bestimmter (Software-)Anwendungen, die Dateiformate unterstützen, welche sich für die Angebotsbeschreibung eignen. Diese spezifischen Dateiformate können entweder nicht mittels anderer offener bzw. allgemein verfügbarer Anwendungen verarbeitet werden, oder sind durch Lizenzen geschützt und können vom Auftraggeber nicht für das Herunterladen oder einen Fernzugang zur Verfügung gestellt werden.1306 In Abgrenzung zum ersten Fall richtet sich diese Ausnahme – im Vergleich zu den anderen Ausnahmen – spezifisch auf die Angebotseinreichung und an die Bieterseite, welche spezielle Anwendungen zur Angebotsbeschreibung verwendet.1307 Die Ausnahme bildet damit das Pendant zur ersten Konstellation, in der die besondere Art der Auftragsvergabe spezifische Instrumente, Vorrichtungen oder Dateiformate erfordern würde, die für die Bieter nicht allgemein verfügbar sind.1308 Damit sind Ausnahmen denkbar, in denen sich zur Beschreibung der Angebote bzw. zu bestimmten Bestandteilen spezielle Berechnungs-, Grafik- oder Planungssoftware eignen, die proprietäre Dateiformate nutzen, sodass der Auftraggeber sie nicht verarbeiten kann oder die Angebots­ beschreibung nur mit solchen Anwendungen möglich wäre, die  – insbesondere aus lizenzrechtlichen Gründen – nicht zur Verfügung gestellt werden können.1309 (c) Spezielle Bürogeräte Ferner kann auf die elektronische Einreichung verzichtet werden, wenn für die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel spezielle Bürogeräte erforderlich wären, die Auftraggebern nicht generell zur Verfügung stehen. Aus dem Wortlaut geht zunächst eindeutig hervor, dass die technische Ausstattung der Auftraggeber entscheidend sein soll, nicht die der Bewerber bzw. Bieter. In den Erwägungen wird ein Großformatdrucker beispielhaft genannt. Ein solcher weist einen hohen Anschaffungspreis sowie erhöhte Betriebskosten auf und wird nur für spezielle Anwendungen, z. B. den Druck technischer Zeichnungen, genutzt. Diese Indizien können zumindest zur Orientierung für weitere denkbare Beispiele von derart spezieller Büroausstattung dienen. Die Kriterien erfüllen z. B. auch (online oder offline) Faltautomaten, mit denen sich großformatige Dokumente, wie DIN-A0 Pläne oder Zeichnungen exakt falten lassen. Ebenso düften derzeit professionelle

1306

Vgl. Art. 22 Abs. 1 UA. 2 lit. b) VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 2 lit. b) SRL. I.d.S. auch Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (16); ebenso zu den zugrunde liegenden Richtlinienvorgaben Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  44. 1308 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  44. 1309 Vgl. z. B. CAD- oder Desktop-Publishing-Progamme, Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (16). 1307

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3D-Drucker aufgrund hoher Anschaffungs- und Betriebskosten als spezielle Bürogeräte in diesem Sinn gelten. (d) Physische oder maßstabsgetreue Modelle Faktisch bedingt ist auch der Fall, dass die Einreichung von physischen oder maßstabsgetreuen Modellen über den postalischen oder einen anderen geeigneten Weg, beispielsweise durch einen Kurierdienst oder einen Mitarbeiter des Bewerbers bzw. Bieters, erfolgen kann. Dies dürfte insbesondere dann zulässig sein, wenn vom Auftraggeber eine Übersendung von Warenmustern oder Architekturmodellen in den Auftragsunterlagen verlangt wird.1310 Angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung von 3D-Druckern, mit denen sich bereits nach heutigem technischen Stand mit z. B. CAD-Software erstellte dreidimensionale Modelle drucken lassen,1311 könnte zukünftig eine elektronische Übermittlung von 3D-Modellen in Dateiform – zumindest in bestimmten Branchen – zum Standard werden und die physische Übermittlung obsolet machen. Soweit diese Entwicklung sich zukünftig tatsächlich realisiert, wäre dies eine denkbare Konstellation, in der die Kommission mittels delegierten Rechtsaktes den Ausnahmefall aufheben oder einschränken könnte.1312 Derzeit hat die 3D-Drucktechnik allerdings noch nicht flächendeckend Verbreitung gefunden und gehört gegenwärtig zu den speziellen Bürogeräten. (4) Ausnahmen aus Sicherheitsgründen Neben den Ausnahmen aus technischen Gründen des jeweiligen zweiten Unterabsatzes können Auftraggeber auf die elektronische Einreichung verzichten, wenn dies entweder aufgrund einer Verletzung der Sicherheit der elektronischen Kommunikationsmittel oder zum Schutz der besonderen Empfindlichkeit von Informationen erforderlich ist.1313 (a) Verletzung der Sicherheit der elektronischen Kommunikationsmittel Die erste Variante bezieht sich auf eine Sicherheitsverletzung der elektronischen Kommunikationsmittel. Gerade die Kommunikation über das Internet, als offenes Netzwerk, ist beständig nicht unerheblichen Risiken ausgesetzt. Diese können

1310

Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (16); ders., VPR 2014, 53. Zu den verschiedenen 3D-Drucktechniken Stereolithographie (SLA), Selective Laser Sintering (SLS) und Fused Deposition Modeling (FDM) Follmer, Wie funktioniert ein 3D-Drucker? praxistipps.chip.de, v. 16.12.2015. 1312 Vgl. Art. 22 Abs. 7 UA. 2 VRL; Art. 40 Abs. 7 UA. 2 SRL. 1313 Art. 22 Abs. 1 UA. 4 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 4 SRL. 1311

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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zwar durch technische Sicherungen minimiert, aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden.1314 Die Gefahr einer Sicherheitsverletzung besteht demnach bei elektronischer Kommunikation stets latent. In Anbetracht des Ausnahmecharakters der Regelung und der gebotenen restriktiven Auslegung kann jedoch nicht jede abstrakte Bedrohungslage als ausreichend erachtet werden, um auf eine elektronische Kommunikation zu verzichten. Die Formulierung „aufgrund“ einer Verletzung der elektronischen Kommunikationsmittel deutet darauf hin, dass sich eine Sicherheitsverletzung bereits verwirklicht haben muss. Erforderlich dürfte dementsprechend eine nachweisliche Kompromittierung der IT-Infrastruktur im Verantwortungs­ bereich des Auftraggebers durch Schadsoftware (sog. Malware)1315 oder zumindest konkrete Anhaltspunkte für Cyberangriffe auf die Kommunikation, z. B. zur Industriespionage, sein.1316 (b) Besondere Empfindlichkeit der Informationen Die zweite Variante sieht eine Ausnahmemöglichkeit vor, wenn dies zum Schutz besonders empfindlicher bzw. sensibler1317 Informationen erforderlich ist, die ein derart hohes Schutzniveau verlangen, dass dieses weder angemessen durch allgemein verfügbare elektronische Instrumente und Vorrichtungen noch durch solche, die nicht allgemein verfügbar sind, sichergestellt werden kann. Diese Ausnahme setzt zunächst die „besondere Empfindlichkeit“ bestimmter Informationen voraus. Die erst spät in einem Ratskompromisstext eingeführte Regelung sollte sich zunächst darauf beziehen, dass das Verlangen anderer als elektronischer Kommunikationsmittel zum Schutz der Vertraulichkeit der Informationen notwendig ist, die der Auftraggeber den Wirtschaftsteilnehmern im Verfahren zur Verfügung stellt.1318 Dieser angedachte Verweis auf die Anforderungen des jeweiligen Artikels zur „Vertraulichkeit“1319 wurde jedoch nicht in die endgültigen Richtlinienfassun 1314

S. dazu bereits Kap. B. I. 1. Der Unterscheidung der Schadsoftware, z. B. in Viren, Würmer, Trojaner, Spyware, Backdoors etc., kommt heute kaum noch eine Bedeutung zu, vgl. BSI, Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2017, S. 22. 1316 Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (16). Zur ab Sommer 2016 wieder ansteigenden Zahl von Cyber-Spionage-Angriffen gegen Wirtschaftsunternehmen, BSI, Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2017, S. 11 ff. Umfassend zu dieser Gefahr für die Unternehmen durch digitale Wirtschaftsspionage auch Bitkom, Spionage, Sabotage und Datendiebstahl  – Wirtschaftsschutz im digitalen Zeitalter, S. 8 ff. 1317 Auch an dieser Stelle weisen die deutschen Sprachfassungen eine kleine Ungenauigkeit auf. Während in den engl. Fassungen durchgehend die Formulierung „to protect the particularly sensitive nature of information“ verwendet wird, heißt es in der dt. Übersetzung zum einen: „zum Schutz der besonderen Empfindlichkeit von Informationen“, Art. 22 Abs. 1 UA. 4 VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 4 SRL sowie zum anderen: „zum Schutz besonders sensibler Informationen“ ErwGrd Nr. 54 S. 2 VRL; Nr. 65 S. 2 SRL. Empfindlich und sensibel dürfte daher in diesem Kontext synonym zu verstehen sein. 1318 Kap. D. X. 1. a) aa). 1319 Vgl. Art. 21 Abs. 2 VRL; Art. 39 Abs. 2 SRL. 1315

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

gen aufgenommen. Aus dieser Abkehr lässt sich schließen, dass die besonders empfindlichen Informationen nicht vom Auftraggeber stammen müssen, sondern auch in den einzureichenden Erklärungen der Wirtschaftsteilnehmer enthalten sein können. Inhaltlich bleibt indes unklar, welche Informationen eine solche „besondere Empfindlichkeit“ aufweisen. Dies kann sich jedenfalls nicht auf sicherheitskritische Informationen, z. B. zu Militär- oder anderer sensibler Ausrüstung, aus dem Bereich der Verteidigung und Sicherheit beziehen, die dem Sonderregime der VSVKR unterfallen oder gänzlich vom Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts ausgenommen werden.1320 Es verbleibt damit praktisch wohl nur ein enger Anwendungsbereich. In Betracht kommt im Einzelfall etwa die besondere Schutzbedürftigkeit von technischen oder handelsbezogenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.1321 Erachtet der Auftraggeber auszutauschende Daten in einem Verfahren als besonders sensibel, bedarf es der Prüfung, ob das erforderliche Schutzniveau so hoch eingeschätzt wird, dass es nicht angemessen bei der elektronischen Kommunikation sichergestellt werden kann. Aus den – im Zusammenhang mit dieser Ausnahme ergänzten – Richtlinienerwägungen folgt klarstellend, dass in Fällen, in „denen der Rückgriff auf nicht allgemein verfügbare elektronische Mittel das nötige Schutzniveau bieten kann, diese […] genutzt werden sollten.“1322 An dieser Stelle wird ganz besonders deutlich, dass der Unionsgesetzgeber primär die elektro­ nischen Kommunikation im Vergabeverfahren anstrebt, selbst beim Austausch sicherheitsempfindlicher Informationen.1323 Die Verwendung anderer Kommunikationsmittel ist nur als ultima ratio zulässig.1324 (5) Übermittlung auf einem anderen geeigneten Weg Sofern im Einzelfall eine Ausnahme für ein Einreichungsverfahren aus technischen Gründen angenommen wird, eröffnen die Richtlinienvorgaben die Wahlmöglichkeit des Auftraggebers hinsichtlich der Kommunikation „per Post oder einem anderen geeigneten Weg“ (oder eine Kombination hieraus) „und elektronischen Mitteln“.1325 Letzterer Zusatz unterstreicht die Erwägungen des Unionsgesetz­ gebers, dass das Wahlrecht des Übermittlungsweges nur auf die Bestandteile einer Erklärung begrenzt sein soll, die von der Ausnahmesituation erfasst sind.1326 Ist also etwa ein physisches Modell einzureichen, sind die übrigen Unterlagen elek­ tronisch zu übermitteln.1327 Bei den Ausnahmen aus Sicherheitsgründen fehlt 1320

Vgl. Art. 15–17 VRL; Art. 24–27 SRL. Dazu auch Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 237. 1321 Vgl Art. 21 Abs. 1 VRL; Art. 39 Abs. 1 SRL. 1322 ErwGrd Nr. 54 S. 2 VRL; ErwGrd Nr. 65 S. 2 SRL. 1323 Ähnl. Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht, S. 236. 1324 Ebenso Zeiss, VPR 2014, S. 107. 1325 Art. 22 Abs. 1 UA. 3 VRL; Art. 40Abs. 1 UA. 3 SRL. 1326 Vgl. auch ErwGrd Nr. 53 Abs. 2 VRL; ErwGrd Nr. 64 Abs. 2 SRL. 1327 Zutreffend Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (15).

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

261

eine entsprechende Anordnung der Kombination mit elektronischen Mitteln. Dies erklärt sich damit, dass bereits für die Annahme der Ausnahme die Möglichkeit der Verwendung elektronischer Mittel ausgeschlossen sein muss, weil entweder eine Sicherheitsverletzung vorliegt oder diese – selbst wenn sie nicht allgemein verfügbar sind – das Schutzniveau nicht angemessen sicherstellen. Insoweit kann der Auftraggeber einen alternativen Kommunikationsweg nach seinem Ermessen festlegen. Zur Gewährleistung der Verfahrenstransparenz hat der Auftraggeber in jedem Fall den gewählten Einreichungsweg – im Regelfall in der Auftragsbekanntmachung – anzugeben. b) Ausnahmen von der elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen Die Pflicht zur Bereitstellung eines uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugangs zu den Auftragsunterlagen anhand elektronischer Mittel bildet in der VRL, SRL und KVR den Regelfall.1328 Nur im Ausnahmefall können die Unterlagen auf einem anderen Weg übermittelt werden. aa) Richtlinienvorgaben der VRL und SRL (1) Entstehung und Inhalt Die parallelen Kommissionsvorschläge beinhalteten in Bezug auf die Auftrags­ unterlagen zunächst ausnahmslos die Pflicht zur Bereitstellung eines uneingeschränkten und vollständigen Zugangs anhand elektronischer Mittel.1329 Die Ratskompromisstexte führten jedoch sodann Ausnahmen für Fälle ein, in denen ein Zugang aus technischen Gründen nicht möglich ist, wobei ein Verweis auf Konstellationen im Einreichungsverfahren eingefügt wurde, sowie zum Schutz der Vertraulichkeit der Informationen.1330 Die Ausnahmen sollten mit einer zwingenden Fristverlängerung einhergehen. Diese Vorschläge fanden letztlich weitgehend unverändert Eingang in die endgültigen Richtlinienfassungen.1331

1328

Dazu Kap. D. VII. 1. Art. 51 Abs. 1 VRL-E; Art. 67 Abs. 1 SRL-E. 1330 Vgl. Art. 51 Abs. 1 UA. 2, UA. 3 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.7.2012; Art. 67 Abs. 1 UA. 3, UA. 4 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. 1331 Art. 53 Abs. 1 UA. 2 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 3, UA. 4 SRL. 1329

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

(2) Auslegung der Richtlinienvorgaben Anknüpfungspunkt für die Ausnahmen bildet der Zugang „zu bestimmten“ Auftragsunterlagen. Die Ausnahmekonstellationen beschränken sich also  – wie schon im Einreichungsverfahren – jeweils auf die Teile der Unterlagen, für die, aus einem der abschließend genannten Gründe, ein unentgeltlicher, uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang anhand elektronischer Mittel nicht angeboten werden kann.1332 (a) Verweis auf die Ausnahmen von der elektronischen Einreichung Ein uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang anhand elektronischer Mittel kann zu bestimmten Auftragsunterlagen zunächst dann nicht angeboten werden, wenn dies aus einem der technischen Gründe nicht möglich ist, die eine Ausnahme von der elektronischen Einreichung erlauben.1333 Im Wortlaut wird nicht pauschal auf die Ausnahmefälle zu den Einreichungsverfahren verwiesen, sondern nur auf die einzelnen dort „genannten Gründe“, d. h. soweit diese jeweils für die Zugangsbereitstellung der Vergabeunterlagen anwendbar sind.1334 Auf die Bereitstellung eines elektronischen Zugangs zu den Auftragsunterlagen kann der Auftraggeber verzichten, wenn die besondere Art der Auftragsvergabe die Verwendung spezifischer Instrumente, Vorrichtungen oder Dateiformate erfordern würde, die nicht allgemein verfügbar sind oder von allgemein verfügbaren Anwendungen unterstützt werden.1335 Besonders relevant dürfte im Zusammenhang mit den Auftragsunterlagen der Fall sein, dass bei der elektronischen Verfügbarmachung bestimmte Dokumente nur in proprietären Dateiformaten bereitgestellt werden könnten, z. B. technische Zeichnungen oder Pläne, die von den Wirtschaftsteilnehmern regelmäßig nicht verarbeitet werden können. Weiterhin übertragbar ist die Ausnahme, dass die Ermöglichung eines elektronischen Zugangs zu den Auftragsunterlagen spezielle Bürogeräte bei dem Auftraggeber erfordern würde, über welche dieser generell nicht verfügt.1336 In diesem Fall bedürfte es einer speziellen technischen Ausrüstung zur Digitalisierung gewisser Dokumente, z. B. groß­ formatiger Planungsunterlagen, die von einem Auftraggeber grundsätzlich nicht erwartet werden kann.

1332 In Bezug auf die Bestimmungen der VRL auch Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 10. 1333 Art. 53 Abs. 1 UA. 2 S. 1 i. V. m. Art. 22 Abs. 1 UA. 2 S. 1 lit. a)–d) VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 3 S. 1 i. V. m. Art. 40 Abs. 1 UA. 2 S. 1 lit. a)–d) SRL. 1334 Zutreffend Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017. 1335 Art. 22 Abs. 1 UA. 2 S. 1 lit. a) VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 2 S. 1 lit. a) SRL. 1336 Art. 22 Abs. 1 UA. 2 S. 1 lit. c) VRL; Art. 40 Abs. 1 UA. 2 S. 1 lit. c) SRL.

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

263

Nicht anwendbar auf die Zugangsbereitstellung erscheinen hingegen die beiden übrigen Ausnahmekonstellationen, welche sich dem Wortlaut nach speziell auf Einreichungen durch die Bieter richten. Diese betrifft zum einen die Erforderlichkeit der Verwendung spezifischer Anwendungen, die Dateiformate verwenden, die sich zur „Beschreibung der Angebote“ eignen sowie zum anderen auf die Einreichung physischer oder maßstabsgetreuer Modelle. Sofern aus einem der benannten technischen Gründe ein unentgeltlicher, uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang zu bestimmten Auftragsunterlagen nicht angeboten werden kann, hat der Auftraggeber – im Regelfall in der Auftragsbekanntmachung – mitzuteilen, dass die betreffenden Unterlagen mit anderen als elektronischen Kommunikationsmitteln übermittelt werden können.1337 Den Übermittlungsweg hat der Auftraggeber – regelmäßig in der Auftragsbekanntgabe – anzugeben. Zudem bedarf es zwingend einer Verlängerung der Frist zur Einreichung der Angebote um fünf Tage, es sei denn, es besteht eine hinreichende Dringlichkeit.1338 Diese grundsätzliche Notwendigkeit der Fristverlängerung erweist sich als sachgerechter Ausgleich für die beim Verzicht auf die elektronische Bereitstellung durch den postalischen Abruf beim Auftraggeber regelmäßig entstehende Verzögerung. (b) Vertraulichkeit der Informationen in den Auftragsunterlagen Die Bereitstellung eines unentgeltlichen, uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugangs zu bestimmten Auftragsunterlagen kann beschränkt werden, wenn der Auftraggeber Anforderungen vorschreibt, die den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen bezwecken. Die Richtlinienbestimmungen verweisen insoweit auf den Artikel, der allgemein Maßnahmen zur Wahrung der Vertraulichkeit im Vergabeverfahren zulässt.1339 Diese Ausnahme richtet sich also auf Fälle, in denen die Auftragsunterlagen bestimmte vertrauliche Informationen des Auftraggebers beinhalten, welche den Wirtschaftsteilnehmern im Verfahren zur Verfügung zu stellen sind. Der Auftraggeber soll insoweit nicht verpflichtet sein, einem unbestimmten Interessentenkreis einen Zugang zu vertraulichen Unterlagen im vorgenannten Sinn bereitzustellen. Die Richtlinien enthalten insoweit keine abschließenden Vorgaben zu möglichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Vertraulichkeit. Sie ordnen nur zwingende formelle Folgen an. Zur Wahrung der Transparenz hat der Auftraggeber – im Regelfall in der Auftragsbekanntmachung – anzugeben, welche Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit er fordert und in welcher Weise

1337

Art. 53 Abs. 1 UA. 2 S. 1 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 3 S. 1 SRL. Art. 53 Abs. 1 UA. 2 S. 2 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 3 S. 2 SRL. 1339 Art. 53 Abs. 1 UA. 3 S. 1 i. V. m. Art. 21 Abs. 2 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 4 S. 1 i. V. m. Art. 39 Abs. 2 SRL. 1338

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

auf die „betreffenden Dokumente“ zugegriffen werden kann.1340 Die Beschränkung der Zugangsbereitstellung bezieht sich also auch bei dieser Ausnahme nur auf die tatsächlich betroffenen, vertraulichen Teile der Auftragsunterlagen. Es bedarf zudem zwingend einer Fristverlängerung für die Angebotseinreichung um fünf Tage, sofern keine hinreichend begründete Dringlichkeit besteht.1341 bb) Richtlinienvorgaben der KVR (1) Entstehung und Inhalt Der Kommissionsvorschlag sah zunächst parallel zu den anderen Richtlinienvorschlägen auch im Rahmen der KVR eine ausnahmslose Pflicht zur Bereitstellung eines uneingeschränkten und vollständigen Zugangs zu den Konzessionsunterlagen anhand elektronischer Mittel vor.1342 Dagegen plädierte der Rat für eine offen formulierte Ausnahmemöglichkeit beim Vorliegen „hinreichend begründeter Umstände“.1343 In dem finalen Kompromisstext des Trilogverfahrens erfolgte die Konkretisierung der hinreichend begründeten Umstände dahingehend, dass dies aus außergewöhnlichen Sicherheits- oder technischen Gründen oder aufgrund der besonderen Sensibilität von Handelsinformationen, die eines sehr hohen Datenschutzniveaus bedürfen, anzunehmen sei.1344 Dies fand Eingang in die Richtlinienfassung.1345 (2) Auslegung der Richtlinienvorgaben Die Ausnahmekonstellationen in der KVR für die Bereitstellung eines elektronischen Zugangs zu den Konzessionsunterlagen weichen von den Regelungen der VRL und SRL ab. Dies ist primär strukturell bedingt. Da die KVR für die Kommunikation grundsätzlich das Wahlrecht des Auftraggebers enthält,1346 werden keine abschließenden Ausnahmen für die Einreichungsverfahren im Artikel zu den „Vorschriften über die Kommunikation“ normiert, sodass auch nicht in der Bestimmung zur „Elektronischen Verfügbarkeit der Konzessionsunterlagen“ auf diese Bezug genommen werden kann. Der Gesetzgebungsprozess zeigt aber, dass der Unionsgesetzgeber keine offene Ausnahmeregelung, die allein das Vorliegen 1340

Vgl. Art. 53 Abs. 1 UA. 3 S. 1 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 4 S. 1 SRL. Art. 53 Abs. 1 UA. 3 S. 2 VRL; Art. 73 Abs. 1 UA. 4 S. 2 SRL. 1342 Art. 30 Abs. 1 KVR-E. 1343 Vgl. Art. 30 Abs. 1 UA. 2 KVR-E, Council of the European Union, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on the award of concession contracts – General approach, v. 20.12.2012. 1344 Vgl. Art. 30 Abs. 2 KVR-E, Finaler Kompromisstext des Trilogs zur KVR-E, v. 12.7.2013. 1345 Art. 34 Abs. 2 KVR. 1346 Kap D. I. 1. b). 1341

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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hinreichend begründeter Umstände – wie sie der Rat intendierte – ausreichen lässt, normieren wollte. Vielmehr legt der Wortlaut nahe, dass die Ausnahmetatbestände grundsätzlich an die Fallgruppen der VRL und SRL angelehnt werden sollten und die Ausnahmen aus technischen Gründen sowie zum Schutz der Vertraulichkeit umschreiben.1347 Obgleich der Wortlaut „außergewöhnliche“ Gründe und „besondere“ Sensibilität in der KVR restriktiver anmutet, dürfte dabei – in Anbetracht der allgemeinen Zurückhaltung des verbindlichen Einsatzes elektronischer Mittel bei der Konzessionsvergabe – inhaltlich keine strengere Regelung als in der VRL und SRL intendiert sein. Vielmehr erscheint der abweichende Wortlaut damit erklärbar, dass die KVR am Ende des Gesetzgebungsverfahrens separat von den beiden anderen Richtlinien entwickelt wurde1348. Wird das Vorliegen eines Ausnahmegrundes angenommen, hat der Auftraggeber – im Regelfall in der Konzessionsbekanntmachung – anzugeben, dass die Konzessionsunterlagen nicht elektronisch, sondern durch ein anderes Kommunikationsmittel übermittelt werden. Es bedarf zwingend der Fristverlängerung für den Eingang der Angebote.1349 Zwar fehlt es an einer verbindlichen Mindestvorgabe. Als Richtwert dürften jedoch gleichfalls fünf Tage dienen, wie sie die Bestimmungen in der VRL und SRL in der Regel vorsehen. c) Zwischenergebnis Im Rahmen der VRL / ​SRL wird deutlich, dass der Unionsgesetzgeber die Nutzung anderer als elektronischer Mittel nur noch in engen Grenzen zulassen will. Das zeigt nicht nur die Normierung abschließender Ausnahmefallgruppen, sondern auch die strenge Begründungspflicht des Auftraggebers im Einreichungsverfahren. Dies entspricht der Grundintention der Richtlinienreform, die elektronische Kommunikation als Standard für den Informationsaustausch im Rahmen des Vergabeverfahrens zur Steigerung der Transparenz und Effizienz zu etablieren. Insgesamt hat der Unionsgesetzgeber es jedoch verpasst, eine systematisch überzeugende und sprachlich eindeutige Ausnahmeregelung für die Bereitstellung der Auftragsunterlagen und die Einreichungsverfahren zu schaffen. Gerade die unter hohem Zeitdruck durchgeführten Erweiterungen und Überarbeitungen der Ausnahmefälle am Ende des Gesetzgebungsverfahrens im Trilogverfahren, die im Wesentlichen ohne eine Schlussredaktion in die Richtlinientexte übernommen wurden,1350 führen letztlich dazu, dass einzelne Ausnahmen nur schwerlich verständlich sind1351 und allen 1347

Ebenso Wankmüller, in: Soudry / ​Hettich, Das neue Vergaberecht 2016, S. 252. Vgl. dazu allg. Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 345. 1349 Vgl. Art. 34 Abs. 21 KVR. 1350 Vgl. Schäfer, in: Pünder / ​Prieß, Vergaberecht im Umbruch II, S. 156 ff. 1351 Zutreffend Zeiss, Service-Guide eVergabe 2014, 13 (16); ebenso zur sprachlichen Schwäche Schäfer, NZBau 2015, 131 (134); ders., in: Pünder / ​Prieß, Vergaberecht im Umbruch II, S. 158. 1348

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

falls im systematischen Kontext erschlossen werden können. Erschwerend treten die aufgezeigten Ungenauigkeiten der Übersetzung in der deutschen Sprachfassung hinzu, die zu weiteren Auslegungsunsicherheiten führen. Ebenso wenig überzeugt die Normierung der Ausnahmeregelung zur Bereitstellung der Konzessionsunterlagen in der KVR, die ebenfalls erst im Trilogverfahren ausgestaltet wurde und nur unter Zuhilfenahme der Vorgaben der VRL und SRL überhaupt verständlich wird. Insgesamt verbleibt damit im Ergebnis in Bezug auf die jeweiligen Anwendungsbereiche der Ausnahmen eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit. 2. Regelung im Kartellvergaberecht Die Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation sind in den Vergabeverordnungen im Zusammenhang mit den Verfahrensvorschriften zur „Bereit­stellung der Vergabeunterlagen“1352 und zur „Form und Übermittlung“1353 der Verfahrensklärungen normiert. a) Ausnahmen in der VgV und SektVO Die Umsetzung in der VgV und SektVO weicht in ihrer Regelungssystematik nicht unerheblich von den Richtlinien ab, wie die nachfolgende Darstellung zeigt. aa) Bereitstellung der Vergabeunterlagen Eine Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen1354 ist aus technischen Gründen1355 oder zum Schutz der Vertraulichkeit1356 zulässig. Obgleich es an einer ausdrücklichen Anordnung fehlt, sind die Gründe für die Annahme der Ausnahme im Vergabevermerk zur Gewährleistung einer hinreichenden Verfahrenstransparenz zu dokumentieren.1357

1352 § 41 Abs. 2, Abs. 3 VgV; § 41 Abs. 3, Abs. 4 SektVO; § 17 Abs. 2 KonzVgV; Systematisch, nicht aber inhaltlich abweichend: §§ 12a EU Abs. 1 Nr. 2, 11 b EU Abs. 1, Abs. 2 VOB / ​A. 1353 Vgl. § 41 Abs. 2, Abs. 4, § 53 Abs. 2 VgV; § 41 Abs. 3, § 43 Abs. 2, § 44 Abs. 2 SektVO; § 17 Abs. 2; § 28 Abs. 2 KonzVgV. In der VOB / ​A-EU werden hingegen die Ausnahmen in einer Vorschrift zusammengefasst. Inhaltlich folgt die Ausgestaltung des § 11b EU VOB / ​A den Vorgaben der VgV und der SektVO. 1354 § 41 Abs. 1 VgV; § 41 Abs. 1 SektVO; § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB / ​A. Dazu Kap. D. VII. 2. 1355 § 41 Abs. 2 VgV; § 41 Abs. 3 SektVO; §§ 12a EU Abs. 1 Nr. 2, 11b EU Abs. 1 S. 1 VOB / ​A. 1356 § 41 Abs. 3 VgV; § 41 Abs. 4 SektVO; §§ 12a EU Abs. 1 Nr. 2, 11b EU Abs. 2 VOB / ​A. 1357 Rechten., in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  41.

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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(1) Ausnahmen aus technischen Gründen In den Richtlinien werden die Ausnahmen aus technischen Gründen grundlegend in den allgemeinen „Vorschriften über die Kommunikation“ in Bezug auf die Einreichungsverfahren normiert. In der jeweiligen Vorschrift betreffend die „Elektronische Verfügbarkeit der Auftragsunterlagen“ wird auf diese Ausnahmekonstellationen verwiesen, soweit die Gründe anwendbar sind.1358 Im Unterschied zu diesem Ansatz erfolgt die Umsetzung der technischen Ausnahmegründe in der VgV und SektVO grundlegend in der jeweiligen Vorschrift zur „Bereitstellung der Vergabeunterlagen“, die in der Systematik der Vergabeverordnungen, den Vorschriften zur „Form und Übermittlung“ in den Einreichungsverfahren vorangehen. Die abweichende Systematik hat nur in Teilen inhaltlich hinreichend Berücksichtigung gefunden. Zutreffend hat der Verordnungsgeber insoweit im Kontext der Vergabeunterlagen einzig darauf verzichtet, eine Ausnahme für physische oder maßstabsgetreue Modelle zu normieren, da diese augenscheinlich nicht relevant ist für deren Bereitstellung.1359 (a) Erforderlichkeit spezieller elektronischer Mittel Die Vergabeunterlagen können auf einem anderen geeigneten Weg übermittelt werden, wenn aufgrund der besonderen Art der Auftragsvergabe die erforderlichen elektronischen Mittel zum Abruf nicht mit allgemein verfügbaren oder mit verbrei­ teten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sind.1360 Insbesondere die Bezugnahme auf die zum „Abruf erforderlichen elektronischen Mittel“ erweist sich als missverständlich und bedarf der Konkretisierung anhand der zugrunde liegenden Richtlinienvorgaben.1361 Diese regeln die Ausnahme für den Fall, dass die elektronische Bereitstellung der Unterlagen spezifische Instrumente, Vorrichtungen oder Dateiformate erfordern würde, die nicht allgemein verfügbar sind oder nicht von allgemein verfügbaren Anwendungen unterstützt werden, sodass den Unternehmen der Zugang mit ihrer technischen Ausstattung nicht möglich wäre.1362 Die Richtlinien beziehen sich also nicht auf die „elektronischen Mittel zum Abruf“, sondern auf deren Erforderlichkeit zur Zugangsbereitstellung.1363 Offenbar intendierte der Verordnungsgeber allerdings ebenfalls die Umsetzung dieser Konstellation. Dies legt die amtliche Begründung nahe, die – im Einklang mit den Richtlinien – auf die Verwendung spezieller, nicht

1358

Kap. D. X. 1. b) aa) (2) (a). Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  42, Fn.  28. 1360 § 41 Abs. 2 Nr. 1 VgV; § 41 Abs. 3 Nr. 1 SektVO; § 11b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB / ​A. 1361 Ebenso Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 13. 1362 Vgl. Kap. D. X. 1. b) aa) (2) (a). 1363 Ähnl. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 13. 1359

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

allgemein verfügbarer elektronischer Mittel durch den Auftraggeber abstellt.1364 Deren Einsatz muss gerade die besondere Art der Auftragsvergabe erfordern. Es bedarf also konkreter verfahrensbedingter Umstände, die eine Ausnahme rechtfertigen. Dies erscheint etwa denkbar, wenn bestimmte Daten nur in einem internen, d. h. vom Internet abgeschirmten Netz bereitgestellt werden könnten, sodass auf diese ein Zugriff nur durch VPN-Technologie mittels spezifischer technischer Geräte, z. B. einen VPN-Router, zugelassen werden könnte.1365 Praktisch relevanter dürften jedoch Anwendungsfälle sein, in denen es an der Kompatibilität ermangelt, weil es des Einsatzes von Software, z. B. CAD-Software oder anderer Berechnungs-, Planungs- oder Grafikanwendungen,1366 bedürfte, die nur proprietäre Dateiformate nutzen, welche nicht von „allgemein verfügbaren“ oder „verbreiteten“ Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie verarbeitet werden können. Als allgemein verfügbar gelten gemäß der amtlichen Begründung solche elektronischen Mittel, die für alle Menschen ohne Einschränkung verfügbar sind und bei Bedarf, gegebenenfalls gegen ein marktübliches Entgelt, erworben werden können.1367 Welche Programme und Geräte daneben zwar nicht allgemein verfügbar, aber als „verbreitet“ zu betrachten sind, wird hingegen nicht definiert. Im Unterschied zu den generellen Maßgaben der „Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel“ ist in diesem Zusammenhang dem Wortlaut nach keine „allgemeine“, d. h. auf jedes Unternehmen bezogene, Verbreitung erforderlich.1368 Vielmehr dürfte insoweit im Einzelfall auf die branchenbezogene Üblichkeit in Anbetracht des potenziellen Kreises der Interessenten abzustellen sein,1369 ob die benötigten elektronischen Mittel als verbreitet anzusehen sind oder andernfalls der Anwendungsbereich der Ausnahme eröffnet ist. (b) Proprietäre Dateiformate Nach der jeweiligen zweiten Ausnahme kann die Bereitstellung oder Übermittlung der Vergabeunterlagen auf einem anderen geeigneten Weg erfolgen, wenn die 1364 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 (VgV), S. 260 (SektVO). Sofern der Auftraggeber solche alternativen elektronischen Mittel nicht nur selbst verwendet, sondern deren Nutzung im Verfahren von den Unternehmen verlangen will, hat er während des gesamten Vergabeverfahrens einen unentgeltlichen, uneingeschränkten, vollständigen und direkten Zugang zu diesen alternativen elektronischen Mitteln bereitzustellen. 1365 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 42; Rechten., in: Kurlatz / ​Kus / ​ Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  43; Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 35; Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 8. 1366 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  43; Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 9. 1367 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 165 (VgV), S. 235 (SektVO), S. 284 (KonzVgV), vgl. Kap. D. III. 1. b) (1). 1368 Vgl. Kap. D. III. 1. b) (3). 1369 Insoweit von einem „marktorientierten Verbreitungsraum“ unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände sprechend, Horn, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 41, Rn. 22.

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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erforderlichen elektronischen Mittel zum Abruf der Unterlagen „Dateiformate zur Beschreibung der Angebote verwenden, die nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Programmen verarbeitet werden können oder die durch andere als kostenlose und allgemein verfügbare Lizenzen geschützt sind“.1370 Diese Formulierung ist kaum verständlich. Gemäß der amtlichen Begründung sollen damit Fälle erfasst werden, in denen die Auftraggeber spezielle Dateiformate vorgeben.1371 Der Wortlaut bezieht sich allerdings ausdrücklich auf „Dateiformate zur Beschreibung der Angebote“. Dies entspricht wortgetreu den Richtlinien. Allerdings betrifft die Ausnahme im dortigen Kontext das Einreichungsverfahren.1372 Im Zusammenhang mit den erforderlichen Mitteln zum Abruf der Vergabeunterlagen erschließt sich die Bestimmung hingegen nicht.1373 In der Literatur wird daher diskutiert, ob die Ausnahme in Bezug auf die Vergabeunterlagen überhaupt anwendbar ist. Wichmann vertritt die Auffassung, im Ergebnis sei wohl davon auszugehen, dass hiervon Fälle erfasst sein sollen, in denen das genutzte Dateiformat nicht nur zum Abruf, sondern auch zum Öffnen und Verarbeiten eine unübliche oder kosten­ pflichtige IT-Ausstattung verlange.1374 Dagegen vertritt Rechten die Ansicht, dass die Ausnahme nur im Rahmen der Angebotseinreichung relevant sei, soweit auf diese in den Form- und Übermittlungsvorschriften verwiesen werde.1375 Der Einsatz spezifischer oder lizenzierter Software, die der Auftraggeber für die Vergabeunterlagen verwende, würde bereits dem ersten Ausnahmefall unterfallen.1376 Zugunsten letzterer Auffassung spricht vor allem die Richtliniensystematik. Die zugrunde liegende Ausnahmekonstellation bezieht sich auf die Sphäre des Bieters. Als Pendant zur ersten Ausnahme werden darin gerade Fälle geregelt, in denen sich nur solche elektronischen Mittel für die Angebotsbeschreibung eignen, die spezifische Dateiformate verwenden. Diese Situation ist nicht auf die Bereitstellung der Vergabeunterlagen übertragbar.1377 Im Ergebnis ist daher der Auffassung von Rechten zuzustimmen, dass die zweite Ausnahmekonstellation einzig im Rahmen der Form- und Übermittlungsvorschriften relevant ist, soweit es für die Angebotsbeschreibung spezifischer Dateiformate bedarf. 1370

§ 41 Abs. 2 Nr. 2 VgV; § 41 Abs. 3 Nr. 2 SektVO; § 11b EU Abs. 1 Nr. 2 VOB / ​A. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 (VgV), S. 260 (SektVO). Im Referentenentwurf wurden Auftraggeber dagegen nicht ausdr. genannt, vgl. RefE zur VergModVO v. 9.11.2015, S. 177 (VgV); § 237 (SektVO). 1372 Kap. D. X. 1. a) bb) (3) (b). 1373 Zutreffend Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  44; nachfolgend Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017. 1374 Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 36. 1375 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  45; wohl zustimmend Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017. 1376 Rechten., in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn. 45; abw. davon ausgehend, dass die Anwendungsbereiche sich weitgehend überschneiden Schmidt, in: Säcker, MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 23. 1377 S. dazu Kap. D. X. 1. b) aa) (2) (a). 1371

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(c) Besondere Bürogeräte Im dritten Ausnahmefall kann auf die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen verzichtet werden, wenn die „erforderlichen elektronischen Mittel zum Abruf der Vergabeunterlagen, die Verwendung von Bürogeräten voraussetzen, die dem öffentlichen Auftraggeber nicht allgemein zur Verfügung stehen“.1378 Diese Formulierung erweist sich wiederum als wenig stimmig.1379 Der Abruf der Vergabeunterlagen erfolgt durch die interessierten Unternehmen, weshalb die technische Ausstattung des Auftraggebers insoweit nicht relevant erscheint. Wenig erhellend sind in dieser Hinsicht auch die Ausführungen der amtlichen Begründung, die den Ausnahmetatbestand nahezu wortgleich wiederholt. Ergänzend werden lediglich die Beispiele des Großformatdruckers sowie des Plotters genannt.1380 Die Formulierung der Ausnahme basiert augenscheinlich abermals auf der schlichten Übernahme des Richtlinienwortlautes, ohne die Konstellation hinreichend im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Vergabeunterlagen zu modifizieren.1381 In den Richt­ linien bezieht sich die Ausnahme auf die Einreichungsverfahren. Sie betrifft damit den umgekehrten Fall, nämlich dass elektronische Unterlagen übermittelt werden, deren Verarbeitung vom Auftraggeber spezielle Bürogeräte erfordern würde, die diesem nicht zur Verfügung stehen, z. B. einen in den Richtlinienerwägungen ebenfalls genannten Großformatdrucker.1382 In Anbetracht der Anknüpfung der Ausnahme an die zum Abruf der Vergabeunterlagen erforderlichen Mittel in der VgV und SektVO wird in der Literatur teilweise geschlossen, dass die besonderen Bürogeräte in diesem Fall den Unternehmen nicht zur Verfügung stehen dürften.1383 Die zugrunde liegenden Richtlinien­ vorgaben, die eindeutig auf die technische Ausstattung des Auftraggebers abstellen, legen hingegen ein Verständnis der Ausnahme dahingehend nahe, dass die Bereitstellung der Vergabeunterlagen spezielle Bürogeräte erfordern würde, die diesem nicht zur Verfügung stehen.1384 Denkbar ist beispielsweise, dass ein Großformat 1378

§ 41 Abs. 2 Nr. 3 VgV; § 41 Abs. 3 Nr. 3 SektVO; § 11b EU Abs. 1 Nr. 3 VOB / ​A. Krit. auch Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  46 f. Als „unverständlich“ bezeichnend Probst / ​Winter, CR 2016, 349 (352); von einem redaktionellen Fehler ausgehend Horn, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 41, Rn. 28. 1380 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 (VgV); S. 261 (SektVO). 1381 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  47; Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017. 1382 Kap. D. X. 1. a) bb) (3) (c). 1383 Horn, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 41, Rn. 28; ähnl. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 15. 1384 Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  47; Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017; wohl auch Schmidt, in: Säcker, ­MüKoEuWettbR, VgV, § 41, Rn. 24; Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 37, der allerdings gleichzeitig davon ausgeht, dass die Ausnahme auch vorliegen könne, wenn die Unternehmen nicht über die entsprechenden Bürogeräte verfügen. 1379

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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scanner zur Digitalisierung von Planungsunterlagen für die Vergabeunterlagen erforderlich wäre. (d) Festlegung des alternativen Übermittlungswegs und Fristverlängerung Beim Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes aus technischen Gründen kann der Auftraggeber festlegen, dass die Vergabeunterlagen auf einem anderen geeigneten Weg zur Verfügung gestellt oder übermittelt werden. Gemäß der amtlichen Begründung sollen andere als elektronischer Mittel ausschließlich in Bezug auf die von der Ausnahme erfassten Bestandteile der Vergabeunterlagen verwendet werden.1385 Diese Begrenzung ergibt sich zwingend aus den Richtlinien, nach denen sich die Ausnahmen auf den Zugang „zu bestimmten“ Auftragsunterlagen richten.1386 Die Bestimmung des geeigneten alternativen Übermittlungswegs für die von der Ausnahme erfassten Teile der Unterlagen obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Auftraggebers. Der Übermittlungsweg ist – in der Regel in der Auftragsbekanntmachung – anzugeben.1387 Die Frist ist in diesem Fall zwingend um fünf Tage zu verlängern, es sei denn, es liegt ein Fall hinreichender, d. h. aus objektiven Gründen gerechtfertigter Dringlichkeit1388 vor.1389 (2) Schutz der Vertraulichkeit Die Auftraggeber sind zudem berechtigt, Maßnahmen zum Schutz der Vertraulich­ keit anzuwenden, welche die unentgeltliche, uneingeschränkte, vollständige und direkte Bereitstellung der Vergabeunterlagen einschränken können.1390 Zwar fehlt insoweit – anders als in den Richtlinien – ein expliziter Verweis auf die allgemeine Vorschrift zur „Wahrung der Vertraulichkeit“ im Wortlaut. Indes bildet die Einschränkbarkeit der Verfügbarmachung der Vergabeunterlagen eine spezifische Ausprägung der dort geregelten Möglichkeit des Auftraggebers, den Unternehmen Anforderungen vorzuschreiben, die den Schutz der Vertraulichkeit bezwecken.1391 Dies betrifft vertrauliche Informationen, also etwa zu Konstruk­ 1385

Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 (VgV); S. 260 (SektVO). Ebenso Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 10. 1387 Dies ergibt sich bereits implizit aus § 41 Abs. 1 VgV; § 41 Abs. 1 SektVO; § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB / ​A. Insoweit auf eine Analogie abstellend Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 41, Rn. 17. 1388 Dazu im Einzelnen Horn, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 41, Rn. 28 ff.; vgl. auch Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 22. 1389 § 41 Abs. 2 S. 2 VgV; § 41 Abs. 3 S. 2 SektVO; § 11b EU Abs. 1 S. 2 VOB / ​A. Im Rahmen der SektVO gilt die zwingende Verlängerung zudem nicht, sofern die Frist im gegenseitigen Einvernehmen gem. § 15 Abs. 3 SektVO festgelegt wurde. 1390 § 41 Abs. 3 VgV; § 41 Abs. 4 SektVO; §§ 12a EU Abs. 1 Nr. 2, 11b EU Abs. 2 VOB / ​A. 1391 § 5 Abs. 3 S. 1 VgV, § 5 Abs. 3 S. 1 SektVO; § 11b EU Abs. 2 S. 1 VOB / ​A nimmt unmittelbar auf § 5 Abs. 3 VgV Bezug. 1386

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

tions- und Bauplänen von kritischen Infrastrukturen oder Details zu Einsatz-, Lageund Evakuierungsplänen,1392 die der Auftraggeber den Unternehmen im Rahmen des Vergabeverfahrens, insbesondere zur Ausgestaltung ihrer Angebote, zur Verfügung zu stellen hat.1393 Als zentraler Regelungszweck erweist sich, dass der Auftraggeber nicht verpflichtet sein soll, derartige Informationen einem unbestimmten Personenkreis gegenüber uneingeschränkt und vollständig verfügbar zu machen.1394 Daher muss der Auftraggeber in diesen Fällen berechtigt sein, durch die Vorgabe entsprechender Maßnahmen den vertraulichen Umgang der Unternehmen mit seinen Informationen sicherzustellen.1395 Welche Maßnahmen im Vergabeverfahren konkret vorgegeben werden, regelt die Ausnahmevorschrift nicht. Dies liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Auftraggebers.1396 Die Anforderungen müssen sich dabei nach dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als geeignet, erforderlich und angemessen zum Schutz der Vertraulichkeit erweisen.1397 Als geeignetes und – im Vergleich zur weitgehenden Beschränkung – relativ mildes Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen kann vor allem erwogen werden, die Überlassung bestimmter Dokumente von der Zusicherung der Geheimhaltung abhängig zu machen.1398 Als zulässige Maßnahme wird in der VgV und SektVO insoweit explizit die Verschwiegenheitserklärung benannt, die von den Unternehmen verlangt werden kann.1399 Ferner erscheint es denkbar, dass bei einer zweistufigen Verfahrensdurchführung – abweichend zum Grundsatz der vollständigen Bereitstellung – auf erster Stufe zunächst nur die für den Teilnahmewettbewerb erforderlichen Unterlagen allen Interessenten unter einer Internetadresse elektronisch zur Verfügung gestellt werden. Die vertraulichen Informationen stellt der Auftraggeber sodann nur für diejenigen Unternehmen bereit, die nach der Durchführung der

1392

Vgl. mit weiteren Bsp. Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 46 f.; Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  48; Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 42. 1393 Vgl. allg. Greb, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 5, Rn. 9. 1394 Insoweit irritieren die Ausführungen in der Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 f. (VgV); S. 261 (SektVO), die primär auf Sicherstellung eines bestimmten Sicherheits- bzw. Datenschutzniveaus durch die verwendeten Kommunikationsmittel abstellen, zutreffend Hone­ kamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 45; Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 40. Diese wurden augenscheinlich unreflektiert aus den Richtlinienerwägungen übernommen, vgl. ErwGrde Nr. 54 VRL und Nr. 65 SRL. Letztere beziehen sich im dortigen Kontext jedoch auf die Ausnahme vom Einreichungsverfahren aufgrund der Übermittlung von besonders sensiblen Informationen, wie insbesondere die Materialien des Gesetz­ gebungsprozesses zeigen, vgl. Kap. D. X. 1. a) aa). 1395 Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 40. 1396 Vgl. § 5 Abs. 3 S. 1 VgV, § 5 Abs. 3 S. 1 SektVO. 1397 Bock, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 41 VgV, Rn. 47. 1398 Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 4. 1399 Vgl. §§ 41 Abs. 3 S. 2, 5 Abs. 3 S. 1 VgV, §§ 41 Abs. 4 S. 2, 5 Abs. 3 S. 1 SektVO. Das Verlangen einer nachträglichen Verschwiegenheitserklärung würde deren Schutzzweck hingegen verfehlen, zutreffend Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, VgV, § 41, Rn. 41.

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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Eignungsprüfung als hinreichend vertrauenswürdig eingestuft werden und / ​oder eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet haben.1400 Welche Maßnahmen der Auftraggeber zum Schutz der Vertraulichkeit anwendet und wie die Unternehmen auf die Vergabeunterlagen zugreifen können, ist – im Regelfall in der Auftragsbekanntmachung – anzugeben1401. Zudem ist die Frist – wie in den übrigen Ausnahmefällen – grundsätzlich um fünf Tage zu verlängern.1402 Es bestehen insoweit allerdings zwei Gegenausnahmen. Eine Fristverlängerung kann unterbleiben, wenn ein Fall von hinreichend begründeter Dringlichkeit vorliegt.1403 Des Weiteren ist die Frist nicht zwingend zu verlängern, wenn eine Verschwiegenheitserklärung von den Unternehmen gefordert wird. In Anbetracht des lediglich geringen Mehraufwands, der mit dieser Maßnahme verbunden ist, erachtet der Verordnungsgeber zutreffend eine zwingende Fristverlängerung als „überzogen“.1404 bb) Ausnahmen von der elektronischen Einreichung Die Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Einreichung von Verfahrens­ erklärungen aus technischen und aus Sicherheitsgründen sind in der VgV und SektVO in den Vorschriften zur Form und Übermittlung normiert.1405 Die Annahme eines Ausnahmegrundes bedarf jeweils der Begründung des Auftraggebers im Vergabevermerk.1406 Das Begründungserfordernis dient nicht zur Sicherstellung von Transparenz, sondern unterstreicht auch die gebotene restriktive Anwendung der Ausnahmen. Unzulänglich ist die allgemeine Wiedergabe des Wortlautes der Ausnahmevorschrift. Erforderlich ist vielmehr, dass die konkreten Gründe des Einzelfalls dargelegt werden.1407

1400

Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 47; Rechten, in: Kurlatz / ​Kus / ​ Portz / ​Prieß, VgV, § 41, Rn.  51. 1401 Mit einem Formulierungsvorschlag für einen entsprechenden Hinweis im Bekannt­ machungsformular, vgl. Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 41 SektVO, Rn. 57. 1402 Vgl. § 41 Abs. 3 VgV; § 41 Abs. 4 SektVO; § 11b EU Abs. 2 VOB / ​A. 1403 § 41 Abs. 1 S. 2 VgV; § 41 Abs. 3 S. 2 SektVO; § 11b EU Abs. 1 S. 2 VOB / ​A. Auch bei dieser Ausnahme besteht in der SektVO die Möglichkeit der einvernehmlichen Fristfestlegung, § 15 Abs. 3 SektVO. 1404 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 197 (VgV); S. 261 SektVO. 1405 § 53 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 VgV; § 43 Abs. 2 S. 1, § 44 Abs. 2 S. 1 SektVO 1406 § 53 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 S. 2 VgV; § 43 Abs. 2 S. 2, § 44 Abs. 2 S. 2 SektVO. 1407 Zur Kontrolle sollten sich Auftraggeber die Frage stellen, ob die Begründung zur Anwendung der Ausnahme nicht nur für den konkreten Fall gelten würde, sondern durch diese der Verzicht auf elektronische Mittel bei diesen Beschaffungsvorgängen generell zur Regel würde. Ist dies zu bejahen, dürfte die Begründung regelmäßig unzureichend sein, Verfürth, in: Kurlatz / ​ Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 53, Rn.  17.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

(1) Technische Gründe Für die Ausnahmen aus technischen Gründen wird in der jeweiligen Vorschrift auf die Tatbestände verwiesen, in denen die Vergabeunterlagen grundlegend normiert sind. Der Anwendungsbereich divergiert jedoch in der VgV und SektVO. Während sich die Ausnahmeregelung in der SektVO auf die Einreichung von Angeboten, Teilnahmeanträgen, Interessensbekundungen und Interessensbestätigungen bezieht, beschränkt sich die ansonsten inhaltsgleiche Vorschrift im Rahmen der VgV auf die Angebotseinreichung. (a) Beschränkung des Anwendungsbereichs in der VgV Die Beschränkung der Ausnahmen auf die Einreichung von Angeboten in § 53 Abs. 2 S. 1 VgV weicht nach der hier vertretenen Auffassung von den zugrunde liegenden Vorgaben des Art. 22 Abs. 1 UA. 2 VRL ab. Dessen Auslegung hat ergeben, dass eine in der deutschen Sprachfassung vorgesehene Begrenzung auf die Angebotseinreichung vermutlich auf einem Übersetzungsfehler im Gesetzgebungsprozess basiert. Die Richtlinienerwägungen und die Systematik sprechen für die Anwendung der Ausnahmen auf das gesamte Einreichungsverfahren.1408 Es wäre jedoch möglich, dass der deutsche Verordnungsgeber dies bei der Umsetzung nicht erkannt hat, sodass die Abweichung in der VgV unbewusst erfolgt ist. Für eine solche Annahme könnte sprechen, dass die Geltung der Ausnahme für alle Einreichungsverfahren sich nicht offensichtlich aus dem deutschen Richtlinienwortlaut ergibt, sondern erst bei näherer Untersuchung der Systematik und der Gesetzgebungsunterlagen erschlossen werden kann. Die Abweichung könnte also schlicht auf der Übernahme des deutschen Richtlinienwortlauts basieren. In diesem Fall wäre die Prüfung einer Analogie anzudenken, die eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraussetzt.1409 Gegen eine Planwidrigkeit spricht jedoch, dass derselbe Übersetzungsfehler in der Parallelregelung des Art. 40 Abs. 1 UA.  2 SRL in § 43 Abs. 2 S. 1 SektVO hinreichend Berücksichtigung gefunden hat. Der Verordnungsgeber hat die Unstimmigkeit bei der deutschen Übersetzung in der VRL und SRL also offenbar grundlegend erkannt. Es liegt daher nahe, dass im Rahmen der VgV eine bewusste Beschränkung der Ausnahmen auf die Angebotseinreichung vorgenommen wurde.1410 Dies spiegelt sich auch in der amtlichen Begründung zur VgV wider, in der angeführt wird, dass Auftraggeber nur in bestimmten Fällen nicht verpflichtet sind, elektronische Mittel zur „Einreichung von Angeboten“ zu verlangen.1411 Ferner muss die Verwendung anderer als 1408

Vgl. Kap. D. X. 1. a) bb) (1). Allg. zu den Analogievoraussetzungen Beaucamp, AöR Bd. 134 (2009), 83 (84 f.). 1410 Eine planwidrige Regelungslücke ebenso ablehnend, allerdings ohne weitergehende Begründung, Verfürth, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 53, Rn.  13; Hermann, in: Ziekow / ​ Völlink, VergabeR, VgV, § 53, Rn. 11 in Fn. 10. 1411 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 206. 1409

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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elektronischer Mittel auf die „Bestandteile des Angebots“ beschränkt sein, für die elektronische Mittel nicht verlangt werden können.1412 Im Vergleich hierzu enthält die Begründung zur SektVO zwar parallele Ausführungen, beschränkt sich dabei aber nicht auf die Angebotseinreichung, sondern verweist allgemeiner auf die „Einreichung“ bzw. die „Bestandteile“.1413 Im Ergebnis ist demnach von einer bewussten Entscheidung des Verordnungsgebers bei der Umsetzung des § 53 Abs. 2 VgV auszugehen. Damit stellt sich die Anschlussfrage, ob sich die Beschränkung der Ausnahmen auf die Einreichung von Angeboten in der VgV noch als vereinbar mit den zugrunde liegenden Richtlinienvorgaben der VRL erweist. Der dort verwendete Begriff des Einreichungsverfahrens („submission process“) kann je nach Verfahrensausgestaltung sämtliche Antragsverfahren in den verschiedenen Verfahrensphasen inkludieren. Er bezieht sich jedenfalls stets auf die Angebotseinreichung.1414 Dies zeigt sich im einstufigen Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb, in dem einzig das Angebot von den Bietern abzugeben ist. Eine Beschränkung auf die Einreichung von Angeboten wird also vom Richtlinienwortlaut zumindest nicht generell ausgeschlossen. Sie entspricht überdies dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung. Die Ausnahmetatbestände sollen in der VRL erschöpfend aufgelistet werden, wie die Erwägungen klarstellen.1415 Es besteht insoweit kein Umsetzungsspielraum, weitere Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation in der nationalen Umsetzung zu schaffen. Dies dient dem übergeordneten Richtlinienziel, die Kommunikation mit elektronischen Mitteln zur Steigerung der Transparenz und Effizienz des Vergabeverfahrens als Regelfall einzuführen.1416 Diese Zweckrichtung schließt die Verengung des Anwendungsbereichs der abschließend vorgegebenen Ausnahmen nicht aus. Vielmehr fördert diese gerade das Anliegen des Unionsgesetzgebers, die Kommunikation mit elektronischen Mitteln mit weitestgehender Wirkung im Vergabeverfahren durchzusetzen. Im Ergebnis ist § 53 Abs. 2 VgV mit den Zielen der VRL vereinbar. (b) Verweis auf die technischen Gründe zu den Vergabeunterlagen Ausnahmen im Einreichungsverfahren sind zunächst aus den drei technischen Gründen möglich, die im Rahmen der Vergabeunterlagen grundlegend normiert werden1417 und im Lichte der zugrunde liegenden Richtlinienbestimmungen aus­ zulegen sind.1418 Das heißt, auf die elektronische Übermittlung kann erstens ver 1412

Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 206. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 263. 1414 Vgl. in diese Richtung auch Bickerstaff, PPLR 23 (2014), 134 (138). 1415 ErwGrd Nr. 53 S. 4 VRL-2014/24/EU. 1416 Vgl. ErwGrd Nr. 52 S. 1 VRL-2014/24/EU. 1417 § 53 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 41 Abs. 1 Nr. 1–3 VgV; § 43 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 41 Abs. 1 Nr. 1–3 SektVO; § 11b EU Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 VOB / ​A. 1418 S. daher im Einzelnen zu den dortigen Ausführungen in Kap. X. 1. a) bb) (3). 1413

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

zichtet werden, wenn die Übermittlung aufgrund der besonderen Art der Auftragsvergabe spezifische elektronische Mittel auf Seiten der Unternehmen erfordern würde, die nicht allgemein verfügbar oder verbreitet sind.1419 Als Pendant hierzu ist zweitens eine Ausnahme möglich, sofern die Unternehmen solche Dateiformate zur Angebotsbeschreibung verwenden, die nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Programmen verarbeitet werden können oder die durch andere als kostenlose und allgemein verfügbare Lizenzen geschützt sind.1420 Drittens erweist sich eine Ausnahme als zulässig, wenn die Einreichung beim Auftraggeber die Verwendung von Bürogeräten voraussetzen setzen würde, die ihm generell nicht zur Verfügung stehen.1421 Als vierte Ausnahme wird außerdem in diesem Kontext der Fall normiert, dass „zugleich physische oder maßstabsgetreue Modelle einzureichen sind, die nicht elektronisch übermittelt werden können“.1422 Die Formulierung „zugleich“ erweist sich allerdings als missverständlich und könnte zunächst dahingehend verstanden werden, dass gleichzeitig ein technischer Grund im Sinne der anderen drei Ausnahmekonstellationen vorliegt. Ein solches Verständnis wäre jedoch nicht mit den Richtlinienvorgaben vereinbar, die die vier Ausnahmen als gleichwertige Varianten nebeneinander nennen. Allerdings wird in den Verordnungsbegründungen anstatt „zugleich“ in diesem Zusammenhang das Wort „ebenso“ verwendet,1423 sodass davon auszugehen ist, dass auch der Verordnungsgeber die Ausnahme für physische oder maßstabsgetreue Modelle als von den übrigen Fällen unabhängigen Ausnahme­ fall normieren wollte. In der amtlichen Begründung wird klargestellt, dass die Verwendung anderer als elektronischer Mittel auf die Bestandteile des Angebots oder der Verfahrenserklärung beschränkt bleiben muss, die von der Ausnahme erfasst sind.1424 Der Auftraggeber hat insoweit festzulegen und – regelmäßig in der Auftragsbekanntmachung – anzugeben, ob diese Teile per Post oder auf einem anderen geeigneten Weg, z. B. per Kurier, zu übermitteln sind.1425 (2) Sicherheitsgründe Die Ausnahmen aus Sicherheitsgründen werden in der VgV und SektVO zwar systematisch unterschiedlich, aber inhaltlich parallel normiert.1426 Der Anwen-

1419

Kap. X. 1. a) bb) (3) (a). Kap. X. 1. a) bb) (3) (b). 1421 Kap. X. 1. a) bb) (3) (c). 1422 § 53 Abs. 2 S. 1 Var. 2; § 43 Abs. 2 S. 1 Var. 2 SektVO; § 11b EU Abs. 3 S. 1 VOB / ​A. 1423 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 206 (VgV); S. 263 (SektVO). 1424 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 206 (VgV); S. 263 (SektVO). 1425 Vgl. § 53 Abs. 2 S. 2 VgV; § 43 Abs. 2 S. 2 SektVO; § 11b EU Abs. 3 S. 2 VOB / ​A. 1426 § 53 Abs. 4 S. 1 VgV; § 44 Abs. 2 S. 1 SektVO. Vgl. auch § 11a EU Abs. 4 S. 1 VOB / ​A. 1420

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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dungsbereich beschränkt sich ausschließlich auf die Angebotseinreichung.1427 Danach ist der Auftraggeber berechtigt festzulegen, dass Angebote mithilfe anderer als elektronischer Mittel einzureichen sind, wenn es zum Schutz der besonderen Empfindlichkeit bestimmter Daten erforderlich ist,1428 die bei Verwendung allgemein verfügbarer oder alternativer elektronischer Mittel nicht angemessen geschützt werden können, oder wenn die Sicherheit der elektronischen Mittel nicht gewährleistet werden kann. (a) Besondere Empfindlichkeit der Daten In Bezug auf erste Variante verbleibt es damit bei der bereits zu den Richtlinien festgestellten Unklarheit, welche Daten als „besonders empfindlich“ im Sinne der Ausnahme zu qualifizieren sind.1429 Denkbar erscheint die Eröffnung des Anwendungsbereichs regelmäßig für sicherheitskritische Informationen im Rahmen der Vergabe von Aufträgen, die Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte umfassen, sofern diese dem Kartellvergaberecht unterfallen, § 117 GWB.1430 Primär relevant dürften allerdings technische oder handelsbezogene Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sein, welche die Verfahrenserklärungen beinhalten und entweder für den Auftraggeber oder den Bieter besonders sensibel sind.1431 Es bedarf jedoch stets der Feststellung der besonderen Empfindlichkeit im Einzelfall anhand der konkreten Umstände des Vergabeverfahrens. Insoweit hat der Auftraggeber vor Verfahrensbeginn eine Prognose unter Berücksichtigung des Auftragsgegenstandes und anderer spezifischer Umstände vorzunehmen, z. B. ein besonderes Risiko von Industriespionage oder einen sehr hoher Auftragswert,1432 die auf eine erhöhte Schutzbedürftigkeit hindeuten können.1433 1427 Zur Richtlininenkonformität der Begrenzung auf die Angebotseinreichung vgl. Kap. D.  X. 2. a) bb) (1) (a). 1428 Der jeweilige Verordnungswortlaut stellt abweichend dagegen auf „besonders schutzwürdige Daten“ ab. Damit scheint jedoch inhaltlich keine Abweichung zu den Richtlinien intendiert zu sein, wie die insoweit wortgleiche Formulierung in der amtlichen Begr. zeigt, vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 206. 1429 Krit. auch Verfürth, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 53, Rn.  44; ebenso Contag, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 53 VgV, Rn. 45, die zutreffend ausführt, dass der Anwendungsbreich „dogmatisch bzw. theoretisch […] nicht zu fassen“ sei. 1430 Systematisch nicht erfasst sind hingegen sensible Informationen und Verschlusssachen bei Verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen gem. § 104 GWB, die nach Maßgabe der VSVgV zu vergeben sind. Vgl. i.d.S. auch Contag, in: Heiermann / ​Zeiss / ​ Summa, jurisPK-VergR, § 53 VgV, Rn. 50; ähnl. Hermann, in: Ziekow / ​Völlink, Vergaberecht, VgV, § 53, Rn. 28. 1431 Contag, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 53 VgV, Rn. 45; Lausen, in: ­Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 53 VgV, Rn 74. 1432 Lausen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UgVO, § 53 VgV, Rn 75; ähnl. Hermann, in: Ziekow / ​ Völlink, Vergaberecht, VgV, § 53, Rn. 29. 1433 Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 44 SektVO, Rn. 44.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Bei der Annahme der besonderen Empfindlichkeit bestimmter zu übermittelnder Daten ist sodann zu prüfen, ob deren Schutz in hinreichender Form mit allgemein verfügbaren oder jedenfalls mit alternativen elektronischen Mitteln gewährleistet werden kann. Die insoweit konkretisierend heranzuziehenden Richtlinienerwägungen stellen ausdrücklich klar, dass, sofern ein Rückgriff auf letztere das nötige Schutzniveau bietet, diese anzuwenden sind.1434 Exemplarisch wird insoweit die Kommunikation über einen gesicherten Kommunikationskanal, also etwa mittels VPN-Technologie,1435 genannt.1436 Kann damit das Schutzniveau sichergestellt werden, hat der Auftraggeber den Bietern einen unentgeltlichen, uneingeschränkten, vollständigen und direkten Zugang zu den eingesetzten alternativen elektronischen Mitteln zu gewähren.1437 Nur wenn die Einzelfallprüfung des Auftraggebers ergibt, dass weder allgemein verfügbare noch alternative elektronische Mittel das nötige Schutzniveau bieten, ist als ultima ratio ein gänzlicher Verzicht auf die elektronische Einreichung zulässig. (b) Sicherheitsverletzung der elektronischen Mittel Die zweite Ausnahme aus Sicherheitsgründen setzt voraus, dass die Sicherheit der im Vergabeverfahren zu verwendenden elektronischen Mittel verletzt ist.1438 Im Einklang mit den Richtlinienvorgaben bedarf es also einer bereits eingetretenen Sicherheitsverletzung in Form einer nachweislichen Kompromittierung der IT-Infra­ struktur im Verantwortungsbereich des Auftraggebers durch Schadsoftware.1439 In diesen Fällen kann der Auftraggeber die vergaberechtlich gebotenen Anforderungen an die Datensicherheit nicht mehr garantieren, sodass die elektronische Angebotseinreichung gänzlich ausscheidet.1440

1434 ErwGrd Nr. 54 S. 2 VRL; ErwGrd Nr. 65 S. 2 SRL. Diese Erwägungen werden in der amtlichen Begr., wenn auch an unzutreffender Stelle, ebenso vom Verordnungsgeber aufgegriffen, vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 196 f. (VgV); S. 261 (SektVO). 1435 Dabei erfolgt die Datenübertragung durch einen logischen Pfad (sog. Tunnel) zwischen zwei definierten Endpunkten, wobei die Datenpakete beim Absender eingekapselt – sowie i. d. R. verschlüsselt – und durch den virtuellen VPN-Tunnel über die Infrastruktur eines öffentlichen Netzwerkes zum Empfänger transportiert werden, vgl. allg. hierzu Lerch, Elektrische Messtechnik, S. 678. 1436 ErwGrd Nr. 54 S. 2 VRL; ErwGrd Nr. 65 S. 3 SRL. 1437 Kap. D. IV. 2. a) bb). 1438 Vgl. Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 206 (VgV); S. 263 (SektVO). 1439 Kap. D. X. 1. a) bb) (4) (b). 1440 Contag, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 53 VgV, Rn. 51 f.

X. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation 

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b) Ausnahmen in der KonzVgV Der Verordnungsgeber sieht auch im Bereich der Konzessionsvergabe die elektronische Verfahrensdurchführung als Regelfall vor.1441 Ausnahmemöglichkeiten bestehen nur für die Verfügbarmachung der Vergabeunterlagen und im Einreichungs­ verfahren. In Bezug auf erstere soll der Konzessionsgeber berechtigt sein, die Vergabeunter­ lagen auf einem anderen geeigneten Weg zu übermitteln, wenn aufgrund hinreichend begründeter Umstände ein unentgeltlicher, uneingeschränkter und vollständiger elektronischer Zugang nicht angeboten werden kann, weil dies aufgrund von außergewöhnlichen Sicherheitsgründen oder technischen Gründen oder aufgrund der besonderen Sensibilität von Handelsinformationen, die eines sehr hohen Datenschutzniveaus bedürfen, nicht möglich ist, § 17 Abs. 2 KonzVgV. Damit wird die – aus sich heraus – bereits kaum verständliche Ausnahme der KVR im Wesentlichen wortgleich umgesetzt. Eine inhaltliche Konkretisierung erfolgt auch in der amtlichen Begründung nicht. Um den Anwendungsbereich der Ausnahmen von der elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlangen überhaupt inhaltlich fassen zu können, erscheint es angezeigt, auf die Ausnahmekonstellationen aus technischen Gründen sowie zum Schutz der Vertraulichkeit als hinreichend begründeter Umstände zurückzugreifen, die in der VgV und SektVO vorgesehen sind. Dies dürfte nicht nur der Regelungsintention des Unionsgesetzgebers entsprechen, der in KVR die in der VRL und SRL normierten Ausnahmetatbestände umschreibt.1442 Dafür finden sich auch gewisse Anhaltspunkte in der Systematik der KonzVgV. Die Ausnahmebestimmung der Vorschrift zur „Form und Übermittlung der Teilnahmeanträge und Angebote“, § 28 Abs. 2 KonzVgV, verweist auf die „in § 17 Abs. 2 KonzVgV genannten Gründe“. In der amtlichen Begründung wird dazu ausgeführt, dass diese Ausnahmeregelung für das Einreichungsverfahren sich mit § 53 Abs. 2 VgV decken soll. Im Rahmen der VgV verweist § 53 Abs. 2 VgV auf die Ausnahmen aus technischen Gründen des § 41 Abs. 2 Nr. 1–3 VgV. Im Umkehrschluss lässt sich mithin folgern, dass sich auch § 17 Abs. 2 KonzVgV jedenfalls auf diese technischen Ausnahmegründe beziehen soll, da ansonsten § 28 Abs. 2 VgV nicht deckungsgleich zu der Ausnahmebestimmung der VgV wäre. Des Weiteren eröffnet § 4 Abs. 3 KonzVgV den Konzessionsgebern nach den gleichen Maßstäben des § 5 Abs. 3 VgV die Möglichkeit, den Unternehmen im Verfahren Anforderungen vorzuschreiben, die dem Schutz von vertraulichen Informationen dienen, die zur Verfügung gestellt werden. Da insoweit kein erforderliches Maß an Vertraulichkeit vorgegeben wird, ist nicht ersichtlich, weshalb die Vorgaben entsprechender Anforderungen in Bezug auf die Vergabeunterlagen nur im Falle „außergewöhnlicher Sicherheitsgründe“ oder bei einer „besonderen Sensibilität von Handelsinforma-

1441 1442

Kap. D. I. 2. b) bb). Kap. D. X. 1. b) bb).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

tionen“ möglich sein sollte.1443 Vielmehr liegt es nahe, insoweit gleichfalls auf die zur VgV dargestellten Maßgaben abzustellen.1444 Sofern das Vorliegen einer Ausnahme angenommen wird, obliegt es dem Ermessen des Auftraggebers, einen anderen geeigneten Übermittlungsweg für die Vergabeunterlagen festzulegen und in der Konzessionsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekanntzumachen. Gleichzeitig ist die Frist für den Eingang der Angebote zwingend zu verlängern.1445 Zur Orientierung für die Fristverlängerung können die in der VgV vorgesehenen fünf Tage dienen.1446 Die Ausnahmen im Einreichungsverfahren für Angebote und Teilnahmeanträge sind gemäß der amtlichen Begründung inhaltlich parallel zu den entsprechenden Bestimmungen der VgV ausgestaltet worden,1447 sodass die Ausführungen zu diesen übertragbar sind.1448 c) Ergebnis Die Umsetzung der Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation erweist sich als misslungen. Die bereits im Kontext der Richtlinien aufgezeigten Auslegungsschwierigkeiten werden in den Ausnahmenregelungen der Vergabeverordnungen perpetuiert. In der VgV und SektVO treten gar noch weitere Unklarheiten hinzu, da der Verordnungsgeber die systematische Abweichung zu den Richtlinienvorgaben inhaltlich nicht hinreichend berücksichtigt. In Bezug auf die Umsetzung der Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen im Rahmen der KonzVgV ist nicht nachvollziehbar, weshalb es der Verordnungsgeber unterlassen hat, auch an dieser Stelle dem Vorbild der Vorgaben der VgV und SektVO zu folgen, wie er es bereits bezüglich der Kommunikationsvorschriften getan hat. Dies hätte deutlich zur Rechtssicherheit beigetragen.

1443 Zutreffend Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, KonzVgV, § 17, Rn. 3. Die strenger anmutende Formulierung der KVR, die unreflektiert vom Verordnungsgeber übernommen wurde, dürfte wohl vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass die Bestimmungen am Ende des Gesetzgebungsverfahrens separat von den beiden anderen Richtlinien entwickelt wurden, vgl. allg. dazu Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 345. 1444 Kap. D. X. 2. a) aa) (2). 1445 § 17 Abs. 2 S. 2 KonzVgV. 1446 Wichmann, in: Ziekow / ​Völlink, VergabeR, KonzVgV, § 17, Rn. 4. 1447 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 207. 1448 Kap. D. X. 2. a) bb).

XI. Grenzen der Zulässigkeit mündlicher Kommunikation

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XI. Grenzen der Zulässigkeit mündlicher Kommunikation Die mündliche Kommunikation im persönlichen oder telefonischen Gespräch ist zwischen den Auftraggebern und den Bewerbern bzw. Bietern im Vergabeverfahren nur in bestimmten Grenzen zulässig, die nachfolgend erörtert werden. 1. Richtlinienvorgaben a) Entstehung und Richtlinieninhalt Die Kommissionsvorschläge sahen in drei Richtlinienvorschlägen für einen zweijährigen Übergangszeitraum bis zur geplanten Umstellung auf die vollständige elektronische Kommunikation das Telefon als Kommunikationsmittel zur Ankündigung eines Teilnahmeantrages vor, der bis Ablauf der Einreichungsfrist schriftlich bestätigt werden muss.1449 Der Rat setzte sich hingegen in seinen Kompromisstexten zur VRL-E und SRL-E dafür ein, dass die mündliche Kommunikation ungeachtet des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation im Verfahren genutzt werden können sollte, wenn keine wesentlichen Bestandteile des Vergabeverfahrens betroffen sind und eine ausreichende Dokumentation erfolgt.1450 Insbesondere die Kommunikation mit Bietern, die einen wesentlichen Einfluss1451 auf den Inhalt und die Bewertung des Angebots haben könnte, müsste in hinreichendem Umfang und ausreichend dokumentiert werden, z. B. durch Niederschrift, Tonaufzeichnung oder Zusammenfassung der wichtigsten Gesprächselemente.1452 Es wurde ein entsprechender Erwägungsgrund hinzugefügt, der ergänzend betonte, dass die Dokumentation nötig sei, um angemessene Transparenz sicherzustellen und so die Überprüfbarkeit der Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu gewährleisten.1453 Für die KVR-E sah der Ratskompromisstext gleichfalls im Rahmen des Wahlrechts bezüglich des Kommunikationsmittels vor, dass die mündliche Kommunikation, auch telefonisch, bei Mitteilungen in Betracht kommen sollte, die keine wesentlichen Elemente eines Konzessionsvergabeverfahrens betreffen, sofern der

1449 Art. 19 Abs. 1 UA. 1 lit c), Abs. 6 lit. a) VRL-E; Art. 33 Abs. 1 UA. 1 lit c), Abs. 6 lit. a) SRL; Art. 25 Abs. 1 UA. 1 lit c), Abs. 6 lit. a) KVR-E. 1450 Art. 19 Abs. 1a S. 1 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.07.2012; Art. 33 Abs. 1a S. 1 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. 1451 Vgl. die Ergänzung in Art. 19 Abs. 1a S. 2 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 19.10.2012. 1452 Art. 19 Abs. 1a S. 2 VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.07.2012; Art. 33 Abs. 1a S. 2 SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012. 1453 ErwGrd Nr. 19e, VRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 24.07.2012; ErwGrd Nr. 27e SRL-E, Kompromissvorschlag des Rates, v. 30.10.2012.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

Inhalt hinreichend dokumentiert wird.1454 Diese Vorschläge fanden letztlich Eingang in die endgültigen Richtlinienfassungen.1455 b) Auslegung der Richtlinienvorgaben Die mündliche Kommunikation bildet in der VRL und SRL eine spezifische Ausnahme von dem Grundsatz der elektronischen Kommunikation, die nur zulässig ist, wenn sie keine wesentlichen Bestandteile des Vergabeverfahrens betrifft. Letztere Einschränkung gilt auch in der KVR, die dem Auftraggeber ansonsten ein Wahlrecht hinsichtlich des Kommunikationsmittels eröffnet. Welche Teile eines Vergabeverfahrens der Unionsgesetzgeber als wesentlich erachtet, wird in den Bestimmungen der VRL und SRL beschrieben. Danach bezieht sich dies auf die Auftragsunterlagen, Teilnahmeanträge, Interessensbestätigungen und Angebote.1456 Dieses Verständnis dürfte auch auf die KVR übertragbar sein. Aus den Erwägungen lässt sich zunächst entnehmen, dass diese wesentlichen Bestandteile stets „in Schriftform“, die im Verständnis der Richtlinien gleichfalls die anhand elektronischer Mittel übertragenen und gespeicherten Informationen einschließt,1457 vorgelegt werden müssen. Abgesehen von dieser offenkundigen Beschränkung, soll diese aber „weiterhin auch“ im Verhältnis zu den Wirtschaftsteilnehmern mündlich kommuniziert werden können.1458 Nicht näher konkretisiert wird damit allerdings, ab welchem Grad die mündliche Kommunikation, die einen Bezug zu den wesentlichen Verfahrensbestandteilen aufweist, diese auch in unzu­ lässiger Weise „betrifft“. Ein gewisser Anhaltspunkt ergibt sich indes aus dem Umfang der Dokumentationspflicht in der VRL und SRL. Dem Richtlinienwortlaut nach muss insbesondere die mündliche Kommunikation mit Bietern, die einen „wesentlichen Einfluss auf den Inhalt und die Bewertung des Angebots“ haben könnte, in hinreichendem Umfang und in geeigneter Weise dokumentiert werden.1459 Im 1454

Art. 25 Abs. 1 lit. c) KVR-E, Kompromissvorschlag des Rates zur KVR-E, v. 16.10.2012. Art. 22 Abs. 2; ErwGrd Nr. 58 VRL; Art. 40 Abs. 2; ErwGrd Nr. 69 SRL; Art. 29 UA. 1 lit. c) KVR. 1456 Art. 22 Abs. 2 VRL; Art. 40 Abs. 2 SRL. 1457 Art. 2 Abs. 1 Nr. 18 VRL; Art. 2 Nr. 14 SRL; Art. 5 Nr. 6 KVR. 1458 ErwGrd Nr. 58 S. 1 VRL; ErwGrd Nr. 69 S. 1 SRL. Das „weiterhin auch“ in der dt. Sprachfassung erweist sich in gewisser Weise als missverständlich, da es als „zusätzlich“ verstanden werden könnte, vgl. Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 2), Vergabeblog.de, Nr. 31902, v. 25.6.2017. In der engl. Sprachfassung wird eindeutiger die Formulierung „otherwise“, d. h. „andernfalls“, verwendet. 1459 Vgl. Art. 22 Abs. 2 S. 3 VRL; Art. 40 Abs. 2 S. 3 SRL. Die Verwendung des Konjunktivs („könnte“) verdeutlicht, dass die Pflicht umfassend gilt, wenn die Kommunikation auch nur potentiell geeignet ist, wesentlichen Einfluss auf den Angebotsinhalt oder dessen Bewertung zu nehmen. 1455

XI. Grenzen der Zulässigkeit mündlicher Kommunikation

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Umkehrschluss folgt daraus, dass nicht schon jeder Bezug zu einem Angebot die mündliche Kommunikation gänzlich ausschließt, denn ansonsten wäre die explizite Anordnung der Dokumentation obsolet. Die Grenzen des unzulässigen „Betroffenseins“ bleiben indessen unklar. Die Dokumentationspflicht, als zweite kumulativ notwendige Voraussetzung, dient der Gewährleistung hinreichender Transparenz,1460 da mündlich geführte Gespräche – per Telefon oder persönlich – zwischen dem Auftraggeber und einzelnen Wirtschaftsteilnehmern per se flüchtig sind.1461 Ohne eine Dokumentation könnte nicht ausgeschlossen werden, dass bestimmte Verfahrensteilnehmer einen Informationsvorsprung erlangen, sodass die tragenden Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung grundlegend in Frage gestellt würden.1462 Als geeignete Dokumentationsmöglichkeiten werden im Rahmen der VRL und SRL exemplarisch die Niederschrift oder Tonaufzeichnung sowie die Zusammenfassung der wichtigsten Elemente des Gesprächs benannt.1463 c) Zwischenergebnis Obgleich die mündliche Kommunikation weiterhin im Vergabeverfahren zulässig bleibt, verdeutlicht der Unionsgesetzgeber, dass diese als Ausnahme zum Grundsatz der elektronischen Kommunikation nur noch in einem begrenzten Umfang zur Anwendung kommen soll. Als misslungen erweist sich insoweit die Unschärfe der gewählten Formulierung, aus der nicht ersichtlich wird, ab welchem Grad die mündliche Kommunikation die wesentlichen Verfahrensbestandteile „betrifft“. Des Weiteren trägt die Normierung der strengen Dokumentationspflicht zwar dem Grundsatz der Transparenz in besonderem Maß Rechnung. Der dadurch entstehende Verwaltungsaufwand steht aber durchaus im Spannungsverhältnis mit dem übergeordneten Anliegen der Richtlinienreform, die Verfahrensdurchführung zu vereinfachen und zu entbürokratisieren, zumal der erforderliche Dokumentationsumfang nicht näher bestimmt wird.

1460

Vgl. ErwGrd Nr. 58 S. 2 VRL; ErwGrd Nr. 69 S. 2 SRL. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 12. 1462 Allg. zu einem solchem bei der mündlichen Kommunikation ohne Dokumentation aufkommenden „Verdachtsmoment“ auch Adams, VergabeFokus 6/2015, 12 (12). 1463 Art. 22 Abs. 2 S. 3 VRL; Art. 40 Abs. 2 S. 3 SRL. In der KVR heißt es allgemeiner, dass die Dokumentation „auf einem dauerhaften Datenträger“ erfolgen müsse, Art. 29 Abs. 1 UA. 1 lit. c) KVR. 1461

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

2. Regelung im Kartellvergaberecht Die Vorgaben zur Zulässigkeit der mündlichen Kommunikation werden in den Vergabeverordnungen einheitlich im zweiten Absatz der jeweiligen Vorschrift zu den „Grundsätzen der Kommunikation“ parallel umgesetzt.1464 Die einheitliche Regelung auch im Rahmen der KonzVgV erweist sich in Anbetracht der obligatorischen Hinwendung zur elektronischen Konzessionsvergabe1465 im Kartellvergaberecht grundsätzlich1466 als folgerichtig. a) Zulässigkeit mündlicher Kommunikation Gemäß der jeweiligen Bestimmung in den Vergabeverordnungen kann die Kommunikation in einem Vergabeverfahren mündlich erfolgen, wenn sie nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, die Interessensbestätigungen oder die Angebote betrifft und ausreichend und in geeigneter Weise dokumentiert wird. Sofern diese wesentlichen Verfahrensbestandteile betroffen sind, ist die mündliche Kommunikation also – selbst bei ausreichender Dokumentation – grundsätzlich unzulässig. Eine nähere Konkretisierung des erforderlichen Grads der Betroffenheit unterbleibt jedoch im Kartellvergaberecht. Es bedarf daher einer näheren Betrachtung. aa) Betroffenheit wesentlicher Verfahrensbestandteile In Bezug auf die Vergabeunterlagen schließt die Regelung grundlegend deren mündliche Bekanntgabe durch den Auftraggeber aus.1467 Abgesehen davon, dass dies aus Praktikabilitätsgründen ohnehin nicht in Frage kommen dürfte, gebieten bereits die Vorgaben an die unentgeltliche, uneingeschränkte, vollständige und direkte Abrufbarkeit,1468 dass die Unterlagen zwingend in einer speicherbaren Form elektronisch verfügbar gemacht werden müssen, sodass die Unternehmen jederzeit Zugang zum aktuellen Stand der Dokumente nehmen können.1469 Daraus folgt gleichsam, dass eine Änderung, Fortschreibung oder Klarstellung nicht mündlich erfolgen darf.1470 Ebenso betreffen Rückfragen zu Unklarheiten oder zur Auslegung

1464

§ 9 Abs. 2 VgV; § 9 Abs. 2 SektVO; § 7 Abs. 2 KonzVgV. Vgl. auch § 11 EU Abs. 7 VOB / ​A. Kap. D. I. 2. b) bb). 1466 Zur notwendigen Einschränkung in Bezug auf die Durchführung von Verhandlungen Kap. XI. 2. a) bb). 1467 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 60. 1468 Dazu Kap. D. VII. 2. 1469 Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 9. 1470 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 61. 1465

XI. Grenzen der Zulässigkeit mündlicher Kommunikation

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einzelner Angaben die Vergabeunterlagen, sodass für derartige Anfragen der Anwendungsbereich der mündlichen Kommunikation nicht eröffnet ist.1471 In den Einreichungsverfahren untersagt die Maßgabe die mündliche Übermittlung der Verfahrenserklärungen durch die Unternehmen. Dies spiegelt sich systematisch in der Pflicht zur Einreichung von Teilnahmeanträgen und Angeboten – sowie ggf. Interessensbekundungen und Interessensbestätigungen – in Textform wieder.1472 Gleichfalls ausgeschlossen ist deren mündliche Veränderung, Ergänzung oder Korrektur.1473 Dennoch ist die mündliche Kommunikation in den Einreichungsverfahren nicht gänzlich untersagt. Aus der amtlichen Begründung lässt sich entnehmen, dass eine solche, „die einen Einfluss auf Inhalt und Bewertung von deren Angebot haben könnte“ unter besonders strengen Maßgaben zu dokumentieren ist. Dies entspricht den Richtlinienerwägungen, sodass an dieser Stelle gleichfalls der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass die mündliche Kommunikation, die einen Angebotsbezug aufweist, nicht absolut unzulässig sein kann. Wenn dies schon für Angebote möglich ist, liegt es nahe, dass es erst recht für die anderen Verfahrenserklärungen gelten kann. Einen zulässigen Kommunikationsgegenstand in diesem Sinn dürften damit vor allem mündliche Aufklärungen zu den elektronisch eingereichten Verfahrenserklärungen darstellen.1474 Im Übrigen verbleibt für die mündliche Kommunikation wohl nur noch ein enger Anwendungsbereich bezüglich nachrangiger Aspekte, die vor allem für einzelne Unternehmen von Bedeutung sind, nicht aber für alle Verfahrensteilnehmer.1475 Dies gilt etwa für Anfragen, ob der Auftraggeber ein elektronisch eingereichtes Dokument erhalten hat1476 sowie hinsichtlich weiterer rein organisatorischer Angelegenheiten, z. B. einer Terminvereinbarung oder der Abfrage einer Anfahrts­ beschreibungen für eine Ortsbegehung.1477 Zu letzteren Aspekten zählen auch technische Nachfragen zur Nutzung der elektronischer Mittel, die vor allem von der 1471 Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 9; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 9, Rn. 9. Schippel, VergabeR 2016, 434 (440 f.); weniger streng hingegen Grünhagen, der annimmt, dass ein „mündlicher Austausch über den Inhalt der Unterlagen dennoch möglich [ist], aber nicht zu verbindlichen Änderungen oder Auslegungsansätzen führen [kann], Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 62. 1472 § 53 Abs. 1 VgV; § 44 Abs. 1 SektVO; § 28 Abs. 1 KonzVgV; § 11 EU Abs. 4 VOB / ​A. Ebenso Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9, Rn. 60; Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 9. 1473 Vgl. Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 63; Wichmann, in: Ziekow / ​ Völling, Vergaberecht, VgV, § 9, Rn. 9. 1474 Vgl. etwa §§ 15 Abs. 5; 16 Abs. 9 VgV. I.d.S. auch Honekamp, in: Greb / ​Müller, ­SektVergR, § 9 SektVO, Rn. 36; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 62; Kirch / ​Haverland / ​Mieruszewski, in: Leinmann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, S. 112, Rn. 311; Voppel  / ​ Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 11; Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 9, Rn. 9. 1475 I.d.S. allg. auch Prell, in: Gabriel / ​Krohn / ​Neuen, HdB VergabeR, § 1, Rn. 49. 1476 Oberndörfer / ​Lehmann, BB 2015, 1027 (1029); Honekamp, in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 9 SektVO, Rn. 36. 1477 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 62.

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

individuellen Konfiguration der technischen Ausstattung des Unternehmens abhängig sind.1478 Aus der Natur der Sache folgt zudem, dass die mündliche Kommunikation bei Ortsbegehungen oder auf Informationsveranstaltungen zulässig bleibt.1479 bb) Sonderfall: Verhandlungen Es stellt sich die Frage, ob der soeben dargelegte Maßstab, dass die mündliche Kommunikation überhaupt nur zulässig ist, wenn sie nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, die Interessensbestätigungen oder die Angebote betrifft, gleichfalls uneingeschränkt für Verhandlungen Geltung entfaltet. Bei der öffentlichen Auftragsvergabe im Anwendungsbereich der VgV und SektVO wird diese Frage bei Verhandlungsverfahren, der Innovationspartnerschaft sowie beim Wettbewerblichen Dialog virulent. Im Zentrum dieser Verfahrens­arten steht jeweils ein dynamischer Verhandlungsprozess zwischen dem Auftraggeber und den Unternehmen mit der Zielsetzung, eine individuelle und adäquate Lösung im Einzelfall zu finden oder zu entwickeln. Die Verhandlungsphase im Verhandlungsverfahren und bei der Innovationspartnerschaft dient gerade der Auseinander­ setzung mit den elektronisch einzureichenden1480 Erst- und Folgeangeboten der Bieter mit dem Ziel, diese zu verbessern.1481 Die Verhandlungen betreffen also das endgültige Angebot als wesentlichen Verfahrensbestandteil.1482 Bei der Durchführung eines Wettbewerblichen Dialogs, bei dem der Auftraggeber seinen Bedarf noch nicht abschließend konkretisieren kann,1483 werden in der Dialogphase mit den ausgewählten Unternehmen die Bedürfnisse und Anforderungen des Auftraggebers ermittelt1484 und diese letztlich in einer Leistungsbeschreibung konkretisiert, sodass davon die Vergabeunterlagen als wesentlicher Bestandteil des Verfahrens betroffen sind.1485 Die Frage stellt sich gleichfalls in besonderem Maße bei der Konzessionsvergabe. Im Regelfall bilden Verhandlungen hinsichtlich des oftmals komplexen Verfahrensgegenstandes  – unabhängig davon, ob das Verfahren in Anbetracht 1478

Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 62; Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​ Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  33; Zeiss, in: Heiermann / ​Zeiss / ​Summa, jurisPK-VergR, § 9 VgV, Rn. 48; Thomas, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 77. 1479 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 62; Wichmann, in: Ziekow / ​ Völling, Vergaberecht, VgV, § 9, Rn. 9. 1480 Zutreffend mit diesem Hinweis Honekamp in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 9 SektVO, Rn. 36. 1481 Vgl. § 17 Abs. 10, § 19 Abs. 5 VgV; offener § 15, § 18 Abs. 5 SektVO. 1482 Ley / ​Wankmüller, Das neue Vergaberecht 2016, S. 274; dem folgend Grünhagen, in: ­Müller-Wrede, VgV  / ​UVgO, §  9, Rn.  59. 1483 Kirch / ​Haverland / ​Mieruszewski, in: Leinemann, Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 436. 1484 § 18 Abs. 5 S. 1 VgV; § 17 Abs. 5 S. 1 SektVO. 1485 I.d.S. Ley / ​Wankmüller, Das neue Vergaberecht 2016, S. 274; dem folgend Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9, Rn.  59.

XI. Grenzen der Zulässigkeit mündlicher Kommunikation

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des Grundsatzes der freien Verfahrensgestaltung ein- oder zweistufig aufgebaut wird – dabei das zentrale Element.1486 Abgesehen davon, dass der Konzessionsgegenstand, die Mindestanforderungen an das Angebot und die Zuschlagskriterien nicht verändert werden dürfen,1487 können diese umfänglich durchgeführt und damit insbesondere den Angebotsinhalt als wesentlichen Verfahrensbestandteil betreffen. Bei uneingeschränkter Geltung des allgemeinen Maßstabs der Zulässigkeit mündlicher Kommunikation hätte dies zur Konsequenz, dass in der Verhandlungsbzw. Dialogphase eines Verhandlungsverfahrens, bei der Innovationspartnerschaft sowie beim Wettbewerblichen Dialog im Anwendungsbereich der VgV bzw. SektVO und im Rahmen von Verhandlungen bei der Konzessionsvergabe stets nicht mehr mündlich, sondern nur noch im schriftlichen Austausch mit Hilfe elektronischer Mittel kommuniziert werden müsste. Technisch ließe sich dies theoretisch durch virtuelle Chatrooms, die etwa in Form eines Web-Chats an eine E-Vergabeplattform angebunden werden, realisieren.1488 Dies würde allerdings einen „Kulturbruch“1489 zur bisherigen Verhandlungspraxis bedeuten, in deren Mittelpunkt das Gespräch unter anwesenden Personen steht, welches vor allem auch einen persönlichen Eindruck des Verhandlungspartners erlaubt, der elektronisch in dieser Form nicht abgebildet werden kann.1490 Es ist allerdings äußerst zweifelhaft, dass diese Folge intendiert gewesen sein dürfte.1491 Die elektronische Kommunikation mittels eines Chatrooms erschwert augenscheinlich den interaktiven Kommunikationsprozess zwischen den Beteiligten, der das Wesensmerkmal von Verhandlungen bildet.1492 Dies steht im Widerspruch zu der übergeordneten Zielsetzung der aktuellen Vergaberechtsmodernisierung, eine einfachere, flexiblere und effizientere Verfahrensdurchführung zu ermöglichen.1493 Insbesondere in Bezug auf die intendierte Effizienzsteigerung erweist sich der zwingende Einsatz elektronischer Kommuni 1486

Vgl. § 12 Abs. 2 S. 1 f. KonzVgV. Vgl. auch Siegel, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, KonzVgV, § 12, Rn. 7; ders. NVwZ 2016, 1672 (1675), der zur Achtung der „wettbewerbsrechtlichen Ausrichtung“ der Konzessionsvergabe die Orientierung am Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb empfiehlt. 1487 Vgl. § 12 Abs. 2 S. 3 KonzVgV. 1488 Ley / ​Wankmüller, Das neue Vergaberecht 2016, S. 274; Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​ Prieß, VgV, § 9, Rn. 35; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 60. 1489 Ley / ​Wankmüller, Das neue Vergaberecht 2016, S. 274. 1490 Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 10. 1491 Mit der Bezeichnung als „praxisfremd“ Ley / ​Wankmüller, Das neue Vergaberecht 2016, S. 274, gar als „abstrus“ Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  35; ähnl. Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017. 1492 In Bezug auf das Verhandlungsverfahren, die Innovationspartnerschaft sowie den Wettbewerblichen Dialog Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  34; gleichfalls Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017. 1493 Vgl. BMWi, Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts, Beschl. des Bundeskabinetts v. 7.1.2015, S. 4; Begr. VergRModG, BT-Drs. 18/6281, S. 1. Zutreffend ist, dass diese gesetzgeberische Intention durch die Vorgabe der zwingenden elektronischen Kommunikation „ad absurdum“ geführt würde Braun, VergabeR 2016, 179 (184).

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D. E-Vergabe im Kartellvergaberecht 

kationsmittel in diesem Bereich als ungeeignet, da hierdurch der Verhandlungsprozess behindert und verkompliziert würde.1494 Überdies lässt sich die Einschränkung der Zulässigkeit der mündlichen Kommunikation im Kontext der Verhandlungen nicht mit dem Regelungszweck der Verhinderung von Informationsvorsprüngen rechtfertigen. Es bestehen insoweit spezielle Verfahrensvorschriften,1495 welche die Verfahrenstransparenz und Gleichbehandlung aller Bewerber bzw. Bieter hinreichend gewährleisten, sodass die allgemeine Maßgabe, dass die mündliche Kommunikation nur zulässig ist, wenn sie nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, die Interessensbestätigungen oder die Angebote betrifft, in diesen Fällen systematisch keine Anwendung findet.1496 b) Dokumentationspflicht Sofern keine wesentlichen Verfahrensbestandteile betroffen sind, darf nur mündlich kommuniziert werden, wenn die Kommunikation ausreichend und in geeigneter Weise dokumentiert wird. Die an den Auftraggeber gerichtete Pflicht dient dazu, dem Transparenzgrundsatz angemessen Rechnung zu tragen und die Überprüfbarkeit der Gleichbehandlung aller Unternehmen zu gewährleisten.1497 Sie entfaltet damit bewerber- bzw. bieterschützende Wirkung.1498 Die Anforderungen an den erforderlichen Detailgrad für eine „ausreichende“ und „geeignete“ Dokumentationsform lassen sich den Bestimmungen allerdings nicht entnehmen. Gewisse Anhaltspunkte ergeben sich aus der amtlichen Begründung. Danach ist im „besonderem Maße“ darauf zu achten, dass die Kommunikation mit Bietern, die einen Einfluss auf den Angebotsinhalt und dessen Bewertung haben könnte, in hinreichendem Umfang und in geeigneter Weise dokumentiert wird. Exemplarisch werden dafür die Niederschrift oder Tonaufzeichnung der münd­lichen Kommunikation oder die Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte in Textform genannt.1499 Daraus lässt sich schließen, dass die Anforderungen an die ausreichende und geeignete Dokumentation mit der Bedeutung des Gesprächsinhalts 1494 I.d.S. auch Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 60, der darauf hinweist, dass der Ausschluss von Verhandlungsgesprächen der Flexibilität und Effizienz und damit auch den grundsätzlichen Zielen der E-Vergabe zuwiderlaufe. 1495 Vgl. § 17 Abs. 3, § 18 Abs. 5, § 19 Abs. 6 VgV; § 17 Abs. 5; § 18 Abs. 6 SektVO; § 12 Abs. 3 KonzVgV. 1496 Zutreffend Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  36 f.; nachfolgend Wankmüller, eVergabe: Licht und Schatten des Rechtsrahmens zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren (Teil 1), Vergabeblog.de, Nr. 31847, v. 19.06.2017. Im Ergebnis ebenso Wichmann, in: Ziekow / ​Völling, Vergaberecht, VgV, § 9, Rn. 9; Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn.  60; Braun, VergabeR 2016, 179 (184); Honekamp in: Greb / ​Müller, SektVergR, § 9 SektVO, Rn. 36; Schubert, in: Willenbruch / ​Wieddekind, VergabeR, VgV, § 9, Rn. 10. 1497 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 163 (VgV); S. 234 (SektVO); S. 282 (KonzVgV). 1498 Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 18. 1499 Begr. VergRModVO, BR-Drs. 87/16, S. 163 (VgV); S. 234 (SektVO); S. 283 (KonzVgV).

XI. Grenzen der Zulässigkeit mündlicher Kommunikation

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für das Verfahren korrelieren und im Einzelfall betrachtet werden müssen.1500 Bei potentiell bewertungsrelevanter Kommunikation bedarf es in der Regel einer detaillierteren Dokumentation.1501 Dafür kann es angezeigt sein, eine Niederschrift des Gesprächs anzufertigen oder eine Tonaufzeichnung1502 vorzunehmen.1503 Ansonsten ist es als ausreichend zu erachten, wenn der Ablauf und Inhalt nachvollzogen und überprüft werden kann.1504 In Anbetracht der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit sollten an die Dokumentation der mündlichen Kommunikation gerade zu nachrangigen Aspekten des Verfahrens keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Zu diesem Zweck eignet sich grundsätzlich eine kurze Zusammenfassung des Kontakts und des Inhalts in Textform, § 126b BGB.1505 c) Ergebnis Für die mündliche Kommunikation verbleibt als Ausnahme zum Grundsatz der elektronischen Kommunikation künftig nur noch ein enger Anwendungsbereich im Vergabeverfahren. Gerade in Bezug auf die Bewerber- und Bieterkommunikation dürfte dies einen gewissen Umbruch im Vergleich zur bisherigen Vergabepraxis bedeuten. Die Umstellung kann von Unternehmen und Auftraggebern zunächst als hinderlich empfunden werden. Die elektronische Kommunikation über eine E-Vergabeplattform als vorrangiges Informations- und Kommunikationsmedium bietet jedoch augenscheinlich nicht unerhebliche Vorteile. Die An- und Rückfragen der Bewerber bzw. Bieter können zunächst gesammelt und dann zentral beantwortet werden. Die Antworten stehen auf der Plattform allen Verfahrensteilnehmern unmittelbar und in transparenter Form zur Verfügung.1506 Zudem erfolgt automatisch die Dokumentation, ohne dass ein weiterer Verwaltungsaufwand entsteht.1507 Im Ergebnis trägt der Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel damit nicht nur im besonderen Maße zur Steigerung der Verfahrenstransparenz und Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei, sondern dürfte letztendlich auch den Verfahrensaufwand verringern. 1500

Ähnl. Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 65; Müller, in: Kurlatz / ​ Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  32. 1501 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 65. 1502 Dabei sind gleichsam die Anforderungen des Datenschutzes zu beachten, Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 9 VgV, Rn. 69. Allg. zum Datenschutz bei der E-Vergabe Kap. B. II. 1503 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  32. 1504 Müller, in: Kurlatz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, VgV, § 9, Rn.  31; ähnl. Voppel / ​Osenbrück / ​Bubert, VgV, § 9, Rn. 12. 1505 Da es sich um einen internen Vorgang handelt, unterliegt dieser nicht dem Grundsatz der elektronischen Kommunikation, vgl. Kap. D. I. 2. b) cc). 1506 Dies bietet zudem die Möglichkeit, gleichgelagerte oder ähnliche Fragen zusammen­ zufassen und umfänglich zu beantworten, vgl. auch Adams, VergabeFokus 3/2015, 12 (13). 1507 Adams, VergabeFokus 3/2015, 12 (15).

E. E-Vergabe im Haushaltsvergaberecht Die Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der europäischen Schwellenwerte wird nicht unions-, sondern haushaltsrechtlich determiniert.1 Im Unterschied zum Kartellvergaberecht, bei dem der Wettbewerbsgedanke im Zentrum steht, ist das sog. Haushaltsvergaberecht traditionell primär auf die Schonung öffentlicher Ressourcen ausgerichtet.2 Nach den jüngsten Reformen ist zumindest partiell eine funktionale Annäherung zu beobachten.3 Dies wird anhand der Vorgaben zur E-Vergabe aufgezeigt, die nachfolgend unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Kapitels D. kursorisch dargestellt werden.

I. Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge Nach Abschluss der Modernisierung des Kartellvergaberechts4 erfolgte am 2. Februar 2017 die Bekanntmachung der Verfahrensordnung für die Vergabe öffent­ licher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte.5 Bei dieser sog. Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), welche den bisherigen ersten Abschnitt der VOL / ​A ersetzt, handelt es sich rechtstechnisch nicht um eine Rechtsverordnung, sondern um eine Vergabeordnung.6 Rechtliche Verbindlichkeit erlangt diese erst durch einen Anwendungsbefehl in einem entsprechenden Rechtssatz auf Bundes- und Landesebene.7 Die UVgO orientiert sich strukturell und inhaltlich im Wesentlichen an den Bestimmungen der VgV im Oberschwellenbereich.8 Ein erklärtes Regelungsziel des 1 Grundlegend Siegel, VerwArch 2016, 1; ders., in: Säcker, MüKoEuWettbR, Haushaltsvergaberecht. 2 Siegel, VerwArch 2016, S. 1 (3); ders., VergabeR 2018, 183 (183). 3 Ausführlich sowie zu möglichen Annäherungsgrenzen Siegel, VergabeR 2018, 183 (184 ff.). 4 Bereits während des Modernisierungsprozesses des Kartellvergaberechts hatten intensive Beratungen zwischen dem Bund und den Ländern hinsichtlich des daraus resultierenden nötigen bzw. wünschenswerten Änderungsbedarfs im Unterschwellenbereich stattgefunden, vgl. Lausen, NZBau 2017, 3 (3 f.). 5 BAnz AT 7.2.2017 B1. 6 Siegel, in: Säcker, MüKoEuWettbR, Haushaltsvergaberecht, Rn. 22 f.; ders., LKV 2017, 385 (387). 7 Auf Bundesebene erfolgt ein entsprechender Anwendungsbefehl in der Verwaltungsvorschrift zu § 55 BHO in Ziffer 2 VV-BHO, vgl. Rundschreiben des BMF vom 11.9.2017. Auf Landesebene haben noch nicht alle Bundesländer die UVgO für anwendbar erklärt. Zum derzeitigen Umsetzungsstand Bonhage, in: forum vergabe e. V., Neunzehnte forum vergabe Gespräche 2018, S. 207 f. 8 Ziekow, in: Ziekow / ​Völlink, Vergaberecht, UVgO, § 1, Rn. 1.

I. Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge 

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Normgebers stellt die obligatorische Hinwendung zur E-Vergabe, wenn auch mit längeren Übergangsfristen,9 dar.10 1. Grundsatz der elektronischen Kommunikation Im ersten Abschnitt werden die „Grundsätze der Kommunikation“ in § 7 UVgO normiert. Die ersten drei Absätze entsprechen nahezu wortgleich den Bestimmungen des § 9 VgV. Der erste Absatz statuiert den allgemeinen Grundsatz der elektronischen Kommunikation, der jedoch erst nach einer knapp zweijährigen Übergangsfrist ab dem 1. Januar 2020 verbindliche Wirkung erlangt.11 Diese zeitlich verzögerte Einführung dürfte vor allem der Umstand rechtfertigen, dass die UVgO erst durch einen Rechtsakt in den einzelnen Bundesländern für anwendbar erklärt werden muss, wobei auch ein weitergehender rechtlicher Anpassungsbedarf in den Landeshaushaltsordnungen und anderen Gesetzen auf Landesebene bestehen kann.12 Der Grundsatz erfasst den gesamten Kommunikations- und Informationsaustausch im Vergabeverfahren zwischen den Auftraggebern13 und Unternehmen.14 Entsprechend den Maßstäben des § 9 Abs. 1 VgV erstreckt sich die Pflicht zur Verwendung elektronischer Mittel nicht auf die Ausgestaltung der internen Arbeitsabläufe.15 Insbesondere folgt daraus keine Verpflichtung zur elektronischen Angebotsauswertung oder Aktenführung. Gleichwohl empfiehlt es sich aus Effizienzgründen, auch den internen Workflow zu digitalisieren und eine E-Vergabe­ akte anzulegen, da die ohnehin bei der elektronischen Verfahrensabwicklung anfallenden Daten unmittelbar medienbruchfrei in die Dokumentation überführt werden können.16 Nach Ablauf der Übergangsfrist bleibt auch im Unterschwellenbereich die mündliche Kommunikation zu nachrangigen Aspekten in den engen Grenzen des § 7 Abs. 2 UVgO zulässig, wenn sie nicht die wesentlichen Verfahrensbestandteile 9

Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 3; S. 12. Dazu auch Siegel, LKV 2017, 385 (391); ders., VergabeR 2018, 183 (186); ders., in: Säcker, MüKoEuWettbR, Haushaltsvergaberecht, Rn. 50. 11 § 38 Abs. 3 S. 2 UVgO. Gleichfalls enthält die UVgO Bestimmungen zu den besonderen elektronischen Methoden und Instrumenten in §§ 17 ff, UVgO, die fakultativ im Verfahren eingesetzt werden können s. Kap. D. I. 3. 12 Siegel, VergabeR 2018, 183 (186). 13 Zum Begriff des Auftraggebers der UVgO, der sich von § 99 GWB unterscheidet und insbesondere die Festlegung des persönlichen Anwendungsbereichs durch Bund und Länder ermöglicht vgl. Siegel, VergabeR 2018, 183 (185); ders., in: Säcker, MüKoEuWettbR, Haus­ haltsvergaberecht, Rn. 27. 14 Zur Auslegung und dem Pflichtumfang s. Kap. D. I. 2. b) cc). 15 Grünhagen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 7 UVgO, Rn. 24. 16 Kap. D. I. 2. b) cc) (2) (c). 10

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E. E-Vergabe im Haushaltsvergaberecht

betrifft17 und gleichzeitig vom Auftraggeber ausreichend und in geeigneter Weise dokumentiert wird.18 2. Anforderungen an die elektronischen Mittel und Datensicherheit Die technischen Anforderungen an die elektronischen Mittel werden durch den Verweis in § 7 Abs. 4 UVgO auf die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 10 bis 12 VgV Eins-zu-eins überführt. Die in den Vergabeverfahren eingesetzten elektronischen Mittel müssen demnach grundsätzlich allgemein verfügbar,19 nicht diskriminierend sowie mit allgemein verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sein.20 Gleichfalls dürfen diese den Zugang von Unternehmen zum Vergabeverfahren nicht, auch nicht bloß mittelbar, einschränken.21 Diese Anforderungen sind bei der Auswahl und der technischen Ausgestaltung der elektronischen Mittel als Leitprinzipien stets zu beachten. Ferner sind die Barrierefreiheitsanforderungen gemäß §§ 4, 12a und 12b BGG – unter dem Vorbehalt der unverhältnismäßigen Belastung – insbesondere bei der Ausgestaltung von webbasierten E-Vergabeplattformen hinreichend zu gewährleisten.22 Die Plattformen müssen zudem über die XVergabe Kommunikationsschnittstelle verfügen, um ein Mindestmaß an Kompatibilität und Interoperabilität zwischen den E-Vergabe- und Bedienkonzeptsystemen zumindest auf nationaler Ebene zu schaffen.23 Des Weiteren gelten die Vorgaben an die Wahrung der Datensicherheit entsprechend.24 Die umfängliche Anordnung der Geltung derselben technischen Maßgaben an die elektronischen Mittel aus dem Kartellvergaberecht ist nicht nur aus Gründen der Rechtsangleichung zu begrüßen. Diese ermöglicht darüber hinaus die Beschaffung

17 Vgl auch die Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 3. Zu dem Maßstab des „Betroffenseins“ s. Kap. D. XI. 2. a) aa). 18 Zur Dokumentation in ausreichender und geeigneter Weise Kap. D. XI. 2. b). 19 Als partielle Ausnahme von diesem grundsätzlichen Gebot können alternative elektronische Mittel unter den kumulativen Bedingungen verlangt werden, dass der Auftraggeber den Unternehmen während des gesamten Vergabeverfahrens unter einer Internetadresse einen unentgeltlichen, uneingeschränkten, vollständigen und direkten Zugang zu diesen alternativen elektronischen Mitteln gewährt und diese selbst verwendet. Zum Anwendungsbereich im Einzelnen Kap. D. IV. 2. 20 Kap. D. III. 1. b) (1)–(3). 21 Oblgeich mittelbaren Beschränkungen ein gewisses Gewicht zukommen muss, vgl. Kap. D.  III. 1. b) (4). 22 Kap. D. III. 2. b) (bb). 23 Kap. D. III. 3. b). 24 Zu den grundlegenden Anforderungen an die Gewährleistung der Unversehrtheit, der Vertraulichkeit und der Echtheit der Daten s. Kap. D. V. 1. b) und zur Festlegung des Sicherheitsniveaus Kap. D. V. 2. b). Die entsprechende Geltung der Vorgaben ausdrücklich begrüßend Adams, VergabeFokus 4/2017, 14 (16).

I. Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge 

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und den Einsatz einheitlicher IT-Lösungen für alle Vergaben öffentlicher Lieferund Dienstleistungsaufträge, unabhängig vom Auftragswert.25 3. Veröffentlichung der Bekanntmachung Die Bekanntgabe der Absicht der Auftragsvergabe oder des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung in Form der Auftragsbekanntmachung26 hat gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 UVgO zwingend elektronisch auf den Internetseiten des Auftraggebers oder auf Internetportalen zu erfolgen.27 Letzteres bezieht sich in Abgrenzung zur ersten Variante auf Bekanntmachungsplattformen, die nicht vom Auftraggeber selbst, sondern von privaten oder öffentlichen Drittanbietern als Publikationsmedium angeboten werden.28 In beiden Varianten muss die Veröffentlichung über die Suchfunktion der zentralen Online-Verwaltungsplattform des Bundes (www.​ bund.de) ermittelt werden können. Die Aufnahme dieses Erfordernisses, das schon in der VOL / ​A (2009) eingeführt wurde,29 erfolgte als Reaktion auf die Kritik der Entstehung einer „unübersichtlichen Zersplitterung des Bekanntmachungsmarktes“ auf nationaler Ebene.30 Durch diese Pflicht zur Verlinkung der Bekanntmachung an zentraler Stelle wird nicht nur die Publizität der Auftragsbekanntmachung deutlich erhöht.31 Mittelbar stellt dies gleichfalls sicher, dass ein Zugang für Unternehmen ohne eine Registrierung möglich ist, wie es § 7 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 UVgO verlangt. Konventionelle Publikationsmedien, also etwa amtliche Veröffentlichungsblätter und Tageszeitungen, dürfen hingegen nur noch sekundär zur ergänzenden Veröffentlichung genutzt werden.32 Die Mindestanforderungen an den bekanntzumachenden Inhalt normiert § 28 Abs. 2 UVgO. Die EU-Standardformulare finden grundsätzlich keine Anwen-

25

Vgl. auch Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 3. Vgl. § 27 Abs. 1 UVgO. Davon zu unterscheiden ist die Bekanntmachung von nationalen Parallelveröffentlichungen im Oberschwellenbereich i. S. v. § 40 Abs. 3 S. 1 VgV. 27 Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 28 UVgO, Rn. 18. 28 Vgl. Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 10. Mit einer Übersicht öffentlicher sowie kommerzieller Internetportale Schwabe, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 28 UVgO, Rn. 19 f. 29 Allerdings galt gem. § 12 Abs. 1 S. 1 VOL / ​A ein Wahlrecht hinsichtlich des Publikationsorgans, sodass die Mehrzahl der papierbasierten Veröffentlichungen nicht davon erfasst war, wodurch die Auffindbarkeit erheblich erschwert wurde, vgl. Niemeier / ​Zimmermann, in: Zimmermann, E-Vergabe, S. 22. 30 Drügemöller, NVwZ 2007, 177 (179). 31 Als defizitär im Vergleich zu TED erweist sich derzeit allerdings noch die Suchmaske der Plattform, die nur wenige Filtermöglichkeiten für eine spezifische Recherche bietet, vgl. https:// www.service.bund.de/Content/DE/Ausschreibungen/Suche/Formular.html [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. Allg. krit. zur fehlenden Vorgabe der CPV-Codes Adams, VergabeFokus 2/2018, 14 (17). 32 § 28 Abs. 2 S. 2 UVgO, Siegel, LKV 2017, 385 (391). 26

294

E. E-Vergabe im Haushaltsvergaberecht

dung.33 In Bezug auf die wirksame Bekanntgabe der Eignungskriterien ordnet § 33 Abs. 1 S. 3 UVgO für Öffentliche Ausschreibungen und alle Verfahrensarten mit Teilnahmewettbewerb an, dass diese „bereits“ in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind. Im Regelfall ist damit – wie im Oberschwellenbereich – eine Verlinkung zu Inhalten in den Vergabeunterlagen allenfalls in den aufgezeigten engen Grenzen mittels eines Direktlinks denkbar.34 4. Bereitstellung der Vergabeunterlagen Die Vergabeunterlagen müssen im Regelfall elektronisch zum unentgeltlichen, uneingeschränkten, vollständigen und direkten Abruf bereitgestellt werden, § 29 Abs. 1 UVgO. Der Pflichtumfang entspricht damit in Gänze demjenigen des § 41 Abs. 1 VgV.35 Daher hat der Auftraggeber zu diesem Zweck in der Auftragsbekanntmachung einen Deeplink zu der Internetseite anzugeben, von der diese, unabhängig davon, ob das Verfahren ein- oder zweistufig gestaltet wird, vollständig36 und ohne eine Gebühr37 heruntergeladen werden können.38 Das Verlangen einer obligatorischen Registrierung, die im Spannungsverhältnis zur vollständigen und direkten Abrufbarkeit steht, ist gem. § 7 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 UVgO im Unterschwellenbereich gleichfalls unzulässig.39 Der zweite Halbsatz stellt jedoch klar, dass  – fakultativ  – eine freiwillige Registrierung angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Registrierung besteht eine aktive Informationspflicht des Auftraggebers, die registrierten Unternehmen über Aktualisierungen in Bezug auf die Vergabeunterlagen, etwa durch automatische Push-Benachrichtigungen im E-Vergabesystem und / ​oder per E-Mail, in Kenntnis zu setzen. Im Fall des anonymen Zugriffs trifft die Unternehmen hingegen eine Holschuld, sich eigenverantwortlich zu informieren.40

33 Ausnahmsweise sind die EU-Standardformulare der Durchführungsverordnung VO (EU) 2015/1986, die detailliertere Anforderungen an den Bekanntmachungsinhalt stellen, s. Kap. D. ​ VI. 2. a), zu verwenden, wenn der Auftraggeber freiwillig eine Auftragsbekanntmachung an das Amt für Veröffentlichungen der EU übermittelt, § 40 Abs. 4 VgV. Dieses Vorgehen empfiehlt sich, wenn ein grenzüberschreitendes Interesse bestehen könnte, vgl. Schwabe, in: ­Müller-Wrede, VgV  / ​UVgO, §  40 VgV, Rn.  36. 34 Kap. D. VI. 2. a) bb) (4). 35 Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 10. 36 Kap. D. VII. 2. e) bb). 37 Kap. D. VII. 2. c). 38 Kap. D. VII. 2. f). 39 Kap. D. VII. 2. d) cc) (1). Nur in dem  – restriktiv auszulegenden  – Ausnahmenfall, in welchem die Vergabeunterlagen vertrauliche Informationen enthalten, können jedoch Schutzmaßnahmen angewendet werden, die die uneingeschränkte und vollständige Bereitstellungspflicht einschränken, §§ 3 Abs. 3, 29 Abs. 3 UVgO. Kap. D. X. 2. a) aa) (2). Die Möglichkeit der Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens zur Beschränkung des Zugangs, vgl. Kap. D. VII. 2. cc) (2), besteht in der UVgO indes nicht. 40 Kap. D. VII. 2. cc) (1) (a).

I. Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge 

295

5. Übermittlung der Verfahrenserklärungen Im Unterschied zu den unmittelbar ab Inkraftsetzung der UVgO geltenden Pflichten zur elektronischen Auftragsbekanntmachung und Bereitstellung der Vergabeunterlagen gelten für die Einreichung der Teilnahmeanträge und Angebote die gestaffelten Übergangsfristen des § 38 Abs. 1 – Abs. 3 UVgO. Grundsätzlich besteht zunächst weiterhin ein Wahlrecht des Auftraggebers vorzugeben, ob die Verfahrenserklärungen mit elektronischen Mitteln, postalisch, per Telefax41 oder durch einen anderen geeigneten Weg, z. B. einen Kurier oder aus einer Kombination dieser Mittel einzureichen sind. Ab dem 1. Januar 2019 müssen die Auftraggeber grundsätzlich – unabhängig von ihrem ansonsten bestehenden Wahlrecht – die elektronische Übermittlung durch die Unternehmen akzeptieren.42 Die Auftraggeber sind damit bereits ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um die elektronische Entgegenahme der Verfahrenserklärungen – unter Berücksichtigung der Anforderung an die Datensicherheit – sicherzustellen. Ab dem 1. Januar 2020 wird das Wahlrecht im Regelfall durch den Grundsatz der elektronischen Kommunikation vollständig abgelöst. Die Verfahrenserklärungen sind grundsätzlich in Textform, § 126b BGB, einzureichen, § 38 Abs. 1 S. 1 UVgO.43 Fortgeschrittene sowie qualifizierte elektronische Signaturen und Siegel im Sinne der eIDAS-VO44 kann der Auftraggeber nur ausnahmsweise verlangen, soweit die zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen.45 Der grundsätzlich normativ intendierte Verzicht auf elektronische Signaturen bewirkt eine erhebliche Verfahrenserleichterung, welche die Akzeptanz der E-Vergabe auch im Unterschwellenbereich deutlich erhöhen wird.46

41 Mit berechtigter Kritik an der Zulassung des Faxversandes in Anbetracht der mangelnden Datensicherheit dieser Übermittlungsform Adams, VergabeFokus 4/2017, 14 (17). 42 Dies gilt allerdings unter der Voraussetzung, dass die UVgO bereits für den Auftraggeber Anwendung findet. Das dürfte zu diesem Zeitpunkt noch nicht in allen Bundesländern der Fall sein. So befindet sich etwa in Berlin die Novellierung des § 55 Landeshaushaltsordnung Ende 2018 weiterhin in der parlamentarischen Abstimmung, sodass die UVgO voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2019 für anwendbar erklärt wird. Mit einem gemeinsamen Rundschreiben der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (SenWiEnBe) und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW) wurde die verbindliche Anwendung der E-Vergabe bis zur Einführung der UVgO im Unterschwellenbereich bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt, vgl. Gemeinsames Rundschreiben Nr. 03/2018 v. 26.10.2018. 43 Zu den Anforderungen an die Einreichung in Textform mit elektronischen Mitteln s. Kap. D. VIII. 2. a) 44 Kap. B. I. 2. c). 45 § 38 Abs. 6 S. 1 f. UVgO. Dazu Kap. D. V. 2. b) aa) (2). 46 Insoweit von einer „Revolution“ bei der elektronischen Kommunikation sprechend Adams, VergabeFokus 4/2017, S. 14 (16).

296

E. E-Vergabe im Haushaltsvergaberecht

6. Feststellung der Eignung Gemäß § 31 Abs. 1 UVgO sind öffentliche Aufträge an geeignete, d. h. fachkundige und leistungsfähige Unternehmen zu vergeben, die nicht in entsprechender Anwendung der §§ 123, 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Die Ausgestaltung der Nachweisführung in § 35 UVgO orientiert sich im Wesentlichen an der VgV. Durchaus bemerkenswert erscheint, dass der dritte Absatz die originär unionsrechtliche Einheitliche Europäische Eigenklärung (EEE) grundlegend als Nachweisform vorsieht.47 Die EEE ist gleichfalls anhand der EU-Standardformulare der Durchführungsverordnung (EU) 2016/7 zu erstellen und elektronisch (eEEE) zu übermitteln.48 Im Unterschwellenbereich bestehen jedoch zwei wesentliche Unterschiede bezüglich der Nachweisführung zu jener im Oberschwellenbereich49. Zum einen wird keine Akzeptanzpflicht normiert, d. h. die Auftraggeber können die Vorlage zwar im Verfahren vorgeben, müssen eine unaufgefordert eingereichte eEEE der Unternehmen jedoch nicht entgegennehmen.50 Die Vorgabe liegt somit allein im Ermessen des Auftraggebers.51 Zum anderen sind die Auftraggeber nicht verpflichtet, die eigentlichen Belege anzufordern.52 Mithin kann die eEEE im Unterschwellenbereich regelmäßig53 als endgültiger Nachweis54 dienen. Überdies ist im Unterschwellenbereich künftig ab einen Auftragswert von 30.000 Euro ohne Umsatzsteuer die Pflicht zur Abfrage des Wettbewerbsregisters, das vom Bundeskartellamt geführt wird, zur Prüfung des Nichtvorliegens der entsprechend anzuwendenden Ausschlussgründe gemäß §§ 123, 124 GWB zu beachten.55

47

Pauka, in: v. Beust et. al., eVergabe, S. 179; an der Praxistauglichkeit der EEE zweifelnd Lausen, NZBau 2017, 3 (7). 48 § 35 Abs. 3 S. 2 UVgO i. V. m. § 50 Abs. 1 S. 1 VgV. 49 Kap. D. IX. 2. 50 Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 12. 51 Lausen, NZBau 2017, 3 (7). In der Praxis dürfte sich dies anbieten, wenn ein grenzüberschreitendes Interesse bestehen könnte. 52 Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 12 f. 53 Insoweit ist die gewählte Bezeichnung als „vorläufiger Nachweis“ in § 35 Abs. 3 S. 1 UVgO irreführend, vgl. auch mit der Bezeichnung als „misslungen“ Stolz, in: Ziekow / ​Völlink, Vergaberecht, UVgO, § 35, Rn. 3. 54 Ungeachtet dessen ist der Auftraggeber jederzeit berechtigt, die Bewerber bzw. Bieter aufzufordern, sämtliche oder einen Teil der geforderten Unterlagen beizubringen, wenn dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist, § 35 Abs. 3 S. 2 UVgO i. V. m. § 50 Abs. 2 S. 1 VgV. 55 § 6 Abs. 1 WRegG. Siegel, LKV 2017, 385 (391).

I. Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge 

297

7. Ausnahmen vom Einsatz elektronischer Mittel Die Verwendung anderer als elektronischer Mittel nach dem 1. Januar 2020 ist nur in den abschließend in der UVgO normierten Ausnahmefällen zulässig, die als Abweichung vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation restriktiv aus­ zulegen sind.56 Die Ausnahmen für die Übermittlung der Vergabeunterlagen auf einem anderen geeigneten Weg aus technischen Gründen57 sowie zum Schutz der Vertraulichkeit58 entsprechen den Konstellationen in der VgV weitgehend wortgleich.59 Dasselbe gilt für die Möglichkeit des Absehens von der elektronischen Einreichung von Angeboten und Teilnahmeanträgen aus technischen60 oder aus Sicherheitsgründen61.62 Darüber hinaus erfährt der Grundsatz der elektronischen Kommunikation im Unterschwellenbereich allerdings zwei spezifische Einschränkungen. Zunächst besteht keine Pflicht zur Akzeptanz oder Vorgabe elektronisch eingereichter Verfahrenserklärungen sowie zur elektronischen Bewerber- und Bieterkommunikation für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 25.000 Euro ohne Umsatzsteuer.63 Damit wird eine Bagatellgrenze normiert. In diesem niederschwelligen Bereich wird den Auftraggebern berechtigterweise ein besonderes Maß an Flexibilität zugebilligt, um eine effiziente Verfahrensdurchführung zu gewährleisten und die Beteiligung von kleinen und Kleinstunternehmen, die regelmäßig derartige Leistungen erbringen, nicht durch formale Anforderungen zu erschweren.64 Eine weitere Ausnahme besteht jeweils für die Beschränkte Ausschreibung und die Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb. Bei diesen Verfahrensarten soll der Auftraggeber weder dazu verpflichtet sein, elektronische Teilnahme­ anträge65 und Angebote zu akzeptieren oder zu verlangen, noch die sonstige Verfah-

56

§ 29 Abs. 2, Abs. 3; § 38 Abs. 4 f., Abs. 7 UVgO. Kap. D. X. 2. a) aa) (1). 58 Kap. D. X. 2. a) aa) (2). Die Regelung des § 29 Abs. 3 UVgO sieht im Unterschied zu § 41 Abs. 3 VgV nicht zwingend eine Fristverlängerung vor. Gleichwohl bedarf es nach den allgemeinen Maßstäben des § 13 UVgO stets der angemessenen Fristsetzung, sodass es, je nachdem, welche Maßnahmen ergriffen werden, angezeigt sein kann, die Frist zu verlängern. 59 Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 10. 60 Kap. D. X. 2. a) bb) (1). 61 Kap. D. X. 2. a) bb) (2). 62 Erläuterungen des BMWi zur UVgO, Banz AT 7.2.2017 B2, S. 12. 63 § 38 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 UVgO. 64 Siegel, VergabeR 2018, 183 (186); Lausen, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 38 UVgO, Rn. 34. 65 Die Anknüpfung des Wortlautes an die Teilnahmeanträge erweist sich als widersinnig, da es bereits die Anwendungsvoraussetzung der Ausnahme bildet, dass kein Teilnahmewettbewerb stattfindet, wie hier auch Adams, VergabeFokus 4/2017, 14 (17). 57

298

E. E-Vergabe im Haushaltsvergaberecht

renskommunikation elektronisch zu gestalten.66 Bei den genannten Verfahrensarten führt der Auftraggeber das Vergabeverfahren lediglich mit einzelnen ausgewählten Bietern durch, sodass die elektronische Kommunikation weder zur Steigerung des Wettbewerbs, noch deutlich zur Verbesserung der Verfahrenseffizienz beitragen würde.67 Aus diesem Grund erscheint die Ausnahme sachlich gerechtfertigt.68 Da diese Verfahrensarten dem Auftraggeber nur nachrangig unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 f. UVgO zur Verfügung stehen,69 besteht indes auch kein grundlegender Konflikt mit der Zielsetzung des Normgebers, die E-Vergabe im Anwendungsbereich der UVgO zu etablieren. Die Bedeutung dieser spezifischen Ausnahmen bleibt abzuwarten. Das Bundeswirtschaftsministerium hat angekündigt, deren Auswirkung auf die Vergabepraxis innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf der Übergangsfrist des § 37 Abs. 3 UVgO evaluieren zu wollen.70

II. Abweichungen bei der Vergabe von Bauleistungen Die Vergabe von Bauleistungen richtet sich im Unterschwellenbereich nach dem ersten Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A).71 In der am 22. Juni 2016 bekannt gemachten Neufassung hat der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen die Verfahrensvorschriften strukturell den Vorgaben des zweiten Abschnitts zum Oberschwellenbereich angepasst.72 Im ersten Abschnitt der VOB/A war die verbindliche Hinwendung zur E-Vergabe hingegen nicht vorgesehen.73 Am 19. Februar 2019 ist eine novellierte Fassung im Bundesanzeiger be­kannt gemacht worden, die sich schwerpunktmäßig auf die Überarbeitung der Vor­ schriften im Unterschwellenbereich konzentriert.74 Die Änderungen umfassen in 66

§ 38 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2 UVgO. Verfürth, in: Kulartz / ​Kus / ​Portz / ​Prieß, UVgO, § 38, Rn. 15; ähnl. auch Lausen, in: MüllerWrede, VgV / ​UVgO, § 38 UVgO, Rn. 35. 68 A. A. Adams, VergabeFokus 4/2017, 14 (17). 69 Vgl. Siegel, in: Säcker, MüKoEuWettbR, Haushaltsvergaberecht, Rn. 58 f. 70 Vgl. Amtliche Fußnote zu § 38 Abs. 4 UVgO. 71 BAnz AT  19.01.2016  B3 geändert durch die Bekanntmachung v. 22.6.2016, BAnz AT 01.07.2016 B4. 72 Vgl. die Hinweise für die VOB / ​A 2016. Die Gesamtausgabe der VOB / ​A gilt seit dem 1.10.2016, vgl. Völlink, in: Ziekow / ​Völlink, Vergaberecht, VOB / ​A Einl., Rn.  1. 73 Vgl. §§ 11, 11a, 12 Abs. 1 Nr. 1, 12a Abs. 1 Nr. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 VOB / ​A (2016). Dazu auch Siegel, LKV 2017, 385 (391). 74 BAnz AT 19.2.2019 B2. In den weiteren Abschnitten der VOB / ​A beschränken sich die Änderung überwiegend auf redaktionelle Anpassungen. Insg. hierzu Janssen, NZBau 2019, 147; Hattig, VergabeNavigator 2/2019, 14. 67

III. Ergebnis

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Teilen auch neue Vorgaben zur elektronischen Kommunikation.75 Eine vollstän­ dige Harmonisierung der Kommunikationsvorschriften im Unter- und Ober­ schwellenbereichs blieb indes aus. Vielmehr ist der Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel für die Vergabe von Bauleistungen im ersten Abschnitt der VOB/A weiterhin nur optional vorgesehen.76 So kann die Auftragsbekanntmachung nach Wahl des Auftraggebers in konventionellen Publikationsmedien, wie Tageszeitungen und amtlichen Veröffentlichungsblättern, oder alternativ auf unentgeltlich nutzbaren und direkt zugänglichen Internetportalen veröffentlicht werden.77 Grundsätzlich können auch die Vergabeunterlagen nach wie vor „in geeigneter Weise“, also etwa postalisch,78 an die Unternehmen übermittelt werden.79 Etwas anderes soll allerdings neuerdings im Fall der elektronischen Bekanntmachung gelten. Insoweit besteht nunmehr offenbar eine korrespondierende Pflicht zur elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen. Denn im Bekanntmachungstext ist dann eine Internetadresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.80 Im Übrigen verbleibt dem Auftraggeber ein „freies, nicht zu begründendes Wahlrecht“,81 in welcher Form82 die Verfahrenserklärungen einzureichen sind.83 Insbesondere können weiter alternativ – oder sogar ausschließlich – schriftliche Angebote akzeptiert werden.

III. Ergebnis Im Unterschwellenbereich ergibt sich damit ein zweigeteiltes Bild in Bezug auf die E-Vergabe. Für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Anwendungsbereich der UVgO lässt sich in Bezug auf die Kommunikations 75

Janssen, NZBau 2019, 147 (150); Hattig, VergabeNavigator 2/2019, 14 (15). Beim Einsatz elektronischer Mittel entsprechen die Anforderungen an diese weitgehend denjenigen im Oberschwellenbereich, vgl. §§ 11, 11a VOB / ​A (2019). 77 § 12 Abs. 1 Nr. 1 VOB / ​A (2019). Die Publikation auf www.service.bund.de wird nur optional genannt. 78 Vgl. zum wortgleichen § 12a Abs. 1 VOB / ​A (2016) Schubert, in: Willenbruch / ​Wiedde­ kind, VergabeR, VOB / ​A, § 12a, Rn.  5. 79 Vgl. § 12a Abs.  1 VOB / ​A (2019). 80 § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. l) Hs. 2 VOB / ​A (2019). Ergänzt wurde bei der Neufassung die Möglichkeit, den Zugriff auf die elektronisch bereitgestellten Vergabeunterlagen durch Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit zu beschränken, § 11 VII VOB / ​A (2019). S. hierzu Kap. D. X. 2. a) aa) (2) sowie Kap. E. I. 7. zu § 29 Abs. 3 UVgO. 81 Janssen, NZBau 2019, 147 (150). 82 Hierbei bildet die Textform, § 126b BGB, die Regelform, vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 VOB / ​A (2019). Elektronische Signaturen und Siegel i. S. d. eIDAS-VO, vgl. Kap. B. I. 2. c), können nur unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 5 VOB / ​A (2019) verlangt werden. S. hierzu dazu Kap. D. V. 2. b) aa) (2). Die Textform ist künftig auch für die Niederschrift über den Öffnungs­ termin der Angebote ausreichend, § 14 Abs. 3 VOB / ​A (2019), was der Entlastung der Verwaltung dienen soll, Janssen, NZBau 2019, 147 (150). 83 Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB / ​A (2019). Bis zum 18. Oktober 2018 waren zwingend schriftliche Angebote zuzulassen, vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB / ​A (2016). 76

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E. E-Vergabe im Haushaltsvergaberecht

vorschriften eine weitgehende Annäherung der Vorgaben an die Bestimmungen der VgV im Oberschwellenbereich konstatieren84. Trotz einer verlängerten Übergangsphase, die durch die Erforderlichkeit der Einführung in den Ländern sachlich gerechtfertigt ist, und der Normierung spezifischer Ausnahmeregelungen wird damit der Weg zur vollständig elektronischen Verfahrensdurchführung eindeutig eingeschlagen.85 Dies ist insbesondere aus Effizienzgründen und zur Vermeidung der langfristigen Aufrechterhaltung von Parallelstrukturen für die papiergebundene Verfahrensdurchführung positiv zu bewerten. Die weitgehende kongruente Regelungsstruktur zwischen VgV und UVgO führt zudem zur Vereinheitlichung86 der digital abzubildenden Prozessschritte und trägt insgesamt zur Vereinfachung sowohl für Auftraggeber als auch für Unternehmen bei.87 Deutliche Differenzen bestehen hingegen bei der Vergabe von Bauleistungen im Unterschwellenbereich, für die – auch nach der Novellierung im Februar 2019 – der Einsatz elektronischer Mittel weiterhin nur fakultativ vorgesehen ist. Die rechlichen Inkongruenzen zwischen den Vorgaben des ersten Abschnitts der VOB / ​A und der UVgO stehen einer Harmonisierung des Ober- und Unterschwellenbereichs entgegen und trüben damit das Gesamtbild eines einheitlichen Rechtsrahmens. Für die Zukunft erscheint es wünschenswert, dass auch im Unterschwellenbereich auf eine weitgehende Angleichung hingewirkt wird.88

84 Erhebliche Differenzen bestehen hingegen weiterhin in Bezug auf den Primärrechtsschutz, der auch nicht in der UVgO geregelt wird und weiter deutlich hinter dem Rechtsschutz im Oberschwellenbereich zurückbleibt, vgl. eingehend Siegel, VerwArch 2016, 1, (26 ff.); ders., LKV 2017, 385 (391 f.); ders., VergabeR 2018, S. 183 (189). 85 Siegel, LKV 2017, 385 (391 f.); Adams, VergabeFokus 4/2017, 14 (18). 86 Allerdings zeichnen sich nicht unerhebliche Unterschiede – etwa in Bezug auf die Reichweite des persönlichen Anwendungsbereichs und die Festlegung von Wertgrenzen  – in den Umsetzungen der Länder ab, vgl. Bonhage, in: Neunzehnte forum vergabe Gespräche 2018, S. 208 ff. 87 Lausen, NZBau 2017, 3 (8). 88 Die Bundesregierung hat die „Arbeitsgruppe zur Vereinheitlichung des Vergaberechts“ eingesetzt, die zur Vorbereitung einer politischen Entscheidung ergebnisoffen prüfen soll, ob die Verfahrensregeln für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge weiterhin gesondert durch den DVA in der VOB / ​A geregelt werden sollen oder eine Zusammenführung mit den Vorgaben zu den Liefer- und Dienstleistungsaufträgen in einem Regelwerk vorzugswürdig erscheint. Die Arbeitsgruppe soll im Rahmen ihres Prüfauftrages auch den Unterschwellenbereich mit einbeziehen, vgl. Hattig, VergabeNavigator 2/2019, 14 (16) sowie Janssen, NZBau 2019, 147 (153).

F. Elektronische Rechnungsstellung Die elektronische Rechnungsstellung bildet den abschließenden Prozessschritt eines Beschaffungsvorgangs, der künftig ebenfalls elektronisch abzuwickeln ist. Nachfolgend werden die neu geschaffenen rechtlichen Anforderungen auf europäischer Ebene und deren Umsetzung auf Bundesebene näher untersucht.

I. Richtlinienvorgaben 1. Entstehung und Inhalt In der parallel zum laufenden Reformprozess der Vergaberichtlinienvorgelegten Mitteilung zur „Strategie für die e-Vergabe“ wiederholte die Kommission ihre bereits zuvor geäußerte Zielsetzung einer „durchgängig elektronischen Vergabe“, d. h. von der ersten Bekanntmachung bis hin zu Bezahlung.1 In der aufbauenden Mitteilung, die gänzlich unter diesem Titel firmierte, betonte sie, dass die vollständige Digitalisierung des Beschaffungsprozesses erhebliche Einsparungen bewirken und das Überdenken der Struktur bestimmter Bereiche der öffentlichen Verwaltung begünstigen könnte.2 Um die Zielerreichung weiter zu fördern,3 legte die Kommission mit Unterstützung des Europäischen Parlaments4 und Befürwortung des Rates5 einen weiteren Richtlinienvorschlag zur elektronischen Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen vor.6 Diese hatte bis zu diesem Zeitpunkt trotz einzelstaatlicher Bemühungen und der Förderung durch die Kommission7 unionsweit nur geringere Bedeutung erlangt.8 Der Richtlinienvorschlag intendierte eine Harmonisierung der rechtlichen und technischen Anforderungen, die in den 1

Vgl. KOM (2012) 179, S. 3; KOM (2010) 571, S. 3 f. KOM (2013) 453, S. 2. 3 KOM (2013) 453, S. 9. 4 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. April 2012 zu der Vorreiterrolle des eGovernment für einen wettbewerbsgeprägten Binnenmarkt für digitale Dienste (2011/2178 (INI)), Rn. 64 ff. 5 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Tagung vom 28./29.Juni 2012), EUCO 76/12, S. 10. 6 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen, COM (2013) 449. Im Folgenden: E-Rech-RL-E. 7 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Die Vorteile der elektro­ nischen Rechnungsstellung für Europa nutzen, KOM (2010) 712, S. 8 ff. 8 Vgl. KOM (2013) 453, S. 6. 2

302

F. Elektronische Rechnungsstellung

Mitgliedstaaten divergierten. Als wesentliches Element wurde die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Norm angestrebt, um Handelshindernisse und Marktzutrittsschranken, insbesondere aufgrund mangelnder Interoperabilität einzelstaatlicher Lösungen, bei grenzüberschreitenden Ausschreibungen abzubauen. 9 Vorausgegangen war eine umfangreiche Konsultation, in der die Folgen unterschiedlicher politischer Handlungsoptionen eruiert wurden.10 Entsprechend der Auswertung der Folgenabschätzung beinhaltete der Vorschlag eine Akzeptanzpflicht für öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber hinsichtlich elektronischer Rechnungen in einem beliebigen elektronischen Format, die einer gemeinsamen europäischen Norm genügen.11 Die europäische Normungsorganisation CEN sollte mit dem Erlass einer technikneutralen und datenschutzkonformen Norm für das semantische Datenmodell einer elektronischen Basisrechnung beauftragt werden.12 In den Erwägungen führte die Kommission aus, dass sich die europäische Norm auf Standards internationaler Normungsorganisationen stützen und keine elektronische Signatur enthalten sollte.13 Weiterhin sollten elektronische Rechnungen, die anderen Normen genügen oder in Papierform erstellt werden, zulässig sein, sofern keine einzelstaatlichen Vorschriften entgegenstehen.14 Zur Umsetzung erwog die Kommission insgesamt eine 48-monatige Frist.15 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßte den Kommissionsvorschlag grundlegend, warf jedoch die Frage auf, ob der zu erwartende erhebliche Aufwand nicht eine weitergehende Harmonisierung rechtfertigen würde.16 Kritisch beurteilt wurde neben der generell als zu lang empfundenen Umsetzungsfrist auch, dass trotz der Bedeutung der Erarbeitung der gemeinsamen europäischen Norm keine Frist für das CEN vorgegeben werden sollte.17 Der Ausschuss der Regionen erachtete zur Steigerung der Interoperabilität und weiteren Kostensenkung die Festlegung eines einheitlichen Datenformats für sinnvoll.18 Gleichzeitig befürworte er, dass die Auftraggeber weiterhin elektronische Rechnungen, die an 9

ErwGrde Nr. 1 ff. E-Rech-RL-E. Vgl. Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Zusammenfassung der Folgeabschätzung, Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen, SWD(2013) 223 final, S. 6 ff. 11 Art. 4 i. V. m. Art. 2 Abs. 4 u. Abs. 5 E-Rech-RL-E. 12 Art. 3 Abs. 1 UA. 1, UA. 2 E-Rech-RL-E. 13 ErwGrd Nr. 7 E-Rech-RL-E. 14 ErwGrd Nr. 16 E-Rech-RL-E. 15 Art. 6 Abs. 1 UA. 1 E-Rech-RL-E. 16 Vgl. bereits die Stellungnahme des EWSA zur durchgängig elektronischen Vergabe öf­ fentlicher Aufträge zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, COM(2013) 453, v. 13.10.2013, S. 7; weitergehend sodann die Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richt­ linie des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen COM(2013) 449– 2013/0213 (COD), v. 16.10.2013, S. 3. 17 Ebd., S. 2. 18 Stellungnahme des AdR – Richtlinie zur elektronischen Rechnungsstellung und zur durchgängig elektronischen Vergabe, v. 28./29.11.2013, S. 4. 10

I. Richtlinienvorgaben

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deren Normen genügen, akzeptieren können sollten, um einen stufenweisen Übergang zu ermöglichen.19 Der Rat setzte sich in seinem Kompromissvorschlag für die Einbeziehung der KVR in den Richtlinienanwendungsbereich ein.20 Ähnlich wie der Ausschuss der Regionen hielt auch der Rat eine Begrenzung der Formate für notwendig, nicht jedoch die Festlegung auf ein einziges Format. Der Ratsvorschlag, die Vorlage einer Liste mit einer begrenzten Anzahl von Syntaxen, die der europäischen Norm entsprechen, von CEN zu verlangen, fand letztlich Eingang in den Richtlinientext.21 Der Rat schlug zwar im Gegensatz zum Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss eine verlängerte Umsetzungsfrist vor, teilte aber die Ansicht der Notwendigkeit der Fristsetzung für die Erarbeitung der gemeinsamen europäischen Norm. Letztere sollte in höchstens drei Jahren veröffentlicht werden.22 Das Europäische Parlament ergänzte insbesondere konkrete Gestaltungsvorgaben an die gemeinsame europäische Norm sowie korrespondierende Erwägungen, da der Normungsauftrag als zu unbestimmt angesehen wurde.23 Außerdem enthielt die parlamentarische Entschließung eine nähere Konkretisierung der Kernbestandteile der elektronischen Rechnung.24 Die Kommission wurde zudem verpflichtet, die praktische Anwendbarkeit der gemeinsamen europäischen Norm vor der Veröffentlichung zu testen und die Ergebnisse dem Rat und dem Europäischen Parlament vorzulegen.25 Das Parlament folgte zudem der Empfehlung des Europäischen Datenschutzbeauftragten zur Aufnahme einer Datenschutzregelung unter Betonung des Zweckbindungsgrundsatzes.26 Die endgültige Fassung der Richt­linie 2014/55/EU (E-Rech-RL) wurde am 16. April 2014 – und damit kurz nach Inkrafttreten der Vergaberichtlinien – verabschiedet. Die Frist zur Veröffentlichung der gemeinsamen europäischen Norm wurde letztlich auf 3 Jahre, bis zum 27. Mai 2017, festgesetzt. Vorbehaltlich dieses Veröffentlichungsdatums sollten die Richtlinienvorgaben 18 Monate später, bis 27. November 2018, in das nationale Recht umgesetzt werden.27

19

Ebd., S. 2. Art. 1 und ErwGrd Nr. 10a Kompromisstext zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen – Allgemeine Ausrichtung, Dok. 16162/13, v. 27.11.2013. Im Folgenden: Kompromissvorschlag des Rates zur E-Rech-RL. 21 Vgl. Art. 3 Abs. 1 und ErwGrd Nr. 8a Kompromissvorschlag des Rates zur E-Rechnung-RL. 22 Art. 6 Abs. 1 UA. 1 Kompromissvorschlag des Rates zur E-Rech-RL. 23 Vgl. Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen (COM(2013)0449 – C7-0208/2013  – 2013/0213(COD)), v. 20.12.2013, Änderungsantrag Nr. 30. Im Folgenden: EP-Bericht zur E-Rechnung. 24 Änderungsantrag Nr. 40, EP-Bericht zur E-Rechnung. 25 Änderungsantrag Nr. 30, EP-Bericht zur E-Rechnung. 26 Änderungsantrag Nr. 35, EP-Bericht zur E-Rechnung. 27 Vgl. Art. 11 E-Rech-RL. 20

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F. Elektronische Rechnungsstellung

2. Auslegung der Richtlinienvorgaben Das primäre Ziel der E-Rech-RL bildet die Beseitigung von Hindernissen für den grenzüberschreitenden Handel im Bereich der elektronischen Rechnungsstellung bei der öffentlichen Auftragsvergabe, die sich aus den unterschiedlichen rechtlichen und technischen Anforderungen sowie der mangelnden Interoperabilität einzelstaatlicher Normen ergeben.28 Dadurch soll vor allem auch die Nutzung von elektronischen Rechnungen (E-Rechnungen) unionsweit gefördert werden. Davon erhofft sich der Unionsgesetzgeber positive Effekte für die Auftraggeber und Auftragnehmer in Form von finanziellen Einsparungen, geringeren Umweltbelastungen sowie einer Verringerung des Verwaltungsaufwandes.29 a) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der E-Rech-RL ist eröffnet für E-Rechnungen, die vom (Haupt)Auftragnehmer nach der Erfüllung von Aufträgen im Geltungs­bereich der Vergaberichtlinienausgestellt werden.30 Insbesondere die Erstreckung auf die KVR war in den Mitgliedstaaten nicht unumstritten.31 Die Einbeziehung, die letztlich jedoch auf Hinwirken des Rates erfolgte, erscheint aus Gründen der Kohärenz des europäischen Vergaberechtsrahmens indes sinnvoll. Dies gilt insbesondere, da auch die KVR die obligatorische Hinwendung zur elektronischen Konzessionsvergabe erlaubt.32 Die Vorgaben der E-Rech-RL finden ebenso Anwendung auf die Aufträge im Bereich der Verteidigung und Sicherheit, die der VSVKR unterliegen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Auftragsvergabe und -ausführung für geheim erklärt wurde oder die einzelstaatlichen Vorschriften nach einer Verhältnismäßigkeits­ abwägung besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern.33 Diese Einschränkung berücksichtigt die besonderen Sicherheitsinteressen und die Souveränität der Mitgliedstaaten in diesem Bereich.34 Gleichzeitig wird infolge der expliziten Nennung deutlich, dass die elektronische Rechnungsstellung für Aufträge im Anwendungsbereich der VSVKR nicht pauschal von den Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden soll.

28

Vgl. ErwGrd Nr. 5 E-Rech-RL. Vgl. ErwGrd Nr. 6 E-Rech-RL 30 Art. 1 Abs. 1 E-Rech-RL sowie zum Anwendungsbereich ErwGrde Nr. 14 ff. E-Rech-RL. 31 Lohmann / ​Werres, in: Rogall-Grothe (Hg), Leitfaden Elektronische Rechnung, S. 20. 32 Dazu Kap. D. I. 1. b) bb) 33 Vgl. Art. 1 Abs. 2 E-Rechnung-RL sowie ErwGrd Nr. 16 E-Rechnung-RL. 34 Lohmann / ​Werres, in: Rogall-Grothe (Hg), Leitfaden Elektronische Rechnung, S. 20; allg. auch Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 351. 29

I. Richtlinienvorgaben

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b) Semantische Interoperabilität Gemäß der Begriffsbestimmung sind E-Rechnungen solche, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden, welches ihre automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht, Art. 2 Nr. 1 E-Rech-RL. Das Erfordernis eines strukturierten Formats schließt die Verwendung von reinen Bilddateien aus.35 In Art. 6 ERechRL werden die verbindlichen Informationsbestandteile aufgeführt, die als Kernelemente zwingend in der E-Rechnung enthalten sein müssen. Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie der Wortlaut („unter anderem“)36 zeigt. Normiert wird vielmehr ein verbindlicher Mindestinhalt, der für die grenzübergreifende Interoperabilität zwingend erforderlich ist. Inter­ operabilität bezieht sich in diesem Kontext auf die semantische Ebene, d. h. dass die E-Rechnung die vorgeschriebene Informationsmenge enthält und der genaue Bedeutungsinhalt, unabhängig von der physischen Darstellung oder Übermittlung, erhalten bleibt und in eindeutiger Weise verstanden wird.37 Die Interoperabilität wird durch die Verwendung eines syntaxneutralen semantischen Datenmodells, also der strukturierten und logischen Verknüpfung einer Reihe von Begriffen sowie deren Bedeutung,38 gewährleistet. Das Datenmodell, das den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 E-Rech-RL genügen muss,39 ermöglicht den Austausch von E-Rechnungen zwischen Systemen, die auf unterschiedlichen technischen Normen basieren. Isoliert trägt es jedoch nur bedingt zur Vereinheitlichung der Rechnungsstellung bei, da unterschiedliche maschinenlesbare Sprachen (Syntaxen) zur Darstellung eingesetzt werden können. Aus diesem Grund forderte der Ausschuss der Regionen zusätzlich die Begrenzung auf ein Datenformat. Dies hätte jedoch die Flexibilität der Verwendung des Datenmodells erheblich eingeschränkt. Daher konnte sich letztlich der Ratsvorschlag durchsetzen, dass der von der Kommission an das CEN zu erteilende Normungsauftrag nicht nur das semantische Datenmodell, sondern auch die Vorlage einer Liste mit einer begrenzten Anzahl von Syntaxen umfassen 35

Vgl. ErwGrd Nr. 7 S. 3 E-Rech-RL. Das semantische Datenmodell enthält eine weitaus größere Anzahl von Informations­ bestandteilen, vgl. die Abb. bei Groß / ​Lindgens et. al., in: PSP, Die elektronische Rechnung in der öffentlichen Verwaltung, S. 20. 37 Vgl. ErwGrd Nr. 8 E-Rech-RL. 38 I.d.S. die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 3 E-Rech-RL. 39 Diese zielen, u. a. durch die Erfordernisse der Technikneutraltiät, der Berücksichtigung maßgeblicher internationaler Standards und der Eignung zur Verwendung zwischen Unternehmen, auf eine möglichst breite Anwendbarkeit ab, auch über die öffentliche Auftragsvergabe hinaus, vgl. dazu ErwGrd Nr. 22 E-Rech-RL. Weiterhin soll durch Vorgaben an die Benutzerfreundlichkeit, Flexibiltät und Kosteneffizienz sowie die besondere Betonung der Beachtung der Bedürfnisse von KMU, die Entwicklung von einfachen und verständlichen Systemen zur elektronischen Rechnungsstellung unterstützt werden, vgl. ErwGrd Nr. 21 E-Rech-RL. Daneben verlangt die Einhaltung des Datenschutzes, inbesondere der nunmehr in der DS-GVO niedergelegten Grundsätze, die Erhebung personenbezogener Daten durch die technische Konzeption auf ein zweckangemessenes Minimum zu begrenzen, ausführlich Martini, in: Rogall-Grothe (Hg), Leitfaden Elektronische Rechnung, S. 58 ff. 36

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F. Elektronische Rechnungsstellung

soll, die der gemeinsamen europäischen Norm entsprechen und in der Praxis bereits etabliert sind.40 CEN hat entsprechend seines Normungsauftrages41 am 28. Juni 2017 die Europäische Norm zum semantischen Datenmodell der Kernelemente einer E-Rechnung sowie die Liste von Syntaxen der Kommission vorgelegt.42 Im Anschluss an die Evaluierung der praktischen Anwendbarkeit des semantischen Datenmodells hinsichtlich dessen Praxistauglichkeit, der Benutzerfreundlichkeit und der zu erwartenden Umsetzungskosten43 wurde die europäische Norm für die elektronische Rechnungsstellung gemeinsam mit der Syntaxliste44 mittels Durchführungs­beschluss (EU)  2017/187045 am 17. Oktober 2017  – also rund fünf Monate nach dem ursprünglich geplanten Zeitpunkt – im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Aufgrund der verzögerten Veröffentlichung greift abweichend von der Umsetzungsfrist bis zum 27. November 2018 die Regelung des Art. 11 Abs. 2 E-Rech-RL, sodass sich die Frist bis zum 18. April 2019 für zentrale, für subzentrale öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber bis zum 18. April 2020 verlängert. c) Pflicht zum Empfang und zur Verarbeitung von E-Rechnungen Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Auftraggeber die E-Rechnungen, die der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und einer der aufgelisteten Syntaxen entsprechen, empfangen und verarbeiten können, Art. 7 E-Rechnungs-RL. Adressiert werden ausschließlich die Auftraggeber als 40 Art. 3 Abs. 1 UA. 3 E-Rechungs-RL sowie ErwGrd Nr. 26 E-Rech-RL. Ergänzend führen die Erwägungen aus, dass sich die Beauftragung von CEN auch auf die Ausarbeitung von Leitfäden für die Darstellung des semantischen Datenmodells für die aufgelisteten Syntaxen (Syntax-Vorgaben) sowie auf die Erstellung unverbindlicher Leitfäden zur Interoperabilität der Übermittlung erstrecken soll, um die Einführung in den Mitgliedstaaten zu beschleunigen und zu vereinfachen, ErwGrde Nr. 26 f. E-Rech-RL. 41 Durchführungsbeschluss der Kommission COM(2014) 7912 vom 10.12.2014 über einen an die europäischen Normungsorganisationen gerichteten Normungsauftrag betreffend einer europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und ein Paket sekundärer Normungsprodukte gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (M/528). 42 Elektronische Rechnungsstellung – Teil 1: Semantisches Datenmodell der Kernelemente einer elektronischen Rechnung, EN 16931-1:2017 und Elektronische Rechnungsstellung  – Teil 2: Liste der Syntaxen, die die EN 1693-11 erfüllen, CEN / ​TS 16931–2-2017. 43 Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Evaluierung der Europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung gemäß der Richtlinie 2014/55/EU, COM(2017) 590. 44 Zulässig sind die beiden Syntaxen UN / ​CEFACT Cross Industry Invoice XML message und UBL invoice and credit note messages. 45 Durchführungsbeschluss (EU) 2017/1870 der Kommission vom 16. Oktober 2017 über die Veröffentlichung der Fundstelle der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und die Liste von Syntaxen gemäß der Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates.

I. Richtlinienvorgaben

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Rechnungsempfänger, welche die E-Rechnungen elektronisch entgegennehmen und verarbeiten können müssen. Insbesondere aus den Erwägungen, dass nur maschinenlesbare Rechnungen der gemeinsamen europäischen Norm entsprechen sollen, die vom Empfänger „automatisch und digital verarbeitet“ werden können,46 ergibt sich, dass unter letzterem ausschließlich eine elektronische Verarbeitung zu verstehen ist.47 Aus der Pflicht zur Entgegenahme und Verarbeitung folgt für den Rechnungsabsender ein korrespondierendes Recht auf Akzeptanz seiner E-Rechnung, jedoch keinerlei Verpflichtung, eine solche ausstellen und übermitteln zu müssen. So wird in den Erwägungen klargestellt, dass die Entscheidung des Absenders, eine Rechnung nach der europäischen Norm oder nationalen bzw. anderen technischen Normen oder noch in Papierform auszustellen, von den zwingenden Richtlinienvorgaben unberührt bleibt.48 Gleichzeitig wird darin jedoch betont, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht an der Vorgabe der zwingenden elektronischen Rechnungsausstellung bei öffentlichen Aufträgen hindern soll.49 Den Mitgliedstaaten wird mithin ein Umsetzungsspielraum eröffnet, die elektronische Rechnungsstellung verbindlich bei der öffentlichen Auftragsvergabe über die zwingenden Mindestanforderungen der Richtlinie hinaus einzuführen. 3. Zwischenergebnis Die Mindestharmonisierung E-Rech-RL im Bereich der elektronischen Rechnungstellung bei der öffentlichen Auftragsvergabe erscheint als sinnvolle Ergänzung der obligatorischen Hinwendung zur E-Vergabe, um die von der Kommission letztlich angestrebte „durchgängig elektronische Vergabe“ in den Mitgliedstaaten weiter zu befördern. Die Standardisierung durch ein semantisches Datenmodell trägt wesentlich zur Steigerung der grenzüberschreitenden Interoperabilität im Sinne des primären Richtlinienziels bei. Dies bietet den Wirtschaftsteilnehmern ferner die Rechtssicherheit, dass die E-Rechnungen, die den Anforderungen genügen, unionsweit bei der Auftragsvergabe zu akzeptieren sind. Das bedeutet einen erheblichen Fortschritt zu den bisher vorherrschenden nationalen Insellösungen. Die Verbesserung der Interoperabilität dürfte die Attraktivität der Ausstellung von E-Rechnungen, gerade im grenzüberschreitenden Bereich, deutlich erhöhen.

46

Vgl. ErwGrd Nr. 7 S. 2 E-Rech-RL. Dazu ausführlich auch Lohmann / ​Werres, in: Rogall-Grothe (Hg), Leitfaden Elektronische Rechnung, S. 21. 48 ErwGrd Nr. 35 S. 1 E-Rech-RL. 49 ErwGrd Nr. 35 S. 2 E-Rech-RL. 47

308

F. Elektronische Rechnungsstellung

II. Regelung im nationalen Recht Der Bundesgesetzgeber hat die Vorgaben der E-Rech-RL im EGovG umgesetzt, das im Wege eines formellen Artikelgesetzes50 ergänzt wurde. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich auf die Vorgaben zur elektronischen Rechnungsstel­ lung auf Bundesebene. 1. Umsetzung im EGovG In dem neu eingefügten § 4a Abs. 1 S. 1 EGovG wird die zentrale Pflicht für die in § 159 Abs. 1 Nr. 1–5 GWB genannten Stellen normiert, E-Rechnungen, die im Anschluss an die Erfüllung von öffentlichen Aufträgen und Aufträgen sowie Konzessionen ausgestellt werden, nach Maßgabe einer von der Bundesregierung zu erlassenden Verordnung zu empfangen und zu verarbeiten. Diese Verpflichtung gilt für die obersten Bundesbehörden ab dem 27. November 2018. Für subzentrale öffentliche Auftraggeber sowie für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber ist die Vorschrift 12 Monate später, ab dem 27. November 2019, anzuwenden, § 18 EGovG. Damit werden die Umsetzungsfristen der E-Rech-RL vom deutschen Gesetzgeber nicht vollständig ausgeschöpft. a) Anwendungsbereich aa) Personeller Anwendungsbereich Adressat der Verpflichtung des § 4a Abs. 1 S. 1 EGovG zur Entgegenahme und Verarbeitung von E-Rechnungen sind Stellen im Sinne von § 159 Abs. 1 Nr. 1–5 GWB, der die Zuständigkeit der VK Bund im Nachprüfungsverfahren begründet. Damit adressiert werden sollen Stellen des Bundes einschließlich der diesem zurechenbaren Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber.51 Die Verortung im EGovG erscheint rechtssystematisch als misslungen. Der Geltungsbereich des EGovG bezieht sich im Kern auf die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit von Behörden und juristischen Personen des Bundes sowie der Länder, die Bundesrecht ausführen. Das Vergaberecht war bislang als Teil der Fiskalverwaltung gänzlich hiervon ausgenommen.52 Diese rechtliche Trennung wird mit der Rege­lung zum elektronischen Rechnungsempfang, die unabhängig vom Geltungsbereich des § 1 EGovG für die adressierten Auftraggeber Anwendung finden soll, § 4a Abs. 1 S. 1 EGovG, nunmehr dogmatisch wenig überzeugend aufgeweicht. Der Anwendungs 50

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen, G. v. 4.4.2017, BGBl. I 2017 S. 770. 51 BT-Drs.18/9945, S. 9. 52 Vgl. die Begr. der BReg zum Entwurf des EGovG, BT-Drs. 17/11473, S. 32.

II. Regelung im nationalen Recht 

309

befehl erfordert zum einen die partielle Erweiterung des personellen Anwendungsbereichs des EGovG auf private Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber,53 die an sich keine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit ausüben.54 Zum anderen führt der Verweis auf § 159 Nr. 1–4 GWB zu einer Verengung des Geltungsbereichs des EGovG, dessen es bedarf, um die Anwendbarkeit für die öffentlichen Auftraggeber der Länder auszuschließen. In einem gewissen Spannungsfeld steht insoweit jedoch die Bezugnahme auf § 159 Abs. 1 Nr. 5 GWB, welcher die Organleihe einschließt. In derartigen Fällen, in denen eine Behörde oder Einrichtung eines Landes ein Vergabeverfahren im Namen des Bundes durchführt, gelten diese Stellen zwar formell als Bundesorgane.55 Es erscheint allerdings durchaus zweifelhaft, ob die Einbeziehung der Organleihe tatsächlich intendiert war. Für die fehlende Regelungsabsicht des Bundesgesetzgebers sprechen primär die Gesetzesmaterialien. Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren deutliche Kritik an dieser Bestimmung vorgetragen. Die Länder müssten bei einer Beibehaltung dieser Regelung die einseitig festgelegten Standards für die elektronische Rechnungsstellung des Bundes mindestens zusätzlich übernehmen, um verschiedene Systeme zur Entgegennahme und Verarbeitung elektronischer Rechnungen in einem Land zu vermeiden. Dies greife in die in Art. 84 Abs. 1 GG garantierte Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren der Länder ein.56 Die Bundesregierung stimmt in ihrer Replik daraufhin ausdrücklich dem Vorschlag des Bundesrates zu, die Organleihe aus dem Anwendungsbereich zu exkludieren.57 Dass deren Aufnahme letztlich dennoch – und ohne auf die von Seiten des Bundesrates und der Bundesregierung geäußerten Bedenken überhaupt einzugehen58 – erfolgte, legt nahe, dass es sich um ein redaktionelles Versehen handeln dürfte. Dies verdeutlicht zudem die Gesetzesbegründung. Darin wird zwar bei der Einzelaufführung des Adressatenkreises gleichfalls § 159 Abs. 1 Nr. 1–5 GWB zitiert. Im Anschluss nehmen die Ausführungen jedoch sodann ausschließlich Bezug auf die Fälle des § 159 Abs. 1 Nr. 1–4 GWB.59 Im Ergebnis lässt dies darauf schließen, dass die Organleihe nach der Intention des Gesetzgebers nicht in den personellen Anwendungsbereich einbezogen werden sollte.

53

I. d. S. auch Siegel, LKV 2017, 385 (390 f.). Der DIHK hatte in seiner Stellungnahme aus diesem Grund für eine Regelung im GWB plädiert, vgl. DIHK, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richt­ linie 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen, v. 11.7.2016, S. 1 f. 55 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.1.1983 – 2 BvL 23/81 –, juris, Rn. 103. 56 BR-Drs. 415/1/16, S. 1 f. 57 BT-Drs.18/9945, Anlage 4, S. 24. 58 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 18/10287. 59 BT-Drs.18/9945, S. 14 f. 54

310

F. Elektronische Rechnungsstellung

bb) Sachlicher Anwendungsbereich Die Pflicht zum elektronischen Rechnungsempfang gilt für alle ausgestellten E-Rechnungen nach Erfüllung von öffentlichen Aufträgen, Aufträgen sowie zu Konzessionen. Der sachliche Anwendungsbereich wird unabhängig davon eröffnet, ob die Schwellenwerte des § 106 GWB erreicht werden, § 4a Abs. 1 S. 2 EGovG. Die Einbeziehung der unterschwelligen Vergaben geht über die verbindlichen Mindestanforderungen der E-Rech-RL hinaus, die sich in Anbetracht der auf die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts gestützten Kompetenz des Art. 114 Abs. 1 AEUV ausschließlich auf den Oberschwellenbereich bezieht. Der deutsche Gesetzgeber intendiert mit der Geltung unabhängig vom Erreichen der EU-Schwellenwerte eine weitergehende Vereinfachung und Standardisierung des Rechnungsstellungsverfahrens sowie die Verbesserung der Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Rechnungsstellungs- und -bearbeitungssystemen im nationalen Recht.60 Ökonomisch betrachtet erweist sich dies als sinnvoll, denn quantitativ ist das Rechnungsaufkommen im Unterschwellenbereich deutlich höher als im Oberschwellen­ bereich. Eine nur partielle Umstellung für Vergaben oberhalb der Schwellenwerte würde die Schaffung der technischen Infrastruktur für die elektronische Rechnungsstellung erfordern und gleichzeitig die Aufrechterhaltung von parallelen Prozessstrukturen für papierbasierte Rechnungen. b) Richtlinienkonformität des nationalen Verständnisses der E-Rechnung § 4a Abs. 2 EGovG enthält eine Legaldefinition, nach der eine Rechnung elektro­ nisch ist, wenn diese im strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und das Format die automatische und elektronische Verarbeitung der Rechnung ermöglicht. Die Definition entspricht, wenn auch sprachlich abweichend, inhaltlich der Richtlinienbegriffsbestimmung und wird laut der Gesetzesbegründung lediglich aus Gründen der Rechtsklarheit und -bestimmt­ heit in die nationale Umsetzung aufgenommen.61 Zentrales Merkmal der E-Rechnung bilden die strukturierten Daten. Nur diese ermöglichen eine automatisierte, digitale Weiterverarbeitung. Nicht erfasst werden hingegen Rechnungen, die zwar elektronisch übermittelt werden, aber lediglich aus einer Bilddatei bestehen, etwa in Form von eingescannten Papierrechnungen im JPEG-, TIF- oder reinem PDF-Format.62 Für grundsätzlich vereinbar mit der Legaldefinition erachtet der Gesetzgeber ferner E-Rechnungen, die teilweise aus Bilddateien und teilweise aus

60

BT-Drs.18/9945, S. 10. BR-Drs. 415/16, S. 12. Dazu Schäfer, in: Säcker, MüKoEuWettbR, GWB, § 97, Rn. 359, der die sprachliche Abweichung für nicht überzeugend hält. 62 BR-Drs. 415/16, S. 12 unter Bezugnahme auf ErwGrd Nr. 7 S. 3 E-Rech-RL. 61

II. Regelung im nationalen Recht 

311

strukturierten Daten bestehen.63 In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass solche sog. hybriden Rechnungen zulässig sein sollen, wenn ein Bestandteil der Legaldefinition entspricht.64 Die Richtlinienkonformität dieser Auffassung erscheint zunächst durchaus zweifelhaft, denn die Erwägungen legen nahe, dass der Unionsgesetzgeber nur „maschinenlesbare“ Rechnungen als E-Rechnungen ansieht.65 Allerdings können hybride Rechnungen durch den strukturierten Datensatz, den sie beinhalten, maschinell ausgelesen und automatisch verarbeitet werden, sodass kein grundlegender Widerspruch zu den Richtlinienerwägungen besteht. Ebenso schließt die Richtlinienbegriffsbestimmung hybride E-Rechnungen nicht a priori aus. Der Wortlaut enthält nicht etwa die Einschränkung, dass die Rechnungen „ausschließlich“ in einem strukturierten elektronischen Format auszustellen, zu übermitteln und zu empfangen sind. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass hybride Rechnungen mit dem Begriffsverständnis der E-Rech-RL vereinbar sind, sofern sie neben einer Bilddatei sämtliche relevante Informationen als strukturierte Daten enthalten. 2. Ausgestaltung des elektronischen Rechnungsverkehrs in der E-Rech-VO Auf Grundlage von § 4a Abs. 3 EGovG hat die Bundesregierung die Verordnung über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen des Bundes (E-Rech-VO) am 13. Oktober 2017 erlassen.66 Diese beinhaltet im Wesent­ lichen den Grundsatz der elektronischen Form sowie dessen Ausnahmen und Regelungen zum Datenmodell sowie der Einreichung und Verarbeitung der E-Rechnung bei der Bundesverwaltung, die im Anschluss näher erörtet werden. Ferner enthält § 7 E-Rech-VO eine datenschutzrechtliche Bestimmung zum Schutz der personenbezogenen Daten, die in den Rechnungen enthalten sein können.67

63

BR-Drs. 415/16, S. 12. BR-Drs. 415/16, S. 12. 65 Vgl. ErwGrd Nr. 7 E-Rech-RL. 66 BGBl. I 2017 S. 3555. 67 § 7 Abs. 1 E-Rech-VO bildet insoweit die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten und betont gleichzeitig die Zweckbindung zur Erfüllung haushaltsrechtlicher Vorgaben. § 7 Abs. 2 ERechVO, der die Vornahme technischer und organisatorischer Maßnahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten vorsieht, hat hingegen wohl nur deklaratorische Bedeutung, da sich diese Notwendigkeit bereits unmittelbar aus Art. 32 DS-GVO ergibt. Zum Datenschutz bei der E-Vergabe s. Kap. B. II. 64

312

F. Elektronische Rechnungsstellung

a) Grundsatz der elektronischen Rechnungsstellung aa) Ausstellung und Übermittlung in elektronischer Form Gemäß § 3 Abs. 1 E-Rech-VO trifft die Auftragnehmer die Pflicht, alle Rechnungen, mit denen eine Lieferung oder eine sonstige Leistung abgerechnet wird und die nach Erfüllung von öffentlichen Aufträgen und Aufträgen sowie zu Konzessionen erstellt werden, in elektronischer Form auszustellen und zu übermitteln. Adressiert werden also Unternehmen als Rechnungssteller. Dies geht über den zwingenden Gehalt der E-Rech-RL hinaus, die ausschließlich die Auftraggeber als Rechnungsempfänger adressiert. Die weitergehende Normierung steht jedoch im Einklang mit der Richtlinie, die in den Erwägungen den Mitgliedstaaten ausdrücklich einen Umsetzungsspielraum eröffnet, die elektronische Rechnungsstellung bei öffent­lichen Aufträgen obligatorisch vorzuschreiben.68 bb) Ausnahmen im Unter- und Oberschwellenbereich Der Grundsatz der elektronischen Rechnungsstellung erfährt jedoch sowohl im Unter- als auch im Oberschwellenbereich gewisse Einschränkungen. Die Ausnahme­ tatbestände des § 3 Abs. 3 E-Rech-VO69 sind insoweit abschließend gefasst und restriktiv auszulegen. Unterhalb der europäischen Schwellenwerte besteht keine Verpflichtung für Rechnungssteller zur Ausstellung und Übermittlung einer E-Rechnung nach Erfüllung eines Direktauftrags im Sinne von § 14 S. 1 UgVO bis zu einem Betrag von 1.000 € ohne Umsatzsteuer.70 Dies bildet eine sachlich nachvollziehbare Bagatellgrenze. Trotz des Vorliegens eines Direktauftrags steht es den Vertragsparteien allerdings offen, die elektronische Rechnungsstellung privatautonom zu vereinbaren.71 Im Unterschwellenbereich besteht ferner für deutsche Auslandsvertretungen, d. h. Botschaften, Generalkonsulate, Konsulate sowie ständige Vertretungen bei zwischen- und überstaatlichen Organisationen, keine Pflicht zum elektronischen Rechnungsempfang.72 Dies berücksichtigt wohl vor allem die mitunter erschwerten Rahmenbedingungen im Ausland, insbesondere das Fehlen einer entsprechenden digitalen Infrastruktur.73 68

ErwGrd Nr. 35 S. 3 E-Rech-RL. Dazu oben Kap. F. I. 2. c). Lediglich klarstellende Funktion hat insoweit  – nach hier vertretener Auffassung, vgl. Kap. F. II. 1. a) aa) – die Regelung des § 3 Abs. 3 Nr. 3 E-Rech-VO, der eine generelle Ausnahme von der elektronischen Rechnungsstellung für die Fälle der Organleihe normiert. 70 § 3 Abs. 3 Nr. 1 E-Rech-VO. 71 Vgl. die Begründung zur E-Rech-VO in der Fassung Kabinettsvorlage 1806173, S 8, die online verfügbar ist: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/V/verordnung-elektronischerechnungserstellung-oeffentliches-auftragswesen.pdf?__blob=publicationFile&v=4 [zuletzt abegrufen am 1.12.2018]. Im Folgenden: Endg. Begr. E-Rech-VO. 72 §§ 3 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2, 9 Abs. 1 E-Rech-VO. 73 Dieser Aspekt wird im Unterschwellenbereich ebenfalls in § 53 UgVO zum Ausdruck gebracht, nach dem für Auslandsdienststellen keine Pflicht zur elektronischen Durchführung 69

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Vom Geltungsbereich der E-Rech-VO sowohl im Unter- als auch im Oberschwellenbereich ausgenommen werden zudem geheimhaltungsbedürftige Rechnungsdaten.74 Diese Ausnahme betrifft verteidigungs- und sicherheitsspezifische Aufträge im Sinne von § 104 GWB bzw. § 51 UgVO, für welche die E-Rech-RL im Oberschwellenbereich explizit Ausnahmen zur Wahrung nationaler Sicherheitsinteressen zulässt. Geheimhaltungsbedürftig sind die Rechnungsdaten, wenn der vergebene Auftrag Verschlusssachen beinhaltet, die mit dem Geheimhaltungsgrad „VS-VERTRAULICH“ oder höher75 gekennzeichnet sind, § 8 Abs. 1 S. 1 ­E-Rech-VO.76 Demgegenüber erweist sich der Grad „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ nicht als hinreichend. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 8 Abs. 2 E-Rech-VO, der anordnet, dass die Rechnungsdaten in diesem Fall aus Sicherheitsgründen nicht per E-Mail, wohl aber etwa per DE-Mail,77 übermittelt werden dürfen. Verschlusssachenaufträge im Sinne von § 104 Abs. 3 GWB werden also nicht generell, sondern nur vorgangsbezogen, vom Geltungsbereich der E-Rech-VO ausgenommen. Unberührt soll auch in diesen Fällen die Möglichkeit bleiben, die elektronische Rechnungsstellung im Einzelfall zwischen den Parteien zu vereinbaren.78 b) Anforderungen an die E-Rechnungsstellung aa) Rechnungsausstellung und -übermittlung Die Pflicht für Auftragnehmer zur Rechnungsausstellung und -übermittlung in elektronischer Form, mit der auch ein privater Dienstleister als sog. Rechnungssender beauftragt werden kann, gilt nach Ablauf einer Übergangszeit ab dem 27. November 2020.79 Die „elektronische Form“ bezieht sich in diesem Kontext nicht auf § 126a BGB, der eine qualifizierte elektronische Signatur erfordert. Aus der Verordnungssystematik lässt sich vielmehr schließen, dass sich dies auf die Begriffsbestimmung der E-Rechnung richtet, die die Ausstellung in einem „strukturierten elektronischen Format“ verlangt.80

eines Vergabeverfahrens besteht, Pilarski / ​Bonsack, in: Müller-Wrede, VgV / ​UVgO, § 53 UVgO, Rn. 29. Vor diesem Hintergrund kann bei Beschaffungen im Ausland von der elektronischen Rechnungsstellung auch gänzlich abgesehen werden, wenn der Auftraggenehmer nicht über die technischen Mittel verfügt, E-Rechnungen zu stellen, § 9 Abs. 2 E-Rech-VO. 74 § 3 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 E-Rech-VO. 75 Vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1–3 Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz, SÜG), G. v. 20.4.1994, BGBl. I S. 867, zuletzt geändert durch Art. 4 G. v. 18.7.2017, BGBl. I S. 2732. 76 Vgl. Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 12. 77 Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 12. 78 Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 12. 79 § 11 Abs. 3 E-Rech-VO. 80 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 E-Rech-VO.

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(1) Verwendung EN-konformer Datenaustauschstandards Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 E-Rech-VO haben die Rechnungssteller grundsätzlich den Datenaustauschstandard XRechnung zu verwenden. Der im Rahmen des Steuerungsprojekts E-Rechnung entwickelte XRechnung-Standard, der auf XML basiert und Teil der XÖV-Standards ist, wurde mit dem Beschluss 2017/22 des IT-Planungsrats vom 22. Juni 2017 zum maßgeblichen Standard für die elektronische Rechnungsstellung bei der öffentlichen Auftragsvergabe zur Umsetzung der ­E-Rechnungs-RL erklärt. Bei XRechnung handelt es um eine sog. Kernrechnungsanwendungsspezifikation (Core Invoice Usage Specification (CIUS)), die die vorgegebene Methodik, das semantische Datenmodell und die zugehörigen Geschäftsregeln sowie die aufgelisteten Syntaxen der europäischen Norm zur elektronischen Rechnungsstellung grundlegend abbildet.81 Gleichzeitig präzisiert die nationale CIUS die Informationsbestandteile des Datenmodells für die nationale Verwaltung, um eine möglichst effiziente Abwicklung der verwaltungsinternen Prozesse zu gewährleisten.82 XRechnung stellt künftig den primären Verwaltungsstandard für E-Rechnungen dar. Rechnungssteller können jedoch andere Datenaustauschstandards verwenden, solange diese den Anforderungen der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung entsprechen, § 4 Abs. 1 S. 2 E-Rech-VO. Die gleichwertige Zulassung weiterer Standards gebietet – zumindest im Oberschwellenbereich – bereits die E-Rechnungs-RL, die spiegelbildlich zur Rechnungsstellung die Auftraggeber zum Empfang und Verarbeitung sämtlicher richtlinienkonformen E-Rechnungen verpflichtet. Als alternativen Standard nennt die amtliche Begründung – auf Hinwirken deutscher Wirtschaftsverbände83 – explizit das vom Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) zum Austausch von elektronischen Rechnungen zwischen Wirtschaft und Verwaltung entwickelte Datenformat ZUGFeRD. Als hybrides Rechnungsformat, das auf Daten im strukturierten XML- und im PDF-Format basiert, bietet ZUGFeRD die Möglichkeit, die enthaltenen Rechnungsdaten weiterzuverarbeiten und gleichzeitig als Belegbild zur Anzeige zu visualisieren.84 Das Format wurde in Kooperation mit dem französischen Forum National De La Facture Electronique (FNFE)85 vollständig den Vorgaben 81

Dokumentation des Standards XRechnung, Version XRechnung 1.1, Fassung v. 30.11.2017, S. 7. 82 Dokumentation des Standards XRechnung, Version XRechnung 1.1, Fassung v. 30.11.2017, S. 7. Vgl. dazu Groß / ​Lindgens et. al., in: PSP, Die elektronische Rechnung in der öffentlichen Verwaltung, S. 24 ff. sowie Dopatka, AWV Informationen, Spezial 3/2016, 5 (6 f.). 83 Der RefE enthielt noch keinen derartigen Hinweis, vgl. RefE des BMI v. 22.06.2017, S. 14. Krit. dazu Bitkom, Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen des Bundes (E-Rechnungs-Verordnung) v. 31.7.2017, S. 3 f. Die Begr. der E-Rech-VO wurde in der Kabinettsvorlage um entsprechende Erwägungen ergänzt, vgl. Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 9. 84 Dazu Bögerl / ​Dill / ​Engel-Flechsig et. al., in: Rogall-Grothe (Hg), Leitfaden Elektronische Rechnung, S. 102 ff. 85 Bereits seit 2014 besteht eine bilaterale deutsch-französische Kooperation zwischen FeRD und FNFE zur Entwicklung eines hybriden Rechnungsstandards, welcher die europäischen

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der Europäischen Norm angepasst und vom FeRD-Plenum am 13. September 2017 verabschiedet.86 In der überarbeiteten Version ZUGFeRD 2.0 (Profil EN 16931), die international unter der Bezeichnung FACTUR-X firmiert, können E-Rechnungen in einem reinen strukturierten XML-Format oder weiterhin als hybride Rechnungen erstellt werden. Neben XRechnung und ZUGFeRD dürfte gerade im grenzüberschreitenden Verkehr zudem die PEPPOL-Rechnungsspezifikation Relevanz erlangen, die in der Version BIS Billing 3.0. ebenfalls einen CIUS der europäischen Norm zur elektronischen Rechnungsstellung darstellt.87 (2) Übermittlung über ein Verwaltungsportal des Bundes Die E-Rechnungen sind von den Rechnungsstellern gem. § 4 Abs. 3 S. 1 E-RechVO über ein Verwaltungsportal des Bundes im Sinne von § 2 Abs. 2 OZG88 einzureichen. Das primäre Portal der Bundesverwaltung bildet künftig die Zentrale Rechnungseingangsplattform des Bundes (ZRE)89.90 Die ZRE fungiert als einheitliche Eingangs- und Validierungsstelle, die die E-Rechnungen automatisiert formal prüft und bei korrekter Eingabe an die rechnungsempfangende Stelle mittels einer Leitweg-Identifikationsnummer (Leitweg-ID)91 weiterleitet.92 Der Verweis auf die Legaldefinition des OZG zeigt, dass es sich dabei um eine Fachanwendung des Portalverbundes von Bund und Ländern93 handelt, in dem Verwaltungsportale technisch verknüpft werden.94 Die amtliche Begründung beschreibt vier mögliche Vorgaben berücksichtigt, vgl. https://www.ferd-net.de/aktuelles/meldungen/eine-gemeinsameelektronische-rechnung-in-frankreich-und-deutschland-wird-realitaet.html [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 86 Vgl. https://www.ferd-net.de/aktuelles/meldungen/verabschiedung-zugferd-2.0_profil-​​ en16931.html [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 87 Vgl. http://docs.peppol.eu/poacc/billing/3.0/ [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 88 Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz). 89 Die Konzeption basiert auf dem „Architekturkonzept eRechnung für die föderale Umsetzung in Deutschland  – entwickelt vom Bund und dem Land Bremen“, online verfübar: https://​www.verwaltung-innovativ.de/SharedDocs/Publikationen/Organisation/e_rechnung_ Architekturkonzept.pdf [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 90 Das BMI und das BMF haben am 20.11.2018 die Produktivsetzung der ZRE nach mehrmonatiger Pilotphase bekanntgegeben, vgl. „BMI, BMF, SAP und DATEV geben Startschuss für die Zentrale Rechnungseingangsplattform des Bundes (ZRE)“, Vergabeblog.de, Nr. 39205, v. 27.11.2018, online verfügbar: https://www.vergabeblog.de/2018-11-27/bmi-bmf-sap-unddatev-geben-startschuss-fuer-die-zentrale-rechnungseingangsplattform-des-bundes-zre/ [zuletzt abgerufen am 1.12.2018]. 91 Die Leitweg-ID, die vom Kompetenzzentrum für das Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (KKR) erstellt und verwaltet wird, besteht zur Grobadressierung in den ersten 8 Stellen aus Teil-Merkmalen des Regionalschlüssels (RS) des Statistischen Bundesamtes und enthält weitere Stellen zur Feinadressierung an die jeweilige rechnungsempfangende Stelle. 92 Werres / ​Rebs, in: Vergaberecht 2018, S. 13. 93 Allg. dazu Siegel, DÖV 2018, 185 (186). 94 Vgl. § 2 Abs. 1 OZG.

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F. Elektronische Rechnungsstellung

Übertragungskanäle zur Einbringung der E-Rechnungen.95 Die Daten können zunächst manuell in ein Webformular eingetragen werden. Diese Möglichkeit dürfte sich vor allem an Unternehmen – insbesondere KMU – richten, die nur vereinzelt E-Rechnungen übermitteln. In diesen Fällen würde die Schaffung der technischen Voraussetzungen zur Erstellung strukturierter Datensätze oder die Beauftragung eines Rechnungssenders finanziell eine unverhältnismäßige Belastung bedeuten, weshalb die rein webbasierte Möglichkeit der manuellen Eintragung zu begrüßen ist. Daneben kann die Einreichung über einen Datei-Upload erfolgen. Dies erfordert die vorherige Erstellung der E-Rechnung im strukturierten Format mittels einer externen Software. Dasselbe gilt für die alternativen Übermittlungsoptionen per E-Mail oder DE-Mail an das Verwaltungsportal sowie unter Nutzung eines Webservices über eine entsprechende Schnittstelle.96 Letztere Variante ermöglicht eine automatisierte Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M). Alle vier Einreichungswege setzen die Anlegung eines Nutzerkontos im Sinne von § 2 Abs. 5 OZG voraus, das nach der Registrierung zur Authentifizierung des Rechnungsstellers dient.97 Auch an dieser Stelle wird die Anbindung an den Portalverbund deutlich. In diesem fungieren die Nutzerkonten als zentrale Identifizierungskomponenten, die  – vorbehaltlich besonderer Anforderungen  – für alle Fachanwendungen auf Bundes- und Länderebene genutzt werden können.98 Für die Einreichung einer E-Rechnung an die ZRE ist die vorherige Registrierung eines Nutzerkontos zwingend. Dies ergibt sich insbesondere im Umkehrschluss aus § 4 Abs. 4 S. 1 E-Rech-VO, wonach der Rechnungsempfänger Rechnungen, die keinem Nutzerkonto zugeordnet werden können, abzulehnen hat. Nach der Prüfung der formalen Korrektheit durch die ZRE erhält der registrierte Rechnungssteller automatisiert eine Benachrichtigung, ob die E-Rechnung ordnungsgemäß eingereicht worden ist oder wegen formaler Fehlerhaftigkeit abgelehnt wird.99 bb) Empfang und Verarbeitung der E-Rechnungen Die Auftraggeber müssen E-Rechnungen nach dem Ablauf der Übergangsfristen empfangen und verarbeiten.100 Das Verlangen von papiergebundenen Doppelbelegen erweist sich ab diesem Zeitpunkt als unzulässig.101 Für die öffentlichen 95

Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 9. Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 9. Mit der Entscheidung 2018/46 – Umsetzung der Richtlinie 2014/55/EU (elektronische Rechnungsstellung – E-Rechnung) verpflichtet der IT-Planungsrat „Bund und Länder, mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/55/EU mindestens ­PEPPOL anzubieten, wenn sie einen Webservice zur Einlieferung von elektronischen Rechnun­ gen zur Verfügung stellen.“ S. dazu auch Groß / ​Lindgens et. al., in: PSP, Die elektronische Rechnung in der öffentlichen Verwaltung, S. 30 f. Zu PEPPOL allg. s. Kap.D. III. 3. a) bb) (2) (b). 97 Vgl. § 4 Abs. 3 S. 2 E-Rech-VO. 98 Hierzu Schliesky / ​Hoffmann, DÖV 2018, 193 (196 f.). 99 Vgl. § 4 Abs. 3 S. 3 ff. E-Rech-VO. 100 § 4a Abs. 1 S. 1 EGovG. 101 Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 4. 96

II. Regelung im nationalen Recht 

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Auftraggeber der unmittelbaren Bundesverwaltung ist die Nutzung der ZRE zum Rechnungsempfang verbindlich.102 Die Plattform kann zudem von der mittelbaren Bundesverwaltung sowie allen anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts genutzt werden.103 Aus den Richtlinienvorgaben folgt zudem die Pflicht zur elektronischen Weiterverarbeitung der empfangenen E-Rechnung.104 Dies wird in der E-Rech-VO für die Rechnungsempfänger konkretisiert, die an das automatisierte Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren)105 angeschlossen sind.106 Sie müssen E-Rechnungen mindestens mit einem Webbrowser-gestützten Dialogverfahren medienbruchfrei einsehen und verarbeiten. Für die bundesunmittelbare Verwaltung steht insoweit das sog. HKR@ Web-Dialogverfahren kostenfrei zu Verfügung.107 Alternativ kann auch ein workflowgestütztes ERP-System genutzt werden.108 Den Rechnungsempfängern, die nicht an das HKR-Verfahren angeschlossen sind, soll es hingegen freistehen, die Verarbeitung nach ihrem Ermessen auszugestalten.109 3. Ergebnis Die umfassende Einführung der E-Rechnung bildet einen wesentlichen wei­ teren Schritt zur Digitalisierung des gesamten Beschaffungsprozesses. Die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs auf den Unterschwellenbereich und die Normierung einer Pflicht zur elektronischen Ausstellung und Übermittlung von E-Rechnungen für Unternehmen, die deutlich über die zwingende europäische Mindestharmonisierung hinausgehen, erscheinen geeignet, zu einer deutlichen Erhöhung des elektronischen Rechnungsaufkommens beizutragen, sodass diese Fakturierungsform künftig zum Standard bei der öffentlichen Auftrags- und Konzessionsvergabe werden könnte. Dies wird jedoch im Wesentlichen auch davon abhängen, ob sich die Länder in ihren Umsetzungsakten auf die Normierung der Mindestvorgaben der E-Rech-RL beschränken oder dem Vorbild des Bundes folgen und die elektronische Rechnungsstellung umfassend, insbesondere unabhängig vom Erreichen der EU-Schwellenwerte, einführen. Der aktuelle Umsetzungsstand deutet

102

Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 4. Dazu auch Werres / ​Rebs, in: Vergaberecht 2018, S. 13. Vgl. Werres / Rebs, in: Vergaberecht 2018, S. 13. Es werden derzeit vom Bund Kooperations­ gespräche mit den Bundesländern hinsichtlich der Nutzung geführt, vgl. Gehrt, E-Rechnungsportal – Eines für alle? Behörden Spiegel.de, v. 15.5.2018. 104 Dazu bereits Kap. F. I. 2. c). Vgl. auch Lohmann / ​Werres, in: Rogall-Grothe (Hg), Leitfaden Elektronische Rechnung, S. 21. 105 Zur Funktionsweise vgl. BMF, Das System der öffentlichen Haushalte, S. 49 ff. 106 § 6 Abs. 1 E-Rech-VO. 107 Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 11. 108 Endg. Begr. E-Rech-VO, S. 11. Dies bietet den Vorteil, dass eine Verknüpfung zum gesamten elektronischen Beschafffungsprozess hergestellt werden kann. 109 § 6 Abs. 2 E-Rech-VO. 103

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F. Elektronische Rechnungsstellung

bislang durchaus in letztere Richtung.110 Befördern könnte diese Entwicklung die Zentrale Rechnungseingangsplattform des Bundes, die als Fachanwendung in den Portalverbund von Bund und Ländern integriert wird. Mit dieser Plattform wird eine einheitliche technische Struktur für den Rechnungsempfang zur Verfügung gestellt, die von den Ländern mitgenutzt werden kann111 und damit die Umstellung deutlich vereinfacht.

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Eine Pflicht zum Empfang und der Verarbeitung von E-Rechnungen sehen die bereits verabschiedeten Umsetzungsakte in Bremen, NRW, Schleswig-Holstein und Thüringen vor. Einzig in Bayern bleibt bislang die Verpflichtung auf den Oberschwellenbereich begrenzt. Zum Gesetzgebungsstand s. die Übersicht bei Groß / ​Lindgens et. al., in: PSP, Die elektronische Rechnung in der öffentlichen Verwaltung, S. 44 ff. 111 Das Land Berlin hat bereits angekündigt, eine Verwaltungsvereinbarung über die Mitnutzung der ZRE mit dem Bund zu unterzeichnen, vgl. Pressemitteilung v. 11.12.2018, online verfügbar: https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2018/pressemitteilung.​ 765324.php [zuletzt abgerufen am 12.12.2018].

G. Schlussbetrachtung Nachfolgend werden die wesentlichen Erkenntnisse des Hauptteils zusammengefasst: 1. Die Statuierung des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation in § 97 Abs. 5 GWB leitet einen Paradigmenwechsel im Oberschwellenbereich ein, der die zwingende Umstellung von der papiergestützten hin zu einer vollständig elektro­ nischen Verfahrensdurchführung bewirkt. Die Verankerung in der Zentralvorschrift des materiellen Kartellvergaberechts verdeutlicht, welche maßgebliche Bedeutung der Gesetzgeber der obligatorischen Hinwendung zur E-Vergabe im Rahmen der aktuellen Vergaberechtsmodernisierung beimisst. Die Erstreckung des sachlichen Anwendungsbereichs auf die Konzessionsvergabe, die über die zwingenden Richtlinienvorgaben der KVR hinausgeht, schafft rechtliche Kohärenz mit der Vergabe öffentlicher Aufträge und erweist sich auch aus Effizienzgründen als sinnvoll, da Konzessionsgeber regelmäßig zugleich öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber sind. Die obligatorische Vorgabe der Verwendung elektronischer Mittel gilt für den gesamten Kommunikations- und Informationsaustausch in allen Verfahrensphasen zwischen den Auftraggebern und den Unternehmen. Die Ausgestaltung der internen Prozesse, insbesondere der Aktenführung, wird zwar nicht erfasst, sollte aber gleichfalls elektronisiert werden, um Medienbrüche und die Aufrechterhaltung papierbasierter Parallelstrukturen zu vermeiden. Der Grundsatz der elektronischen Kommunikation durchdringt das gesamte Vergabeverfahren und führt zu einer maßgeblichen Steigerung der Transparenz. Ferner trägt der Einsatz elektronischer Mittel potenziell zur Vereinfachung der grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung im Binnenmarkt bei. Diese Erwägungen, seine systematische Stellung und die sprachliche Fassung der Vorschrift weisen darauf hin, dass es sich bei § 97 Abs. 5 GWB um eine Bestimmung über das Vergabeverfahren im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB handelt, die eine subjektive Rechtsposition vermittelt. 2. Die besonderen elektronischen Methoden und Instrumente in Form dyna­ mischer Beschaffungssysteme, elektronischer Auktionen und elektronischer Kataloge bilden Sonderformen der E-Vergabe. Ihre Anwendung steht im Ermessen des Auftraggebers. Die technischen Voraussetzungen für deren Einsatz müssen nicht zwingend geschaffen werden. 3. Elektronische Mittel sind Geräte und Programme für die elektronische Übermittlung von Daten, einschließlich deren Verarbeitung und Speicherung, mittels

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G. Schlussbetrachtung

Kabel, per Funk, mit optischen Verfahren oder mit anderen elektromagnetischen Verfahren. 4. Die grundlegenden Anforderungen an die im Verfahren eingesetzten elek­ tronischen Mittel in Form der allgemeinen Verfügbarkeit, der Nichtdiskriminierung und der Kompatibilität mit allgemein verfügbaren Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnik sowie das Verbot der Zugangs­ einschränkung dienen in ihrer Gesamtheit dem Zweck, allen Unternehmen einen ungehinderten Zugang zum elektronischen Vergabeverfahren zu ermöglichen. Sie sind vom Auftraggeber bei der Auswahl und der technischen Ausgestaltung der elektronischen Mittel als Leitprinzipien zu beachten. 5. Die Gewährleistung der Barrierefreiheit stellt besondere Anforderungen an die im Verfahren eingesetzten elektronischen Mittel. Die durch Verweis unmittelbar im Anwendungsbereich der Vergabeverordnungen geltenden §§ 4, 12a und 12b BGG verwirklichen in besonderem Maße die Vorgaben der ergänzend anzuwendenden Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen und entsprechen den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Bestimmungen sind insbesondere bei der Gestaltung webbasierter E-Vergabeplattformen verbindlich zu berücksichtigen, stehen jedoch im Einzelfall unter dem Vorbehalt der unverhältnismäßigen Belastung. 6. Die fehlende Interoperabilität der eingesetzten technischen Systeme erwies sich in der Vergangenheit als eines der zentralen Hindernisse für die Verbreitung der E-Vergabe. Das zwingende Erfordernis einer einheitlichen Datenaustauschschnittstelle für die im Verfahren verwendeten elektronischen Mittel sichert künftig ein Mindestmaß an Interoperabilität der E-Vergabesysteme und deren Bedienkonzepte. Die nationale Standardsetzung in Form der XVergabe-Kommunikationsstelle bildet einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Im Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts sollte es jedoch weiterhin das Ziel sein, auch grenzüberschreitend die Interoperabilität zu verbessern, um die technischen Hindernisse für den Wettbewerb im Binnenmarkt abzubauen. Die Einbindung des Standards in die auf europäischer Ebene entwickelten Interoperabilitätslösungen sollte daher eine wesentliche Priorität bilden. 7. Alternative elektronische Mittel sind solche, die nicht für jedermann verfügbar sind und auch nicht – gegebenenfalls gegen marktübliches Entgelt – bei Bedarf erworben werden können. Als Ausnahme zum Grundsatz der Verwendung allgemein verfügbarer elektronischer Mittel bedarf es der restriktiven Auslegung des Anwendungsbereichs. Ihr Einsatz kann aus Sicherheitsgründen im Fall besonders sensibler Daten und aus anderen sachlichen Gründen erwogen werden, die über allgemeine Sicherheitsbedenken oder reine Zweckmäßigkeitserwägungen des Auftraggebers hinausgehen. Anwendungsvoraussetzung ist, dass der Auftraggeber die alternativen elektronischen Mittel selbst verwendet und einen Zugang in hinreichender Form bereitstellt. Dies kann auch mittels provisorischer Token oder eines alternativen Kanals gewährleistet werden.

G. Schlussbetrachtung

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8. Elektronische Mittel zur Bauwerksdatenmodellierung stellen einen Sonderfall alternativer elektronischer Mittel dar. Die Nutzung von Bauwerksdatenmodellierungssystemen kann vom Auftraggeber sowohl bei der elektronischen Verfahrensdurchführung als auch nach Zuschlagserteilung als Ausführungsbestimmung verlangt werden. 9. Das allgemeine Gebot zur Wahrung der Integrität der Daten und der Vertraulichkeit der Verfahrenserklärungen beim gesamten Kommunikationsaustausch und der Speicherung von Informationen dient maßgeblich der Sicherstellung des manipulationsfreien und geheimen Wettbewerbs im Vergabeverfahren. Für die elektronische Kommunikation wird es zum einen durch die Maßgabe konkretisiert, dass ausschließlich solche elektronischen Mittel zu verwenden sind, die die Unversehrtheit, die Vertraulichkeit und die Echtheit der Daten sicherstellen. Zum anderen sind spezielle technische Mindestanforderungen durch die elektronischen Mittel zu gewährleisten, die zum Empfang der Verfahrenserklärungen verwendet werden. Zwar richten sich diese Maßgaben an die Sicher-stellung der Datensicherheit primär an den Auftraggeber. Allerdings beginnt dessen Verantwortlichkeit erst mit vollständiger Übertragung der Daten in seinen technischen Einflussbereich. 10. Der Auftraggeber hat das erforderliche Sicherheitsniveau bezüglich der Absenderidentifizierung und der Datenunversehrtheit in den einzelnen Verfahrens­ phasen im Verhältnis zu den Risiken festzulegen. Die Vorgabe, dass der Auftraggeber ausschließlich solche elektronischen Mittel zu verwenden hat, die die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Echtheit der Daten gewährleisten, begrenzt den Abwägungsrahmen seiner Entscheidung. Die Vorgabe der Verwendung elektronischer Signaturen und Siegel im Sinne der eIDAS-VO als spezifisches Sicherungsmittel zur Gewährleistung der Echtheit und Unversehrtheit der Daten setzt voraus, dass der Auftraggeber in einer Einzelfallabwägung zu dem Ergebnis kommt, dass erhöhte Sicherheitsanforderungen an die zu übermittelnden Verfahrenserklärungen zu stellen sind. Dafür muss die Authen­ tifizierung der Datenquelle und die Unversehrtheit der Daten wegen der Umstände des Einzelfalls so bedeutsam erscheinen, dass eine falsche Zuordnung des Inhalts einer konkreten Erklärung den Verfahrensfortgang oder das Beschaffungsvorhaben gefährden könnte. In der Gesamtbetrachtung hat der Verordnungsgeber mit diesen Bestimmungen, zumindest inzident, ein hinreichendes Rahmenkonzept zur Festlegung des Sicherheitsniveaus in den Vergabeverordnungen normiert, wie es in den Richtlinien verlangt wird. 11. Für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen wird in Anlehnung an die Richtliniensystematik eine übergreifende Vorschrift in den Vergabeverordnungen normiert, die zwar hinsichtlich einzelner formaler Modalitäten des Veröffent­ lichungsprozesses hinter dem Inhalt der Richtlinien zurückbleibt, sich aber noch

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G. Schlussbetrachtung

als richtlinienkonform erweist. Die Bekanntmachungen sind anhand der EU-Standardformulare zu erstellen und mit elektronischen Mitteln, d. h. mittels der von SIMAP vorgegebenen Verfahren, an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union zu übermitteln. In Bezug auf den Inhalt der Bekanntmachung bedarf es für die wirksame Einbeziehung der Eignungsanforderungen gemäß § 122 Abs. 4 S. 2 GWB grundsätzlich der vollständigen Auflistung in der Auftragsbekanntmachung. Eine Verlinkung in die Vergabeunterlagen ist nur in engen Grenzen zulässig. Allenfalls erscheint die Angabe eines Direktlinks, nicht aber eine pauschale Verlinkung auf die Gesamtheit der Vergabeunterlagen, mit dem Wortlaut gerade noch vereinbar. Ein Beschafferprofil kann fakultativ als zusätzliche Informationsquelle von öffentlichen Auftraggebern, Sektorenauftraggebern sowie Konzessionsgebern eingerichtet werden. 12. Die Vergabeunterlagen sind grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt unter einer Internetadresse bereitzustellen. Die umfängliche und zentrale Bereitstellung dient nicht nur der Steigerung der Transparenz, sondern auch zur Beschleunigung des Verfahrens, wodurch die Verkürzung der Mindestfristen sachlich gerechtfertigt ist. Die Unentgeltlichkeit ist umfassend zu verstehen und bezieht sich auf sämtliche im Zusammenhang mit der Abrufbarkeit stehende Prozessschritte, d. h. es dürfen keinerlei durch den Abruf bedingte, also unmittelbar kausale, Kosten entstehen. Entgeltpflichtige Mehrwertleistungen bleiben hingegen weiter zulässig. Die Uneingeschränktheit erfordert, dass weder technische, zeitliche noch perso­ nelle Zugangsbeschränkungen einem Abruf entgegenstehen. Eine obligatorische Registrierung ist mit letzterem nicht vereinbar. Der anonyme Zugriff auf die Vergabeunterlagen begründet eine Holschuld der Interessenten, sich eigenverantwortlich bezüglich des aktuellen Standes zu informieren. Bei einer freiwilligen Registrierung, die fakultativ angeboten werden kann, trifft hingegen den Auftraggeber eine aktive Informationspflicht, die registrierten Unternehmen über Aktualisierungen, etwa mittels eines Push-Dienstes, zu informieren. Die vollständige Bereitstellung erfordert, dass sämtliche Vergabeunterlagen und nicht nur Teile derselben ab dem Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung abgerufen werden können. Dies gilt grundsätzlich auch bei zweistufigen Verfahren. Insbe­sondere die genetische Auslegung legt nahe, dass der Verordnungsgeber eine bewusste Abkehr von der bisherigen Praxis, die Vergabeunterlagen parallel zum Teilnahmewettbewerb zu finalisieren, vollziehen wollte. Für die direkte Abrufbarkeit bedarf es der Ermöglichung eines medienbruchfreien elektronischen Zugriffs, ohne wesentliche Zwischenschritte und ohne Zeitverlust. Hierzu ist eine syntaktisch fehlerfreie Adresse zu einem spezifischen Unterverzeichnis der Internetseite anzugeben (Deep Link), aus dem die Vergabeunterlagen vollständig abgerufen werden können.

G. Schlussbetrachtung

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Diese Anforderungen bedingen eine wesentliche Neuorganisation der Bereitstellung der Vergabeunterlagen im Vergleich zur bisherigen Vergabepraxis. Die dadurch bewirkte vereinfachte Zugänglichkeit und die damit einhergehende Transparenzsteigerung, erscheinen allerdings als geeignet, den Interessentenkreis zu vergrößern und damit den Wettbewerb zu fördern sowie langfristig zur Verbesserung der Qualität der Vergabeunterlagen beizutragen. 13. Die Verfahrenserklärungen sind grundsätzlich in Textform, § 126b BGB, anhand elektronischer Mittel einzureichen. Die grundsätzliche Abkehr von einem zwingenden Signaturerfordernis bewirkt eine erhebliche Vereinfachung, die zur Verbesserung der Akzeptanz seitens der Bewerber bzw. Bieter für die obligatorische elektronische Übermittlung führen wird. Die Verfahrenserklärungen müssen als empfangsbedürftige verkörperte Willens­ erklärungen unter Abwesenden dem Auftraggeber zugehen. Bei Verwendung einer E-Vergabeplattform als Empfangsvorrichtung erreichen die Erklärungen den Machtbereich des Auftraggebers, wenn sie verschlüsselt übertragen und in dieser Form abrufbar auf den zugrunde liegenden Servern gespeichert werden. Da zur Gewährleistung des Geheimwettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Verfahrensteilnehmer die Möglichkeit der vorzeitigen Kenntnisnahme des Auftraggebers technisch auszuschließen ist, tritt der Zugang im Rechtsinn erst mit Ablauf der Einreichungsfrist ein, obgleich sich die Erklärungen schon zuvor in dessen Sphäre befinden. Verspätet zugegangene Verfahrenserklärungen sind aufgrund des Grundsatzes der Gleichbehandlung zwingend auf erster Wertungsstufe auszuschließen. Von einem Ausschluss ist allerdings abzusehen, wenn der Bewerber bzw. Bieter die Verspätung nach den Maßstäben der §§ 276 ff. BGB nicht zu vertreten hat. Bei technischen Schwierigkeiten bedarf es einer Abgrenzung der Verantwortungssphären. Ein Bewerber bzw. Bieter trägt grundsätzlich das Übermittlungsrisiko. Dementsprechend muss er alles Zumutbare und Erforderliche unternehmen, um den Eingang der Erklärungen in den Machtbereich des Auftraggebers bis zum Fristablauf zu erreichen. Er ist darlegungs- und beweispflichtig, dass er rechtzeitig mit der Datenübermittlung begonnen hat und technische Schwierigkeiten, die eine Datenübertragung vorübergehend oder gänzlich verhindert haben, nicht aus seiner Einflusssphäre stammen. 14. Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) dient im Vergabeverfahren als vorläufiger Nachweis für die Erfüllung der Eignungskriterien sowie für das Fehlen von Ausschlussgründen. Sie ist elektronisch (eEEE) anhand des EUStandard­formulars zu erstellen. Im Anwendungsbereich der VgV besteht nur eine Akzeptanz-, aber keine Verwendungspflicht für öffentliche Auftraggeber. Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber können die eEEE fakultativ im Verfahren zulassen, sind aber nicht verpflichtet, eine solche zu akzeptieren. Das Wesen der eEEE als vorläufiger Nachweis bedingt eine zweistufige Prüfung. Im Regelfall hat nur der für den Zuschlag ausgewählte Bieter zur endgültigen Eig-

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nungsprüfung auf zweiter Stufe die angeforderten Bescheinigungen und sonstigen Nachweise elektronisch innerhalb einer angemessenen Frist zu übermitteln. Dies führt zwar einerseits zur Entlastung der Unternehmen und öffentlichen Auftraggeber. Die Verlagerung der endgültigen Eignungsprüfung auf den Zeitpunkt erst kurz vor Zuschlagserteilung birgt jedoch strategische Nachteile für die Verfahrensdurchführung, wenn der ausgewählte Bieter die Unterlagen letztlich nicht erbringen kann. Als bloß vorläufige Nachweisform bildet die eEEE im Kartellvergaberecht das schwächste der zulässigen Nachweismittel. Die Attraktivität ihrer Nutzung könnte sich allerdings künftig erhöhen, wenn die Mitgliedstaaten zentrale Datenbanken einrichten, welche die Nachweise enthalten, die in dem Standardformular unmittelbar verlinkt werden können, sodass der öffentliche Auftraggeber diese elektronisch, bestenfalls sogar automatisiert, abrufen kann. 15. Bei e-Certis handelt es sich um eine elektronische Referenzdatenbank, die dem Austausch von häufig verwendeten Bescheinigungen und anderen Nachweisen zwischen den Auftraggebern der Mitgliedstaaten sowie den der EEA-Staaten dient. Das Online-Dokumentenarchiv erleichtert die Prüfung der Gleichwertigkeit von ausländischen Dokumenten mit nationalen Nachweisen. Im Anwendungsbereich der VgV sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, wenn sie Bescheinigungen und sonstige Nachweise verlangen, primär solche anzufordern, die von e-Certis abgedeckt werden. Obgleich für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber in dieser Hinsicht keine Verpflichtung besteht, sollten auch sie zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Beteiligung bei der Anforderung von Bescheinigungen und sonstigen Nachweisen solche priorisieren, die von e-Certis erfasst sind. 16. In Abweichung vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation dürfen andere als elektronische Mittel im Vergabeverfahren eingesetzt werden, wenn im Einzelfall eine begründungspflichtige Ausnahme vorliegt. Die Ausnahmetat­ bestände sind abschließend im Kontext der Bereitstellung der Vergabeunterlagen sowie in Bezug auf die Einreichungsverfahren normiert. Deren Reichweite begrenzt sich jeweils auf die Teile der bereitzustellenden oder zu übermittelnden Unterlagen, die von der Ausnahme erfasst werden. Von der unentgeltlichen, uneingeschränkten, vollständigen und direkten Bereitstellung der Vergabeunterlagen kann ausnahmsweise aus technischen Gründen und zum Schutz der Vertraulichkeit abgesehen werden. In der jeweiligen Ausnahmebestimmung der VgV und SektVO werden die technischen Gründe normiert, die in den Richtlinien im Kontext der Einreichungsverfahren geregelt sind, ohne dass diese abweichende Konstellation inhaltlich hinreichend Berücksichtigung findet. Die Ausnahme, dass spezifische Dateiformate zur Beschreibung der Angebote zu verwenden sind, hat für den Abruf der Vergabeunterlagen keine Bewandtnis, sondern findet erst im Zusammenhang der Angebotseinreichung Anwendung.

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Zum Schutz der Vertraulichkeit der Informationen, die den Unternehmen im Verfahren zur Verfügung zu stellen sind, liegt es im Ermessen des Auftraggebers, Maßnahmen vorzuschreiben, die den Zugang zu den Vergabeunterlagen beschränken. Insbesondere kann er die Überlassung von Dokumenten von der Zusicherung des vertraulichen Umgangs abhängig machen. In den Einreichungsverfahren kann die Übermittlung der Verfahrenserklärungen auf einem anderen geeigneten Weg verlangt werden, soweit eine Ausnahme aus Sicherheitsgründen oder aus technischen Gründen einschlägig ist. Der Anwendungsbereich der Ausnahmen aus technischen Gründen wird in der VgV – im Gegensatz zur SektVO – auf die Angebotseinreichung begrenzt. Dabei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers, die zwar von der Bestimmung in der VRL abweicht, aber mit der Zielsetzung des Unionsgesetzgebers grundlegend vereinbar ist. Für die Begründung einer Ausnahme aus Sicherheitsgründen bedarf es entweder der Feststellung der besonderen Empfindlichkeit der zu übermittelnden Daten, sodass weder elektronische noch alternative elektronische Mittel ein hinreichendes Schutzniveau bieten, oder einer bereits eingetretenen Sicherheitsverletzung in Form einer nachweislichen Kompromittierung der IT-Infrastruktur. Beiden Ausnahmen kommt nur ein enger Anwendungsbereich zu. Während die Ausnahmeregelung für die Übermittlung von Angeboten und Teilnahmeanträgen auf anderem geeigneten Weg in der KonzVgV derjenigen in der VgV und SektVO weitgehend entspricht, weicht die Ausnahmeregelung im Kontext der Bereitstellung der Vergabeunterlagen sprachlich deutlich ab. Die Systematik der KonzVgV und die amtliche Begründung legen jedoch ein paralleles Verständnis zu den Vorschriften der anderen Vergabeverordnungen nahe. Die Umsetzung der Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation weist zahlreiche Ungereimtheiten auf und erscheint insgesamt als misslungen. 17. Die mündliche Kommunikation bleibt im Vergabeverfahren zwar weiterhin zulässig. Als Ausnahme vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation besteht jedoch nur noch ein enger Anwendungsbereich, der sich auf nachrangige Aspekte begrenzt, die keine wesentlichen Verfahrensbestandteile betreffen. Zur Wahrung der Verfahrenstransparenz und Nachvollziehbarkeit der Gleichbehandlung aller Bewerber bzw. Bieter bedarf es stets einer ausreichenden Dokumentation in geeigneter Weise, die im Einzelfall mit der Bedeutung der Gesprächsinhalte korreliert. Einen Sonderfall bilden Verhandlungen im Rahmen des Verhandlungsverfahrens, des Wettbewerblichen Dialogs sowie der Innovationspartnerschaft und bei der Konzessionsvergabe. Ihre Durchführung richtet sich jeweils nach vorrangigen Spezialvorschriften, welche die Verfahrenstransparenz und die Gleichbehandlung der Verfahrensteilnehmer hinreichend sicherstellen, sodass die allgemeine Maß-

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gabe, welche die mündliche Kommunikation grundsätzlich einschränkt, in diesen Fällen systematisch keine Anwendung findet. 18. Im Ergebnis wird mit der Umsetzung des europäischen Richtlinienpakets ein umfassender und – abgesehen von der Normierung der Ausnahmen – in weiten Teilen überzeugender, kohärenter Rechtsrahmen für die E-Vergabe im Kartellvergaberecht normiert. Der Weg hin zur obligatorischen Elektronisierung des Vergabe­ verfahrens wird damit unausweichlich eingeschlagen. 19. Im Haushaltsvergaberecht ist zumindest partiell eine funktionale Annäherung des Rechtsrahmens an den Oberschwellenbereich zu konstatieren. Die Kommunikationsvorschriften der neu geschaffenen UVgO entsprechen im Wesentlichen denjenigen des Kartellvergaberechts. Für die Vergabe von Lieferund Dienstleistungen bewirkt dies gleichfalls eine obligatorische Hinwendung zur E-Vergabe. Die kongruente Regelungsstruktur zwischen VgV und UVgO führt zur Vereinheitlichung der digital abzubildenden Prozessschritte und trägt damit insgesamt zu einer Vereinfachung sowohl für Auftraggeber als auch für Unternehmen bei. Insbesondere ist zu begrüßen, dass dieselben technischen Anforderungen an die elektronischen Mittel gestellt werden, sodass einheitliche E-Vergabesysteme beschafft und verwendet werden können. Die Verlängerung der Übergangsfristen findet ihre Rechtfertigung in dem Umstand, dass es jeweils eines Anwendungs­ befehls der einzelnen Länder bedarf. Deutliche Unterschiede bestehen jedoch in Bezug auf die Vergabe von Bauleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte. Der erste Abschnitt der VOB / ​A sieht weiter nur die fakultative Verwendung elektronischer Mittel im Vergabeverfahren vor. Diese Inkongruenz zwischen den Kommunikationsvorschriften der UVgO und denen des ersten Abschnitts der VOB / ​A trüben damit das Gesamtbild eines kohä­ renten Rechtsrahmens für die E-Vergabe im Ober- und Unterschwellenbereich. Es wäre wünschenswert, dass zukünftig auf eine weitgehende Rechtsangleichung hingewirkt wird. 20. Die Einführung der verbindlichen elektronischen Rechnungsstellung bei der öffentlichen Auftragsvergabe bildet einen weiteren wesentlichen Schritt zur Digitalisierung des gesamten Beschaffungsvorgangs. Mit der Einbeziehung von privaten Sektorenauftraggebern und Konzessionsgebern sowohl im personellen als auch durch die Erstreckung auf den Unterschwellenbereich im sachlichen Anwendungsbereich geht die Umsetzung im EGovG auf Bundesebene deutlich über die zwingende europäische Mindestharmonisierung hinaus. Diese weitreichende Regelung und die ergänzende Normierung einer Pflicht zur elektronischen Rechnungsausstellung für Unternehmen erscheinen in ihrer Gesamtheit geeignet, zu einer deutlichen Erhöhung des elektronischen Rechnungs­ aufkommens beizutragen, sodass diese Fakturierungsform künftig zum Standard bei der öffentlichen Auftrags- und Konzessionsvergabe werden könnte.

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Dies wird jedoch im Wesentlichen auch davon abhängen, ob die Länder in ihren Umsetzungsakten dem Vorbild des Bundes folgen. Befördern könnte diese Entwicklung die Zentrale Rechnungseingangsplattform des Bundes, die als Fachanwendung in den Portalverbund von Bund und Ländern integriert wird. Mit dieser Plattform wird eine einheitliche technische Struktur für den Rechnungsempfang zur Verfügung gestellt, die von den Ländern mitgenutzt werden kann und damit die Umstellung deutlich erleichtert. 21. Bei abschließender Gesamtbetrachtung kann konstatiert werden, dass – initiiert durch die europäischen Vorgaben  – sowohl im Ober- als auch im Unterschwellenbereich ein im Wesentlichen gelungener Rechtsrahmen zur Förderung der durchgängig elektronischen Vergabe geschaffen worden ist. Die rechtlichen Vorgaben sollten als Chance begriffen werden, in einem koordinierten Vorgehen ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das die elektronische Prozessabwicklung optimiert, um den Beschaffungsvorgang effizienter, transparenter und ressourcenschonender zu gestalten.

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Sachwortverzeichnis Alternative elektronische Mittel  126 ff., 320 − Anwendbarkeit nicht umgesetzter Richt­ linienszenarien  137 f. − Bauwerksdatenmodellierung (BIM)  139 ff., 321 − Provisorische Token  131 f. − Restriktiver Anwendungsbereich  134 f. Ausnahmen von der E-Vergabe  251 ff., 324 f. − Konzessionsvergabe  264 f., 279 f., 325 − Sicherheitsausnahmen  258 ff., 263 f., 271 ff., 276 ff. − Technische Ausnahmegründe  256 ff., 262 f., 267 ff., 274 ff. − Unterschwellenbereich  297 f. − Verschwiegenheitserklärung  272 f. Barrierefreiheit  104 ff., 320 − Pflichtumfang  110 ff. − Richtlinie (EU) 2016/2102  105 ff., 320 − UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)  104 f., 110 ff. − Unterschwellenbereich 292 Bekanntmachung  179 ff., 321 f. − Elektronische Übermittlung  189 f., 322 − EU-Standardformulare  184 f. − SIMAP  49, 51 f., 181, 193, 321 f. − TED eSender  181, 189 f. − Unterschwellenbereich  293 f. − Verlinkung der Eignungsanforderungen  185 ff., 322 Bekanntmachungsplattformen 94 − bund.de 293 − SIMAP  49, 51 f., 181, 193, 321 f. − Tenders Electronic Daily (TED)  49, 94 Beschafferprofil 180, 182 ff., 191 ff., 202, 322 Datenschutz  37 ff. − Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit  40 f. − Grundsätze  41 ff.

− Personenbezogene Daten  38 ff. − Rechtsfolgen bei Datenschutzrechtsverstößen  46 f. − Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung  43 f. Datensicherheit  26 ff., 143 ff., 321 − Authentizität/ Echtheit  29 ff., 164 ff. − Datenverschlüsselung  27 ff., 146 ff., 153 ff. − Festlegung des Sicherheitsniveaus  166 f., 171 ff., 321 − Integrität / Unversehrtheit  29 ff., 144 f., 164 ff. − OSCI  154 f., 159 − Public-Key-Infrastruktur 30 − TLS/SSL  28 f., 153 f. − Verantwortungsverteilung  163 f., 321 − Vertraulichkeit  27 ff., 144 f., 150 f. − Unterschwellenbereich 292 DE-Mail  101, 155 f., 159, 202, 313, 316 Durchgängig elektronische Vergabe (end-toend procurement)  22, 301, 307, 327 Dynamische Beschaffungssysteme (DBS)  84 ff., 90, 319 e-Certis  242 ff., 249 f., 324 eIDAS-VO  26 ff. − eID des Personalausweises  27, 154 − elektronische Signaturen und Siegel  29 ff., 167 ff., 173 ff., 295, 321 − Qualifizierte elektronische Zeitstempel  37 f., 148, 157 f. − Rechtswirkung und Beweisregeln  35 f. − Vertrauensdienste  26 f. − Vertrauensliste  31, 169 f. Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)  234 ff., 323 − Akzeptanzpflicht  240 f., 244 f., 249 f. − Anwendung im Bereich der SektVO  /  KonzVgV  249 f. − Elektronische Form  245 − EU-Standardformular  236 f. − Unterschwellenbereich 296

348

Sachwortverzeichnis

− Zweistufige Nachweisführung 238 f., 246 ff., 323 f. Elektronische Auktionen (E-Auktionen)  86 ff., 319 Elektronische Kataloge (E-Kataloge) 88 ff., 319 Elektronische Mittel  91 ff. 319 f. − Definition  91, 93, 319 f. − E-Vergabeplattform  94 f., 112 ff., 123 ff., 153 ff., 185, 191, 202, 212, 224 f., 228 ff., 237, 287, 292 Elektronische Rechnungsstellung  301 ff., 326 f. − Anwendungsbereich der Richtlinie  2014/ 55/EU (E-Rech-RL) 304 − Ausnahmen von der elektronischen Rechnungsstellung  312 f. − FACTUR-X 315 − Hybride Rechnungsformate  311 − Semantische Interoperabilität  305 f. − Umsetzung im E-Government-Gesetz (EGovG)  24, 308 ff., 326 − XRechnung 314 − Zentrale Rechnungsplattform des Bundes (ZRE)  315 ff., 327 − ZUGFeRD 315 Elektronische Siegel  34 f., 167 ff., 173 ff., 185, 295, 321 − Fortgeschrittene und qualifizierte elektronische Siegel  34 f., 154 − Rechtswirkung und Beweisregeln  36 Elektronische Signaturen  29 ff., 167 ff., 173 ff., 185, 221, 295, 321 − Fernsignaturen  32 ff. − Fortgeschrittene elektronische Signaturen  32 f., 56, 169, 173 ff. − Qualifizierte elektronische Signaturen  33 f., 53 f., 56, 154, 167 ff., 221 f., 234, 313 − Rechtswirkung und Beweisregeln  35 f. − Standardformate  168 f. − Unterschwellenbereich 295 − Vertrauensliste  31, 169 f. E-Mail  195, 201 f., 212, 218, 222, 224, 232, 294, 313, 316 E-Vergabeakte  78 ff., 291, 319 E-Vergabeplattform 94 f., 112 ff., 123 ff., 153 ff., 185, 191, 202, 212, 224 f., 228 ff., 237, 287, 292 − Empfangsvorrichtung  224 f. − Funktionsstörungen  230 ff.

− − − −

Lizenzmodell 95 Push-Dienst  212, 322 Software-as-a-Service (SaaS)  95 Zugang elektronischer Verfahrenserklärungen  223 ff., 323

Interoperabilität 56, 72, 98, 115 ff., 305 f., 292, 320 − CEN BII Profiles  118, 121 − e-SENS  119 ff., 121 − Europäische Standardsetzung  89, 116 ff., 121 − PEPPOL  119, 121, 315 − Semantische Interoperabilität  305 f. − XVergabe  122 ff. Kompatibilität  98 f., 101 f., 233, 292, 268, 320 Konzessionsvergabe  67 ff., 71 f., 75 f., 304, 319, 325 f. − Anwendungsbereich  67 ff., 75 f. − Ausnahmen  264 f., 279 f., 325 − Grundsatz der freien Verfahrensgestaltung  69, 199 Provisorische Token  131 f., 137 f., 320 Subjektive Rechtsposition  82 f., 319 TCP/IP-Referenzmodell  25 f. Telefax  50, 75, 92, 128, 295 Telefon  75, 128, 281 ff. Textform  79, 173, 221 ff., 234, 285, 288 f., 295, 323 Unterschwellenbereich  290 ff. − Regelung in der UVgO  290 ff. − Regelung in der VOB/A  298 f. − Spezifische Ausnahmeregelungen  297 f. Vergabekoordinierungsrichtlinien VRL / SRL  21, 54 ff. Vergabeunterlagen  193 ff, 322 f. − Begriff  195, 198 f. − Bereitstellungsdauer  205 ff. − Bereitstellungspflicht im zweistufigen Verfahren  213 ff. 322 − Bereitstellungszeitpunkt  199 ff. − Deep Link  294, 322

Sachwortverzeichnis − Direktheit  196 f., 218 f., 322 − Internetadresse  195, 201 f. − Registrierungsverbot  208 ff. − Uneingeschränktheit  196 f., 204 ff., 322 − Unentgeltlichkeit  197, 202 ff., 322 − Unterschwellenbereich 294 − Vollständigkeit  196 f., 213 ff., 322 Virtual Private Network (VPN) 131, 256, 268, 278

Wettbewerbsregister  39, 248, 296 XVergabe  122 ff., 320 − Kommunikationsschnittstelle  124 f. − Projekt XVergabe  123 f. − Unterschwellenbereich 292 − XVergabe-fähige Bieterclients  231 f. Zusammenfassung in Thesen  319 ff.

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