Due Diligence bei M&A-Transaktionen: Voraussetzungen und Grenzen bei Börsengängen, Fusionen, Übernahmen, Beteiligungskäufen, Private Equity und Joint Ventures [1 ed.] 9783428517022, 9783428117024

Der Einzug der Due Diligence in die deutsche Wirtschaftspraxis hat zahlreiche Rechtsprobleme aufgeworfen, die Gegenstand

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German Pages 339 Year 2005

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Due Diligence bei M&A-Transaktionen: Voraussetzungen und Grenzen bei Börsengängen, Fusionen, Übernahmen, Beteiligungskäufen, Private Equity und Joint Ventures [1 ed.]
 9783428517022, 9783428117024

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 1

Due Diligence bei M&A-Transaktionen Voraussetzungen und Grenzen bei Börsengängen, Fusionen, Übernahmen, Beteiligungskäufen, Private Equity und Joint Ventures

Von

Kai Haakon Liekefett

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KAI HAAKON LIEKEFETT

Due Diligence bei M&A-Transaktionen

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Bonn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 1

Due Diligence bei M&A-Transaktionen Voraussetzungen und Grenzen bei Börsengängen, Fusionen, Übernahmen, Beteiligungskäufen, Private Equity und Joint Ventures

Von

Kai Haakon Liekefett

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 3-428-11702-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort der Herausgeber Das europäische und internationale Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht hat in den letzten Jahren eine bisher ungekannte Dynamik entfaltet, die unser nationales Recht nachhaltig beeinflusst. Die Entwicklung lässt sich mit wenigen Stichworten skizzieren: Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften, die Arbeiten der SLIM-Gruppe und der High Level Group zur Reform des Europäischen Gesellschaftsrechts, der Aktionsplan der EU-Kommission sowie die ersten Schritte seiner Umsetzung, die Erschütterungen und Auswirkungen der Bilanzskandale auf beiden Seiten des Atlantiks etwa in Gestalt des Sarbanes Oxley Act im Bereich der Abschlussprüfung und des Berufsrechts der Wirtschaftsprüfer, die Internationalisierung der Rechnungslegung mit ihren Konsequenzen für die tradierte Funktionsbestimmung der Bilanzierung und für den Gläubiger- und Kapitalschutz, aber auch die Querverbindungen zum nationalen Recht, etwa im Bereich des Rechts der Unternehmensgruppe mit der Verlagerung vom spezifischen Konzernrecht zum Haftungsdurchgriff, der Präzisierung der Hauptversammlungskompetenzen und der damit verbundenen schärferen Konturierung der kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaft, die dynamische Entwicklung der Kautelarpraxis etwa im Bereich der Unternehmensverträge und der Unternehmensübernahmen, sodann natürlich die Diskussion um die Reform der unternehmerischen und betrieblichen Mitbestimmung als Schritt zur Stärkung des Standortes Deutschland, und schließlich der ebenfalls diesem Ziel gewidmete Maßnahmenkatalog der Bundesregierung (insbes. UMAG, KapInHaG, KapMuG). Das führt ins Kapitalmarktrecht, das einen zweiten zentralen Schauplatz vielfältiger regulatorischer Herausforderung bildet, von der permanenten Einführung neuer Anlageformen, der Entstehung neuer Handelsplätze und -formen, der dynamischen Internationalisierung des Handels und der Fusion von Börsen über die Verbesserung, Zentralisierung und Globalisierung der Kapitalmarktaufsicht bis hin zu der unverändert anstehenden Reform der deutschen Börsenverfassung, um nur einige der wichtigen Themen zu nennen. Neben der Legislative und der Rechtsprechung ist in dieser großen und breiten Reformdebatte besonders die Rechtswissenschaft gefordert, die ihrerseits mit der Rechtspolitik und der Rechtspraxis, aber auch mit der Ökonomik im Austausch steht. Die mit diesem Band begonnene Schriftenreihe möchte dazu Beiträge liefern. Sie versteht sich als Plattform für gelungene wissenschaftliche Untersuchungen, die es verdienen, von einem breiteren Publikum beachtet zu werden. Sollte es gelingen, die wissenschaftliche Diskussion hierdurch zu unterstützen, wäre dies ein bescheidener und dennoch wichtiger Beitrag.

8

Vorwort der Herausgeber

Dem Verlag sei an dieser Stelle dafür gedankt, dass er dieses Unterfangen großzügig unterstützt, und dies in einer Zeit, in der an anderen Stellen die Bereitschaft, Wissenschaft zu fördern, begleitet von dem Hinweis auf den allgemeinen Kostendruck, bedauerlicherweise spürbar nachlässt. Im Dezember 2004

Holger Fleischer, Bonn Hanno Merkt, Freiburg Gerald Spindler, Göttingen

Vorwort Die vorliegende Schrift ist die überarbeitete und aktualisierte Fassung meiner Dissertation, die von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität Freiburg im Sommersemester 2004 angenommen wurde. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden bis Dezember 2004 berücksichtigt; insbesondere wurden noch kurz vor Drucklegung das „Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes“ (Anlegerschutzgesetz), das „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG) sowie die „Gelatine“-Rechtsprechung des BGH eingearbeitet. Meinen herzlichen Dank für die intensive Förderung und Unterstützung der Arbeit möchte ich meinem verehrten Doktorvater aussprechen, Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. Er hat nicht nur meine Dissertation mit ausgesprochen viel Geduld betreut, sondern auch ihr Erscheinen in der vorliegenden Reihe ermöglicht. Mein Dank gilt ferner Herrn Professor Dr. Peter Sester, dem Zweitberichterstatter der Arbeit, der meine Dissertation in Rekordzeit begutachtet hat, sowie Professor Dr. Gerald Spindler und Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., die zusammen mit Herrn Professor Dr. Hanno Merkt Herausgeber dieser Reihe sind. Mein besonderer Dank gilt aber an dieser Stelle Frau Professor Dr. Renate Käppler, die meine Arbeit lange Zeit mit viel Geduld und Engagement begleitet hat und zum Gelingen dieser Dissertation ganz wesentlich beigetragen hat. Ferner möchte ich der Kanzlei Linklaters Oppenhoff & Rädler danken, bei der ich fast vier Jahre lang während meiner Promotions- und Referendarszeit in Köln, London, Hongkong und Tokio tätig sein durfte und die mich stets großzügig unterstützt hat. Dabei möchte ich mich insbesondere bei meinem Kölner Chef, Herrn Rechtsanwalt Dr. Klaus Marinus Hoenig, LL.M., und seinem Team bedanken, die mir die für diese Arbeit dringend notwendige Praxiserfahrung im Bereich M&A vermittelt haben. Den Herren Rechtsanwälten Dr. Lars Böttcher und Daniel Grewe, LL.M. danke ich für die kritische Durchsicht meiner Arbeit und Herrn Dr. Michael Krömker für zahllose anregende Gespräche über mein Dissertationsthema. Nicht zuletzt möchte ich aber auch Herrn Dr. Reinhold Ernst von der Kanzlei Hengeler Mueller in Düsseldorf danken, bei dem ich ebenfalls ein halbes Jahr neben der Dissertation gearbeitet habe und dem ich insbesondere viele Anregungen im Bereich der Öffentlichen Übernahmeangebote verdanke. Schließlich danke ich meinem gegenwärtigen Arbeitgeber, Shearman & Sterling in Düsseldorf, für die Unterstützung während der Fertigstellung der Druckfassung.

10

Vorwort

Der größte Dank gebührt aber meinem geliebten Vater, Herrn Rechtsanwalt Dr. Karlheinz Liekefett. Er hat mich nicht nur moralisch und finanziell in unglaublicher Art und Weise unterstützt, sondern auch meine Entwürfe und Endfassung unendlich viele Male Korrektur gelesen. Ohne ihn wäre ich niemals Rechtsanwalt geworden, geschweige denn promoviert worden. Einen besseren Vater kann man sich nicht wünschen. Ihm und meiner verstorbenen Mutter, die wir alle sehr vermissen, widme ich diese Arbeit. Düsseldorf, im Januar 2005

Dr. Kai Haakon Liekefett, E.MBA

Inhaltsübersicht Einführung Die Due Diligence zwischen Recht und Ökonomie

25

A. Die Due Diligence und ihre Rechtsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

C. Exkurs: Die Ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

Erster Teil Die unabhängige Aktiengesellschaft

61

A. Kompetenzverteilung bei der Gestattung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft . . . . . . . . .

88

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft bei Gestattung einer Due Diligence . . . . . . . . . . 206 D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft . . . 238 E. Ergebnisse des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Zweiter Teil Die Aktiengesellschaft im Konzern

263

A. Kompetenzverteilung bei der Gestattung einer Due Diligence im Konzern . . . . . . . . . 264 B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 C. Folgepflichten bei Gestattung einer Due Diligence im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 E. Ergebnisse des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

12

Inhaltsübersicht Dritter Teil Zusammenschau

300

A. Art der M&A-Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 B. Börsennotierung der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 C. Zielgesellschaft im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

Endergebnis

303

A. Kompetenzverteilung bei der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 C. Folgepflichten bei Gestattung einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Inhaltsverzeichnis Einführung Die Due Diligence zwischen Recht und Ökonomie

25

A. Die Due Diligence und ihre Rechtsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

I. Die Entwicklung der Due Diligence zum deutschen und internationalen Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

II. Die Due Diligence und M&A-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Definition der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. M&A-Transaktionen mit Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

a) Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Öffentliches Umtauschangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 32 32

b) Unternehmens- und Beteiligungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Share Deal und Beteiligungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Öffentliches Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 32 33 33

c) Beteiligungsvertrag (Private Equity) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

d) Joint Venture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

e) Börsengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

III. Die Rechtsprobleme der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

I. Betriebswirtschaftliche Funktionen der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Due Diligence in der Entscheidungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

a) Due Diligence und Risikoidentifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

b) Due Diligence und Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ertragswertverfahren und Discounted Cash Flow-Verfahren . . . . . . . . bb) Vergleichsverfahren und Multiplikatorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergleichsverfahren (Comparative Company Approach) . . . . . . . (2) Multiplikatorenverfahren (Market Multiples) . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vergleich der Unternehmensbewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 46 51 51 51 53

14

Inhaltsverzeichnis 2. Gewährleistungen als Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

a) Gesetzliche Gewährleistungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

b) Vertragliche Gewährleistungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

3. Vergleich von Due Diligence und Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

II. Volkswirtschaftliche Funktionen der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

1. Marktversagen bei Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

2. Due Diligence zur Verhinderung eines Marktversagens bei M&A . . . . . . . . . .

59

C. Exkurs: Die Ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

Erster Teil Die unabhängige Aktiengesellschaft

61

A. Kompetenzverteilung bei der Gestattung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

I. Grundsätzliche Entscheidungs- und Durchführungskompetenz des Vorstands . .

62

II. Kompetenzen der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Ungeschriebene Mitwirkungskompetenz nach „Holzmüller“ und „Gelatine“

63

2. Annexkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

3. 3.7 Abs. 3 DCGK bei Öffentlichen Übernahmeangeboten (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

III. Kompetenzen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

1. Vorstandsbericht an den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

a) Pflicht des Vorstands zur Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

aa) Geschäfte von Bedeutung für die Rentabilität oder Liquidität, § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

bb) Sonstiger wichtiger Anlass, § 90 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

b) Pflicht des Aufsichtsrats zur Anforderung von Berichten . . . . . . . . . . . . . . .

74

aa) § 90 Abs. 3 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

bb) 3.4 Abs. 3 S. 1 DCGK (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

2. Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

a) § 111 Abs. 4 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

aa) Ermessen bei der Katalogerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Inhaltsverzeichnis

15

bb) Ermessengrenzen bei der Katalogerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

(1) Die Due Diligence als Geschäft von grundlegender Bedeutung

79

(2) Ausnahmen von der Katalogpflichtigkeit der Due Diligence . . .

80

(3) Kriterien für den Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats . . . .

81

b) § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

IV. Kompetenzverteilung innerhalb des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. Beschlussfassung durch Gesamtvorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

2. Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

3. Stimmrechtsausschluss bei Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

4. Form der Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

V. Ergebnisse von Teil A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft . . . . .

88

I. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

1. Gesellschaftsgeheimnisse und vertrauliche Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

a) „Geheimnisse der Gesellschaft“ bei der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

b) „Vertrauliche Angaben“ bei der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

2. Teleologische Reduktion des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

3. Gesellschaftsinteresse im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . .

94

a) Exkurs: Das Gesellschaftsinteresse bei der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . .

95

aa) Relevante Interessengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

bb) „Unternehmensinteresse“ als Integrationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

cc) Kollision des Unternehmensinteresses mit Partikularinteressen . . . .

99

(1) Kollision mit Interessen der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Kollision mit Arbeitnehmerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (3) Kollision mit Aktionärsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Besondere Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Eigener Ansatz: Widerlegliche gesetzliche Vermutung . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Vermutungswirkung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Anforderungen an eine Widerlegung der Vermutung . . . . . . . . . . . 109 (a) Praktische Konkordanz und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

16

Inhaltsverzeichnis (b) Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (aa) Exkurs: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (bb) Anwendungsvoraussetzungen bei § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Abwägung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Entscheidung über eine Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Realisierbarkeit der Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Wirtschaftlichkeit der Transaktion ohne Due Diligence . . . . . . . . . . . . 116 cc) Entscheidungsrelevanz der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Geheimhaltungsvereinbarung mit Vertragsstrafenregelung . . . . . . . . . 118 bb) Abgestufte Informationserteilung nach Transaktionsstadium . . . . . . . 119 (1) Frühestes Transaktionsstadium für die Informationserteilung . . 120 Exkurs: „Break Fee“-Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (2) Kontrolle der abgestuften Informationserteilung . . . . . . . . . . . . . . . 121 (a) Benennung einer Auskunftsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Exkurs: „Management Interviews“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (b) Einrichtung eines Datenraumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (c) Beschränkung der Vervielfältigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . 122 (3) Exkurs: Bieterverfahren beim Unternehmensverkauf . . . . . . . . . . 123 cc) Zurückhalten entscheidungsrelevanter Informationen . . . . . . . . . . . . . . 123 dd) Einschaltung eines neutralen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Einschränkungen der Due Diligence bei Wettbewerbern . . . . . . . . . . . 129 (1) Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Zusätzliche Einschränkungen bei Wettbewerbern . . . . . . . . . . . . . . 131 (a) Zurückhalten wettbewerbsrelevanter Informationen . . . . . . . . 132 (b) Einschaltung eines neutralen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Nichtgestattung einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (1) M&A-Transaktionen mit Beteiligung der Zielgesellschaft . . . . . 136 (a) Besondere Probleme der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Vorvertragliche Pflicht zur Due Diligence, § 242 BGB Sonderfall: Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Pflichten bei wechselseitiger Due Diligence, § 93 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Due Diligence und Sorgfaltspflicht bei M&ATransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

136 136 139 140 141

Inhaltsverzeichnis (b) Konkretisierung des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . (aa) Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Unternehmensverkauf durch Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . (cc) Beteiligungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Joint Venture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Börsengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 142 142 144 145 145 146

(2) M&A-Transaktionen ohne Beteiligung der Zielgesellschaft . . . . 147 (a) Besondere Probleme der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (aa) Due Diligence und § 71a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (bb) Due Diligence und „Neutralitätspflicht“ . . . . . . . . . . . . . . 148 (b) Konkretisierung des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . (aa) Unternehmenskauf durch Share Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Öffentliches Übernahme- und Pflichtangebot . . . . . . . . . (cc) Beteiligungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 151 156 157

(3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Verhältnis zwischen § 14 WpHG und § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Anwendungsbereich der Insiderverbote, § 13 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Insiderinformationen, § 13 Abs. 1 WpHG bei der Due Diligence . . . . . . . 163 b) Insider, §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 2 WpHG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. „Unbefugte“ Weitergabe, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Dogmatische Einordnung der Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Entstehungsgeschichte und EU-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Konkretisierung des Tatbestandmerkmals bei der Due Diligence . . . . . . . . 170 aa) Entstehungsgeschichte und EU-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) In Erfüllung ihrer Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) In einem normalen Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (1) Gefährdung des Kapitalmarktes durch eine Due Diligence . . . . . 173 (2) Kapitalmarktrechtlich relevantes Interesse an der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (a) Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (b) Unternehmenskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (aa) Öffentliches Übernahme- und Pflichtangebot . . . . . . . . . 176 (bb) Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (c) Beteiligungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (d) Beteiligungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2 Liekefett

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Inhaltsverzeichnis (e) Joint Venture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (f) Börsengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (3) Zusätzliche Anforderungen an eine befugte Weitergabe . . . . . . . . 183 (a) Gesetzliche oder vertragliche Geheimhaltungspflicht . . . . . . 183 Exkurs: Due Diligence und § 38 Abs. 1 Nr. 2 c) WpHG n.F. 184 (b) „Standstill Agreement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Annex: Weitere Geheimhaltungspflichten aus Sondergesetzen oder Vertrag . . . . 185 1. § 4 Abs. 1 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) „Personenbezogene Daten“ bei der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Rechtfertigung der Übermittlung bei einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Einwilligung der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 bb) Betriebsvereinbarung als „andere Rechtsvorschrift“ . . . . . . . . . . . . . . . . 189 cc) Gerechtfertigte Datenübermittlung, § 28 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (1) Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (2) Wahrung berechtigter Interessen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 190 (a) Mitarbeiterdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (b) Lieferanten- und Kundendaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (3) Wahrung berechtigter Interessen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (4) Sonderfall: Datentransfer ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. § 17 Abs. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Verhältnis zwischen § 17 UWG und § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Anwendbarkeit von § 17 Abs. 1 UWG auf Vorstandsmitglieder . . . . 194 bb) Konkurrenzverhältnis zu § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) „Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse“ bei der Due Diligence . . . . . . . . . . 196 c) Besondere Absichtserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 d) „Unbefugt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. § 18 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) „Anvertraute Vorlagen und Vorschriften technischer Art“ bei der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Besondere Absichtserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) „Unbefugt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 4. Vertragliche Geheimhaltungspflichten, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Geheimhaltungsvereinbarungen der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Inhaltsverzeichnis

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b) Vorstandspflicht zur Einhaltung aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . 203 aa) Die relative Wirkung von Geheimhaltungsvereinbarungen . . . . . . . . . 203 bb) Das Gesellschaftsinteresse an der Einhaltung von Geheimhaltungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 IV. Ergebnisse von Teil B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft bei Gestattung einer Due Diligence . . . . . . 206 I. Gleichbehandlung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. § 131 Abs. 4 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) „Wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstands, § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Gesellschaftsgeheimnisse, § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Insiderinformationen, § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, § 17 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 dd) Vorlagen und Vorschriften technischer Art, § 18 UWG . . . . . . . . . . . . . 212 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. § 53a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) § 131 Abs. 4 S. 1 AktG als abschließende Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Entstehungsgeschichte von § 131 Abs. 4 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Vereinbarkeit mit dem Strukturprinzip der Gleichbehandlung . . . . . . 214 b) Voraussetzungen des Gleichheitssatzes in § 53 a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 II. Bietergleichbehandlung bei Öffentlichen Übernahmeangeboten (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Gleichbehandlung der Wertpapierinhaber, § 3 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Vereitelungsverbot des Vorstands, § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 d) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Normkonzipierendes Prinzip der Bietergleichbehandlung, § 22 Abs. 3 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4. Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses, § 3 Abs. 3 WpÜG . . . . . . . . . . . . 225 2*

20

Inhaltsverzeichnis III. Gleichbehandlung des Kapitalmarktes (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . 227 1. § 15 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Insiderinformation, § 13 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Konkrete Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Kursbeeinflussungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Befreiung von der Veröffentlichungspflicht, § 15 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . 233 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. § 10 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 3. § 27 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 IV. Ergebnisse von Teil C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft 238 I. Vertragliche und vorvertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Ansprüche aus Letter of Intent oder vergleichbaren Vorfeldvereinbarungen 239 a) Rechtliche Bindungswirkung eines Letter of Intent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Rechtliche Unmöglichkeit als Grenze, § 275 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Ansprüche aufgrund vorvertraglicher Informationspflichten, § 242 BGB . . . 242 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Gesetzliche und verbandsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. § 83 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Reichweite des Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 cc) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Anforderungen an den Weisungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 aa) Erforderliche Stimmenmehrheit für eine Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Weisungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 cc) Grenzen der Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 dd) Durchsetzbarkeit der Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 c) Analogiefähigkeit von § 83 Abs. 1 S. 2 AktG bei anderen M&A-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Inhaltsverzeichnis

21

3. Analogie zu § 51a Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Anspruch auf Due Diligence in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Analogie zum Recht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4. Mitgliedschaftlicher Informationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Mitgliedschaftsrecht auf Veräußerung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Erforderlichkeit der Due Diligence zur Veräußerung von Aktien . . . . . . . . 256 aa) Börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 bb) Nicht börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 5. Informationsanspruch aus der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 III. Ergebnisse von Teil D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 E. Ergebnisse des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Zweiter Teil Die Aktiengesellschaft im Konzern

263

A. Kompetenzverteilung bei der Gestattung einer Due Diligence im Konzern . . . . . 264 I. Faktischer Konzern (§§ 311 ff.) AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Vertragskonzern (§§ 308 ff.) AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Kompetenzen des Vorstands im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Weisungen hinsichtlich der „Leitung der Gesellschaft“, § 308 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Grenzen des Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Nachteilige Weisungen im Konzerninteresse, § 308 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (1) Nachteilige Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (2) Konzerninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Ausschluss von Weisungen, § 299 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Vorstandspflicht zur Befolgung der Weisung, § 308 Abs. 2 AktG . . . . . . . 271 2. Kompetenzen des Aufsichtsrats im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3. Kompetenzen der Hauptversammlung im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 III. Eingliederung (§§ 319 ff.) AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 IV. Ergebnisse von Teil A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

22

Inhaltsverzeichnis

B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) § 311 Abs. 1 AktG als Grenze der Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 276 b) § 327b Abs. 1 S. 2 AktG als Grenze der Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . 278 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) § 308 Abs. 1 AktG als Grenze der Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Grenzen im Vertragskonzern außerhalb von Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG in der Eingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) § 323 Abs. 1 AktG als Grenze der Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Grenze in der Eingliederung außerhalb von Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 II. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Insiderverbote im Konzern: Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Eigene Begründung des Konzernprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 III. Annex: Weitere Geheimhaltungspflichten aus Sondergesetzen oder Vertrag . . . . 287 1. § 4 Abs. 1 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. § 17 Abs. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. § 18 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 4. Vertragliche Geheimhaltungspflichten, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Geheimhaltungsvereinbarungen im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Geheimhaltungsvereinbarungen im Vertragskonzern und in der Eingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 IV. Ergebnisse von Teil B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 C. Folgepflichten bei Gestattung einer Due Diligence im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 I. Gleichbehandlung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 II. Bietergleichbehandlung bei Öffentlichen Übernahmeangeboten (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 III. Gleichbehandlung des Kapitalmarktes (bei Börsengesellschaften) . . . . . . . . . . . . . 293 1. § 15 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Exkurs: Publizitätspflicht des herrschenden Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Inhaltsverzeichnis

23

2. § 27 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 IV. Ergebnisse von Teil C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Keine Ansprüche im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 II. Anspruch aus § 308 Abs. 1 AktG (Vertragskonzern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 III. Anspruch aus § 323 Abs. 1 AktG (Eingliederung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 IV. Ergebnisse von Teil D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 E. Ergebnisse des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

Dritter Teil Zusammenschau

300

A. Art der M&A-Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 B. Börsennotierung der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 C. Zielgesellschaft im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

Endergebnis

303

A. Kompetenzverteilung bei der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 C. Folgepflichten bei Gestattung einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:

Die fünf Wellen im M&A-Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Abb. 2:

Verbreitungsgrad der Due Diligence nach Transaktionsart . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

Abb. 3:

Verbreitungsgrad der Due Diligence nach Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

Abb. 4:

Rechtsnatur der Unternehmenstransaktionen mit Due Diligence . . . . . . . . . . .

30

Abb. 5:

Unterschiede der Due Diligence nach M&A-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . .

30

Abb. 6:

Informationen in der Entscheidungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

Abb. 7:

Entscheidungen bei M&A-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

Abb. 8:

Entscheidungsrelevanz von Risiken bei M&A-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . .

42

Abb. 9:

Funktion der Due Diligence bei der Risikoermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

Abb. 10:

Überblick über die Unternehmensbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

Abb. 11:

Ertragsorientierte Unternehmenswertbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

Abb. 12:

Vergangenheits- und Zukunftsanalyse bei der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

Abb. 13:

Multiplikatorarten und ihre Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

Abb. 14:

Funktion der Due Diligence bei der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . .

54

Abb. 15:

Due Diligence und Gewährleistungen in der Entscheidungstheorie . . . . . . . .

58

Abb. 16:

Due Diligence als Prozess des Screening und Signalling . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

Einführung

Die Due Diligence zwischen Recht und Ökonomie Informationen sind begehrte Wirtschaftsgüter. Im Wirtschaftsleben werden Strategie und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen entscheidend dadurch beeinflusst, welche Informationen beschafft werden können. Diesem Informationsbedürfnis entspricht spiegelbildlich der Wunsch von Unternehmen, einmal erlangte wichtige Informationen geheimzuhalten. 1 Alle Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit der Due Diligence stellen, sind von diesem grundlegenden Konflikt gekennzeichnet. Die folgenden Beispielsfälle illustrieren diese Problematik: Beispielsfall 1: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Februar 2002 titelte: „Bombardier verklagt DaimlerChrysler auf 1 Milliarde Euro Schadenersatz“ und „Wer zu spät prüft. . .“.2 Der kanadische Konzern Bombardier hatte im August 2000 von DaimlerChrysler das Bahntechnikunternehmen Adtranz AG zum Preis von 1,5 Milliarden DM erworben. Nach der Übernahme beklagte sich Bombardier, dass unter anderem die dem Kaufvertrag zugrunde gelegten Stichtagsbilanzen fehlerhaft seien und verlangte aus diesem Grund ca. eine Milliarde Euro Schadenersatz von DaimlerChrysler. Auf die Frage, warum man nicht vor dem Kauf in die Bücher der Adtranz geschaut habe, behauptete Bombardier, man habe keine umfassende Due Diligence gewährt bekommen. Beispielsfall 2: Am 10. Dezember 2002 berichteten die Zeitungen: „Ein Bieter für Bankgesellschaft springt ab“.3 Nachdem die Milliardenverluste der Bankgesellschaft Berlin AG erheblichen politischen Streit verursacht hatten, hatte das Land Berlin den Verkauf des Kreditinstituts durch ein Bieterverfahren beschlossen, an dem zuletzt nur noch zwei Finanzinvestoren teilnahmen. Der Private Equity-Investor Lone Star (USA) stieg nach der Due Diligence aus und begründete seinen Ausstieg mit dem zur Verfügung gestellten Datenmaterial. Zur Kritik an den unzureichenden Informationen erklärte das Land Berlin, die angefragten Informationen hätten angesichts der Risikolage der Bankgesellschaft aus juristischen Gründen nicht erteilt werden dürfen.

1 Meincke, WM 1998, 749. Vgl. Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. VI. Aus diesem Grund blickt Wirtschaftsspionage auf ein biblisches Alter zurück: Nach Amelunxen, DB 1983, 2347 begann die Wirtschaftsspionage, als Moses seine Kundschafter aus den zwölf Stämmen Israels in das Land Kanaan aussandte, um festzustellen, wo und wie dort Milch und Honig produziert wurden. 2 F.A.Z. v. 15. 02. 2002, S. 18 bzw. S. 28. 3 F.A.Z. v. 10. 12. 2002, S. 13. Vgl. Handelsblatt v. 10. 12. 2002, S. 23.

26

Einführung

Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, diesen Konflikt zwischen dem ökonomischen Bedürfnis nach einer Due Diligence (Fall 1) auf der einen Seite und der gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Pflichtenlage eines Zielunternehmens (Fall 2) auf der anderen Seite aufzulösen.

A. Die Due Diligence und ihre Rechtsprobleme I. Die Entwicklung der Due Diligence zum deutschen und internationalen Standard Wörtlich übersetzt bedeutet Due Diligence „gebotene Sorgfalt“. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem US-amerikanischen Kapitalmarktrecht. 4 Im Zusammenhang mit der Emissionsprospekthaftung bei Börsengängen liefert eine vorherige Unternehmensprüfung den Entlastungsbeweis für Abschlussprüfer, Rechtsanwälte und Investmentbanken.5 Erst später wurde es bei anderen Transaktionen üblich, die vorherige Überprüfung des Zielunternehmens als „Due Diligence“ zu bezeichnen. Die Due Diligence etablierte sich zunächst bei Unternehmenskäufen und Fusionen, denn im Common Law der USA ist es grundsätzlich Sache des Käufers, das Kaufobjekt mit der „gebotenen Sorgfalt“ zu überprüfen (caveat emptor).6 In den achtziger und neunziger Jahren wurde die Due Diligence schließlich zum internationalen Standard bei allen Formen von „Mergers & Acquisitions“ („M&A“7). Während dieser M&A-Wellen8 (vgl. Abb. 1) entwickelte sich zunehmend ein Markt für Unternehmen. Seitdem M&A-Transaktionen zum festen Bestandteil der Unternehmensaktivität geworden sind, verlassen sich Unternehmen weniger auf eigene Erfahrungen und Aussagen der Gegenseite und bestehen deshalb auf einer vorherigen „Due Diligence“. Zur Verbreitung der Due Diligence hat eine neue Investorengruppe beigetragen. Seit Mitte der achtziger Jahre treten vermehrt branchenfremde Finanzinvestoren auf (in der Regel „Private Equity-Fonds“), die für einen relativ kurzen Zeitraum von 3 – 7 Jahren unter erheblichen Fremdkapitaleinsatz in Unternehmen investieren, um anschließend beim Weiterverkauf eine hohe Rendite erzielen zu können (so genannter „Leveraged Buy Out“9). Während Marktteilnehmer ihre Investitions4 Zur Herkunft der Due Diligence: Merkt, FS Sandrock, S. 657 (666 ff.) und Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. 6 ff. 5 Zu dieser „Due Diligence Defense“: Roth / Schoneweg, NZG 2004, 206. 6 Eingehend dazu Merkt, WiB 1996, 145; Merkt, BB 1995, 1041 7 Zu diesem Begriff: vgl. Seite 29. 8 Zu den M&A-Wellen: Picot, Mergers & Acquisitions, S. 9. 9 Zum Leveraged Buy Out (LBO) aus rechtlicher Sicht: Picot, Mergers & Acquisitions, S. 215 ff.; Lutter / Wahlens, AG 1989, 1. Zum LBO aus betriebwirtschaftlicher Sicht: Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 54 ff.; Betsch / Groh / Lohmann, Corporate Finance, S. 326. Vgl. Seite 153.

A. Die Due Diligence und ihre Rechtsprobleme

27

entscheidung auf jahrelange Beobachtungen aus der Wettbewerbspraxis stützen können, ist dies für branchenfremde Finanzinvestoren nicht möglich. Sie treffen ihre Investitionsentscheidung erst, nachdem durch eine Due Diligence umfassende Informationen über das Zielunternehmen vorliegen.10

Quelle: Picot, Mergers & Acquisitions, S. 9.

Abb. 1: Die fünf Wellen im M&A-Markt

Auch in Deutschland hat sich die Due Diligence während der neunziger Jahre zumindest bei größeren Transaktionen zum Standard entwickelt. Während noch in den achtziger Jahren M&A-Transaktionen hauptsächlich im Vertrauen auf vertragliche Zusicherungen der Gegenseite durchgeführt wurden, werden heute nur noch wenige Transaktionen ohne Due Diligence abgewickelt. In einer empirischen Erhebung von Marten / Köhler aus dem Jahr 1999 wurde die Verbreitung der Due Diligence bei Fusionen, Unternehmenskäufen und Joint Ventures in Deutschland untersucht (vgl. Abb. 2). Der Verbreitungsgrad lag bei der finanziellen Unternehmensprüfung (Financial Due Diligence) bei 93,53 %, bezüglich der rechtlichen Prüfung (Legal Due Diligence) bei 81,50 %, bei der steuerlichen Prüfung (Tax due diligence) bei 77,52 % und hinsichtlich der umweltbezogenen Prüfung (Environmental Due Diligence) bei 47,37 % der Unternehmenstransaktionen.11

Eingehend dazu Jaletzke, FS Döser, S. 199 (201). Marten / Köhler, FB 1999, 337 (341 f.). Es wurden 1995 Fragebögen versandt. Die Rücklaufquote betrug mit 377 Exemplaren 18,90 %. 10 11

28

Einführung Fusionen

Unternehmenskäufe

Joint Ventures

Durchschnitt ø

Financial

89,10

95,80

86,50

93,53

Legal

79,10

82,90

77,00

81,50

Tax

70,50

81,50

64,80

77,52

Environmental

38,00

47,30

53,00

47,37

Due Diligence

Quelle: Marten / Köhler, FB 1999, 337 (344).

Abb. 2: Verbreitungsgrad der Due Diligence nach Transaktionsart

Eine schriftliche Befragung deutscher Käuferunternehmen zur Planung und Durchführung der Due Diligence bei Akquisitionen von Berens / Strauch aus dem Jahre 2002 ergab, dass durchschnittlich bei 74,1 % aller Transaktionen eine Due Diligence durchgeführt wurde (vgl. Abb. 3). Bei Aktiengesellschaften als Rechtsform ergab sich ein Verbreitungsgrad von 86,3 % (börsennotiert) bzw. 59,0 % (nicht börsennotiert).12

0%

20%

40%

60%

80%

AG (börsennotiert)

100%

86,3%

85,3%

GmbH

74,1%

Mittelwert

Sonstige

67,9%

KG

59,3%

AG

59,0%

Quelle: Berens / Strauch, Due Diligence – empirische Untersuchung, S. 44.

Abb. 3: Verbreitungsgrad der Due Diligence nach Rechtsform

12 Berens / Strauch, Due Diligence – empirische Untersuchung, S. 42 ff. Es wurden 3926 Fragebögen versandt. Die Rücklaufquote betrug 11,30 %.

A. Die Due Diligence und ihre Rechtsprobleme

29

II. Die Due Diligence und M&A-Transaktionen 1. Definition der Due Diligence „Due Diligence“ wird nicht immer einheitlich definiert. Es hat sich jedoch in der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur eine mehrheitlich verwendete Definition dieses Begriffs entwickelt, die dieser Untersuchung zugrundegelegt wird. Nach dieser Definition handelt es sich bei der Due Diligence um eine Unternehmensprüfung, die vor Durchführung einer M&A-Transaktion unter Zugang zu internen Informationsquellen der Zielgesellschaft durchgeführt wird.13 Von dieser Definition ausgenommen sind Unternehmensprüfungen, die nicht transaktionsbezogen sind.14 Ferner werden Unternehmensprüfungen, die nach der Durchführung einer Transaktion erfolgen („Post Completion Due Diligence“), nicht erfasst.15 2. M&A-Transaktionen mit Due Diligence Anwendungsbereich der Due Diligence sind nach dieser Definition16 die Unternehmenstransaktionen, die in Englisch in der Regel geringfügig verkürzt als „Mergers & Acquisitions“ bezeichnet werden: Fusionen, Unternehmens- und Beteiligungskäufe, Beteiligungsverträge (Private Equity), Joint Ventures und Börsengänge (vgl. Abb. 4).17 Diese Arbeit wird zeigen, dass der Anlass einer Due Diligence durchaus Auswirkungen auf die Beurteilung der anfallenden Rechtsfragen haben kann. Die verschiedenen M&A-Transaktionen unterscheiden sich nicht nur in ihrer Rechtsnatur. Ebenso bestehen Unterschiede darin, welcher Beteiligte die Due Diligence durchführen und ob die Zielgesellschaft unmittelbar an der M&A-Transaktion beteiligt ist (vgl. Abb. 5). Da die Begriffsbestimmungen nicht immer einheitlich sind, erfolgt eine kurze Inhaltsbestimmung dieser Transaktionen, die der gesamten Untersuchung zugrundegelegt wird.

13 Diese (oder eine vergleichbare) Definition verwenden: Berens / Strauch, in: Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. 12; Spill, DStR 1999, 1786 (1787); Marten / Köhler, FB 1999, 337; Krüger / Kalbfleisch, DStR 1999, 174; Ganzert / Kramer, WPg 1995, 576 (577); Harrer, DStR 1993, 1673. 14 A.A.: Koch / Wegmann, Due Diligence, S. 14 ff.; Scott, Due Diligence, S. 14 ff. 15 Vgl. Seite 54 ff. 16 Verzichtet man auf den Transaktionsbezug, ergeben sich weitere Anwendungsfälle: Koch / Wegmann, Due Diligence, S. 15 ff.; Scott, Due Diligence, S. 14 ff. 17 Eingehender Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 43 ff.; Picot, Mergers & Acquisitions, S. 15 f., die auch begründen, weshalb Börsengänge und Joint Ventures unter diese Definition fallen.

30

Einführung

Unternehmenstransaktion

Rechtsnatur der Unternehmenstransaktion

Fusion

Verschmelzung, §§ 2 ff. UmwG Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage, § 183 AktG Öffentliches Umtauschangebot, § 31 Abs. 2 WpÜG

Unternehmenskauf

Anteilsverkauf (Share Deal), § 453 BGB Einzelrechtsübertragung (Asset Deal), § 453 BGB Öffentliches Übernahmeangebot, §§ 29 ff. WpÜG

Beteiligungskauf

Anteilsverkauf, §§ 433 ff. BGB

Beteiligungsvertrag

Kapitalerhöhung gegen Bareinlage, §§ 182 ff. AktG Stille Beteiligung, §§ 230 ff. HGB (§ 292 AktG analog) Atypisches Darlehen, §§ 488 ff. BGB

Joint Venture

Sachgründung oder Sacheinlage, §§ 27, 183 AktG

Börsengang

Antrag auf Börsenzulassung, §§ 29 ff., 48 ff. BörsG

Quelle: Eigene Darstellung.

Abb. 4: Rechtsnatur der Unternehmenstransaktionen mit Due Diligence

Unternehmenstransaktion

Transaktionsbeteiligung der Zielgesellschaft*

Ja

Fusion Unternehmenskauf

Durchführende Transaktionsparteien der Due Diligence* Fusionspartner

Nein (Share Deal) Ja (Asset Deal) Nein (Öffentliches Übernahmeangebot)

Käufer und Aktionär(e) Käufer Käufer

Nein

Käufer und Aktionär(e)

Beteiligungskauf Beteiligungsvertrag

Ja

Investor

Joint Venture

Ja

Joint Venture-Partner

Börsengang

Ja

Emissionsbank

* Es wird vom Regelfall ausgegangen. Quelle: Eigene Darstellung.

Abb. 5: Unterschiede der Due Diligence nach M&A-Transaktionen

A. Die Due Diligence und ihre Rechtsprobleme

31

a) Fusion Eine Fusion ist ein einvernehmlicher Zusammenschluss von Unternehmen unter gemeinsamer Leitung (Merger of Equals).18 Eine vorherige wechselseitige Due Diligence bereitet die Erstellung des Business Combination Agreements“ (BCA)19 vor, in dem entweder die Gesellschaften und / oder die (Haupt-)Gesellschafter im Vorfeld der Fusion schuldrechtlich vereinbaren, die erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen zur Zusammenführung vorzunehmen.20 Auch wenn sich eine Aktiengesellschaft selbst nicht zu hauptversammlungspflichtigen Maßnahmen verpflichten kann, um nicht die Zuständigkeit der Hauptversammlung zu unterlaufen, so ist sie in der Regel ebenfalls Vertragspartner des „Business Combination Agreements“. Eine Zusammenführung der fusionierenden Gesellschaften kann gesellschaftsrechtlich auf unterschiedlichen Art und Weise erfolgen:21

aa) Verschmelzung Im nationalen Kontext22 (z. B. Thyssen / Krupp) wird zumeist eine Verschmelzung nach §§ 2 ff. UmwG durchgeführt. Die Fusionspartner schließen einen Verschmelzungsvertrag (§ 5 UmwG), dem ihre Gesellschafter zustimmen müssen (§ 13 UmwG). In diesem Fall dient die Due Diligence nicht nur zur Erstellung des Business Combination Agreements, sondern auch zur Vorbereitung des Verschmelzungsvertrags, des Verschmelzungsberichts gegenüber der Hauptversammlung (§ 8 UmwG) und zur Festlegung eines angemessenen Umtauschverhältnisses (§§ 14, 15, 29, 34 UmwG).23

18 Die prominentesten Beispiele mit deutscher Beteiligung sind Daimler Benz / Chrysler; Hoechst / Rhône Poulenc (zu Aventis) und Thyssen / Krupp. Ausführlich dazu Horn, FS Lutter, S. 1113 (1123 ff.). 19 Zum Business Combination Agreement: Aha, BB 2001, 2225; Horn, FS Lutter, S. 1113 (1123 ff.). 20 Zur Due Diligence bei Fusionen: Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1384 ff.). 21 Zu den verschiedenen Fusionsmodellen: Martens, FS Peltzer 2001, 279 ff.; Leuering, Der Syndikus 2001, 45 (46 f.); Horn, FS Lutter, S. 1113 (1116 ff.); Decher, FS Lutter, S. 1209 (1211 ff.); Horn, ZIP 2000, 473 (475 ff.). Vernachlässigt werden nachfolgend Kombinationen der dargestellten Modelle. 22 Die grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung ausländischer Gesellschaften ist auch nach dem EuGH-Urteil zu „Überseering“ ein ungelöstes Problem des deutschen Umwandlungsrechts: vgl. Horn, ZIP 2000, 473 (477); Hoffmann, NZG 1999, 1077 (1078); Lutter, UmwG, § 1 Rn 6, 10. 23 Zu diesem Fusionsmodell: Decher, FS Lutter, S. 1209 (1215 ff.;); Kallmeyer, DB 2002, 568 ff.

32

Einführung

bb) Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage Die Zusammenlegung der fusionierenden Gesellschaften kann ferner im Wege einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage gemäß § 183 AktG erfolgen (z. B. Deutsche Telekom / VoiceStream24). Die Due Diligence bereitet bei diesem Fusionsmodell neben dem Business Combination Agreement die Hauptversammlung vor, in der über die Kapitalerhöhung beschlossen wird. Sie dient dabei insbesondere zur Vorbereitung des Sacheinlageberichts (§§ 183 Abs. 3, 184 Abs. 1 S. 2 AktG).25

cc) Öffentliches Umtauschangebot Eine letzte Möglichkeit der Zusammenführung, die insbesondere bei grenzüberschreitenden Fusionen nicht selten gewählt wurde (z. B. Daimler-Benz / Chrysler; beabsichtigt bei Deutsche Telekom / Telecom Italia), bildet die Unterbreitung eines Öffentlichen Übernahmeangebots für die Aktien der Fusionspartner im Tausch gegen Aktien einer neuen Gesellschaft (NewCo). Seit In-Kraft-Treten des WpÜG ist die Zulässigkeit eines derartigen Öffentlichen Umtauschangebots durch § 31 Abs. 2 Fall 2 WpÜG gesichert. Die vorherige Due Diligence erleichtert bei diesem Fusionsmodell die Ausarbeitung der Angebotsunterlage (§ 11 WpÜG) und die Bestimmung des angemessenen Umtauschverhältnisses (§ 31 Abs. 1 WpÜG sowie §§ 3 ff. WpÜG-AngebVO).26

b) Unternehmens- und Beteiligungskauf Die größte praktische Bedeutung hat die Due Diligence bei der Vorbereitung von Unternehmens- und Beteiligungskäufen erlangt, da sie bei diesen M&A-Transaktionen nicht nur zur Entscheidungsfindung dient, sondern ebenfalls bei der Bestimmung des Kaufpreises und der Festlegung der Gewährleistungen helfen kann. Ein Unternehmenskauf kann aus rechtlicher Sicht auf verschiedenen Wegen erfolgen. In der Praxis erfolgt ein Erwerb zumeist durch Share Deal, Asset Deal oder öffentliches Übernahmeangebot27:

aa) Share Deal und Beteiligungskauf Beim so genannten „Share Deal“ sind die Gesellschafter Vertragspartner des Unternehmenskäufers. Deshalb führen regelmäßig nicht nur die Kaufinteressenten Diese Fusion erfolgte allerdings nach dem Recht des US-Bundesstaates Delaware. Zu diesem Fusionsmodell: Aha, BB 2001, 2225; Hoffmann-Becking, FS Lutter, S. 453. 26 Zu diesem Fusionsmodell (vor Erlass des WpÜG): Horn, ZIP 2000, 473 (478 f.); Decher, FS Lutter, S. 1209 (1214 f.). 27 Zu den Möglichkeiten des Umwandlungsgesetzes zur Akquisition (Verschmelzung, Spaltung): Kallmeyer, DB 2002, 568. 24 25

A. Die Due Diligence und ihre Rechtsprobleme

33

eine Due Diligence durch, sondern auch die verkaufswilligen Aktionäre. Ein Unternehmenskauf durch Share Deal liegt vor, wenn alle oder zumindest ein erheblicher Teil der Aktien der Zielgesellschaft erworben werden, so dass die Kontrolle über das Unternehmen ausgeübt werden kann. Ab welcher Beteiligungshöhe davon gesprochen werden kann und wann ein bloßer Beteiligungskauf vorliegt, ist letztlich eine Frage der Definition. Diese Frage war insbesondere vor Einführung des § 453 Abs. 1 BGB n.F. streitig, da diese Unterscheidung für die Einordnung als Rechtskauf (§ 437 BGB a.F.) oder als Sachkauf (§§ 459 ff. BGB a.F.) entscheidend war. Nach Rechtsprechung und herrschender Literatur lag jedenfalls bei einem Kauf von weniger als 50 % der Anteile ein bloßer Beteiligungs-, beim Erwerb von mehr als 90 % ein Unternehmenskauf vor.28 bb) Asset Deal Beim so genannten „Asset Deal“ werden alle Wirtschaftsgüter und Verträge der Zielgesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge übernommen. Bei dieser Form des Unternehmenskaufs ist die Zielgesellschaft selbst der Verkäufer des Unternehmens und nicht die Gesellschafter. Durchgeführt wird die Due Diligence deshalb nur durch den Kaufinteressenten. Die Due Diligence hilft bei der Gestaltung des Unternehmenskaufvertrags, denn der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz erfordert die genaue Festlegung der übergehenden Aktiva und Passiva.29 cc) Öffentliches Übernahmeangebot Bei börsennotierten Zielgesellschaften tritt das praktische Problem auf, dass sich ein nicht unerheblicher Teil der Aktien in Streubesitz befindet. Die vollständige Übernahme einer Börsengesellschaft kann aus diesem Grund nur durch ein Öffentliches Übernahmeangebot erfolgen (z. B. Vodafone / Mannesmann; Procter & Gamble / Wella; Bosch / Buderus), die seit dem 1. 1. 2002 im WpÜG geregelt werden.30 In der Praxis liegt eine Due Diligence (wenn sie überhaupt gewährt wird) zeitlich regelmäßig vor der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes (§ 10 WpÜG), da gerade die Due Diligence diese Entscheidung vorbereiten soll.31 Die 28 Aus der Rechtsprechung: BGHZ 138, 195 (204); 65, 246 (251 f.). Aus der Literatur: Huber, AcP 202 (2002), 180 (185 ff.). 29 Eingehender dazu Stiller, BB 2002, 2619 (2621 f.); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 827 ff. 30 Übernahmeangebote sind Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind (§ 29 Abs. 1 WpÜG). Dies ist gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG bei mindestens 30 % der Stimmrechte der Fall. Teilangebote haben eine Beteiligungshöhe unterhalb der Kontrollschwelle zum Ziel (§§ 19, 32 WpÜG). Es gab 2002 lediglich drei Teilangebote nach dem WpÜG (vgl. Blättchen / Götz, FB 2003, 184); da sie kaum praktische Bedeutung haben, werden sie in dieser Arbeit vernachlässigt. 31 Semler / Volhard / Thiel, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 31 Rn 98; Geibel / Süßmann / Geibel, WpÜG, § 10 Rn 7.

3 Liekefett

34

Einführung

Due Diligence erleichtert dabei die Festlegung der Gegenleistung nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 WpÜG. c) Beteiligungsvertrag (Private Equity) Ein weiterer wichtiger Anlass für die Durchführung einer Due Diligence ist die Vorbereitung von Beteiligungsverträgen mit Investoren („Private Equity“- und „Venture Capital“-Fonds32). Anders als beim bloßen Beteiligungskauf ist beim Beteiligungsvertrag neben den Investoren und den Gesellschaftern auch die Zielgesellschaft beteiligt. Die konkrete rechtliche Ausgestaltung des Investments kann sehr unterschiedlich ausfallen. Zumeist erfolgt eine echte Kapitalbeteiligung. In diesem Fall erhält der Investor die Aktien entweder im Rahmen einer Barkapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG) oder durch den Erwerb von Aktien der gegenwärtigen Gesellschafter (ein Sonderfall des gewöhnlichen Beteiligungskaufes). Als Alternativen sind eine Ausgestaltung als atypisches Darlehens nach §§ 488 ff. BGB oder als stille Beteiligung nach §§ 230 ff. HGB (Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG33) denkbar. Die Due Diligence hilft dem Investor bei der Entscheidung, ob er den Beteiligungsvertrag überhaupt abschließt34 und erleichtert im Falle eines Investments die Gestaltung eines Beteiligungsvertrags.35

d) Joint Venture Ein weiterer praxisrelevanter Anwendungsfall der Due Diligence ist die Vorbereitung von „Joint Ventures“. Eine einheitliche Definition dieses Begriffs existiert bislang nicht.36 Im Rahmen dieser Untersuchung wird darunter die Zusammenarbeit von zwei oder mehr Unternehmen in einer rechtlich verselbständigten Projektgesellschaft verstanden (so genanntes „Equity Joint Venture“).37 Diese Projektgesellschaft wird für das Joint Venture regelmäßig eigens gegründet und durch die Joint Venture-Partner mit sachlichen und finanziellen Mitteln ausgestattet. In Deutschland handelt es sich zumeist um eine GmbH & Co. KG oder Zur Abgrenzung dieser Begriffe: Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft, S. 365. Herrschende Meinung: vgl. OLG Düsseldorf, AG 1996, 473; OLG Celle, AG 1996, 370; Hüffer, AktG, § 292 Rn 15. 34 Weitnauer, Venture Capital, Teil D Rn 152; Pfeifer, BB 1999, 1665 (1669); Leopold, DStR 1999, 470 (473); Mertens, AG 1997, 541 (546). Eingehend dazu Natusch, in: Berens / Brauner, Due Diligence, S. 537 ff. 35 Zum Beteiligungsvertrag: Mellert, NZG 2003, 1096; Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091; Zetsche, NZG 2002, 942 ff.; Zätsch, Der Syndikus 2002, 20 ff.; Weitnauer, NZG 2001, 1065 ff.; Wächter, M&A Review 2001, 150 ff.; Pfeifer, BB 1999, 1665 ff.; Hergeth / Mingau, DStR 2001, 1217 ff. (zur GmbH). 36 Zu den Gründen: Picot, Mergers & Acquisitions, S. 198. 37 Davon zu unterscheiden ist das schuldrechtliche „Contractual Joint Venture“: Picot, Mergers & Acquisitions, S. 198 ff.; Zacher, IStR 1997, 408 ff. 32 33

A. Die Due Diligence und ihre Rechtsprobleme

35

eine GmbH.38 Die Due Diligence bereitet sowohl den eigentlichen Joint VentureVertrag als auch den Gesellschaftsvertrag vor. Dabei werden lediglich diejenigen (Teil-)Geschäftsbereiche überprüft, die in das Joint Venture eingebracht werden sollen.39 e) Börsengang Mit der Erholung des deutschen Kapitalmarkts im Jahre 2004 haben auch Due Diligence-Prüfungen vor Börsengängen wieder eine erhebliche praktische Bedeutung erlangt. Bei der Aufnahme von Eigenkapital über die Börse dient die Due Diligence zur Vorbereitung des Übernahmevertrages (so genanntes „Underwriting Agreement“) zwischen der Aktiengesellschaft als Emittenten und der Emissionsbank und hilft bei der Ausgestaltung des Börsenzulassungs- und Verkaufsprospekts. Die Due Diligence wird in erster Linie von der Emissionsbank durchgeführt, denn sie haftet gemäß §§ 30 Abs. 2 S. 1, 44 Abs. 1 BörsG (ggf. i.V. m. § 13 Abs. 1 VerkProspG) bei Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Börsenzulassungsprospekts.40

III. Die Rechtsprobleme der Due Diligence Die Due Diligence hat in Deutschland eine erhebliche praktische Bedeutung erlangt. Ihr Einzug in die deutsche Wirtschaftspraxis hat jedoch zahlreiche Rechtsprobleme im Kaufrecht sowie im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht aufgeworfen41, die Gegenstand mitunter intensiv und kontrovers geführter Diskussionen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum sind. Im Wesentlichen lassen sich die folgenden größeren Problemkreise umreißen:  Diskutiert werden die Auswirkungen der Due Diligence auf das Leistungsstörungsrecht der Verträge bei Unternehmenstransaktionen. 42  Erörtert wird, ob eine Pflicht des Managements zur Durchführung einer vorherigen Due Diligence bei M&A-Transaktionen besteht.43  Problematisiert werden letztlich die gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen der Gewährung einer Due Diligence. Vgl. Sieger / Hasselbach, NZG 1999, 485. Eingehend zu Joint Ventures: Picot, Mergers & Acquisitions, S. 212. 40 Eingehend zu Übernahmeverträgen bei Börsengängen: Picot / Lang, DB 1999, 570 (570 ff.); Technau, AG 1998, 445 (446 ff.). 41 Erstmals angemerkt von Merkt, BB 1995, 1041. 42 Erstmals problematisiert von Merkt, BB 1995, 1041. 43 Zunächst angesprochen von Kiethe, NZG 1999, 976. Monographisch umfassend behandelt von Böttcher, Verpflichtung zur Due Diligence. 38 39

3*

36

Einführung

Nicht alle diese Probleme können Gegenstand einer Untersuchung sein.44 In dieser Arbeit werden die gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen der Due Diligence bei einer Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft erörtert. Dieses Thema wurde erstmals im Jahr 1996 durch Lutter45 problematisiert und ist von unveränderter Aktualität. Auch im Jahr 2004 sind erneut Beiträge zu dieser Problematik erschienen.46 Die bisherigen Beiträge beschränken sich darauf, die anfallenden Rechtsfragen für den Unternehmenskauf- und Beteiligungskauf zu untersuchen. Die meisten dieser Arbeiten beschäftigen sich dabei lediglich mit dem Share Deal. Andere Techniken der Unternehmensakquisition (Asset Deal, öffentliches Übernahmeangebot) bleiben in der Regel ebenso außer Betracht wie alle anderen Typen von M&A-Transaktionen. Da sich eine Due Diligence beim Unternehmenskauf in der praktischen Durchführung nicht wesentlich von der Due Diligence bei anderen M&A-Transaktionen unterscheidet, geht diese Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes an der Rechtspraxis vorbei. In der M&A-Praxis findet bisweilen – nicht selten noch nach Durchführung der Due Diligence – ein Wechsel in der zunächst beabsichtigten Transaktionsstrukturierung statt. Beispielsweise wird in der Verhandlungsphase beim Unternehmenskauf recht häufig vom Asset Deal auf den Share Deal gewechselt oder umgekehrt, da die jeweiligen Steuervorteile Teil der Verhandlungsmasse sind.47 Ebenso kann nach der Due Diligence aus einem zunächst ins Auge gefassten Joint Venture eine Vollfusion der Mutterunternehmen werden und umgekehrt. Diese Arbeit geht daher den mit einer Due Diligence verbundenen Rechtsfragen für alle wesentlichen Arten von Unternehmenstransaktionen mit Beteiligung von Aktiengesellschaften nach. Es wird untersucht, ob die unterschiedlichen wirtschaftlichen Ziele der einzelnen M&A-Transaktionen und die verschiedenen Arten der rechtlichen Durchführung Einfluss auf die Beurteilung der gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen haben. Dabei wird versucht, einen einheitlichen Auslegungsansatz für die betroffenen gesetzlichen Regelungen zu entwickeln, um überprüfen zu können, welche Auswirkungen dies auf die Due Diligence bei den verschiedenen Transaktionsformen hat. Die bislang veröffentlichten Beiträge zur Due Diligence differenzieren wenig zwischen börsennotierten Zielgesellschaften und den nicht börsennotierten Aktiengesellschaften. Diese Arbeit versucht zu berücksichtigen, dass sich mittlerweile eine Art Sonderrecht für Börsengesellschaften48 (börsennotierte AktienDer zweite Problemkreis wird in einem Exkurs abgehandelt: vgl. Seite 141. Lutter, ZIP 1997, 613 (erstmals 1996 abgedruckt in FS Schippel, S. 455). 46 Zuletzt Rittmeister, NZG 2004, 1032; Storck, Finanzbetrieb 2004, 363. Vgl. Ziemons, NZG 2004, 537 (539 f.). 47 Der Share Deal ist für den Verkäufer günstiger, da er durch die Körperschaftsteuerreform zum 1. 1. 2002 steuerfrei gestellt wurde (§ 8b Abs. 2 KStG); der Asset Deal gibt dem Käufer Abschreibungspotential durch den Step up: vgl. Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 145 ff. 44 45

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

37

gesellschaften i.S.v. § 3 Abs. 2 AktG) herausgebildet hat. Gerade für die Gestattung einer Due Diligence kann die Frage der Börsennotierung der Zielgesellschaft erheblichen Einfluss haben. Es sind zusätzliche Sondergesetze zu berücksichtigen (WpHG, WpÜG, BörsG usw.). Hinsichtlich börsennotierter Aktiengesellschaften ist der Informationsstand außenstehender Dritter typischerweise weitaus besser, da Börsengesellschaften erweiterten Publizitätsbestimmungen nach WpHG (und z. T. WpÜG), der BörsenZulVO und der BörsO unterliegen. Sowohl bezüglich des Unternehmenswerts (z. B. Börsenwert) als auch hinsichtlich der Unternehmensrisiken (z. B. § 15 WpHG) stehen bessere Informationen zur Verfügung. Diesem geringeren Informationsbedürfnis stehen zusätzliche Geheimhaltungspflichten des Vorstands einer börsennotierten Zielgesellschaft gegenüber (§ 14 WpHG). Im Übrigen lassen die bisher publizierten Arbeiten das Konzernrecht weitestgehend außer Betracht. Die große Mehrheit (70 – 90 %) der deutschen Aktiengesellschaften ist konzernverbunden.49 Angesichts dieser Realität erstaunt es umso mehr, dass die Auswirkungen eines Konzernverhältnisses auf die Rechtsfragen der Due Diligence bislang nicht oder nicht sehr eingehend behandelt wurden. Diese Arbeit nimmt sich deshalb der Frage an, wie sich die Rechtslage verändert, wenn die Zielgesellschaft einer Due Diligence abhängige Gesellschaft in einem faktischen Konzern, einem Vertragskonzern oder einer Eingliederung ist.

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence Im Einführungsteil über die verschiedenen M&A-Transaktionen wurde dargelegt, welche (kautelar-)juristischen Gründe für die Durchführung einer Due Diligence angeführt werden können. In einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung der Voraussetzungen und Grenzen einer Due Diligence können jedoch auch die ökonomischen Funktionen der Due Diligence nicht unberücksichtigt bleiben. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive bei der rechtswissenschaftlichen Diskussion miteinzubeziehen, denn in der juristischen Literatur zur Due Diligence wird regelmäßig mit ökonomischen Argumenten gearbeitet. Wiederholt ist die Rede davon, dass die Durchführung einer Due Diligence dem wirtschaftlichen Interesse aller Beteiligten entspräche oder dass eine Unzulässigkeit der Due Diligence dem Wirtschaftsstandort Deutsch48 Begriff nach Merkt, AG 2003, 126 (128); Fleischer, NZG 2002, 545 (546); Fleischer, ZHR 165 (2001), 513 (514); Fleischer / Kalss, WpÜG, S. 23 ff. 49 Vgl. Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, S. 4, die davon ausgehen, dass 90 % des Kapitals in Konzerne eingebunden ist. Nach älteren Zahlen von Görling, AG 1993, 538 (545 f.) lag der Anteil der konzernierten Aktiengesellschaften bei 73,61 %, bei Börsengesellschaften sogar bei 96,96 %.

38

Einführung

land schaden würde.50 Keine rechtswissenschaftliche Abhandlung hat diese Prämissen belegt oder zumindest kritisch hinterfragt. Aus diesem Grund sollen in diesem Teil die betriebs- und volkswirtschaftlichen Funktionen der Due Diligence herausgearbeitet werden.

I. Betriebswirtschaftliche Funktionen der Due Diligence Zunächst sollen die betriebswirtschaftlichen Funktionen51 der Due Diligence eingehender erläutert werden.52 Dabei muss geklärt werden, welche ökonomischen Gründe für die Durchführung einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen existieren. Da eine Due Diligence mit erheblichen Kosten verbunden ist, stellt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Frage, weshalb sich die Due Diligence trotz dieser Kosten zum nationalen und internationalen Standard entwickelt hat.53 Eine empirische Untersuchung von Unternehmenskäufen durch Berens / Strauch aus dem Jahr 2002 ergab durchschnittliche Kosten einer Due Diligence-Prüfung von 421.000 DM und einen Median von 150.000 DM. Im Verhältnis zum Kaufpreis lagen die Kosten durchschnittlich bei 1,08 % bei einem Median von 0,50 %.54

1. Due Diligence in der Entscheidungstheorie Die Durchführung einer Due Diligence ist nichts anderes als eine Anforderung der normativen55 Entscheidungstheorie, da die Qualität einer Entscheidung von der Vollständigkeit der Informationen über die entscheidungsrelevanten Tatsachen abhängig ist.56 In der Entscheidungstheorie wird dabei ausgehend von der Qualität 50 Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Kiethe, NZG 1999, 976 (980). 51 Die Betriebswirtschaftslehre erforscht nicht den gesamtwirtschaftlichen Prozess, sondern geht vom einzelnen Betrieb aus: Wöhe, Allgemeine BWL, S. 27. Zur Abgrenzung von Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre: Woll, Allgemeine VWL, S. 7. Zu den volkswirtschaftlichen Funktionen der Due Diligence: vgl. Seite 58. 52 In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird sich vornehmlich mit der praktischen Durchführung der Due Diligence beschäftigt. Obwohl der Begriff der Due Diligence mittlerweile fest etabliert ist, gibt es erstaunlicherweise bislang nur wenige wissenschaftliche Versuche, die Durchführung einer Due Diligence anhand von Modellen und Theorien zu begründen und einzuordnen. Feststellung von Berens / Strauch, WPg 2002, 512 f. 53 Vgl. Seite 26 f. 54 Berens / Strauch, Due Diligence – empirische Untersuchung, S. 95 ff. 55 Die „normative Entscheidungstheorie“ untersucht, wie Entscheidungsträger entscheiden sollten. Im Unterschied dazu versucht die „deskriptive Entscheidungstheorie“ der Mikroökonomie, das Zustandekommen von Entscheidungen in der Realität zu beschreiben: vgl. Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft, S. 30; Wöhe, Allgemeine BWL, S. 120 ff. 56 Vgl. Mag, Entscheidung und Information, S. 4 ff.; v. Werder, ZfB 1997, 901 ff.

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

39

der vorhandenen entscheidungsrelevanten Informationen zwischen „vollkommener Information“ und „unvollkommener Information“ unterschieden (vgl. Abb. 6). Während bei vollkommener Information jeder Entscheidungsalternative ein sicheres Ergebnis zuordnet werden kann und eine „Entscheidung unter Sicherheit“ getroffen wird, kann bei unvollkommener Information das Ergebnis einer Entscheidung von der Erwartung abweichen, da verschiedene entscheidungsrelevante Informationen fehlen. Es ist dann entweder eine „Entscheidung unter Risiko“ möglich, bei der objektive oder zumindest subjektive Wahrscheinlichkeiten vorliegen, oder eine „Entscheidung unter Unsicherheit“, bei der ein Ergebnis noch nicht einmal mittels der Stochastik prognostiziert werden kann.57

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stellt eine M&A-Transaktion eine komplexe Entscheidungssituation dar, denn im Rahmen einer Transaktion sind zahlreiche Entscheidungen zu treffen.58 Eine Due Diligence dient der Informationsversorgung der Entscheidungsträger und verhindert bei unvollkommener Information eine „Entscheidung unter Unsicherheit“ im Sinne der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie.59

Information

vollkommen

Sicherheit

unvollkommen

Risiko

Unsicherheit

Quelle: Darstellung nach Wöhe, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 122.

Abb. 6: Information in der Entscheidungstheorie

Im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen können drei Entscheidungsarten unterschieden werden, die sich allerdings nicht immer streng voneinander trennen lassen (vgl. Abb. 7):

57 Staehle, Management, S. 533; Bamberg / Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 19 ff.; Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft, S. 100. 58 Berens / Strauch, WPg 2002, 511. 59 Ebenso i.E. Teucher, Due Diligence als zentraler Erfolgsfaktor, S. 12 ff.

40

Einführung

 Ein Entscheidungsträger hat die Wahl, ob er die beabsichtigte M&A-Transaktion überhaupt durchführt oder auf die Transaktion verzichtet (Entscheidung über die Transaktionsdurchführung). Beispiel: Es gibt bei Kooperationen die Wahl zwischen einem Joint Venture und einer bloßen strategischen Allianz auf Vertragsbasis.

 Die Entscheidung über die Durchführung hängt eng mit den Konditionen zusammen. Bei diesen Transaktionskonditionen handelt es sich im Wesentlichen um die finanzielle Gegenleistung für die Durchführung der Unternehmenstransaktion und die Ausgestaltung der Haftung (Entscheidung über die Transaktionskonditionen). Beispiel: Anlässlich einer Private Equity-Transaktion verhandeln Unternehmensgründer und Investor über die Erfolgsziele der Geschäftsleitung („Milestones“), Ausstiegsmöglichkeiten („Exits“) und die Beteiligungshöhe.

 Letztlich ist über die Struktur der Durchführung der Unternehmenstransaktion zu entscheiden; die Transaktionsstruktur ist nicht immer eine rein rechtstechnische Frage, sondern kann unter Umständen auch die Frage beeinflussen, ob die Transaktion überhaupt durchführt wird (Entscheidung über die Transaktionsstruktur). Beispiel: Aufgrund diverser Altlasten wird beim Unternehmenskauf überlegt, zur Haftungsvermeidung von Share Deal auf Asset Deal zu wechseln.

„ob“

Entscheidung über Durchführung

Entscheidung über Konditionen

Entscheidung über Struktur

„wofür“

„wie“

Quelle: Eigene Darstellung.

Abb. 7: Entscheidungen bei M&A-Transaktionen

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

41

Die Durchführung einer Due Diligence dient dazu, diese Entscheidungen im Zusammenhang mit einer Unternehmenstransaktion zu optimieren. Da Entscheidungen bei M&A-Transaktionen von erheblicher Tragweite sind, dürfen sie nach der Entscheidungstheorie nur auf vollkommener Informationsgrundlage fallen. Der Zusammenhang zwischen Entscheidungsqualität und Information ist für sich genommen nicht überraschend.60 Dieser Grundsatz gilt aber deshalb im besonderen Maße für Entscheidungen im Zusammenhang mit M&A, weil Unternehmenstransaktionen ausgesprochen riskant sind. Bereits 1987 stellte Porter in einer empirischen Untersuchung fest, dass Fehlentscheidungen im M&A-Bereich wiederholt darauf beruhten, dass nicht ausreichend Informationen zur Verfügung standen.61 Nach einer Studie von A.T. Kearney aus dem Jahr 1998 verschlechterte sich bei 57 % der Unternehmen die Profitabilität nach einer M&A-Transaktion.62 Ebenso zeigen andere empirische Studien Misserfolgsquoten zwischen 30 – 70 %.63

a) Due Diligence und Risikoidentifikation Entscheidungsrelevante Informationen bei M&A-Transaktionen sind zunächst alle Informationen über die mit dem Unternehmen und der Transaktion verbundenen Risiken. Diese Informationen haben erheblichen Einfluss auf die Entscheidung über die Durchführung der Transaktion, auf die Transaktionsbedingungen und die Struktur der Transaktion. Dabei können drei Intensitäten von Risiken unterschieden werden:  Erstens gibt es Risiken, die sich quantifizieren lassen und deswegen im Unternehmenswert (u. U. mittels Risikozuschlag beim Kapitalisierungszinssatz64) hinreichend berücksichtigt werden können. Beispiel: Unternehmen gewähren ihren Mitarbeitern häufig eine Pensionszusage, wonach die Mitarbeiter bei Ausscheiden eine Betriebsrente erhalten, sofern sich eine gewisse Zeit im Unternehmen waren. Wieviele Mitarbeiter schließlich zukünftig entsprechende Ansprüche erwerben, kann niemals mit Sicherheit vorhergesagt werden. Das finanzielle Risiko dieser Pensionszusagen kann jedoch stochastisch ermittelt und beziffert werden, so dass der Unternehmenswert entsprechend angepasst werden kann.

 Zweitens sind Risiken denkbar, die sich nicht oder nur schwer quantifizieren lassen. Diese Risiken können regelmäßig durch Gewährleistungen oder Freistellungen abgesichert werden, sofern es die Transaktionsart zulässt. Vgl. Mag, Entscheidung und Information, S. 4 ff.; v. Werder, ZfB 1997, 901 ff. Porter, Harvard Manager 1987, S. 30 ff. 62 A.T. Kearney Global PMI Survey 1998 (www.m-and-a.de). 63 Zu den verschiedenen Studien: Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 244. 64 Zur Berechnung des Risikozuschlags: 6.2 (Tz. 94 ff.) des Standards S1 zur Unternehmensbewertung des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), abgedruckt in WPg 2000, 825 ff. Eingehend Ballwieser, WPg 2002, 736 (738 ff.). 60 61

42

Einführung Beispiel: Aufgrund verschiedener ungesicherter Steuerstrukturierungen besteht das Risiko, dass das Finanzamt bei der nächsten Betriebsprüfung Steuernachforderungen geltend macht. Diese Mehrsteuern hätte nach einem Unternehmensverkauf der Erwerber zu tragen (beim Asset Deal aufgrund von § 75 AO). In diesen Fällen kann vereinbart werden, dass die Mehrsteuern der Veräußerer zu tragen hat („Betriebsprüfungsklausel“).

 Drittens gibt es Risiken, die sich weder bei der Unternehmensbewertung berücksichtigen lassen noch durch Gewährleistungen abgesichert werden können, sondern für den Entscheidungsträger Grund für den Abbruch der Transaktion sind (so genannte „Deal Breaker“65) oder zumindest eine Änderung der Transaktionsstruktur erfordern. Beispiel: Das Zielunternehmen oder eine seiner Tochtergesellschaften hat in wichtigen Kreditverträgen oder Joint Ventures „Change of control“-Klauseln, die Sonderkündigungsrechte oder Vorkaufsrechte auslösen.66

Während die ersten beiden Risikoarten lediglich die Entscheidungen über die Transaktionskonditionen und die Transaktionsstruktur beeinflussen, wirkt sich die dritte Risikoart direkt auf die Entscheidung über die Durchführung der Transaktion aus. Informationen über diese „Deal Breaker“ sind am entscheidungsrelevantesten (vgl. Abb. 8).

Risiko

Unternehmenswert

Transaktionskonditionen

Gewährleistung/ Freistellungen

Transaktionskonditionen

Abbruch/andere Transaktionsart

Transaktiondurchführung/-struktur

Quelle: Eigene Darstellung.

Abb. 8: Entscheidungsrelevanz von Risiken bei M&A-Transaktionen

Gerade diese Risiken kann ein außenstehendes Management bei M&A-Transaktionen anhand von frei zugänglichen Informationsquellen nicht vollständig oder In der Praxis wird zudem bisweilen auch der Begriff „Show Stopper“ verwendet. Ein anderes Beispiel: Es gab Berichte über Abfindungsverpflichtungen der Enron Corp. an den CEO in Höhe von 60 Millionen US-Dollar für den Fall einer erfolgreichen Übernahme durch die Dynegy Corp. (die noch vor der Insolvenz des Enron-Konzerns scheiterte): vgl. F.A.Z. v. 15. 11. 2001, S. 26. Zu Change of Control-Klauseln: vgl. Seite 128 und Seite 155. 65 66

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

43

mit Sicherheit identifizieren (nachfolgend auch „externe Informationsquellen“ genannt). Beispiele: Externe Informationsquellen sind insbesondere die Konzern- und Jahresabschlüsse.67 Die Überprüfung des rechtlichen Bestandes der Gesellschaft kann anhand von Handelsregisterauszügen, die Feststellung des Eigentums an Grundstücken anhand des Grundbuches erfolgen. Wichtige externe Informationsquellen sind bei börsennotierten Aktiengesellschaften ferner die Ad-hoc-Meldungen gemäß § 15 WpHG sowie die Meldungen über Beteiligungen über 5 % gemäß §§ 21 ff. WpHG. Weiterhin können Datenbanken herangezogen werden (insbesondere Dun & Bradstreet, Hoppenstedt und Schimmelpfennig) und Informationen von Ratingagenturen (Standard & Poor’s, Moody’s). Externe Informationsquellen sind ferner Artikel aus der Tagespresse und Fachzeitschriften sowie Befragungen von Unternehmensexternen (Lieferanten, Kunden und Wettbewerber).

Im Lagebericht eines Konzern- bzw. Jahresabschlusses ist gemäß § 315 Abs. 1 HGB bzw. § 289 Abs. 1 HGB auf die Risiken der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens einzugehen. In der Praxis weist diese Risikodarstellung jedoch eine geringe Qualität und Genauigkeit auf.68 Ebensowenig wird der Publizitätspflicht aus § 15 Abs. 1 WpHG immer nachgekommen.69 Abgesehen davon kennt selbst der Vorstand nur selten alle Risiken seines Unternehmens. Gelegentlich werden erst bei einer Due Diligence derartige Risiken dem Vorstand überhaupt bekannt.70 Beispiele: Angenommen ein Unternehmen erwirtschaftet einen Großteil seiner Erträge mit einem Produkt (so genannter „Blockbuster“: z. B. „Aspirin“ und „Lipobay“ bei der Bayer AG). Aus dem Jahresabschluss und dem Lagebericht kann ersehen werden, wieviel Umsatz mit diesem Produkt erwirtschaftet wurde. Dadurch ist aber noch nicht bekannt, ob intern Informationen über Probleme über dieses Produkt vorliegen (z. B. Erkenntnisse gesundheitsschädliche Nebenwirkungen wie bei „Lipobay“ von Bayer) oder ob bei einer etwaigen Patentierung dieses Produktes rechtliche Fehler gemacht wurden. Wird das Produkt aufgrund einer Lizenz hergestellt, so interessieren die Konditionen dieses Lizenzvertrages (Gebühren, Provisionen, Laufzeit, Gewährleistungen u. ä.) und es muss dessen rechtliche Wirksamkeit überprüft werden.

Folglich müssen zur Feststellung der Risiken interne Informationsquellen des Zielunternehmens herangezogen werden, um bei der Risikoanalyse sicher gehen zu können. Außenstehende sind für eine zuverlässige Risikoermittlung auf Informationsquellen innerhalb des Unternehmens selbst angewiesen (nachfolgend auch „interne Informationsquellen“ genannt).71 67 Diese können beim Handelsregister gemäß § 9 HGB eingesehen werden, ohne dass ein besonderes Interesse dargelegt werden muss: vgl. Baumbach / Hopt, HGB, § 9 Rn 1. 68 Kajüter, BB 2002, 243; Möllers, AG 1999, 433 (435). Bei einer empirischen Analyse der für das Geschäftsjahr 1999 publizierten Risikoberichte wurden bei den DAX-Unternehmen erhebliche Mängel aufgedeckt: vgl. Kajüter, DB 2001, 105. 69 Vgl. Seite 227 ff. 70 Darauf weist zutreffend Louven, BB 2001, 2390 (2391) hin. 71 Picot, Mergers & Acquisitions, S. 271; Berens / Brauner, Due Diligence, S. 16, 19, 115 ff., 120.

44

Einführung Beispiele: Interne Informationsquellen mit der größten Bedeutung sind nach der empirischen Untersuchung von Berens / Strauch Wirtschaftsprüferberichte über die Jahres- / Konzernabschlussprüfungen (91,4 %), Ergebnisrechnungen (83,4 %), Planungsrechungen (79,2 %), Kundenstamm und Kundenverträge (76,3 %), Prozessakten (61,6 %), Unterlagen über Rechte und Patente (61 %), Buchhaltungskonten, (56,0 %) Lieferantenverträge (55,6 %), Kredit- und Finanzierungsverträge (54,8 %). Wichtig sind ferner Mitarbeitergespräche (65,7 %), Betriebsbesichtigungen (60,5 %) und Managementbefragungen (60,0 %).72

Eine Due Diligence erlaubt aufgrund des Zugangs zu diesen internen Informationsquellen eine zuverlässigere Ermittlung von Risiken. Zwar können abhängig von der Qualität der zur Verfügung gestellten Informationen und von der Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen (z.T. erhebliche) Restrisiken verbleiben (vgl. Abb. 9). Die Due Diligence hilft aber insbesondere bei der Identifizierung von Risiken, die die Entscheidung über die Durchführung der Transaktion beeinflussen könnten („Deal Breaker“). In der empirischen Untersuchung von Berens / Strauch wurde festgestellt, dass 38,3 % der M&A-Transaktionen nach der Due Diligence abgebrochen wurden.73

Restrisiken

Aufgrund interner Informationsquellen ermittelbare Risiken (Basis: Due Diligence)

Aufgrundexterner Informationsquellen ermittelbare Risiken

Alle Risiken eines Unternehmens und einer Unternehmenstransaktion

Quelle: Eigene Darstellung.

Abb. 9: Funktion der Due Diligence bei der Risikoermittlung

72 73

Berens / Strauch, Due Diligence – empirische Untersuchung, S. 73 ff. Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. V.

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

45

b) Due Diligence und Unternehmensbewertung Neben den Informationen über Risiken sind bei M&A-Transaktionen Informationen über den Unternehmenswert entscheidungsrelevant. Das Problem in der Praxis bei der Ermittlung des Unternehmenswertes ist, dass es keine echten Marktpreise für Unternehmen gibt. Dies gilt selbst dann, wenn das Unternehmen eine börsennotierte Aktiengesellschaft ist. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1999 entschieden, dass der Aktienkurs dem Marktpreis einer einzelnen Aktie entspricht, wenn sie für den Marktteilnehmer eine reine Finanzanlage darstellt.74 Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) bezeichnet den Börsenwert in seinen Grundsätzen zur Unternehmensbewertung (IDW Standard S1) dennoch als unzureichend zur Unternehmenswertermittlung, weil der Marktwert größerer Aktienpakete in der Regel über dem Börsenwert liegt, denn mit der Beteiligungshöhe steigen die Kontrollmöglichkeiten (so genannte „Kontrollprämie“). 75 Die Ermittlung des Unternehmenswertes macht aus diesem Grund eine Unternehmensbewertung erforderlich. In der Praxis werden entweder marktwertorientierte Verfahren („Vergleichsverfahren“ und „Multiplikatorenverfahren“) oder ertragswertorientierte Bewertungsverfahren („Ertragswertverfahren“ und „Discounted Cash Flow“-Verfahren) angewandt (Abb. 10).

Unternehmensbewertung

Ertragswertorientierte Verfahren

Marktwertorientierte Verfahren

Substanzwertverfahren

Ertragswertverfahren

Vergleichsverfahren

LiquidationsWert

Discounted Cash Flow-Verfahren

Multiplikatorenverfahren

Einzelbewertungsverfahren

Quelle: Eigene Darstellung.76

Abb. 10: Überblick über die Unternehmensbewertungsverfahren BVerfG, ZIP 1999, 1436 ff. Darüber hinaus werden Aktienkurse durch eine Reihe nicht bewertungsrelevanter, spekulativer Faktoren beeinflusst sowie durch irrationale Reaktionen des Kapitalmarktes: vgl. IDW S1, 2.4, 3 (Tz. 13 ff.); abgedruckt in WPg 2000, 825 ff. Eingehend dazu Hüttemann, ZGR 2001, 454 (468 ff.); Großfeld, BB 2000, 261 (265); Steinhauer, AG 1999, 299 (301 f.). 76 Der Liquidationswert ist die Untergrenze des Unternehmenswerts: IDW S1, 7.4 (Tz. 141 f.). Bis in die siebziger Jahre wurde die Unternehmensbewertung anhand des sogenann74 75

46

Einführung

aa) Ertragswertverfahren und Discounted Cash Flow-Verfahren Vom Institut der Wirtschaftsprüfer werden im IDW Standard S1 die ertragswertorientierten Bewertungsverfahren empfohlen.77 Ertragswertorientierte Bewertungsverfahren sind das klassische „Ertragswertverfahren“ und das „Discounted Cash Flow“-Verfahren.78 Diese Bewertungsmethoden sind nach herrschender Auffassung in der Literatur zur Unternehmensbewertung79 die überzeugendsten theoretischen Konzepte zur Ermittlung des Wertes eines Unternehmens und werden auch von der Praxis anderen Bewertungsverfahren vorgezogen. Das Ertragswertverfahren ist von der deutschen Rechtsprechung – insbesondere vom Bundesverfassungsgericht und dem BGH – als Methode für die Unternehmensbewertung anerkannt.80 Das Ertragswertverfahren wird deshalb in der Praxis bei allen Unternehmenstransaktionen verwendet, die gesellschaftsrechtliche Strukturierungsmaßnahmen erforderlich machen, um das Anfechtungsrisiko bei den damit verbundenen Hauptversammlungsbeschlüssen zu minimieren.81 Beispiele: Bei der Aktiengesellschaft betrifft dies insbesondere M&A-Transaktionen, die eine Sachkapitalerhöhung (§ 183 AktG) oder eine Verschmelzung (§ 15 UmwG) beinhalten. Allerdings kann die Anwendung des Ertragswertverfahrens auch dann zweckmäßig sein, wenn zwar nicht die Unternehmenstransaktion selbst, aber die der Transaktion nachfolgenden Restrukturierungsmaßnahmen „hauptversammlungsfest“ gemacht werden müssen (Beherrschungsvertrag nach §§ 304 f. AktG, Eingliederung gemäß § 320b AktG oder Squezze-Out-Beschluss nach §§ 327a ff. AktG).

Investmentbanken und Unternehmensberatungen verwenden hingegen fast ausschließlich das Discounted Cash Flow-Verfahren, das sich gerade bei internationalen M&A-Transaktionen deutscher Unternehmen zum Standard entwickelt hat.82 ten „Substanzwertverfahrens“ vorgenommen, das heutzutage kaum noch Bedeutung hat: IDW S1, Tz. 171 ff. 77 IDW S1, 2.1 (Tz. 7), 7 (Tz. 106 ff.). 78 Dazu zählen auch der „Weighted Average Cost of Capital“-Ansatz (WACC) und der „Adjusted Present Value“-Ansatz (APV) als Varianten des DCF. Vgl. IDW S1, 7.3 (Tz. 124 ff.). Zu den DCF-Verfahren: Ballwieser, WPg 1998, 81 ff. 79 Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2000, 197; Aders / Galli / Wiedemann, FB 2000, 197; Kohl / Schulte, WPg 2000, 1147; Siepe / Dörschell / Schulte, WPg 2000, 946 (953); Ballwieser, DB 1997, 187 f. 80 Zur Ertragwertmethode in der Rechtsprechung: Hülsmann, ZIP 2001, 450 ff. Zum Verhältnis von Ertragswertverfahren und Börsenkurs bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nach dem BVerfG-Urteil zu DAT / Altana: Hüttemann, ZGR 2001, 454 (457 f.); Piltz, ZGR 2001, 185 ff.; Großfeld, BB 2000, 261 ff. 81 Eingehender dazu Picot / Mentz / Seydel, AG bei Unternehmenskauf und Restrukturierung, S. 22. 82 Nach einer empirischen Untersuchung ist die Anwendungshäufigkeit des Discounted Cash Flow-Verfahrens bei internationalen M&A-Transaktionen deutscher Unternehmen von 25 % im Jahre 1990 auf 95 % im Jahre 1998 gestiegen: vgl. Peemöller / Kunowski / Hillers, WPg 1999, 621 (623).

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

47

Ertragswertverfahren und Discounted Cash Flow-Verfahren haben beide denselben Ansatzpunkt, denn sie leiten den Unternehmenswert aus der Eigenschaft des Unternehmens ab, finanzielle Nettoüberschüsse für die Unternehmensinhaber zu erwirtschaften (so genannter „Zukunftserfolgswert“).83 Die zukünftigen finanziellen Erträge (Et ) werden dabei jeweils mit dem Kapitalisierungszinsatz (i) einer risikolosen Vergleichsanlage auf den Stichtag abgezinst, um den Barwert zum Bewertungszeitpunkt zu erhalten (vgl. Abb. 11).84 Bei der Berechnung werden Erträge und Kapitalisierungszins für die nächsten 3 – 5 Jahre (t1 bis t3 5 ) ermittelt („Detailplanungsphase“). Addiert wird der Wert der abgezinsten Erträge aus der Fortführungsphase, die auf dem letzten Jahr der Detailplanungsphase aufgebaut („Ewige Rente“).85

Detailphase =

(1+i)1

(1+i)2

(1+i)3

Ewige Rente =

(1+i)4

(1+i)5

i(1+i)5

Quelle: Studiengang „Mergers & Acquisitions“ (Universität Münster).

Abb. 11: Ertragsorientierte Unternehmenswertbestimmung

Ertragswertverfahren und Discounted Cash Flow-Verfahren unterscheiden sich lediglich in Details bei der Ermittlung der Erträge Et und bei der Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes i.86 Trotz gewisser Unterschiede kommen Ertragswert83 IDW S1, 2.1 (Tz. 4 f.); Peemöller, DStR 2001, 1401 f.; Siepe / Dörschell / Schulte, WPg 2000, 946 (953); Ballwieser, WPg 1998, 81 (82). Eingehend dazu Kohl / Schulte, WPg 2000, 1147 (1148 ff.). 84 IDW S1, 6 (Tz. 91 ff.). Eingehend dazu Ballwieser, WPg 2002, 736 ff. 85 IDW S1, 5.3 (Tz. 82 f.). 86 Das Ertragswertverfahren leitet die künftig zufließenden finanziellen Überschüsse aus den handelsrechtlichen Erfolgen ab. Bei einem Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft ist dies der Bilanzgewinn, soweit dieser nach §§ 58 Abs. 4, 174 Abs. 1 AktG ausgeschüttet werden kann. Bei der Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes stellt das Ertragswertverfahren auf eine durch die Bewertende eher subjektiv bestimmte Alternativrendite ab. Dahingegen setzt das Discounted Cash Flow-Verfahren als Ertrag die tatsächliche Liquidität des Unternehmens an (die namensgebenden „Cash Flows“). Der Kapitalisierungszinssatz wird mit Hilfe des kapitalmarkttheoretischen „Capital Asset Pricing Modells“ (CAPM)

48

Einführung

verfahren und Discounted Cash Flow-Verfahren in der Regel nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, da sie auf den gleichen konzeptionellen Grundlagen beruhen.87 Kernproblem der Unternehmensbewertung mit diesen Methoden ist die Prognose der zukünftigen finanziellen Erträge. Dies erfordert eine umfangreiche Informationsbasis, die bei M&A-Transaktionen durch eine Due Diligence gewährleistet werden soll. Der IDW S1 stellt hierzu fest: „Die inhaltliche Qualität der Unternehmensanalyse wird durch Qualität und Umfang der verfügbaren Informationen bestimmt“.88

Die Prognose der zukünftigen Erträge setzt bei den in der Vergangenheit erzielten Erträgen an. Dazu werden die Konzern- und Jahresabschlüsse nach HGB, IAS (International Accounting Standards) oder US-GAAP (US-Generelly Accepted Accounting Principles) herangezogen.89 Diese Abschlüsse sind zwar externe Informationsquellen, da sie von jedem eingesehen werden können. Um die ertragsbringenden Werttreiber („Value Drivers“) der Vergangenheit identifizieren zu können, müssen diese Abschlüsse jedoch bereinigt werden. Die meisten Bereinigungsmaßnahmen erfordern den Zugang zu internen Informationsquellen und damit eine Due Diligence.90 Die Erträge und Aufwendungen des nicht betriebsnotwendigen Vermögens sind zu eliminieren.91 Aperiodische Erträge und Aufwendungen dürfen nicht miteinbezogen werden.92 Es hat eine Bereinigung durch Aufdeckung der „stillen Reserven“ zu erfolgen, die sich aufgrund von Bilanzierungswahlrechten, nicht bewertungsgerechten Bilanzierungsprinzipien und Bilanzierungsverboten ergeben.93 Ferner sind die Abschlüsse um personenbezogene und außerordentliche Faktoren zu bereinigen.94

Letztlich müssen die Angaben in Abschlüssen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Zwar werden sie von Wirtschaftsprüfern nach §§ 316 ff. HGB geprüft, aber auch diese Prüfungen verlaufen nicht immer fehlerfrei. ermittelt: vgl. IDW S1, Tz. 106 ff. (Ertragswertmethode) bzw. Tz. 124 ff. (DCF). Eingehend dazu Kohl / Schulte, WPg 2000, 1147 ff. 87 IDW S1, 7.1 (Tz106); Peemöller, DStR 2001, 1401 f.; Siepe / Dörschell / Schulte, WPg 2000, 946 (953 f.). Eingehend dazu Kohl / Schulte, WPg 2000, 1148. 88 IDW S1, 5.1 (Tz. 74). Eingehend dazu Barthel, DStZ 1999, 365. 89 § 292a Abs. 1, 2 HGB erlaubt einen Konzernabschluss nach IAS oder US-GAAP und befreit von der Rechungslegung nach HGB. Zur Kritik daran: Möllers, AG 1999, 433 (434 f.). 90 Wißmann, WPK-Mitt. 1999, 143 (147); Barthel, DStZ 1999, 365 f.; Teucher, Erfolgsfaktor Due Diligence; Klein / Jonas, in: Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. 175 ff.; Blöcher, in: Scott, Due Diligence, S. 48. 91 IDW S1, 7.2.2.1 (Tz. 108); z. B. Erträge aus Beteiligungen. 92 IDW S1, 7.2.2.1 (Tz. 108); z. B. Bildung oder Auflösung von Rückstellungen. 93 IDW S1, 7.2.2.1 (Tz. 108); z. B. Niederstwertprinzip (§ 253 HGB), Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, Imparitätsprinzip), Bilanzierungsverbot für nicht erworbene immaterielle Vermögenswerte (§ 248 Abs. 2 HGB). 94 IDW S1, 7.2.2.1 (Tz. 108); z. B. konzerninterne Einkaufs- / Absatzbeziehungen.

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

49

Beispiele: In der Vergangenheit gab es zahllose Beispiele dafür, in denen Konzernabschlüsse nicht gestimmt haben. Internationales Aufsehen erregte insbesondere der Skandal um die US-amerikanische Enron Corp. In Deutschland gab es vergleichbare Fälle wie die Skandale um EM.TV, Comroad und die Flowtex GmbH.95

Die Informationsbeschaffung durch eine Due Diligence ist auch deswegen für diese Methoden unerlässlich, weil die Analyse der Ertragskraft in der Vergangenheit lediglich der Ausgangspunkt der Wertermittlung ist. Die Perspektive der ertragsorientierten Bewertungsverfahren ist zukunftsbezogen, da die zukünftige Ertragsfähigkeit der Gesellschaft zugrunde gelegt wird („Für das Vergangene gibt der Kaufmann nichts“). Diese zukünftige Ertragskraft spiegeln die Informationen in den Konzern- und Jahresabschlüssen nur unzureichend wider, da sie fast ausnahmslos vergangenheitsbezogen sind.96 Insbesondere wenn mit der beabsichtigten Unternehmenstransaktion kein Kontrollwechsel verbunden ist, müssen für diese Prognose die Planungen des Zielunternehmens („Business Plans“) bekannt sein, die nur das Management bereitstellen kann. Diese Planungen müssen wiederum mittels einer Due Diligence einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden, um überprüfen zu können, ob die ertragsbringenden Werttreiber der Vergangenheit auch in Zukunft noch unverändert fortbestehen (vgl. Abb. 12).97 Beispiele: Wenn ein Unternehmen in der Vergangenheit aufgrund eines Technologievorsprungs hohe Erträge erzielen konnte, muss untersucht werden, ob es diesen Vorsprung auch in Zukunft halten kann. Dazu muss in interne Kostenrechnungen, Marktanalysen und Produktstudien Einsicht genommen werden können. Wenn der Produkterfolg auf einem Patent oder einer Lizenzvereinbarung beruht, muss die jeweilige Laufzeit berücksichtigt werden bzw. deren rechtliche Wirksamkeit.

Eine Due Diligence zur Informationserhebung wird noch wichtiger, wenn es zu einem Inhaberwechsel im Unternehmen kommen soll, da der Ertragswert davon abhängt, welche Erträge der zukünftige Eigentümer zu erwirtschaften in der Lage ist („Subjektiver Unternehmenswert“). Der objektivierte Unternehmenswert98 („Stand alone-Value“) ist bei diesen M&A-Transaktionen nicht besonders aussagkräftig, da Synergien mit dem neuen Unternehmenseigner zu berücksichtigen sind.99 Die meisten Synergieeffekte können nur anhand interner Informationsquellen zuverlässig prognostiziert identifiziert und bewertet werden.100 95 Vgl. Lenz, BB 2002, Heft 10, Seite I. Diesbezüglich enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex in 7.2 Empfehlungen und Anregungen. 96 Lediglich im Lagebericht „soll“ gemäß § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB auf die voraussichtliche Entwicklung eingegangen werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass Unternehmen im Lagebericht nur allgemeine Aussagen über die Zukunft abgeben, die ohne Informationsgehalt sind: vgl. Wegmann / Koch, DStR 2000, 1027 (1032); Möllers, AG 1999, 433 (435). 97 Berens / Strauch, in: Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. 16 ff.; Blöcher, in: Scott, Due Diligence, S. 49. Vgl. IDW S1, 5.4 (Tz. 86 f.). Zahlenbeispiele bei Ballwieser, WPg 1998, 81 (88 ff.). 98 IDW S1, 4.4.2 (Tz. 41 ff.). Vgl. Peemöller, DStR 2001, 1401 (1404). 99 IDW S1, 4.4.3.2 (Tz. 56 f.). Eingehend Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 74 f.

4 Liekefett

50

Einführung Beispiel: Meistens suchen Übernehmer beim Unternehmenskauf die Basis künftiger Erträge, die davon abhängen, inwieweit sich durch die Übernahme Synergien durch Greneffekte („Economies of Scale“) oder sich ergänzender Produkte („Economies of Scope“) ergeben.101 Wenn ein Käufer nur einen Konkurrenten ausschalten, einen Rohstoff sichern oder eine bestimmte Lizenz oder Marke erwerben will, muss er durch die Due Diligence erfahren, ob er diese Ziele erreichen kann.

Quelle: Studiengang „Mergers & Acquisitions“ (Universität Münster).

Abb. 12: Vergangenheits- und Zukunftsanalyse bei der Bewertung

Zusammengefasst erlauben die ertragswertorientierten Methoden nur dann eine zuverlässige Einschätzung des Unternehmenswertes, wenn interne Informationsquellen zur Verfügung stehen. Eine Due Diligence ist daher Voraussetzung für die zuverlässige Anwendung der Ertragswertmethode und des Discounted Cash FlowVerfahrens, wenn Außenstehende ein Unternehmen bewerten wollen.102

100 Berens / Strauch, in: Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. 16; Blöcher, in: Scott, Due Diligence, S. 49; Teucher, Erfolgsfaktor Due Diligence, S. 17. 101 Eingehend dazu Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 74 f. 102 Wißmann, WPK-Mitt. 1999, 143 (147); Barthel, DStZ 1999, 365 f.; Blöcher, in: Scott, Due Diligence, S. 48 f.; Klein / Jonas, in: Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. 175 ff.; Blöcher, in: Scott, Due Diligence, S. 49; Teucher, Erfolgsfaktor Due Diligence, S. 17; Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 191.

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

51

bb) Vergleichsverfahren und Multiplikatorverfahren Marktwertorientierte Bewertungsverfahren haben gegenüber der Ertragswertmethode und dem Discounted Cash Flow-Verfahren den Vorteil, dass sie keine Due Diligence voraussetzen, weil für ihre Anwendung externe Informationsquellen ausreichen. Unterschieden werden die Vergleichsverfahren („Comparative Company Approach“) und die Multiplikatorenverfahren („Market Multiples“). Nach dem IDW S1 können diese Verfahren jedoch nicht an die Stelle einer Unternehmensbewertung mit dem Ertragswertverfahren oder der Discounted Cash Flow-Methode treten.103 (1) Vergleichsverfahren (Comparative Company Approach) Das Vergleichsverfahren versucht, den Unternehmenswert aus dem Marktpreis vergleichbarer Unternehmen abzuleiten. Entweder wird das Bewertungsobjekt mit dem Börsenwert eines börsennotierten Unternehmens verglichen („Comparable Company“-Ansatz) oder auf Preise zurückgegriffen, die bei Akquisitionen tatsächlich realisiert wurden („Comparable Transaction“-Ansatz). Das Vergleichsverfahren weist die Schwierigkeit auf, vergleichbare Unternehmen zu finden. Eine Vergleichbarkeit muss insbesondere bezüglich der Branche, der Absatzmärkte, der Umsatz- und Gewinnentwicklung, der Qualität des Managements, der Kapitalmärkte und Regionen, der Fungibilität der Anteile sowie der Finanz- und Eigentümerstruktur gegeben sein. Die Auswahl eines Referenzunternehmens wird zusätzlich erschwert, wenn es sich bei der zu bewertenden Gesellschaft um ein Konglomerat handelt, das nicht einer einzigen Branche zugeordnet werden kann.104 (2) Multiplikatorenverfahren (Market Multiples) Die Multiplikatormethoden („Market Multiples“) greifen die Grundidee des „Comparative Company Approach“ auf, versuchen aber dessen Schwierigkeiten mit der gezielten Auswahl von Vergleichsunternehmen zu umgehen. Der Unternehmenswert wird durch die Multiplikation einer bestimmten Kennzahl mit einem branchenspezifischen Multiplikator ermittelt. Der Branchenmultiplikator wird ermittelt, indem eine Reihe vergleichbarer börsennotierter Unternehmen aus der gleichen Branche gesucht wird („Peer Group“) und deren durchschnittliche Quotienten von Börsenwert und Kennzahl errechnet wird. Als Kennzahlen werden vorwiegend der Umsatz, der EBITDA105, der EBIT106 oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) verwendet (vgl. Abb. 13). 103 IDW S1, 7.5.2 (Tz. 144 f.). Eingehend dazu Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2002, 197 ff.; Aders / Galli, Wiedemann, FB 2000, 197 ff. 104 Zu den Problemen des Vergleichsverfahrens: Bausch, FB 2000, 448 ff.; Böcking / Nowak, FB 1999, 169 ff. 105 „Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and A mortisation“, d. h. Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. 106 „Earnings Before Interest and Taxes“, d. h. Gewinn vor Zinsen und Steuern.

4*

52

Einführung

Quelle: Studiengang „Mergers & Acquisitions“ (Universität Münster).

Abb. 13: Multiplikatorarten und ihre Ableitung

Die Festlegung einer „Peer Group“ wirft ähnliche Probleme auf wie beim Vergleichsverfahren.107 Die Multiplikatormethoden haben gegenüber dem „Comparative Company Approach“ aber zumindest den Vorteil, dass kein bestimmtes Vergleichsunternehmen vorhanden sein muss, sondern nur eine Gruppe von Vergleichsunternehmen. Das Problem der Multiplikatormethoden sind die verwendeten Kennzahlen, die jede für sich Nachteile haben. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) einer Aktiengesellschaft ist in der Praxis eine sehr gebräuchliche Kennzahl und hat den Vorteil, dass es leicht zu ermitteln ist. Das KGV setzt aber eine ähnliche Kapital- und Ertragsstrukur der Vergleichsunternehmen voraus. Außerdem ist das KGV anfällig für Verzerrungen durch unterschiedliche Bilanzpolitiken (insbesondere Abschreibungen) und internationale Rechnungslegungs- und Steuerunterschiede.108 Der Umsatz ist ebenfalls leicht zu ermitteln und eine praktikable Kennzahl gerade bei jungen Unternehmen, die noch keinen Gewinn verzeichnen (insbesondere „Start Ups“). Diese Kennzahl lässt jedoch die Ertragslage eines Unternehmens unbeachtet, obwohl es gerade die zukünftigen finanziellen Erträge sind, die den eigentlichen Unternehmenswert ausmachen.109 Die Verwendung des EBIT als Kennzahl hat den Vorteil, dass weder nichtoperative Ergebnisse noch Kapitalstruktur oder Steuereffekte Einfluss auf den Unternehmenswert haben. Der EBIT hat allerdings den Nachteil, dass der Unternehmenswert durch Abschreibungen verzerrt werden kann und damit durch unterschiedliche Bilanzierungsansätze (z. B. beim „Goodwill“110) beeinflussbar ist.111 Die pragmatischste Kennzahl ist 107 Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2002, 197 (199 f.). Vgl. Berner / Rojahn, FB 2003, 155 ff. 108 Zum KGV als Kennzahl kritisch: Aders / Galli / Wiedemann, FB 2000, 197 (210). Differenzierend: Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2002, 197 (206 f.). 109 Zum Umsatz als Kennzahl: Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2002, 197 (208). 110 Für einen Überblick über die unterschiedlichen Ansätze von HGB, IAS und US-GAAP bei der Goodwill-Bilanzierung und zur Diskussion über den neuen „Impairment Only Approach“ des US-GAAP in SFAS 141 und 142: Pellens / Sellhorn, DB 2001, 713 ff. und Pellens / Sellhorn, DB 2001, 1681 ff. 111 Zum EBIT als Kennzahl: Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2002, 197 (208).

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

53

noch der EBITDA. Der EBITDA hat den Vorteil, dass er gerade nicht durch Abschreibungen verzerrt wird, setzt indes eine ähnliche Kapital- und Ertragsstrukur der Vergleichsunternehmen in der „Peer group“ voraus.112

Zu den Schwächen einer jeden Kennzahl kommen noch grundsätzliche Probleme der Multiplikatormethode hinzu. Alle Multiplikatoren werden durch einen Quotienten mit dem Börsenwert der Vergleichsunternehmen ermittelt. Aus den bereits angesprochenen Gründen ist der Börsenkurs eine problematische Grundlage für den Unternehmenswert.113 In der Praxis kommt es bei den Multiplikatormethoden zu erheblichen Wertbandbreiten, welche die Aussagekraft dieser Bewertungsverfahren sehr in Frage stellen.

cc) Vergleich der Unternehmensbewertungsmethoden Festzuhalten bleibt, dass die marktwertorientierten Bewertungsverfahren keine Due Diligence erfordern, da sie mit externen Informationsquellen auskommen. Sie weisen aber zahlreiche konzeptionelle und praktische Schwächen auf und sind deswegen nicht in der Lage, den Unternehmenswert zuverlässig zu ermitteln. Dies ist der Grund, weshalb der Standard S1 zur Unternehmensbewertung des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) diese Verfahren als alleinige Grundlage für die Unternehmenswertbestimmung ausdrücklich ablehnt.114 In Theorie und Praxis werden die aus dem „Market Approach“ abgeleiteten Ergebnisse nur für die ersten Einschätzungen in der Planungsphase sowie zur Plausibilitätskontrolle herangezogen.115 Zur eigentlichen Unternehmenswertbestimmung werden das Ertragswertverfahren oder die Discounted Cash Flow-Methode herangezogen, die wiederum eine Informationsgrundlage durch die Due Diligence voraussetzen (vgl. Abb. 14). Dieses Ergebnis wird durch empirische Erkenntnisse gestützt. Bei der Untersuchung von Berens / Strauch gaben nur 21,1 % der befragten Unternehmen an, dass sie externen Informationsquellen eine große Bedeutung bei der Unternehmensbewertung beimessen würden.116 Ferner konnte ein erheblicher Einfluss der Due Diligence auf die Unternehmensbewertung festgestellt werden. Nach der Durchführung einer Due Diligence blieb der Unternehmenswert nur in 31,4 % der Fälle unverändert. Bei 15 % der Transaktionen erhöhte sich der Unternehmenswert (in 3,2 % der Falle sogar stark) und bei 53,6 % der Akquisitionen verringerte sich der Unternehmenswert (in 19,5 % der Fälle sogar ganz erheblich).117 Zum EBITDA als Kennzahl: Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2002, 197 (208). Sehr kritisch deswegen Aders / Galli / Wiedemann, FB 2000, 197 (210). Differenzierend: Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2002, 197 (200 f.). Vgl. Seite 45. 114 IDW S1, 7.5.2 (Tz. 145): „Diese können nicht an die Stelle einer Unternehmensbewertung treten“. 115 Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2002, 197; Peemöller, DStR 2001, 1401 (1408); Siepe / Dörschell / Schulte, WPg 2000, 946 (956); Aders / Galli / Wiedemann, FB 2000, 197; Ballwieser, DB 1997, 187. 116 Berens / Strauch, Due Diligence – empirische Untersuchung, S. 73. 117 Berens / Strauch, Due Diligence – empirische Untersuchung, S. 91. 112 113

54

Einführung

Unverbindliche Annahme eines Unternehmenswertes

Unternehmensbewertung aufgrund externer Informationsquellen

Verbindliche Bestimmung eines Unternehmenswertes

Unternehmensbewertung aufgrund externer und interner Informationsquellen (Basis: Due Diligence)

Zunehmende Informationssicherheit Konkretisierung des Unternehmenswertes

Quelle: Darstellung nach Blöcher, in: Scott, Due Diligence in der Praxis, S. 49.

Abb. 14: Funktion der Due Diligence bei der Unternehmensbewertung

2. Gewährleistungen als Alternative Eine Due Diligence kann demnach bei M&A-Transaktionen dazu beitragen, dass keine „Entscheidung unter Unsicherheit“ getroffen werden muss, da sie die entscheidungsrelevanten Informationen über Risiken und Unternehmenswert beschafft. Es gibt allerdings aus der Perspektive der Entscheidungstheorie noch eine Alternative, denn eine „Entscheidung unter Unsicherheit“ muss auch dann nicht erfolgen, wenn ein Ergebnis trotz unvollkommener Information vorhersagbar bleibt.118 Einem Entscheidungsträger ist ein wirtschaftliches Ergebnis ungeachtet seiner Informationen garantiert, wenn bei von seiner Erwartung abweichenden Ergebnissen eine Kompensation erfolgt. Aus diesem Grund könnte man überlegen, ob vertragliche oder gesetzliche Gewährleistungen eine gleichwertige Alternative zur Due Diligence bei M&A-Transaktionen sein können.119 Eine vorherige Due Diligence wäre dann nicht mehr erforderlich, denn die Vertragsparteien könnten die Transaktionskonditionen anpassen oder gegebenenfalls die Transaktion rückabwickeln, falls sich ihre Annahmen bei einer Prüfung nach Vollzug der Transaktion („Post Completion Due Diligence“120) als unrichtig herausstellen. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive steht und fällt die Gleichwertigkeit dieser Alternative mit der Sicherheit, die Gewährleistungsansprüche bieten. 118 Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft, S. 99; Bamberg / Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 17 ff.; Wöhe, Allgemeine BWL, S. 122 f. 119 Diese Alternative zur transaktionsvorbereitenden Due Diligence erörtern Werner, ZIP 2000, 989 (995); Kiethe, NZG 1999, 976 (981) und Lutter, ZIP 1997, 613 (614) aus juristischer Perspektive. 120 Diese „Post Completion Due Diligence“ ist keine Due Diligence nach der Definition, die dieser Untersuchung zugrundegelegt wird: vgl. Seite 29.

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

55

a) Gesetzliche Gewährleistungsvorschriften Eine spätere Anpassung von Transaktionskonditionen kann jedoch durch die gesetzliche Gewährleistung nicht garantiert werden. Für die meisten M&A-Transaktionen existiert noch nicht einmal ein Gewährleistungsrecht im engeren Sinne. Ein gesetzliches Gewährleistungsregime gibt es nur für den Unternehmenskauf mit den §§ 433 ff. BGB (i.V. m. § 453 BGB). Mit diesen Gewährleistungen sind nicht nur die allgemeinen Prozess- und Vollstreckungsrisiken sowie erhebliche (Schieds-)Gerichts- und Anwaltskosten verbunden. Die Absicherung durch diese Gewährleistungsrechte ist in der Praxis auch deshalb problematisch, weil es diverse Rechtsunsicherheiten gibt.121 Wegen der Komplexität von M&A-Transaktionen stellen außerdem erhebliche Beweisschwierigkeiten bei Schadensersatz und Minderung die Regel dar.122

b) Vertragliche Gewährleistungsvereinbarungen In der M&A-Praxis wird die gesetzliche Gewährleistung (soweit vorhanden) aufgrund ihrer Mängel abbedungen und durch vertragliche Regelungen ersetzt, die detailliert festlegen, wofür die Vertragspartner im Einzelnen einzustehen haben.123 Basis dieser vertraglichen Gewährleistungsvereinbarungen muss aber eine exakte Ermittlung des Zustandes des Zielunternehmens sein, denn andernfalls wissen die Vertragsparteien nicht, welche gewährleistungsrechtlichen Probleme zu bewältigen sind. Die verlässliche Feststellung des Unternehmenszustandes setzt wiederum eine vorherige Unternehmensprüfung voraus. Für effektive vertragliche Gewährleistungsvereinbarungen ist daher eine Due Diligence Voraussetzung.124 Außerdem sind bei einigen M&A-Transaktionsarten selbst vertragliche Gewährleistungsregelungen rechtlich problematisch, so dass gewisse Rechtsunsicherheiten bleiben. Sehr kontrovers diskutiert wird die Frage, ob es nach In-Kraft-Treten von § 444 BGB n.F. weiterhin möglich ist, beim Unternehmens- und Beteiligungskauf die gesetzliche Gewährleistung zugunsten eigenständig ausgehandelter Garantien abzubedingen. Die meisten Stellungnahmen sprechen sich für eine einschränkende Auslegung aus, um die grundsätz121 Mit der Schuldrechtsreform sind nur einige Rechtsunsicherheiten entschärft worden. Es sind sogar neue Probleme hinzugekommen: vgl. Huber, AcP 202 (2002), 180; Gronstedt / Jörgens, ZIP 2002, 52; Gaul, ZHR 166 (2002), 35. 122 Eingehend dazu Kiethe, NZG 1999, 976 (981); Kiethe, DStR 1995, 1756 (1760). 123 Beim Unternehmenskauf: Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 462; Gronstedt / Jörgens, ZIP 2002, 52; Kiethe, NZG 1999, 976 (982); Merkt, BB 1995, 1041 (1046). Beim Beteiligungsvertrag: Hergeht / Mingau, DStR 2001, 1217; Pfeifer, BB 1999, 1665 (1670 f.). Bei Fusionen: Aha, BB 2001, 2225 (2230). Beim Joint Venture: Picot, Mergers & Acquisitions, S. 210. Beim Börsengang: Picot / Lang, DB 1999, 570 (573); Technau, AG 1998, 445 (454). 124 Kiethe, NZG 1999, 976 (982); Jaletzke, FS Döser, S. 199 (207, 219); Merkt, BB 1995, 1041 (1046).

56

Einführung lich bestehende Vertragsautonomie nicht zu sehr auszuhebeln.125 Der verunglückte Wortlaut hat jedoch zu einer erheblichen Verunsicherung in der Praxis geführt; der Gesetzgeber arbeitet allerdings an einer Klarstellung.126 Andere Probleme treten bei Beteiligungsverträgen auf, wenn eine echte Kapitalbeteiligung und nicht nur ein atypisches Darlehen oder eine stille Beteiligung gewählt wird. Wenn Gewährleistungsvereinbarungen mit der Zielgesellschaft selbst getroffen werden, so sind diese als Leistungen an zukünftige Gesellschafter mit § 57 AktG grundsätzlich nicht zu vereinbaren.127 Ähnliche Schwierigkeiten treten bei Fusionen auf, wenn Gewährleistungen zugunsten eines Gesellschafters im Business Combination Agreement gewährt werden.128 Auch bei Gewährleistungen in Übernahmeverträgen im Rahmen von Börsengängen existieren diese Probleme. Zwar ist man überwiegend der Auffassung, dass aufgrund kapitalmarktrechtlicher Besonderheiten kein Verstoß gegen § 57 AktG vorliegt.129 Gesicherte Rechtsprechung gibt es dazu aber nicht.

Abgesehen davon weisen Gewährleistungsvereinbarungen dieselben Grundprobleme wie gesetzliche Gewährleistungsansprüche auf, denn die Beweis- und Bezifferungsprobleme bezüglich Schadensersatz und Minderung bleiben. Die Hauptschwierigkeit aller Gewährleistungsregelungen liegt jedoch darin, dass die Rückabwicklung einer M&A-Transaktion sehr problematisch ist, denn Unternehmenstransaktionen können aus praktischen und rechtlichen Gründen in der Regel nicht oder nur sehr schwer rückabgewickelt werden. Die Rückabwicklung einer Fusion ist gesetzlich nicht vorgesehen. Eine Rückabwicklung einer Verschmelzung könnte allenfalls durch eine Spaltung nach § 123 UmwG erfolgen. Eine Fusion durch Sachkapitalerhöhung müsste durch eine Kapitalherabsetzung gemäß §§ 222 ff. AktG rückgängig gemacht werden. Die Rückabwicklung eines Unternehmenskaufs ist rechtlich nicht ausgeschlossen,130 aber sehr kompliziert. Ein Unternehmen ist durch Investitionen des Erwerbers, durch sich kontinuierlich ändernde Marktsituationen und häufig mit dem Unternehmenserwerb einhergehende Personalveränderungen schon bald nach dem Übergang ein völlig anderer (Rechts-)Gegenstand.131 Noch problematischer ist die Situation bei einem öffentlichen Übernahmeangebot, denn eine Rückabwicklung ist im WpÜG nicht vorgesehen und § 18 Abs. 2 WpÜG lässt einen Rücktrittsvorbehalt nicht zu. Eine spätere Rückabwicklung einer Private-Equity-Transaktion ist häufig aussichtslos, weil die Gesellschaft das zugeschossene Kapital i.d.R. schon verwendet 125 Eingehend dazu Dauner-Lieb / Thiessen, ZIP 2002, 108. Ebenso Gaul, ZHR 166 (2002), 35 (62 f.); Jaques, BB 2002, 417 f.; Wolf / Kaiser, WM 2002, 411 (419); Gronstedt / Jörgens, ZIP 2002, 52 (56 ff.). Vgl. BegrRegE zu § 444 BGB, BT-Drucks. 14 / 6040, S. 240. A.A.: v. Westphalen, BB 2002, 209. 126 Vgl. F.A.Z. v. 18. 08. 2004, S. 23. 127 Großkomm / Henze, AktG, § 57 Rn 80; KölnKomm / Lutter, AktG, § 57 Rn 40; Canaris, FS Fischer, S. 30 (31 f.). 128 Vgl. Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60; Brandi, NZG 2004, 600. 129 Technau, AG 1998, 445 (455 ff.) Zustimmend: Picot / Lang, DB 1999, 570 (573). 130 A.A.: Gaul, ZHR 166 (2002), 35 (56); Kaiser / Wolf, DB 2002, 411 (418), die § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F. heranziehen. Allerdings wurde schon die Vorgängernorm § 352 BGB a.F. nicht auf den Unternehmenskauf angewandt. 131 Kaiser / Wolf, DB 2002, 411 (418); Gronstedt / Jörgens, ZIP 2002, 52 (61 f.); MeyerSparenberg, NZG 2001, 753 (754).

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

57

hat. Erweisen sich die vorherigen Annahmen als falsch, führt dies außerdem häufig bereits zur Insolvenz der Gesellschaft. Gewährleistungsrechte sind deshalb im Private EquityBereich zumeist wirtschaftlich wertlos.132 Nicht nur praktisch, sondern auch rechtlich problematisch ist die Rückabwicklung eines Übernahmevertrages bei einem Börsengang. Bei der Platzierung neuer Aktien haben die Banken mit der Übergabe des Zeichnungsscheins gemäß § 185 AktG ihre Verpflichtung zur Übernahme der Aktien erfüllt. Nach Eintragung der Kapitalerhöhung ist die Rückgabe der Aktien ausgeschlossen. Eine Kapitalherabsetzung gemäß §§ 222 ff. AktG zur Rückabwicklung bedarf eines qualifizierten Hauptversammlungsbeschlusses. Eine Rückabwicklung des Übernahmevertrages durch Rückkauf der Aktien verhindert § 71 Abs. 1 AktG.133

Ein Entscheidungsträger hat aus diesem Grund i.d.R. nicht die Möglichkeit, einmal getroffene Fehlentscheidungen im M&A-Bereich rückgängig zu machen. Gewährleistungsregelungen können allenfalls Fehler bei der Festlegung der Transaktionskonditionen und -struktur kompensieren, während die eigentliche Entscheidung zur Transaktionsdurchführung nicht reversibel ist.

3. Vergleich von Due Diligence und Gewährleistungen Sowohl gesetzliche als auch vertragliche Gewährleistungsregelungen sind demnach bei Unternehmenstransaktionen problematisch, da sie einen Entscheidungsträger nicht hinreichend bei Fehlentscheidungen absichern können.134 Gewährleistungen sind wirtschaftlich gesehen gegenüber der Durchführung einer Due Diligence nicht gleichwertig. Der Nutzen einer Due Diligence ist zwar letztlich von der konkreten Ausgestaltung und der zur Verfügung gestellten Informationen abhängig. Obwohl bei einer Due Diligence Restrisiken bleiben, ist sie dennoch bei M&A-Transaktionen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive die bessere Alternative.135 Die Gefahr einer Fehlentscheidung infolge unvollkommener Information wird durch Gewährleistungen allenfalls verringert, durch eine vorherige Due Diligence dagegen minimiert. Eine Risikominimierung erfolgt vor allem dann, wenn diese Maßnahmen sogar kombiniert werden können (vgl. Abb. 15).136 Vgl. Pfeifer, BB 1999, 1665 (1671). Picot / Lang, DB 1999, 570 (573); Technau, AG 1998, 445 (452 ff.). 134 Eine Entscheidung unter Unsicherheit, die kein rationaler Entscheidungsträger treffen würde, wird jedoch durch Gewährleistungen vermieden. Auch wenn der Umfang und die Qualität der Gewährleistungen erheblich variieren, kann ein Entscheidungsträger bei M&A zumeist objektive oder zumindest subjektive Wahrscheinlichkeiten für abweichende Ergebnisse bestimmen. Es ist für ihn in der Regel wenigstens eine „Entscheidung unter Risiko“ möglich. Allgemein dazu: Bamberg / Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 138 ff.; Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft, S. 99. Vgl. v. Werder, ZfB 1997, 901 (904 f.). 135 Eingehend dazu Kiethe, NZG 1999, 976 (981 f.); Jaletzke, FS Döser, S. 199 (219). Vgl. Picot, Mergers & Acquisitions, S. 267; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (368 Fn 27). 136 Dies ist freilich bei einigen M&A-Transaktion nicht möglich (z. B. Öffentliche Übernahmeangebote). 132 133

58

Einführung

Due Diligence

Entscheidung unter Sicherheit

Gewährleistung und Post Completion Due Diligence

Entscheidung unter Risiko

Entscheidung unter Unsicherheit

Quelle: Eigene Darstellung.

Abb. 15: Due Diligence und Gewährleistungen in der Entscheidungstheorie

II. Volkswirtschaftliche Funktionen der Due Diligence Neben den betriebswirtschaftlichen Funktionen erfüllt die Due Diligence eine nicht unerhebliche gesamtwirtschaftliche Funktion.137 Anhand der Modelle der Neuen Institutionenökonomie138 lässt sich belegen, dass das Institut der Due Diligence dazu beiträgt, ein Marktversagen auf dem M&A-Markt durch Informationsasymmetrien zu verhindern.

1. Marktversagen bei Informationsasymmetrien Der M&A-Markt kann unterteilt werden in einen Markt für Unternehmenskontrolle (Fusionen, Unternehmenskäufe und Joint Ventures) und den Markt für Eigenkapital (Beteiligungskäufe, Private Equity-Transaktionen und Börsengänge). Da Unternehmenswert und -risiken von Aktiengesellschaften ohne interne Informa137 Die Analyse gesamtwirtschaftlicher Folgen ist Gegenstand der Volkswirtschaftslehre: Zur Abgrenzung von Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre: Wöhe, Allgemeine BWL, S. 27 ff. (28); Woll, Allgemeine VWL, S. 7. 138 Zur Neuen Institutionenökonomie: Fleischer, ZGR 2001, 1 (3 ff.).

B. Die ökonomischen Funktionen der Due Diligence

59

tionsquellen nicht transparent sind139, existieren im M&A-Markt erhebliche Informationsasymmetrien. Diese Informationsasymmetrien können eine Gefährdung für den gesamten Unternehmensmarkt darstellen, denn die Erhaltung und Festigung des Vertrauens der Marktteilnehmer ist Voraussetzung für einen stabilen und integren Kapitalmarkt. Im Extremfall führen diese Informationsasymmetrien zu Marktversagen, denn wie der Nobelpreisträger Akerlof in seinem grundlegenden Aufsatz „The Market for Lemons“ herausgearbeitet hat, können die Folgen von Transparenz und Verhaltenunsicherheit fatal sein.140 Wenn sich qualitativ bessere Unternehmen von den schlechteren Unternehmen aufgrund der Intransparenz des Marktes nicht unterscheiden lassen, bilden sich Durchschnittspreise im Unternehmens- und Kapitalmarkt. Effiziente Unternehmen werden durch diese Durchschnittspreise benachteiligt, während schwächere Unternehmen durch die pauschalierende Marktbewertung bevorteilt werden. Im Ergebnis besteht die Gefahr, dass sich die guten Unternehmen aus dem Markt zurückziehen und lediglich die schlechten Marktteilnehmer zurückbleiben. Es setzt dadurch eine Negativauslese (Adverse Selection) ein, die bis zur Auflösung des Marktes für Unternehmenstransaktionen führen kann („The race to the bottom“).141

2. Due Diligence zur Verhinderung eines Marktversagens bei M&A Die Due Diligence stellt einen Mechanismus dar, der ein Marktversagen infolge von Informationsasymmetrien im M&A-Bereich verhindert, da sie das fundamentale Vertrauensproblem im Unternehmensmarkt löst. Bei Informationsasymmetrien kann Vertrauen entweder durch so genanntes „Signalling“ oder durch „Screening“ hergestellt werden.142 In diesem Sinne kann eine Due Diligence je nach Perspektive sowohl als Prozess des Screening als auch als Prozess des Signalling von Informationen verstanden werden. Ein M&A-Interessent kann sich durch Screening (Wissenserarbeitung) zusätzliche Informationen über den Vertragsgegenstand verschaffen und die Zielgesellschaft kann durch Signalling (Wissensvermittlung) versuchen, in gewissem Umfang die Informationsasymmetrie zu nivellieren.143 Vgl. Seite 45 ff. (Unternehmenswert) bzw. Seite 41 ff. (Risiken). Akerlof demonstrierte dies anhand des Gebrauchtwagenmarktes: Akerlof, Quarterly Journal of Economics 1970, S. 488 ff. 141 Eingehender dazu: Pindyck / Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 748 ff.; Strasser, Informationsasymmetrien bei Unternehmensakquisitionen, S. 21 f.; 24 ff. Vgl. Niemann, Informationsasymmetrien beim Unternehmensverkauf, S. 85 ff. 142 Allgemein dazu Pindyck / Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 756 ff.; Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft, S. 515. Aus dem US-amerikanischen Schrifttum: Samuelson / Nordhaus, Economics, S. 195 f. 143 Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. 5; Strasser, Informationsasymmetrien bei Unternehmensakquisitionen, S. 86 f. 139 140

60

Einführung

M&A-Interessent

Vertragsgegenstand

Zielunternehmen

Disclosure

Screening Screening

Signalling

Due Diligence

Quelle: Eigene Darstellung.

Abb. 16: Due Diligence als Prozess des Screening und Signalling

C. Exkurs: Die Ökonomische Analyse des Rechts Eine effiziente gesetzliche Regelung würde eine Due Diligence angesichts ihrer wertvollen ökonomischen Funktionen weitgehend zulassen. Der Effizienzgedanke der Ökonomischen Theorie des Rechts ist jedoch nach der herrschenden Auffassung in Deutschland lediglich bei der Gesetzgebungsanalyse anwendbar, während er bei der Rechtsanwendung nicht ohne weiteres umsetzbar ist.144 Effizienzkriterien können allenfalls im Kapitalgesellschaftsrecht im Rahmen der teleologischen Auslegung herangezogen werden.145

144 Anders ist dies in den USA: Eingehend dazu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 414 ff., 450 ff. Zusammengefasst in AcP 197 (1997), S. 80 ff. 145 Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1046 Fn 38); Wiese / Demisch, DB 2001, 849 (850); Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (127); Ott / Schäfer, JZ 1988, 213 (216 f.); Kübler, FS Larenz, S. 686 (698). Vgl. auch Fleischer, ZGR 2001, 1 (32).

Erster Teil

Die unabhängige Aktiengesellschaft In diesem ersten Teil wird die Rechtslage in einer unabhängigen Aktiengesellschaft untersucht. Darunter wird im Rahmen dieser Arbeit eine Zielgesellschaft verstanden, die nicht von einem herrschenden Unternehmen abhängig ist (§ 17 AktG); Konzernrecht ist Gegenstand des zweiten Teils.1 Dieser erste Teil ist wiederum in die vier wesentlichen Fragestellungen unterteilt. Zunächst wird der Frage nachgegangen, welches Gesellschaftsorgan der Aktiengesellschaft für die Entscheidung über eine Due Diligence zuständig ist.2 Die Diskussion der gesetzlichen Grenzen bei einer Due Diligence infolge von Geheimhaltungsvorschriften ist anschließend Gegenstand der Untersuchung.3 Es folgt die Erörterung der Folgepflichten einer Zielgesellschaft, wenn diese eine Due Diligence gewährt.4 Letztlich wird sich mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen gegenüber einer Aktiengesellschaft sogar Ansprüche auf Gestattung einer Due Diligence bestehen können.5

A. Kompetenzverteilung bei der Gestattung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft In der Praxis wird die Entscheidung über eine Due Diligence regelmäßig allein durch den Vorstand getroffen. Die Hauptversammlung wird mit dieser Frage nicht befasst. Ebensowenig wird der Aufsichtsrat in aller Regel in die Entscheidungsfindung miteinbezogen. Diese Praxis hat dazu geführt, dass die rechtliche Auseinandersetzung über die Kompetenzverteilung bei Entscheidung über eine Due Diligence bislang kaum gesucht wurde. Die meisten Äußerungen im Schrifttum befassen sich mit diesem Problemkomplex erst gar nicht oder beschränken sich auf Festlegungen, die nicht weiter begründet werden.6 Nur vereinzelt wird zur KomVgl. Seite 263 ff. Vgl. A (Seite 61 ff.). 3 Vgl. B (Seite 88 ff.). 4 Vgl. C (Seite 206 ff.). 5 Vgl. D (Seite 238 ff.). 6 Beispielsweise Körber, NZG 2002, 263 (268); Ziemons, AG 1999, 492 (494, 495); Bihr, BB 1998, 1198 (1200); Peters, Due Diligence, S. 95 f.; Schanz, Börseneinführung, § 8 Rn 36; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 1 2

62

1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

petenzverteilung etwas eingehender Stellung genommen, ohne dabei alle Fragen zu klären.7 Insbesondere die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats bei der Entscheidung über eine Due Diligence wurden bisher nicht ausführlicher diskutiert. Dieser Befund ist erstaunlich, weil eine Due Diligence nicht zu unterschätzende negative Folgen für eine Zielgesellschaft haben kann. Einem Dritten den ungehinderten Zugang zu geheimen Geschäftsinformationen zu gewähren, stellt eine weitreichende Entscheidung dar, die in die Kompetenz von Hauptversammlung oder Aufsichtsrat fallen könnte.8 Bei der Gewährung einer Due Diligence ist die Entscheidungs- von der Durchführungskompetenz zu trennen. Die Entscheidungskompetenz betrifft die Frage, welches Gesellschaftsorgan über die Gewährung einer Due Diligence entscheidet. Davon zu unterscheiden ist die Durchführungskompetenz. Sie regelt die Befugnis zur Durchführung der Due Diligence, sobald in der Gesellschaft die Entscheidung für eine Due Diligence gefallen ist.9

I. Grundsätzliche Entscheidungs- und Durchführungskompetenz des Vorstands Sowohl die Entscheidung über eine Informationserteilung als auch die Bereitstellung von Informationen und ähnliche Durchführungsmaßnahmen während einer Due Diligence sind Geschäftsführungsmaßnahmen,10 da es sich um tatsächliches Handeln für die Aktiengesellschaft handelt.11 Die Geschäftsführungsbefugnis liegt beim Vorstand. Dies wird in § 77 AktG vorausgesetzt und folgt aus dem Zusammenhang der §§ 76 Abs. 1, 78, 82 Abs. 2 AktG.12 Der Vorstand hat somit grundsätzlich sowohl die Entscheidungs- als auch die Durchführungskompetenz hinsichtlich einer Due Diligence. Bezüglich der Durchführung einer gewährten Due Diligence ist der Vorstand das einzige Organ, das dafür in Frage kommt. Hauptversammlung und Aufsichtsrat können an der Entscheidung über Geschäftsführungsmaßnahmen mitwirken bzw. beteiligt sein (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG bzw. § 119 Abs. 2 AktG), nicht aber selbst 7 Ansätze hierzu allein bei: Linker / Zinger, NZG 2002, 497 f.; Krömker, Due Diligence, S. 30 ff.; Eggenberger, Due Diligence, S. 84 ff. 8 Vergleichbare Einschätzung bei Krömker, Due Diligence, S. 31. 9 Allgemein zu diesen Begriffen: Hüffer, AktG, § 77 Rn 5; KölnKomm / Mertens, AktG, § 77 Rn 4. 10 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (498); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (442); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452); Peters, Due Diligence, S. 96. 11 Zur Definition des Begriffs Geschäftsführungsmaßnahme: Hüffer, AktG, § 77 Rn 3; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 77 Rn 1; KölnKomm / Mertens, AktG, § 77 Rn 3. Zum Leitungsbegriff eingehend: Fleischer, ZIP 2003,1 ff. 12 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 4.1.1.

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft

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derartige Maßnahmen durchführen (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG bzw. §§ 118, 119 AktG). Abgesehen davon sind weder Hauptversammlung noch Aufsichtsrat von ihrer Funktion und von ihrer Organisation her für die Bereitstellung von Informationen und ähnliche Maßnahmen während einer Due Diligence geeignet. Der Vorstand hat deshalb hinsichtlich einer Due Diligence die ausschließliche Durchführungskompetenz. Problematischer ist die Frage der Entscheidungskompetenz. Es muss erörtert werden, welches Gesellschaftsorgan die Entscheidung über die Gewährung einer Due Diligence trifft oder zumindest an der Entscheidungsfindung beteiligt ist. Grundsätzlich ist dies erneut der Vorstand aufgrund seiner Geschäftsführungsbefugnis, es sei denn, dass sich bei der Entscheidung über eine Due Diligence ausnahmsweise Kompetenzen von Hauptversammlung und Aufsichtsrat begründen lassen.13

II. Kompetenzen der Hauptversammlung Die Rechte der Hauptversammlung sind vorwiegend in § 119 AktG geregelt. Eine ausdrückliche Zuweisung der Zuständigkeit für die Entscheidung über die Weitergabe vertraulicher Unternehmensinformationen wie bei einer Due Diligence enthält weder der Katalog des § 119 Abs. 1 AktG noch andere Vorschriften.14 Anders als die Gesellschafterversammlung einer GmbH kann sich die Hauptversammlung auch nicht ohne weiteres durch einen entsprechenden Beschluss für zuständig erklären.15 Gleichwohl wird vereinzelt im Schrifttum angenommen, dass die Entscheidung über eine Due Diligence in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen kann.16 1. Ungeschriebene Mitwirkungskompetenz nach „Holzmüller“ und „Gelatine“ Gemäß § 119 Abs. 2 AktG entscheidet die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung grundsätzlich nur, wenn es der Vorstand verlangt.17 Über eine Vorlage an die Hauptversammlung entscheidet der Vorstand nach eigenem Ermessen („kann“).18 Nach dem „Holzmüller“-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) Geßler / Hefermehl, AktG, § 76 Rn 11; Linker / Zinger, NZG 2002, 497. Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (498); KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 30. 15 Hüffer, AktG, § 119 Rn 11; Großkomm / Mülbert, AktG, § 119 Rn 38. Vergleichbares ist aber im Rahmen von § 83 Abs. 1 AktG denkbar: vgl. Seite 244 ff. 16 Schanz, Börseneinführung, § 8 Rn 36 (ohne Begründung); Ziemons, AG 1999, 492 (494 f.) beim Asset Deal. Ähnlich: Schaefer / Missling, NZG 1998, 441 (445). 17 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 2.2.1. 18 Hüffer, AktG, § 119 Rn 15; Großkomm / Mülbert, AktG, § 119 Rn 38. 13 14

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

aus dem Jahre 198319 konnte es jedoch zu einer Ermessensreduzierung auf Null kommen und deshalb der Vorstand zur Vorlage verpflichtet sein. Eine Pflicht zur Vorlage bestand nach den „Holzmüller“-Grundsätzen, wenn derart tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingegriffen wird, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe die Entscheidung in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen.20 Ungeachtet der Kritik an der dogmatischen Herleitung ist die Literatur dieser Rechtsprechung im Grundsatz gefolgt. Die Existenz ungeschriebener Zuständigkeiten der Hauptversammlung wurde anerkannt.21 Die „Holzmüller“-Rechtsprechung wurde im Jahre 2004 durch die „Gelatine“-Urteile des BGH erneut22 bestätigt und weiter konkretisiert.23 In diesen Urteilen wird die stets kritisierte Anlehnung ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung an § 119 Abs. 2 AktG ausdrücklich aufgegeben.24 Die in der Literatur25 überwiegend bevorzugte Einzel- oder Gesamtanalogie zu anderen Vorschriften, welche die Mitwirkung der Hauptversammlung anordnen, lehnte der BGH aber gleichfalls als ungeeignet ab.26 In den „Gelatine“-Urteilen weist der BGH zutreffenderweise daraufhin, dass die Rechtsfolgen dieser Normen ungeeignet sind. Die zur Analogiebildung herangezogenen Vorschriften würden dem Vorstand nicht nur die Geschäftsführungsbefugnis nehmen, sondern die von ihm getroffenen Maßnahmen wegen fehlender Vertretungsmacht als nichtig behandeln.27 Angesichts der weiterhin bestehenden Unschärfen der „Holzmüller“-Kompetenzen wäre eine derartig weitreichende Rechtsfolge nicht hinnehmbar.28 Der BGH bezeichnet die ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung nunmehr als Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung.29 19 BGHZ 83, 122. Zu den Hintergründen der „Holzmüller“-Entscheidung und den Folgen: Habersack, BB 2002, Heft 9, Seite I. 20 BGHZ 83, 122 (131). 21 Vgl. Hüffer, AktG, § 119 Rn 18; Großkomm / Mülbert, AktG, § 119 Rn 17 ff.; Joost, ZHR 163 (1999), 164; Weißhaupt, NZG 1999, 804 (807). 22 Im Jahre 2002 war die Existenz ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen bereits im „Macrotron“-Urteil durch den BGH bestätigt worden: BGH ZIP 2003, 387 (389). Anmerkungen zu diesem Urteil: Streit, ZIP 2003, 392 und Heidel, DB 2003, 548. Vgl. auch LG Duisburg, Der Konzern 2003, 291. 23 BGH NZG 2004, 571 bzw. 575. Anmerkungen zu diesem Urteil: Fleischer, NJW 2004, 2335; Götze, NZG 2004, 585. 24 BGH NZG 2004, 571 (573 f.). 25 Vorgeschlagen wurden Analogien zu Vorschriften im AktG und UmwG oder eine Gesamtanalogie zu diesen Bestimmungen: vgl. K. Schmidt, GesellschR, S. 880 f.; Großkomm / Mülbert, AktG, § 119 Rn 21; Joost, ZHR 163 (1999), 164; Weißhaupt, NZG 1999, 804 (807). 26 BGH NZG 2004, 571 (574). 27 BGH NZG 2004, 571 (574). 28 Dahingehend auch Fleischer, NJW 2004, 2335 (2337). 29 BGH NZG 2004, 571 (574). Zur offenen Rechtsfortbildung: Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 188. Sehr kritisch: Fleischer, NJW 2004, 2335 (2337), der zu Recht anmerkt,

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft

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Es stellt sich nunmehr die Frage, ob nach den Grundsätzen der „Holzmüller“und „Gelatine“-Rechtsprechung eine Zuständigkeit der Hauptversammlung begründet wird, wenn es um die Entscheidung über eine Due Diligence geht. Dafür spricht, dass aufgrund der mit der Due Diligence verbundenen Risiken das Vermögen und im Extremfall der Bestand einer Aktiengesellschaft gefährdet werden kann. Die Verhinderung einer unbefugten Weitergabe vertraulicher Unternehmensinformationen liegt deshalb grundsätzlich im Interesse der Anteilseigner.30 Dies zeigt sich auch darin, dass § 404 AktG, der die unbefugte Weitergabe von Gesellschaftsgeheimnissen unter Strafe stellte, unter anderem dem Schutz der Aktionäre dient.31 Nach der Konkretisierung der ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse in den „Gelatine“-Urteilen ist dennoch eine Zuständigkeit der Hauptversammlung in Fragen der Due Diligence zu bezweifeln. In den „Gelatine“-Urteilen stellt der BGH klar, dass es sich bei „Holzmüller“-Fällen um eine Ausnahmezuständigkeit handeln, die nur in engen Grenzen anzuerkennen ist.32 Eine im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene Mitwirkung der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands kann nach Auffassung des BGH nur dann in Betracht kommen, wenn sie an die Kernkompetenz der Hauptversammlung heranreicht, über die Verfassung der Gesellschaft bestimmen zu dürfen.33 Eine zustimmungspflichtige Maßnahme muss daher in ihren Auswirkungen einer Satzungsänderung nahezu gleichkommen.34 Ein derartig schwerwiegender Eingriff in Aktionärsinteressen findet durch eine Due Diligence nicht statt. Durch eine Due Diligence wird nicht tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen eingegriffen. Der Vorstand trifft mit der Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen keine Verfügung über Vermögenswerte der Gesellschaft, sondern setzt das Gesellschaftsvermögen lediglich einer Gefährdung aus. Anders als bei den anerkannten „Holzmüller“-Anwendungsfällen findet kein direkter Eingriff in das Anteilseigentum statt, der den Aktienwert unmittelbar beeinträchtigt.35 Durch die Gewährung einer Due Diligence erfolgt kein Eingriff in die Innenstruktur der Aktiengesellschaft oder in die Vermögensrechte der Aktionäre. Ebensowenig wird die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs durch Mediatisierung seiner Mitwirkungsrechte geschwächt.36

dass diese Herleitung durchaus erhebliche rechtsmethodische Schwachpunkte hat. Zustimmend hingegen Götze, NZG 2004, 585 (587). 30 Darauf weisen richtigerweise Linker / Zinger, NZG 2002, 497 f. hin. 31 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 Fn 12. Vgl. KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 11. Zu § 404 AktG: vgl. Seite 209. 32 BGH NZG 2004, 571 (574). 33 BGH NZG 2004, 571 (574). 34 BGH NZG 2004, 571 (574). 35 Dahingehend auch Eggenberger, Due Diligence, S. 87. 36 Zu diesen Voraussetzungen: BGH NZG 2004, 571 (573) sowie BGHZ 83, 122 (136 ff.). 5 Liekefett

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Eine Befassung der Hauptversammlung in diesem frühen Transaktionsstadium würde zudem erhebliche Geheimhaltungsprobleme aufwerfen.37 Die Aktionäre bekämen schließlich nicht nur von der Transaktion selbst Kenntnis. Der Hauptversammlung müssten gemäß § 124 Abs. 2 S. 2 AktG analog auch weitere Informationen zur Verfügung gestellt werden (z. B. der Letter of Intent oder ein etwaiges Memorandum of Understanding). Sie müssten eventuell sogar über die Due Diligence-Informationen selbst informiert werden, da es den Aktionären sonst nicht möglich ist, sich ein umfassendes Bild über den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt zu machen und ein Entscheidungsrecht somit leerliefe.38 Außerdem stünde den Aktionären auf der Hauptversammlung ein dahingehendes Fragerecht aus § 131 Abs. 1 AktG zu. Bei der Offenlegung vertraulicher Informationen zur sachgemäßen Beurteilung des Weitergabeverlangens an die Aktionäre ist aber zu bedenken, dass diese nicht zur Verschwiegenheit über die in der Hauptversammlung behandelten Angelegenheiten verpflichtet sind. Aus diesem Grund könnten sensible Informationen über die beabsichtigte Transaktion ungehindert nach außen dringen.39 Gerade bei Börsengesellschaften ließe sich kaum vermeiden, dass die Pläne der Transaktionspartner und andere sensible Informationen an die Öffentlichkeit gerieten. Von diesen Hauptversammlungen berichtet regelmäßig die Presse, manchmal sogar das Fernsehen. Eine Geheimhaltung wäre damit nicht mehr beherrschbar. In diesem relativ frühen Stadium kann ein Bekanntwerden der Transaktionsabsichten schwerwiegende Probleme mit sich bringen. So könnten sich Wettbewerber frühzeitig auf die neue Situation einstellen und gar etwaige strategische Absichten, die mit der der Transaktion verfolgt werden sollten, frühzeitig zunichte machen. Auch könnten die Arbeitnehmer der beteiligten Gesellschaften, die sich erfahrungsgemäß bei den meisten Unternehmenstransaktionen Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen, möglicherweise grundlos verunsichert werden. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften könnten die jeweiligen Aktienkurse der beteiligten Gesellschaften erhebliche Einflüsse durch die Veröffentlichung der Transaktionspläne erfahren. Dadurch könnten manche Transaktionen erheblich behindert werden. Beispiele: So könnte ein Unternehmenskauf, der durch einen Aktientausch finanziert werden sollte oder ein Öffentliches Übernahmeangebot plötzlich übermäßig teuer und undurchführbar werden. Das Umtauschverhältnis bei einer Fusion durch Verschmelzung könnte sich grundlegend verändern, da bei § 15 UmwG nach überwiegender Auffassung der Börsenkurs zugrunde gelegt werden muss.40

Darüber hinaus darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass mit der Einberufung einer Hauptversammlung erhebliche Kosten und Zeitaufwand verbunden sind, so37 Meincke, WM 1998, 749 (751 Fn 28); Eggenberger, Due Diligence, S. 88. Zur rechtlichen Problematik, eine M&A-Transaktion wie eine Fusion während der Verhandlungsphase zu dementieren: Wegen / Scholz, M&A Review 2001, 196 ff. 38 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (498); Meincke, WM 1998, 749 (751 Fn 28). 39 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (498); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (451). 40 Vgl. Reuter, DB 2001, 2483; Piltz, ZGR 2001, 185 (205 ff.).

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft

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fern nicht eine Einberufung unter den erleichterten Voraussetzungen von § 121 Abs. 6 AktG erfolgen kann. § 121 Abs. 6 AktG kommt aber nur bei EinmannAktiengesellschaften oder einem vergleichsweise überschaubaren Aktionärskreis in Betracht. Aufgrund des mit der Einberufung der Hauptversammlung verbundenen Zeitaufwandes würde die Durchführung einer M&A-Transaktion erheblich verzögert werden. In seinen „Gelatine“-Urteilen spricht auch der BGH diese Problematik an: In einer global verletzten Wirtschaftsordnung kommt es darauf an, sich bietende Chancen umgehend zu nutzen. Eine zu enge Bindung an jeweils einzuholende Entschließungen der nicht ständig präsenten, sondern regelmäßig nur mit erheblichem Aufwand an Zeit und Kosten einzuberufenden Hauptversammlung wäre deshalb unpraktikabel und hätte eine Lähmung der Gesellschaft zur Folge.41 Die „Holzmüller“-Grundsätze können aus diesen Gründen keine Anwendung auf die Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence finden.42

2. Annexkompetenz Gleichwohl könnte man sich die Frage stellen, ob nicht eine Due Diligence in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen muss, wenn die dazugehörige Transaktion ohnehin ihrer Zustimmung bedürfte.43 Die meisten M&A-Transaktionen benötigen in der Aktiengesellschaft zu ihrer Durchführung eines Beschlusses der Hauptversammlung. Bei einer Fusion im Wege der Verschmelzung bedarf die Transaktion eines zustimmenden Beschlusses nach §§ 13, 65 UmwG, bei einer Fusion mittels einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage ergibt dies aus § 182 Abs. 1 AktG. Ein Asset Deal über das gesamte Gesellschaftsvermögen benötigt eine Zustimmung gemäß § 179a AktG. Ein „Asset Deal“ kann ferner nach „Holzmüller / Gelatine“-Grundsätzen zustimmungspflichtig sein.44 Die Eingehung eines Joint Ventures kann nur bei einem erheblichen Umfang der betroffenen Aktiva nach „Holzmüller“ der Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich machen. Soll eine Due Diligence anlässlich eines Beteiligungsvertrags durchgeführt werden und ist eine hierzu eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlage beabsichtigt, ist § 182 Abs. 1 AktG einschlägig. Ist beabsichtigt, den Private Equity-Investor im Wege einer Stillen Beteiligung einsteigen zu lassen, ergibt sich die Zuständigkeit aus § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Bei Börsengängen ohne Kapitalerhöhung ist nach den „Gelatine“-Urteilen zweifelhaft, ob eine „Holzmüller“-Kompetenz besteht.45 BGH NZG 2004, 571 (574). Zustimmend Fleischer, NJW 2004, 2335 (2339). Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (498); Ziemons, AG 1999, 492 (494 f.); Krömker, Due Diligence, S. 31 ff.; Meincke, WM 1998, 749 (751 Fn 28); Eggenberger, Due Diligence, S. 86 ff. A.A.: Schanz, Börseneinführung, § 8 Rn 36. 43 Ziemons, AG 1999, 492 (494 f.) insbesondere beim Asset Deal (§ 179a AktG). 44 Vgl. Götze, NZG 2004, 585 (588). Zuletzt diskutiert beim Verkauf der HDW durch den Babcock Borsig-Konzern: LG Duisburg, Der Konzern 2003, 291 ff. 45 Nach der herrschenden Auffassung war die Hauptversammlung zu befassen. Zum Streitstand: Großkomm / Mülbert, AktG, § 119 Rn 28 Fn 48. Eingehend: Lutter / Leinekugel, ZIP 1998, 805 (806); Hopt, FS Drobning, S. 525 (536 f.). 41 42

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Aus diesem Grund könnte man überlegen, ob bei diesen zustimmungspflichtigen M&A-Transaktionen eine Hauptversammlungskompetenz für die Due Diligence aus einer Annexkompetenz46 folgt. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass die Gesellschaft andernfalls Gefahr laufen würde, ihre Geheimnisse nutzlos zu offenbaren.47 Es ist dabei zu einfach zu argumentieren, dass der Vorstand ohnehin keine Due Diligence vor einer Transaktion zulassen würde, wenn er sich nicht der Zustimmung der Aktionäre zu der Transaktion sicher wäre.48 Dies mag zwar durchaus im Regelfall zutreffen, aber mit dieser Argumentation kann diese Frage nicht entschieden werden. Entscheidendes Argument gegen Annexkompetenzen der Hauptversammlungen ist ein Umkehrschluss aus § 83 Abs. 1 AktG. Nach dieser Vorschrift ist der Vorstand auf Verlangen der Hauptversammlung dazu verpflichtet, Maßnahmen „vorzubereiten“, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen oder nur mit deren Zustimmung wirksam werden. Die Hauptversammlung kann eventuell dem Vorstand eine dahingehende Weisung erteilen („auf Verlangen“).49 Nach dem klaren Wortlaut von § 83 Abs. 1 AktG besteht demnach keine originäre Hauptversammlungskompetenz in Vorbereitungsfragen bei M&ATransaktionen. Gegen eine Annexkompetenz spricht außerdem, dass die Befassung der Hauptversammlung mit der Entscheidung über die Due Diligence oftmals zu einer unnötigen doppelten Beteiligung der Hauptversammlung führte, gerade weil die dazugehörige Transaktion ohnehin ihrer Zustimmung bedarf. Entscheidend ist in diesen Fällen nicht, ob die Aktionäre beteiligt werden, sondern wann die Hauptentscheidung mit einer in ihre Kompetenz fallenden Unternehmenstransaktion befasst wird. Insgesamt ist deshalb eine Annexkompetenz der Hauptversammlung für die Gestattung einer Due Diligence abzulehnen.

3. 3.7 Abs. 3 DCGK bei Öffentlichen Übernahmeangeboten (bei Börsengesellschaften) Die Hauptversammlung wäre aufgrund der so genannten „Neutralitätspflicht“ 50 des Vorstands zumindest bei Öffentlichen Übernahmeangeboten zuständig, wenn es sich bei der Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence um eine Maßnahme handeln würde, die vom Neutralitätsgebot erfasst wird und dadurch die Entscheidung in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fällt. Nach überwiegender Auffassung bestand das Neutralitätsgebot bereits vor In-Kraft-Treten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG). Dabei war heftig darüber dis46 Annexkompetenzen sind aus dem Verfassungsrecht bekannt und werden insbesondere bei Art. 73, 74 GG diskutiert: vgl. Jarass / Pieroth, GG, Art. 70 Rn 7. 47 Dahingehend Ziemons, AG 1999, 492 (494 f.) beim Asset Deal (§ 179a AktG) ohne aber den hier verwandten Begriff der Annexkompetenz zu gebrauchen. 48 Dahingehend aber Ziemons, AG 1999, 492 (494 f.). 49 Darauf wird zurückzukommen sein: vgl. Seite 105 und Seite 244 ff. 50 Zur Kritik an dem Begriff Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 10 ff.

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft

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kutiert worden, ob die Neutralitätspflicht für den Vorstand zu einer Zuständigkeit der Hauptversammlung führt.51 Auch der Übernahmekodex (ÜK) sah dies in Art. 19 S. 3 ÜK vor.52 Diese Diskussion wurde jedoch durch die Gesetzgebung überholt, seitdem das das Neutralitätsgebot zum 1. 1. 2002 in § 33 WpÜG kodifiziert wurde.53 Anders als noch in den Vorentwürfen zum Übernahmegesetz54 enthält § 33 WpÜG keine Kompetenzregelung, die Maßnahmen in Übernahmesituationen in die ausschließliche Zuständigkeit der Hauptversammlung verweist.55 Zwar „sollte“ nach 3.7 Abs. 3 des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ (DCGK)56 der Vorstand die Hauptversammlung einberufen, in der die Aktionäre über das Übernahmeangebot beraten und gegebenenfalls über Maßnahmen beschließen. Trotzdem ist der Vorstand frei in seiner Entscheidung, ob er die Hauptversammlung mit Übernahmeangeboten befasst, denn bei 3.7 Abs. 3 DCGK handelt es sich um eine so genannte „Anregung“. Nach Abs. 9 der Präambel des DCGK kann die Gesellschaft von „Anregungen“ abweichen, ohne dies offen legen zu müssen. Es ergibt sich aus 3.7 Abs. 3 DCGK keine entsprechende verbindliche Zuständigkeit der Hauptversammlung.57 Die Frage, ob es sich bei der Gewährung einer Due Diligence um eine Maßnahme i. S. d. Neutralitätsgebots handelt, wird daher an anderer Stelle behandelt.58 51 Eine Ansicht sah im Neutralitätsgebot bei Übernahmeangeboten eine Kompetenzregelung, die eine Entscheidung über Abwehrmaßnahmen abweichend von der allgemeinen Kompetenzverteilung in die ausschließliche Zuständigkeit der Hauptversammlung verweist: Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 (251); Hopt, ZGR 1993, 534 (548 f.); Großkomm / Mülbert, AktG, § 119 Rn 130; van Aubel, Übernahmeangebote, 29 f. Dieser Fall der Kompetenzverlagerung wurde dabei häufig als „Holzmüller“-Fall eingeordnet: Großkomm / Mülbert, AktG, § 119 Rn 130; Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 (249 ff.). In der Literatur wurde das Neutralitätsgebot aber auch vielfach lediglich als Organpflicht des Vorstands eingeordnet: Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (245); Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (266); Hopt, FS Lutter 2000, 1361 (1386 Fn 108). 52 Letzte Fassung abgedruckt in AG 1998, 133 ff. 53 Vgl. Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (245); Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1386). 54 § 31 Abs. 3 Nr. 2 des Diskussionsentwurfes, § 33 Abs. 3 Nr. 2 des Referentenentwurfes. In der Begründung des Finanzausschusses heißt es, der Vorstand solle innerhalb seiner Geschäftsführungskompetenz Abwehrmaßnahmen durchführen dürfen. Nur Maßnahmen, die nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, sollen weiterhin in deren Zuständigkeit bleiben. Vgl. BegrFinanzausschuß, BT-Drucks. 14 / 7477, S. 74. Vgl. Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 42. 55 Krause, NJW 2002, 705 (711 f.); Zschocke, BB 2002, 79 (83); Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 43, 57. Im Ergebnis ebenso: Winter / Harbath, ZIP 2002, 1 (9); Thoma, NZG 2002, 105 (110). 56 Erstfassung abgedruckt in NZG 2002, 75 ff. Aktuelle Fassung veröffentlicht im Internet unter der Adresse: www.corporate-governance-code.de. 57 Vgl. Peltzer, F.A.Z. vom 2. 3. 2002, S. 23, der dies kritisch sieht: „Die Kodex-Kommission hat eine Chance verpasst.“ Aus ökonomischer Perspektive: Mülbert / Birke, WM 2001, 705. Dies wird sich auch nicht aufgrund der EU-Übernahmerichtlinie ändern. Zur Richtlinie: Kindler / Horstmann, DStR 2004, 866; Krause, BB 2004, 113. 58 Vgl. Seite 148 ff., Seite 152 und Seite 218 ff.

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4. Zusammenfassung Die Hauptversammlung einer unabhängigen Aktiengesellschaft hat keine originären Kompetenzen bei der Gestattung einer Due Diligence anlässlich einer M&A-Transaktion. Es lassen sich weder Hauptversammlungskompetenzen aus der „Holzmüller“-Rechtsprechung noch aus einer Annexkompetenz bei hauptversammlungspflichtigen M&A-Transaktionen oder aus 3.7 Abs. 3 DCGK bei Öffentlichen Übernahmeangeboten herleiten.

III. Kompetenzen des Aufsichtsrats Nachdem festgestellt wurde, dass die Zuständigkeit nicht bei der Hauptversammlung liegt, bleibt zu klären, welche Kompetenzen der Aufsichtsrat bei der Entscheidung über die Due Diligence hat. Der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ (DCGK) enthält zahlreiche Empfehlungen und Anregungen für die Arbeit des Aufsichtsrats und dessen Zusammenarbeit mit dem Vorstand. Dieser Kodex enthält aber keinen Hinweis auf die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats bei Entscheidungen wie über die Gewährung einer Due Diligence.59 Im Aktiengesetz kommen mehrere Ansatzpunkte in Betracht: Dem Aufsichtsrat können keine Geschäftsführungsmaßnahmen übertragen werden (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG). Der Vorstand könnte aber gemäß § 90 AktG verpflichtet sein, dem Aufsichtsrat vor einer Due Diligence Bericht zu erstatten. Der Aufsichtsrat könnte seinerseits die Pflicht haben, diese Berichte anzufordern (§ 90 Abs. 3 AktG). Es besteht ferner die Möglichkeit, dass vom Vorstand ein zustimmender Beschluss des Aufsichtsrats einzuholen ist, denn der Aufsichtsrat könnte aus § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zur Einräumung eines Zustimmungsvorbehalts für die Due Diligence verpflichtet sein.

1. Vorstandsbericht an den Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat ist zur Ausübung seiner Überwachungspflicht auf Informationen durch den Vorstand angewiesen. § 90 AktG enthält aus diesem Grund eine Berichterstattungspflicht des Vorstands. Der Vorstand ist darüber hinaus stets berichtspflichtig, wenn ein Zustimmungsvorbehalt60 für die Zulassung einer Due Diligence besteht, denn ohne die erforderlichen Informationen kann der Aufsichtsrat nicht entscheiden.61 Besteht kein Zustimmungsvorbehalt, so fragt es sich, unter 59 In der Diskussion über „Corporate Governance“ wurde viel über die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats geschrieben, ohne aber die Frage der Due Diligence zu erörtern. Überblick über die Diskussion: Peltzer, NZG 2002, 10; Baums, Bericht Regierungskommission Corporate Governance, Rn 19 ff. 60 Vgl. Seite 75 ff. 61 Hüffer, AktG, § 90 Rn 2; Semler, Aufsichtsratshandbuch, Teil A Rn 117.

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft

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welchen Voraussetzungen der Vorstand dem Aufsichtsrat vor Zulassung einer Due Diligence Bericht zu erstatten hat: a) Pflicht des Vorstands zur Berichterstattung § 90 AktG enthält einen Katalog von Berichtspflichten für den Vorstand. Dabei informieren die einzelnen Berichte jeweils über bestimmte Aspekte der Vorstandstätigkeit. Aus diesem Katalog kommen zwei Berichtspflichten in Frage, die den Vorstand verpflichten könnten, von sich aus dem Aufsichtsrat vor der Gestattung einer Due Diligence Bericht zu erstatten. Dies sind § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG und § 90 Abs. 1 S. 3 AktG: aa) Geschäfte von Bedeutung für die Rentabilität oder Liquidität, § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG Bei der Gewährung einer Due Diligence könnte es sich um eine berichtspflichtiges Maßnahme nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG handeln.62 Nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG hat der Vorstand dem Aufsichtsrat unaufgefordert über Geschäfte zu berichten, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von Bedeutung sein können.63 Vereinzelt werden unter „Geschäfte“ i. S. d. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG lediglich Rechtsgeschäfte verstanden.64 Dafür scheint die Regierungsbegründung zu sprechen, die als beispielhafte Anwendungsfälle verschiedene Rechtsgeschäfte nennt.65 Die Gewährung einer Due Diligence und die Modalitäten ihrer Durchführung sind in der Regel Gegenstand einer vorvertraglichen Vereinbarung in einem Letter of Intent oder einem Memorandum of Understanding66, so dass in der Praxis zumeist selbst bei dieser engen Auslegung ein „Geschäft“ i. S. d. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG vorliegen würde. Richtigerweise fallen aber ebensowenig wie in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG unter diesen Begriff ausschließlich Rechtsgeschäfte, sondern alle Vorstandsmaßnahmen.67 Maßgeblich kann allein die Risikointensität der MaßLeider sieht diese Möglichkeit allein Müller, NJW 2000, 3452 (3453 Fn 5 a.E.). Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 3.4 Abs. 2 S. 1: „Der Vorstand informiert den Aufsichtsrat regelmäßig, zeitnah und umfassend über alle für das Unternehmen relevanten Fragen der Planung, der Geschäftsentwicklung, der Risikolage und des Risikomanagements.“ 64 Dahingehend wohl Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 66. 65 Die RegBegr zu § 90 AktG, Kropff, S. 117 nennt beispielhaft den „Erwerb oder Veräußerung eines Betriebs oder einer Beteiligung, die Gründung von Zweigniederlassungen oder die Übernahme eines größeren Auftrags“. 66 Zu der Frage, ob eine derartige Vereinbarung einen einklagbaren Anspruch auf Gewährung einer Due Diligence begründen kann: vgl. Seite 239 ff. 67 Zur Interpretation des Begriffs in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG: O. Lange, DStR 2003, 376 f.; Lenz, AG 1997, 448 (450); Götz, ZGR 1990, 633 (641). 62 63

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nahme sein und nicht ihre Qualifikation als Rechtsgeschäft, denn andernfalls wären weite Teile des Vorstandshandelns der Aufsichtsratskontrolle per se entzogen. Mithin ist es für die Berichtspflichtigkeit irrelevant, ob die Due Diligence Gegenstand einer vorvertraglichen Vereinbarung mit dem Interessenten ist. Eine direkte Beeinflussung der wirtschaftlichen Lage geht mit einer Due Diligence zwar nicht einher. Aus diesem Grund könnte man zweifeln, ob die Gestattung der Due Diligence für die „Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von Bedeutung“ ist, denn dies sind Geschäfte von erheblicher Bedeutung für die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft.68 Diese Bedeutung eines Geschäfts gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG beurteilt sich jedoch auch nach dem Risiko des geplanten Geschäfts für die Liquidität und den Ertrag.69 Die Zulassung einer Due Diligence birgt nicht unwesentliche Gefahren für die Zielgesellschaft. In der Weitergabe von Unternehmensinterna im Zuge von M&A-Transaktionen liegt das Risiko einer erheblichen Schädigung der Gesellschaft. Aus diesem Grund ist die Zulassung einer Due Diligence grundsätzlich als ein Geschäft mit erheblicher Bedeutung i. S. d. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG aufzufassen. Es stellt sich allein die Frage, ob man für eine Due Diligence, die nur Teile des Unternehmens oder des unternehmerischen Handelns betrifft, eine Ausnahme von der Berichtspflicht machen muss. Bei den meisten M&A-Transaktionen werden im Zuge der Due Diligence Informationen über alle Bereiche des Unternehmens gegeben. Das erhöhte Risiko ergibt sich daraus, dass nur globale Informationen eine zuverlässige Gesamtbewertung eines Unternehmens und seiner strategischen Möglichkeiten zulassen.70 Die Offenlegung dieser globalen Informationen ist aus diesem Grund sehr viel gefährlicher für die Zielgesellschaft als die Preisgabe sektoraler Informationen über Teilbereiche des Unternehmens. Eine derartige sektoral begrenzte Due Diligence findet bei Joint Ventures statt und bei Asset Deals, sofern diese lediglich einen bestimmten Geschäftsbereich oder Betriebsteil betreffen. Deshalb wird man bei einer Due Diligence, die nur Teile des Unternehmens oder des unternehmerischen Handelns betrifft, eine Ausnahme von der Berichtspflicht machen können. Wenn allerdings von der Due Diligence Produktions- oder Fertigungs-Know-how betroffen ist, resultiert die Gefährdung allein aus der individuellen Verwendbarkeit des Know-how für den Empfänger. Ist dieser ein Wettbewerber, so kann bereits eine einzelne Information erhebliche nachteilige Folgen für die Gesellschaft haben.71 In diesen Fällen ist selbst eine sektoral begrenzte Due Diligence berichtspflichtig. Hüffer, AktG, § 90 Rn 7. Vgl. auch BegrRegE zu § 90 AktG, Kropff, S. 117. Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 90 Rn 13; Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 66; Semler, Aufsichtsratshandbuch, Teil A Rn 115. 70 Insoweit zutreffend Lutter, ZIP 1997, 613 (617); Ziemons, AG 1999, 492 (494), die allerdings diese Aussage im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 S. 3 AktG machen und mit diesem Argument eine weitgehende Unzulässigkeit der Due Diligence begründen: vgl. Seite 106 f. 71 Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Mertens, AG 1997, 541 (544). Zustimmend: Semler / Volhard / Thiel, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 31 Rn 100. 68 69

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Der Vorstand hat demzufolge gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG die Pflicht, dem Aufsichtsrat vor der Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence über dieses Vorhaben zu berichten, wenn nicht lediglich eine begrenzte Due Diligence geplant ist. Dieser Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat ist in der Regel in Textform zu erstatten (§ 90 Abs. 4 S. 2 AktG)72 und muss gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 4 AktG so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Aufsichtsrat vor der Due Diligence Gelegenheit erhält, Stellung zu nehmen und gegebenenfalls einen Zustimmungsvorbehalt ad hoc73 einzuführen. Zwar kann die Berichterstattung bei großen mitbestimmten Aufsichtsräten mit bis zu zwanzig Mitgliedern74 Geheimhaltsprobleme aufwerfen. Infolge einer Klarstellung durch das TransPuG ist der Aufsichtsrat aber nunmehr gemäß § 116 S. 3 AktG ausdrücklich zur Verschwiegenheit verpflichtet.75

bb) Sonstiger wichtiger Anlass, § 90 Abs. 1 S. 3 AktG Dagegen reicht die ausschließliche Unterrichtung des Aufsichtsratsvorsitzenden nicht aus, um der Berichtspflicht hinsichtlich der Due Diligence nachzukommen. In der Praxis ist dieses Vorgehen insbesondere bei mitbestimmten Aufsichtsräten recht beliebt, um den Arbeitnehmervertretern nicht Bericht erstatten zu müssen.76 Diese Möglichkeit sieht § 90 Abs. 1 S. 3 AktG nur bei „sonstigen wichtigen Anlässen“ vor.77 Im Unterschied zu § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG sind dies vornehmlich Ereignisse, die von außen an die Aktiengesellschaft herangetragen werden und nachteilig auf sie einwirken können. Die Gesellschaft ist hier mehr Betroffene des wichtigen Anlasses und weniger der Handelnde.78 Dies ist bei der Entscheidung über die Gewährung einer Due Diligence anders. Hier geht es um die Frage, ob die Aktiengesellschaft aktiv tätig wird. Die Zulassung einer Due Diligence ist daher kein „sonstiger wichtiger Anlass“ i.S.v. § 90 Abs. 1 S. 3 AktG. 72 Art. 1 Nr. 5 c) des „Transparenz- und Publizitätsgesetzes“ (TransPuG) vom 25. 7. 2002. (BGBl. I 2002, S. 2681). Abgedruckt in NZG 2002, 613 ff. Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 3.4 Abs. 3 S. 2. 73 Zum Zustimmungsvorbehalt ad hoc: vgl. Seite 80. 74 Mindestanzahl ergibt sich aus § 7 Abs. 1 MitbestG. Zu den Umgehungsmöglichkeiten in der Praxis Böttcher / Liekefett, NZG 2003, 701. 75 Art. 1 Nr. 10 des „Transparenz- und Publizitätsgesetzes“ (TransPuG) vom 25. 7. 2002. (BGBl. I 2002, S. 2681). Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 3.5. 76 Schiessl, AG 2002, 593 (596). 77 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 5.2 Abs. 3 S. 2: „Der Aufsichtsratsvorsitzende wird über wichtige Ereignisse, die für die Beurteilung der Lage und Entwicklung sowie für die Leitung von wesentlicher Bedeutung sind, unverzüglich durch den Vorsitzenden bzw. Sprecher des Vorstands informiert.“ Dabei handelt es sich aber um eine bloße Wiedergabe des Gesetzes. Eine Empfehlung enthält diesbezüglich nur 5.2 Abs. 3 S. 3: „Der Aufsichtsratsvorsitzende soll sodann den Aufsichtsrat unterrichten und erforderlichenfalls eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung einberufen.“ 78 Hüffer, AktG, § 90 Rn 8; KölnKomm / Mertens, AktG, § 90 Rn 39. Vgl. auch Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 67.

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b) Pflicht des Aufsichtsrats zur Anforderung von Berichten Der Vorstand ist zwar gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG dazu verpflichtet, dem Aufsichtsrat vor der Gewährung einer Due Diligence über dieses Vorhaben zu berichten. In der Praxis stellt aber gerade die sehr unterschiedliche Interpretation von Berichterstattungsvorschriften ein ganz erhebliches Problem dar.79 Aus diesem Grund muss geklärt werden, ob der Aufsichtsrat dazu verpflichtet sein kann, den Vorstand ausdrücklich dazu anzuhalten, vor der Zulassung einer Due Diligence Bericht zu erstatten. aa) § 90 Abs. 3 S. 1 AktG Aufsichtsratsmitglieder können gemäß § 90 Abs. 3 S. 1 AktG Berichte beim Vorstand anfordern.80 § 90 Abs. 1 AktG legt mit zwingender Wirkung nur das Minimum an Berichten fest, das der Vorstand dem Aufsichtsrat zu erstatten hat. Der Aufsichtsrat ist dazu berechtigt, nicht nur im Einzelfall, sondern generell zusätzliche Berichte anzufordern. Er kann die Berichterstattung näher regeln, die Berichtspflichten nach § 90 Abs. 1 AktG konkretisieren, aber auch die Berichtspflicht des Vorstands ausweiten.81 Insbesondere kann der Aufsichtsrat gemäß § 77 Abs. 2 S. 1 AktG eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen, die einen Katalog berichtspflichtiger Geschäfte enthält (so genannte „Informationsordnung“).82 Die Anforderung zusätzlicher Berichte liegt allerdings im Ermessen des Aufsichtsrats („kann“). Deswegen besteht grundsätzlich keine Pflicht, Berichte des Vorstands über Due Diligence-Prüfungen ausdrücklich anzufordern. Etwas anderes gilt, wenn der Vorstand seiner Berichtserstattungspflicht für Due Diligence-Prüfungen aus § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG tatsächlich nicht ordnungsgemäß nachkommt. Der Aufsichtsrat kann nur so gut überwachen, wie er vom Vorstand informiert wird. Die in § 90 AktG normierte Berichterstattungspflicht des Vorstands ist Grundlage für die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats. Dieser hat daher aus § 111 Abs. 1 i.V. m. § 90 Abs. 1 AktG einen Informationsanspruch auf Peltzer / v. Werder, AG 2001, 1 (5); Wagner, NZG 1999, 1092 (1093). Zur Durchsetzung ist nach der Änderung von § 90 Abs. 3 S. 2 AktG durch Art. 1 Nr. 5 b) des „Transparenz- und Publizitätsgesetzes“ (TransPuG) auch keine Unterstützung durch ein weiteres Aufsichtsratsmitglied mehr erforderlich. 81 KölnKomm / Mertens, AktG, § 90 Rn 29, 31; Geßler / Hefermehl, AktG, § 90 Rn 4; Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 65; Lutter, Information im AufsichtsR, S. 22. 82 Peltzer / v. Werder, AG 2001, 1 (5); Feddersen, AG 2000, 385 (388, 395); KölnKomm / Mertens, AktG, § 90 Rn 29, 31; Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 65; Lutter, Information im AufsichtsR, S. 22. Allerdings ist der Aufsichtsrat nicht verpflichtet, überhaupt eine Geschäftsordnung für den Vorstand zu erlassen (§ 77 Abs. 2 S. 1 AktG: „kann“). Dies gilt trotz § 33 MitbestG auch in mitbestimmten Gesellschaften: vgl. Hüffer, AktG, § 77 Rn 23; KölnKomm / Mertens, AktG, § 77 Rn 49. 79 80

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Berichterstattung.83 Wenn der Verdacht besteht, dass ihm nicht vollständig über riskante Geschäfte berichtet wird, muss der Aufsichtsrat handeln. Er hat die Pflicht, den Vorstand zur Erteilung von Informationen anzuhalten.84 Das Ermessen des Aufsichtsrats, ob er ausdrücklich die Berichterstattung über Due Diligence-Prüfungen anordnet, wird in diesem Fall auf Null reduziert.

bb) 3.4 Abs. 3 S. 1 DCGK (bei Börsengesellschaften) Eine Pflicht zum Erlass einer Informationsordnung sieht hingegen der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ (DCGK) vor. Nach 3.4 Abs. 3 S. 1 DCKG „soll“ der Aufsichtsrat die Informations- und Berichtspflichten des Vorstands näher festlegen. Dabei handelt es sich um eine so genannte „Empfehlung“, von der nur abgewichen werden darf, wenn diese Abweichung offen gelegt wird.85 Wenn in börsennotierten Aktiengesellschaften eine Pflicht zum Erlass einer Informationsordnung besteht, dann beinhaltet diese Verpflichtung auch deren ordnungsgemäße Ausgestaltung. Eine Informationsordnung muss dabei insbesondere die Maßnahmen enthalten, die nach § 90 AktG berichtspflichtig sind. Angesichts der erheblichen Risiken, die mit der Gewährung einer Due Diligence verbunden sind, muss sie in diese Informationsordnung aufgenommen werden.

2. Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats Ferner könnte für die Entscheidung, ob eine Due Diligence gestattet wird, ein zustimmender Beschluss des Aufsichtsrats erforderlich sein. Ein Aufsichtsratsbeschluss ist erforderlich, wenn ein Zustimmungsvorbehalt besteht. Mit einem derartigen Zustimmungsvorbehalt kann der Aufsichtsrat eine Due Diligence zwar nur verhindern und nicht initiieren. Er könnte aber über dieses Recht bei der Entscheidung über eine Due Diligence mitwirken. In der Literatur wird dies vereinzelt ohne Begründung vertreten.86

83 Vgl. v. Schenck, NZG 2002, 64 (65); Wagner, NZG 1999, 1092 (1093); Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 57. 84 KölnKomm / Mertens, AktG, § 90 Rn 4, § 111 Rn 16; Henze, NJW 1998, 3309 (3310). Zum „Balsam“-Fall: LG Bielefeld, ZIP 2000, 20 (24 ff.); Westermann, ZIP 2000, 25 (26). 85 Die Anerkennung des Deutschen Corporate Governance Kodex ist freiwillig (so genanntes „Soft Law“). Vorstand und Aufsichtsrat müssen lediglich gemäß § 161 S. 1 AktG jährlich erklären, ob der Kodex angewandt wurde und wird oder welche Verhaltensregeln nicht angewendet werden („comply oder explain“) und im Anhang des Jahresabschlusses muss gemäß § 285 Nr. 16 HGB angegeben werden, ob diese Erklärung abgegeben wurde: Art. 1 Nr. 16 des „Transparenz- und Publizitätsgesetzes“ (TransPuG) vom 25. 7. 2002. (BGBl. I 2002, S. 2681). Zur Akzeptanz des DCGK: v. Werder / Talaulicar / Kolat, DB 2003, 1857 ff. 86 Ziemons, AG 1999, 492 (494); Bihr, BB 1998, 1198 (2000); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a.

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a) § 111 Abs. 4 S. 2 AktG Einen Zustimmungsvorbehalt gibt es gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG bei entsprechender Satzungs- bzw. Geschäftsordnungsbestimmung oder einem dahingehenden Aufsichtsratsverlangen.87 Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu einer Maßnahme, so bleibt dem Vorstand nur noch das Recht, die Hauptversammlung anzurufen. Diese kann gemäß § 111 Abs. 4 S. 4 AktG mit einer Dreiviertelmehrheit anstelle des Aufsichtsrats die Zustimmung erteilen. Der Vorstand darf wiederum nicht einen Zustimmungsvorbehalt umgehen, indem er das betreffende Geschäft der Hauptversammlung ohne vorherige Befassung des Aufsichtsrats vorlegt, die im Falle des § 119 Abs. 2 AktG sonst mit einfacher Mehrheit entscheiden könnte.88 Bei § 111 Abs. 4 S. 2 AktG handelte es sich bis zum In-Kraft-Treten des „Transparenz- und Publizitätsgesetzes“ (TransPuG) am 25. 7. 200289 um eine Ermessenvorschrift. Beschlüsse über die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes und über die Zustimmung selbst standen im geschäftspolitischen Ermessen des Aufsichtsrats.90 Durch Art. 1 Nr. 9 des TransPuG wurde das Wort „kann“ in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG durch die Worte „hat jedoch zu“ ersetzt. Nach dem neuen Wortlaut „hat“ die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Zukünftig muss also entweder die Satzung einen Katalog zustimmungsbedürftiger Maßnahmen enthalten oder aber der Aufsichtsrat muss einen solchen beschließen. 87 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 3.3: „Für Geschäfte von grundlegender Bedeutung legen die Satzung oder der Aufsichtsrat Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats fest.“ 88 Götz, ZGR 1990, 633 (636): vgl. auch Hüffer, AktG, § 119 Rn 14. 89 BGBl. I 2002, S. 2681 ff., abgedruckt in NZG 2002, 613 ff. Zum „Transparenz- und Publizitätsgesetzes“ (TransPuG) allgemein: Götz, NZG 2002, 599; Knigge, WM 2002, 1729; Bosse, DB 2002, 1592; Seibert, NZG 2002, 608; Peltzer, NZG 2002, 593; Ihrig / Wagner, BB 2002, 789; Noack, DB 2002, 620. 90 Der Aufsichtsrat war nach alter Rechtslage nicht verpflichtet, einen Katalog von zustimmungspflichtigen Geschäften in die Geschäftsordnung aufzunehmen. Der Zustimmungsvorbehalt galt nicht als unverzichtbares Mittel der Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat. Man ging davon aus, dass bei einem den Anforderungen des § 90 AktG entsprechendes Berichtssystem der Aufsichtsrat so rechtzeitig informiert wird, dass er Stellung nehmen kann und notfalls einen Zustimmungsvorbehalt ad hoc einführen kann. Ermessensfehlerhaft waren lediglich sachwidrige Erwägungen. Der Aufsichtsrat war bei dem Beschluss allerdings ebenso dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet wie der Vorstand. Außerdem konnte sich die Ermessensausübung durch eine Ermessensreduzierung auf Null zu einer Anordnungspflicht verdichten. Der Aufsichtsrat konnte aber nur dann dazu verpflichtet sein, einen Zustimmungsvorbehalt anzuordnen, wenn im Einzelfall ein gesetzwidriges Vorgehen des Vorstands droht. Der Aufsichtsrat hatte dann nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt für das betreffende Geschäft einzuführen, wenn er nur durch eine Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes das rechtswidrige Geschäft verhindern konnte: vgl. BGHZ 124, 111 (127); Hüffer, AktG, § 111 Rn 17; KölnKomm / Mertens, AktG, § 111 Rn 79; Henze, NJW 1998, 3309 (3312); Boujong, AG 1995, 203 (206); Götz, ZGR 1990, 633 (637 ff.).

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aa) Ermessen bei der Katalogerstellung Die neue Regelung des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG beinhaltet keinen Hinweis darauf, welche Maßnahmen einem Zustimmungsvorbehalt unterworfen werden sollen.91 Beim TransPuG verzichtete der Gesetzgeber bewusst darauf, im Aktiengesetz selbst einen Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen festzulegen. Dies wollte der Gesetzgeber ausweislich der Regierungsbegründung dem Deutschen Corporate Governance Kodex überlassen92, der allerdings bislang keine Konkretisierungen vorgenommen hat.93 Ob eine Maßnahme wie die Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence Bestandteil eines solchen Katalogs sein soll, kann somit nicht dem Gesetz entnommen werden. Dieser Umstand ist während des Gesetzgebungsverfahrens angegriffen worden; ein Änderungsantrag im Bundesrat fand dennoch keine Mehrheit.94 Deswegen wurde die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen im Einzelnen einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen, dem Aufsichtsrat bzw. der Hauptversammlung überlassen. Aus diesem Grund muss auf anderem Wege ermittelt werden, ob Entscheidungen über eine Due Diligence zwingend in den Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen aufzunehmen sind. Zu diesem Zweck muss versucht werden, anhand des Sinn und Zwecks der Neuregelung und der damit einhergehenden geringfügig geänderten Vorstellung über die Rolle des Aufsichtsrats Kriterien für zustimmungspflichtige Maßnahmen zu entwickeln. Wenn der Gesetzgeber es Hauptversammlung und Aufsichtsrat überlässt, einen Katalog zu erstellen, folgt daraus ein Ermessen dieser Gesellschaftsorgane bei der Fixierung zustimmungsbedürftiger Arten von Geschäften.

91 Eingehend dazu O. Lange, DStR 2003, 376 ff.; Götz, NZG 2002, 599 (602 f.); Knigge, WM 2002, 1729 (1733). 92 BegrRegE zu Art. 1 Nr. 9 TransPuG (zur Änderung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG), BT-Drucks. 14 / 8769, S. 39. 93 Auch in seiner letzten Änderung am 21. Mai 2003 wurden keine Konkretisierungen des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG vorgenommen. Diese Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex betrafen nahezu ausschließlich die Frage der Vorstandsvergütung. 94 „Wenn man nicht sagen wolle oder könne, was in dem Zustimmungskatalog stehen soll, dann solle man es besser lassen.“ Zum Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens: Seibert, NZG 2002, 608 (610). Diesbezüglich weist die Regierungsbegründung (BegrRegE zu Art. 1 Nr. 9 TransPuG, BT-Drucks. 14 / 8769, S. 39) zu Recht darauf hin, dass ein sachgerechter Katalog nicht für jede Gesellschaft gepasst hätte. Ein allgemein gehaltener Katalog hingegen wäre schwierig zu formulieren gewesen und hätte Anlass zu Missverständnissen geben können. So auch die Einschätzung von Bosse, DB 2002, 1592 (1594); Seibert, NZG 2002, 608 (610) und (mit Einschränkungen) Götz, NZG 2002, 599 (603), der sich zumindest im Gesetz selbst eine allgemeine Richtlinie für die zwingend dem Aufsichtsrat zwecks Erteilung der Zustimmung vorzulegenden Geschäfte gewünscht hätte. Dies hatte auch die Regierungskommission vorgeschlagen: vgl. Baums, Bericht Regierungskommission Corporate Governance, Rn 35.

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bb) Ermessengrenzen bei der Katalogerstellung Dennoch steht es Hauptversammlung und Aufsichtsrat nicht frei, ob sie eine Maßnahme wie die Zulassung einer Due Diligence in diesen Katalog aufnehmen. Ihr Ermessen kann nicht uneingeschränkt bestehen, sondern muss Ermessensgrenzen aufweisen.95 Ein zu umfangreicher Zustimmungskatalog engt die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands zu sehr ein.96 Auch die Regierungsbegründung betont, dass es nicht zur Aufstellung übermäßig bürokratischer Zustimmungskataloge und zu einer zunehmenden Vorlage selbst wenig bedeutsamer Geschäftsführungsmaßnahmen kommen dürfe.97 Dies wäre auch mit der Aufgabenverteilung in der Aktiengesellschaft nicht vereinbar, denn der Aufsichtsrat soll gemäß § 111 Abs. 1 AktG lediglich den Vorstand überwachen und darf nicht dessen Geschäftsführungsbefugnis aushöhlen, wie sich deutlich aus § 111 Abs. 4 S. 1 AktG ergibt.98 Auf der anderen Seite kann es nach dem Sinn und Zweck der Neuregelung des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG nicht ausreichen, wenn nur pro forma ein Katalog von zustimmungsbedürftiger Geschäfte erstellt wird, der lediglich einige seltene Geschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats unterstellt99 (diesen Weg beschreitet z.T. die Praxis). Grund für die Gesetzesänderung ist eine Neuausrichtung der Aufsichtsratsaufgaben. Nach Auffassung des Gesetzgebers erfordert die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats heutzutage nicht nur, dass er rechtzeitig über die vom Vorstand geplanten oder getroffenen Maßnahmen informiert wird, sondern er muss in grundlegende Entscheidungen eingebunden werden.100 Durch die Neuregelung soll deswegen vor dem Hintergrund der dahingehenden internationalen Entwicklung eine aktivere Rolle des Aufsichtsrats erreicht werden. Aus diesem Grund muss nach der Regierungsbegründung der Katalog zumindest alle Geschäftsarten enthalten, die für die Gesellschaft von „grundlegender Bedeutung“ sind.101 Das Ermessen von Hauptversammlung und Aufsichtsrat reduziert sich für diese Maßnahmen auf null und verdichtet sich somit zu einer Pflicht. Götz, NZG 2002, 599 (602). O. Lange, DStR 2003, 376 (378); Götz, NZG 2002, 599 (602). 97 Vgl. BegrRegE zu Art. 1 Nr. 9 TransPuG (zur Änderung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG), BT-Drucks. 14 / 8769, S. 40. 98 Darauf weist auch O. Lange, DStR 2003, 376 (378) richtigerweise hin. 99 O. Lange, DStR 2003, 376 (378); Ihrig / Wagner, BB 2002, 789 (794). Vgl. BegrRegE zu Art. 1 Nr. 9 TransPuG (zur Änderung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG), BT-Drucks. 14 / 8769, S. 40: „Mehr oder weniger willkürlich zusammengestellte und mehr oder weniger bedeutsame Maßnahmen wie Erteilung einer Prokura oder einzelne Grundstücksgeschäfte minderer Bedeutung sind nicht gemeint.“ 100 Vgl. BegrRegE zu Art. 1 Nr. 9 TransPuG (zur Änderung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG), BT-Drucks. 14 / 8769, S. 39. 101 Vgl. BegrRegE zu Art. 1 Nr. 9 TransPuG (zur Änderung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG), BT-Drucks. 14 / 8769, S. 39. Vgl. O. Lange, DStR 2003, 376 (377 ff.); Götz, NZG 2002, 599 (602 f.); Knigge, WM 2002, 1729 (1733). 95 96

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Hauptversammlung und Aufsichtsrat haben demzufolge bei der Erstellung des Zustimmungskatalogs nur dann ein Ermessen, wenn eine Maßnahme weder zu den wenig bedeutsamen Geschäften noch zu den Maßnahmen von grundlegender Bedeutung zählt. Dies sind somit die Geschäfte, die sich zwischen diesen beiden Kategorien bewegen.102 (1) Die Due Diligence als Geschäft von grundlegender Bedeutung Es muss folglich darum gehen, die Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence entsprechend einzuordnen. Die Risiken, die sich aus einer Due Diligence für die Zielgesellschaft ergeben können, sind erheblich. Dies ist der Grund, weshalb der Vorstand gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG dem Aufsichtsrat darüber zu berichten hat.103 Die Geschäfte, die nach dieser Vorschrift eine Berichtspflicht auslösen, sind zwar nicht automatisch von „grundlegender Bedeutung“, sondern für die Rentabilität oder Liquidität lediglich von „erheblicher Bedeutung“.104 Zwischen diesen beiden Kategorien besteht jedoch ein geringer qualitativer Unterschied, der in der Praxis nur noch schwer feststellbar sein dürfte. Der Verweis auf die Berichtspflicht nach § 90 AktG hilft daher durchaus weiter105, denn die Berichtspflichtigkeit der Due Diligence ist ein deutliches Indiz für die Einordnung dieser Entscheidung als zustimmungsbedürftiges Geschäft i.S.v. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG. Nach der Regierungsbegründung sind Geschäfte von „grundlegender Bedeutung“, wenn sie nach den Planungen oder Erwartungen die Ertragsaussichten der Gesellschaft oder ihre Risikoexposition grundlegend verändern und damit eine existentielle Bedeutung für das künftige Schicksal der Gesellschaft haben.106 Eine Due Diligence und die damit einhergehende Weitergabe sensibler Unternehmensdaten kann auch existentielle Risiken für eine Gesellschaft beinhalten. Schon mit dieser Feststellung könnte man einen Zustimmungsvorbehalt für die Entscheidung über eine Due Diligence begründen. Die Schwelle für die Annahme einer grundlegenden Bedeutung wurde in der Regierungsbegründung aber ohnehin außerordentlich hoch angesetzt. In dem Bericht der Regierungskommission Corporate Governance befand sich zwar der Vorschlag, den Begriff der „grundlegenden Bedeutung“ zu verwenden, nicht jedoch ein qualifizierenden Zusatz wie „existentielle Bedeutung für das künftige Schicksal der Gesellschaft“.107 Aus diesem Grund wird Götz, NZG 2002, 599 (602). Vgl. O. Lange, DStR 2003, 376 (377). Vgl. Seite 71 ff. 104 Götz, NZG 2002, 599 (602). A.A.: O. Lange, DStR 2003, 376 (378). 105 O. Lange, DStR 2003, 376 (378) sieht einen noch engeren Zusammenhang zwischen § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AktG und § 111 Abs. 4 S. 2 AktG. 106 Vgl. BegrRegE zu Art. 1 Nr. 9 TransPuG (zur Änderung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG), BT-Drucks. 14 / 8769, S. 39. 107 Vgl. Baums, Bericht Regierungskommission Corporate Governance, Rn 35. 102 103

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in der Literatur vorgeschlagen, den Begriff „existentiell“ im Sinne einer für das künftige Schicksal der Gesellschaft „herausragenden“ Bedeutung zu interpretieren, ohne dass mit dem geschäftlichen Vorgang eine Gefährdung des Unternehmens verbunden sein braucht.108 Diese extensivere Auslegung führt in die richtige Richtung, denn mit ihr lässt sich eine Verbesserung der präventiven Kontrolle durch den Aufsichtsrat besser erreichen, die der Zweck der Neuregelung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG ist. Wenn man aufgrund dieser Argumentation die Anforderungen an ein Geschäft grundlegender Bedeutung etwas niedriger ansetzt, folgt erst recht eine Pflicht, grundsätzlich Zustimmungsvorbehalte für Due DiligencePrüfungen anzuordnen. (2) Ausnahmen von der Katalogpflichtigkeit der Due Diligence Aber selbst wenn man den Begriff „grundlegende Bedeutung“ (wie vorgeschlagen) etwas weiter auslegt als die Regierungsbegründung, rechtfertigt dies keinen Zustimmungsvorbehalt für alle Due Diligence-Prüfungen. Es sind Ausnahmen denkbar. Dies gilt insbesondere für Due Diligence-Prüfungen, die nur Teile des Unternehmens oder des unternehmerischen Handelns betreffen, da sich bei einer sektoral begrenzten Due Diligence die Risiken für die Zielgesellschaft erheblich vermindern (Joint Ventures oder Asset Deals, bei denen nur einzelne Geschäftsbereiche veräußert werden).109 Wenn eine sektoral begrenzte Due Diligence ausreichende Gewähr dafür bietet, dass existentielle oder herausragende Risiken für das Unternehmen ausgeschlossen sind, besteht dann keine Pflicht für einen Zustimmungsvorbehalt. Angesichts der hohen Anforderungen an den Begriff der „grundlegende Bedeutung“ können bei der Formulierung des Zustimmungsvorbehaltes für die Due Diligence Ausnahmen aufgenommen werden. Wenn sich Hauptversammlung und Aufsichtsrat für einen derartig eingeschränkten Zustimmungsvorbehalt entscheiden, kann der Aufsichtsrat notfalls immer noch einen Zustimmungsvorbehalt ad hoc anordnen.110

Götz, NZG 2002, 599 (603). Zustimmend: O. Lange, DStR 2003, 376 (377). Vgl. Seite 72. 110 Bei einem den Anforderungen des § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG entsprechenden Berichtssystem wird der Aufsichtsrat rechtzeitig informiert. An einem derartigen Vorgehen ist der Aufsichtsrat nicht gehindert, weil es sich um einen Zustimmungsvorbehalt für ein Einzelgeschäft handelt. Der Sinn und Zweck des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, dem Aufsichtsrat zur Überwachung des Vorstands ein besonders wirksames Mittel zu geben, widerspricht einer Beschränkung des Zustimmungsvorbehalten auf „Arten von Geschäften“. Es gibt kein Schutzbedürfnis des Vorstands, das der Festlegung von Zustimmungsvorbehalten für Einzelgeschäfte entgegensteht; BGHZ 124, 111 (127); Hüffer, AktG, § 111 Rn 18; KölnKomm / Mertens, AktG, § 111 Rn 65; Henze, NJW 1998, 3309 (3312); Boujong, AG 1995, 203 (206); Götz, ZGR 1990, 633 (642 f.). 108 109

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(3) Kriterien für den Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats Es besteht demnach grundsätzlich eine Pflicht für Hauptversammlung und Aufsichtsrat zur Aufnahme von Due Diligence-Prüfungen in den Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte. Da eine Satzung nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 179 ff. AktG abänderbar ist, finden sich die Zustimmungskataloge in der Praxis in den Geschäftsordnungen für den Vorstand.111 Der Aufsichtsrat kann auch nicht durch eine Satzungsbestimmung daran gehindert werden, einen Zustimmungsvorbehalt für Due Diligence-Prüfungen zu erlassen.112 Bei der Beschlussfassung gilt nach herrschender Meinung ein Stimmrechtsausschluss nach § 34 BGB analog.113 Auf dieser Basis ergibt sich ein Stimmverbot, wenn über eine Due Diligence für ein Aufsichtsratsmitglied oder dessen Unternehmen abgestimmt wird. Dem Aufsichtsrat obliegt bei der Ausübung seines Zustimmungsvorbehalts sowohl eine Rechtmäßigkeitskontrolle als auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle.114 Der Aufsichtsrat muss daher handeln, wenn er durch einen Bericht oder aus anderen Gründen annehmen muss, dass der Vorstand eine Due Diligence zulassen möchte, die gesetzwidrig ist (insbesondere gegen § 93 Abs. 1 S. 3 AktG verstößt)115 oder nach Auffassung des Aufsichtrats zu risikoreich für die Gesellschaft ist. Er ist dabei gemäß § 116 S. 1 AktG ebenso an das Gesellschaftsinteresse116 gebunden wie der Vorstand.117 111 Darauf weist zutreffend Knigge, WM 2002, 1729 (1733) hin. Muster eines Katalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte in einer Geschäftsordnung für den Vorstand: Hölters, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, S. 781 ff. 112 Das Aktiengesetz hat der Hauptversammlung nicht das Recht eingeräumt, über Zustimmungsvorbehalte abschließende Regelungen aufzustellen, weshalb entgegenstehende Satzungsbestimmungen gegen § 23 Abs. 5 AktG verstoßen. Herrschende Meinung: Hüffer, AktG, § 111 Rn 17; KölnKomm / Mertens, AktG, § 111 Rn 62; Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 36; Götz, ZGR 1990, 633 (635 ff.). Teilweise wurde die Gegenansicht mit der Begründung vertreten, dass der Wortlaut in erster Linie die Satzung erwähne und auch in anderen Fällen wie in den §§ 77 Abs. 2, 111 Abs. 4 S. 3, 119 Abs. 2 AktG der HV ein Stichentscheid zukomme: vgl. Baumbach / Hueck, AktG 13. Aufl. 1968, § 111 Rn 10; Wiedemann, BB 1978, 5 (8); Hölters, BB 1978, 640 (642); Rowedder, FS Duden 1977, 501 (512). Dabei wird jedoch der Wortlaut überinterpretiert. Dem AktG lässt sich auch kein allgemeiner Hauptversammlungsvorrang entnehmen. Die HV kann die Zustimmung des Aufsichtsrats nur mit Dreiviertelmehrheit ersetzen und über Fragen der Geschäftsführung nur dann entscheiden, wenn es der Vorstand verlangt. Der Vorstand darf wiederum nicht einen Zustimmungsvorbehalt umgehen, indem er das betreffende Geschäft der HV ohne vorherige Befassung des Aufsichtsrats vorlegt, die im Falle des § 119 Abs. 2 AktG sonst mit einfacher Mehrheit entscheiden könnte. Abgesehen davon ist der Aufsichtsrat besser in der Lage, situationsgerecht Geschäfte zu definieren, die seiner Zustimmung bedürfen. Eingehend: Götz, ZGR 1990, 633 (635 ff.). 113 Hüffer, AktG, § 108 Rn 9; Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 248; Semler / Stengel, NZG 2003, 1 (3). Ein Stimmverbot bei bloßen Interessenkollisionen ist hingegen abzulehnen: A.A.: Herkenroth, AG 2001, 33 (37 f.). Vgl. Seite 85 ff. 114 Hüffer, AktG, § 111 Rn 6; KölnKomm / Mertens, AktG, § 111 Rn 85; Henze, BB 2000, 209 (214); Boujong, AG 1995, 203 (206). 115 Vgl. Seite 89 ff. 116 Vgl. Seite 94 ff.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

b) § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG (bei Börsengesellschaften) § 33 Abs. 1 S. 2 a.E. WpÜG enthält einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats für Maßnahmen des Vorstands gegen Öffentliche Übernahmeangebote („VWKlausel“).118 Voraussetzung für einen Zustimmungsvorbehalt bei einer Due Diligence wäre, dass es sich bei der Gewährung einer Due Diligence um eine Maßnahme i.S.v. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG handelt. Wenn die Auslegung dieser Vorschrift ergeben sollte, dass sie die Gestattung einer Due Diligence untersagt oder zumindest die Pflicht zu einer informationellen Gleichbehandlung von Bietern begründet, bestünde ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 a.E. WpÜG. Dies soll aber aufgrund des besseren Sachzusammenhangs im Abschnitt über die Grenzen der Gestattung einer Due Diligence und im Abschnitt über die Folgepflichten einer Due Diligence erörtert werden.119

3. Zusammenfassung Der Vorstand hat gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG die Pflicht, dem Aufsichtsrat von einer Due Diligence zu berichten. Kommt der Vorstand dieser Verpflichtung nicht nach, so ist der Aufsichtsrat gemäß § 90 Abs. 3 S. 1 AktG seinerseits verpflichtet, diese Berichterstattung anzuordnen. Diese Pflicht hat der Aufsichtsrat einer Börsengesellschaft unabhängig vom Berichtsverhalten des Vorstands nach 3.4 Abs. 3 S. 1 des Deutschen Corporate Governance Kodex. Hauptversammlung und Aufsichtsrat sind dazu verpflichtet, gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG die Gewährung einer Due Diligence in den Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte aufzunehmen. Ausnahmen von der Berichts- und Katalogpflichtigkeit sind bei Asset Deals hinsichtlich einzelner Geschäftsbereiche und Joint Ventures möglich.

IV. Kompetenzverteilung innerhalb des Vorstands Nach den bisherigen Ausführungen ist der Vorstand das zuständige Organ für Entscheidung über die Gewährung einer Due Diligence, das allerdings den Aufsichtsrat informieren muss und eines Zustimmungsbeschlusses bedarf. Nunmehr bleibt die interne Kompetenzverteilung des Vorstands bei der Beschlussfassung über eine Due Diligence zu klären. Dabei interessiert insbesondere das Beschlussverfahren, die erforderliche Stimmenmehrheit, die Frage von Stimmverboten und die Form der Beschlussfassung. 117 Hüffer, AktG, § 111 Rn 6; KölnKomm / Mertens, AktG, § 111 Rn 85; Henze, BB 2000, 209 (214); Boujong, AG 1995, 203 (206). 118 Es ging der Bundesregierung primär um den Schutz der Volkswagen AG. Dem Vernehmen nach soll Bundeskanzler Gerhard Schröder „den Wünschen seines Freundes Ferdinand Piëch aus Wolfsburg nachgegeben haben“: vgl. Altmeppen, ZIP 2001, 1073 (1074). 119 Vgl. Seite 148, Seite 152 und Seite 218 ff.

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft

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1. Beschlussfassung durch Gesamtvorstand Fraglich ist dabei zunächst, ob ein Beschluss durch den Gesamtvorstand erfolgen muss oder nur durch das zuständige Vorstandsmitglied. Nach dem gesetzlichen Regelfall ist der Gesamtvorstand für Leitung der Gesellschaft und die Geschäftsführung zuständig (§ 77 Abs. 1 S. 1 AktG). Der praktische Regelfall ist hingegen, dass gemäß § 77 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 AktG die Geschäftsführungsaufgaben durch eine entsprechende Geschäftsordnung in einzelne Ressorts der Vorstandsmitglieder aufgeteilt werden.120 Sofern es eine entsprechende Ressortaufteilung gibt, stellt sich die Frage, ob ein Vorstandsmitglied eigenverantwortlich eine Due Diligence gestatten kann. Ungeachtet derartiger Regelungen gibt es jedoch Mindestzuständigkeiten des Gesamtvorstands.121 Angesichts der ressortübergreifend benötigten Informationen und der erheblichen Risiken für die Gesellschaft wird die Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence über die Ressortkompetenz eines einzelnen Vorstandsmitgliedes hinausgehen. Aus diesem Grund entscheidet in der Regel der Gesamtvorstand durch Beschluss.122 Dies gilt auch dann, wenn die Aktiengesellschaft in Anlehnung an das US-amerikanische Modell der Unternehmensverfassung die Position eines „Chief Executive Officers“ (CEO) zu schaffen versucht hat. Die Alleinentscheidungskompetenz eines US-amerikanischen CEO kann in einem mehrköpfigen Vorstand keinem Vorstandsmitglied zuteil werden.123 Zwar kann der Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 2 AktG einen Vorstandsvorsitzenden ernennen oder in der Geschäftsordnung einen Vorstandssprecher ermöglichen.124 Satzung oder Geschäftsordnung können jedoch allenfalls das Recht zum Stichentscheid oder ein Vetorecht geben, nicht aber das Kollegialprinzip bei ressortübergreifenden Angelegenheiten aushebeln.125 Bei entsprechender Regelung in der Satzung oder der Geschäftsordnung gemäß § 77 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 AktG kann jedoch vom Gesamtvorstand im Beschluss ein mit dieser Angelegenheit ressortmäßig befasstes Vorstandsmitglied mit der Durchführung der Due Diligence beauftragt werden.126

120 Muster einer Geschäftsordnung für den Vorstand: Hölters, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, S. 781 ff. 121 Hüffer, AktG, § 77 Rn 17; KölnKomm / Mertens, AktG, § 77 Rn 19. 122 Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 15; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (376 Fn 62); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (451, 452). 123 Zum CEO: Kübler, BB 2002, Heft 12, Seite I; v. Hein, ZHR 166 (2002), 464 ff. 124 Hüffer, AktG, § 84 Rn 20 ff.; Wiesner, Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 24 Rn 1 ff., 4 ff.; Lutter / Krieger, AufsichtsR, Rn 180. 125 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (517); Bezzenberger, ZGR 1996, 661 ff. 126 Dahingehend auch Mutschler / Mersmann, DB 2003, 79 (81, 82).

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

2. Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung Nach dem Gesetz ist grundsätzlich ein einstimmiger Vorstandsbeschluss notwendig, § 77 Abs. 1 S. 1 AktG. In der Praxis gehen aber die Satzung der Aktiengesellschaft oder zumindest die Geschäftsordnung des Vorstands gemäß § 77 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 AktG in aller Regel vom Einstimmigkeitsprinzip ab und ermöglicht Mehrheitsentscheidungen, da ansonsten die Geschäftsführung der Gesellschaft bei Uneinigkeit blockiert wäre.127 In der Literatur128 wird die Auffassung vertreten, dass selbst bei zulässiger Mehrheitsentscheidung ein einstimmiger Vorstandsbeschluss über die Due Diligence erforderlich sei. Es wird argumentiert, dass eine uneinheitliche Meinung des Vorstands ein starkes Indiz dafür sei, dass das für die Zulassung einer Due Diligence maßgebliche Gesellschaftsinteresse129 nicht zweifelsfrei vorliege. Ob die Gewährung einer Due Diligence im Interesse der Gesellschaft liegt, entscheidet der Vorstand allerdings nach eigenem Ermessen.130 Die Richtigkeit einer Ermessensentscheidung kann nicht am Abstimmungsergebnis festgemacht werden. Der Begriff des Ermessens beinhaltet gerade, dass es einen Spielraum gibt, der mehrere Auffassungen zulässt. Umgekehrt kann selbst eine Maßnahme, die der Vorstand einstimmig beschließt, noch ermessensfehlerhaft sein.131 Es ist gerade ein Kennzeichen mehrheitlicher Willensbildung, dass es verschiedene Meinungen gibt. Allein deshalb schon kann nicht aus einem Mehrheitserfordernis ein Einstimmigkeitserfordernis werden, denn andernfalls gäbe es keine zulässigen Mehrheitsentscheidungen mehr.132 Wenn die Mehrheit des Vorstands für die Zulassung einer Due Diligence stimmt, reicht dies somit bei entsprechender Regelung in Satzung oder Geschäftsordnung aus.133 Vereinzelt wird im Schrifttum134 gefordert, dass der Vorstand über eine Due Diligence nur mit qualifizierter Mehrheit (Dreiviertelmehrheit oder darüber hinaus) beschließen darf. Dies mag zwar angesichts der Bedeutung dieser Entscheidung durchaus sachgerecht sein. Ohne dahin gehenden Anhaltspunkt in Satzung oder Geschäftsordnung lässt sich dieses Erfordernis aber nicht begründen.

127 Muster einer Geschäftsordnung für den Vorstand: Hölters, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, S. 781 ff. 128 Ziemons, AG 1999, 492 (494); Meincke, WM 1998, 749 (751 Fn 25). 129 Vgl. Seite 94 ff. 130 Vgl. Seite 88. 131 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (498). 132 Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163). Zustimmend: Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (376 Fn 62). 133 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (498); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (376 Fn 62); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163). 134 Eggenberger, Due Diligence, S. 88 ff.

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft

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3. Stimmrechtsausschluss bei Interessenkonflikten Vorstandsmitgliedern ist es aufgrund ihrer Treuepflicht zur Gesellschaft verboten, ihre Stellung innerhalb der Gesellschaft zu ihren eigenen Gunsten auszunutzen.135 Die Einhaltung dieser Pflicht wird erschwert, wenn die Interessen eines Vorstandsmitglieds denen der Gesellschaft widersprechen. Bei der Entscheidung über eine Due Diligence kann sich ein Vorstandsmitglied in einem Interessenkonflikt befinden, wenn beispielsweise ein Vorstandsmitglied selbst Inhaber der zu verkaufenden Aktien bei einem Beteiligungskauf ist.136 Es ist zu überlegen, ob nicht dann dieses Vorstandsmitglied von der Entscheidung über die Due Diligence ausgeschlossen werden sollte.137 Das Aktiengesetz kennt keine Vorschrift, die befangenen Vorstandsmitgliedern ein Stimmverbot erteilt. Für das Vorstandsmitglied eines Vereins normiert § 28 Abs. 1 BGB i.V. m. § 34 BGB einen Stimmrechtsausschluss, wenn der Beschlussgegenstand ein Rechtsgeschäft mit dem Vorstandsmitglied betrifft. Gibt das Vorstandsmitglied dennoch seine Stimme ab, ist diese Stimmabgabe unwirksam. Diese Vorschriften sind auf den Vorstand einer Aktiengesellschaft nach allgemeiner Meinung analog anzuwenden.138 Dieses Stimmverbot erfasst allerdings nur Beschlussfassungen über Due Diligence-Prüfungen, die bei Transaktionen mit einem Vorstandsmitglied stattfinden und damit das Vorstandsmitglied unmittelbar als Vertragspartner betroffen ist. Der Anwendungsbereich von §§ 28 Abs. 1, 34 BGB ist demnach eng begrenzt. Viele andere denkbare Interessenkollisionen eines Vorstandsmitglieds, die bei der Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence auftreten können, werden von dieser Analogie nicht erfasst. Das Gesellschaftsrecht kennt jedoch nicht nur die §§ 28 Abs. 1, 34 BGB, sondern noch einige andere Bestimmungen, die Stimmabgaben bei Interessenkollisionen für unwirksam erklären. Im Genossenschaftsrecht existiert § 43 Abs. 3 GenG, für OHG und Kommanditgesellschaften gibt es die §§ 113 Abs. 2, 117, 127 HGB. Für den Gesellschafter einer GmbH enthält § 47 Abs. 4 GmbHG eine ähnliche Regelung. Er darf in der Gesellschafterversammlung nicht mitstimmen, sofern über seine Entlastung als Geschäftsführer oder den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung eines Rechtsstreits gegen ihn abzustimmen ist. Auch das Aktienrecht regelt einige Fälle von Interessenkollisionen. Nach § 136 AktG sind Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in der Hauptversammlung vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn es um ihre Entlastung geht. KölnKomm / Mertens, AktG, § 93 Rn 62; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 145. Zu Interessenkollisionen bei eigener unternehmerischer Tätigkeit des Vorstands: Merkt, ZHR 159 (1995), 423. 137 Dasselbe Problem stellt sich bei Aufsichtsratsmitgliedern: vgl. Seite 81. 138 Hüffer, AktG, § 77 Rn 8; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 77 Rn 4; Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, § 77 Rn 5; Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499); HoffmannBecking, ZHR 150 (1986), 570 (579 f.). Vgl. Palandt / Heinrichs, BGB, § 34 Rn 3. 135 136

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Auch § 112 AktG betrifft einen Fall der Interessenkollision. Diese Bestimmung sieht die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern durch den Aufsichtsrat vor, um einer abstrakten Gefährdung von Gesellschaftsinteressen durch eine mögliche Interessenkollision vorzubeugen.139 Den genannten Rechtsvorschriften liegt stets derselbe Rechtsgedanke zugrunde. Deswegen könnte man erwägen, ob es nicht einen allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Rechtsgrundsatz gibt, der das Stimmrecht bei Interessenkollisionen ausschließt. Auf diesem Wege könnten Probleme durch Interessenkollisionen bei der Entscheidung über die Due Diligence gelöst werden. Die herrschende Meinung lehnt jedoch eine Gesamtanalogie zu den genannten Bestimmungen aus guten Gründen ab.140 Dagegen spricht bereits die kasuistische Gesetzestechnik.141 Das Hauptproblem ist aber, dass der Begriff der Interessenkollision zu unbestimmt ist. Streitigkeiten über einen etwaigen Stimmrechtsausschluss wären nicht auszuschließen. Unsicherheit über die Rechtswirksamkeit vieler Beschlüsse wäre die Folge. In Extremfällen könnte dadurch die Geschäftsführung einer Gesellschaft gelähmt werden. Für Rechtssicherheit in diesem Kernbereich verbandsrechtlicher Willensbildung sind klare Tatbestände notwendig, damit Klarheit über die Frage der Stimmberechtigung besteht.142 Den Stimmrechtsausschluss auf Fälle schwerer Interessenkollisionen zu begrenzen143, verschiebt nur das Problem. Es müsste dann zu leichten und mittelschweren Interessenkollisionen abgegrenzt werden, ohne dass es hierfür klare Kriterien gibt. Ein allgemeiner Stimmrechtsausschluss für Vorstandsmitglieder bei Interessenkollisionen im Zusammenhang mit der Entscheidung über eine Due Diligence muss aus diesen Gründen abgelehnt werden. Ein Vorstandsmitglied, das sich vor Schadensersatzforderungen aus § 93 Abs. 2 AktG schützen will, kann sich immer noch zum eigenen Schutz der Stimme enthalten, um dem Vorwurf sachfremder Erwägungen vorzubeugen.144

Vgl. BGH NJW 1997, 2324; Hüffer, AktG, § 112 Rn 2. Hüffer, AktG, § 77 Rn 8; Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499); Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570 (580). 141 KölnKomm / Zöllner, AktG, § 136 Rn 26. 142 Gegenteilige Konsequenzen ziehen Semler / Stengel, NZG 2003, 1 (3) aus dieser Überlegung, denn sie wollen Rechtssicherheit durch eine Pflicht zur Stimmenthaltung in Zweifelsfällen erreichen (bei Aufsichtsratsmitgliedern). 143 Dahingehend Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499) für den Fall, dass ein Vorstandsmitglied selbst ein unmittelbares Interesse an der Offenbarung vertraulicher Unternehmensinformationen im Rahmen einer Due Diligence hat. Ähnlich Herkenroth, AG 2001, 33 (37 f.) für Aufsichtsratsmitglieder. 144 Darauf weisen zutreffend Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499) hin. Allerdings kommt dies einem „faktischen“ Stimmrechtsauschluss nahe. 139 140

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence in der Aktiengesellschaft

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4. Form der Beschlussfassung Der Vorstandsbeschluss über die Due Diligence bedarf keiner besonderen Form. Es ist aber dem Vorstand zu empfehlen, die wesentlichen Beweggründe für seine Entscheidung schriftlich niederzulegen.145 Im Streitfall hat schließlich er zu beweisen, dass er mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vorgegangen ist (§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG). Das ändert aber nichts daran, dass das Gesetz für Vorstandsbeschlüsse keine Form als Wirksamkeitsvoraussetzung vorschreibt, so dass auch mündlich gefasste Beschlüsse keiner Protokollierung bedürfen.146 In der Praxis werden Vorstandsbeschlüsse aber ohnehin meist protokolliert und zumindest vom Vorstandsvorsitzenden und dem Protokollführer gegengezeichnet.

V. Ergebnisse von Teil A Die Kompetenzverteilung in der unabhängigen Aktiengesellschaft bei der Frage der Due Diligence lässt sich wie folgt zusammenfassen:  Der Vorstand ist das zuständige Organ. Er beschließt über eine Due Diligence als Gesamtvorstand. Bei entsprechender Regelung in Satzung oder Geschäftsordnung entscheidet er durch einfache Stimmenmehrheit. Es gibt keine Stimmverbote bei bloßen Interessenkonflikten. Der Vorstandsbeschluss bedarf keiner besonderen Form.  Die Hauptversammlung hat keine originären Zuständigkeiten in der Frage der Due Diligence.  Dem Aufsichtsrat muss gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG vor der Gestattung einer Due Diligence vom Vorstand berichtet werden, sofern nicht nur eine eingeschränkte Due Diligence gewährt wird. Der Aufsichtsrat hat den Vorstand gegebenenfalls zur Berichterstattung gemäß § 90 Abs. 3 S. 1 AktG anzuhalten. Der Aufsichtsrat einer Börsengesellschaft muss gemäß 3.4 Abs. 3 S. 1 des Deutschen Corporate Governance Kodex eine entsprechende Berichtspflicht in eine Informationsordnung aufnehmen. Hauptversammlung und Aufsichtsrat sind grundsätzlich verpflichtet, gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG die Gestattung von Due Diligence-Prüfungen in den Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte aufzunehmen.

145 Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Ziemons, AG 1999, 492 (494); Meincke, WM 1998, 749 (751); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163). 146 BGH WM 1960, 1248 f.; OLG Frankfurt, AG 1986, 233; Hüffer, AktG, § 77 Rn 6; KölnKomm / Mertens, AktG, § 77 Rn 19; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 77 Rn 4.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft Der Vorstand ist das zuständige Organ für die Entscheidung und Durchführung einer Due Diligence, sofern nicht der Aufsichtsrat seine Zustimmung verweigert. Von der Frage seiner Zuständigkeit ist die Frage nach der Reichweite seiner Befugnisse bei einer Due Diligence zu unterscheiden. Der Vorstand hat zwar aufgrund seiner Leitungs- und Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich das Recht, Informationen an Geschäftspartner und andere Dritte weiterzugeben. Seine Leitungsmacht hat der Vorstand jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben (§§ 76, 93 AktG).147 Dieser unternehmerische Ermessenspielraum zur Leitung und Geschäftsführung besteht nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen.148 Daran ändert sich auch nach In-Kraft-Treten des „Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG) zum 1. November 2005 nichts. In der Regierungsbegründung zum neu eingefügten § 93 Abs. 1 S. 3 AktG wird klargestellt, dass es bei rechtlich gebundenen Entscheidungen kein Ermessen gibt.149 Daher darf der Vorstand nur insoweit eine Due Diligence gewähren, als er durch die Informationserteilung nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Das Problem bei der Due Diligence liegt in den diversen Geheimhaltungspflichten, die der Vorstand zu beachten hat. Es existieren im deutschen Wirtschaftsrecht zahlreiche Vorschriften, welche die Weitergabe von Informationen untersagen oder zumindest einschränken.150 Bei der Due Diligence ist insbesondere die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht des Vorstands in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ein Problem. Daneben kann einer Due Diligence bei börsennotierten Aktiengesellschaften § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG der Weitergabe von „Insiderinformationen“ im Wege stehen. Die Auslegung und Anwendung dieser beiden Vorschriften bei der Entscheidung und Durchführung einer Due Diligence bildet den Schwerpunkt dieses Untersuchungsabschnitts. Abschließend werden in einem ANNEX einige weitere Geheimhaltungsverpflichtungen aus Sondergesetzen (§ 4 BDSG und §§ 17, 18 UWG) und aus Vertrag auf ihre Relevanz für die Due Diligence untersucht. Im Zentrum dieser Erörterungen steht die Frage, ob es möglich ist, einen einheitlichen Auslegungsansatz für alle Arten von M&A-Transaktionen zu entwickeln, der das ökonomische Bedürfnis nach einer Due Diligence mit den jeweils betroffenen gesetzlichen Regelungen in Einklang bringt.

Hüffer, AktG, § 76 Rn 13 ff.; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 81, 213. Roth, Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 57, 65; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 86; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 10. 149 RegBegr zum UMAG zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, S. 17. Zum UMAG: vgl. Seite 89 Fn. 151 und Seite 106. 150 Einen Überblick über die wichtigsten Geheimhaltungspflichten im deutschen Wirtschaftsrecht gibt Meincke, WM 1998, 749. 147 148

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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I. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Das Hauptproblem eines Vorstands bei der Entscheidung, inwieweit er eine Due Diligence gewährt, ist seine Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 3 AktG.151 Zum Schutz der Gesellschaft untersagt diese Vorschrift dem Vorstand die Weitergabe von „Geheimnissen der Gesellschaft“ und „vertraulichen Angaben“.152 § 93 Abs. 1 S. 3 AktG bezweckt, die Aktiengesellschaft davor zu bewahren, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen an die Öffentlichkeit oder an Dritte gelangen und der Gesellschaft dadurch Nachteile erwachsen.153 Diese Vorschrift ist Ausprägung der organschaftlichen Treue- und Sorgfaltspflicht des Vorstands.154 Wenn der Vorstand seine Geheimhaltungspflicht verletzt, kann er sich gemäß § 93 Abs. 2 AktG schadenersatzpflichtig machen.155 Ferner kann die Verletzung der Schweigepflicht ein wichtiger Grund sein, um die Bestellung eines Vorstandsmitgliedes gemäß § 84 Abs. 3 AktG zu widerrufen und den Anstellungsvertrag gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu kündigen.156 Die unbefugte Weitergabe von „Gesellschaftsgeheimnissen“ wird durch § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG sogar unter Strafe gestellt.157 Der Strafrahmen reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, bei Börsengesellschaften bis zu zwei Jahren. Dieser Sanktionenkatalog verdeutlicht, welche Bedeutung die Auslegung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG für die Frage der Gestattung einer Due Diligence einnimmt.

151 Durch Art. 1 Nr. 1 des „Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG) wurde ein neuer § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eingefügt, so dass die Verschwiegenheitspflicht nunmehr in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zu finden ist. Nach Art. 3 tritt das UMAG am 1. November 2005 in Kraft. Zum UMAG: Diekmann / Leuering, NZG 2004, 249 (252); Roth, BB 2004, 1066; Kuthe, BB 2004, 449. Vgl. Seite 88 und Seite 106. 152 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 3.5 Abs. 2: „Alle Organmitglieder stellen sicher, dass die von ihnen eingeschalteten Mitarbeiter die Verschwiegenheitspflicht in gleicher Weise einhalten.“ 153 BGHZ 64, 325 (330); 135, 48 (57); Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 190, 197; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 21. 154 BGHZ 64, 325 (327); Hüffer, AktG, § 93 Rn 6; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 187; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 15; Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Ziemons, AG 1999, 492 (492 f.); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162); Mertens, AG 1997, 541 (542). Dazu eingehender: Krömker, Due Diligence, S. 10. 155 Menke, NZG 2004, 697 (698); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Müller, NJW 2000, 3452 (3453 Fn 12); Schroeder, DB 1997, 2161 und Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (451) hin. Eingehend dazu: Krömker, Due Diligence, S. 14 f. 156 Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 15; Müller, NJW 2000, 3452 (3453 Fn 12); Kiethe, NZG 1999, 976 (978) und Schroeder, DB 1997, 2161. 157 Dies gilt nicht für „vertrauliche Angaben“: vgl. Seite 209.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

1. Gesellschaftsgeheimnisse und vertrauliche Angaben § 93 Abs. 1 S. 3 AktG nennt als Anwendungsbereich zum einen die „vertraulichen Angaben“ und zum anderen die „Geheimnisse der Gesellschaft“. Die nachfolgenden Ausführungen sollen die Relevanz der Vorschrift für die Due Diligence klären, indem eingehend untersucht wird, welche Informationen unter diese beiden Begriffe fallen.

a) „Geheimnisse der Gesellschaft“ bei der Due Diligence Die Geheimhaltungspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG betrifft zunächst die „Geheimnisse der Gesellschaft“. Das Gesetz nennt beispielhaft „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse kann man danach unterscheiden, dass die zur kaufmännischen Seite eines Unternehmens gehörenden Geheimnisse den Geschäftsgeheimnissen zugeordnet werden und die zur technischen Seite gehörenden den Betriebsgeheimnissen.158 Diese beiden Geheimnisarten kennzeichnen lediglich den in der Praxis wichtigsten Anwendungsbereich. Die Unterteilung ist ohne praktische oder rechtliche Bedeutung.159 Der Geheimnisbegriff setzt nach herrschender Meinung die fehlende Offenkundigkeit der Information, ein objektives Geheimhaltungsinteresse sowie einen Geheimhaltungswillen voraus:160 Die meisten während einer Due Diligence offenbarten Informationen sind nur einem begrenzten und überschaubaren Personenkreis bekannt und somit nicht offenkundig.161 Bei M&A-Transaktionen interessieren sogar fast ausschließlich interne Informationen über die Zielgesellschaft, da gerade diese Informationen einem Außenstehenden für eine zuverlässige Unternehmens- und Risikobewertung fehlen.162 Das objektive Geheimhaltungsinteresse wird durch den Maßstab sachgemäßer Unternehmensführung bestimmt. Bereits der Umstand, dass eine Gesellschaft diese Informationen bislang nicht öffentlich bekannt gegeben hat, kann als Indiz für ein objektives Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft gelten. Die Gesellschaft muss 158 KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 20. Aus der Literatur zu § 17 UWG: Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 4; Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 10. 159 Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 6; KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 20; Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450). 160 So genannte „Kombinationslösung“: BGH, NJW 1982, 937; Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 13; Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 6; Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (441). Ausführlich zum Geheimnisbegriff im Wirtschaftsrecht: v. Stebut, Geheimnisschutz im AktienR, S. 3 ff. 161 Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 14; Ziemons, AG 1999, 492 (493); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450). 162 Vgl. Seite 41 ff.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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aber auch ein Interesse daran haben, dass diese Information geschützt wird.163 Das ist bei solchen Tatsachen der Fall, durch deren Offenbarung dem Unternehmen ein materieller oder immaterieller Schaden drohen könnte.164 Wie bereits dargelegt, kann eine Weitergabe von sensiblen Informationen zu erheblichen Schäden bei der Gesellschaft führen. Aus diesem Schadensrisiko ergibt sich bereits das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft bei zumindest einem Teil der während einer Due Diligence preisgegebenen Informationen. Dies betrifft insbesondere Informationen über die Gesellschaft, die Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können („wettbewerbsrelevante Informationen“165). Beispiele: Geheimes Know-how jeder Art; Geschäfts- und Vertragsbeziehungen einschließlich Kalkulation und Konditionengestaltung; Finanzsituation sowie Ertrags- und Liquiditätslage; Unternehmensstrategie einschließlich Entwicklungen neuer Produkte und Dienstleistungen sowie geplanter Umstrukturierungen und Akquisitionen.

Am Vorliegen eines Geheimhaltungswillens166 des Vorstands könnte gezweifelt werden, wenn der Vorstand beabsichtigt, bei einer Due Diligence nicht offenkundige Informationen weiterzugeben. Allein die Bekanntgabe gegenüber einem eingeschränkten Personenkreis führt aber nicht dazu, dass der Vorstand die Informationen nicht mehr geheim halten will. Die Frage des Geheimhaltungswillens darf nicht mit der Frage der Dispositionsbefugnis des Vorstands verwechselt werden.167 Nur ein so genannter „Totalverzicht“ gegenüber der Allgemeinheit auf Geheimhaltung vertraulicher Informationen lässt den Geheimhaltungswillen entfallen.168 Ein solcher Totalverzicht liegt bei der Due Diligence gerade nicht vor.169 Die betroffenen Informationen sind ganz im Gegenteil nach wie vor geheimhaltungsbedürftig. Mithin werden bei einer Due Diligence zahlreiche „Geheimnisse der Gesellschaft“ weitergegeben. Die Erlangung dieser Informationen ist regelmäßig der eigentliche Anlass für eine Due Diligence bei M&A-Transaktionen, da die internen Unternehmensdaten wesentliche entscheidungsrelevante Informationen für einen außenstehenden Dritten darstellen.

163 Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 6; Ziemons, AG 1999, 492 (493); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450). 164 Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 15; KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 40; Ziemons, AG 1999, 492 (493). 165 Zu diesem Begriff: vgl. Seite 132. 166 Dieses Erfordernis ist nicht ganz unstreitig: vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rn 7. 167 Darauf weist richtigerweise Krömker, Due Diligence, S. 12 hin. 168 KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 24; Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 30, 38 f.; Treeck, FS Fikentscher 1998, 434 (442); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450). 169 Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450).

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b) „Vertrauliche Angaben“ bei der Due Diligence „Vertrauliche Angaben“ sind nicht gleichbedeutend mit dem Begriff „Geheimnis“, da sie vom Gesetzgeber in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG und § 404 Abs. 1 AktG klar unterschieden werden. Gleichwohl überlappen sich die Begriffe weitgehend. Der Unterschied besteht darin, dass vertrauliche Angaben auch öffentlich bekannte Umstände umfasst, die kein Geheimnis mehr sind.170 Vertrauliche Angaben sind alle Informationen, die ein Vorstandsmitglied in dieser Eigenschaft erlangt hat und deren Wiedergabe für die Gesellschaft möglicherweise nachteilig ist.171 Bei der Due Diligence werden nicht nur Geheimnisse offenbart, sondern auch zahlreiche bekannte Informationen weitergeben, die zum Schutz der Gesellschaft nicht erneut in das Bewusstsein der (Fach-)Öffentlichkeit gelangen sollten. Für den Durchführenden einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen sind auch diese Angaben von Bedeutung, da sie helfen, bisherige Annahmen und Vermutungen zu verifizieren. Beispiel: Bei einer Due Diligence werden in aller Regel die Sitzungsprotokolle von Vorstand und Aufsichtsrat der letzten Jahre angefragt.172 Dabei kann es durchaus bereits bekannt sein, wenn es Differenzen in der Geschäftsleitung gibt. Gleichwohl kann die Gesellschaft ein Interesse daran haben, dass diese Tatsache nicht durch Auszüge aus den Protokollen erneut in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt.173

2. Teleologische Reduktion des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Mithin sind von einer Due Diligence sowohl „Geheimnisse der Gesellschaft“, als auch „vertrauliche Angaben“ betroffen. Hinsichtlich dieser Informationen hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Stillschweigen zu bewahren. Das Hauptproblem besteht nunmehr darin, dass die Geheimhaltungspflicht des Vorstands nach dem Wortlaut dieser Vorschrift keine Ausnahmen kennt. In § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ist kein Hinweis auf eine Offenbarungsbefugnis des Vorstands enthalten. Ebensowenig kann der Regierungsbegründung zum AktG 1965 entnommen werden, dass § 93 Abs. 1 S. 3 AktG nicht ausnahmslos gelten soll.174 Auch die Satzung darf keine Ausnahmen von der Geheimhaltungspflicht regeln, denn § 93 Abs. 1 S. 3 AktG darf gemäß § 23 Abs. 5 AktG durch Satzung weder 170 Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 196; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 R 16. Vgl. v. Stebut, Geheimnisschutz im AktienR, S. 58 ff. 171 Hüffer, AktG, § 93 Rn 7; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 195 f.; Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Schroeder, DB 1997, 2161. 172 Eingehend zu Aufsichtsratsprotokollen als Gegenstand einer Due Diligence: Roth / Schoneweg, NZG 2004, 206. Beispiele für Due Diligence-Checklisten bei Wegen, WiB 1994, 291 (292); Harrer, DStR 1993, 1673. 173 BGHZ 64, 326 (332); Hüffer, AktG, § 93 Rn 7. 174 Vgl. BegrRegE zu § 93 Abs. 1 AktG, Kropff, S. 122 f.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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gemildert noch verschärft werden.175 Wenn § 93 Abs. 1 S. 3 AktG tatsächlich keine Grenzen haben würde, hätte der Vorstand überhaupt keine Befugnis zur Weitergabe von Gesellschaftsgeheimnissen und vertraulichen Angaben. Eine ausnahmslos geltende Geheimhaltungspflicht des Vorstands würde den Vorstand in seiner Tätigkeit jedoch erheblich behindern. Um seiner Funktion als Geschäftsführungsorgan der Aktiengesellschaft angemessen gerecht werden zu können, muss der Vorstand in der Lage sein, Gesellschaftsgeheimnisse und vertrauliche Angaben im Einzelfall offen zu legen. Beispiele: Arbeitnehmer werden bei ihrer Tätigkeit in Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse eingeweiht. Sofern die Gesellschaft externe Berater (Rechtsanwälte, Steuerberater, Unternehmensberatungen) heranzieht, ist es erforderlich, diese über die für die Ausübung der Beratungstätigkeit notwendigen Umstände zu informieren. Bei einem Joint Venture werden dem Joint Venture-Partner zwangsläufig strategische Absichten und andere Geheimnisse der Gesellschaft bekannt.

Es liegt deshalb der Schluss nahe, dass die Geheimhaltungspflicht nicht absolut gelten kann. Aus diesem Grund muss § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ungeschriebene Grenzen aufweisen, wenn sie nicht zum Schaden der Gesellschaft den Vorstand unangemessen in seiner Geschäftsführung behindern soll. Darüber herrscht in Rechtsprechung und Schrifttum Einigkeit.176 Die Frage ist nur, wie man diese Grenze der Geheimhaltungspflicht dogmatisch begründet und definiert. Der dogmatisch überzeugendste Weg ist, § 93 Abs. 1 S. 3 AktG teleologisch zu reduzieren. Sinn und Zweck der Vorschrift ist der Schutz der Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Ansehen.177 Die Geheimhaltungspflicht hat jedoch keinen Selbstzweck, da das Geheimhaltungsinteresse lediglich ein Unterfall des Gesellschaftsinteresses ist.178 Ist im Einzelfall der Vorteil aus der Offenlegung einer Information größer als bei ihrer Geheimhaltung, so wäre ein unbedingtes Festhalten an der Geheimhaltungspflicht für die Gesellschaft von Nachteil. Das verkehrte die Schutzrichtung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG in ihr Gegenteil. Deshalb muss das Geheimhaltungsinteresse und damit die Geheimhaltungspflicht zurücktreten, wenn es das Interesse der Gesellschaft erfordert, bestimmte Informationen zu offenbaren.179 Es kann sich sogar im Einzelfall ausBGHZ 64, 325 (327); Hüffer, AktG, § 93 Rn 1; Schroeder, DB 1997, 2161. BGHZ 64, 325 (331); Hüffer, AktG, § 93 Rn 8; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 209; KölnKomm / Mertens, AktG, § 93 Rn 82; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 21; Menke, NZG 2004, 697 (698); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Traugott, BB 2001, 2277 (2279); Rozjin, NZG 2001, 494 (496); Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Ziemons, AG 1999, 492 (493); Lutter, ZIP 1997, 613 (617); Schander / Posten, ZIP 1997, 1534 (1535); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452). 177 BGHZ 64, 325 (329); Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 190, 197; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 21. 178 Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 209; Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Ziemons, AG 1999, 492 (493); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (444); Spieker, NJW 1965, 1937 (1942). 179 BGHZ 64, 325 (331); Hüffer, AktG, § 93 Rn 8; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 209; KölnKomm / Mertens, AktG, § 93 Rn 82; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 21; 175 176

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

nahmsweise eine Pflicht zur Informationserteilung ergeben, wenn das Gesellschaftsinteresse die Preisgabe der Information erfordert.180 § 93 Abs. 1 S. 3 AktG enthält somit nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift eine Einschränkung, die im Gesetzestext nicht enthalten ist.181 Die Geheimhaltungspflicht ist dementsprechend teleologisch wie folgt zu reduzieren: Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft haben Vorstandsmitglieder Stillschweigen zu bewahren, sofern nicht das Gesellschaftsinteresse eine Offenlegung erlaubt.182 Eine Due Diligence kann demnach gestattet werden, wenn dies im Interesse der Gesellschaft liegt.

3. Gesellschaftsinteresse im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Zieht man das Gesellschaftsinteresse als ungeschriebene Grenze der Geheimhaltungspflicht heran, so muss ermittelt werden, wer das Gesellschaftsinteresse im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG im Einzelfall konkretisiert. Diese Frage kann nicht anders beantwortet werden als die Frage der Entscheidungskompetenz.183 In der Aktiengesellschaft wird das Gesellschaftsinteresse durch den Vorstand bestimmt. Er leitet gemäß § 76 Abs. 1 AktG „die Gesellschaft unter eigener Verantwortung“ und ihm steht deshalb die Geschäftsführungsbefugnis zu. Daher kann allein der Vorstand die Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG vornehmen. Die Entscheidung darüber, ob das Gesellschaftsinteresse im konkreten Einzelfall eine Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen und vertraulichen Angaben gebietet, trifft aus diesem Grund der Vorstand. Diese Einschätzung entspricht der allgemeinen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur.184 Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Müller, NJW 2000, 3452 (3453, 3455); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Ziemons, AG 1999, 492 (493); Lutter, ZIP 1997, 613 (617); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452). 180 Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 209; KölnKomm / Mertens, AktG, § 93 Rn 83; Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Ziemons, AG 1999, 492 (493); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (450); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162); Lutter, ZIP 1997, 613 (617 Fn 37); Roschmann /Frey, AG 1996, 449 (452). Vgl. Seite 140. 181 Zu diesen Voraussetzungen der teleologischen Reduktion: Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 210 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 70 f. 182 Im Ergebnis ebenfalls (ohne diese dogmatische Einordnung): BGHZ 64, 325 (331); Hüffer, AktG, § 93 Rn 8; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 209; KölnKomm / Mertens, AktG, § 93 Rn 82; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 21; Menke, NZG 2004, 697 (698); Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499); Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Traugott, BB 2001, 2277 (2279); Rozjin, NZG 2001, 494 (496); Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Ziemons, AG 1999, 492 (493); Lutter, ZIP 1997, 613 (617); Schander / Posten, ZIP 1997, 1534 (1535); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452). 183 Vgl. Seite 61 ff. 184 BGHZ 125, 239 (246); Hüffer, AktG, § 93 Rn 8; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 209; KölnKomm / Mertens, AktG, § 93 Rn 82; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 21;

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Im Weiteren muss allerdings geklärt werden, anhand welcher Kriterien der Vorstand das Gesellschaftsinteresse zu bestimmen hat. Die entscheidende Frage ist, welche Anforderungen an ein überwiegendes Gesellschaftsinteresse im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zu stellen sind.

a) Exkurs: Das Gesellschaftsinteresse bei der Aktiengesellschaft Für die Beantwortung der Frage, ob der Vorstand eine Due Diligence gestatten darf, ist der Inhalt des „Gesellschaftsinteresses“ eine zentrale Vorfrage. Aus diesem Grund wird nachfolgend die Diskussion um die Ausfüllung dieses schillernden Begriffes nachgezeichnet, um dieses Verständnis des „Gesellschaftsinteresses“ der Arbeit insgesamt zugrundelegen zu können.185 Der Gesellschaftsverband als solcher kann keine eigenen Interessen im psychologisch-medizinischem Sinne haben.186 Es ist daher allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Vorstand die Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses durch eine Abwägung der in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen vorzunehmen hat.187 In einer Aktiengesellschaft treffen allerdings zahlreiche Interessen zusammen. Die Anteile werden von den Aktionären gehalten. Die Gesellschaft wird von einem Vorstand geleitet, der vom Aufsichtsrat überwacht wird. Im Unternehmen der Gesellschaft sind Arbeitnehmer beschäftigt. Das Unternehmen der Aktiengesellschaft ist wiederum Teil der Volkswirtschaft des Staates und hat dementsprechend Kunden und Geschäftspartner. Es ist offenkundig, dass diese einzelnen Bezugsgruppen nicht immer dieselben Interessen haben können. All diese Interessengruppen stehen jedoch direkt oder indirekt in Bezug zur Gesellschaft. Aus diesem Grund ist es nicht einfach zu bestimmen, wann die Gewährung einer Due Diligence im Interesse „der Gesellschaft“ ist.

Menke, NZG 2004, 697 (698); Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499); Körber, NZG 2002, 263 (269); Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Lutter, ZIP 1997, 613 (617); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162); Mertens, AG 1997, 541 (542); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452). 185 Leider lassen die meisten Autoren, die zur Due Diligence Stellung genommen haben, eine Aufhellung dieses Begriffes vermissen. In Ansätzen einzig Angersbach, Due Diligence, S. 85 ff. und Krömker, Due Diligence, S. 35 f., der gleichwohl darauf verzichtet, das Gesellschaftsinteresse abstrakt zu definieren. 186 So pointiert KölnKomm / Zöllner, AktG, Einl. Rn 106. 187 BGHZ 64, 325 (331); Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 209; v. Stebut, Geheimnisschutz im AktienR, S. 98; Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499); Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (451); Meincke, WM 1998, 749 (751); Mertens, AG 1997, 541 (546); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162); Lutter, ZIP 1997, 613 (617); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452).

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aa) Relevante Interessengruppen Das Problem ist, dass das Aktiengesetz von 1965 keine eindeutigen Hinweise enthält, welche Interessen(-gruppen) der Vorstand im Einzelfall bei der Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses zu berücksichtigen hat. Dies war im Aktiengesetz von 1937 noch anders. Nach § 70 Abs. 1 AktG 1937 musste der Vorstand „unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so leiten, wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“. Diese Formulierung war charakteristisch für das pathetische Vokabular der Nationalsozialisten, das auch in das AktG 1937 Einzug gefunden hatte.188 § 76 Abs. 1 AktG 1965 enthält keine vergleichbare Formulierung. Wieviel sich durch diese Neufassung änderte, wird in der Literatur recht unterschiedlich beurteilt. Die Diskussion, welchen genauen Inhalt der Begriff des „Gesellschaftsinteresses“ hat, wird deshalb schon seit knapp vier Jahrzehnten geführt.189 Einigkeit besteht nur dahingehend, dass der Vorstand seine eigenen Interessen zurückzustellen hat.190 Auch der BGH hat es bislang stets vermieden zu definieren, welche Interessen bei der Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses in die Abwägung einzustellen sind.191 Zuletzt flammte diese Diskussion in der rechtswissenschaftlichen Literatur Mitte der neunziger Jahre wieder auf, als von Wirtschaftswissenschaftlern und Kapitalmarktteilnehmern zunehmend eine verstärkte Berücksichtigung der Aktionärsinteressen gefordert wurde (die Umsetzung des betriebswirtschaftlichen „Shareholder Value“-Ansatzes192).193 Dieser Ansatz wurde und wird in der Rechts188 Zur Geschichte des AktienG 1965: Schilling, BB 1997, 373 (377 f.); Wiedemann, ZGR 1975, 385 (423 f.). 189 Einen Überblick gibt Mülbert, ZGR 1997, 129 (142 ff.). 190 Grundlage dieser Einsicht ist das wirtschaftswissenschaftliche „Prinzipal-Agent-Modell“ der Neuen Institutionenökonomik. Zu den Einzelheiten dieses Zusammenhanges: Wiese / Demisch, DB 2001, 849 ff.; Kirchner, WM 2000, 1821 (1824 f.). Einen Überblick gibt Wöhe, Allgemeine BWL, S. 75 f. 191 Das liegt nach Richter am BGH Henze daran, dass sich der BGH nicht mit der Wertung abstrahierender Begriffe aufhält, sondern in seinen Urteilen regelmäßig nur die Interessen in den Blick nimmt, die von den jeweiligen Maßnahmen betroffen sind. Henze zufolge favorisiert der BGH allerdings eine Einbeziehung sowohl der Aktionärsinteressen (insbesondere der Minderheit) als auch der Gesellschaftsgläubiger, Arbeitnehmer und der Allgemeinheit (einschließlich der Arbeitsplatzerhaltung zur Gewährleistung des sozialen Friedens) und damit den Stakeholder-Ansatz: vgl. Henze, BB 2000, 209 (212). Dies ist auch die Tendenz bei den Instanzgerichten: vgl. zuletzt OLG Hamm, AG 1995, 512 (514). 192 Der Shareholder Value-Ansatz geht auf Rappaport und sein 1986 erstmal erschienenes Werk „Creating Shareholder Value“ zurück, in welchem er forderte, dass die Unternehmensleitung im Sinne der Anteilseigner zu handeln habe. Ziel einer am Shareholder Value ausgerichteten Unternehmenspolitik ist die Maximierung des Unternehmenswertes i. S. d. der ertragswertorientierten Unternehmensbewertungsmethoden (insbesondere den Discounted Cash Flow-Ansätzen), da diese den Wert des Eigenkapitals der Anteilseigner berechnen. Zu den Einzelheiten Mülbert, ZGR 1997, 129 (131 ff.); Rappaport, Shareholder Value, 2. Auflage, Stuttgart 1999, S. 1 ff. (deutsche Übersetzung des Originals). Einen Überblick gibt Wöhe, Allgemeine BWL, S. 72 ff. Vgl. Seite 201.

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wissenschaft kritisiert. Es wird eingewandt, dass der Vorstand auch die Belange von Arbeitnehmern, Minderheitsaktionären und der Allgemeinheit zu beachten habe (so genannter „Stakeholder“-Ansatz).194 Außerdem wurden die vom Vorstand zu berücksichtigenden Interessen heftig und kontrovers bei der Diskussion um eine Neutralitätspflicht bei Öffentlichen Übernahmeangeboten diskutiert. Die Frage, welche Interessen der Vorstand bei der Interessenabwägung einzubeziehen hat, ist also immer noch aktuell und kann auch bei der Entscheidung über die Gestattung einer Due Diligence nicht außer Acht gelassen werden. Die Antwort auf diese Frage gibt eine historische Auslegung des § 76 Abs. 1 AktG. Im Gesetzgebungsverfahren zum AktG 1965 war eine (Neu-)Formulierung der Unternehmensziele der Gesellschaft erwogen worden. In den Ausschüssen war beantragt worden, einen § 75a AktG einzuführen und in ihm zu bestimmen, dass die Gesellschaft das Unternehmen unter Berücksichtigung des Wohls seiner Arbeitnehmer, der Aktionäre und der Allgemeinheit zu betreiben hat. Zur Begründung wurde angeführt, die Ergänzung sei notwendig, um den § 70 Abs. 1 AktG 1937 – wenn auch in abgewandelter Form – beizubehalten. Seitens der Antragssteller wurde befürchtet, dass andernfalls die Gerichte das Gesetz dahingehend auslegen, dass der Vorstand nicht mehr wie bisher auch das Gemeinwohl und das Wohl der Arbeitnehmer zu beachten habe.195 Die Mehrheit im Rechts- und im Wirtschaftsausschuss sprach sich zwar gegen diese Ergänzung des Aktiengesetzes aus. Doch ausweislich der Materialien zum AktG 1965 geschah dies nicht mit dem Willen zur sachlichen Änderung.196 Dass der Vorstand auch die Belange von Arbeitnehmern, Minderheitsaktionären und Allgemeinheit zu berücksichtigen hat, wurde von der Ausschussmehrheit als selbstverständlich angesehen. Man war der Auffassung, dass es sich von selbst versteht, dass sich die Aktiengesellschaft in einem sozialen Rechtsstaat nicht über die Interessen der Arbeitnehmer hinwegsetzen dürfe und sich in die Interessen der Allgemeinheit einzufügen hat. Des Weiteren sah man die Gefahr, dass bei einer gesetzlichen Aufzählung der zu berücksichtigenden Interessen aus der Reihenfolge der Aufzählung falsche Schlüsse auf die Rangfolge der Belange von Arbeitnehmern, Aktionären und Allgemeinheit gezogen werden könnten. Demnach ist der Vorstand nach der historischen Auslegung grundsätzlich weder berechtigt noch verpflichtet, sich bei der Erfüllung seiner Leitungsaufgabe ausschließlich von Aktionärsinteressen leiten zu lassen.197 193 Zur rechtswissenschaftlichen Diskussion um den Shareholder Value-Ansatz: v. Werder, ZGR 1999, 69; Mülbert, ZGR 1997, 129; Schilling, BB 1997, 373. 194 Eingehend: v. Werder, ZGR 1999, 69 (77 ff.); Schilling, BB 1997, 373 (377 ff.). 195 Zur Entstehungsgeschichte: vgl. BegrAusschussB zu § 76 AktG, Kropff, S. 97 f. 196 BegrAusschussB zu § 76 AktG, Kropff, S. 98. 197 Eingehend zu dieser historischen Auslegung Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 31 ff.; Reuter, AcP 179 (1979), 509 (524 f.). Kritisch zu dieser Interpretation der Materialien: Wiedemann, ZGR 1975, 385 (423 f.), der die Regierungsbegründung widersprüchlich findet, da sie die Bemerkung enthält, dass eine Vorschrift, die den Vorstand zur Berücksichtigung des Wohls der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit verpflichte, ohne

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Das Aktionärsinteresse ist demnach nur ein Aspekt, der allein nicht die dem Vorstand auferlegte Verantwortung für das Unternehmen der Gesellschaft umfasst. Es herrscht insoweit Interessenpluralität. Auch wenn § 76 Abs. 1 AktG dies nicht ausdrücklich bestimmt, hat der Vorstand sowohl die Belange von Aktionären als auch die der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit 198 zu berücksichtigen.199 Bei der Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses bei der Entscheidung über die Gewährung einer Due Diligence sind also diese Interessen grundsätzlich miteinzubeziehen.

bb) „Unternehmensinteresse“ als Integrationsmittel Die Einbeziehung all dieser Interessengruppen erschwert es dem Vorstand, das Gesellschaftsinteresse im Einzelfall zu bestimmen. Die Interessen von Aktionären, Arbeitnehmern und Allgemeinheit unterscheiden sich zuweilen selbst innerhalb dieser Interessengruppen ganz erheblich. Der Vorstand muss deshalb grundsätzlich versuchen, diese Interessen zu integrieren (so genanntes „Integrationsmodell“).200 In Rechtsprechung und Literatur wird zur Lösung dieses Problems inzwischen mehrheitlich das so genannte „Unternehmensinteresse“ herangezogen.201 Richtig rechtliche Substanz sei und keine eigenständige Bedeutung habe: vgl. RegBegr zu § 76 AktG, Kropff, S. 97 f. Kritisch auch Mülbert, ZGR 1997, 129 (147 f.), der die entstehungsgeschichtliche Argumentation insbesondere auch durch die Reform des Umwandlungsrechts von 1994 (Einführung des UmwG) als überholt ansieht. Dieses ermögliche einen identitätswahrenden Formwechsel, weshalb die einzelnen Rechtsformen keine unterschiedlichen Zielbestimmungen haben könnten. Dieses Argument ist nicht zwingend, denn die Gesellschaftsformen unterscheiden sich auch im Übrigen in vielen Aspekten. Es ist zuzugestehen, dass es de lege ferenda vielleicht wünschenswert wäre, sich vom Interessenpluralismus in § 76 Abs. 1 AktG zu verabschieden, weil er schwer handzuhaben ist. Die Bemühungen, das klare Ergebnis der historischen Auslegung dieser Vorschrift zu entkräften, sind vor diesem Hintergrund nachvollziehbar, aber nicht von Erfolg gekrönt, denn dazu ist der Willen des Gesetzgebers zu eindeutig. De lege lata sieht deswegen das AktG 1965 die Berücksichtigung der Zieltrias vor. 198 Im Schrifttum finden sich statt den Interessen der „Allgemeinheit“ auch oftmals die Formulierungen „Gemeinwohlinteresse“ oder das „Interesse der Öffentlichkeit“: vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn 12. Alles in allem ist damit jedoch nichts anderes gemeint; es handelt sich um Synonyme. Unterschiede bestehen lediglich in den in dieses Interesse einzubeziehenden Einzelinteressen, denn teilweise werden sogar „Kunden“ oder „Empfänger von Unternehmensspenden“ in das „Allgemeininteresse“ miteinbezogen: vgl. Seite 100 f. 199 So auch ausdrücklich OLG Hamm, AG 1995, 512 (514). Aus der Literatur: Hüffer, AktG, § 76 Rn 12; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 31; Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, § 76 Anm. 11; Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (239 f.); Schilling, BB 1997, 373 (378); Hopt, ZGR 1993, 534 (536). Nur in dem damit gezogenen Rahmen besteht Raum für die Umsetzung des Shareholder Value-Gedankens: vgl. v. Werder, ZGR 1998, 69 (77 ff.); Mülbert, ZGR 1997, 129 (156 ff.); Hüffer, ZHR 161 (1997), 214 (217 f.). 200 Das „Konfliktmodell“ hat sich nicht durchgesetzt: Hüffer, AktG, § 76 Rn 12; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 19; Hopt, ZGR 2002, 333 (360); Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (261); Schilling, BB 1997, 373 (379); Hopt, ZGR 1993, 534 (536). Zum Modellvergleich: Wiedemann, GesellschR, S. 623 ff. 201 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 4.10.1 S. 2: Der Vorstand ist „an das Unternehmensinteresse gebunden und der Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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verwendet hat dieser Begriff keinen „Leerformelcharakter“. 202 Das Unternehmen selbst ist zwar kein selbständiger Interessenträger.203 Insoweit kann der „Lehre vom Aktienunternehmen“, die das Unternehmen als gegenüber der Gesellschaft verselbständigten Interessenträger begreift, nicht zugestimmt werden.204 Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Konzept des Unternehmensinteresses verworfen werden sollte und könnte. Das Unternehmen ist zwar nicht Träger, aber der Gegenstand von Interessen.205 Alle an der Wertschöpfung beteiligten Interessengruppen wie auch die Volkwirtschaft als Ganzes sind daran interessiert, dass das Unternehmen der Gesellschaft Bestand hat. Das Interesse am Bestand und Erfolg des Unternehmens ist somit der kleinste gemeinsame Nenner aller beteiligten Interessenträger.206 Das Unternehmensinteresse fungiert als ein die unterschiedlichen Interessengruppen zusammenfassendes, aber mit dem Interesse keiner Gruppe identisches Integrationsmittel („normativer Schmelztiegel“).207 Bei seiner Entscheidungsfindung hat der Vorstand somit grundsätzlich das Unternehmensinteresse als Maßstab heranzuziehen. 208

cc) Kollision des Unternehmensinteresses mit Partikularinteressen Gerade bei der Entscheidung über die Gewährung einer Due Diligence funktioniert das Unternehmensinteresse als Integrationsmittel nicht immer komplikationslos. Die Partikularinteressen einzelner Interessenträger können bei M&A-Transaktionen im Einzelfall im diametralen Gegensatz zum Unternehmensinteresse der verpflichtet.“ Gesellschafts- und Unternehmensinteresse werden oftmals nicht unterschieden – auch nicht vom BGH, der auch bisweilen beide Begriffe gleichzeitig verwendet: „Unternehmensinteresse“ in BGHZ 136, 133 (139); 64, 325 (331); „Gesellschaftsinteresse“ in BGHZ 136, 133 (140); 125, 239 (241 f.); 83, 319 (321); 71, 40 (44). Vgl. Henze, BB 2000, 209 (212). 202 Dahingehend aber O. Lange, WM 2002, 1737 (1740); Mülbert, ZGR 1997, 129 (166); Adams, AG 1990, 243 (247). Ähnlich Krömker, Due Diligence, S. 35 f. 203 Ebenso Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 152; Semler, Leitung der AG, Rn 49 ff., 51; Hüffer, AktG, § 76 Rn 15. Diese Frage ist jedoch sehr streitig. A.A. beispielsweise: KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 6 f. 204 Zum diesbezüglichen Streit zwischen der Lehre des Aktienunternehmens und der Lehre von der Korporation eingehend (sehr str.): KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 6 f. Teubner, ZHR 148 (1984), 470 ff. Einen Überblick über diese intensive Diskussion geben Hüffer, AktG, § 76 Rn 15 und Semler, Leitung der AG, Rn 51 Fn 94. 205 So treffend formuliert von Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 152. 206 OLG Hamm, AG 1995, 512 (514); Hüffer, AktG, § 76 Rn 13 ff.; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 22 f.; Semler, Leitung der AG, Rn 49 ff.; Schilling, BB 1997, 373 (379); Wiedemann, GesellschR, S. 625 f. 207 So pointiert Wiedemann, GesellschR, S. 626. 208 Dahingehend auch: OLG Hamm, AG 1995, 512 (514); Hüffer, AktG, § 76 Rn 13 ff.; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 22 f.; Semler, Leitung der AG, Rn 49 ff.; Schilling, BB 1997, 373 (379); Wiedemann, GesellschR, S. 625 f. 7*

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Gesellschaft stehen, da Unternehmenstransaktionen regelmäßig zu wesentlichen Veränderungen in der Gesellschaft führen. Bei der Gestattung einer Due Diligence kann aus diesem Grund das Unternehmensinteresse mit dem Interesse eines Interessenträgers wie der Allgemeinheit, den Arbeitnehmern oder den Aktionären kollidieren. Insbesondere kann die konkrete M&A-Transaktion, die mit der Due Diligence unterstützt werden soll, auf Widerstand stoßen. Die Frage lautet, wie der Vorstand in derartigen Kollisionsfällen zu entscheiden hat. Es ist zu untersuchen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sich das Unternehmensinteresse gegen divergierende Partikularinteressen durchzusetzen vermag:209 (1) Kollision mit Interessen der Allgemeinheit Beispiele: Im Fall Société Générale gegen de Benedetti wurde die Abwehr des Übernahmeangebotes (und damit auch die Verweigerung einer Due Diligence) u. a. damit begründet, dass dadurch auch den Interessen des Staates Belgien und seiner Industriepolitik Rechnung getragen werden sollte.210 Die Continental AG lehnte 1990 eine Übernahme durch Pirelli und damit auch eine vorherige Due Diligence u. a. mit der Begründung ab, dass eine Übernahme nicht im Interesse der Kunden liege.211 Eine Due Diligence läuft den Interessen der Gläubiger der Gesellschaft zuwider, wenn nach der Transaktion das Unternehmen durch die neue Leitung unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 57 ff. AktG gesetzeswidrig ausgebeutet werden soll.212 Wenn nach einer – rein wirtschaftlich gesehen – für das Unternehmen sinnvollen Übernahme oder Fusion mit Gesetzesverstößen oder gar einer dauerhaften rechtswidrigen Tätigkeit der neuen Unternehmensleitung zu rechnen ist (z. B. Übernahme durch eine Mafiaorganisation), so ist die Gewährung einer Due Diligence nicht im Interesse des Staates.213

Es ist nicht besonders einfach festzustellen, ob das Unternehmensinteresse bei der Frage der Due Diligence im Vorfeld einer Transaktion mit den Interessen der Allgemeinheit kollidiert. Die Problematik besteht darin, dass der Begriff „Interessen der Allgemeinheit“ relativ unbestimmt ist. Es herrscht bislang noch nicht einmal Einigkeit im Schrifttum darüber, welche Interessengruppen hierunter genau zu verstehen sind. In der Diskussion wird eine Vielzahl denkbarer Interessengruppen vorgeschlagen. Genannt werden in der Literatur im Wesentlichen die Gläubiger 209 Eingehend zu der Kollisionsfrage: O. Lange, WM 2002, 1737 (1739 ff.), der sich allerdings lediglich mit der Übernahmesituation bei Anwendbarkeit des WpÜG auseinandersetzt. 210 Cour d’Appel de Bruxelles, Benedetti . / . Société Générale de Belgique, 1. 3. 1988, ZIP 1989, 1290 (1294). Vgl. Hopt, ZGR 1993, 534 (552). Kritisch dazu: O. Lange, WM 2002, 1737 (1742 Fn 65). 211 F.A.Z. v. 18. 09. 1990, S. 21. Dieses Beispiel erwähnen auch O. Lange, WM 2002, 1737 (1742 Fn 65); Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 (244 Fn 43). 212 Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 126; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 26; Kort, FS Lutter, 1421 (1436); Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1393); Hopt, ZGR 1993, 534 (553 f.). 213 Zu diesem vielfach angeführten (etwas unrealistischen) Problemfall Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 126; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 26; Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436); Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1393); Hopt, ZGR 1993, 534 (553); Adams, AG 1990, 243 (246). Vgl. Seite 154 f.

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der Gesellschaft214, die Kunden215 und der Staat216.217 Aus diesem Grund erschwert die Einbeziehung unbestimmter Allgemeininteressen die Ermittlung des Gesellschaftsinteresses.218 Deswegen sind Allgemeininteressen zwar grundsätzlich vom Vorstand zu berücksichtigen, allerdings nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Ausformung. Diese nur eingeschränkte Einbeziehung der Belange der Allgemeinheit kann insbesondere mit einer historischen Auslegung begründet werden. In der Regierungsbegründung zum § 76 AktG 1965 wird zwar darauf hingewiesen, dass der Vorstand das Gemeinwohl zu beachten habe. Dieser Hinweis erfolgt jedoch unter Bezug auf § 396 AktG, nach dem die Aktiengesellschaft aufgelöst werden kann, wenn der Vorstand durch gesetzwidriges Verhalten das Gemeinwohl gefährdet.219 Diese Gesetzbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber eine Politisierung der Gesellschaftsziele bewusst vermeiden wollte und deshalb nur eine Gemeinwohlbindung durch Gesetz anstrebte.220 Nur in diesem Rahmen hat der Vorstand die Interessen der Allgemeinheit einzubeziehen. Dies ist auch der einzige gangbare Weg, denn andernfalls würde es einer unüberschaubaren Vielzahl von Interessenträgern ermöglicht, Einfluss auf die Gesellschaft zu haben, ohne dass eine sonstige gesetzliche Rechtfertigung für einen derartigen Einfluss ersichtlich wäre.221 Über die gesetzlichen Pflichten hinaus ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft deshalb nur verpflichtet, Allgemeininteressen im Rahmen des Interesses an der Rentabilität und dem Bestand des Unternehmens Rechnung zu tragen. Darüber hinaus sind die Interessen der Allgemeinheit nicht eigens zu berücksichtigen. Im Konfliktfall hat der Vorstand zu Gunsten des Unternehmensinteresses zu entscheiden.222 Dies gilt auch für die Entscheidung über die Gestattung einer Due Diligence. 214 Drygala, ZIP 2001, 1861 (1870); Horn, ZIP 2000, 473 (481); Kort, FS Lutter, S. 1421 (1435); Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76 (107 f.). 215 Ebenroth / Daum, DB 1991, 1157; Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76 (82): vgl. O. Lange, WM 2002, 1737 (1742 Fn 65). 216 Schneider / Burgard, DB 2001, 963 (965); Michalski, AG 1997, 152 (154 f.); Hopt, ZGR 1993, 534 (552). Kritisch dazu: O. Lange, WM 2002, 1737 (1742 Fn 65). 217 Des Weiteren werden noch die folgenden Partikularinteressen genannt: die „Kapitalmarktbeteiligten“, Assmann / Bozenhardt, ZGR-Sonderheft Nr. 9 (Übernahmeangebote), 1 (17 f.); die „Empfänger von Unternehmensspenden“, Schneider / Burgard, DB 2001, 963 (965). Eingehender dazu: O. Lange, WM 2002, 1737 (1742 Fn 65). 218 Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (240) für Übernahmesituationen. 219 RegBegr zu § 76 AktG, Kropff, S. 97. 220 K. Schmidt, GesellschR, S. 805; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 18, 32. 221 KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 32; O. Lange, WM 2002, 1737 (1742); Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (240); Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 (245); Wackerbarth, WM 2001, 1741 (1744); Hopt, ZGR 1993, 534 (552 f.); Adams, AG 1990, 243 (246). Eingehend dazu Wiedemann, ZGR 1975, 385 (396 f.). 222 Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 (245); Wiese / Demisch, DB 2001, 383 (385); Horn, ZIP 2000, 473 (481); Mülbert, ZGR 1997, 129 (161 ff.); Hopt, ZGR 1993, 534 (553); KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 18; K. Schmidt, GesellschR, S. 805. Vgl. Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (240).

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(2) Kollision mit Arbeitnehmerinteressen Beispiel: Der „Merger of Equals“ der Daimler-Benz AG und der Chrysler Inc. war wirtschaftlich für beide Unternehmen eventuell sinnvoll, denn es konnten allein durch die Zusammenlegung der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen langfristige Synergienpotentiale in Milliardenhöhe erschlossen werden. Die durch diese Transaktion ermöglichten Kostensynergien entstanden jedoch unter anderem durch den Abbau von Arbeitsplätzen, der den Interessen (zumindest der entlassenen Arbeitnehmer) diametral entgegensteht. Außerdem wurden im Rahmen der gegenseitigen Due Diligence einem direkten Wettbewerber Gesellschaftsgeheimnisse offenbart, die beide Unternehmen hätten gefährden können, wenn die Transaktion gescheitert wäre.

Die Gewährung einer im Unternehmensinteresse liegenden Due Diligence kann Arbeitnehmerinteressen auf zweifache Art und Weise entgegenstehen: Zum einem können Arbeitsplätze in Gefahr sein, wenn sich die Risiken einer Due Diligence für die Zielgesellschaft nach einem Abbruch der Transaktion verwirklichen sollten. Zum anderem kann die M&A-Transaktion, die durch eine Due Diligence vorbereitet werden soll, mittel- oder langfristig dazu führen, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Dennoch ist bei Unternehmenstransaktionen, die Entlassungen zur Folge haben werden, nicht immer ein einheitliches Arbeitnehmerinteresse festzustellen, so dass keine eindeutige Divergenz zwischen Arbeitnehmer- und Unternehmensinteresse vorliegt. Zwar haben viele M&A-Transaktionen wie Übernahmen und Fusionen typischerweise arbeitsplatzvernichtende Wirkung, da die meisten Kostensynergien einer Unternehmenstransaktion in diesem Bereich realisiert werden.223 Wenn eine Transaktion jedoch der Rentabilität und dem Erhalt des Unternehmens dient, bewirkt dies zugleich die Sicherung der verbleibenden Arbeitsplätze. Gerade bei Unternehmen, die sich in der Krise oder bereits in der Insolvenz befinden, kann regelmäßig nur ein Arbeitsplatzabbau die übrigen Stellen retten. Die Bedeutung eines jeden Arbeitsplatzverlustes für den betroffenen Arbeitnehmer kann deshalb grundsätzlich nur in Relation zu der Bedeutung dieses Arbeitsplatzes für das Unternehmen gewürdigt werden.224 Darüber hinaus ist es ohnehin fraglich, ob Arbeitnehmerinteressen über ihre Berücksichtigung durch die Verfolgung des Unternehmensinteresses hinaus noch besondere Berücksichtigung finden können. Es ist dem Vorstand angesichts der zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen zum Arbeitnehmerschutz auch bei M&ATransaktionen (z. B. § 613a BGB, §§ 322 ff. UmwG, §§ 21a, b BetrVG, §§ 111 ff. BetrVG) grundsätzlich zuzugestehen, diese bestehenden Regelungen als hinreichende Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen aufzufassen. Arbeitnehmer223 Adams, AG 1990, 243 (244) weist auf amerikanische Forschungsergebnisse hin, wonach in Gesellschaften nach einem Gesellschafterwechsel die Anzahl der Beschäftigten in der Unternehmenszentrale im Verhältnis zu den übrigen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern um durchschnittlich 11 % gesunken ist. 224 O. Lange, WM 2002, 1737 (1744) für den Anwendungsbereich des WpÜG.

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interessen werden nicht durch das Gesellschaftsrecht geschützt, sondern primär durch das Arbeitsrecht.225 Dies lässt sich mit einer entsprechenden Bemerkung in den Materialen zu § 76 Abs. 1 AktG 1965 begründen. Im Ausschussbericht findet sich zur Begründung, weshalb der Antrag auf Einfügung eines § 75a AktG226 mit einer ausdrücklichen Zielbestimmung abgelehnt wurde, folgende Formulierung: „Dass die Gesellschaften auch das Wohl ihrer Arbeitnehmer zu beachten hätten, [ . . . ] ergebe sich im übrigen aus einer Vielzahl von Rechtsvorschriften, die die Ausgestaltung dieses Grundsatzes näher regelten (Kündigungsschutz, Schwerbehindertengesetz, Betriebsverfassungsgesetz, Unfallverhütungsvorschriften).“227

Aus diesem Grund spielen Arbeitnehmerinteressen außerhalb der gesetzlich normierten Pflichten nur eine untergeordnete Rolle bei der Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses. Den Interessen der Arbeitnehmer wird durch die Verfolgung des Unternehmensinteresses (Rentabilität und Erfolg des Unternehmens) hinreichend Rechnung getragen. Im Konfliktfall mit dem Unternehmensinteresse muss das Arbeitnehmerinteresse zurückstehen, solange nur die gesetzlichen Bestimmungen zum Arbeitnehmerschutz eingehalten werden. Der Vorstand muss deshalb in diesen Kollisionsfällen zugunsten des Unternehmensinteresses entscheiden.228 Somit hat er auch bei der Entscheidung über die Gestattung einer Due Diligence lediglich darauf zu achten, dass die gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz (wie beispielsweise § 4 BDSG229 oder die dem Vorstand durch § 2 Abs. 1 BetrVG auferlegte Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat230 und dem Wirtschaftsausschuss, § 106 BetrVG) eingehalten werden. Im Übrigen hat er dem Unternehmensinteresse den Vorrang zu geben. (3) Kollision mit Aktionärsinteressen Beispiele: Ein Paketaktionär (40 %) möchte seine Aktien an einen direkten Wettbewerber verkaufen und diesem eine umfassende Due Diligence ermöglichen, die erhebliche Risiken für das Zielunternehmen mit sich bringt. Ein Großaktionär (80 %) verlangt vom Vorstand eine Due Diligence, um im Wege des Asset Deals wesentliche Vermögenswerte der Gesellschaft verkaufen zu können. Die Minderheitsaktionäre opponieren, weil ein unrentables Restunternehmen zurückbleiben würde. 225 Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (240); Horn, ZIP 2000, 473 (481). Ähnlich Wiedemann, GesellschR, S. 627. 226 Vgl. Seite 97. 227 BegrAusschussB zu § 76 AktG, Kropff, S. 98. 228 KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 18, 27; O. Lange, WM 2002, 1737 (1744); Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 (245); Wackerbarth, WM 2001, 1741 (1744); Wiese / Demisch, DB 2001, 383 (385); Kirchner, WM 2000, 1821 (1822); Horn, ZIP 2000, 473 (481); Hopt, ZGR 1993, 534 (552). Ähnlich Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (240); Mülbert, ZGR 1997, 129 (168) bei Übernahmen. Eingehend dazu: Wiedemann, GesellschR, S. 627. A.A.: Kort, FS Lutter, S. 1421 (1435). 229 Vgl. Seite 185 ff. 230 Beispiel bei KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 27.

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Konflikte zwischen dem Unternehmensinteresse und den Belangen der Aktionäre entstehen dann, wenn diese mit der Due Diligence eine Transaktion vorbereiten wollen, die entweder für das Unternehmen keinen wirtschaftlichen Nutzen hat oder wenn eine Due Diligence zu viele Risiken birgt, die durch den ökonomischen Nutzen der Transaktion nicht aufgewogen werden. In der Regel sind Aktionärs- und Unternehmensinteresse identisch, weil die Gesellschafter am Ertrag des Unternehmens partizipieren. Kollidiert dennoch das Unternehmensinteresse mit den Interessen der Aktionäre, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich das Aktionärsinteresse durchsetzt. Zwar hat der Vorstand im Rahmen seiner Leitung unstreitig die Interessen der Aktionäre zu berücksichtigen. Anders als vielfach in der nichtjuristischen Presse und Literatur zu lesen ist, sind die Aktionäre jedoch nicht (Mit-) Eigentümer der Aktiengesellschaft und ihres Unternehmens selbst, sondern lediglich Eigentümer der Aktien. Der Eigentumsbegriff und insbesondere § 903 BGB kann deswegen für die Begründung eines absoluten Herrschaftsanspruchs der Aktionäre nicht herangezogen werden.231 Außerdem ist der Vorstand im Gegensatz zum Geschäftsführer einer GmbH (mit Ausnahme der § 83 Abs. 1 AktG und §§ 308, 323 AktG) nicht an die Weisungen der Anteilseigner gebunden. Nur diese grundsätzliche Weisungsfreiheit des Vorstands ermöglicht ihm, zur Integration der einzelnen Interessengruppen für den Bestand und Erfolg des Unternehmens zu sorgen. Diese Weisungsfreiheit des Vorstands und damit auch die gesamte Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft würde unterlaufen werden, wenn man den Vorstand im Konfliktfall mit dem Unternehmensinteresse einseitig auf das Aktionärsinteresse verpflichten würde. Aus diesem Grund muss sich grundsätzlich das Unternehmensinteresse auch in diesem Fall durchsetzen. Dieser Vorrang des Unternehmensinteresses vor dem Aktionärsinteresse kann jedoch nicht ausnahmslos gelten. Die Interessen der Allgemeinheit und der Arbeitnehmer haben in zahlreichen Gesetzen Ausdruck gefunden, weshalb es gerechtfertigt ist, diese Interessengruppen bei Konflikten mit dem Unternehmensinteresse außerhalb dieser gesetzlichen Regelungen zurückzusetzen.232 Demgegenüber kann der Kapitalschutz für die Aktionäre allein im Gesellschaftsrecht wahrgenommen werden. Ein irgendwie gearteter Gruppenschutz der Eigenkapitalgeber wäre, wenn ihre Interessen vom Vorstand ausnahmslos nachgeordnet werden dürften, andernfalls nicht ersichtlich.233 Aus diesem Grund müssen die Aktionärsinteressen dem Unternehmensinteresse vorgehen, wenn es um wesentliche Investitions-, Desinvestitions- und Strukturentscheidungen geht, da nur auf diesem Wege ein begrenzter 231 Schilling, BB 1997, 373 (378). Dazu eingehend Leo, AG 1957, 152 (153 f.), der allerdings aus anderen Gründen eine Identität von Aktionärs- und Gesellschaftsinteresse sieht. 232 Wiese / Demisch, DB 2001, 383 (385); Kirchner, WM 2000, 1821 (1822); Horn, ZIP 2000, 473 (481); Wiedemann, GesellschR, S. 627. Vgl. Seite 100 ff. 233 Eingehend Wiedemann, GesellschR, S. 627. Zustimmend: Wiese / Demisch, DB 2001, 383 (385); Kirchner, WM 2000, 1821 (1822); Horn, ZIP 2000, 473 (481).

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Kapitalschutz der Aktionäre gewährleistet werden kann. Dabei darf jedoch nicht die Kompetenzordnung in der Aktiengesellschaft unterlaufen werden. Daher sind die Aktionärsinteressen der Verfolgung des Unternehmensinteresses nur dann übergeordnet, wenn es sich um Investitions-, Desinvestitions- und Strukturentscheidungen handelt, die das Gesetz in die Kompetenz der Aktionäre stellt.234 Der Vorstand ist deshalb nur dann dem Aktionärsinteresse unterworfen, wenn ein Hauptversammlungsbeschluss vorliegt. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 83 Abs. 2 AktG. Diese Vorschrift bestimmt, dass der Vorstand verpflichtet ist, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen.235 Dies ist systemimmanent, denn in diesem Fall besteht keine Weisungsfreiheit des Vorstands mehr.236 Ehe ein Beschluss vorliegt, hat der Vorstand hingegen für Bestand und Erfolg des Unternehmens einzustehen. Dieser formale Ansatz ist auch deshalb folgerichtig, weil es das Aktionärsinteresse selten gibt, da häufig widerstreitende Interessen einzelner Aktionärsgruppen existieren.237 Der Vorstand kann somit grundsätzlich nicht von sich aus Aktionärsinteressen einseitig dem Unternehmensinteresse vorziehen.238 Für die Entscheidung über die Gewährung einer Due Diligence ist dabei insbesondere § 83 Abs. 1 AktG von entscheidender Bedeutung. Danach hat der Vorstand Maßnahmen und Verträge, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, „vorzubereiten“. Die Gewährung einer Due Diligence ist eine derartige Vorbereitungshandlung. Dies hat zur Folge, dass die Aktionäre bei hauptversammlungspflichtigen M&A-Transaktionen den Vorstand per Beschluss anweisen können, eine Due Diligence zu gestatten – selbst wenn dies dem Unternehmensinteresse zuwiderläuft.239

(4) Zusammenfassung Bei der Entscheidung über eine Due Diligence hat der Vorstand das Interesse am Bestand und Erfolg des Unternehmens heranzuziehen. Dieses Unternehmensinteresse ist auch dann vom Vorstand vorrangig zu verfolgen, wenn dem Interessen der Allgemeinheit oder der Arbeitnehmer entgegenstehen, solange er sich an die diese Interessengruppen schützenden Gesetze hält. Selbst wenn das Unternehmens- mit den Aktionärsinteressen kollidiert, setzt sich das Unternehmensinteresse durch, soSo der überzeugende Ansatz von KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 24. Hüffer, AktG, § 83 Rn 2; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 25, § 83 Rn 7. 236 An einer Weisungsfreiheit fehlt es dem Vorstand ferner, wenn eine Weisung gemäß § 308 AktG oder § 323 AktG erfolgt: vgl. Seite 265 ff. bzw. Seite 273. 237 Dahingehend auch O. Lange, WM 2002, 1737 (1744 f.) für die Übernahme. 238 So auch zutreffend (sehr streitig): KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 25; Drygala, ZIP 2000, 1861 (1865, 1870); Hopt, ZGR 1993, 534 (536); Schilling, BB 1997, 1909 (1912). Etwas anders (nach Fallgruppen differenzierend) v. Werder, ZGR 1998, 69 (89 f.). Anders in der Übernahmesituation (nach dem WpÜG): vgl. O. Lange, WM 2002, 1737 (1744); Wackerbarth, WM 2001, 1741 (1744); Mülbert, ZGR 1997, 129 (141); Adams, AG 1990, 243 (246). Vgl. Seite 156. 239 Zum Weisungsbeschluss nach § 83 Abs. 1 AktG: vgl. Seite 68 und Seite 244 ff. 234 235

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weit kein anderweitiger Beschluss der Hauptversammlung (insbesondere nach § 83 Abs. 1 AktG) vorliegt. b) Besondere Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ist zwischen dem Unternehmensinteresse an der Offenlegung und dem Unternehmensinteresse an der Geheimhaltung abzuwägen. Das Ergebnis dieser Abwägung stellt das konkretisierte Gesellschaftssinteresse dar. Bei der Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses hat der Vorstand grundsätzlich einen unternehmerischen Beurteilungsspielraum240 nach dem Leitbild der US-amerikanischen Business Judgement Rule241. Deren Grundaussagen hatte bereits 1997 der BGH in seiner ARAG / Garmenbeck-Entscheidung 242 übernommen und wurden durch das „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG) in einem neu eingefügten § 93 Abs. 1 S. 2 kodifiziert.243. Das Kernproblem im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ist dabei, ob der Vorstand diesen gewöhnlichen unternehmerischen Beurteilungsspielraum hat oder ob diese Vorschrift eine gesetzliche Wertung zugunsten der Geheimhaltung enthält, die seinen Handlungsspielraum bei der Due Diligence stärker einschränkt. Diese abstrakte Rechtsfrage steht im Zentrum der Problematik der Due Diligence und ist Gegenstand heftiger Diskussionen im Schrifttum: aa) Meinungsstand in der Literatur Die überwiegende Anzahl der Stellungnahmen, die sich mit dieser Frage speziell anlässlich der Due Diligence auseinandergesetzt haben, gehen von einer offenen Abwägung im Rahmen des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG aus. Das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft sei nur eine Position in einer umfassenden Abwägung aller Vorund Nachteile. Der Vorstand habe dabei seinen normalen Beurteilungsspielraum. Dem Geheimhaltungsinteresse wird demnach keine übergeordnete Bedeutung zugemessen.244 240 Genau genommen handelt es sich nicht um einen „Ermessensspielraum“, wie häufig zu lesen ist. Ein Ermessen ist nur auf der Rechtsfolgenseite möglich. Hier geht es um die Konkretisierung des Tatbestandes von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG. Begrifflich korrekt insoweit nur Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374). 241 Eingehend dazu: Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn 672 ff. 242 BGHZ 135, 244. Vgl. Henze, BB 2000, 209 (215); Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (298); Horn, ZIP 1997, 1129 (1133 ff.). Im Zusammenhang mit der Due Diligence: Körber, NZG 2002, 263 (269); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162 f.); Mertens, AG 1997, 541 (546). 243 § 93 Abs. 1 S. 2 AktG lautet: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Vgl. Roth, BB 2004, 1066; Kuthe, BB 2004, 449.

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Teilweise wird in der Literatur zu § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zwar von einem Vorrang des Geheimhaltungsinteresses ausgegangen, aber gleichwohl für eine umfassende Abwägung aller Vor- und Nachteile der Informationspreisgabe im Einzelfall eingetreten.245 Demgegenüber wird im Schrifttum vereinzelt das Geheimhaltungsinteresse deutlich in den Vordergrund gestellt. Es wird gerade im Zusammenhang mit der Due Diligence die Auffassung vertreten, dass der Vorstand aufgrund der gesetzgeberischen Wertung in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Geschäftsgeheimnisse seines Unternehmens und die damit verbundenen unternehmerischen Chancen und Risiken der Gesellschaft nur dann umfassend offen legen dürfe, wenn es sich um ein ungewöhnliches und überragendes Interesse der Gesellschaft handele. Dieses Interesse dürfe nicht anders erreichbar sein und müsse eine einmalige unternehmerische Chance darstellen.246 bb) Eigener Ansatz: Widerlegliche gesetzliche Vermutung Richtigerweise ist davon auszugehen, dass § 93 Abs. 1 S. 3 AktG eine gesetzliche Grundanweisung enthält, dass das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft überwiegt.247 Wenn man § 93 Abs. 1 S. 3 AktG keinen Einfluss auf die Abwägung des Vorstands beimessen würde, könnte diese Vorschrift ebenso gut aus dem Gesetz ersatzlos gestrichen werden. Sie wäre aufgrund der oben entwickelten teleologischen Reduzierung bedeutungslos, denn der Vorstand muss ohnehin gemäß §§ 76, 93 AktG stets im Gesellschaftsinteresse handeln. Einige Stimmen im Schrifttum ziehen aus dieser Überlegung die Schlussfolgerung, dass § 93 Abs. 1 S. 3 AktG rein deklaratorischen Charakter habe.248 Die Regierungsbegründung gibt jedoch für eine derartig weitreichende Relativierung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG keinen Anhaltspunkt.249 Eine Geheimhaltungspflicht wäre außerdem bereits sicher von Sorgfaltspflicht des Vorstands aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG und seiner Treuepflicht abgedeckt. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass dem Geheimhaltungsinteresse 244 Dahingehend Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499); Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (373 Fn 43); Werner, ZIP 2000, 989 (991); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Kiethe, NZG 1999, 976 (978 f.); Roschmann, Der Syndikus 1998, 9 (11); Meincke, WM 1998, 749 (750 f.); Mertens, AG 1997, 541 (546 f.); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162 f.); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452). Zustimmend: Krömker, Due Diligence, S. 30; Eggenberger, Due Diligence, S. 104; Peters, Due Diligence, S. 99 f. 245 Dahingehend Müller, NJW 2000, 3452 (3454 f.); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (450 ff., 455). Vergleichbarer Ansatz bei Bihr, BB 1998, 1198 (1199). 246 Dahingehend Lutter, ZIP 1997, 613 (617); Ziemons, AG 1999, 492 (494 f.). 247 Insoweit zutreffend Lutter, ZIP 1997, 613 (617). Ähnliche Wertung bei Ziemons, AG 1999, 492 ff. und Henn, Hdb. AktienR, Rn 596, aber auch bei Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (450 ff., 455). 248 Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (373); Schwintowski, NJW 1990, 1009 (1011). 249 Vgl. RegBegr zu § 93 AktG, Kropff, S. 122 ff.

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durch § 93 Abs. 1 S. 3 AktG eine gesteigerte Bedeutung kommen sollte.250 Dieser gesetzgeberische Wille darf nicht ignoriert werden und muss deshalb bei einer Auslegung Berücksichtigung finden. Es ist auf der anderen Seite zu weitgehend, aus diesem Grund ein überragendes Gesellschaftsinteresse für eine Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen zu verlangen. Folgte man diesem Ansatz, so wäre eine Due Diligence bei M&A-Transaktionen nur in engen Ausnahmefällen durchführbar. Nicht nur aus ökonomischer Perspektive muss eine dahingehende Auslegung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG abgelehnt werden.251 Für eine derart enge und ökonomisch fragwürdige Auslegung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG gibt es auch keinen dogmatisch hinreichenden Anlass.252 Ist im Einzelfall der Vorteil aus der Offenlegung einer Information größer als bei ihrer Geheimhaltung, würde ein Festhalten an der Verschwiegenheitspflicht für die Gesellschaft nachteilig sein. Das würde die Schutzrichtung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG in ihr Gegenteil verkehren.253 Bei einem dahingehenden Verständnis der Verschwiegenheitspflicht würde der Vorstand in seinen Handlungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt werden – und dies zum Schaden seiner Gesellschaft. Aus diesem Grund soll nachfolgend eine Auslegung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG entwickelt werden, die der besonderen Bedeutung des Geheimhaltungsinteresses gerecht wird, ohne dabei zugleich den Handlungsspielraum des Vorstands zu sehr einzuengen und eine Due Diligence praktisch unmöglich zu machen. Henn, Hdb. AktienR, Rn 596. Wie bereits in der Einführung geschildert, wäre dies weder betriebswirtschaftlich (vgl. 38 ff.) noch volkswirtschaftlich (vgl. Seite 58 ff.) wünschenswert. Wenn die Zielgesellschaft gute Gründe hat, eine Transaktion zu unterstützen, gibt es aus ökonomischer Sicht keinen Grund, sie an der Gewährung einer Due Diligence zu hindern. Zudem würde es auf dem internationalen Unternehmensmarkt zu einer Benachteiligung deutscher Aktiengesellschaften kommen. Zur Anwendbarkeit des Effizienzgedankens der Ökonomischen Theorie des Recht bei der Rechtsanwendung: vgl. Seite 60. 252 Als Beispiel nennt Lutter die Verschmelzung. Er begründet dies damit, dass in diesem Fall der Gesetzgeber angeordnet habe, dass die beteiligten Unternehmen zur Ermittlung des richtigen Umtauschverhältnisses ihre innersten Daten offen legen müssten. Er verweist dabei auf die §§ 42, 47, 63 UmwG, wonach den Gesellschaftern mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung, auf der über die Fusion Beschluss gefasst wird, der Verschmelzungsvertrag und der Verschmelzungsbericht zu übersenden sind; Lutter, ZIP 1997, 613 (617 Fn 36). Dogmatisch gesehen handelt es sich jedoch bei dieser Pflicht zur Offenlegung lediglich um einen Sonderfall, der nicht verallgemeinerungsfähig ist. Insbesondere lässt sich diesen Sondervorschriften in keiner Weise ein allgemeiner und strengerer Maßstab entnehmen, anhand dessen die Pflicht zur Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen zu beurteilen ist; insoweit zutreffend Bihr, BB 1998, 1198 (1199). Ferner zieht Lutter einen Vergleich zur Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses; Lutter, ZIP 1997, 613 (617 Fn 37). Der Hinweis auf die dortige Rechtslage ist jedoch nicht mehr stichhaltig, seit der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Entscheidung „Siemens / Nold“ seine bisherige strenge Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben hat. Nunmehr können „wohlverstandene Interessen der Gesellschaft“ den Ausschluss des Bezugsrechts rechtfertigen; BGH AG 1997, 465; Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Mertens, AG 1997, 541 (542 Fn 7). Zustimmend insoweit: Roth, Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 64. 253 So pointiert Müller, NJW 2000, 3452 (3455). 250 251

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(1) Vermutungswirkung des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Die Weitergabe von Gesellschaftsgeheimnissen beinhaltet regelmäßig erhebliche Risiken, so dass eine Gesellschaft tatsächlich ein grundsätzliches Bedürfnis hat, ihre Gesellschaftsgeheimnisse geheim zu halten. Im Einzelfall kann dieses Risiko indes durch die Vorteile einer Informationspreisgabe kompensiert werden. Aus diesem Grund sollte § 93 Abs. 1 S. 3 AktG lediglich als gesetzliche Vermutung für einen Vorrang der Geheimhaltung interpretiert werden. Diese Vermutungswirkung hat zur Folge, dass im Zweifel das Interesse der Gesellschaft an einer Geheimhaltung ihrer Gesellschaftsgeheimnisse und vertraulichen Angaben überwiegt, diese Vermutung jedoch im konkreten Einzelfall durch den Vorstand widerlegt werden kann (vgl. § 292 S. 1 ZPO). Im Folgenden wird deshalb davon ausgegangen, dass § 93 Abs. 1 S. 3 AktG eine widerlegbare Vermutung dafür aufstellt, dass das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft überwiegt.254 (2) Anforderungen an eine Widerlegung der Vermutung An eine Widerlegung dieser Vermutung für das Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses sind gewisse Anforderungen zu stellen, wenn man die Wertung des Gesetzgebers angemessen berücksichtigen will. Diesen erhöhten Anforderungen an die Widerlegung wird man gerecht, indem man das Geheimhaltungsinteresse selbst dann noch bestmöglich schützt, wenn eine Informationspreisgabe erfolgen soll. Es sollte keine Abwägung nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“255 erfolgen, sondern das Interesse der Gesellschaft an Geheimhaltung und das Interesse an der Offenlegung ihrer Geheimnisse im Sinne einer praktischen Konkordanz in Einklang gebracht werden:256 254 In der Literatur wird eine Vermutungswirkung vereinzelt unter verfehltem Verweis auf BGHZ 64, 325 (330) abgelehnt; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (373 Fn 43, 375 Fn 57); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162). Diese Auffassungen missverstehen dieses Urteil. Der BGH weist lediglich darauf hin, dass § 93 Abs. 1 S. 3 AktG keine Vermutung für ein Schweigeverbot enthält, das über „vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft“ hinausgeht (es ging um die Rechtmäßigkeit einer Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat, die eine Geheimhaltungspflicht für alle Kenntnisse enthielt, die Aufsichtsratmitglieder in dieser Eigenschaft erlangen). Im Übrigen wird § 93 Abs. 1 S. 3 AktG aber an keiner Stelle dieses Urteils eine Vermutungswirkung abgesprochen. Es wird im Gegenteil im Umkehrschluss angedeutet, dass eine derartige (widerlegliche) Vermutung eben gerade bestehen könnte. 255 So pointiert Müller, NJW 2000, 3452 (3454). 256 Darunter ist hier nicht die verfassungsrechtlich begründete praktische Konkordanz zu verstehen, sondern ein allgemeiner Rechtsgrundsatz. Vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 231; Zippelius, Methodenlehre, S. 61. Aus der Rechtsprechung: BVerfGE 78, 38 (56 f.). Dahingehend auch die Regierungsbegründung zum WpÜG: „[Dadurch] kommt der Vorstand zugleich seiner gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung zur sachgerechten Verpflichtung der in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen nach, deren Träger neben den Aktionären die Arbeitnehmer und das Gemeinwohl sind und deren ggf. divergierenden Interessen im Wege praktischer Konkordanz auszugleichen sind.“ Vgl. BegrRegE zu § 27 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 52. Vgl. Seite 236 f.

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(a) Praktische Konkordanz und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Die Herstellung praktischer Konkordanz hat zur Folge, dass bei widerstreitenden Interessen keine Abwägung im Sinne einer Entscheidung für oder gegen ein Interesse erfolgen soll. Vielmehr soll eine Entscheidung getroffen werden, die beide Interessen bestmöglich zur Entfaltung bringt, ohne dass ein Interesse ganz geopfert wird. Diese Entscheidungsmethode entspricht allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen. Das Gebot praktischer Konkordanz gilt auch außerhalb von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG im Aktienrecht, wenn widerstreitende Interessen von Gewicht bei einer Vorstandsentscheidung aufeinandertreffen.257 Bei der Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteresse und Offenlegungsinteresse kann praktische Konkordanz bestmöglich hergestellt werden, wenn nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgewogen wird.258 Dieses Abwägungsverfahren erlaubt die gebührende Berücksichtigung der Vermutung für das Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses, ohne dadurch den unternehmerischen Handlungsspielraum des Vorstands übermäßig zum Nachteil der Gesellschaft einzuengen. Durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft selbst dann noch Berücksichtigung, wenn sich der Vorstand für eine Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen entscheidet: Es wird sichergestellt, dass eine Offenlegung nur dann erfolgt, wenn die Offenlegung der Erreichung des damit angestrebten Zieles überhaupt dienlich ist („Geeignetheit“) und damit sichergestellt wird, dass Gesellschaftsgeheimnisse nicht nutzlos offenbart werden. Des weiteren wird mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erreicht, dass eine Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen in der für das Unternehmen mildesten und damit ungefährlichsten Art und Weise erfolgt, denn es erfolgt eine Risikominimierung durch das Abwägungskriterium „Erforderlichkeit“. Schließlich stellt die „Angemessenheit“ bei der Abwägung sicher, dass die mit der Offenlegung verbundenen Risiken für die Gesellschaft nicht außer Verhältnis zu den wirtschaftlichen Chancen stehen, die man sich von der Offenbarung der Gesellschaftsgeheimnisse erhofft. Die Verwendung dieser Abwägungsmethode ermöglicht somit einen optimalen und ökonomisch effizienten Interessenausgleich.

257 Hüffer, AktG, § 76 Rn 12; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 19; Hopt, ZGR 2002, 333 (360); Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (261); Schilling, BB 1997, 373 (379); Hopt, ZGR 1993, 534 (536). Dahingehend ebenfalls: K. Schmidt, GesellschR, S. 813 f.; Wiedemann, GesellschR, S. 623 ff. Vgl. BegrRegE zu § 27 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 52 (vorherige Fußnote). 258 Konkretisiert werden kann das Gebot praktischer Konkordanz durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 231; Zippelius, Methodenlehre, S. 61. Aus der Rechtsprechung: BVerfGE 78, 38 (56 f.).

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(b) Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG bedarf allerdings noch einer weiteren dogmatischen Begründung. Zu diesem Zweck kann es sich lohnen, sich die anerkannten Anwendungsfälle des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Gesellschaftsrecht zu vergegenwärtigen, um sie nach Parallelen zu untersuchen: (aa) Exkurs: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Gesellschaftsrecht Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat seinen Ursprung im Verfassungsrecht, insbesondere im Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 20 Abs. 3 GG verankert ist.259 Es handelt sich dabei um ein materiales und allgemeines Rechtsprinzip, das in allen Rechtsgebieten zur Normkonkretisierung zur Lösung von (Interessen-)Kollisionen herangezogen wird.260 Das „Maßvolle“ und das „rechte Maß“ ergibt sich unmittelbar aus dem Gedanken der Gerechtigkeit und stellt somit ein fundamentales Gerechtigkeitsprinzip dar.261 Im Bereich des Zivilrechts wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwar häufig angewandt. Die Anwendungsgründe sind aber bislang weitestgehend unerforscht geblieben. Es gibt hierzu lediglich Ansätze der juristischen Auseinandersetzung. Gerade im Gesellschaftsrecht wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in vielen Konstellationen als Lösungsansatz verwendet, ohne dass eine dogmatische Begründung für dessen Verwendung erfolgt oder eine Herleitung unternommen wird. Beispiele: Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen,262 Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen durch Minderheitsaktionäre,263 nachteilige Weisungen im Vertragskonzern.264

Nicht zuletzt wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Aktienrecht bei einer ganzen Reihe von Problemfällen zur Lösung herangezogen. Bei diesen anerkannten Anwendungsfällen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lassen sich gewisse Gemeinsamkeiten nachweisen: Soweit ersichtlich, werden in allen Anwendungsfällen Interessenabwägungen vorgenommen, weil in rechtlich geschützte Interessen von erheblichem Gewicht 259 Zu den Wurzeln des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingehend Stern, StaatsR III / 2, 765. Einen Überblick geben Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn 56 ff. 260 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 223 ff., 231. Zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Ipsen, StaatsR II, Rn 169 ff.; Bleckmann, JuS 1994, 177 ff. 261 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 231 Fn 110; Vgl. BVerfGE 77, 84 (112) und Ipsen, StaatsR II, Rn 182. 262 BGHZ 83, 319 (321); 71, 40 (46); Hüffer, AktG, § 186 Rn 28. 263 BGHZ 132, 84 (93 f.); Hüffer, AktG, § 243 Rn 24. 264 Hüffer, AktG, § 308 Rn 17. Vgl. Seite 267.

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eingegriffen werden soll.265 Zur Begründung wird stets eine gesteigerte Treuepflicht des jeweilig Handelnden gegenüber den Betroffenen herangezogen.266 Demnach lässt sich die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Aktienrecht auf dieselben, einheitlichen Anwendungsvoraussetzungen zurückführen. (bb) Anwendungsvoraussetzungen bei § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Die Voraussetzungen dieser anerkannten Anwendungsfälle des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit liegen auch bei der Vorstandsentscheidung zu § 93 Abs. 1 S. 3 AktG vor. Der Vorstand entscheidet im Rahmen einer Interessenabwägung über einen Eingriff in ein rechtlich besonders geschütztes Interesse (das Geheimhaltungsinteresse) und unterliegt aufgrund seiner Verpflichtung zu qualifizierter Interessenwahrnehmung gegenüber der Aktiengesellschaft einer allgemeinen Treuepflicht,267 wobei die in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG normierte Verschwiegenheitspflicht einen wichtigen Unterfall der organschaftlichen Treuepflicht des Vorstands darstellt.268 Diese Voraussetzungen sind auch der Grund dafür, weshalb in der GmbH nach herrschender Meinung die Entscheidung über eine Due Diligence ebenfalls nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip getroffen wird. Zwar unterscheiden sich die Strukturen von GmbH und Aktiengesellschaft; in dieser Konstellation besteht aber eine Vergleichbarkeit. Der Konflikt zwischen Geheimhaltungs- und Offenlegungsinteresse unterscheidet sich nicht. Die für diese Entscheidung zuständige Gesellschafterversammlung der GmbH hat eine vergleichbare Stellung wie der Vorstand und die Gesellschaftermehrheit hat gegenüber der Minderheit eine gesteigerte Treuepflicht.269

265 Beispiele: Beim Bezugsrechtsausschluss zwischen dem Unternehmenssinteresse an der Begebung junger Aktien zur weiteren Verwendung und dem Interesse der Aktionäre an einer Beibehaltung ihrer Anteilsquote am Grundkapital. Bei der Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen zwischen bei dem Unternehmensinteresse an der Umsetzung des Beschlusses und dem Interesse der Minderheitsaktionäre daran, dass nicht in ihre Mitgliedschaft unverhältnismäßig eingegriffen wird. Bei nachteiligen Weisungen im Vertragskonzern zwischen dem Interesse des herrschenden Unternehmens an einer Befolgung der Weisung und dem Interesse der abhängigen Aktiengesellschaft daran, dass sie durch die Weisung keine unverhältnismäßigen Nachteile erleidet. 266 Beispiele: Beim Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen Treupflicht der Hauptversammlungsmehrheit gegenüber den Minderheitsaktionären. Ebenso bei der Anfechtbarkeit der übrigen Hauptversammlungsbeschlüsse. Bei nachteiligen Weisungen im Vertragskonzern Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der beherrschten Aktiengesellschaft. 267 Eingehend dazu KölnKomm / Zöllner, AktG, Einl. Rn 153 ff.; Hüffer, AktG, § 84 Rn 9. Aus der Rechtsprechung: BGHZ 49, 30 (31); 20, 239 (246); 13, 188 (192). 268 Hüffer, AktG, § 93 Rn 6; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 167; KölnKomm / Zöllner, AktG, Einl. Rn 154; KölnKomm / Mertens, AktG, § 93 Rn 19 ff.; Geßler / Hefermehl, AktG, § 93 Rn 15. 269 Zur Rechtslage in der GmbH: vgl. Seite 252 ff.

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4. Abwägung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Entscheidung über eine Due Diligence § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ist demnach als gesetzliche Vermutung für den Vorrang des Geheimhaltungsinteresses zu interpretieren, die durch eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerlegt werden kann (vgl. § 292 S. 1 ZPO).270 Da bei dieser Vorgehensweise zwischen dem Offenlegungs- und dem Geheimhaltungsinteresse abzuwägen ist, müssen diese Begriffe hinsichtlich der Entscheidung über eine Due Diligence näher konkretisiert werden:271 Das Geheimhaltungsinteresse bei der Entscheidung über einer Due Diligence ist das Interesse der Gesellschaft am Schutz des Unternehmens, da die Offenlegung der Gesellschaftsgeheimnisse den Erfolg und sogar den Bestand des Gesellschaftsunternehmens erheblich zu gefährden vermag. Problematisch ist die Frage, worin das Offenlegungsinteresse der Gesellschaft liegen kann, da eine Due Diligence als solche eigentlich keine unmittelbaren Vorteile für das Zielunternehmen hat. Die Gesellschaft kann nur ein mittelbares Interesse an der Gewährung einer Due Diligence haben. Abzustellen ist dabei auf das Interesse an der konkreten Transaktion. Da die Due Diligence der Vorbereitung einer M&A-Transaktion dient, kommt es darauf an, ob ihr Zustandekommen im Unternehmensinteresse liegt. Einer Due Diligence darf der Vorstand somit nur dann zustimmen, wenn das unternehmerische Interesse an der konkreten M&A-Transaktion (Zweck) in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken aus der Weitergabe der Gesellschaftsgeheimnisse im Zuge einer Due Diligence (Mittel) steht.

a) Geeignetheit Der erste Abwägungsgesichtspunkt bei der Entscheidung über eine Due Diligence ist die „Geeignetheit. Die Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen im Zuge einer Due Diligence (Mittel) muss zumindest zur Unterstützung der Transaktion (Zweck) geeignet sein. Folglich dürfen keine Gesellschaftsgeheimnisse offengelegt werden, wenn mit der Due Diligence das Zustandekommen der konkreten M&A-Transaktion überhaupt nicht gefördert wird:

270 In diese Richtung Müller, NJW 2000, 3452 (3454), der von „abgestuften Verhältnismäßigkeit“ spricht; Mertens, AG 1997, 541 (546) spricht davon, die Vorteile müssten „im Verhältnis“ zu den Risiken stehen. Ebenso (aber ohne Begründung): Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (499); Peters, Due Diligence, S. 101. 271 Weder das „Geheimhaltungsinteresse“ noch das „Offenlegungsinteresse“ haben einen bestimmten Interessenträger, den sie repräsentieren könnten oder sollten. Diese Begriffe werden nur zur sprachlichen Vereinfachung verwendet.

8 Liekefett

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aa) Realisierbarkeit der Transaktion Die beabsichtigte M&A-Transaktion ist nicht realisierbar, wenn es dem Transaktionspartner überhaupt nicht ernst mit der Transaktion ist, sondern er vielmehr vorrangig an der Erlangung wettbewerbsrelevanter Daten interessiert ist.272 M&A-Berater bestätigen, dass dies in der aus der Praxis durchaus vorkommen kann.273 An der Ernsthaftigkeit dürfen daher keine erheblichen Zweifel bestehen. Wenn dem Vorstand Hinweise dafür vorliegen, dass nur die Ausforschung des Unternehmens bezweckt wird, muss er eine Due Diligence verweigern. Insoweit sollte zumindest eine unterzeichnete Absichtserklärung des Interessenten vorliegen („Letter of Intent“) oder eine vergleichbare Vorfeldvereinbarung („Memorandum of Understanding“).274 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Begriffe Letter of Intent und Memorandum of Understanding keine festen Bestandteile des deutschen Rechts sind, sondern der angelsächsischen M&A-Praxis entstammen. Entsprechend vielfältig und uneinheitlich ist deren Inhalt. Aus diesem Grund hat der Vorstand darauf zu achten, dass in der vorgelegten Absichtserklärung oder Vorfeldvereinbarung tatsächlich die Transaktionsabsicht zum Ausdruck kommt.275 Der Abschluss dieser Vereinbarung ist zwar kein unfehlbarer Beweis für die Ernsthaftigkeit des Transaktionspartners, aber zumindest ein relativ verlässliches Indiz dafür, denn dieser setzt sich dadurch Schadensersatzansprüchen aus.276 Für die Transaktionsbeteiligten besteht durch die Unterzeichnung einer Vorfeldvereinbarung ein gewisser Schutz, da die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) erleichtert wird.277 Dies gilt mit Sicherheit dann, wenn eine so genannte „Break Fee“-Vereinbarung enthalten ist, die für den Abbruch von Vertragsverhandlungen die Verwirkung einer Vertragsstrafe vorsieht. In der Praxis sind „Break Fees“ allerdings nur selten in den Verhandlungen durchzusetzen (vor allem zugunsten der Zielgesellschaft). 278 272 Götze, ZGR 1999, 202 (213, 228) zur GmbH. Vgl. auch Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Meincke, WM 1998, 749 (751). 273 Berens / Brauner / Strauch, Due Diligence, S. VI weisen darauf hin, dass in der Praxis bisweilen die Due Diligence zur Wirtschaftsspionage ausgenutzt wurde. 274 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (501); Körber, NZG 2002, 263 (270); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Kiethe, NZG 1999, 976 (979); Ziemons, AG 1999, 492 (494, 500); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Mertens, AG 1997, 541 (544, 546 f.); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a; Krömker, Due Diligence, S. 44 ff.; Eggenberger, Due Diligence, S. 120. Vgl. Seite 120 und Seite 239 ff. 275 Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 7a; Müller, NJW 2000, 3452 (3455). 276 Für die Frage der Ernsthaftigkeit kommt es auch nicht darauf an, ob die Zielgesellschaft Partei der Vorfeldvereinbarung ist. A.A.: Krömker, Due Diligence, S. 46 ff. Anders ist dies bei der Geheimhaltungsvereinbarung: vgl. Seite 118. 277 Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn 846. Dies kommt allerdings auf die konkrete Formulierung an, da der Rechtsbindungswillen fraglich sein kann: vgl. Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 7a; Kösters, NZG 1999, 623 (624). Eingehend dazu: Lutter, Letter of Intent, S. 70 ff.

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Ebensowenig kann eine M&A-Transaktion zum erfolgreichen Abschluss gebracht werden, wenn aus gesetzlichen oder vertraglichen Gründen die Transaktion nicht durchgeführt werden kann, weil erforderliche Zustimmungen verweigert wurden oder voraussichtlich verweigert werden. Auch in diesen Fällen ist eine Due Diligence zwingend durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft zu verweigern.279 Beispiele: Die kartellrechtliche Genehmigung eines Unternehmenskaufs oder einer Fusion erscheint ausgeschlossen, weil die zuständigen Kartellbehörden bereits zu erkennen gegeben haben, dass sie die Fusion nicht genehmigen werden280 und weil die Erteilung einer Ministererlaubnis nach § 42 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unwahrscheinlich ist.281 Ebenso kann eine Vinkulierung gemäß § 68 Abs. 2 AktG eine Transaktion undurchführbar machen. Auf vertragliche Vinkulierungen (so genannte „Lock-ups“) bestehen insbesondere die Deutsche Börse AG bei Börsengängen und die vielen Käufer beim Share Deal, wenn sie beim Erwerb mit Aktien bezahlt haben („Share Offer“).282 Dadurch soll bei Börsengesellschaften verhindert werden, dass die Aktien unmittelbar nach der Transaktion auf den Markt kommen und dadurch den Aktienkurs unmittelbar unter Druck setzen.283

Nicht geeignet zur Unterstützung einer Transaktion ist eine Due Diligence ferner dann, wenn dem Transaktionspartner nicht die für die Durchführung notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund hat der Vorstand vor der Entscheidung über die Due Diligence Erkundigungen über die Bonität des Geschäftspartners einzuholen. Seine Zahlungsfähigkeit muss dabei in angemessenem Verhältnis zur Größe der Transaktion stehen.284 Bei Konzerntochtergesellschaften ist nicht nur bei einem konzerninternen „Cash Pooling“ darauf zu achten, dass Patronatserklärungen der Konzernmutter oder andere Sicherheiten vorliegen.285 278 Zu „Break Fee“-Vereinbarungen eingehend Sieger / Hasselbach, BB 2000, 625. Vgl. Seite 121. 279 Götze, ZGR 1999, 202 (213, 228) zur GmbH. 280 Überblick zur Deutschen und Europäischen Fusionskontrolle: Picot, Mergers & Acquisitions, S. 335 ff. 281 Schroeder, DB 1997, 2161 (2163). Eine Ministererlaubnis wurde für die Fusion von E.ON und der Ruhrgas AG erteilt und wird seitdem in den Medien kontrovers diskutiert. Der Vollzug der Fusion wurde zunächst durch das OLG Düsseldorf vorläufig untersagt; später nahmen die Kläger ihre Klage zurück: vgl. F.A.Z. v. 20. 9. 2002, S. 13. Zu diesem Rechtsproblem: Bunte, BB 2002, 2393 ff.; Lenz, NJW 2002, 2370 ff.; Möschel, BB 2002, 2077 ff. 282 Zu den „Lock-up“-Vereinbarungen eingehend: Barthelmeß / Braun, AG 2000, 172 ff. Dabei handelt es sich um kein gesetzliches Hindernis, da die Deutsche Börse AG privatrechtlich organisiert ist und die „Lock-up“-Vereinbarungen mit den emittierenden Aktiengesellschaften vertraglich schließt. 283 Das Problem wird damit jedoch regelmäßig nur zeitlich verschoben und nicht gelöst. Darauf weist Krömker, Due Diligence, S. 103 Fn 283 richtigerweise hin, der das eindrucksvolle Beispiel des Verkaufs von Aktien der Deutschen Telekom AG durch ehemalige VoiceStreamAktionäre anführt („Flowback“): vgl. F.A.Z. v. 16. 08. 2001, S. 22. Vgl. Seite 158 Fn 539. 284 Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Ziemons, AG 1999, 492 (494); Meincke, WM 1998, 749 (751); Krömker, Due Diligence, S. 44. 285 Zu Patronatserklärungen bei M&A: v. Rosenberg / Kruse, BB 2003, 641 ff.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Beispiele: Bei einem Unternehmenskauf hat der Kaufinteressent bei Ratingagenturen wie Moody’s286 oder Standard & Poor’s287 („S&P“) aufgrund seines Verschuldungsgrades eine Bewertung seiner Kreditwürdigkeit, die im Bereich eines „Non-Investment Grade“ liegt (Ba1 bzw. BB+ und darunter).288 Eine Finanzierung einer größeren Transaktion wird dem Käufer in diesem Fall schwerfallen, da er kaum Bankkredite zu günstigen Konditionen bekommen wird. Dann bleibt ihm allenfalls die Begebung von hochverzinslichen Anleihen („High Yield“-Anleihen, bisweilen auch „Junk Bonds“ genannt), die aber in Deutschland (anders als in den USA oder Japan) noch unüblich sind und vom Kapitalmarkt kaum gehandelt werden.289 In der bei einem Öffentlichen Übernahmeangebot zu erstellenden Angebotsunterlage hat der Bieter nach § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 WpÜG als „Ergänzende Angaben“ unter anderem die Finanzierung des Angebots darzustellen und zu erläutern, die der Vorstand vor der Entscheidung über eine Due Diligence heranziehen kann.290

bb) Wirtschaftlichkeit der Transaktion ohne Due Diligence Zum anderen unterstützt eine Due Diligence eine M&A-Transaktion nicht und ist somit insoweit „ungeeignet“, wenn die Transaktion auch ohne Due Diligence unter wirtschaftlich vertretbaren Konditionen zum Abschluss gebracht wird. Zwar bestehen in der Regel die außenstehenden Verhandlungspartner bei M&A-Transaktionen auf der Durchführung einer Due Diligence. Sollte dies jedoch ausnahmsweise einmal nicht der Fall sein, ohne dass sich zugleich die Konditionen wesentlich verschlechtern, so fördert die Zulassung einer Due Diligence die Transaktion nicht. Beispiele: Bei Verhandlungen über ein Joint Venture wird nicht selten auf eine Due Diligence im beiderseitigen Einverständnis verzichtet. Dies liegt daran, dass die Durchführung einer Due Diligence bis in alle Einzelheiten hinsichtlich der Vermögensgegenstände, die in das Joint Venture eingebracht werden sollen, den Eindruck mangelnden Vertrauens hervorrufen kann, der in der kooperativen Atmosphäre der Verhandlungen über ein Joint Venture oftmals befremdlich wirkt.291 Beim Unternehmenskauf kann es in seltenen Fällen vorkommen, dass die Verhandlungsposition des Verkäufers so stark ist, dass er folgenlos einen Verzicht auf eine vorherige Due Diligence durchsetzen kann. Im Normalfall wird dies allerdings zu einer erheblichen Verschlechterung der Vertragsbedingungen der Transaktion führen. Im Internet unter der Adresse: www.moodys.com. Im Internet unter der Adresse: www.standardandpoors.com. 288 Die britische „Cable & Wireless“ verlor nach einer Herabstufung durch Moody’s an der Londoner Börse fast die Hälfte an Wert; vgl. Handelsblatt vom 10. 12. 2002. Zu den Rechtsproblemen des Ratings: Däubler, BB 2003, 429 ff.; Pfingsten, BKR 2001, 139 ff. Vgl. Seite 158. 289 Zu „High Yield“-Anleihen eingehend: Kusserow / Dittrich, WM 2002, 745 (747). 290 Zu den Angaben zur Finanzierung eines Angebots nach § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 WpÜG: Schulz, M&A Review 2002, 559 ff. 291 Picot, Mergers & Acquisitions, S. 212, der allerdings dennoch mit guten Gründen empfiehlt, eine Due Diligence auch vor Joint Ventures durchzuführen. 286 287

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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cc) Entscheidungsrelevanz der Informationen Letztlich ist eine Informationsweitergabe im Rahmen einer Due Diligence nicht zur Unterstützung einer M&A-Transaktion „geeignet“, wenn die betreffenden Informationen nicht zur Unternehmens- und Risikobewertung gebraucht werden.292 Die Preisgabe von Informationen, die nicht entscheidungsrelevant sind, fördert eine M&A-Transaktion nicht. Dem Vorstand ist die Weitergabe dieser Daten aus diesem Grund untersagt, soweit es sich dabei um Gesellschaftsgeheimnisse und vertrauliche Angaben i.S.v. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG handelt. Beispiel: So reicht es im Hinblick auf die Arbeitnehmer des Unternehmens für die Zwecke der Due Diligence aus, dem Informationsinteressenten lediglich die Eckdaten der bestehenden Arbeitsverhältnisse mitzuteilen. Damit weiß er über Gehaltsstrukturen, Nebenleistungen, Pensionsverpflichtungen, Befristungen, Dauer der Betriebszugehörigkeit usw. Bescheid. Die Namen der jeweils betroffenen Personen braucht er vor Durchführung der Transaktion regelmäßig noch nicht zu kennen.293 Das Risiko von Abwerbungen wird durch Anonymität ebenfalls verringert.294 Anders sieht dies nur bei Informationen über die Führungskräfte des Unternehmens aus. Diese Informationen sind bewertungsrelevant, denn der Informationsinteressent benötigt zur Unternehmensbewertung Informationen über die Laufzeit der Verträge des Managements oder etwaige nachvertragliche Wettbewerbsverbote.295

b) Erforderlichkeit Nächster Schritt bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit ist die „Erforderlichkeit“. Bei der Frage der Due Diligence muss der Vorstand verschiedene Risikobegrenzungsmaßnahmen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf das Geheimhaltungsinteresse überprüfen und dabei das relativ mildeste Mittel wählen. Der Vorstand muss zwar von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln zur Risikobegrenzung grundsätzlich diejenigen auswählen, die das Geheimhaltungsinteresse der Zielgesellschaft am besten schützen. Die Prüfung der Erforderlichkeit erfordert dabei allerdings einen Vergleich von gleich geeigneten Maßnahmen. Trotz der Risikobegrenzungsmaßnahmen muss die Due Diligence deshalb nach wie vor eine zuverlässige Unternehmensprüfung der Zielgesellschaft ermöglichen, da ansonsten mit der Due Diligence die M&A-Transaktion nicht bestmöglich gefördert werden kann.

Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Götze, ZGR 1999, 202 (213) zur GmbH. Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (377); Werner, ZIP 2000, 989 (993); Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Götze, ZGR 1999, 202 (213) zur GmbH; Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19). 294 Eingehend zu dieser Problematik: Wolf, NZG 2004, 366. 295 Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (378); Werner, ZIP 2000, 989 (993); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19). Zu den datenschutzrechtlichen Problemen in Hinblick auf die Arbeitnehmer: vgl. Seite 191 f. 292 293

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

aa) Geheimhaltungsvereinbarung mit Vertragsstrafenregelung Die Weitergabe von Gesellschaftsgeheimnissen ist für die Zielgesellschaft sehr risikoreich, weil sie Gefahr läuft, dass diese Informationen entweder gezielt zu ihrem Nachteil verwendet oder publik gemacht werden. Aus diesem Grund ist dieses Risiko zu begrenzen, indem die Due Diligence erst nach Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung gestattet wird. Eine Geheimhaltungserklärung schränkt bei sensiblen Daten die Verwertbarkeit der Informationen ein und begrenzt die Weiterverbreitung der Informationen. Daher ist eine Geheimhaltungsvereinbarung eine unerlässliche rechtliche Rahmenbedingung zur Risikominimierung.296 Die Geheimhaltungsvereinbarung muss außerdem mit der Zielgesellschaft abgeschlossen werden. Bei M&A-Transaktionen wie dem Share Deal, dem Beteiligungsverkauf oder einem Öffentlichen Übernahmeangebot, an denen die Zielgesellschaft nicht als Vertragspartner beteiligt ist, ist demnach eine gesonderte Vertraulichkeitserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben. Andernfalls könnte die Zielgesellschaft allenfalls nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte von der Geheimhaltungsvereinbarung geschützt werden.297 Zu dieser problematischen Rechtsposition darf es der Vorstand aber erst gar nicht kommen lassen.298 In der Vereinbarung muss der Kreis der Informationsempfänger festgelegt und damit eingegrenzt werden.299 Zur Risikominimierung hat sich der Transaktionspartner zudem zu verpflichten, seinerseits mit diesen Personen (seinen Mitarbeitern und M&A-Beratern300) Geheimhaltungsvereinbarungen abzuschließen.301 In der Vereinbarung muss auch die Rückgabe erhaltener Unterlagen und etwaiger Kopien oder zumindest deren Vernichtung für den Fall geregelt werden, dass die Transaktion nicht zustande kommt.302 296 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (501); Körber, NZG 2002, 263 (270); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Götze, ZGR 1999, 202 (218); Ziemons, AG 1999, 492 (494); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (444); Mertens, AG 1997, 541 (544); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452); Krömker, Due Diligence, S. 48 ff.; Eggenberger, S. 121; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 297 Eingehend dazu: Krömker, Due Diligence, S. 46 ff. (zum Letter of Intent). 298 So richtigerweise die Empfehlung von Krömker, Due Diligence, S. 49. 299 Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (445); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Krömker, Due Diligence, S. 50; Eggenberger, S. 121; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 3, 17a. 300 Zu den Geheimhaltungspflichten von M&A-Beratern: Rozjin, NZG 2001, 494 ff. 301 Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (445); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452); Krömker, Due Diligence, S. 50. A.A.: Semler / Volhard / Schlitt, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 6 Rn 17. 302 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (501); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (378); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (445); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Krömker, Due Diligence, S. 50; Eggenberger, S. 121; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Eine Geheimhaltungsvereinbarung muss zudem für den Fall der Nichteinhaltung eine empfindliche Vertragsstrafe beinhalten, die eine Verwertung zumindest erschwert.303 Diese Vertragsstrafe sollte auch Anstellungs- und Abwerbeverbote für Mitarbeiter der Zielgesellschaft absichern.304 Zwar stößt trotz einer entsprechenden Vereinbarung die gerichtliche Durchsetzung eines solchen Anspruchs auf erhebliche Schwierigkeiten. Aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass die Geheimhaltungsvereinbarung vom Informationsinteressenten nicht eingehalten wird.305 Eine Vertragsstrafe hat jedoch zumindest eine gewisse Abschreckungswirkung. Für ein Unternehmen wäre es von erheblichem wirtschaftlichen Nachteil, wenn in Branchenkreisen der Eindruck entstehen würde, dass es das Unternehmen mit der Einhaltung derartiger Vereinbarungen nicht so genau nimmt. Der wirtschaftliche Schaden dieses Vertrauensverlustes wäre kaum absehbar. In diesem Fall würde es für das Unternehmen fast unmöglich werden, im Rahmen von M&A-Transaktionen vertrauliche Informationen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Aus diesem Grund reicht eine Geheimhaltungsvereinbarung regelmäßig aus, um eine missbräuchliche Verwertung der Informationen zu verhindern oder zumindest erheblich einzuschränken.306

bb) Abgestufte Informationserteilung nach Transaktionsstadium Die Risiken aus einer Due Diligence sind für eine Zielgesellschaft besonders groß, wenn eine M&A-Transaktion nach der Due Diligence nicht zustande kommt. Die Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen erfolgte dann nicht nur vergeblich. Problematischer ist ein anderer Aspekt: Kommt die Transaktion zustande, so hat der Informationsempfänger regelmäßig ein eigenes Interesse daran, dass die Zielgesellschaft keinen Schaden durch die Offenlegung der Gesellschaftsgeheimnisse nimmt. Nach einer gescheiterten Unternehmenstransaktion besteht hingegen ein erhöhtes Risiko, dass der Informationsempfänger die erlangten Geheimnisse der Gesellschaft zu deren Nachteil selbst verwendet oder der Öffentlichkeit zuspielt. Gerade bei direkten Konkurrenten, Zulieferern oder Abnehmern kann sich dies fatal auswirken – insbesondere dann, wenn die Verhandlungsparteien nach dem Scheitern der Transaktion nicht friedlich auseinander gegangen sind. 303 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (501); Körber, NZG 2002, 263 (270); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Götze, ZGR 1999, 202 (218); Treeck, FS Fikentscher, 1998, 434 (444); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Mertens, AG 1997, 541 (544); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452); Krömker, Due Diligence, S. 50; Eggenberger, S. 121; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a; Semler / Volhard / Schlitt, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 6 Rn 20 f. 304 Eingehend zu deren Vereinbarkeit mit § 75f HGB: Wolf, NZG 2004, 366. 305 Zur Frage, ob der Vorstand seinerseits verpflichtet ist, derartige Geheimhaltungsvereinbarungen mit Dritten zu beachten: vgl. Seite 202 ff. 306 Mertens, AG 1997, 541 (544).

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Beispiele: Wurde die Due Diligence anlässlich eines Unternehmenskaufs durchgeführt, liegt es auf der Hand, dass der Erwerber der Zielgesellschaft nach erfolgreicher Transaktion ein Interesse am Erfolg seiner neuen Gesellschaft hat. Dieselbe Interessenlage besteht bei den Partnern einer Fusion oder eines Joint Ventures, die beide ein Interesse am Erfolg des neuen Gemeinschaftsunternehmens haben. Die Emissionsbank ist regelmäßig über Provisionen am Erfolg eines Börsenganges beteiligt. Der Investor wird nach Abschluss des Beteiligungsvertrages seine Investition nicht gefährden und wird deshalb Stillschweigen über Interna der Zielgesellschaft bewahren. Kommen diese M&A-Transaktionen hingegen nicht zustande, so hat der Informationsempfänger kein wirtschaftliches Eigeninteresse mehr daran, dass die Zielgesellschaft keinen Schaden erleidet.

Zur Begrenzung dieses Risikos ist es erforderlich, dass die Informationen dem Transaktionsstadium angepasst werden, um die Risiken bei einem Abbruch der Transaktion zu begrenzen. Deshalb hat der Vorstand zur Risikobegrenzung die Dichte und Tiefe der Informationen dem Fortschritt der Verhandlungen anzupassen. Es hat eine abgestufte Informationsweitergabe zu erfolgen. Während weniger sensible Informationen bereits in einem früheren Stadium dem Interessenten offenbart werden können, dürfen besonders sensible Daten wie wettbewerbsrelevante Informationen erst in einem späteren Stadium zur Verfügung gestellt werden.307 (1) Frühestes Transaktionsstadium für die Informationserteilung Das von einer Due Diligence ausgehende Risiko wird erheblich reduziert, wenn geheime Informationen erst ab einem Zeitpunkt preisgegeben werden, in dem sich das Interesse an der Transaktion entsprechend manifestiert hat. Daher ist das früheste Stadium für die Zulassung einer Due Diligence nach der Unterzeichnung einer Absichtserklärung („Letter of Intent“) oder einer vergleichbaren Vorfeldvereinbarung („Memorandum of Understanding“), da ab diesem Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs der Transaktion in der Regel geringer ist. Eine derartige Vorfeldvereinbarung ist nicht nur Indiz für die Ernsthaftigkeit des Informationsempfängers,308 sondern kennzeichnet auch ein fortgeschrittenes Transaktionsstadium, das Grundvoraussetzung für eine Due Diligence ist.309

307 So ausdrücklich Hölters / Semler, Unternehmenskauf, Teil VI Rn 59. Ähnlich: Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (501); Körber, NZG 2002, 263 (270); Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Krömker, Due Diligence, S. 51. Zur GmbH: Götze, ZGR 1999, 202 (214). Vgl. Seite 132 ff. 308 Vgl. Seite 114 und Seite 239 ff. 309 Körber, NZG 2002, 263 (270); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Kiethe, NZG 1999, 976 (979); Ziemons, AG 1999, 492 (500); Meincke, WM 1998, 749 (751); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Mertens, AG 1997, 541 (544, 546); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Exkurs: „Break Fee“-Vereinbarungen Um die Risiken zu senken, die sich aus einem Abbruch der Transaktion für die Zielgesellschaft einer Due Diligence ergeben, könnte man an eine so genannte „Break Fee“-Vereinbarung denken. Eine „Break Fee“ ist ein vertragliches Versprechen der Zahlung einer bestimmten Geldsumme für den Fall, dass sich eine Seite ohne die Zustimmung der anderen Seite aus der Transaktion zurückzieht.310 In der Praxis sind „Break Fees“ allerdings nur selten in der Frühphase einer Transaktion durchzusetzen, da sich die Verhandlungspartner selten frühzeitig einem gewissen wirtschaftlichen Kontrahierungszwang aussetzen wollen. Aus diesem Grund muss der Vorstand die Vereinbarung einer „Break-Up Fee“ zwischen den Vertragsparteien nicht zur Voraussetzung für die Gestattung einer Due Diligence machen.311

(2) Kontrolle der abgestuften Informationserteilung Die abgestufte Informationserteilung in Abhängigkeit vom jeweiligen Transaktionsstadium wird als Risikobegrenzungsmaßnahme konterkariert, wenn sie nicht von gewissen Sicherungsmaßnahmen flankiert wird. Das Risiko einer – mitunter versehentlich – über das erforderliche Maß hinausgehenden Informationserteilung muss ebenfalls minimiert werden. Es sind deshalb verschiedene Maßnahmen durch den Vorstand bei einer Due Diligence zu ergreifen, damit der Informationsfluss kontrolliert werden kann: (a) Benennung einer Auskunftsperson Unkontrollierte Auskünfte über Unternehmensinterna können schwerwiegende Folgen für die Zielgesellschaft haben. Von Vorstandsmitgliedern und leitenden Mitarbeitern ist zu erwarten, dass sie die Auswirkungen ihrer Aussagen überschauen können, bei einfachen Mitarbeitern der Gesellschaft kann dies unter Umständen anders aussehen. Um Art und Umfang der mitgeteilten Informationen kontrollieren zu können, muss deshalb grundsätzlich eine mit den Verhältnissen vertraute Auskunftsperson benannt werden. Dies sollte ein Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsleitung sein. Informationen werden dann grundsätzlich durch diese Person erteilt, d. h. die Mitarbeiter werden angewiesen, mündliche Auskünfte nur durch die Auskunftsperson zu übermitteln. Befragungen anderer Personen sind grundsätzlich abzulehnen.312

310 Zu Break Fee-Vereinbarungen: Banerjea, DB 2003, 1489 ff.; Sieger / Hasselbach, BB 2000, 625 ff. Im Überblick: Semler / Volhard / Schlitt, Unternehmensübernahmen, Bd. 1, § 6 Rn 82 f. 311 Zur Frage, ob der Vorstand einer Aktiengesellschaft die Kosten des Kaufinteressenten für die Due Diligence übernehmen darf: vgl. Seite 147. 312 Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Krömker, Due Diligence, S. 50; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17; Semler / Volhard / Dietzel, Unternehmensübernahmen, Bd. 1, § 9 Rn 116; Berens / Brauner, Due Diligence, S. 119.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Exkurs: „Management Interviews“ Vergleichsweise unproblematisch sind für die Zielgesellschaft Befragungen des Managements („Management Interviews“) und der leitenden Mitarbeiter. Dies ist in der Praxis ein wesentlicher Bestandteil einer Due Diligence (so genannte „Q&A-Sessions“). Dadurch sollen die aus Dokumenten erlangten Informationen bestätigt und ergänzt werden und gegebenenfalls ein Eindruck von der Einstellung der Betroffenen zur Transaktion vermittelt werden.313 Bei diesen Befragungen besteht nur ein geringes Risiko, dass unkontrolliert Informationen weitergegeben werden. Von Vorstandsmitgliedern und leitenden Mitarbeitern kann man (wie eben festgestellt) erwarten, dass sie die Auswirkungen ihrer Aussagen überschauen können. Trotzdem sollten sie vor einem Management Interview eingehend vorbereitet werden. Dabei sind insbesondere Themenbereiche zu erörtern, über die im Interesse des Unternehmens nicht gesprochen werden sollte.

(b) Einrichtung eines Datenraumes Das Risiko einer Due Diligence für die Zielgesellschaft wird durch die Einrichtung eines so genannten Datenraumes („Data Room“) erheblich vermindert.314 Dabei werden die Unterlagen für die Due Diligence an einem zentralen Ort zusammengetragen. An diesem Ort ist eine Einsicht zumeist nur unter Aufsicht möglich. Dadurch kann erheblich besser kontrolliert werden, welche Unterlagen überhaupt zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere kann bei Bedarf die Weitergabe von Informationen auf bestimmte Bereiche beschränkt werden. Außerdem wird durch dieses Vorgehen das Risiko einer unbefugten Mitnahme von Unterlagen minimiert. Nicht zuletzt kann durch die Einrichtung eines Datenraums außerhalb des Unternehmens eine Geheimhaltung der Verhandlungen besser gewährleistet werden.315 (c) Beschränkung der Vervielfältigungsmöglichkeiten Das Risiko einer Due Diligence wird auch durch die Art und Weise beeinflusst, in der die Informationen zur Verfügung gestellt werden. Um der Gefahr einer unkontrollierbaren Weiterverbreitung zu begegnen, sind die Vervielfältigungsmöglichkeiten zu begrenzen. Am ungefährlichsten ist die bloße mündliche Auskunft. Allerdings wird in der Regel darauf bestanden, Einsicht in bestimmte Unterlagen nehmen zu dürfen, so dass die Transaktion andernfalls zu scheitern droht. Die Aushändigung von Unterlagen und Urkunden ist wiederum am gefährlichsten, weil eine unproblematische und unkontrollierbare Vervielfältigung nicht verhindert werden kann. Aus diesem Grund sind Kopien sensibler Unterlagen grundsätzlich nur auf gesonderte Anforderung und erst nach sorgfältiger Risikoabschätzung zur Verfügung zu stellen. Bei anderen Dokumenten ist der Vorstand gehalten, lediglich 313 Semler / Volhard / Dietzel, Unternehmensübernahmen, Bd. 1, § 9 Rn 116. Vgl. Wegmann / Koch, DStR 2000, 1027 (1029 f.). 314 Körber, NZG 2002, 263 (271); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Mertens, AG 1997, 541 (544, 547); Krömker, Due Diligence, S. 52; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. Vgl. auch Loges, DB 1997, 965. 315 Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 14, 17a.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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eine Einsichtnahme zu gestatten. Dabei darf er jedoch die Anfertigung von Notizen nicht untersagen, denn ansonsten wird angesichts der zumeist erheblichen Datenmenge eine Due Diligence unpraktikabel.316 (3) Exkurs: Bieterverfahren beim Unternehmensverkauf Die effektivste Möglichkeit zur Begrenzung des Abbruchrisikos stellt das Bieterverfahren („Controlled Auction“) beim Unternehmensverkauf dar (als Gegensatz zum „Face-to-Face-Geschäft“). Durch dieses Verfahren wird die geforderte abgestufte Informationsweitergabe am besten gewährleistet, weil eine maximale Kontrolle des Informationsflusses erreicht werden kann. Nach einer Vorauswahl von Interessenten werden zunächst in einem Informationsprospekt317 allgemeine Unternehmensdaten offen gelegt und die Interessenten aufgefordert, Angebote zu unterbreiten. Danach werden die vielversprechendsten Interessenten zu einer „Management presentation“ oder einer ersten Due Diligence eingeladen, die im Umfang der offen gelegten Informationen noch beschränkt ist. Diese Due Diligence findet regelmäßig in einem dafür eingerichteten Datenraum bei einem M&A-Berater oder in einem Hotel statt. Anhand der vorläufigen Gebote nach dieser Phase wird dann entschieden, welche Interessenten in die abschließende Phase geladen werden. Erst in dieser Phase wird diesen Interessenten unbeschränkten Zugang zu allen wesentlichen Unternehmensdaten gewährt.318

Diese Form der Anpassung der Dichte und Tiefe der Informationen an den Fortschritt der Verhandlungen führt zu einer erheblichen Verringerung der Risiken für die Zielgesellschaft. Gleichwohl kann nicht immer ein Bieterverfahren durchgeführt werden, da es sich nicht für jede M&A-Transaktionsart eignet und oft nicht mehrere Interessenten vorhanden sind. Außerdem führt eine Vielzahl von Beteiligten fast unweigerlich zu Geheimhaltungsproblemen. Aus diesen Gründen kann die Durchführung eines Bieterverfahrens i.e.S. nicht zur Voraussetzung für eine Due Diligence gemacht werden.

cc) Zurückhalten entscheidungsrelevanter Informationen Im Normalfall lässt sich das Risiko bei der Informationserteilung bereits dadurch angemessen begrenzen, dass eine vertragsstrafenbewehrte Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen wird, die eine Verwertung untersagt.319 Allerdings reicht 316 Körber, NZG 2002, 263 (271); Mertens, AG 1997, 541 (544). Vgl. Semler / Volhard / Dietzel, Unternehmensübernahmen, Bd. 1, § 9 Rn 115, 155. 317 Noch völlig ungeklärt ist dabei die Frage, ob die Gesellschaft bei falschen Angaben im Informationsmemorandum eine Haftung des Verkäufers (beim Asset Deal ist sie das selbst) nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB n.F. auslösen kann. 318 Hölters, Unternehmenskauf, Teil I Rn 139 ff.; Semler / Volhard / Dietzel, Unternehmensübernahmen, Bd. 1, § 9 Rn 170 ff. Eingehend zum Bietungsverfahren beim Unternehmensverkauf: Pöllath, FS Müller, S. 833 ff. Im Zusammenhang mit der Due Diligence: Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (436).

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

eine Geheimhaltungsvereinbarung nicht immer aus, um eine missbräuchliche Verwendung der Informationen zu verhindern. Es gibt erhebliche Probleme, sie im Ernstfall gerichtlich durchzusetzen. Außerdem gibt es Informationen, bei denen allein die bloße Kenntnis der Information dem Empfänger die Möglichkeit für ein schädigendes Verhalten gegenüber der Gesellschaft gibt. In kritischen Situationen kann dann das Risiko nur gesenkt werden, indem diese besonders sensiblen Informationen von der Offenlegung ganz ausgenommen werden.320 Diese Maßnahme wird insbesondere bei einer Due Diligence durch Wettbewerber vorgeschlagen, weil das Risiko der Verwertbarkeit von Informationen eng mit dem jeweiligen Informationsempfänger zusammenhängt.321 Unter dem Aspekt der Erforderlichkeit lässt sich indes das Ausnehmen entscheidungsrelevanter Informationen nicht rechtfertigen. Zweck der Due Diligence ist es, dem Interessenten eine angemessene Unternehmensbewertung und Risikobeurteilung zu ermöglichen, um dadurch die konkrete M&A-Transaktion unterstützen zu können. Im Vorfeld einer Transaktion benötigt ein Interessent dafür grundsätzlich alle entscheidungserheblichen Tatsachen. Die besonders sensiblen Daten, die bei dieser Vorgehensweise ausgenommen werden sollen, werden in der Regel gerade bewertungserhebliche Informationen sein. Das Ausnehmen sensibler und entscheidungserheblicher Informationen fördert somit nicht im selben Maße eine wirtschaftliche Durchführung der Transaktion.322 Damit ist diese Maßnahme nicht gleich geeignet zur Verwirklichung des Unternehmensinteresses und somit jedenfalls nicht erforderlich i. S. d. Verhältnismäßigkeit.323 Für den Fall, dass die zurückgehaltenen Informationen zwar sensibel, aber nur eine geringe Entscheidungsrelevanz aufweisen sollten, gelten diese Argumente hingegen nicht.324 Beispiel: Die Rezeptur von „Coca-Cola“ und das Verfahren ihrer Herstellung dürfte eine der geheimsten und am besten gehüteten Informationen in der Wirtschaftswelt sein.325 Zur Bewertung des Unternehmens ist diese Information aber nicht erforderlich. 319 Körber, NZG 2002, 263 (270); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (539); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178); Götze, ZGR 1999, 202 (218); Ziemons, AG 1999, 492 (494); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (444); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Mertens, AG 1997, 541 (544); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452); Krömker, Due Diligence, S. 50 ff. 320 Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); zur GmbH: Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (538 f.); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178); Götze, ZGR 1999, 202 (218); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 321 Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. Zur GmbH: Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (539); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178). Eingehend dazu Götze, ZGR 1999, 202 (218). 322 Werner, ZIP 2000, 989 (991); Kiethe, NZG 1999, 976 (979). 323 Eine andere Frage ist, ob diese Risikobegrenzungsmaßnahme im Rahmen der „Angemessenheit“ zumindest gegenüber Wettbewerbern ergriffen werden muss: vgl. Seite 132 f. 324 Dann ist freilich schon die „Geeignetheit“ fraglich: vgl. Seite 117. 325 Vgl. DER SPIEGEL v. 19. 10. 2000.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Kritische Daten, die eine geringe Entscheidungsrelevanz haben, sind mithin unter dem Aspekt der Erforderlichkeit zwingend von der Weitergabe auszunehmen. Der Transaktionspartner muss jedoch darauf hingewiesen werden, wenn dieser eine Vollständigkeitserklärung vom Vorstand verlangt.326

dd) Einschaltung eines neutralen Dritten In Betracht kommt ferner die Einschaltung eines neutralen Dritten für die Durchführung einer Due Diligence. Diese Risikobegrenzungsmaßnahme wird vereinzelt als zwingend erforderlich angesehen,327 während die überwiegende Anzahl der Stimmen im Schrifttum die Einschaltung eines neutralen Dritten nur in Ausnahmefällen fordert.328 Bei dieser Vorgehensweise werden mit der Due Diligence neutrale Fachleute beauftragt, die weder mit der Gesellschaft noch mit dem Informationsinteressenten in einem laufenden Mandatsverhältnis stehen. Herangezogen werden Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die einer beruflichen Schweigepflicht unterliegen und damit in besonderer Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.329 Diese werden gemeinsam von der Gesellschaft und dem Interessenten beauftragt.330 Die neutralen Sachverständigen erhalten ihrerseits alle Informationen von der Zielgesellschaft. Sie werden dabei angewiesen, die ausgewerteten Informationen und Unterlagen nicht weiterzugeben. Die Einhaltung dieser Anweisung ist bereits deshalb gewährleistet, weil die Zielgesellschaft zur Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen – unabhängig von der Person des Auftraggebers – dem neutralen Sachverständigen nochmals aus berufsrechtlichen Gründen gesondert die Befugnis erteilen muss.331 Sie erstellen einen abgekürzten Due Diligence-Bericht, der sich auf die Auswertung der Prüfungsergebnisse beschränkt. Der ausführliche Bericht wird dagegen zu Beweiszwecken in den Akten gehalten oder notariell hinterlegt.332 Diese Maßnahme kann das Risiko vermindern, das sich aus einem für die Gesellschaft bedenklichen Informationsempfänger ergibt und wird aus diesem Grund insbesondere bei Wettbewerbern erwogen.333

Schroeder, DB 1997, 2161 (2163). Dahingehend Ziemons, AG 1999, 492 (495); Lutter, ZIP 1997, 613 (618). Ähnlich Bihr, BB 1998, 1198 (1199). 328 Dahingehend Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (501); Körber, NZG 2002, 263 (271); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Werner, ZIP 2000, 989 (991 f.); Meincke, WM 1998, 749 (751); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a; Krömker, Due Diligence, S. 52 ff. 329 Zur Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftsprüfer: Stoll, BB 1998, 785 ff. 330 Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 331 Darauf weist richtigerweise Stoll, BB 1998, 785 (787) hin. Zustimmend: Ziemons, AG 1999, 492 (495); Bihr, BB 1998, 1998 (1199 Fn 20). 332 Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a; Schroeder, DB 1997, 2161 (2163). 326 327

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

In der Praxis hat sich diese Vorgehensweise nicht durchsetzen können. Nach einer empirischen Untersuchung bei M&A-Transaktionen im Zeitraum von 1997 – 2000 wurde in 89,8 % der Fälle dieses Verfahren nicht angewandt.334

Es ist zweifelhaft, ob die Einschaltung eines neutralen Prüfers erforderlich i. S. d. Verhältnismäßigkeit ist. Die Einschaltung eines neutralen Prüfers ist aus Geheimhaltungssicht ein erheblich milderes Mittel als die Durchführung einer umfassenden Due Diligence durch den Interessenten selbst bzw. dessen Berater. Im Rahmen der Erforderlichkeit muss allerdings ein Mittel nicht nur milder, sondern auch gleich geeignet zur Erreichung des erstrebten Zweckes sein. Dies ist nicht der Fall. Aus der Sicht der Zielgesellschaft hat die Einwilligung in eine Due Diligence den Zweck, dem Interessenten eine zuverlässige Unternehmensbewertung zu ermöglichen, um damit eine für sie vorteilhafte Transaktion zu unterstützen. Es ist deswegen notwendig, dass eine Due Diligence durch einen neutralen Dritten dazu ebenso geeignet ist wie die Durchführung durch den Verhandlungspartner selbst. Im Vorfeld einer M&A-Transaktion sind die Parteien gerade daran interessiert, dass sie alle positiven und negativen entscheidungserheblichen Tatsachen erhalten.335 Benötigt werden insbesondere die beiden wesentlichen entscheidungsrelevanten Informationen, der Unternehmenswert und die Risiken.336 Erst auf der Basis dieser Kenntnis kann die Gesellschaft umfassend beurteilt und in Relation zu den für die Entscheidung maßgeblichen Kriterien gesetzt werden. Für die Einschätzung des Unternehmenswerts ist eine Unternehmensbewertung durch einen neutralen Dritten nur von geringem Nutzen. Das liegt an mehreren Faktoren. Die in der Praxis regelmäßig angewandten und nach dem IDW S1 zuverlässigsten Verfahren sind das Ertragswertverfahren und die Discounted Cash FlowMethode;337 insbesondere das Ertragswertverfahren ist auch vom Bundesverfassungsgericht und dem BGH anerkannt.338 Diese Verfahren haben allerdings den Nachteil, dass ihre Ergebnisse auf einer ganzen Reihe subjektiver Entscheidungen beruhen. Die Perspektive der ertragsorientierten Bewertungsverfahren ist zukunftsbezogen, da die zukünftige Ertragsfähigkeit der Gesellschaft zugrunde gelegt 333 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (501); Körber, NZG 2002, 263 (271); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Werner, ZIP 2000, 989 (991 f.); Ziemons, AG 1999, 492 (494 f.); Bihr, BB 1998, 1198 (1199); Meincke, WM 1998, 749 (751); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Lutter, ZIP 1997, 613 (615, 618); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a; Krömker, Due Diligence, S. 52 ff. A.A. insoweit nur Bremer, GmbHR 2000, 176 (178) zur GmbH. 334 Berens / Strauch, Due Diligence – empirische Untersuchung, S. 102. Vgl. Marten / Köhler, FB 1999, 337 (342 ff.). 335 Vgl. Werner, ZIP 2000, 989 (991); Kiethe, NZG 1999, 976 (979). 336 Zu diesen entscheidungsrelevanten Informationen: vgl. Seite 41 ff. 337 IDW S1, 7.5.2 (Tz. 144 f.); Peemöller / Meister / Beckmann, FB 2000, 197; Aders / Galli / Wiedemmann, FB 2000, 197; Kohl / Schulte, WPg 2000, 1147; Siepe / Dörschell / Schulte, WPg 2000, 946 (953); Ballwieser, DB 1997, 187 f. Vgl. Seite 46 ff. 338 Vgl. Seite 46.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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wird.339 Erforderlich ist demnach eine Prognoseentscheidung, die erfahrungsgemäß von Wirtschaftsprüfer zu Wirtschaftsprüfer ganz unterschiedlich ausfallen kann. Dabei haben bereits geringe Unterschiede in der Einschätzung von Daten und Wahrscheinlichkeiten erheblichen Einfluss auf das Ergebnis der Unternehmensbewertung. In der Einführung wurde erläutert, dass bei beiden Verfahren die zukünftigen finanziellen Erträge …Et † mit dem Kapitalisierungszinsatz (i) einer risikolosen Vergleichanlage auf den Stichtag abgezinst werden, um den Unternehmenswert zum Bewertungszeitpunkt zu erhalten.340 Die Bestimmung dieser beiden entscheidenden Berechungsfaktoren beruht nicht nur auf objektiven Kriterien, sondern auch auf vielen subjektiven Elementen wie Erfahrung und Branchenkenntnis.341 Beispiel: Bei einem prognostizierten Ertrag von 100 Millionen Euro jährlich ergibt ein Kapitalisierungszinsatz von 7 % einen Unternehmenswert von rund 1,3 Milliarden Euro, während die Annahme von 5 % zu einer Unternehmensbewertung von fast 2 Milliarden Euro führt. Variiert man bei einem zusätzlich noch den prognostizierten Ertrag, kommt man bei einem jährlichen Ertrag von lediglich 80 Millionen Euro zu einem Unternehmenswert von nur 1 Milliarde Euro (bei 7 % Kapitalisierungszinsatz) bzw. 1,5 Milliarden (bei 5 %). Legt man der Berechnung dagegen eine Prognose von 120 Millionen Euro Ertrag per annum zugrunde, ergibt sich einen Unternehmenswert von 2,3 Milliarden Euro (5 %) bzw. 1,6 Milliarden Euro. Bereits die Variierung des durchschnittlichen Ertrags von 80 – 120 Millionen Euro und des Kapitalisierungszinsatzes von 5 – 7 % führt demnach zur einer Bandbreite in der Unternehmensbewertung von 1,0 Milliarden bis 2,3 Milliarden Euro.

Dieses Problem potenziert sich bei M&A-Transaktionen, die zu einem Kontrollwechsel führen sollen, da der Ertragswert davon abhängt, welche Erträge der jeweilige Eigentümer zu erwirtschaften in der Lage ist („Subjektiver Unternehmenswert“).342 Der objektivierte Unternehmenswert ist bei diesen M&A-Transaktionen nicht besonders aussagekräftig, da Synergien mit dem neuen Unternehmenseigner zu berücksichtigen sind, die dieser am besten selbst beurteilen kann.343 Aufgrund dieses subjektiven Einschlags der Unternehmensbewertung vertrauen sich außenstehende Transaktionsparteien besser einem Wirtschaftsprüfer an, den sie kennen und mit dem sie über die der Berechnung zugrundeliegenden Daten reden können. Eine Unternehmensbewertung durch einen neutralen Dritten ohne Kenntnis der Kalkulationsgrundlagen ist dem Entscheidungsträger bei M&A-Transaktionen eine unzureichende Entscheidungshilfe. Dies gilt erst recht für die Risikoermittlung bei M&A-Transaktionen durch einen neutralen Dritten. Viele Risiken lassen sich ohne weiteres quantifizieren und könVgl. Seite 49. Vgl. Seite 47. 341 Andere Zahlenbeispiele finden sich bei Ballwieser, WPg 1998, 81 (88 ff.). Eingehend zu den Problemen des Kapitalisierungszinsatzes: Ballwieser, WPg 2002, 736 ff. 342 IDW S1, 4.4.3 (Tz. 53 ff.). 343 IDW S1, 4.4.3.2 (Tz. 41 ff., 56 f.). Vgl. Seite 49. 339 340

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

nen in der Berechnung des Unternehmenswerts berücksichtigt werden, ohne dass der Transaktionspartner Details kennen muss.344 Dies gilt aber nicht für alle Risiken. Wird bei einer Due Diligence ein Risiko aufgedeckt, das sich nicht ohne weiteres quantifizieren lässt, muss der Verhandlungspartner die zugrundeliegenden Fakten kennen. Andernfalls kann er nicht einschätzen, ob er mit diesem Risiko leben kann oder ob es zu einer Änderung der Transaktionsstrukur oder gar einem Abbruch der Verhandlungen kommen wird. Unterschiedliche Einschätzungen über die Tragweite von Risiken, die sich aus einer Due Diligence ergeben, sind regelmäßig Gegenstand kontroverser Diskussionen während der Verhandlungen über eine M&A-Transaktion. Außenstehenden ist aus diesem Grund nicht mit einem abstrakten und verkürzten Due Diligence-Bericht geholfen. Beispiel:345 Anlässlich eines Unternehmenskaufs wird während der Due Diligence in einer Tochtergesellschaft des Zielunternehmens eine so genannte „Change of control“Klausel entdeckt.346 Es handelt sich dabei um ein 50 %-Joint Venture mit einem der Hauptkonkurrenten der Verhandlungspartner. In diesem Fall muss der Kaufinteressent wissen, welche Tochtergesellschaft betroffen ist, welche Bedeutung das Joint Venture für die Transaktion hat, um welchen Konkurrenten es sich handelt und wie die Formulierung der Klausel lautet, um das Risiko einschätzen zu können, dass von dem Sonderkündigungsrecht oder dem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht wird.

Folglich ist der Transaktionspartner daran interessiert, die der Bewertung zugrunde liegenden Daten zu erhalten. Eine Due Diligence unter Einschaltung eines neutralen Dritten wird er deshalb zumeist nicht akzeptieren und die Transaktion abbrechen. Falls sich der Transaktionspartner dennoch mit dieser Vorgehensweise zufrieden geben sollte, kann damit eine Verschlechterung der Transaktionskonditionen einhergehen. Unsicherheitsabschläge und weitergehende Gewährleistungen oder Freistellungen werden sich in der Praxis kaum vermeiden lassen. Mithin ist die Einschaltung eines neutralen Dritten nicht ebenso geeignet zur Förderung einer M&A-Transaktion wie eine Due Diligence durch den Interessenten selbst und dessen Berater. Daher ist die Einschaltung eines neutralen Dritten nicht „erforderlich“ i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.347

c) Angemessenheit Unter den Gesichtspunkten „Geeignetheit“ und „Erforderlichkeit“ wurden Risikobegrenzungsmaßnahmen diskutiert, die der Vorstand bei jeder Due Diligence vorzunehmen hat, weil sie das Interesse der Zielgesellschaft an der Förderung einer M&A-Transaktion durch eine Due Diligence nicht wesentlich beeinträchtigen. Vgl. Seite 41 f. Weitere plastische Beispiele bei Krömker, Due Diligence, S. 53. 346 Zu „Change of control“-Klauseln: Dreher, AG 2002, 214 ff. Vgl. Seite 42 und Seite 155. 347 Die Beurteilung dieser Vorgehensweise unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit erfolgt im Rahmen des folgenden Abschnitts: vgl. Seite 134. 344 345

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Unter dem Gesichtspunkt der „Angemessenheit“ verändert sich dieser Maßstab. Innerhalb dieses Abwägungsschrittes ist zu untersuchen, ob die mit der Due Diligence verbundenen Risiken außer Verhältnis zu den wirtschaftlichen Chancen stehen, die sich die Zielgesellschaft von der M&A-Transaktion erhofft. Nicht selten wird weder das Offenlegungs- noch das Geheimhaltungsinteresse offensichtlich überwiegen. In Zweifelsfällen ist aufgrund der Vermutungswirkung348 des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG von einem Vorrang des Geheimhaltungsinteresses auszugehen. Auf die Feststellung eines unangemessenen Risikos kann der Vorstand einer Zielgesellschaft flexibel reagieren. Wenn seine Gesellschaft ein unternehmerisches Interesse an der konkreten M&A-Transaktion haben sollte, ist er nicht zwangsläufig dazu verpflichtet, eine Due Diligence abzulehnen. Er kann stattdessen im Einzelfall weitere, nicht „erforderliche“ Risikobegrenzungsmaßnahmen ergreifen (Zurückhaltung entscheidungsrelevanter Informationen, Einschaltung eines neutralen Dritten), die zwar eine Unternehmensprüfung erschweren, aber dadurch ein Scheitern der M&A-Transaktion abwenden.

aa) Einschränkungen der Due Diligence bei Wettbewerbern Die kritischsten Situationen entstehen typischerweise, wenn es sich bei dem Interessenten für eine Due Diligence um einen aktuellen oder potentiellen Wettbewerber handelt.349 In diesen Fällen höchster Geheimhaltungsbedürftigkeit kann das Interesse der Zielgesellschaft an einer umfassenden Due Diligence zur Förderung einer für sie vorteilhaften M&A-Transaktion hinter ihrem Geheimhaltungsinteresse zurückzutreten. In diesen Konstellationen muss der Vorstand weitergehende, erheblich einschränkendere Risikobegrenzungsmaßnahmen erwägen als die bisher als „erforderlich“ angesehenen Vorgehensweisen.350 Nachfolgend ist deshalb zunächst der Begriff des „Wettbewerbers“ zu erörtern und anschließend zu diskutieren, welche Risikobegrenzungsmaßnahmen zu ergreifen sind. (1) Wettbewerber Der Begriff des Wettbewerbers kennzeichnet den Empfängerkreis von Informationen, der für eine Zielgesellschaft einer Due Diligence die größten Risiken mit sich bringt, weil er geheime interne Informationen gegen die Gesellschaft verwenden könnte. Ein Wettbewerber ist ein unabhängiges Unternehmen, das auf einem Vgl. Seite 109. Körber, NZG 2002, 263 (271); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (376 ff.); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (538); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178); Götze, ZGR 1999, 202 (218); Lutter, ZIP 1997, 613 (615); Mertens, AG 1997, 541 (544); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 350 Vgl. Seite 117 ff. 348 349

9 Liekefett

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

gemeinsam zugänglichen Markt versucht, mit gleichen (oder austauschbaren) Produkten oder Dienstleistungen vor anderen Unternehmern zu Geschäftsabschlüssen bei denselben Kunden zu gelangen.351 Der Begriff des Wettbewerbers kann aber im Zusammenhang mit der Due Diligence nicht auf direkte Konkurrenten beschränkt bleiben. Nicht nur aktuelle Wettbewerber auf derselben Stufe der Wertschöpfungskette (horizontaler Wettbewerber) sind durch die Kenntnis von internen Informationen in der Lage, einen Wettbewerbsvorteil auf Kosten der Gesellschaft zu erlangen. Bei Zulieferunternehmen und Abnehmern (vertikale Wettbewerber) besteht eine vergleichbare Gefahrenlage für die Zielgesellschaft einer Due Diligence. Vertikale Wettbewerber könnten in Kenntnis der Kalkulationsgrundlagen auf eine Änderung der Geschäftskonditionen drängen oder bei Erlangung des Know-how der Zielgesellschaft versucht sein, diese sogar vom Markt zu verdrängen. Im Ausnahmefall können diese Gefahren sogar noch bei entfernteren voroder nachgeordneten Wertschöpfungsstufen bestehen. Demgegenüber ist eine Due Diligence durch neutrale Dienstleister oder Finanzinvestoren sicherer, so dass wettbewerbsrelevante Informationen mit geringeren Einschränkungen offengelegt werden dürfen.352 Es ist dabei sicherzugehen, dass der prüfende Transaktionspartner oder seine Berater keine engen Beziehungen zu Wettbewerbern aufweisen. Private Equity-Fonds sind eigentlich neutrale Finanzinvestoren, können jedoch bereits in Konkurrenten investiert haben.353 Auf Beraterseite haben Mehrfachvertretungen ein ähnliches Konfliktpotential, wenn sich unter den Mandanten Wettbewerber befinden und es sich um dieselbe Transaktion handelt.354 Bei Fusionen ist das Risiko naturgemäß am höchsten, da es bei den Verhandlungspartnern regelmäßig um direkte Wettbewerber handelt.355 Fusionen finden zumeist zwischen Unternehmen statt, die in derselben Branche tätig sind (z. B. Daimler Benz / Chrysler, Hoechst / Rhône-Poulenc zu Aventis, Thyssen / Krupp).356 Vergleichbare Risiken bestehen beim Unternehmens- oder Beteiligungskauf. Zumeist treten strategische Kaufinteressenten auf, die sich Synergien versprechen (z. B. Vodafone / Mannesmann). Synergien wiederum entstehen am ehesten zwischen Unternehmen, die in demselben Marktsegment tätig sind, da hier am effektivsten Know-how und Geschäftskontakte ausgetauscht werden können. 351 Zum Begriff des Wettbewerbers aus kartellrechtlicher Sicht: Bechtold, GWB, § 1 Rn 53. Zum Begriff des Wettbewerbers aus wettbewerbsrechtlicher Sicht: Baumbach / Hefermehl, UWG, Allg. Rn 4. 352 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (501); Körber, NZG 2002, 263 (271); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (377); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Werner, ZIP 2000, 989 (991 f.); Meincke, WM 1998, 749 (751); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a; Krömker, Due Diligence, S. 52 ff. 353 Mertens, AG 1997, 541 (546); Pfeifer, BB 1999, 1665 (1669). 354 Eingehender dazu Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 355 Körber, NZG 2002, 263 (271); Müller, NJW 2000, 3452 (3455); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (538); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178); Lutter, ZIP 1997, 613 (615); Mertens, AG 1997, 541 (544). 356 Darauf weist richtigerweise Mertens, AG 1997, 541 (544) hin.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Anders verhält es sich nur, wenn neutrale Finanzinvestoren als Kaufinteressenten auftreten, die nicht in Wettbewerber investiert haben. In großen Bieterverfahren kommt auf Beraterseite das Problem der Mehrfachvertretung hinzu, denn große Rechtsanwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften arbeiten nicht selten parallel für einen Konkurrenten.357 Anders liegt der Fall bei Börsengängen. Die Emissionsbanken sind nur selten Wettbewerber der emittierenden Zielgesellschaft, sondern neutral und branchenfremd.358 Darüber hinaus sind sie zur Verschwiegenheit verpflichtet.359 Ein Restrisiko existiert nur dann, wenn die Emissionsbank neben der Gesellschaft auch Wettbewerber berät oder Beteiligungen an ihnen hält.360 In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass sensible Unternehmensinterna versehentlich in falsche Hände geraten. Indes ist dieses Risiko nicht mehr besonders hoch einzuschätzen, seitdem einige Banken erheblichen Imageverlust erlitten, als dahingehende Fehlleitungen bekannt wurden. Es wurden mittlerweile bei allen Banken so genannte „Chinese Walls“ eingerichtet. Ähnlich ist die Situation bei Beteiligungsverträgen mit Finanzinvestoren. Private Equity-Fonds sind in der Regel neutrale Kapitalgeber, bei denen die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung von Informationen nach Abbruch der Transaktion geringer ist.361 Eine Ausnahme bilden Beteiligungsgesellschaften, die noch an anderen Unternehmen in der gleichen Branche beteiligt sind, gerade wenn sie ein einheitliches Portfolio haben (beispielsweise mit Schwerpunkt in Biotechnologie oder Software).362 Ein erhöhtes Missbrauchsrisiko besteht ferner, wenn Anteilseigner der Beteiligungsgesellschaft etablierte Unternehmen derselben Branche sind und ungehinderten Zugang zur Fonds-Gesellschaft haben.363 Ebenso wie Fusionen und Unternehmenskäufe schließen sich bei Joint Ventures regelmäßig Wettbewerber zusammen mit dem einzigen Unterschied, dass dies lediglich für einige Projekte erfolgt. Aus diesem Grund existiert auch bei diesen Transaktionen ein erhöhtes Risiko einer Due Diligence.

(2) Zusätzliche Einschränkungen bei Wettbewerbern Gegenüber Wettbewerbern muss der Vorstand der Zielgesellschaft einer Due Diligence zusätzliche Risikobegrenzungsmaßnahmen ergreifen. Das bedeutet nicht, dass an Wettbewerber überhaupt keine Gesellschaftsgeheimnisse weitergegeben werden dürfen. Dadurch würde man die Due Diligence in weiten Teilen des M&A-Marktes faktisch verbieten, denn die weitaus meisten Transaktionen finden unter Wettbewerbern statt. Nach einer empirischen Untersuchung zeigte sich bei 83,3 % der Transaktionen eine weitgehende Übereinstimmung der Branchen der Verhandlungspartner.364 Kritisch dazu Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. Schanz, Börseneinführung, § 8 Rn 2; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 359 Darauf weist richtigerweise Schanz, Börseneinführung, § 8 Rn 2 hin. Vgl. Meincke, WM 1998, 749 (752 ff.). 360 Mertens, AG 1997, 541 (546); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 361 Mertens, AG 1997, 541 (546). Zu den Kapitalgebern: Pfeifer, BB 1999, 1665 (1666); Jäger, NZG 1998, 833 (837 f.). 362 Mertens, AG 1997, 541 (546); Pfeifer, BB 1999, 1665 (1669). 363 Pfeifer, BB 1999, 1665 (1669). 364 Berens / Strauch, Due Diligence – empirische Untersuchung, S. 47. 357 358

9*

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Der Vorstand hat deshalb die Due Diligence nur gewissen Einschränkungen zu unterwerfen, die allerdings die Eignung der Due Diligence zur Förderung einer M&A-Transaktion verringern. Als einschränkende Maßnahmen kommen die beiden Risikobegrenzungsmaßnahmen in Frage, die bereits unter dem Gesichtspunkt der „Erforderlichkeit“ diskutiert wurden: die Zurückhaltung entscheidungserheblicher Informationen365 und die Einschaltung eines neutralen Dritten366 zur Durchführung einer Due Diligence: (a) Zurückhalten wettbewerbsrelevanter Informationen Wettbewerbsrelevante Informationen dürfen ohne Einschränkungen grundsätzlich nur an Informationsempfänger weitergeleitet werden, die keine Wettbewerber der Zielgesellschaft sind.367 Dies darf allerdings nicht zu einem starren Verbot führen, sondern zu einem flexiblen Informationssystem mit abgestuften Informationengraden. Die Wettbewerbsrelevanz der jeweiligen Information, das vom Informationsempfänger ausgehende Risiko und das Transaktionsstadium368 stehen miteinander in Wechselwirkung. Je geringer die Wettbewerbsrelevanz einer Information, desto früher kann sie herausgegeben werden. Demgegenüber sind gewisse Informationen derart sensibel, dass sie erst kurz vor Vertragsschluss („Signing“) als Bestandteil von „Disclosure Letters“ offengelegt werden dürfen.369 Außerdem sind vereinzelte Informationen denkbar, die angesichts eines überragenden Geheimhaltungsinteresses überhaupt nicht oder allenfalls gegenüber einem neutralen Dritten offengelegt werden dürfen.370 Wettbewerbsrelevante Informationen sind alle Erkenntnisse, die nach Art und Umfang geeignet sind, dem Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.371 Bei der Eignung ist auf den konkreten Fall abzustellen, denn prinzipiell 365 Vgl. Seite 123 f. Bei der Erforderlichkeit wurde festgestellt, dass kritische Informationen nur dann zwingend nicht preisgegeben werden dürfen, soweit sie eine geringe Bewertungsrelevanz haben. Nunmehr geht es im Rahmen der Angemessenheit um die Frage, inwieweit sensible Informationen von erheblicher Bewertungsrelevanz von der Weitergabe zumindest dann auszunehmen sind, wenn ein Wettbewerber um eine Due Diligence ersucht. 366 Vgl. Seite 125 ff. Im Rahmen der Erforderlichkeit wurde lediglich eine Verpflichtung abgelehnt, bei jeder Due Diligence einen neutralen Dritten zu verlangen. In diesem Abschnitt geht es um die Frage, ob wenigstens gegenüber Wettbewerbern eine dahingehende Pflicht des Vorstands besteht. 367 Dahingehend auch (zur GmbH): Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (538 f.); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178); Götze, ZGR 1999, 202 (214 f.). Vergleichbares Konzept bei Körber, NZG 2002, 263 (271); Müller, NJW 2000, 3452 (3453). 368 Vgl. Seite 119 ff. 369 Zu „Disclosure Letters“: Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn 893 ff. Vgl. Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 370 Vgl. Seite 134. 371 Definition von Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (538); Götze, ZGR 1999, 202 (214) zur GmbH.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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sind kaum Informationen denkbar, die nicht in irgendeinem Fall wettbewerbliche Relevanz erlangen könnten.372 Dabei ist eine Information umso eher wettbewerbsrelevant, desto marktnäher und detaillierter sie ist.373 In der Praxis sind davon typischerweise die folgenden Gesellschaftsgeheimnisse betroffen:374  Geheimes Know-how jeder Art, insbesondere bezüglich Technik und Marketing, Geschäfts- und Vertragsbeziehungen mit Kunden, Zulieferern und Abnehmern einschließlich Kalkulation und Konditionengestaltung,  Finanzsituation sowie Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens,  Unternehmensstrategie einschließlich Entwicklungen neuer Produkte und Dienstleistungen sowie geplanter Umstrukturierungen und Akquisitionen.

Die Kenntnis dieser Informationen verschafft dem Wettbewerber einen nennenswerten Wettbewerbsvorsprung. Sie dürfen deshalb einem Wettbewerber nicht ohne weiteres mitgeteilt werden. Dabei sind auch Unterlagen von der Weitergabe auszunehmen, aus denen sich diese Informationen eventuell indirekt ergeben.375 Beispiel: In den Beschlussvorlagen für Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen und ihrer Protokolle sind oftmals viele wettbewerbsrelevante Informationen enthalten.

Dagegen sind unter Konkurrenzgesichtspunkten unschädlich und damit keine wettbewerbsrelevante Informationen, wenn aus dem Bekanntwerden von Informationen zwar im Einzelfall nachteilige Auswirkungen drohen, denen aber durch geeignete Geheimhaltungsvereinbarungen begegnet werden kann.376 Das betrifft Informationen, die einem Mitbewerber in Anbetracht ihrer Abstraktheit und / oder Marktferne typischerweise keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen:377  Organisatorische Fragen wie beispielsweise betriebliche Gliederung, Geschäftsordnungen und Untergliederung von Gesellschaftsorganen,  Arbeitsrechtliche Fragen wie zum Beispiel Geltung von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen, Existenz und Ausgestaltung betrieblicher Altersvorsorgungen, Häufigkeit von Streiks,  anhängige Gerichts- und Verwaltungsverfahren,  Genehmigungs- und umweltrechtliche Fragen,

Darauf weist zutreffend Götze, ZGR 1999, 202 (214 Fn 51) zur GmbH hin. Götze, ZGR 1999, 202 (215) zur GmbH. 374 Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (538); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178); Götze, ZGR 1999, 202 (215) zur GmbH. 375 Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (538 f.); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178); Götze, ZGR 1999, 202 (215) zur GmbH. 376 So zutreffend Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (538); Bremer, GmbHR 2000, 176 (178); Götze, ZGR 1999, 202 (215) zur GmbH. 377 Götze, ZGR 1999, 202 (215) zur GmbH. 372 373

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

 Art und Umfang des Versicherungsschutzes,  Art der verwendeten Hard- und Software (soweit nicht gerade hier im Einzelfall ein spezifisches Geheimhaltungsbedürfnis besteht).

Die vorstehende Auflistung typischer wettbewerbsrelevanter und nicht wettbewerbsrelevanter Informationen kann keine Allgemeingültigkeit haben. Es gibt viel zu unterschiedliche Arten von Unternehmen und Informationen. Die Wettbewerbsrelevanz hängt auch von der Verwertbarkeit für den konkreten Informationsempfänger ab. Die obige Auflistung kann und soll aus diesen Gründen nicht mehr als einen Anhaltspunkt für die notgedrungen einzelfallbezogene Konkretisierung des Begriffs der wettbewerbsrelevanten Informationen und ihrer Behandlung durch den Vorstand während einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen geben. (b) Einschaltung eines neutralen Dritten Im Rahmen der Erforderlichkeit wurde dargelegt, dass die Einschaltung eines neutralen Dritten für die Due Diligence das Interesse der Zielgesellschaft an einer M&A-Transaktion in erheblichem Maße beeinträchtigt, da an einer dahingehenden Forderung eine Transaktion zu scheitern droht.378 Infolgedessen ist diese Risikobegrenzungmaßnahme nicht bei jeder Due Diligence zu ergreifen. Es stellt sich aber die Frage, ob nicht zumindest gegenüber Wettbewerbern ein neutraler Dritter zur Durchführung der Due Diligence eingeschaltet werden muss. In der Regel wird dem Geheimhaltungsinteresse jedoch durch das Zurückhalten wettbewerbsrelevanter Daten hinreichend Rechnung getragen, ohne dass dadurch das Interesse der Zielgesellschaft am Zustandekommen der M&A-Transaktion empfindlich beeinträchtigt wird. Dementsprechend ist der Vorstand nur dann zur Einschaltung eines neutralen Dritten für die Due Diligence verpflichtet, wenn die Risiken andernfalls unzumutbar wären. Der Vorstand müsste die konkrete Befürchtung haben, dass andernfalls trotz aller Risikobegrenzungsmaßnahmen Schaden für seine Gesellschaft entstehen kann. Nur in diesen Ausnahmefällen kann der Vorstand die Einschaltung eines neutralen Dritten verpflichtet sein, wenn er eine Due Diligence nicht ganz abzulehnen gedenkt. Anders sieht es aus, wenn ein neutraler Dritter nicht für die gesamte Due Diligence zwischengeschaltet wird, sondern lediglich zur Verifizierung einzelner Informationen.379 Es wurde bereits dargelegt, dass es wettbewerbsrelevante Informationen geben kann, die angesichts eines überragenden Geheimhaltungsinteresses der Gesellschaft allenfalls gegenüber einem neutralen Dritten offengelegt werden dürfen.380 378 379 380

Vgl. Seite 125 ff. Dahingehend Krömker, Due Diligence, S. 53 f. Vgl. Seite 132.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Beispiel:381 Die Zielgesellschaft ist ein „Start Up“ mit einem einzigen marktreifen Produkt. Der Schutz des Produkts soll durch Patentanmeldungen erfolgen. Die Anmeldeverfahren laufen noch; das Patent wurde noch nicht eingetragen. In diesem Fall wäre das Risiko unvertretbar, im Zuge von Verhandlungen über ein Joint Venture oder eine Übernahme einem Wettbewerber Einblick in die Patentanmeldungen nehmen zu lassen. Auf der anderen Seite wird sich kein Investor oder Kaufinteressent finden lassen, der eine Transaktion mit dieser Gesellschaft tätigt, ohne vorher sicherzugehen, dass die Patentanmeldungen ordnungsgemäß erfolgt sind. In einer derartigen Konstellation wäre die Einschaltung eines neutralen Dritten (vorliegend ein Patentrechtsanwalt) für die Verifizierung dieser besonderen Information die Lösung, die Geheimhaltungsinteresse und Offenlegungsinteresse im Wege der praktischen Konkordanz am besten miteinander in Einklang bringt.

bb) Nichtgestattung einer Due Diligence Der Vorstand einer Zielgesellschaft muss die Gewährung einer Due Diligence verweigern, wenn die Risiken für das Zielunternehmen außer Verhältnis zu dem Interesse seiner Gesellschaft an der M&A-Transaktion stehen. Die entscheidende Frage ist, unter welchen Voraussetzungen von einer derartigen Unverhältnismäßigkeit von Risiko und Interesse auszugehen ist. Bei dieser finalen Abwägung zwischen dem Gesellschaftsinteresse an der M&A-Transaktion auf der einen Seite und den Risiken einer Due Diligence auf der anderen Seite, kann das Geheimhaltungsinteresse der Zielgesellschaft keine dominante Rolle mehr spielen. Dem Geheimhaltungsinteresse kann der Vorstand durch die bereits angesprochenen Risikobegrenzungsmaßnahmen angemessen Rechnung tragen. Insbesondere mit den Einschränkungen hinsichtlich wettbewerbsrelevanter Informationen und der Möglichkeit zur Einschaltung neutraler Prüfer kann der Vorstand einer Zielgesellschaft die Risiken aufgrund einer Due Diligence auch in kritischen Konstellationen minimieren. Ausschlaggebend für die Entscheidung, ob eine Due Diligence abzulehnen ist, muss mithin das Unternehmensinteresse an der Transaktion sein. Entscheidend ist dabei der Grad des wirtschaftlichen Eigeninteresses der Zielgesellschaft an der konkreten M&A-Transaktion. Dieses wirtschaftliche Eigeninteresse kann je nach Transaktionsart sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, da die Zwecke und rechtlichen Durchführungstechniken sehr verschieden sind.382 Gleichwohl wird nachfolgend der Versuch unternommen, einheitliche Kriterien für die Ermittlung des Gesellschaftsinteresses der Zielgesellschaft an einer Due Diligence herauszuarbeiten, die auf alle M&A-Transaktionen angewandt werden können.

381 382

Beispiel nach Krömker, Due Diligence, S. 53. Zu den einzelnen M&A-Transaktionen: vgl. Seite 29 ff.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

(1) M&A-Transaktionen mit Beteiligung der Zielgesellschaft Erheblichen Einfluss auf die Abwägung des Vorstands hat die Frage der Beteiligung seiner Gesellschaft an der betreffenden Transaktion. Das Unternehmensinteresse kann bei M&A-Transaktionen, an denen die Zielgesellschaft direkt als Vertragspartner beteiligt ist, aufgrund des unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses der Gesellschaft einfacher ermittelt werden. Ferner werfen diese M&A-Transaktionen besondere Probleme hinsichtlich des Pflichtenkreises des Vorstands einer Zielgesellschaft auf, wenn es um die Gestattung einer Due Diligence geht: (a) Besondere Probleme der Due Diligence Wenn der Vorstand aufgrund besonderer gesetzlicher Pflichten gehalten wäre, eine Due Diligence zu gestatten, bliebe dies nicht ohne Einfluss auf seine aktienrechtlichen Befugnisse in dieser Frage. Ist seine Gesellschaft als Vertragspartner an der M&A-Transaktion beteiligt, könnte eine dahingehende Verpflichtung des Vorstands aufgrund eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses erwachsen. Ferner könnte in einigen Konstellationen eine Vorstandspflicht bestehen, eine wechselseitige Due Diligence zu ermöglichen. (aa) Vorvertragliche Pflicht zur Due Diligence, § 242 BGB Man könnte überlegen, ob der Vorstand eine vorvertragliche Informationspflicht hat, dem Verhandlungspartner eine Due Diligence zu gewähren. Ist die Zielgesellschaft als Verhandlungspartner an einer M&A-Transaktion beteiligt, so besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB gegenüber dem Geschäftspartner, der um eine Due Diligence ersucht.383 Es ist anerkannt, dass es Aufklärungspflichten gegenüber dem Verhandlungspartner in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis gibt. Eine Aufklärungspflicht besteht nach der Rechtsprechung, sobald das Verschweigen von Tatsachen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstieße (§ 242 BGB). Dies wird insbesondere angenommen bei Umständen, die den Vertragszweck der anderen Seite gefährden und für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind.384 Umfangreiche Rechtsprechung gibt es zu den vorvertraglichen Informationspflichten beim Unternehmenskauf. Bei einem Unternehmenskauf zeigte sich die bisherige Rechtsprechung gegenüber der Annahme von Aufklärungspflichten zurückhaltend, da entscheidend auf die Sachkunde der Vertragsparteien abgestellt wurde.385 Der BGH hat allerdings in seiner neuesten Rechtsprechung386 Vgl. Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn 846. Vgl. zuletzt BGH WM 2002, 446 (448). BGH, ZIP 2001, 918 (920). 385 BGH, NJW 1986, 918 (919). Insbesondere musste der Verkäufer nicht auf Umstände hinweisen, von denen er annehmen durfte, dass ihn der Käufer danach fragen werde; BGH, 383 384

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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dem Verkäufer eines Unternehmens eine gesteigerte Aufklärungspflicht auferlegt und an seine hierbei anzuwendende Sorgfalt einen strengeren Maßstab angelegt.387 Dieser Rechtsprechung ist in der Literatur zugestimmt worden.388 Die Reichweite der gesteigerten Aufklärungspflicht und des strengeren Sorgfaltsmaßstabs ist vom BGH offen gelassen worden und Gegenstand unterschiedlichster Interpretationen. Die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung zum Unternehmenskauf auf andere M&A-Transaktionen ist ebenfalls ungeklärt. Einige Stimmen im Schrifttum sind der Auffassung, dass sich zumindest nichts Wesentliches geändert habe.389 Andere sind demgegenüber der Ansicht, dass nunmehr sogar Aufklärung über alle wertbildenden Faktoren geschuldet sein könnte.390 Nicht wenige folgern daraus, dass der Unternehmensverkäufer gerade und nur noch mit der Gestattung einer Due Diligence seine Informationspflichten erfüllen könne.391 DB 1970, 42; BGH, NJW 1989, 763 (764). Nicht einmal der Unternehmenswert als solcher unterlag einer Aufklärungspflicht, selbst wenn er erheblich unter dem geforderten Preis lag. Insoweit half erst ein auffälliges Missverhältnis im Sinne von § 138 BGB; BGH, NJW 1992, 899 (900); BGH, WM 1974, 312. Auch für Einzelheiten des Umsatzes bestand keine Aufklärungspflicht; BGH, NJW 1989, 763. Aufklärungspflichten konnten sich nur auf einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter beziehen. Aufzuklären war z. B. über etwaige Hinderungsgründe, die einer Fortsetzung der Produktion des verkauften Unternehmens entgegenstehen. Auch die Aufklärungspflicht über Eigenschaften wichtiger Mitarbeiter wurde für möglich gehalten, BGH, NJW 1991, 1223 f. Ferner hat der BGH eine Pflicht zur Mitteilung der bisherigen Umsätze angenommen, sofern der Käufer seinen Kaufabschluss von einer bestimmten Umsatzhöhe abhängig machte. Der Verkäufer musste zudem aufklären, falls die Umsätze anhaltend enttäuschend niedrig waren, BGH, NJW 1970, 653 (655). Vgl. Fleischer, BB 2001, 841 (843); Stengel / Scholderer, NJW 1994, 158 (161 ff.). 386 BGH, ZIP 2001, 918 (920). Bestätigt in BGH WM 2002, 446 (448). Der BGH hat diese Verschärfung der Aufklärungspflicht zu Recht mit der erschwerten Bewertbarkeit des Kaufobjekts durch einen außenstehenden Interessenten begründet. Der Kaufinteressent kann sich ein zutreffendes Bild von den wertbildenden Faktoren des Unternehmens primär anhand interner Informationsquellen machen. Die erschwerte Bewertung des Kaufobjekts werde auch nicht immer durch vorhandene Sachkunde des Käufers ausgeglichen. Diese Abhängigkeit von Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm mitgeteilten Informationen vor allem zur Umsatz- und Ertragslage sowie die weitreichenden wirtschaftlichen Folgen bei der Kaufentscheidung würden es rechtfertigen, dem Verkäufer eine gesteigerte Aufklärungspflicht aufzuerlegen und an seine hierbei anzuwendende Sorgfalt einen strengeren Maßstab anzulegen. 387 BGH, ZIP 2001, 918 (920). Vgl. auch BGH WM 2002, 446 (448 f.). 388 Louven, BB 2001, 2390 f.; Wagner, NZG 2001, 844 f.; Vogt, DStR 2001, 2027 (2029). Zustimmend auch: Bärwaldt, GmbHR 2001, 519 (520); Meyer-Sparenberg, NZG 2001, 753 f.; Thiessen, DStR 2001, 1578 f. 389 Dahingehend insbesondere Bärwaldt, GmbHR 2001, 519 (520) in Anlehnung an Erich Maria Remarque („Im Westen nichts Neues“): „In Karlsruhe nichts Neues“. Ähnliche Einschätzungen von Meyer-Sparenberg, NZG 2001, 753 (754) und Thiessen, DStR 2001, 1578 f. 390 Dahingehend Louven, BB 2001, 2390 (2391); Wagner, NZG 2001, 844 (845); Vogt, DStR 2001, 2027 (2029). 391 Dahingehend wohl Vogt, DStR 2001, 2027 (2029). Offengelassen bei Wagner, NZG 2001, 844 (845); Bärwaldt, GmbHR 2001, 519 (520) zur GmbH.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Es ist allerdings fraglich, ob sich aus der neuen Rechtsprechung eine Verpflichtung zur Due Diligence herleiten lässt. Im vom BGH entschiedenen Fall wurde eine drohende Überschuldung verschwiegen, die auch nach der bisherigen Rechtsprechung aufklärungspflichtig gewesen wäre. Der mithin obiter dictum erfolgte Hinweis auf die gesteigerte Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht könnte zwar auf zukünftig erhöhten Anforderungen hinweisen. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass beim Unternehmenskauf über alle wertbildenden Faktoren im Wege einer Due Diligence aufzuklären ist. Bei einem komplexen Kaufgegenstand wie einem Unternehmen gibt es zahlreiche wertbildende Faktoren.392 Eine dahingehende Aufklärungspflicht wäre sehr weitgehend, wurde aber auch vom BGH überhaupt nicht gefordert. Der BGH stellt seinen Ausführungen nach wie vor den Grundsatz voran, dass eine Aufklärungspflicht nur hinsichtlich solcher Umstände besteht, die den Vertragszweck der anderen Vertragspartei vereiteln können und daher für deren Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er diese Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte.393 Umstände, die den Vertragszweck nicht nur beeinträchtigen, sondern sogar vereiteln können, sind aber hauptsächlich „Umstände, welche die Überlebensfähigkeit des Unternehmens ernsthaft gefährden“394 und nicht schon alle wertbildenden Faktoren. Wertbildende Faktoren gibt es bei einem Unternehmen ausgesprochen viele, aber nur die wenigsten sind für den Entschluss des Käufers von „wesentlicher Bedeutung“. Nur hinsichtlich der Umstände von wesentlicher Bedeutung kann der Käufer eine Mitteilung „nach der Verkehrsauffassung“ erwarten. Die Due Diligence ist zwar mittlerweile sehr verbreitet, gleichwohl kann die Gestattung einer Due Diligence nach der Verkehrsauffassung nicht erwartet werden. Richtigerweise stellt selbst eine überwiegend befolgte Praxis noch keine Verkehrssitte dar, wenn auf sie noch häufig verzichtet wird.395 Dagegen spricht auch, dass die Zulässigkeit einer Due Diligence bei Aktiengesellschaften heftig umstritten ist. Der Annahme einer Verkehrssitte steht im Übrigen auch entgegen, dass die Frage, ob und in welchem Umfang eine Due Diligence durchgeführt wird, nicht selten Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen den Verhandlungspartnern einer M&A-Transaktion ist.396 Folglich ist davon auszugehen, dass der BGH eine gesteigerte Aufklärungspflicht beim Unternehmenskauf annimmt. Diese Aufklärungspflichten verpflichten jedoch den Vorstand eines Zielunternehmens nicht zur Gestattung einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen, an denen seine Gesellschaft beteiligt ist.397 392 Beispiel bei Louven, BB 2001, 2390 (2391): Schon wenn beispielsweise in der Vergangenheit für vermeintlich freie Mitarbeiter keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, die nach der nächsten Außenprüfung nachgezahlt werden müssten, so beeinflusst dies den Ertrag des Unternehmens und wäre ein wertbildender Faktor. 393 BGH WM 2002, 446 (448); BGH, ZIP 2001, 918 (920). 394 BGH, ZIP 2001, 918 (920). 395 Fleischer, BB 2001, 841 (846); Werner, ZIP 2000, 989 (990). Kritisch gegenüber der Annahme einer Verkehrssite auch Merkt, FS Sandrock, S. 657 (672). 396 Werner, ZIP 2000, 989 (990). 397 Vgl. Wagner, DStR 2002, 1400 ff.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Diese Grundsätze wurden von der Rechtsprechung zum Unternehmenskauf aufgestellt. Die Aufklärungspflichten bei anderen M&A-Transaktionen können nicht nach anderen Maßstäben beurteilt werden, denn die entscheidenden Argumente lassen sich übertragen. Die erschwerte Bewertung von Unternehmen, die Abhängigkeit des Vertragspartners von der Vollständigkeit und der Richtigkeit der erteilten Informationen sowie die weitreichenden wirtschaftlichen Folgen rechtfertigen es zwar, bei allen M&A-Transaktionen eine gesteigerte Aufklärungspflicht anzunehmen. Es besteht dennoch keine allgemeine Verpflichtung des Vorstands, eine Due Diligence zu gewähren. Sonderfall: Fusion Lediglich bei Verhandlungen über ein „Business Combination Agreement“ („BCA“) im Vorfeld einer Fusion liegt es nahe, die Aufklärungspflichten noch weitgehender zu fassen.398 Es geht in einem solchen Falle nicht mehr um ein Austauschgeschäft mit Aufklärungspflichten nach allgemeinen Regeln. Bei einer Fusion unter Gleichen („Merger of Equals“) geht es vielmehr um eine gesellschaftsrechtliche Transaktion mit weitergehenden Mitwirkungs- und Treuepflichten. Der Fusionspartner kann damit rechnen, dass der Vorstand seine besonderen Kenntnisse über das Unternehmen für das Gelingen der Fusion nutzbar macht und Probleme zur gemeinsamen Bewältigung offenlegt. Gerade im Hinblick auf die Bestimmung des Umtauschverhältnisses verlässt sich die Gegenseite darauf, dass keine verborgenen Risiken verschwiegen werden. Schließlich arbeiten die Verhandlungspartner nach der Durchführung der Fusion zusammen und können deshalb voneinander Mitverantwortung für das neue fusionierte Unternehmen und deren Aktionäre erwarten. Dennoch ist der Vorstand deshalb nicht verpflichtet, eine Due Diligence zu gestatten. Wenn der Vorstand über bestimmte Sachverhalte keine Auskunft geben möchte, kann ebensogut ein ausdrücklicher Hinweis erfolgen, der insoweit das vorvertragliche Vertrauen des Fusionspartners entfallen lässt und die Haftung der Gesellschaft ausschließt.399 Eine Pflicht gegenüber dem Fusionspartner, eine Due Diligence zu gewähren, besteht mithin nicht.400 Auch aus den vorvertraglichen Informationspflichten kann sich somit keine zwingendes Argument für die aktienrechtlichen Befugnisse des Vorstands ergeben.401

398 Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1386); Kallmeyer / Marsch-Barner, § 8 Rn 29. Mit Einschränkungen: Semler / Stengel / Gehling, UmwG, § 8 Rn 64. 399 Semler / Stengel / Gehling, UmwG, § 8 Rn 64 a.E. Bei Verschmelzungen wären die Ansprüche aus c.i.c. bei Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten ohnehin wertlos, weil ein Schadensersatzanspruch mit Eintragung durch Konfusion untergeht, da dann entweder Anspruchsinhaber oder -schuldner gemäß § 20 Abs. 1 UmwG erlöschen. Vgl. Semler / Stengel / Gehling, UmwG, § 5 Rn 90. 400 Wenn eine Fusion aus diesem Grund zu scheitern droht, kann der Vorstand allenfalls gegenüber seiner Gesellschaft zur Gewährung einer Due Diligence verpflichtet sein: vgl. Seite 140. 401 Im Übrigen könnte sich der Vorstand dieser Verpflichtung durch Abbruch der Vertragsverhandlungen entziehen. Ein Schadensersatzanspruch resultiert nur in engen Ausnahmefällen: vgl. Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 7. Vgl. Seite 242.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

(bb) Pflichten bei wechselseitiger Due Diligence, § 93 Abs. 1 AktG In Rechtsprechung402 und Literatur403 wird richtigerweise davon ausgegangen, dass es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Kapitalgesellschaft 404 erfordert, vor M&A-Transaktionen eine Due Diligence durchzuführen, wenn dies durch den Verhandlungspartner ermöglicht wird (vgl. Exkurs nächste Seite). Bei seiner Entscheidung über die Gewährung einer Due Diligence ist es für den Vorstand der Zielgesellschaft zwar grundsätzlich irrelevant, ob die Gegenseite zur Durchführung einer Due Diligence verpflichtet ist. Sein Pflichtenkreis ist vom Pflichtenkreis der Gegenseite unabhängig zu bestimmen. Diese Rechtslage ändert sich allerdings, wenn der Vorstand seinerseits Anlass hat, das Unternehmen der Gegenseite zu prüfen. Dies betrifft Fusionen, bei denen der Vorstand gehalten ist, das Unternehmen des Fusionspartners einer Überprüfung zu unterziehen. Dieselbe Situation kann sich bei Joint Ventures ergeben, wenn der Joint Venture-Partner nicht nur Kapital, sondern andere Vermögenswerte einbringt. Wenn der Käufer beim Asset Deal Aktien als Akquisitionswährung verwendet, ist es ebenfalls für den Vorstand angezeigt, die Werthaltigkeit dieser Gegenleistung zu überprüfen. Bei diesen M&A-Transaktionen, in denen die Gegenleistung der Gegenseite Teile ihres Unternehmens betrifft, stellt sich demnach die Frage nach einer Pflicht zur Durchführung einer Due Diligence auch aus der Perspektive des Vorstands der Zielgesellschaft. Der Vorstand wird bei diesen M&A-Transaktionen nur selten in der Lage sein, eine Due Diligence beim Verhandlungspartner durchzusetzen, wenn er nicht seinerseits eine wechselseitige Due Diligence zugesteht. In dieser Situation hat der Vorstand nur die Alternativen, die Transaktion abzubrechen oder aber sich auf die Forderung der Gegenseite einzulassen. Der Vorstand ist aufgrund seiner Pflicht zum Handeln aufgrund „angemessener Information“ aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG405 gegenüber seiner Gesellschaft verpflichtet eine Due Diligence zu gewähren, wenn er andernfalls keine eigene Due Diligence erlangen kann und die Transaktion nicht abbrechen möchte.

402 LG Frankfurt, WM 1998, 1181 (1185); LG Hannover, AG 1977, 198 (200), das damals allerdings noch nicht den Begriff „Due Diligence“ verwandte. 403 Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (368 Fn 27); Werner, ZIP 2000, 989 (990 ff.); Kiethe, NZG 1999, 976 (981 ff.), Jaletzke, FS Döser, S. 199 (220). Offen gelassen von Mutschler / Mersmann, DB 2003, 79 (81). Sehr heftig bei der „Pixelpark AG“ diskutiert, deren Vorstand Unternehmen von Bekannten ohne vorherige Due Diligence kaufte: vgl. F.A.Z. v. 14. 01. 2001, S. 14. 404 § 93 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG. In Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) gemäß § 105 Abs. 3 HGB, § 708 BGB nur die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (§ 277 BGB, diligentia quam in suis). 405 Eingefügt durch das „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG). Vgl. Roth, BB 2004, 106.

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Exkurs: Due Diligence und Sorgfaltspflicht bei M&A-Transaktionen Die Geschäftsleitung einer Gesellschaft hat einen unternehmerischen Entscheidungsspielraum. Sie darf daher bei M&A-Transaktionen Risiken in Kauf nehmen. Gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG liegt allerdings eine Pflichtverletzung vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage „angemessener Information“ zu handeln.406 Gibt es keine gesicherten Informationen über Wert und Risiken eines Unternehmens, besteht die Gefahr, dass die Unternehmenstransaktion fehlschlägt. Eine Due Diligence kann das Risiko des Fehlschlagens einer Transaktion erheblich vermindern, weil sie diese Erkenntnisse zu vermitteln vermag. Aber auch wenn man die Durchführung einer Due Diligence als Anforderung der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie versteht407, kann dies nicht ohne Auswirkungen für die rechtlichen Sorgfaltspflichten eines Entscheidungsträgers und die Bestimmung „angemessener Information“ bei M&A-Transaktionen bleiben.408 Aus diesen Gründen erfordert die Sorgfaltspflicht grundsätzlich die Durchführung einer Due Diligence vor M&A-Transaktionen.409 Diese Sorgfaltspflicht zur Durchführung einer Due Diligence besteht allerdings nur in den Grenzen des rechtlich und tatsächlich Möglichen. Wenn eine Prüfung durch die Zielgesellschaft verweigert wird, ist es nicht zwingend geboten, von der Transaktion Abstand zu nehmen.410 Es kann schließlich gerade unter Wettbewerbern legitime Motive für die Ablehnung einer Due Diligence geben.411 Gleichwohl besteht dann Grund zu besonderer Vorsicht, da Vertragsgestaltung keine gleichwertige Sicherheit bieten kann.412 Die Sorgfaltspflicht zur Durchführung einer Due Diligence ist außerdem eingeschränkt, wenn sie aus Zeitmangel nur in eingeschränktem Umfang möglich ist.413 Dann beschränkt sich die Sorgfaltspflicht auf eine sachgerechte Auswahl der für die Risikoermittlung und die Unternehmensbewertung wesentlichen Punkte.414 In einer Aktiengesellschaft hat ein Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht einen Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG zur Folge.415 Bei einigen M&A-Transaktionen kann sich eine Haftung aus Sondergesetzen ergeben (§ 25 Abs. 1 UmwG bei der Verschmelzung; § 44 Abs. 1 BörsG beim Börsengang; § 255 Abs. 2 AktG analog bei der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage416). 406 Eingehend zum neu eingefügten § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und seinen Auswirkungen auf die Due Diligence: Böttcher, Verpflichtung zur Due Diligence, S. 253 ff. 407 Vgl. Seite 38 ff. Kritisch zur Übertragbarkeit betriebswirtschaftlicher Anforderungen auf § 93 Abs. 1 AktG: v. Werder, ZfB 1997, 901 ff. 408 Letztlich kann auch mit der Wertung des § 91 Abs. 2 AktG eine Pflicht zur Due Diligence begründet werden. Dahingehend Scott, Due Diligence, S. 34. 409 LG Frankfurt, WM 1998, 1181 (1185); LG Hannover, AG 1977, 198 (200); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (368 Fn 27); Werner, ZIP 2000, 989 (990 ff.); Kiethe, NZG 1999, 976 (981 ff.), Jaletzke, FS Döser, S. 199 (220). Umfassend zu diesem Thema: Böttcher, Verpflichtung zur Due Diligence. 410 Dahingehend aber Kiethe, NZG 1999, 976 (983). 411 Werner, ZIP 2000, 989 (993). Vgl. Seite 129 ff. 412 Werner, ZIP 2000, 989 (993); Jaletzke, FS Döser, S. 199 (220). 413 Zeitmangel besteht insbesondere für den „Weißen Ritter“ bei Öffentlichen Übernahmeangeboten: vgl. Jander / McDermott, RIW 1990, 957 (959). 414 Mutschler / Mersmann, DB 2003, 79 (81); Werner, ZIP 2000, 989 (994, 996). 415 Die Geschäftsführung einer GmbH haftet aus § 43 Abs. 2 GmbHG. So auch zutreffend Baumbach / Hueck / Zöllner, GmbHG, § 43 Rn 18. Die Haftung des Geschäftsführers von Personenhandelsgesellschaften ist noch ungeklärt.

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(b) Konkretisierung des Unternehmensinteresses Wenn der Vorstand nicht verpflichtet ist, eine Due Diligence zu ermöglichen, muss er das Unternehmensinteresse im Einzelfall bestimmen. An einer M&ATransaktion, an der sie direkt beteiligt ist, hat die Gesellschaft ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse, da aus dem Geschäft Rechte und Pflichten der Gesellschaft resultieren. Das Interesse der Zielgesellschaft an einer Due Diligence ist somit vergleichsweise einfach zu ermitteln. Entscheidend ist, ob die Transaktion wirtschaftlich vorteilhaft für das Unternehmen ist. Ist dies nach Einschätzung des Vorstands der Fall, der hierbei einen unternehmerischen Entscheidungsspielraum hat, kann eine Due Diligence zur Unterstützung dieser M&A-Transaktion gewährt werden. Nachfolgend wird dieses wirtschaftliche Eigeninteresse der Zielgesellschaft bei Fusionen, Asset Deals, Beteiligungsverträgen, Joint Ventures und Börsengängen eingehender betrachtet: (aa) Fusion Selbst wenn der Vorstand einen Verhandlungspartner hat, der aufgrund des wirtschaftlichen Kräfteverhältnisses nicht auf einer eigenen Due Diligence besteht417, gibt es dennoch legitime wirtschaftliche und juristische Gründe, eine Due Diligence zu gestatten. Nur eine genaue Analyse der wirtschaftlichen Gegebenheiten kann Aufschluss darüber geben, ob es zu den gewünschten Synergieeffekten zwischen den Unternehmen kommen kann. Eine wechselseitige Due Diligence hilft bei der Erstellung des „Business Combination Agreements“418 („BCA“), in dem entweder die Gesellschaften und / oder die (Haupt-) Gesellschafter im Vorfeld der Fusion schuldrechtlich vereinbaren, die erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen zur Zusammenführung vorzunehmen. Unabhängig von der konkreten Transaktionsstruktur muss ein angemessenes Umtauschverhältnis gefunden werden.419 Bei einer Verschmelzung420 ergibt sich dieses Erfordernis aus den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (§§ 14, 15, 29, 34 UmwG), bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage421 aus § 183 Abs. 3 S. 3 AktG bzw. aus § 205 Abs. 3 S. 3 AktG und beim Öffentliches Umtauschangebot422 aus § 31 Abs. 1 WpÜG sowie § 3 WpÜG-AngebVO. Vgl. BGHZ 135, 133 (141); Decher, FS Lutter, S. 1209 (1213 f.). Vgl. Seite 140. 418 Leuering, Der Syndikus 2001, 45 (47); Decher, FS Lutter, S. 1209 ff.; Horn, ZIP 2000, 473 (479). Zu Business Combination Agreements: Aha, BB 2001, 2225 ff.; Horn, FS Lutter, S. 1113 (1123 ff.). 419 Zur Due Diligence bei Fusionen Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1384 ff.). Zu den Fusionsmodellen: Martens, FS Peltzer, S. 279 ff.; Leuering, Der Syndikus 2001, 45 (46 f.); Horn, FS Lutter, S. 1113 (1116 ff.); Decher, FS Lutter, S. 1209 (1211 ff.); Horn, ZIP 2000, 473 (475 ff.). Vgl. Seite 31. 420 Eingehend dazu Kallmeyer, DB 2002, 568 ff.; Picot / Temme, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil VII Rn 267 ff.; Teil X Rn 1 ff. 421 Eingehend dazu Aha, BB 2001, 2225 ff.; Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil VII Rn 174 ff., 267 ff. 422 Eingehend dazu (allerdings vor Erlass des WpÜG): Decher, FS Lutter, S. 1209 (1214 f.); Horn, ZIP 2000, 473 (478 f.). 416 417

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Ohne ausreichende Informationsgrundlage kann eine angemessene Festsetzung des Umtauschverhältnisses der Aktien nur sehr schwer erfolgen.423 Darüber hinaus kann sich bei einer Verschmelzung der Vorstand des übertragenden Rechtsträgers gemäß § 25 Abs. 1 UmwG schadensersatzpflichtig machen, falls sich das Umtauschverhältnis als unangemessen erweist. Dabei ist ihm der Einwand versagt, dass vom Verschmelzungspartner nur unzureichende Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien, so dass ein Vorstand zur Durchführung einer Due Diligence verpflichtet sein kann.424 Bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage haftet der Fusionspartner im Wege der Differenzhaftung, wenn der Wert seiner Sacheinlage nicht unwesentlich hinter dem geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1 AktG) der dafür ausgegeben Aktien nach Eintragung zurückbleibt.425 Wurde dabei auf genehmigtes Kapital zurückgegriffen,426 haftet der Vorstand für die Angemessenheit des Ausgabekurses analog § 255 Abs. 2 AktG.427 Ist eine Zusammenführung durch ein Öffentliches Umtauschangebot beabsichtigt, haftet der Bieter nach § 12 WpÜG zwar nicht für die Angemessenheit der Gegenleistung,428 aber zumindest für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlage. Soll die Fusion durch eine Verschmelzung hergestellt werden, dient die Due Diligence auch zur Vorbereitung des Verschmelzungsvertrages (§ 5 UmwG) und des Verschmelzungsberichts (§ 8 UmwG). Erfolgt die Zusammenlegung der Gesellschaften im Wege einer ordentlichen Kapitalerhöhung, wird eine Due Diligence nicht nur zur Vorbereitung des Einbringungsvertrags429 und des Kapitalerhöhungsbeschlusses benötigt, sondern auch zur Erstellung des Sacheinlageberichts (§§ 183 Abs. 3, 184 Abs. 1 S. 2 AktG)430. Die Due Diligence erleichtert außerdem die Ausarbeitung der Angebotsunterlage (§ 11 WpÜG) bei Öffentlichen Umtauschangeboten.431 Im Übrigen ist

423 Mertens, AG 1997, 541 (546). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht: Ossadnik, DB 1997, 885; Heurung, DB 1997, 837. 424 Dahingehend richtigerweise Mertens, AG 1997, 541 (546). Zustimmend: Krömker, Due Diligence, S. 28 f. Diese Rechtsfrage wird allerdings trotz ihrer erheblichen praktischen Relevanz erstaunlicherweise fast gar nicht diskutiert. Vgl. Semler / Stengel / Gehling, UmwG, § 8 Rn 64; Dehmer, UmwG, § 25 Rn 19; Lutter / Grunewald, UmwG, § 25 Rn 10. Vgl. Seite 141. 425 Hüffer, AktG, § 183 Rn 21; Krieger, Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 56 Rn 46. 426 Zu den Vorteilen des genehmigten Kapitals gegenüber einer ordentlichen Kapitalerhöhung: Aha, BB 2001, 2225 (2226); Decher, FS Lutter, S. 1209 (1212). Kritisch dazu: Happ, FS Ulmer, S. 175 ff. 427 BGHZ 135, 133 (141); Decher, FS Lutter, S. 1209 (1213 f.). 428 Die Angemessenheit der Gegenleistung kann aber dennoch erhebliche Diskussionen mit sich bringen wie das Übernahmeangebot von Procter & Gamble Inc. für die „Wella AG“ gezeigt hat. Procter & Gamble bot für die Vorzugsaktien der Wella-Aktionäre mit 65,00 A erheblich weniger als für die Stammaktien (92,25 A). Ob diese Differenzierung durch § 3 Abs. 1 WpÜG gedeckt ist, war Gegenstand kontroverser Debatten. Das OLG Frankfurt (Urt. v. 4. 7. 2003) wies aber eine Aktionärsklage mangels Klagebefugnis als unzulässig ab. Vgl. Hirte, F.A.Z. v. 2. 7. 2003, S. 19. 429 Zum Einbringungsvertrag: Hoffmann-Becking, FS Lutter, S. 453 ff. 430 Der Zeitpunkt der Berichtspflicht bei der Ausübung genehmigten Kapitals ist außerordentlich streitig. Im Überblick: Hüffer, AktG, § 203 Rn 36 ff. Kritisch dazu: Happ, FS Ulmer, S. 175 ff. 431 Semler / Volhard / Thiel, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 31 Rn 98; Geibel / Süßmann / Geibel, WpÜG, § 10 Rn 7.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

bei Fusionen mit wechselseitiger Due Diligence das Risiko geringer, dass der Geschäftspartner die Informationen zum Nachteil der Gesellschaft verwendet, weil der Fusionspartner nicht dasselbe Verhalten provozieren möchte.432

(bb) Unternehmensverkauf durch Asset Deal Anders als bei Beteiligungsverkäufen gibt es beim Asset Deal433 ohne Due Diligence bereits erhebliche Probleme bei der Gestaltung des Unternehmenskaufvertrags, denn der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz erfordert die genaue Festlegung der übergehenden Aktiva und Passiva, die ohne umfassende beiderseitige Kenntnis des Unternehmens kaum erfolgen kann.434 Im Übrigen tritt beim Asset Deal die Zielgesellschaft selbst als Verkäuferin auf. Anders als beim Share Deal oder bloßen Beteiligungsverkauf kann deswegen der Vorstand der Zielgesellschaft alle Argumente für sich beanspruchen, die für eine Due Diligence beim Unternehmenskauf geltend gemacht werden: Nicht selten wird der Vorstand keinen Käufer finden, der auf eine vorherige Due Diligence verzichtet.435 Findet er gleichwohl einen Kaufinteressenten, der auf eine Due Diligence verzichtet, so hat seine Gesellschaft erhebliche Nachteile zu befürchten. Regelmäßig wird der Erwerbsinteressent auf weitgehenden Gewährleistungen und Freistellungen bestehen. Zudem wird er aufgrund der unsicheren Informationsbasis einen Risikoabschlag beim Kaufpreis vornehmen oder aber der Kaufpreis wird mit bestimmten Ertragskenndaten verbunden, die nach dem Erwerb verifiziert werden („Earn-Out-Klausel“).436 Die veräußernde Gesellschaft kann aber an einer weitgehenden Planungsunsicherheit nicht interessiert sein.437 In bestimmten Konstellationen ist der Verkäufer im Übrigen auch grundsätzlich daran gehindert, weitgehende Gewährleistungen und Freistellungen einzugehen. Insbesondere bei Exits von Private Equity-Fonds438 (erfolgt in der Praxis allerdings nur selten durch Asset Deal), bei Privatisierungen439 und bei Unternehmensverkäufen aus der Insolvenz440 Darauf weist richtigerweise Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1386) hin. Zum Asset Deal eingehend: Stiller, BB 2002, 2619 ff. 434 Eingehend dazu: Stiller, BB 2002, 2619 (2621 f.); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 827 ff. 435 Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Götze, ZGR 1999, 202 (203); Mertens, AG 1997, 541 (545); Merkt, WiB 1996, 145 (147). 436 Dies ist allerdings nicht per se schlecht für den Veräußerer. Zum Earn-Out: Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 737 ff. 437 So zutreffend Mertens, AG 1997, 541 (543). 438 Private Equity-Fonds ist dies zumeist aufgrund ihrer internen Fonds-Richtlinien nicht gestattet: vgl. Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 17a. 439 Bei Privatisierungen vermeidet die öffentliche Hand Gewährleistungen, denn der endgültige Zufluss des Kaufpreises in den Haushalt soll sichergestellt werden. Eine Rückabwicklung wäre sogar katastrophal, da es in diesem Fall wegen der negativen öffentlichen Auswirkungen sehr schwierig ist, einen neuen Käufer zu finden, der einen angemessenen Preis bezahlt (z. B. Bankgesellschaft Berlin AG: vgl. Seite 25). Umgekehrt macht der Erwerbsinteressent seinerseits aufgrund der bisherigen Instrumentalisierung des Unternehmens zur Wahrnehmung öffentlicher und politischer Interessen eine Due Diligence oftmals zur Bedingung. Vgl. Lutter, ZIP 1997, 613 (614); Mertens, AG 1997, 541 (542 f., 545). 440 Zum Unternehmenskauf aus der Insolvenz: Kammel, NZI 2000, 102 ff. Zu den Problemen des Unternehmenskaufs vom vorläufigen Insolvenzverwalter: Hoenig / Meyer-Löwy, ZIP 2002, 2162 ff. 432 433

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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findet deshalb ohne Due Diligence eine Unternehmensveräußerung selten statt. Auch aus diesem Grund wird einer veräußerungswilligen Gesellschaft daran gelegen sein, dass der Erwerbsinteressent eine Due Diligence erhält. Wenn die Gegenleistung nicht ausschließlich in Geld, sondern zumindest auch in Anteilen an einer anderen Gesellschaft erfolgen soll, kann der Vorstand aus diesem Gesichtspunkt eine wechselseitige Due Diligence gestatten.441

(cc) Beteiligungsvertrag Auch bei Verhandlungen über einen Beteiligungsvertrag hat die Zielgesellschaft ein beachtliches unternehmerisches Interesse daran, dass Investoren (zumeist Private Equityoder Venture Capital-Fonds)442 eine Due Diligence erhalten. Kein Investor entscheidet über den Einstieg bei einem Unternehmen, bevor er die Zielgesellschaft einer ausführlichen rechtlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Prüfung unterzogen hat.443 Einer kapitalsuchenden Gesellschaft bleibt normalerweise nichts anderes übrig, als den Informationswünschen zu entsprechen. Dies ist weitestgehend unabhängig von der konkreten rechtlichen Strukturierung der Beteiligung.444 Gerade junge Gesellschaften („Start-ups“) haben oftmals gute Geschäftsideen, aber wenig Eigenkapital oder beleihungsfähiges verwertbares Anlagevermögen, das ihnen Zugang zu Fremdkapital ermöglichen würde. In diesen Fällen ist eine Finanzierung durch einen Investor wie beispielsweise einem Private Equity-Fonds oder Venture Capital-Fonds oftmals die einzige Möglichkeit zur Unternehmensexpansion für die Gesellschaft.445 Im Übrigen erleichtert die Due Diligence die Gestaltung von Beteiligungsverträgen.446

(dd) Joint Venture Selbst wenn der Vorstand nicht verpflichtet zur Ermöglichung einer wechselseitigen Due Diligence ist,447 kann die Gestattung einer Due Diligence zur Vorbereitung eines Joint Ventures im Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft sein. Eine Due Diligence hinsichtlich der Vermögensgegenstände, die in das Joint Venture eingebracht werden sollen, hilft sowohl bei der Erstellung des Joint Venture-Vertrags als auch beim Gesellschaftsvertrag.448 Bei Joint Ventures wird zwar nicht selten auf eine Due Diligence im beiderseitigen Einverständnis verzichtet. Die Durchführung einer Due Diligence bis in alle Einzelheiten Vgl. Seite 140 f. Zur Abgrenzung der Begriffe: Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft, S. 365. 443 Weitnauer, Venture Capital, Teil D Rn 152; Pfeifer, BB 1999, 1665 (1669); Leopold, DStR 1999, 470 (473); Mertens, AG 1997, 541 (546). 444 Zur rechtlichen Gestaltung: Mellert, NZG 2003, 1096; Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091; Zetsche, NZG 2002, 942; Pfeifer, BB 1999, 1665 (1667 f.). Vgl. Seite 34. 445 Mertens, AG 1997, 541 (546). Vgl. Pfeifer, BB 1999, 1665 (1667, 1669). 446 Zum Beteiligungsvertrag: Zetsche, NZG 2002, 942 ff.; Zätsch, Der Syndikus 2002, 20 ff.; Weitnauer, NZG 2001, 1065 ff.; Wächter, M&A Review 2001, 150 ff.; Pfeifer, BB 1999, 1665 ff.; Hergeth / Mingau, DStR 2001, 1217 ff. (zur GmbH). 447 Vgl. Seite 140 f. 448 Zu Joint Ventures: Zacher, IStR 1997, 408 ff.; Schäfer / Kahlenberg, WiB 1994, 4 ff., 48 ff.; Döser, Vertragsgestaltung Wirtschaftsrecht, Rn 295 ff. 441 442

10 Liekefett

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kann den Eindruck mangelnden Vertrauens hervorrufen, der in der kooperativen Atmosphäre der Verhandlungen über ein Joint Venture oftmals befremdlich wirkt. Von einigen Seiten wird sie auch als überflüssige Formalität empfunden.449 Da eine spätere gerichtliche Durchsetzung von Gewährleistungen gegenüber Geschäftspartnern Schwierigkeiten bereitet, ist eine Due Diligence zur Streitvermeidung allerdings hilfreich.450 Wenn eine wechselseitige Due Diligence stattfindet, ist auch das Risiko geringer, dass ein Verhandlungspartner die Informationen zum Nachteil des Geschäftspartners verwenden wird.451

(ee) Börsengang Ebenso kann die Gesellschaft beim Börsengang ein erhebliches Interesse daran haben, den Informationswünschen der Konsortialbanken zu entsprechen. Ohne Due Diligence findet sich keine Bank bereit, einen Börsengang zu begleiten,452 denn eine Emissionsbank haftet gemäß §§ 30 Abs. 2 S. 1, 44 Abs. 1 BörsG (ggf. i.V. m. § 13 Abs. 1 VerkProspG) bei Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Börsenzulassungsprospekts. Es ist ungeklärt, ob sie zur Haftungsvermeidung zu einer Due Diligence verpflichtet ist.453 Die Gesellschaft hat zwar die Möglichkeit, sich unmittelbar an die anlagesuchenden Kapitalgeber zu wenden (so genannte „Selbstemission“). Dies ist aber heutzutage die absolute Ausnahme; beim „Secondary Offering“ ist dieses Vorgehen schwierig und beim ersten Börsengang („Initial Public Offering“, „IPO“) sogar undenkbar. Die Platzierung über die Mitwirkung von Kreditinstituten (so genannte „Fremdemission“) ist der Regelfall.454 Die Selbstemission ist ungeeignet, wenn der Emittent Finanzmittel in einem bestimmten Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt. Hierzu muss ein Bankenkonsortium eingeschaltet werden, das die gesamten Aktien zu dem gewünschten Zeitpunkt übernimmt. Des Weiteren verfügen die Banken über engere Kontakte zu Anlegern und Investoren und können aus diesem Grund die Aktien sicherer platzieren. Die Banken haben aufgrund ihrer genaueren Kenntnis des Kapitalmarktes eine viel größere Erfahrung bei Börsengängen. Die Kreditinstitute verfügen auch über geschultes Personal für die Abfassung des Börsenzulassungsprospekts.455 Aus diesen Gründen wird eine Gesellschaft Interesse an einer Fremdemission haben.456 In diesem Fall wird eine Due Diligence auch dazu benötigt, den Übernahmevertrag („Underwriting Agreement“)457 zwischen der Gesellschaft und der Emissionsbank zu gestalten, da weder

Picot, Mergers & Acquisitions, S. 212. So zutreffend Picot, Mergers & Acquisitions, S. 212 f. 451 Für die Fusion: Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1386). Vgl. Seite 140 f. 452 Kiwitz / Melzer, DStR 2001, 42 (46 f.); Wegmann / Koch, DStR 2000, 1027; Winterstett / Paukstadt / Hegmann / Wonnemann, DStR 2000, 1322 (1325). Zum Ablauf eingehend: Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil VIII Rn 9 ff., 39. 453 Für eine Pflicht: Schäfer / Hamann. §§ 45, 46 (a.F.) Rn 104 ff.; Hopt, Verantwortlichkeit Emissionsbanken, Rn 192 ff.; Köndgen, AG 1983, 120 (127). A.A.: Groß, KapitalmarktR, §§ 45, 46 BörsG (a.F.) Rn 49; Schwark, BörsG, §§ 45, 46 (a.F.) Rn 22. Zum Prospekt aus ökonomischer Sicht: Köhler, DBW 2003, 77 ff. 454 Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn 7 f.; Kümpel, KapitalmarktR, Rn 8.62. 455 Kümpel, KapitalmarktR, Rn 8.65 ff. Pflichtinhalt in BörsZulVO geregelt. Zusätzliche Anforderungen in den „Going Public-Grundsätzen“ der Deutsche Börse AG. 456 Kümpel, KapitalmarktR, Rn 8.65 ff. A.A.: Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn 8. 457 Zum Übernahmevertrag: Picot / Land, DB 1999, 570; Technau, AG 1998, 445. 449 450

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das „Bookbuilding“458 noch „Force Majeure“-Klauseln459 den Banken hinreichenden Schutz für alle Platzierungsrisiken bieten. Da auch der Emittent gemäß § 44 Abs. 1 BörsG haftet, soweit Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Börsenzulassungsprospekts bestand (§ 45 Abs. 1 BörsG), kann sogar eine Pflicht des Vorstands zur Due Diligence beim eigenen Unternehmen bestehen.460 Eine Due Diligence empfiehlt auch die Deutsche Börse AG.461

(2) M&A-Transaktionen ohne Beteiligung der Zielgesellschaft Nach den bisherigen Erkenntnissen ist der Vorstand zur Gestattung einer Due Diligence berechtigt, aber nur in Ausnahmefällen verpflichtet, wenn seine Gesellschaft Partei der beabsichtigten M&A-Transaktion sein soll. Sehr problematisch sind demgegenüber Transaktionen, an denen die Aktiengesellschaft nicht beteiligt ist. Dieses Problem besteht beim Share Deal, beim Beteiligungskauf und bei Öffentlichen Teil- und Übernahmeangeboten, da bei diesen Transaktionen lediglich ein Wechsel in der Aktionärsstruktur stattfindet. Dieser Umstand wirft für den Vorstand, der eine Due Diligence gestatten möchte, besondere Probleme auf: (a) Besondere Probleme der Due Diligence Bei M&A-Transaktionen, die lediglich Anteilsverschiebungen von Aktionären zum Gegenstand haben, ergeben sich diffizile und grundsätzliche Fragen. Zum einen könnte einer Due Diligence zum Zwecke des Anteilserwerbs § 71a AktG im Wege stehen. Zum anderen könnte dem Vorstand die Gewährung einer Due Diligence aufgrund der „Neutralitätspflicht“ bereits per se untersagt sein: (aa) Due Diligence und § 71a AktG Die Unterstützung dieser M&A-Transaktionen mit einer Due Diligence wird nicht durch § 71a AktG untersagt, denn diese Vorschrift verbietet lediglich die finanzielle Unterstützung eines Erwerbs von Aktien seiner Gesellschaft.462 § 71a AktG soll – auch ausweislich seiner amtlichen Überschrift („Umgehungsgeschäfte“) – eine Umgehung der Regelungen zum Erwerb eigener Aktien (§ 71 AktG) verhindern und hat insoweit kapitalschützenden Charakter.463 Die Gewährung Zum Bookbuilding: Picot / Land, DB 1999, 570 (573 f.). Zu Force Majeure-Klauseln: Busch, WM 2001, 1277 ff. 460 Groß, KapitalmarktR, §§ 45, 46 BörsG (a.F.) Rn 46; Schwark, BörsG, §§ 45, 46 (a.F.) Rn 21; Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 ff. Zur Prospekthaftung von Vorstandsmitgliedern: LG Frankfurt, ZIP 2003, 400 ff. („EM.TV“). 461 Deutsche Börse AG, Leitfaden für Emittenten, S. 53. 462 Ähnlich Sigle / Zinger, NZG 2003, 301 (306). § 71a AktG beruht auf Art. 23 der 2. EGRichtlinie vom 13. Dezember 1978. Eingehend (mit europäischen Vergleichen): Fleischer, AG 1996, 494 ff. Vgl. Becker, DStR 1998, 1429 ff. 463 Hüffer, AktG, § 71a Rn 1; Fleischer, AG 1996, 494 (495 f.). 458 459

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

einer Due Diligence ist zwar für die Zielgesellschaft mit gewissen Kosten verbunden, hilft dem Kaufinteressenten aber nicht bei der Finanzierung des Aktienerwerbs.464 § 71a AktG verbietet es dem Vorstand allerdings, die Kosten des Kaufinteressenten für die Due Diligence zu übernehmen. In der US-amerikanischen Rechtspraxis ist eine derartige Kostenübernahme nicht unüblich. Dies läuft indes auf eine indirekte Finanzierungshilfe für die Transaktion hinaus, die angesichts der weiten Auslegung von § 71a AktG in Deutschland untersagt sein muss.465 (bb) Due Diligence und „Neutralitätspflicht“ Vor In-Kraft-Treten des WpÜG war im Schrifttum heftig darüber diskutiert worden, ob der Vorstand einer Aktiengesellschaft einer so genannten „Neutralitätspflicht“ unterliegt.466 Von der ganz herrschenden Literaturansicht wurde dies angenommen.467 Wenn der Vorstand einer Aktiengesellschaft verpflichtet wäre, sich bei Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen an seiner Gesellschaft umfassend „neutral“ zu verhalten, würde dies auch eine Unterstützung dieser Transaktionen mit einer Due Diligence betreffen. Eine derartige Annahme würde zu einem weitestgehenden Verbot der Gestattung einer Due Diligence durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft führen.468 Das zum 1. 1. 2002 in Kraft getretene WpÜG hat die Neutralitätspflicht ausdrücklich in § 33 WpÜG kodifiziert. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG gilt aber erst ab der „Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes“.469 In der Praxis findet eine Due Diligence vorher statt und mithin außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs von § 33 WpÜG.470 Dieser formale Aspekt klärt indes noch nicht Probleme gibt es allerdings für den LBO: Lutter / Wahlers, AG 1989, 1 ff. Ähnlich Sigle / Zinger, NZG 2003, 301 (306). Vgl. ZGR-Diskussionsbericht: Heinrich, ZGR 2002, 661 (662 f.). A.A: Banerjea, DB 2003, 1489 (1493). 466 Zur EU-Übernahmerichtlinie eingehender: Kindler / Horstmann, DStR 2004, 866; Krause, BB 2004, 113. 467 Vgl. Seite 68 f. Zur Diskussion: Merkt, ZHR 165 (2001), 224 ff.; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 ff.; Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 ff.; Grunewald, AG 2001, 288 ff.; Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1375 ff.); Krause, AG 2000, 217 ff.; Mülbert, IStR 1999, 83 (87); Michalski, AG 1997, 152 (159 ff.); Hopt, ZGR 1993, 534 (548 ff.). Vgl. BegrRegE zu § 33 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 57. Auch das LG Düsseldorf schien im Verfahren gegen die Werbemaßnahmen der Mannesmann AG während des Übernahmeangebots von Vodafone Plc. von einer Neutralitätspflicht auszugehen: LG Düsseldorf, WM 2000, 528 (530). Zum Verfahren: Riehmer / Schröder, NZG 2000, 820 ff. und Krause, AG 2000, 217 ff. 468 Grunewald, AG 2001, 288 (291). Vgl. Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 13. Dahingehend wohl Ziemons, AG 1999, 492 (495), die daraus die Konsequenz zieht, dass es eines „ungewöhnlichen und überragenden Gesellschaftsinteresses“ bedarf. Vgl. Treeck, FS Fikentscher, S. 435 (452). 469 Bayer, ZGR 2002, 588 (618); Kritisch zum zeitlichen Anwendungsbereich: Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 38, der auf die früher ansetzende Rule 21.1 City Code verweist. Vgl. auch Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (250 ff.). 464 465

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die Ungewissheit, ob auch eine Neutralitätspflicht für zeitlich vorangehende Maßnahmen existiert („Präventive Maßnahmen“). § 33 WpÜG findet ferner aufgrund seiner Stellung im 4. Abschnitt des WpÜG ohnehin nur auf „Übernahmeangebote“ Anwendung, nicht aber auf Teilangebote unterhalb der Kontrollschwelle von 30 % (§ 29 Abs. 2 WpÜG).471 Im Übrigen hilft der Verweis auf den zeitlichen Anwendungsbereich von § 33 WpÜG nicht weiter, wenn der Vorstand einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft über die Gestattung einer Due Diligence zu entscheiden hat, denn auf seine Gesellschaft findet das WpÜG erst gar keine Anwendung (§ 1 WpÜG). Diesen Befund kann man in der Frage zusammenfassen, ob außerhalb des Anwendungsbereichs von § 33 Abs. 1 WpÜG die vor dem Erlass des WpÜG diskutierte aktienrechtliche Neutralitätspflicht wiederauflebt. Die Regierungsbegründung zu § 33 WpÜG scheint dies nicht anzunehmen.472 Richtigerweise dürfte dennoch von einer dahingehenden aktienrechtlichen Pflichtenbindung aus §§ 76, 93 AktG auszugehen sein.473 Den Vorstand hindert die allgemeine Pflicht zur Fremdinteressenwahrung grundsätzlich daran, bewusst Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu nehmen.474 Diese aktienrechtliche Pflichtenbindung des Vorstands wird allerdings durch den kapitalmarktrechtlichen Pflichtenkreis in § 33 Abs. 1 WpÜG überlagert.475 Alle Handlungen, die dem Vorstand in der kritischen Phase eines aktuellen Übernahmeangebots auf eine börsennotierte Aktiengesellschaft erlaubt sind, müssen ihm erst recht außerhalb des Anwendungsbereichs von § 33 WpÜG gestattet sein. Es wäre geradezu widersinnig, den Vorstand im Vorfeld eines Öffentlichen Übernahmeangebots, bei bloßen Teilangeboten oder in privaten Aktiengesellschaften 470 Semler / Volhard / Thiel, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 31 Rn 98; Geibel / Süßmann / Geibel, WpÜG, § 10 Rn 7. Zeitlich gesehen ist die Durchführung einer Due Diligence nach dieser Entscheidung, aber noch vor der Abgabe des Angebotes durchaus noch möglich, denn der Bieter hat nach der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes noch vier Wochen Zeit (§ 14 Abs. 1 S. 1 WpÜG). 471 Steinmeyer / Häger, WpÜG, § 33 Rn 8. A.A.: KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 30 f., der § 33 WpÜG analog auf gewöhnliche Angebote anwenden will. 472 Vgl. BegrRegE zu § 33 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 58. 473 Bayer, ZGR 2002, 588 (618); Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (4); KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 44. Gegen eine aktienrechtliche Neutralitätspflicht allgemein: Hüffer, AktG, § 76 Rn 15d; Kort, FS Lutter, S. 1421 (1432 ff.). 474 Der Vorstand soll als Wahrer fremder Interessen nicht zur Verfolgung eigener Interessen und zum Nachteil der Aktionäre Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nehmen. So die Begründung der Neutralitätspflicht vor Erlass des WpÜG: Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (259); Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 (243 ff.); Hopt, FS Lutter 2000, 1361 (1376); Krause, AG 2000, 217 (218); Mülbert, IStR 1999, 83 (87); Michalski, AG 1997, 152 (159); Hopt, ZGR 1993, 534 (548 ff.). Vgl. BegrRegE zu § 33 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 57. Kritisch zu dieser Ableitung: Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (247 f.). 475 Bayer, ZGR 2002, 588 (618); KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 28; Haarmann / Schüppen / Riehmer / Röh, WpÜG, § 33 Rn 46.

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stärker zu binden als bei Eingreifen der strengen kapitalmarktrechtlichen Regelungen des WpÜG.476 Aus diesem Grund ist zu ergründen, ob dem Vorstand die Gestattung einer Due Diligence durch § 33 WpÜG untersagt wäre, wenn sein zeitlicher und sachlicher Anwendungsbereich eröffnet wäre. Das WpÜG hat sich für eine nur eingeschränkte Neutralitätspflicht in Form eines Vereitelungsverbotes entschieden. § 33 Abs. 1 WpÜG normiert keine strikte Neutralitätspflicht im engeren Sinne. Sie enthält kein „Stillhaltegebot“, so dass den Vorstand keine Pflicht trifft, sich vollkommen neutral zu verhalten.477 Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG darf der Vorstand nur keine Handlungen vornehmen, „durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte“. Die Gewährung einer Due Diligence verstößt mithin nur dann gegen diese Vorschrift, wenn durch eine Due Diligence der Erfolg eines Übernahmeangebots „verhindert“ werden könnte. Dabei ist allein entscheidend, ob diese Handlung des Vorstands objektiv geeignet ist, den Erfolg des Übernahmeangebotes zu verhindern. Nicht maßgeblich ist, ob die in Rede stehende Maßnahme das Angebot tatsächlich verhindert, denn darauf kommt es ausweislich des Wortlauts „geeignet“ und auch der Regierungsbegründung nicht an. Außerdem muss noch nicht einmal eine Verhinderungsabsicht vorliegen.478 Angesichts dieses extrem weiten Tatbestandes könnte die Gewährung einer Due Diligence unter Umständen unter § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG subsumiert werden. Ein Bieter kann infolge einer Due Diligence Erkenntnisse erlangen, die ihn zum Abbruch der Transaktion veranlassen, so dass die Gewährung einer Due Diligence objektive Verhinderungswirkung entfalten kann.479 Mit dieser Argumentation kann man jedoch kein Verbot der Due Diligence begründen. Eine Due Diligence erfolgt auf Wunsch und unter Mitwirkung des Bieters. Der Vorstand wird nicht nur keine Verhinderungsabsicht, sondern im Gegenteil sogar eine Unterstützungsabsicht haben. Selbst wenn man der Gewährung einer Due Diligence objektive Verhinderungswirkung zuschreiben würde, muss zumindest insoweit der viel zu weite Tatbestand von § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG teleologisch reduziert werden. Nach seiner Konzeption soll diese Vorschrift lediglich echte „Abwehrmaßnahmen“ erfassen und keine Unterstützungshandlungen mit potentiellen Vereitelungsreflexen.480

So pointiert Bayer, ZGR 2002, 588 (618). Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 10, 13; Krause, NJW 2002, 705 (711 f.). Vgl. Steinmeyer / Häger, WpÜG, § 33 Rn 3; Winter / Harbath, ZIP 2002, 1 (3 f.). Auch vor Erlass des WpÜG wurde vielfach ein bloßes „Vereitelungsverbot“ anstatt eines „Stillhaltegebots“ angenommen: vgl. Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (260). A.A.: Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (234). 478 BegrRegE zu § 33 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 57. Vgl. KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 55; Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 19. 479 Vgl. Winter / Harbath, ZIP 2002, 1 (3 f.). 480 So ausdrücklich KölnKomm / Versteegen, WpÜG, § 3 Rn 36: „Nicht von § 33 erfasst ist die Frage, ob Vorstand und Aufsichtsrat das Angebot des Bieters positiv fördern dürfen.“ Ebenfalls (vor Erlass des WpÜG): Grunewald, AG 2001, 288 (291) für die diskutierte aktienrechtliche Neutralitätspflicht. 476 477

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Aus der in § 33 Abs. 1 WpÜG kodifizierten Neutralitätspflicht lässt sich demzufolge kein allgemeines Verbot der Due Diligence ableiten. Dieser Befund hat auch eine negative Ausstrahlungswirkung auf Konstellationen, in denen aus zeitlicher oder sachlicher Hinsicht der Anwendungsbereich von § 33 Abs. 1 WpÜG erst gar nicht eröffnet ist.481 Infolgedessen ist davon auszugehen, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft durch die Neutralitätspflicht nicht per se gehindert ist, eine Due Diligence zum Zwecke des Anteilserwerbs zu gewähren.482 (b) Konkretisierung des Unternehmensinteresses Da weder § 71a AktG noch die Neutralitätspflicht grundsätzliche Hindernisse für eine Due Diligence darstellen, verlagert sich die rechtliche Auseinandersetzung auf die Bestimmung des Unternehmensinteresses. Die Problematik von M&ATransaktionen mit einem Aktionärswechsel als Gegenstand liegt darin, dass die Zielgesellschaft an einer derartigen Transaktion allenfalls ein mittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse haben kann, da sie keinen direkten Einfluss auf ihr Unternehmen hat. Es handelt es sich um Geschäfte, die sich ausschließlich in der Gesellschaftersphäre abspielen. Die Gewährung einer Due Diligence durch den Vorstand scheint deswegen lediglich im Aktionärsinteresse zu sein, nicht hingegen im Unternehmensinteresse. Da sich in Kollisionsfällen grundsätzlich das Unternehmensinteresse gegen ein abweichendes Aktionärsinteresse durchsetzt,483 muss sich ein hinreichendes Eigeninteresse der Gesellschaft begründen lassen, wenn der Vorstand eine Due Diligence zulassen möchte. Im Folgenden muss deshalb herausgearbeitet werden, unter welchen Voraussetzungen von einem Unternehmensinteresse an einem Aktionärswechsel ausgegangen werden kann: (aa) Unternehmenskauf durch Share Deal Entscheidend für die Bestimmung des Unternehmensinteresses bei der Übernahme privater Aktiengesellschaften484 sind die wirtschaftlichen Folgen für die Zielgesellschaft.485 Es wurde bereits erarbeitet, dass weder Arbeitnehmerinteressen486 noch Interessen der All481 Dahingehend neben Bayer, ZGR 2002, 588 (618) auch ausdrücklich Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 14. 482 Vgl. Seite 152. Davon ist ferner die Frage zu unterscheiden, ob aus § 33 WpÜG eine Pflicht zur informationellen Gleichbehandlung von Bietern bei Öffentlichen Übernahmeangeboten folgt. Dies ist ein Problem der Folgepflichten des Vorstands nach Gestattung einer Due Diligence und soll auch in diesem Sachzusammenhang erörtert werden: vgl. Seite 218 ff. 483 Vgl. Seite 103 ff. 484 Zu Übernahmen im Anwendungsbereich des WpÜG: vgl. Seite 156. 485 Eingehend und überzeugend dazu: O. Lange, WM 2002, 1737 (1742 f.). 486 Sehr plastisch dazu Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (240): „Soll etwa der Vorstand seine Ablehnung des Angebots auf den drohenden Abbau von Arbeitsplätzen stützen können? Wie sähe es mit Werbung aus, die mit dem plakativen Hinweisen auf drohenden Arbeitsplatzabbau gezielt Gegenstimmung in der Öffentlichkeit zu machen versucht?“ Eingehend dazu: O. Lange, WM 2002, 1737 (1743 f.). Vgl. Seite 102 ff.

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gemeinheit487 eigens zu berücksichtigen sind. Unmittelbare wirtschaftliche Folgen hat eine Übernahme zwar nicht. Eine Übernahme wird aber mittelbare Folgen auslösen, denn zumindest langfristig bleiben Auswirkungen der Konzernierung auf das Unternehmen nicht aus. Durch den Inhaberwechsel verändert sich das wirtschaftliche Umfeld der Gesellschaft. Die Übernahme kann auf Kooperationen (u. a. strategische Allianzen, Joint Ventures) Einfluss haben, die durch die neue Konzernverbindung verstärkt oder begründet werden können, aber ebensogut gerade durch die Übernahme entfallen können. Der Wechsel des Inhabers kann den Kapitalzugang (Fremd- / Eigenkapital) beeinflussen und den Zugang zu Know-how.488 Es ist allerdings für den Vorstand äußerst problematisch, die wirtschaftlichen Folgen für das Unternehmen der Zielgesellschaft auch nur einigermaßen sicher zu bewerten.489 Gerade weil eine Übernahme nur mittelbare wirtschaftliche Folgen auslösen kann, ist der Vorstand bei der Bewertung des Übernahmevorgangs im Wesentlichen auf die Angaben des Übernahmeinteressenten angewiesen. Anhand dessen Absichten muss der Vorstand eine Prognose vornehmen. Bei dieser Prognose der wirtschaftlichen Folgen ist dem Vorstand ein unternehmerischer Beurteilungsspielraum zuzugestehen.490 Da es sich aber bei dieser Beurteilung um eine komplexe betriebswirtschaftliche Bewertung handeln kann, ist der Vorstand in Zweifelsfällen dazu angehalten, sachverständigen Rat (z. B. Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer) bei der Bewertung der Übernahmeeffekte in Anspruch zu nehmen.491 Ergeben sich aufgrund seiner Einschätzung positive Synergieeffekte492 für das eigene Unternehmen, dann liegt das Zustandekommen der Übernahme im Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft, so dass der Vorstand eine Due Diligence gestatten darf.493 Diese Erkenntnis führt zu der Gegenfrage, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand umgekehrt zur Ablehnung einer Due Diligence verpflichtet ist. Zur Beantwortung dieser Frage kann die Diskussion über die Neutralitätspflicht des Vorstands bei Übernahmen ein weiteres Mal fruchtbar gemacht werden. Das Neutralitätsgebot untersagt eine Due Diligence zwar nicht,494 es besteht aber ein sachliches Näheverhältnis.495 In den Konstellationen, in denen eine Ausnahme von der Neutralitätspflicht angenommen werden kann, läuft die Übernahme dem Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft definitiv zuwider. Wenn dem Vorstand abweichend von der grundsätzlichen Neutralitätspflicht sogar die aktive Abwehr einer Übernahme ausnahmsweise erlaubt ist, muss ihm erst recht die Unterstützung Eingehend dazu: O. Lange, WM 2002, 1737 (1741 f.). Vgl. Seite 100 f. Diese Kriterien nennen auch (zur Due Diligence): Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1732); Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500); Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Meincke, WM 1998, 749; Bihr, BB 1998, 1198 (1999); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162); Mertens, AG 1997, 541 (545). 489 Darauf weist richtigerweise O. Lange, WM 2002, 1737 (1742) hin. 490 O. Lange, WM 2002, 1737 (1742 f.). 491 Land, DB 2001, 1707 (1712); Hopt, ZGR 1993, 534 (557). Der DiskE zum WpÜG schrieb in § 14 noch ausdrücklich fest, dass geeignete Berater hinzuziehen sind. Eingehend dazu: O. Lange, WM 2002, 1737 (1743). 492 Dazu aus betriebswirtschaftlicher Sicht: Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 103 f. 493 Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Mertens, AG 1997, 541 (545); Schroeder, DB 1997, 2161 (2162). Besonders instruktiv: Krömker, Due Diligence, S. 36 f. 494 Vgl. Seite 148 ff. 495 Vgl. Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1732), der diesen Zusammenhang aber missversteht. 487 488

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dieser Übernahme durch eine Due Diligence verboten sein. Allerdings gibt es zwischen der Vereitelung und der bloßen Verweigerung der Unterstützung einer Übernahme noch einen nicht unerheblichen Unterschied. Das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen stellt einen tiefen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Dispositionsfreiheit der Aktionäre dar.496 Demgegenüber ist die Verpflichtung des Vorstands, eine Due Diligence ablehnen zu müssen, ein qualitatives Minus. Aus diesem Grund sind in diesem Zusammenhang etwas geringe Anforderungen zu stellen. Im Folgenden gilt es die Problemfälle herauszuarbeiten, in denen der Vorstand keine Due Diligence gewähren darf: In einem ersten Reflex würde man das Unternehmensinteresse an einer Übernahme verneinen, wenn der Übernehmer eine Zerschlagung des Unternehmens anstrebt (so genannte „Zerschlagungsübernahme“).497 Dass diese spontane Einschätzung in ihrer Allgemeinheit nicht richtig ist, ist betriebswirtschaftlich erwiesen. Insbesondere Konzerne von konglomeraler Beschaffenheit sind weniger produktiv und weniger wert, als wenn sie in einzelne selbständige Unternehmen zerlegt werden. Deshalb gibt es zahllose Beispiele, in denen die Zerschlagung eines Unternehmens bei gleichzeitiger Konzentration auf das Kerngeschäft von erheblichem wirtschaftlichem Erfolg gekrönt war.498 Aus wirtschaftlicher Perspektive kann daher eine Zerschlagungsübernahme durchaus im Interesse des Zielunternehmens sein.499 Aus diesem Grund muss der Vorstand anhand des Einzelfalls entscheiden, ob die Unterstützung durch eine Due Diligence im Unternehmensinteresse ist. Ebensowenig ist ein „Leveraged Buy Out“ („LBO“) durch einen Finanzinvestor einer pauschalen Beurteilung zugänglich.500 Zwar kann man sich durchaus fragen, ob es nicht eher im Unternehmensinteresse wäre, die Reserven und Liquidität der Zielgesellschaft in deren Alleininteresse einzusetzen, anstatt diese Vermögenswerte zu einem großen Teil zur Kaufpreisfinanzierung zu verwenden.501 Entscheidend ist aber in diesen Fällen, ob die Refinanzierungsstrategie zu einer Existenzbedrohung führen kann. Die Zielgesellschaft wird insoweit durch die § 71a AktG und §§ 57 ff. AktG weitestgehend geschützt.502 Solange die angestrebte Refinanzierung der Übernahme nicht gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften 496 Der Schutz der Veräußerungsfreiheit der Aktionäre durch Art. 14 Grundgesetz (GG) ist spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu „DAT / Altana“ anerkannt: BVerfG, ZIP 1999, 1798 (1799). Vgl. Seite 259. 497 Für eine Ausnahme von der Neutralitätspflicht: Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436). Gegen eine Due Diligence: Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1732); Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374 Fn 50); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163). 498 Beispiel bei Adams, AG 1990, 243 (244 Fn 13): In den achtziger Jahren übernahm die Hanson Trust Corp. die SCM Corporation für 930 Millionen US-$, verkaufte sechs Teilbetriebe für denselben Betrag, verringerte das Management um 90 % und erzielte dennoch einige Zeit später eine Umsatzsteigerung. 499 Adams, AG 1990, 243 (244); Peltzer, ZIP 1989, 69 (70). Eingehend dazu O. Lange, WM 2002, 1737 (1742). Vgl. auch Krömker, Due Diligence, S. 41 f. 500 Für eine Ausnahme von der Neutralitätspflicht: O. Lange, WM 2002, 1737 (1743) mit Einschränkungen. A.A.: Horn, ZIP 2000, 473 (474, 478). 501 O. Lange, WM 2002, 1737 (1743) lehnt deswegen den LBO tendenziell eher ab. 502 Entgegen Adams, AG 1990, 243 (245) ist ein LBO aufgrund dieser Vorschriften nicht unmöglich in Deutschland. Er übersieht die Möglichkeit der Umwandlung in eine GmbH; die §§ 30 ff. GmbHG stehen der Refinanzierung kaum im Weg. Eingehend dazu: Lutter / Wahlers, AG 1989, 1 ff. Vgl. auch: Becker, DStR 1998, 1429; Fleischer, AG 1996, 494; Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 330b.

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verstößt (so genanntes „Looting“), kann allein darauf nicht die Ablehnung der Übernahme gestützt werden.503 Leveraged Buy Outs führen ganz im Gegenteil häufig zu einer effizienteren Nutzung der Ressourcen der Gesellschaft, die dem ganzen Unternehmen zugute kommt.504 Im Ergebnis bleibt es eine Einzelfallentscheidung des Vorstands, ob er eine Due Diligence gestattet, wenn eine überwiegend kreditfinanzierte Übernahme beabsichtigt ist. Problematischer ist, ob bei einer angekündigten Auflösung des Unternehmens durch den Übernehmer eine Due Diligence abzulehnen ist.505 Diese Frage wird sich der Vorstand insbesondere dann stellen müssen, wenn die Übernahme der Verdrängung des Zielunternehmens vom Markt dienen soll.506 Es wird zwar argumentiert, dass kein selbstständiges Unternehmensinteresse am Fortbestand anerkannt werden könne, da die Entscheidung über die Auflösung der Gesellschaft von den Aktionären jederzeit und ohne weitere Voraussetzung gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG getroffen werden kann.507 Es wurde aber bereits dargelegt, dass der Vorstand abseits von Hauptversammlungsbeschlüssen Aktionärsinteressen nicht von sich aus einseitig dem Unternehmensinteresse vorziehen darf.508 Eine Übernahme mit einer derartigen Zielsetzung darf der Vorstand nicht mit einer Due Diligence unterstützen.509 Ebenso problematisch sind Erwerbsinteressenten, die aufgrund ihrer Person geeignet sind, die Marktstellung des Unternehmens zu gefährden.510 Die in der Literatur beispielhaft angeführten Fälle einer Mafiaorganisation oder eines politisch exponierten ausländischen Staats stellen theoretische Extreme dar, enthalten aber einen richtigen Kern.511 Der Vorstand darf ausschließlich das Wohl des Unternehmens im Auge haben, das gefährdet wird, 503 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (272); Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1393); Hopt, ZGR 1993, 534 (553 f.); KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 26; Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 125 Fn 435. 504 Abgesehen davon gibt es keine hochgradig kreditfinanzierten Übernahmen mit Fremdkapitalanteilen von 80 – 90 % mehr. Die Banken bestehen aufgrund der ernormen Insolvenzquoten der 80er Jahre mittlerweile auf Eigenkapitalquoten von 30 – 50 %. Zum LBO aus betriebwirtschaftlicher Sicht: Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 54 ff.; Betsch / Groh / Lohmann, Corporate Finance, S. 326. 505 Für eine Ausnahme von der Neutralitätspflicht: Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436). Für die Due Diligence: Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374 Fn 50); Körber, NZG 2002, 263 (269); Schroeder, DB 1997, 2161 (2163). Vorsichtiger: Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (271); Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436 f.). 506 Plastisches Beispiel war die Reaktion der US-amerikanischen Softwarefirma Peoplesoft auf das Übernahmeangebot ihres Konkurrenten Oracle Inc., der angekündigt hatte, Peoplesoft nach einer Übernahme vom Markt zu nehmen. Auf die Frage „Sie werden gegen die Übernahme kämpfen?“ antwortete der CEO von Peoplesoft, Craig Conway: „In jedem Fall“. Vgl. F.A.Z. v. 8. 6. 2003. 507 Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 125; Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1393); Hopt, ZGR 1993, 534 (553 f.); A.A.: Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436). 508 Vgl. Seite 103 ff. Für Ausnahmen unter dem WpÜG: vgl. Seite 156. 509 Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob der Vorstand Abwehrmaßnahmen ergreifen darf, da dies ein weitergehender Schritt ist: vgl. Seite 126. 510 Für eine Ausnahme von der Neutralitätspflicht: Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436); KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 26. Ähnlich: O. Lange, WM 2002, 1737 (1743). Mit Einschränkungen: Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (271). A.A.: Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 125 Rn 434; Adams, AG 1990, 243 (246). 511 Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436).

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wenn der Übernehmer erhebliche wirtschaftliche Gegenreaktionen der Kunden auslösen und damit die Marktchancen des Unternehmens wesentlich beeinträchtigen würde (z. B. durch mangelnde Bonität). Angesichts der großen Bedeutung, die das Image eines Unternehmens für dessen Stellung am Markt und damit für dessen Bewertung haben kann, handelt es sich in solchen Fällen um erhebliche Nachteile für das Zielunternehmen.512 Wenn diese Argumente nicht nur vom Vorstand vorgeschoben werden513 und diese Nachteile nicht durch andere Vorteile des Übernahmeinteressenten kompensiert werden, ist die Übernahme nicht im Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft. Dem Vorstand ist dann zumindest die Unterstützung der Übernahme durch eine Due Diligence verwehrt.514 Besonders praxisrelevant sind darüber hinaus die Risiken, die sich daraus ergeben, dass durch den Übernehmer infolge so genannter „Change of Control“-Klauseln Kooperationen der Zielgesellschaft mit wichtigen Geschäftspartnern zu scheitern drohen.515 Wenn durch die Übernahme die Kreditlinien oder wichtige Lizenzverträge kündbar oder aber Vorkaufsrechte eines Joint-Venture-Partners ausgelöst werden, ist dies nicht im Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft. Dem Vorstand ist in diesem Fall die Unterstützung der Übernahme durch eine Due Diligence untersagt, sofern der Übernahmeinteressent diese negativen wirtschaftlichen Folgen nicht zu kompensieren vermag.516 Der Vorstand ist ferner verpflichtet, eine Due Diligence zu verweigern, wenn nach der Übernahme mit Gesetzesverstößen oder sogar einer dauerhaften rechtswidrigen Tätigkeit des Unternehmens zu rechnen ist517 (z. B. verbotene Rüstungsproduktion; Verwendung einer Bank zur Geldwäsche; Herstellung von Rauschgiftmitteln durch ein Chemieunternehmen).518 Dagegen wird zwar eingewandt, dass es nicht Aufgabe des Gesellschaftsrechts sein könne, öffentlich-rechtliche Kontrollfunktionen durch eine Förderung oder Verhinderung eines Machtwechsels im Unternehmen wahrzunehmen. Dem Vorstand fehle es dazu an den rechtsstaatlichen Ermittlungsinstrumenten und der erforderlichen öffentlichrechtlichen Legitimation.519 Diese Argumentation ist durchaus beachtlich, soweit es um die Vorstandsbefugnis zur Abwehr einer Übernahme geht. Zu einem derart intensiven Eingriff in die Dispositionsfreiheit der Aktionäre könnte der Vorstand einer öffentlich-rechtlichen Grundlage bedürfen.520 Davon ist jedoch die Frage, ob der Vorstand mit einer Due Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436 f.). Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (271). Zu dieser Problematik eingehend und überzeugend: Kort, FS Lutter, S. 1421 (1436 f.). 514 Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob der Vorstand Abwehrmaßnahmen ergreifen darf, da dies ein weitergehender Schritt ist: vgl. Seite 152. 515 Für eine Ausnahme von der Neutralitätspflicht: O. Lange, WM 2002, 1737 (1743). Dahingehend auch Hopt, ZGR 1993, 534 (555), der diese Fallgruppe mit der vorherigen gleichstellt. Zu „Change of control“-Klauseln: Dreher, AG 2002, 214 ff. Vgl. Seite 42 und Seite 128. 516 Davon ist die Frage von Abwehrmaßnahmen zu unterscheiden: vgl. Seite 152. 517 Für eine Ausnahme von der Neutralitätspflicht: Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 125; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 26; Kort, FS Lutter, 1421, 1436; Hopt, FS Lutter, S. 1361, 1393; Hopt, ZGR 1993, 534 (553). Mit Einschränkungen: Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (272). A.A.: Adams, AG 1990, 243 (246). 518 Weitere Beispiele bei Hopt, ZGR 1993, 534 (553 f.). 519 Dahingehend Adams, AG 1990, 243 (246). 520 Insoweit ist Adams, AG 1990, 243 (246) zuzustimmen. A.A.: KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 26. 512 513

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Diligence aktiv Unterstützung leisten darf, zu unterscheiden. Es reicht nicht jeder drohende Gesetzesverstoß aus. Aber wenn ein Verstoß ernsthaft droht, der nicht unerheblich ist und mit der Übernahme eng zusammenhängt,521 hat der Vorstand die Unterstützung durch eine Due Diligence zu versagen. Zusammengefasst sind die wirtschaftlichen Folgen der potentiellen Übernahme maßgeblich für die Entscheidung des Vorstands über eine Due Diligence. Grundsätzlich hat er bei der Beurteilung dieser Folgen einen gewissen Entscheidungsspielraum. In Einzelfällen kann sich jedoch sogar eine Verpflichtung des Vorstands ergeben, eine Due Diligence zu verweigern, wenn die Übernahme nicht im Interesse seines Unternehmens ist.

(bb) Öffentliches Übernahme- und Pflichtangebot Die bisherigen Ausführungen betrafen Übernahmen außerhalb des Anwendungsbereichs des WpÜG. Es stellt sich die Frage, ob das Unternehmensinteresse bei Öffentlichen Übernahmeangeboten nach denselben Kriterien zu bestimmen ist oder ob andere Maßstäbe eingreifen. Nach § 3 Abs. 3 WpÜG hat der Vorstand „im Interesse der Zielgesellschaft“ zu handeln. Diese Vorschrift enthält somit eine Klarstellung, dass die allgemeinen aktienrechtlichen Pflichten durch das Gesetz nicht vollkommen suspendiert werden.522 Der Vorstand ist auch ausweislich der Regierungsbegründung weiterhin zur Wahrnehmung aller in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit verpflichtet.523 Mithin scheint sich das WpÜG nicht auf die Bestimmung des Unternehmensinteresses bei der Frage der Due Diligence auszuwirken.524 Einer derartigen Sichtweise widerspricht indes die Wertung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG. Nach dieser Vorschrift darf der Vorstand auch dann das Angebot nicht vereiteln, wenn die Durchführung des Angebots nicht im Unternehmensinteresse ist, sofern er nicht die Zustimmung des Aufsichtsrats erhält (§ 33 Abs. 1 S. 2 Fall 3 WpÜG).525 Soweit die Verpflichtungen des Vorstands nach § 33 Abs. 1 WpÜG mit dem Vorrang des „Gesellschaftsinteresses“ nach § 3 Abs. 3 WpÜG kollidieren, ist § 33 Abs. 1 WpÜG lex specialis und geht vor.526 Damit wird aber nicht nur dem Aktionärsinteresse an einer unbeeinträchtigten Möglichkeit zur Annahme des Angebots der Vorrang eingeräumt. Vielmehr ist in § 33 Abs. 1 WpÜG eine inhaltliche Bestimmung des Gesellschaftsinteresses in Übernahmesituationen bei Börsengesellschaften zu sehen. Der Aktionär ist in börsennotierten Aktiengesellschaften nicht nur Gesellschafter, sondern zugleich auch Kapitalmarktteilnehmer und ist aufgrund dieser Stellung noch weitgehender zu schützen als in privaten Aktiengesellschaften.527 Im Übernahmeverfahren wird deshalb das Interesse der Aktionäre zu Eingehend und überzeugend dazu Hopt, ZGR 1993, 534 (554). BegrRegE zu § 3 Abs. 3 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 35. Vgl. Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 3 Rn 21. 523 BegrRegE zu § 3 Abs. 3 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 35. 524 Zum Verhältnis von Unternehmens- und Aktionärsinteressen: vgl. Seite 103 ff. 525 So auch KölnKomm / Versteegen, WpÜG, § 3 Rn 37; Steinmeyer / Häger, WpÜG, § 3 Rn 12. Vgl. O. Lange, WM 2002, 1737 (1744). 526 So zutreffend KölnKomm / Versteegen, WpÜG, § 3 Rn 37. 527 KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 3; Haarmann / Schüppen / Riehmer / Röh, WpÜG, § 33 Rn 3. Dieses Verständnis der Aktionärsrolle findet sich auch bei Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (249 f.) und Grunewald, AG 2001, 288 (289). 521 522

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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einer zweiten Leitlinie neben dem Unternehmensinteresse bei der Konkretisierung der Pflichten nach § 3 Abs. 3 WpÜG. Das Gesellschaftsinteresse der Aktiengesellschaft wird insoweit übernahmerechtlich konkretisiert.528 Das bedeutet, dass der Vorstand während Öffentlicher Übernahmeangebote ausnahmsweise auch im Aktionärsinteresse handeln darf, selbst wenn dies nicht im Unternehmensinteresse ist, solange dieses Handeln dem Unternehmensinteresse nicht deutlich widerspricht.529 Dies führt dazu, dass der Vorstand bei Öffentlichen Übernahmeangeboten unter geringeren Voraussetzungen eine Due Diligence gestatten darf. Er kann im ausschließlichen Aktionärsinteresse freiwillige Übernahmeangebote und Pflichtangebote bereits dann unterstützen, wenn deren wirtschaftliche Folgen weitestgehend neutral sind. Solange das Unternehmensinteresse nicht verlangt, die Übernahme zu verhindern530, kann der Vorstand eine Due Diligence nach eigenem Ermessen gewähren.

(cc) Beteiligungskauf Das Unternehmensinteresse bei einem einfachen Beteiligungskauf stellt sich grundsätzlich anders dar als bei einer Übernahme. Während es bei einer Übernahme langfristig häufig zu wirtschaftlichen Folgen bei der Zielgesellschaft kommt, haben viele Anteilsverschiebungen keinerlei Auswirkungen auf das Unternehmen. Dies gilt insbesondere für kleinere Beteiligungen.531 Die Förderung dieser Transaktionen ist zumeist ausschließlich im Aktionärsinteresse, nicht hingegen im Unternehmensinteresse.532 Grundsätzlich gibt es deshalb kein hinreichendes Eigeninteresse der Gesellschaft an der Unterstützung eines Beteiligungskaufs, so dass die Risiken einer Due Diligence nicht kompensiert werden.533 Zu diesem Grundsatz gibt es aber auch Ausnahmen. Es gibt Konstellationen, in denen die Gesellschaft ein Interesse an der Förderung eines Aktionärswechsels entwickeln kann, so dass der Vorstand ausnahmsweise eine Due Diligence gestatten darf: Der Einstieg eines Erwerbsinteressenten kann unternehmerisch sinnvoll sein. So kann es nützlich sein, dass sich ein anderes Unternehmen als Investor an der Gesellschaft beteiligt, um Kooperationen (u. a. strategische Allianzen, Joint Ventures) zu verstärken oder für die Zukunft zu begründen.534 Gleiches gilt, wenn der potentielle Erwerber im Gegensatz zum 528 So ausdrücklich auch KölnKomm / Versteegen, WpÜG, § 3 Rn 37. Dahingehend auch O. Lange, WM 2002, 1737 (1744) und Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 5, 25: „Konkretisierung der allgemeinen Grundsätze des § 3 Abs. 3“. A.A.: Steinmeyer / Häger, WpÜG, § 33 Rn 13. 529 Dafür spricht auch ein Umkehrschluss aus BegrRegE zu § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 58. 530 Zu den Fallkonstellationen: vgl. Seite 152 ff. 531 Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374). Dahingehend auch Eggenberger, Due Diligence, S. 115. Zur GmbH: Oppenländer, 535 (538); Götze, ZGR 1999, 202 (217); Volhard / Weber, FS Semler, S. 387 (406). 532 Zum Verhältnis von Unternehmens- und Aktionärsinteressen: vgl. Seite 103 ff. 533 Insoweit ist Ziemons, AG 1999, 492 (495) zuzustimmen. Vgl. Körber, NZG 2002, 263 (269). A.A.: Banerjea, ZIP 2003, 1730. 534 Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1731), Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500); Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Müller, NJW 2000, 3452 (3453); Meincke, WM 1998, 749; Schroeder, DB 1997, 2161 (2162); Mertens, AG 1997, 541 (545). Ein gutes Beispiel dafür ist der Erwerb von 10 % der Bayern München AG durch ADIDAS.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Veräußerer bereit und in der Lage ist, eine Expansion oder Restrukturierung durch Einbringung von Kapital oder Know-how zu unterstützen.535 Insbesondere die Beteiligung einer Bank kann die Möglichkeit eröffnen, günstige Finanzierungen zu erhalten.536 Dies gilt erst recht im Extremfall einer Sanierung der Gesellschaft bei einer nicht anders abwendbaren Existenzbedrohung.537 Eine börsennotierte Aktiengesellschaft kann ferner ein Interesse daran haben, dass eine wesentliche Beteiligungsveräußerung nicht unter Börsenwert erfolgt.538 Die Erhaltung des Börsenwertes im Zuge einer Veräußerung durch einen Großaktionär ist von eminenter Bedeutung. Die Konditionen des Erwerbs einer wesentlichen Beteiligung bleiben den Marktteilnehmern zumeist nicht verborgen. Sie bilden einen wichtigen Indikator zur Feststellung des Unternehmenswertes. Kommt es zu einer wesentlichen Beteiligungsveräußerung weit unter dem anteiligen Börsenwert, so sind der Kurs der Aktie und damit der Börsenwert des Unternehmens in erheblicher Gefahr.539 Da die Relevanz des Börsenkurses für den Unternehmenswert durch das Bundesverfassungsgericht in „DAT / Altana“ anerkannt wurde, muss der auf den nachhaltigen Unternehmenswert verpflichtete Vorstand den Börsenkurs seiner Aktiengesellschaft pflegen.540 Die Zuführung neuen Kapitals im Wege von Kapitalerhöhungen oder vergleichbaren Maßnahmen kann außerdem deutlich erschwert werden, wenn Investoren Kenntnis von einem Beteiligungsverkauf zu sehr ungünstigen Konditionen erlangen. Stellt eine fehlende Due Diligence ein Umstand dar, der zu einer erheblichen Preisreduzierung führt, so liegt demnach eine Due Diligence im Interesse der Gesellschaft.541 Umgekehrt kann das Hinzukommen eines attraktiven neuen Großaktionärs positive Kurseffekte haben, die eine Due Diligence aus Sicht der Zielgesellschaft rechtfertigen:542 Institutionelle Anleger könnten sich aus diesem Grund entscheiden, die Aktie in ihr Portfolio aufzunehmen. Investmentbanken könnten die Aktie zum Kauf empfehlen und Ratingagenturen ihr Rating erhöhen.543 535 Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1731); Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500 f.); Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Ziemons, AG 1999, 492 (495); Lutter, ZIP 1997, 613 (617 Fn 37); Mertens, AG 1997, 541 (545). Vgl. Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 213; Ziegler, DStR 2000, 249 (252). 536 Beispielsweise wurde der Einstieg der Deutschen Bank in den 70er Jahren als Aktionär der (damaligen) Daimler-Benz AG von deren Vorstand richtigerweise begrüßt, obwohl es sich lediglich um ca. 10 % der Aktien handelte. 537 Diese Ausnahme wird sogar von Lutter, ZIP 1997, 613 (617 Fn 37) akzeptiert. 538 Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Ziemons, AG 1999, 492 (496); Mertens, AG 1997, 541 (545); Krömker, Due Diligence, S. 38 f. 539 Krömker, Due Diligence, S. 96 nennt als eindrucksvolles Beispiel den Fall der Deutschen Telekom: Am 6. und 7. August 2001 warf die Deutsche Bank 44.000.000 Aktien der Deutschen Telekom AG im Auftrag eines Großaktionärs auf den Markt. Das Angebot von 1,46 % aller Aktien der Gesellschaft führte zu einem Kurseinbruch um 20 % und zur Verringerung des Börsenwertes um fast 20 Milliarden Euro. Vgl. F.A.Z. v. 16. 08. 2001, S. 22. 540 So auch Krömker, Due Diligence, S. 38 f. Zur immer größeren Bedeutung des Börsenkurses im Aktienrecht: Sinewe, NZG 2002, 314 (316). Vgl. Seite 45. 541 Körber, NZG 2002, 263 (269); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (374); Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Ziemons, AG 1999, 492 (496); Mertens, AG 1997, 541 (545); Krömker, Due Diligence, S. 39. 542 Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1731); Krömker, Due Diligence, S. 39. 543 Zum Rating: vgl. Seite 116.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Unter noch geringeren Voraussetzungen ist die Gewährung einer Due Diligence bei Beteiligungskäufen oberhalb der Kontrollschwelle von § 29 Abs. 2 WpÜG erlaubt, denn der Vorstand darf im Anwendungsbereich des WpÜG auch im ausschließlichen Aktionärsinteresse handeln.544 Eine Due Diligence bei Beteiligungsverkäufen oberhalb der 30 %Schwelle ist im Interesse aller Aktionäre der Zielgesellschaft, denn in diesem Fall ist der Paketkäufer zu einem Pflichtangebot an alle Aktionäre nach § 35 Abs. 2 WpÜG verpflichtet. Dabei partizipieren gemäß § 4 WpÜG-AngebVO alle Aktionäre an der Kontrollprämie und damit auch an Paketzuschlägen.545 Zusammengefasst besteht regelmäßig ein zu geringes Eigeninteresse der Gesellschaft an Beteiligungsverschiebungen, so dass grundsätzlich das Geheimhaltungsinteresse eines Zielunternehmens überwiegt. Nur in Ausnahmefällen kann der Vorstand eine Due Diligence gestatten. Eine Förderung der Transaktion darf erfolgen, wenn ein Einstieg des Kaufinteressenten strategisch wertvoll für das Unternehmen wäre. Bei börsennotierten Aktiengesellschaft kann dies zur Vermeidung negativer Kurseffekte geschehen, wenn wesentliche Beteiligungen verkauft werden sollen. Unter noch geringeren Voraussetzungen in Börsengesellschaften ist die Gewährung einer Due Diligence bei Beteiligungskäufen oberhalb der Kontrollschwelle von § 29 Abs. 2 WpÜG erlaubt, denn in diesem Fall ist ein Pflichtangebot an alle Aktionäre nach § 35 Abs. 2 WpÜG die Folge.

(3) Zusammenfassung Maßgeblich für die Entscheidung, ob eine Due Diligence insgesamt abgelehnt werden muss, ist das wirtschaftliche Eigeninteresse der Zielgesellschaft an der M&A-Transaktion. Erheblichen Einfluss darauf hat die Frage der Beteiligung an der konkreten Transaktion. Auf der einen Seite kann das Unternehmensinteresse bei M&A-Transaktionen, an denen die Zielgesellschaft direkt als Vertragspartner beteiligt ist, aufgrund des unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses der Gesellschaft einfacher ermittelt werden. Auf der anderen Seite entstehen besondere Pflichten, wenn es um eine wechselseitige Due Diligence geht. Bei M&ATransaktionen, die lediglich Anteilsverschiebungen von Aktionären zum Gegenstand haben, verbieten weder die Neutralitätspflicht noch § 71a AktG per se eine Due Diligence. Allerdings besteht insoweit lediglich ein mittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse der Zielgesellschaft, das bei bloßen Beteiligungsverkäufen seltener vorliegen wird als bei Übernahmen. Im Anwendungsbereich des WpÜG kann aufgrund übernahmerechtlicher Besonderheiten auch im bloßen Aktionärsinteresse eine Due Diligence gewährt werden. Öffentliche Übernahme- und Pflichtangebote sowie Beteiligungsverkäufe oberhalb der Kontrollschwelle von § 29 Abs. 2 WpÜG dürfen aus diesem Grund unter geringeren Voraussetzungen mit einer Due Diligence unterstützt werden.

Vgl. Seite 156. Dadurch findet ein Konzerneingangsschutz statt. Eingehend dazu: Harbath, ZIP 2002, 321 (322). Das Pflichtangebot ist ökonomisch umstritten: Schmidt / Prigge, DBW 2002, 225 ff.; Rau-Bredow, DBW 1999, 763 ff. 544 545

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

5. Zusammenfassung Die Ergebnisse zu § 93 Abs. 1 S. 3 AktG lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die von dieser Vorschrift erfassten „Gesellschaftsgeheimnisse und vertraulichen Angaben“ sind die wesentlichen Gegenstände einer Due Diligence. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG enthält eine gesetzliche Grundanweisung, dass das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft überwiegt. Die Vorschrift ist als gesetzliche Vermutung zu interpretieren. An eine Widerlegung dieser Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Interesse der Gesellschaft an Geheimhaltung und das Interesse an der Offenlegung ihrer Geheimnisse müssen im Sinne einer praktischen Konkordanz in Einklang gebracht werden, die mit einer Abwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hergestellt wird. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewährleistet, dass der Vorstand selbst bei der Zulassung einer Due Diligence erhebliche Risikobegrenzungsmaßnahmen zu ergreifen hat:  Der Vorstand muss infolge der Prüfung der „Geeignetheit“ die Weitergabe von Gesellschaftsgeheimnissen ablehnen, wenn die Durchführung der Transaktion aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, die M&A-Transaktion auch ohne Due Diligence wirtschaftlich vertretbar abgeschlossen werden kann oder aber die jeweiligen Informationen weder zur Unternehmensbewertung noch zur Risikoeinschätzung notwendig sind.  Aufgrund der „Erforderlichkeit“ hat der Vorstand eine vertragsstrafenbewehrte Geheimhaltungsvereinbarung abzuschließen. Dichte und Tiefe der mitgeteilten Informationen sind an das Stadium der Transaktion anzupassen und dabei ist eine Due Diligence frühestens zu gestatten, wenn sich der Transaktionswille des Informationsempfängers manifestiert hat. Der Informationsfluss muss durch gewisse Maßnahmen kontrolliert werden.  Im Rahmen der „Angemessenheit“ kann der Vorstand gehalten sein, wettbewerbsrelevante Informationen zurückzuhalten, wenn der Interessent ein Wettbewerber der Gesellschaft ist (entweder auf horizontaler oder auf vertikaler Wertschöpfungsstufe). Als Alternative zu diesem Vorgehen kann der Vorstand auch einen neutralen Dritten für die Due Diligence zwischenschalten. Beide Maßnahmen hat der Vorstand als mildere Mittel zu erwägen, bevor er eine Due Diligence insgesamt ablehnt. Der Vorstand ist dazu verpflichtet, eine Due Diligence zu verweigern, wenn die Gefährdung des Unternehmens außer Verhältnis zu dem Interesse der Zielgesellschaft an der Transaktion steht. Da das Unternehmensinteresse maßgeblich ist, entscheidet der Grad des wirtschaftlichen Interesses des Unternehmens der Aktiengesellschaft an der konkreten M&ATransaktion. Erheblichen Einfluss darauf hat die Frage der Beteiligung an der konkreten Transaktion. Das Unternehmensinteresse kann bei M&A-Transaktionen, an denen die Zielgesellschaft direkt als Vertragspartner beteiligt ist, anhand der Wirtschaftlichkeit der Transaktion ermittelt werden. Allerdings können besondere Pflichten bestehen, wenn eine wechselseitige Due Diligence ermöglicht werden soll (Fusionen, Joint Ventures). An M&A-Transaktionen, die lediglich

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Anteilsverschiebungen von Aktionären zum Gegenstand haben (insbesondere bei einfachen Beteiligungsverkäufen), kann allenfalls ein mittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse der Zielgesellschaft bestehen. Im Anwendungsbereich des WpÜG kann hingegen aufgrund übernahmerechtlicher Besonderheiten auch im bloßen Aktionärsinteresse eine Due Diligence gewährt werden.

II. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (bei Börsengesellschaften) Nicht nur das Aktienrecht kann die Informationsbefugnisse des Vorstands beschneiden, sondern auch das Kapitalmarkrecht. 546 Ein Schwerpunkt der Problematik der Due Diligence bildet deren Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Mit den Insiderbestimmungen des WpHG wurde ursprünglich die so genannte „Insiderrichtlinie“547 von 1989 in nationales Recht umgesetzt.548 Diese Insiderrichtline wurde 2003 durch die „Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation“ 549 (so genannte „Marktmissbrauchsrichtlinie“) ersetzt550, die am 12. 04. 2003 in Kraft trat.551 Die Umsetzung dieser EU-Richtlinie552 erfolgte durch Art. 1 des „Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes“ (so genanntes „Anlegerschutzgesetz“), das am 01. 07. 2004 vom Bundestag und am 24. 09. 2004 vom Bundesrat verabschiedet wurde.553 Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG n.F. ist es verboten, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen. Dieses Verbot gilt allerdings nur für Aktiengesellschaften, deren Wertpapiere an der Börse notiert sind (§§ 1, 12 WpHG).554 Die Verletzung von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG kann unter 546 Zum Verhältnis von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht: Merkt, AG 2003, 126. Einführend zum Kapitalmarktrecht: Merkt / Rossbach, JuS 2003, 217; Schwarz, DStR 2003, 1930. 547 Richtlinie 89 / 592 / EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte vom 13. 11. 1989, AbIEG Nr. L 334 / 30 vom 18. 11. 1989. 548 Auch die Begründung des Regierungsentwurfes zu § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verweist zur Auslegung auf Art. 3 lit. a) dieser Richtlinie: BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47. Eingehend Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 2 f. 549 Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäisches Parlaments und des Rates vom 28. 01. 2003, AblEU Nr. L 96 / 16 vom 12. 04. 2003. 550 Dies ergibt sich ausdrücklich aus Art. 20 der Marktmissbrauchsrichtlinie. Vgl. Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (606); Weber, EuZW 2002, 43 (44 f.); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (106). 551 Zur Marktmissbrauchsrichtlinie allgemein: Fürhoff, AG 2003, 80 ff.; Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 ff.; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 ff.; Weber, EuZW 2002, 43 ff.; Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 ff. 552 Zum Umsetzungsbedarf Deutschlands: Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 ff. 553 Zu den Neuerungen im Insiderrecht durch das Anlegerschutzgesetz: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (930 ff.); Ziemons, NZG 2004, 537 ff. 554 Anders als § 3 Abs. 2 AktG beziehen allerdings die „Insiderpapiere“ der §§ 12 ff. WpHG auch den Freiverkehr (§ 57 BörsG) mit ein. Vgl. Hüffer, AktG, § 3 Rn 4.

11 Liekefett

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gewissen Voraussetzungen gemäß §§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 2 Nr. 3 WpHG strafbar oder zumindest ordnungswidrig sein. Ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist § 14 WpHG nach bestrittener, aber zutreffender herrschender Auffassung indessen nicht.555 Nachfolgend wird untersucht, ob § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine Due Diligence begrenzt.

1. Verhältnis zwischen § 14 WpHG und § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Da bereits § 93 Abs. 1 S. 3 AktG dem Vorstand einer Aktiengesellschaft die Weitergabe geheimer Informationen untersagt, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis dieser Vorschrift zu § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Beide Geheimhaltungspflichten sind gleichermaßen strafrechtlich sanktioniert (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG bzw. § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Da das WpHG nur bei Börsengesellschaften Anwendung findet, könnte man überlegen, ob § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG in seinem Anwendungsbereich lex specialis gegenüber § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ist. Die besseren Argumente sprechen allerdings dafür, dass trotz der Gemeinsamkeiten kein Spezialitätsverhältnis besteht.556 Die beiden Verschwiegenheitspflichten unterscheiden sich bereits in ihrem sachlichen Anwendungsbereich. Während § 93 Abs. 1 S. 3 AktG „Gesellschaftsgeheimnisse und vertrauliche Angaben“ schützt, befassen sich die §§ 12 ff. WpHG mit „Insiderinformationen“. Diese Begriffe sind nicht nur von der Formulierung her, sondern auch inhaltlich nicht deckungsgleich.557 Darüber hinaus haben die beiden Vorschriften unterschiedliche Schutzwecke.558 Die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht dient dem Schutz der Gesellschaft.559 Demgegenüber ist der Schutz der Gesellschaft nur ein Reflex von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Sinn und Zweck des Insiderrechts ist es, die Funktionsfähigkeit des organisierten Kapitalmarktes zu erhalten.560 Aufgrund dieser verschiedenen Zielrichtungen haben die beiden Geheimhaltungsvorschriften auch 555 Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 4b, 107 ff.; Kümpel, KapitalmarktR, Rn 16.70 f.; Kaiser, WM 1997, 1557 (1559 f.); Happ, JZ 1994, 241 (243). A.A.: Claussen, AG 1997, 306 (307). 556 Ausführlicher zu dieser Frage allein: Eggenberger, Due Diligence, S. 295 f. In Ansätzen diskutiert bei Knöfler, Due Diligence, S. 103. 557 A.A.: Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500); Ziemons, AG 1999, 492 (497). Vgl. Eggenberger, Due Diligence, S. 295 f., der fälschlicherweise zumindest von einer weitgehenden Überschneidung ausgeht. 558 Fürhoff, AG 2003, 80 (81); Caspari, ZGR 1994, 530 (533). Darauf weist richtigerweise auch Eggenberger, Due Diligence, S. 296 hin. 559 Vgl. Seite 89. 560 BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 33. Vgl. auch Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 4c; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (379); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Schroeder, DB 1997, 2161 (2164). Vgl. Seite 171 ff.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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verschiedene Rechtsnaturen, denn während § 93 Abs. 1 S. 3 AktG trotz seiner strafrechtlichen Absicherung als Norm des zivilrechtlichen Gesellschaftsrechts eingeordnet werden muss, ist § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG öffentlich-rechtliches Kapitalmarktrecht. Im Ergebnis kann demnach ein durch § 93 Abs. 1 S. 3 AktG gedecktes Informationsverhalten des Vorstands bei der Due Diligence aufgrund § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG untersagt sein oder umgekehrt. Die aktienrechtliche und die kapitalmarktrechtliche Geheimhaltungspflicht stehen folglich zueinander in einem Verhältnis freier Konkurrenz.561

2. Anwendungsbereich der Insiderverbote, § 13 WpHG Um die Bedeutung von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG für die vorliegende Problematik verdeutlichen zu können, muss die praktische Relevanz dieser Vorschrift für die Zulassung einer Due Diligence herausgearbeit werden. Aus diesem Grund ist zu ergründen, welche für eine Due Diligence relevanten Informationen von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG betroffen sind (sachlicher Anwendungsbereich) und inwieweit der Vorstand einer Aktiengesellschaft während einer Due Diligence Adressat dieser Norm sein kann (persönlicher Anwendungsbereich): a) Insiderinformationen, § 13 Abs. 1 WpHG bei der Due Diligence Gegenstand der Geheimhaltungspflicht sind Informationen, die den Begriff der so genannten „Insiderinformation“ erfüllen. Nach der Legaldefinition des durch das Anlegerschutzgesetz neugefassten § 13 Abs. 1 WpHG handelt es sich dabei um eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände oder Ereignisse, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere (§ 12 WpHG) selbst beziehen. Hinzukommen muss die Geeignetheit, im Falle des öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere beeinflussen zu können.562 Die „Insiderinformation“ ersetzt den Begriff der „Insidertatsache“ nach § 13 Abs. 1 a.F. An sich gab es keinen zwingenden Änderungsbedarf der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Marktmissbrauchsrichtlinie, denn bereits Art. 1 Nr. 1 der Insiderrichtlinie verwandte den Begriff „Insiderinformation“.563 Nur eine vermeintliche Neuerung bestand darin, dass eine Insiderinformation nach der neuen Richtlinie eine „erhebliche“ Kursbeeinflussung voraussetzt, während die Insiderrichtlinie von 1989 noch eine „beträchtliche“ BeSo deutlich herausgearbeitet allein von Eggenberger, Due Diligence, S. 296. Zur Einführung des Begriffs der „Insiderinformation“ durch das Anlegerschutzgesetz: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (930 f.); Ziemons, NZG 2004, 537 (538). 563 Bisher allgemeine Meinung im Schrifttum: Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (905); Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (606); Weber, EuZW 2002, 43 (44); Seitz, BKR 2002, 340 (342); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (91 f.). 561 562

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einflussung forderte, denn insoweit bestand bereits eine Wortgleichheit mit dem WpHG.564 Der deutsche Gesetzgeber hatte zwar die in beiden Richtlinien sprachlich zum Ausdruck gebrachte Unterscheidung zwischen Tatsache und Information bisher nicht berücksichtigt, da er den Begriff der „präzisen Information“ auf den Begriff der Tatsache verengt hat.565 Bereits die Umsetzung der Insiderrichtlinie war insoweit inadäquat, wurde jedoch durch eine weite Auslegung des Tatsachenbegriffs kompensiert.566

„Insiderinformationen“ erfassen anders als die „Geheimnisse der Gesellschaft“ in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG567 auch Informationen, die nicht die eigene Gesellschaft des Vorstands betreffen. Der Begriff der Insiderinformation ist allerdings seit dem In-Kraft-Treten des Anlegerschutzgesetzes mit dem der veröffentlichungspflichtigen Tatsachen in § 15 WpHG im wesentlichen kongruent, da der neugefasste § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG ebenfalls diese Formulierung verwendet. Zwar sind nach neuer Rechtslage nur Insiderinformationen ad-hoc-publizitätspflichtig, die den Emittenten „unmittelbar“ betreffen.568 Die Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie vom 12. 04. 2003 hat in diesem Bereich dennoch zu einschneidenden Veränderungen geführt,569 denn zuvor hatte das deutsche WpHG noch deutlicher zwischen Insidertatsache und Ad-hoc-Tatsache unterschieden.570 Aus diesem Grund ist mit einer erheblichen Ausweitung der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu rechnen.571 Nach alter Rechtslage war zwar die Frage der Kursrelevanz bei beiden Tatbeständen identisch zu bestimmen. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG a.F. erforderte jedoch darüber hinaus, dass die Tatsache „im Tätigkeitsbereich des Emittenten“ eingetreten ist; dies ist nach neuer Rechtslage nur noch ein Beispiel für eine „unmittelbare“ Insiderinformation“ (§ 15 Abs. 1 564 Die Unterschiede in der Formulierung beruhten auf einem Übersetzungsfehler im deutschen Text der Richtlinie. Vgl. Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (91). 565 Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (92). Vgl. auch Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 32. 566 Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (606 Fn 21); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (92 Fn 14). Vgl. Pananis, WM 1997, 460 (462). 567 Es ist bei § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Voraussetzung, dass ein Zusammenhang zwischen Information und der Gesellschaft besteht. Vgl. KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 20; Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 13; v. Stebut, BB 1974, 613. Eingehend dazu: v. Stebut, Geheimnisschutz im AktienR, S. 51 f. 568 Zu den Änderungen durch das Anlegerschutzgesetz in diesem Bereich: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (934 f.); Ziemons, NZG 2004, 537 (541). 569 Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie sind alle Insiderinformationen, die einen Emittenten unmittelbar betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Vgl. Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (906); Fürhoff, AG 2003, 80; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (608); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (94 f.). Der Emittent hat nur durch Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie die Möglichkeit, die Ad-hoc-Meldung zu verschieben, wenn sie berechtigte Interessen geltend machen kann; diese Neuerung wurde nunmehr in § 15 Abs. 3 n.F. eingeführt: vgl. Ziemons, NZG 2004, 537 (542). 570 Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 33; Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (906); Fürhoff, AG 2003, 80; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (608). Eingehender dazu Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (94 Fn 33). 571 Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (906); Fürhoff, AG 2003, 80; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (608).

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S. 2 WpHG n.F.). Von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. wurden daher auch andere so genannte „Marktdaten“ erfasst, während dies bei § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG a.F. nicht der Fall war.572 Anders als in § 15 WpHG a.F. war zudem der erforderliche Realisierungsgrad der Tatsache erheblich geringer, da sich dort die Kursrelevanz gerade wegen der Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanzlage oder allgemeinen Geschäftsverlauf ergeben musste.573 Deshalb war vor dem In-Kraft-Treten des Anlegerschutzgesetzes jede ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache zugleich Insidertatsache, aber nicht jede Insidertatsache unterlag auch der Adhoc-Publizitätspflicht. 574

Einer der Hauptgründe, weshalb der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG enger ist als der von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, ist die Eignung zu einer erheblichen Kursbeeinflussung bei einer Insiderinformation (vgl. § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F.). Nach dem neu eingefügten § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG ist eine solche Eignung gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlegeentscheidung berücksichtigten würde.575 Diese Prognose („geeignet“) ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Tatsache, des betroffenen Papiers, des Marktumfelds und anderer kursbeeinflussender Aspekte zu fällen.576 Im Schrifttum zur Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten des Anlegerschutzgesetzes wurde Erheblichkeit überwiegend ab einer Kursschwankung von 5 – 10 % angenommen.577 Es gab allerdings gegen eine derartige Festlegung von Werten auch Widerstände.578 Sicher war nur, dass Bagatellvorgänge ausschieden und solche Tatsachen, die überhaupt keine wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Gesamtunternehmen haben konnten.579 Diese bisherige Diskussion, wann erhebliches Kursbeeinflussungspotential vorliegt, dürfte durch die Neufassung obsolet geworden sein.580

Auch wenn von § 13 WpHG weniger Informationen erfasst werden als von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, wird es sich regelmäßig bei der Due Diligence offenbarten Informationen teilweise um Insiderinformationen handeln. Gerade weil es bis zur Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie erhebliche Unterschiede zwischen Insidertatsache und Ad-hoc-Tatsache gab, werden viele Unternehmen nach wie vor 572 Erfasst wurden auch Informationen über andere Unternehmen, wenn diese ihrerseits börsennotiert waren. Vgl. Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 49 ff. (52); Caspari, ZGR 1994, 530 (540). 573 Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (906); Fürhoff, AG 2003, 80; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (608); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (94 Fn 33). 574 So pointiert Fürhoff, AG 2003, 80. 575 Es handelt sich hierbei um die Umsetzung von Art. 1 Abs. 2 der Durchführungsrichtlinie 2003 / 124 / EG zur EU-Marktmissbrauchsrichtlinie. 576 Eingehend dazu Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 65d. 577 Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 69; Vaupel, WM 1999, 521 (530); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (379 Fn 74). 578 Müller, NJW 2000, 3452 (3456); Peltzer, ZIP 1994, 746 (749). 579 So pointiert Müller, NJW 2000, 3452 (3456). Vgl. Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 62; Fürhoff / Wölk, WM 1997, 455. 580 Dahingehend wohl zu Recht Ziemons, NZG 2004, 537 (538).

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noch nicht veröffentlichte Insiderinformationen haben. Abgesehen davon, dass der Publizitätspflicht auch nicht immer nachgekommen wird, kennt selbst der Vorstand nicht immer alle dem Unternehmen innewohnenden kursbeeinflussenden Tatsachen. Nicht selten werden bei einer Due Diligence derartige Risiken dem Vorstand überhaupt erst bekannt.581 Da es den außenstehenden Parteien gerade auf diese kursrelevanten Informationen ankommt, ist es naheliegend, dass unter den bei einer Due Diligence offen gelegten Daten Insiderinformationen sein können.582 Beispiele: Insidertatsachen sind die strategischen Planungen des Unternehmens (z. B. Erwerbs- oder Veräußerungsabsicht bezüglich wesentlicher Beteiligungen oder Betriebsteile), bevorstehende Zahlungseinstellungen, Gewinnprognosen der Abschluss oder die Kündigung bedeutender Vertragsverhältnisse.583

b) Insider, §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 2 WpHG a.F. Der Begriff des Insiders (Primär- und Sekundärinsider) wurde nicht nur in der alten Fassung des WpHG, sondern auch von der Marktmissbrauchsrichtlinie in Art. 2 Abs. 1 verwandt. Der Gesetzgeber hat diese Unterscheidung jedoch auf Tatbestandsebene bei der Neufassung von § 13 WpHG im Rahmen des Anlegerschutzgesetzes aufgegeben. Die Insiderverbote knüpfen nunmehr ausschließlich an die Innehabung von Insiderinformationen an.584 Nach alter Rechtslage hatte der Vorstand für Insidertatsachen nur dann ein Mitteilungsverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, wenn er Primärinsider i.S.v. § 13 Abs. 1 WpHG war. Wenn dies nicht der Fall war, bestand ein Verwertungsverbot nach § 14 Abs. 2 WpHG (Sekundärinsider), das die Due Diligence in keinem Fall behinderte. Diese Differenzierung erlaubte die Insiderrichtlinie von 1989, die in Art. 6 Abs. 2 den Mitgliedsstaaten freistellte, ob sie die Weitergabeverbote auch für Sekundärinsider vorsehen.585 Der Gesetzgeber des WpHG hatte von dieser Option keinen Gebrauch gemacht. Die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie vom 12. 04. 2003 verlangte dann allerdings eine prinzipielle Gleichstellung von Primär- und Sekundärinsidern. Durch die Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie wurde das Weitergabeverbot auf Sekundärinsider erstreckt, sofern diese Personen „wussten oder hätten wissen müssen“,586 dass es sich um Insiderinformationen hanDarauf weist zutreffend Louven, BB 2001, 2390 (2391) hin. Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500); Körber, NZG 2002, 263 (267); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (379 f.); Müller, NJW 2000, 3452 (3456); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Süßmann, AG 1999, 162 (169); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Meincke, WM 1998, 749 (756); Mertens, AG 1997, 541; Schroeder, DB 1997, 2161 (2164); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (454). 583 Weitere Beispiele bei Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 293. 584 Zur neuen Rechtslage: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (931 f.); Ziemons, NZG 2004, 537 (538). 585 Eingehend dazu Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (93). 586 Kritisch zu dieser Formulierung bereits Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (607): Nach dem Wortlaut reicht scheinbar im Vergleich zu Primärinsidern bereits die fahrlässige Unkenntnis der Insidereigenschaft aus, um den Tatbestand zu verwirklichen. Allerdings ergibt sich aus 581 582

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delt.587 Das Anlegerschutzgesetz ist über diese Anforderungen der Richtlinie nochmals hinausgegangen, da nunmehr bei Sekundärinsider auf das subjektive Tatbestandsmerkmal des Wissens um den Charakter einer Insiderinformation verzichtet wurde. Angesichts des Umstandes, dass beim Insiderhandelsverbot mittlerweile nicht nur die „Ausnutzung“ (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.), sondern bereits die schlichte „Verwendung“ untersagt ist, bedeutet dies eine enormen Verschärfung für Sekundärinsider.588

Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsidern ist allerdings nicht ganz entfallen, denn sie wird auf der Sanktionsebene wieder relevant. Während die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen für den Primärinsider gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG n.F. eine Straftat darstellen, werden sie bei Begehung durch einen Sekundärinsider lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 WpHG n.F.).589 Die Eigenschaft eines Primärinsiders hat der Vorstand des Zielunternehmens hinsichtlich aller Insidertatsachen, die seine eigene Gesellschaft betreffen, aufgrund von § 38 Abs. 1 Nr. 2 a) WpHG n.F. Dies wird bei einer Due Diligence die meisten offengelegten Insidertatsachen betreffen, wenn der Gegenstand der Unternehmensprüfung vornehmlich der Emittent selbst ist.590 Nicht alle Insidertatsachen, die während einer Due Diligence weitergegeben werden, betreffen jedoch das Zielunternehmen selbst. Es gibt vereinzelt auch Informationen, die ausschließlich andere Unternehmen als den Emittenten betreffen. Primärinsider ist der Vorstand aber auch dann, wenn die Gesellschaft des Vorstands am Kapital eines Emittenten beteiligt ist (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 b) 1. Fall WpHG n.F.). Eine bestimmte Beteiligungshöhe ist hierzu nicht erforderlich.591 Die Norm erfasst somit Informationen über andere Emittenten, die durch Joint Ventures in Form von Gemeinschaftsunternehmen

der Begründung des Kommissionsentwurfs vom 30. 05. 2001, dass bei Primärinsidern das Wissen um die Eigenschaft der Information als Insiderinformation vorausgesetzt wird und damit quasi als gesetzlich vermutet angesehen werden soll. Vgl. Kommissionsentwurf, KOM (2001) 281 vom 30. 05. 2001, Abl. Nr. C 240 E vom 28. 08. 2001, S. 7. 587 Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (607); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (93). 588 Darauf weist zu Recht Ziemons, NZG 2004, 537 (538) hin. Zustimmend: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (932). Rechtspolitische Kritik von Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, S. 594 ff. 589 Darauf weist zu Recht Ziemons, NZG 2004, 537 (538 Fn 9) hin. Eingehend dazu Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (931 f.). 590 Zu § 13 Abs. 1 WpHG a.F.: Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500); Körber, NZG 2002, 263 (267); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (379 f.); Müller, NJW 2000, 3452 (3456); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Süßmann, AG 1999, 162 (169); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Meincke, WM 1998, 749 (756); Mertens, AG 1997, 541; Schroeder, DB 1997, 2161 (2164); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (454). 591 Bereits kurz nach Erlass der Insiderrichtlinie von 1989 wurde im Vorfeld des deutschen Umsetzungsgesetzes versucht, dieses Tatbestandsmerkmal dadurch zu entschärfen, dass eine bestimmte Beteiligungshöhe verlangt wird. Dahingehend Claussen, ZBB 1992, 270; Hopt, ZGR 1991, 17 (36 f.). Der Wortlaut der Vorschrift gibt dafür keine Grundlage. Nach richtiger Auffassung wird aber bereits durch das „aufgrund“ eine angemessene Grenzziehung erreicht. Darauf weisen richtigerweise Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 15, Cahn, ZHR 162 (1998), 5; Assmann, ZGR 1994, 506; Assmann, AG 1994, 249 hin. Vgl. auch BegrRegE zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 46.

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erlangt wurden. Nach dem klaren Wortlaut sind hingegen Information aus rein schuldrechtlich gestalteten Joint Ventures („Contractual Joint Ventures“) oder bloßen strategischen Allianzen nicht erfasst. Primärinsider ist der Vorstand letztlich auch dann, wenn es sich bei dem Unternehmen, auf das sich die Informationen beziehen, um ein mit der Gesellschaft des Vorstands verbundenes Unternehmen handelt (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 b) 2. Fall WpHG n.F.).592 Betroffen sind somit Informationen, welche die Gesellschaft aufgrund des konzerninternen Informationsaustausches mit Tochtergesellschaften oder gemeinsamer Projekte, Joint Ventures oder Vertragsbeziehungen mit anderen Konzernunternehmen i.S.v. § 15 AktG erlangt (nicht zuletzt infolge personaler Verflechtungen).

3. „Unbefugte“ Weitergabe, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Das Weitergabeverbot in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG steht einer Due Diligence nur dann im Wege, soweit die Weitergabe von Insiderinformationen „unbefugt“ erfolgt. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff bleibt auch nach Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie das Kernproblem des Insiderverbots. Mit dem Erfordernis der Unbefugtheit setzte das WpHG ursprünglich eine Formulierung aus Art. 3 lit. a) der Insiderrichtlinie um, wonach Insiderinformationen nicht weitergeben werden dürften, „soweit dies nicht in einem normalen Rahmen in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht“. Die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie enthält in Art. 3 lit. a) dieselbe Formulierung.593 Da der Begriff „unbefugt“ auch im Anlegerschutzgesetz nicht näher definiert wurde, bleibt die Auslegung und Anwendung dieses Gesetzesbegriffs im Zentrum der Diskussion um die Due Diligence bei börsennotierten Aktiengesellschaften.594

a) Dogmatische Einordnung der Unbefugtheit Der Begriff der Unbefugtheit bereitet bereits erste Schwierigkeiten, wenn es um seine dogmatische Einordnung geht. Es besteht die Möglichkeit, dass es sich bei diesem Begriff um nicht mehr als einen Hinweis auf die allgemeine Rechtswidrigkeit handelt (so genanntes „Verbrechensmerkmal“). Auf der anderen Seite könnte die Formulierung „unbefugt“ aber auch als Tatbestandsmerkmal aufzufassen sein:

592 Der deutsche Gesetzgeber ging mit dieser Bestimmung über die Vorgaben der Insiderrichtlinie von 1989 hinaus, die in Art. 2 Abs. 1 als Insider nur diejenigen erfasste, die Mitglieder entsprechender Organe „des Emittenten“ selbst sind. Die Marktmissbrauchsrichtlinie vom 12. 04. 2003 hat dies nicht geändert (Art. 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1). Vgl. Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (607). Diese erweiterte Umsetzung wurde jedoch bislang als richtlinienkonform angesehen. Vgl. Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 12. 593 Daher bestand kein Änderungsbedarf für das WpHG: Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (607); Weber, EuZW 2002, 43 (44 f.); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (93). 594 Vgl. Ziemons, NZG 2004, 537 (538 f.).

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aa) Systematik Der Begriff „unbefugt“ findet sich auch in anderen wirtschaftsrechtlichen Vorschriften, die Geheimhaltungsverpflichtungen enthalten. In § 404 Abs. 1 AktG595, § 17 Abs. 1 UWG596 und § 18 UWG597 ist dieser Begriff nicht mehr als ein Hinweis auf die allgemeine Rechtswidrigkeit. Da § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG über § 38 WpHG ebenso wie diese Normen strafbewehrt ist, spricht die systematische Auslegung dafür, dass die Formulierung „unbefugt“ in dieser Vorschrift lediglich auf die Möglichkeit von Rechtfertigungsgründen hinweist.

bb) Entstehungsgeschichte und EU-Richtlinie Eine historische und richtlinienkonforme Auslegung kommt indes zu dem Ergebnis, dass man „unbefugt“ im Rahmen des § 14 WpHG nicht als allgemeines Verbrechensmerkmal betrachten kann.598 Der Begriff „unbefugt“ in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist nach fast allgemeiner Meinung599 richtlinienkonform auszulegen, denn auch die Begründung des Regierungsentwurfes zu § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verweist zur Auslegung ausdrücklich die zugrundeliegende EG-Richtlinie.600 In Art. 3 lit. a) der Insiderrichtlinie wird Personen die Weitergabe einer Insiderinformation untersagt, „soweit dies nicht in einem normalen Rahmen in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht“. Da die Marktmissbrauchsrichtlinie in Art. 3 lit. a) dieselbe Formulierung verwendet, ist davon auszugehen, dass „unbefugt“ kein allgemeines Verbrechensmerkmal, sondern Bestandteil des Tatbestandes ist.601 595 BGHSt 2, 194 (195); KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 74; Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 9; Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450). Vgl. Seite 209. 596 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 17 Rn 18; Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 18, Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 36; Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (872). Vgl. Seite 197. 597 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 5; Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 4, Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 16; Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (872). Vgl. Seite 201. 598 Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 47; Schäfer, WpHG, § 14 Rn 19; Kümpel, KapitalmarktR, Rn 16.192; Süßmann, AG 1999, 162 (163); Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809 (1810); Caspari, ZGR 1994, 530 (545). 599 Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 48; Schanz, Börseneinführung, § 16 Rn 13; Rozijn, NZG 2001, 494 (501); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Ziemons, AG 1999, 492 (497); Süßmann, AG 1999, 162 (163); Assmann, AG 1997, 50 (55); Schroeder, DB 1997, 2161 (2164). 600 BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47: „Vergleiche Artikel 3 Buchstabe a der Insiderrichtlinie“. Im Übrigen verweist auch der Leitfaden der BAFin (vormals: BAWe) und der Deutschen Börse AG ausdrücklich zur Auslegung auf die Insiderrichtlinie: BAWe / Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc Publizität, S. 21. 601 Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 47; Schäfer, WpHG, § 14 Rn 19; Kümpel, KapitalmarktR, Rn 16.192; Süßmann, AG 1999, 162 (163); Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809 (1810); Caspari, ZGR 1994, 530 (545).

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b) Konkretisierung des Tatbestandmerkmals bei der Due Diligence Mit der Einordnung als Tatbestandsmerkmal ist freilich noch nicht viel gewonnen. Die Frage der Definition und der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbefugt“ ist in der Literatur noch nicht abschließend geklärt.602 Einschlägige Rechtsprechung zur Auslegung von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG existiert ebensowenig.603 Auch die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie gibt nur vereinzelte Anhaltspunkte für die Auslegung dieser Vorschrift; der Gesetzgeber des Anlegerschutzgesetzes enthielt sich ebenfalls einer Stellungsnahme. Aus diesen Gründen ist und bleibt die Grenzziehung zwischen einer befugten und einer unbefugten Weitergabe höchst problematisch und daher das Hauptproblem für eine Due Diligence. aa) Entstehungsgeschichte und EU-Richtlinie Einigkeit besteht lediglich insoweit, dass Ausgangspunkt der Überlegungen wiederum die bereits zitierte Formulierung der zugrundeliegenden Richtlinie sein muss. Nach der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie dürfen Insiderinformationen nicht weitergeben werden, „soweit dies nicht in einem normalen Rahmen in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht“. Diese Formulierung muss im Folgenden allerdings ihrerseits ausgelegt werden: (1) In Erfüllung ihrer Aufgaben „In Erfüllung ihrer Aufgaben“ handeln die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft dann, wenn die Mitwirkung an der Due Diligence unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt. Entscheidender Aspekt ist im Rahmen von „in Erfüllung ihrer Aufgaben“ deshalb, ob der Vorstand die übrigen Grenzen seiner Informationsbefugnis beachtet, die sich insbesondere (aber nicht nur) aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ergeben.604 Auch wenn die Anstellungsvereinbarung eines Vorstandsmitglieds zumeist keine eigenständigen Vertraulichkeitspflichten enthält, kann dies entgegen vereinzelter Stimmen in der Literatur605 ohnehin keine Rolle spielen. Anderenfalls könnte durch den Anstellungsvertrag, für dessen Abschluss der Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG zuständig ist, über § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG disponiert werden.

So ausdrücklich Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht). Das liegt wohl hauptsächlich daran, dass es kaum strafrechtliche Ermittlungsverfahren hinsichtlich § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gibt, die zu Anklagen führen. 604 Schroeder, DB 1997, 2161 (2164). Zustimmend Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500), die offenbar fälschlicherweise von einem Gleichlauf von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG und § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ausgehen: vgl. Seite 162. 605 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500); Schroeder, DB 1997, 2161 (2164). 602 603

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(2) In einem normalen Rahmen Mehr Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob eine Weitergabe von Informationen im Zuge einer Due Diligence „in einem normalen Rahmen“ der Vorstandstätigkeit i.S.v. Art. 3 lit. a) der Marktmissbrauchsrichtlinie geschieht. „Normaler Rahmen“ könnte in Anlehnung an das GmbH-Recht bedeuten, dass die Informationsweitergabe lediglich im gewöhnlichen Geschäftsgang als befugt anzusehen ist, während außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands nicht gedeckt sind. Da die Due Diligence als eine dem Tagesgeschäft fremde Tätigkeit und somit als außergewöhnliche Maßnahme einzustufen ist, hätte diese enge Auslegungsmöglichkeit zur Konsequenz, dass die Weitergabe von Insiderinformationen im Zuge einer Due Diligence nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG stets verboten wäre.606 Andererseits könnte man aber auch den Richtlinienwortlaut so auslegen, dass die Informationsweitergabe als solche den im Verkehr „üblichen“ Verfahrensabläufen entsprechen muss.607 Diese weite Auslegungsalternative würde dazu führen, dass die Offenbarung von Insiderwissen bereits zulässig wäre, wenn sie nur innerhalb eines praxisüblichen Due Diligence-Verfahrens erfolgte. „In einem normalen Rahmen“ könnte aber letztlich auch bedeuteten, dass keine übermäßige Beeinträchtigung des Kapitalmarktes erfolgen darf.608 Die richtlinienkonforme Auslegung hilft demnach nicht weiter, da der Begriff des „normalen Rahmens“ in der Regierungsbegründung und Art. 3 lit. a) der Marktmissbrauchsrichtlinie mehrere Auslegungmöglichkeiten zulässt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. bb) Sinn und Zweck Da die Formulierung der Richtlinie schwierig zu handhaben ist, kann sie lediglich als Abwägungsgrundlage im Rahmen einer normativen Abwägung anhand des Sinn und Zwecks des Insiderrechts begriffen werden.609 Letztlich muss es bei der Auslegung von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG darum gehen, zwischen dem Kapitalmarktrecht und dem Gesellschaftsrecht zu vermitteln, deren Regelungsziele in einem Spannungsverhältnis stehen. Sinn und Zweck des Insiderrechts ist es, die Funktionsfähigkeit des organisierten Kapitalmarktes zu erhalten, indem alle Kapitalmarktteilnehmer gleichbehandelt und gegen die unrechtmäßige Verwendung von Insiderwissen geschützt werden.610 Das Insiderrecht kann allerdings keinen Darauf weist richtigerweise Schroeder, DB 1997, 2161 (2164) hin. Vgl. Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 48a. 608 Vgl. Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Schroeder, DB 1997, 2161 (2164). 609 So ausdrücklich: Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 48; Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 39. 610 BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 33. Dahingehend auch die Erwägungsgründe (2), (12) und (15) der Marktmissbrauchsrichtlinie. 606 607

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absoluten Geltungsanspruch haben, da sonst die in Art. 3 lit. a) der Richtlinie als schützenswert anerkannte unternehmerische Tätigkeit eines Insiders unverhältnismäßig eingeschränkt werden würde. Aus diesem Grund kann die Weitergabe von Insiderinformationen nicht umfassend untersagt sein.611 Auf der anderen Seite kann die Weitergabe von Insiderwissen aber auch nicht schon dann „befugt“ sein, wenn nur sie im Gesellschaftsinteresse i.S.v. §§ 93, 76 AktG liegt.612 Es kann somit weder ein einseitiges Primat des Kapitalmarktes noch umgekehrt ein umfassendes Primat des Gesellschaftsrechts geben.613 Die Grenzziehung zwischen einer befugten Weitergabe von Informationen und einer unbefugten Weitergabe hat aus diesem Grund mittels einer Interessenabwägung zu erfolgen. Es stellt sich dann die Folgefrage, welche Anforderungen an ein überwiegendes Interesse des weitergabewilligen Unternehmens zu stellen sind: Es ist zwar ein beachtenswertes Interesse des Kapitalmarktes, Insiderhandel präventiv zu bekämpfen. Bei der Abwägung ist dem Aspekt Rechnung zu tragen, dass es sich bei § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG um einen Vorfeldtatbestand handelt.614 Bei der Weitergabe von Insidertatsachen handelt es sich um eine Handlung, durch welche die Wahrscheinlichkeit einer Insidertransaktion lediglich erhöht wird. Die Verwirklichung einer solchen Transaktion erfolgt nicht notwendigerweise, so dass die Interessen des Kapitalmarktes noch nicht erheblich tangiert werden. Demgegenüber würde ein umfassendes Weitergabeverbot die unternehmerische Tätigkeit von Emittenten unverhältnismäßig beschränken. Dafür zeigen sowohl die Regierungsbegründung615 als auch die europäischen Richtlinien616 Verständnis, wenn sie eine Weitergabe „in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben“ erlauben.617 Aus diesem Grund dürfen keine zu hohen Anforderungen an eine „befugte“ Weitergabe i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gestellt werden. Eine Beschränkung auf Fälle, in denen die Weitergabe von Insiderwissen zwingend erforderlich ist, ginge bereits zu weit. Auch dies würde zu einer unangemessenen Einschränkung unternehmerischer Tätigkeit führen.618 Allerdings kann nicht be611 Dahingehend aber Weimann, DStR 1998, 1556 (1560), der von einem weitgehenden Weitergabeverbot ausgeht. 612 Dahingehend aber Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (500); Angersbach, Due Diligence, S. 294, die von einem Gleichlauf ausgehen. 613 So pointiert Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Singhof, ZGR 2001, 146 (153); Schneider / Singhof, FS Kraft, S. 585 (588 ff.). 614 So zutreffend Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht). 615 BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47: Danach liegt ein unbefugtes Mitteilen von Insiderwissen nicht vor, wenn die Information „im normalen Rahmen der Berufs- und Geschäftsausübungstätigkeit“ weitergegeben wird. 616 Siehe Art. 3 lit. a) Marktmissbrauchsrichtlinie bzw. Art. 3 lit. a) Insiderrichtlinie. Vgl. Seite 170. 617 Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 48; Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 39. 618 Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 48a; Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14; Süßmann, AG 1999, 162 (163); Schneider / Singhof, FS Kraft, S. 585 (590);

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reits das einfache Gesellschaftsinteresse als Rechtsgrund ausreichen, sondern nur kapitalmarktrechtlich relevante Interessen. Aus diesem Grund ist ein Zurücktreten der Interessen des Kapitalmarkts legitimiert, soweit aus Kapitalmarktsicht zulässige unternehmerische Interessen des Insiders die Weitergabe rechtfertigen.619 Nachfolgend gilt es zunächst darum, die Gefährdung des Kapitalmarktes durch die Weitergabe von Insiderinformationen im Zuge einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen zu bewerten. Anschließend muss untersucht werden, welche unternehmerischen Interessen der Zielgesellschaft einer Due Diligence diese Beeinträchtigung zu kompensieren vermögen: (1) Gefährdung des Kapitalmarktes durch eine Due Diligence Vereinzelt wird im Schrifttum davon ausgegangen, dass eine Due Diligence zu keiner erheblichen Gefährdung des Kapitalmarktes führe, da die meisten M&A-Transaktionen außerhalb des amtlichen Börsenhandels stattfinden („Faceto-Face-Geschäfte“).620 Gegen diese Einschätzung spricht bereits der Umstand, dass der Gesetzgeber des WpHG nicht von der Möglichkeit in Art. 2 Abs. 3 S. 2 der Insiderrichtlinie von 1989621 Gebrauch gemacht hatte, Face-to-Face-Geschäfte von vornherein vom Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG freizustellen. 622 Dass Due Diligence-Prüfungen abgesehen von Öffentlichen Übernahmeangeboten nur bei außerbörslichen Transaktionen stattfinden, verringert das Risiko für den Kapitalmarkt nicht wesentlich. Dies verhindert nur, Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809 (1810); Götz, DB 1995, 1949 (1950); Schleifer / Kliemt, DB 1995, 2214 (2217); Kappes, NJW 1995, 2832 f. 619 Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 48a; Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Süßmann, AG 1999, 162 (168 ff.); Schneider / Singhof, FS Kraft, S. 585 (590); Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809 (1810); Götz, DB 1995, 1950. Zustimmend: Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165). 620 Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380 Fn 79); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165), die diesen Umstand als bedeutsam einstufen. Schanz, Börseneinführung, § 16 Rn 27 sieht sogar überhaupt „keine Gefahr für die Integrität der Kapitalmärkte“ durch eine Due Diligence bei außerbörslichen Transaktionen. 621 Art. 2 Abs. 3 S. 2 der Insiderrichtlinie hatte folgenden Wortlaut: „Jeder Mitgliedsstaat kann vorsehen, dass dieses Verbot nicht für den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren gilt, die ohne Einschaltung eines Berufshändlers außerhalb eines Wertpapiermarktes [ . . . ] erfolgen. Die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie vom 12. 04. 2003 enthält diese Option nicht mehr. Vgl. Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (93). 622 Vgl. Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 28; Schäfer, WpHG, § 14 Rn 9; Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht). An einer Ausnutzung i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG fehlt es bei außerbörslichen Face-to-Face-Transaktionen dennoch, wenn eine Insidertatsache beiden Seiten bekannt ist. Vgl. Assmann / Schneider / Assmann /Cramer, WpHG, § 14 Rn 28; Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Fürhoff, AG 1998, 87; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809 (1811); Assmann, AG 1994, 246.

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dass die erlangten Insiderkenntnisse bei der betreffenden Transaktion selbst zum Nachteil anderer verwandt werden. Der Kreis der Insider vergrößert sich jedoch durch eine Due Diligence. Die missbräuchliche Verwendung des Insiderwissens außerhalb der Transaktion wird nicht ausgeschlossen. Es bleibt die Gefahr, dass Insiderwissen benutzt wird, um später an der Börse oder bei anderen M&A-Transaktionen andere Kapitalmarktteilnehmer zu übervorteilen. Das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer, dass die Organisation der Kapitalmärkte allen gleiche Informationen und Chancen garantiert, wird deshalb durch eine Due Diligence auch bei außerbörslichen Transaktionen beeinträchtigt. 623 Zwar wird die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes nur dann tatsächlich gefährdet, wenn der Informationsempfänger sein Insiderwissen ausnutzt. Die Frage der Weitergabebefugnis des Vorstands der Zielgesellschaft kann aber trotzdem nicht beantwortet werden, indem man darauf abstellt, ob der Informationsempfänger nach der Due Diligence (weitere) Aktienkäufe an der Börse unter Ausnutzung des Insiderwissens vornimmt (so genannte „Alongside“-Käufe).624 Zwar wäre dadurch die Weitergabe von Insiderinformationen nur in denjenigen Fällen verboten, in denen es tatsächlich zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes kommt. Bei einer derartigen Sichtweise machte man jedoch die Weitergabebefugnis des Vorstands vom späteren Verhalten des Informationsempfängers abhängig, auf das der Vorstand naturgemäß keinerlei Einfluss hat. Der Vorstand muss jedoch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Due Diligence wissen, ob er Insiderwissen rechtmäßig offenlegen kann. Ansonsten wäre er nicht nur unvertretbaren Haftungsrisiken (Schadensersatz aus § 93 Abs. 2 AktG), sondern auch einer etwaigen Strafverfolgung gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ausgesetzt. Gerade der strafrechtliche Gesichtspunkt darf hier nicht unberücksichtigt bleiben, denn die Strafbarkeit eines Verhaltens muss zum Tatzeitpunkt feststehen und darf nicht von späteren Umständen abhängen, auf die der Täter keinen Einfluss hat (§ 8 StGB, Art. 103 Abs. 2 GG).625 Die Frage, ob der Informationsempfänger nach der Due Diligence (weitere) Aktienkäufe unter Ausnutzung des Insiderwissens vornehmen darf, betrifft allein dessen Strafbarkeit aus §§ 38 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG.626 Insgesamt ist festzuhalten, dass der Durchführende einer Due Diligence einen wesentlichen Informationsvorsprung erhält, sofern er hierbei Kenntnis von Insidertatsachen erlangt. Er wird gegenüber anderen Kapitalmarktteilnehmern ungleich 623 Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (379); Ziegler, DStR 2001, 249 (253); Schroeder, DB 1997, 2161 (2164). Weitergehend: Weimann, DStR 1998, 1556 (1560). 624 Dahingehend aber wohl Schanz, Börseneinführung, § 16 Rn 29; zumindest missverständlich Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380 f. Fn 81). 625 Eingehend dazu Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht). 626 Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1396); Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 88c; Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 60 f. Vgl. auch BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47 und BAWe / Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc Publizität, S. 20.

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behandelt und bevorzugt, denen diese Informationen nicht zur Verfügung stehen. Die Weitergabe von Insiderwissen während einer Due Diligence gefährdet grundsätzlich die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes.627 (2) Kapitalmarktrechtlich relevantes Interesse an der Due Diligence Deshalb muss es ein kapitalmarktrechtlich relevantes, unternehmerisches Interesse an einer Due Diligence unter Einschluss von Insidertatsachen bei M&ATransaktionen geben, das diese Beeinträchtigung kompensiert. Die Interessenlagen können von M&A-Transaktion zu M&A-Transaktion ausgesprochen unterschiedlich sein, so dass die Befugnis zur Offenlegung von Insiderwissen nachfolgend transaktionsartabhängig erörtert werden muss: (a) Fusion Die Weitergabe von Insiderinformationen zur Vorbereitung von Fusionen im Wege der Verschmelzung, der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage oder eines Öffentlichen Umtauschangebots628 ist grundsätzlich als „befugt“ i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG anzusehen. Gesellschaftsrechtliche Regelungen machen die Festsetzung eines angemessenen Umtauschverhältnisses erforderlich,629 die ohne ausreichende Informationsgrundlage nur sehr schwer erfolgen kann.630 Ohne Due Diligence würde es zu einem erheblich höheren Prozessrisiko für die Beteiligten einer Fusion kommen. Es gibt zwar kein einseitiges Primat des Gesellschaftsrechts. Die Börsenzulassung kann jedoch nicht zur Folge haben, dass ihr vom Zeitpunkt der Börsennotierung an Sachkapitalerhöhungen oder Verschmelzungen faktisch unmöglich gemacht werden. Das Gesellschaftsrecht muss sich auch deshalb bei Fusionen gegenüber dem Insiderrecht durchsetzen, weil von einem angemessenen Umtauschverhältnisse alle Anleger profitieren, die an den fusionierenden Gesellschaften beteiligt sind. Dies ist wiederum im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarktes und muss als teleologisches Argument für eine Befugtheit sprechen. Letztlich kann für die Befugtheit der Offenlegung von Insiderinformationen im Rahmen von Fusionen auch die Marktmissbrauchsrichtlinie angeführt werden. Erwägungsgrund (29) geht ausdrücklich 627 Diese Einschätzung teilen auch Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (379); Ziegler, DStR 2001, 249 (253); Schroeder, DB 1997, 2161 (2164). Noch strenger Weimann, DStR 1998, 1556 (1560), der aufgrund dieser Feststellung zu einem weitgehenden Weitergabeverbot kommt. A.A.: Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380 Fn 79); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165), die dies (zumindest weitgehend) in Abrede stellen. Noch extremer Schanz, Börseneinführung, § 16 Rn 27, der davon ausgeht, dass „überhaupt keine Gefahr für die Integrität der Kapitalmärkte“ von einer Due Diligence ausgehe. 628 Zum Öffentlichen Übernahmeangebot: vgl. Seite 176 f. 629 Bei einer Verschmelzung ergibt sich dieses Erfordernis aus den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (§§ 14, 15, 29, 34 UmwG), bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage aus § 183 Abs. 3 S. 3 AktG bzw. aus § 205 Abs. 3 S. 3 AktG und beim Öffentliches Umtauschangebot aus § 31 Abs. 1 WpÜG sowie § 3 WpÜG-AngebVO: vgl. Seite 142 f. 630 Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1384 ff., 1395 f.), der sich speziell zur Abwehrfusion mit einem „White Knight“ äußert.

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davon aus: „Der Zugang zu Insider-Informationen über eine Gesellschaft und die Verwendung dieser Information mit dem Ziel, [ . . . ] einen Zusammenschluss mit ihm vorzuschlagen, sollten nicht als Insider-Geschäft gelten.“631 Diese Haltung des europäischen Gesetzgebers kann im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung berücksichtigt werden. Zwar haben Erwägungsgründe nicht dieselbe Normqualität wie die Artikel einer Richtlinie, sie können aber zumindest im Rahmen der historischen Auslegung herangezogen werden.632 Es gibt somit ein kapitalmarktrechtlich relevantes Interesse an einer Due Diligence unter Einschluss von Insiderdaten bei Fusionen.633

(b) Unternehmenskauf Da eine vollständige Übernahme durch einen außerbörslichen Share Deal (Face-to-Face) bei den durch das WpHG vorausgesetzten börsennotierten Aktiengesellschaften bereits an der Anzahl der ausstehenden Aktionären scheitert („Free float“),634 verbleiben bei Börsengesellschaften als Übernahmetechniken das Öffentliche Übernahmeangebot sowie die Übernahme durch Asset Deal. Es stellt sich allerdings die Frage, ob es überhaupt Anlass gibt, diesbezüglich über Differenzierungen nachzudenken:

(aa) Öffentliches Übernahme- und Pflichtangebot Entgegen vieler Äußerungen im Schrifttum spielt die Frage einer vorherigen Due Diligence auch bei Öffentlichen Übernahmen eine erhebliche Rolle in der Praxis, denn die meisten Übernahmeangebote haben die Unterstützung des Vorstands der Zielgesellschaft („freundliche Übernahme“).635 Das Insiderrecht muss auch bei Öffentlichen Übernahmeangeboten nach dem WpÜG zurückstehen, soweit es um die Gewährung einer Due Diligence mit Insiderinformationen geht. Der Zugang des Bieters zu Insiderinformationen lässt sich mit dem gesteigerten Informationsbedürfnis rechtfertigen, das sich aus seinem unternehmerischen Engagement ergibt. Dafür spricht auch die Regierungsbegründung zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. Danach stellte es keine „Ausnutzung“ von Insiderwissen dar, „wenn sich der potentielle Erwerber im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Unterlagen des zu veräußernden Unternehmens vorlegen läßt und hierdurch Kenntnis von Insidertatsachen erhält.“636 Vgl. auch Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (931 f.). Noch weitergehend Ziemons, NZG 2004, 537 (539). 633 Im Ergebnis (aber mit anderer Begründung): Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1384 ff., 1395 f.). 634 Die BörsZulVO schreibt seit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz einen Streubesitz von 25 % für den Amtlichen Handel vor (§ 9 Abs. 1 BörsZulVO). Beim Geregelten Markt überlässt dies § 50 Abs. 1 BörsG der BörsO; nach § 69 Abs. 1 Nr. 3 BörsO findet § 9 BörsZulVO keine Anwendung, aber die Zulassungsstelle kann die Zulassung ablehnen, „wenn aufgrund der niedrigen Streuung im Publikum ein ordnungsgemäßer Handel nicht gewährleistet scheint“. Da dies allerdings nur Zulassungspflichten sind und keine Zulassungsfolgepflichten, kann der Streubesitz bei älteren Emittenten geringer sein. Eine Grenze setzt insoweit aber § 38 Abs. 1 Nr. 2 BörsG. Vgl. Schlitt, AG 2003, 57 (61 bzw. 62). Zur Rechtslage an der NYSE und der LSE: Harrer / Fisher / Evans, RIW 2003, 81 ff. 635 Zu bisherigen Praxiserfahrungen mit dem WpÜG: Lenz / Behnke, BKR 2003, 43 ff. Empirische Daten für das Jahr 2002 bei Blättchen / Götz, FB 2003, 184 ff. 631 632

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Der Gesetzgeber setzte in dieser Passage anscheinend als selbstverständlich voraus, dass die vorherige Weitergabe von Insiderinformationen zur Vorbereitung im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zulässig ist.637 Ebenso wie bei der Fusion638 gibt es außerdem gesetzliche Regelungen, die ein „angemessenes“ Angebot erforderlich machen (§ 31 Abs. 1 WpÜG i.V. m. § 3 WpÜG-AngebVO). Da von einem angemessenen Angebotspreis alle Anleger der Zielgesellschaft profitieren, ist die Weitergabe von Insiderwissen wiederum im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarktes.639 Ebensowenig ist die Offenlegung im Vorfeld von Pflichtangeboten nach § 35 Abs. 2 WpÜG eine „unbefugte“ Handlung des Vorstands i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, denn insoweit kann nichts anderes als beim freiwilligen Öffentlichen Übernahmeangebot gelten.640 Dies fordert letztlich auch Erwägungsgrund (29) der Marktmissbrauchsrichtlinie, die im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen ist, denn danach soll der Zugang zu Insider-Informationen mit dem Ziel eines Öffentlichen Übernahmeangebotes nicht als Insider-Geschäft gelten.641

(bb) Asset Deal § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist auch beim Asset Deal anwendbar, denn entgegen eines weitverbreiteten Missverständnisses kann gegen das Insiderverbot auch dann verstoßen werden, wenn die M&A-Transaktion keinen Aktienkauf zum Gegenstand hat. Maßgeblich für die Anwendbarkeit der §§ 12 ff. WpHG ist allein der Umstand, das es sich um Insiderinformationen über eine börsennotierte Aktiengesellschaft handelt. Für eine Befugtheit spricht aber die historische Auslegung aufgrund der erwähnten Passage aus der Regierungsbegründung,642 denn die konkrete Rechtstechnik des Unternehmenskaufs wird darin nicht genannt643 und kann letztlich auch nicht entscheidend für das Insiderrecht sein. Wenn ganze Betriebe oder Betriebsteile im Wege der Einzelrechtsnachfolge ohne 636 BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47. Vgl. auch BAWe / Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc Publizität, S. 20 f. 637 Körber, NZG 2002, 263 (267); Sustmann, Der Syndikus 2001, 47 (48); Müller, NJW 2000, 3452 (3456); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165); Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 60. Ähnlich Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 31, 88 e, 88 f. A.A.: Angersbach, Due Diligence, S. 286 f. Offenbar geht auch die BAFin davon aus, da es in der Praxis gegen eine Due Diligence nicht einschreitet, wenn der Informationsempfänger unternehmerischen Einfluss anstrebt: vgl. Schroeder, DB 1997, 2161 (2165). Vgl. Seite 180 Fn 656. 638 Vgl. Seite 175. Bei einer Fusion durch Öffentliches Umtauschangebot handelt es sich ohnehin um dieselbe gesetzliche Regelung des WpÜG. 639 Im Ergebnis (aber mit anderer Begründung): Hopt, ZGR 2002, 333 (357); Assmann, ZGR 2002, 697 (708); Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 60. 640 Im Ergebnis (aber mit anderer Begründung): Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 294. Zur Due Diligence bei Pflichtangeboten eingehend: Streißle, BKR 2003, 788; KölnKomm / v. Bülow, WpÜG, § 35 Rn 173 ff. 641 Ebenso Ziemons, NZG 2004, 537 (539). Zustimmend Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (931). 642 BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47. 643 Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14; Ziemons, AG 1999, 492 (498).

12 Liekefett

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

vorherige Due Diligence erworben werden sollen, ist dies außerdem kautelarjuristisch ein äußerst schwieriges Unterfangen, weil der Bestimmtheitsgrundsatz die genaue Festlegung der übergehenden Aktiva und Passiva erforderlich macht.644 Gerade der Asset Deal ist deshalb ohne vorherige Offenlegung von Insidertatsachen nur mit Schwierigkeiten durchführbar, so dass man einem Emittenten dieser in § 179a AktG anerkannten Transaktionsart nahezu vollends berauben würde, wenn man § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG nicht entsprechend auslegt. Diese erhebliche Einschränkung der unternehmerischen Möglichkeiten eines Emittenten ist nicht mit bloßer Prävention gegen Insiderhandel zu rechtfertigen.645

(c) Beteiligungskauf Sehr problematisch ist die Rechtslage bei der Due Diligence anlässlich eines einfachen Beteiligungskaufs. An sich ist es gerade die Weitergabe von Insiderwissen zum Zwecke des Aktienkaufs, die § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verhindern soll. Auf der anderen Seite kann nicht jeder Kauf von Aktien gleichbehandelt werden. Ein Erwerbsinteressent, der den Kauf eines größeren Aktienpaketes und damit unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft anstrebt, unterscheidet sich vom gewöhnlichen Anleger im höheren Investitionsvolumen und -risiko sowie der Bereitschaft, selbst Verantwortung zu übernehmen. Es besteht somit ein erheblicher Unterschied zu den herkömmlichen Kapitalmarktteilnehmern, die nur eine Finanzanlage suchen. Das betriebswirtschaftliche Informationsbedürfnis646 ist in diesen Fällen viel größer als das des gewöhnlichen Kapitalmarkteilnehmers, der nur einzelne Aktien erwerben will. Lässt man eine Due Diligence-Prüfung zur Vorbereitung einer solchen M&A-Transaktion nicht zu, ist ein Beteiligungskauf zwar nicht unmöglich, aber sehr viel schwieriger zu gestalten. Dadurch wäre der deutsche Kapitalmarkt für Investoren unattraktiver und könnte im internationalen Wettrennen um Investitionen Schaden nehmen. Der Informationsinteressent muss deshalb im Vorfeld seiner Entscheidung in die Lage versetzt werden können, die Erfolgsaussichten seiner unternehmerischen Beteiligung zu beurteilen, sofern die Gesellschaft damit einverstanden ist. Die mit der Due Diligence verbundene Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes muss hierbei in Kauf genommen werden, um dem deutschen Kapitalmarkt nicht zu schaden, dessen Schutz § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG bezweckt.647 Für eine dahingehende Auslegung spricht auch die Regierungsbegründung zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. Danach ist der Kauf eines Aktienpaktes in Kenntnis von Insiderwissen nur dann untersagt, „wenn der Paketerwerber in Kenntnis solcher Tatsachen weitere Aktien im börslichen und außerbörslichen Handel erwirbt.“648 644 Eingehend dazu: Stiller, BB 2002, 2619 (2621 f.); Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn 827 ff. Vgl. Seite 33 und Seite 144. 645 Im Ergebnis: Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Ziemons, AG 1999, 492 (498). 646 Vgl. Seite 38 ff. 647 Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1733 ff.); Körber, NZG 2002, 263 (267); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380); Sustmann, Der Syndikus 2001, 47 (48); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165). Zur Zulässigkeit dieser Argumentation: vgl. Seite 58 f. 648 BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47. Vgl. auch BAWe / Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc Publizität, S. 20 f.

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Die Befugnis zur Weitergabe von Insiderinformationen zur Vorbereitung eines Paketkaufs wird demnach vom Gesetzgeber vorausgesetzt.649 Das Interesse des Insiders an der Gewährung einer Due Diligence unter Einschluss von Insiderinformationen überwiegt demnach die Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, wenn ganze Aktienpakete veräußert werden sollen.650 Diese Lösung führt allerdings zu einem Abgrenzungsproblem, da nunmehr zu klären ist, wann ein zulässiger Pakethandel vorliegt.651 Es muss also versucht werden, eine klare Abgrenzung zwischen bloßer Finanzanlage und Paketerwerb zu finden. In der bisherigen Literatur gibt es dazu nur wenige Ansätze und erstaunlicherweise hat auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) bislang keine verbindliche Stellungnahme zu diesem Thema abgegeben:652 Man könnte von einem zulässigen Pakethandel ausgehen, wenn der Gesamtwert für das Aktienpaket über die Summe der wirtschaftlichen Einzelwerte der zum Paket gehörenden Aktien hinausgeht. Dann könnte man argumentieren, dass der Mehrwert („Paketzuschlag“) den unternehmerischen Einfluss repräsentiert.653 Dieser Ansatz ist auf dem ersten Blick plausibel, stellt jedoch das Insiderverbot von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zur Disposition der Vertragsparteien des Anteilskaufvertrages. Außerdem steht zum Zeitpunkt der Due Diligence der Paketpreis zumeist noch nicht fest, weil gerade durch die Due Diligence der Anteilswert bestimmt werden soll. Letztlich ist es aufgrund der Vorerwerbsuntergrenze von § 4 WpÜG-AngebVO fraglich, ob bei börsennotierten Gesellschaften weiterhin ein Paketzuschlag gezahlt werden wird. Ein vielversprechender Ansatz ist die Suche nach Schwellenwerten im WpHG selbst. Deswegen könnte man es als ausreichend angesehen, wenn entsprechend einer Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG eine Beteiligungshöhe von 5 % angestrebt wird.654 Bei Aktiengesellschaften mit geringer Kapitalisierung ist das Investitionsvolumen beim Erwerb von 5 % aber nicht ausreichend für eine Ausnahme im Insiderrecht. In Gesellschaften mit erheblicher Börsenkapitalisierung ist der Erwerb von 5 % der Stimmrechte zwar eine erhebliche Investition, bei großen Publikumsgesellschaften kann aber trotz Streubesitz mit 5 % in der Haupt649 Körber, NZG 2002, 263 (267); Müller, NJW 2000, 3452 (3456); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165); Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 60. Ähnlich Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 31, 88 e, 88 f. 650 Körber, NZG 2002, 263 (267); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380); Sustmann, Der Syndikus 2001, 47 (48); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (253); Süßmann, AG 1999, 162 (168 ff.); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165). A.A.: Schäfer, WpHG, § 14 Rn 64, dessen Argumentation aber widersprüchlich ist. Vgl. Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1736). 651 Insoweit ist Schäfer, WpHG, § 14 Rn 64 zuzustimmen. A.A.: Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1736 f.), der auf diese Differenzierung verzichten will. 652 Vgl. Seite 180 Fn 656. 653 Dahingehend insbesondere Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809 (1810); Assmann, AG 1997, 50 (56). Vgl. auch Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 88e; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (381 Fn 82); Wastl, NZG 2000, 505 (506); Süßmann, AG 1999, 162 (168); Ziemons, AG 1999, 492 (499). 654 Dahingehend Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 88e; Süßmann, AG 1999, 162 (168). Ähnlich Krömker, Due Diligence, S. 69 mit Hinweis auf § 31 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG, der aber eine Einzelfallbeurteilung fordert.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

versammlung kaum unternehmerischer Einfluss ausgeübt werden. Eine derart niedrige Schwelle ist außerdem bedenklich, da sie zu einer sehr weitgehenden Aushöhlung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG führen würde. Die Ausnahme der Befugtheit würde eher zum Regelfall. Für die Auslegung von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG kann auch nicht der Begriff der „bedeutenden Beteiligung“ in § 3 BörsG und § 1 Abs. 9 KWG herangezogen werden. Eine Beteiligungshöhe von 10 % wäre angesichts des angestrebten Präventivschutzes durch das Insiderrecht ebenfalls relativ niedrig.655 Die Regelungsziele dieser Vorschriften sind außerdem vollkommen andere als die des WpHG, denn die 10 %-Schwellen sind hier Ausdruck der besonderen Aufsichtsbedürftigkeit von Börsen (BörsG) bzw. Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten (KWG). Richtigerweise ist die Kontrollschwelle nach § 29 Abs. 2 WpÜG bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „befugt“ i.S.v. von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG heranzuziehen. Mit der danach erforderlichen Beteiligungshöhe von 30 % sichert sich der Paketerwerber regelmäßig die Präsenzmehrheit in der Hauptversammlung.656 Die §§ 29 ff. WpÜG haben eine vergleichbare Zielrichtung wie § 14 WpHG, denn beide Regelungen bezwecken den Kapitalmarktschutz und dabei insbesondere den Schutz der (Minderheits-)Aktionäre vor Übervorteilung.657 Das Erreichen der Kontrollschwelle durch den Informationsempfänger hat zur Folge, dass dieser anschließend gemäß § 35 Abs. 2 WpÜG ein Pflichtangebot an alle Aktionäre abzugeben hat. Die gegenwärtigen Aktieninhaber der Zielgesellschaft werden dadurch sehr gut vor einer Übervorteilung infolge der durch die Due Diligence offengelegten Insiderkenntnisse geschützt, weil der Paketerwerber gezwungen ist, gemäß § 31 Abs. 1 WpÜG ein „angemessenes“ Angebot zu unterbreiten. Dabei bildet der beim Paketerwerb gezahlte Aktienpreis gemäß § 4 WpÜG-AngebVO die Preisuntergrenze („Vorerwerbsuntergrenze“). Im Rahmen des Angebotsverfahrens erfährt der Kapitalmarkt auch von der Weitergabe der Insiderinformationen, weil der Vorstand über die Gewährung einer Due Diligence in seiner Stellungnahme nach § 27 WpÜG zu berichten hat.658 Letztlich entspricht auch nur die Heranziehung der Kontrollschwelle des WpÜG der Marktmissbrauchsrichtlinie vom 12. 04. 2003.659 In Erwägungsgrund (29) heißt es: „Der Zugang zu Insider-Informationen über eine Gesellschaft und die Verwendung dieser Information mit dem Ziel, [ . . . ] die Kontrolle über dieses Unternehmen zu erwerben, sollten nicht als Insider-Geschäft gelten.“ Da die Formulierung „befugt“ in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Auslegungsspielraum lässt, ist dies im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen.660 Die Annahme einer 30 %-Schwelle erscheint auf den ersten Blick als hoch. Dahingehend aber Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809 (1810). Vgl. BegrRegE zu § 29 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 53. Für die Heranziehung der Präsenzmehrheit sind ebenfalls Ziemons AG 1999, 492 (499); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165). Die Ansicht der BAFin ist ungeklärt: Nach Schroeder, DB 1997, 2161 (2165) verlangt sie Präsenzmehrheit. A.A.: Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1737), wonach auf dieses Kriterium verzichtet werde. 657 BegrRegE zu § 35 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 60. 658 Vgl. Seite 236 f. 659 Weitgehender Ziemons, NZG 2004, 537 (539 f.), die befürchtet, dass selbst ein zum Kontrollwechsel führender Paketerwerb nicht als ausreichend angesehen werden könnte. A.A.: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (931), die auch eine Due Diligence zur Erlangung nicht unwesentlicher Beteiligungen zulassen. 660 Die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie übersehen sowohl Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1737) als auch Streißle, BKR 2003, 789 bei ihren Ausführungen. 655 656

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Man darf dabei aber nicht vergessen, dass das Insiderverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ohnehin nicht viele Informationen erfasst. Aufgrund der erheblichen Publizitätspflichten eines Emittenten verbleiben nur wenige Insiderinformationen, die eine börsennotierte Aktiengesellschaft zulässigerweise geheimhalten darf.661 Das Verbot, Insiderinformationen bei Beteiligungskäufen unterhalb der 30 %-Schwelle offenzulegen, führt deshalb nicht zu einer weitgehenden Unzulässigkeit der Due Diligence bei Paketverkäufen. Im Notfall verbleibt für den Emittenten immer noch der Ausweg, nicht publizitätspflichtige Insidertatsachen zu veröffentlichen, um den Paketkäufer später nicht böse überraschen zu müssen.

(d) Beteiligungsvertrag Es stellt sich die Frage, ob man die für den einfachen Beteiligungskauf gefundenen Ergebnisse auf Beteiligungsverträge mit Investoren (zumeist Beteiligungsgesellschaften wie Private Equity-Fonds) übertragen kann. Die starre Grenze von 30 % in Anlehnung an § 29 Abs. 2 WpÜG erscheint in diesen Fällen nicht mehr sachgerecht.662 Bei einer Beteiligung über ein atypisches Darlehen nach §§ 488 ff. BGB oder eine stille Beteiligung nach §§ 230 ff. HGB ist die sachliche Nähe zum Beteiligungskauf ohnehin nicht mehr vorhanden. Aber selbst wenn eine echte Kapitalbeteiligung des Investors im Rahmen einer Kapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG) oder durch den Erwerb von Aktien der gegenwärtigen Gesellschafter (ein Sonderfall des gewöhnlichen Beteiligungskaufes)663 beabsichtigt ist,664 ist der Rechtsgedanke von § 29 Abs. 2 WpÜG nicht mehr ohne weiteres heranzuziehen. Anders als beim einfachen Beteiligungskauf haben diese Transaktionen unmittelbaren Einfluss auf die Kapitalausstattung der Zielgesellschaft, da regelmäßig erhebliche Einzahlungen in die Kapitalrücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) Bestandteil des Investments sind. Angesichts des gesteigerten Investitionsvolumens und des nicht unerheblichen Investitionsrisikos besteht spiegelbildlich auch ein erhöhtes Informationsbedürfnis von Beteiligungsgesellschaften. Für den deutschen Kapitalmarkt wiederum besteht ein echter Bedarf an diesen Transaktionen – nicht zuletzt, weil deutsche Gesellschaften im internationalen Vergleich strukturell eine eher schwache Eigenkapitalausstattung haben und nicht erst mit den strengeren Eigenkapitalvorschriften für Banken („Basel II“)665 die Finanzierung mit Fremdkapital schwerer wird. Es gibt infolgedessen ein kapitalmarktrechtlich relevantes unternehmerisches Interesse an einer Due Diligence unter Einschluss von Insidertatsachen bei Beteiligungsverträgen auch unterhalb der 30 %-Schwelle von § 29 Abs. 2 WpÜG, so dass eine befugte Weitergabe i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erfolgen kann.666 661 Dies gilt umso mehr nach der Neufassung des § 15 WpHG, da nunmehr mit einer erheblichen Ausweitung der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu rechnen ist: vgl. Seite 227 ff. 662 Üblich sind Beteiligungen von 15 – 25 %. Vgl. Weitnauer, NZG 2001, 1065. 663 Aus steuerlichen Gründen ist diese Struktur allerdings vergleichsweise selten anzutreffen, da – zumindest bei einem Beteiligungsverkauf durch eine natürliche Person – gemäß §§ 17, 23 EStG steuerbarer Erlös generiert wird. Vgl. Weitnauer, NZG 2001, 1065 (1069); Pfeifer, BB 1999, 1665 (1668 f.). 664 Zu den verschiedenen Gestaltungen: vgl. Seite 34. 665 Einführend zu „Basel II“ und den Auswirkungen: Egbers, FB 2003, 456 ff. 666 Im Ergebnis (mit anderer Begründung): Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 68; Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 31.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

(e) Joint Venture Hinsichtlich der Befugnis zur Weitergabe von Insiderwissen anlässlich eines Joint Ventures kann auf die Argumente zurückgegriffen werden, die sich bei der Fusion anführen ließen. Letztlich handelt es sich bei der Gründung eines Joint Ventures in der Regel um nichts anderes als eine Fusion, wenn auch nur in Teilbereichen. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG steht insoweit einer Due Diligence im Vorfeld eines Joint Ventures nicht im Wege, soweit es sich um Insiderinformationen aus dem Geschäftsbereich des zukünftigen Joint Ventures handelt. Es handelt sich dabei um eine „befugte“ Offenlegung von Insiderwissen.

(f) Börsengang Für die Due Diligence der Konsortialbanken zur Vorbereitung eines Börsengangs kann die insiderrechtliche Befugnis systematisch mit einer Fernwirkung der §§ 30 Abs. 2 S. 1, 44 Abs. 1 BörsG und teleologisch mit dem Kapitalmarktschutz begründet werden. Nach den börsenzulassungsrechtlichen Vorschriften muss jeder Börsenprospekt (Börsenzulassungsprospekt, § 13 BörsZulVO bzw. Verkaufsprospekt, § 7 VerkProspG) über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung wesentlich sind, Auskunft geben sowie richtig und vollständig sein. Den Kapitalmarktteilnehmern muss demnach ein zutreffendes Urteil über den Emittent ermöglicht werden. Beim Börsengang haften die Emissionsbank und der Emittent den Anlegern gemäß § 44 Abs. 1 BörsG, § 13 Abs. 1 VerkProspG für die inhaltliche Richtigkeit des Börsenprospektes, da sie gemäß § 30 Abs. 2 S. 1 BörsG und § 13 Abs. 1 BörsZulVO den Prospekt zu unterzeichnen haben.667 Eine zutreffende Darstellung ist jedoch nur anhand aller Informationen einschließlich der Insiderinformationen möglich. Es kommt demnach zu einem Konflikt zwischen der Pflicht zur Offenbarung aufgrund der Prospektverantwortlichkeit und dem insiderrechtlichen Weitergabeverbot. Bei dieser Kollision insiderrechtlicher und prospekthaftungsrechtlicher Verhaltensanforderungen setzt sich die Prospektverantwortlichkeit durch. Beide Pflichten sind gleichermaßen kapitalmarktbezogen.668 Die zutreffende Prospektdarstellung bezweckt ebenso wie das insiderrechtliche Weitergabeverbot in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG den Schutz des Kapitalmarktes durch die Sicherstellung einer informationellen Gleichbehandlung aller Anleger. Der einzige Unterscheid besteht darin, dass die Prospektvorschriften diese Gleichbehandlung durch aktive Publizität anstreben, während § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG den umgekehrten Weg geht und den Kreis der Insider durch einen Verschwiegenheitspflicht klein zu halten versucht. Im Vergleich zum Insiderrecht vermeidet die Publizität durch Börsenprospekte das Problem von Informationsasymmetrien im Kapitalmarkt wesentlich effizienter, da dadurch Insiderwissen eliminiert wird.669 Aus diesem Grund kann die Vorbereitung eines Prospekts unter Weitergabe von Insidertatsachen nicht „unbefugt“ i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG sein.

667 Diese Prospekthaftung setzt gemäß § 45 Abs. 1 BörsG voraus, dass die Unkenntnis einer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts zumindest auf grober Fahrlässigkeit beruht. Ob die Unterlassung einer Due Diligence darunter fällt, ist ungeklärt: vgl. Seite 146. 668 Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht). Vgl. auch Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankR, § 107 Rn 91. 669 Es entfällt das Tatbestandsmerkmal „nicht öffentlich bekannt“ (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG): vgl. Seite 163. Aus ökonomischer Sicht: Köhler, DBW 2003, 77 ff.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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(3) Zusätzliche Anforderungen an eine befugte Weitergabe Es kann nachdem festgestellt werden, dass bei den meisten M&A-Transaktionen eine befugte Weitergabe von Insiderinformationen i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG möglich ist. Nunmehr ist zu untersuchen, ob es zusätzliche prozedurale Anforderungen gibt, die bei der Due Diligence zu beachten sind. In Betracht kommt der Abschluss von Geheimhaltungsvereinbarungen und „Standstill Agreements“ mit dem Informationsempfänger: (a) Gesetzliche oder vertragliche Geheimhaltungspflicht Da eine Weitergabe im Rahmen einer Due Diligence den Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung bereits aufgrund § 93 Abs. 1 S. 3 AktG erforderlich macht,670 kann an sich dahinstehen, ob der Informationsempfänger einer weiteren gesetzlichen oder vertraglichen Geheimhaltungspflicht unterliegen muss.671 Vor der Verabschiedung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie war es sehr fraglich, ob dies für eine befugte Weitergabe i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verlangt werden kann. Eine vertragliche Geheimhaltungsvereinbarung reicht eigentlich nicht aus, um den Kreis der Insider möglichst klein zu halten.672 Sie ermöglicht nur zivilrechtliche Sanktionen und selbst diese sind in der Praxis nur schwer durchzusetzen.673 Ebensowenig konnte ursprünglich eine besondere gesetzliche Geheimhaltungspflicht des Informationsempfängers zur Voraussetzung für eine „befugte“ Weitergabe von Insidertatsachen gemacht werden, denn ein solches Erfordernis ließ sich nicht aus der Gesetzesfassung herleiten.674 Mit der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie vom 12. 04. 2003 wird man diese Rechtsfrage indes anders beurteilen müssen. Nach Art. 6 Abs. 3 S. 2 der Richtlinie muss „die Person, an die die Information weitergegeben wird, zur Vertraulichkeit Vgl. Seite 118. Dahingehend Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (454); Götz, DB 1995, 1949 (1950), die an berufliche Geheimhaltungspflichten wie § 203 StGB denken. 672 Müller, NJW 2000, 3452 (3456); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165), Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (454); Götz, DB 1995, 1949 (1950). 673 Vgl. Seite 204 f. 674 Ziegler, DStR 2000, 249 (253 f.); Assmann, AG 1997, 50 (55); Schanz, Börseneinführung, § 16 Rn 14. Auch die Annahme, nur Primärinsidern gegenüber sei eine befugte Offenlegung möglich, fand im Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. keine Stütze. Der Aspekt einer besonderen gesetzlichen Geheimhaltungspflicht konnte nur im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden. A.A.: Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 48b; Süßmann, AG 1999, 162 (163) die ein Weitergabeverbot forderten, da Sekundärinsider nach der alten Fassung des WpHG die Insiderinformationen straflos weitergeben und so den Kreis von Insidern unter Erhöhung des Risikos von Insidergeschäften sanktionslos erweitern konnten. Es gab allerdings keinen Hinweis im Gesetz dafür, dass es nicht ausreicht, wenn der Informationsempfänger als Sekundärinsider nur dem Transaktionsverbot des § 14 Abs. 2 WpHG a.F. unterlag. Vgl. Ziegler, DStR 2000, 249 (254); Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809 (1810). 670 671

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

verpflichtet“ sein und dies „unabhängig davon, ob sich diese Verpflichtung aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag ergibt“. Andernfalls müssten gemäß Art. 6 Abs. 3 S. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie die Insiderinformationen für eine Due Diligence zeitgleich öffentlich bekanntgegeben werden. Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG kann folglich nur zu dem Ergebnis kommen, dass eine Vertraulichkeitsverpflichtung des Informationsempfängers nunmehr Voraussetzung für eine befugte Weitergabe von Insiderwissen ist. Exkurs: Due Diligence und § 38 Abs. 1 Nr. 2 c) WpHG n.F. Im Übrigen ist der Informationsempfänger bei einer Due Diligence in der Regel Primärinsider gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 c) WpHG n.F. und damit potentiell strafbar. Angesichts des Wortlautes ist es zwar problematisch, ob er das Insiderwissen „bestimmungsgemäß aufgrund seines Berufes, seiner Tätigkeit oder seiner Aufgabe“ erlangt. Die Vorgängervorschrift § 13 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. wurde allerdings stets weit ausgelegt, um den Kapitalmarkt besser schützen zu können. Aus diesem Grund wurde eine weite Auslegung vorgeschlagen, damit strafrechtliche Konsequenzen für die Weitergabe von Insiderwissen angedroht werden können, um so die Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch eine Due Diligence auf ein erträgliches Maß reduzieren zu können.675 Erlangt der Informationsempfänger durch eine Due Diligence bei einer Unternehmenstransaktion Insiderwissen, so erlangt er es bestimmungsgemäß aufgrund seiner unternehmerischen „Tätigkeit“ als Transaktionsbeteiligter. Dadurch gelangt man zwar an die Grenze des Wortlautes, die aber nicht überschritten wird, so dass keine durch Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 Strafgesetzbuch (StGB) verbotene Analogie zu Lasten des Täters vorliegt.

(b) „Standstill Agreement“ Nichts anderes kann für so genannte „Standstill Agreements“ gelten. Mitunter wird gefordert, dass die Zielgesellschaft vor Beginn einer Due Diligence den Informationsempfänger dazu verpflichten müsse, außerhalb der Transaktion keine Aktien zu erwerben.676 Ein „Standstill Agreement“ ist unter dem Aspekt des Kapitalmarktschutzes durchaus sinnvoll. Aber zum einem kann eine rein schuldrechtliche Verpflichtung des Informationsempfängers ebensowenig Schutz bieten wie eine vertragliche Geheimhaltungspflicht. Zum anderem findet diese Ansicht weder Stütze im Gesetz noch in der EU-Richtlinie.

675 Körber, NZG 2002, 263 (267); Ziegler, DStR 2000, 249 (254); Süßmann, AG 1999, 162 (169); Ziemons, AG 1999, 492 (498). 676 Dahingehend KölnKomm / v. Bülow, WpÜG, § 35 Rn 175 (bei Pflichtangeboten); Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht).

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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4. Zusammenfassung Unter den während einer Due Diligence offen gelegten Informationen sind Insiderinformationen über die Gesellschaft. Hinsichtlich dieser Informationen ist der Vorstand regelmäßig Primärinsider. Die Weitergabe von Insiderinformationen erfolgt indes nicht „unbefugt“, soweit der Empfänger einer besonderen Geheimhaltungspflicht aus Vertrag oder Gesetz unterliegt und aus Kapitalmarktsicht zulässige unternehmerische Interessen des Insiders die Weitergabe rechtfertigen. Bei den meisten M&A-Transaktionen liegen diese Voraussetzungen vor; bei einer Due Diligence anlässlich eines einfachen Beteiligungskaufs erst ab einer beabsichtigten Beteiligungsquote von 30 %.

III. Annex: Weitere Geheimhaltungspflichten aus Sondergesetzen oder Vertrag Den Vorstand einer Aktiengesellschaft treffen nicht nur gesellschaftsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Verschwiegenheitspflichten, sondern auch noch weitere Geheimhaltungspflichten aus dem Bundesdatenschutzgesetz (§ 4 BDSG), dem Wettbewerbsrecht (§§ 17, 18 UWG) und aus Vertrag (z. B. Geheimhaltungsvereinbarungen in Lizenzverträgen). Diese Geheimhaltungspflichten werden nachfolgend daraufhin untersucht, ob sie einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen im Wege stehen. 1. § 4 Abs. 1 BDSG Die Problematik des Datenschutzrechts bei M&A-Transaktionen rückte spätestens durch einen kritischen Bericht des „Handelsblatts“ vom 29. August 2001 ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, nachdem das OLG Karlsruhe bei der Fusion zweier Volkbanken einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) festgestellt hatte.677 Daraufhin entbrannte eine heftige Diskussion in der rechtswissenschaftlichen Literatur.678 Im Zentrum stand dabei die Vollzugsphase einer Fusion durch Verschmelzung. Die Problematik der Datenübermittlung in der Vorphase ei677 Handelsblatt v. 29. 08. 2001: „Ungelöstes Problem“. Die Problematik des Datenschutzrechts bei M&A-Transaktionen wurde erstmals im Schrifttum diskutiert, nachdem die Datenschutzaufsichtsbehörde von Baden-Württemberg im Januar 2000 ihre Rechtsauffassung zur Vereinbarkeit von BDSG und Bankenfusionen veröffentlichte (Staatsanzeiger für BadenWürttemberg v. 18. 01. 2000, S. 13). Kurze Zeit später erschien ein Beitrag in der NJW, in dem die Autoren entgegen der Auffassung der Behörde von einer datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit von Fusionen ausgingen (Wengert / Widmann / Wengert, NJW 2000, 1289 ff.). 678 Gehricke, SJZ 99 (2003), 1; Gola, RDV 2002, 109; Essers / Hartung, RDV 2002, 278; Schaffland, NJW 2002, 1539; Steins / Marth, M&A Review 2002, 67; Simitis, ZHR 165 (2001), 453; Zöllner, ZHR 165 (2001), 440; Marsch-Barner / Mackenthun, ZHR 165 (2001), 426; Teichmann / Kiessling, ZGR 2001, 33; Wengert / Widmann / Wengert, NJW 2000, 1289.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

ner Unternehmenstransaktion (insbesondere der Due Diligence) wurde nicht immer gesehen.679 Wenig beachtet wurde auch, dass sich diese Frage nicht nur bei Fusionen, sondern bei allen M&A-Transaktionen stellt.680 Hauptproblem stellt in dieser Hinsicht § 4 Abs. 1 BDSG dar, der über §§ 43, 44 BDSG bußgeld- und strafbewehrt ist.681 Danach ist die „Verarbeitung“ von personenbezogenen Daten nur zulässig, wenn dies durch eine bestimmte Rechtsvorschrift erlaubt wird oder der Betroffene eingewilligt hat. Da unter „Verarbeitung“ gemäß § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 BDSG auch die Übermittlung von Daten an Dritte682 fällt, stellt sich die Frage nach der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit einer Due Diligence. a) „Personenbezogene Daten“ bei der Due Diligence § 4 Abs. 1 BDSG hat nur wenige Überschneidungen zu den Anwendungsbereichen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG und § 14 Abs. 1 Nr. WpHG, da nur „personenbezogene Daten“ erfasst werden. Bei personenbezogenen Daten handelt es sich nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BDSG um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Ausgenommen sind Daten, die ausschließlich eine juristische Person betreffen, so dass Informationen über die Aktiengesellschaft selbst nicht unter den Schutz des BDSG fallen.683 Eine Aktiengesellschaft verfügt wie jedes Unternehmen über eine Vielzahl personenbezogener Daten i.S.v. § 3 Abs. 1 BDSG. Dies umfasst zunächst die Daten über die Mitarbeiter, die regelmäßig Gegenstand der während einer Due Diligence übermittelten Informationen bei M&A-Transaktionen sind. Beispiele: In der M&A-Praxis werden Eintrittsdatum, Alter, Familienverhältnisse, Gehalt, Behinderungsgrad, Betriebsratsmitgliedschaft und Hinweise auf gerichtliche Auseinandersetzungen684 zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen der Mitarbeiterlisten offengelegt. Im Rahmen der Due Diligence werden ferner häufig Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Gesamtzusagen und Arbeitsverträge der Führungskräfte weitergegeben, deren Offenlegung jedoch unproblematisch ist. 685 Dieser Frage hatten sich erstmals Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 ff. gewidmet. So pointiert Essers / Hartung, RDV 2002, 278. 681 Das Bundesdatenschutzgesetz findet gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 2 Abs. 4 S. 1 BDSG auf eine Aktiengesellschaft als „nicht-öffentliche Stelle“ Anwendung. 682 Der Durchführende einer Due Diligence ist „Dritter“ nach § 3 Abs. 8 S. 2 BDSG. 683 Essers / Hartung, RDV 2002, 278. Dies ist in vielen anderen Ländern anders geregelt worden. Beispielsweise wurde in Italien der Anwendungsbereich bei der Umsetzung der Datenschutzrichtlinie 95 / 46 / EG weiter gefasst und schützt auch Daten betreffend juristischer Personen. Ebenso ist das Schweizer Datenschutzrecht gemäß § 2 Abs. 1 DSG auch auf juristische Personen anwendbar: Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (2). 684 Die Information über anhängige Gerichtsverfahren erfolgt oftmals aus Gerichtsakten. § 27 Abs. 2 BDSG schließt die Anwendung von Daten, die aus „Akten“ stammen, jedoch aus. Aber auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ist dann nicht betroffen, denn dagegen spricht die Wertung des § 169 GVG (Öffentlichkeitsgrundsatz bei Gerichtsverhandlungen). Eingehend dazu Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (22). 679 680

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Bei nahezu jeder Aktiengesellschaft sind ferner Lieferanten- und Kundendaten vorhanden, die bei einer Due Diligence zur Verfügung gestellt werden, wenn auch diese Daten größtenteils nur Informationen über juristische Personen beinhalten.686 Beispiele: Eine Reihe von Unternehmen hat eine Großzahl von Kunden, die natürliche Personen sind. Insbesondere Banken, Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen oder Versandhandelsunternehmen verfügen regelmäßig über einen großen Kreis natürlicher Personen als Kunden.687 Auch soweit die eigentlichen Vertragspartner juristische Personen sind, können innerhalb dieser Daten personenbezogene Informationen über bestimmte Ansprechpartner vorhanden sein.688

Sofern die betreffenden Daten anonymisiert werden, fehlt es an der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Person, auf die sich die Daten beziehen. Anonymisierte Daten sind daher gemäß § 3 Abs. 6 BDSG keine personenbezogene Daten. Daten über Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden können demnach bei einer Due Diligence ohne weiteres datenschutzrechtlich zulässig zur Verfügung gestellt werden, wenn dies in Form von anonymisierten Listen geschieht.689 In der Praxis wird indes nicht selten auf eine Anonymisierung der Daten bei der Due Diligence verzichtet.690 Bei den entsprechenden Datenlisten handelt es sich regelmäßig um Hunderte von Dokumenten. Die Anonymisierung der Daten vor einer Due Diligence unterbleibt daher häufig bereits aus Zeitgründen und nicht nur angesichts der damit verbundenen Kosten.691 Darüber hinaus gibt sich der Informationsempfänger auch nicht immer bereitwillig mit anonymisierten Daten zufrieden, wenn die Identifizierung der Betroffenen für ihn von Relevanz ist.692 685 Die Übermittlung aller im Betrieb geltenden Tarifverträge ist zulässig, da es sich um allgemein zugängliche Quellen i.S.v. § 28 Abs. S. 1 Nr. 3 BDSG handelt. Diese Vorschrift umfasst auch Betriebsvereinbarungen und Gesamtzusagen, die zumindest „betriebsöffentlich“ sind, da sie gemäß § 77 Abs. 2 S. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) im Betrieb auszulegen sind. Die Weitergabe der Arbeitsverträge der Führungskräfte betrifft nicht das BDSG, da es sich bei Verträgen nicht um Daten aus EDV-mäßig geführten Dateien handelt. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist dann nicht betroffen. Vgl. Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (21 f.) und Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (279). 686 Eingehend dazu Essers / Hartung, RDV 2002, 278. 687 Essers / Hartung, RDV 2002, 278. 688 Nicht selten werden Angaben über Vorlieben dieser Ansprechpartner u. ä. gespeichert. Vgl. Essers / Hartung, RDV 2002, 278. 689 Gola, RDV 2002, 109 (115); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 f.; Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19). Zum Schweizer Recht: Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (4 f.). Dies kann durch den Austausch der Namen durch eine laufende Nummerierung erfolgen (Pseudonymisierung gemäß § 3 Abs. 6a BDSG), solange nicht aufgrund anderer Listenmerkmale eine Identifizierung möglich bleibt. Vgl. Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (279); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19). 690 Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (5); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (377); Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (18 f.); Semler / Volhard / Dietzel, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 9 Rn 94. 691 So die (überzeugende) Erklärung von Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (5). 692 Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (5); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19).

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Beispiele: Bei fast jeder Due Diligence werden personenbezogene Daten der Führungskräfte angefragt, da der Qualität und Zusammensetzung des Managements bei der Unternehmensbewertung in der Regel eine Schlüsselrolle zukommt.693 Ein Kaufinteressent benötigt personenbezogene Daten zur Vorbereitung der Post-Merger-Integration.694 Wird ein Asset Deal angestrebt, werden Kunden- und Lieferantendaten benötigt, um abschätzen zu können, ob die nach § 415 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Zustimmung zur Übertragung der Vertragsverhältnisse erteilt wird.695

b) Rechtfertigung der Übermittlung bei einer Due Diligence Aufgrund von § 4 Abs. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten während einer Due Diligence nur dann übermittelt werden, wenn entweder das BDSG selbst oder eine andere Rechtsvorschrift diese Übermittlung erlaubt oder die betroffene Personen eingewilligt haben.

aa) Einwilligung der Betroffenen Die Übermittlung personenbezogener Daten im Zuge einer Due Diligence wäre zulässig, wenn die Betroffenen (§ 3 Abs. 1 a.E. BDSG) einwilligen würden. In der Praxis wird diese Möglichkeit so gut wie gar nicht wahrgenommen. Die Einholung aller Einwilligungen ist schon wegen der Vertraulichkeit der M&A-Projekte und der Gefahr von Medienresonanz ausgeschlossen.696 Insbesondere bei Großunternehmen kommt hinzu, dass es auch praktisch (insbesondere aus Zeitgründen) kaum möglich sein wird, vor Beginn einer Due Diligence jeden einzelnen Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden um seine Einwilligung zu bitten.697 Diese Einwilligung bedarf zudem für ihre Wirksamkeit nicht nur der Schriftform (§ 4a Abs. 1 S. 3 BDSG), sondern zudem noch einer eingehenden Belehrung (§ 4a Abs. 1 S. 2 BDSG).698 Gerade Einwilligungserklärungen von Arbeitnehmern gegenüber ihren Arbeitgebern werden aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses von den Datenschutzbehörden äußerst skeptisch eingeschätzt, da die Freiwilligkeit (§ 4a Abs. 1 S. 1 BDSG) zweifelhaft ist.699 Letztlich würden sich die Transaktions693 Gola, RDV 2002, 109 (115); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (378); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19). 694 Zur Bedeutung der Post-Merger-Integration: Bark / Kötzle, FB 2003, S. 133. 695 Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (285). Zum Datenschutz beim Asset Deal auch: Steins / Marth, M&A Review 2002, 67 (71). 696 Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (5); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (280); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (18). 697 Eingehend dazu: Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (280). Zustimmend: Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (5); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (18). 698 Darauf weisen zutreffenderweise Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (281); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (18) hin. 699 Eingehend dazu: Gola, RDV 2002, 109 ff.; Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (281).

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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beteiligten insoweit der Willkür Dritter ausliefern und könnten durch das Einholen von Zustimmungserklärungen Widerspruch zu einer Due Diligence unnötig provozieren.700 Schließlich sind eine Reihe von Konstellationen denkbar, in denen M&A-Transaktionen nicht im Interesse von Betroffenen liegen.701 Beispiele: Arbeitnehmer befürchten drohende Rationalisierungsmaßnahmen und den Verlust ihres Arbeitsplatzes.702 Kunden oder Lieferanten könnten bei Übernahmen ein Interesse daran haben, weiterhin mit den ihnen vertrauten Vertragspartner zu tun zu haben und aus diesem Grund die Einwilligung verweigern.703

bb) Betriebsvereinbarung als „andere Rechtsvorschrift“ Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine „andere Rechtsvorschrift“ im Sinne von § 4 Abs. 1 BDSG auch eine Betriebsvereinbarung sein.704 Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung, welche die Übermittlung von Mitarbeiterdaten im Zuge einer Due Diligence ausdrücklicht zulässt, ist dennoch in der Praxis unüblich.705 Dies liegt daran, dass die Transaktionspartner meist darauf bedacht sind, ihre Verhandlungen aus den genannten Gründen vor den Arbeitnehmern so lange wie möglich geheim zu halten.706 Die Betriebsräte auf der anderen Seite werden an einer solchen Vereinbarung entweder kein Interesse haben oder sie sogar von gewissen Zugeständnissen in anderen Bereichen abhängig machen wollen. Anders kann es allerdings sein, wenn im Betrieb allgemein bekannt ist, dass eine Due Diligence anlässlich einer M&A-Transaktion durchgeführt werden soll und Betriebsrat und Belegschaft dieses Vorhaben ausdrücklich unterstützen.707 Hinsichtlich der personenbezogenen Daten über Kunden und Lieferanten stellt indes dies jedoch keine Lösung dar. cc) Gerechtfertigte Datenübermittlung, § 28 BDSG Liegen weder die Einwilligung der Betroffenen noch eine entsprechende Betriebsvereinbarung vor, so kann die Übermittlung von personenbezogenen Daten im Rahmen einer Due Diligence gemäß § 28 BDSG zulässig sein. Diese Vorschrift erlaubt in einigen Konstellationen und unter gewissen Voraussetzungen eine Datenübermittlung von personenbezogenen Daten. Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (5); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (280). Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (280). 702 Gola, RDV 2002, 109 (115); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (280). 703 Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (280). 704 BAG, DB 1996, 333; BAG DB 1986, 2080; Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (18). 705 Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (18). 706 Erfahrungsgemäß wird deshalb häufig der Wirtschaftsausschuss entgegen § 106 Abs. 2, 3 BetrVG nicht rechtzeitig informiert und ein Bußgeld in Kauf genommen (beträgt gemäß § 121 Abs. 1, 2 BetrVG auch nur maximal 20.000 A). 707 Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (18). Vgl. Gola, RDV 2002, 109 (116). 700 701

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

(1) Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses Von den in § 28 BDSG genannten Alternativen scheidet § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG aus, weil eine M&A-Transaktion nicht der „Zweckbestimmung“ eines Arbeits-, Lieferanten- oder Kundenvertrages dient. Man könnte allenfalls bei drohender Betriebseinstellung oder Insolvenz argumentieren, dass durch die Unternehmenstransaktion eine Fortführung des Vertragsverhältnisses gewährleistet wird. Eine dahingehende mittelbare Zweckbestimmung wäre indes sehr konstruiert und reicht nicht aus. Die von dieser Vorschrift geforderte Zweckbestimmung muss sich aus dem Vertrag selbst ergeben.708 (2) Wahrung berechtigter Interessen der Gesellschaft Die Übermittlung personenbezogener Daten während einer Due Diligence kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie zur Wahrung „berechtigter Interessen“ der Aktiengesellschaft als speichernder Stelle erforderlich ist (§ 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BDSG) „Schutzwürdige Interessen der Betroffenen“ (§ 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a.E. BDSG) werden bei M&A-Transaktionen nicht von vornherein überwiegen. Dem Schutz der Privatsphäre (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 GG) der Mitarbeiter wird grundsätzlich dadurch genügt, dass durch eine entsprechende Geheimhaltungsvereinbarung sichergestellt wird, dass die im Rahmen einer Due Diligence weiterzugebenden Daten nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich gemacht werden und die Daten nach der Transaktion gelöscht werden.709 Allfällige Interessen der Betroffenen an einer Verhinderung der Transaktion (z. B. in Befürchtung eines Stellenabbaus oder eines Lieferantenwechsels) dürfen in diese Abwägung nicht einfließen, da sie durch das Datenschutzrecht nicht geschützt werden.710 Das Interesse der Aktiengesellschaft an einer M&A-Transaktion kann ein „berechtigtes Interesse“ i.S.v. § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BDSG darstellen, sofern die Weitergabe von Informationen zur Wahrung dieses Interesses „erforderlich“ ist.711 Ebenso wie im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG bedeutet Erforder708 Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (281); Wengert / Widmann / Wengert, NJW 2000, 1289 (1292); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (18). 709 Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (20). Abgesehen davon ist eine Geheimhaltungsvereinbarung ohnehin aufgrund § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zwingende Voraussetzung: vgl. Seite 118. 710 Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (8); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282); 711 Schaffland, NJW 2002, 1539 (1541) für die Fusion; Gola, RDV 2002, 109 (115); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (281); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19); Gola / Schomerus, BDSG, § 28 Rn 41 f. Zum Datenschutz bei der Due Diligence nach Schweizer Recht: Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (7 f.). A.A.: Marsch-Barner / Mackenthun, ZHR 165 (2001), 426 (427 f.); Kallmeyer / Marsch-Barner, UmwG, § 20 Rn 23a, die von einer Unzulässigkeit der Due Diligence ausgehen.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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lichkeit, dass es keine objektiv zumutbare Alternative gibt. Die Gesellschaft muss bei vernünftiger Betrachtungsweise auf die Weitergabe angewiesen sein.712 Die Weitergabe von personenbezogenen Daten im Zuge einer Due Diligence ist deswegen nur in Einzelfällen erforderlich, um eine zuverlässige Risikobeurteilung und Unternehmensbewertung anlässlich einer M&A-Transaktion zu ermöglichen.713 Hinsichtlich der „Erforderlichkeit“ der Übermittlung personenbezogener Daten im Zuge einer Due Diligence muss gleichwohl im Einzelnen zwischen Informationen über Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten weiter differenziert werden:714 (a) Mitarbeiterdaten Ein außenstehender Transaktionsbeteiligter bedarf Detailinformationen zu konkreten, namentlich benannten Mitarbeitern regelmäßig nicht zur Unternehmensbewertung. Ihm ist bereits mit einer anonymisierten Mitarbeiterliste oder mit statistisch aufbereiteten Daten gedient. Die Namen der jeweils betroffenen Personen braucht er vor Durchführung der M&A-Transaktion noch nicht zu kennen. Insoweit fehlt es an der „Erforderlichkeit“ der Übermittlung von personenbezogenen Daten der Mitarbeiter.715 Anders stellt sich die Situation bei sehr kleinen Betrieben (insbesondere bei „Start-Ups“) dar, denn bei einer geringen Mitarbeiterzahl wird eine Anonymisierung der Daten nicht helfen, weil die Daten angesichts der Betriebsgröße reindividualisiert werden können. Da ohne diese Daten eine Unternehmensbewertung nicht zuverlässig möglich sein wird, ist die Übermittlung einer Mitarbeiterliste dann „erforderlich“ i.S.v. § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BDSG.716 712 Aus der Rechtsprechung: VG Düsseldorf, NJW 1985, 1795. Aus der Literatur: Gola, RDV 2002, 109 (115); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19); Zöllner, ZHR 149 (1985), 179 (191); Tiedemann, NJW 1981, 945 (949); Gola / Schomerus, BDSG, § 28 Rn 41; Simitis / Dammann / Geiger / Mallmann / Walz / Simitis, BDSG, § 28 Rn 134. 713 Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (8); Schaffland, NJW 2002, 1539 (1541); Gola, RDV 2002, 109 (115); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (281); Grimm / Böker, NZA 2002, 193 (198 Fn 84); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (20); Gola / Schomerus, BDSG, § 28 Rn 41 f. 714 Dieser Ansatz findet sich allein bei Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282 ff.). Dies liegt daran, dass sie erstaunlicherweise die einzigen Autoren sind, die neben den Arbeitnehmerdaten auch die Übermittlung der Lieferanten- und Kundendaten im Zusammenhang mit der Due Diligence erörtern. 715 Gola, RDV 2002, 109 (115); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (378); Werner, ZIP 2000, 989 (993); Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Krüger / Kalbfleisch, DStR 1999, 174 (177); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19); Gola / Schomerus, BDSG, § 28 Rn 42; Hölters / Bauer, Unternehmenskauf, Teil V Rn 361; Semler / Volhard / Dietzel, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 9 Rn 94. Deswegen verstößt dies auch gegen § 93 Abs. 1 S. 3 AktG: vgl. Seite 117. 716 Gola, RDV 2002, 109 (115); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282); Grimm / Böker, NZA 2002, 193 (200 Fn 106); Werner, ZIP 2000, 989 (993); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (20); Gola / Schomerus, BDSG, § 28 Rn 42.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Erforderlich ist ferner die Übermittlung personenbezogener Daten der Führungskräfte der Aktiengesellschaft. Qualität und Zusammensetzung des Managements kommen bei der Unternehmensbewertung in der Regel eine Schlüsselrolle zu. Zur Unternehmensbewertung sind deshalb Informationen wie etwa die Laufzeit der Verträge des Managements oder etwaige nachvertragliche Wettbewerbsverbote erforderlich.717 Zwingend ausgenommen von der Übermittlung sind allerdings nach § 28 Abs. 6 BDSG „besondere Arten von personenbezogenen Daten“, da dies in der M&A-Praxis nur mit Einwilligung der Betroffenen zulässig wäre.718 Dies beinhaltet nach § 3 Abs. 9 BDSG insbesondere auch Angaben über die Gewerkschaftszugehörigkeit und die Gesundheit der Mitarbeiter des Unternehmens. An diesen Daten wird ein Transaktionsbeteiligter zwar aufgrund der Sonderregelungen im Schwerbehindertengesetz (SchwBG) und in § 15 KSchG ein erhebliches Interesse haben. Nach Art. 8 Abs. 1 der EG-Datenschutzrichtlinie 719 war die Übermittlung dieser Daten aber bereits vor der letzten Novellierung des BDSG im Jahr 2001720 aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 28 BDSG a.F. unzulässig.721

(b) Lieferanten- und Kundendaten Bei den wichtigsten Lieferanten und Kunden, die entweder erhebliche Teile des Geschäfts ausmachen oder von strategischer Bedeutung sind, ist die Erforderlichkeit der Übermittlung personenbezogener Daten grundsätzlich vorhanden. Bei weniger wichtigen Lieferanten und Kunden reichen hingegen anonymisierte oder statistische Übersichten über Umsätze und vergleichbare Daten grundsätzlich aus.722 Dies entspricht auch der gängigen Due Diligence-Praxis, bei der in der Regel nach den zehn größten Lieferanten oder Kunden gefragt wird.723 Allerdings ist im Einzelfall bei einer Due Diligence zu überprüfen, ob sämtliche konkret vorhandenen Daten vom Informationsempfänger benötigt werden.724 In diesem Zusammenhang können dem Transaktionspartner häufig anstelle konkreter 717 Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (6) zum Schweizer Recht; Gola, RDV 2002, 109 (115); Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282); Grimm / Böker, NZA 2002, 193 (198 Fn 82 ff.); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (378); Werner, ZIP 2000, 989 (993); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19); Gola / Schomerus, BDSG, § 28 Rn 42. Ähnlich Müller, NJW 2000, 3452 (3454). Dies ist auch im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG erlaubt: vgl. Seite 117. 718 Die Erlaubnistatbestände der § 28 Abs. 6 – 8 BDSG werden bei M&A-Transaktionen in aller Regel nicht zu erfüllen sein. Vgl. Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282). 719 Richtlinie 95 / 46 / EG v. 24. 10. 1995, Abl. EG L 281 v. 2B3. 11. 1995, S. 31. 720 Gesetz zur Änderung des BundesdatenschutzG v. 18. 5. 2001, BGBl. I S. 904. 721 Gola, RDV 2002, 109 (115); Grimm / Böker, NZA 2002, 193 (199 Fn 94); Werner, ZIP 2000, 989 (993); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (20). 722 Dahingehend auch die Datenschutzaufsichtsbehörde von Baden-Württemberg, Staatsanzeiger für Baden-Württemberg v. 18. 01. 2000, S. 13 zur Bankenfusion. Vgl. Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (283). Zur Fusion durch Verschmelzung: Kallmeyer / Marsch-Barner, UmwG, § 20 Rn 23a. 723 Darauf weisen zutreffend Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (283) hin. 724 Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (283).

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

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Verträge Musterverträge zur Verfügung gestellt werden. Außerdem können in Verträgen mit juristischen Personen Angaben über Kontaktpersonen entfernt oder zumindest reduziert werden.725 Diese Angaben werden im Stadium der Due Diligence bei M&A-Transaktionen in den wenigsten Fällen von Relevanz sein.726 Besondere Vorsicht ist wiederum bei „besonderen Arten von personenbezogenen Daten“ i.S.v. § 3 Abs. 9 BDSG geboten (z. B. Gesundheitsdaten der Versicherten, die von Versichungsgesellschaften erfasst werden). Da die § 28 Abs. 6 – 8 BDSG nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden können, muss eine Anonymisierung erfolgen, wenn nicht eine ausdrückliche Einwilligung des Kunden bzw. Lieferanten vorliegt.727

(3) Wahrung berechtigter Interessen Dritter Ferner ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten gestattet, soweit sie zur Wahrung „berechtigter Interessen“ eines Dritten erforderlich ist (§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BDSG). Es reicht die bloße Annahme eines entgegenstehenden schutzwürdigen Interesses der Arbeitnehmer aus, so dass die Übermittlung nur unter engen Voraussetzungen erlaubt ist.728 Im Ergebnis kommt es indes auf § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BDSG nicht an, da diese Vorschrift keine weitergehende Übermittlung bei einer Due Diligence erlauben kann als § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BDSG.729 (4) Sonderfall: Datentransfer ins Ausland Bei grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen kommt ein spezifisches Datenschutzproblem hinzu. Innerhalb der EU stellt die Weitergabe der im Rahmen einer Due Diligence übermittelten Daten an ausländische Stellen kein Problem dar (§ 4b Abs. 1 BDSG). Datentransfers an Stellen außerhalb der EU sind hingegen durch § 4b Abs. 2 S. 2 BSG untersagt, wenn in dem betreffenden Empfängerstaat kein angemessenes Datenschutzniveau besteht.730 Diese Beurteilung obliegt nach § 4b Abs. 5 BDSG der Gesellschaft.731

725 Die Angaben über die Identität von Kontaktpersonen machen diese Daten oftmals erst zu „personenbezogenen Daten“ i.S.v. § 3 Abs. 1 BDSG. Darauf weisen zutreffend Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (283) hin. Vgl. Seite 186. 726 Etwas anderes gilt, wenn gerade die Kontaktperson die Geschäftsbeziehung ganz erheblich beeinflusst. Vgl. Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (283). 727 Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (284). 728 Gola / Schomerus, BDSG, § 28 Rn 50; Däubler / Klebe / Wedde, BDSG, § 28 Rn 53; Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19). A.A.: Simitis / Dammann / Geiger / Mallmann / Walz / Simitis, BDSG, § 28 Rn 146. 729 Essers / Hartung, RDV 2002, 278 (282 f.); Diller / Deutsch, K & R 1998, 16 (19). 730 Zum Schweizer Recht: Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 (8 f.). 731 Es gibt aber eine „Positivliste“ der EU-Kommission und eine „Safe-Harbor“-Vereinbarung mit den USA: vgl. Gola / Schomerus, BDSG, § 4b Rn 8 f.

13 Liekefett

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

c) Zusammenfassung „Personenbezogene Daten“ dürfen im Zuge einer Due Diligence offengelegt werden, wenn eine Einwilligung oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung vorliegt. Andernfalls sind personenbezogene Daten über Mitarbeiter zu anonymisieren. Ausnahmen bilden Kleinbetriebe sowie Daten über die Führungskräfte. Aber auch in diesen Fällen dürfen keine Angaben über Gesundheit und Gewerkschaftszugehörigkeit erfolgen. Daten über wichtige Lieferanten und Kunden dürfen übermittelt werden, solange die personenbezogenen Angaben auf das erforderliche Mindestmaß reduziert werden.

2. § 17 Abs. 1 UWG Erstaunlicherweise ist die Vereinbarkeit einer Due Diligence mit den Geheimhaltungspflichten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bislang nicht erörtert worden. Zum Schutz sowohl des Unternehmens als auch des Wettbewerbs als Institution ist es gemäß § 17 Abs. 1 UWG untersagt, einem anderen ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unbefugt mitzuteilen. Bei § 17 Abs. 1 UWG handelt es sich um eine Strafvorschrift. Ferner ist ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 19 S. 1 UWG denkbar. § 17 UWG ist zudem Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB.732

a) Verhältnis zwischen § 17 UWG und § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Das Verhältnis der wettbewerbsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht aus § 17 Abs. 1 UWG und dem aktienrechtlichen Geheimhaltungsgebot aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ist bislang weitestgehend unerforscht geblieben.

aa) Anwendbarkeit von § 17 Abs. 1 UWG auf Vorstandsmitglieder Dieser Befund mag mit dem Wortlaut von § 17 Abs. 1 UWG zu erklären sein, denn die Vorschrift findet auf „Angestellte, Arbeiter oder Lehrlinge eines Geschäftsbetriebes“ Anwendung. Im Hinblick auf diesen Wortlaut ist es zunächst überraschend, dass diese Vorschrift nach nahezu allgemeiner Auffassung733 auch auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft angewandt wird. In der Tat beKöhler / Piper, UWG, § 17 Rn 2, § 19 Rn 3; Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 7. Baumbach / Hefermehl, UWG, § 17 Rn 10; Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 12, § 19 Rn 3; Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 24; Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (869); Otto, wistra 1988, 125 (127); v. Stebut, BB 1974, 613 (614). Zur vereinzelt gebliebenen Gegenauffassung: Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 24 Fn 28 mwN. 732 733

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wegt sich diese Auslegung an der Grenze einer unzulässigen Analogie zu Lasten des Täters, die nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB verboten ist. Der Wortlaut lässt jedoch an anderer Stelle („Dienstverhältnis“) die Auslegung zu, dass § 17 UWG Vorstandsmitglieder erfasst, denn diese schließen mit der Gesellschaft einen Dienstvertrag.734 Auch nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift kann es nicht auf die Weisungsabhängigkeit ankommen. Maßgeblich ist das Bestehen einer Treuepflicht, die wettbewerbsschädliche Indiskretionen untersagt.735 Diese Treuepflicht haben die Mitglieder des Vorstands gegenüber der Aktiengesellschaft, so dass § 17 UWG auf sie Anwendung findet.736 bb) Konkurrenzverhältnis zu § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Anders als § 404 Abs. 1 AktG ist § 17 UWG keine unselbständige strafrechtliche Sanktionsnorm zur Absicherung einer zivilrechtlichen Verschwiegenheitspflicht. § 17 Abs. 1 UWG enthält eine eigenständige Geheimhaltungspflicht, denn selbst wenn diese Vorschrift nach dem Wortlaut von einer entsprechenden dienstoder arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtung auszugehen scheint („vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut“), ist dies ausdrücklich keine tatbestandliche Voraussetzung.737 Vielmehr werden umgekehrt in § 19 UWG an den Verstoß gegen die Strafbestimmung des § 17 UWG zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geknüpft.738 Sowohl § 17 Abs. 1 UWG als auch § 93 Abs. 1 S. 3 AktG schützen (zumindest auch) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse“. Aus diesem Grund könnte man der Auffassung sein, dass die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht in ihrem Anwendungsbereich als lex specialis gegenüber § 17 UWG anzusehen ist. Dagegen spricht aber bereits, dass der Anwendungsbereich von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG weiter ist, denn es werden anders als im UWG alle „Geheimnisse der Gesellschaft geschützt“ und darüber hinaus auch „vertrauliche Angaben“.739 Demgegenüber ist § 17 UWG auf der subjektiven Tatbestandsseite wesentlich enger, denn es müssen über den Vorsatz hinaus noch gewisse Absichten vorliegen.740 Auch der zeitliche Anwendungsbereich differiert, denn während § 17 UWG aufgrund des klaren Wortlauts nur „während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses“ gilt,741 überdauert die Verschwiegenheitspflicht aus Aktienrecht Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 12. Baumbach / Hefermehl, UWG, § 17 Rn 1 a.E. 736 So zutreffend Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (869). 737 Vgl. Großkomm / Otto, UWG, § 19 Rn 20. 738 Zu dieser eigenartigen Gesetzestechnik passt der Kommentar von Baumbach / Hefermehl, UWG, § 19 Rn 1: „§ 19 ist unvollkommen und überflüssig.“ 739 So zutreffend v. Stebut, Geheimnisschutz im AktienR, S. 50 ff.; KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 20. A.A.: Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 12. Offen gelassen: Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 6. 740 Vgl. Seite 196. 741 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 17 Rn 13 ff.; Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 19. 734 735

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nach allgemeiner Meinung742 das Vorstandsamt.743 Da schließlich § 17 Abs. 1 UWG im Gegensatz zu §§ 93 Abs. 1 S. 2, 404 AktG nicht nur das Unternehmen, sondern ebenso den Wettbewerb als Institution schützt, kann die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht für Vorstandsmitglieder auch angesichts der zum Teil unterschiedlichen Schutzgüter keine lex specialis darstellen.744 Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Vorschriften in einem Verhältnis freier Konkurrenz zueinander stehen.

b) „Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse“ bei der Due Diligence Da der Anwendungsbereich von § 17 UWG nicht jedes Geheimnis des Unternehmens, sondern nur Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse erfasst, ist er geringfügig enger als bei § 404 Abs. 1 AktG und § 93 Abs. 1 S. 3 AktG.745 Daher sind anders als bei den aktienrechtlichen Geheimhaltungspflichten keine kommerziell indifferenten Informationen geschützt, sondern ausschließlich Geheimnisse von materiellem Interesse für die Gesellschaft.746 Der Inhalt der Begriffe Geschäftsund Betriebsgeheimnis entspricht im Wesentlichen dem in §§ 404 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 2 AktG.747 Beispiel: Wie im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dargestellt, werden für eine Due Diligence primär Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse nachgefragt.748

c) Besondere Absichtserfordernisse Die Reichweite von § 17 UWG ist aufgrund seiner weiteren Voraussetzungen begrenzt. § 17 Abs. 1 UWG kommt bei einer Due Diligence nur dann zur Anwendung, wenn der Vorstand bei der Mitteilung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eine der in der Vorschrift aufgezählten besonderen Absichten verfolgt. Die Mitteilung muss entweder zu Wettbewerbszwecken, aus Eigennutz, zugunsten 742 Dies ergibt sich aus der Regierungsbegründung: BegrRegE zu § 131 AktG, Kropff, S. 122 f. Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rn 7. 743 Daraus weist zutreffend v. Stebut, DB 1974, 613 (614) hin. 744 Im Ergebnis (mit anderer oder aber ohne Begründung): Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 24 Fn 28; KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 90; Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 19; Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 53. 745 Darauf weisen zutreffend hin: v. Stebut, Geheimnisschutz im AktienR, S. 50 ff.; KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 20. A.A.: Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 12. Offen gelassen: Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 6. 746 So zutreffend v. Stebut, Geheimnisschutz im AktienR, S. 50 ff.; KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 45. Offen gelassen: Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 7. 747 Diese Einschätzung teilen v. Stebut, Geheimnisschutz im AktienR, S. 54; Großkomm / Otto, AktG, § 404 Rn 12; Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 6; v. Stebut, BB 1974, 613 (614). Vgl. Seite 90 und Seite 209. 748 Vgl. Seite 90 f.

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eines Dritten erfolgen oder um dem Geschäftsinhaber zu schaden.749 Normalerweise wird der Vorstand eine Due Diligence zulassen wollen, um dadurch im Interesse der Gesellschaft die Unternehmenstransaktion zu unterstützen, da er andernfalls bereits gegen § 93 Abs. 1 S. 3 AktG verstößt.750 Er beabsichtigt somit regelmäßig, zugunsten des Rechtsgutsinhabers zu handeln. In diesem Fall liegt keine der von § 17 Abs. 1 UWG geforderten Absichten vor. Gegebenfalls müssten diese Tatbestandsmerkmale entsprechend teleologisch reduziert werden. Regelmäßig wird schon aus diesem Grund dem Vorstand nicht durch § 17 Abs. 1 UWG untersagt, Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen bei einer Due Diligence offenzulegen. d) „Unbefugt“ Aber selbst wenn eine der in § 17 Abs. 1 UWG aufgeführten Absichten vorliegt, untersagt diese Vorschrift dem Vorstand nur die „unbefugte“ Mitteilung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Anders als bei § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG handelt es sich bei diesem Tatbestandsmerkmal lediglich um ein allgemeines Verbrechensmerkmal.751 Die Offenlegung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen kann durch eine Einwilligung752 des betroffenen Unternehmens gerechtfertigt werden.753 § 17 UWG schützt zwar unter anderem auch den Wettbewerb als Institution.754 Im Vordergrund steht jedoch das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis, so dass der Schutz von § 17 UWG vor allem dem betroffenen Unternehmen gilt.755 Ein Unternehmen ist infolgedessen zur Disposition des ihm zugedachten Schutzes befugt und kann als Geheimnisträger in die Offenlegung seiner Geschäfts- und Betriebsgeheimnis einwilligen.756 In der Aktiengesellschaft ist der Gesamtvorstand 749 Zu den Voraussetzungen: Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 41 ff.; Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (876 ff.). 750 Vgl. Seite 89 ff. 751 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 17 Rn 18; Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 18, Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 36; Otto, wistra 1988, 125 (127). Zur Rechtslage bei § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG: vgl. Seite 168 f. 752 Die rechtfertigende Einwilligung wird allgemein aus § 228 StGB hergeleitet. Vgl. Schönke / Schroeder / Lenckner, StGB, Vorbem. §§ 32 ff. Rn 33, Rn 35 a; Dreher / Tröndle, StGB, vor § 32 Rn 3b; Wessels / Beulke, StrafR AT, Rn 373. 753 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 17 Rn 18; Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 18; Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 49 f. 754 Eingehender dazu: Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 4, 6. Zustimmend: Baumbach / Hefermehl, UWG, vor §§ 17 – 20a, Rn 1; Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 2, Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (865); Otto, wistra 1988, 125 (126). 755 Eingehender dazu: Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 5 f. Zustimmend: Baumbach / Hefermehl, UWG, vor §§ 17 – 20a, Rn 1; Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 2, Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (865); Otto, wistra 1988, 125 (126). 756 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 17 Rn 18; Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 18; Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 49 f.

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als Leitungsorgan für die Einwilligung in die Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen im Zuge einer Due Diligence zuständig.757 In der Gewährung einer Due Diligence ist eine konkludente Einwilligung des Vorstands zu sehen. Folglich entscheidet der Vorstand selbst darüber, ob Informationen „befugt“ i.S.v. § 17 Abs. 1 UWG offenbart werden.

e) Zusammenfassung Selbst wenn die engen subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt werden, ist die Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen durch den Vorstand nicht durch § 17 Abs. 1 UWG untersagt, wenn der Gesamtvorstand in die Zulassung der Due Diligence einwilligt. Folglich ist mit § 17 Abs. 1 UWG keine praktisch relevante Einschränkung verbunden. Im Ergebnis sichert er für den Vorstand einer Aktiengesellschaft lediglich die Einhaltung der Geschäftsverteilung nach § 77 AktG ab. 3. § 18 UWG Demgegenüber entfaltet § 18 UWG mehr Relevanz für die Due Diligence, da diese Norm untersagt, anderen „im geschäftlichen Verkehr anvertraute Vorlagen oder Vorschriften technischer Art“ unbefugt mitzuteilen. 758 § 18 UWG schützt das Interesse eines Unternehmens an der ungestörten Nutzung technischen Know-hows und bekämpft zugleich im Allgemeininteresse die Erzielung von Wettbewerbsvorsprüngen durch Vertrauensbruch.759 § 18 UWG ist eine selbständige760 Strafvorschrift, deren Verletzung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Ferner kann ein Schadensersatzanspruch aus § 19 S. 1 UWG die Folge sein. § 18 UWG ist zudem Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB.761

Vgl. Seite 61 ff. Diese umständliche und altmodische Textfassung, die sich auch in der ominösen Kennzeichnung als „Vorlagenfreibeuterei“ niederschlägt, ist wahrscheinlich der Grund für die geringe Bekanntheit des § 18 UWG. Die Vorschrift erlangte zwar kurz nach ihrem In-Kraft-Treten 1909 eine gewisse Bedeutung, geriet jedoch bald wieder in Vergessenheit. Mit den in den sechziger und siebziger Jahren aufkommenden Know-how-Verträgen bekam § 18 UWG wieder praktische Relevanz. Seit den achtziger Jahren hat sie zudem Bedeutung beim Schutz von Computersoftware. Eingehender dazu: Lampe, BB 1977, 1477 f. 759 BGH GRUR 82, 225 (226); Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 2. 760 Für diese dogmatische Einordnung lassen sich im Wesentlichen dieselben Argumente wie bei § 17 UWG anzuführen: vgl. Seite 195. 761 Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 2, § 19 Rn 3; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 3. 757 758

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a) „Anvertraute Vorlagen und Vorschriften technischer Art“ bei der Due Diligence Anders als bei § 17 UWG besteht bei § 18 UWG offensichtlich kein Konkurrenzproblem mit § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, denn geschützt werden lediglich „im geschäftlichen Verkehr anvertraute Vorlagen oder Vorschriften technischer Art“. Als Beispiele nennt das Gesetz „Zeichnungen, Modelle, Schablonen, Schnitte“, die unter beide Begriffe fallen können.762 Anders als § 17 UWG bezieht sich § 18 UWG nicht auf „Geheimnisse“. Der Anwendungsbereich ist wesentlich enger und schützt nicht jede Form von betrieblichem Know-how. Die Vorschrift beschränkt sich auf den Schutz von technischem Know-how, obwohl der Verrat von kaufmännischem Know-how für ein Unternehmen nicht geringer einzuschätzen ist und daher nicht minder sanktionswürdig wäre.763 § 18 UWG verdankt diesen nicht mit § 17 UWG abgestimmten Anwendungsbereich seiner eigentümlichen Entstehungsgeschichte.764 „Vorlagen“ sind Mittel, die als Grundlage oder Vorbild für die Herstellung von neuen Sachen dienen sollen.765 Die Vorlage braucht nicht einen wirtschaftlich wertvollen neuen technischen Gedanken zu enthalten oder zur Erzielung eines Wettbewerbsvorsprungs geeignet sein. Es genügt, dass der in der technischen Vorlage verkörperte technische Gedanke nicht ohne größere Schwierigkeiten zugänglich ist.766 Beispiele: Darunter fallen in der M&A-Praxis allenfalls die Prototypen eines Produkts, Druckplatten und die im Gesetz genannten Schablonen. Gleichwohl ist dieses technische Know-how nur selten Gegenstand einer Due Diligence.

„Vorschriften technischer Art“ sind mündliche oder schriftliche Anweisungen über technische Vorgänge. Beispielhaft nennt das Gesetz „Rezepte“. Technische Vorschriften und Vorlagen schließen einander jedoch nicht begrifflich aus, da auch Vorlagen technische Vorschriften enthalten können. Beispiele: Bei einer Due Diligence kann dies Konstruktionszeichnungen oder -pläne, Produktentwürfe, Patentbeschreibungen, Computersoftware betreffen.767 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 3; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 10. Im Schrifttum wird daher eine Änderung de lege ferenda verlangt: vgl. Amelunxen, DB 1983, 2347 (2348); Lampe, BB 1977, 1477 (1480). 764 Der Wortlaut der Vorschrift geht zurück auf die Klagen des Stickerei- und Spitzengewerbes Anfang des 20. Jahrhunderts, dass die von ihm verwendeten Schablonen, Muster und Entwürfe strafrechtlich nur unzureichend geschützt seien. Unter dem Eindruck dieser Beschwerden fügte der Gesetzgeber durch Novelle von 1909 den § 18 in das UWG ein. Eingehend dazu: Lampe, BB 1977, 1477 (1478); Kraßer, GRUR 1977, 177 (180). 765 RGSt 45, 385 (386); Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 3; Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 6; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 9. 766 BGH GRUR 1960, 554 (556); Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 6. 767 Für weitere Beispiele: Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 3; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 11. 762 763

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Diese Vorlagen oder Vorschriften technischer Art müssen „im geschäftlichen Verkehr anvertraut“ worden sein. Das ist der Fall, wenn sie vertraglich oder im Rahmen von Vertragsverhandlungen mit der ausdrücklichen oder konkludent au erlegten Verpflichtung überlassen wurden, sie nur im Interesse des Anvertrauenden zu verwenden.768 Darunter fallen insbesondere die erwähnten Geheimhaltungsvereinbarungen im Vorfeld von Unternehmenstransaktionen, bei Joint Ventures und in Lizenz- und Know-how-Verträgen. Offenkundige Vorlagen oder technische Vorschriften können nicht „anvertraut“ werden, denn § 18 UWG setzt ein Geheimnis voraus.769 Der Anvertrauende muss ein Unternehmer bzw. ein in seinem Auftrag handelnder Dritter sein („geschäftlicher Verkehr“).770 Innerbetriebliche Vorgänge werden im Wettbewerbsrecht ausschließlich von § 17 UWG geschützt.771 b) Besondere Absichtserfordernisse § 18 UWG kommt zur Anwendung, wenn der Vorstand die Vorlagen oder technischen Vorschriften „zu Zwecken des Wettbewerbs“ weitergibt. Eine Mitteilung zu Wettbewerbszwecken erfordert objektiv ein Verhalten, das geeignet ist, den Absatz eines Mitbewerbers zu fördern. Subjektiv ist die Absicht notwendig, diesem Wettbewerber zum Nachteil des betroffenen Unternehmens einen Vorteil zu verschaffen.772 Eine Anwendung auf die Fälle der Due Diligence setzt voraus, dass der Informationsempfänger ein Wettbewerber (Konkurrent, Lieferant oder Abnehmer) des Know-how-Berechtigten ist. Verhindert der Vorstand nicht, dass der Transaktionspartner bei einer Due Diligence Zugang zu diesem Know-how erhält, so kann dies dem Informationsempfänger Vorteile verschaffen und den Berechtigten schädigen. Dies wird der Vorstand bei der Zulassung einer Due Diligence aber zumeist nicht beabsichtigen, sondern allenfalls als Nebenfolge sehen. Auch wenn es genügt, dass der Wettbewerbszweck ein Motiv unter anderen ist, darf es sich jedoch nicht um ein neben anderen Beweggründen völlig untergeordnetes Motiv handeln.773 Wettbewerbszwecke werden bei den Überlegungen des Vorstands, ob er außenstehenden Transaktionsbeteiligten Einblick in die von § 18 UWG geschützten Daten gibt, regelmäßig keine Rolle spielen. 768 OLG Hamm, WRP 1993, 93 (38); Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 4; Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 8; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 13. 769 BGHZ 82, 369 (372); OLG Karlsruhe, WRP 1986, 623 (625); Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 4; Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 8; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 12; Kraßer, GRUR 1977, 587 (592). 770 RG GR 44, 46; 39, 308; Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 2; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 8, 13; Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 8; Kraßer, GRUR 1970, 587 (592). 771 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 1; Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 9. 772 Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 41; Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (876); Otto, wistra 1988, 125 (127). 773 BGH GRUR 1952, 410 (413); Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 41.

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Die einzige Alternative,774 die § 18 UWG vorsieht, ist die Weitergabe von Know-how „aus Eigennutz“. Es genügt, dass diese Motivation eine unter mehreren ist.775 Aus Eigennutz handelt, wer sich von einem Streben nach einem materiellen oder immateriellen Vorteil leiten lässt. Es reicht die Aussicht irgendeines Vorteils als Beweggrund.776 Der Vorteil braucht auch nicht ungewöhnlich groß zu sein.777 Angesichts dieser sehr weiten Auslegung wird der „Eigennutz“ bei einer Due Diligence nur selten zu verneinen sein. Ist dem Vorstand bewusst, dass es sich bei einigen der angefragten Informationen um technisches Know-how eines anderen Unternehmens handelt und gibt er sie trotzdem im Rahmen einer Due Diligence weiter, so wohl nur, weil er sich Vorteile für die Gesellschaft und damit direkt oder indirekt für sich selbst verspricht. Dann handelt der Vorstand „aus Eigennutz“ und erfüllt insoweit die Voraussetzungen von § 18 UWG. Beispiele: Bei einer Due Diligence anlässlich einer Übernahme oder Fusion werden die Angehörigen des Vorstands zumeist auch ihre Karriere nach Durchführung der Transaktion im Auge haben und vielleicht aus diesem Grund eher bereit sein, technisches Knowhow Dritter offen zu legen. Auch bei anderen M&A-Transaktionen wird der Vorstand unter anderem „aus Eigennutz“ handeln, denn er wird i.d.R. am Erfolg seiner Gesellschaft teilhaben. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften wird sich der Vorstand von einer Transaktion eine Kurssteigerung erhoffen, denn schließlich richtet er zumeist sein Verhalten am Shareholder Value778 aus. Angesichts der zahlreichen „Stock Options Programs“ wird es kaum einen Vorstand geben, der nicht selbst Aktionär seiner Gesellschaft ist, d. h. er profitiert seinerseits von Kurssteigerungen.

c) „Unbefugt“ § 18 UWG verbietet nur die „unbefugte“ Mitteilung von Vorlagen und technischen Vorschriften. Wie bei § 17 Abs. 1 UWG handelt es sich bei diesem Tatbestandsmerkmal um einen Hinweis auf die allgemeine Rechtswidrigkeit.779 Die Offenlegung kann durch eine Einwilligung des Know-how-Inhabers gerechtfertigt werden.780 § 18 UWG erfasst ausschließlich technische Geheimnisse Dritter, da 774 Die in § 17 Abs. 1 UWG aufgeführten Tatbestandsalternativen „Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebes Schaden zuzufügen“ bzw. „zugunsten eines Dritten“ sind in § 18 UWG aus unerfindlichen Gründen nicht als strafbegründend anerkannt. Zur dahingehenden Kritik: Lampe, BB 1977, 1477 (1481). 775 Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 46; Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (877). 776 Köhler / Piper, UWG, § 17 Rn 22; Großkomm / Otto, UWG, § 17 Rn 46; Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (877); Otto, wistra 1988, 125 (128). 777 RGSt 41, 226 f.; Pfeiffer, FS Nirk, S. 861 (877). 778 Zum „Shareholder Value“-Ansatz: vgl. Seite 96. 779 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 5 i.V. m. § 17 Rn 18; Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 4 i.V. m. § 17 Rn 18; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 16 i.V.m. § 17 Rn 36; Lampe, BB 1977, 1477 (1480). 780 Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 5 i.V. m. § 17 Rn 18; Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 4 i.V. m. § 17 Rn 18. Eingehender dazu: Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 16 i.V. m. § 17 Rn 49 f.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

der Begriff des „geschäftlichen Verkehrs“ eine Beziehung nach außen notwendig macht.781 Der Vorstand handelt infolgedessen „unbefugt“, wenn er diese Vorlagen und technischen Vorschriften im Zuge einer Due Diligence preisgibt, da er zur Disposition fremder Rechtsgüter nicht befugt ist. Nur wenn das betroffene andere Unternehmen als Know-how-Inhaber einwilligt, darf der Vorstand diese Informationen im Zuge einer Due Diligence weitergeben.782

d) Zusammenfassung Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 18 UWG werden bei einer Due Diligence regelmäßig erfüllt sein. Dem Vorstand einer Aktiengesellschaft ist es deshalb untersagt, ihm anvertraute Vorlagen und technische Vorschriften im Zuge einer Due Diligence preiszugeben, wenn nicht das anvertrauende Unternehmen in die Offenlegung dieses technischen Know-how vorher ausdrücklich eingewilligt hat.

4. Vertragliche Geheimhaltungspflichten, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG Für den Vorstand einer Aktiengesellschaft stellt sich auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 18 UWG die Frage, ob er Informationen über andere Unternehmen an Verhandlungspartner bei M&A-Transaktionen weitergeben darf. In der M&A-Praxis werden Informationen über Geschäftspartner nicht selten – wenn auch nur unabsichtlich – im Zuge einer Due Diligence offen gelegt.783 Im Schrifttum wird davon ausgegangen, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft an dieser Praxis durch abgeschlossene Geheimhaltungsvereinbarungen gehindert ist.784 Es ist allerdings nicht selbstverständlich, dass die in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG normierte allgemeine Sorgfaltspflicht des Vorstands die Einhaltung von vertraglichen Geheimhaltungspflichten der Gesellschaft tatsächlich uneingeschränkt verlangt.

Vgl. Seite 200. Baumbach / Hefermehl, UWG, § 18 Rn 5 i.V. m. § 17 Rn 18; Großkomm / Otto, UWG, § 18 Rn 16 i.V. m. § 17 Rn 49 f. Eine tatsächlich erteilte rechtfertigende Einwilligung ist nur dann rechtlich unwirksam, wenn sie an wesentlichen Willensmängel leidet: BGHSt 11, 111; 16, 309; Wessels / Beulke, StrafR AT, Rn 376. A.A.: Köhler / Piper, UWG, § 18 Rn 4 i.V. m. § 17 Rn 18. 783 So auch die Beobachtung von Semler / Volhard / Dietzel, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 9 Rn 91. 784 Angesprochen wird diese Problematik nur vereinzelt: Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Bremer, GmbHR 2000, 176 (179); Götze, ZGR 1999, 202 (220). 781 782

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a) Geheimhaltungsvereinbarungen der Aktiengesellschaft Von einer Gesellschaft werden im Rahmen von Unternehmenstransaktionen während ihrer sonstigen Geschäftstätigkeit oftmals Geheimhaltungsvereinbarungen mit Dritten geschlossen, die eine Weitergabe bestimmter Informationen an andere Geschäftspartner von der Zustimmung des Dritten abhängig machen. Beispiele: Gerade bei Verhandlungen über M&A-Transaktionen wie Unternehmenskäufen oder Joint Ventures werden dem Vorstand Geheimnisse anderer Unternehmen bekannt. Im Verhandlungsstadium dieser Unternehmenstransaktionen werden deshalb regelmäßig Geheimhaltungsvereinbarungen abgeschlossen.785 Erhebliche Bedeutung haben Geheimhaltungsvereinbarungen ferner in Joint Venture-, Know-how- sowie Lizenzverträgen. Auch im Verhältnis zu sonstigen Dritten (Lieferanten, Kunden) sind derartige Vereinbarungen üblich.786

b) Vorstandspflicht zur Einhaltung aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG Hat sich die Gesellschaft vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet, so sind diese Einschränkungen von der Gesellschaft dem Vertragspartner gegenüber zu beachten. Es stellt sich aber die Frage, ob auch der Vorstand eine Rechtspflicht gegenüber der Gesellschaft hat, sämtliche vertragliche Pflichten gegenüber Dritten zu erfüllen. aa) Die relative Wirkung von Geheimhaltungsvereinbarungen Auch nach Einfügung von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG n.F. aufgrund das „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG)787 besteht der unternehmerische Ermessenspielraum des Vorstands weiterhin nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen. Es muss dabei jedoch unterschieden werden zwischen der Nichteinhaltung eines Vertrages und dem Verstoß gegen Rechtsnormen;788 diese Unterscheidung deutet auch die Regierungsbegründung zum UMAG an.789 Rechtsnormen haben absolute Wirkung und gelten daher gegenüber jedem Adressaten.790 Sie hat auch der Vorstand zu beachten, wenn er Adressat der Rechtsvorschrift ist.791 Dahingegen entfaltet eine vertragliche Vereinbarung der 785 Den Vorstand einer Aktiengesellschaft wird man zumindest bei der Gestattung einer Due Diligence dazu verpflichtet ansehen müssen: vgl. Seite 118. 786 Muster einer Geheimhaltungsvereinbarung: Bartenbach / Gennen, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, Rn 2225 ff., 2830 ff.; Pfaff, Lizenzverträge, Rn 187. 787 Zum UMAG: vgl. Seite 88 und Seite 106. 788 Im Ergebnis: Roth, Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132. 789 RegBegr zum UMAG zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, S. 17. 790 BGH, ZIP 1998, 1269 (1272) zu einem Verstoß gegen Strafbarkeitsnormen (üble Nachrede gegenüber Mehrheitsgesellschafter, § 186 StGB). 791 Roth, Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132: „vorsätzlichen Verstößen“.

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1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

Gesellschaft lediglich relative Wirkung zwischen den Vertragsparteien. Sie bindet somit zwar die Gesellschaft, nicht aber ohne weiteres auch den Vorstand, denn er ist nicht Vertragspartner. Die beiden Verhältnisse – Vertragspflicht der Gesellschaft und Rechtspflicht des Vorstands – dürfen nicht unbesehen als deckungsgleich angesehen werden. Außen- und Innenverhältnis sind strikt zu trennen.792 Der Vorstand ist deshalb nur dann zur Erfüllung eines Vertrages seiner Gesellschaft angehalten, wenn er seinerseits eine dahingehende gesellschaftsrechtliche Verpflichtung gegenüber seiner Gesellschaft hat.

bb) Das Gesellschaftsinteresse an der Einhaltung von Geheimhaltungsvereinbarungen Eine Vorstandspflicht zur Einhaltung eines Vertrages besteht nur dann, wenn die gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 AktG geschuldete Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters die Erfüllung gebietet. Maßgeblich ist dabei das Unternehmensinteresse. Das Unternehmensinteresse ist objektiv zu bestimmen und steht nicht durch Eingehen vertraglicher Verpflichtungen zur Disposition des Vorstands. Es verlangt stets die für die Gesellschaft günstigste Lösung. Dies muss nicht immer die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen sein.793 Vielmehr ist für den Vorstand entscheidend, ob die Einhaltung einer Geheimhaltungsvereinbarung mehr Vorteile als Nachteile für sein Unternehmen hat und somit im Gesellschaftsinteresse liegt. Schadensersatzansprüche wegen eines Verstoßes gegen eine Geheimhaltungsvereinbarung sind prozessual schwer durchzusetzen. Ein Verstoß und der daraus entstandener Schaden sind meist nicht nachzuweisen. Daran ändert sich auch nur wenig, wenn zusätzlich eine Vertragsstrafenregelung (§ 339 BGB) mit in die Geheimhaltungsvereinbarung aufgenommen wurde. Die Gefahr, aus einer Vertragsstrafenregelung in Anspruch genommen zu werden, darf nicht überschätzt werden, denn sie befreit nur vom Nachweis des Schadens, nicht aber vom Nachweis der Verletzung der vereinbarten Vertraulichkeit (§ 340 BGB).794 Im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens könnte daher der Vorstand zu der Entscheidung gelangen, dass ein Vertragsbruch mehr Vorteile für das Unternehmen bringt als die Erfüllung einer Geheimhaltungsvereinbarung.795 Die Sorgfaltspflicht des Vorstands verlangt nicht zwingend deren Einhaltung, 792 Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 100; Roth, Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 131 f.; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69, 114 ff. Vgl. auch KölnKomm / Mertens, AktG, § 93 Rn 38 f. A.A. (ohne Begründung): Zöllner, ZGR 1988, 392 (414). 793 Aus diesem Grund kann auch die bloße Nichterfüllung von Vertragspflichten nicht zu einer Haftung von Organmitgliedern führen: OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 406; Roth, Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132. 794 Semler / Volhard / Schlitt, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 6 Rn 20; Picot, Unternehmenskauf, Teil I Rn 35; Mertens, AG 1997, 541 (544). 795 Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 100; Roth, Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132.

B. Grenzen einer Due Diligence durch die Aktiengesellschaft

205

denn das Geheimhaltungsinteresse Dritter wird durch § 93 Abs. 1 S. 1 AktG nicht geschützt. Die Nichteinhaltung einer Geheimhaltungsvereinbarung wird dennoch im Normalfall mehr Nachteile als Vorteile für ein Unternehmen haben. Verstöße gegen vertragliche Verpflichtungen liegen nur dann im Unternehmensinteresse, wenn der Vertragsbruch zu keinen Imageproblemen führt, welche die Vermögensvorteile des Verstoßes überwiegen.796 Es wäre für ein Unternehmen von erheblichem Nachteil, wenn der Eindruck entstehen würde, dass es das Unternehmen mit der Einhaltung derartiger Geheimhaltungsvereinbarungen nicht so genau nimmt. Der wirtschaftliche Schaden dieses Vertrauensverlustes wäre kaum absehbar. In diesem Fall würde es für das Unternehmen erheblich schwieriger werden, in Verhandlungen über Transaktionen vertrauliche Informationen zu erhalten. Ebenso könnte der Zugang zu fremden Know-how aufgrund von Lizenzverträgen erschwert werden.

c) Zusammenfassung Die Nichteinhaltung von vertraglichen Geheimhaltungsvereinbarungen der Gesellschaft hat in der Regel mehr Nach- als Vorteile für ein Unternehmen. Aus diesem Grund macht es die Sorgfaltspflicht des Vorstands einer Aktiengesellschaft aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG erforderlich, derartige Geheimhaltungsvereinbarungen bei M&A-Transaktionen während einer Due Diligence einzuhalten und die entsprechenden Daten nicht offenzulegen.

IV. Ergebnisse von Teil B Es existieren abhängig von der konkreten Informationsart diverse Grenzen, die der Vorstand einer Zielgesellschaft bei der Gestattung einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen zu beachten hat:  Die von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG erfassten „Gesellschaftsgeheimnisse und vertraulichen Angaben“ sind die wesentlichen Informationen, weshalb eine Due Diligence durchgeführt wird. Aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht muss der Vorstand Risikobegrenzungsmaßnahmen ergreifen. Der Vorstand ist verpflichtet, eine Due Diligence zu verweigern, wenn die Gefährdung des Unternehmens außer Verhältnis zu dem Interesse seiner Gesellschaft an der Transaktion steht. Da das Unternehmensinteresse maßgeblich ist, entscheidet der Grad des wirtschaftlichen Interesses des Unternehmens der Aktiengesellschaft an der M&ATransaktion. Erheblichen Einfluss darauf haben die Art und Rechtsnatur der konkreten M&A-Transaktion.

796

So auch zutreffend Roth, Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132.

206

1. Teil: Die unabhängige Aktiengesellschaft

 Die Weitergabe von „Insiderinformationen“ erfolgt nicht „unbefugt“ i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, soweit unternehmerische Interessen die Weitergabe rechtfertigen und der Empfänger einer besonderen Geheimhaltungspflicht unterliegt. Bei den meisten M&A-Transaktionen liegen diese Voraussetzungen vor; bei einem Beteiligungskauf erst ab einer Beteiligungsquote von 30 %.  „Personenbezogene Daten“ über Mitarbeiter dürfen im Zuge einer Due Diligence aufgrund § 4 Abs. 1 BDSG nur dann offengelegt werden, wenn es sich um Kleinbetriebe oder Daten über Führungskräfte handelt. Überdies dürfen Daten über wichtige Lieferanten und Kunden übermittelt werden.  Die Weitergabe von „Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“ ist nicht durch § 17 Abs. 1 UWG untersagt, wenn der Gesamtvorstand in die Zulassung der Due Diligence eingewilligt hat.  Dem Vorstand ist es gemäß § 18 UWG untersagt, ihm anvertraute „Vorlagen und technische Vorschriften“ weiterzugeben, wenn nicht das anvertrauende Unternehmen eingewilligt hat.  Die Nichteinhaltung einer Geheimhaltungsvereinbarung hat grundsätzlich mehr Nach- als Vorteile für das Unternehmen, so dass die Sorgfaltspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG die Einhaltung gebietet.

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft bei Gestattung einer Due Diligence Nach den bisherigen Ausführungen ist der Vorstand bei den meisten M&ATransaktionen in der Lage, eine Due Diligence zu gewähren, solange er gewisse Voraussetzungen und Einschränkungen beachtet. Gestattet der Vorstand nunmehr eine Due Diligence, so stellt sich die Frage nach Folgepflichten seiner Gesellschaft, denn aufgrund der selektiven Weitergabe von nichtöffentlichen Informationen an Einzelne entsteht eine Informationsasymmetrie gegenüber allen anderen Kapitalmarktteilnehmern. Aus diesem Grund wird im Schrifttum vereinzelt gefordert, dass allen Aktionären der Gesellschaft dieselben Informationen zu gewähren seien, wenn sich der Vorstand zur Gestattung einer Due Diligence entschließt.797 Eine vergleichbare Problematik stellt sich bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, wenn einem Bieter 797 Dahingehend Grüner, NZG 2000, 770 (778); Lutter, ZIP 1997, 613 (618); Joussen, DB 1994, 2485 (2486). Ähnlich bereits Geßler / Hefermehl / Eckardt, AktG, § 131 Rn 161. A.A.: Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (502); Körber, NZG 2002, 263 (265); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (382); Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 (254); Süßmann, AG 1999, 162 (169); Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Mertens, AG 1997, 541 (547); Schroeder, DB 1997, 2161 (2166); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (453).

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

207

eine Due Diligence gewährt wird, während der Vorstand anderen Bietern die Due Diligence verweigert. Auch in dieser Konstellation wird in der Literatur eine informationelle Gleichbehandlung angemahnt.798 Im Übrigen könnte in der Stellungnahme nach § 27 WpÜG auf die Due Diligence einzugehen sein. Schließlich kann man sich die Frage stellen, ob nicht hinsichtlich der Vorstandsentscheidung zur Due Diligence eine Ad-hoc-Publizitätspflicht besteht.799 Durch eine Meldepflicht könnte zwar keine Informationssymmetrie hergestellt werden, da nicht über die Due Diligence-Informationen selbst informiert werden müsste. Die anderen Kapitalmarktteilnehmer wären aber immerhin vorgewarnt, dass der Durchführende der Due Diligence über Insiderinformationen verfügen könnte. Keine dieser Informationspflichten würde den Vorstand unmittelbar daran hindern, eine Due Diligence zu gestatten. Bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich der Zulassung einer Due Diligence müssten aber diese Folgepflichten berücksichtigt und in die Vorstandsabwägung miteinbezogen werden. Wenn der Vorstand eine Pflicht zur informationellen Gleichbehandlung Dritter hat, könnte dadurch seine Entscheidung erheblich beeinflusst werden.

I. Gleichbehandlung der Aktionäre Im Zentrum der Diskussion über Folgepflichten des Vorstands steht die informationelle Gleichbehandlung der Aktionäre.800 Es existieren zwei unterschiedliche Ansätze, die diskutiert werden. Zum einen wird überlegt, den Vorstand gemäß § 131 Abs. 4 S. 1 AktG dazu zu verpflichten, auf der Hauptversammlung auf Verlangen dieselben Informationen zu erteilen. Mitunter wird noch weiter gegangen und gefordert, der Vorstand müsse schon vor der nächsten Hauptversammlung für eine informationelle Gleichbehandlung sorgen. Als Rechtsgrundlage für eine dahingehende Verpflichtung könnte § 53a AktG dienen. Beide Ansätze setzen voraus, dass Durchführender der Due Diligence ein Aktionär der Gesellschaft ist.801 Beispiele: Praktische Relevanz hat diese Frage vornehmlich beim Beteiligungsverkauf, denn hier ist oftmals nicht nur der Verkäufer Aktionär. Ebenso kann der Kaufinteressent bereits vor der Transaktion Aktionär der Zielgesellschaft sein. Auch Fusionspartner halten nicht selten bereits vor der Transaktion wechselseitige Beteiligungen. 798 Dahingehend insbesondere Fleischer, ZIP 2002, 651 ff. Ebenfalls: Hopt, ZGR 2002, 333 (356); Hirte, ZGR 2002, 623 (640); Becker, ZHR 165 (2001), 280 (286); Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (264); KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 77; Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 3 Rn 14. 799 Dazu eingehend Götze, BB 1998, 2326 ff., der allerdings gegen eine entsprechende Adhoc-Publizitätspflicht ist. 800 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 6.3: „Die Gesellschaft wird die Aktionäre bei Informationen gleich behandeln.“ 801 Vgl. Seite 212.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

1. § 131 Abs. 4 S. 1 AktG Erteilt die Aktiengesellschaft einem ihrer Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung Auskünfte, so hat gemäß § 131 Abs. 4 S. 1 AktG jeder andere Aktionär das Recht, in der Hauptversammlung vom Vorstand dieselbe Informationen zu erhalten. Deshalb stellt sich die Frage, ob der Vorstand nach Zulassung einer Due Diligence allen anderen Aktionären auf Verlangen dieselben Informationen auf der nächsten Hauptversammlung geben muss.802

a) „Wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ Gegen eine Auskunftspflicht des Vorstands spricht, dass § 131 Abs. 4 S. 1 AktG voraussetzt, dass die Auskünfte an den Aktionär „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ erteilt wurden. Nicht genügend sind daher Auskünfte an Aktionäre, die nicht durch die Gesellschaftereigenschaft, sondern durch andere Beziehungen zur Aktiengesellschaft veranlasst wurden.803 Die Gewährung einer Due Diligence kommt für den Vorstand aufgrund § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ohnehin nur in Frage, wenn sie im Interesse seiner Gesellschaft liegt. Im Gesellschaftsinteresse ist eine Zulassung einer Due Diligence aber nicht schon, weil der Begünstigte Aktionär der Zielgesellschaft ist, denn maßgeblich für diese Entscheidung ist ausschließlich das Unternehmensinteresse.804 Die Aktionärseigenschaft des Informationsempfängers darf für den Vorstand bei der Abwägung, ob die Gewährung einer Due Diligence im Gesellschaftsinteresse ist, keine entscheidende Rolle spielen.805 Die Zulassung einer Due Diligence erfolgt nicht „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“, sondern allein aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen.806 Beispiele: Gewährt der Vorstand vor Unternehmens- und Beteiligungskäufen eine Due Diligence, dann steht im Vordergrund, dass der potentielle Erwerber im Gegensatz zum Veräußerer bereit und in der Lage ist, die Zielgesellschaft durch Einbringung von Kapital oder Know-how zu unterstützen. Ebenso erfolgt bei anderen Due Diligence-Anlässen wie einer Fusion oder einem Börsengang die Auskunftserteilung aufgrund der wirtschaftlichen Vorteile, die sich die Gesellschaft durch diese M&A-Transaktionen erhofft.807

Dahingehend Geßler / Hefermehl / Eckardt, AktG, § 131 Rn 161. Hüffer, AktG, § 131 Rn 37; Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 342; KölnKomm / Zöllner, AktG, § 131 Rn 63; Geßler / Hefermehl / Eckardt, AktG, § 131 Rn 142. 804 Vgl. Seite 98 ff. 805 Vgl. Seite 103 ff. 806 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (502); Körber, NZG 2002, 263 (265); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (380 f.); Ziemons, AG 1999, 492 (495); Meincke, WM 1998, 749 (751). 807 Vgl. Seite 142 ff. 802 803

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

209

Der Wortlaut von § 131 Abs. 4 S. 1 AktG muss nicht zuletzt auch deshalb derart eng auslegt werden, weil es gerade in Publikumsgesellschaften dem Unternehmensinteresse widerspräche, wenn allen Aktionären die geheimen Due DiligenceInformationen zur Verfügung gestellt werden würden.808

b) Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstands, § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG Es ist aber nicht nur sehr zweifelhaft, ob eine Due Diligence-Prüfung dem Begünstigten „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ gewährt wird. Zum anderen würde selbst bei einer anderen Interpretation ein Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstands gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG bestehen. Nach dieser Bestimmung kann der Vorstand die Auskunft verweigern, wenn er sich dadurch strafbar machen würde. Der Rückgriff auf dieses Auskunftsverweigerungsrecht wird nicht durch § 131 Abs. 4 S. 2 AktG ausgeschlossen, da diese Vorschrift lediglich die Nr. 1 – 4 von § 131 Abs. 3 S. 1 AktG sperrt.

aa) Gesellschaftsgeheimnisse, § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG Nicht begründet werden kann ein Auskunftsverweigerungsrecht mit dem Hinweis auf § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG, der als Sanktionsnorm die Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG hinsichtlich der „Geheimnisse der Gesellschaft“ absichert.809 Zwar könnte man erwägen, in der Auskunftserteilung auf der Hauptversammlung eine „unbefugte“ Offenbarung zu sehen.810 Diese Formulierung des Gesetzes enthält jedoch ebenso wie in §§ 17, 18 UWG nichts anderes als einen Hinweis auf die allgemeine Rechtswidrigkeit.811 Die Rechtfertigung hält der Vorstand aus diesem Grund ohnehin in seinen Händen, denn die Verfügungsbefugnis 808 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (502); Körber, NZG 2002, 263 (266); Ziegler, DStR 2000, 249 (254); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (442); Meincke, WM 1998, 749 (751); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165); Mertens, AG 1997, 541 (547); Eggenberger, Due Diligence, S. 252; Krömker, Due Diligence, S. 63. 809 § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG erfasst anders als § 93 Abs. 1 S. 3 AktG nicht die Offenlegung von „vertraulichen Angaben“. Vgl. Seite 90. § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB: vgl. Henn, Hdb. AktienR, Rn 1208; Ziegler, DStR 2000, 249 (253). Ausführlich zu § 404 AktG: Jäger, JZ 2003, 1048. 810 Dahingehend aber Ziegler, DStR 2000, 249 (254); Schroeder, DB 1997, 2161 (2165) und wohl auch Körber, NZG 2002, 263 (266). 811 BGHSt 2, 194 (195); KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 74; Geßler / Hefermehl / Fuhrmann, AktG, § 404 Rn 9; Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450). Vgl. Jäger, JZ 2003, 1048 (1051). Die Rechtswidrigkeit wird normalerweise durch die Verwirklichung des Tatbestandes indiziert. Vgl. KölnKomm / Geilen, AktG, § 404 Rn 74; Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (450); Treeck, FS Fikentscher, 434 (442).

14 Liekefett

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

über ein Gesellschaftsgeheimnis hat die Gesellschaft als Geheimnisträger. Der Vorstand ist somit zuständig für die Erteilung einer entsprechenden Einwilligung, da er das vertretungsberechtigte Leitungsorgan der Aktiengesellschaft ist.812 Angesichts des weiten Begriffs des Gesellschaftsgeheimnisses würde das Auskunftsverweigerungsrecht außerdem über dasjenige von § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG hinausreichen. Dies würde der Wertung des § 131 Abs. 4 S. 2 AktG widersprechen. Diese Vorschrift soll gerade sicherstellen, dass das Auskunftsrecht aus § 131 Abs. 4 S. 1 AktG nicht aufgrund umfassender Auskunftsverweigerungsrechte des Vorstands leerläuft. Eine weitgehende Einschränkung des Auskunftsrechts und gleichzeitig das erhebliche Strafbarkeitsrisiko des Vorstands kann somit nicht hingenommen werden. Das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ in § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG muss im Lichte des § 131 AktG ausgelegt werden. Der Hinweis auf eine Strafbarkeit gemäß § 404 AktG rechtfertigt aus diesem Grund keine Auskunftsverweigerung gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG.813

bb) Insiderinformationen, § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (bei Börsengesellschaften) Bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft kommt allerdings ein Auskunftsverweigerungsrecht aufgrund einer Strafbarkeit des Vorstands gemäß §§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG in Frage.814 Ob der Vorstand ein Auskunftsverlangen eines Aktionärs aufgrund § 131 AktG mit dem Hinweis auf eine etwaige insiderrechtliche Strafbarkeit ablehnen darf, wird im Schrifttum kontrovers diskutiert.815 Im Zentrum der Diskussion steht wie bei § 404 AktG die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbefugt“ in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Richtigerweise ist die Mitteilung von Insiderinformationen in der Hauptversammlung als Verstoß gegen §§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG anzusehen. Ein Auskunftsverweige812 Vgl. Seite 61 ff. Eine Einwilligung ist ungeachtet davon wirksam, ob der Vorstand irrtümlicherweise gegen andere Vorschriften als § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG verstößt. Eine tatsächlich erteilte rechtfertigende Einwilligung ist nur dann rechtlich unwirksam, wenn sie an wesentlichen Willensmängel leidet. Vgl. BGHSt 11, 111; 16, 309; Wessels / Beulke, StrafR AT, Rn 376. A.A.: Roschmann, Der Syndikus 1998, 9 (10 f.), nach dem eine Einwilligung nur wirksam dann ist, wenn sie im Gesellschaftsinteresse liegt. Darauf kann es indes im Strafrecht – anders als im Gesellschaftsrecht – nicht ankommen. Vgl. Jäger, JZ 2003, 1048 (1051). 813 Hüffer, AktG, § 131 Rn 31; Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 324; KölnKomm / Zöllner, AktG, § 131 Rn 41; Geßler / Hefermehl / Eckardt, AktG, § 131 Rn 123; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (382 Fn 85). 814 Vgl. Seite 163 ff. 815 Dafür: Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 50 ff.; Assmann, AG 1997, 50 (57); Joussen, DB 1994, 2485 (2488); Kümpel, WM 1994, 2137 (2138). Dagegen: Kiethe, NZG 2003, 401 (407); Schneider / Singhof, FS Kraft, S. 585 (596 ff.); Hopt, ZHR 159 (1995), 117; Benner-Heinnacher, DB 1995, 765 (766); Götz, DB 1995, 1949 (1951). Zu einem ähnlichen Problem beim WpÜG: Merkt, AG 2003 126 (134).

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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rungsrecht des Vorstands führt zwar dazu, dass das Insiderrecht den Auskunftsanspruch des Aktionärs beschneidet, obwohl § 14 WpHG auch den Schutz der Aktionäre bezweckt.816 Die in Erfüllung eines Auskunftsverlangens eines Aktionärs vorgenommene Mitteilung von Insiderinformationen würde jedoch nur einen Teil der so genannten „Bereichsöffentlichkeit“817 erreichen. Das Recht der übrigen Kapitalmarktteilnehmer auf informationelle Chancengleichheit, wie es auch in der Ad-hoc-Publizitätspflicht des § 15 WpHG zum Ausdruck kommt, würde verletzt werden.818 Der Schutz des Kapitalmarktes, der das Schutzgut der §§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist, steht nicht zur freien Disposition der Gesellschaft.819 Den Konflikt zwischen Insiderverbot und Auskunftsrecht durch die gleichzeitige Herstellung der Bereichsöffentlichkeit zu lösen,820 dürfte in der Hauptversammlungspraxis keine praktikable Lösung darstellen.821 Der Vorstand hat mithin bei den börsennotierten Aktiengesellschaften ein Auskunftsverweigerungsrecht für Insiderinformationen.822

cc) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, § 17 UWG Die Beantwortung einer Frage auf der Hauptversammlung dürfte in der Praxis kaum mit einer der in § 17 Abs. 1 UWG aufgezählten Absichten erfolgen. Abgesehen davon müsste das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ ebenso wie bei § 404 AktG im Lichte des Auskunftsrechts aus § 131 Abs. 4 S. 1 AktG ausgelegt werden, denn § 17 Abs. 1 UWG hat nahezu denselben Anwendungsbereich.823 Außerdem ist der Vorstand auch im Rahmen von § 17 UWG dazu befugt, eine entsprechende rechtfertigende Einwilligung zu geben.824 Würde man dem Vorstand erlauben, eine Auskunftsverweigerung auf diese Bestimmung stützen zu dürfen, so höhlte dies das Aktionärsrecht aus § 131 Abs. 4 S. 1 AktG aus.

816 Kiethe, NZG 2003, 401 (407) und Benner-Heinnacher, DB 1995, 765 (766) lehnen mit dieser Begründung ein Auskunftsverweigerungsrecht ab. 817 Zu diesem Begriff eingehend: Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 41 ff.; Schäfer, WpHG, § 13 Rn 47 ff. 818 Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 52. 819 Eine Einwilligung wie bei § 404 AktG scheidet damit aus. Vgl. Seite 209. 820 Dahingehend Schneider / Singhof, FS Kraft, S. 585 (596 ff.); Hopt, ZHR 159 (1995), 117; Götz, DB 1995, 1949 (1951). 821 Insoweit zutreffend Kiethe, NZG 2003, 401 (407). 822 Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 50 ff.; Körber, NZG 2002, 263 (266); Assmann, AG 1997, 50 (57); Joussen, DB 1994, 2485 (2488); Kümpel, WM 1994, 2137 (2138). 823 § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG erfasst alle Gesellschaftsgeheimnisse und nennt Geschäftsoder Betriebsgeheimnisse nur als Beispiele. Vgl. Seite 196. 824 Vgl. Seite 197.

14*

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

dd) Vorlagen und Vorschriften technischer Art, § 18 UWG Die Rechtslage stellt sich anders dar, sobald Vorlagen und Vorschriften technischer Art i.S.v. § 18 UWG betroffen sind. Dieses Auskunftsverweigerungsrecht dürfte allerdings eine geringe praktische Bedeutung in der Hauptversammlungspraxis erlangen, da der Anspruch auf Auskunftswiederholung voraussetzt, dass der Vorstand bei der vorherigen Due Diligence entsprechende Informationen entgegen § 18 UWG weitergegeben hat. Eine Aushöhlung des Aktionärsrechts auf Wiederholung von Auskünften droht in diesem Fall nicht, denn anders als bei § 17 UWG und § 404 AktG hat diese Bestimmung einen nur recht schmalen Anwendungsbereich. Zudem erfasst § 18 UWG im Gegensatz zu § 404 AktG und § 17 UWG ausschließlich Geheimnisse Dritter, da der Begriff des „geschäftlichen Verkehrs“ eine Beziehung nach außen notwendig macht. Der Vorstand handelt „unbefugt“, wenn er diese Daten auf der Hauptversammlung preisgibt, da er zur Disposition fremder Rechtsgüter nicht befugt ist.825 Hinsichtlich dieser Informationen besteht somit ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG.

c) Zusammenfassung Der Vorstand ist nicht aufgrund § 131 Abs. 4 S. 1 AktG dazu verpflichtet, nach Zulassung einer Due Diligence seinen Aktionären auf deren Verlangen dieselben Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Auskunftserteilung an einen Aktionär im Zuge einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen erfolgt nicht „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“. Ferner hat der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft ohnehin ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AktG i.V. m. §§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Außerdem besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht für Vorlagen und Vorschriften technischer Art i.S.v. § 18 UWG, das allerdings eine geringe praktische Bedeutung erlangen dürfte.826 2. § 53a AktG Da § 131 Abs. 4 S. 1 AktG nicht bei der Gewährung einer Due Diligence zur Anwendung gelangt, könnte man geneigt sein, auf § 53a AktG zurückzugreifen.827 Nach dieser Bestimmung, die erst 1978 in das Aktiengesetz eingefügt wurde,828 sind Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. § 53a AktG verlangt lediglich eine Gleichbehandlung unter Aktionären.829 Entgegen einiger Literaturstimmen ist eine Gleichbehandlung von Aktionären und NichtgesellschafVgl. Seite 201. Das gilt erst recht für ein Auskunftsverweigerungsrecht aus §§ 43, 44 BDSG. 827 Dahingehend Grüner, NZG 2000, 770 (778); Lutter, ZIP 1997, 613 (618); Joussen, DB 1994, 2485 (2486). 828 ÄnderungsG zum AktienG v. 13. 12. 1978 (BGBl. I S. 1959). 829 BGH AG 1997, 414; MünchKomm / Bungeroth, AktG, § 53a Rn 5; KölnKomm / Lutter / Zöllner, AktG, § 53a Rn 19. Dies wird auch von Hüffer, AktG, § 53a Rn 9 vorausgesetzt. 825 826

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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tern nicht von § 53a AktG gefordert.830 Wenn das strikte Gebot der Gleichbehandlung aller Gesellschafter auf die Informationserteilung Anwendung finden würde, ergäbe sich nicht nur ein Anspruch auf Wiederholung der im Zuge der Due Diligence erteilten Auskünfte außerhalb der Hauptversammlung. Die Gleichbehandlung wäre vielmehr durch den Vorstand durch aktive Maßnahmen sicherzustellen.831 Bei Zulassung einer Due Diligence müsste den übrigen Aktionären dieselben Informationen gegebenenfalls durch Herstellung von Publizität zugänglich gemacht werden.832

a) § 131 Abs. 4 S. 1 AktG als abschließende Regelung Es stellt sich bereits die Vorfrage, ob ein Rückgriff auf § 53a AktG überhaupt möglich ist. Gegen einen auf § 53a AktG gestützten Anspruch auf Wiederholung der Auskunft außerhalb der Hauptversammlung spricht schon die Existenz von § 131 Abs. 4 S. 1 AktG. Diese Vorschrift gibt den übrigen Aktionären einen entsprechenden Anspruch auf der Hauptversammlung. Es liegt der Umkehrschluss nahe, dass damit ein Anspruch außerhalb der Hauptversammlung gerade nicht bestehen soll, sondern § 131 Abs. 4 S. 1 AktG vielmehr als abschließende Regelung dieses Gleichbehandlungsbereichs angesehen werden muss.833 aa) Entstehungsgeschichte von § 131 Abs. 4 S. 1 AktG Für eine derartige Interpretation spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des § 131 Abs. 4 S. 1 AktG. Die Vorschrift ist auf eine zu § 112 AktG 1937 geführte Diskussion zurückzuführen. Damals war es umstritten, ob das Gleichbehandlungsgebot verlange, dass eine einem Aktionär außerhalb der Hauptversammlung erteilte Auskunft auch jedem anderen Aktionär zu erteilen sei. Zu dieser Frage gab es ein breites Meinungsspektrum. Zum Teil wurde vertreten, der Vorstand sei verpflichtet, die Auskunft unaufgefordert auf der nächsten Hauptversammlung zu wiederholen.834 Andere meinten, der Vorstand müsse dies nur auf Verlangen tun.835 Letzt830 Dahingehend erstaunlicherweise Meincke, WM 1998, 749 (751), der „Auskünfte an Aktionäre und Nichtaktionäre gleichermaßen“ erfassen will. Ähnlich Schneider / Singhof, FS Kraft, S. 585 (600). In diese Richtung auch Grüner, NZG 2000, 770 (778). 831 Die Gesellschaft kann zu „aktiver Gleichbehandlung“ verpflichtet sein: Hüffer, AktG, § 53a Rn 12 (unter Verweis auf § 131 Abs. 4 AktG); MünchKomm / Bungeroth, AktG, § 53a Rn 29; KölnKomm / Lutter / Zöllner, AktG, § 53a Rn 35; Henn, AG 1985, 240 (244). 832 Insoweit zutreffend Lutter, ZIP 1997, 613 (618). 833 Dahingehend Hüffer, AktG, § 131 Rn 42; Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 337; Wilde, ZGR 1998, 423 (462); Hoffmann-Becking, FS Rowedder, S. 155 (157 ff.); Duden, FS v. Caemmerer, S. 499 (503). 834 Obermüller, DB 1962, 827; Großkomm / Schmidt / Meyer-Landrut, AktG, 2. Aufl. 1961, § 112 Anm. 5. 835 Haberlandt, BB 1962, 1142 (1143 f.).

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

endlich gab es auch Literaten, die eine Wiederholung der Auskunft auf Verlangen auch außerhalb der Hauptversammlung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgerten.836 In dem 1958 veröffentlichten Referentenentwurf eines Aktiengesetzes war zunächst eine Regelung vorgesehen, die vorsah, dass der Vorstand auf Verlangen einem jeden Aktionär Auskunft auch außerhalb der Hauptversammlung zu erteilen habe, wenn er einem anderen Aktionär Auskunft gegeben hat. § 122 Abs. 6 AktG RefE 1958 hatte folgenden Wortlaut: „Wird einem Aktionär außerhalb der Hauptversammlung eine Auskunft erteilt, so ist sie jedem anderen Aktionär auf dessen Verlangen mitzuteilen.“

Im Regierungsentwurf des Jahres 1960 wurde das Konzept geändert und enthielt eine Regelung, die später unverändert als § 131 Abs. 4 AktG in seiner heutigen Fassung beschlossen wurde. Die Wiederholung der einem anderen Aktionär außerhalb der Hauptversammlung erteilten Auskunft kann danach nur auf der Hauptversammlung verlangt werden. Der Unterschied zwischen der im Referentenentwurf 1958 vorgesehenen Regelung und der Gesetz gewordenen Bestimmung zeigt, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen einen Anspruch auf Wiederholung der Auskunft außerhalb der Hauptversammlung entschieden hat.837 Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht demnach dafür, § 131 Abs. 4 S. 1 AktG als abschließende Regelung hinsichtlich der Gleichbehandlung der Aktionäre bei der Auskunftserteilung aufzufassen.

bb) Vereinbarkeit mit dem Strukturprinzip der Gleichbehandlung Man könnte sich allenfalls auf den Standpunkt stellen, dass eine Vorschrift wie § 131 Abs. 4 S. 1 AktG trotz entgegenstehender Entstehungsgeschichte im Zweifel so auszulegen ist, dass sie mit dem grundlegenden Strukturprinzip der Gleichbehandlung der Gesellschafter konform geht.838 Wenn der in § 53a AktG hervorgehobene Grundsatz der Gleichbehandlung wirklich die Auskunfterteilung außerhalb der Hauptversammlung verlangen würde, könnte man § 131 Abs. 4 S. 1 AktG als eine nicht abschließende Teilregelung sehen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet eine derartige Interpretation jedoch nicht zwingend. Zwar gilt für Hilfsrechte der Aktionäre wie das Informationsrecht eine Gleichbehandlung nach Köpfen.839 Hilfsrechte sind aber grundsätzlich versammlungsbezogen, denn die Schleyer, NJW 1960, 1552 (1556); v. Gleichenstein, AG 1958, 255 (257). Hüffer, AktG, § 131 Rn 42; Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 337; Wilde, ZGR 1998, 423 (462); Hoffmann-Becking, FS Rowedder, S. 155 (158); Duden, FS v. Caemmerer, S. 499 (503). 838 Vgl. BegrRegE zu § 131 AktG, Kropff, S. 187 und Hüffer, AktG, § 131 Rn 36. 839 Hüffer, AktG, § 53a Rn 7; KölnKomm / Lutter / Zöllner, AktG, § 53a Rn 23; Geßler /Hefermehl / Bungeroth, AktG, § 53a Rn 10; Hoffmann-Becking, FS Rowedder, S. 155 (159); Boesebeck, AG 1963, 89 (91). 836 837

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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Aktionäre üben ihre Rechte in erster Linie in der Hauptversammlung aus, § 118 Abs. 1 AktG.840 Das spricht dafür, dass mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur eine Verstärkung des Auskunftsrechts in der Hauptversammlung begründet werden kann, nicht jedoch ein über das Auskunftsrecht als Hilfsrecht hinausgehendes Recht auf Auskunft außerhalb der Hauptversammlung.841 Daher muss § 131 Abs. 4 S. 1 AktG als abschließende Regelung hinsichtlich der Gleichbehandlung der Aktionäre bei der Auskunftserteilung angesehen werden. Das Gleichbehandlungsgebot wurde insoweit konkretisiert.

b) Voraussetzungen des Gleichheitssatzes in § 53 a AktG Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, bei einer Due Diligence handele es sich um keinen Fall des § 131 Abs. 4 S. 1 AktG, da es sich nicht um „Auskünfte“ handele.842 Eine „Auskunft“ im Sinne dieser Vorschrift beinhaltet jedoch lediglich die Weitergabe von Informationen und dies ist Gegenstand einer Due Diligence.843 Aber selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen würde, dass § 131 Abs. 4 S. 1 AktG keine abschließende Regelung bezüglich der Gleichbehandlung der Aktionäre bei der Auskunftserteilung sei oder diese Norm bei der Due Diligence als nicht anwendbar ansieht, so würden gleichwohl die Voraussetzungen von § 53a AktG nicht vorliegen. Zwar liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn einem Aktionär eine Due Diligence gewährt wird, einem anderen Aktionär hingegen nicht. § 53a AktG verbietet jedoch nicht jede Ungleichbehandlung von Aktionären. Aktionäre sind nach dem Wortlaut von § 53a AktG nur „unter gleichen Voraussetzungen“ gleich zu behandeln. Ausgeschlossen werden demnach lediglich willkürliche und sachlich ungerechtfertigte Differenzierungen.844 Eine derartige sachliche Rechtfertigung kann im unterschiedlichen Gesellschaftsinteresse gesehen werden.845 Sofern es im Gesellschaftsinteresse liegt, in Abwägung und unter Minimierung der damit verbundenen Risiken Informationen über die Gesellschaft weiterzugeben, so ist darin konsequenterweise ebenfalls eine sachliche Grundlage für eine unterschiedliche Behandlung der Aktionäre zu sehen. Es würde auch zu erheblichen Geheimhal840 Hüffer, AktG, § 53a AktG, Rn 7 und § 131 Rn 1, 42; Großkomm / Mülbert, AktG, vor §§ 118 – 147 Rn 217; Hoffmann-Becking, FS Rowedder, S. 155 (159); K. Schmidt, InformationsR, S. 50. Vgl. Seite 255 ff. 841 Hüffer, AktG, § 131 Rn 1, 42; Hoffmann-Becking, FS Rowedder, S. 155 (159); Boesebeck, AG 1963, 89 (91). 842 Dahingehend Lutter, ZIP 1997, 613 (618). 843 Diese Äußerung Lutters ist schwer nachvollziehbar und auch in keiner späteren Veröffentlichung zu diesem Thema aufgegriffen worden. 844 BGHZ 120, 141 (151 f.); 103, 184 (189 f.); 83, 319 (322); Hüffer, AktG, § 53a Rn 8, 10; MünchKomm / Bungeroth, AktG, § 53a Rn 13 f.; KölnKomm / Lutter / Zöllner, § 53a Rn 14 f. 845 Hüffer, AktG, § 53a Rn 10; MünchKomm / Bungeroth, AktG, § 53a Rn 13 f.; KölnKomm / Lutter / Zöllner, § 53a Rn 14 f.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

tungsproblemen führen, wenn alle Aktionäre gleichbehandelt werden müssten. Nur wenn bei einem anderen Aktionär die gleichen Voraussetzungen vorliegen, kann dieser auf Basis von § 53a AktG verlangen, nach gleichen Maßstäben informiert zu werden. In einer solchen Sondersituation befinden sich die übrigen Aktionäre zumeist aber nicht. Das Gesellschaftsinteresse, das eine Due Diligence erlaubt, liegt bei ihnen oftmals gerade nicht vor.846 Beispiel: Beim Inhaber einer wesentlichen Beteiligung besteht im Vergleich zum herkömmlichen Anleger ein Unterschied darin, dass er unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben will. Dementsprechend sind oftmals mit dem Erwerbsvorgang besondere Verpflichtungen kombiniert (zum Beispiel die Leistung eines Sanierungsbeitrages).

c) Zusammenfassung Der Vorstand ist nicht aufgrund § 53a AktG dazu verpflichtet, nach der Zulassung und Durchführung einer Due Diligence die übrigen Aktionäre gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung der Aktionäre ist in der Regel gerechtfertigt, weshalb die Voraussetzungen von § 53a AktG nicht vorliegen. Ferner stellt § 131 Abs. 4 S. 1 AktG hinsichtlich der informationellen Gleichbehandlung eine abschließende Regelung dar.

II. Bietergleichbehandlung bei Öffentlichen Übernahmeangeboten (bei Börsengesellschaften) Das deutsche Übernahmegesetz fördert konkurrierende Angebote, die in § 22 Abs. 1 WpÜG legaldefiniert werden.847 Beim Auftreten eines Konkurrenzangebots finden einige Sonderregeln Anwendung, um eine auktionsähnliche Situation herbeizuführen. Verschiedenste Informations- und Verfahrensregelungen des WpÜG enthalten Elemente, die den Bieterwettbewerb anstoßen sollen.848 Bereits die Pflicht zur Veröffentlichung der Angebotsentscheidung gemäß § 10 WpÜG lenkt die Aufmerksamkeit auf die Zielgesellschaft. Die in der Angebotsunterlage zu veröffentlichenden Angaben zu Strategie und Absichten hinsichtlich der Zielgesellschaft (§ 11 Abs. 2 S. 2 WpÜG) sind kostenlose Anregungen für potentielle Mit846 Linker / Zinger, NZG 2002, 497 (502); Körber, NZG 2002, 263 (265); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (382); Mertens, AG 1997, 541 (547); Schroeder, DB 1997, 2161 (2166); Krömker, Due Diligence, S. 62. Dahingehend auch Kiethe, NZG 1999, 976 (980); Süßmann, AG 1999, 162 (168). Dies räumt selbst Grüner, NZG 2000, 770 (778) ein, ohne die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. 847 „Angebote, die während der Annahmefrist eines Angebots von einem Dritten abgegeben werden“. 848 Zur Konkurrenzförderung: Fleischer, ZIP 2002, 651; Schmidt / Prigge, DBW 2002, 225 (235); Mühle, WpÜG, S. 338 ff.; Fleischer / Kalss, WpÜG, S. 40.

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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bieter. Die Mindestannahmefrist (§ 16 Abs. 1 WpÜG) und die Möglichkeit der Fristverlängerung auf bis zu zehn Wochen (§ 22 Abs. 2 WpÜG) geben Konkurrenten Zeit, ein eigenes Angebot vorzulegen. Den Bieterwettbewerb fördert ferner das Rücktrittsrecht gemäß § 22 Abs. 3 WpÜG. Schließlich erlaubt § 33 Abs. 1 S. 2 Fall 2 WpÜG dem Vorstand ausdrücklich die Suche nach einem „Weißen Ritter“ (White Knight).849 Die rechtsökonomische Bewertung dieser Konkurrenzförderung des WpÜG ist problematisch. Insbesondere im US-amerikanischen Schrifttum wird die Frage, ob derartige Auktionsförderungen (Auctioneering Rules) unter Effizienzgesichtspunkten empfehlenswert sind, kontrovers diskutiert. Die Unternehmen gelangen zwar eher zu ihrem produktivsten Verwender (Highest Valuing User), so dass ein allokationsoptimaler Zustand erreicht werden kann. Bieterwettbewerb kann aber wegen der Gefahr von „Sunk Costs“ die Suchanreize verringern mit der Folge, dass die Übernahmeaktivität zurückgeht. Ein weiteres Problem ist der „Winner’s Curse“. Auktionen können ferner dazu führen, dass der schließlich erfolgreiche Bieter derjenige ist, der das Zielunternehmen in seinem Wert überschätzt.850 Der Gesetzgeber hat sich aber bewusst für eine konkurrenzfördernde Grundhaltung entschieden und diese gesetzgeberische Entscheidung ist zu respektieren, so dass gegenteilige ökonomische Bewertungen zurücktreten müssen.851 Zur Förderung des Bieterwettbewerbs würde ebenfalls beitragen, wenn alle Bieter durch den Vorstand einer Zielgesellschaft gleichbehandelt werden müssten. Von Interesse ist vorliegend insbesondere, ob der Vorstand zu einer informationellen Bietergleichbehandlung hinsichtlich der Due Diligence verpflichtet ist. Die Herleitung einer dahingehenden Pflicht ist allerdings problematisch, denn der Gesetzgeber des WpÜG hat die Frage der Bietergleichbehandlung nicht ausdrücklich geregelt.852 849 Sünner, AG 1987, 276 (282) definiert den Weißen Ritter wie folgt: „Der Ritter in der hellen Rüstung, der im Märchen den Drachen besiegt und die schöne, vom Drachen begehrte und gefangen gehaltene Jungfrau befreit (und in der Regel anschließend selbst heiratet).“ Das Einholen eines konkurrierenden Angebotes wurde bereits vor Geltung des WpÜG allgemein als zulässig angesehen. Eingehend Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (249); Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (264); Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1383); Michalski, AG 1997, 152 (160). Die Durchführung einer Due Diligence durch den Weißen Ritter ist trotz des Zeitmangels international üblich: Jander / McDermott, RIW 1990, 957 (959). 850 Vgl. Fleischer / Kalss, WpÜG, S. 40. 851 Darauf weist Fleischer, ZIP 2002, 651 (654) zutreffenderweise hin. Dies blieb in der EU-Übernahmerichtlinie ungeregelt. Zur Richtlinie: Kindler / Horstmann, DStR 2004, 866; Krause, BB 2004, 113. 852 Treffend Fleischer, ZIP 2002, 651 (653): „Größeres Kopfzerbrechen bereitet die [ . . . ] Frage, wie sich dieses Ergebnis möglichst bruchlos in das Normengefüge des WpÜG einfügen lässt.“ Zu diesem Thema: Hopt, ZGR 2002, 333 (358); Hirte, ZGR 2002, 623 (640); Ekkenga / Hofschroer, DStR 2002, 724 (733); Winter / Harbath, ZIP 2002, 1 (5), Becker, ZHR 165 (2001), 280 (286); Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (264); KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 77; Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 3 Rn 14; ZGR-Diskussionsbericht: Heinrich, ZGR 2002, 661 (662). Vgl. Maier-Reimer, F.A.Z. v. 4. 6. 2003, S. 21.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

1. Gleichbehandlung der Wertpapierinhaber, § 3 Abs. 1 WpÜG Es wird zwar die Ansicht vertreten, dass eine informationelle Gleichbehandlung der Bieter aus § 3 Abs. 1 WpÜG folge.853 Diese Herleitung ist aber sehr zweifelhaft, denn nach dieser Vorschrift sind die lediglich die Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft gleich zu behandeln. § 3 Abs. 1 WpÜG untersagt dem Vorstand lediglich, einzelne Aktionäre während der Laufzeit eines Angebotsverfahrens früher oder vollständiger zu informieren als andere. Dieses Gleichbehandlungsgebot gilt ebenso wie dasjenige in § 53a AktG854 nur im Verhältnis zu den gegenwärtigen Aktionären der Zielgesellschaft, nicht gegenüber den potentiellen bzw. künftigen Aktionären.855 Aus diesem Grund kann § 3 Abs. 1 WpÜG nicht als Begründungsansatz für eine informationelle Gleichbehandlung aller Bieter dienen.

2. Vereitelungsverbot des Vorstands, § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG Als Rechtsgrundlage für eine informationelle Gleichbehandlung der Bieter durch den Vorstand einer Zielgesellschaft kommt weiterhin das bereits angesprochene Neutralitätsgebot in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG in Frage.856 Diese Herleitung wird insbesondere von Hirte vorgeschlagen, der dies vornehmlich mit dem Zweck des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG begründet.857 In der Tat könnte man argumentieren, dass die bevorzugte Unterstützung eines Bieters (insbesondere Weißer Ritter) mit einer Due Diligence nichts anderes darstellt als eine Abwehr der übrigen Bieter, die keine Due Diligence bekommen.

a) Wortlaut Nach dem Wortlaut von § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG dürfen keine Handlungen vorgenommen werden, „durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte“. Durch die Zulassung einer Due Diligence erlangt ein konkurrierender Bieter interne Informationen und ist dadurch in der Lage, das Unternehmen zuverlässiger zu bewerten als andere Bieter. Seine Unternehmensbewertung kann auf einer verlässlicheren Informationsgrundlage erfolgen und ihm die Ausarbeitung eines atGeibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 3 Rn 14. Vgl. Seite 212. 855 So zutreffend Fleischer, ZIP 2002, 651 (654); Winner, Pflichten der Zielgesellschaft in der Übernahme, S. 203 f. (zum österreichischen ÜbernahmeG). 856 Vgl. Seite 68 f., Seite 82, Seite 148 ff. sowie Seite 152 ff. 857 Hopt, ZGR 2002, 333 (356), Hirte, ZGR 2002, 623 (640); KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 77; Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 3 Rn 14. 853 854

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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traktiveren Angebotes ermöglichen. Macht ein Bieter nach Durchführung einer Due Diligence ein höheres Angebot, so haben zwar die anderen Bieter Grund zu der Annahme, dass der Weiße Ritter aufgrund der ihm zur Verfügung gestellten Informationen den Unternehmenswert höher einschätzt. Dann bleibt es den anderen Bietern gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG unbenommen, ihre Angebote zu erhöhen. Allerdings hilft ihnen dies bei ihrer eigenen Einschätzung des Unternehmenswertes nur bedingt weiter. Das höhere Gebot des Weißen Ritters kann gerade auf Synergien beruhen, die sich nur mit dessen Unternehmen ergeben858 und nicht mit den Unternehmen anderer Bieter. Letztlich verbleibt bei den Bietern, die keine Due Diligence bekommen haben, infolge ihres Informationsdefizits erhebliche Unsicherheit. Diese Ungleichbehandlung kann somit dazu führen, dass der Erfolg dieser anderen Angebote „verhindert“ wird.859 Der Wortlaut ermöglicht die Einbeziehung der informationellen Bieterungleichbehandlung.

b) Entstehungsgeschichte Die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift spricht jedoch dagegen, die informationelle Ungleichbehandlung der Bieter bei der Due Diligence als Abwehrmaßnahme i.S.v. § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG einzuordnen. Die Regierungsbegründung zu § 33 WpÜG führt als Regelungsziel an, dass die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre gesichert werden solle. Als für die Verhaltenspflichten maßgeblichen Gesichtspunkte werden dort die Pflicht des Vorstands zur Fremdinteressenwahrung, die Gefahr der Kollision der eigenen Interessen des Vorstands oder des Aufsichtsrats und die Sicherstellung der Entscheidungsfreiheit der Aktionäre genannt.860 Die Gleichbehandlung von Bietern bei Öffentlichen Übernahmeangeboten ist nicht unter den Regelungszielen von § 33 WpÜG zu finden. Allerdings wird dieses Problem ebensowenig an anderen Stellen der Regierungsbegründung des WpÜG angesprochen, so dass die historische Auslegung kein zwingendes Argument gegen die Einbeziehung der Bieterungleichbehandlung in § 33 WpÜG liefert.

c) Systematik Zwar könnte ein Umkehrschluss aus § 33 Abs. 1 S. 2 Fall 2 WpÜG für eine Auslegung herangezogen werden, die zu einer Einbeziehung der Bietergleichbehandlung in die Neutralitätspflicht aus § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG kommt. Man könnte diese Vorschrift dahingehend interpretieren, dass zwar die Suche nach einem dem Vorstand genehmen Weißen Ritter gestattet ist, argumentum e contrario aber eine Verteidigungsstrategie untersagt ist, die – wie eine ungleiche Bieterbehandlung – 858 859 860

„Subjektiver Unternehmenswert“: vgl. Seite 49. Fleischer, ZIP 2002, 651 (654); Becker, ZHR 165 (2001), 280 (286). BegrRegE zu § 33 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 57.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

Konkurrenzangebote erschwert.861 Ein derartige Interpretation von § 33 Abs. 1 S. 2 Fall 2 WpÜG ist allerdings nicht zwingend. Ebenso gut könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass durch diese Norm eine Privilegierung konkurrierender Bieter gerechtfertigt wird. Die Frage, welche Maßnahmen zu Gunsten eines Weißen Ritters gestattet sind, beantwortet § 33 Abs. 1 S. 2 Fall 2 WpÜG demnach nicht.862 Ferner bietet sich ein systematischer Vergleich mit dem Übernahmekodex (ÜK) von 1995 an. Art. 2 Abs. 2 ÜK verpflichtete den Vorstand dazu, einem potentiellen Bieter die gleichen Informationen zu geben wie dem Erstbieter: „Ist ein öffentliches Angebot erfolgt, so ist der Vorstand der Zielgesellschaft nach pflichtgemäßem Ermessen und im Interesse der Wertpapierinhaber verpflichtet, anderen Personen, die ihrerseits Interesse an der Übernahme der Zielgesellschaft glaubhaft gemacht haben, die gleichen Informationen wie dem ursprünglichen Bieter zur Verfügung zu stellen.“

Die Reichweite dieser Gleichbehandlung wurde in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Teilweise wurde angenommen, dass der Vorstand lediglich die dem ersten Bieter gegebenen Informationen an konkurrierende Bieter weitergeben darf.863 Andere legten den Kodex an dieser Stelle dahingehend aus, dass anderen Bietern lediglich mindestens die gleichen Informationen zu geben sind wie dem Erstbieter.864 Aufgrund dieser uneinheitlichen Auslegung führt ein Vergleich mit Art. 2 Abs. 2 ÜK nicht viel weiter. Es ist aber bemerkenswert, dass der Übernahmekodex sachlich und systematisch die Frage der informationellen Gleichbehandlung der Bieter von der Frage der Neutralitätspflicht trennte, die in Art. 19 ÜK geregelt wurde.865 Da es zu den Hauptzielen des WpÜG gehört, das deutsche Übernahmerecht an internationale Standards heranzuführen,866 liegt es nahe, auch einen Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen zu ziehen. Das US-amerikanische Übernahmerecht867 kennt zwar keine Bietergleichbehandlung, hat sich jedoch auch gegen eine Neutralitätspflicht entschieden. Aussagekräftig ist dies nicht, denn das Übernahmerecht der USA war kein Vorbild für das WpÜG.868 Diesen Vorbildcharakter hatte hingegen die Übernahmeregelung in Großbritannien. Rule 20.2 des City Code on Takeovers and Mergers (City Code) hat unter der Überschrift „Equality of Information to Competing Offerors“ folgenden Wortlaut: Vgl. Ekkenga / Hofschroer, DStR 2002, 724 (733); Fleischer, ZIP 2002, 651 (654). Darauf weist richtigerweise KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 77 hin. 863 Dahingehend wohl Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435 (446 f.). 864 Dahingehend Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (264). 865 Vgl. Seite 68 f. 866 So ausdrücklich BegrRegE zu § 33 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 141. 867 Zum US-amerikanischen Übernahmerecht Helmis, RIW 2001, 825. Zum Vergleich der Abwehrmöglichkeiten: Schaefer / Eichner, NZG 2003, 150. 868 Vgl. RegrRegE zu § 33 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 141 861 862

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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„Any information, including particular of shareholders, given to one offeror or potential offeror must, on request, be given equally and promptly to another offeror or bona fide potential offeror even if that other offeror is less welcome.“869

Die Übernahmegesetze Frankreichs870 und der Schweiz871 enthalten ähnliche Bestimmungen zur informationellen Gleichbehandlung von Bietern. Auch in Schweden ist dies nicht viel anders.872 Diese Rechtsordnungen trennen dabei aber das Gebot der informationellen Bietergleichbehandlung ebenso wie der deutsche Übernahmekodex sachlich und systematisch von der Neutralitätspflicht. 873 Demgegenüber enthält das österreichische Übernahmegesetz keine Vorschrift, die den konkurrierenden Bietern einen Anspruch auf Gleichbehandlung gibt. Die herrschende Kommentarliteratur baut daher die Neutralitätspflicht in § 12 des österreichischen Übernahmegesetzes (öÜbG) zu einer aktiven Gleichbehandlungspflicht aus.874 Dieser dogmatische Ansatz ist nicht unumstritten. Eine Trennung von Neutralitätspflicht und Bietergleichbehandlung wird auch in Österreich diskutiert.875

d) Sinn und Zweck Von Teilen des Schrifttums wird die Neutralitätspflicht mit einem Gleichbehandlungsgebot zugunsten der Bieter begründet. Von einigen Literaturstimmen wurde dafür mit § 53a AktG das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot bemüht.876 Diese Vorschrift hat sich aber nicht als tragfähige Grundlage für das Neutralitätsgebot erwiesen, denn es erfasst nur die aktuellen Aktionäre, nicht jedoch potentielle Aktionäre.877 Selbst wenn man den Gleichbehandlungsgrundsatz auf künftige Aktionäre erstreckte, so schützt er den Bieter nicht. Denn das Neutralitätsgebot soll Vgl. Hopt, ZGR 2002, 333 (358) und Zinser, RIW 2001, 481. Klein / Stucki, RIW 2001, 488 (493). Vgl. auch Klein, RIW 2002, 348 (350 ff.). 871 Art. 48 Abs. 1 der Schweizer Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote (Schweizer UEV-UEK). 872 Anlage 1 zu dem Notierungsvertrag zwischen der Stockholmer Börse und der dort zugelassenen Gesellschaften lautet: „Information which is likely to influence the Company’s listed securities may not, other than in special cases, be disclosed other than through publication“. Vgl. Kasche, RIW 2002, 87 (90). 873 Rule 21 City Code („Restrictions on frustrating action“) bzw. Art. 34 – 36 Schweizer UEV-UEK. Vgl. Fleischer, ZIP 2002, 651 (652 ff.) und Hopt, ZGR 2002, 333 (358); Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 6 ff. 874 Huber / Löber, ÜbernahmeG, § 12 öÜbG Rn 30 f.; Hausmaninger / Herbst, ÜbernahmeG, § 12 öÜbG Rn 4; § 17 Rn 7. 875 Winner, Pflichten der Zielgesellschaft in der Übernahme, S. 204 f. Vgl. auch Fleischer, ZIP 2002, 651 (653). 876 Michalski, AG 1997, 152 (159). Nur bei einem Aktionär als Bieter: Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1376); Hopt, ZGR 1993, 535 (545 f.). 877 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (260); Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (247); Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 13. Vgl. auch Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1376); Hopt, ZGR 1993, 534 (545 f.). 869 870

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nicht den Bieter als künftigen Aktionär schützen, sondern ihm ermöglichen, Aktionär zu werden. Das Interesse, Aktionär zu werden, liegt aber außerhalb des Regelungszwecks des Gleichbehandlungsgebotes aus § 53a AktG.878 Ferner wird vorgeschlagen, das Neutralitätsgebot mit einem kapitalmarktrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu begründen, um auf diese Weise den Bieter in den Schutzbereich des Neutralitätsgebotes miteinzubeziehen. 879 Es wäre jedoch inkonsequent, eine kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlung und damit die Interessen der Bieter zur Disposition des Aufsichtsrats bzw. der Hauptversammlung zu stellen, wie in § 33 Abs. 1 und 2 WpÜG geschehen.880 Von der überwiegenden Literatur und vom Gesetzgeber wird das Neutralitätsgebot mit der Pflicht des Vorstands zur Fremdinteressenwahrung begründet. Der Vorstand soll nicht zur Verfolgung eigener Interessen und zum Nachteil der Aktionäre Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nehmen, um so deren Entscheidungsfreiheit zu sichern.881 Die Aktionäre werden durch eine Bieterungleichbehandlung eventuell in ihren Wahlmöglichkeiten beschnitten, denn andere potentielle Bieter werden es sich gut überlegen, ob sie einen Übernahmewettstreit unter ungleichen Bedingungen überhaupt eingehen. Daher liegt es angesichts des Normzwecks von § 33 Abs. 1 WpÜG durchaus nahe, die Neutralitätspflicht als Rechtsgrundlage für eine Bietergleichbehandlung zu verwenden.882 Gleichwohl gibt es Einwände, die dagegen sprechen, die Frage der Bietergleichbehandlung mit der in § 33 Abs. 1 WpÜG normierten Neutralitätspflicht zu lösen. Diese Verortung der Bietergleichbehandlung deckt bei normalem dogmatischem Verständnis des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG als bloßes Vereitelungsverbot nur einen Teil der Ungleichbehandlungen ab. Bei der Neutralitätspflicht handelt es sich um ein passives Vereitelungsverbot. Daher bliebe der umgekehrte Fall problematisch, wenn der Vorstand bei einer „freundlichen Übernahme“ dem Erstbieter eine Due Diligence gewährt, anderen Bietern dagegen verweigert. Für diese Fälle müsste die Neutralitätspflicht zu einem aktiven Gebot zum Handeln umgedeutet und ausgebaut werden.883 878 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (260). Zustimmend: Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 13. Vgl. Seite 212. 879 Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (249 f.); Hopt, ZGR 1993, 535 (546). Unklar Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33: Einerseits Rn 11, andererseits Rn 92. 880 In diese Richtung argumentiert auch Schnorbus, ZHR 166 (2002), 72 (110 f.). 881 BegrRegE zu § 33 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 141. Vgl. auch Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (259); Dimke / Heiser, NZG 2001, 241 (243 ff.); Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1376); Mülbert, IStR 1999, 83 (87); Michalski, AG 1997, 152 (159); Hopt, ZGR 1993, 534 (548 ff.). Kritisch: Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (247); Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 13. 882 So auch Hirte, ZGR 2002, 623 (640); KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 33 Rn 77. 883 Fleischer, ZIP 2002, 651 (654), der allerdings zu Recht darauf hinweist, das es dem Kartellrecht nicht fremd ist, dass Behinderungsverbote in Handlungsgebote umschlagen (z. B. „Essential Facility Doctrine“, § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB). Auch in Österreich wird dieser Weg

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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Auf ein weiteres Problem deutet der Wortlaut von § 33 Abs. 1 WpÜG hin: Die Formulierung („des“ Angebots) verdeutlicht, dass diese Vorschrift auf eine Konfrontation des Vorstands der Zielgesellschaft mit einem Bieter zugeschnitten ist. Für die hier diskutierte Konstellation, dass sich die Gesellschaft zwei oder mehreren konkurrierenden Bietern gegenübersieht, enthält § 33 Abs. 1 WpÜG keine ausdrückliche Handlungsanweisung. Das Vereitelungsverbot ist gegenüber dem Gleichbehandlungsgebot – trotz mancher Überschneidungen in Teilaspekten – ein aliud.884 Die Frage der Neutralitätspflicht und die Problematik der Bietergleichbehandlung sollten aus diesem Grund nicht miteinander vermischt werden. Wenn man das Neutralitätsgebot als Rechtsgrundlage für die informationelle Bietergleichbehandlung verwendet, kommt ein weiteres Problem hinzu. § 33 WpÜG gilt erst ab der „Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes“. Vor diesem Zeitpunkt fände also keine Gleichbehandlung der Bieter statt.885 Zeitlich gesehen ist eine Durchführung einer Due Diligence nach dieser Entscheidung, aber noch vor der Abgabe des Angebotes durchaus noch möglich, denn der Bieter hat nach der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes noch vier Wochen Zeit (vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 WpÜG). In der Praxis liegt jedoch eine Due Diligence zeitlich regelmäßig vor der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes.886 Letztlich spricht auch ein rechtspolitisches Argument gegen die Einbeziehung der Bietergleichbehandlung in das in § 33 Abs. 1 WpÜG normierte Neutralitätsgebot. Wenn man diesen Weg geht, öffnet man zugleich die Hintertür zu den Erlaubnissätzen des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG. Es ist schwer zu vermitteln, weshalb gerade der Aufsichtsrat eine Bieterungleichbehandlung gestatten dürfen soll. Dieser Ausnahmetatbestand ist ohnehin rechtspolitisch äußerst umstritten, weil er dem Vorstand erlaubt, Abwehrmaßnahmen an der Hauptversammlung vorbei zu ergreifen und dadurch die Dispositionsfreiheit der Aktionäre einschränkt. Es wurden sogar verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit Art. 14 GG angemeldet, nicht zuletzt auch deshalb, weil in einer mitbestimmten Aktiengesellschaft die Arbeitnehmerschaft über den Aufsichtsrat auf den Erfolg des Übernahmeangebots Einfluss gewinnt.887 Wenn aber die Verankerung einer Bietervon der h.M. gegangen: vgl. Huber / Löber, ÜbernahmeG, § 12 öÜbG Rn 30 f.; Hausmaninger / Herbst, ÜbernahmeG, § 12 öÜbG Rn 4; § 17 Rn 7. Von der Gegenmeinung wird diese Umdeutung abgelehnt: vgl. Winner, Pflichten der Zielgesellschaft in der Übernahme, S. 204. 884 Fleischer, ZIP 2002, 651 (654). 885 Auf dieses Problem weist richtigerweise Winner, Pflichten der Zielgesellschaft in der Übernahme, S. 205 (zum österreichischen ÜbernahmeG) hin. 886 Semler / Volhard / Thiel, Unternehmensübernahmen Bd. 1, § 31 Rn 98; Geibel / Süßmann / Geibel, WpÜG, § 10 Rn 7. 887 Vgl. F.A.Z. v. 10. 11. 2001, S. 11: „ Baums hält die Regelung sogar verfassungsrechtlich für bedenklich, weil sie einen Eingriff in das Eigentumsrecht der Aktionäre bedeute.“; Steinmeyer / Häger, WpÜG, § 33 Rn 23; Thoma, NZG 2002, 105 (110); Winter / Harbath, ZIP 2002, 1 (8); Zschocke, BB 2002, 79 (82 f.). Besonders dezidiert in dieser Hinsicht Binz / Sorg, BB 2002, Heft 3, Seite I.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

gleichbehandlung in § 33 WpÜG zur Folge hat, dass sie durch eine rechtspolitisch und verfassungsrechtlich äußerst umstrittene Ausnahmeregelung ausgehebelt werden könnte, so ist dies ein weiterer Grund, diesen dogmatischen Weg nicht zu beschreiten.888 Die Auslegung dieser Vorschrift kommt mithin zu dem Ergebnis, dass die informationelle Ungleichbehandlung von Bietern hinsichtlich der Zulassung einer Due Diligence kein Anwendungsfall des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ist.

3. Normkonzipierendes Prinzip der Bietergleichbehandlung, § 22 Abs. 3 WpÜG Sehr zweifelhaft ist auch, ob man eine informationelle Bietergleichbehandlung allein aus dem in § 22 Abs. 3 WpÜG niedergelegten Rechtsgedanken herleiten kann.889 Diese Vorschrift enthält eine gesetzliche Rücktrittsregel, die konkurrierende Bieter in den Stand versetzt, auch noch jene Aktionäre für sich zu gewinnen, die bereits das Angebot des Erstbieters angenommen hatten. In § 22 Abs. 3 WpÜG kommt besonders deutlich die bereits angesprochene konkurrenzfördernde Grundhaltung des WpÜG zum Ausdruck.890 Diese konkurrenzfördernde Grundhaltung spricht dafür, dass dem WpÜG ein normkonzipierendes Prinzip der Bietergleichbehandlung zugrunde liegt.891 Im Unterschied zu den normierten Prinzipien des § 3 WpÜG ist die Bietergleichbehandlung nicht unmittelbar in einem Rechtssatz niedergelegt worden. Offensichtlich hat der Gesetzgeber die Verhaltenspflichten des Vorstands beim Vorliegen zweier oder mehrerer Angebote nicht ausdrücklich geregelt.892 Dieses normkonzipierende Prinzip der Bietergleichbehandlung gilt auch hinsichtlich der den Bietern zur Verfügung gestellten Informationen, so dass bei einer Due Diligence für einen Bieter alle anderen Bieter gleichzubehandeln sind. Rechtsdogmatisch möchte dies Fleischer in § 22 Abs. 3 WpÜG verankern.893 Dieser Anknüpfung kann jedoch nicht beigepflichtet werden, da es sich bei dieser Vorschrift um ein Rücktrittsrecht der Aktionäre handelt. Dieses Aktionärsrecht (auf Rücktritt) kann schwerlich zu einer Vorstandspflicht (zur Bietergleichbehandlung) ausgebaut werden. Als Rechtsgrundlage für einen Grundsatz informationeller Gleichbehandlung aller Bieter enthält § 22 Abs. 3 WpÜG zu wenige verwertbare Ansatzpunkte. Fleischer, ZIP 2002, 651 (654). Treffend Fleischer, ZIP 2002, 651 (653): „Größeres Kopfzerbrechen bereitet die [ . . . ] Frage, wie sich dieses Ergebnis möglichst bruchlos in das Normengefüge des WpÜG einfügen lässt.“ 890 Vgl. Seite 216. 891 Prägnante Formulierung von Fleischer, ZIP 2002, 651 (654). 892 Fleischer, ZIP 2002, 651 (654, 656). Diesen Befund verdeutlicht der Wortlaut von § 33 Abs. 1 WpÜG: Die Formulierung („des“ Angebots) verdeutlicht, dass die Neutralitätspflicht des Vorstands auf die Konfrontation mit einem Bieter zugeschnitten ist. 893 Fleischer, ZIP 2002, 651 (654). 888 889

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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4. Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses, § 3 Abs. 3 WpÜG Eine informationelle Bietergleichbehandlung bei Öffentlichen Übernahmeangeboten lässt sich dogmatisch widerspruchsfrei aus § 3 Abs. 3 WpÜG herleiten. In dieser Vorschrift ist der allgemeine Verhaltensmaßstab für die Organe der Zielgesellschaft normiert. Danach hat der Vorstand der Gesellschaft im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln. Er bestimmt dabei grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen, wie er die in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen der Allgemeinheit, Aktionäre und Arbeitnehmer gewichtet und damit das Gesellschaftsinteresse konkretisiert. Im Interesse aller dieser Beteiligten und somit der Gesellschaft hat der Vorstand dabei für den Erfolg des Unternehmens der Gesellschaft zu sorgen.894 Das WpÜG stellt allerdings durch die in § 33 WpÜG allein zwischen dem Unternehmensinteresse und dem Veräußerungsinteresse der Aktionäre vorgenommene Abwägung klar, dass bei Öffentlichen Übernahmeangeboten neben dem Unternehmensinteresse vorrangig die Aktionärsinteressen zu berücksichtigen sind.895 Das Interesse der Aktionäre besteht in einem möglichst hohen Verkaufserlös, zu dem Konkurrenzangebote prinzipiell beitragen. Aus diesem Grund ist auch das Einholen eines konkurrierenden Angebotes gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Fall 2 WpÜG zulässig, da Konkurrenz im Interesse aller Aktionäre regelmäßig für attraktivere Angebotskonditionen sorgt.896 Schon die bloße Möglichkeit eines Konkurrenzangebotes motiviert den Erstbieter dazu, seine Angebotsunterlage sorgfältiger auszuarbeiten und eine attraktivere Gegenleistung anzubieten. Dagegen würden es sich die anderen (potentiellen) Bieter gut überlegen, ob sie einen Übernahmewettstreit unter ungleichen Bedingungen überhaupt eingehen.897 Aus diesem Grund sind im Interesse der Aktionäre (und nicht etwa im Interesse der Bieter oder des Kapitalmarktes) die Bieter gleich zu behandeln (so genanntes „Level Playing Field“).898 Dies gilt auch für die Versorgung mit Informationen. Die Durchführung einer Due Diligence vermindert das Risiko des Erwerbers, dass die Übernahme fehlschlägt und führt daher regelmäßig zu einem höheren Kaufpreis, da der Bieter ansonsten Unsicherheitsabschläge vornehmen wird.899 Daher sind auch Vereinbarungen des Vorstands mit einem Bieter unzulässig, mit der sich die Gesellschaft dazu verpflichtet, keine Informationen an konkurrierende Bieter weiterzugeben („No Shop Provisions“). Eine derartige Exklusivitätsvereinbarung lässt die AktioSo genanntes „Unternehmensinteresse“: vgl. Seite 98 ff. KölnKomm / Versteegen, WpÜG, § 3 Rn 37; Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 5, 25. A.A.: Steinmeyer / Häger, WpÜG, § 33 Rn 13. Vgl. Seite 130. 896 Vgl. Seite 216. 897 Fleischer, ZIP 2002, 651 (654): „Niemand kauft ohne Not die ,Katze im Sack‘“; Becker, ZHR 165 (2001), 280 (286). Vgl. Diskussionsbericht des DAV Schnorr, ZHR 165 (2001), 288 (290 f.). 898 Eingehendere ökonomische Begründung: Fleischer, ZIP 2002, 651 (653). 899 So zutreffend Fleischer, ZIP 2002, 651 (654); Winner, Pflichten der Zielgesellschaft in der Übernahme, S. 205 ff. (zum österreichischen ÜbernahmeG). 894 895

15 Liekefett

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

närsinteressen außer Acht, denen mit einer einseitigen Bevorzugung eines Bieters nicht gedient ist.900 Eine informationelle Gleichbehandlung aller Bieter in der Frage der Due Diligence liegt im Aktionärsinteresse. Da das Aktionärsinteresse Leitlinie für den Vorstand im Anwendungsbereich des WpÜG ist,901 handelt es sich bei dem Grundsatz der Bietergleichbehandlung folglich um nichts anderes als das konkretisierte Gesellschaftsinteresse während eines Übernahmeangebots.902 Mithin ist jedem anderen Bieter auf Anfrage (Rechtsgedanke von § 131 Abs. 4 S. 1 AktG)903 eine Due Diligence zu gewähren, wenn sie einem Bieter gestattet wurde. Allerdings kann eine informationelle Bietergleichbehandlung nicht ausnahmslos gelten. Es ist offensichtlich, dass eine unterschiedslose Gleichbehandlung aller Bieter angesichts der erheblichen Risiken, die mit einer Due Diligence verbunden sind, nicht sinnvoll sein kann. Es stellt sich nur die Frage, wie man eine Grenze der informationellen Bietergleichbehandlung formuliert und dogmatisch begründet: § 3 Abs. 3 WpÜG enthält eine Klarstellung, dass die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Pflichten durch das Gesetz nicht vollkommen suspendiert werden. Der Gesetzgeber hat sich insoweit für einen Vorrang des Aktienrechts auch während des Übernahmeverfahrens entschieden.904 Der Vorstand ist nach wie vor an das Gesellschaftsinteresse gebunden. Aus diesem Grund muss der Vorstand bei der Frage, ob und inwieweit er einem konkurrierendem Bieter eine Due Diligence gewährt, insbesondere die Grenzen berücksichtigen, die bereits zu § 93 Abs. 1 S. 3 AktG herausgearbeitet wurden.905 Die Vorstandskompetenzen können durch das Vorliegen eines Öffentlichen Übernahmeangebotes nicht erweitert werden.906 Eine Ungleichbehandlung der Bieter kann daher damit zu rechtfertigen sein, dass die Zulassung einer Due Diligence gegenüber dem betreffenden Bieter nicht im Gesellschaftsinteresse liegt.907 Insoweit liegen oftmals nicht bei allen Bietern diesel900 Fleischer, ZIP 2002, 651 (655 f.), der darauf auch hinweist, dass diese Rechtsauffassung ebenso in den USA und Großbritannien vorherrscht. 901 Vgl. Seite 156. 902 So auch die Mindermeinung in Österreich: vgl. Winner, Pflichten der Zielgesellschaft in der Übernahme, S. 206 f. 903 Ebenso Rule 20.2 des britischen City Code („on request“). Ähnlich Hopt, ZGR 2002, 333 (358). 904 BegrRegE zu § 3 Abs. 3 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 83. Vgl. auch Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 21. 905 Daher sind Risikobegrenzungsmaßnahmen zu treffen und es ist gegebenenfalls von der Weitergabe wettbewerbsrelevanter Informationen abzusehen oder ein neutraler Dritter zwischenzuschalten. Stehen die Vorteile der Gesellschaft bei einer Übernahme durch den fraglichen Bieter außer Verhältnis zu den Risiken einer Offenlegung ihrer Gesellschaftsgeheimnisse, so hat der Vorstand eine Due Diligence zu verweigern. Vgl. Seite 113 ff. 906 Vgl. Diskussionsbericht des DAV: Schnorr, ZHR 165 (2001), 288 (290). 907 Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (264 f.); Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435 (447). Vgl. auch Diskussionsbericht des DAV Schnorr, ZHR 165 (2001), 288 (290 f.). Ähnlich wohl auch Fleischer, ZIP 2002, 651 (655). Noch strenger: Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn 30, der eine Ungleichbehandlung nur zur „Abwendung von Gefahren für das Unternehmen“ zulassen will.

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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ben Voraussetzungen vor. Die Bietergleichbehandlung kann hinter einem vorrangigen Gesellschaftsinteresse an Geheimhaltung zurücktreten. Das Gesellschaftsinteresse ist somit nicht nur Grundlage einer informationellen Gleichbehandlung aller Bieter, sondern zugleich auch dessen Grenze.908

III. Gleichbehandlung des Kapitalmarktes (bei Börsengesellschaften) Letztlich ist zu untersuchen, ob der übrige Kapitalmarkt zu informieren ist, wenn der Vorstand eine Due Diligence zulässt. Die Ad-hoc-Publizitätspflichten einer Börsengesellschaft aus § 15 WpHG und § 10 WpÜG könnten zu einer partiellen informationellen Gleichbehandlung des Kapitalmarktes führen, wenn sie die Gesellschaft zur Veröffentlichung der Vorstandsentscheidung zur Due Diligence verpflichten. Von Interesse ist ferner, ob der Vorstand die Gewährung einer Due Diligence in seiner Stellungnahme nach § 27 WpÜG bei Öffentlichen Übernahmeangeboten offenlegen muss.

1. § 15 Abs. 1 WpHG Zunächst ist zu untersuchen, ob die Entscheidung einer Aktiengesellschaft, eine Due Diligence zu gestatten, unter die so genannte „Ad-hoc-Publizitätspflicht“ aus § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG fällt. Zweck von § 15 WpHG ist es zu verhindern, dass sich infolge von Informationsasymmetrien unangemessene Börsenkurse bilden. Gleichzeitig soll der Spielraum für Insidergeschäfte verkleinert werden und dadurch die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes verbessert werden.909 Im Rahmen der Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie wurde § 15 WpHG neu gefasst.910 Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte durch Art. 1 des „Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes“ (so genanntes „Anlegerschutzgesetz“), das am 01. 07. 2004 vom Bundestag und am 24. 09. 2004 vom Bundesrat verabschiedet wurde.911 § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F. verlangt von Emittenten die 908 Eine vergleichbare Grenze sieht auch das Schweizer Übernahmerecht vor. Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK hat folgenden Wortlaut: „Eine Ungleichbehandlung einzelner Anbieter ist nur mit Zustimmung der Übernahmekommission möglich, wenn die Zielgesellschaft ein überwiegendes Gesellschaftsinteresse nachweist.“ Vgl. Werlen, Zielgesellschaft im Übernahmekampf, S. 209. 909 BegrRegE zu § 15 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 48. Vgl. Assmann / Schneider /Assmann, WpHG, § 15 Rn 2, 7, 15 ff.; Götze, BB 1998, 2326 (2327); Schander / Lucas, M&A Review 1997, 553 (555). 910 Zum Umsetzungsbedarf der Bundesrepublik Deutschland: Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90. Vgl. auch Fürhoff, AG 2003, 80 (85); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (94 f.). 911 Zur Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzgesetz: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (934 ff.); Ziemons, NZG 2004, 537 (541 ff.).

15*

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

unverzügliche Veröffentlichung von Insiderinformationen, die den Emittenten „unmittelbar“ betreffen. Abgesehen vom Unmittelbarkeitserfordernis ist der Begriff der veröffentlichungspflichtigen Tatsachen in § 15 WpHG mit dem der Insiderinformationen kongruent, die in § 14 WpHG reguliert werden.912 Die Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie vom 12. 04. 2003 hat in dieser Hinsicht erhebliche Veränderungen zur Folge gehabt. § 15 WpHG a.F. hatte lediglich die Veröffentlichung nichtöffentlicher Tatsachen verlangt, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind und Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage der Gesellschaft haben sowie geeignet sind, den Kurs erheblich zu beeinflussen.913 Der Begriff der veröffentlichungspflichtigen Tatsachen in § 15 WpHG war daher nicht mit dem der Insidertatsache in §§ 13, 14 WpHG a.F. kongruent, insbesondere weil § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG ein Eintreten der Tatsache „im Tätigkeitsbereich des Emittenten“ verlangte. Diese deutlichen Unterschiede zwischen Insidertatsache und Ad-hoc-Tatsache mussten aufgrund der EUMarktmissbrauchsrichtlinie entfallen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie sind alle Insiderinformationen, die den Emittenten „unmittelbar“ betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Es wird daher mit einer erheblichen Ausweitung der Ad-hoc-Publizitätspflicht gerechnet.914

Es liegt die Frage nahe, ob die Entscheidung einer Gesellschaft, eine Due Diligence zu gestatten, nach § 15 WpHG n.F. zu publizieren ist. Das Problem, das bei der Beantwortung dieser Frage gelöst werden muss, ist die Behandlung von so genannten mehrstufigen Entscheidungsprozessen. M&A-Transaktionen, bei denen eine Due Diligence durchgeführt wird, haben einen mehrstufigen Ablauf. Vor einer Due Diligence stehen zumeist Vorverhandlungen, die mit einem Letter of Intent oder einem Memorandum of Understanding enden. Nach der Due Diligence folgen in der Regel die abschließenden Vertragsverhandlungen mit der Vertragsunterzeichnung und der Vollzug der Transaktion (so genanntes „Closing“). So gesehen ist die Due Diligence nur ein Zwischenschritt beim Ablauf einer Transaktion und damit eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses. Deshalb lässt sich bei der Due Diligence die Frage aufwerfen, ob die Publizierung dieses Beschlusses des Vorstands nicht zu voreiligen Reaktionen des Kapitalmarktes führen würde, die nicht von § 15 WpHG bezweckt sind.915 Der richtige Zeitpunkt einer Publizitätspflicht bei mehrstufige Entscheidungsprozesse innerhalb von Aktiengesellschaften (z. B. ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung) ist vor der Neufassung des WpHG durch das Anlegerschutzgesetz zum 12. 10. 2004 lebhaft und kontrovers diskutiert worden.916 Diese Problematik muss nunmehr anhand des neuen Gesetzestextes gelöst werden. Zur Reichweite des Unmittelbarkeitskriteriums: vgl. Seite 231. Empirische Daten bei Nowak, ZBB 2001, 449. Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 6.1, der an dieser Stelle aber lediglich den Inhalts von § 15 Abs. 1 WpHG beschreibt. Zum Kodex: vgl. Seite 69. 914 Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (906); Fürhoff, AG 2003, 80; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (608). 915 Götze, BB 1998, 2326 (2327); Schander / Lucas, M&A Review 1997, 553 (555). 912 913

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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Nach der alten Rechtslage konnte man bereits darüber diskutieren, ob ein Zwischenschritt bei einem mehrstufigen Entscheidungsprozess eine „Tatsache“ i.S.d. § 15 WpHG a.F. darstellte. In der wertpapierrechtlichen Literatur fanden sich Stimmen, die den Begriff der Tatsache in § 15 WpHG teleologisch reduzieren wollten. Als „Tatsache“ sollte nur ein Sachverhalt in Betracht kommen, der bezüglich einer bestimmten Entwicklung bereits eine hinreichende Realisierungswahrscheinlichkeit aufweist.917 Die wohl herrschende Auffassung im Schrifttum versuchte, den richtigen Veröffentlichungszeitpunkt bei mehrstufigen Entscheidungsprozeßen mit dem Merkmal „Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage“ der Gesellschaft zu finden.918 Letztlich gab es auch eine Meinung in der Literatur, die das Tatbestandsmerkmal des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials zur Eingrenzung heranziehen wollten.919

a) Insiderinformation, § 13 Abs. 1 WpHG Nach neuer Rechtslage muss zunächst geklärt werden, ob die Entscheidung einer Aktiengesellschaft, eine Due Diligence zu gestatten, eine „Insiderinformation“ i.S.v. § 15 WpHG n.F. darstellen kann. Nach der Legaldefinition in § 13 Abs. 1 WpHG n.F. ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände oder Ereignisse, die sich auf einen oder mehrere Emittenten oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. aa) Konkrete Information Anders als in der alten Fassung des § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG wird nicht mehr auf eine „Tatsache“ abgestellt, sondern auf eine nicht öffentlich bekannte „konkrete Information“. Als Umstände oder Ereignisse im Sinne dieses Begriffs gelten nach § 15 Abs. 1 S. 3 WpHG n.F. auch solche, bei denen mit hinreichende Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Damit fallen auch Prognosen und Werturteile und den Begriff der konkreten Information.920 Der Begriff ist demnach sehr viel weiter als die Formulierung „Tat916 Zur Diskussion: Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 45 ff.; Happ / Semler, ZGR 1998, 116; Götze, BB 1998, 2326 (2327 ff.); Kümpel, AG 1997, 66 (68 f.); Schander / Lucas, M&A Review 1997, 553 (556); Pananis, WM 1997, 460; Kiem / Kotthoff, DB 1995, 1999. Vgl. zum Themenkomplex: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (934 f.); Ziemons, NZG 2004, 537 (541 f.). 917 Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 50a ff.; Wittich, AG 1997, 1 (3); Kiem / Kotthoff, DB 1995, 1999 (2002 f.); Hopt, ZHR 159 (1995), 135 (152). 918 Assmann, ZGR 2002, 697 (715); Götze, BB 1998, 2326 (2327); Pananis, WM 1997, 460 (461 f.); Wölk, AG 1997, 73 (77 f.); Fürhoff / Wölk, WM 1997, 449 (450 f.); Schander / Lucas, DB 1997, 2109 (2110); Schander / Lucas, M&A Review 1997, 553 (556). 919 Vgl. Götze, BB 1998, 2326 (2329). 920 Diese Formulierung beruht auf Art. 1 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2003 / 124 / EG: vgl. Ziemons, NZG 2004, 537 (538); Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (934 ff.).

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

sache“ in § 15 WpHG a.F. Die Entscheidung einer Zielgesellschaft, eine Due Diligence zuzulassen, lässt zwar noch keinen Schluss auf das spätere Zustandekommen der Transaktion zu.921 Nach neuem Recht müssen die Informationen über die betreffenden Tatsachen jedoch nur konkret genug sein, um den Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Umstände bzw. Ereignisse auf die Börsenkurse zuzulassen.922 Konkrete Informationen sind neben Planungen und Konzepten auch vorbereitende Maßnahmen.923 Vom Tatbestandsmerkmal der „konkreten Information“ wird nicht viel mehr verlangt als ein feststehender Umstand und die Zulassung der Due Diligence ist ein solcher. Auf das Zustandekommen der Transaktion muss insoweit an dieser Stelle des Tatbestandes von § 15 WpHG n.F. gar nicht abgestellt werden; dies würde die Anforderungen an dieses Tatbestandsmerkmal überspannen.924 Die Eingrenzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG n.F. muss auf andere Art und Weise erfolgen. Bei der Auslegung von § 15 WpHG a.F. wurde zumeist in diesem Zusammenhang unter einer „Tatsache“ – wie auch in anderen Rechtsgebieten – ein der objektiven Nachprüfung zugängliches Geschehnis verstanden. Die Formulierung sollte lediglich der Abgrenzung gegenüber subjektiven Empfindungen und Werturteilen sowie zukünftigen Ereignissen dienen.925 Der Beschluss des Vorstands, eine Due Diligence zuzulassen, war somit als objektiv nachprüfbarer Vorgang unproblematisch eine „Tatsache“ i.S.v. § 15 WpHG a.F. Die Problematik mehrstufiger Entscheidungsprozeße wurde nach herrschender Auffassung nicht durch eine teleologische Reduktion des Tatsachenbegriffs in § 15 WpHG gelöst.926

bb) Kursbeeinflussungspotential Der Begriff der Insiderinformation erfordert ferner die Eignung, im Falle des öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere beeinflussen zu können.927 Nach dem neu eingefügten § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG ist eine solche Eignung gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlegeentscheidung berücksichtigten würde.928 Das Kursbeeinflussungs921 Vgl. Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (930), die zu Recht darauf hinweisen, dass bloße Verhandlungen über eine M&A-Transaktion noch keinen Schluss darauf zulassen, ob die Transaktion auch abgeschlossen wird. 922 BegrRegE zu § 15 WpHG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 33. 923 Ziemons, NZG 2004, 537 (541). 924 In dieselbe Richtung argumentiert Ziemons, NZG 2004, 537 (541 f.). Restriktiver in ihrer Auslegung des Begriffs der „Insiderinformation“ sind eventuell Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (930 f. einerseits und 935 andererseits). 925 Götze, BB 1998, 2326 (2327 f.); Wölk, AG 1997, 73 (77); Pananis, WM 1997, 460 (461 f.); Fürhoff / Wölk, WM 1997, 449 (450 f.); Schander / Lucas, DB 1997, 2109 (2110). 926 Assmann, ZGR 2002, 697 (715); Götze, BB 1998, 2326 (2327); Pananis, WM 1997, 460 (461 f.); Wölk, AG 1997, 73 (77 f.); Fürhoff / Wölk, WM 1997, 449 (450 f.); Schander / Lucas, DB 1997, 2109 (2110); Schander / Lucas, M&A Review 1997, 553 (556). 927 Vgl. Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (930 f.); Ziemons, NZG 2004, 537 (538). 928 Es handelt sich hierbei um die Umsetzung von Art. 1 Abs. 2 der Durchführungsrichtlinie 2003 / 124 / EG.

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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potential einer Entscheidung, die Due Diligence zu gewähren, kann nicht pauschal verneint werden. Es wird zwar vereinzelt vertreten, dass es nicht anzunehmen sei, dass ein rational handelnder Investor auf das Bekanntwerden der Zulassung einer Due Diligence mit einer Kauf- oder Verkaufsentscheidung reagiert, weil diese nur unter weiteren, nicht mit Sicherheit eintretenden Bedingungen zu einer Veränderung der Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf der Gesellschaft führt.929 Die Richtigkeit dieser Aussage ist aber nach den Erfahrungen des Börsencrashs im Jahre 2000 in Zweifel zu ziehen. Die Prognose über das Kursbeeinflusspotential ist ohnehin einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der jeweiligen Tatsache, des betroffenen Papiers, des Marktumfelds und anderer kursbeeinflussender Aspekte zu fällen.930 Die Information über die Zulassung einer Due Diligence kann nicht nur kursbeeinflussend sein, wenn die Zulassung der Due Diligence ausnahmsweise nur noch der letzte fehlende Schritt zur Transaktion ist. Bei dieser Information wird es sich regelmäßig um eine „Insiderinformation“ i.S.v. § 13 WpHG n.F. handeln.

b) Unmittelbarkeit Aber auch nach neuer Rechtslage ist nicht jede Insiderinformation ad-hoc-publizitätspflichtig. Eingegrenzt wird die Ad-hoc-Publizitätspflicht durch das in § 15 Abs. 1 WpHG n.F. enthaltene Unmittelbarkeitskriterium. Ein Emittent muss lediglich Insiderinformationen veröffentlichen, die ihn „unmittelbar“ betreffen. Zur Konkretisierung des Begriffs der Unmittelbarkeit wird in § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG n.F. eine Formulierung des alten Tatbestands aufgegriffen. Danach betrifft eine Insiderinformation einen Emittenten insbesondere dann unmittelbar, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die „in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten“ sind. Vereinzelt wurde die Sorge geäußert, diese Nähe zum Wortlaut von § 15 WpHG a.F. suggeriere, dass sich nichts an der Rechtslage geändert habe.931 Das Wort „insbesondere“ verdeutlicht jedoch, dass auch Informationen außerhalb seines Tätigkeitsbereichs den Emittenten unmittelbar betreffende Umstände sein können.932 Diese Formulierung eröffnet lediglich die Möglichkeit, zumindest allgemeine Marktdaten von der Publizitätspflicht auszunehmen, weil diese Informationen den Emittenten nur mittelbar betreffen.933 Für die Frage der Due Diligence hat sich durch diese Erweiterung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nichts geändert. Der Vorstandsbeschluss über die Due Diligence ist ein Umstand, der schon deshalb den Dahingehend Götze, BB 1998, 2326 (2329). Eingehend zu diesem Tatbestandsmerkmal nach alter Rechtslage: Assmann / Schneider / Assmann, WpHG, § 13 Rn 65d. 931 Dahingehend Ziemons, NZG 2004, 537 (541). 932 Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (934). 933 Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (906); Fürhoff, AG 2003, 80; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 (608); Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 (94 f.). 929 930

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

Emittenten „unmittelbar“ betrifft, weil sie „in seinem Tätigkeitsbereich“ i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG n.F. eintritt, denn er stellt eine Maßnahme des Leitungsorgans der Zielgesellschaft dar.934 Dies gilt selbst im Hinblick auf M&A-Transaktionen, die lediglich eine Veränderung des Gesellschafterkreises beabsichtigen. Zwar ist bei Beteiligungsveräußerungen zwischen der Gesellschaftssphäre und der Gesellschaftersphäre zu trennen, so dass diese Transaktionen betreffende Tatsachen grundsätzlich nicht „im Tätigkeitsbereich“ der Zielgesellschaft eintreten.935 Wenn der Vorstand eine Übernahme oder einen Beteiligungskauf mit einer Due Diligence unterstützt, wirkt er jedoch dadurch aktiv mit und bezieht diese Transaktion durch seine Mitwirkung in den Tätigkeitsbereich seiner Gesellschaft mit ein.936 Folglich ist die Zulassung einer Due Diligence grundsätzlich publizitätspflichtig. Nach alter Rechtslage war fraglich, ob der Vorstandsbeschluss über die Zulassung der Due Diligence „Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf“ der Gesellschaft hat. Diese Begriffe sollten nach der Vorstellung des Gesetzgebers und eines Teils des Schrifttums mit Hilfe der handelsbilanziellen Vorschriften (§§ 264 Abs. 2, 289 Abs. 1 HGB) interpretiert werden.937 Die Literatur ist dem allerdings nur teilweise gefolgt. Angesichts des Normzwecks, Informationsdefizite der Anleger zu vermeiden und den Spielraum für Insidergeschäfte zu verkleinern, erfolgte nach der herrschenden Meinung im Schrifttum zu Recht kein Rückgriff auf bilanzrechtliche Vorschriften. Nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung konnte es nicht richtig sein, eine Pflicht zur Publizierung erst im Zeitpunkt vollendeter Tatsachen anzunehmen.938 Allerdings würde der Kapitalmarkt verunsichert werden, wenn man Publizität über alle bloß denkbaren Geschäftsentwicklungen verlangen würde, obwohl deren Realisierung noch vollkommen offen ist.939 Deshalb musste nach herrschender Auffassung mit dem Eintritt der Geschäftsentwicklung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge gerechnet werden können. Die Entwicklung musste ohne weitere wesentliche Zwischenschritte zu Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf 934 Hölters / Semler, Unternehmenskauf, Teil VI Rn 73; Götze, BB 1998, 2326 (2328). A.A.: Assmann, ZGR 2002, 697 (715). Problematisch war, ob diese Tatsache dann auch im „im Tätigkeitsbereich“ einer anderen Konzerngesellschaft eingetreten ist. Dies wurde insbesondere dann bedeutsam, wenn die Zielgesellschaft nicht börsennotiert ist, ihre Muttergesellschaft hingegen schon. Vgl. Seite 294. 935 Vgl. Leitfaden der BAFin (vormals: BAWe) und der Deutschen Börse AG: BAWe / Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc Publizität, S. 35. A.A.: Assmann / Schneider / Schneider, WpHG, vor § 21 Rn 24. 936 Dahingehend Assmann, ZGR 2002, 697 (715). Ähnlich Hopt, ZHR 159 (1995), 133 (153 Fn 75); Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 40a. Zweifelnd Fürhoff / Wölk, WM 1997, 449 (452); Schander / Lucas, DB 1997, 2109 (2112). 937 BegrFinanzausschuss zu § 15 WpHG, BT-Drucks. 12 / 7918, S. 96. Zustimmend: Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 58; Kümpel, KapitalmarktR, Rn 16.280 ff.; Heidmeier, AG 1992, 110 (112); Pellens, AG 1991, 62 (64 f.). 938 Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 50a; Götze, BB 1998, 2326 (2328); Kümpel, AG 1997, 66 (67); Fürhoff / Wölk, WM 1997, 449 (453). 939 Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 50a; Götze, BB 1998, 2326 (2328); Fürhoff / Wölk, WM 1997, 449 (459).

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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des Unternehmens führen.940 Auf die Veröffentlichungspflicht einer Due Diligence übertragen bedeutete dies, dass diese Vorstandsentscheidung i.d.R. nicht das erforderliche Auswirkungspotential besaß. Eine Ad-hoc-Pflicht kam nur in Frage, wenn die Due Diligence im konkreten Fall das einzige nennenswerte Hindernis war, das der Transaktion noch entgegensteht und nach aller Voraussicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen wird. Die Bedeutung dieses Beschlusses erschöpft sich normalerweise in seiner Funktion als vorbereitende Maßnahme für eine Transaktion. Dementsprechend hatte die Entscheidung des Vorstands, eine Due Diligence zu gewähren, in der Regel keine Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf der Gesellschaft nach § 15 WpHG a.F.941

c) Befreiung von der Veröffentlichungspflicht, § 15 Abs. 3 WpHG Die weitreichende Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG n.F. wird durch eine vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit eines Aufschubs der Veröffentlichung korrigiert. Nach § 15 Abs. 3 WpHG n.F. ist ein Emittent so lange von der Veröffentlichungspflicht befreit, als er der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Es handelt sich hierbei um die Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 S. 1 der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie.942 Mit der Neufassung der wertpapierrechtlichen Ad-hoc-Publizitätspflicht entfällt gleichzeitig der bislang nach § 15 Abs. 1 S. 5 WpHG a.F. zwingend vorgeschriebene Befreiungsantrag bei der BaFin.943 Wie auch die Regierungsbegründung betont, müssen nunmehr Emittenten selbst eigenverantwortlich entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen.944 Sowohl die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie als auch die Durchführungsrichtlinie sehen davon ab, die „berechtigten Interessen“ zu definieren.945 Die Durchführungsrichtlinie nennt jedoch als Regelbeispiel laufende Verhandlungen, deren Verlauf und Ergebnis durch die Veröffentlichung gefährdet werden würde.946 Die Entscheidung, eine Due Diligence im Rahmen einer M&A-Transaktion zu gewähren, findet während eines derartigen gefährlichen Verhandlungsstadiums statt. Die Interessen der Aktiengesellschaft können durchaus durch die Veröffentlichung der Zulassung einer Due Diligence Schaden nehmen, wenn die Verhandlungen über 940 Götze, BB 1998, 2326 (2328); Kümpel, AG 1997, 66 (67); Fürhoff / Wölk, WM 1997, 449 (453); Kiem / Kotthoff, DB 1995, 1999 (2002 f.). 941 Assmann, ZGR 2002, 697 (715); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (381 Fn 83); Kiethe, NZG 1999, 976 (979 Fn 59); Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 213 Fn 761. Eingehend dazu Götze, BB 1998, 2326 (2328 f.). 942 Vgl. Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (906). 943 Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (935). 944 BegrRegE zu § 15 WpHG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 35. 945 Eingehender hierzu Ziemons, NZG 2004, 537 (542). 946 Art. 3 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2003 / 124 / EG.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

die M&A-Transaktion zunächst geheim bleiben sollen (z. B. um nicht Arbeitnehmer zu verunsichern oder Wettbewerber vorzuwarnen). Nur in dem in der Praxis kaum relevanten Ausnahmefall, dass die Due Diligence im konkreten Fall das einzige Hindernis ist, das der Transaktion noch entgegenstand, nehmen die Interessen der Gesellschaft durch die Veröffentlichung keinen Schaden.947 Im Übrigen wäre eine frühzeitige Veröffentlichung der Entscheidung über die Due Diligence geeignet, eine „Irreführung der Öffentlichkeit“ zu verursachen. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nicht näher vom Gesetzgeber definiert worden.948 Wenn aber die Zulassung der Due Diligence publiziert würde, könnte dem durchschnittlichen Anleger suggeriert werden, dass die betreffende Transaktion nahezu abgeschlossen sei. Schlägt dann die Transaktion fehl, liegt der Vorwurf nahe, dass die Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit irregeführt hat. Gerade bei Transaktionen wie Übernahmen könnte eine verfrühte Bekanntgabe negative Auswirkungen nach sich ziehen;949 diesen Fall nennt auch die Regierungsbegründung zum Anlegerschutzgesetz ausdrücklich.950 Letztlich hat der Emittent die „Vertraulichkeit der Insiderinformation zu gewährleisten“. Ist dies nicht oder nicht mehr der Fall, so muss der Emittent die Veröffentlichung der Information unverzüglich nachholen. Gerüchte im Markt, die nicht vom Emittenten ausgehen, können dabei richtigerweise nicht zur Veröffentlichungspflicht führen. Andernfalls könnten beispielsweise Übernahmeverhandlungen durch gezieltes Streuen von Gerüchten über eine Due Diligence zunichte gemacht werden.951 Empfehlenswert ist in diesen Fällen, Anfragen in Bezug auf die Due Diligence nicht weiter zu kommentieren die („No Comment“-Strategie952), da ein ausdrückliches Dementi einer tatsächlich stattfindenden Due Diligence rechtlich ausgesprochen problematisch sein kann.953 Neben einem Insiderregister nach § 15b WpHG n.F., das nunmehr durch jeden Emittenten geführt werden muss,954 sind weitere Vorkehrungen zu treffen. Über die Gestattung der Due Diligence sind nur Personen zu unterrichten, die diese Information zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Diese Personen müssen die Pflichten, die sich aus dem Zugang zu dieser Information ergeben, anerkennen und über die Sanktionen für missbräuchliche Verwendung belehrt werden.955 Im Ergebnis ebenso Götze, BB 1998, 2326 (2330) zu § 15 WpHG a.F. Vgl. Ziemons, NZG 2004, 537 (542). 949 Ebenso Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (935). 950 BegrRegE zu § 15 WpHG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 35. 951 So die überzeugende Argumentation von Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (935 f.). 952 Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (935 f.). 953 Zu der rechtlichen Problematik, eine M&A-Transaktion wie eine Fusion während der Verhandlungsphase zu dementieren: Wegen / Scholz, M&A Review 2001, 196. 954 Eingehend zum Insiderverzeichnis: Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (932 f.); Ziemons, NZG 2004, 537 (540). 955 Vgl. Ziemons, NZG 2004, 537 (543). 947 948

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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Schließlich verlangt § 15 Abs. 3 S. 2 WpHG n.F., dass der Emittent die Veröffentlichung unverzüglich nachzuholen hat, wenn der Grund für die Befreiung weggefallen ist. Es ist logisch und verständlich, dass ein Emittent unverzüglich eine Ad-hoc-Mitteilung herausgegeben muss, wenn die betreffende M&A-Transaktion abgeschlossen ist. Wie jedoch zu verfahren ist, wenn die Transaktion gescheitert ist, wurde nicht geregelt.956 Weder die Begründungen zu den EU-Richtlinien noch zum Anlegerschutzgesetz geben darüber ansatzweise Aufschluss. Es spricht einiges dafür, dass in diesen Fällen das berechtigte Interesse des Emittenten an der Nichtveröffentlichung fortbesteht und er nicht publizieren muss, dass er im Rahmen von Verhandlungen über eine M&A-Transaktion eine Due Diligence gewährt hat.957 Die Information hat sich dann zumeist auch überholt, so dass ein Informationsinteresse der Anleger in der Regel nicht mehr besteht und somit eine Ad-hoc-Publizitätspflicht nach dem Sinn und Zweck der Norm abzulehnen ist.958

d) Zusammenfassung Eine Pflicht zur Veröffentlichung des Vorstandsbeschlusses zur Due Diligence gemäß § 15 Abs. 1 WpHG besteht grundsätzlich, da es sich hierbei um eine Insiderinformation handelt, die den Emittenten „unmittelbar“ betrifft. Die Gesellschaft ist allerdings nach § 15 Abs. 3 WpHG so lange von der Veröffentlichungspflicht befreit, als sie die Vertraulichkeit der Due Diligence gewährleisten kann. Schlägt die M&A-Transaktion nach Durchführung der Due Diligence fehl, so muss die Veröffentlichung nicht nachgeholt werden.

2. § 10 Abs. 1 WpÜG Keine anderen Ergebnisse ergibt eine Untersuchung der Ad-hoc-Publizitätspflicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG bei Öffentlichen Übernahmeangeboten. Danach hat nur der Vorstand einer Bietergesellschaft seine Entscheidung zur Abgabe eines Angebots zu veröffentlichen. Die Vorschrift verdrängt zwar gemäß § 10 Abs. 6 WpÜG die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach WpHG, ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers § 15 WpHG nachgebildet.959 Die für diese Vorschrift entwickelten Grundsätze über mehrstufige Entscheidungsprozesse können deshalb bei der Auslegung von § 10 Abs. 1 WpÜG herangezogen werden.960 Da eine Due Diligence Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (935); Ziemons, NZG 2004, 537 (543). So überzeugend Ziemons, NZG 2004, 537 (543), die allerdings nicht ausdrücklich auf die Due Diligence eingeht. 958 Überzeugend Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (935). 959 BegrRegE zu § 10 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 39. Vgl. Geibel / Süßmann / Geibel, WpÜG, § 10 Rn 3. 960 Steinmeyer / Häger, WpÜG, § 10 Rn 16; Geibel / Süßmann / Geibel, WpÜG, § 10 Rn 7, 11. Vgl. Seite 227 ff. 956 957

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

die Entscheidung zur Abgabe eines Öffentlichen Übernahmeangebots lediglich vorbereitet, löst dies mithin noch keine Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG aus.961 3. § 27 Abs. 1 WpÜG Vorstand und Aufsichtsrat sind bei Öffentlichen Übernahmeangeboten dazu verpflichtet, gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG eine Stellungnahme abzugeben. Diese Vorschrift konkretisiert den Grundsatz der Transparenz aus § 3 Abs. 2 WpÜG.962 Die Verwaltung hat deshalb grundsätzlich alle ihr bekannten Informationen in die Stellungnahme aufzunehmen, die für die Beurteilung der Angemessenheit des Angebots von Bedeutung sein können.963 Wenn der Bieter seinen Angebotspreis infolge einer Due Diligence unter Berücksichtigung von am Markt nicht bekannten Informationen bestimmen konnte, stellt sich die Frage, ob die Aktionäre in der Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG über diese Insiderinformationen des Bieters unterrichtet werden müssen. Gerade diese Zusatzinformationen des Bieters können entscheidend sein für die Beurteilung der Angemessenheit des gebotenen Kaufpreises (vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpÜG). Beispiel: Bei einem Öffentlichen Übernahmeangebot für ein Biotech-Unternehmen liegt die Börsenpreisuntergrenze (§ 5 WpÜG-AngebVO) bei 10 A. Geboten werden 12 A pro Aktie. Diese Übernahmeprämie von 20 % ist nicht hoch. Sie erscheint aber in einem ganz anderen Licht, wenn sich während der Due Diligence herausgestellt haben sollte, dass das Patent des Hauptprodukts eventuell nicht rechtswirksam geschützt sein könnte. Umgekehrt kann ein Premium von 2 A unangemessen niedrig sein, wenn die Zielgesellschaft kurz vor Abschluss eines geheimen Geschäfts oder Projekts steht, das hohe Erträge für die Zukunft als sicher erscheinen lässt.

Die Stellungnahmepflicht ist jedoch nicht ausschließlich kapitalmarktrechtlicher Natur, sondern erfolgt zugleich im Gesellschaftsinteresse (§ 76 Abs. 1 AktG, § 3 Abs. 3 WpÜG). Dies lässt sich insbesondere aus der Regierungsbegründung zu § 27 WpÜG herleiten: „Durch die Stellungnahme kommt der Vorstand zugleich seiner gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung zur sachgerechten Verpflichtung der in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen nach, deren Träger neben den Aktionären die Arbeitnehmer und das Gemeinwohl sind und deren ggf. divergierenden Interessen im Wege praktischer Konkordanz auszugleichen sind.“964 (Hervorhebung vom Verf.)

Die Stellungnahmepflicht nach § 27 WpÜG muss auch ihre Grenze im Gesellschaftsinteresse finden. Wenn das öffentliche Bekanntwerden von Insiderinformationen schädigend wäre, dürften diese Informationen nicht in die Stellungnahme 961 962 963 964

Geibel / Süßmann / Geibel, WpÜG, § 10 Rn 7. BegrRegE zu § 27 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 52. KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 27 Rn 32; Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1381). BegrRegE zu § 27 WpÜG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 52.

C. Folgepflichten der Aktiengesellschaft

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aufgenommen werden. Von der Pflicht zur Bekanntmachung preisrelevanter Informationen ist die Verwaltung deshalb entbunden, soweit sie nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, so dass diese Due Diligence-Informationen nicht offengelegt werden müssen.965 In der Stellungnahme nach § 27 WpÜG ist aber zumindest anzugeben, dass eine Due Diligence gewährt wurde, denn diese Tatsache ist zum Stellungnahmezeitpunkt nicht mehr geheimhaltungsbedürftig. Wenn der Vorstand einen Bieter durch die Due Diligence unterstützt, muss er diese Parteinahme offenlegen und damit Aktionäre vor Insiderwissen des Bieters warnen.966

IV. Ergebnisse von Teil C Gestattet der Vorstand eine Due Diligence, so hat seine Gesellschaft nur einige wenige Folgepflichten:  Der Vorstand ist weder aufgrund § 53a AktG noch infolge § 131 Abs. 4 S. 1 AktG dazu verpflichtet, nach der Zulassung einer Due Diligence allen Aktionäre seiner Gesellschaft eine Due Diligence zu gewähren.  Nach Abgabe eines Übernahmeangebotes sind alle Bieter gemäß § 3 Abs. 3 WpÜG informationell gleich zu behandeln, so dass allen Bietern eine Due Diligence gestattet werden muss, sobald sie einem Bieter gewährt wurde. Dieses Gleichbehandlungsgebot findet seine Grenze im Gesellschaftsinteresse.  Eine Pflicht zur Veröffentlichung des Vorstandsbeschlusses zur Due Diligence gemäß § 15 Abs. 1 WpHG besteht grundsätzlich, da es sich hierbei um eine Insiderinformation handelt, die den Emittenten „unmittelbar“ betrifft. Die Gesellschaft ist allerdings nach § 15 Abs. 3 WpHG so lange von der Veröffentlichungspflicht befreit, als sie die Vertraulichkeit der Due Diligence gewährleisten kann. Schlägt die M&A-Transaktion nach Durchführung der Due Diligence fehl, so muss die Veröffentlichung nicht nachgeholt werden.  Eine Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 10 Abs. 1 WpÜG bei Öffentlichen Übernahmeangeboten existiert ebenfalls nicht.  In der Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG ist anzugeben, dass eine Due Diligence gewährt wurde. Die eigentlichen Due Diligence-Informationen sind jedoch nicht offenzulegen.

965 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (420); KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 27 Rn 32; Geibel / Süßmann / Schwennicke, WpÜG, § 27 Rn 13; Hopt, FS Lutter, S. 1361 (1381). 966 Offenzulegen sind schließlich auch Interessenkonflikte: Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (420); KölnKomm / Hirte, WpÜG, § 27 Rn 34.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft Nachdem dargelegt wurde, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand eine Due Diligence gewähren darf, soll im Folgenden untersucht werden, ob nicht sogar Ansprüche gegenüber einer Aktiengesellschaft auf Gewährung einer Due Diligence bestehen können. In der GmbH ist dies nach herrschender Meinung möglich.967 Wenn eine Aktiengesellschaft Ziel der Due Diligence ist, wird diese Frage bislang im Schrifttum regelmäßig ohne weitere Begründung ganz überwiegend verneint. Demgegenüber sind Krömker968 und Körber969 der Auffassung, dass es unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence geben könne. Diese Stellungnahmen beschränken sich auf die Erörterung der Rechtslage beim Share Deal und beim Beteiligungskauf. Die Frage der Due Diligence bei anderen M&A-Transaktionen wird allenfalls gestreift. Nachfolgend wird hingegen für alle typischen M&A-Transaktionen nach einer Anspruchsgrundlage gesucht, die dem Informationsinteressenten einen Anspruch auf Zugang zu internen Informationsquellen der Zielgesellschaft gibt. Grundsätzlich gibt es diesbezüglich zwei Möglichkeiten, die es zu untersuchen gilt: Zum einen könnte sich aus vertraglichen oder vorvertraglichen Schuldverhältnissen eine Anspruchsgrundlage ergeben, die einen Aktionär oder Nichtaktionär dazu berechtigt, eine Due Diligence bei einer Zielgesellschaft durchführen zu dürfen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob es gesetzliche Regelungen gibt, die einen Anspruch auf Gestattung der Due Diligence gegenüber einer Aktiengesellschaft stützen.

I. Vertragliche und vorvertragliche Ansprüche Die Frage, ob sich Ansprüche auf Durchführung einer Due Diligence aus Vertrag oder einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergeben können, wurde bislang erstaunlicherweise kaum eingehender erörtert. Einzig Peters, der sich dabei allerdings auf den Share Deal beschränkt, hat sich dieser Frage etwas ausführlicher angenommen und diese Möglichkeit verneint.970 967 Zur Rechtslage in der GmbH eingehend: Oppenländer, GmbHR 2000, 535 ff.; Bremer, GmbHR 2000, 176 ff.; Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 ff.; Götze ZGR 1999, 202 ff. Mit starken Einschränkungen: Lutter, ZIP 1997, 613 (614 ff.), der ebenso wie in der AG eine Due Diligence erst dann zulassen möchte, wenn sie durch einen neutralen Dritten durchgeführt wird. 968 Krömker, Due Diligence, S. 74 ff. Zusammenfassender Aufsatz in der NZG 2003, S. 418 ff. 969 Körber, NZG 2002, 263 (265). 970 Peters, Due Diligence, S. 6 ff.

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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1. Ansprüche aus Letter of Intent oder vergleichbaren Vorfeldvereinbarungen In der Praxis wird nicht selten im Letter of Intent oder einer anderen vorvertraglichen Vereinbarung bestimmt, dass eine Due Diligence zu gewähren ist. Der aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende „Letter of Intent“ gehört zu den in der nationalen und internationalen Vertragspraxis weit verbreiteten Vereinbarungen, die M&A-Transaktionen vorbereiten. Zweck eines Letter of Intent ist es, den Stand der im Vorfeld einer Transaktion geführten Verhandlungen festzuhalten und die wechselseitige Absicht zu bekunden, einen Vertrag abzuschließen.971 Neben dem Letter of Intent sind in der Transaktionspraxis häufig „Memoranda of Understandings“ oder „Heads of Agreement“ anzutreffen. Diese Vorfeldvereinbarungen halten wie der Letter of Intent Verhandlungsergebnisse fest, werden aber erst in einem späteren Verhandlungsstadium abgeschlossen und weisen typischerweise einen höheren Detailierungsgrad auf.972 Diese Begriffe werden allerdings nicht einheitlich verwendet und überschneiden sich häufig. Aus diesem Grund wird nachfolgend vereinfachend vom Letter of Intent gesprochen. Ein Letter of Intent enthält in der Regel konkrete Vorleistungspflichten, um die im Verhandlungsstadium bestehenden schützenswerten Interessen der Parteien zu sichern und notwendige Vorleistungen zu regeln. Zu diesen Vorleistungspflichten gehören Regelungen über den Informationsaustausch während der Verhandlungen.973 Nicht selten wird dabei im Vertragstext der Zielgesellschaft einer M&A-Transaktion unter anderem auch die Verpflichtung auferlegt, dem Geschäftspartner die Durchführung einer Due Diligence zu gestatten. Beispiel: Aus einem Letter of Intent anlässlich eines Joint Ventures: „Within the scope of a joint due diligence exercise, the Parties will provide each other with information which in the view of the parties is necessary, helpful or useful for the carrying out of the Joint Venture.“974

971 Grundlegend zum Letter of Intent: Lutter, Letter of Intent, S. 1 ff. Im Überblick: Jansen, M&A Review 2002, 245; Kösters, NZG 1999, 623. Formulierungsbeispiele: Thümmel, in: Schütze / Weipert, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4 Wirtschaftsrecht III, S. 1 ff.; Hess / Fabritius, in: Hopt, Vertrags- u. Formularhandbuch, S. 655 ff. 972 Der Letter of Intent ist in der heutigen Wirtschaftspraxis nicht mehr notwendigerweise eine einseitige Erklärung eines Transaktionsbeteiligten. Dieses ehemals klassische Kriterium erlaubt keine klare Abgrenzung mehr (A.A: Lutter, Letter of Intent, S. 12; Jansen, M&A Review 2002, 245). Andere Abgrenzungsversuche bei Kösters, NZG 1999, 623. 973 Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn 847; Lutter, Letter of Intent, S. 48. Vgl. Peters, Due Diligence, S. 6 f. 974 Formulierungsbeispiel von Kösters, NZG 1999, 623 (625). Weiteres Beispiel bei Thümmel, in: Schütze / Weipert, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4 Wirtschaftsrecht III, S. 2 (Englisch) bzw. S. 7 (Deutsch).

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

a) Rechtliche Bindungswirkung eines Letter of Intent Eine derartige Bestimmung in einem Letter of Intent oder einer vergleichbaren Vorfeldvereinbarung kann nur dann zu einem Anspruch auf eine Due Diligence führen, wenn dadurch eine rechtlich verbindliche Verpflichtung für die Gesellschaft begründet werden sollte. Erste Voraussetzung für eine Bindungswirkung ist, dass die Zielgesellschaft überhaupt Vertragspartei des Letter of Intent ist. Dies ist nicht bei allen M&ATransaktionen selbstverständlich, denn die Zielgesellschaft ist nicht immer an der Transaktion beteiligt. Insbesondere beim Unternehmensverkauf in Form eines Share Deals oder beim Beteiligungsverkauf ist die Zielgesellschaft keine Vertragspartei des späteren Anteilskaufvertrages. Ebensowenig ist die Gesellschaft anlässlich dieser Transaktionen Partei des vorbereitenden Letter of Intent, denn nur in Ausnahmefällen wird die Zielgesellschaft in diese Vereinbarung rechtswirksam miteinbezogen. Eine rechtliche Verpflichtung der Gesellschaft zur Gestattung einer Due Diligence kann sich dann von vornherein nicht ergeben, denn insoweit handelte es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter. Die Vorfeldvereinbarungen bei diesen M&A-Transaktionen enthalten in der Praxis zumeist nur eine Pflicht des veräußerungswilligen Aktionärs, auf die Zielgesellschaft einzuwirken, damit diese eine Due Diligence gestattet. Die Reichweite dieser Mitwirkungspflichten des Aktionärs hängt letztlich von der konkreten Vereinbarung und seinen eigenen Informationsansprüchen gegenüber der Gesellschaft ab.975 An den meisten anderen M&A-Transaktionen ist die Zielgesellschaft direkt beteiligt. Wird anlässlich von Verhandlungen über eine Fusion, einen Unternehmenskauf im Wege des Asset Deals, über einen Beteiligungsvertrag, ein Joint Venture oder über einen Börsengang ein Letter of Intent abgeschlossen, so ist die Zielgesellschaft zumeist Partei dieser Vereinbarung.976 Bei diesen Transaktionen hängt die Bindungswirkung des Letter of Intent hinsichtlich der Due Diligence vom Rechtsbindungswillen ab. Zumeist wird ausdrücklich klargestellt, ob eine rechtliche Bindungswirkung gewollt ist. Fehlt eine eindeutige Formulierung, muss die Vereinbarung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ausgelegt werden. Die Bindungswirkung eines Letter of Intent hinsichtlich des Abschlusses des Hauptvertrages ist zwar grundsätzlich zu verneinen.977 Bei den Vorleistungspflichten innerhalb des Letter of Intents handelt es sich hingegen um echte vertragliche Verpflichtungen im Vorfeld des Hauptvertrages.978 Dazu gehören auch 975 Peters, Due Diligence, S. 8. Zu den gesetzlichen Informationsansprüchen des Aktionärs: vgl. Seite 243 ff. 976 Dies verkennt Peters, Due Diligence, S. 15. 977 Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn 846. Die Bezeichnung „Letter of Intent“ kann insoweit aber allenfalls ein widerlegbares Indiz dafür sein, dass eine dahingehende Bindung nicht gewollt ist: vgl. OLG Köln, EwiR 1994, 533. 978 Dazu gehören außerdem Vereinbarungen über Exklusivität, Geheimhaltung und Abwerbeverbote. Vgl. Lutter, Letter of Intent, S. 39 ff.; Thümmel, in: Schütze / Weipert, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4 Wirtschaftsrecht III, S. 13.

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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Vereinbarungen über die Herausgabe geheimgehaltener Informationen.979 Die Auslegung wird infolgedessen regelmäßig ergeben, dass die Zielgesellschaft zur Bereitstellung von Informationen im Rahmen einer Due Diligence verpflichtet ist.

b) Rechtliche Unmöglichkeit als Grenze, § 275 BGB Besteht nach der Auslegung eine Verpflichtung zur Due Diligence, muss untersucht werden, ob diese Verpflichtung nicht auf eine rechtlich unmögliche980 Leistung gerichtet ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist nicht vollkommen frei in seiner Entscheidung, ob er eine Due Diligence gestattet. Ihm ist die Weitergabe von Informationen unmöglich, wenn er aus Rechtsgründen dazu nicht in der Lage ist. Die Aktiengesellschaft kann deshalb nicht zur Offenlegung im Rahmen einer Due Diligence verpflichtet sein, soweit sie durch die Weitergabe von Informationen gegen das Gesetz verstößt. Vereinbarungen über eine Due Diligence finden demnach ihre Grenze in der Informationsbefugnis der Zielgesellschaft. Der Vorstand als zuständiges Organ muss folglich weiterhin die Kompetenzen des Aufsichtsrats in dieser Angelegenheit wahren, die erforderlichen Risikobegrenzungsmaßnahmen aufgrund von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG treffen, die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG beachten und gegebenenfalls die informationellen Folgepflichten erfüllen.981 Der Vorstand kann über diese rechtlichen Grenzen der Due Diligence nicht durch Vertrag disponieren. Aus diesem Grund enthält der Letter of Intent in der M&A-Praxis häufig zur Klarstellung eine Einschränkung der Informationspflicht. Zumeist wird die Auswahl der konkreten Informationen in das Ermessen der Zielgesellschaft gestellt, so dass der Vorstand die Grenzen seiner Informationsbefugnis einhalten kann. Bei diesen Formulierungen stellt sich das Problem mit § 275 BGB gar nicht erst. Beispiel: „The selection of the information to be disclosed shall be at the discretion of the disclosing party“.982

c) Zusammenfassung Wird in Vorfeldvereinbarungen bestimmt, dass eine Due Diligence gewährt wird und ist die Zielgesellschaft Partei dieser Vereinbarung, so ist der Rechtsbindungswille genau zu prüfen. Besteht nach der Auslegung eine Verpflichtung zur Gewährung einer Due Diligence, dann besteht darauf ein Anspruch in den Grenzen der Informationsbefugnis des Vorstands. Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn 847. Zur rechtlichen Unmöglichkeit: Palandt / Heinrichs, BGB, § 275 Rn 16. 981 Vgl. Seite 61 ff. 982 Formulierungsbeispiel von Kösters, NZG 1999, 623 (625). Weiteres Beispiel bei Thümmel, in: Schütze / Weipert, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4 Wirtschaftsrecht III, S. 2 (Englisch) bzw. S. 7 (Deutsch). 979 980

16 Liekefett

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

2. Ansprüche aufgrund vorvertraglicher Informationspflichten, § 242 BGB Bei den meisten M&A-Transaktionen entsteht zwischen der Zielgesellschaft und dem Due Diligence-Interessenten ein vorvertragliches Schuldverhältnis spätestens mit der Unterzeichnung eines Letter of Intent.983 Es wurde jedoch bereits ausgeführt, dass die aus § 242 BGB hergeleiteten vorvertraglichen Aufklärungspflichten den Vorstand eines Zielunternehmens nicht zur Gestattung einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen verpflichten.984 Aber selbst wenn man dies annehmen würde, wären die vorvertraglichen Informationspflichten nicht einklagbar und gäben keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence. Es fehlt an der Anspruchsqualität der vorvertraglichen Informationspflichten. Bei den vorvertraglichen Informationspflichten findet eine retrospektive Betrachtung statt. Es geht um Informationen, an denen der andere Teil sein früheres Verhalten ausgerichtet hätte. Dagegen geht es beim Auskunftsanspruch im engeren Sinne um Informationen, nach denen der andere Teil sein künftiges Verhalten bestimmen will. Schon aus dieser nicht immer eingehaltenen Abgrenzung ergibt sich, dass die vorvertraglichen Informationspflichten nicht als Primäranspruch einklagbar sind, sondern bei Pflichtverletzung allenfalls einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB) begründen.985 Im Übrigen wurden die vorvertraglichen Informationspflichten von der Rechtsprechung vornehmlich zu dem Zweck konzipiert, die Schwächen der gesetzlichen Gewährleistung des BGB auszugleichen.986 Es sollten Sekundäransprüche für den Fall ermöglicht werden, dass sich nach Vertragsschluss herausstellt, dass es bei den Vertragsverhandlungen Fehlverhalten gegeben hat. Einen einklagbaren Primäranspruch auf Erteilung von Information sollten sie hingegen nicht gewähren. In diesem Bereich liegt die Bedeutung der vorvertraglichen Informationspflichten. Einen einklagbaren Primäranspruch auf Erteilung von Information gewähren die vorvertraglichen Informationspflichten aus § 242 BGB hingegen nicht.987 Die Richtigkeit dieser Feststellung ergibt sich auch aus einer anderen Überlegung. Die vorvertraglichen Informationspflichten bestehen nur, solange ein vorvertragliches Schuldverhältnis existiert. Ein Verhandlungspartner kann sich den Informationsansprüchen weitestgehend sanktionslos dadurch entziehen, indem er die Vertragsverhandlungen einfach abbricht. Nur in engen Ausnahmefällen verursacht dies einen Schadensersatzanspruch aus §§ 311, 241 Abs. 2, Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn 846. Vgl. Seite 136 ff. 985 MünchKomm / Roth, BGB, § 242 Rn 260; Palandt / Heinrichs, BGB, § 242 Rn 37. 986 Nachdem aufgrund der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 die §§ 463, 477 BGB a.F. weggefallen sind, stellt sich allerdings die Frage, ob eine parallele c.i.c.-Informationshaftung neben der kaufrechtlichen Gewährleistung noch gerechtfertigt werden kann. Hierfür besteht an sich kein Bedürfnis mehr, da die meisten der bisherigen Schwächen der kaufrechtlichen Gewährleistung beseitigt worden sind: vgl. Wolf / Kaiser, DB 2002 411 (419); DaunerLieb / Thomas, ZIP 2002, 108 (110); Gronstedt / Jörgens, ZIP 2002, 52 (55); vgl. BegrRegE zu § 453 BGB, BT-Drucks. 14 / 6040, S. 242. A.A.: Gaul, ZHR 166 (2002), 35 (65), der Aufklärungspflichten aus c.i.c. beibehalten möchte und auch Jaques, BB 2002, 417 (422). 987 MünchKomm / Roth, BGB, § 242 Rn 260; Palandt / Heinrichs, BGB, § 242 Rn 37. Zustimmend Peters, Due Diligence, S. 13. 983 984

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

243

280 Abs. 1 BGB.988 So genannte „Break Fee“-Vereinbarungen, die verschuldensunabhängig beim Abbruch der Vertragsverhandlungen Schadensersatz begründen, werden in der Praxis bei M&A-Transaktionen relativ selten vereinbart.989 Gehen einem Verhandlungspartner die Informationswünsche des anderen zu weit, kann er demnach mit einem Abbruch der Vertragsverhandlungen drohen, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Der Verhandlungspartner auf der anderen Seite wird nicht wegen eines unerfüllten Informationswunsches den Abbruch der Vertragsverhandlungen riskieren, wenn er ein ernsthaftes Interesse an der M&A-Transaktion hat und er das Risiko aus der fehlenden Information durch entsprechende Vertragsgestaltung kompensieren kann. Wenn es vorvertragliche Informationsansprüche geben würde, wären sie folglich in der M&A-Praxis nicht durchsetzbar. Auch aus diesem Grund ist es richtig, sie als nicht einklagbar anzusehen. Aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis können mithin auf keine Art und Weise einklagbare Ansprüche auf Gewährung einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen entstehen.

3. Zusammenfassung Wird in einer Vorfeldvereinbarungen bei M&A wie einem Letter of Intent vereinbart, dass eine Due Diligence zu gewähren ist und ist die Zielgesellschaft Partei dieser Vereinbarung, so kann dadurch ein entsprechender Anspruch in den Grenzen in der Informationsbefugnis des Vorstands der Zielgesellschaft entstehen. Dagegen lässt sich allein mit einem vorvertraglichen Schuldverhältnis kein Anspruch aus § 242 BGB auf Gewährung einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen begründen.

II. Gesetzliche und verbandsrechtliche Ansprüche Es besteht nicht immer die Möglichkeit, die Zielgesellschaft in einem Letter of Intent zu einer Due Diligence zu verpflichten. Bei M&A-Transaktionen wie dem Share Deal, dem einfachen Beteiligungskauf oder einem Öffentlichen Übernahmeangebot nach WpÜG ist es in der Praxis schwierig, die Zielgesellschaft in einem Letter of Intent einzubeziehen, weil sie nicht am späteren Hauptvertrag beteiligt ist. Aber auch wenn die Zielgesellschaft Vertragspartei der beabsichtigten Transaktion werden soll, wird die Gesellschaft nicht immer ohne weiteres bereit sein, eine Due Diligence zu gewähren und sich zumindest insoweit nicht vertraglich in einem Letter of Intent binden wollen. 988 Zur Haftung aus c.i.c. beim Abbruch von Vertragsverhandlungen: BGH BB 1996, 1238 ff.; Picot, Unternehmenskauf, I. Rn. 89; Semler / Volhard / Dietzel, Unternehmensübernahmen, Bd. 1, § 9 Rn 27, 109. 989 Zu „Break Fees“ eingehend Banerjea, DB 2003, 1489 ff.; Sieger / Hasselbach, BB 2000, 625 ff. Im Überblick: Semler / Volhard / Schlitt, Unternehmensübernahmen, Bd. 1, § 6 Rn 82 f. In dem der Entscheidung LG Paderborn, NZG 2000, 899 zugrunde liegenden Sachverhalt wurde ein „Break Fee“ für den Fall versprochen, dass die Gesellschafter die beabsichtigte Umwandlung nicht mittragen. Zu „Break Fee“-Vereinbarungen: vgl. Seite 121.

16*

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob gegenüber einer Aktiengesellschaft gesetzliche oder verbandsrechtliche Ansprüche auf Gewährung einer Due Diligence bestehen können. Diese Möglichkeit kann von vornherein nur für einen Aktionär bestehen, denn gesetzliche Ansprüche eines außenstehenden Dritten gegen die Aktiengesellschaft sind nicht begründbar. Für einen Aktionär kommen hingegen einige Anspruchsgrundlagen in Betracht.

1. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG Nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG muss jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft gegeben werden, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Diese Vorschrift reicht als Anspruchsgrundlage für die Durchführung einer Due Diligence nicht aus. Der Anspruch besteht nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf der Hauptversammlung. Das Informationsrecht ist ferner auf die bloße „Auskunft“ beschränkt, während die für eine Due Diligence wichtige Einsichtnahme in Unterlagen nicht möglich ist.990 Das Hauptproblem ist jedoch das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG. Hiernach kann die Auskunft verweigert werden, soweit die Erteilung der Auskunft auch nur geeignet ist, der Gesellschaft einen Nachteil zuzufügen. Gerade detaillierte Fragen zu den von der Gesellschaft genutzten Geschäftschancen und anderen sensiblen Unternehmensinterna müssen vom Vorstand aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft nicht beantwortet werden.991 Infolgedessen ermöglicht § 131 AktG keine Due Diligence.992

2. § 83 Abs. 1 AktG § 83 AktG ist in der Praxis relativ unbeachtet geblieben, obwohl diese Vorschrift zum Verständnis des Verhältnisses zwischen Vorstand und Hauptversammlung unabdingbar ist. Nach § 83 Abs. 1 AktG ist der Vorstand auf Verlangen der Hauptversammlung dazu verpflichtet, Maßnahmen „vorzubereiten“, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen (S. 1) oder nur mit deren Zustimmung wirksam werden (S. 2). Einige M&A-Transaktionen wie beispielsweise die Fusion durch Verschmelzung bedürfen eines Beschlusses der Hauptversammlung; dies ist letztlich abhängig von der Art der konkreten rechtlichen Strukturierung der Trans990 BGHZ 122, 211 (236 f.); Hüffer, AktG, § 131 Rn 22; Wohlleben, InformationsR, S. 21 ff.; Grunewald, GesellschR, S. 279 u. S. 129; Lutter, ZIP 1997, 613 (616). 991 Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (453); Lutter, ZIP 1997, 613 (616); KölnKomm / Zöllner, AktG, § 131 Rn 6 f. 992 Körber, NZG 2002, 263 (265); Ziegler, DStR 2000, 249 (252); Mertens, AG 1997, 541 (543); Lutter, ZIP 1997, 613 (616).

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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aktion.993 Da die Due Diligence nichts anderes ist als eine Vorbereitungshandlung anlässlich einer M&A-Transaktion, könnte man sich fragen, ob bei hauptversammlungspflichtigen Transaktionen mit Hilfe von § 83 Abs. 1 AktG ein Anspruch auf Gewährung einer Due Diligence hergeleitet werden kann.994

a) Reichweite des Weisungsrechts Die Antwort auf diese Frage hängt maßgeblich davon ab, wie umfassend das Weisungsrecht in § 83 Abs. 1 AktG zu verstehen ist. Entscheidend ist, ob nur eine Vorbereitung als solche verlangt werden kann oder die Hauptversammlung dazu berechtigt ist, dem Vorstand auch Weisungen hinsichtlich der Art und Weise der Vorbereitung zu erteilen. Nur dann könnte der Vorstand per Weisungsbeschluss zu einer konkreten Vorbereitungshandlung wie der Gewährung einer Due Diligence verpflichtet werden. Der Wortlaut von § 83 AktG verrät dies nicht ohne weiteres, so dass versucht werden muss, aus der Systematik des Aktiengesetzes, der Entstehungsgeschichte oder dem Normzweck von § 83 AktG Hinweise auf das Verständnis dieser Vorschrift zu gewinnen.

aa) Systematik Das Aktienrecht kennt noch weitere Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand. Das Konzernrecht enthält zwei Normen, die mit § 83 Abs. 1 AktG vergleichbar sind: Im Beherrschungsvertrag darf das herrschende Unternehmen der abhängigen Aktiengesellschaft gemäß § 308 Abs. 1 AktG Weisungen erteilen; eine eingegliederte Gesellschaft unterliegt Weisungen hinsichtlich der „Leitung des Gesellschaft“ nach § 323 Abs. 1 AktG. Beide Vorschriften helfen bei der vorliegenden Frage nur bedingt weiter, denn die konzernrechtlichen Weisungsrechte sind schon vom Wortlaut anders formuliert als das Weisungsrecht der Hauptversammlung nach § 83 Abs. 1 AktG. Außerdem wird auch im Zusammenhang mit § 308 AktG diskutiert, ob zu einer Due Diligence angewiesen werden kann. Diese Frage ist dort sehr streitig.995 Dasselbe Problem kann bei der Eingliederung aufgeworfen werden.996 Dennoch bringt ein systematischer Vergleich mit den §§ 308 Abs. 1, 323 Abs. 1 AktG einen Erkenntnisgewinn für das vorliegende Auslegungsproblem, denn beide Weisungsrechte 993 Fusionen (§ 65 UmwG oder § 183 AktG), Asset Deals (§ 179 a AktG oder ggf. „Holzmüller“), Beteiligungsverträge (Kapitalerhöhung gegen Bareinlage gem. § 182 AktG), Joint Venture (ggf. „Holzmüller“); Börsengänge („Holzmüller“: str., h.M. vor dem „Gelatine“-Urteil). Im Einzelnen: vgl. Seite 67 und Seite 248. 994 Vgl. Seite 68 und Seite 105. Dies schwebt offenbar Semler / Stengel / Gehling, UmwG, § 8 Rn 64 a.E. für die Verschmelzung vor, auch wenn er § 83 AktG nicht nennt. 995 Vgl. Seite 265 ff. 996 Vgl. Seite 273.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

sind umfassend und erlauben die Anweisung auch zu konkreten Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands. § 308 Abs. 1 S. 2 AktG erlaubt in diesem Zusammenhang selbst nachteilige Weisungen, solange sie im so genannten „Konzerinteresse“ sind. Der Umfang der Weisungsbefugnis in der Eingliederung ist inhaltlich sogar überhaupt nicht begrenzt, da § 323 Abs. 1 S. 2 AktG nicht auf § 308 Abs. 1 S. 2 AktG verweist.997

bb) Entstehungsgeschichte Die Entstehungsgeschichte von § 83 AktG scheint auf den ersten Blick nur bedingte Aussagekraft bei der Auslegung dieser Norm haben zu können, denn schließlich wurde die Due Diligence erst Mitte der neunziger Jahre in Deutschland zum Standard.998 Auf die abstrakte Frage, ob zu konkreten Vorbereitungsmaßnahmen angewiesen werden kann, kann die Entstehungsgeschichte unter Umständen jedoch weiterführende Hinweise geben. Die Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 ist nicht besonders aufschlussreich. Es wird lediglich beispielhaft auf Verschmelzungs- und Unternehmensverträge Bezug genommen. Dazu heißt es: „Diese Verträge müssen bereits schriftlich vorliegen, ehe die Hauptversammlung über sie beschließen kann. Die vorbereitenden Maßnahmen kann in aller Regel nicht die Hauptversammlung, sondern nur der Vorstand treffen. Das geltende Recht regelt nicht ausdrücklich, ob die Hauptversammlung den Vorstand bindend zu solchen vorbereitenden Handlungen anweisen kann.“999

Offenbar schwebten der damaligen Bundesregierung primär kautelarjuristische Vorbereitungshandlungen wie den Entwurf oder den Abschluss eines Vertrags vor. Die Regierungsbegründung lässt jedoch offen, ob zu konkreten vorbereitenden Handlungen angewiesen werden darf oder ob nur eine Vorbereitung als solche verlangt werden kann. Hinweise auf die Auslegung des § 83 AktG lassen sich auch nicht dem Gesetzgebungsverfahren entnehmen. In den Ausschussberatungen des Bundestages wurde die Formulierung des § 83 Abs. 1 AktG nur sprachlich leicht geändert.1000 Die Materialien zum AktG 1965 lassen somit die Vermutung zu, dass an andere MaßVgl. Seite 273. Vgl. Seite 26 ff. 999 BegrRegE zu § 83 AktG, Kropff, S. 104. 1000 Im Regierungsentwurf zu § 83 Abs. 1 AktG war noch von „vorbereitungsbedürtigen Maßnahmen“ die Rede. Der Ausschuss fasste diesen Absatz neu und schlug dem Bundestag die Formulierung „Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen“ vor, die schließlich zur heutigen Fassung wurde. Nach dem Ausschussbericht erfolgte diese Änderung nur aus sprachlichen Gründen. Vgl. AusschussB zu § 83 AktG, Kropff, S. 104; Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, 3. Aufl., Einl. zu § 83, der richtigerweise darauf hinweist, dass die Fassung der Vorschrift dadurch auch inhaltlich klarer wurde. 997 998

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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nahmen wie die Offenlegung geheimer Informationen während der Vertragsverhandlungen überhaupt nicht gedacht wurde. Über die Reichweite des Weisungsrechts geben die Materialien keinen Aufschluss. Erkenntnisse für die Auslegung lassen sich aber aus den Vorgängervorschriften gewinnen. Eine dem § 83 Abs. 1 AktG 1965 entsprechende Bestimmung gab es zwar im früheren Aktienrecht nicht. Nach dem Aktienrecht des ADHGB konnte jedoch die Hauptversammlung als das seinerzeit höchste Organ der Gesellschaft dem Vorstand ohne weiteres Weisungen erteilen. Die Hauptversammlung war in allen Fragen weisungsberechtigt, die sie an sich zog.1001 Das damalige Weisungsrecht entsprach dem Verständnis des heutigen GmbH-Rechts, wonach die Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer ein umfassendes Weisungsrecht aus §§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 1 GmbHG hat.1002 Das AktG 1937 beschränkte dann zwar die Eingriffsbefugnis der Hauptversammlung. In den Grenzen ihrer Zuständigkeit verblieb der Hauptversammlung aber ein umfassendes Weisungsrecht, das durch das AktG 1965 gesetzlich normiert wurde.1003 Die Entstehungsgeschichte von § 83 Abs. 1 AktG spricht aus diesen Gründen eher für ein weites Verständnis und ein umfassendes Weisungsrecht als für eine enge Auslegung. cc) Sinn und Zweck Für ein Weisungsrecht hinsichtlich konkreter Vorbereitungshandlungen wie einer Due Diligence spricht ferner der Sinn und Zweck des § 83 Abs. 1 AktG. Durch diese Norm soll die Hauptversammlung gestärkt werden. Ihre Kompetenzen sollen nicht deswegen leer laufen, weil die Hauptversammlung aufgrund ihrer strukturellen Organisationsschwäche zu Vorbereitungshandlungen nicht in der Lage ist.1004 Dies trifft auch auf die Durchführung einer Due Diligence zu, die von der Hauptversammlung organisatorisch nicht geleistet werden kann. Die Kompetenz der Hauptversammlung, den Vorstand zu Transaktionen in ihrer Zuständigkeit wie einer Verschmelzung oder einen Asset Deal anweisen zu können, würde ohne ein Weisungsrecht bezüglich der Due Diligence erheblich entwertet. Wenn es im Belieben des Vorstands stünde, ob er eine Due Diligence im Rahmen der Vorbereitung gewährt, könnte er damit unter Umständen die ganze Transaktion zum Scheitern bringen. Die meisten M&A-Transaktionen sind heutzutage ohne vorbereitende Due Diligence kaum durchführbar. Es ist im Gegenteil ausgesprochen schwierig, einen Vertragspartner für komplexe Unternehmenstransaktionen zu fin1001 Eingehend dazu Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, Einl. zu § 83. Vgl. auch KölnKomm / Mertens, AktG, § 83 Rn 1. 1002 Zum Weisungsrecht in der GmbH: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 37 Rn 10 ff. 1003 KölnKomm / Mertens, AktG, § 83 Rn 1; Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, Einl. zu § 83. 1004 BegrRegE zu § 83 AktG, Kropff, S. 104. Aus dem Schrifttum: Hüffer, AktG, § 83 Rn 1; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 83 Rn 5; Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, § 83 Anm. 3 a.E.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

den, der auf eine Due Diligence verzichtet.1005 Das Initiativrecht der Hauptversammlung aus § 83 AktG drohte bei einer engen Auslegung leerzulaufen, obwohl die Sicherung der Hauptversammlungskompetenzen gerade der Sinn und Zweck dieser Norm ist. Wenn § 83 Abs. 1 AktG der Hauptversammlung das Recht gibt, den Vorstand zu Vorbereitungshandlungen anzuweisen, muss sich dies aus diesem Grund auch auf konkrete Handlungen wie eine Due Diligence erstrecken können.

b) Anforderungen an den Weisungsbeschluss Nachdem festgestellt worden konnte, dass sich das Weisungsrecht in § 83 Abs. 1 AktG auch auf eine Due Diligence beziehen kann, müssen die verfahrensmäßigen Voraussetzungen und Anforderungen für einen derartigen Beschluss herausgearbeitet werden. Dabei stellt sich zunächst die Frage nach der erforderlichen Stimmenmehrheit für eine dahingehende Weisung. Im Weiteren sind die inhaltlichen Anforderungen an einen Weisungsbeschluss zu bestimmen und die Durchsetzbarkeit einer Weisung nach § 83 AktG zu erörtern.

aa) Erforderliche Stimmenmehrheit für eine Weisung Der Weisungsbeschluss der Hauptversammlung bedarf nach § 83 Abs. 1 S. 3 AktG der Mehrheit, die für die Maßnahme oder die Zustimmung erforderlich ist. Das Gesetz will damit vermeiden, dass der Vorstand eine Maßnahme erst vorbereitet und der nachfolgende Beschlussantrag dann abgelehnt wird.1006 Dadurch wird auch verhindert, dass der Vorstand zu einer Due Diligence angewiesen wird, obwohl sich die spätere Transaktion wegen des Fehlens der notwendigen Mehrheiten nicht verwirklichen lässt. Die für eine Weisung zur Due Diligence notwendige Stimmenmehrheit ist dabei abhängig von der konkreten Transaktion, zu der die Due Diligence benötigt wird. Bei den meisten M&A-Transaktionen ist eine Dreiviertel-Mehrheit notwendig: Anlässlich einer Fusion im Wege der Verschmelzung ist dies gemäß § 65 Abs. 1 UmwG die erforderliche Mehrheit; bei einer Fusion mittels einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage ergibt sich dieses Erfordernis aus § 182 Abs. 1 AktG. Beim Asset Deal ist zu differenzieren: Wird das gesamte oder nahezu das gesamte1007 Gesellschaftsvermögen veräußert, dann begründet § 179a AktG die Zustimmungspflichtigkeit. In diesem Fall ist gemäß §§ 179a Abs. 1 S. 1, 179 Abs. 2 AktG ebenfalls eine Mehrheit von drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals notwendig. Ist der Asset Deal nach der so ge1005 Darauf weisen auch die folgenden Literaturstimmen hin (allerdings in anderem Zusammenhang): Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 213; Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Götze, ZGR 1999, 202 (203); Mertens, AG 1997, 541 (545); Merkt, WiB 1996, 145 (147). 1006 BegrRegE zu § 83 AktG, Kropff, S. 104; Hüffer, AktG, § 179 a Rn 4. 1007 § 179a AktG greift nach allgemeiner Meinung auch dann ein, wenn unwesentliches Vermögen zurückbleibt; BGHZ 83, 122 (128); Hüffer, AktG, § 179 a Rn 5.

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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nannten „Holzmüller“-Rechtsprechung 1008 zustimmungspflichtig, so war die erforderliche Mehrheit lange sehr streitig.1009 In den „Gelatine“-Urteilen aus dem Jahre 2004 hat der BGH nunmehr entschieden, dass eine Dreiviertel-Mehrheit notwendig ist.1010 Ist ausnahmsweise die Eingehung eines Joint Ventures wegen des erheblichen Umfangs der betroffenen Aktiva nach „Holzmüller“ zustimmungspflichtig, stellt sich dasselbe Problem. Soll eine Due Diligence anlässlich eines Beteiligungsvertrags durchgeführt werden und ist hierzu eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlage beabsichtigt, ist wiederum eine DreiviertelMehrheit gemäß § 182 Abs. 1 AktG notwendig. Wird beabsichtigt, den Private EquityInvestor im Wege einer Stillen Beteiligung einsteigen zu lassen, ergibt sich dieselbe Mehrheit aus § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG, da es sich hierbei nach ganz herrschender Meinung um einen Teilgewinnabführungsvertrag handelt.1011 Bei Börsengängen ist umstritten, ob überhaupt eine „Holzmüller“-Kompetenz der Hauptversammlung besteht; die Befürworter streiten sich wiederum um die erforderliche Stimmenmehrheit.1012

bb) Weisungsinhalt Die Hauptversammlung ist nicht befugt, den Vorstand allgemein zur Vorbereitung von Hauptversammlungsbeschlüssen anzuweisen, zumal die einzelnen Maßnahmen unterschiedliche Mehrheiten erfordern.1013 Die Weisung an den Vorstand, eine Due Diligence zu gewähren, muss sich deshalb auf die Vorbereitung einer bestimmten M&A-Transaktion beziehen, über welche die Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschließen will. Im Weisungsbeschluss muss ausdrücklich die Gewährung einer Due Diligence als Vorbereitungsmaßnahme aufgeführt werden; andernfalls steht es im Ermessen des Vorstands, welche Vorbereitungsmaßnahmen er im konkreten Einzelfall als erforderlich ansieht und damit auch, ob eine Due Diligence dazu gehört.1014

Zur „Holzmüller“-Rechtsprechung: vgl. Seite 63 ff. Zum Streitstand: Hüffer, AktG, § 119 Rn 20. Eingehend dazu: Joost, ZHR 163 (1999), 164 (171 f.); Lutter / Leinekugel, ZIP 1998, 225 (230 f.). 1010 BGH NZG 2004, 571 und 575. Vgl. Fleischer, NJW 2004, 2335 (2339); Götze, NUG 2004, 585 (588). Ein obiter dictum im Urteil zu „Macrotron“ ließ noch vermuten, dass der BGH bei „Holzmüller“-Beschlüssen von einer einfachen Mehrheit ausging: BGH, ZIP 2003, 387 (389). 1011 OLG Stuttgart, NZG 2000, 93 (94); OLG Celle, AG 2000, 280; OLG Düsseldorf, AG 1996, 473; OLG Celle, AG 1996, 370; Hüffer, AktG, § 293 Rn 15. 1012 Zum Streitstand (vor den „Gelatine“-Urteilen des BGH): Großkomm / Mülbert, AktG, § 119 Rn 28 Fn 48. Eingehend: Lutter / Leinekugel, ZIP 1998, 805 (806); Hopt, FS Drobning, S. 525 (536 f.). 1013 Darauf weist zutreffend Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 83 Rn 7 hin. 1014 Vgl. Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, § 83 Anm. 1. 1008 1009

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

cc) Grenzen der Weisung Das Weisungsrecht in § 83 Abs. 1 AktG besteht im Übrigen nur, soweit die Weisung rechtmäßig ist.1015 Aus diesem Grund kann der Vorstand nur in den Grenzen seiner Befugnisse zu einer Due Diligence angewiesen werden. Anders als der Vorstand1016 kann die Hauptversammlung allerdings über einige der rechtlichen Grenzen der Due Diligence disponieren. Über die kapitalmarktrechtlichen Grenzen durch § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG kann sich die Hauptversammlung nicht hinwegsetzen, da sie über den Kapitalmarktschutz nicht disponieren kann.1017 Anders sieht es hingegen bei den Risikobegrenzungsmaßnahmen aus, die zur Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zu treffen sind.1018 Der Vorstand ist immer dann dem Aktionärsinteresse unterworfen, wenn ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss vorliegt. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 83 Abs. 2 AktG, der bestimmt, dass der Vorstand verpflichtet ist, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen.1019 Wenn ein solcher Beschluss vorliegt, hat der Vorstand nicht mehr für den Bestand und Erfolg des Unternehmens einzustehen, sondern muss das Aktionärsinteresse einem divergierenden Unternehmensinteresse vorziehen.1020 Bestimmt demnach die Hauptversammlung in ihrem Beschluss, dass bestimmte Risikobegrenzungsmaßnahmen nicht vorgenommen werden dürfen, hat sich der Vorstand daran zu halten.

dd) Durchsetzbarkeit der Weisung Eine Weigerung des Vorstands, die von der Hauptversammlung beschlossene Due Diligence zu gewähren, ist ein wichtiger Grund zum Widerruf der Bestellung (§ 84 Abs. 3 S. 1 AktG) und ein sachlicher Grund für den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung (§ 84 Abs. 3 S. 2 AktG); außerdem würde sich der Vorstand aus § 93 Abs. 2 AktG haftbar machen.1021 Ein von der Hauptversammlung gefasster Weisungsbeschluss kann auch von einem einzelnen Aktionär durchgesetzt werden, da er nach herrschender Meinung den Vorstand auf Ausführung verklagen kann.1022 Mit Hilfe von § 83 Abs. 1 S. 2 AktG kann somit ein Großaktionär über Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 83 Rn 12. Vgl. Seite 88. 1017 Vgl. Seite 161 ff. 1018 Vgl. Seite 89 ff. 1019 Hüffer, AktG, § 83 Rn 2; KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 25, § 83 Rn 7. 1020 KölnKomm / Mertens, AktG, § 76 Rn 25. Vgl. Seite 103 ff. 1021 So auch Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, § 83 Anm. 5. 1022 Zöllner, ZGR 1998, 392 (414 ff., 417); Mertens, ZHR 154 (1990), 24 (34 f.); KölnKomm / Mertens, AktG, § 83 Rn 8, § 93 Rn 194. Ähnlich (bei Ablehnung der Klage durch Aufsichtsrat): Hüffer, AktG, § 83 Rn 6. A.A (Klage der Gesellschaft vertreten durch den Auf1015 1016

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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den Umweg der Hauptversammlung (zumindest theoretisch) den Vorstand dazu zwingen, eine Due Diligence zu gewähren. In der Praxis wird voraussichtlich die bloße Möglichkeit eines Großaktionärs, nach § 83 Abs. 1 AktG vorzugehen, den Vorstand zum Einlenken hinsichtlich einer Due Diligence bewegen. Auf der anderen Seite sollte der Vorstand auf einem Weisungsbeschluss bestehen, weil dadurch seine Haftung gemäß § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ausgeschlossen wird.

c) Analogiefähigkeit von § 83 Abs. 1 S. 2 AktG bei anderen M&A-Transaktionen Nach den bisherigen Ausführungen kann ein Weisungsbeschluss gemäß § 83 Abs. 1 S. 2 AktG als Anspruchgrundlage für die Gestattung einer Due Diligence bei Fusionen im Wege der Verschmelzung oder einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage, für Asset Deals, für Beteiligungsverträge mit Kapitalerhöhung gegen Bareinlage und für Börsengänge dienen. Mit Weisungsbeschlüssen i.S.v. § 83 AktG lässt sich allerdings kein entsprechender Anspruch für die praktisch sehr bedeutsamen Fälle des Share Deals, des Beteiligungskaufs und des Öffentlichen Angebots begründen. Diese Transaktionen bedürfen nicht der „Zustimmung der Hauptversammlung“, sondern nur der einzelnen Aktionäre. Aus diesem Grund könnte man daran denken, § 83 AktG analog auf diese Fälle anzuwenden. Für eine dahingehende Analogie könnte angeführt werden, dass in beiden Konstellationen die Aktionäre entscheiden. Allerdings geht es in den Fällen des § 83 AktG um eine kollektive Entscheidung der Aktionäre in dem Forum der Hauptversammlung. Beim Share Deal, dem Beteiligungsverkauf und dem Öffentlichen Übernahmeangebot handelt es sich demgegenüber um die individuelle Entscheidung eines jeden Aktionärs, ob er seine Aktien veräußert oder nicht. Gegen eine Analogie spricht außerdem der kompetenzschützende Charakter des § 83 AktG, denn durch diese Vorschrift soll lediglich sichergestellt werden, dass die Kompetenzen der Hauptversammlung nicht aufgrund ihrer Organisationsschwäche leerlaufen. Richtigerweise wird deshalb § 83 Abs. 1 AktG von der herrschenden Auffassung im Schrifttum die Analogiefähigkeit abgesprochen.1023 Ein Anspruch auf eine Due Diligence beim Share Deal, beim Beteiligungskauf und beim Öffentlichen Übernahmeangebot lässt sich aus diesem Grund nicht auf eine Analogie zu § 83 AktG stützen. d) Zusammenfassung Durch eine Weisung gemäß § 83 Abs. 1 AktG kann ein Anspruch auf eine Due Diligence begründet werden. Voraussetzung dafür ist, dass im Beschluss ausdrücklich die Gestattung einer Due Diligence als Vorbereitungsmaßnahme genannt wird sichtsrat): Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 83 Rn 14; Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, 3. Aufl., § 83 Anm. 11. Offen gelassen: Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 (9 f.). 1023 Vgl. Hüffer, AktG, § 83 Rn 4; KölnKomm / Mertens, AktG, § 83 Rn 5.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

und dass der Vorstand in den Grenzen seiner Informationsbefugnis zu einer Due Diligence angewiesen wird. Ein derartiger Weisungsbeschluss kann auch von einem einzelnen Aktionär durchgesetzt werden. § 83 Abs. 1 AktG ist jedoch lediglich bei M&A-Transaktionen anwendbar, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen oder deren Zustimmung bedürfen. Ein Anspruch auf eine Due Diligence beim Share Deal, beim Beteiligungskauf und beim Öffentlichen Angebot lässt sich nicht mit einer Analogie zu § 83 AktG begründen.

3. Analogie zu § 51a Abs. 1 GmbHG Soweit das Aktiengesetz keine Möglichkeit bereitstellt, um im Rahmen einer Due Diligence Informationen zu erhalten, muss untersucht werden, ob sich eine Analogie zu Informationsansprüchen aus anderen Gesetzen herleiten lässt. Naheliegend ist dabei insbesondere eine Analogie zum Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters aus § 51a Abs. 1 GmbHG.

a) Anspruch auf Due Diligence in der GmbH Nach § 51a Abs. 1 GmbHG kann der Gesellschafter einer GmbH Auskunft über die „Angelegenheiten der Gesellschaft“ und auch entsprechende Einsicht verlangen. Diese Vorschrift gibt dem Gesellschafter einer GmbH nach inzwischen ganz herrschender Auffassung einen Anspruch auf Zulassung einer Due Diligence.1024 „Angelegenheiten der Gesellschaft“ ist danach weit auszulegen und erfasst alle Informationen, die Gegenstand einer Due Diligence im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen sein können. Diese Informationen dürfen nicht gemäß § 51a Abs. 2 GmbHG verweigert werden, denn es liegt grundsätzlich ein ordnungsgemäßes mitgliedschaftliches Verhalten vor und kein „gesellschaftsfremder“ Verwendungszweck. Begrenzt wird der Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters allerdings durch seine gesellschafterliche Treuepflicht. Daraus folgt, dass das Auskunftsbegehren dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes führt jedoch lediglich dazu, dass der Informationsanspruch diverse Einschränkungen erfährt.1025

1024 Oppenländer, GmbHR 2000, 535 ff.; Bremer, GmbHR 2000, 176 ff.; Werner, ZIP 2000, 989 (992); Ziegler, DStR 2000, 249 ff.; Götze ZGR 1999, 202 ff. 1025 Eingehend dazu Götze 1999, 202 (206 ff.). A.A.: Lutter, ZIP 1997, 613 (614 ff.).

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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b) Analogie zum Recht der GmbH Im Schrifttum wird § 51a Abs. 1 GmbHG teilweise auf andere Gesellschaftsformen entsprechend angewandt; insbesondere für Personengesellschaften wird dies erwogen.1026 Es ist deshalb erwägenswert, § 51a Abs. 1 GmbHG analog auf die Aktiengesellschaft anzuwenden, um dem Aktionär eine Due Diligence zu ermöglichen. Da in den aktienrechtlichen Regelungen weder ein Auskunftsrecht außerhalb der Hauptversammlung besteht noch ein Einsichtsrecht des Aktionärs gegeben ist,1027 liegt eine Regelungslücke vor. Allerdings ist fraglich, ob diese Regelungslücke planwidrig ist. § 51a GmbHG wurde durch die GmbH-Novelle von 1980 eingefügt. Im Zuge dieser gesetzgeberischen Aktivitäten wurde von einer entsprechenden Vorschrift im Aktiengesetz abgesehen. Zwar lässt sich der Begründung des Regierungsentwurfes nicht entnehmen, ob sich der Gesetzgeber mit dieser Frage beschäftigt hat.1028 Allerdings wurden nach 1980 im Aktiengesetz zahlreiche Änderungen vorgenommen, insbesondere in der jüngsten Vergangenheit.1029 Der Gesetzgeber ist im Aktienrecht aktiv und unterließ es gleichwohl in Kenntnis der Vorschrift des § 51a GmbHG, eine entsprechende Regelung in das Aktiengesetz einzufügen. Aus diesem Grund muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bewusst von einer derartigen Vorschrift abgesehen hat. Darüber hinaus ist die Interessenlage in der Aktiengesellschaft nicht mit der in der GmbH vergleichbar. Es bestehen erhebliche Unterschiede in der innergesellschaftlichen Organisation und Verfassung. Wenn der Aktionär nur in der Hauptversammlung Auskunft verlangen kann (§ 131 AktG), der GmbH-Gesellschafter dagegen jederzeit und mit erheblich weniger Einschränkungen (§ 51a GmbHG), dann ist diese Ungleichbehandlung mit diesen Unterschieden zu begründen.1030 Die Begrenzung des individuellen Informationsrechts des Aktionärs ist Konsequenz der auf Publikumsgesellschaften zugeschnittenen Verfassung der Aktiengesellschaft.1031 § 51a GmbHG passt in die personalistisch ausgerichtete Gesell1026 Zu dieser Diskussion: K. Schmidt, InformationsR, S. 62 ff.; Wohlleben, InformationsR, S. 81 ff. 1027 BGHZ 122, 211 (236); Lutter, ZIP 1997, 613 (616). 1028 Vgl. BegrRegE zu § 51a GmbHG, BT-Drucks. 8 / 1347, S. 44. Vgl. Wohlleben, InformationsR, S. 84. 1029 Z. B. Gesetz für kleine Aktiengesellschaften vom 2. 8. 1994; Stückaktiengesetz (StückAktG) vom 25. 3. 1998; Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. 4. 1998; §§ 327a ff. AktG im Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahme“ (WpÜG) vom 1. 1. 2002; Transparenz- und Publizitätsgesetzes (TransPuG) vom 25. 7. 2002. 1030 K. Schmidt, GesellschR, S. 627; K. Schmidt, InformationsR, S. 22 f., S. 40; Wohlleben, InformationsR, S. 21, S. 68; Wilde, ZGR 1998, 423 (425); Lutter, ZIP 1997, 613 (614). 1031 K. Schmidt, InformationsR, S. 49; Wohlleben, InformationsR, S. 21.

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

schaftsform der GmbH. Für eine Anwendung auf das für Publikumsgesellschaften konzipierte Aktienrecht ist diese Vorschrift viel zu weit gefasst. § 51a GmbHG ist aus diesen Gründen nicht analog auf die Aktiengesellschaft anwendbar.

4. Mitgliedschaftlicher Informationsanspruch Nach allgemeiner Auffassung ist der Rechtsgrund für die Informationsrechte eines Gesellschafters seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft.1032 Informationsrechte sind demnach funktional zu verstehen. In der Begründung zum Regierungsentwurf des Aktiengesetzes heißt es: „Der Aktionär kann von seinen Mitgliedschaftsrechten nur dann sinnvollen Gebrauch machen, wenn er die Umstände kennt, die für die Ausübung der Rechte wesentlich sind.“1033

Einen allgemeinen Informationsanspruch ohne funktionale Rückkoppelung an die Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafters gibt es folglich nicht.1034 Die Informationsrechte sind dem Gesellschafter nicht um seiner selbst willen gegeben, sondern sind als Teilrechte innerhalb der Mitgliedschaft Hilfsrechte zur Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte.1035 Im Schrifttum wird teilweise daraus gefolgert, dass einem Gesellschafter unabhängig von den vertraglichen und gesetzlichen Regelungen ein gewisser Mindestbestand an Informationsrechten zustehen müsse. Informationsansprüche könnten unmittelbar aus der Mitgliedschaft hergeleitet werden, soweit dieser Mindestbestand nicht gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich gewährleistet wird.1036 Da die gesetzlich normierten Aktionärsrechte zumindest für die Fälle des Share Deals, des Beteiligungskaufs und des Öffentlichen Übernahmeangebots keinen Anspruch auf Due Diligence stützen, liegt deswegen die Überlegung nahe, ob sich ein derartiges Recht unmittelbar aus der Mitgliedschaft entwickeln lässt. Dann müsste die Gewährung einer Due Diligence erforderlich sein, um aktienrechtliche 1037 Mitgliedschaftsrechte wahrnehmen zu können: 1032 BGH WM 1962, 883; K. Schmidt, InformationsR, S. 21; Wohlleben, InformationsR, S. 42; Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 5; Wilde, ZGR 1998, 423 (425); Lutter, ZIP 1997, 613 (618). 1033 BegrRegE zu § 131 AktG, Kropff, S. 184. 1034 Wilde, ZGR 1998, 423 (424); Groß, AG 1997, 97 (99); Mertens, FS Werner, S. 57 (568 ff.). 1035 K. Schmidt, InformationsR, S. 23, Wilde, ZGR 1998, 423 (424); Hüffer, ZIP 1996, 401 (406). Vgl. auch Großkomm / Mülbert, AktG, vor §§ 118 ff. Rn 217. 1036 K. Schmidt, InformationsR, S. 21 ff.; Lutter, ZIP 1997, 613 (618) jeweils mwN. A.A.: Wohlleben, InformationsR, S. 42 f., S. 45 ff. mwN. 1037 Der Gesetzgeber hat die Mitgliedschaftsrechte je nach Rechtsform höchst unterschiedlich ausgestaltet. Aus diesem Grund können sich die Informationsrechte der Gesellschafter je nach Rechtsform erheblich unterscheiden, da diese jeweils im Zusammenhang mit den ihn zustehenden Mitgliedschaftsrechten zu sehen sind. Der Gesetzgeber ist auch berechtigt, im Rahmen seines rechtspolitischen Ermessens verbindlich nach der Rechtsform zu differenzie-

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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a) Mitgliedschaftsrecht auf Veräußerung von Aktien Es besteht grundsätzlich kein Mitgliedschaftsrecht auf Erweiterung der Mitgliedschaft durch den Ankauf weiterer Aktien. Die einzige Ausnahme stellt das Bezugsrecht des Aktionärs gemäß § 186 AktG im Rahmen mit Kapitalerhöhungen dar, das in diesem Zusammenhang jedoch keine Rolle spielt. Zwar gibt es M&A-Transaktionen, die mit einer Kapitalerhöhung verbunden sind.1038 Das Bezugsrecht aus § 186 AktG wird in diesen Fällen jedoch in der Praxis ausgeschlossen. Mithin kann es kein Informationsrecht als mitgliedschaftliches Hilfsrecht geben, wenn ein Aktionär eine Due Diligence wünscht, um weitere Aktien hinzukaufen zu können. Man könnte sich jedoch auf den Standpunkt stellen, dass für die Ausübung eines Mitgliedschaftsrechts auf Veräußerung der Mitgliedschaft Informationen im Wege einer Due Diligence zur Verfügung gestellt werden müssten, damit die Aktien vor der Veräußerung durch den Erwerbsinteressenten bewertet werden können, aber auch durch den veräußerungswilligen Aktionär selbst zur Preisfindung. Die Frage, ob ein Mitgliedschaftsrecht auf Veräußerung der Mitgliedschaft besteht, wird in den anderen Gesellschaftsformen kontrovers diskutiert.1039 Gegen ein derartiges Mitgliedschaftsrecht in der Aktiengesellschaft könnte man einwenden, dass die Aktionäre ihre Mitgliedschaftsrechte grundsätzlich in der Hauptversammlung ausüben, § 118 Abs. 1 AktG.1040 Auch das Informationsrecht aus § 131 AktG folgt zwar aus der Mitgliedschaft und steht dem Einzelaktionär unabhängig von anderweitigen gesetzlichen Regelungen zu, dies allerdings nur in seiner Eigenschaft als Teilnehmer der Hauptversammlung. Das wird auch durch § 131 Abs. 4 S. 1 AktG deutlich, der eine informationelle Gleichbehandlung der Aktionäre ebenfalls nur auf der Hauptversammlung verlangt.1041 Das individuelle Informationsrecht des Aktionärs ist primär ein Hilfsrecht für die sachgerechte ren: vgl. K. Schmidt, GesellschR, S. 627; Wilde, ZGR 1998, 423 (425); Lutter, ZIP 1997, 613 (614); Hüffer, ZIP 1996, 401 (406). 1038 Z. B. Fusion mit Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage; Private Equity-Transaktionen; Börsengänge mit Neuplatzierung. 1039 Dagegen (zur GmbH): Volhard / Weber, FS Semler, S. 387 (407): „Die Absicht des Gesellschafters, seinen Gesellschaftsanteil zu veräußern, hat mit der Mitgliedschaft als solcher nichts zu tun.“ Dafür: (zur GmbH) Götze, ZGR 1999, 202 (210 f.); zustimmend Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (537); (zur KG) Lutter, ZIP 1997 613 (619), der dies aber für die AG anderes beurteilt, da es dort einen Markt gibt, der Informationshilfe für den Wert der Mitgliedschaft gibt. 1040 K. Schmidt, InformationsR, S. 49; Hüffer, AktG, § 131 Rn 1; Großkomm / Mülbert, AktG, vor §§ 118 – 147 Rn 217; Hüffer, ZIP 1996, 401 (405). Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 2.1.1: „Die Aktionäre nehmen ihre Rechte in der Hauptversammlung wahr und üben dort ihr Stimmrecht aus“. 1041 Vgl. Seite 213 ff. Deswegen stehen diese Informationsrecht auch nur dem Aktionär zu, der selbst an der Hauptversammlung teilnimmt: vgl. Wilde, ZGR 1998, 423 (441); Groß, AG 1997, 97 (103); Hüffer, ZIP 1996, 401 (405).

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

Stimmrechtsausübung.1042 Ein Mitgliedschaftsrecht auf Veräußerung der Mitgliedschaft könnte deshalb mit dem Argument abgelehnt werden, sämtliche Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs seien versammlungsgebunden. Die Versammlungsbezogenheit der Aktionärsrechte ist allerdings ein Grundsatz, zu dem es Ausnahmen gibt. Nicht alle Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs sind versammlungsgebunden,1043 so dass es vereinzelt auch Informationsrechte außerhalb der Hauptversammlung gibt.1044 Zu den nicht versammlungsgebundenen Mitgliedschaftsrechten eines Aktionärs gehören insbesondere seine Vermögensrechte.1045 Ein Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs auf Veräußerung seiner Beteiligung besteht deshalb, weil man diese Veräußerungsmöglichkeit als Ausfluss seiner Vermögensrechte begreifen muss. Die Dispositionsfreiheit des Aktionärs über sein Anteilseigentum wird sogar durch Art. 14 Grundgesetz (GG) garantiert (BVerfG zu „DAT / Altana“).1046 Aus diesem Grund ist ein Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs auf Veräußerung seiner Mitgliedschaft anzuerkennen.

b) Erforderlichkeit der Due Diligence zur Veräußerung von Aktien Wenn dem Aktionär ein Mitgliedschaftsrecht auf Veräußerung seiner Aktien zusteht, müssen die gesetzlichen Informationsrechte daraufhin untersucht werden, ob sie für die Ausübung dieses Veräußerungsrechts ausreichen. Vereinzelt wird die Ansicht geäußert, dass die Veräußerung eines größeren Aktienpakets ohne eine vorherige Due Diligence praktisch unmöglich sei. Aus diesem Grund komme es zu einer „faktischen Vinkulierung“, wenn ein Paketaktionär auf die Zustimmung des 1042 Hüffer, AktG, § 131 Rn 1; Großkomm / Mülbert, AktG, vor §§ 118 ff. Rn 217; Wilde, ZGR 1998, 423 (436); Groß, AG 1997, 97 (100); Hüffer, ZIP 1996, 401 (406). Vgl. auch BegrRegE zu § 131 AktG, Kropff, S. 184. Den Aktionären ist nach der aktienrechtlichen Gesellschaftsverfassung keine Kontrollfunktion gegenüber dem Vorstand übertragen worden. Der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand, nicht die Hauptversammlung. Aus diesem Grund ist der Vorstand auch nur dem Aufsichtsrat gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Deshalb enthält das Gesetz keinen umfassenden Rechenschaftsanspruch des Aktionärs gegenüber dem Vorstand: vgl. K. Schmidt, InformationsR, S. 49; Wilde, ZGR 1998, 423 (436); Groß, AG 1997, 97 (100); Hüffer, ZIP 1996, 401 (407). Auch § 131 AktG stellt keinen solchen umfassenden Rechenschaftsanspruch dar. Dass die Auskunft nach § 131 Abs. 2 AktG „den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft“ zu entsprechen hat, hat damit nichts zu tun. Dies besagt nur, dass die Auskunft, soweit sie zu erteilen ist, richtig und vollständig sein muss. Hüffer, AktG, § 131 Rn 21; Geßler / Hefermehl / Kropff, AktG, § 131 Rn 73 f.; Groß, AG 1997, 97 (100). 1043 Zu denken ist hierbei beispielsweise an die Anfechtungsbefugnis (§ 245 Nr. 1 – 3 AktG) und Minderheitenrechte (wie z. B. § 258 Abs. 2 AktG). Überblick bei Hüffer, AktG, § 118 Rn 8. 1044 Ansprüche auf Mitteilung nach § 125 Abs. 2, 4, die Ansprüche auf Einsichtnahme und Erteilung von Abschriften in §§ 175 Abs. 2, 293 f., 295 Abs. 1 S. 2 AktG sowie in § 63 Abs. 1, 3 UmwG. Vgl. Hüffer, AktG, § 118 Rn 8. 1045 Hüffer, AktG, § 118 Rn 8; K. Schmidt, GesellschR, S. 805. 1046 BVerfG, ZIP 1999, 1798 (1799); Bork, EWiR 1999, 1035. Vgl. Seite 259.

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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Vorstands zu einer Due Diligence angewiesen ist.1047 Insbesondere Krömker begründet mit dieser Argumentation einen Anspruch des verkaufswilligen Aktionärs auf Gestattung einer Due Diligence.1048

aa) Börsennotierte Aktiengesellschaften Für Börsengesellschaften1049 muss dieser Begründungsansatz schon deshalb ausscheiden, weil das Informationsbedürfnis weitaus geringer ist. Zwar besteht auch hier das Problem einer Veräußerung ohne Due Diligence, da der Verkauf eines größeren Aktienpakets über die Börse wegen der fatalen Kursfolgen nahezu unmöglich ist und der Großaktionär deshalb auch hier auf Face-to-face-Geschäfte angewiesen ist.1050 Bei Börsengesellschaften ist jedoch der Informationsstand des verkaufswilligen Aktionärs typischerweise weitaus besser, da diese Gesellschaften aufgrund diverser Börsenzulassungsfolgepflichten zu erweiterter Publizität nach WpHG, WpÜG der BörsenZulVO und der BörsO verpflichtet sind. Zudem gibt es anders als bei den Personenhandelsgesellschaften (OHG und Kommandigesellschaft) und der GmbH für die Aktionäre einer Börsengesellschaft einen Markt für Mitgliedschaften, der eine Informationshilfe für den Wert der Mitgliedschaft geben kann.1051 Sowohl hinsichtlich des Unternehmenswerts als auch bezüglich der Unternehmensrisiken stehen somit bessere Informationen zur Verfügung. Das Informationsbedürfnis des veräußerungswilligen Aktionärs rechtfertigt bei börsennotierten Gesellschaften keinen übergesetzlichen Informationsanspruch.1052 Im Übrigen bleibt verkaufswilligen Aktionären die Möglichkeit, die restlichen Risiken mit Kaufpreisanpassungsmechanismen und Gewährleistungen abzusichern. Sicherlich ist eine Due Diligence auch hier ökonomisch die eindeutig bessere Alternative zu Kaufpreisklauseln und Gewährleistungen. Allein aufgrund dieser praktischen Nachteile einen dogmatisch problematischen und schwer konturierbaren Informationsanspruch aus der Mitgliedschaft zu konstruieren, geht allerdings zu weit. Kaufpreisanpassungsklauseln und Gewährleistungen können zwar bei Öffentlichen Angeboten nicht in die Angebotsunterlage aufgenommen werden. Bei Öffentlichen Angeboten stellt das WpÜG jedoch zahlreiche Informationsmöglichkeiten bereit (Angebotsunterlage nach § 11 WpÜG, Stellungnahme 1047 Dahingehend Stoffel, ZHR 165 (2001), 362 (368 Fn 28); zur GmbH: Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (537); Götze, ZGR 1999, 202 (211). 1048 Krömker, Due Diligence, S. 74 ff.; zusammenfassender Aufsatz in der NZG 2003, S. 418 ff. 1049 Zum Begriff: vgl. Seite 36. 1050 Krömker, Due Diligence, S. 96 weist richtigerweise daraufhin, dass die Veräußerung einer größeren Anzahl von Aktien über die Börse unweigerlich einen Kurssturz nach sich ziehen wird. 1051 Insoweit zutreffend Lutter, ZIP 1997, 613 (619). 1052 A.A.: Krömker, NZG 2003, 418 (420 ff.).

17 Liekefett

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

nach § 27 WpÜG etc.) und schützt die verkaufswilligen Aktionäre vor zu niedrigen Kaufpreisen mit den Mindestpreisbestimmungen in § 31 WpÜG und den §§ 3 ff. WpÜG-AngebVO.

bb) Nicht börsennotierte Aktiengesellschaften Ebensowenig kann bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften ein Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence aus der Mitgliedschaft hergeleitet werden. Das Argument der „faktischen Vinkulierung“ ist hier nicht ganz so einfach von der Hand zu weisen, aber es gibt erhebliche dogmatische und praktische Einwände gegen eine Herleitung eines Anspruchs auf Due Diligence aus der Mitgliedschaft. Zwar gibt es bei privaten Aktiengesellschaften neben § 131 AktG im Wesentlichen nur die weiteren Informations- und Publizitätsvorschriften des HGB, deren Wert für den veräußerungswilligen Aktionär begrenzt ist. Aber diese externen Informationsquellen gewährleisten zumindest ein Mindestmaß an Informationen und ermöglichen eine vorläufige Bewertung.1053 Zur Absicherung können die Transaktionsbeteiligten Kaufpreisklauseln und Gewährleistungsregelungen vereinbaren. Dies mag ökonomisch weniger effizient sein, aber die Veräußerung von Aktien bleibt ohne weiteres möglich. Wenn die Verkäufer selbst keinen Anspruch auf eine Due Diligence haben, werden die Kaufinteressenten auch nicht auf der Durchführung einer Due Diligence bestehen können. Ohnehin ist der Beteiligungsverkauf ohne vorherige Due Diligence jahrzehntelang üblich gewesen und kommt auch heute noch vor. Es ist zwar richtig, dass der verkaufswillige Aktionär ohne vorherige Due Diligence zumeist Unsicherheitsabschläge hinzunehmen hat. Dieser Umstand allein rechtfertigt aber noch nicht, einen verbandsrechtlichen Informationsanspruch zu entwickeln. Der Aktionär einer wesentlichen Beteiligung ist insoweit auch nicht schützenswert. Beim Erwerb der Mitgliedschaft wusste er um die erschwerte Veräußerbarkeit seiner Beteiligung für den Fall, dass er keine Due Diligence gewährt bekommt.1054 Deshalb besteht im Aktienrecht kein unabdingbares Informationsbedürfnis für ein weitergehendes Informationsrecht aus der Mitgliedschaft. Gegen einen verbandsrechtlichen Anspruch auf Gewährung einer Due Diligence sprechen auch die Schwierigkeiten, einen außergesetzlichen Anspruch zu konturieren. Ein dahingehender Informationsanspruch könnte kaum schrankenlos gewährt werden. Es ist außerdem sehr problematisch, ohne gesetzlichen Anhaltspunkt Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchsinhalt zu formulieren.1055 1053 Vgl. Seite 43 und Seite 53. Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, 7.1.1: „Anteilseigner und Dritte werden vor allem durch den Konzernabschluss informiert.“ 1054 Verschiedene Ansätze dazu von Krömker, NZG 2003, 418 (422 f.), der mit unterschiedlichen Fallgruppen arbeitet und insbesondere nach Beteiligungshöhe des Aktionärs differenziert. Er knüpft dabei an die entsprechenden Aktionärsrechte in der Hauptversammlung an. 1055 Dieses Argument gilt wiederum nicht für börsennotierte Aktiengesellschaften, denn die erschwerte Veräußerbarkeit von Aktienpaketen mit über 30 % durch die Pflichtangebots-

D. Anspruch einer Due Diligence gegenüber der Aktiengesellschaft

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Wenn dem einfachen Gesetzesrecht somit kein Anspruch eines Aktionärs auf Due Diligence zum Zwecke der Anteilsveräußerung zu entnehmen ist, so handelt es sich dabei um eine verfassungskonforme Anwendung des Aktienrechts.1056 Art. 14 GG schützt zwar das Eigentum in Form eines in der Aktie verkörperten Anteilseigentums.1057 Dieser Schutz erstreckt sich auf die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs und auch auf die Dispositionsfreiheit des Aktionärs über sein Eigentum.1058 Das Recht auf Information über Gesellschaftsangelegenheiten ist wiederum Bestandteil dieses Mitgliedschaftsrechts.1059 Durch die Informationsordnung in der Aktiengesellschaft wird dem Aktionär aber nicht jedwede Information über die Gesellschaft verwehrt. Die Dispositionsfreiheit des Aktionärs und damit sein Vermögensinteresse werden daher durch die geltenden Einschränkungen seiner Informationsrechte nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt.1060

5. Informationsanspruch aus der Treuepflicht Ebensowenig lässt sich ein Informationsanspruch des Aktionärs auf Zulassung einer Due Diligence aus der Treuepflicht der Gesellschaft herleiten. Körber ist der Auffassung, dass sich ein dahingehender Anspruch im Einzelfall ausnahmsweise aus der dem Gesellschafter gegenüber bestehenden Treuepflicht ergeben könne.1061 Er beschränkt diesen Anspruch allerdings auf Situationen, in denen schweren Nachteilen des Gesellschafters im Falle der Informationsverweigerung keine nennenswerten Nachteile der Gesellschaft im Falle der Informationserteilung gegenüber stehen.1062 Auch räumt Körber ein, dass sich in der Praxis kaum ein Anspruch auf Zulassung einer umfassenden Due Diligence ableiten ließe, da die Interessen des Aktionärs gegenüber denen der Gesellschaft zurückzustehen hätten.1063 Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Zwar besteht ein Zusammenhang zwischen Treuepflicht und Informationsrecht.1064 Die Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären kann aber nicht als eigenständige Begründung für ein Informationsrecht herangezogen werden.1065 Sie ist lediglich ein subregelung im WpÜG ist bei Paketerwerben vor dessen In-Kraft-Treten am 01. 01. 2002 nicht unbedingt absehbar gewesen. 1056 A.A.: Krömker, NZG 2003, 418 (420). 1057 BVerfGE 14, 262 (276); BVerfGE 25, 371 (407); BVerfGE 50, 290 (339); BVerfG, ZIP 1999, 1798 (1799); BVerfG, ZIP 1999, 1801 (1802); BVerfG, ZIP 1999, 1436 (1439); Pieroth / Schlink, GrundR, Rn 904; Ipsen, GrundR, Rn 682; Bork, EWiR 1999, 1035. 1058 BVerfG, ZIP 1999, 1798 (1799); Bork, EWiR 1999, 1035. 1059 BVerfG, ZIP 1999, 1798 (1799). Vgl. Bork, EWiR 1999, 1035. 1060 Vgl. BVerfG, ZIP 1999, 1798 (1800); Bork, EWiR 1999, 1035 (1036). 1061 Körber, NZG 2002, 263 (265). 1062 Hinsichtlich dieser Voraussetzungen zitiert er Ziemons, AG 1999, 492 (496), die er anscheinend an dieser Stelle missverstanden hat. Unter den dort genannten Voraussetzungen gewährt Ziemons, die insoweit eine strenge Auffassung vertritt, lediglich ein Informationsrecht des Vorstands, nicht aber einen Informationsanspruch des Aktionärs. 1063 Vgl. Körber, NZG 2002, 263 (265). 1064 Insoweit zutreffend Wischenbart, InformationsR im GesellschR, S. 138. 17*

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

sidiärer Teilaspekt der Mitgliedschaft eines Gesellschafters.1066 Aus diesem Grund wäre der Ursprung eines Informationsrechts letzten Endes erneut in der Mitgliedschaft zu suchen.1067 Wie bereits dargelegt, lässt es sich jedoch aus der Mitgliedschaft des Aktionärs kein Informationsrecht auf Due Diligence herleiten.1068 Dann kann für die Treuepflicht als subsidiären Teilaspekt der Mitgliedschaft nichts anderes gelten. 6. Zusammenfassung Gesetzliche Ansprüche gegenüber einer Aktiengesellschaft auf Gestattung einer Due Diligence können nur durch eine Weisung gemäß § 83 Abs. 1 AktG begründet werden. Ein Weisungsbeschluss der Hauptversammlung kann auch von einem einzelnen Aktionär durchgesetzt werden. Ein Anspruch auf eine Due Diligence beim Share Deal, beim Beteiligungskauf und beim Öffentlichen Angebot lässt sich nicht begründen.

III. Ergebnisse von Teil D Es gibt gegenüber einer unabhängigen Aktiengesellschaft nur wenige Möglichkeiten, eine Due Diligence bei M&A-Transaktionen gegen den Willen des Vorstands des Zielunternehmens durchzusetzen:  Wird in einer Vorfeldvereinbarung bei M&A wie einem Letter of Intent vereinbart, dass eine Due Diligence zu gewähren ist, so kann dadurch ein dahingehender Anspruch begründet werden. Dagegen lässt sich aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis kein Anspruch auf Gewährung einer Due Diligence bei M&ATransaktionen herleiten.  Ein gesetzlicher Anspruch kann nur aufgrund einer Weisung gemäß § 83 Abs. 1 AktG entstehen; eine Due Diligence beim Share Deal, beim Beteiligungskauf oder beim Öffentlichen Angebot lässt sich auf diesem Weg aber nicht durchsetzen. Das Informationsrecht des Aktionärs aus § 131 Abs. 1 S. 1 AktG weist zahlreiche Einschränkungen auf. § 51 a GmbHG kann nicht analog bei der Aktiengesellschaft angewandt werden. Ebensowenig lässt sich aus der Mitgliedschaft ein verbandsrechtliches Informationsrecht des Aktionärs herleiten, der ihm Anspruch auf Zulassung einer Due Diligence geben könnte. Für die Treuepflicht als unselbständigen Teil der Mitgliedschaft kann nichts anderes gelten. 1065 Vgl. Wohlleben, InformationsR, S. 41 f. Ähnlich auch K. Schmidt, InformationsR, S. 22 f., der in der Treuepflicht lediglich ein Differenzierungskriterium des Gesetzgebers für rechtsformabhängige Ausgestaltungen von Regelungen sieht, nicht aber ein eigenständige Begründung für ein Informationsrecht. 1066 K. Schmidt, GesellschR, S. 805; Wohlleben, InformationsR, S. 42. 1067 Wohlleben, InformationsR, S. 42. 1068 Vgl. Seite 254 ff.

E. Ergebnisse des ersten Teils

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E. Ergebnisse des ersten Teils Der Vorstand ist das zuständige Organ sowohl für die Entscheidung über die Due Diligence als auch für deren Durchführung. Die Hauptversammlung ist für die Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence nicht originär zuständig. Dem Aufsichtsrat muss vor der Gestattung einer Due Diligence vom Vorstand berichtet werden, sofern nicht nur eine eingeschränkte Due Diligence gewährt wird. Hauptversammlung und Aufsichtsrat sind grundsätzlich verpflichtet, gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG die Gestattung von Due Diligence-Prüfungen in den Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte aufzunehmen. Es gibt diverse Grenzen, die der Vorstand bei einer Due Diligence einhalten muss. „Geheimnisse der Gesellschaft“ und „vertrauliche Angaben“ darf er gemäß § 93 Abs. 1 S. 3 AktG nur dann weitergeben, wenn dies im Gesellschaftsinteresse liegt, das anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes konkretisiert wird. Erheblichen Einfluss hat die Frage der Beteiligung an der konkreten Transaktion und die Art der M&A-Transaktion. Der Vorstand muss dabei Risikobegrenzungsmaßnahmen ergreifen, wenn er eine Due Diligence gestatten möchte. Die Weitergabe von „Insiderinformationen“ erfolgt bei den meisten M&A-Transaktionen nicht „unbefugt“ i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG; beim Beteiligungskauf aber erst ab einer Beteiligungsquote von 30 %. „Personenbezogene Daten“ über Mitarbeiter dürfen im Zuge einer Due Diligence aufgrund § 4 Abs. 1 BDSG nur dann offengelegt werden, wenn es sich um Kleinbetriebe oder Daten über Führungskräfte handelt. Daten über wichtige Lieferanten und Kunden dürfen übermittelt werden. Die Offenlegung von „Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“ ist nicht durch § 17 Abs. 1 UWG untersagt, wenn der Gesamtvorstand in die Zulassung der Due Diligence eingewilligt hat. Dem Vorstand ist es gemäß § 18 UWG verboten, ohne Einwilligung des Know-how-Inhabers ihm anvertraute „Vorlagen und technische Vorschriften“ weiterzugeben. Geheimhaltungsvereinbarungen sind aufgrund § 93 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich einzuhalten. In einer unabhängigen Aktiengesellschaft sind die Folgepflichten nach Gestattung einer Due Diligence überschaubar. Für nicht börsennotierte Gesellschaften existieren überhaupt keine Folgepflichten, denn der Vorstand ist weder aufgrund § 53a AktG, noch infolge § 131 Abs. 4 S. 1 AktG zu einer Gleichbehandlung der Aktionäre verpflichtet. In Börsengesellschaften gibt es hauptsächlich Informationspflichten anlässlich einer Due Diligence bei Öffentlichen Übernahmeangeboten. Nach Abgabe eines Übernahmeangebotes sind alle Bieter gemäß § 3 Abs. 1 WpÜG informationell gleich zu behandeln, so dass allen Bietern eine Due Diligence gestattet werden muss, sobald sie einem Bieter gewährt wurde. In der Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG ist anzugeben, dass eine Due Diligence gewährt wurde. Die eigentlichen Due Diligence-Informationen sind jedoch nicht offenzulegen. Eine Pflicht zur Veröffentlichung des Vorstandsbeschlusses zur Due Diligence gemäß § 15 Abs. 1 WpHG besteht grundsätzlich. Die Gesellschaft ist allerdings nach § 15 Abs. 3 WpHG so lange von der Veröffent-

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1. Teil: Die unabhängigen Aktiengesellschaften

lichungspflicht befreit, als sie die Vertraulichkeit der Due Diligence gewährleisten kann. Schlägt die Transaktion nach Durchführung der Due Diligence fehl, so muss die Veröffentlichung nicht nachgeholt werden. Ansprüche gegenüber einer Aktiengesellschaft auf Gestattung einer Due Diligence können nur aufgrund vertraglicher Vorfeldvereinbarungen (Letter of Intent u. ä.) oder durch eine Weisung gemäß § 83 Abs. 1 AktG begründet werden. Ein Anspruch auf eine Due Diligence beim Share Deal, beim Beteiligungskauf und beim Öffentlichen Angebot lässt sich aber nicht aus § 83 AktG herleiten.

Zweiter Teil

Die Aktiengesellschaft im Konzern Die Erörterung der gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen der Gestattung einer Due Diligence wäre unvollständig ohne einen konzernrechtlichen Teil. Zahlreiche Aktiengesellschaften in Deutschland sind nicht unabhängig, da die große Mehrheit (70 – 90 %) konzernverbunden ist.1 Deshalb überrascht es, dass die Auswirkungen eines Konzernverhältnisses auf die Rechtsfragen der Due Diligence bislang nur eher oberflächlich behandelt wurden. In der Praxis spielen Anfragen herrschender Unternehmen nach einer Due Diligence eine wichtige Rolle. Eine häufig auftretende Konstellation ist, dass die Muttergesellschaft selbst Gegenstand (Share Deal, Beteiligungskauf) oder Beteiligter (Asset Deal, Fusion, Börsengang, Joint Venture, Aufnahme eines Investors) einer M&ATransaktion ist und bei ihr aus diesem Anlass eine Due Diligence durchgeführt wird. Eine solche Unternehmensprüfung bei der Muttergesellschaft schließt eine Due Diligence aller wesentlichen Tochtergesellschaften mit ein. Ebenso praxisrelevant ist der Wunsch des herrschenden Unternehmens nach einer Due Diligence, wenn sie ihre Beteiligung an der Zielgesellschaft veräußern möchte. Darunter fallen auch „Equity Carve-Outs“, in denen die Konzernmutter ihre Tochtergesellschaft veranlasst, eine Transaktion wie etwa einen Börsengang durchzuführen. Die entscheidende Frage dieses Teils der Arbeit ist, inwieweit sich die im ersten Teil geschilderte Rechtslage verändert, wenn die Zielgesellschaft der Due Diligence eine abhängige Gesellschaft in einem Konzern ist. Dabei werden die wesentlichen Konzernierungsformen berücksichtigt. Es wird die Rechtslage im faktischen Konzern2 untersucht; die Due Diligence im Vertragskonzern wird erörtert.3 Letztlich wird sich der Auswirkungen einer Eingliederung auf die behandelten Rechtsprobleme angenommen.4 1 Vgl. Görling, AG 1993, 538 (545 f.), nach dessen Untersuchung der Anteil der konzernierten Aktiengesellschaften bei 73,6 % lag, bei Börsengesellschaften sogar bei 96,96 %. Vgl. Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, S. 4, die von 90 % ausgehen. 2 Darunter wird in diesem Zusammenhang ein Verhältnis i.S.v. §§ 311 ff. AktG verstanden. Nachfolgend wird zwischen der bloßen Abhängigkeit (§ 17 AktG) und der eigentlichen faktischen Konzernierung i.e.S. (§ 18 Abs. 1 S. 3 AktG) nicht weiter unterschieden. 3 Unter Vertragskonzern ein Konzernverhältnis i.S.v. § 18 Abs. 1 S. 2 AktG, §§ 308 ff. AktG verstanden, das zwischen Zielgesellschaft und einer herrschenden Unternehmens aufgrund eines Beherrschungsvertrages besteht. 4 Die Eingliederung ist ein Konzernverhältnis i. S. d. § 18 Abs. 1 S. 2 AktG, §§ 319 ff. AktG, das aufgrund eines entsprechenden Eingliederungsbeschlusses nach § 319 AktG (100 %-Tochter) oder § 320 AktG (Mehrheitsbeschluss bei 95 %-Tochter) entsteht.

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

A. Kompetenzverteilung bei der Gestattung einer Due Diligence im Konzern An erster Stelle muss die Erörterung der Kompetenzverteilung im Konzern bei der Entscheidung über eine Due Diligence stehen. In der unabhängigen Aktiengesellschaft wird die Entscheidung über eine Due Diligence regelmäßig durch ihren eigenen Vorstand getroffen, der allerdings vorher seinen Aufsichtsrat zu konsultieren hat.5 Die Konzernpraxis sieht demgegenüber anders aus. Sobald die Entscheidung gefallen ist, veranlasst die Konzernspitze die Durchführung einer Due Diligence in ihren Tochtergesellschaften. Die Vorstände abhängiger Aktiengesellschaften verwehren sich diesem Wunsch ihrer herrschenden Unternehmen in der Praxis nur äußerst selten, denn sie würden Gefahr laufen, gemäß § 84 Abs. 3 AktG abberufen zu werden. Nicht zuletzt aber auch aufgrund der zahlreichen personellen Verflechtungen innerhalb eines Konzerns ist es schwer vorstellbar, dass sich der Vorstand den Wünschen eines Groß- oder Alleinaktionärs verweigert.6 Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese faktische Machtverteilung bei der Entscheidungspraxis durch das Aktienkonzernrecht rechtlich gedeckt wird.

I. Faktischer Konzern (§§ 311 ff. AktG) Auch der Vorstand einer abhängigen oder faktisch konzernierten7 Aktiengesellschaft ist verpflichtet, diese eigenverantwortlich zu leiten. Es ändert sich nach allgemeiner konzernrechtlicher Auffassung nichts an der Kompetenzverteilung. § 76 Abs. 1 AktG wird durch § 311 AktG weder durchbrochen noch eingeschränkt.8 Dem herrschenden Unternehmen steht insbesondere kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft zu. Es ist vielmehr auch hinsichtlich seines Wunsches nach einer Due Diligence auf seine faktischen Einflussmöglichkeiten beschränkt. Der Vorstand hat seine Aktiengesellschaft demnach im faktischen Vertragskonzern weiterhin unter eigener Verantwortung i.S.v. § 76 Abs. 1 AktG zu leiten. Er entscheidet folglich selbständig und unabhängig darüber, ob und inwieweit eine Due Diligence gewährt wird. Die Rechtslage unterscheidet sich nicht von der in der unabhängigen Aktiengesellschaft, die im ersten Teil geschildert wurde.9 Vgl. Seite 61 ff. Dahingehend auch Hölters / Semler, Unternehmenskauf, Teil VI Rn 61. 7 Nachfolgend wird zwischen der bloßen Abhängigkeit (§ 17 AktG) und der faktischen Konzernierung i.e.S. (§ 18 Abs. 1 S. 3 AktG) aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten nicht weiter unterschieden. Vgl. Hüffer, AktG, § 311 Rn 2. 8 Unstreitig: Emmerich / Habersack, KonzernR, § 311 Rn 77 f.; Hüffer, AktG, § 311 Rn 48; MünchKomm / Kropff, AktG, § 311 Rn 312 ff.; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 311 Rn 90; Geßler / Hefermehl / Kropff, AktG, § 311 Rn 29; Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 69 Rn 20, 24. 9 Vgl. Seite 61 ff. 5 6

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence im Konzern

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II. Vertragskonzern (§§ 308 ff. AktG) Demgegenüber hat der Abschluss eines Beherrschungsvertrages i.S.v. § 291 Abs. 1 S. 1 AktG Auswirkungen auf die Kompetenzverteilung in der abhängigen Gesellschaft. Auch im Vertragskonzern bleibt der Vorstand der Tochtergesellschaft verpflichtet, diese eigenverantwortlich zu leiten (§ 76 AktG).10 Besteht ein Beherrschungsvertrag, so ist aber das herrschende Unternehmen berechtigt, dem abhängigen Vorstand hinsichtlich der Leitung Weisungen zu erteilen (§ 308 Abs. 1 S. 1 AktG). 1. Kompetenzen des Vorstands im Vertragskonzern Vorliegend ist von Interesse, ob eine derartige Weisung des herrschenden Unternehmens auch hinsichtlich einer Due Diligence zulässig ist. Dies hätte gemäß § 308 Abs. 2 S. 1 AktG zur Folge, dass der Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft seine dahingehende Entscheidungsbefugnis verliert. Vor der Zulassung einer Due Diligence gegenüber Dritten hätte der abhängige Vorstand außerdem die Konzernspitze zu konsultieren, um dieser die Gelegenheit zu geben, das Konzerninteresse durch Weisung zur Geltung bringen.11 Die entscheidende Frage ist demnach, ob das Weisungsrecht aus § 308 AktG dem herrschenden Unternehmen die Möglichkeit gibt, eine Due Diligence zu veranlassen. Nach allgemeiner Meinung gibt § 308 AktG im Vertragskonzern einen umfassenden Informationsanspruch des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Aktiengesellschaft.12 Die Frage ist nur, ob dieser Informationsanspruch so weit reicht, dem herrschenden Unternehmen Zugriff auf Informationen im Umfang und Qualität einer Due Diligence zu geben. Diese Frage ist bereits in der Literatur aufgeworfen worden. Die Stellungnahmen fallen gegensätzlich aus.13

10 BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403. Insoweit einig sind sich: MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 153; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 48; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 74; Großkomm / Würdinger, AktG, § 308 Anm. 2; Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 70 Rn 140. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch hinsichtlich der Frage, ob Handlungsmaßstab des Vorstands das Gesellschafts- oder das Konzerninteresse ist: vgl. Seite 281 ff. 11 KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 49; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 29; Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 70 Rn 140. 12 Emmerich / Habersack / Emmerich, KonzernR, § 308 Rn 39; Geßler / Hefermehl / Eckardt, § 131 Rn 147; Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 70 Rn 136; Körber, NZG 2002, 263 (265); Traugott, BB 2001, 2277 (2279); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (448 f.); Lutter, ZIP 1997, 613 (616); Mertens, AG 1997, 543; Decher, ZHR 158 (1994), 473 (480). 13 Lutter und die ihm ganz überwiegend folgende Literatur hält eine Weisung für unzulässig: Lutter, ZIP 1997, 613 (616 f.); Traugott, BB 2001, 2277 (2279); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (371); Mertens, AG 1997, 541 (543); Ziemons, AG 1999, 492 (496 f.). Diese Stellungnahmen beziehen sich allerdings nur auf die Due Diligence im Vorfeld eines Betei-

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

a) Weisungen hinsichtlich der „Leitung der Gesellschaft“, § 308 Abs. 1 S. 1 AktG Nach dem Wortlaut erlaubt § 308 Abs. 1 S. 1 AktG Weisungen „hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft“. Von Lutter und den ihm folgenden Literaturstimmen wird angenommen, dass eine Weisung an den Vorstand der beherrschten Gesellschaft, eine Due Diligence zuzulassen, nicht von § 308 AktG gedeckt sei.14 Als Begründung wird angeführt, dass § 308 Abs. 1 AktG funktional zu verstehen sei und dem Ziel der einheitlichen Leitung im Konzern diene. Die Durchführung einer Due Diligence (zumindest anlässlich einer Beteiligungsveräußerung) sei gerade nicht auf Konzernleitung gerichtet. Vielmehr erfolge in diesem Fall die Weisung zur Sicherung von Eigentümer- und Vermögensinteressen des Großaktionärs.15 Zumindest im Rahmen von § 308 Abs. 1 S. 1 AktG kann jedoch von einer derartigen Interpretation des Weisungsrechts nicht die Rede sein. Gegenstand des Weisungsrechts ist die Leitung der Gesellschaft. Gegenüber dem Referentenentwurf zum Aktiengesetz 1965, der noch von einer Leitungsbefugnis hinsichtlich der „wesentlichen Fragen der Geschäftsführung“ gesprochen hatte, wurde damit bewusst eine unmittelbare Verbindung zu § 76 Abs. 1 AktG hergestellt.16 Der Begriff der „Leitung“ ist deshalb ebenso wie dort auszulegen.17 Zur Leitung gehört demnach die Ausübung aller zur Führung eines Unternehmens erforderlichen unternehmerischen Funktionen.18 Dazu gehört der Gesamtbereich der Geschäftsführung (§ 77 AktG).19 Bei der Due Diligence geht es darum, dass der Vorstand dem Interessenten umfassende Auskünfte erteilt und Einsicht in die Unternehmensunterlagen gewährt. Nach allgemeiner Auffassung ist die Weitergabe von Informationen ligungskaufes. Im Unterschied hierzu sehen einige eine entsprechende Weisung als von § 308 Abs. 1 AktG gedeckt an: Körber, NZG 2002, 263 (265); Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (448 f.); Decher, ZHR 158 (1994), 473 (480 f.; 487 ff., insbesondere 489). 14 Lutter, ZIP 1997, 613 (617); Traugott, BB 2001, 2277 (2279); Stoffels, ZHR 165 (2001), 362 (371); Mertens, AG 1997, 541 (543); Ziemons, AG 1999, 492 (496); Peters, Due Diligence, S. 34; Eggenberger, Due Diligence, S. 136. 15 Lutter, ZIP 1997, 613 (616 f.); die von ihm dafür in Fn 32 angeführten Belege (Hüffer, AktG, § 308 Rn 12 und KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 17) enthalten für diese Interpretation keinen Anhaltspunkt – ganz im Gegenteil wird hier der Weisungsgegenstand wie sonst auch sehr weit gefasst. Die ihm folgende Literatur hat diese Aussage von Lutter offenbar unkritisch übernommen. 16 BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403. Vgl. KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 17 und eingehend Fleischer, ZIP 2003, 1 ff. 17 Hüffer, AktG, § 308 Rn 12; MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 83; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 17; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 39. 18 BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403; Geßler / Hefermehl / Hefermehl, AktG, § 76 Rn 10; Großkomm / Meyer-Landrut, AktG, § 76 Rn 2. Vgl. 19 BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403; Hüffer, AktG, § 308 Rn 12; MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 86; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 40; Sina, AG 1991, 1.

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence im Konzern

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Geschäftsführungsmaßnahme.20 Folglich ist auch die Weisung, Informationen für eine Due Diligence zu erteilen, eine vom Leitungsbegriff des § 308 Abs. 1 S. 1 AktG erfasste Maßnahme.

b) Grenzen des Weisungsrechts Die Zulässigkeit einer entsprechenden Weisungen zur Due Diligence ist keine Frage des Leitungsbegriffs, sondern der durch § 308 Abs. 1 S. 2 AktG gezogenen Grenzen des Weisungsrechts, die nachfolgend zu untersuchen sind.21 Die entscheidende Frage lautet, ob sich eine Weisung an den Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft, eine Due Diligence zuzulassen, innerhalb dieser Grenzen dieses Weisungsrechts bewegt.

aa) Nachteilige Weisungen im Konzerninteresse, § 308 Abs. 1 S. 2 AktG Es gilt zunächst zu untersuchen, inwieweit es sich bei einer Weisung, Informationen für eine Due Diligence zu geben, um eine „nachteilige“ Weisung handeln kann. Eine für die Gesellschaft nachteilige Weisung darf nach § 308 Abs. 1 S. 2 AktG nur dann erfolgen, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder eines konzernverbundenen Unternehmens dienen. Ist die Weisung nicht von Nachteil für die abhängige Gesellschaft, so ist die Weisung bereits gemäß § 308 Abs. 1 S. 1 AktG zulässig. (1) Nachteilige Weisungen Der Begriff der Nachteiligkeit bei § 308 AktG ist derselbe wie in § 311 AktG.22 Eine Weisung ist nachteilig, wenn ein Vorstand einer unabhängigen Aktiengesellschaft die Maßnahme überhaupt nicht oder nur unter anderen Bedingungen vornehmen würde.23 Leitbild ist wie bei § 93 Abs. 1 AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters.24 Entscheidend ist folglich, ob die Maßnahme im Gesellschaftsinteresse der beherrschten Aktiengesellschaft ist.25 Die Förde20 Im Konzernzusammenhang: Geßler / Hefermehl / Eckardt, § 131 Rn 147; Lutter, ZIP 1997, 613 (616); Decher, ZHR 158 (1994), 473 (480). Vgl. Seite 62. 21 So auch zutreffend Körber, NZG 2002, 263 (265). 22 Hüffer, AktG, § 308 Rn 15; Komm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 26. 23 BGH NZG 1999, 658 (660); Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 45; Hüffer, AktG, § 308 Rn 15; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 26; Kantzas, WeisungsR, S. 98 ff.; Sina, AG 1991, 1 (5). 24 Hüffer, AktG, § 308 Rn 15; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 26. 25 Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 45; Hüffer, AktG, § 308 Rn 15; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 26.

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

rung der betreffenden M&A-Transaktion mit einer Due Diligence muss im Interesse der abhängigen Gesellschaft sein. Diese Beurteilung hat sich nach den Kriterien zu richten, die zur Rechtslage in der unabhängigen Aktiengesellschaft im ersten Teil herausgearbeitet wurden.26 (2) Konzerninteresse Handelt es sich bei der Weisung, eine Due Diligence zuzulassen, um eine nachteilige Weisung, so muss im Weiteren das so genannte „Konzerninteresse“ beurteilt werden. Nach § 308 Abs. 1 S. 2 AktG sind nachteilige Weisungen zulässig, „wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Untenehmen dienen“. Verbreitet wird in diesem Zusammenhang der Einfachheit halber vom „Konzerninteresse“ gesprochen.27 Lutter und die ihm folgende Literatur sind der Auffassung, dass die Durchführung einer Due Diligence nicht auf die Konzernleitung gerichtet sei, sondern in diesem Fall zur Sicherung von Eigentümer- und Vermögensinteressen des Großaktionärs erfolge.28 Sie sehen demnach einen Gegensatz zwischen dem Konzerninteresse und dem Eigentümer- und Vermögensinteresse des herrschenden Unternehmens. Dieser Gegensatz existiert jedoch nicht, da das Konzerninteresse als das Interesse des herrschenden Unternehmens an einer rentablen Ausnutzung der im Konzern zusammengefassten Wirtschaftskraft definiert wird.29 Üblicherweise deckt sich demnach das Konzerninteresse mit dem Interesse des herrschenden Unternehmens.30 Eine Due Diligence bei der Tochtergesellschaft erfolgt anlässlich einer M&ATransaktion des herrschenden Unternehmens. Mit dieser Transaktion verfolgt das herrschende Unternehmen in aller Regel seine Eigentümer- und Vermögensinteressen. Schließlich ist das normale Ziel einer Handelsgesellschaft die Gewinnmaximierung, also ein reines Vermögensinteresse.31 Damit ist aber kein Gegensatz zum Konzerninteresse verbunden. Vielmehr ist die Sicherung der Eigentümer- und Vermögensinteressen geradezu das klassische Interesse des herrschenden Unternehmens in einem Konzern. Davon geht auch die Regierungsbegründung zum AktG 1965 aus: Vgl. Seite 94 ff. Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 46 ff.; Hüffer, AktG, § 308 Rn 16 mit etwas Kritik an diesem Begriff wegen der Verkürzung. 28 Lutter, ZIP 1997, 613 (616 f.), ohne aber diese Interpretation des Konzerninteresses zu belegen oder zu weiter zu begründen. Ähnlich Peters, Due Diligence, S. 34; Eggenberger, Due Diligence, S. 136, die aber nur Lutter wiedergeben. 29 KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 24; Sina, AG 1991, 1 (5). 30 MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 102; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 25. 31 Dahingehend auch Sina, AG 1991, 1 (5). 26 27

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence im Konzern

269

„Bei den Interessen des herrschenden Unternehmens oder des Konzerns handelt es sich, ebenso wie bei den Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre, stets um Vermögensinteressen.“32

Die Leitung des herrschenden Unternehmens wird im Gegenteil sogar gegenüber ihrer eigenen Gesellschaft dazu verpflichtet sein, die Eigentümer- und Vermögensinteressen des herrschenden Unternehmen zu sichern.33 Nur Weisungen, die nichtunternehmerischen Interessen eines Aktionärs dienen, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers im Beherrschungsvertrag keine Rechtsgrundlage finden. Der Grund für diese Beschränkung wird in der Regierungsbegründung zum Aktiengesetz damit erklärt, dass der Beherrschungsvertrag nur für die Verfolgung solcher Belange zur Verfügung stehen soll, für die der mit einem derartigen Vertrag verbundene Einbruch in die Struktur der Aktiengesellschaft hingenommen wird.34 Ausgeschlossen werden somit lediglich Weisungen, mit denen ausschließlich Interessen Dritter verfolgt werden, die weder der Zielgesellschaft noch dem herrschenden Unternehmen oder den mit ihnen verbundenen Unternehmen dienen.35 Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal müssen ferner die Vorteile für den Konzern aus der Weisung nach herrschender Ansicht verhältnismäßig zu den Nachteilen für die angewiesene Gesellschaft sein.36 Im Rahmen von § 308 AktG werden die Nachteile für die beherrschte Gesellschaft ins Verhältnis zu den Vorteilen des Konzerns gesetzt. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist die Weisung gemäß § 308 Abs. 1 S. 2 AktG zulässig. bb) Ausschluss von Weisungen, § 299 AktG § 299 AktG untersagt es dem herrschenden Unternehmen, eine Weisung zu erteilen, den Beherrschungsvertrag zu beenden. Ziemons ist deshalb der Ansicht, dass die Weisung an den Vorstand der Zielgesellschaft, eine Due Diligence zu geBegrRegE zu § 311 AktG, Kropff, S. 407. Zum Konzerninteresse bei der Due Diligence: vgl. Seite 280 f. 34 BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403. Vgl. MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 101. 35 BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403 nennt als Beispiel „öffentliche Interessen“. Ferner sind damit Weisungen gemeint, die nur im Interesse von Einzelpersonen sind. Dies sind u. a. Weisungen aufgrund persönlicher Motive der Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens (Beispiel von Kantzas, WeisungsR, S. 99): Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 50; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 50; Sina, AG 1991, 1 (5). 36 Hüffer, AktG, § 308 Rn 17; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 30; Großkomm / Würdinger, AktG, § 308 Rn 13, Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 55 ff.; Kantzas, WeisungsR, 101 f.; Sina, AG 1991, 1 (7). A.A.: Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 53. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nicht mit der Verhältnismäßigkeit zu verwechseln, die im ersten Teil im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG erörtert wurde, in der das Verhältnis zu den Vorteilen der abhängigen Gesellschaft geprüft wird: vgl. Seite 113 ff. 32 33

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

währen, unzulässig sei. Diese Weisung sei auf die Beendigung der Konzernleitung und des Beherrschungsvertrages gerichtet, wenn die Due Diligence der Veräußerung der Beteiligung diene.37 Selbst wenn die betreffende M&A-Transaktion tatsächlich zur Beendigung des Beherrschungsvertrages führen würde, so wäre eine Weisung hinsichtlich der Due Diligence dennoch zulässig. Ein Konzernverhältnis und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten bestehen bis zur Beendigung des Konzernverhältnisses fort.38 Die Weisung, eine Due Diligence zuzulassen, wäre somit lediglich eine vorbereitende Maßnahme zur Beendigung des Beherrschungsvertrages. Die Zulassung einer Due Diligence ist keine Maßnahme, die den Beherrschungsvertrag beenden würde. § 299 AktG würde demnach ohnehin bereits von seinem Wortlaut her nicht eingreifen. Abgesehen davon führt eine Veräußerung der gesamten Mehrheitsbeteiligung durch das herrschende Unternehmen aber auch gar nicht dazu, dass der Beherrschungsvertrag beendet wird. Eine Veräußerung kann keinen Einfluss auf einen Beherrschungsvertrag haben, da eine Beteiligung noch nicht einmal Voraussetzung für den Abschluss dieses Vertrags ist. Das herrschende Unternehmen muss kein Aktionär seines Vertragspartners sein, sondern kann die Beherrschung auch erst durch den Beherrschungsvertrag erlangen (z. B. in „mehrstufigen Unternehmensverbindungen“).39 Die von den Vertragsparteien vereinbarten Rechte und Pflichten bleiben bis zum vereinbarten Vertragsende oder einer Kündigung bestehen. Der Beherrschungsvertrag geht auch nicht einem Nebenrecht gleich mit den Aktien über.40 Folglich ist bei einer Veräußerung der Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft damit nicht zwingend die Beendigung des Beherrschungsvertrages verbunden. Eine Weisung, anlässlich einer dahingehenden M&A-Transaktion eine Due Diligence zuzulassen, ist auch aus diesem Grund nicht auf die Beendigung des Beherrschungsvertrages gerichtet. § 299 AktG steht dieser Weisung an den abhängigen Vorstand im Ergebnis nicht entgegen.

37 Ziemons, AG 1999, 492 (496); Peters, Due Diligence, S. 34; Eggenberger, Due Diligence, S. 136. Diese Argumentation kommt nur für einige Due Diligence-Anlässe in Frage (z. B. Beteiligungsverkauf; Umplatzierung beim Börsengang). 38 Treeck, FS Fikentscher, S. 434 (449); Krömker, Due Diligence, S. 129 f. A.A: Ziemons, AG 1999, 492 (497), ohne dies weiter zu begründen. 39 Die Verträge zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft sind nach h.M. zulässig: Hüffer, AktG, § 291 Rn 15; MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 291 Rn 106 f. 40 § 401 BGB ist auch nicht analog anwendbar. Eingehend dazu Wilhelm, Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, S. 22 f.

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence im Konzern

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c) Vorstandspflicht zur Befolgung der Weisung, § 308 Abs. 2 AktG Das herrschende Unternehmen kann demnach eine Weisung erteilen, eine Due Diligence zuzulassen. Der Vorstand der beherrschten Aktiengesellschaft hat eine entsprechende Verpflichtung zur Befolgung dieser Weisungen gemäß § 308 Abs. 2 S. 1 AktG. Verweigern darf der angewiesene Vorstand die Ausführung einer Weisung zur Due Diligence nur dann, wenn sie offensichtlich nicht im Konzerninteresse ist (§ 308 Abs. 2 S. 2 AktG). Allerdings ist eine Weisung dann unzulässig, wenn sie gegen das Gesetz verstößt. Ein herrschendes Unternehmen darf keine Weisung erteilen, wenn die Erfüllung dem Vorstand rechtlich unmöglich ist.41 Deshalb kann das herrschende Unternehmen nur dann zu einer Due Diligence anweisen, wenn und soweit dies innerhalb der Befugnis des abhängigen Vorstands ist. Die Gewährung einer Due Diligence ist dem Vorstand einer Aktiengesellschaft grundsätzlich rechtlich möglich, ist aber den im ersten Teil geschilderten Voraussetzungen und Einschränkungen unterworfen.42 Wie noch zu zeigen sein wird, unterliegt der Vorstand jedoch im Vertragskonzern geringeren Einschränkungen (insbesondere bei § 93 Abs. 1 S. 3 AktG), wenn eine Weisung erteilt wurde.43

2. Kompetenzen des Aufsichtsrats im Vertragskonzern Die Informationsrechte des Aufsichtsrats aus § 90 AktG bleiben vom Beherrschungsvertrag unangetastet.44 Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens aus § 308 AktG lässt einen etwaigen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats der abhängigen Aktiengesellschaft nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG45 zwar ebenfalls zunächst unberührt. Verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung zu einer Due Diligence aber oder erteilt er sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist, so hat der Vorstand der abhängigen Gesellschaft dies dem herrschenden Unternehmen gemäß § 308 Abs. 3 S. 1 AktG mitzuteilen. Wiederholt das herrschende Unternehmen seine Weisung daraufhin, ist die Zustimmung des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft nicht mehr erforderlich. Nur wenn das herrschende Unternehmen selbst einen Aufsichtsrat hat, ist für die Wiederholung der Weisung hinsichtlich einer Due Diligence dessen Zustimmung erforderlich (§ 308 Abs. 3 S. 2 AktG).46 Dieses Erfordernis gilt nach herrschender Meinung selbst dann, wenn das herr41 Hüffer, AktG, § 308 Rn 14, 20; MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 140; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 42. 42 Vgl. Seite 88 ff. 43 Vgl. Seite 279 ff. 44 Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 69 Rn 32; § 70 Rn 149. 45 Vgl. Seite 76 ff. 46 Ungeklärt ist, ob eine erneute Weisung ohne diese Zustimmung unwirksam ist: Hüffer, AktG, § 308 Rn 24 verneint dies aufgrund des Wortlauts („darf“).

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

schende Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat.47 Ein etwaiger Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats bei der Zielgesellschaft der Due Diligence kann unter diesen formalen Voraussetzungen überwunden werden.48

3. Kompetenzen der Hauptversammlung im Vertragskonzern Die Rechte der Hauptversammlung einer abhängigen Aktiengesellschaft werden durch den Beherrschungsvertrag nicht berührt.49 Das gilt auch hinsichtlich der wenigen Kompetenzen, welche die Hauptversammlung hinsichtlich der Due Diligence hat (nach § 83 Abs. 1 AktG).50 Das durch den Beherrschungsvertrag gedeckte Weisungsrecht des herrschenden Unternehmen aus § 308 AktG geht nach herrschender Meinung lediglich den ungeschriebenen „Holzmüller“-Kompetenzen vor;51 im ersten Teil wurde jedoch bereits begründet, weshalb die Entscheidung über eine Due Diligence kein „Holzmüller“-Anwendungsfall ist.52

4. Zusammenfassung § 308 Abs. 1 AktG kann dem herrschenden Unternehmen das Recht geben, dem Vorstand einer abhängigen Aktiengesellschaft die Weisung zu erteilen, eine Due Diligence zuzulassen. Das ist zum einen dann der Fall, wenn es sich bei der Wei47 Hüffer, AktG, § 308 Rn 24; MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 161; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 52. 48 Die Regelung gilt als wenig geglückt. Der Gesetzgeber wollte durch § 308 Abs. 3 AktG die Information des abhängigen Aufsichtsrats sicherstellen (zur Entstehungsgeschichte: BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403 f.). Sinnvoller wäre ein Ruhen der Rechte des Aufsichtsrats aus § 111 Abs. 4 S. 2 AktG gewesen, solange der Beherrschungsvertrag besteht: Ebenso Hüffer, AktG, § 308 Rn 23; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 53. Eingehend dazu Rowedder, FS Duden, S. 501 (505). 49 Eingehender Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 70 Rn 151. 50 Vgl. Seite 244 ff. 51 Vgl. Sieger / Hasselbach, AG 1999, 241 (244 ff.); Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 70 Rn 151. Andernfalls würden die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten „Holzmüller“-Kompetenzen zu einer nachhaltigen Einschränkung der beherrschungsvertraglichen Leitungsmacht führen, für die kein Schutzbedürfnis der außenstehenden Aktionäre oder Gläubiger besteht, da sie durch die §§ 302 ff. AktG hinreichend geschützt werden. Das wird besonders deutlich, wenn man die „Holzmüller“-Kompetenzen aus § 119 Abs. 2 AktG herleitet und damit zugleich betont, dass es sich originär um Fragen der Geschäftsführung handelt, die in die Zuständigkeit des Vorstands fallen. Es gilt nach der herrschenden Literatur aber auch dann, wenn man die ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen mit einer Gesamtanalogie zu den übrigen Strukturentscheidungen begründet. A.A.: Sina, AG 1991, 1 (4), der an den „Holzmüller“-Kompetenzen auch im Vertragskonzern festhalten möchte. 52 Vgl. Seite 63 ff.

A. Kompetenzverteilung einer Due Diligence im Konzern

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sung, Informationen für eine Due Diligence zu geben, um keine „nachteilige“ Weisung für die beherrschte Gesellschaft handelt. Ist die Due Diligence nicht im Gesellschaftsinteresse der Zielgesellschaft, so ist entscheidend, ob die Vorteile für das herrschende Unternehmen oder einer mit ihr verbundenen Gesellschaft die Nachteile der Due Diligence für die beherrschte Gesellschaft überwiegen und dazu in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ist dies der Fall, so erfolgt die Weisung zur Due Diligence im Konzerninteresse und ist gemäß § 308 Abs. 1 S. 2 AktG erlaubt. Ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft wird unter den formalen Voraussetzungen des § 308 Abs. 3 AktG überwunden; seine Informationsrechte aus § 90 AktG bleiben hingegen unangetastet. Die wenigen Kompetenzen der Hauptversammlung der abhängigen Aktiengesellschaft in der Frage der Due Diligence werden weder durch eine Weisung noch durch den Beherrschungsvertrag berührt.

III. Eingliederung (§§ 319 ff. AktG) Die Eingliederung ist die intensivste Form einer Konzernbeziehung (§ 18 Abs. 1 S. 2 AktG). In ihren Wirkungen steht sie zwischen dem Beherrschungsvertrag und der Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG).53 Im Vergleich zum Vertragskonzern erlaubt die Eingliederung sogar noch weitergehende Weisungen, denn angesichts des klaren Wortlauts von § 323 Abs. 1 S. 1 AktG müssen nachteilige Weisungen nicht durch das Konzerninteresse gedeckt sein.54 Anders als im Vertragskonzern (§ 308 Abs. 2 S. 2 AktG) muss der Vorstand eine Weisung befolgen, selbst wenn sie offensichtlich nicht dem Konzerninteresse dient (vgl. § 323 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Weisung der Hauptgesellschaft an den Vorstand einer eingegliederten Aktiengesellschaft, eine Due Diligence zu gewähren, ist daher ohne weiteres erst recht zulässig. Eine dahingehende Weisung hat gemäß § 308 Abs. 2 S. 1 AktG i.V. m. § 323 Abs. 1 S. 2 AktG zur Folge, dass der abhängige Vorstand seine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Due Diligence verliert. Auf eine etwaige Nachteilhaftigkeit einer Weisung muss er jedoch aufmerksam machen.55 Nur einer gesetzwidrigen Weisung darf der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft nicht folgen,56 so dass die gesetzlichen Grenzen der Gestattung einer Due Diligence weiterhin eingehalten werden müssen (insbesondere § 93 Abs. 1 S. 3 AktG).57 Fehlt es an einer Weisung, hat der Vorstand die Aktiengesellschaft auch in der EinglieSo ausdrücklich auch die BegrRegE zu den §§ 319 ff. AktG, Kropff, S. 421. Unstreitig wegen der eindeutigen BegrRegE zu § 323 AktG, Kropff, S. 427: Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 323 Rn 2; Hüffer, AktG, § 323 Rn 3; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 323 Rn 2, 4. Vgl. 55 Vgl. Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 73 Rn 50. 56 Hüffer, AktG, § 323 Rn 4; Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 73 Rn 50. 57 Vgl. Seite 284. 53 54

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

derung unter eigener Verantwortung i.S.v. § 76 Abs. 1 AktG zu leiten.58 Die Kompetenzen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung sind dieselben wie im Vertragskonzern.59

IV. Ergebnisse von Teil A Während die Entscheidungskompetenz des Vorstands im faktischen Konzern unangetastet bleibt, kann sich die Entscheidungsbefugnis bei der Frage der Due Diligence im Vertragskonzern (§ 308 Abs. 1 AktG) und in der Eingliederung (§ 323 Abs. 1 AktG) durch das jeweilige Weisungsrecht auf das herrschende Unternehmen verlagern. Ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats kann durch diese Weisungsrechte überwunden werden; nur die Informationsrechte des Aufsichtsrats bleiben unangetastet. Ebenso bleiben die Kompetenzen der Hauptversammlung durch eine Konzernierung unberührt.

B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence im Konzern In allen Konzernarten stellt sich dieselbe Anschlussproblematik. Im ersten Teil wurde dargelegt, dass der Vorstand einer unabhängigen Zielgesellschaft einer Due Diligence in einem erheblichen Umfang gesetzliche Grenzen zu beachten hat (insbesondere § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG).60 Im Folgenden muss geklärt werden, ob in Konzernbeziehungen andere Grenzlinien gezogen werden können oder sogar gezogen werden müssen. Im Zentrum dieser Überlegungen muss dabei die Frage stehen, ob es ein „Konzernprivileg“ bei den relevanten gesetzlichen Vorschriften gibt, das die vergleichsweise engen gesetzlichen Informationsmöglichkeiten des Vorstands einer Aktiengesellschaft bei einer Due Diligence erweitert. Wo ein Konzernprivileg existiert, müssen Differenzierungsmöglichkeiten nach Konzernierungsart ausgelotet werden, denn nach den bisherigen Ergebnissen dieses zweiten Teils sind faktischer Konzern, Vertragskonzern und Eingliederung in ihren Auswirkungen auf die abhängige Aktiengesellschaft sehr verschieden.

58 Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 73 Rn 49; Großkomm / Würdinger, AktG, § 323 Anm. 7. 59 Vgl. Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 73 Rn 57. 60 Vgl. Seite 88 ff.

B. Grenzen einer Due Diligence im Konzern

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I. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Da § 93 Abs. 1 S. 3 AktG strenge Anforderungen an den Vorstand stellt und ungeachtet der Börsennotierung auf alle Aktiengesellschaften Anwendung findet, muss diese Vorschrift am Anfang der konzernrechtlichen Überlegungen stehen. Für alle Konzernierungsarten stellt sich dabei dasselbe Problem: Der Vorstand hat sich im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG bei der Frage der Due Diligence am Interesse der eigenen Gesellschaft zu orientieren. Da das Gesellschaftsinteresse im deutschen Aktienrecht anhand des Stakeholder-Ansatzes61 des § 76 Abs. 1 AktG 1965 bestimmt wird, kann es zu Divergenzen zwischen Aktionärs- und Gesellschaftsinteresse selbst in Gesellschaften mit einem Alleinaktionär kommen. Wenn das herrschende Unternehmen eine uneingeschränkte Due Diligence fordert, das Gesellschaftsinteresse jedoch die Einschränkung oder Ablehnung einer Due Diligence gebietet, wird es problematisch. Es stellt sich dann die Frage, ob sich in einem Konzernverhältnis das Interesse des herrschenden Unternehmens (i.d.R. als „Konzerninteresse“ bezeichnet)62 gegenüber einem abweichenden Gesellschaftsinteresse des abhängigen Unternehmens durchsetzt. Dies hätte zur Folge, dass die Gestattung einer Due Diligence auch dann nicht gegen § 93 Abs. 1 S. 3 AktG verstieße, sofern dies wenigstens im Interesse des herrschenden Unternehmens ist. Obwohl es sich um dieselbe Frage für alle Konzernformen handelt, kann die Antwort aufgrund der unterschiedlich engen Konzernbeziehungen kaum einheitlich ausfallen. Während in der Eingliederung und im Vertragskonzern aufgrund des Weisungsrechts aus § 323 Abs. 1 AktG bzw. § 308 Abs. 1 AktG viel für ein Konzernprivileg im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG spricht, ist dies im faktischen Konzern zu bezweifeln.

1. Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG im faktischen Konzern Da § 93 Abs. 1 S. 3 AktG nicht durch die §§ 311 ff. AktG verdrängt wird63, bleiben im faktischen Konzern lediglich zwei Ansatzpunkte für eine Privilegierung 61 Der ökonomisch u. U. erstrebenswertere Shareholder-Ansatz scheitert an den eindeutigen Ergebnissen der historischen Auslegung: vgl. Seite 96 ff. 62 Vgl. Seite 268 f. 63 Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452) erörtern dies. Teilweise wird vertreten, dass § 93 AktG durch § 318 AktG verdrängt werde: vgl. Luchterhandt, ZHR 133 (1970), 1 (42 ff.). Selbst wenn man aber dieser Auffassung folgte, so wäre es doch sehr zweifelhaft, dass auch die Geheimhaltungspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG verdrängt würde. Diese Ansicht ist aber ohnehin schon im Ansatz nicht überzeugend. Die Annahme einer Spezialität würde voraussetzen, dass § 318 AktG die Pflichtenstellung des Vorstands in der abhängigen Gesellschaft umfassend regelt. Davon kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil von der ursprünglich weitergehenden Konzeption in der endgültigen Fassung von 1965 nur noch die Verstöße gegen die Berichts- und Prüfungspflicht übrig geblieben sind. § 93 AktG unterliegt nur bei den Rechtsfolgen einer Modifikation durch § 318 AktG. Vgl. Habersack / Emmerich / Habersack, KonzernR, § 318 Rn 10; Hüffer, AktG, § 318 Rn 9; MünchKomm / Kropff, AktG, § 318 Rn 3,

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

des herrschenden Unternehmens bei der Frage der Due Diligence. Ein mit dem Unternehmensinteresse nicht identisches Konzerninteresse darf der abhängige Vorstand unter den Voraussetzungen von § 311 AktG berücksichtigen. Ferner kann § 327b Abs. 1 S. 2 AktG herangezogen werden, um die Möglichkeiten eines Konzernprivilegs im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zu erforschen.

a) § 311 Abs. 1 AktG als Grenze der Geheimhaltungspflicht § 311 AktG berechtigt den Vorstand zu „nachteiligen“ Maßnahmen, d. h. zu Handlungen, die nicht im Gesellschaftsinteresse sind. Wenn die Voraussetzungen von § 311 AktG vorliegen, darf der Vorstand die Interessen seiner eigenen Gesellschaft zurückzustellen und stattdessen analog § 308 Abs. 1 S. 2 AktG im Konzerninteresse handeln.64 Die Geheimhaltungspflicht des Vorstands aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG könnte demnach im faktischen Konzern durch § 311 Abs. 1 AktG eine neue Grenze enthalten.65 Eine dem Unternehmensinteresse der abhängigen Gesellschaft widersprechende und damit „nachteilige“ Due Diligence kann durch § 311 AktG nur dann gerechtfertigt werden, wenn die daraus entstehenden Nachteile durch das herrschende Unternehmen ausgeglichen werden können. § 311 Abs. 1 AktG lässt nachteilige Veranlassungen nur unter der Voraussetzung zu, dass ihre schädlichen Folgen ausgeglichen werden („darf nicht . . . , es sei denn“) und setzt ihre Ausgleichsfähigkeit voraus. Die Möglichkeit der Ausgleichsgewährung ist demnach Voraussetzung für eine nachteilige Handlung und für ihre Rechtmäßigkeit. Die Veranlassung zu Handlungen, deren Nachteile für die Gesellschaft nicht ausgleichsfähig sind, ist hingegen von vornherein unzulässig. Infolgedessen müssen die Nachteile einer Handlung nach ganz herrschender Auffassung quantifizierbar sein.66 Der Nachteil einer Due Diligence besteht darin, dass sich die Gesellschaft dem Risiko einer Schädigung aussetzt, wenn sie wichtige interne Informationen offenlegt. Dieser Nachteil ist einer Bewertung nur schwer zugänglich, denn es müsste zunächst die Weitergabe einer Information als solche bewertet werden. Informatio24; KölnerKomm / Koppensteiner, AktG, § 318 Rn 10; Geßler / Hefermehl / Kropff, AktG, § 318 Rn 12; Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452). Zur Entstehungsgeschichte: BegrAusschußB zu § 311 AktG, Kropff, S. 409 f., 420. 64 Unstreitig: Hüffer, AktG, § 311 Rn 34; Emmerich / Habersack / Habersack, KonzernR, § 311 Rn 60; Geßler / Hefermehl / Kropff, AktG, § 311 Rn 34, 106; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 311 Rn 61; Lutter, ZIP 1997, 613 (617). 65 Dahingehend Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 214, Hoffmann-Becking, FS Rowedder, S. 155 (167), die eine Weitergabe von Informationen als rechtmäßig ansehen, soweit dies dem Zweck der einheitlichen Leitung dient. 66 Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 311 Rn 152; K. Schmidt, GesellschR, S. 964; MünchKomm / Kropff, AktG, § 311 Rn 157 f.; Hüffer, AktG, § 311 Rn 25; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 311 Rn 31, 48; Geßler / Hefermehl / Kropff, AktG, § 311 Rn 41.

B. Grenzen einer Due Diligence im Konzern

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nen sind im Wirtschaftsleben oftmals sehr begehrt, gerade für Gesellschaftsgeheimnisse gibt es viele denkbare Interessenten. Diesen Informationen einen Marktpreis beizumessen, ist dennoch problematisch. Das liegt zum einem an der Natur der Information als nur schwer handelbares Gut. Wenn eine Information zu oft weitergegeben wird, besteht die Gefahr, dass die Information an die Öffentlichkeit gerät und damit wertlos wird. Bei Gesellschaftsgeheimnissen kommt die Schwierigkeit hinzu, dass es für Insiderwissen keinen Markt im engeren Sinne gibt. Bei Fehlen von Marktpreisen werden in der konzernrechtlichen Literatur hauptsächlich die Selbstkosten zuzüglich eines branchenüblichen Gewinnaufschlages herangezogen („Kostenaufschlagsmethode“).67 Diese Vorgehensweise kommt allenfalls bei der Bewertung von Know-how in Betracht.68 Bei allen anderen Gesellschaftsgeheimnissen wie beispielsweise Informationen über Lieferkonditionen oder strategische Pläne der Geschäftsleitung versagt dieses Vorgehen bereits im Ansatz. Die Nachteile einer Due Diligence sind schon deshalb kaum quantifizierbar.69 Bei der Bewertung der Nachteile aus einer Due Diligence kommt noch ein weiteres Problem hinzu, denn es geht nicht allein um die Bewertung von Informationen. Genau genommen muss das Schadensrisiko bewertet werden, dass Gesellschaftsgeheimnisse allgemein bekannt oder von anderen Unternehmen gezielt nachteilig verwendet werden. Risiken sind einer Bewertung a priori nur schwer zugänglich.70 Nach der herrschenden Auffassung wird deshalb zu Recht angenommen, dass Maßnahmen mit nicht berechenbaren Risiken vom Vorstand der abhängigen Gesellschaft von vornherein grundsätzlich nicht vorgenommen werden dürfen.71 Eine Ausnahme wird nur dann gemacht, wenn der abhängigen Gesellschaft die nicht quantifizierbaren Risiken durch eine Garantie oder in ähnlicher Weise abgenommen werden. Bei nicht im vorhinein übersehbaren und quantifizierbaren Risiken kann das durch eine Vereinbarung geschehen, nach der die Auswirkungen später alljährlich festgestellt und ausgeglichen werden, sobald sie sich realisieren.72 Gerade weil es um die nachteilige Verwendung von Informationen geht, wird jedoch nur selten festzustellen oder gar beweisbar sein, ob sich die Risiken aus der 67 Hüffer, AktG, § 131 Rn 33; MünchKomm / Kropff, AktG, § 311 Rn 170; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 311 Rn 40; Geßler / Hefermehl / Kropff, AktG, § 311 Rn 172 ff. Die Methode wurde für Konzernverrechnungspreise entwickelt. 68 Die Methode ist aber auch bei Know-how mit Problemen verbunden, weil die Zurechnung von Gemeinkosten ebenso schwierig ist wie die Festlegung eines branchenüblichen Gewinnaufschlages. Vgl. MünchKomm / Kropff, AktG, § 311 Rn 171 ff.; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 311 Rn 40. 69 Zutreffend Lutter, ZIP 1997, 613 (617 f.); Krömker, Due Diligence, S. 131. 70 Dasselbe Dilemma besteht bei Chancen. Dies war das Hauptproblem in der Gutachterschlacht nach dem Vodafone / Mannesmann-Takeover, als Vodafone den Verkauf der Orange Plc veranlasste: vgl. Lutter, FS Peltzer, S. 241 ff. 71 Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 311 Rn 151; MünchKomm / Kropff, AktG, § 311 Rn 157 f.; Geßler / Hefermehl / Kropff, AktG, § 311 Rn 40. 72 MünchKomm / Kropff, AktG, § 311 Rn 158; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 311 Rn 31; Geßler / Hefermehl / Kropff, AktG, § 311 Rn 40.

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

Due Diligence tatsächlich realisiert haben.73 Selbst wenn die Risikoverwirklichung ausnahmsweise feststellbar ist, so bleibt es nahezu unmöglich, die Höhe des Ausgleiches zu bemessen. Es kommt dann das angesprochene Problem der Bewertbarkeit von Gesellschaftsgeheimnissen zum Tragen, weil es an Marktpreisen oder vergleichbaren Maßstäben zur Berechnung fehlt. Die engen Voraussetzungen von § 311 Abs. 1 AktG können somit bei einer Due Diligence nicht erfüllt werden.

b) § 327b Abs. 1 S. 2 AktG als Grenze der Geheimhaltungspflicht Aus diesem Grund stellt sich die Folgefrage, ob das Aktiengesetz andere Möglichkeiten der Konzernprivilegierung bereitstellt. Eine derartige Privilegierung könnte in § 327 b Abs. 1 S. 2 AktG gesehen werden. Diese Norm wurde im Rahmen der §§ 327a ff. AktG aufgrund Art. 7 des „Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen“ eingeführt, die den Ausschluss von Minderheitsaktionären ermöglichen (so genanntes „Squeeze-out-Verfahren“).74 Gemäß § 327b Abs. 1 S. 2 AktG hat der Vorstand75 dem herrschenden Unternehmen zur Vorbereitung des Squeeze-outVerfahrens Unterlagen zur Verfügung zu stellen und Auskunft zu erteilen.76 Die Geltendmachung des Informationsrechts aus § 327b Abs. 1 S. 2 AktG ist nach dem klaren Wortlaut an diesen Zweck gebunden („alle dafür notwendigen Unterlagen . . . und Auskünfte“).77 Macht das herrschende Unternehmen diesen Informationsanspruch zweckwidrig geltend, um eine Due Diligence anlässlich einer Unternehmenstransaktion durchführen zu können, so handelt es treuwidrig. Der abhängige Vorstand ist dann verpflichtet, die Gewährung einer Due Diligence zu verweigern. § 327b Abs. 1 S. 2 AktG berechtigt demnach in seiner direkten Anwendung nicht zur Due Diligence bei M&A-Transaktionen. Darauf weist richtigerweise Mertens, AG 1997, 541 (544) hin. Zum „Squeeze-out“-Verfahren: Sieger / Hasselbach, ZGR 2002, 120; Grunewald, ZIP 2002, 18; Krieger, BB 2002, 53; Krause, NJW 2002, 705 (715 f.). Eingehend zur Regelung in der EU-Übernahmerichtlinie: Austmann / Mennicke, NZG 2004, 846. 75 Der Wortlaut deutet auf eine Auskunftspflicht des Vorstands hin. § 327b Abs. 1 S. 2 AktG muss aber so verstanden werden, dass wie in § 131 AktG die Aktiengesellschaft die Auskünfte schuldet und sich des Vorstands lediglich zur Erfüllung bedient. Bei einem direkten Anspruch des Aktionärs gegenüber dem Vorstand wäre etwa bei zögerlicher oder unrichtiger Behandlung auch die Gefahr von Schadensersatzansprüchen verbunden. Darauf weist zu Recht Grunewald, ZIP 2002, 18 (19) hin. A.A.: Krause, NJW 2002, 705 (715). 76 Eine einschränkende Auslegung schlägt allerdings Grunewald, ZIP 2002, 18 (19) vor. Dagegen soll nach Geibel / Süßmann / Grzimek, WpÜG, § 327b AktG Rn 9 eine Auslegung entsprechend § 320 Abs. 2 HGB erfolgen. Eine derartige Interpretation würde aber Probleme aufwerfen, denn § 320 Abs. 2 HGB ist äußerst weit gefasst („Vor dem Abschlussprüfer gibt es kein Geheimnis bezüglich der Gegenstände der Prüfung!“). Ferner unterliegt der Hauptaktionär weder der Verschwiegenheitspflicht noch dem Verwertungsverbot der §§ 50, 57 WPO. Vgl. MünchKomm / Ebke, HGB, § 320 Rn 21 f. und Hopt, HGB, § 320 Rn 2. 77 Vgl. BegrRegE zu § 327b AktG, BT-Drucks. 14 / 7034, S. 183. 73 74

B. Grenzen einer Due Diligence im Konzern

279

Überlegenswert ist jedoch, ob nicht in dieser Norm eine allgemeine gesetzliche Wertung zum Ausdruck kommt, dass dem Aktionärsinteresse Vorrang einzuräumen ist, wenn das herrschende Unternehmen wenigstens 95 % (vgl. § 327a Abs. 1 S. 1 AktG) der Aktien besitzt. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass dann zumindest bei der Informationserteilung ausnahmsweise das Interesse des herrschenden Unternehmens zu bevorzugen wäre. Eine derartige Allgemeingültigkeit wird man aber § 327b Abs. 1 S. 2 AktG nicht beimessen können. Noch nicht einmal bei den mit dem Squeeze-out verwandten Konstellationen wie der Bemessung von Abfindungen im Umwandlungsrecht (§ 29 UmwG bei Verschmelzungen), beim Beherrschungsvertrag (§ 305 AktG) oder der Eingliederung (§ 320b AktG) findet sich eine vergleichbare gesetzliche Bestimmung. Es handelt sich bei § 327b Abs. 1 S. 2 AktG um eine Ausnahmevorschrift, die einen rechtsystematischen Bruch in der Informationsordnung der Aktiengesellschaft enthält und aus diesem Grund ohnehin rechtspolitisch- und dogmatisch nicht unbedenklich ist.78 Daher wird man dieser Vorschrift die Analogiefähigkeit absprechen müssen.

c) Zusammenfassung Im faktischen Konzern existiert hinsichtlich § 93 Abs. 1 S. 3 AktG kein Konzernprivileg. Die Voraussetzungen von § 311 Abs. 1 AktG sind nicht erfüllbar. § 327b Abs. 1 S. 2 AktG ermöglicht auch bei Beteiligungen des herrschenden Unternehmens von über 95 % keine andere Betrachtungsweise. Dieses Ergebnis lässt sich auf der Wertungsebene mit dem mangelnden Schutz der §§ 311 ff. AktG rechtfertigen, denn im faktischen Konzern wird die abhängige Aktiengesellschaft (und damit die Minderheitsaktionäre und Gläubiger) vor den finanziellen Risiken einer Due Diligence nicht ausreichend abgesichert.

2. Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG im Vertragskonzern Anders als bei den §§ 311 ff. AktG wäre im Vertragskonzern eine Konzernprivilegierung zu rechtfertigen, denn die abhängige Aktiengesellschaft und ihre Gläubiger werden durch die Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG und die Pflicht zur Sicherheitsleistung in 303 AktG geschützt. Außenstehende Aktionäre erhalten bei Abschluss des Beherrschungsvertrags wahlweise eine Ausgleichszahlung nach § 304 AktG oder eine Abfindung (§ 305 AktG).

78

Dahingehend auch Grunewald, ZIP 2002, 18 (19).

280

2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

a) § 308 Abs. 1 AktG als Grenze der Geheimhaltungspflicht Das Weisungsrecht aus § 308 AktG ermöglicht dem herrschenden Unternehmen nicht nur die Durchsetzung seines Wunsches nach einer Due Diligence.79 Eine Weisung führt auch im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zu einer Privilegierung des Vertragskonzerns. In der unabhängigen Aktiengesellschaft wird die Grenze der Verschwiegenheitspflicht des Vorstands durch das Gesellschaftsinteresse der eigenen Gesellschaft gezogen. Im Vertragskonzern tritt infolge einer Weisung das Konzerninteresse an die Stelle des Gesellschaftsinteresses der abhängigen Gesellschaft als Entscheidungsmaßstab.80 Da das Konzerninteresse üblicherweise mit dem Interesse des herrschenden Unternehmens zusammenfällt,81 ersetzt dieses das Gesellschaftsinteresse bei einer abhängigen Zielgesellschaft konsequenterweise auch als Grenze der Verschwiegenheitspflicht in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG. Als Ausgleich haften die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens der abhängigen Zielgesellschaft der Due Diligence bei einer sorgfaltswidrigen Weisung nach § 309 Abs. 2 S. 1 AktG auf Schadensersatz. Ob die Due Diligence im Interesse des herrschenden Unternehmens oder einer mit ihr verbundenen Gesellschaft ist, hat je nach Rechtsform (AG, GmbH, KG, OHG, u. ä.) das jeweils zuständige Organ bzw. die zuständige Einzelperson („Flick“)82 des herrschenden Unternehmens zu ermitteln. Beispiele: Ist das herrschende Unternehmen ebenfalls eine Aktiengesellschaft, so hat deren Vorstand diese Frage grundsätzlich nach den im ersten Teil beschriebenen Kriterien zu beantworten. Da es im Vertragskonzern jedoch auf das Gesellschaftsinteresse des herrschenden Unternehmens ankommt, kann auf die strengen Voraussetzungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verzichtet werden, solange das herrschende Unternehmen der einzige Informationsempfänger bei der Due Diligence ist. In diesem Fall besteht aus der maßgeblichen Sicht des herrschenden Unternehmens kein Geheimhaltungsinteresse, da es um die Weitergabe von Informationen an sich selbst geht. Sofern die Zielgesellschaft von einer GmbH beherrscht wird, so hat die nach herrschender Meinung zuständige Gesellschafterversammlung dieselbe Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durchzuführen.83 Kommen die Gesellschafter zu dem Ergebnis, dass die Risiken einer Due Diligence bei der Tochtergesellschaft in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der GmbH stehen, dann erfolgt eine dahingehende Weisung84 im Konzerninteresse. Vgl. Seite 265 ff. Hüffer, AktG, § 308 Rn 16; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 11. 81 MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 102; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 25. 82 Zur Unternehmensbegriff des § 15 AktG: Hüffer, AktG, § 15 Rn 8 ff. 83 Der Geschäftsführer ist unzuständig, da es sich bei der Zulassung einer Due Diligence um eine außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme handelt. Zur Rechtslage in der GmbH: Oppenländer, GmbHR 2000, 535 (540); Bremer, GmbHR 2000, 176; Götze 1999, 202 (228 ff.). Vgl. Seite 252 f. 84 Im Übrigen kann auch der Informationsanspruch auf Due Diligence geltend gemacht werden, der sich aus § 51a GmbHG ergibt: vgl. Seite 252 f. 79 80

B. Grenzen einer Due Diligence im Konzern

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b) Grenzen im Vertragskonzern außerhalb von Weisungen Die konzernrechtlichen Weisungen i.S.v. § 308 AktG können formlos und damit sogar konkludent erfolgen, wenn nicht der Beherrschungsvertrag eine besondere Form vorsieht.85 Fehlt es dennoch an einer Weisung, so stellt sich die Frage, ob die Geheimhaltungspflicht des Vorstands im Konzerninteresse durchbrochen werden darf. Es ist zu überlegen, ob § 93 Abs. 1 S. 3 AktG im Beherrschungsvertrag auch außerhalb von Weisungen im Konzerninteresse eine Grenze findet.86 Dazu wäre Voraussetzung, dass im Vertragskonzern das Konzerninteresse auch in diesem Fall ein alternativer Handlungsmaßstab für den Vorstand ist. Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, dass das Konzerninteresse ein maßgeblicher Handlungsmaßstab für den Vorstand einer abhängigen Gesellschaft im Vertragskonzern sein könne. Begründet wird dies mit dem Zweck des Beherrschungsvertrages, die abhängige Gesellschaft in den Konzern einzugliedern. Daraus sei zu folgern, dass ihr Vorstand nicht verpflichtet, aber durchaus berechtigt sei, seine Entscheidungen an der Optimierung des Konzernerfolges zu orientieren.87 Die Befugnis des Vorstands aus § 76 AktG zur Leitung der Gesellschaft wird durch einen Beherrschungsvertrag jedoch richtigerweise nicht aufgehoben, sondern lediglich modifiziert. Sie bleibt uneingeschränkt bestehen, soweit dem Vorstand keine Weisung vom herrschenden Unternehmen erteilt wird.88 Für eine Ausrichtung am Konzerninteresse wird zwar angeführt, dass die Vermögensinteressen der außenstehenden Aktionäre während der Laufzeit des Vertrages nicht mehr mit dem Ertrag der Gesellschaft, sondern mit dem des herrschenden Unternehmens verknüpft seien.89 Der Vorstand einer abhängigen Aktiengesellschaft kann aber nur das zuverlässig beurteilen, was im Interesse seiner eigenen Gesellschaft liegt. Dem abhängigen Vorstand fehlen oft infolge mangelnder Information die Voraussetzungen für ein abschließendes Urteil darüber, ob eine Hand85 Hüffer, AktG, § 308 Rn 13; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 37 f.; Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 70 Rn 135. Wenn eine Weisung ergeht, die nach der Form keine Grundlage im Beherrschungsvertrag hat, ist sie gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 AktG nichtig. Die eigenverantwortliche Leitung bleibt erhalten, soweit die Überlagerung durch den Beherrschungsvertrag nicht greift: Hüffer, AktG, § 308 Rn 13. 86 Dahingehend anscheinend Großkomm / Hopt, AktG, § 93 Rn 214, Hoffmann-Becking, FS Rowedder, S. 155 (167), die eine Weitergabe von Informationen als rechtmäßig ansehen, soweit dies dem Zweck der einheitlichen Leitung der beherrschten Gesellschaft dient. 87 Dahingehend KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 48 f.; Erlinghagen, Organschaftsvertrag, S. 16 f. Vgl. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 217 ff. 88 BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403. Insoweit sind sich einig: MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 153; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 74; Großkomm / Würdinger, AktG, § 308 Anm. 2 und auch KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 48. Vgl. Seite 265 ff. 89 Dahingehend KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 48 f.; Erlinghagen, Organschaftsvertrag, S. 16 f. Vgl. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 217 ff.

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

lung im Konzerninteresse liegt. Dies ist auch die gesetzgeberische Begründung, weshalb der Vorstand grundsätzlich die Befolgung einer Weisung nicht mit der Begründung verweigern darf, sie sei nicht im Konzerninteresse (§ 308 Abs. 2 S. 2 AktG).90 Die Verfolgung der Konzerninteressen muss er der kompetenteren Konzernspitze überlassen. Für das Konzernwohl ist diese verantwortlich.91 Deshalb hat sich der Vorstand einer abhängigen Aktiengesellschaft außerhalb von Weisungen ausschließlich vom Interesse seiner eigenen Gesellschaft leiten zu lassen. Der Vorstand ist nicht berechtigt, von sich aus dieses Interesse dem Konzerninteresse unterzuordnen.92 Gegen diese Sichtweise wird zwar eingewandt, dass es wenig Sinn mache, den Vorstand der abhängigen Gesellschaft an unterschiedliche Handlungsmaßstäbe zu binden und dies je nachdem, ob zufällig eine ausdrückliche Weisung vorliege oder nicht.93 Liegen die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Weisung i.S.v. § 308 Abs. 1 AktG vor, so mag es zugegebenermaßen auf den ersten Blick als eine bloße Förmelei anmuten, eine Weisung für die Offenlegung von Gesellschaftsgeheimnissen zu fordern. Gleichwohl wird man eine ausdrückliche Weisung schon aus Haftungsgründen und dabei insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit verlangen müssen. Schädigt der Vorstand einer abhängigen Aktiengesellschaft seine Gesellschaft, so macht er sich gemäß § 93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig, wenn die Schädigung nicht aufgrund einer Weisung des herrschenden Unternehmens erfolgte. Der Vorstand wird im Vertragskonzern gemäß § 310 Abs. 3 AktG nur dann entlastet, wenn die Schädigung infolge einer nach § 308 Abs. 2 AktG zu befolgenden Weisung entsteht. Deshalb muss der abhängige Vorstand schon im eigenen Interesse gegenüber seiner Konzernmutter auf einer eindeutigen Weisung bestehen. Im Übrigen ist auch angesichts der erheblichen Risiken, die mit einer Due Diligence für die Tochtergesellschaft verbunden sind, die Forderung nach einer ausdrücklichen Weisung gerechtfertigt. Schließlich handelt es sich bei der Zulassung einer Due Diligence auch nicht um eine alltägliche Entscheidung, sondern um eine außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme. Außerhalb von Weisungen darf der abhängige Vorstand nicht im Konzerninteresse statt im Interesse seiner eigenen Gesellschaft handeln, wenn er nicht gegen § 93 Abs. 1 S. 3 AktG verstoßen will.

90 So ausdrücklich die BegrRegE zu § 308 AktG, Kropff, S. 403: „Häufig wird aber der Vorstand einer einzelnen Konzerngesellschaft gar nicht beurteilen können, ob eine Weisungen den Belangen des herrschenden Unternehmens . . . dient.“ 91 MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 154; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 75; Großkomm / Würdinger, AktG, § 308 Anm. 2. 92 MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 153 ff.; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 74 ff.; Großkomm / Würdinger, AktG, § 308 Anm. 2; Schauß, WeisungsR, S. 31 ff. 93 Dahingehend KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 48; Erlinghagen, Organschaftsvertrag, S. 16.

B. Grenzen einer Due Diligence im Konzern

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c) Zusammenfassung Im Vertragskonzern existiert hinsichtlich der Geheimhaltungspflicht des Vorstands aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ein Konzernprivileg. Das Konzerninteresse ersetzt das Gesellschaftsinteresse der abhängigen Zielgesellschaft als Grenze der Verschwiegenheitspflicht in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, wenn das herrschende Unternehmen eine Due Diligence nach § 308 AktG rechtmäßig anweist. Außerhalb von Weisungen darf der abhängige Vorstand nicht im Konzerninteresse statt im Interesse seiner eigenen Gesellschaft eine Due Diligence gewähren. Er verstößt dann gegen seine aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG.

3. Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG in der Eingliederung Wenn der Vertragskonzern eine Privilegierung des herrschenden Unternehmens im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG kennt, so kann dies bei der Eingliederung nicht anders sein, denn die §§ 319 ff. AktG rechtfertigen als intensivste Konzernierungsform erst recht ein Konzernprivileg. Die Gläubiger genießen einen umfangreichen Schutz durch das Recht auf Sicherheitsleistung (§ 321 AktG) und die gesamtschuldnerische Mithaftung der Hauptgesellschaft in § 322 AktG. Der Schutz von Minderheitsaktionären wird durch einen Eingliederungsbeschluss hinfällig, weil alle außenstehenden Aktionäre gegen Abfindung (§ 320b AktG) ausscheiden und sich dadurch alle Anteile in einer Hand vereinigen.94

a) § 323 Abs. 1 AktG als Grenze der Geheimhaltungspflicht Der Umfang des Weisungsrechts nach § 323 Abs. 1 S. 1 AktG ist inhaltlich nicht begrenzt. Anders als im Vertragskonzern (§ 308 Abs. 2 S. 2 AktG) darf der Vorstand die Befolgung einer Weisung selbst dann nicht verweigern, wenn sie offensichtlich nicht dem Konzerninteresse dient (vgl. § 323 Abs. 1 S. 2 AktG). Angesichts diesen klaren Wortlauts und der eindeutigen Regierungsbegründung95 ist es allgemeine Meinung, dass nachteilige Weisungen anders als in § 308 Abs. 1 S. 2 AktG nicht durch das Konzerninteresse gedeckt sein müssen.96 Folglich muss die Geheimhaltungspflicht des Vorstands bei einer Weisung zurücktreten und dies unabhängig davon, ob die Due Diligence im Konzerninteresse ist. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG wird durch eine Weisung der Hauptgesellschaft nach § 323 AktG durchbrochen. So ausdrücklich auch die BegrRegE zu den §§ 319 ff. AktG, Kropff, S. 421. BegrRegE zu § 323 AktG, Kropff, S. 427. 96 Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 323 Rn 2; Hüffer, AktG, § 323 Rn 3; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 323 Rn 2, 4. Vgl. Seite 273. 94 95

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

b) Grenze in der Eingliederung außerhalb von Weisungen Fehlt es an einer Weisung, hat der Vorstand seine Aktiengesellschaft auch in der Eingliederung weiterhin unter eigener Verantwortung i.S.v. § 76 Abs. 1 AktG zu leiten.97 Der abhängige Vorstand muss aus Informations- und Haftungsgründen auf einer Weisung bestehen. Nicht zuletzt weil die §§ 309, 310 AktG gemäß § 323 Abs. 1 S. 2 AktG anwendbar sind, lässt sich insoweit die Argumentation zum Vertragskonzern übertragen.98

4. Zusammenfassung Die Ergebnisse fallen je nach Konzernierungsform unterschiedlich aus: Im faktischen Konzern existiert bei der Geheimhaltungspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG kein Konzernprivileg hinsichtlich der Due Diligence, denn die Voraussetzungen von § 311 AktG sind nicht erfüllbar und § 327b Abs. 1 S. 2 AktG rechtfertigt ebenfalls keine andere Wertung. Im Vertragskonzern besteht hingegen ein Konzernprivileg. Das Konzerninteresse ersetzt das Gesellschaftsinteresse der abhängigen Zielgesellschaft als Grenze der Verschwiegenheitspflicht von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, wenn das herrschende Unternehmen eine Due Diligence nach § 308 AktG anweist. In der Eingliederung tritt die Geheimhaltungspflicht des Vorstands bei einer Weisung nach § 323 AktG zurück und dies unabhängig davon, ob die Due Diligence im Konzerninteresse ist. Fehlt es an einer Weisung, hat der Vorstand seine Aktiengesellschaft sowohl im Vertragskonzern als auch in der Eingliederung weiterhin unter eigener Verantwortung i.S.v. § 76 Abs. 1 AktG zu leiten.

II. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (bei Börsengesellschaften) Es gibt nicht viel Raum für Konzernprivilegierungen im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Verschwiegenheitspflicht des Vorstands. Nach den Ergebnissen des ersten Teils erfolgt eine Weitergabe von Insiderinformationen bei den meisten M&A-Transaktionen nicht „unbefugt“ i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Lediglich die Due Diligence anlässlich eines Beteiligungskaufs ist in der unabhängigen Aktiengesellschaft erst bei einem Aktienpaket ab 30 % zulässig.

97 Hüffer, AktG, § 323 Rn 6; Krieger, in: Münchner Handbuch Aktiengesellschaft, § 73 Rn 49; Großkomm / Würdinger, AktG, § 323 Anm. 7. A.A.: KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 323 Rn 8. 98 Vgl. Seite 281 ff.

B. Grenzen einer Due Diligence im Konzern

285

Weder dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG noch der Regierungsbegründung zum Anlegerschutzgesetz ist aber zu entnehmen, ob im faktischen Konzern oder Vertragskonzern ein Konzernprivileg existiert. Ebensowenig enthält die „Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation“99 (so genannte „Marktmissbrauchsrichtlinie“) einen Hinweis auf die Behandlung konzerninterner Informationsströme.100 Ein Konzernprivileg im Rahmen dieser Sondervorschriften für Börsengesellschaften101 könnte sich dabei von vornherein nur auf den faktischen Konzern und den Vertragskonzern beziehen, denn bei einer eingegliederten Gesellschaft ohne jeglichen Streubesitz wird es bereits an der nach § 12 S. 1 Nr. 1 WpHG erforderlichen Börsennotierung fehlen.102

1. Insiderverbote im Konzern: Meinungsstand in der Literatur Erstaunlicherweise besteht trotz der mangelnden Hinweise von Gesetzgeber und EU-Richtliniengeber vollkommene Einigkeit in der Literatur darüber, dass ein Konzernprivileg für § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG existiert.103 Auch die BAFin teilt offenbar diese Auffassung: „Ebenso dürfte der Informationsaustausch innerhalb eines faktischen Konzerns aus betrieblichen Gründen als befugt anzusehen sein.“104

Eine dogmatisch fundierte Begründung für diese Bevorzugung der Konzerne bei den Insiderverboten des WpHG sucht man allerdings in den meisten Stellungnahmen des Schrifttums vergebens.105

99 Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäisches Parlaments und des Rates vom 28. 01. 2003, AblEU Nr. L 96 / 16 vom 12. 04. 2003. 100 Zur Marktmissbrauchsrichtlinie allgemein: Fürhoff, AG 2003, 80 ff.; Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 ff.; Dier / Fürhoff, AG 2002, 604 ff.; Weber, EuZW 2002, 43 ff.; Leppert / Stürwald, ZBB 2002, 90 ff. 101 Vgl. Seite 36. 102 Die Notierung wird gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 BörsG von Amts wegen eingestellt, wenn der Handel mangels Streubesitz nicht mehr gewährleistet ist. 103 Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 54d; Singhof, ZGR 2001, 146 (161 ff.) Süßmann, AG 1999, 162 (171); Ziemons, AG 1999, 492 (495, 499); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (453). 104 BAWe / Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc Publizität, S. 21. 105 Soweit ersichtlich haben sich lediglich Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht) und Singhof, ZGR 2001, 146 (161 ff.) eingehender mit der Konkurrenz von Insiderrecht und Konzernrecht auseinandergesetzt.

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

2. Eigene Begründung des Konzernprivilegs Im ersten Teil wurde bereits dargelegt, dass das Insiderrecht zurücktritt, soweit kapitalmarktrechtlich relevante unternehmerische Interessen des Insiders die Weitergabe von Insiderwissen rechtfertigen.106 Zu diesen berechtigten Interessen gehört auch ein Konzerninteresse. Um ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Verantwortlichkeit im Konzern gerecht werden zu können, muss es den Beteiligten gestattet sein, die zur Verfolgung von Konzerninteressen erforderlichen Informationen weiterzugeben.107 Begründen lässt sich dies insbesondere damit, dass sowohl Regierungsbegründung108 als auch die europäischen Richtlinien109 Vorstandsmitgliedern eine Weitergabe von Insiderwissen „in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben“ erlauben. Sofern der notwendige Bezug zur unternehmerischen Tätigkeit besteht und eine wirtschaftliche Einheit existiert, kann auch der konzerninterne Informationsfluss nicht an den inneren rechtlichen Grenzen des Konzerns Halt machen Es kann keinen Unterschied machen, ob der Konzern in zahlreiche Einzelgesellschaften untergliedert ist oder ob das Unternehmen in einer einzigen Gesellschaft (z. B. früher die Siemens AG) organisiert ist. Ebensowenig darf der konzerninterne Informationsfluss davon abhängig sein, ob die Konzerngesellschaften börsennotiert sind. Unabhängig von der Rechtsform muss eine Holding im Rahmen der Entscheidungsprozesse über konzerninterne Vorgänge informiert werden dürfen, um den Konzern tatsächlich leiten zu können.110 Aufgabe des Kapitalmarktrechts ist es auch nicht, das gesellschaftsrechtlich vermittelte Zusammenwirken einer Unternehmensgruppe in einer bestimmten Weise zu reglementieren. Es ist daher nicht die Angelegenheit des Insiderrechts, Informationsweitergaben in unterschiedlichen Konzernierungsformen zu privilegieren oder zu benachteiligen und auf diese Weise Aufgaben des Konzernrechts zu übernehmen, so dass auch die Art der Konzernierung im Rahmen von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG irrelevant ist.111 Der konzerninterne Informationsfluss ist somit grundsätzlich im Insiderrecht privilegiert. Es stellt sich deswegen die Frage, ob diese Privilegierung enden kann, sobald die Konzernmutter eine Due Diligence zur Vorbereitung der Veräußerung Vgl. Seite 171 ff. Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 54d; Süßmann, AG 1999, 162 (171); Ziemons, AG 1999, 492 (495, 499). 108 BegrRegE zu § 14 WpHG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47: Danach liegt ein unbefugtes Mitteilen von Insiderwissen nicht vor, wenn die Information „im normalen Rahmen der Berufs- und Geschäftsausübungstätigkeit“ weitergegeben wird. 109 Art. 3 lit. a) Marktmissbrauchsrichtlinie bzw. Art. 3 lit. a) Insiderrichtlinie. Vgl. Seite 170 f. 110 So pointiert Singhof, ZGR 2001, 146 (163). 111 Fuchs / Mennicke, WpHG, § 14 (noch nicht veröffentlicht); Assmann / Schneider / Assmann / Cramer, WpHG, § 14 Rn 54d; Singhof, ZGR 2001, 146 (163); Süßmann, AG 1999, 162 (171); Ziemons, AG 1999, 492 (495, 499); Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (453). 106 107

B. Grenzen einer Due Diligence im Konzern

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ihrer Beteiligung wünscht und diese nicht die im ersten Teil begründete 30 %-Schwelle überschreitet.112 Dies ist zu verneinen, denn die Abgrenzung zum konzerninternen Informationsfluss vor der Veräußerungsentscheidung wäre kaum praktikabel.113 Der Kapitalmarkt ist vor einem Ausnutzen dieses Insiderwissen hinreichend durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG geschützt. Aus diesen Gründen erfolgt die Weitergabe von Insiderwissen konzernintern auch dann „befugt“ i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, wenn die Due Diligence zur Vorbereitung eines Paketverkaufs unterhalb der 30 %-Schwelle dient. Ob das herrschende Unternehmen seinerseits diese Insiderinformationen an Dritte weitergeben darf, ist damit jedoch nicht entschieden. Wenn dies eine Offenlegung gegenüber Geschäftspartnern außerhalb des eigenen Konzerns beinhaltet, greift das insiderrechtliche Konzernprivileg nicht mehr. Es gelten dann für das herrschende Unternehmen dieselben Regeln, die im ersten Teil für die unabhängige Aktiengesellschaft herausgearbeitet wurden; insbesondere ist die Gewährung von Insiderinformationen für eine Due Diligence unterhalb der 30 %-Schwelle unzulässig.114

III. Annex: Weitere Geheimhaltungspflichten aus Sondergesetzen oder Vertrag Die Suche nach Konzernprivilegierungen bei der Due Diligence setzt sich bei den übrigen Geheimhaltungspflichten aus dem Bundesdatenschutzgesetz (§ 4 BDSG), dem Wettbewerbsrecht (§§ 17, 18 UWG) und aus Geheimhaltungsvereinbarungen fort, die im ANNEX des ersten Teils diskutiert wurden.115 Da diese Vorschriften aus ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten stammen, wird sich dabei eine einheitliche Linie schwerlich finden lassen.

1. § 4 Abs. 1 BDSG Sehr problematisch sind konzerinterne Informationsflüsse unter dem Bundesdatenschutzgesetz. Im ersten Teil wurde herausgearbeitet, dass personenbezogene Daten über Mitarbeiter gemäß § 4 Abs. 1 BDSG im Zuge einer Due Diligence mit Ausnahme von Kleinbetrieben sowie Daten über die Führungskräfte zu anonymisieren sind. Daten über wichtige Lieferanten und Kunden dürfen übermittelt werden, solange die personenbezogenen Angaben auf das erforderliche Mindestmaß 112 Vgl. Seite 178 ff. In der Praxis wird dies allerdings eher die Ausnahme sein, da Konzernierungen mit einer Beteiligung von weniger als 30 % selten sind. 113 Nicht praktikabel wegen der Abgrenzungsprobleme sind insoweit daher die Vorstellungen von Singhof, ZGR 2001, 146 (163 Fn 77). 114 Vgl. Seite 178 ff. 115 Vgl. Seite 185 ff.

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

reduziert werden.116 An diesen engen Voraussetzungen ändert ein Konzernverhältnis nichts. Dies lässt sich unter anderem mit § 2 Abs. 4 BDSG begründen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, jede juristische Person des Privatrechts als eigenständigen Normadressaten anzusehen, hat nachhaltige Auswirkungen für Konzerne. Wenngleich Unternehmensgruppen wirtschaftlich als Einheit handeln, hat der deutsche117 Gesetzgeber bewusst auf eine Konzernklausel verzichtet, die den Datenverkehr zwischen konzernangehörigen Gesellschaften erleichtern oder begünstigen würde. Auch diese Informationsflüsse sind bezüglich ihrer Rechtmäßigkeit an § 28 BDSG zu messen.118 Eine Privilegierung der Due Diligence im Konzern ist auch nicht erforderlich, weil kein hinreichender Bedarf an weiteren personenbezogenen Daten für eine M&A-Transaktion besteht. Aus diesem Grund hat insoweit der verfassungsrechtlich geschützte (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 GG) Datenschutz Vorrang.

2. § 17 Abs. 1 UWG Im ersten Teil wurde gezeigt, dass die Weitergabe von „Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“ im Zuge einer Due Diligence nicht gegen § 17 Abs. 1 UWG verstößt, wenn der Gesamtvorstand der Gesellschaft darin eingewilligt hat.119 Unter dem Regime der §§ 311 ff. AktG ändert sich diese Rechtslage nicht. Im Vertragskonzern und in der Eingliederung kann das herrschende Unternehmen der Zielgesellschaft der Due Diligence hingegen dahingehende Weisungen gemäß § 308 AktG bzw. § 323 AktG erteilen. Der abhängige Vorstand ist in diesem Fall gemäß § 308 Abs. 2 S. 1 AktG (i.V. m. § 323 Abs. 1 S. 2 AktG) dazu verpflichtet, seine Einwilligung zu erklären. 3. § 18 UWG Dem Vorstand ist es durch § 18 UWG untersagt, ihm anvertraute Vorlagen und technische Vorschriften im Zuge einer Due Diligence weiterzugeben, wenn nicht eine Einwilligung des Know-how-Inhabers vorliegt.120 Ein Konzernverhältnis hat auf diese Rechtslage keinen Einfluss. Eine entsprechende Weisung im VertragskonVgl. Seite 185 ff. Rechtsvergleichend zum schweizer Recht: Gehricke, SJZ 99 (2003), 1 ff. 118 Eingehend dazu Gola, RDV 2002, 109 (114 f.); Gola / Schomerus, BDSG, § 28 Rn 10; Gola / Wronka, Datenschutz, S. 204, die sich auch mit den unangenehmen und unpraktischen Konsequenzen im Bereich des Personalwesens befassen. A.A.: Simitis / Dammann / Geiger / Mallmann / Walz / Simitis, BDSG, § 28 Rn 195, der es den Beteiligten gestattet, die zur Verfolgung von Konzerninteressen erforderlichen Informationen weiterzugeben, um ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten im Konzern gerecht werden zu können. Eine dogmatische Begründung lässt er allerdings offen. Zur alten Rechtslage vor der letzten BDSG-Novelle von 2001: v. Sponeck, CR 1991, 600 (602). 119 Vgl. Seite 194 ff. 120 Vgl. Seite 198 ff. 116 117

B. Grenzen einer Due Diligence im Konzern

289

zern oder in der Eingliederung wäre nach §§ 134, 138 BGB nichtig. Die Geschäftsführungsorgane des herrschenden Unternehmens würden sich gemäß §§ 20 Abs. 1, 18 UWG i.V. m. § 14 StGB strafbar machen, wenn sie die abhängige Gesellschaft dazu verleiten oder anweisen würden, diese Informationen offen zu legen. Gemäß § 20 Abs. 2 UWG, § 31 StGB ist auch der Versuch unter Strafe gestellt.

4. Vertragliche Geheimhaltungspflichten, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG Die gesetzliche Sorgfaltspflicht des Vorstands aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG verlangt in der unabhängigen Aktiengesellschaft die Einhaltung von Geheimhaltungsvereinbarungen mit Dritten, wenn dies im Interesse der Gesellschaft ist.121 Zur Frage der konzerninternen Weitergabe dieser Informationen finden sich in der Praxis zumeist ausdrückliche Regelungen.122 Wenn dies nicht der Fall ist, muss die Geheimhaltungsvereinbarung ausgelegt werden. Diese Auslegung wird in der Regel zu dem Ergebnis kommen, dass Geheimhaltung auch konzernintern geschuldet wird, denn der Großteil deutscher Aktiengesellschaften ist konzerngebunden.123

a) Geheimhaltungsvereinbarungen im faktischen Konzern Es stellt sich die Frage, ob im faktischen Konzern der Vorstand gemäß § 311 AktG berechtigt ist, Geheimhaltungsvereinbarungen dann nicht zu beachten, wenn dies im Konzerninteresse geschieht. Die Nachteile aus der Offenlegung dieser Informationen kann das herrschende Unternehmen ausgleichen, indem es die abhängige Gesellschaft von Schadensersatzansprüchen des Vertragspartners der Geheimhaltungsvereinbarung freistellt. Allerdings wird ein derartiges Verhalten regelmäßig als sittenwidrige Verleitung zum Vertragsbruch i.S.v. § 1 UWG, § 826 BGB einzuordnen sein. Zwar ist die bloße Ausnutzung der Bereitschaft zum Vertragsbruch nicht sittenwidrig.124 Eine Freistellung von Schadensersatzansprüchen ist hingegen ein Indiz für eine sittenwidrige Verleitung zum Vertragsbruch.125 Vgl. Seite 202 ff. Muster einer Geheimhaltungsvereinbarung: Bartenbach / Gennen, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, Rn 3368. 123 Deswegen ist nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) im Zweifel nicht davon auszugehen, dass die von einer Geheimhaltungsvereinbarung betroffenen Informationen an das herrschende Unternehmen weitergegeben werden dürfen, ohne die Vereinbarung zu verletzen. 124 BGH NJW-RR 1999, 1186; Baumbach / Hefermehl, UWG, § 1 Rn 703; Köhler / Piper, UWG, § 1 Rn 766; Palandt / Thomas, BGB, § 826 Rn 52. 125 OLG München, MDR 1999, 1315; Palandt / Thomas, BGB, § 826 Rn 52. Entscheidend wird sein, ob die Geheimhaltungspflicht gegenüber dem herrschenden Unternehmen ausdrücklich besteht. Zum anderem wird es darauf ankommen, ob es sich bei dem herrschenden 121 122

19 Liekefett

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

b) Geheimhaltungsvereinbarungen im Vertragskonzern und in der Eingliederung Das Ergebnis kann im Beherrschungsvertrag und in der Eingliederung nicht anders sein. Das herrschende Unternehmen wird vielleicht erwägen, ob es die abhängige Aktiengesellschaft zum Bruch einer Geheimhaltungsvereinbarung anweisen kann (§ 308 AktG bzw. § 323 AktG). Eine dahingehende Weisung ist unzulässig, weil sie gegen §§ 134, 138 BGB verstößt.126 Die konzernrechtliche Weisung an den abhängigen Vorstand, eine vertragliche Geheimhaltungsvereinbarung mit einem Dritten zu ignorieren, ist ebenso wie im faktischen Konzern als sittenwidrige Verleitung zum Vertragsbruch gemäß § 134 BGB i.V. m. § 1 UWG sowie § 138 BGB einzustufen. Eine dahingehende Weisung würde außerdem Schadensersatzansprüche gemäß § 1 UWG und § 826 BGB auslösen.127 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich aus der Geheimhaltungsvereinbarung zweifelsfrei und ausdrücklich ergibt, dass keine Informationen an das herrschende Unternehmen weitergegeben werden dürfen.

IV. Ergebnisse von Teil B Es existiert bei zahlreichen gesetzlichen Vorschriften ein „Konzernprivileg“, das die vergleichsweise engen gesetzlichen Informationsmöglichkeiten des Vorstands einer Aktiengesellschaft bei einer Due Diligence erweitert:  Bei § 93 Abs. 1 S. 3 AktG fallen die Ergebnisse je nach Konzernierungsform unterschiedlich aus: Im faktischen Konzern existiert bei der Geheimhaltungspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG kein Konzernprivileg. Im Vertragskonzern hingegen ersetzt das Konzerninteresse das Gesellschaftsinteresse der abhängigen Zielgesellschaft als Grenze der Verschwiegenheitspflicht, soweit das herrschende Unternehmen eine Due Diligence nach § 308 AktG anweist. In der Eingliederung tritt die Geheimhaltungspflicht des Vorstands bei einer Weisung nach § 323 AktG zurück und dies unabhängig davon, ob die Due Diligence im Konzerninteresse ist.

Unternehmen um einen Wettbewerber des betroffenen Vertragspartner handelt. Eine Verleitung zum Vertragsbruch zu Wettbewerbszwecken ist ohne weiteres sittenwidrig: BGH DB 1981, 1668; Köhler / Piper, UWG, § 1 Rn 768; Palandt / Thomas, BGB, § 826 Rn 53. 126 Vgl. Hüffer, AktG, § 308 Rn 14, 20; MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 140; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 42; Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, S. 331. 127 BGH GRUR 56, 273 (275); Baumbach / Hefermehl, UWG, § 1 Rn 702; Köhler / Piper, UWG, § 1 Rn 768, 776. Allerdings wird es problematisch sein, diesen Anspruch wegen der Schwierigkeiten bei der Beweisführung und der Bezifferung des Schadens gerichtlich durchzusetzen: vgl. Seite 204 f.

C. Folgepflichten einer Due Diligence im Konzern

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 Die konzerninterne Weitergabe von Insiderwissen ist auch dann „befugt“ i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, wenn die Due Diligence zur Vorbereitung eines Paketverkaufs unterhalb der 30 %-Schwelle dient.  Demgegenüber hat sich das BDSG bewusst gegen eine Konzernklausel entschieden, so dass dieselben Grenzen des § 4 BDSG wie in der unabhängigen Aktiengesellschaft zu beachten sind.  Im faktischen Konzern ändert sich die Rechtslage bezüglich § 17 UWG nicht. Im Vertragskonzern und in der Eingliederung kann das herrschende Unternehmen der Zielgesellschaft der Due Diligence hingegen auch eine dahingehende Weisung gemäß § 308 AktG bzw. § 323 AktG erteilen.  Ein Konzernverhältnis bei der Due Diligence hat auf die Rechtslage bei § 18 UWG ungeachtet der Konzernart keinen Einfluss.  Vertragliche Geheimhaltungspflichten sind aufgrund § 93 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich einzuhalten. Anderslautende Veranlassungen bzw. Weisungen des herrschende Unternehmens anlässlich einer Due Diligence stellen eine sittenwidrige Verleitung zum Vertragsbruch gemäß § 1 UWG, § 826 BGB dar.

C. Folgepflichten bei Gestattung einer Due Diligence im Konzern In einer unabhängigen Aktiengesellschaft sind die Folgepflichten bei Gestattung einer Due Diligence überschaubar.128 Für nicht börsennotierte Gesellschaften existieren überhaupt keine weiteren Pflichten, nachdem eine Due Diligence gestattet wurde. In Börsengesellschaften gibt es lediglich anlässlich Öffentlicher Übernahmeangebote diverse zusätzliche Informationspflichten. Bei anderen M&A-Transaktionen kann allenfalls in Ausnahmefällen eine Ad-hoc-Meldepflicht zur Veröffentlichung des Vorstandsbeschlusses zur Due Diligence bestehen. Der Spielraum für Konzernprivilegierungen ist demnach von vornherein eng begrenzt. Dennoch gibt es einige wenige konzernbedingte Veränderungen in der Rechtslage.

I. Gleichbehandlung der Aktionäre Keine Veränderung gibt es hinsichtlich der Gleichbehandlung der Aktionäre. Im ersten Teil konnte bereits dargelegt werden, dass weder § 53a AktG noch § 131 Abs. 4 S. 1 AktG eine Gleichbehandlungspflicht begründen.129 Wenn dies schon in der unabhängigen Aktiengesellschaft nicht der Fall ist, so kann eine entsprechende 128 129

19*

Vgl. Seite 206 ff. Vgl. Seite 208 bzw. Seite 212 ff.

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

Pflicht erst recht nicht bei einer Due Diligence durch das herrschende Unternehmen in einem Konzern bestehen. In der Eingliederung stellt sich diese Frage ohnehin nicht, denn dort fehlt es an außenstehenden Aktionären. In einem Vertragskonzern ist der Beherrschungsvertrag ein Rechtfertigungsgrund für die informationelle Ungleichbehandlung (§ 53a AktG).130 Die Auskunftserteilung an das herrschende Unternehmen gilt dann auch nicht „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ (§ 131 Abs. 4 S. 1 AktG), sondern als durch den Beherrschungsvertrag veranlasst.131 Aber auch im faktischen Konzern gibt es nach ganz herrschender Meinung aufgrund der§§ 311 ff. AktG weder eine Auskunftsverpflichtung nach § 131 Abs. 4 S. 1 AktG132 noch eine Gleichbehandlungspflicht gemäß § 53a AktG.133

II. Bietergleichbehandlung bei Öffentlichen Übernahmeangeboten (bei Börsengesellschaften) Eine der wenigen Folgepflichten des Vorstands einer unabhängigen Aktiengesellschaft betrifft Öffentliche Übernahmeangebote nach dem WpÜG. Der unabhängige Vorstand muss grundsätzlich alle Bieter hinsichtlich der Due Diligence gleichbehandeln. Im Konzern kann das herrschende Unternehmen dagegen durchaus ein legitimes Interesse daran haben, einen bestimmten Bieter gegenüber anderen Interessenten als Käufer für seine börsennotierte Tochtergesellschaft zu bevorzugen. Beispiel: E.ON erhielt die kartellrechtliche Genehmigung für die Übernahme der Ruhrgas AG gegen diverse Auflagen. Darunter war die Verpflichtung, ihre 80 %-Beteiligung an der Gelsenwasser AG zu veräußern. Den Medien zufolge hatte E.ON den Wunsch, dass Gelsenwasser nicht von einem ihrer größten Konkurrenten gekauft wird (z. B. der RWE AG). Den Zuschlag bekamen schließlich zwei kommunale Energieversorger.134 Wenn die Gelsenwasser AG börsennotiert und damit dem WpÜG unterworfen gewesen wäre, hätte E.ON ein nachvollziehbares Interesse an einer unterschiedlichen Bieterbehandlung gehabt. So zutreffend Decher, ZHR 158 (1994), 473 (489 f.). LG München, AG 1999, 138 f.; Emmerich / Habersack / Emmerich, KonzernR, § 308 Rn 39; Hüffer, AktG, § 131 Rn 38; Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 347; KölnKomm / Zöllner, AktG, § 131 Rn 66; Decher, ZHR 158 (1994), 473 (480 f., 489 f.); HoffmannBecking, FS Rowedder, S. 155 (167). 132 Wenn der Gesetzgeber den faktischen Konzern hinnimmt, wäre es ungereimt, wenn der konzerninterne Informationsfluss durch § 131 Abs. 4 AktG ernsthaft behindert werden würde: LG München, AG 1999, 138 f.; LG Düsseldorf, AG 1992, 461 (462); Hüffer, AktG, § 131 Rn 38; Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 348; KölnKomm / Zöllner, AktG, § 131 Rn 66; Habersack / Verse, AG 2003, 300 (305); Decher, ZHR 158 (1994), 473 (481 ff.); Hoffmann-Becking, FS Rowedder, S. 155 (167). A.A.: KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 312 Rn 5; Schneider, FS Lutter, S. 1193 (1201 f.); Kort, ZGR 1987, 46 (50). 133 Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 348; Decher, ZHR 158 (1994), 473 (483). 134 Vgl. F.A.Z. v. 31. 7. 2003, S. 16. 130 131

C. Folgepflichten einer Due Diligence im Konzern

293

Ein Konzernverhältnis kann Einfluss auf die Frage der Bieterbehandlung unter dem WpÜG haben, weil es sich nicht um eine kapitalmarktrechtlich, sondern um eine aktienrechtlich begründete Gleichbehandlungspflicht handelt.135 Rechtsgrundlage für die informationelle Bietergleichbehandlung ist nach den Ausführungen des ersten Teils § 3 Abs. 3 WpÜG, weil ein dahingehendes Gesellschaftsinteresse (insbesondere der Aktionäre) besteht.136 Da die informationelle Gleichbehandlung nicht im Bieterinteresse erfolgt, kann das herrschende Unternehmen im Vertragskonzern dem Vorstand der Zielgesellschaft eine entsprechende Weisung gemäß § 308 Abs. 1 AktG erteilen. Auf seine Weisung muss die Bietergleichbehandlung unterbleiben, weil dann das Konzerninteresse an die Stelle des Gesellschaftsinteresses der abhängigen Gesellschaft als Entscheidungsmaßstab tritt.137 Im faktischen Konzern sieht dies wiederum anders aus. Zwar ermöglicht es § 311 AktG dem abhängigen Vorstand, das Konzerninteresse gegenüber dem Interesse seiner eigenen Gesellschaft zu bevorzugen. Voraussetzung dafür wäre aber ein Nachteilsausgleich, der bei einer Bieterungleichbehandlung nicht zu quantifizieren sein wird.138

III. Gleichbehandlung des Kapitalmarktes (bei Börsengesellschaften) Es kann in der unabhängigen Aktiengesellschaft gewisse Informationspflichten gegenüber dem Kapitalmarkt geben. In Ausnahmefällen besteht eine Pflicht zur Veröffentlichung des Vorstandsbeschlusses zur Due Diligence gemäß § 15 Abs. 1 WpHG und in der Stellungnahme zu Öffentlichen Übernahmeangeboten ist gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG auf eine gewährte Due Diligence hinzuweisen.139 Im Rahmen dieses Konzernrechtsteils stellt sich die Frage, ob ein Konzernverhältnis diese Rechtslage zu beeinflussen vermag.

1. § 15 Abs. 1 WpHG Bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG gibt es auch in der Neufassung keine Konzernklausel, wie sie die Definition des Primärinsiders in § 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. verwendet hat.140 Es wäre ohnehin systemwidrig, ein 135 Bei eingegliederten Gesellschaften ohne jeglichen Streubesitz wird es bereits an der nach §§ 1, 2 Abs. 7 WpÜG erforderlichen Börsennotierung fehlen, da sie dann gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 BörsG von Amts wegen eingestellt wird. 136 Vgl. Seite 225 ff. 137 Vgl. Seite 280. 138 Vgl. Seite 276 ff. 139 Vgl. Seite 227 ff. 140 Eingehender Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 29; Hopt, ZHR 159 (1995), 135 (151).

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

Konzernprivileg einzuführen, denn § 15 WpHG hat den Zweck, das Publikum über die Verhältnisse des Emittenten zu informieren. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn Konzerninterna von vornherein ausgeklammert blieben.141 Demnach entspricht die Rechtslage für die Zielgesellschaft der Due Diligence derjenigen in der unabhängigen Aktiengesellschaft.142 Exkurs: Publizitätspflicht des herrschenden Unternehmens Gerade wenn die Zielgesellschaft nicht börsennotiert ist, stellt sich die Frage, ob die Muttergesellschaft die Vorstandsentscheidung über die Due Diligence veröffentlichen muss: Erforderlich ist die Publizierung dieser Insiderinformation aber nur dann, wenn sie die Muttergesellschaft „unmittelbar“ betrifft. Im Konzern stellte sich nach § 15 WpHG a.F. die Frage, ob ein ausreichender Bezug zum eigenen „Tätigkeitsbereich“ vorliegt, wenn eine Due Diligence bei einer Tochtergesellschaft zugelassen wird. Dafür sprach, dass das Gesetz dieser Verflechtungsform unter anderem durch die Vorschriften über den Konzernabschluss des Mutterunternehmens (§§ 290 ff. HGB) Rechnung trägt. § 56 S. 2 Börsenzulassungsverordnung (BörsZulVO) knüpft börsenrechtliche Folgen an die Konzernzugehörigkeit. Entscheidender war aber, dass § 15 WpHG den Zweck hat, das Publikum über die Verhältnisse des Emittenten zu informieren und deswegen Konzerninterna nicht ausgenommen werden können.143 Das herrschende Unternehmen musste demnach die Entscheidung zur Due Diligence einer abhängigen Tochtergesellschaft bereits nach der alten Rechtslage publizieren. Aufgrund der Erweiterung der Ad-hoc-Publizität durch die Neuformulierung des § 15 WpHG144 besteht diese Verpflichtung nunmehr nach dem InKraft-Treten des Anlegerschutzgesetzes erst recht. Die Muttergesellschaft ist allerdings nach § 15 Abs. 3 WpHG so lange von der Veröffentlichungspflicht befreit, als die Vertraulichkeit der Due Diligence gewährleistet werden kann.

2. § 27 WpÜG Auch hinsichtlich der Stellungnahmepflicht nach § 27 WpÜG ergeben sich keine Unterschiede zu den Ergebnissen in der unabhängigen Aktiengesellschaft.145 Eine Konzernierung berührt diese Verpflichtung nicht, da sie primär146 kapitalmarktrechtlicher Natur ist und somit nicht zur alleinigen Disposition des herrschenden Unternehmens stehen kann. 141 Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 40; Schäfer, WpHG, § 15 Rn 44 f., 87; Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (30 f.); Fürhoff / Wölk, WM 1997, 449 (451 f.). 142 Vgl. Seite 227 ff. 143 Assmann / Schneider / Kümpel, WpHG, § 15 Rn 40; Schäfer, WpHG, § 15 Rn 44 f., 87. Eine Tochtergesellschaft ist umgekehrt nicht zur Veröffentlichung von Tatsachen verpflichtet, die bei der Muttergesellschaft eintreten. A.A. Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (31). Kritisch: Schäfer, WpHG, § 15 Rn 45 („zu weitgehend“). 144 Vgl. Seite 227 ff. 145 Vgl. Seite 236 f. 146 Daneben hat sie auch gesellschaftsrechtlichen Charakter: vgl. Seite 236 f.

D. Anspruch einer Due Diligence im Konzern

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IV. Ergebnisse von Teil C In einer abhängigen Aktiengesellschaft im Konzern werden die Folgepflichten bei Gestattung einer Due Diligence wie folgt modifiziert:  Im Konzern ergeben sich zusätzliche Gründe, weshalb keine Gleichbehandlung der Aktionäre aufgrund der §§ 53a, 131 Abs. 4 AktG zu erfolgen hat.  Das herrschende Unternehmen kann im Vertragskonzern dem Vorstand der Zielgesellschaft eine Weisung gemäß § 308 Abs. 1 AktG erteilen, Bieter bei Öffentlichen Übernahmeangeboten unterschiedlich zu behandeln. Im faktischen Konzern ergeben sich keine Veränderungen der Rechtslage.  Auf die Informationspflichten aus § 27 WpÜG und § 15 WpHG hat eine Konzernierung keinen Einfluss.

D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence im Konzern Abschließend muss geklärt werden, ob Ansprüche eines herrschenden Unternehmens im Konzern gegenüber einer abhängigen Aktiengesellschaft auf Gestattung einer Due Diligence bestehen können. In der unabhängigen Gesellschaft ist dies nur unter den engen Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 AktG denkbar; ein Anspruch auf Due Diligence kann diese Norm nur durch Hauptversammlungsbeschluss und selbst dann nicht bei allen M&A-Transaktionen gewähren.147 Im Konzern stellt sich die Frage, ob die Konzernspitze weitergehende Möglichkeiten hat, eine Due Diligence gegen den Willen der Verwaltung der abhängigen Aktiengesellschaft durchzusetzen.

I. Keine Ansprüche im faktischen Konzern Da es nach den bisherigen Ergebnissen kaum Privilegierungen im faktischen Konzern gibt, kann es erst recht keine durchsetzbaren Ansprüche auf einer Due Diligence geben. Bloße Abhängigkeit ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages oder Eingliederungsbeschluss ermöglicht zwar eine tatsächliche Beherrschung, berechtigt aber nicht zu Weisungen i.S.v. § 308 AktG oder § 323 AktG.148 Im faktischen Konzern besteht aus diesem Grund keine rechtliche Verpflichtung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft, dem herrschenden Unternehmen eine Due Diligence zu gewähren.149 Vgl. Seite 244 ff. Hüffer, AktG, § 308 Rn 2; § 311 Rn 48; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 311 Rn 90; Geßler / Hefermehl / Kropff, § 311 Rn 29. 147 148

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

II. Anspruch aus § 308 Abs. 1 AktG (Vertragskonzern) Da im Vertragskonzern ein Weisungsrecht zur Due Diligence aus § 308 Abs. 1 AktG existiert, geht es nachfolgend ausschließlich um die dogmatische Frage, ob dieses Weisungsrecht Anspruchsqualität hat und damit gerichtlich gegenüber der abhängigen Gesellschaft durchsetzbar ist. Das hängt im Wesentlichen davon ab, ob man dem Beherrschungsvertrag neben dem unstreitigen organisationsrechtlichen Element150 auch einen schuldrechtlichen Charakter zuschreibt.151 Teilweise wird davon ausgegangen, dass der Beherrschungsvertrag ein reiner Organisationsvertrag sei.152 Richtigerweise wird dadurch das Bestehen von schuldrechtlichen Ansprüchen aus dem Vertrag nicht ausgeschlossen.153 Weigert sich der abhängige Vorstand, seine Pflichten aus § 308 Abs. 2 AktG zu befolgen, so muss dem herrschenden Unternehmen im Vertragskonzern eine Möglichkeit zur Durchsetzung seiner Rechte gegeben werden. Andernfalls würde man die Konzernspitze insoweit rechtlos stellen;154 seine Konsequenz, die mit Art. 19 Abs. 4 GG (i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) schwer zu vereinbaren wäre. Entscheidend spricht dafür im Übrigen eine Passage aus der Regierungsbegründung von AktG 1965 zu § 291 AktG: „Ob [dem Beherrschungsvertrag] demzufolge über die Wirkungen eines schuldrechtlichen Vertrags hinaus die Natur eines Organisationsvertrags, einer Satzung, zuzusprechen ist, braucht der Entwurf nicht zu klären.“155 (Hervorhebung vom Verf.)

Für den Gesetzgeber war der schuldrechtliche Charakter des Beherrschungsvertrags offenbar selbstverständlich; er hatte nur Zweifel hinsichtlich der weiteren gesellschaftsrechtlichen Einordnung. Aus diesem Grund stehen dem herrschenden Unternehmen gerichtlich durchsetzbare Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche 149 Vgl. Großkomm / Decher, AktG, § 131 Rn 347; KölnKomm / Zöllner, AktG, § 131 Rn 66; Decher, ZHR 158 (1994), 473 (481); Kort, ZGR 1987, 56 (58). 150 Der organisationsrechtliche Charakter des Beherrschungsvertrags liegt in der Kompetenzumverteilung im Vertragskonzern durch das Weisungsrecht: vgl. MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 64. Vgl. Seite 265 ff. 151 Vgl. MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 64; Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 67; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 43. Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 21 ff. 152 Dahingehend Großkomm / Würdinger, AktG, § 308 Anm. 14 und Praël, Eingliederung und Beherrschungsvertrag, S. 93. 153 MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 64; Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 67; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 22 und wohl auch KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 43. 154 Zugegebenermaßen gibt im Konzern aber zahlreiche faktische Möglichkeiten zur Durchsetzung eines Beherrschungsvertrags; insbesondere die Drohung mit der Abberufung des abhängigen Vorstands (§ 84 Abs. 3 AktG): vgl. KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 43. 155 BegrRegE zu § 291 AktG, Kropff, S. 376.

D. Anspruch einer Due Diligence im Konzern

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gegenüber der abhängigen Gesellschaft156 zu.157 Die Durchsetzung einer Due Diligence ist in Ausnahmefällen sogar im Wege der einstweiligen Verfügung möglich, wenn irreparabler Schaden droht (Leistungsverfügung, §§ 935, 940 ZPO).158 Eine Vollstreckung gerichtlicher Urteile und Beschlüsse hinsichtlich der Due Diligence richtet sich nach § 888 ZPO, da es sich bei dieser Geschäftsführungsmaßnahme um eine unvertretbare Handlung handeln dürfte.159

III. Anspruch aus § 323 Abs. 1 AktG (Eingliederung) Wenn die Weisungen zur Due Diligence im Vertragskonzern Anspruchsqualität haben und damit gesetzlich durchsetzbar sind, kann dies in der Eingliederung als stärkere Konzernierungsform nicht anders sein. Die Eingliederung hat zwar keinen schuldrechtlichen Charakter, da sie nicht durch Abschluss eines Vertrages zwischen den verbundenen Unternehmen entsteht. Vielmehr spricht vieles dafür, die Eingliederung in die Nähe einer Satzungsänderung zu rücken; dies ergibt sich auch im Umkehrschluss aus § 319 Abs. 1 S. 2 AktG.160 Dennoch müssen auch die Weisungen aus § 323 AktG schon allein wegen Art. 19 Abs. 4 GG (i.V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) durchsetzbar sein. Da das Weisungsrecht aus § 323 AktG weitergehend ist als dasjenige im Vertragskonzern,161 würde es andernfalls zu einem nicht erklärlichen Wertungswiderspruch kommen. Letztlich ist dies eine logische Konsequenz aus der Kompetenzverteilung in der Eingliederung.162 Aus diesem Grund ist auch einer Weisung in der Eingliederung Anspruchsqualität zuzugestehen.

156 Von den meisten Stimmen in der Literatur wird ferner angenommen, dass auch gegenüber den Mitgliedern des abhängigen Vorstands ein Erfüllungsanspruch zur Erfüllung von Weisungen besteht. Begründet wird dies mit § 308 Abs. 2 AktG: vgl. Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 67; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 43; Kantzas, Weisungsrecht, S. 45 ff. Dagegen spricht jedoch § 310 AktG, wonach der Vorstand der Untergesellschaft allein seiner eigenen Gesellschaft gegenüber für den sachgemäßen Vollzug von Weisungen verantwortlich ist. Insoweit ist Großkomm / Würdinger, AktG, § 308 Anm. 14 zuzustimmen. 157 MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 64; Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 67; KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 43; Geßler / Hefermehl / Geßler, AktG, § 308 Rn 24. 158 Vgl. KölnKomm / Koppensteiner, AktG, § 308 Rn 43. Allgemein dazu: OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 123; Thomas / Putzo / Reichold, ZPO, § 940 Rn 6. 159 Vgl. MünchKomm / Altmeppen, AktG, § 308 Rn 64 Fn 94; Emmerich / Sonnenschein / Habersack, KonzernR, § 308 Rn 67. 160 Dahingehend BegrRegE zu § 319 AktG, Kropff, S. 422. 161 Vgl. Seite 273. 162 Vgl. Seite 273.

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2. Teil: Die Aktiengesellschaft im Konzern

IV. Ergebnisse von Teil D Abhängig von der Konzernierungsform können Ansprüche eines herrschenden Unternehmens im Konzern gegenüber der Untergesellschaft auf Gestattung einer Due Diligence bestehen:  Im Vertragskonzern und in der Eingliederung hat die Konzernspitze weitgehende Möglichkeiten, eine Due Diligence gegen den Willen der Verwaltung der abhängigen Aktiengesellschaft durchzusetzen. Die Weisungsrechte, die ihnen § 308 AktG bzw. § 323 AktG einräumen, haben Anspruchsqualität und sind gerichtlich durchsetzbar.  Im faktischen Konzern stellen die §§ 311 ff. AktG keine derartigen Möglichkeiten zur Verfügung.

E. Ergebnisse des zweiten Teils Während die Entscheidungskompetenz des Vorstands im faktischen Konzern unangetastet bleibt, kann sich die Entscheidungsbefugnis bei der Frage der Due Diligence im Vertragskonzern (§ 308 Abs. 1 AktG) und in der Eingliederung (§ 323 Abs. 1 AktG) durch das jeweilige Weisungsrecht auf das herrschende Unternehmen verlagern. Ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats bei der Zielgesellschaft wird unter den formalen Voraussetzungen von § 308 Abs. 3 AktG (i.V. m. § 323 Abs. 1 S. 2 AktG) überwunden; seine Informationsrechte aus § 90 AktG bleiben unangetastet. Die Kompetenzen der Hauptversammlung in der Frage der Due Diligence aus § 83 AktG werden weder durch einen Beherrschungsvertrag noch durch eine Eingliederung berührt. Es existiert bei einer Reihe von gesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften ein Konzernprivileg. Im Vertragskonzern ist das Konzerninteresse die Grenze der Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, soweit das herrschende Unternehmen eine Due Diligence nach § 308 AktG anweist. In der Eingliederung tritt die Geheimhaltungspflicht des Vorstands bei einer Weisung nach § 323 AktG unabhängig vom Konzerninteresse zurück. Die konzerninterne Weitergabe von Insiderwissen ist auch dann „befugt“ i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, wenn die Due Diligence zur Vorbereitung eines Paketverkaufs unterhalb der 30 %-Schwelle dient. Im Vertragskonzern und in der Eingliederung kann das herrschende Unternehmen die Zielgesellschaft anweisen, in die Due Diligence einzuwilligen, so dass § 17 UWG nicht verletzt wird. Bei den Folgepflichten nach der Gestattung einer Due Diligence gibt es nur eine Änderung hinsichtlich der Bietergleichbehandlung unter dem WpÜG, denn das herrschende Unternehmen kann im Vertragskonzern dem Vorstand der Zielgesellschaft eine Weisung gemäß § 308 Abs. 1 AktG erteilen, Bieter unterschiedlich zu behandeln.

E. Ergebnisse des zweiten Teils

299

Im Vertragskonzern und in der Eingliederung hat die Konzernspitze bessere Möglichkeiten, eine Due Diligence gegen den Willen der Verwaltung der einer Zielgesellschaft durchzusetzen, da ihr Weisungsrecht Anspruchsqualität hat und somit gerichtlich durchsetzbar ist.

Dritter Teil

Zusammenschau Due Diligence ist nicht gleich Due Diligence. Trotz einheitlicher Auslegungsund Anwendungskriterien für alle Arten von M&A-Transaktionen verbleiben signifikante Unterschiede bei der rechtlichen Beurteilung einer Due Diligence. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass die gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen einer Due Diligence entscheidend davon abhängig sind, welche Art von M&A-Transaktion mit der Due Diligence vorbereitet werden soll (A.), ob die Zielgesellschaft börsennotiert ist (B.) und ob sie abhängiges Unternehmen in einem Konzern ist (C.):

A. Art der M&A-Transaktion Einen erheblichen Einfluss auf die Rechtslage hat der Umstand, ob die Zielgesellschaft an der betreffenden M&A-Transaktion als Vertragspartner beteiligt ist. Bei Fusionen, Asset Deals, Private Equity-Investments, Joint Ventures und Börsengängen sind die Grenzen, die dem Vorstand durch § 93 Abs. 1 S. 3 AktG gesetzt werden, leichter zu überwinden.1 Dies gilt insbesondere dann, wenn eine wechselseitige Due Diligence beabsichtigt wird (z. B. bei Fusionen und Joint Ventures).2 Noch geringere Voraussetzungen gibt es bei Due Diligence-Prüfungen, die nur einzelne Geschäftsbereiche der Zielgesellschaft betreffen (Joint Ventures, ggf. Asset Deals). Bei diesen M&A-Transaktionen kann aufgrund der geringeren Gefährdung insbesondere die ansonsten erforderliche Mitwirkung des Aufsichtsrats entbehrlich sein.3 Die Hauptversammlung hat bei den meisten dieser Transaktionen durch § 83 Abs. 1 AktG das Recht, den Vorstand zu einer Due Diligence anzuweisen (Fusionen durch Verschmelzung oder Sachkapitalerhöhung, Asset Deals, Beteiligungsverträge mit Barkapitalerhöhung und Börsengänge).4

1 2 3 4

Vgl. Seite 136 ff. und Seite 142 ff. Vgl. Seite 140. Vgl. Seite 72 und Seite 80. Vgl. Seite 244 ff.

B. Börsennotierung der Zielgesellschaft

301

Diese Möglichkeit hat die Hauptversammlung nicht bei M&A-Transaktionen, an denen ihre Gesellschaft nicht als Vertragspartner beteiligt ist (Share Deals, Öffentliche Übernahmeangebote und einfache Beteiligungsverkäufe).5 Bei diesen M&A-Transaktionen, die lediglich Anteilsverschiebungen zum Gegenstand haben, ist dem Vorstand die Gewährung einer Due Diligence außerdem nur unter sehr viel engeren Voraussetzungen gestattet.6 Einfache Beteiligungsverkäufe durch Aktionäre darf der Vorstand aufgrund von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG nur in begründeten Ausnahmefällen mit einer Due Diligence unterstützen;7 bei Börsengesellschaften kommt hinzu, dass § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG die Offenlegung von Insiderinformationen erst ab einer Beteiligungsquote von 30 % erlaubt.8 Bei Übernahmen durch Share Deal gibt es hingegen wiederum etwas geringere Restriktionen für den Vorstand.9 Öffentliche Übernahme- und Pflichtangebote nach dem WpÜG werden aus übernahmerechtlichen Besonderheiten sowohl im Insiderrecht als auch im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG privilegiert.10 Auf der anderen Seite gibt es erweiterte Folgepflichten bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, denn sie machen eine informationelle Bietergleichbehandlung11 und einen Hinweis auf die gewährte Due Diligence in der Stellungnahme nach § 27 WpÜG erforderlich.12

B. Börsennotierung der Zielgesellschaft Es ist ferner zwischen privaten und börsennotierten Zielgesellschaften zu differenzieren. Bei den Rechtsfragen der Due Diligence kommt zum Tragen, dass sich eine Art Sonderrecht für Börsengesellschaften13 (§ 3 Abs. 2 AktG) herausgebildet hat. Ein Ziel der Sondergesetze für Börsengesellschaften (WpHG, WpÜG, BörsG usw.) ist die Herstellung von Informationssymmetrie im Kapitalmarkt, die gerade durch die Due Diligence in Frage gestellt wird. Aus diesem Grund gibt es die zusätzliche Geheimhaltungspflicht aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, die allerdings nur bei einfachen Beteiligungsverkäufen unterhalb von 30 % die Weitergabe von Insiderwissen untersagt.14 Nur in Ausnahmefällen kann die erweiterte Publizitätspflicht, die börsennotierte Aktiengesellschaften aufgrund der Regelung in § 15 Vgl. Seite 251 f. Vgl. Seite 147 ff. und Seite 151 ff. 7 Vgl. Seite 157 ff. 8 Vgl. Seite 178 ff. 9 Vgl. Seite 151 ff. 10 Vgl. Seite 156 f. bzw. Seite 176 f. 11 Vgl. Seite 216 ff. 12 Vgl. Seite 236 f. 13 Vgl. Seite 36. 14 Vgl. Seite 178 ff. 5 6

302

3. Teil: Zusammenschau

WpHG haben, bei der Frage der Due Diligence eine Rolle spielen.15 Auf der anderen Seite wird in Börsengesellschaften der Schutz des Aktienkurses im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zu einem legitimen Anliegen.16 Die meisten börsenrechtlichen Sonderregeln sind bei Öffentlichen Übernahmeangeboten zu beachten (Bietergleichbehandlung17 und § 27 WpÜG18).

C. Zielgesellschaft im Konzern Die Rechtslage verändert sich entscheidend, wenn die Zielgesellschaft einer Due Diligence abhängige Gesellschaft in einem Vertragskonzern oder einer Eingliederung ist. Durch das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens aus § 308 AktG bzw. § 323 AktG verlagert sich die Entscheidungskompetenz auf die Konzernspitze,19 die dann eine Due Diligence auch gegen den Willen der Verwaltung einer Tochtergesellschaft durchsetzen kann, weil dieses Weisungsrecht Anspruchsqualität hat.20 Sowohl im Vertragskonzern als auch in der eingegliederten Gesellschaft verringern sich die Einschränkungen aufgrund der Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG.21 Ferner kann das herrschende Unternehmen im Vertragskonzern dem Vorstand der Zielgesellschaft eine Weisung erteilen, bei Öffentlichen Übernahmeangeboten Bieter unterschiedlich zu behandeln.22 Die konzerninterne Weitergabe von Insiderwissen ist ebenfalls privilegiert und verstößt nicht gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG.23 Diese insiderrechtliche Privilegierung ist das einzige Sonderrecht eines herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern.24 Eine faktische Konzernierung der Zielgesellschaft hat im Übrigen keine Auswirkungen auf die gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen einer Due Diligence.25

15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

Vgl. Seite 227 ff. Vgl. Seite 158. Vgl. Seite 216 ff. Vgl. Seite 236 f. Vgl. Seite 265 ff. bzw. Seite 273 f. Vgl. Seite 296 ff. bzw. Seite 297. Vgl. Seite 279 ff. bzw. Seite 283. Vgl. Seite 292. Vgl. Seite 284 ff. Vgl. Seite 284 ff. Vgl. Seite 264, S. 275 ff. und Seite 295.

Endergebnis A. Kompetenzverteilung bei der Due Diligence Die Kompetenzverteilung in einer Aktiengesellschaft bei der Entscheidung über die Zulassung einer Due Diligence ist vielschichtig und wird in Konzernverhältnissen weiter modifiziert:  Der unabhängige Vorstand ist aufgrund seiner Leitungsfunktion gemäß § 76 AktG das zuständige Organ sowohl für die Entscheidung über die Due Diligence als auch für deren Durchführung.1 Er beschließt als Gesamtvorstand und bei entsprechender Regelung in Satzung oder Geschäftsordnung durch einfache Stimmenmehrheit. Es gibt keine Stimmverbote bei bloßen Interessenkonflikten. Der Vorstandsbeschluss bedarf keiner besonderen Form.2  Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft hat keine originären Kompetenzen in der Frage der Due Diligence.3 Die Hauptversammlung kann aber auf eigene Initiative den Vorstand zu einer Due Diligence bei denjenigen M&A-Transaktionen gemäß § 83 Abs. 1 AktG anweisen, die der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen (Fusionen durch Verschmelzung oder Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage; Beteiligungsverträge bei einer Kapitalerhöhung; Börsengänge; ggf. Asset Deals und Joint Ventures).4  Dem Aufsichtsrat muss gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG vor Zulassung einer Due Diligence berichtet werden, falls nicht nur einzelne Unternehmensbereiche (z. B. bei Joint Ventures oder Asset Deals) betroffen sind. Der Aufsichtsrat einer Börsengesellschaft muss gemäß 3.4 Abs. 3 S. 1 des Deutschen Corporate Governance Kodex eine entsprechende Berichtspflicht in eine Informationsordnung aufnehmen.5 Er ist gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG verpflichtet, Due DiligencePrüfungen in den Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte aufzunehmen. Ausgenommen sind wiederum M&A-Transaktionen, die nur einzelne Geschäftsbereiche betreffen.6 1 2 3 4 5 6

Vgl. Seite 61 ff. Vgl. Seite 82 f. Vgl. Seite 63 ff. Vgl. Seite 244 ff. Vgl. Seite 70 ff. Vgl. Seite 75 ff.

304

Endergebnis

 Während die Entscheidungskompetenz des abhängigen Vorstands im faktischen Konzern (§§ 311 ff. AktG) unangetastet bleibt,7 kann sich seine Entscheidungsbefugnis bei der Frage einer Due Diligence im Vertragskonzern (§ 308 Abs. 1 AktG)8 und in der Eingliederung (§ 323 Abs. 1 AktG)9 durch das jeweilige Weisungsrecht auf das herrschende Unternehmen verlagern. Ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats bei der Zielgesellschaft wird jeweils unter den formalen Voraussetzungen von § 308 Abs. 3 AktG (i.V. m. § 323 Abs. 1 S. 2 AktG) überwunden.10 Die Informationsrechte des Aufsichtsrats aus § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG bleiben hingegen bestehen.11 Die Kompetenzen der Hauptversammlung der abhängigen Aktiengesellschaft in der Frage der Due Diligence werden weder durch den Beherrschungsvertrag noch durch eine Eingliederung berührt.12

B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence Es existieren gesetzliche Grenzen, die der Vorstand einer Aktiengesellschaft hinsichtlich der Gestattung einer Due Diligence bei M&A-Transaktionen einhalten muss. Bei einigen gesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften gibt es ein Konzernprivileg:  „Geheimnisse der Gesellschaft“ und „vertraulichen Angaben“ darf der Vorstand gemäß § 93 Abs. 1 S. 3 AktG nur dann im Zuge einer Due Diligence offenlegen, wenn dies im Gesellschaftsinteresse geschieht, das anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes konkretisiert wird.13 Der Vorstand ist dazu verpflichtet, eine Due Diligence zu verweigern, wenn die Gefährdung des Unternehmens außer Verhältnis zu dem Interesse der Zielgesellschaft an der Transaktion steht.14 Da das Unternehmensinteresse maßgeblich ist, entscheidet der Grad des wirtschaftlichen Interesses des Unternehmens an der betreffenden M&A-Transaktion. Erheblichen Einfluss darauf hat die Frage der Beteiligung an der konkreten Transaktion.15 Das Unternehmensinteresse kann bei M&A-Transaktionen, an denen die Zielgesellschaft direkt als Vertragspartner beteiligt ist, anhand der Wirtschaftlichkeit der Transaktion ermittelt werden.16 Eine Pflicht zur Gewährung Vgl. Seite 264. Vgl. Seite 265 ff. 9 Vgl. Seite 273. 10 Vgl. Seite 271 bzw. Seite 273. 11 Vgl. Seite 271 bzw. Seite 273. 12 Vgl. Seite 272 bzw. Seite 273. 13 Vgl. Seite 92 ff. 14 Vgl. Seite 128 ff. 15 Vgl. Seite 135 ff. 16 Vgl. Seite 136 ff. 7 8

B. Grenzen der Gestattung einer Due Diligence

305

einer Due Diligence kann bei Fusionen und Joint Ventures bestehen, wenn eine wechselseitige Due Diligence ermöglicht werden soll.17 An M&A-Transaktionen, die lediglich Anteilsverschiebungen von Aktionären zum Gegenstand haben, kann allenfalls ein mittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse der Zielgesellschaft bestehen (insbesondere bei einfachen Beteiligungsverkäufen)18. Bei Öffentlichen Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten nach dem WpÜG gibt es geringe Anforderungen.19 Wenn der Vorstand eine Due Diligence gestatten möchte, muss er Risikobegrenzungsmaßnahmen ergreifen. Er hat eine vertragsstrafenbewehrte Geheimhaltungsvereinbarung abzuschließen.20 Dichte und Tiefe der mitgeteilten Informationen sind an das Stadium der Transaktion anzupassen.21 Eine Due Diligence darf frühestens gestattet werden, sobald sich der Transaktionswille des Informationsempfängers manifestiert hat (z. B. durch einen Letter of Intent o. ä.).22 Der Informationsfluss muss durch gewisse Maßnahmen kontrolliert werden (Auskunftsperson, Datenraum, Begrenzung der Vervielfältigungsmöglichkeiten). 23 Gegenüber Wettbewerbern kann der Vorstand gehalten sein, wettbewerbsrelevante Informationen zurückzuhalten.24 Als Alternative zu diesem Vorgehen kann der Vorstand auch in Ausnahmefällen einen neutralen Dritten für die Due Diligence zwischenschalten.25 Im Vertragskonzern ist das Konzerninteresse die Grenze der Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, soweit das herrschende Unternehmen eine Due Diligence nach § 308 AktG anweist.26 In der Eingliederung tritt die Geheimhaltungspflicht des Vorstands bei einer Weisung nach § 323 AktG unabhängig vom Konzerninteresse zurück.27 Im faktischen Konzern gibt es hingegen keine Konzernprivilegierung.28  Die Weitergabe von „Insiderinformationen“ durch Börsengesellschaften verstößt nicht gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, wenn aus Kapitalmarktsicht zulässige unternehmerische Interessen dies rechtfertigen.29 Bei den meisten M&A-Transaktionen liegen diese Voraussetzungen vor;30 bei einer Due Diligence anlässlich 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Vgl. Seite 140. Vgl. Seite 147 ff. Vgl. Seite 156 f. Vgl. Seite 118. Vgl. Seite 119 ff. Vgl. Seite 120. Vgl. Seite 121 ff. Vgl. Seite 129 ff., Seite 132 ff. Vgl. Seite 134. Vgl. Seite 279 ff. Vgl. Seite 283. Vgl. Seite 275 ff. Vgl. Seite 171 ff. Vgl. Seite 175 ff.

20 Liekefett

306

Endergebnis

eines Beteiligungskaufs allerdings erst ab einer Beteiligungsquote von 30 % in Anlehnung an § 29 Abs. 2 WpÜG.31 Nur innerhalb eines Konzerns kann die Due Diligence auch zur Vorbereitung eines Paketverkaufs unterhalb dieser 30 %-Schwelle dienen.32  „Personenbezogene Daten“ dürfen im Zuge einer Due Diligence nur dann offengelegt werden, wenn eine Einwilligung oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung vorliegt.33 Andernfalls sind personenbezogene Daten über Mitarbeiter gemäß § 4 Abs. 1 BDSG zu anonymisieren. Ausnahmen bilden Kleinbetriebe sowie Daten über die Führungskräfte. Aber auch in diesen Fällen dürfen keine Angaben über Gesundheit und Gewerkschaftszugehörigkeit erfolgen.34 Daten über wichtige Lieferanten und Kunden dürfen übermittelt werden, solange die personenbezogenen Angaben auf das erforderliche Mindestmaß reduziert werden.35 Es gibt kein datenschutzrechtliches Konzernprivileg.36  Die Offenlegung von „Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“ ist nicht durch § 17 Abs. 1 UWG untersagt, wenn der Gesamtvorstand in die Due Diligence eingewilligt hat.37 Im Vertragskonzern und in der Eingliederung kann das herrschende Unternehmen die Zielgesellschaft zu dieser Einwilligung anweisen.38  Dem Vorstand ist es gemäß § 18 UWG verboten, ohne Einwilligung des Knowhow-Inhabers ihm anvertraute „Vorlagen und technische Vorschriften“ weiterzugeben.39 Ein Konzernprivileg gibt es nicht.40  Vertragliche Geheimhaltungsvereinbarungen seiner Gesellschaft muss der Vorstand grundsätzlich aufgrund seiner Sorgfaltspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 AktG einhalten.41 Dies gilt auch für konzerninterne Vorgänge.42

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

Vgl. Seite 178 ff. Vgl. Seite 284 ff. Vgl. Seite 185 ff. Vgl. Seite 191 f. Vgl. Seite 192 f. Vgl. Seite 287. Vgl. Seite 194 ff. Vgl. Seite 288. Vgl. Seite 198 ff. Vgl. Seite 288. Vgl. Seite 202 ff. Vgl. Seite 289 f.

D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence

307

C. Folgepflichten bei Gestattung einer Due Diligence Gewährt der Vorstand einer Aktiengesellschaft eine Due Diligence, so entstehen dadurch für seine Gesellschaft einige Folgepflichten. Ein Konzernverhältnis hat nur wenige Auswirkungen:  Der Vorstand ist weder aufgrund § 53a AktG43 noch infolge § 131 Abs. 4 S. 1 AktG44 dazu verpflichtet, nach der Zulassung einer Due Diligence die übrigen Aktionäre seiner Gesellschaft gleichzubehandeln.  Nach Abgabe eines Übernahmeangebotes besteht eine Pflicht zur Bietergleichbehandlung gemäß § 3 Abs. 3 WpÜG, so dass allen Bietern eine Due Diligence gestattet werden muss, sobald sie einem Bieter gewährt wurde.45 Im Vertragskonzern kann das herrschende Unternehmen dem Vorstand der Zielgesellschaft gemäß § 308 AktG die Weisung erteilen, Bieter unterschiedlich zu behandeln.46  Eine Pflicht zur Veröffentlichung des Vorstandsbeschlusses zur Due Diligence gemäß § 15 Abs. 1 WpHG besteht grundsätzlich. Die Gesellschaft ist so lange von der Veröffentlichungspflicht befreit, als sie die Vertraulichkeit der Due Diligence gewährleisten kann. Schlägt die M&A-Transaktion nach Durchführung der Due Diligence fehl, so muss die Veröffentlichung nicht nachgeholt werden.47  Bei Öffentlichen Übernahmeangeboten haben Vorstand und Aufsichtsrat in ihrer Stellungnahme gemäß § 27 Abs. 1 WpÜG anzugeben, dass eine Due Diligence gewährt wurde. Die eigentlichen Due Diligence-Informationen sind jedoch nicht offenzulegen.48

D. Anspruch auf Gestattung einer Due Diligence Ansprüche gegenüber einer Aktiengesellschaft auf Gewährung einer Due Diligence bestehen in einer unabhängigen Zielgesellschaft nur unter engen Voraussetzungen. Im Konzern existieren weitergehende Möglichkeiten:  Wird in einer Vorfeldvereinbarungen bei M&A wie einem Letter of Intent oder einem Memorandum of Understanding vereinbart, dass eine Due Diligence zu gewähren ist, so kann dadurch ein dahingehender Anspruch entstehen.49 43 44 45 46 47 48 49

20*

Vgl. Seite 212 ff. Vgl. Seite 208 ff. Vgl. Seite 216 ff. Vgl. Seite 292. Vgl. Seite 227 ff. Vgl. Seite 236 f. Vgl. Seite 239 ff.

308

Endergebnis

 Ein gesetzlicher Anspruch kann nur durch einen Weisungsbeschluss der Hauptversammlung gemäß § 83 Abs. 1 AktG begründet werden;50 eine Due Diligence beim Share Deal, beim Beteiligungskauf oder beim Öffentlichen Angebot lässt sich auf diesem Weg aber nicht durchsetzen.51  Im Vertragskonzern52 und in der Eingliederung53 hat die Konzernspitze weitgehende Möglichkeiten, eine Due Diligence gegen den Willen der Verwaltung der abhängigen Aktiengesellschaft durchzusetzen. Die Weisungsrechte, die ihnen § 308 AktG bzw. § 323 AktG einräumen, haben Anspruchsqualität und sind gerichtlich durchsetzbar.

50 51 52 53

Vgl. Seite 244 ff. Vgl. Seite 251 f. Vgl. Seite 296 ff. Vgl. Seite 297.

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Hinsichtlich der Abkürzungen wird verwiesen auf: Kirchner, Hildebert: Abkürzungen der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin / New York 1993

Sachwortverzeichnis Ad-hoc-Publizitätspflicht 43, 227 – Befreiung von der Veröffentlichungspflicht 233 – Insiderinformation 229 – Konzern 293 – Mehrstufige Entscheidungsprozesse 228 – Unmittelbarkeit 231 Anlegerschutzgesetz 162, 227 Anstellungs- und Abwerbeverbote 119 Asset Deal – § 75 AO 42 – Anspruch auf Due Diligence aus Letter of Intent 241 – Berichtspflicht des Vorstands 72 – Besteuerung 36 – Datenschutzrecht 188 – Definition 33 – Gleichbehandlung der Aktionäre 208 – Hauptversammlungsbeteiligung 67 – Insiderverbot 178 – Rechtsnatur 30 – Transaktionsbeteiligung 30 – Unternehmensinteresse 144 – Wechselseitige Due Diligence 140 – Zustimmungsvorbehaltat des Aufsichtsrats 80 Aufsichtsrat 70 – Anfordern von Vorstandsberichten 74 – Berichtspflicht des Vorstands 70 – Informationsanspruch 74 – Informationsordnung für Vorstand 74 – Kompetenzen 70 – Kompetenzen im Vertragskonzern 271 – Kompetenzen in der Eingliederung 273 – Stimmrechtsausschluss 81 – Zustimmungsbeschluss 81 – Zustimmungsvorbehalt 75 – Zustimmungsvorbehalt ad hoc 73 Auktion 123 Auskunftsanspruch des Aktionärs 244

Auskunftsperson 121 Auskunftsverweigerungsrecht 209 Basel II 182 Beteiligungskauf – Ad-hoc-Publizitätspflicht 232 – Anspruch auf Due Diligence aus der Mitgliedschaft 254 – Anspruch auf Due Diligence aus Letter of Intent 240, 251 – Auskunftsrecht des Aktionärs 208 – Definition 33 – Due Diligence durch Wettbewerber 130 – Gleichbehandlung der Aktionäre 207 – Insiderverbot 179 – Interessenkonflikt des Vorstands 85 – Rechtsnatur 30 – Transaktionsbeteiligung 30 – Unternehmensinteresse 157 Beteiligungsvertrag – Abbruchrisiko 120 – Anspruch auf Due Diligence aus Letter of Intent 241 – Definition 34 – Due Diligence durch Wettbewerber 131 – Gewährleistungen 56 – Hauptversammlungsbeteiligung 67 – Insiderverbot 182 – Rechtsnatur 30 – Rückabwicklung 56 – Transaktionsbeteiligung 30 – Unternehmensinteresse 145 Betriebsprüfungsklausel 42 Bietergleichbehandlung 216 – Konzern 292 Bieterverfahren 123 Börsengang – Abbruchrisiko 120 – Anspruch auf Due Diligence aus Letter of Intent 240

Sachwortverzeichnis – Auskunftsrecht des Aktionärs 209 – Bookbuildung 147 – Definition 35 – Due Diligence durch Wettbewerber 131 – Force Majeure-Klausel 147 – Fremdemission 146 – Gewährleistungen 56 – Haftung 142 – Hauptversammlungsbeteiligung 67 – Insiderverbot 183 – Rechtsnatur 30 – Rückabwicklung 57 – Selbstemission 146 – Transaktionsbeteiligung 30 – Unternehmensinteresse 146 Börsengesellschaft 36, 302 Börsenwert 45, 158 Break Fee-Vereinbarung 114, 121 Business Combination Agreement 31, 139, 142 Business Judgment Rule 106 Cash Pooling 115 Change of Control-Klausel 42, 128, 155 Chief Executive Officer 83 Closing 229 Corporate Governance Kodex 69, 70, 75 Datenraum 122 Datenschutzrecht 185 – Datentransfer ins Ausland 193 – Konzern 288 – Lieferanten- und Kundendaten 192 – Mitarbeiterdaten 192 Deal Breaker 42, 44 Due Diligence – Anspruch auf Gestattung 238 – Anspruch auf Gestattung im Konzern 295 – Betriebswirtschaftliche Funktionen 38 – Definition 29 – Folgepflichten bei Gestattung 206 – Folgepflichten bei Gestattung im Konzern 291 – Grenzen der Gestattung 88 – Grenzen der Gestattung im Konzern 274 – Kompetenzverteilung 61

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– Kompetenzverteilung im Konzern 264 – Kostenübernahme durch Zielgesellschaft 148 – Nichtgestattung 135 – Ökonomische Funktionen 37 – Pflicht zur Ablehnung 153 – Pflicht zur Due Diligence 140, 141 – Rechtsprobleme 35 – Verbreitungsgrad 28 – Volkswirtschaftliche Funktionen 58 – Wechselseitige Due Diligence 140 Durchführungskompetenz 62 Earn-Out-Klausel 144 EBIT 52 EBITDA 53 Eingliederung – Anspruch auf Due Diligence 297 – Kompetenzverteilung 273 Entscheidungskompetenz 62 Entscheidungstheorie 38, 141 Faktischer Konzern – Anspruch auf Due Diligence 295 – Kompetenzverteilung 264 Free float 176 Fusion 31 – Abbruchrisiko 120 – Anspruch auf Due Diligence aus Letter of Intent 240 – Auskunftsrecht des Aktionärs 208 – Datenschutzrecht 186 – Due Diligence durch Wettbewerber 130 – Fusionskontrolle 115 – Geheimhaltungsprobleme 66 – Gewährleistungen 56 – Hauptversammlungsbeteiligung 67 – Insiderverbot 175 – Rechtsnatur 30 – Rückabwicklung 56 – Transaktionsbeteiligung 30 – Unternehmensinteresse 142 – UWG 202 – Verbreitungsgrad Due Diligence 27 – Vorvertragliche Informationspflichten 139 – Wechselseitige Due Diligence 140

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Sachwortverzeichnis

Geheimhaltungsinteresse 90, 113 Geheimhaltungsvereinbarung 118, 202 – Konzern 290 Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse 196 Geschäftsführungsmaßnahme 62 Gesellschaftsgeheimniss 90 Gesellschaftsinteresse – Aktionärsinteressen 104 – Allgemein 95 – Allgemeininteressen 100 – Arbeitnehmerinteressen 102 – Berücksichtigung Geheimhaltungsinteresse 106 – Bietergleichbehandlung 225 – Partikularinteressen 99 – Praktische Konkordanz 110 – Relevante Interessengruppen 96 – Shareholder Value-Ansatz 96 – Stakeholder-Ansatz 97 – Unternehmensinteresse 98 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 110 – Verschwiegenheitspflicht 94 Gewährleistungen 54 Gleichbehandlung der Aktionäre 207 – Konzern 291 GmbH 112, 252, 280 Hauptversammlung 63 – Annexkompetenz 67 – Kompetenzen 63 – Kompetenzen im Vertragskonzern 272 – Kompetenzen in der Eingliederung 273 – Weisungsrecht 68, 105, 245 Informationserteilung nach Transaktionsstadien 119 Informationsquellen – Externe 43 – Interne 43 Initial Public Offering 146 Insider 166 Insiderinformation 163 Insiderrichtlinie 161 Insiderverbot 161 – Konzern 284 – Konzerninteresse 286 – Verhältnis zur Verschwiegenheitspflicht 162 22 Liekefett

Joint Venture – Abbruchrisiko 120 – Anspruch auf Due Diligence aus Letter of Intent 240 – Berichtspflicht des Vorstands 72 – Definition 34 – Due Diligence durch Wettbewerber 131 – Geheimhaltungsvereinbarung 202 – Gleichbehandlung der Aktionäre 207 – Hauptversammlungsbeteiligung 67 – Insiderverbot 181 – Primärinsider 167 – Rechtsnatur 30 – Transaktionsbeteiligung 30 – Unternehmensinteresse 146 – Verbreitungsgrad Due Diligence 27 – Verzicht auf Due Diligence 116 – Wechselseitige Due Diligence 140 – Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats 80 Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage 32 – Haftung 142 – Insiderverbot 175 – Unternehmensinteresse 143 Kompetenzverteilung 61 Kontrollprämie 45 Konzerninteresse 268, 275 Konzernprivileg 274 Konzernrecht 263 Kopien 122 Kurs-Gewinn-Verhältnis 52 Letter of Intent 71 – Anspruch auf Due Diligence 239 – Frühestes Transaktionsstadium 120 – Mehrstufige Entscheidungsprozesse 228 – Realisierbarkeit der Transaktion 114 Leveraged Buy Out 26, 154 Lock-up 115 Looting 154 M&A-Wellen 26 Management Interviews 122 Marktmissbrauchsrichtlinie 161, 227 Marktversagen 58 Merger of Equals 31, 139

Sachwortverzeichnis Mergers & Acquisitions – Definition 29 – Wellen 26 Ministererlaubnis 115 Mitgliedschaftlicher Informationsanspruch 254 Neue Institutionenökonomie 58 Neutraler Dritter 125, 134 Neutralitätspflicht 68, 82, 97, 148, 153, 157 Offenlegungsinteresse 113 Öffentliches Übernahmeangebot – Anspruch auf Due Diligence aus der Mitgliedschaft 254 – Bietergleichbehandlung 216 – Bietergleichbehandlung im Konzern 292 – Definition 33 – Geheimhaltungsprobleme 66 – Hauptversammlungsbeteiligung 68 – Insiderverbot 176 – Neutralitätspflicht 148, 218 – Rechtsnatur 30 – Stellungnahmepflicht 236 – Stellungsnahmepflicht im Konzern 294 – Transaktionsbeteiligung 30 – Unternehmensinteresse 156 – Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats 82 Öffentliches Umtauschangebot – Definition 32 – Insiderverbot 176 – Unternehmensinteresse 143 Ökonomische Analyse des Rechts 60 Paketzuschlag 180 Patronatserklärung 115 Personenbezogene Daten 186 Pflichtangebot 159 – Insiderverbot 176 – Unternehmensinteresse 156 Post Completion Due Diligence 54 Praktische Konkordanz 110 Private Equity 34 Private Equity-Fonds 26, 145 Privatisierungen 145 Q&A-Sessions 122 23 Liekefett

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Rating 116, 159 Risikoidentifikation 41 Screening 59 Secondary Offering 146 Share Deal – Anspruch auf Due Diligence aus der Mitgliedschaft 254 – Anspruch auf Due Diligence aus Letter of Intent 240 – Besteuerung 36 – Definition 32 – Lock-up 115 – Rechtsnatur 30 – Transaktionsbeteiligung 30 – Unternehmensinteresse 152 – Weisungsrecht der Hauptversammlung 252 Shareholder Value-Ansatz 96 Signalling 59 Squeeze-out 278 Stakeholder-Ansatz 97, 275 Stand alone-value 49 Standstill Agreement 184 Stimmrechtsausschluss – Aufsichtsrat 81 – Vorstand 85 Synergien 49 Teleologische Reduktion 92 Transaktionsbeteiligung 30 Transaktionsstadium 119 TransPuG 73, 76 Treuepflicht 260 Übernahmekodex 69, 220 UMAG 88, 106, 204 Unternehmensbewertung 45 – Börsenwert 45 – Discounted Cash Flow-Verfahren 45, 46, 126 – Ertragswertverfahren 45, 46, 126 – Kapitalisierungszins 47 – Multiplikatorenverfahren 45, 51 – Vergleichsverfahren 45, 51 Unternehmensinteresse 98 Unternehmenskauf 32 – Abbruchrisiko 120

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Sachwortverzeichnis

– Anspruch auf Due Diligence aus Letter of Intent 240 – Asset Deal 33 – Auskunftsrecht des Aktionärs 208 – Besteuerung 36 – Caveat Emptor 26 – Datenschutzrecht 201 – Due Diligence durch Wettbewerber 130 – Fusionskontrolle 115 – Geheimhaltungsprobleme 66 – Geheimhaltungsvereinbarung 202 – Gewährleistungen 55 – Insiderverbot 176 – Insolvenz 145 – Rechtsnatur 30 – Rückabwicklung 56 – Share Deal 32 – Transaktionsbeteiligung 30 – Verbreitungsgrad Due Diligence 27 – Verzicht auf Due Diligence 116 Unternehmenswert – Objektiver 49 – Subjektiver 49, 127 UWG 195, 199, 211, 212 – Konzern 288 Venture Capital 34 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 110 – Angemessenheit 128 – Due Diligence 113 – Erforderlichkeit 117 – Geeignetheit 113 – Geheimhaltungsinteresse 113 – Gesellschaftsrecht 111 – Offenlegungsinteresse 113 – Verschwiegenheitspflicht 111 Verschmelzung 31 – Haftung 142 – Insiderverbot 176 – Unternehmensinteresse 143 Verschwiegenheitspflicht – Aufsichtsrat 73 – Eingliederung 283 – Faktischer Konzern 275 – Hauptversammlung 66

– Konzern 276 – Vertragskonzern 279 – Vorstand 89 Vertragskonzern – Anspruch auf Due Diligence 296 – Kompetenzverteilung 265 – Weisungsrecht 265 Vertragsstrafe 118 Vertrauliche Angaben 92 Vervielfältigungsmöglichkeiten 122 Vorlagen oder Vorschriften technischer Art 198 Vorstand – Berichtspflicht an Aufsichtsrat 70 – Beschlussfassung 83 – Beschlussmehrheit 84 – Ermessenspielraum 88 – Form der Beschlussfassung 87 – Interne Kompetenzverteilung 82 – Kompetenzen im Vertragskonzern 266 – Kompetenzen in der Eingliederung 273 – Ressortaufteilung 83 – Stimmrechtsausschluss 85 Vorvertragliche Informationspflichten 136, 242 – Besonderheiten bei der Fusion 139 Weißer Ritter 218 Wettbewerber 129 – Einschaltung eines neutralen Dritten 134 – Einschränkungen bei der Due Diligence 131 – Zurückhalten wettbewerbsrelevanter Informationen 132 Wettbewerbsrelevante Informationen 91 Zerschlagungsübernahme 153 Zurückhalten von Informationen – Entscheidungsirrelevante Informationen 117 – Entscheidungsrelevante Informationen 123 – Informationen mit geringer Entscheidungsrelevanz 124 – Wettbewerbsrelevante Informationen 132