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German Pages 177 [174] Year 2008
Ulrich Horst
DOGMA UND THEOLOGIE
Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens.
Im
Neue Folge Band 16
Auftrag der Dominikanerprovinz Teutonia
herausgegeben von Walter Senner OP (Federführender Herausgeber) Kaspar Elm Ulrich Engel OP Isnard W. Frank OP Ulrich Horst OP
Ulrich Horst
DOGMA UND THEOLOGIE Dominikanertheologen in den Kontroversen um die Immaculata Conceptio
Akademie Verlag
Gedruckt mit Unterstützung der Dominikanerprovinz Teutonia
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-05-004564-1 ISSN 0942-4059
© Akademie Das
Verlag GmbH, Berlin 2009
eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706.
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Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza Printed in the Federal
Republic of Germany
Inhaltsverzeichnis
Vorwort.
VII
Einfuhrung.
1
Zur
Erster Teil
Dominikanertheologen und das Problem der Immaculata Conceptio.
5
I. Kapitel Die Grundlegung.
7
1. Thomas von Aquin. 2. Die Schule des Aquinaten.
7 15
II. Kapitel Die ersten großen Kontroversen.
28
1. Die katalanischen Dominikaner. 2. Das Basler Konzil.
28 34
III. Kapitel Die Verteidigung der klassischen Ordenstradition: Vincenzo Bandello.
53
1. Der Liber recollectorius. 2. De singulari puritate. 3. Die Bulle Grave nimis.
53 69 74
Die
Zweiter Teil Die Auseinandersetzungen im 16. Jahrhundert. I. Kapitel Die Protagonisten.
77
1. Isidoro Isolani. 2. Thomas de Vio Cajetan. 3. Ambrosius Catharinus.
79 86 106
79
V
4. Francisco de Vitoria. 5. Melchior Cano. 6. Bartholomaeus Spina.
107 110 113
II. Kapitel Die beginnende Umorientierung.
119
1. Johannes a Sane to Thoma. 2. Tommaso Campanella. 3. Francisco de Araújo.
119 128 136
Nachwort.
139
Quellen- und Literaturverzeichnis. 1. Quellen. a. Ungedruckte Quellen. b. Gedruckte Quellen.
151
2. Literatur.
151 151 151 154
Namensverzeichnis.
167
VI
Vorwort
Die sich über die Jahrhunderte hinziehenden Kontroversen um Begründung und Verbindlichkeit des Glaubens an die Unbefleckte Empfängnis Mariens gehören zu den längsten Auseinandersetzungen, die die Theologiegeschichte kennt. In ihnen haben Dominikanertheologen eine herausragende Rolle gespielt, die schließlich in einer Isolation des Ordens in der Neuzeit endete. Rivalitäten zwischen den Mendikantenorden im Mittelalter erklären viele Begleiterscheinungen der Kämpfe, stoßen aber zum Kern der Sache nicht vor. Da diese zeitweise mit einer Erbitterung ohnegleichen und gegenseitigen Häresieanklagen geführt worden sind, müssen deren Wurzeln in prinzipiellen Differenzen liegen. Meine Studie möchte zeigen, daß die eigentliche Ursache des Konflikts in einer unterschiedlichen Wertung der für die theologische Argumentation maßgebenden Autoritäten beruhte. Das veränderte Verständnis der Funktion von hl. Schrift, Vätern und Theologen im dogmatischen Beweis manifestierte sich mit zunehmender Schärfe in den Diskussionen um die, wie die Gegner der Immaculata Conceptio damals bezeichnenderweise sagten, opinio nova, mit der sie einen Bruch in der Tradition verbanden. Dank schulde ich meiner Ordensprovinz Teutonia, die die Druckkosten übernommen hat. Herzlich zu danken habe ich femer meinem Mitbruder P. Prof. Dr. Walter Senner, Rom, für mannigfache Hilfe und die Lektüre des Manuskripts. Wichtige Texte stellten mir P. Prof. Dr. I. W. Frank OP, Wien, und P. Simon
Tugwell OP, Rom, zur Verfügung. Herrn Manfred Karras
sammenarbeit Endredaktion.
Akademie Verlag weiß ich mich für langjährige ZuFrau Dr. Sabine Cofalla danke ich für die Mühen der
vom
verpflichtet.
Ulrich Horst OP
VII
Zur Einführung
Als kurz vor der feierlichen Definition des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens oder der, wie man lange mit abschätzigem Unterton sagte, opinio nova die letzten Stimmen im Dominikanerorden gegen diese Glaubenswahrheit verstummten, war ein erregendes Kapitel der Theologiegeschichte zu seinem Abschluß gekommen. Seit dem beginnenden 14. Jahrhundert war das Thema Gegenstand scharfsinniger Disputationen, aus denen sich im Lauf der Zeit heftige Kontroversen zwischen den Schulen entwickelten. Die zunächst breite Front der Immaculatagegner zerbrach schon nach wenigen Jahrzehnten, so daß die Dominikaner mit der Lehre der hochscholastischen Theologen, Maria sei erst nach ihrer Beseelung im Mutterschoß geheiligt worden, in die Isolation gerieten. Wie groß deren Ausmaße und Konsequenzen für den Orden waren, sollte auf dem Basler Konzil zutage treten, als er sich mit einer erdrückenden Zahl von Gegnern konfrontiert sah, unter denen die Universitäten einen maßgeblichen Platz einnahmen.
Aus einer ursprünglich rein akademischen Diskussion entstand dank einer intensiven Predigttätigkeit der Minoriten und der anderen Mendikantenorden eine Frömmigkeitsbewegung, die ganze Länder umfaßte und schließlich auch die Päpste beeindruckte, die es allerdings auf Grund der starken Traditionsargumente vermieden, eine direkte Stellungnahme zugunsten der immakulistischen Position abzugeben. Sie begnügten sich einstweilen mit der Forderung, daß beide Ansichten als probabel zu gelten hätten. Welche Motive lagen der kompromißlosen Opposition der Theologen aus dem Dominikanerorden zugrunde? Hinter der Einmütigkeit in der Immaculatafrage es gab nur wenige Außenseiter stand die Autorität des hl. Thomas, die die Geseit dem Ende des 13. Jahrhunderts für alle Mitglieder verpflichtend neralkapitel hatten. Die gemacht Heiligsprechung des Aquinaten 1323 und die Approbation seiner Lehre durch die Päpste, für die die rivalisierenden Orden kein Äquivalent aufzuweisen hatten, verliehen der Thomistenschule besonderes Gewicht. Ihre doktrinäre Stärke war das Zeugnis der hl. Schrift, der zufolge ausnahmslos alle Menschen der Erbsünde verfallen und der Erlösung bedürftig sind. Schließlich duldet die Einzigartigkeit der Empfängnis Christi keine Privilegierung Marias. In diesem Punkt wußten sich die hochscholastischen Theologen auch die Minoriten unter ihnen ebenso einig wie in der Überzeugung, den Konsens der Väter hinter sich zu haben. -
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1
Welche Rolle diese Synthese aus Exegese, patristischer Tradition und hochscholastischer Theologie spielte, illustriert der Umstand, daß in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts die führenden Repräsentanten der Augustinereremiten und der Karmeliten die Position der Dominikaner teilten. Die Situation änderte sich, als die These der Minoritentheologen Einfluß gewann, Gott habe Maria vor der Erbsünde bewahrt, weil eine solche Preservation in seiner Macht liege und der Mutter Christi angemessen sei. Es leuchtet ein, daß mit Gottes Möglichkeiten rechnende Argumente der Reflexion einen größeren Raum gewähren als Aussagen, die sich eng an Schrift und theologische Tradition gebunden wissen. Die spätscholastische Tendenz zu einer Possibilientheologie hatte der Spekulation ein weites Feld eröffnet. Die zahlreichen in diesem Kontext unternommenen Versuche, die Möglichkeit eines Freiseins Mariens von der Erbsünde mit ihrer Erlösungsbedürftigkeit zu vereinbaren, belegen, wie fruchtbar ein solcher Ansatz war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die konservative Position der Dominikaner den modernen Ansichten weichen mußte, die besonders an den Universitäten gepflegt wurden. Den antiqui, deren Vorbild die Theologen der Hochscholastik waren, standen die moderni gegenüber, die weithin die Diskussion beherrschten.
Die zwischen beiden Lagern bestehenden Unterschiede manifestierten sich auf dem Basler Konzil, das schließlich, um seine eigenständige Lehrautorität zu betonen, die Unbefleckte Empfängnis Mariens als Dogma proklamierte, das allerdings wegen des schismatischen Charakters der Versammlung keine universalkirchliche Geltung erlangte und deshalb nie von Päpsten zugunsten der nova opinio erwähnt wurde. Gleichwohl übte die Definition beträchtlichen Einfluß aus und zwar auch in antikonziliaristischen Kreisen. Die der Definition vorausgehenden Diskussionen gaben den Dominikanern Johannes de Montenigro und Johannes Torquemada Gelegenheit, eine theologische Methodenlehre zu entwickeln, in der gezeigt wurde, welche Autorität der Schrift, den Vätern, den Heiligen und den kirchlich approbierten Theologen bei der Begründung einer Glaubenswahrheit zukommt. Während die antiqui jene Quellen und Gewährsleute hinter sich wußten, vermochten sich die moderni nur auf ihresgleichen zu berufen, die mit den Großen der Vergangenheit nicht konkurrieren konnten. Den Wandel in der Wertung der klassischen Autoritäten begünstigte ein neues Argument, das zunehmend größere Bedeutung erhielt. Gemeint ist der sensus fidelium, der sich in der Kirche manifestierende Glaubenssinn. Ihm war die Aufgabe zugedacht, die fehlenden Quellen der dogmatischen Argumentation zu ersetzen. Daß dieser Gedanke, verbunden mit der liturgischen Feier der Empfängnis Mariens, in den künftigen Diskussionen eine besondere Rolle spielen würde, haben die Thomisten nicht erkannt. Durch eine intensive Predigttätigkeit in den Jahrzehnten nach dem Basler Konzil wuchs beim Volk der Glaube an die Unbe-
2
Empfängnis Mariens in einem bisher unbekannten und für die Theologie folgenschweren Ausmaß. Daß die Dominikaner die von dieser Seite drohende Gefahr sahen, bezeugen die Gegenschriften, unter denen die Schriften Vincenzo Bandellos herausragen. Die Polemik veranlaßte schließlich Sixtus IV., die Bulle Grave nimis, die erste amtliche Stellungnahme in der Immaculatadiskussion, zu publizieren, in der die beiden konkurrierenden Thesen für gleich probabel erklärt fleckte
wurden,
daß keine Schule der anderen den Vorwurf der Häresie machen konndies, daß ihr entscheidendes Argument, der Verweis auf die patristische und scholastische Tradition, ins Wanken geriet. Auch war es von nun an nicht zweifelhaft, in welche Richtung der Apostolische Stuhl tendierte, auch wenn eine endgültige Entscheidung lange Zeit nicht beabsichtigt war, weil man das Gewicht der Gegenargumente noch hoch veranschlagte, wie insbesondere die Reaktion auf das Gutachten Cajetans für Leo X. bezeugt. Obschon der Orden seiner traditionellen Haltung treu blieb, mehrten sich in den eigenen Reihen Stimmen, die für eine Revision plädierten, um die fast vollständige Isolierung an den Hochschulen zu überwinden. In diesem Vorgang, für den Johannes a St. Thoma charakteristisch ist, spielte bezeichnenderweise die universalkirchliche Feier des Festes der Empfängnis Mariens und nicht der Heiligung eine besondere Rolle. In der Liturgie habe, wie man sagte, der sensus fidelium besonders deutlichen Ausdruck gefunden. Er ersetze die Stimmen der klassischen Autoritäten, so daß die Vorhaltungen der Thomisten ins Leere liefen. Im übrigen muß man konstatieren, daß sich, durch die endlosen Diskussionen bedingt, die Kraft der Argumente erschöpft hatte. so
te. Für die Thomisten bedeutete
3
Erster Teil
Die Dominikanertheologen und das Problem der Immaculata Conceptio
I. Kapitel Die Grundlegung
1. Thomas
von
Aquin
Thomas von Aquin war zunächst als Theologe, dann aber auch als Heiliger die klassische scholastische Autorität für alle, die in den sich über Jahrhunderte hinziehenden Kontroversen um die Unbefleckte Empfängnis Mariens auf Seiten der traditionellen makulistischen Lehre standen. Diese richtungweisende Funktion hat er namentlich in seinem Orden bis weit in die Neuzeit ausgeübt. Auch in der Formierung einer thomistischen Schule hat das Beharren auf mariologischen Grundpositionen des Aquinaten eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Unter den Dominikanern sollte es nur wenige geben, die von ihnen abwichen. Daß die Treue zum Doctor angelicus schließlich zu Konflikten unter den Thomisten führte, als es immer offenkundiger wurde, daß das kirchliche Magisterium die nova opinio zu favorisieren begann, sei hier vor allem deshalb erwähnt, weil eine Reihe von Autoren meinte, zeigen zu können, daß die von Thomas zu Beginn seiner Pariser Lehrtätigkeit im Sentenzenkommentar und gegen Ende seines Lebens in den Collationes in salutationem angelicam vertretene Ansicht von der Lehre abweiche, die er insbesondere in der Summa Theologiae vertreten habe1. In der historischen Diskussion, um die es uns hier geht, haben, wie es in polemischen Zusammenhängen üblich ist, nur zentrale mariologische Texte des Aquinaten Berücksichtigung gefunden, so daß es angebracht erscheint, alle die Unbefleckte Empfängnis betreffenden Stellen in chronologischer Reihenfolge kurz vorzustellen. Die früheste unterschiedlich gedeutete Äußerung haben wir im ersten Buch des Sentenzenkommentars anläßlich der Frage, ob Gott die Menschheit Christi „besser" machen konnte, als sie ist2. Unter den geschaffenen Dingen, heißt es, kann es beispielsweise eine größtmögliche Reinheit geben, so wie sie Maria hatte, die von der Erbsünde und von einer tatsächlichen Sünde „frei" (immunis) war3. Der Satz 1
KOCHANIEWIZ, L 'Immacolata Concezione 140f u. 91, Anm. 30. Art.: Thomas in: LMK 6, 399-405 (R. SCHENK). A. HOFFMANN, Des Menschensohnes Sein 535-549. TH.U. Mullaney, Mary Immaculate. I.F. Rossi, Quid sensertt. Zum Thema materialreich und informativ X. Le Bachelet. In I Sent., d. 44, q. l,a. 3 ad 3. et talis fuit puritas beatae Virginis, quae a peccato originali et actuali immunis AaO fuit... Dazu
v.
2 3
s.
B.
Aquin,
...
7
ist oft so verstanden worden, als habe sich Maria nie die Erbsünde zugezogen, aber diese an sich mögliche Interpretation steht in einem klaren Widerspruch zur Lehre des dritten Sentenzenbuchs, wonach Maria in der Erbsünde empfangen wurde, weil ihre Eltern in sie verstrickt waren4. Man wird darum gut daran tun, das immunis im Sinne einer späteren Heiligung zu verstehen. Selbst wenn es strikt zu deuten wäre, hätte man mit einer späteren Revokation zu rechnen, was angesichts der zeitlichen Nähe der beiden Bücher sehr unwahrscheinlich ist. Auch im vierten Sentenzenbuch findet sich ein signifikanter Text, der von der Heiligung Mariens im Mutterschoß spricht, die bei ihr „umfassender" (amplior) war als bei Johannes dem Täufer und Jeremías, weil in ihr die sündhafte Neigung (fames) geschwächt oder gar ausgelöscht war, so daß sie niemals eine Neigung zur Sünde verspürte5. Auch das Compendium Theologiae, zwischen 1265 und 1267 verfaßt, rechnet mit der erbsündlichen Empfängnis Mariens, da sie aus der geschlechtlichen Verbindung von Mann und Frau entstand, durch die die Erbsünde auf die Nachkommen übertragen wird6. Daß sie von diesem allgemeinen Gesetz eine Ausnahme gewesen wäre, ist nicht möglich, da sie dann der Erlösung durch Christus nicht bedurft hätte7. Von dieser Urschuld wurde Maria, um ihrem Sohn eine würdige Wohnung
Sent., d. 3, q. 1, a. 1. Unde et sanctificatio parentum in beatam Virginem transfundí potuit, nisi curatum esset in eis non solum id quod personae est, sed etiam id quod naturae est inquantum huiusmodi. Quod quidem Deus faceré potuit, sed non decuit... Et ¡deo sic in statu viae parentes eius curati non fuerunt ut prolem suam sine peccato originali conciperent. Et ideo beata Virgo in peccato originali fuit concepta Thomas In III
non
verweist auf Brief 174 Bernhards an die Kanoniker von Lyon, der in der Diskussion eine außerordentlich wichtige Rolle spielte. Ed. cit. 388-392. Vgl. M. Lamy, L'immaculée 42-45. conception 5 In IV Sent., d. 6, q. 1, a. 1 ad secundam quaestionem. Et ideo aliquos praeter legem communem quasi miraculose in maternis uteris sanctificasse legitur, illos praecipue qui immediatius ordinabantur ad eius sanctissimam conceptionem. Et ideo Mater sanctificata creditur, et Johannes Baptista qui ei in utero existenti testimonium perhibuit, et Jeremías qui ipsius conceptionem vaticinio expresso praedixit (Jer 31, 22). Et ideo etiam in beata Virgine fuit amplior sanctificatio, in qua fomes adeo debilitatus est vel extinctus, ut ad peccatum actúale numquam inclinaretur 6 Compendium Theologiae, I, c. 224, Ed. Leon., t. 42, 175. Oportuit siquidem ut cum peccato originali conciperetur, utpote que ex utriusque sexus commixtione concepta fiait Commixtio autem sexus, que sine libídine esse non potest post peccatum primi parentransmittit peccatum originale in prolem. tis, 7 AaO. Simul etiam quia si cum peccato originali concepta non fuisset, non indigeret per Christum redimi, et sic Christus non esset universalis hominum redemptor, quod derogat dignitati Christi. ...
...
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H
bereiten, gereinigt. Die Heiligung im Mutterschoß ging der Eingießung der Seele nicht voraus, da sie in diesem Fall nicht der Erbsünde unterworfen gewesen wäre, weil nur die rationale Natur Subjekt einer Sünde sein kann. Anzunehmen ist, daß sie danach geheiligt worden ist8. Die ihr in dieser Heiligung gewährte Gnade war so übermächtig, daß Maria fortan frei von jeglicher Sünde war In einem zur Adventszeit 1270 disputierten Quodlibet geht es um die in den späteren Auseinandersetzungen immer wichtiger werdende Frage, ob es erlaubt sei, das Fest der Empfängnis Mariens zu feiern Eine bejahende Antwort setzt freilich voraus, daß Maria ohne Erbsünde empfangen wurde und daß dadurch der einzigartige Vorzug Christi keine Minderung erfuhr. Genau das kann nach Thomas nicht sein, weil sich jeder Mensch, insofern er dem „samenhaften Grund gemäß" in Adam war, die Erbsünde zugezogen hat, wie wir von Augustinus wissen. Von Adam haben wir unser „Fleisch" empfangen, weil wir von ihm auf natürliche Weise abstammen Von diesem Gesetz macht selbst Maria keine Ausnahme, da sie wie alle Menschen aus der Verbindung von Mann und Frau geboren wurde. Auf Grund der Erbsünde muß sie denen zugezählt werden, von denen es heißt „in ihm haben sie alle gesündigt" (Röm 5, 12), andernfalls wäre sie nicht von Christus erlöst worden12. Alles, was die Einzigartigkeit der Ehre Christi mindert, darf ihr nicht zugesprochen werden. zu
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AaO. Non autem talis sanctificatio precessit infusionem anime, sic enim numquam fuisset originali peccato subiecta, et redemptione non indiguisset: non enim subiectum peccati esse potest nisi natura rationalis. Similiter etiam sanctificationis gratia per prius in anima radicatur, nec ad corpus potest pervenire nisi per animam: unde post infusionem anime credendum est earn sanctificatam fuisse. Dazu s. P. Caspar, La problématique de l'animation de l'embryon. 9 AaO sed beata Virgo Maria tanta habundantia gratie sanctificata fuit, ut deinceps ab omni peccato conservaretur immunis, non solum mortali sed etiam veniali. 10 Quodl. VI, q. 5, a. 1, Ed. Leon, t. 25, 2, 302-303. Zur Datierung s. R.-A. Gauthier, Ed. Leon., t. 25, 1, 124*-128*. AaO 302 unusquisque peccatum originale contrahit ex hoc quod fuit in Adam secundum seminalem rationem qui non solum ab eo carnem acceperunt, set etiam secundum naturalem modum originis ab eo sunt propagad. Sic autem processit ab Adam beata Virgo, quia nata fuit per commixtionem sexuum, sicut et ceteri. Et ideo concepta fuit cum peccato originali et includitur in universalitate illorum de qua Apostolus dicit (Rom 5, 12): In quo omnes peccaverunt. Vgl. S Th l-II 81, 4. Dazu s. O.H. PESCH, Die Sünde, Anm. 89, 623 und 922f. Zur Lehre Augustins von der erbsündlichen Empfängnis Mariens s. I.M. Dietz, Ist die Hellige Jungfrau 'Immaculata ab initlo '? AaO a qua universitate solus Christus excipitur, qui in Adam non fuit secundum seminalem rationem. Alioquin si hoc alteri conveniret quam Christo, non indigeret Christi redemptione. ...
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Maria wurde indes vor ihrer Geburt im Mutterschoß geheiligt, ein Faktum, das Anlaß zu einer unterschiedlichen Praxis bei der Feier ihrer Empfängnis wurde. So begehen die römische Kirche und die meisten anderen Kirchen dieses Fest mit Rücksicht auf die Erbsünde Mariens nicht, während andere dies unter dem Aspekt ihrer Heiligung, die bald nach der Empfängnis und der Eingießung der Seele erfolgt ist, tun. Beide liturgische Gewohnheiten sind deshalb als legitim anzusehen. Neben der Heiligung wurde ihr ein reiches Maß an Gnade geschenkt, die bewirkte, daß ihr Leben von jeglicher Sünde frei blieb13. Zwei bemerkenswerte, in den damaligen Diskussionen jedoch selten zitierte Texte finden sich im Kommentar zu den Psalmen, der, wie manche Autoren meinen, 1272/73 in Neapel entstanden ist. In der Auslegung zu Ps 13, 2 heißt es, daß nur Christus frei von der Erbsünde und von allen anderen Sünden war, während sich Maria die Ursünde zugezogen hat14. Zu Ps 50, 3 schreibt Thomas: Einige wurden im Mutterschoß geheiligt, aber alle außer Christus wurden in der Erbsünde
empfangen15.
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Große Aufmerksamkeit haben die Collationes in salutationem angelicam in Vermit deren Spätdatierung in der Fastenzeit 1273 in Neapel gefunden, da Thomas an einer Stelle sagt, daß sich Maria weder die Erbsünde noch eine andere
bindung
1
AaO 302f. Nam Romana ecclesia et plurime alie, considerantes conceptionem eiusdem Virginis in originali peccato fuisse, festum conceptionis non celebrant. Alique vero, considerantes sanctificationem eius in utero, cuius tempus ignoratur, celebrant conceptionem: creditur etiam quod cito post conceptionem et animae infusionem fuerit sanctificata; unde illa celebritas non est referenda ad conceptionem ratione conceptionis, set potius ratione sanctificationis. Dazu s. einen Text aus Humbert de Romanis De conceptione beate virginis. Notandum quod istud festum quedam ecclesie non faciunt propter hoc, quod concepta fuit in peccato. Alie vero faciunt habentes respectum ad sanctificationem, qua sanctificata fuit in utero, in quo erat concepta. Nec est laudabile quid istorum, quod alii alios reprehendunt, quia utrumque potest habere bonam intentionem Aus: De eruditione predicatorum VII 9. 6. 3 (i.e. tertium capitulum sextae partis materiae praedicabilis. Michelstadt, Kichenbibliothek 685 u. Nürnberg, Germ. Nat. Mus. 27985. Die Feier der Unbefleckten Empfängnis wird von H. nicht erwähnt. Der Text wurde mir dankenswerterweise von P. Simon Tugwell OP, Rom, mitgeteilt. Ed. Parm., t. XIV, 184 quia „non est Justus in terra qui faciat bonum et non peccet". Eccl 7, 21 : Usque ad unum, i.e. Christum, quia ipse solus nec peccatum habuit contractum nec commissum. Beata Virgo habuit contractum peccatum. Eccl 7, 29: „Virum de mille unum reperi, mulierem ex omnibus non inveni". Zur Datierung s. J.-P. Torrell, Initiation 376-378. LT. ESCHMANN, A Catalogue 394. Ed. cit. 346. Et sic quia quidam sanctificantur in utero; sed omnes praeter Christum concipiuntur in originali: et ideo dicit quod non est sanctificatus in utero, sed natus in -
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originali.
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Sünde zugezogen hat Sollte die von manchen vorausgesetzte Chronologie der Predigten und der zur Diskussion stehende Wortlaut stimmen, hätten wir die letzte Äußerung des Aquinaten vor uns und zugleich eine Revokation aller bisher von ihm gemachten Thomas hätte sich dann in der letzten Phase seines Lebens zur Lehre von der Unbefleckten Empfängnis bekehrt und deren Gegner desavouiert. Die These erschien manchen Thomisten verführerisch, weil sie den Einklang ihres Schulhaupts mit dem Lehramt und insbesondere mit der Definition von 1854 wiederhergestellt hätte. Wer sich für diese Lösung entscheidet, muß freilich zuvor eine Reihe von Schwierigkeiten aus dem Weg räumen. Zunächst: In derselben Predigt steht ein Satz, der der herkömmlichen Thomasinterpretation entspricht: Maria wurde im Mutterschoß von der Erbsünde gereinigt.Und wenig später: Christus überragt die selige Jungfrau, insofern er ohne Erbsünde empfangen und geboren wurde, während Maria in ihr empfangen, nicht aber geboren wurde18. Wie soll man diesen Widerspruch in ein und demselben Werk erklären? Zu bedenken ist femer, daß die Datierung der collationes nach wie vor unsicher ist. Es kann sich auch um Predigten aus der Pariser Zeit (12681272) handeln19. Nicht außer Acht zu lassen ist schließlich, daß wir lediglich eine Nachschrift vor uns haben, von deren Approbation durch den Autor wir nichts wissen. Kurzum: Die innere Unausgeglichenheit und die äußeren Umstände bestätigen eher die andernorts vertretene Lehre des Aquinaten, als daß sie sie revidierten. Am ausführlichsten hat sich Thomas zu unserem Problem im dritten Teil seiner Summa Theologiae unter dem Titel der Heiligung Mariens geäußert. Die Quaestio 27 darf als der klassische Text gelten, der über die Jahrhunderte die Diskussionen inspiriert und die Thomisten in ihrer kompromißlosen Ablehnung der Unbefleckten Empfängnis bestärkt hat. Der Aquinate beginnt seine Erörterungen mit einer methodischen Reflexion, die in der Mariologie eine maßgebliche Rolle .
Äußerungen17.
S. Thomae Aquinatis expositio salutationis angelicae, ed. cit. 465-476, hier 472. Ipsa enim purissima fuit et quantum ad culpam, quia nec originale, nec mortale, nec veníale
peccatum incurrit.
Vgl. J.A. Weisheipl, Thomas von Aquin 349 (wahrscheinlich Fastenpredigt: Neapel 1273). LT. Eschmann, A Catalogue 426. E. läßt die Frage offen, ob es sich um Fastenpredigten in Neapel oder um ein Pariser Predigtreportatum handelt, schreibt aber: The famous variant... nec originale incurrit, rejected by the Thomists of the Renaissance, resists the most thoroughgoing paleographical examination and, it seems, is to be admit...
18
19
ted. Ed. cit. 468. Peccatum enim aut est originale, et de isto fuit (Beata Virgo) mundata in utero. Und 469: Sed Christus excellit Beatam Virginem in hoc, quia sine originali fuit conceptus et natus: Beata autem Virgo in originali concepta, sed non nata. Vgl. J.-P. Torrell, Initiation 521 ; DERS., Le Christ en ses mystères 46, Anm. 16.
11
gespielt Mariens,
hat. Ist die
Theologie legitimiert,
über einen
Gegenstand,
die
Heiligung
reden, den die hl. Schrift nicht bezeugt? Die Antwort wird in einem ersten Schritt mit einem liturgischen Argument gegeben. Das Fest Maria Geburt, von der die Schrift ebenfalls nicht spricht, setzt voraus, daß die Person, die an ihm gefeiert wird, vor ihrer Geburt, im Mutterschoß, heilig war °. Vor einer ganz zu
ähnlichen Frage hat nach Thomas auch Augustinus angesichts der Frage nach der in der Schrift nicht berichteten leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel gestanden, insofern er die Antwort auf dem Weg einer „vernünftigen Argumentation" fand21. Nach dem Beispiel des Kirchenvaters meint auch der Aquinate, man könne rationabiliter begründen, daß Maria im Mutterschoß geheiligt wurde Biblische Texte, die ihr Gnadenfülle zuschreiben (Jo 1, 14; Lk 1, 28) bestätigen, daß die theologische Konklusion gerechtfertigt ist. Schließlich darf man auf Jeremías und Johannes den Täufer verweisen, hinter denen die Mutter Gottes nicht zurückstehen kann Maria wurde demnach von der Erbsünde als persönlichem .
.
gereinigt, doch traf eine solche Privilegierung nicht für die Schuldhaftung (reatus) zu, unter der die menschliche Natur stand, so daß sie erst kraft des Opfers Makel
Christi in das Paradies eintreten konnte24. Die Heiligung Mariens ereignete sich erst nach der Beseelung, da die reinigende Gnade nur von der Seele aufgenommen werden konnte. Dasselbe trifft für die Schuldfähigkeit des im Mutterschoß heranwachsenden Lebens zu, die vor der Animation nicht gegeben war25. Nach Thomas mußte Maria wie alle Menschen der Erbsünde verfallen sein, da sie andernfalls der Erlösung durch Christus nicht
S Th III 27, 1 s.c. Ergo Beata Virgo in ipsa sua nativitate fuit sancta. Fuit ergo in utero sanctificata. Vgl. A. Hoffmann, Des Menschensohnes Sein 536-553. Zum theologischen Beweis aus der Liturgie bei Thomas s. C. Vagaggini, Theologie der Liturgie 327-337. S Th III 27, 1. Bezug genommen wird auf den pseudoaugustinischen Sermo De assumptione Beatae Mariae Virginis, c. 6, PL 40, 1141-1148. Dazu s. H. Barré, La croyance à Tassomptlon 80-100. S. auch K.E. B0RRESEN, Anthropologie médiévale 102-11 l(die wichtigsten hochscholastischen Lehrer.) AaO ita etiam rationabiliter argumentari possumus quod fuerit sanctificata in utero. AaO. Unde rationabiliter creditur quod Beata Virgo sanctificata fuerit antequam ex ...
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utero nasceretur.
S Th III 27, 1 ad 3. S Th III 27, 2. Culpa autem non potest emundari nisi per gratiam, cuius subiectum est sola creatura rationalis. Et ideo ante infusionem animae rationalis Beata Virgo sanctificata non fuit. Secundo, quia cum sola creatura rationalis sit susceptiva culpae, ante infusionem animae rationalis proles concepta non est culpae obnoxia.
12
bedurft hätte. Auch hätte eine Ausnahme die Würde Christi in seiner Funktion als Retter der Menschheit gemindert26. Schließlich nimmt Thomas erneut zu dem an einigen Orten gefeierten Fest der Empfängnis Stellung, das in der späteren Diskussion mehr und mehr die theologisch-systematischen Argumente verdrängen wird. Obschon die römische Kirche ein solches Fest nicht begeht, praktizieren manche Kirchen diesen Brauch, den Rom zwar nicht ausdrücklich billigt, aber doch toleriert, so daß er nicht gänzlich zu verwerfen ist. Er bewegt sich also in einem Grenzbereich. Auch gibt man durch dieses Fest nicht zu verstehen, daß Maria in ihrer Empfängnis heilig war. Wie es scheint, ermöglichen die liturgischen Texte diese Deutung nicht. Da nun, heißt es weiter, der genaue Zeitpunkt der Heiligung Mariens nicht bekannt ist, feiert man eher das Fest der Heiligung als das ihrer Empfängnis27. Von geringer Bedeutung, so möchte man meinen, ist die Erörterung einer Frage, die sich jedoch bei näherem Zusehen als charakteristisch für die Tendenz der Mariologie des Aquinaten erweist und gleichzeitig eine grundlegende Differenz zu wenig später entwickelten Prinzipien der Franziskanerschule markiert. Wurde in der ersten Heiligung die ungeordnete habituelle sinnliche Begierde (fames) in Maria gänzlich getilgt oder bloß gebunden? Sollte man für eine völlige Auslöschung plädieren, so hätte die auf sie niedersteigende Gnadenfülle bewirkt, daß sich die niederen Kräfte nur im Einklang mit der Vernunft bewegten, wie das bei Christus der Fall war. Obschon eine solche Ansicht zur Würde Marias zu gehören scheint, so mindert sie doch in mancher Hinsicht den Rang Christi, ohne dessen Kraft niemand von der ersten Verurteilung befreit wurde. Zwar sind einige dem Geist nach von ihr ausgenommen worden, nicht aber dem Fleisch nach. Was das meint, wird mittels einer Parallele erläutert: Wie niemand die Unsterblichkeit des Fleisches vor der Auferstehung Christi erlangt hat, so ist auch vor der Inkarnation niemand ohne jene Begierde gewesen28. Thomas folgert daraus, daß die These besser begründet ist, wonach durch die Heiligung Mariens im Mutterschoß die et ita (Maria) non indiguisset redemptione et salute quae est per Christum AaO Und ad 2: si numquam anima Beatae Virginis fuisset contagio originalis peccati inquinata, hoc derogaret dignitati Christi, secundum quam est universalis omnium salva...
...
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tor.
S Th III 27, 2 ad 3. Sed quia quo tempore sanctificata ignoratur, celebratur festum sanctificationis eius potius quam conceptionis in die conceptionis ipsius. S Th III 27, 3. Et quamvis haec positio ad dignitatem Virginis Matris pertinere videatur, derogat tarnen in aliquo dignitati Christi, absque cuius virtute nullus a prima damnatione liberatur Et ideo sicut ante immortalitatem camis Christi resurgentis nullus adeptus fuit camis immortalitatem, ita conveniens videtur dicere quod ante Christi carnem in qua nullum fuit peccatum, caro Virginis matris eius fuerit absque fomite. ...
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Begierde ihrem
Wesen nach nicht ausgelöscht, sondern vielmehr nur gebunden änderte sich erst im Augenblick der fleischlichen Empfängnis wurde29. Das Christi, als die völlige Freiheit von der Begierde vom Kind auf die Mutter über-
strömte30.
Das Problem und die von Thomas gebotenen Distinktionen sind heute nur von historischem Interesse, aber die hinter ihnen liegenden Gedanken verdienen namentlich im Blick auf die Problemgeschichte Aufmerksamkeit. In der Sicht des Aquinaten gibt es nur zwei Personen, die gänzlich (totaliter) von jeglicher moralischer Unordnung frei waren: Christus und Adam vor dem Sündenfall. Das heißt: Maria befindet sich zunächst auf der Seite des durch die Erbsünde gezeichneten Menschengeschlechts. Das Freiwerden von dieser Verstrickung vollzieht sich bemerkenswerterweise in Etappen, deren letzte erst in dem Augenblick realisiert wurde, als sich die fleischliche Empfängnis Christi ereignete und nicht anläßlich der Heiligung Mariens. Diese Konzeption, die mit heilsgeschichtlich klar umschreibbaren Schritten rechnet, denen die jeweils von der Sache geforderte Gnade entspricht, fragt bezeichnenderweise nicht nach den höchstmöglichen marianischen Prärogativen, sondern nach der Angemessenheit der den einzelnen Phasen zukommenden Mittel. Wenigstens kurz sei erwähnt, daß Albertus Magnus die Meinung ablehnt, Maria sei vor ihrer Beseelung geheiligt worden. Er hält das für eine vom hl. Bernhard und von allen Pariser Lehrern verurteilte Häresie. Wohl aber hat die nachher erfolgte Heiligung von Maria jede Neigung zu einer leichten oder schweren Sünde genommen sowie den Habitus der Erbsünde und Straffälligkeit31. -
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AaO. Et ideo videtur melius dicendum quod per sanctificationem in utero non fuerit sublatus Beatae Virginis fomes secundum essentiam, sed remanserit ligatus; non quidem per actum rationis suae sed per abundantiam gratiae quam in sanctificatione ...,
recepit. AaO. Postmodum vero in ipsa conceptione camis Christi, in qua primo debuit refulgere peccati immunitas, credendum est quod ex prole renundaverit in matrem totaliter fomite sub tracto. In III
Sent., d. 3,
a.
4, sol., éd. cit. 47. Dicimus, quod Beata Virgo
ante animationen: et
non
fuit sanctificata
qui dicunt oppositum est haeresis condemnata a Beato Bernardo in epistola ad Lugdunenses et a magistris omnibus Parisiensibus. AaO ad 7, éd. cit. 48. Dicendum quod ante nativitatem ex utero sanctificata fuit: sed quo die vel qua hora nescire quemquam hominum, nisi per revelationem: nisi quod probabilius est, quod cito post animationem conferatur quam longe exspectetur. Und a. 6, éd. cit. 49. Unde dicimus sine praejudicio, quod sanctificatio Beatae Virginis abstulit vim inclinandi ad veníale et mortale peccatum quantum est de se, habitum originalis peccati et reatum. Vgl. A. Fries, Die Gedanken des Heiligen Albertus Magnus, bes. 64-75. 14
2. Die Schule des Aquinaten In dem folgenden Überblick geht es nur um einige zentrale Aspekte aus der Diskussion um die Unbefleckte Empfängnis, wie sie von Theologen aus dem Predigerorden geführt worden ist, um die hinter den großen Kontroversen des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts liegenden Argumente besser zu verstehen. Wie sich zeigen wird, konstituieren Probleme der theologischen Methode, der Stellung und Gewichtung der Autoritäten von Schrift, Vätern und scholastischen Theologen über einen langen Zeitraum den Kern der Auseinandersetzungen zwischen den Schulen und insbesondere zwischen den Mendikanten. Schon früh sah man sich, um die makulistische Position gegen eine spekulativ deduktive Beweisführung zu verteidigen, genötigt, darauf hinzuweisen, daß die „neue Meinung" im Gegensatz zur klassischen Lehre stehe, bis man am Ende der Entwicklung ein riesiges Arsenal von Texten und Autoren aufbieten konnte, dem die Gegenpartei nichts entgegenzusetzen hatte. Diese wiederum führte die Liturgie, die Feier des Festes der Conceptio, ins Feld, die schließlich in der Bulle Grave nimis Sixtus' rv. einen vorläufigen Höhepunkt fand, weil sie die erste lehramtliche Äußerung zugunsten der nova opinio darstellte, die den Gegnern erhebliche Schwierigkeiten machte. Auf dem Basler Konzil sollte sich schließlich zeigen, daß die Thomisten endgültig in die Defensive geraten waren, aus der sie sich nicht mehr wirklich befreien konnten. Ein frühes, bemerkenswertes Zeugnis für die Schuldifferenzen ist ein Quodlibet des Johannes de Polliaco aus den Jahren 1308-1310. Er ist zwar kein Dominikaner, doch enthält sein Werk viele die künftige Diskussion kennzeichnende Elemente. Die Tatsache, daß er später immer wieder von Theologen, die wir behandeln werden, als Gewährsmann gegen die nova opinio angerufen werden wird, Bereits die ersten Sätze der Quaestio rechtfertigt, daß wir mit ihm sind von großem Interesse: Pariser Doktoren der Theologie vertreten in den offiziellen Universitätssermones (sermo generalis) nur Ansichten, die an ihrer Universität als probabel gelten, denn sonst wäre ihre Lehre als glaubenswidrig und gänzlich unhaltbar anzusehen. Nun hat sich aber kürzlich Unerhörtes zugetragen, denn ein Prediger hat behauptet, Maria sei ohne Erbsünde empfangen worden33. Einer Randnotiz entnehmen wir, daß Radulfüs Hotot für diese Neuerung verant-
beginnen32.
Zum Autor s. Art.: Johannes de Polliaco, in: LThK 5, 958f (M. Laarmann). LMA 5, 595 (L. Hödl). Ioannis de Polliaco et Ioannis de Neapoli Quaestiones disputatae de immaculata conceptione beatae Mariae Virginis, ed. C. BALIC. 1. Zum plenus et generalis sermo s. M. Teeuwen, The Vocabulary 309f.
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wortlich gemacht wird Das Urteil über sie fällt eindeutig aus. Sie ist häretisch, weil sie sich gegen die hl. Schrift, die Väter und gegen die Theologen richtet, von denen drei genannt werden: Huguccio, Petrus Lombardus und Thomas von Aquin35. Weiter heißt es, daß es bisher noch kein Lehrer des Pariser Studiums gewagt habe, eine solche Meinung zu publizieren. Sollte sich jemand herausnehmen, sie öffentlich zu vertreten, müßte man gegen ihn einschreiten36. An der Tatsache, daß Maria „notwendigerweise" in der Erbsünde empfangen wurde, besteht demnach für Johannes de Polliaco kein Zweifel, doch nimmt auch er an, daß sie nur kurze Zeit unter ihr stand37. Die Frage, ob Gott seiner absoluten Macht nach (de potentia absoluta) Maria vor der Urschuld bewahren konnte, wagt er nicht zu beantworten, er meint lediglich, daß ihm dies seiner ordentlichen Macht nach (de potentia ordinatd) wohl nicht möglich war (non Die Quaestio des Johannes de Polliaco ist ein bemerkenswertes Dokument aus den Pariser Anfängen der Immaculatadiskussion, das die Fremdheit der nova opinio im Universitätsmilieu bezeugt und zugleich belegt, daß sie sofort lebhafte Kontroversen provoziert und künftigen Auseinandersetzungen zwischen den Schulen den Weg gewiesen hat. Thomas von Sutton (f ca. 1315) gehört zu den frühen dominikanischen Gegnern der Unbefleckten Empfängnis, der sich, ohne den Namen des Aquinaten zu nennen, auf ihn beruft. In seinem dritten Qodlibet vertritt er die These, daß die heiligende Gnade der Seele Marias nicht im ersten Augenblick ihrer Beseelung und auch nicht vorher eingegossen wurde, da sie sich dann die Erbsünde nicht zugezogen hätte. Außerdem hätte dies die Würde Christi in seiner Eigenschaft als „universaler Erlöser aller Menschen" gemindert. Als gewiß hat zu gelten, daß die Heiligung vor ihrer Geburt und nicht lange danach geschah, da man sonst das Fest Maria Geburt nicht feiern dürfte. Sie muß allerdings eine gewisse Zeit unter der Erbsünde gewesen sein39. .
puto)38.
Ed. cit. 1, Anm.Vgl. V. Doucet, Raoul de Breton sed post infusionem animae intellectivae statim fuit sanctificata, et fuit praeventa antequam laberetur in peccatum (449). Q. III, a. I, ed. cit. 2 u. 12. Immo salva cuiuscumque reverentia videtur quod debeat haereticum reputari, quia illud quod est contra omnem scripturam, scilicet contra scripturam canonis, contra scripturam sanctorum et contra scripturam doctorum non potest probabiliter teneri seu pro opinione probabili. Zu den genannten Autoren s. ed. cit. 212. AaO 13. A. 2, ed. cit. 49. Quanto vero tempore in originali fuerit, nescio. Deus seit. Puto quod brevi. Sed ex quo originale contraxit, in tempore fuit ibi. A. III, ed. cit. 63-70. Das Quodlibet wurde von B. HECHICH ediert: De Immaculata conceptlone Beatae Martae Virginis secundum Thomam de Sutton O.P. et Robertum de Cowton O.F.M. Zu Au...
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Metz verteidigt gegen Heimich von Gent die These, Maria habe eine Zeitlang sei sie kurz oder lang gewesen unter der Erbsünde gestanden. Er selbst ist freilich überzeugt, sie sei in diesem Zustand lediglich während einer „sehr kurzen Frist" gewesen. Außerdem meint auch er, ihre Reinheit sei größer gewesen als die aller übrigen Menschen Nicolaus Trivet (t um 1343) schreibt in seinem IV. Quodlibet (ca. 1305/6), man müsse sagen, Maria sei eine Zeitlang (quandoque) in der Erbsünde gewesen, denn andernfalls hätte sie der Erlösung nicht bedurft. Das wiederum hätte eine Minderung der Würde Christi im Gefolge gehabt. Ob sich allerdings die Urschuld nur in einem „Übergang" in ihr befunden hat, ist seiner Ansicht nach zu untersuchen41. Die Argumente Heimichs von Gent für die Ansicht, Maria sei lediglich in instand mit der Erbsünde behaftet gewesen, wertet Nicolaus als „sehr subtil". Könnte man sie wirklich begründen, wären sie durchaus „vertretbar", da sie Maria zum Lob gereichten, doch meint er, deren Möglichkeit nicht „voll" erkennen zu können. Da er aber wisse, daß Maria für ihre herausragende Stellung menschliche Fiktionen nicht benötige, sehe er sich außerstande, jene These zu
Jakob
von
-
-
.
akzeptieren42.
tor und Werk s. TH. Kaeppeli E. Panella, Scriptores IV 392-400. Art.: Thomas v. Sutton, in: LMA VIII 724f (A. GERWING). Art.: Thomas v. Sutton, in: LThK3 9, 1536 (M. Rappenecker). Art.: Thomas von Sutton, in: ThomLex 664-669 (Th. Marschler). S. auch Thomas von Sutton, Quodlibeta, hrsg. v. M. Schmaus u. M. González Haba, Einleitung VII-XXXIV. Text von Quodl. II, q. 15, 436-477. Wir zitieren die Edition von B. Hechich, 64f. Sed certum est quod ante nativitatem eius ex utero sanctificata fuit, alioquin non celebraretur nativitas ipsius. Et rationabile et pium est credere quod non diu post eius animationem, qua in specie humana fuit constituía, -
mundata fuit a culpa originali per gratiam sanctificantem. Text bei: J.-F. Bonnefoy, Le vénérable Jean Duns Scotus 304. [Vera] opinio est quod beata Virgo fuit sub peccato originali per tempus sive breve sive longum; quod probatur per hoc quod dictum est quod nihil datur solo instanti etiam sub aliqua forma. Ad rationes. Ad primam dico beata Virgo habuit magis puritatem quam caeteri sancti intelligendo quod fuit sub culpa breviori tempore vel quia maiori gratia data est sibi. Zu den Sentenzenkommentaren der Schule s. B. Decker, Die Gotteslehre des Jakob von Metz, bes. 88-109. Th. Kaeppeli, Scriptores II331 f. Quodl. IV, q. 8, ed. A. Samaritani 765. Ad istam quaestionem dicitur quod necesse est dicere ipsam fuisse quandoque in peccato originali quia [si] non contraxisset originale non indiguisset redemptione facta per Christum, quod utique derogaret dignitati Xristi qui est universalis Redemptor humani generis. Zum Autor s. F. EHRLE, Nicolaus Trivet. Art.: Trevet(h), Nicholas, in: LMA VIII 979f (J. Taylor). Th. Kaeppeli, Scriptores III 187-196. Ed. cit. 768. Ista sunt multum subtiliter dicta et si possent bene defendi valde autem tenenda eo quod tendunt in laudem Virginis; tarnen quia plene possibilitatem istorum
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Ihm erscheint es deshalb vernünftiger, an Marias erbsündlicher Empfängnis festzuhalten. Wie lange sie unter ihr stand, sei nur dem bekannt, der sie geheiligt hat, und denen, denen er es zu offenbaren gewollt hat43. Dem Dominikaner Johannes von Neapel zufolge gehört die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis bereits zu den in akademischen Kreisen etablierten TheDie scharfe Zensur, sie sei häretisch, vertritt er nicht. Er meint nur, daß die sen herkömmliche Ansicht, die er „gegenwärtig" vertrete, „mehr" der hl. Schrift und den Heiligen Das gegnerische Prinzip, Gott könne seiner absoluten Macht nach Maria vor der Erbsünde bewahren, hält er für begründbar, meint jedoch, dies sei nicht angemessen (non decuit), weil dann die Jungfrau nicht wirklich durch Christus erlöst worden wäre. Das gelte allein für den Fall, daß sie in eigener Person der Knechtschaft der Sünde unterworfen gewesen ist46. Daß es sich tatsächlich so verhalten hat, bezeugten Schrift- und Vätertexte. Auch akzeptiert Johannes von Neapel nicht die Meinung, daß das „alle" der hl. Schrift Ausnahmen zulasse, in Wahrheit muß es als absolut verstanden werden47. Auch zum Fest der Empfängnis äußert er sich. Nach Bernhard von Clairvaux soll es dem Vorbild der römischen Kirche entsprechend nicht gefeiert werden. Wo man dies jedoch mit Duldung Roms tut, bezieht es sich auf die Zeit der Heiligung und nicht auf die der Empfängnis. Möglich ist schließlich, daß man es als Danksagung .
entspreche45.
begeht48.
Hervaeus Natalis referiert in seinem Sentenzenkommentar die damals in Paris Ohne die verschiedeMeinungen über die Unbefleckte nen Lösungen mit einer Zensur zu belegen, hält er an der traditionellen These
Empfängnis49.
vertretenen
video et scio quod beata Virgo ad commendationem suae excellentiae fictionibus humanis non indiget istam positionem nondum possum admitiere. Ed. cit. 772 igitur per rationes hic tactas et alias quas alii adducunt contra hoc videtur mihi rationalius poneré quod peccatum originale habuit per aliam moram brevem, cuius brevitas illi soli cognita est qui earn sanctificavit et illis quibus earn placuit revelare. Vgl. Th. KäPPELI, Scriptores II 495-498. Art.: Johannes (de Regina), in: ThomLex 311 -314 (H. Anzulewicz). Quodl. IV, q. 11, ed. cit. (Anm. 31) 76. Alii dicunt oppositum, scilicet quod concepta fuit in peccato originali. Quam opinionem tamquam magis consonam dictis sacrae Scripturae et sanctorum ad praesens teneo. Ed. cit. 76-79. Quantumcumque ergo beata Virgo fuisset praeservata, non tarnen potuisset dici vere esse redempta et salvata a Christo, nisi quandoque fuisset subiecta servituti peccati in persona propria et non solum in persona parentum (79). Ed. cit. 83f. AaO ad 4, ed. cit. 89f. In quatuor libros sententiarum commentaria, 1. III, d. 3, q. 1, ed. cit. 288-292. Art.: Hervaeus Natalis, in: LexThom 266-273 (Th. Marschler). non
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fest, da sich die Ansicht, Maria sei ohne Erbsünde empfangen, nicht mit der hl. Schrift, den Heiligen und Theologen vereinbaren läßt. Außerdem gilt: Erlösung ist nur denkbar, wenn jemand unter der Sünde steht. Das bloße Verhindern, daß jemand in diesen Zustand gerät, ist keine Erlösung im eigentlichen Sinn des Wortes. Ein sicheres Zeichen, daß es im Fall Marias so war, ist die Tatsache, daß sie gestorben ist50. Die Heiligung im Mutterschoß erfolgte bald nach der Empfängnis. Auch wurde ihr die Gnade viel schneller und reichlicher
Heiligen51.
gewährt
als anderen
Besondere Aufmerksamkeit verdient der Sentenzenkommentar des wegen seiner Außenseiterrolle in der Dominikanerschule inkriminierten Durandus de S. Porciano52. Zu zwei seinerzeit offenbar besonders diskutierten Thesen nimmt er auf eindeutige Weise Stellung. Die zuerst erörterte Ansicht besagt, daß Maria nicht in der Erbsünde empfangen wurde, weil sie gleichzeitig beseelt und mit der Gnade beschenkt wurde. Daß dies möglich ist, resultiert daraus, daß die Erbsünde formell allein in der Seele ist, während ihr Fleisch lediglich krankhaft infiziert wurde (mórbida infectio). Wenn sich nun Seele und Fleisch verbinden, zieht man sich für gewöhnlich die Erbsünde zu. Aufgrund der Unterschiedenheit jener infektiösen Eigenschaft des Fleisches von der Seele konnte Gott die massa camis vor Ansteckung bewahren oder, wenn sie erfolgt ist, reinigen, ehe die Seele eingegossen wird, so daß aus der Verbindung beider keine Erbsünde entsteht53. Die Angemessenheit einer solchen Befreiung Mariens von der allgemeinen Sündenverfallenheit folgt aus dem Umstand, daß es sich ziemte, die Mutter des Erlösers so zu ehren, wie es ihr zukommt und wie es möglich ist. Der Sohn hätte sie nun Ed. cit. 289 non potest stare cum dictis sanctorum et doctorum et sacrae scripturae. Nam secundum omnes per Christum omnes sunt redempti, et omnes tam beata Virgo Constat autem quod ipsa debuit mori et quam alii indiguerunt redimi per Christum mortua est. Ergo habuit peccatum originale. Ed. cit. 291. Vgl. Art.: Durandus a S. Porciano, in: LMK 2, 264 (O. Stegmüller/R. Schenk). I. Iribarren, Durandus of St. Pourçain. Dort weitere Literatur. Th. Kaeppeli, Scriptores I 339-350. In sententias theologicas commentarii, 1. III, q. 1, nr. 5, ed. cit. 217. Possibilitas ostenditur hoc modo, quia quamvis peccatum originale sit formaliter tantum in anima, in came tarnen est quaedam qualitas vel infectio mórbida, ratione cuius ex coniunctione animae ad carnem habentem talem morbidam qualitatem contrahitur peccatum originale. Cum igitur ista qualitas mórbida sit aliud ab ipsa came potuit virtute divina conservari talis massa carnis, ne inficeretur, et si esset infecta, potuit mundari ante infusionem animae, ut sit quantum ex parte generantis fuerit caro immunda et mórbida in se, tarnen virtute divina mundante facta est immaculata et munda, ut sic ex unione animae ad ipsam non contraheretur in animam peccatum originale. Et sic patet possibilitas. ...
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51 52
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nicht in diesem Maße
ausgezeichnet,
wäre
er
nicht jeder Schuld in ihr zuvorge-
kommen54. Und wie rechtfertigen die Anhänger der Unbefleckten Empfängnis, die Durandus nicht namentlich nennt, ihre von einer langen Tradition abweichenden Lehre? Ihr wichtigstes Argument ist, abgesehen von Texten Augustins, Anselms und Ri-
Victor, der Hinweis auf das in vielen Kirchen gefeierte Fest der Mariens5 Auf den Einwand, Maria wäre der Erlösung nicht bedürfEmpfängnis tig gewesen, hätte sie nicht unter der Erbsünde gestanden, antworten sie, daß dies
chards
von
St.
.
in der Tat zuträfe, wenn sie weder in sich noch in ihrer Wurzel ihr verfallen gewäre. Da sich jedoch Maria in ihrer Wurzel, in ihren Eltern, in der Knechtschaft der Sünde befand, kann man sagen, daß auch sie wirklich auf die Erlösung 56 angewiesen war Der These und ihrer Begründung stimmt Durandus nicht zu. Der entscheidende Gedanke, daß Gott Maria von der im Fleisch befindlichen krankhaften Eigenschaft vor der Beseelung reinigen konnte, so daß sich die Seele durch die Vereinigung mit dem Fleisch nicht die Erbsünde zugezogen hat, beruht auf einer falschen Voraussetzung. Wie er, Durandus, gezeigt habe, habe die Urschuld in der menschlichen Natur lediglich den Entzug der ursprünglichen Gerechtigkeit bewirkt, so daß die Natur sich selbst überlassen war. Das hatte zur Folge, daß in der Natur des Fleisches nur das als Realität verblieb, was sich aus den Prinzipien der Natur an sich ergibt. Dieser „Rest" ist jedoch kein hinreichender Grund, daß sich jemand die Erbsünde zuzieht57. Schließlich bestreitet Durandus die Angemessenheit einer Bewahrung Mariens vor der Erbsünde. Der Grund liegt in der einzigartigen Empfängnis Christi, die ein ebenso einzigartiges Privileg voraussetzt, das er mit keinem anderen teilen wesen
.
nr. 6. Congruitas vero patet sie: Filius tenetur honorare matrem quantum decet potest, sed non satis honorasset earn, si in ea non praevenisset omnem culpam.
AaO,
et
7, éd. cit. 218 sed multae ecclesiae faciunt festum de conceptione beatae Mariae. Ergo ipsa fuit concepta sancta. AaO. Quum ergo beata Virgo esset servitud peccati originalis obnoxia in sua radice (scilicet in parentibus), si fuit impeditum virtute divina, ne se in servitutem hanc ineurreret, ut esset convenientior mater Salvatoris, vere potest dici quod indiguit beneficio redemptionis, et tanto magis et familiarius fuit redempta, quanto redemptio fuit in ipsa
Nr.
...
celerius inchoata.
nr. 9 per primum peccatum nihil plus factum est circa naturam humanam, nisi sublata fuit quod originalis iustitia et natura sibi derelicta, propter quod in natura carnis nihil est reale post peccatum nisi quod sequitur principia naturae secundum se. Tale autem non est sufficiens ratio contrahendi originale.
AaO,
...
20
kann. Er allein wurde vom Hl. Geist und nicht von einem Mann empfangen Durandus hält allerdings daran fest, daß Gott Maria vor der Erbünde hätte bewahren können. In seiner Macht lag und liegt es, jeden von einem straffälligen Zustand (reatus) auszunehmen, so daß ihm dieser nicht zur Schuld angerechnet wird59. Wie Gott hätte wollen können, daß sich die vom sündigen Adam abstammende Nachkommenschaft die Erbsünde nicht hätte zuziehen müssen, so könnte also auch er immer noch seiner absoluten Macht gemäß jeden vor ihr bewahren .
Maria60.
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Während Durandus unter dem Aspekt der göttlichen Omnipotenz das Freisein Marias von der allgemeinen Sündenverfallenheit verteidigt, lehnt er deren Faktizität im Blick auf die derzeitige Heilsordnung, die eindeutige Schriftworte bezeugen, ab. Die zu ihren Gunsten vorgetragenen Angemessenheitsgründe erledigen sich somit von selbst. Für falsch hält er allerdings das Argument, Maria habe nur unter Voraussetzung der Erbsünde als wahrhaft erlöst zu gelten. Selbst wenn sie vor ihr bewahrt worden wäre, hätte sie der Erlösung bedurft, weil sie in der Wurzel, aus der Natur ihrer Empfängnis, unter der Erbsünde gestanden hätte61. Und wie verhält es sich mit der liturgischen Feier der Empfängnis? Auch sie ist als Argument für die gegnerische These ungeeignet, weil das Fest entweder keinen rechten Anlaß oder keinen zutreffenden Namen hat. Unter dem Titel der Heiligung Mariens dürfte es begangen werden, da aber deren Tag unbekannt ist, während der ihrer Empfängnis feststeht, hat man das Sichere anstelle des Unsicheren genommen und das Fest unter dem Namen der Empfängnis eingeführt. Das Umgekehrte wäre indes Mit der Betonung der denkerischen Möglichkeit einer Unbefleckten Empfängnis Mariens in einer theoretischen Heilsordnung, für die es kein Offenbarungszeugnis
richtig62.
nr. 10. Cuius ratio est quia singularis conceptio debuit dotari singulari privilegio, sed filius Dei secundum humanitatem habuit singularem conceptionem, eo quod est conceptus non de viro sed de Spiritu Sancto Ergo non decuit quod conceptio cuiuscumque alterius, etiam matris dotaretur hoc privilegio. sed constat quod Deus gratis posset nunc quemcunque concipiendum AaO, nr. 8 ab illa excipere obligatione reatus seu debiti, ut nullo modo imputaretur ad culpam. AaO si voluisset quod Adam peccante illi qui nati fuissent ab eo nullum peccatum contraxissent... ita a generalitate ilia qua nati ab Adam contraxerunt originale, potuisset et adhuc posset de potentia absoluta excipere quem vellet. Et per hunc modum fieri potuit quod beata Virgo peccatum originale non contraheret. Nr. 14, aaO. Puto tarnen quod si beata Virgo peccatum originale non contraxisset, potuisset tarnen vere dici redempta a Deo pro eo quod in radice sua ex natura suae conceptionis obligata erat ad incurrendum peccatum, nisi fuisset a Deo praeservata. AaO. Est autem certum quando fuit concepta, ideo ponendo certum pro incerto vocatur festum conceptionis, quod deberet vocari festum sanctificationis.
AaO,
...
...
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21
sucht Durandus einem zu seiner Zeit diskutierten Problem zu entsprechen, ohne die klassische Lehre seiner Schule von der uneingeschränkten Erbsündlichkeit aller Menschen zu verlassen. Ähnlich denkt auch Petrus de Palude. Er meint, Maria hätte auch dann als von Christus erlöst zu gelten, wenn sie sich nicht die Erbsünde zugezogen hätte. Er begründet seine Ansicht so: Sie wäre wurzelhaft, aus der Natur ihrer Empfängnis in jedem Fall der Erbsünde teilhaftig gewesen, wenn sie nicht von Gott vor ihr bewahrt worden wäre, da sie einer Verbindung von Mann und Frau entstammte Gott konnte dies seiner absoluten Macht nach. Der geordneten Macht nach, also in der Weise, wie Maria tatsächlich empfangen wurde, ist es indes probabler, daß sie vor der Erbsünde nicht bewahrt worden ist64. Auch zum Fest der Empfängnis äußert sich Petrus de Palude. Es wäre zu feiern, wäre Maria „ganz rein" gewesen. Da dies nicht so war, weil sie noch unter der Sünde stand, hat es zu unterbleiben. Gleichwohl hat es seine Berechtigung, begeht man es unter dem Aspekt der Heiligung, die am selben Tag geschehen ist65. Ausführlich beschäftig er sich schließlich mit der seit
gibt,
.
Sententiarum, Paris 1517, d. 3. Hier zitiert nach P. Alva y Astorga, Sol 249, 684, der versichert, den Pariser Druck benutzt zu haben. Puto tarnen, quod si Virgo Beata originale non contraxisset, potuisset tarnen veré dici redempta a FiIn tertium
veritatis,
nr.
lio Dei pro eo, quod in radice sua ex natura suae conceptionis obligata erat ad incurrendum peccatum, nisi fuisset a Deo praeservata. Patet ergo primum principale quod Beata Virgo sanctificatione indiguit. Zum Autor s. Art.: Petrus de Palude, in: ThomLex 495-496 (R. Christian). Ed. cit. 684. Inquirendum autem de his opinionibus videtur quod de potentia absoluta Deus potuerit B. Virginem ab originali praeservare, supposito quod fiierat concepta secundum legem communem Sed potentia ordinaria et de facto videtur probabilius quod non potuit praeservari nec fuit praeservata.... Constat autem quod Deus de potentia absoluta potuit dare gratiam, et per consequens debitum gloriae animae, quando infundebatur, imo ante infusionem potuit anima creari, et gratia concreari, et sie peccatum non contraxisset. Sed de potentia ordinaria et de facto videtur probabilius, quod non potuit preaeservari nec fuit praeservata. Ed. cit. 685b. In einer Predig zum Fest der Empfängnis Mariens sagt Petrus de Palude, er halte zwar die opinio antiquorum, vertreten etwa von Bernhard und Thomas v. A., für probabilior, möchte jedoch die, die viele moderne Theologen halten, nicht verurteilen: Que autem istarum opinionum sit verior, nolo determinare ad presens, quia quamvis opinio, que ponit earn coneeptam in originali, sit antiquorum doctorum et sanctorum sicut beati Bernardi et beati Thome de Aquino et michi probabilior videatur, tarnen nolo earn asserere contrariam condempnando seu assertive replicando, quia etiam illa est multorum et magistrorum et catholicorum modernorum, et quamvis necesse sit alteram esse veram et alteram falsam, quia sunt contradictorie, tarnen possibile est utramque esse probabilem, quia nichil prohibet quedam false esse probabiliora quibusdam veris. Unde neutram istarum opinionum diffinitive approbo, neutram reprobo, sed -
...
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Heinrich von Gent diskutierten Frage, ob Maria im selben Jetzt (instans) geheiligt werden konnte, in dem sie sich die Erbsünde zuzog. Da Gottes Allmacht nur das in sich Widersprüchliche entzogen ist, ist es möglich, daß sie nur einen Augenblick (instans) in der Erbsünde war und danach in der Gnade. Obschon diese Ansicht eine hohe Probabilität besitzt, wagt Petrus de Palude nicht, sich definitiv für sie zu entscheiden. Gott allein weiß, was er getan hat, denn alle Dinge, die von seinem Willen abhängen, sind uns nur durch Offenbarung bekannt66. Die beiden prominenten Dominikanertheologen halten zwar persönlich an der Unbefleckten Empfängnis Mariens fest, doch räumen sie unter bestimmten Bedingungen, die freilich in der jetzigen Heilsordnung nicht gegeben sind, eine andere Lösung ein, die auf der absoluten Macht Gottes beruht. Auf eine Zensurierung der gegnerischen Position verzichten sie. Bemerkenswert ist femer, daß die theologische Tradition und die Lehre des Aquinaten bei ihrer Argumentation keine wesentliche Rolle spielen. Die in der Sache und in der Sprache schärfste Attacke gegen die Immakulisten führt Johannes Dominici in seinem Traktat De concepdone B. Virginis aus dem Jahr 139067. Die Abhandlung beginnt mit einer Häresieanklage gegen die, die Maria von der Erlösung durch Christus ausnehmen möchten, indem sie sagen, sie sei ohne Erbsünde empfangen worden. Daß sie dieses Urteil zu Recht verdienen, sucht der Autor mit Aussagen von Vätern und Theologen zu belegen 8. Auf die Texte seiner Gewährsleute brauchen wir nicht einzugehen, sie reichen von Augustinus bis zu Beda. Auch die Namen der scholastischen Theologen des eigenen Ordens, der Franziskaner, Augustiner und Karmeliten, die die Diskussion beherrschten, sollen nicht aufgezählt werden. Die daraus zu ziehende Konklusion ist dico cum beato Gregorio in omelia de nupciis filii regis: Ego salva fide melius puto alieno intellectui cederé quam contencionibus deserviré (PL 76, 1282C). Clermond Ferrand, Bibl. munie. 46, fol 19r-19v. Den Text hat mir freundlicherweise P. Simon Tugwell OP, Rom, zur Verfügung gestellt. Vgl. die fehlerhafte Transscription bei J. Dunbabin, A Hound of God 34, Anm. 10. Ed. cit. 686a. Cum igitur nihil sit subtrahendum potentiae divinae nisi illud quod clare contradictionem implicat, poneré autem quod Beata Virgo fuit per solum instans in originali peccato et deinceps semper in gratia, non implicat contradictionem, imo habet magnam probabilitatem; ideo tenendum est, quod Deus faceré potuit quod ipsa fuit in originali peccato per solum instans. Utrum autem hoc fecerit ipse novit, quia ilia, quae mere dependent ab eius volúntate non sunt nobis plene certa nisi ipse revelaverit. Zu Heinrich von Gents Thesen s. M. Lamy, L'Immaculée Conception 306-323. A. Leite DE F ARI A, L'attitude des théologiens. Ed. P. DA Prati. Art.: Johannes Dominici, in: LMK 3, 392-394 (R. Schenk). Th. Kaeppeli, Scriptores II 406-413. Ed. cit. 30. -
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für Johannes Dominici eindeutig: Niemand darf die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis halten, sie ist vielmehr eindeutig als Häresie zu erachten, weil sie sich gegen die Schrift und die Theologen richtet69. Ihre Anhänger haben als „Erfinder von Neuem" zu gelten, die einen 1300 Jahre alten Glauben umstürzen möchten. Auch bedient sich Johannes Dominici eines eher kuriosen Arguments: Wäre Maria ohne Erbsünde empfangen worden, so hätte sie nicht das Vaterunser mit seiner Vergebungsbitte beten können Zu den bedeutenderen Dominikanertheologen, die in der Frage der Unbefleckten Empfängnis von der inzwischen etablierten Ordensdoktrin abgewichen sind, ist Robert Holcot in Oxford zu zählen71. In seinem Kommentar zum Buch der Weisheit Salomos (ca. 1333/34) schreibt er, daß Maria, als sie im Mutterschoß zu existieren begann, geheiligt wurde. Vorher konnte sie naturgemäß nicht heilig sein. Das geschah im Augenblick (penes instans) der Eingießung der Seele in einen hinreichend gebildeten Leib. Gleichzeitig wurde sie von jeglicher Unreinheit, mit der dieser kraft der Zeugung behaftet war, gereinigt72. In einer zweiten Heiligung anläßlich der Empfängnis Christi wurde sie vom fames befreit und mit Gnade beschenkt, so daß ihr freier Wille auf das Gute festgelegt wurde73. .
70 71
7
73
Ed. cit. 47. Michi videtur quod non possit ab aliquo pro opinione teneri sed potius pro heresi reputari, quod beata virgo non contraxit originale peccatum cum sit contra sacram scripturam et dicta sanctorum Ed. cit. 57. Zu den Werken Holcots s. Th. Kaeppeli, Scriptores III 313-320. Art.: Robert Holcot, in: LThK3 3, 1220 (R. IMBACH). Zur Distanzierung der Oxforder Dominikaner von Thomas s. W.J. COURTENAY, Schools & Scholars 178-182. In librum Sapientiae regis Salomonis praelectiones, c. 14, lectio 161, ed. cit. 532f. Nam quam cito Virgo beata habuit esse in utero, tam cito fuit sanctificata. Non enim potuit esse sancta antequam esset vera. Ergo conceptio beatae Virginis attenditur et sumitur penes instans infiisionis animae in corpus sufficienter et debito modo organisatum, necnon ab omni qualitate inordinata, qua contraxerat ratione propagationis seminalis, purgatum et emundatum. Et sie patet quod isto modo capiendo nomen conceptionis stricte et proprie beata Virgo non fuit concepta in peccato originali. Alio modo capitur multum improprie et large per infusionem seminis in matricem, ex quo semine corpus debuit formait in utero matris suae. Et iuxta hoc multum improprie dicunt quidam ipsam fuisse conceptam in peccato originali, quod non est aliud, nisi quod anima beatae Virginis fuisset corpori suo ex illo semine formato unita absque purificatione et emundatione illius corporis a qualitate mórbida contracta ratione propagationis. Es handelt sich also um die von Durandus verworfene These. AoO. Sed sanetificatio secunda fuit in coneeptione Filii sui benedicti, quando fomes ablatus fuit secundum essentiam et gratiam superadditam quae flexibilitatem liberi arbitrii determinavit ad bonum.
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Fragen der Konvenienz und zur Begründung der These aus Schrift und Vätern äußert sich Holcot nicht. Auch später hat es im Orden Außenseiter gegeben, die die nova opinio verteidigten. Um 1350 verfaßte der Engländer Thomas Hopeman einen Kommentar zum Hebräerbrief, in dem er sie lehrte74. Auch Johannes Nanni von Viterbo hat sich nach einer Heilung seiner Krankheit zu ihr bekannt75. Petrus Compostellanus (Pelagius) ist hingegen nicht zu den Anhängern der Unbefleckten Empfängnis zu rechnen Um zu zeigen, wie breit die Ablehnung der nova opinio während des 14. Jahrhunderts war und wie man sie begründete, mag es angebracht sein, einen Blick auf einflußreiche Theologen anderer Orden und Schulen zu werfen. Über eine lange Zeit bildeten sie zusammen mit den Dominikanern eine geschlossene Abwehrfront, die sich allerdings gegen Mitte des Jahrhunderts auflöste. Beginnen wir mit einem bedeutenden Repräsentanten des Karmelitenordens. Guido Terreni hat 1315 ein Quodlibet disputiert, dessen Anlaß die Frage nach der Erlaubtheit des Festes der Empfängnis war77. Der Autor weiß, daß „einige Fromme" (quidam devoti) in der Absicht, die Heiligkeit Mariens zu wahren, sagen, sie sei nicht in der Erbsünde empfangen worden, wofür Gottes Allmacht und die Angemessenheit eines solchen Privilegs sprächen. Bemerkenswert ist das persönliche Bekenntnis Guido Terrenis: Aus Verehrung für Maria gefiele ihm diese Meinung sehr, wenn hl. Schrift und Väter ihr nicht entgegenstünden78. Mit vielen Texten sucht er zu belegen, daß sich Maria wie alle Menschen von Adam herleitet und folglich unter der Erbsünde steht, nirgendwo ist von einer Ausnahme die Rede79. Somit läßt sich die Einleitungsfrage nach der Erlaubtheit des Festes der Empfängnis beantworten. Da die Erbsünde Maria von Gott trennt, darf es nicht gefeiert werden. Man sollte es eher Fest der Heiligung nennen80. Im Karmelitenorden markiert Johannes Baconthorpe eine Wende in der Kontroverse um die Immaculata. In seinem Kommentar zum zweiten Sentenzenbuch Zu
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Vgl. St. Forte, Thomas Hopeman, bes. 334-344.
Texte bei E. Fumagalli, Aneddoti. So L. MODRIC, De Petro Compostellano 571 f. Text in: A. Samaritani, De beatae Mariae Virginis 798-820. Zu Leben und Werk s. B.M. XlBERTA, Guiu Terrena. Th. TURLEY, The Ecclesiology of Guido Terrent. Ed. cit. 800. Ista opinio, propter reverentiam beatae Virginis, multum mihi placeret nisi auctoritatibus Canonis et Sanctorum obviaret, unde sequendo auctoritates Sanctorum et Canonis, salva semper eius puritate et reverentia, teneo quod fuit concepta in originali. Ed. cit. 811. Ex quo patet quod Sancti includunt beatam Mariam sub generali sententia Apostoli qua dicit omnes in Adam peccasse Ed. cit. 816f. ...
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(1312-1325) hatte er die traditionelle Auffassung vertreten, während er nach Etappen mehrdeutiger Texte im vierten Sentenzenbuch (gegen 1340) die opinio 01
befürwortete Ähnlich verlief die Entwicklung im Augustinerorden. Aegidius Romanus lehnte die Unbefleckte Empfängnis ab. Es geht, schreibt er, nämlich nicht um die Frage, was Gott seiner absoluten Macht nach kann, sondern allein um die Angemessenheit und disposido, die er den Aposteln offenbart hat82. Dasselbe ist für Augustinus von Ancona (Triumphus) Gregor von Rimini fragt nicht, ob eine Mariens ohne Erbsünde möglich ist, da wir mit der menschlichen Empfängnis Vernunft darauf keine Antwort erhalten können. Weil eine Possibilientheologie nicht weiterhilft, möchte er sich „eher" an Aussagen halten, die mit der hl. Schrift und den Vätern in Einklang stehen84. Wo sich die Schrift zum Gegenstand äußert, lehrt sie, daß ausnahmslos alle auf natürliche Weise geborenen Menschen in die Urschuld verstrickt sind85. Dieselbe Einmütigkeit weisen auch die einschlägigen Vätertexte auf, unter denen die Zitate aus Augustinus die dominierende Rolle spielen, während für die entgegengesetzte Ansicht nur „wenige Theologen" (aliqui doctores) mit schwachen Argumenten plädieren nova
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bezeugt83.
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Texte bei L.
a. 2, ed. cit. 220. Augustiprobat quod omnes contraxerunt nisi solus fílius Virginis, scilicet Christus. In IV Sent., d. 2, q. 3,. a. 3, ed. cit. 280. Ubi nota quod mox per privilegium spéciale in hora conceptionis fuit causa et nécessitas contrahendi originale in matre Dei extincta, ut de iure privato in animacione non contraheret originale quod vocatur culpa et macula in anima. S. auch M. Lamy, L'Immaculée Conception 412-414. S. nus
contra
Saggi, Ioannis Baconthorpe: In Sent. II, d. 30,
Pellagianos
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femer C. CATENA, La dottrlna immacolista, bes. 135-145. In tertium librum Sententiarum, d. III, p. I, q. 1, a. 1, éd. cit. 96. Respondeo dicendum, quod non est quaestio, quid Deus possit faceré secundum potentiam absolutam, sed quid decet eum faceré secundum potentiam ordinatam Hanc autem dispositionem et ordinationem revelavit sanctis apostolis. Quodlibet VI, q. II, éd. cit. 423: Tenebimus pro veritate quaestionis, tanquam rationabilius dictum, quod beata Virgo fuerit sub originali concepta et in conceptione virtus virilis seminis et amplexus maritalis intervenerit sub hujusmodi originali culpa per aliquod tempus fuerit; licet valde credibile sit, quod tempus illud fuerit valde breve et quasi imperceptibile. Und: sic celebrare possumus conceptionem ejus secundum carnem; non quod hoc modo fuerit concepta sancta, sed quia futurum esset ut esset valde sancta. Vgl. Art.: Àgidius von Rom, in: LMK 1, 42 (A. -
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...
Zumkeller). 4
5 6
In salutationem et annunciationem angelicam In 2 Sent., d. 30-33, q. 2, éd. cit. 198. AaO, a. 1, éd. cit. 198. AaO 202.
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(Super Missus est), lectio II, ed. cit.
15f.
Ungefähr gleichzeitig kündete sich auch im Augustinerorden ein Kurswechsel an. So schreibt Thomas von Straßburg um 1335 als erster Augustiner, daß Maria ohne Erbsünde empfangen wurde, weil Gott dies kann und weil es seiner Güte angemessen war87. Hermann von Schildesche hat um 1350 einen umfangreichen und sorgfältig ausgearbeiteten Traktat verfaßt, von dem dessen Herausgeber meint, er sei die erste Abhandlung in Deutschland, der die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis vertritt88. Das Resultat unseres Überblicks ist für die Nachgeschichte von erheblicher Bedeutung. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts hat sich die ehemals geschlossene Abwehrfront der Antiimmakulisten aufgelöst, so daß die Theologen des Predigerordens mehr und mehr ins Abseits gerieten.
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Commentaria in Uli libros Sententiarum, 1. III, d. 3, q. 1, ed. cit. 81rb ponam duas conclusiones. Prima est quod Deus potuit Virginem matrem praeservare ab originali culpa. Secunda, quod hoc congruum fuit et divinam bonitatem decuit. Tertio, infero unum corollarium, scilicet quod de facto Virgo mater sine peccato concepta fuit. Dazu s. K. Binder, Thomas von Strassburg. Tractatus de conceptione gloriosae virginis Mariae, éd. cit. Art.: Hermann v. Schildesche, in: LMK 3, 152f (A. Zumkeller). S. auch A. Zumkeller, Erbsünde, Gnade 4347 (510-513), 315-317. ...
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II. Kapitel Die ersten großen Kontroversen
1. Die katalanischen Dominikaner
Die universitäre Diskussion um die Unbefleckte Empfängnis ist über lange Zeit ohne größere öffentliche Polemik verlaufen, auch wenn die gelegentliche Qualifizierung der nova opinio als Häresie eine Vorahnung der gegen Ende des 14. Jahrhunderts einsetzenden und in Basel einen ersten Höhepunkt erreichenden Kontroversen gibt. Den Auftakt macht ein Streit zwischen dem katalanischen Dominikaner Johannes de Montesono (Monzón) und der Pariser Universität, der ein breites Echo fand und zeigte, daß der Orden im akademischen Umfeld in eine bedrängte Lage geraten war1. Die Pariser Fakultät verurteilte 1387 eine Reihe von Sätzen des Dominikaners, von denen sich einige auf die Mariologie bezogen. In der zehnten und elften Proposition der Liste heißt es: Wer behauptet, daß sich nicht jeder Mensch Christus ausgenommen von Adam her die Erbsünde zugezogen habe, verstößt ausdrücklich gegen den Glauben. Und: Wer sagt, die Jungfrau und Gottesmutter stehe nicht unter der Erbsünde, verfehlt sich eindeutig gegen den Glauben Die dreizehnte Proposition verwirft die These, es sei klarer, gegen die hl. Schrift zu behaupten, Maria sei nicht in der Erbsünde empfangen, als zu sagen, sie sei gleichzeitig selig und im Pilgerstand vom Augenblick ihrer Empfängnis oder Heiligung an Anstoß erregte ferner ein methodischer Grundsatz des Katalanen, wonach bei der Auslegung der hl. Schrift, bei der Festlegung -
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gewesen3.
1
S. den Überblick bei M. Lamy, Immaculée conception 562-591. Art.: Johannes de Montesono, in: LMK 3, 407f (R. Schenk). J. GoÑI Gaztambide, Fray Juan de Monzón. Th. Kaeppeli, Scriptores II 487-490. G. OiJY, La plus ancienne œuvre, bes. 478ff. D.A. Mortier, Histoire des maîtres généraux, t. Ill, 620-645.
theologicae parisiensis, in: Chartularium Universitatis Parisiensis, éd. cit., III, 1559, 493ff. Décima propositio: Non omnem hominem, prêter Christum, contraxisse ab Adam peccatum originale, est expresse contra fidem. Revocanda est tanquam falsa, scandalosa et piarum aurium offensiva et presumptuose asserta, non obstante probabilitate questionis, utrum beata Virgo ftierit in peccato originali concepta (494f).Undécima propositio: Beatam Mariam Virginem et Genitricem non contraxisse peccatum originale est expresse contra fidem (495). 3 AaO. Tertiadecima propositio: Magis est expressum contra sacram scripturam, beatam Virginem non esse conceptam in peccato originali, quam asserere ipsam fuisse simul beatam et viatricem ab instanti sue conceptionis vel sanctificationis. Schedula facultatis t.
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nr.
der kirchlichen Lehre und bei den Erklärungen der Doktoren der Entscheid allein an Hand der hl. Schrift zu treffen ist Diese Sätze wurden zusammen mit anderen Thesen als falsch und skandalös, aber nicht als häretisch verworfen. Ferner wurde verfügt und dieser Schritt antizipierte spätere Universitätsstatuten -, daß von nun an jeder Kandidat gehalten war, sich vor Erlangung akademischer Grade von der Johannes de Montesono vorgelegten Irrtumsliste eidlich zu distanzieren5. Der von etlichen Autoren konstatierte Wandel in der Methode, die Vernachlässigung der klassischen Autoritäten, wird immer mehr das Argument gegen die Immakulisten, wie sich an Hand der folgenden Traktate und Reden gut illustrieren läßt. An erster Stelle sei auf die Brevis compilado eingegangen, die, zwischen 1393 und 1395 entstanden, wahrscheinlich einen katalanischen Dominikaner zum Verfasser hat6. Der historische Ort dürfte durch den Umstand markiert sein, daß der Pariser Konflikt mit Johannes de Montesono die Predigerbrüder insgesamt und die Mitglieder der aragonesischen Provinz insbesondere in arge Bedrängnis gebracht hatte, auf die sie reagieren mußten. Die immakulatafreundliche Haltung des aragonesischen Königshauses brachte zudem erstmals einen politischen Akzent in die theologischen Diskussionen, der von jetzt ab neben die theologischen Argumente tritt. Daß sie die Situation der Opponenten erschwerte, braucht kaum vermerkt zu werden. Auch der Autor der Brevis compilado stellt das Problem der theologischen Tradition in das Zentrum seiner Argumentation. Auf die Vätertexte sei hier nicht eingegangen, wohl aber lohnt sich ein Blick auf die Theologen der jüngeren Vergangenheit. Neben Thomas v. Aquin nennt er Albertus Magnus, Petrus de Tarantasia, Hugo von St. Cher, Johannes Brito, Nicolaus de Trevet sowie Nicolaus Eymerich, mit dem er eine wichtige Person in die Debatte bringt. Eigens merkt der Anonymus an, daß einige behaupteten, die nova opinio sei häretisch7. Eine umfangreichere Liste zu präsentieren hält er nicht für nötig, da der Orden ohnehin als Verteidiger der herkömmlichen Doktrin gilt. Für den zu erreichenden Zweck eindrucksvoller ist das Aufgebot von Minoritentheologen, das von Bonaventura und Bertrand de Turre, zwei Kardinälen, angeführt wird. Auf sie folgen 11 Franziskaner, unter denen sich neben Alexander .
-
AaO.
Quartadecima propositio:
In
exposicione
sacre
sciptere,
sive determinando per
ecclesiam, sive declarando per doctores, sive excipiendo per quemcumque, de scriptura sacra et non abunde trahenda est determinado, declaracio sive exceptio, sicut in gramatica, que regulas ponit in eadem, excepcio reperiter (495). 5AaO,nr. 1568, 512f. 6 Ed. J. DE PUIG i Oliver, La Brevis Compilado. Einleitung: 241 -263. 7 Ed. cit. 296.
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Hales, Nicolaus von Lyra, Richard von Mediavilla, Johannes Rupella auch Duns Scotus befindet Guido Terreni repräsentiert in der Aufzählung die Karmeliten und Aegidius Romanus die Augustinereremiten Der Weltklerus ist mit angesehenen Autoren vertreten: Petrus Lombardus, Johannes de Polliaco, Wilhelm Duranti mit seinem Rationale de divinis officiis, das wegen der Probleme im Zusammenhang mit dem Fest der Empfängnis in der späteren Literatur oft Erwähnung findet Dasselbe trifft auch auf die verhältnismäßig große Zahl von Kanonisten zu, die der Anonymus aufbietet, um das liturgische Argument der Immakulisten, die Kirche feiere das Fest der Empfängnis, zu entkräften. Die Liste reicht von Gratian über Huguccio, Guido de Baysio, Wilhelm Duranti und Hostiensis bis zu Johannes Andreae, um nur die großen Rechtsgelehrten zu nen-
von
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nen11.
Auch die von uns vorhin behandelten Thomisten haben sich auf Gewährsleute berufen, aber von nun an werden Kataloge, die immer mehr Autoritäten aufzählen, das zentrale Argument gegen die Neuerer, von dem man sich große Überzeugungskraft verspricht. Aus der Vielzahl der zitierten Theologen mit den für sie charakteristischen Texten zieht der Verfasser der Brevis compilatio zwei Konklusionen. Die Autoren, die die neue Doktrin bestreiten, können zu ihren Gunsten auf Gründe von größtem Gewicht verweisen. Altes und Neues Testament, die vier Kirchenväter Gregor d. Gr., Augustinus, Ambrosius und Hieronymus sowie Heilige und Magistri, denen das kanonische Recht einen hohen Stellenwert einräumt, stehen auf Seiten der Tradition12. Und worauf können sich die Immakulisten berufen? Die Antwort wird, wohl mit Rücksicht auf die Reaktionen, die die Thesen des Johannes de Montesono in Katalonien hervorgerufen hatten, vergleichsweise vorsichtig formuliert. An erster Stelle werden die Theologen des Minoritenordens genannt, denen einige Augustiner und Karmeliten zur Seite stehen, die allerdings ungenannt bleiben. Ferner befürwortet sie die Universität Paris mit „einigen modernen Theologen". Auch gibt es „sehr bekannte, berühmte und bewährte" Magistri und Doktoren an UniDaß sich solche Konzesversitäten, die den vorhin erwähnten Orden
angehören13.
8
9 10 11 12 1
Ed. Ed. Ed. Ed. Ed. Ed.
cit. 285-292. cit. 292f. cit. 294-296. cit. 297-300. cit. 305. cit. 305f. E contrario negativam tenentes et predicantes, ut sunt reverendi religiosi magistri in sacra pagina ordinis minorum et aliqui carmelitarum et aliqui ordinis sancti Augustini et universitas Parisiensis aliquorum magistrorum modernorum, etiam dico quod reperiantur notabilissimi et famosissimi et probati magistri et doctores universita-
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sionen nicht aus den bisher vorgetragenen Texten und Argumenten ergeben, mag zeigen, wie umsichtig der aragonesische Dominikaner mit seinen Widersachern umgehen mußte. Jede Verunglimpfung war zu vermeiden. Grundsätzlich gilt: Den antiqui werden die moderni gegenübergestellt, als deren wichtigste Argumente allegorisch gedeutete Schriftstellen (similitudines sacre scripture), dialektische Gründe, Wunder und Offenbarungen zu gelten haben14. Der Anonymus läßt freilich keinen Zweifel an der Haltlosigkeit von Beweisen solcher Art, da ihnen so viele gewichtige Autoritäten aus Schrift, Vätern, Lehrern und aus dem kanonischen Recht widersprechen. Dialektik und Wunder können gegen sie nichts ausrichten. Auch die Berufung auf die größere Frömmigkeit der nova opinio überzeugt nicht, da der Wahrheit ein höherer Rang zukommt15. Abschließend versichert der Anonymus, er habe seine Abhandlung geschrieben, um dem Leser ein Urteil in dieser Kontroverse zu ermöglichen, aber seine eigentliche Absicht, in einem scheinbar objektiven Gewand die makulistische Position angesichts mächtiger Gegner zu verteidigen, läßt sich unschwer erkennen16. Im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Brevis compilado steht der Traktat Saccellus pauperis peregrini des katalanischen Dominikaners und Inquisitors Nicolaus Eymerich In seinen gegen die Unbefleckte Empfängnis gerichteten Abhandlungen, unter denen der Saccellus schon wegen seines Umfangs einen besonderen Platz einnimmt, betrat er auch unter politischen Aspekten ein höchst gefährliches Feld1 Als Inquisitor war er ebenfalls in vielfacher Hinsicht kompromittiert. König Johann I. hatte 1394 das Fest der Empfängnis in .
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-
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14
tis etiam ordinum predictorum; antiqui tarnen, de quibus nonnulli superius sunt scripti, eis contrarii in hac parte videntur, recentes tarnen illam fundare cogunt in eorum scriptis et predicationibus, per auctoritates et similitudines sacre scripture et nonnullorum sánete matris Ecclesie doctorum ac magistrorum, neenon et per rationes dialécticas et consequentias ac miracula, portenta, revelationes et per privilegium, prerogativas, pietatem et dicta seu scripta etiam paganorum, que omnia etiam contrarii contendunt illudere, multipliciter refutando, ut in sequentibus apparebit. Ed. cit. 306. Ed. cit. 315. Et quod rationes et argumentationes admitti non debeant in proposito, in quo tot et tante auctoritates sacre scripture canonice, canonum, sanctorum patrum et doctorum Ecclesie et magistrorum militare videntur Zum Frömmigkeitsargument s. 315f. Ed. cit. 316f. Ediert von J. DE PuiG i Oliver, El „Saccellus pauperis peregrini". Text: 205-264. Th. Kaeppeli, Scriptores III 156-165. L. Robles, Escritores dominicos 150-169. S. vor allem C. Heimann, Nicolaus Eymerich. Werkverzeichnis 168-209. Präzise Darstellung bei M. LAMY, L'Immaculée Conception 575-586. ...
16 17
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seinen Ländern vorgeschrieben und den Gegnern striktes Schweigen auferlegt Der herausfordernde Ton, in dem Eymerich die makulistische These verteidigte, trug ihm die Feindschaft fast aller zu, denn in Aragon war der Glaube an Marias Unbefleckte Empfängnis so gut wie allgemein akzeptiert. In der Widmung eines Clemens VII. 1384 zugedachten Traktats schreibt er, es sei katholische Wahrheit, daß alle Menschen mit der Erbsünde geboren würden. Auf diese Ansicht hätten die Widersacher mit Tumulten reagiert und ihm vorgeworfen, er begehe an der Jungfrau Umecht. Die Ursache, die dem Konflikt zugrundeliegt, beschreibt er so: Während die Erbsünde Jeremías und Johannes den Täufer communiter betraf, geschah dies im Fall Mariens singulariter mit der ihr allein eigenen PrivilegieIm Prolog eines an Benedikt XIII. adressierten Traktats spricht er abermals von öffentlichen Auseinandersetzungen über unseren Gegenstand, gegen deren Urheber er als Inquisitor vorgegangen sei, womit er wohl sagen möchte, daß die Vertreter der Unbefleckten Empfängnis in den Verdacht der Häresie oder gar in diese selbst geraten sind .
rung20.
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1
Vgl. M. Lamy, L'Immaculée Conception 581 f. Text bei J. Perarnau, Tres nous tractais 92: Decimus articulus principalis in quo totum pondus belli est. Postquam peccatum originale in ieremiam prophetam et ioannem baptistam in utero sanctificatos transfusum est communiter, si in gloriosam virginem mariam, dei et hominis genitricem derivatum et transfusum est singulariter. Es handelt sich um den Traktat Contra calumpniantes preheminenciam Christi et Virginis matris eius ediert von J. PuiG I OLIVER, Nicolaus Elmeric i Raimon Astruc de Cortielles 314. Ecce, Pater Beatissime, superbi, ceci, pharisei, heretici insurrexerunt in me-
dium, palam et publiée prosilierunt docentes et dogmatizantes contra preheminenciam, prerogativam et preexcellentiam domini Jesu Christi et gloriose Virginis Matris ...
Contra quos nonnullos processi etiam et punivi. Es mag auffallen, daß sich Vinzenz Ferrer aus der aragonesischen Provinz nur nebenbei und unpolemisch zu den Kontroversen geäußert hat. Hat er, wie V. Forcada möchte, in seinem Sermo über die Empfängnis Mariens die Immaculata Conceptio gelehrt? V. Forcada, Principios marlológicos 461-470. Tatsächlich sind die Texte im Sinn der Lehre von der sanctificatio zu lesen. So wenn es heißt: Et tune illa die, et hora, cum anima creata in corpore Virginis Mariae, quod erat sicut musca, fuit sanetificata. Ratio est sanctifiest ergo ut de hoc fiat festum (463). Und noch deutlicher: Sextus gradus catio Virginis Mariae, quia non quando debuit nasci, nec in ultimo die, nec hebdomade nec mense; sed in eodem die et hora, formato corpore et anima creata: quia tune (quando) fuit rationalis et capax sanetificationis, fuit sanetificata (464). Also erst nach der Beseelung erfolgte die Heiligung. Ebenso klar ist der folgende Text: Et faeta est lux. Ecce sanctificatio Virginis Mariae. Non credatis quod fuerit sicut in nobis, qui in peccatis coneipimur et naseimur et nutrimur, quia si ante baptismum fuissemus mortui damnaremur in limbo. Sed statim postquam corpus fuit formatum et anima creata, tune fuit ...
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Im Saccellus
pauperis peregrini befleißigt sich Eymerich eines gemäßigteren
Tons, ohne nachgiebig in der Sache zu sein. Nach der Beseelung im Schoß ihrer Mütter wurden Maria, Johannes, Jeremías, Jakob „und viele andere" von der Erbsünde, insofern sie ein persönlicher Makel ist, gereinigt, nicht aber wurden sie wie die Menschheit insgesamt von der Straffälligkeit (a reatu) befreit, so daß
sie das Paradies erst kraft des Opfers Christi betreten konnten. Die Heiligung geschah „sofort" oder „recht bald" nach der Animation Allgemein gültiges Prinzip ist, daß alle durch Verbindung von Mann und Frau entstandenen Menschen unter der Erbschuld stehen. Von Ausnahmen ist nirgendwo die Rede, wie den Schriften der „vier heiligen Lehrer" zu entnehmen ist Diese Lehre wird von Anselm von Canterbury, Beda, Johannes Damascenus, Bernhard von Clairvaux Mit Genugund Thomas von Aquin, aus dessen Werken zitiert wird, tuung erwähnt auch er 13 makulistische Theologen aus dem Minoritenorden, unter denen sich wiederum Duns Scotus befindet. Ihnen schließen sich die bekannten Vertreter aus dem Säkularklerus an sowie Autoren liturgischer Werke 5. Den Beschluß bilden Dominikanertheologen und Kanonisten, die sich zur Feier der Empfängnis geäußert haben26. Solche Kataloge mit ihrer Tendenz zur Erweiterung gehören von nun an zum Repertoire der Kontroversen. Aus diesem breiten Strom der biblischen, patristischen und theologischen Tradition, wie sie von Heiligen und Magistri repräsentiert wird, zieht Eymerich den allein möglichen Schluß, daß sich Maria wie alle Menschen die Erbsünde zugezogen hat. Wer möchte, fragt er, gegen dieses allgemeine und manifeste -
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bestätigt24.
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sanctificata. Et ideo fit festem de ejus conceptione: quia facta est lux, scilicet sanetificationis in ea (466). Ed. cit. 209f... statim seu satis cito post eius animationem. Ed. cit. 217. Ed. cit. 225-230. Wie sehr sich aragonesische Immakulisten bemühten, Thomas für ihren Standpunkt in Anspruch zu nehmen, zeigt sich Jahre später in einer an Kaiser Sigismund gerichteten Supplik, die diesen bewegen sollte, das Fest der Empfängnis Mariens auf dem Konstanzer Konzil für allgemeinverbindlich zu erklären. Dazu s. J. PErarnau I Espelt, Política, Lullisme. Ed. cit. 230-242. Ed. cit. 242-248. In einem für den Inquisitor in Avignon ausgestellten Dokument (s. Anm. 21) behauptet der Kanonikus von Elna, Raimon Astruc de Cortielles 1395, Eymeric habe Zustimmung zu folgenden Thesen verlangt: Prima scilicet quod omnis dicens et credens pertinaciter beatam mariam non contraxisse peccatum originale est Alia est quod deus de potentia absoluta pariter et ordinata virginem hereticus in re mariam ab originali macula preservare non potuit (328). -
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Urteil opponieren, das Gott selbst zum Urheber hat ? Wer das tut, muß wissen, daß er sich gegen die Kirche, ja gegen den Hl. Geist, der sie inspiriert hat, auflehnt. Und wiederum heißt es, daß alle antiqui im apostolischen Zeugnis übereinstimmen28. Zwar erhebt Eymerich aus politischen Gründen nirgendwo direkt den Häresievorwurf, aber seine Formulierungen lassen keinen anderen Schluß zu. Von den Kirchenvätern, den Heiligen und den großen Theologen der Vergangenheit heben sich die, wie er konzediert, zahlreichen magistri moderni ab, die keine Wunder aufzuweisen haben, sondern nur den Widerspruch zu sämtlichen klassischen Autoritäten Eymerich gibt also überdeutlich zu verstehen, daß er die immakulistischen Autoren für unbedeutend und deren Thesen für so haltlos hält, daß er eigentlich der Verwunderung Ausdruck geben sollte, warum die Kirche eine Lehre duldet, die gänzlich außerhalb der christlichen Tradition steht, obwohl die opinio nova, wie er selbst zugibt, zahlreiche Anhänger nicht nur im Volk hat. Daß eine solche Haltung, verbunden mit Geringschätzung der Gegner, auf die Dauer scharfe Reaktionen hervorrufen mußte, sollte sich spätestens auf dem Basler Konzil zeigen. .
2. Das Basler Konzil Die erste offizielle Gelegenheit, in öffentlichen Diskussionen die der mariologischen Kontroverse zugrundeliegenden Voraussetzungen zu erörtern, ergab sich auf dem Basler Konzil. Zur Vorgeschichte in aller Kürze dies: Am 8. Dezember 1435 hielt Jean de Rouvroy, Prokurator des Bischofs von Le Puy, vor den Vätern einen Sermo, in dem er sie aufforderte, das Fest der Empfängnis Mariens für die ganze Kirche vorzuschreiben30. Jedermann wußte, daß eine gesamtkirchliche Ed. cit. 248. Contra tarn generalem et apertam sententiam opponere quis audebit, quam protulit ipse Deus? Ed. cit. 250. Qui, ergo, contra ipsorum sanctorum expositionem sentiré contenderit, contra Ecclesiam, immo contra Spiritum Sanctum illis influentem in hac parte insurgere arguetur Omnes enim antiqui in eamdem Apostoli sententiam generalem clare et concorditer adheserunt... Ed. cit. 250. Numquid aliqui, licet multi, magistri moderni, qui nullis miraculis floruerunt, contra tot, tantos ac tales Sacre Scripture, Ecclesie, sanctorum ac magistrorum innumerabilium auctoritates a seculo et usque nunc tantas et universaliter predicatas poterunt suis pietatibus, enigmatibus, similitudinibus et ratiunculis prevalere? Ediert wurde der Sermo von A. Emmen, „Mutter der schönen Liebe". Text: 86-99. Wie der Autor später nachwies, ist der Verfasser Jean de Rouvroy: Ioannes de Rouvroy, bes. 350-352. Femer: H. Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil, Bd. I, 278f. Zur Immaculatafrage auf dem Konzil s. J. Helmrath, Das Basler Konzil 383394. St. Sudmann, Das Basler Konzil 204-248 (dort weitere Literatur). ...
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Feier den Glauben an die Immaculata Conceptio implizierte. Am 23. März 1436 beschloß die Generalkongregation, Theologen sollten sich zu der Frage äußern, ob die Ansicht, die Seele Mariens sei im Augenblick ihrer Eingießung in den Körper vor der Erbsünde „vorherbewahrt" worden, „frömmer" sei als die herkömmliche Ansicht Zur Prüfung des status quaestionis wurden vier Relataren bestimmt. Jean de Rouvroy und Pierre Porcher, Provinzial der aquitanischen Franziskanerprovinz, sollten Argumente zugunsten der nova opinio sammeln, während den Dominikanern Johannes de Montenigro, Provinzial der Lombardei, und Johannes Torquemada aufgetragen wurde, den Standpunkt der Thomistenschule zu Am 2., 6. und 10. Mai trug Johannes de Montenigro seine Relation vor, aus der wir die für die „alte Meinung" typischen Überlegungen entfalten möchten33. Nach seiner Überzeugung steht fest, daß den „heiligen Lehrern" entsprechend Maria in Bezug auf die Erbsünde allen von Adam abstammenden Menschen gleichzustellen ist34. Die These läßt bereits die Argumentationslinie des Berichterstatters erkennen, insofern in ihr angedeutet ist, daß diese von der Tradition gedeckt ist, woraus sich eine fundamentale Differenz zu den Neuerem ergibt. Das hier zur Diskussion stehende Prinzip kann auch so formuliert werden: Hat man sich in der mariologischen Frage „mehr" auf Autoritäten als auf theologische Deduktionen zu stützen 5? Mit Thomas von Aquin insistiert Johannes de Montenigro darauf, daß in dieser Kontroverse, in der es um die letzte Rechtfertigung einer Offenbarungswahrheit geht, allein die hl. Schrift, im Literalsinn gedeutet, eine verbindli.
präsentieren32.
Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti, ed. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegati, t. II, Wien 1873, 846. Die zu diskutierende These lautet: Magis pium est credere animam beatissimae Dei Genitricis fuisse in instanti suae infiisionis in corpore praeservatam a peccato originali, quam credere ipsam Virginem in originali peccato fuisse conceptam. Zu Pierre Porcher s. H. Ameri, Doctrina theologorum lOf. H. Dedieu, Les ministres provinciaux 671-674. Zu Johannes de Montenigro s. G. Meersseman, Giovanii di Montenero. Art.: Johannes de Montenigro, in: LMK 3, 406f. (R. SCHENK). Der Titel lautet: Relacio reverendi sacre théologie professoris magistri Johannis de Montenigro ordinis predicatorum provinvcialis Lumbardie facta Basilee supra materiam conceptionis beatissime Virginis anno domini 1436. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek 71.4 Aug. 20, fol 19r-51v. Zu weiteren Einzelheiten s. U. Horst, Nova opinio. Fol 19va. Hiis premissis sit totius relationis iuxta intentionem sanctorum doctorum propositio fundamentalis: Beata et gloriosa Virgo Maria in peccato originali concepta fuit quemadmodum et ceteri, qui ex Adam camali origine propaganter. Fol 2Ira. Prima suppositio: In presentí disceptatione, qua concilium informari cupit, an ita sit, quod beata Virgo teerit concepta in originali peccato, magis inniti débet auctoritatibus quam rationibus. -
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geben kann. Gewarnt wird vor dem Versuch, die von den Vätern vorgezeichnete Tradition preiszugeben36. Das Programm, das bereits deutliche Konturen angenommen hat, wird durch vier „Wege" erweitert, auf denen man zur Einsicht gelangen wird, daß Maria tatsächlich in der Erbsünde empfangen wurde. Der erste „Weg" basiert auf den Aussagen der hl. Schrift, die das sichere dogmatische Fundament gibt. Eindeutigkeit erlangt man zweitens mittels der Kommentierung durch die Väter, deren Leben und Lehre sich der kirchlichen Approbation erfreuen. Der dritte"Weg" ist umfassender. Zu ihm gehören die Überlegungen der heiligen Lehrer und Theologen, deren Leben die Kirche gebilligt und deren Doktrin sie nicht verworfen hat. Unter der ersten Gruppe sind wohl später kanonisierte Heilige zu verstehen, die nicht im eigentlichen Sinn den Kirchenvätern zuzuzählen sind, aber als amtlich anerkannte Lehrer zu gelten haben. Zu berücksichtigen hat man ferner die scholastischen Theologen und Kanonisten, sofern deren Doktrin von der Kirche nicht mißbilligt worden ist. An letzter Stelle rangieren die Vernunftgründe. Dieser vierte „Weg" ist „weniger wirksam". Sollte ihm, Johannes de Montenigro, Zeit bleiben, so möchte er sich auch mit ihm befassen Das zentrale Argument der Immakulisten, die Ausnahmestellung Mariens verdanke sich einer „Vorherbewahrung" (praeservatio), die das jemand Geschuldete erst gar nicht eintreten läßt, gehört nach den Makulisten in den Bereich der Vernunftgründe, mit deren Hilfe Konklusionen aus Prinzipien gezogen werden sollen, die kein unmittelbares Fundament in den Offenbarungsdokumenten haben. Es sind demnach Einsichten abgeleiteter Art. Das heißt: Seit langem hat sich eine Argumentationsweise etabliert, die sich vom Literalsinn der Schrift und vom che Auskunft
XI
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Fol 21rb. Ex dictis (Thomas v. A., Quodl. IV, a. 3) arguitur sie: Quelibet disputado seu discussio theologica, que ordinatur ad removendum dubitationem de aliqua re, an ita sit vel non, presertim fiindatur in scripturis sacris, débet inniti auetoritatibus, que communiter reeipiantur ab illis, inter quos vertitur discussio, si aliquas reeipiant. Fol 22ra hoc sacrum concilium in ipsius diffinitione ac determinatione nulla/22rb/tenus débet Fol 22rb: Secunda suppoa constitutis patrum et a modo procedendi ipsorum deviare sitio: Ex solo sensu literali sacre scripture potest aeeipi argumentum efficax ad destructionem errorum et ad faciendum evidentiam in rebus dubiis concementibus fidem. Fol 22va. Nunc ad principale propositum descendens quadruplici via probabo, quod beata Virgo concepta fuit in peccato originali, prout dicit propositio fiindamentalis. Prima erit per auctoritates sacre scripture. Secunda per exposiciones dictarum auctoritatum, quas faciunt sancti doctores, quorum vita et doctrina est per ecclesiam approbata. Tertia erit per dicta eorundem sanctorum doctorum illorum, quorum vita per ecclesiam est approbata et doctrina non reprobata, sive etiam quorundam aliorum scholasticorum et potissimorum doctorum in iure divino et humano, quorum vita, etsi per ecclesiam approbata non sit, doctrina tarnen non est per ecclesiam hucusque reprobata. Quarta, licet minus efficax, erit per rationes ...
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Zeugnis der Väter gelöst hat. Die neue theologische Methode brauchte nun nicht mehr auf die traditionellen Autoritäten zu rekurrieren, es genügte, daß man schlüssig deduzierte. Es leuchtet ein, daß dies vornehmlich eine Errungenschaft von Universitätsprofessoren war, die alle spekulativen Gründe auszuschöpfen wußten, die das scholastische Begriffsinstrumentarium bot. Die nova opinio ist demnach von ihrem universitären Hintergrund nicht zu lösen, der ihr die große Resonanz in gelehrten Kreisen verschaffte, während die Vertreter der alten Methode ins Abseits gerieten. Das heißt: Die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis wird zu einem Kennzeichen der fortschrittlichen Partei, die mit den herkömmlichen Beweisen aus Patristik und Scholastik nicht mehr zu überzeugen war. Daraus folgt: Die Thomisten, die sich, um ihre Position zu rechtfertigen, auf die klassischen Autoritäten stützen mußten, sahen sich mehr und mehr in der Defensive. Ihre Strategie, die Reputation der Magistri in möglichst engen Grenzen zu halten, um die des hl. Thomas und der anderen großen Lehrer in ihrem traditionellen Rang zu sichern, gibt den Diskussionen eine weit über den Gegenstand hinausgehende Bedeutung. Johannes de Montenigro ist sich der aus der neuen Situation erwachsenen Konsequenzen bewußt und sucht deren Haltlosigkeit zu erweisen. Er argumentiert deshalb nicht einfach mit dem Gegensatz zwischen klassischen und modernen Autoritäten, sondern mit einer abgestuften Approbation seitens der Kirche. An oberster Stelle stehen solche Lehrer, deren Leben und Doktrin durch die Kirche gutgeheißen wurde. Ihnen muß man in Glaubensdingen zustimmen. Gemeint sind die Väter, von denen es sogar heißt, sie seien vom Hl. Geist erleuchtet und unterwiesen38. Zur nächsten Gruppe gehören jene Doktoren, deren Leben kirchlich approbiert wurde und deren Doktrin in keiner Hinsicht verworfen worden ist. Ihnen ist eine geringere Autorität geschuldet Unter ihnen sind offenbar die kanonisierten Autoren nachpatristischer Zeit mit Einschluß der Scholastiker zu verstehen. Worum es letztlich geht, macht eine weitere Unterscheidung deutlich. Die von Magistern der Theologie gebotene Schriftauslegung stellt keine Autorität dar und kann folglich nicht zur Begründung eines Glaubenssatzes herangezogen werden, es sei denn, es handele sich um Argumente, die sich von den amtlich beglaubig.
Fol 24rb. Quod expositioni et interpretationi sacre scripture facte per doctores, quorum vita et doctrina per ecclesiam approbata est, est adherendum Preterea doctores sancti exponentes sacram scripturam, quorum doctrina est per ecclesiam approbata, credunter edocti et illuminati a Sprite Sancto Fol 24rb. Tertium corollarium est, quod expositioni et interpretationi sacre scripture facte per doctores, quorum vita est per ecclesiam approbata et quorum doctrina non est in aliqua parte reprobata, probabiliter est ad/24va/herendum. ...
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Das will sagen: Thesen von Theologieprofessoren, die sich nicht auf eine bereits anerkannte Schriftinterpretation beziehen und deshalb keine bewährte Tradition hinter sich haben, sind in der gegenwärtigen Debatte ohne Bedeutung. Ohne daß die Frage der Unbefleckten Empfängnis direkt erörtert zu werden brauchte, war allen Zuhörern klar, daß sich die Argumentation gegen die Befürworter der opinio nova richtete. Keiner der für sie plädierenden Theologen erfüllte nach Meinung des Redners und seiner Partei die hier zu fordernden Bedingungen. Weder sind ihre Gewährsleute kanonisiert, noch ist ihre Lehre bisher approbiert worden. Im Gegenteil: Die Doktrin der Heiligen widerspricht ihnen „gänzlich". Sie können sich lediglich auf ihren eigenen Geist berufen, der freilich mit der kirchlichen Tradition nichts zu tun hat Auch die Immakulisten schätzten die großen Lehrer der Vergangenheit, aber in ihren Augen hatten die scholastischen Autoritäten mit Thomas v. Aquin und Bonaventura an der Spitze aufgehört, die quasikanonischen Größen zu sein, die sie ehedem waren. Inzwischen hatte die liturgische Praxis, die Feier des Festes am 8. Dezember, ein neues theologisches Gewicht gewonnen, das die spekulativdeduktiven Beweise, wie sie sich in der Franziskanerschule entwickelt hatten, ergänzte und die Theorie mit der Frömmigkeit zu verbinden schien. Ein Zeichen für diesen Wandel ist der den Berichterstattern vom Konzil erteilte Auftrag, auch über diesen Punkt zu referieren. Daß das Fest der Conceptio an vielen Orten feierlich begangen wurde, konnte Johannes de Montenigro nicht leugnen, aber mit dem Brief des hl. Bernhard an die Kanoniker von Lyon betonte er den entscheidenden Fehler des Brauchs: die Neuheit42. Außerdem hatte schon Thomas v. Aquin bemerkt, daß das Geheimnis, das an diesem Tag gefeiert wird, nicht eindeutig bestimmt ist. So feiern es manche Kirchen darunter auch die römische nicht unter dem Aspekt der Empfängnis, sondern „eher unter dem der Heiliten Lehrern herleiten lassen
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Fol 24va. Quartum corollarium est, quod expositio /24vb/ et interpretado facta per doctores sacre scripture et magistros théologie, quorum vita et doctrina non est per ecclesiam approbata, non est auctoritatis nec pro auctoritate inducenda ad faciendam fidem probabilem, nisi sit talis, quod in ea exponatur sacra scriptura per illam vel doctrinam ecclesie vel per dicta sanctorum, quorum vita et doctrina est per ecclesiam approbata vel non aliqua sui parte reprobata huiusmodi doctores non constat habere Spiritum Sanctum nec certitudinem fidei nec certitudinem seiende. Fol 26va. Non enim constat, quod isti expositores sunt sancti nec sunt per ecclesiam canonizati. Item eorum doctrina non est per ecclesiam approbata. Item sic exponendo non innituntur determinationi ecclesie nec doctrine sanctorum doctorum, que est totaliter ad oppositum in presentí materia illarum expositionum, non innituntur sacre scriptused proprio spiritui. re Dazu s. CA. BOUMAN, 77ze Immaculate Conception in the Liturgy. ...
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gung" Wollte man das Fest, wie es die Mehrheit der Väter in Basel offenbar beabsichtigte, der ganzen Kirche vorschreiben, so mußte zuvor dessen Geheimnis genau umschrieben werden. Dies aber kann, so heißt es bezeichnenderweise, nur im Geist der Tradition erfolgen. Daß eine inhaltliche Festlegung seitens der Kirche dringend geboten ist, zeigt die Tatsache, daß das Fest an vielen Orten begangen wird, so daß „fast alle" glaubten, Maria sei ohne Erbsünde empfangen worden, während das traditionelle Verständnis dem Vergessen anheimgefallen zu sein scheint. Johannes de Montenigro kennt also die Schwierigkeiten, denen sich die herkömmliche Ansicht gegenübersieht. Um dem allgemein verbreiteten Irrtum zu begegnen, muß zuerst der Inhalt des Festes im Sinne der Tradition bekräftigt werden, ehe die Kirche das Fest der Empfängnis einführt. Andernfalls wären .
Folge44.
Unsicherheit und Zweifel an allen bereits definierten Wahrheiten die Das heißt: Die Lehre der Väter und der anerkannten Theologen bilden die Norm, an der sich liturgische Neuerungen zu orientieren haben. Johannes de Montenigro wußte natürlich, daß die große Mehrheit der Väter ganz anders dachte, insofern sie in der Feier des Festes der Empfängnis die Grundlage und Rechtfertigung des noch zu definierenden Dogmas sahen. Der Rede des Dominikaners, die umfassender und methodischer, als es bisher in den Auseinandersetzungen üblich gewesen war, argumentiert hatte, kommt das Verdienst zu, die eigentlichen Differenzen zwischen den beiden Lagern aufgewiesen zu haben. Diese unterschiedliche Wertung der Autoritäten mit ihren Konsequenzen für das theologische Beweisverfahren wird die künftigen Diskussionen beherrschen. Der von Johannes von Montenigro vorgezeichneten Argumentationslinie folgt auch Johannes Torquemada. Er hätte unmittelbar auf Johannes von Segovia antThomas v. Aquin, Quodl. VI, q. 5, a. 1, ed. cit. 302... unde illa celebritas non est referenda ad conceptionem ratione conceptionis, set potius ratione sanetificationis. Ferner: S Th III 27, 2 ad 3. Fol 50vb. Ulterius etiam ex hoc, quod iam in multis locis celebrater, fere omnes credunt ipsam non fuisse coneeptam in originali peccato, eo quod dicta sanctorum in hac materia non declarantur nec dedueuntur in medium. Si aliquid stateereter de feste, antequam (5Ira) renovaretur declaratio sive determinatio ipsorum, que satis iam videbanter oblivioni tradita, maximum fieret preiudicium doctrinis eorum in tantum, quod si in hac tam gravi et ardua materia, in qua sic diffuse et determinate sunt locuti, eorum auctoritates verterenter in dubium, vacillarent fere quecumque per eos determinata aut vacillare possent in materas fidei, cum de similibus idem iudicium sumater Fol 51va. Unde videtur, quod si fieret aliqua novitas circa ipsius festi institetionem, antequam renovarentur sententia et determinatio sanctorum /51vb/ doctorum, magnum possit sequi preiudicium auetoritatis ipsorum et sánete sedis apostolice ac etiam ecclesie universalis presertim ex ratione redemptionis humane facte per Christum ...
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sollen, doch bot sich dazu keine Gelegenheit mehr, weil man unterdessen der größeren Dringlichkeit wegen die Diskussion mit den Griechen vorbereiten wollte. Die Verzögerung hatte den Vorzug, daß der Dominikaner genügend Zeit fand, an seinem Tractatus zu arbeiten. Als es dann zum Dissens zwischen dem Konzil und Eugen IV. kam, begab sich Torquemada zum Sitz des Papstes und nahm das „Buch" mit sich45. Der nunmehr endgültige Bruch zwischen Konzil und Papst bedeutete in des Autors Sicht der Dinge auch die ekklesiologische Diskreditierung der schließlich von den Baslern vorgenommenen Definition der Unbefleckten Empfängnis, die von jetzt ab in seiner Schule mit konziliaristischen Ideen in Verbindung gebracht wurde. Selbst Päpste, die der nova opinio wohlwollend gegenüberstanden, sollten es vermeiden, sich auf Basel zu berufen. Schon wegen des Umfangs und der Fülle der behandelten Probleme und detailliert erörterten Thesen, verbunden mit einer eindrucksvollen Textauswahl aus allen Epochen, ist der Tractatus zu einem Arsenal geworden, das die Makulisten mit einem schier unerschöpflichen Stoff versorgte. Um die die Diskussion leitenden Gedanken zu charakterisieren, mag es genügen, die methodischen Prinzipien, die Torquemada in fünf Regeln entwickelt hat, vorzustellen. Sie decken sich teilweise mit Überlegungen, die wir bereits bei Johannes de Montenigro kennengelernt haben, doch bieten sie auch wichtige Präzisierungen. Die Torquemada vom Konzil übertragene Aufgabe, die Gründe jener Väter und Theologen darzustellen, die es für frömmer und der Wahrheit angemessener halten, die erbsündliche Empfängnis Marias zu lehren als die nova opinio zu akzeptieren, setzt eine bestimmte Vorgehensweise voraus, die sich an fünf Regeln orientiert. Die erste magistrale Regel lautet so: Ein definitiver Spruch eines Universalkonzils, das, wie es jetzt zur Debatte steht, eine Glaubenswahrheit zum Inhalt hat, hat in besonderer Weise und hauptsächlich die Aussagen der hl. Schrift zu berücksichtigen46. Sie allein ist kraft göttlicher Verfügung Maß und Regel. Daß dieser Grundsatz auf Konzilien, bei Vätern und Päpsten immer in Geltung stand, zeigt die Geschichte. Sie ist deshalb das einzige wirksame und infallible Medium für
wollen
von Segovias Mariologie s. J. Helmrath, Ecclesia enim nulla esse non potest. Art.: Johannes v. Segovia, in: LMK 3, 417f. potest, parva u. Rovira E. (G. Llamas). Tractatus de veritate conceptionis Beatissimae Virginis, ed. cit., P. 13, c. 18, 780f. Zur Mariologie Torquemadas s. Art.: Johannes de Turrecremata, in: LMK 3, 424-426 (R. Schenk). K. Binder, Kardinal Juan de Torquemada. P. I, c. 1, ed. cit. 4b. In diffinitivo judicio universalis concilii in praesenti materia fidei, in quo diffinienda venit et determinanda catholica altera pars quaevis, potissime et principaliter veniunt consideranda et ponderanda testimonia et dicta sacrae scripturae.
Zu einem
wichtigen Aspekt
esse
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die Wahrheitsfindung Die Rolle der Vernunft im Argumentationsverfahren soll mit der Betonung des Vorrangs der Offenbarungsquelle keineswegs abgewertet werden, gesagt wird lediglich, daß der Schrift im Glaubensurteil die entscheidende Funktion zukommt. Das heißt: Das Konzil muß sich in den gegenwärtigen Beratungen mehr auf Autoritäten als auf rationale Überlegungen und Deduktio.
nen
stützen48.
Daß die Immakulisten den Vorrang der Schrift prinzipiell nicht bestritten, wußte freilich auch Torquemada, aber ihm war bekannt, daß sie mit gewissen Distinktionen operierten, die Ausnahmen begründen sollten. So meinten sie unter Berufung auf einen Ps.- Augustinustext, den man für den Glauben an die Aufnahme Mariens in den Himmel in Anspruch nahm -, man dürfe, falls sich in den Offenbarungsdokumenten ein ausdrücklicher Beweistext nicht finden läßt, das der Wahrheit Gemäße mit der Vernunft suchen. Worauf der Gedanke zielt, ist unschwer zu erraten: Wenn man in Bezug auf die Frage nach der erbsündlichen Empfängnis Mariens keinen eindeutigen Beleg vorlegen kann, dann helfen Vernunftschlüsse weiter49. Gegen das Ps.-Augustinuszitat hat Torquemada keine Einwände zu erheben (auch Thomas hat es, wie er sicher wußte, benutzt), aber die daraus gezogene Konklusion hält er für falsch, ja höchst gefährlich, weil sie der Praxis des kirchlichen Lehramts und den magistralen Entscheidungen der Theo-
logen widerspricht. zu verhandelnde Thema heißt das: Wenn die Schrift eine universal gültige Aussage macht und gleichzeitig über konkrete Personen, die davon ausgenommen sein sollen, schweigt, dann muß man eher Gottes Wort zustimmen als einer Erfindung der menschlichen Vernunft. Wer anders verfahrt, bringt den Glauben in Gefahr50. Um zu zeigen, daß es stets konziliare Praxis war, nur eine als klar erkennbar vom Hl. Geist kommende Lehre zu definieren, erinnert Torquemada an eine mariologische Parallele, auf die die Immakulisten in Basel hingewiesen hatten, weil sie
In Hinsicht auf das hier
Ed. cit. 6a in tribunali ecclesiae lex divina et scriptura débet esse mensura et regula principalis judiciorum et causarum fidei. 7a: nullum efficax et infallibile medium convincens, nullumque sufficiens testimonium haberi potest, nisi per sacram scriptu...
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ram, quae divinae innititer auctoritati.
Ed. cit. 8b. Suppositio prima, quam collega meus venerabilis (Johannes de Montenigro) in sua relatione posuit, videlicet quod sacrum concilium in discussione praesentis materiae fidei, magis inniti debeat auctoritatibus quam rationibus, vera sit... C. 2, ed. cit. 9ab. Et quoniam de hujusmodi conceptione in originali peccato expressa non reperiter auctoritas super hac re ad inquisitionem veritatis juvabit plurimum evidentia rationis. Ed. cit. 10a-11 a.
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angeblich für sie sprach. Gemeint ist der Glaube an die Aufnahme Mariens in den Himmel. Er konzediert, daß sich zu dessen Gunsten Argumente aus Augustinus, Bernhard und aus vielen Theologen beibringen lassen. Feiner bestreitet er nicht, daß sich die Gemeinschaft der Gläubigen pie dazu bekennt, konstatiert aber, daß ihn die Gesamtkirche nie definiert hat, weil er nicht in der Schrift bezeugt ist und auch nicht zwingend aus ihr abgeleitet werden kann. Ein frommer Zweifel ist nach Hieronymus besser als eine unbesonnene Entscheidung Die zweite magistrale Regel, die es in jedem definitiven, aber auch in jedem anderen Urteil in Glaubensdingen zu befolgen gilt, stellen die heiligen Väter dar, deren Lehrsätze seitens der Universalkirche approbiert worden sind52. Die Liste mit den Namen der Heiligen, die sich einer solchen Auszeichnung erfreuen, hat Torquemada zwei Werken des Aquinaten entnommen, der sie wiederum aus den Akten des II. Konzils von Konstantinopel hat53. Sie wurden der Kirche als Leuchten gegeben, die immer, wenn es um das Licht des Glaubens geht, zu konsultieren sind. Die ihnen im Lauf der Geschichte zuteil gewordene Approbation bewirkt, .
widerspricht54.
daß der, der gegen ihre Lehre verstößt, auch der Gesamtkirche Die dritte in Glaubenssachen zu praktizierende Regel besagt, daß man die Zeugnisse der heiligen Väter bei Beratungen in originalibus zu konsultieren hat55. Das heißt: Es sollen nicht nur einzelne Sätze Berücksichtigung finden, da sie häufig in
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55
C. 3, ed. cit. 12f... nihilominus quia non expresse hoc (assumptio B. M. V.) dicitur, nec necessaria illatione infert sacra scriptura, quae regula est diffiniendorum in fide in sacris conciliis universalibus, ecclesia universalis hoc nunquam diffinivit, imo (ut dicit Hieronymus) magis pie dubitare voluit quam aliquid tenere diffinire. Zum Problem s. M. JUGIE, La mort et l'assomptlon 389-406. G. SOLL, Mariologie 144-164. C. 5, ed. cit. 15a. Secunda regula magistralis. Post sacrae scripturae auctoritates in hujus causae diffinitivo judicio, sicut et in judicio cujuscunque alterius causae fidei, maxime considerandi et amplectendi veniunt a sacro concilio doctores, et ii maxime quorum dicta in his, quae fidei sunt suscepta et approbata sunt per universalem ecclesiam. Es handelt sich um ScG IV 24 und De potentia, q. 10, a. 4 ad 13. Vgl. M. Morard, Thomas d'Aquin 299f. Ed. cit. 16-17. Erwähnt sei hier ein Text des einflußreichen Thomisten Johannes Capreolus. Defensiones, ed.cit., t. IV, d. III, q. q, a. 1, 26-29. Ubi expresse patet istos undecim patres a peccato originali nullum eximere nisi Christum, immo per eos omnem alium includi de facto nec in hoc aliquam praerogativam tribuunt Virgini gloriosae; quod utique cum devotissimi fuerint, non omisissent, si non debuisset omitti (29). C. 6, éd. cit. 17ab. Tertia regula habenda et practicanda in judicio hujus rei et cujuslibet alterius Christianam fidem concernentis est, ut testimonia sanctorum patrum in medium adducenda in quibus principaliter consistere videtur pondus judicii, in originalibus
respiciantur. 42
verstümmelter Gestalt vorliegen, sondern in einer vollständigen Fassung, um die wahren Absichten der Verfasser kennenzulernen. Die vierte Regel nähert sich mehr den speziellen Basler Kontroversen. Sie schreibt vor, daß man sich, wofem ein Zweifel in Bezug auf die Schriftauslegung aufkommt, vorzugsweise an die genannten heiligen Lehrer „und ihresgleichen" wenden muß56. In Fällen, in denen die Wahrheit vom rechten Schriftverständnis abhängt, ist es dringend geboten, die zu hören, die es garantieren. Umgekehrt wäre es höchst gefährlich, sich denen anzuvertrauen, die die Zeugen der Tradition mißachten und neue Interpretationen erfinden, die mit dem Glauben der Vergangenheit nicht im Einklang stehen und sich keiner amtlichen Empfehlung erfreuen57. In diesem Zusammenhang spricht Torquemada mit unüberhörbarer Geringschätzung von den novellae interpretationes, die gerade das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben und darum keine Gewähr bieten, die Wahrheit zu enthalten. Daß die Anhänger der Unbefleckten Empfängnis die Urheber solcher Neuerungen sind, braucht nicht begründet zu werden. Die fünfte Regel stellt die eigentliche Provokation dar. Sie lautet so: Jenen scholastischen Lehrern ist in der Interpretation der hl. Schrift und im Urteil über Glaubenssachen der Vorzug zu geben, die ihre magistralen Entscheide „ausdrücklicher und formaler" an der hl. Schrift und an der Lehre der Väter orientieren58. Torquemada weiß freilich, daß das Kriterium der Präzisierungen bedarf, da ein Urteil über Nähe oder Feme einer Lehre zu den Dokumenten des Glaubens nicht ohne weiteres feststeht. Wird nicht jede Partei die Übereinstimmung mit ihnen für sich in Anspruch nehmen? Mit welchen Autoritäten und mit welchen Theologen läßt sich eine sichere Antwort finden? Die Antwort entnimmt Torquemada der Konstitution Fidei catholicae des Konzils von Vienne, die Eingang in das Kir-
Quarta regula magistralis est, quod in expositione sacrae scripturae si circa intelligentiam ejus aliqua surgit dubitatio, praecipue attendendi sunt praefati sancti docEd. cit. 18b.
tores et similes.
Ed. cit. 19ab. Ex qua regula correlarie sequiter quod saluberrimum est, imo praenecessarium, ut in his quae fidei sunt, quorum veritas pendet ex sana intelligenda sacrae scripturae, pondèrent doctores exponentes eandem Non enim est securum, maxime in tali materia, gravioribus et eruditis magis doctoribus et potissime sanctis, minus condiPlane periculosissimum est fidelibus, contemptis sanctorum et veterum tos anteferre patrum expositionibus, novellas quasdam scripturarum expositiones et interpretationes accipere quas non commendat famosa veterum traditio, imo communiter contradicit, nec universalis ecclesiae certa et approbans habet auctoritas. C. 7, éd. cit. 20a. Quinta regula magistralis est, quod illi doctores scholastici tarn in expositione et intelligentia sacrae scripturae quam in diffinienda fidei materia praeferendi sunt, qui ad sacram scripturam et sanctorum patrum doctrinam expressius et formalius sententias suas resolvunt. ...
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chenrecht gefunden hat Dort sagt der Papst, er habe mit Zustimmung des Konzils der Ansicht den Vorzug gegeben, die „mit den Aussagen der Heiligen und der modernen Theologen mehr übereinstimmt und zusammengeht". Wer aber sind nun die moderni doctores theologiael Im Anschluß an die Deutung dieser Worte durch den Kanonisten Johannes Andreae meint Torquemada, das Konzil habe Petrus Lombardus, Alexander von Haies, Albertus Magnus und Thomas von Aquin zu den Gewährsleuten gerechnet, die in Sachen der Lehre alle anderen überragen. Gleichwohl bleibt die Frage, was in diesem Kontext „modern" heißt. Nicht der kleinere oder größere zeitliche Abstand zwischen ihnen und uns kann den Vorrang begründen, denn dann wären etwa Torquemada und die zeitgenössischen Repräsentanten seiner Schule in Bezug auf die ihnen zuzuerkennende Autorität der Gegenpartei gleichzustellen. Das einzig gültige Kriterium ist vielmehr die Übereinstimmung der heutigen Theologen mit den Lehren der Torquemada weiß freilich, daß eine tiefere Einsicht in die Glaubensgeheimnisse zu neuen Erkenntnissen und dogmatischen Formulierungen führt, wie die Geschichte der Lehrentscheide und der kirchlichen Verfassung, die er als Kanonist besonders gut kannte, gezeigt hat. Daß sich die Befürworter der Unbefleckten Empfängnis auf diesen in beiden Lagern akzeptierten Gedanken beriefen, verwundert nicht. So darf man von einer kontinuierlichen Erleuchtung der Hierarchie reden, die zur Folge hat, daß der Glaube im Verlauf der Geschichte eine vollkommenere Gestalt annimmt. Mit einer solchen Entwicklung ist aber gerade in der hier zur Debatte stehenden Sache nicht zu rechnen. Zum einen deshalb nicht, weil das spezielle mariologische Problem den heiligen Vätern keineswegs verborgen war, wie der Brief des hl. Bernhard an die Kanoniker von Lyon mit wünschenswerter Klarheit belegt. Zum anderen ist zu bedenken: Es ist eines, etwas späteren Lehrern zu enthüllen und ein anderes, ihnen etwas zu offenbaren, das mit dem von späteren Theologen Gelehrten in Widerspruch steht. Schließlich darf man nicht vergessen, daß sich die Väter und die Theologen der Vergangenheit in großer Zahl mit unserem Gegenstand befaßt haben61. Man kann darum nicht oft genug daran erinnern, daß man angesichts der vielen divergierenden Schulen und Meinungen eine sorgfältige Prüfung des Streitpunkts vornehmen muß, ehe man zu einer Entscheidung schreitet. .
Heiligen60.
Clement., 1. I, tit. 1, c. un., ed. Friedberg II 1132. H. Denzinger P. Hünermann, Enchiridion nr. 904, 1312f. Ed. cit. 20b-21a. Nec est dicendum quod sacrum concilium ideo horum sententias caeteris praetulerit quia moderni sive quia posteriores ceteris erant tempore sed quoniam istorum dicta magis scripturae sacrae et sanctorum dictis erant conformia. Ed. cit. 2lab. -
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Obschon Torquemada in diesem Zusammenhang nicht direkt auf das Problem der Immaculata Conceptio eingeht und kein ausdrückliches Urteil über die Repräsentanten der Gegenpartei fällt, sind die polemischen Untertöne allenthalben zu vernehmen. An seinem Standpunkt, die nova opinio verdanke sich Neuerern aus dem zweiten Glied der Theologen, die den bisher selbstverständlichen Respekt vor der patristischen und scholastischen Tradition verloren haben, besteht kein Zweifel. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse auf dem Basler Konzil war ihm freilich klar, daß ihm und seiner Schule schwere Zeiten bevorstanden. Auch die Immakulisten kannten die Schwäche ihrer Position und hielten nach einem Mittel Ausschau, ihr abzuhelfen. In diesem Prozeß der methodischen Neuorientierung bot sich, wie wir mehrmals gehört haben, ein liturgisches Argument
vielen Orten ausbreitende Fest der Empfängnis. Mit triumphierendem Unterton brachten die Basler deshalb ins Spiel, daß alljährlich „beim Apostolischen Stuhl in der römischen Kurie" das Fest der Empfängnis „öffentlich" begangen werde, dem Kardinäle und Bischöfe beiwohnten und so durch ihre Präsenz die Lehre von der „Reinheit der Empfängnis" approbiert hätten62. Torquemadas Erwiderung ist unter einem doppelten Aspekt interessant. Zum einen besagt die Tatsache, daß die genannten Prälaten und kuriales Personal an einer Liturgie teilnehmen, noch nicht, daß sie bei diesem Anlaß als „römische Kirche" oder als „Apostolischer Stuhl" im streng ekklesiologischen Sinn auftreten. Das ist nämlich nur dann der Fall, wenn der Papst mit dem Kardinalskollegium in feierlicher Weise ein Fest an einem öffentlichen Ort begeht. Und genau das tut der Papst mit den Kardinälen, wie gelehrte Bücher und die eigene Erfahrung bezeugten, nicht. Die Person, die aus einer mehr oder minder offiziösen Veranstaltung einen Akt vorbildlichen Charakters für die ganze Kirche machen würde, fehlt also. Nicht bestritten wird indes, daß der Apostolische Stuhl unter Voraussetzung der rechten Intention das Fest toleriert, doch schließt Duldung keine Approbation ein63. Indirekt muß Torquemada allerdings zugeben, daß sich auch in dieser Hinsicht der Wind gedreht hat. an, das sich
an
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P. IX, c. 10, ed. cit. 503a. Ed. cit. 503a-504b. Der für Torquemadas Verständnis des höchsten Lehramts wichtige Text lautet: Ad istam rationem diäter, negando quod Eclesia Romana sive sedes Apostólica, festivitatem istam aut institeerit aut canonizaverit, aut pronunciaverit, aut celebraverit, aut in kalendario annotait jusserit. Non enim quicquid fit in Romana curia, aut per dominos cardinales aut episcopos et populum, aut per scriptores breviariorum aut missalium, diciter Ecclesia Romana sive sedes Apostólica fecisse aut mandasse aut instituisse Non enim Eclesia Romana (ut loquimur communiter de Ecclesia Romana sede Apostólica) in qua totius Ecclesiae dominus principatem collocavit diciter pro celebrare festem aliquod, quando domini cardinales aut praelati sive populus Romanus ...
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Zu bedenken ist ferner, daß die Kardinäle und ihr Anhang das Fest der Empfängnis Mariens unter dem Aspekt der Heiligung feiern. Zum Beweis dient Torquemada der Text der Oration der in Santa Maria Maggiore in Rom gefeierten Messe, die von der Heiligung Mariens spricht. Ihn hat Alvarus Pelagius überliefert, der vor nicht langer Zeit in Rom als Pönitentiar gelebt hat und als Minorit ein unverdächtiger Zeuge ist Diese alte und in Rom praktizierte liturgische Gewohnheit hat sich im von allen verehrten Kartäuserorden und in vielen anderen Kirchen erhalten65. Den Einwand, in Rom werde jetzt in Gegenwart der Kardinäle das Fest unter dem Titel der Empfängnis begangen, so daß sich dort seit den Tagen des Alvarus Pelagius ein Wandel vollzogen habe, sucht Torquemada mit zwei Argumenten zu entkräften, aus denen die Verlegenheit spricht, in die seine Schule geraten ist. Auch unter dem Namen „Empfängnis" habe man in Wahrheit eine geistliche Heiligung zu verstehen. Zum anderen meint er, aus dem Titel des Festes sei nicht zu schließen, daß es die hohen Prälaten im Sinne der „Empfängnis" feierten, da sie als gebildete Theologen genau wüßten, worum es an diesem Tag Auch in dieser wichtigen liturgischen Frage hat als Regel zu gelten, daß man den heiligen Männern, selbst wenn es nur wenige sind, mehr glauben muß als anderen Personen, da diese in Bezug auf die Ehre Gottes und Marias sich einer größeren Gnade und eines umfassenderen Wissens erfreuen Und schließlich: Hat man nicht aus der Tatsache, daß das Konzil mehrmals das Fest der Empfängnis gefeiert hat, auf eine Approbation seitens der Kirchenversammlung zu schließen? Die Antwort fällt Torquemada wiederum nicht schwer: .
gehe66.
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domini de cancellaria, pro sua devotione conveniunt in aliqua ecclesia missarum solemnia audituri, sed quando summus pontifex cum collegio reverendissimorum dominocélébrât et festivat. Quod non facit in hoc rum Cardinalium solemniter in loe publico festo, ut tarn ex doctorum magnorum libris, quam ex ipsa experientia rerum magistra cognoscimus. Zum Begriff der sedes apostólica und Ecclesia Romana s. U. Horst, Kardinal Juan de Torquemada. Ed. cit. 504a. Secundo respondetur, quod praefati domini cardinales, legati, praelati et ceterae graves personae quae ad illam festivitatem convenientes pro integritate sapientiae eorum et fide convenire creduntur, non ratione Conceptionis secundum se, sed sanctificationis quae ad modicam morulam conceptionem ipsam secuta creditur. Das Zitat aus Alvarus Pelagius, De planctu Ecclesiae, 1. II, c. 52, Venedig 1560, fol 1 lOva bei M. Lamy, L'Immaculée Conception 458, Anm. 284. S. auch 439, Anm. 218. Zur Praxis des Kartäuserordens s. U. HORST, Nova opinio 189. Ed. cit. 504b. Ed. cit. 505b. Sanctis ergo hominibus, licet paucis, magis in hujusmodi credendum est quam aliis, quia quanto pleniori gratia Spiritus Sancti et scientia prae ceteris donati creduntur, tanto magis censentur nosse quae ad honorem Dei et beatissimae Virginis pertiaut
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noscuntur.
Das Konzil hat dies nicht als Konzil veranlaßt und auch keinen entsprechenden Beschluß gefaßt, vielmehr verhält es sich so, daß die Feier im Dom auf Anregung und Einladung einzelner Teilnehmer zurückging. Ähnliches trifft für die in der Messe gehaltene Predigt zu In seinen Antworten gibt sich Torquemada überzeugt, die besseren historischen und sachlichen Argumente auf seiner Seite zu haben, aber der Umstand, daß sie letztlich auf Kriterien ruhen, die sich jederzeit ändern können so die Haltung der Päpste dürfte ihn nachdenklich gemacht und ihm vor Augen geführt haben, daß sein Standpunkt nur scheinbar auf einem festen Fundament ruhte. Die Tatsache, daß sich die Dominikaner als die Wortführer der Makulisten in einer Minderheitenposition befanden, sucht Torquemada wie die Autoren vor und nach ihm durch eine schier endlose Liste von Theologen zu kompensieren, die die klassische Lehre vertreten. Er zählt allerdings nicht nur die Namen auf (hundert an der Zahl), sondern zitiert die wichtigsten Texte, die er, wie er eigens vermerkt, persönlich in den Bibliotheken konsultiert habe69. Die ausführlichen Zitate belegen ein gründliches Quellenstudium, das seinen Tractatus zu einem idealen Arsenal machte, aus dem spätere Generationen ihre Texte und Argumente beziehen werden. Die Dominikaner nehmen in der Kollektion mit 29 Theologen den ersten Platz ein, aber auch die ältere Minoritenschule, die Augustinereremiten, die Karmeliten und die Kanonisten sind eindrucksvoll Läßt man die Liste Namen Revue versteht den so man Stolz der Gegner der klangvoller passieren, nova opinio, in den sich die Trauer über die Gegenwart mischt, die ein ganz anderes Bild bietet. Angesichts der Abwertung der ehemals unangefochtenen Autoritäten weiß sich der Predigerorden als Hüter der Tradition, der ein bedrohtes historisches Erbe retten möchte. Es geht ihm jedoch nicht nur um ein großes Erbe, sondern noch mehr um die Wahrung des nur Christus zukommenden Privilegs der Freiheit von der Erbsünde, um den einzigartigen Rang der hl. Schrift und um die lehramtliche Kontinuität, wie sie sich insbesondere in der römischen Kirche artikuliert hat, wohingegen die Immakulisten lediglich die moderni hinter sich wissen71. Diese Überzeugung und nicht etwa Rechthaberei oder die Weigerung, die .
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repräsentiert70.
C. 6, ed. cit. 506a-507a. P. VII, c. 1, ed. cit. 356b. AaO, c. 29, ed. cit. 332a-339bc, cc. 30f, 339a-345b. AaO, c. 4, ed. cit. 364a ad hoc moti sunt (fratres praedicatores) ex doctrina illa salubérrima, quando dux et pater inclytes B. Dominicus in principio ordinis verbis et literis fratribus persuadebat; videlicet quod in utroque Testamento in sacris literis et solis antiquorum patrum sententiis et communibus Ecclesiae doctrinis, suum Studium firmiter collocarent. Sanum plane divi doctoris et patris optimi consilium, ut hi qui Christiani populi praedicatores et doctores instituebantur, non quibuscumque frivolis doctrinis, sed ...
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Lehre des
Aquinaten in einem wichtigen Punkt preiszugeben, erklären die kompromißlose Haltung der Dominikaner. Torquemada hat das Makulisten und Immakulisten Trennende in zwanzig differentiae zuammengefaßt. Auf einige sei eingegangen, weil sie wegen der Schärfe, in der sie formuliert sind, einen guten Eindruck von den heftigen Auseinandersetzungen im Umfeld des Basler Konzils vermitteln. Seinen Gegnern wirft er vor, die Einzigartigkeit der Privilegien Christi zu mißachten, und eine Lehre zu favorisieren, die trotz vieler Worte keine wirkliche Einsicht bietet. Sie argumentieren mit einem mystischen, parabolischen Schriftsinn und offensichtlich falschen Behauptungen. Während die „hundert Theologen" aus dem Welt- und Ordensklerus, die sich gegen die „neue Meinung" stellen, die klassische Tradition der Theologen und Kanonisten repräsentieren, können die Immakulisten nur „sehr wenige junge und unerfahrene Doktoren" vorweisen, die sich nicht der geringsten Reputation erfreuen72. Daß das Volk ihnen Glauben schenkt, führt Torquemada auf „finsteres Gerede" und „skandalöse Berichte" zurück. Schließlich fragt er, wer denn die neue Lehre eingeführt habe. Der Apostolische Stuhl oder das Konzil? Die Antwort ist eindeutig: Keiner von beiden. Tatsächlich wurde sie an vielen Orten gewaltsam und unter Drohungen propagiert, von denen er zahlreiche Einzelheiten erzählen könnte73. Thesen und Anklagen vermitteln ein anschauliches Bild von der gespannten Atmosphäre, in der die Probleme der Unbefleckten Empfängnis in Basel diskutiert wurden. Die aus den Worten Torquemadas sprechende Erregung und Geringschätzung, die er seinen Widersachern entgegenbringt, verdecken freilich die Tatsache, daß unterdessen die novelli doctores die Universitätstheologie, die Mendikantenorden, einflußreiche Prälaten und weltliche Fürsten eis tantummodo animum imbuendum exhibèrent, quae a fonte Divinae sapientiae in SaScriptura atque per sanctos et approbates doctores, primos nostrae fidei ftindatores, cognoscerent émanasse, sequentes in hoc Ecclesiam Romanam 364b ad hoc moti sunt ex eo quod doctrina ex adverso diligenter considerara, in nulla Sacrae Scripturae auctoritate aut cujuscunque sancti videtur expresse fundari. P. XIII, c. 16, ed. cit. 774b-775a (11. u. 12. Differenz). Ostensum enim est supra ubi testimonia centum patrum et doctorum de utroque state, scilicet saeculari et religioso, inducía sunt pro hac doctrina, quod, quasi universa schola theologiae et juris canonici hanc dotrinam docuit et profiteter. Doctrina vero eorum ex adverso paucissimos et novellos habet doctores qui comparatione doctorum hujus doctrinae parvissimae reputationis et auctoritatis existent. Torquemada gebraucht auch in der Summa de Ecclesia den Begriff der novelli doctores, um minderqualifizierte Theologen, gleich welchen Alters zu bezeichnen: L. III, c. 14, ed. Lyon 1496, fol 193r. Intelleximus tarnen cum in Basiliensi concilio ftiimus quosdam novellos magistros non etate sed doctrina ad hoc summa violentia intendere... Ed. cit. 775b-776a (13. Differenz). cra
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hinter sich wußten, die in Verbindung mit konziliaristischen Ideen die Definition der nova opinio anstrebten. Daß sich die Konzilsmehrheit über die Einwände der Anwälte der traditionellen Meinung hinwegsetzen würde, war seit Beginn der Debatte nicht zweifelhaft. Am 17. September 1439 wurde die Definition der Unbefleckten Empfängnis feierlich verkündet. Sie besagt, daß Maria kraft der zuvorkommenden göttlichen Gnade niemals unter der Erbsünde gestanden hat und daß sie frei von ihr und jeglicher Schuld gewesen ist. Diese Lehre hat als fromm zu gelten, sie befindet sich im Einklang mit dem Kult der Kirche, der rechten Vernunft und der hl. Schrift74. Die Reihenfolge der Autoritäten, auf die sie sich stützt, ist bezeichnend für den Verlauf der Diskussionen und die Gewichtung der Argumente. So steht die Liturgie, die Feier des Festes der Empfängnis an erster, die Schrift an letzter Stelle. Auch die Rolle der aus Prinzipien deduzierenden recta ratio wird genannt. Bleibt das Postskript zu erwähnen, das Torquemada nach der Definition der Unbefleckten Empfängnis seinem Tractatus angefügt hat. Nach dem Bruch mit dem Konzil hatte er sich an den Sitz des Apostolischen Stuhls, den er Lehrer des Glaubens nennt, begeben. Die Trennung des Hauptes von der Basler Restversammlung bewirkte in den Augen der päpstlichen Parteigänger, daß die durch sie erfolgte Entscheidung als „leer und ungültig" angesehen wurde, weil sie sich im Widerspruch zur klaren Lehre der wichtigsten Kirchenväter und maßgebenden Theologen befand. Femer waren die Kardinäle, Legaten und der Präsident abgereist. Auch handelte es sich nach der Translation des Konzils von Basel nach Bologna nicht mehr um eine Synode der Universalkirche, sondern um eine congregado Sathanae Das Argument, Basel sei zur Zeit der Definition der Immaculata Conceptio schismatisch gewesen, wurde in den späteren mariologischen Kontroversen ein klassischer Einwand, der nicht nur der Definition die Verbindlichkeit nahm, sondern auch die Sache mit konziliaristischen Reminiszenzen belastete, so daß sich .
Mansi 29, 183
doctrinam illam disserentem gloriosam Virginem Dei genitricem et operante divini numinis gratia singulari, numquam actealiter subjacuisse originali peccato, sed immunem semper fuisse ab omni originali et acteali culpa, sanctamque et immaculatam, tamquam piam et consonam cultei ecclesiastico, fidei catholicae, rectae rationi et sacrae scripturae, ab omnibus catholicis approbandam fore, tenendam et amplectendam, diffinimus et declaramus, nullique de cetero licitum esse in contrarium praedicare seu docere. Renovantes praeterea institutionem de celebranda sancta ejus Conceptione, quae tam per Romanam quam per alias ecclesias sexto Idus Decembris antiqua et laudabili consuetedine celebrater Ed. cit. 780f. Zu Torquemadas Lehre vom Verhältnis zwischen Papst und Konzil s. K. Binder, Konzilsgedanken, bes. 153-211. Th.M. Izbicki, Protector of the Faith 75106. ...
Mariam, praeveniente
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auch Sixtus IV. und viele Anhänger der Lehre hüteten, das Basler Dekret zu ihren Gunsten zu verwenden. Aus den Jahren nach dem Basler Konzil haben wir die Abhandlung Tractatus de prerogativis domini nostri Jesu Christi aus der Feder des Dominikaners Raphael de Pornassio, die zeigt, wie die Makulisten Bundesgenossen suchten, um die Isolierung zu durchbrechen76. Der Autor hat sie im Frühjahr oder Sommer 1442 verfaßt und an den Kartäuserorden gerichtet, der, wie wir schon bei Torquemada gehört haben, jenseits der öffentlichen Kontroversen als Hüter theologischer und liturgischer Traditionen galt77. Auf sie spielt Raphael an, wenn er schreibt, die Kartäuser feierten wie die Dominikaner zum Zeichen, daß allein Jesus Christus von der Erbsünde frei sei, nicht das Fest der Empfängnis Mariens7 Möglicherweise hat Raphael den Traktat verfaßt, weil ihm zu Ohren gekommen war, daß die Kartäuser die Absicht hatten, das Fest der Empfängnis am 8. Dezember demnächst einzuführen. Das geschah tatsächlich unter Berufung auf das Basler Konzil und um die liturgische Einheit im Orden zu erhalten durch Beschluß des Generalkapitels im Jahre 147079. Um die Adressaten zu überzeugen, daß sie ihrer bewährten liturgischen Praxis den Vorzug geben sollten, hat der Dominikaner eine Liste von 72 Theologen zusammengestellt, die sich negativ zur Unbefleckten Empfängnis geäußert haben. Um den Eindruck, den diese Zahl gewiß hervorrief zu verstärken, hat Raphael keine Dominikaner und Kartäuser in dieses Repertorium aufgenommen, wohl aber alle Minoriten80. Die Aufzählung weist keine innere Ordnung auf und nimmt keine Rücksicht auf die Chronologie der Schriften, auch gibt es keine Gruppierung nach Ordenszugehörigkeit und Klassifizierung etwa nach Theologen, Predigern oder Kanonisten. Der Verfasser tut dies wohl, um die Herkunft des Ver-
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Vgl. R. Creytens, Raphaël de Pornassio O.P. (f 1467). U. Horst, Autorität und Immunität. Der Traktat ist überliefert: Horsham (Sussex), St. Hugh's Charterhouse, ms. D. 156, pp. 97-141. P. 97. Vos quidem, quia festem Conceptionis non celebratis, nos vero quia nec id agi-
et doctores nostri concorditer conceptionis sanctitatem soli attribuunt salvatori. Verfugt wurde dies: Ob conformitatem laudabilem in ordine nostro conservandam et praecipue in celebratione divinorum prout statuta nostra manifeste volunt, ordinamus quod festem Virginis Mariae quod mater Ecclesia célébrât Idus Decembri amodo sub nomine Conceptionis per totem ordinem universaliter celebreter, quemadmodum alias per Ecclesiam fuit determinatem non obstante statute, quod de Sanctificatione facit mentionem. Der Text wurde zitiert nach A. Degand, Le culte mariai, c. X, 159 (nicht veröffentlicht). Eine Kopie stellte mir Herr Kollege H.J. Becker, Mainz, freundlicherweise zur Verfugung. S. auch J. HOURLIER B. Du MOUSTIER, Le calendrier cartusien: Etudes Grégoriennes II 2, Abbaye Saint Pierre de Solesmes 1957, 151-161, hier: 161. mus
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AaO, pp. 98-138. 50
verschleiern, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß der Tractatus die Vorlage für die Liste war, dem er wenigstens 40 Namen entTorquemadas nommen hat. Ob er die restlichen 30 Theologen eigenen Studien verdankt oder ob er sie irgendwo abgeschrieben hat, läßt sich einstweilen nicht ermitteln. Die 72 Zeugen sieht Raphael in Analogie zu den 72 Jüngern des Herrn, deren Aufgabe es war, die Einzigartikeit ihres Meisters, das Freisein von der Erbsünde, zu verkünden. Daß diese Einmaligkeit, die keine Ausnahmen, also auch Maria nicht, duldet, kirchliche Lehre ist und darum nicht im Belieben der Gläubigen liegt, sucht Raphael auf dreifache Weise zu zeigen. Zunächst entspricht sie ganz und gar der hl. Schrift, dann aber auch den von der Kirche beglaubigten Vätern mitsamt der Mehrzahl der Theologen. Sie ist sodann im Kirchenrecht enthalten, wie die Majorität der Kommentatoren bestätigt Den, wie er meint, wichtigsten lehramtlichen Text entnimmt Raphael der Unionsbulle der Kopten, die Eugen IV. erst „kürzlich" (nuper) erlassen hat. In ihr findet sich ein entscheidender Satz, wonach der Mittler Jesus Christus alle Menschen aus der Macht des Teufels befreit hat. Hätte das Konzil von Florenz Maria von dieser Universalität ausnehmen wollen, hätte es dies eigens Aus den beigebrachten Zeugnissen zieht Rapahel den Schluß, daß jeder, der sich um Einsicht bemüht, erkennen muß, daß die Frage nach der Unbefleckten Empfängnis Marias von der Kirche bereits entschieden worden ist, so daß man auf weitere Klarstellungen nicht zu warten braucht83. Trotz der Überzeugung des Dominika-
zeichnisses
zu
oi
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gesagt82.
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AaO, pp. 138f. Hü sunt septeaginta duo testes fide dignissimi, de quibus non incongrue dixerim, quod ad instar septeaginta duorum discipulorum, quos ultra predicationem apostolorum elegit sibi dominus Yesus Christus, ut testimonium perhiberent veritati eius. Sie et istos post doctrinam veterum et sanctorum ecclesie sánete doctorum, misit ante faciem suam docere et testimonium perhibere excellentissime prerogative eius, totalis videlicet ac perfecte ac omnimodo a peccato quolibet immunitatis Ex quibus (genannt werden Johannes de Polliaco und Gratian) et pluribus aliis suprapositis patere potest alteram partem questionis esse articulum fidei et de necessitate credendum Primo videlicet, quia hoc habetur ex sacra scriptura, que in omnibus suis punctis et ...
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clausulis ex terminatione ecclesie est de necessitate tenenda Secundo cum id habetur ex communi traditione et doctrina sanctorum ab ecclesia approbatorum, precipue concurrentibus ad id posterioribus theologis (et) doctoribus, pro maiori parte saltern et saniori, licet id non habeater expressum ex texte scripture Tertio cum id poniter et habetur in corpore iuris canonici confirmantibus glosatoribus et concurrentibus ad id, saltern pro maiori parte et saniori, postillatoribus et summistis iuris canonici. H. Denzinger-P. HUnermann, Enchiridion 1347, 465. AaO, p. 140. Sic igitur patet omni volenti intelligere et non protervire, quod materia ista et questio satis et omnibus modis, quibus aliquid determinari ab ecclesia contingit, decisa et determinata est ab ipsa ecclesia, nec est amplius ulterior determinatio expectanda. ...
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Empfängnis Mariens sei bereits Lehre der Kirche, wird interessanterweise die immakulistische These nie als Irrlehre bezeichnet, ein Indiz, daß er ein solches Urteil nicht wagte. Der Traktat endet unvermittelt und inkonsequent. Im Gegensatz zu dem eingangs geäußerten Vorsatz, keinen Dominikanertheologen zum Beweis zu zitieren, bietet Rapahael jetzt einen Hinweis auf die verehrungswürdige Lehre des hl. Thomas von Aquin. Er tut dies mit Worten, die er aus einem Brief des Bischofs Stephan von Paris vom 14. Februar 1325 an die Universität Paris zitiert. Erwähnt wird ferner ein Schreiben Urbans IV., das der Papst 1368 anläßlich der Translation der Reliquien des Aquinaten nach Toulouse verfaßt hat. Aus beiden Dokumenten folgert er die kirchliche Approbation der Lehre des Heiligen84. Der Intervention Raphaels bei den Kartäusern war kein Erfolg beschieden. Sie führten 1470 das Fest der Empfängnis Mariens ein und gaben der Basler Definition den Vorzug. Wußte Raphael nicht, daß maßgebende Kartäuser Anhänger des Konzils waren und die nova opinio favorisierten ? So ist, um ein besonders einflußreiches Beispiel zu nennen, Dionysius der Kartäuser in seinem Sentenzenkommentar der Meinung, das Basler Konzil habe allen Streitigkeiten ein Ende gesetzt und die Definition der Unbefleckten Empfängnis verabschiedet. Aus dem Fest der Heiligung Mariens ist nun endgültig ein Fest der Empfängnis geworners, die erbsündliche
den86.
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Notandum tarnen, quod maior numerus inveniri posset doctorum quam numerus LXXII doctorum supra positus, qui cum illorum determinatione sentiunt, si quis solerter inquirere voluerit. CUP II, 280f. Femer I.I. PERCIN, Monumenta conventus Tolosani, nr. 9, 231. Vgl. J.W. Stieber, Pope Eugenius IV100-102. In Sent. Ill, d. 3, Opera Omnia t. XXIII, 98. Verumtamen quid in hac re sit sentiendum, non disputationibus contentiosis, sed determinatione Ecclesiae catholicae, cui obedire tenemur, est inquirendum. Quae in novissimo concilio universali finem ut dixi his dissensionibus imposuit, et dignissimam Dei matrem in sua conceptione ab omni originali labe, per praevenientem gratiam a summo capite Christo ortem habentem, praeservatam, atque ideo festem de ea sub nomine conceptionis et non sanctificationis esse celebrandum determinavit. Zur Autorität des Konzils s. D. Wassermann, Dionysius der Kartäuser 217-223. -
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III. Kapitel Die Verteidigung der klassischen Ordensposition: Vincenzo Bandello
1. Der Liber recolledorius
Daß die Definition der Unbefleckten Empängnis auf dem Basler Konzil nicht das letzte Wort in der Sache sein würde, folgt schon aus dem Umstand, daß die päpstliche Partei dem Beschluß keine dogmatische Verbindlichkeit zuerkannte. Der Basler Konzilsentscheid sollte noch lange mit dem Stigma des Konziliarismus behaftet bleiben, an den die Gegner mit einem gewissen Erfolg zu erinnern nicht müde wurden. Aus einem mariologischen Problem, das zunächst auf einer spekulativen Ebene gestellt und gelöst werden sollte, hatte sich jetzt als Nebenthema eine ekklesiologische Streitfrage entwickelt. Wer konnte sich, so fragten die Makulisten, auf einen Entscheid berufen, der aus der Initiative einer synagoga Sathanae hervorgegangen war? Die Befürworter auch die papsttreuen focht dieser Einwand nicht an. Meist ignorierten sie den in ihrem Standpunkt enthaltenen Widerspruch. Zu der streng theologischen Diskussion im akademischen Umfeld gesellten sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts neue Formen der Propagierung und der publikumswirksamen Auseinandersetzungen. Die intensive Predigttätigkeit der Anhänger der neuen Doktrin forderte in einem bisher nicht bekannten Maß die Immakulatafrömmigkeit des Volkes mit einem Schwerpunkt in Oberitalien und später in Spanien. Große Disputationen in Städten und an Fürstenhöfen, in denen sich Gegner fast ausschließlich Dominikaner und Anhänger leidenschaftliche Kämpfe lieferten, machten das bisher vorwiegend an Hochschulen diskutierte Thema zu einer immer heftiger werdenden öffentlichen Kontroverse, in der das Prestige der sich unter den Augen des Volkes befehdenden Orden auf dem Spiel stand1. Die Folge war eine im Lauf der Zeit ausufernde Polemik. Die zentrale Figur unter den Gegnern der Unbefleckten Empfängnis aus dem Dominikanerorden war Vincenzo Bandello, der 1435 in Castronuovo in der Diözese Tortona geboren wurde. Ihm wurden wichtige Ämter als Professor und Inquisitor im Orden anvertraut. In Bologna und Mailand (Santa Maria delle Gratie) war er Prior. Im Jahre 1501 wählte man ihn zum Generalmagister. 1506 starb er Bekannt wurde er durch zwei kontroverse Bücher und in Altomonte -
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(Neapel)2.
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Dazu s. R.M. Dessi, La controversia. Leander Albertus, De viris illustribus 47r-49v. QE II 1 -3. D.A. Mortier, Histoire des maîtres généraux, t. V, 67-127. DBI 5, 666-667 (A. Ferrua). P. Taurisano, Hie-
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einen Traktat De potestate papae, der verloren gegangen ist Als seine große Aufgabe sah er den Kampf gegen die Befürworter der neuen Doktrin an, die er in viel beachteten öffentlichen Disputationen als theologisch unbegründet zu erweiWelche Bedeutung sie in den Augen der Zeitgenossen hatten und sen suchte welche Maßnahmen sie provozierten, werden wir später sehen. Über die Lombardei hinaus machte ihn sein 1475 in Mailand erschienenes Buch mit einem Titel, der bereits einen wichtigen Teil des Inhalts umschreibt, bekannt: Liber recollec.
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torius auctoritatum de veritate conceptionis beate Virginis Marie Obschon seine Thesen bekannt waren und der Verfasser leicht zu identifizieren war, erschien das Werk anonym. Fürchtete er Nachteile für sich und den Orden? Das Buch ist, wohl bedingt durch die amtliche Reaktion, relativ selten. In Anlehnung an den nach der Summa contra Gentiles des Aquinaten dem Weisen obliegenden Auftrag möchte Bandello die Wahrheit meditieren und die ihr entgegenstehenden Irrtümer bekämpfen, da das eine das andere bedingt, insofern man eine falsche Lehre approbiert, wenn man ihr nicht widerspricht6. Dem Leser wird auch sogleich verraten, wer und was mit einem solchen Satz gemeint ist. Unter den zu seiner Zeit grassierenden Irrtümern ist am gefährlichsten der Versuch, Maria von Christus zu trennen. Das geschieht durch die These, Maria sei ohne Erbsünde empfangen, da dadurch das Werk des Erlösers entleert wird7. Wie soll man sich eine solche von den Immakulisten vertretene Ansicht erklären? Nach Meinung Bandellos ist die Antwort einfach: Unkenntnis der hl. Schrift und Geringschätzung der Vätertradition sowie ein nicht näher beschriebenes Verlangen nach Ehre und weltlichem Gewinn. Die, wie er nachzuweisen versucht, auf dürftiger Theologie basierende Predigt hatte offenbar beim einfachen Volk großen Eindruck gemacht, der dem Ansehen der Dominikaner namentlich in den Städten beträchtlichen Schaden zufügte.Wer sind nun diese ungebildeten Prediger, die die in einer .
rarchia Ordinis 9, nr. 36. LMK 1, 354f (O. StegmüLLER/J. Stöhr). Ein präziser biographischer Abriß bei M. Tavuzzi, Renaissance Inquisitors 249f, femer Reg. 278. P.O. KRISTELLER, Le Thomisme 104-106 u. 189-278 (Edition eines an Lorenzo de'Medici gerichteten Opusculums). Femer Studies. 3 Albertus Leander, De vlris illustrious 49v. 4 Albertus Leander, De viris Illustrious 48v berichtet von einer memoranda disputatio Forocomelii Flaminiae urbe, die wohl 1474/75 stattgefunden hat. 5 Gedruckt durch Christophorus Valdorfer. 6 Fol lr-lv. ScGI 1 u. 2. 7 Fol Iva. Inter ceteros autem errores contra veritatem exortos ille longe periculosior est qui beatissimam virginem a Christi redemptione segregare mollitur. Nam dum quidam minus sapientes in suis editionibus almam genitricem ab originali peccato in sui conceptione immunem fuisse affirmant redemptionis preciosi sanguinis Yesu Christi precium évacuant et in errorum multiplicitatem catholica veritate deserta naufracte labunter.
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langen
Tradition bewährten mariologischen Prinzipien außer Acht lassen? Banzwar keine Namen, doch duldet es keinen Zweifel, daß es sich um aufgeblasene und törichte „moderne Barfüßer", also um Minoriten, handelt8. Die in einer ätzenden Sprache formulierten Vorwürfe sprechen für sich und charakterisieren hinreichend Gegenstand und Ton der damaligen Auseinandersetzungen unter den rivalisierenden Mendikanten. Auch wird die Argumentationsrichtung deutlich. Bandello wird zum einen versuchen, an Hand der klassischen Theologie der Väter und der großen Scholastiker den Nachweis zu führen, daß die Immaculata Conceptio in ihr keine Stütze findet, dann aber die fatalen Konsequenzen aufzeigen, die die Freiheit Marias von der Erbsünde für die Erlösung durch Christus mit sich bringt. Daß sich sachliche Darlegungen allenthalben mit Polemik verbinden, ist ein Indiz für die erregte Atmosphäre namentlich in Oberitalien. Bandello beschließt das Vorwort mit einem Vorsatz, der zugleich seine Methode beschreiben soll: Er möchte anders als seine Widersacher in die Nachfolge der von den „Alten" gelehrten Wahrheit treten, die uns nicht „von oben herab" (ex scabello), sondern in den heiligen Schriften geboten wird und die darin besteht, daß sich die Gottesmutter die Erbsünde zugezogen hat und anschließend
dello nennt
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geheiligt wurde9.
Der Liber recolledorius hat vier Teile. Im ersten geht es um die Klärung der in der Kontroverse gebrauchten Begriffe, die vor allem an Hand der Theologie des Aquinaten vorgenommen wird. Er umfaßt 20 Kapitel und handelt über den Urständ des Menschen und die Erbsünde10. In einem zweiten Teil möchte er den Schrift- und insbesondere den Traditionsbeweis für seine These liefern". In einem weiteren Schritt beabsichtigt er, siebenunddreißig gegnerische Argumente
Fol lvb. Isti de domo domini populos seducunt et ut suum pertinaciter defendant errodivinas scripteras perniciose dépravant, doctores antiquos condempnant et imperito vulgo predicantes audent aliis edissere quod ipsi non intelligunt, nec fateri etiam verenter se aliquid videre quod eorum non intellexerunt magistri. O stependum prodigium ut quidam, ut ita dicam, scalciati moderni vento pleni, sapiencia vacui tam facile intellexerunt quod doctores antiqui vita sanctissimi, ingenio preclari, fide ferventes, veritate rem
perspicui ignoravere. Fol 2va relicta populari consuetedine sequamur veritatem que non ex scabello sed ex sacris codicibus nobis offerter et almam dei genitricem post originalis peccati contrac tionem excellentissime super omnes fuisse sanctificatam ac suo spirituali nitore super omnium angelorum puritatem fuisse exaltatam firma fide teneamus. 10 ...
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Fol 5v-20r. Fol 20rb-75vb. Incipit secunda pars in qua demonstrater tam virginem sine peccato fuisse conceptam.
quod impium
est tenere
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mit den zu ihnen passenden Antworten vorzustellen Im letzten Teil geht es um die Widerlegung von Ausflüchten13. Bandello weiß, daß er mit seinen in einer scharfen Sprache präsentierten Thesen ein sensibles Terrain betritt, auf dem er sich in einer Minderheitenposition befindet, so daß er mit schweren Konflikten zu rechnen hatte. Der Umstand, daß er sein Buch anonym an die Öffentlichkeit brachte, verrät mehr als Worte, daß er sich der Gefahr bewußt war, von einer bereits weithin anerkannten Doktrin abzuweichen. Diese Einschätzung der Situation ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil damals offizielle kirchliche Äußerungen zum Thema noch nicht vorlagen, wohl aber war ihm klar, wie die Prediger des Ordens bestätigten, daß die Immakulisten die Diskussion und die öffentliche Meinung beherrschten und daß Widerspruch mit erheblichen Risiken verbunden war. Um ihnen zu entgehen, versichert deshalb Bandello, er wolle niemand provozieren, sondern lediglich den Beweis für die Wahrheit der traditionellen Lehre antreten, die dann von selbst die Unhaltbarkeit der gegnerischen Position offenkundig macht. Wie man sieht, gibt er sich fest überzeugt, daß das von ihm gebotene Kompendium weit zerstreuter Texte von Vätern, Theologen und Männern der Kirche den Effekt haben wird, daß sich die klassische Doktrin seiner Schule am Ende durchsetzt. Die in seinem recollectorium gesammelten Autoritäten werden offenbar machen, daß er, Bandello, allein der katholischen Wahrheit verpflichtet ist. Sollte er indes, so versichert er pflichtgemäß, etwas gegen die kirchliche Lehre behaupten, so sei dies als null und nichtig zu erachten14. Die Klärung der mit der Erbsünde verbundenen Probleme ist nach Bandello der Schlüssel zum Verständnis seiner Ablehnung der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Dem Wesen der Urschuld und deren Implikationen ist darum der erste grundlegende Teil des Werkes gewidmet. Daß er sich im engen Anschluß an die Lehre des Aquinaten bewegt, versteht sich für einen Theologen des Predigerordens von selbst, zumal sich die meisten Vertreter der anderen Orden die in dieser Schule entwickelten Prinzipien über einen langen Zeitraum ebenfalls zu eigen gemacht hatten, ehe sie sich mehrheitlich der nova opinio zuwandten. Es verwundert deshalb nicht, daß Thomas und die hinter ihm stehende Tradition der große Trumpf in der Abhandlung Bandellos sein werden .
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Fol 75vb-102vb. Incipit tercia pars in qua adducuntur triginta septem rationes opinionis contrarie cum eorum solutionibus. Fol 102vb. Fol 6ra. Wegen der geringen Originalität Bandellos in dieser Sache beschränken wir uns auf die Thesen, die später für das mariologische Problem wichtig werden.
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Gleich die erste These gibt die einzuschlagende Richtung zu erkennen. Unter Berufung auf die „heiligen Lehrer" heißt es, daß der Mensch durch die Vermischung der Samen von Mann und Frau im Schoß der Mutter -je nach Geschlecht in 40 oder 80 Tagen seinen Ursprung nimmt, beseelt und schließlich geboren wird. Der allen gemeinsame biologische Vorgang lehrt mit wünschenswerter Deutlichkeit, daß nur Christus, die Engel, Adam und Eva außerhalb dieser Ordnung stehen. Alle übrigen aber verdanken ihre Existenz einer solchen Verbindung, weil sie aus Mann und Frau entstanden sind. Wenn, so muß schließlich gefolgert werden, die doctores sancti sagen, daß sich Menschen auf diese Weise fortpflanzten und sich dadurch die Erbsünde zuzögen, dann sind von ihr nur die ausgenommen, die ihren Ursprung nicht aus Mann und Frau haben16. Auf die weiteren detaillierten Darlegungen über Eigenart, Weitergabe und Konsequenzen für den gefallenen Menschen dürfen wir, da sie die in der Schule des Aquinaten üblichen Gedanken wiederholen, hier verzichten. Bandello beschließt seine Überlegungen mit der, wie er meint, den katholischen Glauben wiedergebenden Versicherung, daß „schlechthin" alle, die von Adam und Eva dem Samen nach abstammen, in der Beseelung der Erbsünde teilhaftig werden17. Das heißt positiv: Christus allein ist frei von der Erbschuld, da sein Leib durch das Wirken des Hl. Geistes gebildet wurde Die Konsequenzen dieser keine Ausnahme duldenden Universalität der Sündenverfallenheit des Menschengeschlechts für die hier zur Diskussion stehenden Frage liegen auf der Hand, so daß kein Zweifel daran aufkommen kann, daß auch -
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C. 2, fol 6rb-6va. Omnes autem alii (homines) carnaliter propagati sunt quia ex viro et muliere sunt predicto modo concepti. Et ideo quando sancti doctores dicunt omnes homines carnaliter propagatos originale peccatum in sui conceptione contraxisse. Ab hac sententia solum Adam et Eva et Christus qui non sunt carnaliter propagati excludunter et omnes alios homines originale contraxisse peccatum firmiter intelligunt Ex hoc clarissime patet quia omnes fere doctores ponunt beatam Virginem et Johannem Baptistam et Ieremiam in utero matris fuisse sanctificatos et ex utero sine peccato natos. Vgl. S Th I-II 81 und den Kommentar dazu von O.H. PESCH, Die Sünde 902-924. Ferner S Th 27, 1 u. 2. Dazu s. A. Hoffmann, Des Menschensohnes Sein 536-549. M.M. Labourdette, Aux origines du péché. M. Leblanc, Aspects du péché originel. P. I, c. 15, fol 14rb. Et ideo simpliciter concludendum est quod omnes homines qui ab Adam seminaliter propagateur mox in ipsa sui animatione originale peccatum contrahunt. Bandello beruf sich auf Thomas, De malo, q. 4, a. 3 u. 4, éd. cit. 532-535. AaO fol 114va solus Christus non processit ab Adam secundum seminalem rationem, quia eius corpus non ex semine humano sed operatione Spiritus Sancti formatem est... Fol 14vb. Cum ergo et beata virgo et omnes alii homines ab Adam seminaliter descenderint necesse est dicere quod beata virgo et omnes alii homines prêter Christum contrahunt peccatum originale. ...
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...
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die Empfängnis Mariens unter das allgemeine Gesetz fällt. Gleichwohl sieht sich Bandello genötigt, auf die Argumente seiner Gegner einzugehen, die in der theologischen Debatte den Ton angeben. Er konfrontiert sie mit dem aus den bisherigen Überlegungen zu ziehenden Schluß, daß es „sehr frevelhaft und unbesonnen" Die Zensur ist scharf, ist, zu behaupten, Maria sei ohne Erbsünde sie vermeidet jedoch den Häresievorwurf, den sie der Logik der Gedanken nach eigentlich erheben müßte. Verstößt nicht die Annahme der Immaculata Conceptio gegen die göttliche Ordnung? Wäre Gott nicht ungerecht, ließe er Maria ohne Ursünde die aus dieser resultierenden Strafen erleiden, während die Schrift doch das Gegenteil Auch hätte dann Maria keiner Sündenvergebung bedurft, und ein Freisein von der Erbschuld hätte ferner bedeutet, daß sie ohne männlichen Samen in die Welt getreten wäre. Schließlich hätte sie unter der Voraussetzung der Unbefleckten Empfängnis den körperlichen Tod nicht erleiden
empfangen19.
behauptet20?
müssen21. In langen Erörterungen,
mit Texten aus Patristik und Scholastik dokumentiert, sucht Bandello nachzuweisen, daß das Freisein Mariens von der Ursünde die Mutter des Herrn in jeder Hinsicht außerhalb des Erlösungswerks stellen würde. Christus hätte dann nicht mehr als Erlöser aller Menschen zu gelten, denn im eigentlichen Sinn ist nur der als erlöst zu erachten, der einmal in der Gefangenschaft der Sünde war. Er wäre dann auch für Maria nicht Schließlich die Christi in insofern sein er geriete Sonderstellung Gefahr, einzigartiges Vorrecht mit seiner Mutter hätte teilen müssen23. Außerdem nimmt Bandello mit Thomas v. Aquin an, daß in Maria selbst nach der Heiligung der fames peccati,
gestorben22.
1
P. II, 20rb. Sit igiter huius secunde partis hec firma et indubitanda conclusio. Dicere beatam virginem non fuisse in originali peccato conceptam est valde impium et temerarium. Fol 20vab (Prima ratio). Cum ergo beata virgo multas penalitates sustinuerit si peccatum originale non contraxisset iniquus esset deus qui sine culpa earn sic pati permisisset.
21 22
Fol 21ra-22va (Rationes 3 u. 4). Fol 22va-23va (Ratio 1). Ex quibus patet quod si beata virgo nunquam fuisset sub culpa originali captiva non esset per Christum redempta (23va). Fol 24va (Ratio 3). Ex quibus patet quod si beata virgo nunquam fuisset sub culpa peccati originalis Christus non fuisset morteus pro ea quia pro solis morteis in peccato morteus est. Fol 28rb-35 (Rationes 11-13). Decens et congruum fuit ut singularis conceptio singulari privilegio dotaretur. Sed conceptio Christi fuit singularis quia fuit de spïritu sancto sine virili semine. Conceptio vero beate virginis non fuit singularis sed fuit modo commute secundum rationem seminalem ex parentem concubite (35va).
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das habituell
ist24.
ungeordnete Verlangen
des sinnlichen
Strebevermögens,
gewesen
Auf die sehr detaillierte Behandlung sämtlicher mit der Erbschuld verbundenen Themen, wie sie namentlich unter Thomisten diskutiert wurden, dürfen wir verzichten, da sie kaum Neues bieten.Wie der Titel des Liber recolledorius zu verstehen gibt, war er als ein Kompendium bekannter Argumente gedacht, die für Predigten und Disputationen verwendet werden konnten. Wie die noch zu würdigenden Reaktionen verraten, hat das Buch wenigstens eine Zeitlang diesen Zweck erfüllt. Von erheblicher Bedeutung für die Atmosphäre der damaligen Auseinandersetzungen sind die Zensuren, mit denen der Autor seine Kontrahenten bedenkt. So sagt er in einer ersten Qualifizierung: Wer sich zur Doktrin der Unbefleckten Empfängnis bekennt, opponiert auf höchst frevelhafte Weise gegen einen aufs solideste begründeten Glauben Sodann heißt es womöglich noch schärfer: Die Vertreter der neuen Meinung versuchen, den Glauben umzustürzen26. Und weiter: Wer sie verteidigt, erweist sich auf Grund seiner „schrecklichen Kindereien" als jemand, der die christliche Religion gefährdet27. Oder mit einer übertreibend provozierenden Formulierung: Sollte Maria behauptet haben, sie sei ohne Erbsünde empfangen worden, so hätte sie sich selbst getäuscht28. Zum nächsten großen Teil seines Buches, in dem Bandello seinen eigentlichen Trumpf ausspielt, leitet er mit der Zensur über, daß die heiligen Lehrer aller Zeiten die immakulistische Lehre für einen großen Irrtum hielten29. Mit dieser Feststellung weiß er sich neben dem oft zitierten Brief des hl. Bernhard an die Kanoniker von Lyon mit Ambrosius, Augustinus und vor allem mit der klassischen Lehre des Aquinaten einig. Einen zentralen Platz in der Argumentation zugunsten einer ehemals einheitlichen Lehrüberlieferung nimmt, wie mehrfach angekündigt, der Nachweis ein, daß 250 „sehr berühmte Doktoren" hinter ihr stehen. Bandello will damit auch sagen, daß -
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Fol 35va. Vgl. S Th III 27, 3; III Sent., d. 3, q. 1 u. 2. S. auch die prägnante Zusammenfassung im Compendium Theologiae I, c. 224, ed. cit. 175f. Fol 39ra (Ratio 4). Resistere fidei fundatissime est valde impium quia est resistere Spiritei sancto. Sed dicere beatam virginem fuisse conceptam sine originali peccato est resistere fundatissime fidei. Fol 39rb (Ratio 5). Qui beatam virginem sine peccato originali fuisse asserunt fundamenta Christiane fidei subvertere conantur. Fol 39vb (Ratio 6). Qui beatam virginem sine originali peccato fuisse dicunt horrenda puerilitate Christiane religioni infesti existent. Fol 40ra (Ratio 7). Si beata virgo se sine peccato esse asseruisset seipsam decepisset dicendo falsum. Fol 40rb (Ratio 8). Dicere beatam virginem sine peccato fuisse sancti doctores dicunt esse erroneum.
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Theologen längst andere Wege gehen und mit den Schulen der Vergangenheit gebrochen haben. Daß es sich hierbei um eine gegen eine lange und überwältigend umfangreiche Tradition zielende Fehlentwicklung handelt, ist mit Sicherheit zu zeigen, wenn es gelingt, eine lückenlose Überlieferungskette zu präsentieren, die aus Päpsten, Kirchenvätern, Heiligen und Theologen unterschiedlichen Ansehens gebildet ist, denen gegenüber die Autoren der jüngeren und jüngsten Vergangenheit und Gegenwart kein Gewicht haben, dem man Beachtung schenken müßte. Das der These zugrundeliegende Prinzip ist einfach und in sich einleuchtend: Was von den meisten und weisesten Denkern gelehrt wurde, hat als so gewiß zu gelten, daß ein Widerspruch als anmaßend und unbegründet anzusehen ist30. Der Gedanke hat, wie wir gesehen haben, gerade in den mariologischen Kontroversen eine lange Vorgeschichte, die auf dem Basler Konzil einen ersten Höhepunkt in den Vorwürfen Torquemadas und Johannes' de Montenegro die
neueren
fand,
nur
novelli doctores ohne
treten31.
Rang und Ansehen würden die
nova
opinio
ver-
Neun Päpste von Innozenz I. bis Eugen IV. weiß Bandello auf seiner Seite32. Dasselbe nimmt er für 27 Heilige in Anspruch, von denen Bernhard v. CL, Thomas v. A., Vincenz Ferrer, Katharina von Siena in den jetzigen Diskussionen eine herausragende Stellung zukommt Als besonders eindrucksvoll erweist sich die Liste von 51 Dominikanern, die Albertus Magnus anführt, auf den die Kardinäle Hugo v. St. Cher und Petrus de Tarantasia folgen, der später Papst wurde. Auch die Tatsache, daß einige von ihnen Bischöfe waren, findet Erwähnung. Von den Theologen, die Pariser Magistri waren, seien nur die genannt, die in der hier zu verhandelnden Frage eine führende Rolle gespielt haben: Durandus de S. Porciano, Petrus de Palude, Hervaeus Natalis, Johannes von Neapel, Johannes Parisiensis, Robert Holkot, Thomas von Sutton, Raymund von Pefiafort, Johannes Dominici, Antoninus von Florenz, Johannes de Montenegro, und Raphael de Pornassio. Relativ ausführlich wird Johannes Torquemada mit seinem Kommentar zum Dekret Gratians und der Summa sollempnis de conceptione (Tractatus de veritate .
Fol 40vb
(Ratio 9). Beatam virginem in originali peccato fuisse conceptam ducentiquinquaginta doctores tenent famosissimi Et ideo quod a pluribus et maxime sapien...
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tibus dicitur firmiter tenendum est et illud negare est temerarium et presumpteosum. Fol 4Ira zieht Bandello aus einer Analyse des Briefs des hl. Bernhard an die Kanoniker von Lyon folgenden Schluß: Ex quibus patet quod ratio non probat nec antiqua doctorum traditio commendat beatam virginem non contraxisse originale peccatum quinimmo condempnat ut in toto processu illius epistole Bernardus ostendit. Vgl. den Abschnitt über das Basler Konzil. Fol 41rb-41vb. Ein kurzer Verweis auf die jeweiligen Quellen wird gegeben. Fol41vb-42r.
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conceptionis beatissime virginis) erwähnt. Bandello vermerkt hinter jedem Nameist Predigten -, wobei sicher sein dürfte, daß er nicht alle men die Quelle Schriften selbst gelesen hat. Exzerpte aus den Werken bietet er in seinem Liber -
nicht. Mit besonderer Genugtuung hat Bandello ein Verzeichnis von 26 Franziskanern Auch unter ihnen befinden sich klangvolle Namen. An der Spitze stehen, um nur die wichtigsten zu nennen, Alexander von Haies und Bonaventura, femer Richard von Mediavilla und Ockham, aus dessen Sentenzenkommentar eine lange Passage zitiert wird. Auch andere Autoren werden mit Texten aufgeführt. So Alvarus Pelayo, Nicolaus von Lyra und Jacopone da Todi mit einem Gedicht. Interessant ist, daß er auch Scotus wegen seines angeblichen Schwan35 kens zu den Repräsentanten der alten Lehre rechnet Bedeutende Augustinertheologen lassen sich ebenfalls zugunsten der opinio antiqua anführen. Zu nennen sind: Aegidius Romanus, Augustinus von Ancona, Gregor von Rimini und Hugolin von Orvieto. Daß Bandello wenigstens einen Teil seiner Gewährsleute bereits zirkulierenden Katalogen entnommen hat, zeigt allein der Umstand, daß er das Verzeichnis des Raphael de Pornassio gekannt und benutzt hat36. Von den Karmeliten wird Guido Terreni genannt, aus dessen Quodlibet Bandello einen längeren Text mitteilt, sowie Paulus von Perusa37. Wie wir aus anderen Zusammenhängen wissen, waren die Dominikaner an den Zeugnissen von Mitgliedern des Kartäuserordens sehr interessiert, da dieser in Liturgie und Frömmigkeit stets der Tradition eng verbunden war. Bandello macht sich das Ansehen und den konservativen Geist des Ordens zunutze, wenn er darauf hinweist, daß die Kartäuser das Fest der Empfängnis „auf der ganzen Welt" sub nomine sanetificationis feiern. Ferner nennt er als Quelle das Leben Christi Ludolfs von Sachsen und eine Predigt des Johannes von Kaikar38. Darauf folgen einige theologisch kaum bekannte Zisterzienser. Beachtung verdient eine Bemerkung Bandellos zu einem Doctor jenes Ordens, dessen Namen in einem Buch mit dem Titel De laudibus beate virginis nicht zu finden sei 9. Verbirgt sich dahinter ein indirekter Hinweis auf eine sonst nicht näher beschriebene Quelle, die möglicherweise unserem Katalog als Vorlage diente? Das scheint sich am Ende des
aufgestellt34.
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Fol 43rb-44v. Fol 44vb. Cum ergo primum répugnât auetoritati ecclesie et scripture igitur secundum eius opinionem non est virgini tribuendum. S. unsere Einleitung. Fol 45va. Fol 46ra. Fol 46rb. Idem tenet eiusdem ordinis quidam doctor cuius nomen non inveniter in libro De laudibus beate virginis.
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Verzeichnisses kanonistischer Gewährsleute, die gegen die immakulistische Position geschrieben haben, zu bestätigen, wenn er einen juristisch und theologisch besonders ausgezeichneten Mann hervorhebt: Laurentius Calcan(e)us aus Brescia, der einen Libellus mirabilis de honore et veneratione ac laudibus beatissime virginis verfaßt hat. Es handelt sich um einen zwischen 1410 und 1420 in Brescia geborenen Rechtsgelehrten, von dem wir neben dem eben erwähnten Buch zwei andere Werke juristischen Inhalts kennen40. Der Inhalt des Libellus wird folgendermaßen beschrieben: In einem ersten Teil legt er die Gründe für eine negative Antwort dar, im zweiten die für eine positive, der dritte Teil löst die gegen die negative Position vorgebrachten Einwände, während der vierte über die dem Bild der Jungfrau zu erweisende Verehrung handelt und über die ministeria velaminum in quadam capella, wohl über die Dienste an einem Wallfahrtsort. Schließlich bekennt der Autor seinen persönlichen Glauben, dem zufolge Maria in der Erbsünde empfangen wurde, die sie sich defacto und de debito zugezogen hat, da sie andernfalls nicht von Christus erlöst worden wäre. Neben den klassischen Heiligen und Kirchenlehrern habe der Autor, heißt es, „viele andere Doktoren herangezogen samt Texten aus der hl. Schrift und dem Kirchenrecht". Aufschlußreich ist folgende These, die sich Bandello später ebenfalls zu eigen machen wird: Ein Urteil von Lehrern, die sich auf Schrifttexte berufen, ist wahr und Meinungen anderer Doktoren sowie den Ansichten eines Papstes oder eines Konzils vorzuziehen41. In der Feder eines Dominikaners ist eine solche These, die offenbar mit Bedacht zitiert wird, einigermaßen erstaunlich. Abgesehen von diesem Grenzfall, der bemerkenswerterweise einen möglichen Konflikt ins Auge faßt, bestätigt Calcaneus, daß sich allein die Makulisten auf dem rechten Weg befänden4 Der Umstand, daß Bandello so ausführlich aus diesem Werk wie aus einer .
Zu Leben und Werk s. Art.: Calcagno, Calcagni, Lorenzo, in: DBI 16, 507-508 (A. DlLLON-Bussi). Zu den Werken s. Index Aureltanus. Catalogus librorum sedecimo saeculo impressorum, Prima pars, t. VI, Aureliae Aquensis 1976, 182. Von dem marianischen Werk scheint jede Spur zu fehlen. Schon Petrus Alva y Astorga hat es in Rom vergebens gesucht, so daß er Bandello vorwirft, das Buch erfunden zu haben: Monumenta Dominicana 603-606. Cum ergo Bandellus fuerit primus et ultimus, qui hunc divulgavit et vidit librum, absolute credo et affirmo totem esse fictem et saltern auctoritatem adductam falso fuisse ascriptam (604b). Da Calcaneus in Brescia und darüber hinaus eine bekannte Persönlichkeit war, ist indes eine Erfindung auszuschließen. Fol 47vb-48ra sententia doctomm fundantium se in auctoritatibus novi et veteris testamenti sit vera et preferenda quibuscumque opinionibus et determinationibus et aliorum doctorum etiam pape et concilii sicut patet per glosam in c. De llbellis d. XX (Friedberg I 65). Fol 48ra. Semper enim illa opinio est eligenda quam tenent doctores sancti et maioris auctoritatis etiam si essent numero pauciores multo magis quando sunt numero plures et ...
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anerkannten Autorität zitiert, muß auffallen. Wie es scheint, verdankt er ihm die Namen kanonistischer Autoren. Aus dem Weltklerus kann Bandello ebenfalls eine stattliche Zahl von Makulisten präsentieren. So Petrus Lombardus, Wilhelm von Auxerre, Heinrich von Gent, Wilhelm Duranti, Richard von Armagh (Armacanus) und Johannes de Polliaco mit einem langen Zitat aus dessen dritten Quodlibet4 Auf sie folgen die Kanonisten, eine Autorengruppe, der in den Auseinandersetzungen eine besondere Rolle zukam, weil sie sich zum Inhalt und zur Verpflichtung des Festes der Empfängnis Mariens äußerten44. Zu nennen sind die angesehensten Vertreter des Kirchenrechts: Gratian, Johannes Teutonicus, Huguccio, Bartholomaeus Brixiensis, Guido von Baysio, Wilhelm Duranti d. Ä., Domenico Domenichi und, wie schon vermerkt, Laurentius Calcaneus Der Katalog makulistischer Theologen ist eindrucksvoll, selbst wenn man nicht erwarten darf, daß Bandello die jeweils zitierten Werke und die reiche Predigtliteratur wirklich studiert hat, sie vielmehr zirkulierenden Verzeichnissen entnahm. Er verschweigt freilich, daß seit langem eine gegenläufige Tendenz die Führungsrolle übernommen hatte, die sich besonders gut an der Entwicklung der mariologischen Doktrin in den Schulen der Orden ablesen läßt, die sich längst von der traditionellen Doktrin abgewandt hatten. Unerwähnt bleibt auch der von Basel und den Universitäten ausgehende Einfluß. Das Verzeichnis mit seinem Schwergewicht auf den Theologen der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts illustriert trefflich das Programm Bandellos und anderer Dominikaner, die die Antworten auf die großen Kontroversen der Gegenwart in einer Rückwendung auf Methode und Inhalt der Hochscholastik und ihrer direkten Ausläufer suchten und fanden. Daß dieser Weg in einer Sackgasse enden würde, wird weder ihm noch seinen Mitstreitern verborgen geblieben sein, auch wenn erst unter Sixtos IV. das ganze Ausmaß der inzwischen bedrohlich gewordenen Situation sichtbar wurde. Die von Bandello aufgebotene Schar von Zeugen markiert den Höhepunkt eines mit der mariologischen Kontroverse eingetretenen Wandels in der theologischen Methode. Auch die Hochscholastik operiert mit Autoritäten, um ihre systematischen Reflexionen durch Texte aus der Tradition zu sichern und um zu zeigen, daß sich Neues in Kontinuität mit Altem befindet. Zeitgenossen, denen eine weit geringere Beweiskraft zugedacht wird, garnieren Aussagen eher, als daß sie sie .
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sanctitate et scientia et dignitate et auctoritate ut est pro veritate huius opinionis determinationis et sententie quod beata virgo fuit in originali peccato concepta pro qua etiam sunt fortissime rationes. Ideo ista est potius eligenda quam alia. Fol 46rb-47ra. Fol 47ra-48rb. Der Gegenstand wäre eine eigene Untersuchung wert. Fol 47ra-48rb.
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begründen. Das ändert sich grundlegend in den Diskussionen um die Immaculata Conceptio, in der die moderni eine neue Funktion im theologischen Beweisverfahren beanspruchen. Die magistri, die professionellen Theologen und Rechtsge-
lehrten, und unter ihnen besonders die parisienses, wie man immer wieder anmerkt, beginnen eine Rolle zu spielen, die sie früher nicht hatten. Nun kommt es
darauf an, möglichst viele Autoren zu präsentieren, wobei der Stolz auf die Lehrer des eigenen Ordens unverkennbar ist. Und schließlich ist ein Faktor nicht zu übersehen: Inzwischen hat sich in den Orden eine Lehrtradition gebildet, von der man meinte, sie erfreute sich der kirchlichen Approbation. Das nahmen die Dominikaner zunächst mit Erfolg für sich in Anspruch, zumal sie Heilige auf ihrer Seite hatten, aber auch die anderen Mendikanten konnten zugunsten der nova opinio auf die kontinuierlich wachsende Volksfrömmigkeit hinweisen, die bald wirksamer wurde als die rationale Argumentation. Die eindrucksvolle Liste sucht Bandello durch Verweise auf die Lehre der Kirche und den Konsens der Väter mit dem hl. Thomas von Aquin als vorläufigen Endpunkt zu erweitern. In einem aus taktischen Gründen vorsichtig formulierten Grundsatz heißt es, daß die Annahme des Gegenteils einer durch den Apostolischen Stuhl oder durch ein Generalkonzil entschiedenen Doktrin als „sehr frevelhaft" zu erachten ist46. Daß sie eigentlich als häretisch qualifiziert werden müßte, wagt er mit Rücksicht auf die vielen Theologen, die ohne lehramtliche Beanstandung die Unbefleckte Empfängnis verteidigen, nicht zu sagen. Das Argument, auf das hier angespielt wird, haben wir schon bei Raphael de Pornassio kennengelernt. Es ist das Jakobitendekret von 144147. Der klassische Traditionsbeweis wird 48 Ob sie an Hand von 36 Vätertexten geführt, die Bandello in seinem Sinn deutet diesem Zusammenhang hergeben, was von ihnen erwartet wird, braucht uns in nicht zu interessieren. Von einiger Bedeutung ist indes das letzte Glied der Überlieferungskette: Thomas von Aquin. Aufgrund eines uns ebenfalls durch Raphael de Pornassio bekannten päpstlichen Approbationsschreibens, erfreut er sich einer herausragenden Autorität. Es handelt sich um den Brief Urbans V. anläßlich der Reliquientranslation nach Toulouse, in dem die Lehre des Aquinaten als „wahr und katholisch" bezeichnet wird49. Sodann bietet er den Wortlaut von zwei Schreiben der Universität Paris, von denen sich das erste auf die kürzlich erfolgte Kanonisation bezieht, in dem die als Hüterin der Orthodoxie geltende Institution von ihrem alten Magister sagt, er habe niemals etwas Glaubenswidriges gelehrt .
Fol 48r. Ratio 10. Fol 49ra-50rb. Fol 50ra-58rb. I.I. Percin, Monumenta,
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nr.
9, 231.
oder
geschrieben Das heißt: Thomas hat nach Ansicht Bandellos unter den nachpatristischen Theologen eine einzigartige Autorität, die sich auch auf die gegenwärtige Kontroverse erstreckt. Das zweite Schriftstück hat Stephan Bourret, Bischof von Paris, zum Verfasser und enthält die Annullierung der Verurteilung von 127751. Auf die Dokumente erfolgt eine Erörterung aller die Unbefleckte Empfängnis Mariens betreffenden Texte aus den Werken des Aquinaten52. .
Bandello möchte sich mit dem bisher an Hand vielfältiger Traditionsbeweise Gesagten nicht begnügen, so daß er sich im dritten Teil seines Buchs bemüht, die gegnerischen Einwände und Thesen zu entkräften. Seinen Widersachern wirft er vor, sich von den klassischen Quellen des Glaubens entfernt und sich Fabeln und Privatmeinungen zugewandt zu haben, ja, er bezichtigt sie, Lügen zu fabrizieAuch diesmal ist es nicht erforderlich, auf Einzelheiten einzugehen, da ren allenthalben die Tendenz hinreichend deutlich wird. Wir beschränken uns deshalb auf jene Argumente, die in der Diskussion eine treibende Rolle gespielt haben. Eine Schlüsselfunktion hat seit Scotus der Begriff der Vorherbewahrung (praeservado) inne, der zufolge Maria durch eine besondere Gnade davor bewahrt wurde, sich die Erbsünde zuzuziehen. Diese Auszeichnung ist, so lautet die Begründung, schon deshalb angebracht, weil die Gottesmutter nach allgemeiner Überzeugung keine läßliche Sünde begangen hat. Daraus sei zu folgern: Wenn Gott das geringere Übel verhindert, ist es angemessen, auch das größere auszuschließen. Bandello läßt das Argument nicht gelten: Bei der Erbsünde handelt es sich um eine Sünde der Natur, die nicht aus einem freien Willensakt hervorgeht, sondern aus dem ungeordneten Willen Adams, während Maria kraft göttlicher Gnade von einer leichten persönlichen Sünde frei war54. Ja, er geht sogar noch einen seine Gegner provozierenden Schritt weiter: Christus wäre selbst dann von .
Fol 58vab. I.I. Percin, Monumenta 231. Fol 58vb-59va. Chartelarium Universitatis Parisiensis, ed. cit., nr. 838, 280f. Fol 59va-64va. Et ideo firmissime tenendum est vemm esse quod doctor ille devotissimus virginis de eius conceptione sensit videlicet quod sit concepta in peccato originali. Fol 65vb-75va. In der Einleitung des dritten Teils heißt es schärfer als bisher, daß die Immakulisten nicht nur Frevlerisches und Profanes, sondern auch Häretisches behaupten. Fol 75va. Fol 81ra-81rb. Ratio 8 decuit autem ut ea quae in matrem dei erat eligenda omni peccato persone careret et quod tota eius vita ab omni acteali inordinatione proprie voluntatis esset immunis, non autem decuit earn carere in sui conceptione peccato nature quod contrahiter per propagationem camalem nature absque acteali deordinatione proprie voluntatis eius qui concipiter propter rationes assignatas. ...
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der Erbsünde frei gewesen, wenn seine erbsündlich geborene Mutter eine Todsünde begangen hätte55. Hinter dem eben erörterten Gedanken steht das für die Entwicklung des mariologischen Dogmas grundlegende Prinzip, das sich seit Wilhelm von Ware in der Diskussion befindet: Gott kann bewirken, was in seiner Macht steht und was als einer bestimmten Sache angemessen zu gelten hat56. Die Anwendung auf Maria ergibt sich fast von selbst: Was Gott in einem Menschen tilgen oder entfernen kann, das braucht er ihm gar nicht erst zu geben. Oder einfacher: Wer Maria von der Erbsünde befreien kann, kann auch bewirken, daß sie von Anfang an von der Erbschuld frei war. Daß sich alle Menschen die Erbsünde zuziehen, hängt allein vom göttlichen Willen ab, der verfügt hat, daß eine mit dem von Adam dem Samen nach abstammende Seele unter dieser Urschuld steht. Da nun alle nach außen gerichteten Handlungen Gottes kontingent sind, liegt es in seiner Macht, ein von ihm gegebenes Gesetz zu suspendieren57. Daß Gott seiner absoluten Macht nach Maria vor der Urschuld bewahren konnte, weil dies keinen Widerspruch impliziert, leugnet auch Bandello nicht, wohl aber bestreitet er, daß er dies seiner geordneten Macht nach tun kann, denn in der von ihm konstituierten Heilsordnung ist vorgesehen, daß Christus ausnahmslos Erlö-
Fol 81rb-81va. Non enim ftiit necesse preservare beatam virginem a peccato originali sive acteali sive accipiater nécessitas absoluta de qua darum est quod quicquid deus agit ad extra libere agit et non de necessitate quia potest illud non agere sive accipiater nécessitas ex suppositione finis, ut scilicet ex ea Christus posset concipi sine peccato originali, dato enim quod beata virgo fuisset concepta in peccato originali sicut de facto fuit et dato etiam quod peccasset mortaliter quod nepharium est dicere adhuc Christus dei filius de ipsa concipi poteisset sine originali peccato. Licet autem preservatio ab acteali peccato non fiierit necessaria fuit tarnen decens et congrua. Fol 84vb. Ratio 16. Quod potuit et decuit a deo fieri circa conceptionem beate virginis illud est factum. Sed potuit et decuit a deo fieri quod ipsa sine peccato originali concipereter. Ergo ita factum est. Zu Wilhelm von Ware s. Art.: Wilhelm v. Ware, in: LMK 6, 738 (M. O'Carroll). P. Migliore, La dottrlna dell'Immacolata. A. EMMEN, Wilhelm von Ware. Fol 84vb-84va quicquid potest deus ab aliquo removeré potest et illud non infundere. Sed peccatum originale potest deus postquam inest a quolibet removeré. Ergo potuit antequam inesset illud non infundere Cum ergo divina voluntas ea que sunt extra contingenter et libere causet potuit in anima beate virginis originale peccatum non causare suspendendo legem suam. Bandello verweist auf Franz von Mayronis. Dazu s. J. JURIC, Franciscus de Mayronis. Art.: Franz v. Meyronnes, in: LMK 2, 515f (ROSS...
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MANN). 66
aller Menschen ist Absurde Konsequenzen verdeutlichen, daß dies nicht anders sein kann. Gott hätte Maria dann „ohne Samen" des Mannes ins Leben rufen und unsterblich machen müssen, da dies in seiner absoluten Macht lag. Und noch einmal wiederholt er: Wäre Maria vor der Erbsünde bewahrt worden, hätte sie einer Erlösung und Versöhnung nicht bedurft59. Ein weiteres Prinzip der Immakulisten besagt, daß Christus seine Mutter auf einzigartige Weise und ausgezeichnetere Art als alle übrigen Menschen erlöst hat. Oder auch: Die Bewahrung vor der Erbsünde ist erhabener als eine spätere Befreiung von ihr60. Auch Bandello vertritt die Ansicht, daß sich Maria eines Privilegs erfreute, insofern sie einer größeren Begnadigung und einer höheren Stufe der Seligkeit gewürdigt wurde, aber in Hinsicht auf die Befreiung von der Knechtschaft der Sünde ist sie allen Menschen gleichgestellt worden61. Wer das bestreitet, entleert den Begriff der Erlösung, weil Bewahrung und Erlösung im Gegensatz zueinander stehen62. Einem letzten Argument zufolge muß der vollkommenste Mittler auf vollkommenste Weise an der Person handeln, die Gegenstand seiner Vermittlung ist. Ein solcher Akt verlangt deshalb die Bewahrung vor der Erbsünde in der Person, für ser
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Respondeo licet enim de potentia absoluta deus poteisset preservare beatam virginem a peccato originali cum hoc non implicet contradictionem quia non impossibile erit apud deum omne verbum, non tarnen potuit de potentia ordinaria que consideratur circa ordinem a divina sapientia institutem secundum quem ordinatem fuit ut Christus esset omnium redemptor et salvator. Fol 85rb. Alias oporteret quod fecisset earn sine semine et quod fecisset earn beatam et cum corpore immortali Sed si fuisset preservata non indiguisset redemptione, sanatiFol 85ra.
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one, ablutione et reconciliatione facta per Christum ...
Fol 86vb-87ra. Ratio 17. Primo arguiter sie: decuit quod Christus singulari et nobiliori modo matrem redemerit et liberaverit quam alios. Sed nobilior modus redemptionis fuisset si preservata esset a peccato originali quam si contraxisset et postea liberata fuis...
set.
Fol 87ra. Respondeo Uno modo ex parte ultimi effectus redemptionis que est gloria et hoc modo beata virgo fuit nobiliori modo redempta quam alius quia per redemptionem consecuta est ampliorem gratiam et gloriam quam quicumque alius Alio modo potest capi redemptio quantum ad effectem eius privativum que est liberatio a servitete et hoc modo omnes equaliter redemit nec nobiliori modo redemit beatam virginem quam alios quia a servitete peccati originalis omnes equaliter redemit. Fol 87vb. Ex quibus patet quod qui dicit beatam virginem ab originali peccato fuisse preservatam évacuât in ea nomen et rationem redemptionis facte per sanguinem Christi quia preservatio opponiter redemptioni, nam preservado est conservare, custodire et protegeré a malo, redemptio vero est eripere et liberare a malo ...
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die er maxime vermittelt Auch diesen Grund will Bandello nicht gelten lassen, denn sämtliche Mittlerakte Christi zwischen Gott und Mensch sind vollkommens.
Natur, woraus folgt, daß diesem Grundsatz zufolge ausnahmslos alle Menschen vor der Erbsünde bewahrt würden64. Sein abschließendes Urteil über die in der Franziskanerschule entwickelten spekulativen Beweise für die Unbefleckte Empfängnis Mariens faßt Bandello in der Feststellung zusammen, daß sämtliche Argumente bloß dialektischer Art sind, die sich auf die Betrachtung der göttlichen Macht stützen, die vieles bewirken kann, was sie tatsächlich nicht bewirkt hat, die aber nicht die Natur der Dinge, die Ordnung des Universums, die Gerechtigkeit und die Angemessenheit in den Blick nimmt Es war hier nicht zu untersuchen, ob die Einwände korrekt formuliert sind und ob die von Bandello gegebenen Antworten die Intentionen der Gegner wirklich treffen, da es allein darauf ankam zu zeigen, wie ein prominenter Repräsentant der „alten Meinung" den klassischen Standpunkt verteidigt. Die auf diese grundsätzliche Sicht der Dinge folgende Auseinandersetzung über unterschiedlich interpretierte Vätertexte und über weniger wichtige Details der aus der jeweiligen Position resultierenden Probleme dürfen wir übergehen, da sie für den Kern der damaligen Debatten von geringerer Relevanz sind. Einige interessante Punkte seien indes herausgegriffen. Die Definition der Unbefleckten Empfängnis durch das Basler Konzil wird, da es sich nach der Translation der Versammlung nach Ferrara lediglich um ein conciliabulum gehandelt hat, für null und nichtig erachtet. Wer sich auf diese Pseudodeflnition beruft, muß wissen, daß er als Häretiker anzusehen ist66. Ausführlicher befaßt sich Bandello mit der von vielen der Pariser Universität zugeschriebenen Lehrautorität, an die die Dominikaner seit dem Konflikt mit Johannes de Montesono keine guten Erinnerungen hatten. Auf den Einwand, die Universität Paris habe kraft ihrer Lehrautorität als fest zu glauben bestimmt, daß Maria ohne Erbsünde empfangen worden sei, gibt ter
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Fol 88va. Ratio 18. Perfectissimus mediator habere débet perfectissimum actem mediandi circa personam pro qua maxime médiat... sed actes perfectissimus mediandi requirit preservationem ab omni peccato in persona pro qua maxime mediater. Ergo beata virgo fuit preservata ab omni peccato originali et acteali. Fol 88vab. Cum ergo Christus fuerit perfectissimus mediator inter deum et homines sequiter quod omnes homines preservaverit a peccato. Si ergo ratio prima concluderet de beata virgine concluderet etiam de omnibus aliis hominibus quia mediatio Christi quantum est ex parte sui fuit perfecta et quantum est de se maxime circa omnes mediavit quia dei perfecta sunt opera Fol 89ra. Est igiter advertendum quod iste rationes omnes et dialectice tendantur in consideratione solius potencie divine que multa potuit faceré que non fecit non considerata natura rerum et ordine universali ac debito etiam iusticie et congruentie Fol 98ra-98va. Ratio 31. ...
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eine bezeichnende Antwort: Als diese Institution in Blüte stand, hat sie eben diese Ansicht als häretisch qualifiziert, so daß sie jetzt als Richterin wenig geeignet erscheint67. Als Gewährsleute nennt er die großen scholastischen Theologen, die sich größerer Autorität erfreuen als die Magistri aus jüngerer Zeit, die sich von bewährten Vorbildern entfernt haben68. Tradition und Alter sind wiederum die maßgeblichen Kriterien. In der Analyse des Liber recolledorius haben wir uns darauf beschränkt, die die zeitgenössische Diskussion beherrschenden mariologischen Gedanken vorzustellen, um die bedrängte Situation des Dominikanerordens und dessen Verteidigungsstrategie besser würdigen zu können. Seine führenden Gestalten hatten schon früh erkannt, daß sie in der Gefahr standen, in eine Minderheitenposition gedrängt zu werden. Sie wußten, daß ihre Stärke allein in der Tradition der Väter und der klassischen scholastischen Theologie lag, die sie zunächst mit gleichgesinnten Kanonisten und Theologen anderer Orden teilten. Spätestens seit Basel hatten sie jedoch erkennen müssen, daß die Gemeinsamkeit von ehedem einem unaufhaltsamen Erosionsprozeß ausgesetzt war. Johannes von Montenigro und Johannes Torquemada waren die ersten, die die methodischen Prinzipien der Gegenposition entwickelt und einen Katalog der Autoritäten zusammengestellt haben, die man den Widersachern entgegenhalten konnte. Auf dieser Verteidigungslinie hat Bandellos Buch aufgebaut, das nunmehr in einer noch schwierigeren Lage der immakulistischen Propaganda mit einer Fülle von Argumenten und Texten kirchlich anerkannter Autoren Einhalt zu gebieten suchte. Aus diesem Arsenal sollten die Prediger schöpfen. er
2. De singularipuritate Trotz der Dominanz der nova opinio konnten sich die Dominikaner auf ein starkes Argument berufen: Die Kirche hatte bisher eine offizielle Stellungnahme vermieden und in den Streit der Parteien nicht eingegriffen, ja sie hatte nicht einmal die scharfe Sprache Bandellos mit seinen Anklagen gerügt. Daß sich das Lehramt zurückhielt, hängt gewiß auch mit der Furcht zusammen, daß die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis seit Basel leicht mit konziliaristischen Ideen in Verbindung gebracht werden konnte. Bezeichnenderweise fehlen in späteren päpstlichen Verlautbarungen Hinweise auf den Konzilsentscheid, dem man zweiFol lOlrb. Ratio 36. Universitas parisiensis determinavit dum esset in flore hereticum esse tenere beatam virginem fuisse sine originali peccato. Zur theologischen Situation in Paris s. S.-TH. Bonino, Le thomisme parisien. Fol 101 va. Et ideo cum magistri et patres antiqui illius universitatis fiierint preclariores et magis famosi ac maioris auctoritatis quam moderni magistri certe illis maior fides adhibenda est quam istis.
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fellos in der Sache zugestimmt hat. Mit Bandellos Frontalangriff auf die Immakulisten begann sich freilich die Situation zu ändern. Sixtus IV., als Franziskaner ein Befürworter der nova opinio, ging, wohl um den Vorwurf der Parteilichkeit zu vermeiden, mit Umsicht vor. So ließ er zu Beginn des Jahres 1477 eine Disputation veranstalten, an der er selbst teilnahm. Bandello und Franciscus Insuber, Generalminister der Minoriten, erhielten Gelegenheit, ihre Argumente vor dem höchsten Schiedsgericht auszutauschen69. Wie nicht anders zu erwarten, betrachteten sich beide Parteien als Sieger. Vom Verlauf und vom Inhalt hören wir leider nicht viel70. Wohl im engen Zusammenhang mit der Veranstaltung, auf der die Sympathien des Papstes für die neue Doktrin offenkundig waren, ist ein Ereignis zu vermelden, das die künftige Diskussion einen entscheidenden Schritt weiterbrachte. Der apostolische Protonotar Leonhard Nogarolus überreichte dem Papst Officium und Messe zu Ehren der Empfängnis Mariens, das dieser am 27. Februar 1477 mit der Bulle Cum praecelsa approbierte und mit einem Ablaß versah71. Drei Jahre später billigte Sixtus IV. mit dem Breve Lïbenter ebenfalls ein Officium, das den Franziskaner Bernardino de Busti zum Verfasser hatte72. Eine klare Entscheidung zugunsten der Immakulisten war zwar noch nicht gefallen, aber die Richtung der Lehrentwicklung war nun vorgezeichnet. Der Spielraum, der den Dominikanern blieb, ohne mit dem Magisterium in Konflikt zu geraten, war erheblich enger geworden. Man darf gespannt sein, wie sie sich mit der neuen Situation abfinden werden. Andererseits war kaum anzunehmen, daß Bandello, ein in vielen Kontroversen erprobter Streiter, der die Tradition der großen Theologen und die Autorität des eigenen Ordens hinter sich wußte, den Kampf aufgeben würde. Die Gelegenheit zu einer großen Disputation in Gegenwart des Herzogs Ercole d'Esté, der sie auch angeregt hatte, bot sich kurz nach der Fastenzeit 1481 in Ferrara. Bandello selbst hat sie in einem Brief an den Herzog geschildert. Für die Unbefleckte Empfängnis stritten der Minorit Bartholomaeus von Feltre, der Karmelit Baptista von Ferrara und der Servit Caesarius73. Die Atmosphäre war gespannt und die Isolation des Dominikaners offenkundig. Das Volk habe sich zu Rufen wie „die Jungfrau ist vom Hl. Geist empfangen worden und ist nicht durch Christi Blut erlöst worden" hinreißen lassen. Angesichts des Tumults habe der Herzog die Disputation in den Palast verlegt und die
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Zu Franciscus Insuber s. L.H. Sbaralea, Supplementum, Bd. I, 299f. Vgl. L. Wadding, Annales Minorum, t. XIV, 195, nr. 1. Zum Jahr 1477. L. Di Sisto IV 454-456. Vgl. C. Sericoli, Immaculata B.M. Virginis Conceptio 32-35. Text: 153f. C. Sericoli, op. cit. 36-40, Text: 155. C. Sericoli, op. cit. 41 f.
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Fonzo,
dort versammelten Theologen aufgefordert, ihre Argumente zu präsentieren. Als erster habe er, Bandello, die Redeerlaubnis erhalten und seine Thesen an Hand einer Vielzahl von Schrift- und Vätertexten vorgetragen. Rede und Gegenrede hätten sechs Stunden gedauert. Seiner sachlichen und ruhigen Argumentation hätten die Gegner nur Geschrei und Wut entgegensetzen können. Am Schluß habe der Herzog Schweigen geboten, ihn umarmt und unter Lob für den Predigerorden den Saal verlassen. Da nicht alle Gebildeten der Stadt der Fülle der Namen und Zitate hätten folgen können, hätten sie Bandello gebeten, den Vortrag zu wiederholen. Auch hätten sie wie nicht anders zu erwarten den Wunsch geäußert, er möge seine Gedanken und die Antworten auf sie dem Druck übergeben, um ihnen so Dauer zu verleihen. Schließlich habe der Herzog durch seinen Sekretär Bandello wissen lassen, er möge die Disputation samt den Texten in einem Buch der Öffentlichkeit zugänglich machen74. Um dieser Bitte zu entsprechen, entstand das Werk De singulari puritate et praerogativa conceptionis Salvatoris nostri lesu Christi, das 1481 in Bologna erchien75. Bei der Lektüre fällt dies auf: Bandello verschweigt, daß sein neues Buch in der Substanz ein altes ist, nämlich der Liber recolledorius, der den Theologen und sicher seinen Widersachern in Oberitalien bekannt war. Es handelt sich freilich nicht einfach um einen Nachdruck, sondern um eine neu bearbeitete Version, die jedoch zu denselben Konklusionen führt wie der Liber. Anzumerken ist indes, daß die gegnerischen Thesen jetzt vorsichtiger qualifiziert werden, insbesondere werden sie weder direkt noch indirekt als häretisch eingestuft. In der Regel heißt es von ihrem Inhalt lapidar: impium est. Auch das Kernstück des Liber, der Katalog der Päpste, Heiligen und Doktoren, die die klassische Meinung stützen, ist identisch geblieben, wobei allerdings Umgruppierungen vorgenommen wurden, die sachlich bedeutungslos sind. Als wichtigste Neuerung ist zu vermerken, daß Bandello die Dokumentation erheblich ausgeweitet hat und jetzt markante und relativ ausführliche Zitate bietet, die dem Leser ein erstes Urteil ermöglichen. Obschon Bandello keinen Anlaß gesehen hat, seine Thesen zu überdenken, fühlte er sich begreiflicherweise gezwungen, auf einen Einwand zu antworten, den ihm seine Widersacher sofort nach der Publikation der Bulle Cum praecelsa Sixtus' IV. gemacht haben werden.War jetzt nicht das geschehen, was die Befürworter der Unbefleckten Empfängnis bisher nicht hatten vorweisen können? An die Stelle der in papsttreuen Kreisen als ungültig oder doch als suspekt angesehenen Basler Definition war nunmehr ein Dokument getreten, das sich unbestreitbarer Autorität erfreute. Wie wird Bandello auf die neue Situation reagieren? Er ant-
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Die Epistola an den Dux Hercules Estensis hat Bandello seinem Buch vorangestellt. Uns stand ein Nachdruck zur Verfügung, der ca. 1650 in Basel erschienen ist.
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Distinktionen, die die päpstliche Verlautbarung auch für ihn akzeptabel machen sollen. Es gibt, so meint er, eine doppelte Empfängnis: eine bei Gelegenheit der „fleischlichen Empfängnis", als die Vernunftseele eingegossen wurde. In ihr hat sie sich die Erbsünde zugezogen. Unter diesem Aspekt feiert wortet mit bekannten
die Kirche die Empfängnis nicht und darf dies auch nicht tun. Als Beweis dienen die vorhin zitierten Theologen und Kanonisten. Sieht man sie freilich unter einem zweiten Blickpunkt, nämlich unter dem einer „Empfängnis dem Geiste nach", so ist eine Festfeier zulässig und ein Ablaß sinnvoll. Sie geschah „sehr rasch" nach der Beseelung und bewirkte die Reinigung76. Man kann auch sagen: Der Papst hat einen Ablaß gewährt, wenn man das Fest unter dem Aspekt der empfangenen Person betrachtet, deren Heiligung unmittelbar bevorsteht, nicht jedoch unter dem einer mit der Erbsünde verbundenen Empfängnis. Seinen Distinktionen fügt Bandello den Satz an, in diesem Sinn habe der weise und gelehrte Papst gewiß seine Bulle verstehen wollen, da er zweifellos nicht die Intention gehabt habe, mit der eindeutigen Vätertradition in Widerspruch zu geraten77. Trotz solcher Versicherungen scheint Bandello mit Konflikten zwischen Theologen seiner Schule und Sixtus IV. zu rechnen, für deren Erlaubtheit er vorsichtshalber einige Überlegungen präsentiert, die wir schon andeutungsweise kennen. Daß der Papst nichts gegen die hl. Schrift, die Konzilien, die kirchlich approbierten Väter oder gegen die Päpste in Glaubenssachen verbindlich festlegen kann, braucht kaum gesagt zu werden. Daneben gibt es freilich eine andere Möglichkeit. Wenn es um Aussagen des hl. Augustinus und anderer heiliger Lehrer in Bezug auf Glauben und Sitten, geht, die immer bei den Päpsten in hoher Achtung gestanden haben und in der Schrift fundiert sind, so sind diese päpstlichen Konstitutionen vorzuziehen Da nun die Lehre der Väter und Theologen eindeutig ist, folgt aus diesem Konsens, daß der klassischen Doktrin der Vorrang vor sämt.
Ed. cit., P. I, ratio 10, 150. Ed. cit. 152. Et hoc modo dico: quod Sanctissimus Dominus noster Papa dat indulgentiam iis, qui faciunt Festem Conceptionis B. Virginis ratione personae conceptae, in proximo sanctificandae; non autem ratione conceptionis, quae cum peccato fuit: quia cum (papa) sit vir doctissimus et fidelissimus, credendum est, quod non intendit per illam bullam contradicere sanctis patribus et doctoribus illustribus, qui omnes nemine discrepante assenant beatam Virginem in originali peccato esse conceptam. Ed. cit. 152f. Unde dicta Augustini et aliorum sanctorum in iis, quae pertinent ad fidem et bonos mores, in maxima reverentia a summis pontificibus habenter, sicut semper ab omnibus habita fuerunt. Imo eorum dicta in sacris scripturis exponendis et in causis decidendis, maxime quando fundantur in scriptera, in his quae pertinent ad fidem et ius divinum, vldentur essepraeferenda constitutis summorum pontiftcum Bandello beruft sich auf d. 25, q. 1, c. 6 Sunt quidam (FriedbergI 1008). ...
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liehen Konstitutionen des obersten Lehramts gebührt Das heißt: Dem Protest, dem Zweifel und dem Einspruch gegen Verlautbarungen des Papstes, die den eben genannten Prinzipien nicht entsprechen, steht in unserem Fall die Tür offen. Bandello ist sich freilich bewußt, daß seine Theorie sehr schnell in die Nähe gefährlicher Ideen geraten kann, die ein papsttreuer Dominikaner besser meidet. Er bevorzugt deshalb einen Weg zur Lösung des Problems, von dem er meint, er führe zu keinem Konflikt, nehme aber den Immakulisten die lang ersehnte Waffe aus der Hand. Da der Papst, schreibt Bandello, ein gelehrter und weiser Mann ist, der seine von den Vätern gesetzten Grenzen kennt, behauptet er, wie es scheint, in seiner Bulle wenigstens einschlußweise, daß Maria in der Erbsünde empfangen worden sei. Der Grund ist folgender: Wenn es heißt, Gott habe sie, um die menschliche Natur, die durch die Erbsünde dem ewigen Tod verfallen war, mit ihrem Schöpfer zu versöhnen, zur Wohnstätte Christi gemacht, damit er aus ihr Fleisch annehme, so soll damit auch gesagt sein, daß alle, die vor der Erlösung gelebt haben also auch Maria -, in der Erbsünde gewesen sind, weil ihnen allen die menschliche Natur gemeinsam gewesen ist Daß der Papst tatsächlich, wie der Hintergrund eindeutig zeigt, eine andere Intention verfolgte, war gewiß auch Bandello klar, wie der verzweifelt anmutende Interpretationsvorschlag verrät. Nicht anders ist der zweite Versuch, der Bulle einen akzeptablen Sinn zu geben, zu beurteilen. Es wäre besser, empfiehlt er, das Fest der Empfängnis Fest der Dankbarkeit zu nennen. Da es neun Monate vor der Geburt gefeiert wird, war Maria am 8. Dezember noch nicht geheiligt, weil noch nicht beseelt. Von Augustinus und anderen wissen wir nämlich, daß Mädchen erst nach 80 Tagen die Seele eingegossen wird. Das Fest der Empfängnis wäre dann in Wirklichkeit am 25. Februar zu feiern81. Abermals ist zu sagen, daß die litorgi.
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Ed. cit. 153... videtur ex praedictis sequi quod sententia SS. Doctorum in hac parte sit dictis et constitutis quorumeumque praeferenda Ed. cit. 155f. Ex quibus patet quod Sanctissimus Dominus noster in verbis praedictis implicite asserit: B. Virginem in originali peccato fuisse coneeptam, quia fuit auetori suo per Christum reconciliata, fuit lapsu primi hominis, sicut caeteri, ante incarnationem Christi aeternae morti obnoxia, et postremo fuit per Christum redempta. Et ideo bene dictum est, quod Dominus Papa dat indulgentiam his, qui faciunt Festem Conceptionis spiritualis et non carnalis; nisi forte ratione personae coneeptae in proximo sanetificandae et non ratione conceptionis, quae cum peccato fuit. Ed. cit. 158. Et propter hoc, ut dixi, celebrare possumus diem animationis ejus, in quo pro majori parte fuit sancta. Sed talis dies non est 8. decembris, sed 25. februarii. Sed quia dies conceptionis, quando Ioachim et Anna commixti sunt, est certes: Dies vero animationis et sanetificationis subsecutae est nobis incertes: ideo in tali die commixtionis, in quo inchoata est conceptio Virginis, potest ecclesia gratias referre Deo in ordine ad diem sanetificationis. ...
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sehe
Entwicklung längst Fakten geschaffen hatte, die sich mit solchen Argumen-
ten nicht mehr revidieren ließen.
Und wie verhält es sich mit dem Einwand, der Papst habe allen, die das Officium Leonards von Nogarola feierten, einen Ablaß gewährt, da doch nicht zu leugnen sei, daß es fast durchgehend Maria mit den Attributen „heilig und unbefleckt" auszeichne. Der Kern der Antwort ist kurz: Unter der von vielen bestrittenen Voraussetzung, daß der Papst dieses Officium überhaupt zu Gesicht bekommen hat die gehaltlosen Worte (verba nugatoria!) legen das nahe -, ist auf den bekannten Unterschied zwischen der „fleischlichen und der geistlichen Empfängnis" zu verweisen. Deute man die Texte im Sinne einer „geistlichen Empfängnis", so sei der Ablaß gerechtfertigt82. Wiederum: Der Umstand, daß Bandello dem Leser insinuiert, Sixtus IV. habe das von ihm ausdrücklich approbierte Officium gar nicht in der Hand gehabt, zeigt, wie sehr der Protagonist der Makulisten mit seinen Anhängern in die Defensive geraten war, aus der er sich mit allen Mitteln zu befreien suchte. -
3. Die Bulle Grave nimis
Bandellos Bücher und seine Umdeutung der Bulle Cum praecelsa, verbunden mit einem Hinweis auf Grenzen päpstlicher Autorität, waren geignet, lehramtliche Reaktionen zu provozieren, wobei es Sixtus IV. nicht nur darum ging, den mariologischen Kontroversen die Schärfe zu nehmen, sondern zugleich einen Schritt in Richtung auf eine dogmatische Festlegung zu machen. Im Jahr 1482, also ein Jahr nach Erscheinen von De singulari puritate publizierte der Papst eine erste Version der Bulle Grave nimis. Sie war gegen Prediger verschiedener Orden „in Städten und Orten der Lombardei" gerichtet, denen vorgeworfen wird, daß sie trotz der Tatsache, daß die römische Kirche das Fest der Empfängnis Mariens begeht und ein Officium herausgegeben hat, in Predigten behaupten, alle, die an die Unbefleckte Empfängnis Mariens glaubten, seien Häretiker. Schließlich hätten sie sogar Bücher dieses Inhalts publiziert83. Auch wenn wie in solchen Dokumenten üblich Bandellos Name nicht fällt, war allen Kennern klar, wer gemeint war. Der Papst versichert, allein aus eigenem Antrieb gehandelt zu haben und verfügt, daß alle, die künftig solche verworfenen Ansichten predigen würden, der Exkommunikation verfielen Ein Jahr später, am 14. September 1483, erließ Sixtus IV. die zweite Version von Grave nimis. Auch sie verurteilt alle, die die Anhänger der Unbefleckten Emp-
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Ed. cit. 159, Ratio 11. Ed. C. Sericoli op. cit. 156. Ed. C. Sericoli op. cit. 157. ,
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fängnis für Häretiker hielten, doch weist sie zwei wichtige Unterschiede auf. Sie richtet sich nicht nur an Prediger in der Lombardei, sondern beansprucht allgemeine Geltung. Noch wichtiger ist der zweite Punkt. Da der Papst als Franziskaner leicht dem Vorwurf der Parteilichkeit ausgesetzt war, sah er sich genötigt, auch den Immakulisten Zügel anzulegen, indem er ihnen ebenfalls untersagte, den Gegner zu verketzern, da „die Sache von der römischen und apostolischen Kirche noch nicht entschieden ist"85. Eine theologische Begründung für die Einführung des Festes der Empfängnis wird in keinem der drei Dokumente gegeben, historische oder sonstige Argumente fehlen, es wird einfach die in einer langen Geschichte vorbereitete Feier sanktioniert. Was auf den ersten Blick als Waffenstillstand zwischen sich befehdenden Schulen angesehen werden konnte, war tatsächlich eine kirchenamtlich festgelegte Waffengleichheit, wie es sie bisher noch nicht gab. Die schier endlos erscheinende Zahl der Autoritäten aus Patristik und Scholastik, das klassische Argument der Makulisten, hatte nunmehr ein Gegengewicht erhalten, so daß die Immakulisten nicht mehr auf das Basler Konzil zu verweisen brauchten. Bandello hat sich nach Grave nimis weiterer schriftlicher Äußerungen enthalten, aber das bedeutet nicht, daß De singulari puritate in Vergessenheit geriet. Das Werk wurde schon 1486 in Lübeck (Mathaeus Brandis) gedruckt, femer unter dem Titel Disputado solemnis de conceptione B. Virginis 1502 in Valladolid (Diego de Gumiel) sowie in Mailand 1512 (apud Leonardum Vegium)86. Aufmerksamkeit erheischt eine ohne Herausgeber, Druckort und Jahreszahl erschienene Ausgabe von De singulari puritate, die im Katalog der Berliner Staatsbibliothek auf „Basel ca. 1650" datiert wird. Wer hat sie veranlaßt und welche Absichten hat er damit verfolgt? Wie soll man sich erklären, daß sie ausgerechnet in Basel gedruckt wurde? Einige Fingerzeige erhalten wir in der Einleitung Ad christianum et catholicae veritatis studiosum ledorem. Die wichtigsten Informationen über den Autor und seinen Traktat habe er, der Herausgeber, aus einer an Papst Paul V. (1605-1635) gerichteten Orado des spanischen Franziskanerbischofs Antonio de Trejo (f 1645), in der dieser zwei schwer zu vereinbarende Dinge sage87. Zum einen sage er, er habe nur mit Mühe ein Exemplar des TradaEd. C. Sericoli, op. cit. 158-161. Das ergaben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Recherchen in Inka (Universität Tübingen), in der Vaticana und in der Bibliotheca Angelica in Rom. Antonio de Trejo war u.a. Generalvikar seines Ordens und Bischof von Cartagena. 1622 wurde er von Philipp III. zum außerordentlichen Botschafter des Königs ernannt, der in Rom bei Paul IV. die Definition der Unbefleckten Empfängnis bewirken sollte. Er verfaßte: De definiendo controversia Immaculatae Conceptionis B. V. Marlae orationes XII, die L. Wadding ediert hat: Legatio Philippi III et IV catholicorum regum Hispani-
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auftreiben können, zum anderen habe er sich beim Papst beklagt, daß die Anhänger Bandellos überall in Spanien und Italien diese Bücher mit sich trügen, sie allenthalben herumreichten und beim Volk „innerhalb und außerhalb Spaniens" Ärgernisse provozierten. Der anonyme Editor bestätigt seinerseits, daß er zunächst das Werk nicht habe finden können, bis es ihm in einer deutschen Bibliothek in die Hände kam. Er zitiert dann wieder den spanischen Botschafter mit der Ansicht, alle, die sich nach Bandello zu dieser Kontroverse geäußert hätten, wären in Bezug auf die Väterzitate fast ganz von ihm abhängig. Die Empörung des Bischofs sei also verständlich, desgleichen sein Wunsch, mittels einer erneuten Verurteilung des Traktats einen einflußreichen Opponenten zum Schweigen zu bringen. Um das Gegenteil zu erreichen, hat der Anonymus das Werk Bandellos zum Druck gegeben. Läßt sich mehr sagen? Wie die Erwähnung Spaniens und der dort offenbar wirksamen Propaganda der Makulisten anzudeuten scheint, hatte der Editor ein besonderes Interesse an diesem Land. Nun wissen wir, daß die spanischen Monarchen ebenso wie die Universitäten, um nur die einflußreichsten Kreise zu nennen, alles daransetzten, um in Rom eine Definition durchzusetzen88. Die Gegner, namentlich die spanischen Dominikaner, die in einer außerordentlich schwierigen Situation waren, weil sie als einzige Widerstand leisteten, waren sicher an einem Werk interessiert, das sie mit Argumenten versorgte. Wollte der Editor diesen Gruppen zu Hilfe eilen? Warum ließ er das Werk in Basel drucken? Empfahl sich dieser Druckort wegen der ehemals engen Beziehungen des Basler 89 Buchdrucks mit Spanien ? Daß lange Listen mit Heiligen, Päpsten und Theologen auch später bei den Gegnern der Unbefleckten Empfängnis gefragt waren, bestätigt ein Kurztraktat des Dominikaners Petrus de Vincentia, der 1494 in Venedig erschien90. Er ist theologisch wertlos und lediglich eine Aufzählung der bekannten Art. Auch diese Kompilation ist öfter nachgedruckt worden, ein Zeichen, daß solche Kataloge in der Polemik nützliche Dienste taten. tus
ad SS. DD. Paulum Papam V et Gregorium XIV de definienda controversia Immaculatae Conceptionis B. Virginis Mariae, Lovanii 1624. Zu Antonio de Trejo s. Art.: Trejo y Paniagua, Antonio de, in: DHEE 4, 2592f (M. DE CASTRO). Art.: Trejo y Paniagua, Antonio de, in: LMK 6, 460f (G. RoviRA). M. DE CASTRO, El analista Lucas Wadding 131-149. Dazu s. O. GÓMEZ, Juramentos conceptlonistas. F. MARCOS RODRÍGUEZ, La universidad de Salamanca. Dazu s. C. GlLLY, Spanien und der Basler Buchdruck, bes. 226-246. Zur Person s. QE II 880. Der Traktat: De beate virginis conceptione ducentorum et sexdecim sánete matris ecclesie doctorum vera et tenenda sententia hat 16 fol. Zu einem ganz ähnlich gegliederte Katalog eines Dominikaners s. B. Pez, Codex dlplomatlcus 320-326. arum
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Zweiter Teil Die Auseinandersetzungen im 16. Jahrhundert
I. Kapitel Die Protagonisten
1. Isidoro Isolani Im Jahre 1510 erschien in Mailand ein Buch des Dominikaners Isidoro Isolani (ca. 1477-1528) mit dem für einen Theologen aus dem Predigerorden mißverständlichen Titel Opus de veritate conceptionis immaculate virginis matris Dei Mariae ex doctrina Joannis Scoti ac Divi Bonaventure ordinis minorum quo omni postposito affectu inordinato sanctorum doctorum veritas ac pape Sixti determinatio explanantur Der Verfasser war zu seiner Zeit insbesondere durch seine Summa de donis Sancti Ioseph und eine ekklesiologische Schrift De imperio militantis ecclesiae (1516) bekannt. Auch in seiner Rolle als einer der frühen italieni.
schen Gegner Luthers blieb er in Erinnerung2. Auf den ersten Blick scheint es unklar zu sein, welche Meinung Isolani in Bezug auf die Unbefleckte Empfängnis Mariens vertritt, da er offenbar zwei Franziskanertheologen und Papst Sixtus IV. zu seinen wichtigsten Gewährsleuten zählt. Er wäre dann jenen wenigen Dominikanern zuzurechnen, die sich zur „neuen Meinung" bekannten.Tatsächlich verfolgt Isolani ein anderes Ziel. Seine Abhandlung hat ihren Ort in den Kontroversen, die Angehörige des Ordens im Umfeld Vincenzo Bandellos mit ihren scharfen Angriffen auf die Befürworter der Immaculata Conceptio namentlich in Oberitalien ausgelöst hatten3. Die Bulle Grave nimis hatte allen Predigern eine gegenseitige Verketzerung untersagt und, wie das Beispiel Isolanis zeigen wird, hatte sie ihre Wirkung nicht verfehlt4. Formal gesehen waren jetzt beide Schulen gleichermaßen anerkannt, doch bestand nunmehr kein Zweifel an der Richtung, in die das römische Lehramt seit der Einführung eines Meßformulars zu Ehren der Das Buch ist selten. Wir benutzen das Exemplar der British Library, London. Signatur: C 125. B. 16. Zum Autor s. Ph. Argelati, Bibliotheca scriptorum Mediolanensium t. I, p. II, col. 744-747. A. Rovetta, Bibliotheca chronologica 108f. Ambrosius de Altamura, Bibliotheca dominicana 244. QE II 50f u. 336a. F. LAUCHERT, Die italienischen literarischen Gegner Luthers 200-215. N. DEFENDÍ, La „Revocado M. Lutherii ad Sanctum Sedem". DBI 26, 663-665 (S. Giordano). Die ausführlichste biographische Würdigung bei L.A. Redigonda, La „Summa de donis Sancti Joseph" 203-221. Zu De imperio milltantis ecclesiae s. U. HORST, Zwischen Konzillarlsmus und Reformation 103-115. 3 Dazu s. R.M. DESSI, La controversia. Th.M. IZBICKI, The Immaculate Conception. 4 Ed. Ch. Sericoli, Immaculata Conceptio B.M. V. 159f. ,
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Unbefleckten Empfängnis Mariens tendierte. Klar war ebenso, daß die in dezidierter Form erlassene päpstliche Anordnung die Vertreter der „alten Meinung" in eine ungewohnte Lage versetzte, insofern sie jetzt auf frontale Angriffe verzichten und wenigstens der Form nach von der Gleichrangigkeit der gegnerischen Argumente ausgehen mußten. Die Anhänger der „neuen Meinung" hatten unterdessen eine doktrinäre Aufwertung erfahren, auf die sachgemäß zu reagieren den Dominikanern nicht leicht fiel. Man mußte Gründe finden, die die Gegenpartei nicht in den Geruch der Häresie brachten, aber gleichzeitig so geartet waren, daß ihnen ein unvoreingenommener Leser die größere Beweiskraft zuerkannte. Beide Thesen hatten zwar nunmehr als „probabel" zu gelten, doch konnte man die eigene Doktrin so formulieren, daß die andere in Wahrheit als „unwahrscheinlich" oder gar als Zeichen der Ignoranz anzusehen war. Den Vorwurf, gegen eine Anordnung der Kirche verstoßen zu haben, konnte man dann nicht erheben. Vor und nach 1500 sahen sich die Dominikaner namentlich in Oberitalien in einer schwierigen Situation. Die scharfen antiimmakulistischen Äußerungen Vincenzo Bandellos hatten für Unruhe und Proteste gegen den Orden gesorgt, die auch Grave nimis zu verhindern nicht imstande war. Die Dominikaner, die durch das Lehramt und die zu Exzessen neigende Volksfrömmigkeit in Bedrängnis geraten waren, mußten sich um einen Ausgleich mühen, ohne die eigene theologische Tradition zu gefährden oder gar preiszugeben. Wie lebendig die Auseinandersetzungen nach 1500 waren, bezeugt Isolani, der Vincenzo Bandello am Schluß seines Buches ehrende Worte widmet. Er erinnert an polemische Schriften gegen den Generalmagister und sein „hochgelehrtes Buch", das eine Fülle von „bewundernswerten Gründen" zugunsten der erbsündlichen Empfängnis Mariens enthalte5. Das heißt: In den Augen Isolates haben die Argumente Bandellos keineswegs ihre Kraft verloren. Auch verweist er auf das exemplarische Leben des Generals, den er, wie er versichert, gut gekannt habe. Man darf also vermuten, daß er sich die ihm besonders gewichtig erscheinenden Überlegungen seiner Schule, jetzt vorsichtiger formuliert, zu eigen machen wird. Originalität nimmt er, wie eingangs versichert wird, nicht in Anspruch. Freimütig -
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Ed. cit. c. XIII, fol eVIIr-eVIIIv. Lego ego nonnullos et dolui de hac materia scribentes haud modestis verbis virum praeclarissimum patrem fratrem Vincentium de Castro Novo insequentes, qui opus eruditissimum ediderit, quo beatam Virginem fuisse in originali conceptam admirandis probat rationibus. Ego autem ei, qui mores eius quam familiarissime novi, taie de illo testimonium perhibeo in huius operis calce. Numquam scilicet in tanto viro aliquam vel levem notam aut suspitionem contra tria religionis vota me animadvertisse. Quantum vero in divinarum rerum culte aut servandis regularis observationis institetis praecelluerit, totes ordo praedicatorum, cuius exstitit generalis magister, luce clarius novit assiduisque periculis comprobavit.
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bekennt er, aus anderen Quellen geschöpft zu haben. Daß solche Bescheidenheit auch taktischer Natur ist, wird dem Leser klar, wenn man bedenkt, daß der Bruch der Neuerer mit der theologischen Tradition der zentrale Vorwurf gegen sie ist. Wie soll eine nova opinio ohne Rückhalt in der Vergangenheit jetzt ein verbindlicher Glaubenssatz werden? Im Gegensatz zu Cajetan, der nur wenige Jahre später zu einem umfassenden Angriff gegen die Immakulisten schreiten wird, der nur mühsam die Form wahrt, möchte Isolani unpolemisch sein und nicht gegen die in Grave nimis beiden Parteien auferlegte Zurückhaltung verstoßen. Sein Buch werde, versichert er, niemand kränken, da es ihm lediglich darum gehe, die alte Lehre der Kirche, wie sie auch Duns Scotus und Bonaventura vorgetragen hätten, zu
präsentieren
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Dieser Wunsch mitsamt dem später zu entwickelnden Argument geben Methode und Tendenz der Schrift hinreichend zu erkennen. Isolani weiß, daß sein Orden in der mariologischen Streitfrage seit langem isoliert ist. Um sich mit einiger Aussicht auf Erfolg verteidigen zu können, bleibt ihm nur die Zuflucht zu Argumenten der Vergangenheit, in der sich die Dominikaner stets als Gefolgsleute des päpstlichen Lehramts erwiesen hatten. Sie hätten, schreibt er, immer den Wunsch gehabt, das Erbe der Apostel zu wahren und vor Neuerungen zu schützen. Daß man den Orden gegenwärtig anfeindet und verleumdet, sei darum das beste Zeichen seiner Treue gegenüber dem Erbe der Väter. Nachdem einige Mitbrüder, fährt er fort, bedeutende Werke zur Verteidigung der klassischen Lehre veröffentlicht hätten, habe auch er beschlossen, das vorliegende Buch zu schreiben, das auf 1506 in Bergamo gehaltene Vorlesungen zurückgehe. Mit Staunen hätten vorurteilsfreie Hörer vernommen, daß die beiden im Titel genannten Franziskanertheologen in Wahrheit anders zu deuten seien, als dies gewöhnlich im Lager der Immakulisten geschehe Zweierlei dürfte deutlich geworden sein. Isolani schreibt aus der Sicht einer bedrängten Minorität, die die allgemeine Stimmung in der Kirche gegen sich weiß. Aus diesem Grund möchte er die Aufgabe, die er sich gestellt hat, auf möglichst unpolemische Weise ausführen, indem er den Widersachern gerade die Autoritä.
Fol. allv. Neminem mordet liber hic, neminem lacérât, veterem sanctae matris ecclesiae sententiam praeclarissimorumque virorum Scoti ac Divi Bonaventerae ordinis minorum in lucem solummodo prodere conater. Prohemium, fol. allllr-aVIv. Ego frater Isidoras Mediolanensis ordinis praefati minimus De veritate conceptionis immaculatae virginis hoc opus elucubrare statui ex dictis loannis Scoti et Divi Bonaventerae ordinis minorum veluti publiée psalmos David legens in civitate Bergomi, Lombardiae provinciae, feci anno ab orte salvatoris sexto supra millesimum quinquagesimum. Quae res viros non mediocris ingenii in admirationem vertit, quando eos auctores solum inducerem, quos aliter affirmare omnis plebs opinater.
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ten vor Augen stellt, auf die sie sich besonders eindrücklich berufen, zumal Bonaventura 1482 durch Sixtus IV. heiliggesprochen worden war. Daß nun gerade
dieser allseits anerkannte Franziskaner als Gegner der Unbefleckten Empfängnis präsentiert wird, mußte den Traditionalisten hochwillkommen sein und zugleich den Wert von Grave nimis beträchtlich mindern. Wie geht nun Isolani im Einzelnen vor? Um die Thesen des Büchleins vorzustel-
len, ist es nicht nötig, die Überlegungen im Detail zu entfalten. Es genügt, wenn wir uns an die die Diskussion charakterisierenden methodischen Grundsätze halten, die den historischen Ort des Traktats genauer charakterisieren als die Argumente, die kaum Neues bieten. Verständlicherweise hebt der Autor den Punkt hervor, den er in der Argumentation des Scotus für den schwächsten hält. Gott könne zwar der absoluten Macht nach (de potentia absoluta) jeden, bei dem er es möchte, vor der Erbsünde bewahren (praeservare), doch unterliege es der Diskussion, ob er das im Fall Marias tatsächlich gewollt habe8. Um die Frage zu beantworten, solle man folgende Distinktionen beachten: Behauptet ein Autor etwas ausdrücklich? Folgt es notwendig aus seinen Prämissen? Bekanntlich habe sich Scotus selbst mit Vorsicht geäußert, insofern er schreibe, welche von den drei Möglichkeiten realisiert worden sei, wisse Gott allein9. Die Formulierung „Gott weiß es" (Deus novit) scheint nahezulegen, daß man sich letztlich in dieser Frage mit einem Nichtwissen zufrieden zu geben hat. Würden, so schließt Isolani, alle Anhänger des Franziskaners so denken, dann wären den Gläubigen viele Schwierigkeiten genommen, weil dann niemand mehr die Unbefleckte Empfängnis als Tatsache hinstellte10. Außerdem, fährt er fort, zeigten die Kapitel, in denen er die Erbsündelehre des Franziskaners referiert habe, daß Maria wie alle übrigen Menschen in der Erbsünde empfangen worden sei11. Der Umstand, daß diese Sicht der Dinge die gesamte Tradition hinter sich hat, fordert nach Meinung der Makulisten zwingend, daß man weder lehren noch predigen darf, was sich im Widerspruch zur Lehre der Kirche befindet. Als es nun in ihren Augen immer deutlicher zu Tage trat, daß moderne Theologen nicht mehr bereit waren, den großen Zeugen der Tradition zu folgen und an deren Stelle den sensus fidelium setzten, mußte es zu einer Grundlagenkrise kommen. Aus dieser Notlage erwuchs I, c. 7, fol bVv An vero deus hoc in Beata Virgine voluerit, disceptandum superest. AaO, c. VIII, fol bVIr. Deinde subinfert Scotus: Quod autem horum trium, quae ostensa sunt, esse possibilia factem sit, Deus novit. AaO. Utinam sequentes Scotum ita loquerenter, profecto multa inconvenientia a populo christiano tollerenter. Ecce dubitare videtur Scotus, et tu cur eum affirmare dicis? Quantum ad secundum dico ex principiis Scoti de necessitate consequentiae deduci BeL.
1
atam 1
...
Virginem fuisse in originali peccato conceptam.
AaO, fol bVIv. Ergo fuit (Maria) in peccato originali concepta.
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Isolanis verfehlter Wunsch, Scotus, den Kronzeugen der Immakulisten, für die eigene Position in Anspruch zu nehmen. Konzediert wird, daß man, wie es auch der Franziskaner getan habe, disputative über die Unbefleckte Empfängnis Mariens redet12. Bemerkenswert ist ferner, daß er meint, seine Zuhörer, deren Kompetenz wir nicht kennen, überzeugt zu haben. Daß sich die Befürworter der nova opinio, die sich der Problematik der in der Scholastik üblichen Autoritätsbeweise bewußt waren, inzwischen auf den Konsens der Theologen und Universitäten sowie auf den in der liturgischen Praxis geformten sensus fidelium beriefen, wird nicht zur Kenntnis genommen, auch wenn das zu Beginn des Buches gemachte Eingeständnis, der Dominikanerorden befinde sich in diesem Punkt in einem Abseits, verrät, daß Isolani nicht entgangen war, welch breiter Front er sich seit
langem gegenübersah.
Ein idealer Zeuge für die „alte Meinung" war Bonaventura13. Selbst die Franziskaner hatten nie behauptet, er habe die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens vertreten. Ihm zufolge geschah die Heiligung erst, nachdem sie sich die Erbsünde zugezogen hatte. Diese Ansicht hält er für „vernünftiger, sicherer und allgemeiner" und von „fast allen vertreten". Als sicherer hat sie zu gelten, weil sie „mehr" mit dem Glauben und mit der Autorität der Heiligen in Einklang steht, auch paßt sie besser zur pietas fidei Daß Isolani solche Argumente geradezu mit Enthusiasmus aufnimmt und sie in voller Übereinstimmung mit Thomas von Aquin und den wichtigsten Theologen der Schule sieht, ist verständlich Die Franziskaner täten darum gut daran, wenn sie sich diesen Konsens vor Augen hielten, um zu ermessen, wie weit sie sich in ihren Attacken gegen die Dominikaner von den einst gemeinsamen Ursprüngen entfernt hätten. Erneut wird bekräftigt, daß in Dingen, die die menschliche Fassungskraft überschreiten, der allein legitime Weg zur Wahrheit der Rekurs auf die .
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quia Scotus quando loquitur de hac materia semper loquitur disputative nihil determinans Maie itaque agunt qui Scotem adducere soient veluti assertive tenentem Beatissimam matrem Dei fuisse conceptam sine originali macula. Dazu s. J. BITTREMIEUX, Le sentiment. Art.: Bonaventura v. Bagnoregto, in: LMK 1, AaO, c. VIlIv
...
...
13
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533f(C.BÉRUBÉ).
Sent III, p. I, a. I, q. I. L. II, c. 1. Prohemium, fol bVIIv-VIIIr. Ubi de conceptionis beatissimae matris dei veritate (Bonaventura) loquitur, tanta taliaque deducit in medium, ut admirari obstepescerem atque extasim (ut ita loquar) pati non desinam. Divus Thomas Aquinas, magnus doctor Albertus, subtilissimus Hervaeus, doctes Petras de Palude, gravis Petras de Tarantasia, Ioannes de Neapoli alti ingenii una cum veteri illa turba doctorum, quae religionem instituit praedicatoriam, non tanta de conceptione Beatae Virginis scripserunt ñeque eo fervore illos persequuntur, qui sine originali culpa eandem conceptam autemnant
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hl. Schrift und die kirchlich approbierte Doktrin der Väter ist. Nach Isolani hat dieses Prinzip einen besonders markanten Ausdruck in der Regel des Dionysius Areopagita gefunden, wonach man sich in Bezug auf die übernatürliche Wesenheit Gottes nur auf die Lehre der Schrift berufen darf16. Die von Bonaventura in diesem Zusammenhang zitierten Autoren führten, so heißt es weiter, zu dem Schluß, daß „fast alle" anerkannten Lehrer die Erbsündlichkeit Mariens vertreten hätten17. Den Einzelnachweis bis in die Gegenwart habe Vincenzo Bandello in zwei Büchern erbracht, in denen er die Texte von 260 Theologen darunter
Päpste gesammelt habe18. Solche Einmütigkeit konnte natürlich auch von den Immakulisten nicht einfach geleugnet werden, man suchte sie jedoch mit dem Argument zu entkräften, daß -
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nach einem universalen Gesetz alle Kinder Adams in die Erbsünde verstrickt seien, daß aber solche Allgemeingültigkeit nicht jene Fälle ausschließe, in denen kraft einer besonderen Gnade eine Bewahrung vor ihr stattgefunden habe. Selbst da, so sagen sie weiter, wo die Väter etwas „ausdrücklich" behaupteten, dürfe man Widerspruch anmelden, da man in einer Sache, die der Diskussion offenstehe, die Freiheit habe, sich für die eine oder die andere These zu entscheiden19. Verständlicherweise ist Isolani nicht willens, das stärkste Argument, über das seine Schule verfügte, aus der Hand zu geben. In Wahrheit verhalte es sich so, daß die Väter ohne jegliche Einschränkung oder Vorbehalte urteilten, Unterscheidungen hätten sie nicht gemacht. Isolani räumt zwar ein, daß man einzelne patristische Aussagen in Zweifel ziehen dürfe, doch stimmten in diesem Fall die ältesten Traditionszeugnisse überein, so daß sie keine andere als die herkömmlizwar
AaO, c.IV, fol cIIIIr-v recurrere videlicet ad ea, quae ex diversis scripteris haberi possunt aut a sanctis doctoribus, qui spirite sancto inspirati locuti sunt et ab ecclesia ac...
ceptati fuerunt. Hanc praeclarissimam regulam tradidit nobis béates Dionysius Areopagita Non est audendum, inquit, aliquid dicere aut cogitare de illa supersubstantiali deitate nec de his quae ex eius mera volúntate dependent praeter ea, quae fuerunt nobis expressa ex divinis eloquiis. Isolani hat den Text aus dem Kommentar des hl. Thomas ...
A. zu De divinis nominibus, c. 1, lect. 1, ed. cit. 7. AaO, fol cVIIr. Hanc itidem veritatem fere omnes quos v.
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sancta mater ecclesia célébrât doctores testantur, asserunt, clarissime fatenter. Torquemadas Werk wird nicht erwähnt. AaO, fol cVIIIr ad 1... et diciter, quod sancti doctores loquunter universaliter. Qui vero omne dicit, nihil excludit, et qui nullum dicit, omnem excipit. Sed in praedictis auctoritatibus non diciter indefinite, sed universaliter: omnes ab Adam nateraliter propagatem conceptem in culpa. Ergo sancti intendunt nullum excipere, immo beatam Virginem et omnem alium includere, praecipue cum ipsa nominaliter etiam exprimater in multis.
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che Interpretation zuließen Auch das oft geäußerte Argument, die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis stelle eine höhere Stufe der Frömmigkeit dar, findet keine Zustimmung. Sage man, die „neue Meinung" sei „frömmer", so könne man das nicht gelten lassen, da es allein auf die Wahrheit ankomme. Im übrigen sollten sich die Franziskaner an den hl. Bonaventura erinnern, ihre Zunge zügeln und bedenken, daß die Predigerbrüder die Lehre der berühmtesten Minoritentheologen besser bewahren als sie selbst21. Die Tatsache, dass sich inzwischen die meisten Theologen die immakulistische Position zu eigen gemacht hatten und daß sich diese Mehrheit auf dem Basler Konzil deutlich artikuliert hatte, ignoriert Isolani. Er wie auch andere Thomisten neigten dazu, die Größe der Opposition zu verharmlosen. Der Verweis auf die einst eindeutige Haltung der Pariser Universität war wenig hilfreich, da sie längst in das gegnerische Lager übergewechselt war, wie die Verurteilung des Johannes de Montesono, die ihm zweifellos bekannt war, gezeigt hatte. Daß die Einführung des Festes der Empfängnis den Dominikanern höchst ungelegen kam, haben wir mehrfach gesehen. Die Ausflucht, es ließe sich auf unterschiedliche Weise interpretieren, übernimmt auch Isolani. Mit Hilfe eines Bonaventurazitats sucht er darzulegen, daß das Fest eher auf den Tag der Heiligung Mariens zu beziehen sei als auf ihre Empfängnis. Auf einen bestimmten Inhalt habe sich die Kirche nicht .
festgelegt
22
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Isolanis Schrift kann keine sonderliche theologische Bedeutung beanspruchen. Originelle Gedanken finden sich in ihr nicht. Gleichwohl verdient sie einige Aufmerksamkeit, insofern sie als Antwort auf eine für den Orden bedrohliche Situation in der Lombardei gedacht war, die sich aus ihr indirekt erschließen läßt. Den offenbar mit großem Erfolg unter der städtischen Bevölkerung agierenden Franziskanern und ihren gebildeten Gefolgsleuten sollte eine Lektion erteilt werden, die vorgab, lediglich die Doktrin der angesehensten Theologen jenes Ordens zu popularisieren, um so den Gegner mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Der gemäßigte Ton des Buches, der sich wohl bewußt von den Aktivitäten und Zensuren des erst vor wenigen Jahren verstorbenen Ordensgenerals Bandello abhob, AaO ad 2 Quod licet non sit inconveniens circa aliquam materiam negare aliquid dictum alicuius sancti in particulari, tarnen maximum est inconveniens negare illud, in quo praecipui doctores et sanctiores et antiquiores conveniunt sicut in proposito. Et iste est modus cognoscendi veritatem in dubiis fidei declarandis. AaO AaO, c. VI, fol dllv. Considerabunt profecto materius verba sua affectesve. Imponent frena labia experimentoque comprobabunt fratres paedicatores magis teeri opinionem celeberrimorum doctorum sacri ordinis minorum et fidei quam suam. AaO, c. X, fol eIVv. Potest etiam esse quod illa solemnitas potius refertur ad diem sanctificationis quam conceptionis. ...
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sollte die fen.
zum
Nachteil des Ordens
2. Thomas de Vio
ausschlagende Erregung in Oberitalien dämp-
Cajetan
Cajetans Gedanken
über die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, wie er sie in seinem 1515 an Papst Leo X. gerichteten Gutachten vorgelegt hat, haben einen komplexen Hintergrund. Der theologischen Tradition des Ordens, dem er seit 1508 als Generalmagister vorstand, wußte er sich auch in dieser Frage verpflichtet. Das Erbe des Aquinaten galt es gegenüber dem wachsenden Einfluß der Minoriten und ihres Anhangs zu wahren. Schließlich erwartete man von ihm Treue zum Apostolischen Stuhl, der seit Sixtus IV. einen Kurs steuerte, der die Dominikaner in einen schweren Konflikt mit dem Lehramt zu bringen drohte. Die Schwierigkeiten, in die sie zumal in Oberitalien durch die Schriften und Aktivitäten Vincenzo Bandellos und seines Kreises geraten waren, sind dafür symptomatisch. Eine Reihe von Ereignissen hatte Aufsehen erregt und den Orden in Mißkredit gebracht. Der Berner Jetzerprozeß, in dem vier Dominikaner zum Tod verurteilt worden waren, weil sie Jetzer, einen Laienbruder im Berner Konvent, zu Visionen angestiftet hatten, in denen ihm Maria beteuert habe, in der Erbsünde zu sein, hatte dem Ansehen der Predigerbrüder schweren empfangen worden yi Schaden zugefügt Kontroversen gab es auch in Deutschland, die zu einem römischen Verfahren gegen den Frankfurter Dominikaner Wigand Wirt führten, der zum Widerruf seiner polemischen Äußerungen gegen Mitglieder des Franziskanerordens verpflichtet wurde24. Der Fall ist auch deshalb bemerkenswert, weil Kölner Theologen als Gutachter am Prozeß beteiligt waren, ein Umstand, der anzeigt, daß der Orden selbst in einer seiner Hochburgen in die Defensive geraten war. So wurden seit 1496 Dominikaner zum Lizentiat an der Kölner Universität erst zugelassen, nachdem sie den Eid, die Immaculata Conceptio zu verteidigen, .
Zu Leben und Werken s. Y. Congar, Bio-Bibliographie de Cajetan. J. Wicks, Cajetan und die Anfänge der Reformation. Art.: Cajetan, Thomas, in: LThK3 2, 884f (B. Hallensleben). Art: Cajetan, in: LMK 1, 635f (A. Hoffmann R. Schenk). Art.: Cajetan, Thomas de Vio, in: ThomLex 73-78 (H. Klueting). Art.: De Vio, Tommaso, in: DIB 39, 567-578 (E. Stove). J. Wicks, Cajetan responds. B.A.R. Felmberg, Die Ablasstheologie. Zum Jetzerprozeß: K. Tremp-Utz, Welche Sprache spricht die Jungfrau Maria?; DIES., Eine Werbekampagne. Art.: Jetzer, Johannes, in: LThK3 5, 848 (K. Utz Tremp). Dazu s. C. Schmitt, La controverse allemande. F. Lauchert, Der Dominikaner Wigand Wirt. -
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Von der auch von Cajetan empfundenen Isolierung des Ordens anderen Hochschulen werden wir zu reden haben, wobei daran zu erinnern ist, daß das Bekenntnis zur nova opinio gerade im akademischen Bereich lebendig war, in dem der Verlust von Ansehen und Einfluß des Ordens besonders schmerzlich empfunden wurde. Als Leo X. an Cajetan die Bitte richtete, er möge ihm ein Votum über die Definibilität der Unbefleckten Empfängnis verfassen, da zahlreiche Väter ihn ersucht hätten, auf dem Laterankonzil eine Entscheidung in dieser kontroversen Sache herbeizuführen, war diesem bewußt, daß von seiner Stellungnahme viel abhängen würde. Schließlich galt er als einer der prominentesten Theologen seiner Tage. Daß das Gutachten auf den Papst und seine Umgebung Eindruck gemacht haben muß, läßt sich indirekt aus der Tatsache erschließen, daß das Thema auf der Synode nicht zur Diskussion gestellt wurde. Auch heute enttäuscht Cajetans Abhandlung, deren Niveau die zeitgenössische Literatur weit übertrifft, den Leser nicht. Die ihm vorgelegte Frage lautete: Hat Gott die Jungfrau Maria vor der Erbsünde bewahrt, oder hat er sie von ihr gereinigt. Cajetan war auf dem Hintergrund der Problemgeschichte klar, daß die Lösung der mariologischen Kontroverse nur im Rahmen einer theologischen Erkenntnislehre möglich ist, die den Voraussetzungen, auf denen das oberste Lehramt ruht, gerecht werden muß26. Eine solche Sicht impliziert, daß eine spekulative Deduktion des zur Rede stehenden Geheimnisses ohne Rücksicht auf die verbindliche Tradition der Kirche in der Sache nicht weiterhilft. Deshalb ist zunächst zu untersuchen, auf welchen Wegen man zu einer Entscheidung in Glaubensdingen gelangt, sodann ist nach den Weisen (modi) zu fragen, in denen etwas entschieden wird. Nach Cajetan führen zwei Wege zu einer Definition, von denen einer ordentlicher, der andere außerordentlicher Natur ist. Den ordentlichen Weg stellt die den Autoren der hl. Schrift zuteil gewordene Offenbarung dar, wie sie in den kanonischen Büchern, in den Traditionen der Apostel, im Credo und in den Sakramenten enthalten ist7. Auch dem apostolischen Stuhl wird in einem weiteren Sinn Offenbarung gewährt. Sie realisiert sich in zwei Formen: Einmal auf einem Konzil,
geleistet hatten
.
an
Vgl. G. LÖHR, Die Dominikaner an den deutschen Universitäten. E. Meuthen, Kölner Universitätsgeschichte, Bd. I, 169. In Leipzig gab es eine Kontroverse zwischen Johannes Breitenbach und dem Dominikaner Georg Orter, der die immakulistische These formaliter et intrinsece für falsch hielt. Zu O. s. QE II 26f Wir zitieren das Gutachten aus: Opúsculo omnia Thomae de Vio Caietani 160-165. Vgl. J. A. Domínguez Asensio, Cayetano y las cuestiones. C. I, ed. cit. 160a. Ordinaria (via) est divina revelatio facta in primis autoribus sacrae Scripturae, contenta in canonicis libris Bibliae, traditionibusque Apostoloram in symbolo et aliis, quae constat ecclesiam per Apostólos suscepisse, ut sacramenta. 87
allein. Das heißt: Gleich zu Beginn seinesTraktats macht daß Definitionen selbst dann möglich sind, wenn das Konzil an Cajetan deutlich, ihnen nicht beteiligt wird. Der Unterschied besteht lediglich in der größeren konziliaren Feierlichkeit, die unabhängig von einer synodalen Mitwirkung ist28. Cajetan macht diese Einschränkung mit einem Seitenblick auf das conciliabulum von Pisa und etwa noch vorhandene diesbezügliche Tendenzen auf dem Lateranenzum
anderen im
Papst
se.
Zu der Autorität der Kirche und ihres Hauptes tritt die den heiligen Lehrern gegebene „Offenbarung", womit gesagt sein soll, daß Väter und kanonisierte Theologen an der Weitergabe und Explikation des Glaubens einen noch näher zu beschreibenden Anteil haben. Im Vergleich mit der strikt verbindlichen Schrift und den päpstlichen Dekretalen spielen sie eine grundsätzlich geringere Rolle. Die als Theologen anerkannten Lehrer eigens genannt werden Augustinus und Thomas haben nur als „probablere" Autoritäten zu v. Aquin Ihre Aufgabe besteht darin, daß sie das in der Offenbarung einschlußweise Enthaltene nachweisen und zeigen, daß solche Wahrheiten notwendigerweise mit unbestreitbaren Glaubensüberlieferungen verknüpft sind. Solange diese wesentliche Verbindung nicht zwingend dargelegt ist, darf man, ohne hartnäckig zu sein, das annehmen, was man für besser begründet ansieht30. Daß sich der Gedanke gerade auf die hier zu klärende Sache bezieht, versteht sich. Anders gesagt: Auf diesem relativ offenen Feld kann die Theologie tätig werden. -
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gelten29.
Ed. cit. 160a. Revelatio deinde facta apostolicae sedi sive cum synodo sive sine synodo. Haec enim differentia ad solemnitatem et congruitatem spectat iudicii apostolici de his, quae sunt fidei, et non ad necessitatem, ut universa testater ecclesia, haereticos indubie tenens, qui ab apostólica sede damnatam haeresim sectanter. Zur Ekklesiologie s. O. DE LA Brosse, Le pape et le concile. J.A. Domínguez Asensio, Infalibilidad y potestad magisterial: DERS., Infalibilidad y „determinatio de fide"; DERS., Iglesia y transmisión de lafe. Ed. cit. 160a. Revelatio demum facta sacris doctoribus, his praecipue quorum et vita et doctrina approbata est ab ecclesia. Sed est inter haec distantia multa, quoniam revelationi contentae in sacra Scriptura et decretalibus fidei inhaeremus tanquam necessariis, ita quod se haereticum comprobat quicumque pertinaciter alicui horum adversater. Revelationi autem factae Sanctis aliis, quorum doctrinam ecclesia suscipit, tanquam probabilibus inhaeremus Ed. cit. 160ab nisi quod ingenio, labore, ratione et intellecte opus est, ut manifestenter haec quae implicite dicuntur contineri esse necessario connexa illis, in quibus contineri dicuntur. Quo fit, ut in istiusmodi rebus antequam constat quid connexum sit certis et indubitatis fidei traditionibus unicuique liceat quod rationabilius sibi videtur amplecti sine pertinacia. -
...
...
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Der außerordentliche Weg, auf dem etwas in Glaubensdingen entschieden werden kann, ist ein zweifelsfrei konstatiertes Wunder, kraft dessen Gott bezeugt, daß eine Aussage zu glauben ist. Cajetan möchte die Bedeutung mirakulöser Ereignisse nicht grundsätzlich bestreiten, aber die gleich hinzugefügten Bedingungen errichten eine kaum zu überspringende Hürde. Alte und neue Wundergeschichten, die im Umkreis der Predigten über die Unbefleckte Empfängnis kolportiert wurden, und die bösen Erfahrungen mit den Visionen im Berner Konvent empfahlen äußerste Vorsicht. Soll ein Wunder dogmatisch belangvoll sein, heißt es darum, muß es im Angesicht der römischen Kirche eigens zu dem Zweck geschehen, daß etwas Bestimmtes als wahr zu gelten hat. Andernfalls darf der Papst nichts verbindlich entscheiden '. Diese strikte Bedingung hat ihren Grund in dem Umstand, daß uns Gott den ordentlichen Weg der Glaubensdekrete gegeben hat, die so sicher sind, daß wir, sollte uns ein Engel des Himmels das Gegenteil lehren, ihm nicht glauben dürfen. Selbst die für eine Kanonisation geforderten Wunder beruhen trotz der hohen Authentizität nur auf menschlicher Sicherheit, während die Im Anschluß an die DarGlaubenszustimmung unfehlbare Gewißheit der Grundsätze erläutert kriteriologischen legung Cajetan die beiden Weisen der verbindliche Es Glaubensvorlage. gibt streng Glaubensaussagen, deren Leugnung jemand zum Häretiker macht, und andere, die man lediglich pie et probabiliter anzunehmen braucht. Zu letzteren rechnet er die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel und Mariens Heiligung im Schoß ihrer Mutter33. Daß Cajetan seinen Standpunkt in der mariologischen Frage im Rahmen einer kleinen theologischen Prinzipienlehre macht, läßt bereits die Richtung erkennen, in die seine Argumentation gehen wird. Die Lehre der klassischen Väter und die der kanonisierten scholastischen Theologen wird die Instanz gegen dogmatische Neuerungen sein, die keine Wurzeln in der theologischen Tradition haben. Oder allgemeiner: Wenn allein die göttliche Offenbarung über die Wahrheit einer Aussage zu entscheiden hat, dann ist nur der Wille Gottes, wie er sich in den Doku-
verlangt32.
Ed. cit. 160b... tarnen nisi coram Romana ecclesia evidentissime fieret, veram et indubitatum, non miram, sed miraculum, expresse ad testificandum hoc esse veram, non deberet Romanus pontifex determinare aliquam fidei ambiguitatem ex hac via. Ed. cit. 160b. Dazu s. A. Vauchez, La sainteté en occident 561 -581. Ed. cit. 160b. Nam quaedam decernunter credenda tanquam necessario credenda, ita quod contrarium sentiens est haereticus, quaedam vero tanquam probabiliter et pie credenda, ita quod contrarium sentiens non est haereticus. (Das probabiliter ist also dem necessario entgegengesetzt). Ratio autem quare omnis via tam ordinaria quam extraordinaria decernendi ea quae fidei sunt, sola revelatio divina est... quae sunt fidei lumen humanae mentis excedunt et ex solo divinae voluntatis beneplácito dependunt istiusmodi singularia.
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hat, maßgebend, von ihm hängen alle particularia der hier zur Diskussion stehenden Art ab. Wendet man die vorhin entwickelten Thesen auf die Kontroverse an, ob Maria vor der Erbsünde bewahrt oder ob sie von ihr gereinigt worden ist, so lautet Cajetans Konklusion: Keine von beiden Ansichten ist necessario zu glauben, so daß folglich beide als probabel anzusehen sind. Wie man sieht, sucht er der Forderung von Grave nimis zu entsprechen. Die Begründung ist einfach: Weder die eine noch die andere ist ausdrücklich (explicite) in der hl. Schrift oder in den als gewiß geltenden Glaubenssätzen enthalten34. Man kann allerdings den Satz erst verstehen, wenn man die mit dem Begriff der praeservatio verbundenen Unterscheidungen berücksichtigt. Unbestreitbar sicher ist, daß Maria von der Erbsünde gereinigt wurde, wie man dem eindeutigen Schriftzeugnis (Röm 5, 3 u. 5) entnehmen kann, und daß diese Lehre im Einklang mit der universalen Erlösung durch Christus steht. Kaum zu erwähnen braucht man, daß dies die Ansicht unzähliger heiliger Lehrer und Theologen ist. Solche Einmütigkeit hat den meisten makulistischen Autoren genügt, aber Cajetan weiß, daß die theologische Diskussion inzwischen mit weiteren Distinktionen operiert und daß sie die lehramtlichen Äußerungen in die Überlegungen einzubeziehen hat. Cajetan kennt die Zensuren einzelner Theologen, die die Ansicht, Maria sei vor der Erbsünde bewahrt worden, als häretisch qualifizieren, doch hält er es für besser, mehrere Aspekte des Problems zu betrachten35. Die praeservatio läßt sich zweifach deuten. Einmal in dem Sinn, daß Maria „gänzlich" (totaliter) von allem befreit wurde, was mit der Sünde zusammenhängt, zum anderen so, daß sie lediglich vom Makel der Erbsünde durch Eingießung einer persönlichen Gnade ausgenommen wurde. Zwischen beiden Interpretationen ist die Distanz größer als zwischen Himmel und Erde. Das wird so erläutert: Wenn sich die Seele eines Menschen bei seiner Erzeugung die Erbsünde zuzieht, so wird er nicht nur der menten artikuliert
Ed.
cit., c. 2, 161a. Dictis autem viis incidendo manifestater primo, quod neutra pars quaesiti ut in dubium vertiter, est necessario credenda. Et ratio est quia neutra in sacra Scriptura certisque fidei dogmatibus necessariis explicite habetur, et utraque pars sustineri potest cum veritate sacrae scripturae reliquisque necessario creditis a christifideli...
bus. Ed. cit. 161a. De parte autem altera, credente scilicet beatam Virginem praeservatam a peccato originali, licet quidam scripserint, quod contrariater sacrae Scripturae et determinationi ecclesiae, quidam autem quod non, mihi tamen theologorum minimo distinguendum videtur circa sensum huius opinionis. In der von uns benutzten Ausgabe steht zwar scripserit, aber es dürfte kaum zweifelhaft sein, daß der Plural besser paßt, da Cajetan wußte, daß es etliche Theologen gab, die die immakulistische These mit aller Schärfe verwarfen, wie dies auch Grave nimis voraussetzt, wenn die Bulle gegenseitige Verketzerung verbietet.
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Erbschuld teilhaftig, vielmehr wird der Naturordnung nach, bevor die Vernunftseele durch Schöpfung infundiert wird, das Fleisch oder die Materie, der die Seele eingegossen wird, infiziert. Die diesem Fleisch verbundene Seele zieht sich dabei nicht nur die Erbsünde aufgrund der infizierten Materie zu, sondern auch „vieles andere": den straffälligen Zustand des verschlossenen Himmels, den Zunder der Begierlichkeit und die Strafe des zeitlichen Todes. Diese carnis infectio ist anfangshaft die Erbsünde36. Aus solchen Erwägungen ergeben sich folgende für die zur Diskussion stehende Sache konstitutive Konklusionen. Die These, Maria sei „gänzlich" vor der Erbsünde bewahrt worden, besagt zugleich, daß sich Maria kein „infiziertes Fleisch" zugezogen habe, so daß sie nicht allein von dem Makel der Erbsünde befreit worden sei, sondern auch keine rechtliche Haftung (debitum) in Bezug auf reatus und fames eingegangen sei37. Die Ansicht hingegen, Maria sei nur vor dem Makel der Erbsünde und den mit ihr untrennbar verbundenen Folgen so der straffällige Zustand in Hinsicht auf die ewige Verdammnis bewahrt worden, leugnet nicht, daß ihr Fleisch infiziert worden ist und daß sie in ihrer Person unter dem debitum, sich die Erbsünde zuzuziehen, stand. Das will sagen: Kraft der bewahrenden Gnade Gottes hat der Makel der Erbsünde nicht auf ihre Seele übergegriffen, wohl aber tat das der fames, der jedoch durch die Gnade gebunden wurde. Dasselbe gilt für die verschlossene Himmelstür und den irdischen Tod, denn Christus hatte noch nicht die Paradiesespforten -
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geöffnet38.
C. II, ed. cit. 161a. Nam cum anima alicuius hominis qui generater, incurrit originale peccatum, non solum macula originalis peccati contrahiter, sed in primo instanti, in quo anima rationalis creando infunditer et infudendo creater, prius secundum naturae ordimateria, cui anima infunditer, est infecta: utpote genita ex commixtione utriusque parentis et propterea anima, quae infunditer illi carni, contrahit maculam in seipsa originalis peccati, quia infunditer cami infectae neque solam maculam ex camis infectione contrahit persona in utero genita, sed multa alia: scilicet reatum clausae caeli ianuae, fomitem peccati et poenam mortis, ita quod infecta caro, cui infunditer anima, est, in qua fundater ratio non potentiae contrahendi originale peccatum, sed ratio contradi in propria persona debiti, quod contrahiter in anima rationali sua peccatum originale et secundum maculam et secundum reatem poenaram spiritealis et temporalis, imo et talis camis infectio peccati originalis initium inexistens in persona Ed. cit. 161a. Quocirca positio dicens beatam Virginem praeservatam totaliter a peccato originali dicit ipsam non contraxisse carnem suam infectam: ac per hoc non solum sine macula peccati conceptam et reatibus et fomite, sed etiam sine debito in propria persona habendi haec. Ed. cit. 161a. Positio vero dicens beatam Virginem praeservatam solum a macula peccati originalis et iis quae a macula sunt inseparabilia (ut est reates aetemae poenae damni) non negat beatam Virginem carnem habuisse infectam, ac per hoc in propria nem caro seu
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Cajetan
hat seine Erläuterungen im Rahmen der scholastischen Lehre von der Erbsünde und der universalen Erlösungsbedürftigkeit des Menschen vorgetragen und seine Antwort auf die große Kontroverse seiner Zeit zum Ausdruck gebracht. In den folgenden Präzisierungen wird zu fragen sein, wie die beiden Thesen zu beurteilen sind und welche von ihnen den klassischen Glaubensquellen am besten entspricht. Aus dem Gesagten hat sich ergeben: Die Ansicht, Maria sei vor der Erbsünde und vor jedwedem straffälligen Zustand bewahrt worden, widerspricht dem Glauben, weil sie mit der Schrift und den Lehrentscheiden der Kirche unvereinbar ist. Andernfalls wäre Christus nicht für seine Mutter gestorben. In Wahrheit ist aber Maria in gewisser Weise den Sündentod gestorben und wurde durch Christus mit Gott versöhnt. Selbst nach ihrer Heiligung hatte sie den Zugang zum Paradies nur durch Christi Tod. Oder auch: Jeder Rekonziliierte war zuvor Feind Gottes und dem zeitlichen Tod unterworfen39. Dem Verdikt über die radikale These von der praeservatio Mariens fügt Cajetan eine wichtige Bemerkung an: Bis zur Stunde habe sie kein Theologe verteidigt40. Demnach hat er sie nur entwickelt, um sie von der Antwort abzuheben, die er später als tolerabel qualifizieren wird. Die gemäßigte These, der zufolge Maria nur vor der Erbsünde, nicht aber vor der Infizierung des Fleisches bewahrt wurde, entspricht der kirchlichen Lehre. Sie schließt das vorhin beschriebene debitum in der Person Mariens ein, die deshalb nicht außerhalb der sterblichen Menschheit steht. Als bewahrende Gnade hat sie
persona debitum contrahendi maculam
originalis peccati et quoad maculam et quoad fomitem: sed praeservante Dei gratia non renundavit in animam illius macula peccati originalis, licet renundaverit et fomes, ligates tamen per gratiam, et reatus clausae ianuae vitae aeternae et mortis temporalis. C. III. ed. cit. 161ab positio dicens beatam Virginem esse praeservatam a peccato originali et reatibus etc. est contraria fidei: quoniam répugnât his, quae in sacra Scriptura et aliis documentis fidei certis et necessariis continentur hoc oportet summarie ante oculos habere, quod istae quinqué propositiones sunt omnino confitendae, scilicet Christus morteus est pro beata Virgine, beata Virgo est aliquo modo mortua morte peccati, beata Virgo est reconciliata Deo per Christum, beata Virgo est redempta per mortem Christi, beata Virgo etiam post sanctificationem sui ipsius non nisi per Christi mortem aditem habuit paradisi. Quibus adduntur aliae aut per se notae (scilicet quod omnis réconciliâtes teit inimicus et quod beata Virgo mortea est morte temporali) aut determinatae per ecclesiam, scilicet omnis homo redemptes a Christo fuit veré captivus et mors et reatus
omnes
et
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poena peccati originalis. Ed. cit. 161b. Damnanda ergo videtur specialiter positio, quae assereret beatam Virginem totaliter praeservatam a peccato originali, ut nihil eius incurrerit: quamvis neminem adhuc sciam hoc tenuisse.
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den Charakter einer reinigenden und erlösenden Gnade Zwei zentrale Gedanken machen, blickt man auf die Argumente zurück, die soeben gewürdigte These, die indes sogleich nach neuen Kriterien zu prüfen sein wird, akzeptabel. Zum einen geht es um das debitum in der Person Mariens, und dann um die caro infecta, die sie zu einem Glied der der Erbsünde verfallenen Menschheit macht42. Mit einem Blick auf die gegenwärtige, durch wechselseitige Vorwürfe der zwei Schulen gekennzeichnete Situation beschließt Cajetan seinen Vergleich der beiden Thesen. Er meint, heute werde die Meinung, Maria sei vor der Erbsünde bewahrt worden, so gepredigt, wie er sie vorhin als eine von der Kirche akzeptierte Möglichkeit dargestellt hat. Sie sei durch die Bulle Grave nimis gedeckt. Auch entspreche diese Interpretation der Konzeption des Duns Scotus und in dessen Gefolge der Lehre des Sentenzenkommentars des Franciscus Mayronis. Aus diesem Grund mögen sich Prediger und Buchautoren hüten, den jeweils anderen zu verurteilen und nicht mehr zu wissen vorgeben, als der Apostolische Stuhl offiziell vorschreibe4 Es war freilich nicht zu erwarten, daß Cajetan, der sich als Generalmagister den Verlautbarungen der Päpste besonders verpflichtet wußte und sich deshalb an Grave nimis halten mußte, die theologische Tradition seines Ordens zugunsten einer auf strikten Ausgleich bedachten Position preisgab. Die Gegner durften zwar nicht mehr der Häresie bezichtigt werden, auch sollte generell Polemik wegen der damit verbundenen Ärgernisse für das Volk vermieden werden, doch schlössen solche Verbote Disqualifizierungen der immakulistischen Position mit Hilfe subtiler Distinktionen nicht aus. Dasselbe gilt freilich auch umgekehrt. Wenn, so beginnt Cajetan seine theologische Gewichtung der von den zwei Schulen verteidigten Positionen, keine von beiden mit Notwendigkeit zu glauben ist, dann bleibt die Frage, ob sie in gleicher Weise als probabel anzusehen sind. Wo.
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Ed. cit. 161b 162a opinio de praeservatione beatae Virginis, scilicet quod praesermacula peccati originalis et non ab infectione cartes ac per hoc nec a debito in propria persona illius maculae, nec a fomite et poenis, non est contraria sacrae Scripturae nec determinationi ecclesiae quoniam beata Virgo praeservata ex speciali praeventione gratiae a macula originalis peccati... Ex eo quod in propria persona habuit debitum contrahendi maculam originalis peccati imo initium, unde redundare in animam suam debebat originalis peccati macula, gratia illa, quae praeveniendo sanctificavit earn ligando etiam fomitem, habuit rationem gratiae mundativae, reconciliativae, redempti-
vata est a
...
...
vae
etc.
Ed. cit. 162a. Salvater quoque manifeste in hac positione singularis praerogativa Iesu Christi, quod solus conceptes est sanctes, et non in came peccati, sed in similitedinem camis peccati Virgo concepta est cum came infecta, sed cum anima sancta ex gratia impediente redundantiam infectae camis in maculam animae. Ed. cit. 162b. ...
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zielt, zeigt bereits die erste Feststellung. Daß Maria von der Erbsünde gereinigt wurde, ist schon deshalb probabel, weil sich so viele heilige Lehrer und
hin dies
so viele berühmte Theologen und Kanonisten zu dieser Doktrin bekannt haben Die Liste beginnt mit Augustinus, den Heiligen der Alten Kirche bis zu Anselm von Canterbury. Sie umfaßt 15 Heilige. Auf sie folgen heilige Theologen und Prediger des Mittelalters45. In unserem Zusammenhang verdienen einige Gestalten besondere Aufmerksamkeit. Eine herausragende Rolle in der Diskussion spielt Brief 174 des hl. Bernhard von Clairvaux, der als großer Marienverehrer besonderes Ansehen in beiden Lagern hatte. Maria habe, so schreibt er, die große Gnade im Mutterschoß gehabt, heilig geboren zu sein Mit Genugtuung zitiert er sodann den hl. Antonius von Padua47. Der klassische Gewährsmann ist verständlicherweise der hl. Thomas v. Aquin, dessen Mariologie seinem Orden die Richtung vorgab. Verwiesen wird hier auf Summa Theologiae III 27, 2. Auch wenn er keinen Text zitiert, dürfte er an das Argument gedacht haben, daß, wäre Maria niemals durch die Erbsünde befleckt worden, dies eine Minderung der Würde Christi in seiner Funktion als universaler Erlöser bedeutet hätte. Thomas fährt dann fort: Wohl zog sich Maria die Urschuld zu, von der sie gereinigt wurde, ehe sie aus dem Mutterschoß Bemerkenswert ist auch seine Stellungnahme zum Fest der Empfängnis, das schon lange eine immer wichtiger werdende Rolle in der Diskussion gespielt hatte und dann zu einem zentralen Argument werden wird. Zwar feiere, so schreibt er, die römische Kirche die Empfängnis Mariens nicht, doch toleriere sie die Gewohnheit einiger Kirchen. Aus diesem Grund sei das Fest nicht gänzlich zu verwerfen, doch werde dadurch nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie in ihrer Empfängnis heilig war. Weil man nicht genau wisse, wann sie geheiligt wurde, feiere man an diesem Tag eher das Fest ihrer Heiligung als das ihrer Verständlicherweise haben sich die Thomisten in den Auseinandersetzungen mit den Minoriten auf Außenseiter in deren Reihen berufen, unter denen Bonaventura, inzwischen kanonisiert, einen herausragenden Platz einnimmt. Er teilt in sei.
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hervorging48.
Empfängnis49.
44
45
C. IV, ed. cit. 162b. Ed. cit. 162b-163a. Ep. 174, nr. 3 firmissime
prodiret... 47
Ecclesia sentiens in utero
eam
concepisse
ut sancta
Ed. cit. 163a. Vgl. Art.: Antonius v. Padua, in: LMK 1, 181f. (A. Mattioli). S Th III 27, 2 ad 2... si numquam anima Beatae Virginis fuisset contagio originalis peccati inquinata, hoc derogaret dignitati Christi, secundum quam est universalis omnium salvator Sed Beata Virgo contraxit quidem originale peccatum, sed ab eo fuit mundata, antequam ex utero nascereter. AaO ad 3. ...
49
cum
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Sentenzenkommentar die Ansicht jener Autoren, denen zufolge die Heiligung Mariens erst erfolgt sei, nachdem sie sich die Erbsünde zugezogen hatte, da allein Christus von jeglicher schuldhafter Verstrickung frei gewesen sei. Er fügt hinzu, diese These sei „vernünftiger, sicherer und allgemeiner", „fast alle halten sie". Das entscheidende Argument lautet: Das Sein der Natur geht dem der Gnade der Zeit und der Sache nach voraus, so daß sich vor der Eingießung der Gnade die Seele mit dem Fleisch verbindet50. Die makulistische Doktrin habe als „sicherer" zu gelten, weil sie „mehr" mit der Glaubensfrömmigkeit und der Autorität der Heiligen übereinstimme, insofern diese, reden sie über diesen Gegenstand, nur Christus von der universalen Sündenverfallenheit ausnähmen51. Die Allianz zwischen Bonaventura und Thomas diente naturgemäß in den Auseinandersetzungen mit den Immakulisten als ein willkommenes Argument. Zwei heilige und populäre Prediger des Spätmittelalters beschließen Cajetans Zeugenliste: Bernhardin von Siena und Vincenz Ferrer52. Angefügt sei die Stellungnahme eines berühmten Bischofs und Theologen, dessen Heiligsprechung sich zur Zeit, als Cajetan sein Votum verfaßte, in Vorbereitung befand. Gemeint ist die weit verbreitete Summa Theologica des Antoninus von Florenz (kanonisiert 1523), die in Kenntnis der sich zuspitzenden Diskussion, aber noch vor Grave nimis verfaßt wurde. Auch er beruft sich zugunsten der makulistischen Doktrin auf die Schrift, die Väter und auf moderne Theologen, deren Gegner die klaren Aussagen der Tradition „verdreht" hätten53. Selbst wenn Maria vor der Erbsünde nem
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Sent, d. 3, p. I,
a. 1, q. 2, ed. cit. 61ab. prius est igitur animam uniri cami Dei sibi intendi. Si illa infecta caro quam gratiam igiter fuit, ex sua infectione nata erat animam culpa originali inficere. Necessarium est igiter poneré quod ante fuerit originalis culpae infectio quam sanctificatio. Vgl. Ill Sent, d. 3, p. I, a. 1, q. 2, éd. cit. 61ab. Hic autem modus dicendi communior est et rationabilior et securior. Communior quia fere omnes illud tenent quod beata Virgo habuit originale Rationabilior etiam est, quia esse naturae praecedit esse gratiae vel tempore vel natura Securior etiam est, quia magis consonat fidei pietati et Sanctorum auctoritati. Magis concordat Sanctorum auctoritati, pro eo quod communiter Sancti, cum de materia ista loquunter, solum Christum excipiunt ab illa generalitate, qua dicitur: Omnes peccaverunt in Adam. Vgl. Art.: Bernhardin v. Siena, in: LMK 1, 452-454 (O. StegmüLLErAV. Baier). L. Dl FONZO, La marlologia dl S. Bernardino da Siena. A. EMMEN, San Bernardino e Vlmmacolata Concezlone dl Maria. Summa, Tit. VIII, c. II, éd. cit. 187b. Die Diskussion über diese mariologische Frage ist frei, aber: Tarnen si bene considerenter scripturae et dicta doctorum antiquoram et modernorum qui fuerint devotissimi virginis gloriosae, manifeste patet ex verbis eoram ipsam in peccato originali conceptam esse. Sed tenentes contrariam opinionem extorquent contra intentionem dicentium.
Vgl.
Ill
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bewahrt gewesen sein sollte, so könnte sie nur dann als erlöst gelten, wenn sie eine „gewisse Zeit" (quandoque) einer persönlichen Sünde unterworfen gewesen wäre54. Obschon das Gewicht der Argumente nach Antonins Einschätzung für die thomistische Tradition spricht, erwartet er, daß beide Parteien eine amtliche Entscheidung der Kirche akzeptieren und daß sie sich, ehe eine solche vorliegt, jeder Verketzerung enthalten. Auch obliegt ihnen die Pflicht, in Predigten jegliches Ärgernis zu vermeiden Als Folgerung aus seinem Überblick formuliert Cajetan sein Urteil: Zu den genannten Heiligen tritt eine große Schar Lehrer der Vergangenheit, die alle der Meinung waren, Maria sei als Individuum in der Erbsünde empfangen worden. Für detaillierte Belege beruft er sich auf zwei große Kompilationen, die jeder konsultieren kann, der weitere Informationen wünscht. Genannt werden der Tractatus de verdate beatae virginis Torquemadas und der Tractatus de singulari puritate des Vincenzo Bandello. Daß die beiden Werke so viele Heilige und Theologen mit unbestrittenem Ansehen präsentieren können, ist ein so starkes Argument zugunsten der makulistischen These, daß diese als probabilis und rationabilis angesehen werden muß5 Was und wen kann angesichts einer erdrückenden Zahl von Zeugen die Gegenpartei aufbieten, um ihren Standpunkt zu begründen? Sicher ist, daß sie die klassischen Garanten der Glaubensüberlieferung nicht hinter sich hat und daß sie folglich über ein amtlich anerkanntes Kriterium für die nova opinio nicht verfügt. Ein Abgrund hat sich in der mariologischen Kontroverse zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufgetan, den die Argumente der modernen Theologen nicht zu überspringen vermögen. Was werden die moderni, die sich solcher Einwände durchaus bewußt sind, zu ihren Gunsten ins Feld führen? In neun Punkten hat Cajetan ihre Gründe und Motive zusammengefaßt. Ohne Umschweife konzediert er, daß eine „unendliche Zahl von Theologen" für die Präservation Mariens plädiert, dies allerdings mit einer in seinen Augen hochbedeutsamen Einschränkung: Es handelt sich ausschließlich um doctores moderni, .
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Ed. cit. 188v. Quantumcumque ergo virgo fuisset ab originali peccato praeservata non posset dici redempta et salvata, nisi quandoque fuisset subiecta peccato non solum in persona parentem sed propria. Ed. cit. 189a. Den Überblick über die Väter und Heiligen beschließt er mit folgendem Urteil (c. IV, 163b): Stant igitur solidae allatae Sanctorum et doctorum autoritates ad sustinendum beatam Virginem conceptam esse in peccato originali et propterea rationabilem probabilemque esse partem illam constat.
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deren Ansehen „sehr gering" ist Daß diese überwältigende Mehrheit der Befürworter ein Phänomen der jüngsten Entwicklung ist, soll der Nachsatz erläutern, wonach es vor noch nicht allzu langer Zeit nur wenige Theologen gab, die für die neue Lehre eintraten. Genannt werden: Scotus, Franciscus Mayronis und die Visionen der hl. Realistisch hat Cajetan die theologische Isolation seiner Schule erkannt, die noch bedrückender war, als es seine knappen Worte zum Ausdruck bringen. Die Dominikaner hatten längst einsehen müssen, daß sich die Repräsentanten der großen Orden mit anerkannter akademischer Tradition der nova opinio zugewandt und die anfänglich gemeinsame Haltung aufgegeben hat.
Brigitte58.
ten.
Aus der Schar der Minoritentheologen nennt Cajetan nur Duns Scotus und Franciscus Mayronis, die er offenbar für die Wortführer der nova opinio hält Auf Einzelheiten, wie sie ihre Thesen begründet haben, geht er nicht ein, es genügt ihm der Hinweis auf die Umsicht, mit der Scotus seine Lehre vorgetragen hat, wenn er offen läßt, welche der drei Möglichkeiten Gott tatsächlich gewählt hat. Als wahrscheinlich gelte ihm jene Lösung, die Maria „das Vorzüglichere" zuerkenne60. Aus dem Umstand, daß sich der Franziskaner nicht klar für eine Antwort entscheidet, schließt Cajetan auf dessen Angst vor der eigenen Kühnheit. Auch Franciscus de Mayronis rechnet er nicht zu den dezidierten Befürwortern der nova opinio, da dieser in seinem Sentenzenkommentar konzediert, daß sich Ma.
C. V, ed. cit. 163b. Doctores tenentes beatam Virginem esse praeservatam sunt numero infiniti, si ad modernos spectemus Sed haec auctoritas valde exigua est, turn quia est contra tot sanctos: et nullus est inter istos sanctes. Ed. cit. 163b. Paulo ante tarnen aliqui, licet pauci fuerunt, ut Scotus, Franciscus Maironis. Et beatae Brigidae revelatem dicitur beatam Virginem praeservatam esse ab originali peccato. Zur Franziskanerschule s. den Überblick bei M. Lamy, L'Immaculée Conception 396408. C. Balic, Ioannes Duns Scotus et historia Immaculatae Conceptionis, bes. 16-37. A. POMPEI, Giovanni Duns Scoto. St.M. Cecchin, Giovanni Duns Scoto. B. Hechich, Il beato Giovanni Duns Scoto. Ed. cit. 163b-164a Turn quia ipse Scotus, qui primus doctor aut inter primos introducit hanc opinionem sequi, timet hanc opinionem sequi. Nam in 3 Sent. d. 3, q. 1 post tractatas de conceptione Virginis cum peccato aut sine peccato originali opiniones, dicit: Quod autem horum factem sit, Deus novit: si autoritati ecclesiae vel autoritati Scripturae non repugnet, videter probabile quod excellentius est attribuere Mariae. Das Scoteszitat: Ord. Ill, d. 3, q. 1, Opera Omnia IX, nr. 34. S. auch Lectura III, d. 3, q. 1, Opera Omnia XX 119-138. IV. concl. ...
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ria, auch wenn sie vor der Erbsünde bewahrt worden ist, nach Aussagen der Väter
„irgendwie" (aliquo modo) die Erbsünde zugezogen hat Grundsätzlicheren Charakter hat in Cajetans Augen die Tatsache, daß die Anhänger der Unbefleckten Empfängnis keinen kanonisierten Heiligen auf ihrer Seite haben, woraus er den Schluß zieht, daß die ihren Argumenten eigene probabilitas „sehr gering" ist (valde exigua). Den Offenbarungen der hl. Brigitte, auf die man sich in dieser Sache beruft, sind die Aussagen der hl. Katharina von Siena gegenüberzustellen, der die Erbschuld Mariens enthüllt wurde. Schließlich gibt Cajetan zu bedenken, daß das Ansehen der schwedischen Visionärin durch die Tatsache gemindert wird, daß sie zur Zeit des Schismas kanonisiert wurde (1391), als es keinen unbestreitbar rechtmäßigen Papst gab, während Katharinas Heiligsprechung unter keinem kanonischen Defekt leidet2. Die bisher angestellten Überlegungen sowie die Beispiele nötigen Cajetan zu dem mit Selbstsicherheit vorgetragenen Schluß, daß die Gegner seiner Schule keinen Heiligen und keinen berühmten alten Lehrer zu ihren Gunsten vorweisen können 3. Gleichwohl geben sie sich nicht geschlagen. Triumphierend nehmen sie die Definition der Unbefleckten Empfängnis des Basler Konzils vom 17. September 1439 in Anspruch, in der offen zu Tage getreten war, daß den Dominikanern nur .
1
Ed. cit. 164a. Et ipse Franciscus De Maironis dicit quod non obstante beata Virgo fuerit praeservata a peccato originali, propter dicta tamen Sanctorum possumus dicere quod aliquo modo peccatum contraxit. Das Zitat: In III Sent, d. 3, q. 1, Venedig 1519, fol 171 v. Cajetan fahrt fort: In quibus verbis originale ipsemet ostendit, quod dicta Sanctorum cogunt ad confitendum peccatum originale in beata Virgine. Ipse enim labor istorum ad glosandum dicta Sanctorum testater, quod Sancti contrarium suae opinionis sonant. Vgl. J. Jurjc, Franciscus Maironis; Ders., De redactione inédita. Im Sermo heißt es (a. 19, 52): non obstante tali praeservatione Mater Dei fait aliquibus peccati poetes affecta, quia fait mortea. S. auch 52-54. C. V, éd. cit. 163b. Sed haec probabilitas valde exigua est: turn quia est contra tot sanctos, et nullus est inter istos sanctes. Sanctae autem Brigidae e regione poniter sancta Catharina de Senis, quae dixit sibi revelatem esse oppositem Et maiori fide digna videtur sancta Catharina, quia canonizata est sicut ceteri sancti: sancta Brígida canonizata est tempore schimatis, quo nullus habebater certes et indubitates papa, a Bonifacio in sua obedientaia nono.Vgl. Art.: Birgitta v. Schweden, in: LMK 1, 489-491 (F. HOLböck, U. Montag/T. Nyberg). Cajetan wußte offenbar nicht, daß Brigitte 1419 erneut heiliggesprochen wurde. Vgl. A. Vauchez, La sainteté en Occident 486. Die Kanonisation wurde 1419 durch Martin V. endgültig bestätigt. S. ferner: J. Jungmayr, Die Legenda Maior, Bd. 2, 1054-1056. Ed. cit. 164a. Propterea non est mirum, si nullus Sanctus, nullus illustris doctor antiquus pro hac parte afferater, nisi a falsariis. ...
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noch eine Minderheitenposition geblieben war Auch hatte sich in den Diskussionen gezeigt, daß die Definition nicht so sehr der Volksfrömmigkeit entsprang, wie man später meinte, sondern vielmehr einer „klerikal-universitären Gedankenwelt"65. Daß der Entscheid trotz der Vorbehalte, auf die das Konzil in papal orientierten Kreisen stieß, die Sache der Immaculata Conceptio beträchtlich gefördert hat, steht freilich außer Zweifel, vor allem wenn man das Echo berücksichtigt, das sie gerade an den Universitäten fand 6. Den Dominikanern blieb gewiß nicht verborgen, daß Basel eine Bewegung beschleunigte, die in der Bulle Grave nimis zu einem vorläufigen Höhepunkt gelangte, auch wenn das päpstliche Dokument bezeichnenderweise jede Anspielung auf das Konzil vermeidet. Cajetan, der die Ängste der Päpste und der Antikonziliaristen kannte und teilte, war um ein Urteil nicht verlegen, das unter den damaligen Umständen seinen Eindruck nicht verfehlen konnte. In seinen Augen ist das Konzil zu einer synagoga Satanae geworden, das sich deshalb nur einer PseudoSchließlich macht autorität erfreut, wie sie dem conciliabulum Pisanum auch er auf einen uns schon bekannten Text des Florentinums von 1442 aufmerksam, dem zufolge die Kirche nur Christus von der Universalität der Erbsünde ausgenommen hat. Eine solche Formulierung hätte das Konzil nicht gebraucht, hätte das ebenfalls für Maria Die Argumente Cajetans, die sich geschickt mit der Furcht vor dem Aufleben konziliaristischer Gedanken verbinden, haben Leo X. und jene, die in der mariologischen Frage noch keine feste Meinung hatten, in der Haltung bestärkt, vorerst keine Entscheidung auf dem Lateranense zu suchen. Gleichwohl war nicht mehr zu bestreiten, daß sich die Argumente der Immakulisten von ihrem fragwürdigen Hintergrund gelöst hatten und eine eigene Dynamik entwickelten. Die Verant.
eignet67.
gegolten68.
Text bei Mansi 29, 183. Die Freiheit von der Erbsünde sei geschehen praeveniente et operante divini numinis gratia singulari. Die Lehre sei man beachte die Terminologie! pia et consona cultei ecclesiastico, fidei catholicae, rectae rationi et sacrae scripturae. Der kirchliche Kult wird bezeichnenderweise an erster Stelle genannt. So mit guten Gründen St. Sudmann, Das Bas 1er Konzil 2X1. Zu Basel und Universitäten s. J. Helmrath, Das Basler Konzil 132-160. Vgl. R. Bäumer, Die Entscheidung des Basler Konzils 193-206. Ed. cit. 164ab... quoniam congregatio illa Basileensis tune temporis non erat synodus Unde hinc non nisi synagogae Satanae autoritas nec concilium, sed erat schismatica afferri potest... Quocirca allegare Basileensem synodum pro tempore illo quo teit schismatica, perinde est ac si alligareter Pisanum nuperrime contra Julium secundum celebratem conciliabulum, quod vidimus omnes et manibus tetigimus fuisse schismaticum. Vgl. N. Minnich, The Healing of the Pisan Schisma. F. Oakley, The Concilarist Tradition 111 -128. R. BÄUMER, Nachwirkungen des konzillaren Gedankens. Ed. cit. 164b. -
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wortlichen des Dominikanerordens mit Cajetan an der Spitze mußten erkennen, daß ihre Haltung in der Kontroverse entscheidend dazu beigetragen hatte, die Predigerbrüder an den Universitäten zu isolieren. Zu welchen Konflikten das in Paris und Köln geführt hatte, wissen wir bereits. Nicht anders war die Situation an der Universität Wien69. Aufschlußreich für die an deutschen Universitäten Ende des 15. Jahrhunderts herrschenden Tendenzen ist die Stellungnahme Gabriel Biels in seinem Sentenzenkommentar70. Gleich zu Beginn seiner Darlegungen betont er die Autorität der Kirche, die die einzelner Heiliger (die kanonischen Autoren ausgenommen) übertrifft. In der hier zur Diskussion stehenden Sache hat sie insofern bereits entschieden, als sie das Fest der Empfängnis für alle vorgeschrieben hat. Eine weitere Bestätigung sieht er in der vor Auflösung und Translation des Basler Konzils erfolgten Definition. Wer die Legitimität der Versammlung bestreite und deren Konstitutionen aus diesem Grund verwerfe, möge sich an die Verlautbarungen Sixtus' IV. halten, der die Festfeier angeordnet und Ablässe gewährt habe. Da Glaubensfragen vom Apostolischen Stuhl zu entscheiden seien, hätte es als temerär zu gelten, wollte man das Gegenteil für richtig halten. Thomas v. Aquin, der hl. Bernhard und die Repräsentanten der alten Theologengeneration verdienten indes keinen Tadel, da sich damals Rom noch nicht geäußert habe und das Fest auch nicht für die Gesamtkirche vorgeschrieben worden sei71.
G.M. Häfele, Franz von Retz, bes. 346-359. C. Jellouschek, Die Lehre von Marias Empfängnis. K. BINDER, Die Lehre des Nikolaus von Dinkelsbühl. Collectorium circa quatteor libros Sententiarum, 1. III, d. 3, q. 1, ed. cit. 87f. Tertio probater idem auctoritate ecclesiae, quae maior est auctoritate cuiuscumque sancti, saltern post canónicos scriptores. Nam ecclesia stattet festem conceptionis generaliter per Universum celebrandum. Determinatem est in concilio Basiliensi et sub plumbo publianno 1439 ante eius dissolutionem et translationem catem Und 88f: Et si qui impudentes, ut suam defenderent temeritatem, dominam nostram inhonorantes dicere ausi sint Basiliense concilium non fuisse legitime congregatem et ideo constitetiones millas fore, contra acceptationem eorum in concordatis principum, attendant auctoritatem summi pontificis Sixti papae quarti, qui historiam de hoc feste sua ordinatione editam, in qua expresse continetur sine originali conceptam, repetitis vicibus approbavit et omnibus earn in festo conceptionis in ecclesiis publiée cantantibus, dicentibus aut interessentibus indulgentias largas largites est. Cum ergo quaestiones fidei ad sacram apostolicam sedem referendae sint eiusque determinationi fidèles cuncti colla submittere habent, temerarium est praemissis de puritate Virginis oppositem asserere vel sentiré, licet idem Sixtus papa praefates propter multa scandala exorta singulis partibus imposuerit silentium... Ed. cit. 88.
Vgl.
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Immer wieder erinnern die Immakulisten an das in fast allen Kirchen der lateinischen Christenheit unter dem Titel der Empfängnis und nicht unter dem der Hei-
ligung gefeierte Fest, um die Lehre von der Erbsündenfreiheit Mariens zu bekräftigen. Daß dieser liturgischen Praxis Probabilität zukommt, bestreitet Cajetan einmal mit der Behauptung, viele Kirchen des Erdkreises feierten an jenem Tag in Wahrheit die Heiligung, sei es, daß diese der Erbsünde vorausging, wie das die Neuerer lehren, sei es, daß sie von ihr reinigte, wie das die Tradition glaubt. Alle kämen demnach in der Heiligung Mariens im Mutterschoß überein. Daraus zieht er die Folgerung, daß vernünftigerweise von allen der Tag der Empfängnis unter dem Namen der Heiligung begangen werde, damit Name und Sache übereinstimmten72. Das heißt: Cajetan scheint die Stärke des gegnerischen Arguments zu spüren und plädiert darum für einen Kompromiß, der beiden Seiten das Gesicht wahrt. Auch der Einwand, Päpste hätten zugunsten der nova opinio Ablässe gewährt, verfange nicht, da sie zu Ehren der Heiligung Mariens gegeben worden seien, ohne den genauen Inhalt des Festes zu fixieren7 Heftig reagiert Cajetan auf die Behauptung der moderni, die opinio nova sei heutzutage Allgemeingut der lateinischen Kirche geworden, so daß die Gläubigen überzeugt seien, Gott einen Dienst zu tun, wenn sie ihr zustimmten. Diese Tatsache zwinge auch die Theologen, sie als probabel anzuerkennen. Daß es sich um .
einen sehr weit verbreiteten Glauben handelt, bestreitet er nicht, wohl aber die daraus zu ziehenden Konsequenzen. Die Qualifizierung der neuen Doktrin ist scharf: die Kraft der sie stützenden Argumente überschreitet nicht eine autoritas vulgaris, weil sie lediglich auf einer numerischen Mehrheit beruht, während die traditionelle Lehre die Wahrheit der Weisen (sapientes) hinter sich weiß, eben die der Heiligen und Theologen der Vergangenheit. Das „gewöhnliche Volk" (vulgus), das an die Stelle der professionellen Gelehrten tritt, erfreut sich nur einer „Probabilität dem Augenschein nach" (probabile in apparentia), aber nicht einer,
Ed. cit. 164b
constat, quod
a
quibuscunque catholicis celebrater hoc festem, celebra-
ter ratione sanctificationis beatae Virginis in utero matris: sive ilia sanctificatio fiierit praeveniens et quasi praeoccupans peccati originalis actealem incursum, ut opinio ista dicit, sive fiierit mundata ab originali peccato iam contracto, ut altera dicit opinio. Quocirca omnes conveniunt in sanctificatione beatae Virginis et quod teit in utero et quod est ratio celebritatis iuxta illud ,Tu solus sanctes, Mariam sanctificans'. Licet différant ...
in effecte sanctificationis an scilicet praeservaverit an mundaverit a macula. Et propterea rationabiliter ab omnibus deberet celebrari dies conceptionis sub nomine sanctificationis ut nomen consonaret rei. In der Konstitution Cum praeexcelsa spricht Sixtus IV. de ipsius immaculatae Virginis Conceptione, erwähnt das Problem der Erbsünde jedoch nicht.
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die
der Wahrheit kommt Die Ansicht, der sensus fidelium sei ein auch den Theologen verpflichtendes Kriterium weist er also mit einem deutlichen Unterton der Geringschätzung zurück. Allgemeiner formuliert: Neben Schrift, Lehramt und klassischer Theologie, die sich aus Vätern, Heiligen und hochscholastischen Theologen nährt, existiert keine Instanz, an der sich der Dogmatiker zu orientieren hätte. Aus der Sache der Theologen war, wie auch Cajetan wußte, längst eine Devotion des Volkes geworden, die seinen Orden, nun auch unter dem Aspekt der Volkstümlichkeit, in vielen Ländern isolierte. Als gutem Kenner der Universitätstheologie war ihm klar, wie sehr ihn sein Gutachten in Konflikt mit ihr brachte, wenn er deren Repräsentanten derart frontal attackierte. Auf die Behauptung seiner Widersacher, die nova opinio sei schon deshalb als probabel zu qualifizieren, weil die traditionelle Doktrin den „Ohren der Frommen" Ärgernis bereite, repliziert er mit dem Vorwurf, die Universiäten seien arrogant, weil sie sich in Gegensatz zu den Großen der Vergangenheit gebracht hätten. Im übrigen fände die Ansicht, die Makulisten skandalisierten das Volk, nur bei Dummköpfen Gehör75. Mit Schärfe und Ironie wendet sich Cajetan sodann dem Gedanken zu, die Neuerung erwiese sich deshalb als frömmer, weil dem englischen Gruß zufolge Maria jede Gnade gewährt wurde, deren sie teilhaftig werden konnte. Hinter der These steht die regula mariologica des Wilhelm von Ware und des Scotus, wonach Maria jeweils das zuzuschreiben ist, was als vorzüglicher zu gelten hat (quod excellentius est) Cajetan lehnt das Prinzip ab, weil es lediglich auf „Eifer" (zelus) basiert, aber nicht auf einer rational argumentierenden Theologie, die die Annahme abwegiger Thesen verhindert. Mache man sich, schreibt er, diese „Frömmigkeitsregel" zu eigen, dann wäre es morgen erlaubt zu glauben, daß Maria vom hl. Geist empfangen worden sei, dies jedoch „unter Christus", so daß sie auf Grund dieses Ursprungs nicht Gott und Mensch sei. Eines Tages könnte man auch sagen, sie sei auf Erden gleichzeitig Pilgerin und in der Schau Gottes, aus
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Ed. cit. 164b. Sed probabilitas haec vulgärem autoritatem non excedit: et eisdem contraponiter, quod probabile in veritate est, quod videtur sapientibus, qui, ut patet ex supradictis, contrariam secuti sunt opinionem. Vulgus autem probabile in apparentia, non
in veritate constitute Ed. cit. 164b. Sed quoniam universitates contra tot Sanctorum et communem priscorum doctorum doctrinam in his, quae sunt fidei, praesumpteosae sunt, et scandalum hoc non activum, sed passivum insipientium est potius quam piarum aurium imo pharisaeorum convincereter esse, declarata eis veritate, ideo nihil ex hoc probabilitatis sortiter opinio haec nisi apud ignorantes. Ed. cit. 164b. Zur regula mariologica s. A. EMMEN, Einführung in die Mariologie 143152. C. Balic, De regula mariologica.
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dies jedoch wiederum unter Christus, da sie sich einer geringeren Seligkeit erfreue. Eines Tages würde man sogar behaupten, daß sie Gott und Mensch unter Christus sei, weil sie Frau und er Mann gewesen sei. Vorstellbar sei endlich, daß jemand auf den Gedanken käme, noch andere Irrtümer aus einem so gedeuteten Frömmigkeitsprinzip herzuleiten Die ironisch-übertreibende Sprache Cajetans spricht für sich selbst, sie ist ein Zeichen großer Erregung angesichts des Erfolgs der nova opinio unter den Theologen in vielen Ländern und besonders schmerzlich an den Universitäten. Es mag erstaunen, daß er sich in dieser Schärfe in einem an den Papst gerichteten Votum äußert. Sollte man freilich die mariologische Regel auf die tatsächliche Reinheit Mariens von dem Makel der Sünde beschränken und gläubig das annehmen, was Maria an Gnade geschenkt werden konnte, so hielte er das solange für einen der Sache angemessenen Ausdruck der Frömmigkeit, wie dies von den Heiligen gedeckt sei. Er schließt seine Überlegungen mit einem Blick auf Vergangenheit und Gegenwart: Während Scotus noch die Möglichkeit eines Dissenses zwischen dem mariologischen Prinzip und der Lehre der Kirche „fürchtete", tun das die „weniger Gelehrten" nicht mehr, weil sie nur Weniges in den Blick nehmen und deshalb „leicht" bloße Behauptungen von sich geben78. Kein Zweifel: Der Ton der Auseinandersetzung ist gegen Ende des Gutachtens schärfer geworden. Immer deutlicher wird die negative Beurteilung, ja die Geringschätzung der nova opinio und deren Repräsentanten. Läßt sich Cajetans Wertung noch mit der Bulle Grave nimis vereinbaren? Hat sie nicht längst die Grenzen der erlaubten Diskussion der Standpunkte überschritten? Wie wird die Schlußfolgerung lauten, die Leo X. von ihm erwartete? Zunächst versichert er formal im Sinn der Konstitution Sixtes' IV. daß keine der beiden Doktrinen mit Notwendigkeit zu glauben ist, daß sich also das Pro und Contra die Waage halten. Er fährt dann aber fort: Die Lehre, daß Maria von der Erbsünde gereinigt wurde, ist als probabilis zu qualifizieren, während die These des Scotus und seiner Anhänger nur als tolerabilis einzustufen ist. Mit dieser Unterscheidung, die .
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Ed. cit. 164b-165a. Sed haec radix zelo quidem innititur, sed non secundum scientiam, propter quod a fide ad devia multa abduceret: iuxta hanc siquidem vocatam pietatis regulam liceret eras credere, quod beata Virgo teit concepta de Spirite sancto, et tamen sub Christo: quia propterea non esset Deus et homo. Possemus quoque dicere quod beata Virgo erat in hac vita simul viatrix et comprehendens: et tamen sub Christo, quia non in tam alto beatitedinis gradu. Possemus etiam adhuc dicere, quod ipsa fuit Deus et homo: et tamen sub Christo, quia Christus masculus et ipsa mulier. Christus universalis redemptor per suam mortem, ipsa non. Ed. cit. 165a. Quod Scotus timuit, sed minus docti non timent, propterea fortassis, quia ad pauca respicientes de facile enuntiant
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die Unbefleckte Empfängnis gerade noch als „tragbar" akzeptiert, soll den Auflagen des Lehramts entsprochen werden. Sollte man jedoch auf einem Urteil bestehen, das die Gleichrangigkeit beider Standpunkte wahrt, so schlägt Cajetan mit kaum noch zu überbietender Ironie folgende Lösung vor: Die immakulistische Doktrin ist in der Tat für die probabilis, die ihr zugetan und an sie gewöhnt sind oder von der Theologie der Heiligen wenig oder nichts mitbekommen haben79. Um die Herausforderung der Konklusion abzumildern, beteuert Cajetan formelhaft, daß er bereit ist, sein Gutachten dem Urteil des Papstes zu unterstellen. Gleichwohl versichert er abermals, daß die makulistische These „im Schoß der Heiligen und heiliger Lehrer der Vergangenheit ruht" und nichts von einem Konzil zu fürchten brauche, ja man habe Grund zur Hoffnung, daß, wenn die Frage zur Entscheidung stünde, die Synode sie definieren würde. Während die entscheidenden Argumente für die Makulisten sprächen, hätten ihre Widersacher nur eine große Zahl von Anhängern und Gunsterweisen hinter sich80. Und ein letzter Appell an den Papst: Er möge bedenken, daß auf der einen Seite 15 Heilige sowie unzählige Theologen stehen, wohingegen die andere nur auf einen in dieser Sache „furchtsamen Scotus", auf Franz von Mayronis und Petrus Aureoli sowie auf den Lärm eines bunt gemischten vulgus verweisen kann. Zwischen beiden Parteien habe der Papst als von Christus eingesetzter Richter zu fungieren. Das Gutachten endet mit einem polemisch zu deutenden Schriftwort, dessen Leo X. eingedenk sein möge: Non in multitudine nec in commotione Dominus (3Reg 19, 11) Kann man die gegnerische Position schärfer und kritischer charakterisieren? Im Munde Cajetans, der sich sonst bemüht, formaliter zu argumentieren, klingen solche Sätze voller Geringschätzung und Aversionen doppelt scharf. Man würde sie indes nicht richtig interpretieren, sähe man in ihnen bloße Polemik. Der Generalmagister der Dominikaner wußte wie wenige seiner Zeit, daß es in dieser Auseinandersetzung nicht nur um ein Einzelproblem ging, sondern daß hinter ihm die Frage nach den Quellen des Glaubens und nach der rechten theologischen Me.
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Ed. cit. 165a. Ex omnibus autem dictis facile est colligere, quod neutra pars propositae quaestionis in sensu quo vertiter in dubium, est necessario credenda: et quod altera (scilicet dicens beatam Virginem esse mundatam ab originali peccato) est probabilis: altera vero (scilicet dicens beatam Virginem esse praeservatam a macula originalis peccati) est tolerabilis: et apud sie affectos vel assuetos aut vere theologiae sanctorum parum aut nihil habentes, probabilis. Ed. cit. 165a. Pars vero reliqua credens beatam Virginem a macula originalis peccati praeservatam, multitudine sequacium et favoris amplitudine conspicua apparet. Ed. cit. 165a.
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thode stand, die sich als Folge der mariologischen Kontroversen in einem Wandel mit beträchtlicher Tragweite befand. Wie Leo X. auf Cajetans Votum reagiert hat, wissen wir nicht, sicher ist hingegen, daß weder das Laterankonzil noch das Tridentinum die Stunde für gekommen hielten, eine endgültige Entscheidung zu fällen82. In seinem Kommentar zur Tertia Pars der Summa Theologiae aus dem Jahr 1522 hat Cajetan abermals Stellung zur Immaculatafrage genommen. Er tut dies hier nur kurz unter Beschränkung auf einige Punkte, wobei eine vergleichsweise milde Polemik auch diesmal nicht fehlt. Der These, Maria sei nicht vor ihrer Beseelung geheiligt worden, wird ein Zusatz angefügt, daß dies erst danach geschah83. In ihm äußert er sich zu der, wie er schreibt, heute von vielen gehaltenen Ansicht Heinrichs von Gent, wonach Maria im selben Augenblick (in ipso instanti) geheiligt worden sei, in dem ihr Gott die Gnade eingegossen habe. Thomas habe sie nicht berücksichtigt, weil sie zu seiner Zeit noch nicht „erdacht" worden sei84. Cajetan stimmt ihr nicht zu, weil die zeitliche Koexistenz von Erbsünde und Heiligung unmöglich ist. Er meint allerdings, daß diese Ansicht „heute" deshalb einen so großen Einfluß gewonnen habe, weil man das Frömmigkeitsargument der Lehre der Heiligen vorziehe. Die sonst allgemein beachtete Überzeugung, in Glaubensdingen habe man eher den „alten Lehrern" als den „Neuerern" zu folgen, habe man unter Mißachtung der „Alten" in diesem Fall hintangesetzt85. Gleichwohl räumt Cajetan ein, daß jene Lehre nichts Glaubenswidriges enthält. Außerdem hat der Apostolische Stuhl entschieden, man dürfe sie, solange kein endgültiges Urteil vorliege, ohne Gefahr einer Irrlehre verteidigen86. Schließlich mögen sich Prediger und Theologen daran erinnern, daß es hier nicht um Glau-
Zur Nachgeschichte s. M. Tognetti, L 'Immacolata al Concilio Tridentlno. L. KRUSE, Die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis. B. KOROSAK, Doctrina de Immaculata B. V. Mariae conceptlone. Kommentar zu S Th III 27, 2, Ed. Leonina, t. XI, 291. Ed. cit., VI, 291. Ed. cit. 292 quoniam impossibile est in uno eodemque instanti contrahere peccatum originale, et sanctificari ab ipso... Quae (opinio) hodie ita praevaluit ut doctrinae Sanctorum aestimata pietas praeferater: et quod in communi asseriter, in his scilicet quae credenda sunt sectandos magis esse antiquos doctores quam modernos, in hoc particulari posthabeter, dum moderni antiquis, et non-sanctis praeferunter. Ed. cit. 292. Veram opinio ista media, quamvis nova, quamvis aliena a doctrina antiquorum communiter; quia tamen nihil contra fidem sustinet, et Apostólica Sedes decrevit, donec fiierit decisum, absque haeresis criminisque labe utramque contradictionis partem teneri posse ...
...
...
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bensfragen gehe,
sondern lediglich um probable Ansichten Auch wenn Cajemethodischer tans Standpunkt im Kommentar ebenso klar hervortritt wie in seinem Tradatulus, ist doch das Bemühen unverkennbar, dem Ton der Auseinandersetzungen die Schärfe zu nehmen. .
3. Ambrosius Catharinus
Cajetans
Gutachten provozierte eine polemische Replik aus den eigenen Reihen, deren Verfasser, Ambrosius Catharinus, auch sonst für eigenwillige Thesen bekannt war Mit Cajetan hatte er einen heftigen Streit über exegetische Fragen, der ebenfalls die Animositäten zwischen den beiden Dominikanern Seine Auseinandersetzung über die Unbefleckte Empfängnis beginnt er mit einem persönlichen Bekenntnis. Als Novize sei er durch gewisse Traktate zu falschen Doktrinen verführt worden. Gemeint ist Cajetans Votum, in dem dieser der römischen Kirche und sogar dem Hl. Geist den Mund habe verschließen wollen, indem er behauptet, der Papst oder das Konzil dürften eine Kontroverse nur entscheiden, wenn die Bestätigung durch ein unbezweifelbares Wunder Widerspruch findet auch Cajetans These, die Universitäten handelten anmaßend, während sie doch als hochangesehen zu gelten hätten. Seit fast hundert Jahren hätten sie unter stillschweigender Billigung der römischen Kirche die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis vertreten und dies nicht zuletzt deshalb, weil Rom dieses Fest in feierlicher Weise begeht und mit Ablässen versehen hat. Cajetan gebe sich indes mit seinem Urteil über die Universitäten zufrieden, er nenne auch das Basler Konzil eine Synogoge Satans, obschon viele Kirchen und der Papst den Beschluß akzeptierten, auch wenn sie ihn nicht ausdrücklich approbiert .
bezeugt89.
erfolge90.
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hätten91.
Ed. cit., VII, 292. Et ideo sat sit hic monuisse omnes de hac re disserentes aut praedicantes, ut meminerint se non de fidei necessitate, sed de probabilibus tractare: neutra siquidem pars fidei documentis adversatur. Zu Person und Werk s. J. Schweizer, Ambrosius Catharinus Politus, bes. 43-63. F. LAUCHERT, Die italienischen literarischen Gegner 30-133. D. SCARAMUZZI, Le idee di un grande teólogo. G. CARA VALE, Sude tracce dell'eresia. Daza s. U. HORST, Der Streit um die hl. Schrift 551-577. Zu den weitreichenden Nachwirkungen der Cajetankritik des Ambrosius Catharinus s. Cl. Arnold, Die römische Zensur der Werke Cajetans und Contarinis (1558-1601), passim. Disputatio pro immaculata conceptione Divae Virginis, in: Opuscula Fr. Ambrosii Catharini Politi Senensis, Lyon 1542,1. I, 6. AaO 7. Nam et Basileense concilium, quod idem quoque determinavit synagogam Satanae vocat, cum tamen concilium illud multae catholicae ecclesiae ipsa etiam Romana tácente et consentiente, hac saltern parte suscipiant et venerenter.
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Daß die großen scholastischen Theologen und in ihrem Gefolge auch Aegidius Romanus und Durandus de S. Porciano im Widerspruch zu den Autoren der jüngeren Vergangenheit stehen, findet Ambrosius Catharinus nicht weiter verwunderlich, da sie nur Menschen unter der Erbsünde sind. Auch hält er es im Rückblick auf die Geschichte für sicher, daß die Lehre der Kirche einer Entwicklung unterliegt und Einsichten zu Tage fördert, die einst selbst Heiligen verborgen geblieben waren92. In Wahrheit erweist sich der als Gegner des Aquinaten, der dessen Autorität der hl. Schrift und den päpstlichen Dekreten gleichstellt. Da für Thomas die Kirche stets Richtschnur war, muß man heute, da das Fest der Empfängnis allgemein gefeiert wird, sagen, daß diese Tatsache die wahre Doktrin der Heiligen darstellt93. Schließlich weist Ambrosius Catharinus den uns indirekt schon bekannten und unter Dominikanern offenbar verbreiteten Verdacht zurück, der Franziskaner Sixtus IV. habe Grave nimis zugunsten der Theologen seines Ordens erlassen. Ohne auf die Gründe einzugehen, heißt es mit einem seit dem Mittelalter vertrauten ekklesiologischen Gedanken, daß schon Caiaphas in seiner Eigenschaft als Hoherpriester recht geurteilt hat (vgl. Joh 18, 14), was immer man von seinem Lebenswandel halten mag94. Die Disputation des Ambrosius Catharinus ist ein aufschlußreiches Dokument für die Tendenzen, die es auch im Dominikanerorden gab und denen die Zukunft gehören sollte. In polemischer, aber doch präziser Gestalt artikuliert er Argumente, die die Diskussion mehr und mehr beherrschten. Daß die Kontroversen im Orden freilich nicht zur Ruhe kamen, werden wir noch hören. 4. Francisco de Vitoria Ein für die persönlichen und sachlichen Probleme, vor die sich ein spanischer Dominikaner in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gestellt sah, bemerkensL. II, 48. Den Universitäten weist Ambrosius Catharinus eine große Autorität zu, namentlich wenn die Päpste eine Lehre ausdrücklich oder stillschweigend bestätigen (49). Die Pariser Universität lehre die Unbefleckte Empfängnis nicht mehr als Meinung, sondern als quasi certa ac explorata veritas, so daß sie den Magistergrad nur einem Kandidaten zuerkennt, der sie gutheißt. AaO 58. At nunc quando seipsam aperte Ecclesia declaravit asserens celebrare se talem conceptionem, videlicet immaculatam, iam planum résultat quod ea est veré B. Thomae sententia, quae iam conspiciter esse ipsius Ecclesiae et non quae olim Thomae videbater.
AaO 62. Cur igiter Xistus non a Spiritu sancto similiter directes sit in re spectante ad ecclesiam universalem? Zur Weissagung des Caiphas bei Thomas s. U. Horst, 77ze Dominicans and the Pope 14f. M. SCHLOSSER, Lucerna in caliginoso loco, bes. 154— 161.
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uns in einer Vorlesung Franz von Vitorias in Salamanca über die Tertia Pars der Summa Theologiae aus den Jahren 1537/38 überliefert Sie illustriert uns wie kaum ein anderes Werk die Spannung zwischen der Treue zum Aquinaten und der inzwischen eingetretenen Entwicklung der immakulistischen Doktrin in Theologie und Frömmigkeit. Daß sie durch die Studienzeit des Autors an der Universität Paris geformt worden ist, unterliegt keinem Zweifel. Vitoria konstatiert in einem ersten Schritt, daß man die Lehre des Aquinaten auf Grund eines allgemeinen Konsenses für glaubensverbindlich gehalten hat und das Gegenteil für häretisch. Das ist jetzt nicht mehr so, weil sich schon lange graves doctores zu ihr bekennen Seit Grave nimis haben sogar beide Meinungen als begründbar und vertretbar zu gelten. Nicht aber ist es so, als sei mit der päpstlichen Approbation des liturgischen Festes der Empfängnis auch eine Entscheidung in der Sache verbunden gewesen, da sich schließlich auch die Lehre des Aquinaten der kirchlichen Billigung erfreue97. Darf man nun von einer strikten Gleichrangigkeit der konkurrierenden Thesen sprechen oder muß eine von ihnen als „wahrer" angesehen werden? Das habe so Vitoria Cajetan in Bezug auf den Standpunkt des hl. Thomas in einem magnus processus zu zeigen versucht, von dem er abwertend sagt, er habe ihn nicht gelesen und auch die Studenten mögen mit dessen Lektüre keine Zeit verschwenden Er fährt dann fort: Selbst wenn die Meinung des Aquinaten wahr sein sollte, ließe sich nicht überzeugend zeigen, daß sie eher als die ihr entgegengesetzte zu halten wäre9 Das heißt: In den Augen Vitorias ist die Autorität des hl. Thomas in dieser für seine Schule so wichtigen Frage nur relativ und keineswegs allgemeinverbindlich. Die zugunsten der traditionellen Meinung zitierten Zeugnisse der Heiligen sind gleichfalls nicht zwingend, da sie sich mit Ausnahme nicht ausdrücklich zu ihr von Bernhard, Bonaventura und Gregor von Rimini bekennen. Und schließlich: Den Doktoren lassen sich andere Doktoren und das
wertes Dokument ist
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Ausführlichere Darstellung bei U. Horst, Die Diskussion 65-75. Der Text wurde ediert von J. Polo Carrasco, Los comentarlos de Francisco de Vitoria. Ed. cit. [19] 278. Sed dico quod nunc non est haereticum, immo est pie dictum quod Bta. Virgo non fait concepta in peccato originali, quia multi graves doctores tenent istam opinionem. Ed. cit. [30] 281 f. Ed. cit. [33] 272. Sed dubitater utra pars est verior. Ad hoc respondet Cajetanus ubi facit magnum processum pro defensione S. Thomae, quem profecto non ego nunquam legi nec vos consumatis tempus in legendo ipsum, quia ipse vult probare quod opinio S. Thomae est verior et convincit quod debeat teneri. Ed. cit. [34] 282f. Sed ego dico quod licet opinio S. Thomae sit vera, tamen non convincit quod illa debeat teneri potius quam altera; ideo dico quod non convincit quod una pars sit verior quam alia. ...
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Oder allgemeiner: Aus der theologiconcilium parisiense gegenüberstellen schen Tradition allein läßt sich kein schlüssiger Beweis gegen die Unbefleckte Empfängnis erbringen. Sicher ist hingegen, daß Maria aus der Verbindung von Mann und Frau entstanden ist und daß sie durch Christus erlöst wurde. Ihr Tod verdankt sich der Sünde Adams als Strafe für die Erbsünde101. Und was spricht für die Unbefleckte Empfängnis Mariens? Das nach Vitorias Urteil entscheidende Argument ist, daß Christus ohne Zweifel seine Mutter von der Universalität der Erbsünde ausnehmen konnte. Und wenn er es vermochte, warum sollte er es nicht sogleich, d. h. ohne irgendeinen zeitlichen Abstand getan haben? Für eine párvula mora zwischen Beseelung und Befreiung gibt es nicht den geringsten Grund102. Wie es scheint, hat sich Vitoria mit diesem Argument für die immakulistische These entschieden, aber er hält, ehe er sich definitiv äußert, inne, um sie angesichts der auch von ihm akzeptierten Problematik der dogmatischen Überlieferung wenigstens methodisch einzuschränken. Beide Ansichten seien, lehrt er, probabel, solange eine Definition seitens der Kirche nicht vorliege. Auch hat er für seine Vorsicht einen persönlichen Grund, mit dem er sich als Dominikaner konfrontiert sieht. So fragt er jetzt nur, welche Antwort „eher" der Sache entspricht. Er weiß, daß er sich, wie immer sie ausfallt, Schwierigkeiten von zwei Seiten aussetzt. Als Thomist ist er für die einen ebenso verdächtig wie für die anderen als doctor parisiensis, insofern man ihm den in Paris üblichen Eid auf die Unbefleckte Empfängnis vorwerfen kann. Beides weist Vitoria zurück: Alle sollten wissen, daß ihm niemals Parteiungen gefallen hätten. Auch sei .
Ed. cit.
[38]
283
omnes
illae
auctoritates, licet habeant apparentiam pro illa opinio-
Sed doctoribus docne, tamen illi sancti expresse non tenent omnes illam opinionem tores opponimus, quia concilium parisiense est pro altera parte et alii doctores. Unter ...
...
dem concilium parisiense ist sicher die offizielle Haltung der Pariser Universität in dieser Sache zu verstehen. Ed. cit. [47, 48] 286f. Ed. cit. [51, 52] 287f. Sed pro parte negativa, scilicet quod Bta. Virgo non teit concepta in peccato originali, primum argumentem et quod facit magnam fidem est quia Filius Dei potuit eximere Mattem suam a peccato originali. Et de hoc non est dubium
quod poteerit Si ergo potuit illud faceré, quare non fecit illud quam primum potuit? Non est dicendum quod ex defecte pietatis nec propter aliam causam. Conclusio est quod non teit concepta in peccato originali. Et si dicater, quod sicut dicit Durandus tanquam probabile et S. Thomas affirmât, quod teit in peccato originali per parvam morulam, dico quod ad quid hoc opus erat? Quae nécessitas compellebat ad id? Certe nulla! 109
die Behauptung falsch, daß die Pariser Doktoren einen Eid auf die „Pariser Artikel" ablegen müßten103. Nach dem für Vitoria typischen dialektischen Für und Wider der Argumente gibt er seine persönliche Meinung kund, der zufolge ihm die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis probabler zu sein scheint. Lebte Thomas heute, würde er seinen Standpunkt ändern. Das entscheidende Motiv, die Ordenstradition zu verlassen, sieht er indes darin, daß Gott Maria von der Erbsünde befreien konnte und daß es keinen Grund gibt, warum er dies nicht getan haben sollte104. Wie sehr ihm daran gelegen ist, den Streit zwischen den Schulen zu entschärfen, verrät seine Bitte an die Studenten, sie möchten Dominikanern und Minoriten mißtrauen, da es ihnen eher um die Verteidigung der Ordensdoktrin gehe als um den Eifer für die Jungfrau Maria105. Leider wissen wir nicht, wie die eigenen Mitbrüder im Konvent San Esteban Vitorias Außenseiterposition aufgenommen haben. Da sie später nicht mehr erwähnt wird, hat man wohl versucht, sie mit Schweigen zu übergehen. In den großen Kontroversen des 17. Jahrhunderts an der Universität Salamanca haben die Dominikanertheologen die klassische Doktrin des hl. Thomas mit großem Nachdruck vertreten106. 5. Melchior Cano
Gedanken führen Melchior Canos Loci Theologici, erschienen 1563, in die Immaculatadiskussion ein. Anläßlich der Fragen nach der Autorität der Väter im theologischen Beweisverfahren bringt er als Einwand das Beispiel eines einhelligen und von den scholastischen Theologen übernommenen patristischen Zeugnisses, wonach Maria in der Erbsünde empfangen wurde. Obschon, so heißt es weiter, keiner der heiligen Lehrer dieser Lehre widersprochen hat, ist das Argument, das man aus einem solchen Einklang zu ziehen geneigt wäre, Einen
originellen
Ed. cit. [75] 292. Ad primum dico quod nunquam mihi placuit factio. Hoc potestis firmiter credere. Ad secundum dico quod falsum est quod juramento obstricti teneanter doctores parisienses defenderé artículos parisienses. Ed. cit. [77] 292. Sed ut de me dicam quid sentio, dico quod pars negativa, scilicet quod Bta. Virgo non fait concepta in peccato originali, videtur mihi probabilior et verisimilior. Et puto quod si S. Thomas nunc viveret, ipse mutaret suam sententiam et ita fatereter. Et facit mihi magnam fidem illud argumentum: quia Deus potuit liberare earn a peccato originali et non est ratio quare noluerit... Ed. cit. [76, 84] 292 u. 293f. Dazu s. U. Horst, Die Diskussion 39-58. J. Barrientos García, El maestro Pedro de Herrera 185-201. F. MARCOS RODRÍGUEZ, La Universidad de Salamanca y la Inmaculada.
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„schwach", zumal man zu bedenken habe, daß die ihm entgegengesetzte These in der Kirche als „probabel" und „fromm" vertreten werde Das darin enthaltene .
Problem wird in einer Konklusion in einer Weise gelöst, die auch unserer Kontroverse die Richtung weisen soll: Die Autorität aller Heiligen in Fragen, die „nicht im geringsten" (minime) zum Glauben gehören, bewirkt lediglich einen wahrscheinlichen, nicht jedoch einen sicheren Glauben Daß die Unbefleckte Empfängnis zu dieser Gruppe gezählt werden soll, muß die Leser aus den beiden sich befehdenden Lagern gleichermaßen überrascht und befremdet haben, da ein solcher Gedanke bisher noch nicht von einem angesehenen Theologen aus der Dominikanerschule von Salamanca geäußert wurde. Cano begründet seine Ansicht mit einer Reihe von Argumenten. Daß der Streitpunkt den katholischen Glauben weder befördern noch bewegen kann, folgt aus dem Umstand, daß sich die Freiheit Mariens von der Erbsünde nicht aus dem ursprünglichen Sinn der Schrift ergibt, da diese lediglich von der Sündenverfallenheit aller aus Adam Geborenen spricht. Auch die apostolischen Traditionen bezeugen sie nicht. Es kann also etwas nicht zum Glauben gehören, das weder die Schrift noch die Überlieferung erwähnt noch mit ihnen in einer notwendigen Verbindung steht109. Für die Ansicht, Maria habe sich von ihren Eltern die Erbsünde zugezogen, gilt allerdings dasselbe. Sie ist ebenfalls kein Dogma, wie die Überlegung hinreichend klar zeigt, daß die Annahme eines einzigartigen Privilegs der Gottesmutter durchaus mit der Schrift vereinbar ist, wie Ausnahmen von einer .
generellen Regel zeigen110.
Nach Canos Überzeugung haben aus solchen Gründen weder Sixtus IV. noch das Lateranense noch Trient in der Sache entscheiden wollen. Die Vertreter beider Parteien irren demnach, wenn sie sich gegenseitig vorwerfen, gegen den Glauben
Ed.
cit., 1. VII, c. 1, arg. 3, 213ab
infirmum tamen ex omnium auctoritate argumenducitur: quin potius contraria sententia et probabiliter et pie in Ecclesia defenditer. Vgl. A. Lang, Die Loci Theologici, bes. 147-154. B. KÖRNER, Melchior Cano, bes. 223-232. Zum Werk allgemein s. die Einführung in die spanische Übersetzung der Loci Theologici von J. Belda Plans, De Locls Theologicis XXXIII-CXLI. AaO, 4. concl., 218a. Omnium etiam sanctorum auctoritas in eo genere quaestionum, quas ad fidem diximus minime pertinere, fidem quidem probabilem facit, certam tamen non facit. AaO. Non igiter ad fidem illud attinere potest, quod neque in sacris litteris aut apostoloram traditionibus inveniter, neque ex eis certa valet connexione confici. AaO 218ab. Caeterum, quod opposita etiam assertio, hoc est, Beatam Virginem peccatum originale a parentibus contraxisse, non sit in numero dogmatum catholicoram, manifestissime colligiter ex eo, quod a lege universali per singulare privilegium unam Dei Matrem excipere, sacraram litterarum fidei nullo pacto adversum est tum
...
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zu
verstoßen1
in der
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Cano
Öffentlichkeit
weiß, daß sein Standpunkt „schwierig" ist, zumal wenn er Diskussion steht, meint aber, er sei „sehr leicht" zu
zur
rechtfertigen, wenn er wie in seinem Buch in einer akademischen Disputation erörtert wird112. In seiner Intention liege es nicht, mit dem unwissenden Volk zu streiten. Ihm gehe es vielmehr darum, eine solide Theologie ohne Ansehen der Person zu betreiben und nicht „fliegende Schatten zu verfolgen", wobei ihm bewußt sei, daß seine These beiden Seiten mißfallen werde. Auch seine eigene Schule werde Widerspruch anmelden. Er zweifle nicht, daß gelehrte Theologen ihn tadeln und anklagen werden, mit voller Absicht in eine Kontroverse eingegriffen zu haben, vor allem weil er behaupte, eine Sache dieses Gewichts sei ohne Bedeutung für die christliche Religion113. Zur Vorahnung Canos, er werde sich beide Kontrahenten zu Feinden machen, gehörte nicht viel Phantasie, da ihm die Schärfe des Konflikts namentlich in Spanien bekannt war. Geschmerzt wird sein radikaler Standpunkt aber vor allem die Thomisten haben, die nun die Autorität eines allgemein angesehenen Theologen aus dem eigenen Orden gegen sich hatten. Ihnen hatte er die zwei klassischen -
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Argumente, die hl. Schrift und den Väterkonsens, aus der Hand genommen. Auch die Immakulisten hatten nichts gewonnen. Die eigentliche Provokation lag jedoch in seiner Behauptung, die sich über die Jahrhunderte ziehenden Kontroversen hätten einen für den Glauben bedeutungslosen Inhalt. Sie waren also in seinen Augen nichts weiter als Scheingefechte. Schließlich fällt auf, daß die Lehre von der Erbsündenfreiheit, die, wie Cano selbst schreibt, in der Kirche seiner Tage für probabel und fromm gehalten wurde, nicht mehr erörtert wird, da sie jeglicher Grundlage entbehrt. Daß dies ein unerhörter Affront gegen Grave nimis war, versteht sich. Weder die Bulle noch die liturgische Praxis werden einer Würdigung für wert erachtet. Man hat den Eindruck, daß Cano von den Streitigkeiten genug hat und sie mit einer radikalen Lösung beenden möchte. Nachfolger hat er deshalb nicht gefunden.
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AaO 218b. In pari quippe errore versanter, qui alterutram partem ad catholicam fidem attinere posse credunt. AaO. Difficile est hoc dicere. Credo, si in concione quaerater: at hoc loco et disputatione facillimum. AaO. Nec deerunt post haec etiam ex viris plane doctis, qui me objurgent, erunt etiam qui vitupèrent, quod in quaestionem multis nominibus invidiosam consulto et cogitate inciderem, ut rem alias gravissimam nullius in christiana religione esse momenti esse asseverarem.
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6. Bartholomaeus
Spina Einen markanten Beitrag zur Immaculatakontroverse lieferte Bartholomaeus Spina (ca. 1475/79—1547)114. Von seinen zahlreichen Schriften ist für unsere Zwecke wichtig der 1526 verfaßte Traktat mit dem den Inhalt hinreichend charakterisierenden Titel De universali corruptione generis humani ab Adam seminaliter Die These der Abhandlung bedarf keines Kommentars: Wer benicht alle aus Adam Geborenen stünden unter der Erbsünde, verstößt hauptet, vielfache Aussagen der Schrift, die Entscheidungen der Konzilien, den gegen So gewiß diese Glauben der allgemeinen Kirche und alle heiligen Lehre seiner Ansicht nach ist, so läßt sie sich damals in dieser scharfen Form nicht mehr ohne weiteres vertreten, da seit langem eine amtliche Stellungnahme, Grave nimis, vorliegt, die der Diskussion nicht einfach zu ignorierende Grenzen gesetzt hat. Insbesondere mußten sich die Dominikaner, getreu ihrer Ordenstradition, an ein päpstliches Dokument gebunden wissen, das freilich nach Spinas Ansicht einer Interpretation unterliegt, ja sie wie in diesem Fall gebieterisch
propagati"5.
Theologen116.
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verlangt.
So schreibt die Bulle vor, daß niemand, der an die eine Seite der kontradiktorischen Sätze glaubt, vor der endgültigen Entscheidung der Kirche Häretiker genannt werden darf. In einer solchen Forderung steckt allerdings ein logisches Problem. Es steht nämlich fest, daß jemand auf die eine oder andere Weise kraft eines derart formulierten Gebots Häretiker wird, da die kontradiktorische Aussage als Ganze zum Glauben gehört. Daraus folgt: Wenn man einen Teil mit Notwendigkeit zu glauben hat, muß der andere ebenso notwendig falsch sein. Wer also glaubt, daß der Satz, der in sich wahr ist, falsch sei, wäre tatsächlich Häretiker. Hierin liegt nach Spina das logische Dilemma von Grave nimis, da naturgemäß nur die eine Seite wahr sein kann117.
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Zu Leben und Werken s. K.-B. Springer, Art.: Spina, Bartolomeo (delta), OP, in: BBKL 14, 1506-1509. QE II 126a-128b. J. Schweizer, Ambrosius Catharinus Politus und Bartholomaeus Spina. I. TAURISANO, Hierarchia Ordinis Praedicatorum 52. Zum Umfeld im Dominikanerorden s. M. TAVUZZI, Prierias. Zu Kontroversen mit Cajetan 99-102, wo aber auf die Immaculatakontroversen nicht eingegangen wird. Opuscula, ed. cit., fol 58r-84r. Der Tractatus contra opusculum Caietani de conceptione Beatae Virginis bleibt hier außer Betracht. Anzumerken ist, daß Spina den Druck des Tractatus de veritate conceptionis beatissimae Virginis Torquemadas, Rom 1547 beaufsichtigt hat: sub oculis und volente autem Paulo III. Vgl. die Edition von E.B. Pusey XHIf. P: IV, c. 2, ed. cit. fol 72v. P. V, c. 2, ed. cit. fol 73r. Dicitur quod stat pontificem praecipere quod nullus sentiens alteram quam voluerit contradictionis partem debeat ante decisionem factam per eccle-
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Spina
und das macht seinen Traktat bemerkenswert bringt darauf das StichSpiel, das nunmehr auf den Papst bezogen wird. Wie jeder andere Christ kann auch er in einen Glaubensirrtum fallen, wie der c. Si papa bezeugt und alle Kanonisten und Theologen lehren118. In einem solchen Fall würde er freilich nicht als Haupt der Kirche und Vikar Christi irren, sondern als Einzelperson. Der Apostolische Stuhl bliebe folglich selbst in diesem Fall frei von jeglichem Makel, so daß niemals ein formeller Häretiker den Stuhl Petri innehat. Der Kirche oder dem Konzil obliegt es dann, die Tatsache bekannt zu machen, nachdem der Papst bereits sein Amt ipso facto verloren hat119. Abgesehen von dieser besonderen Situation, die Spina offensichtlich mit einem -
wort Häresie ins
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Hintergedanken gerade in unserem Zusammenhang behandelt, gründet normalerweise die Lehre des Apostolischen Stuhls auf der Leitung des Hl. Geistes, der die Unversehrtheit der Glaubens- und Sittenlehre garantiert. Diese Sicherheit ist jedoch an die Bedingung geknüpft, daß der Papst zuvor das in seinem Vermögen Stehende tut. Das heißt konkret: Er muß sich des Rats der Kardinäle und erfahrener Bischöfe bedienen, ehe er zu einem alle verpflichtenden Urteil schreitet. Spina kann sich für diese Forderung, ohne auf deren ihm gewiß bekannte Vorgeschichte einzugehen, auf einen von vielen Theologen seines Ordens vertretenen Gedanken berufen, wonach dogmatische Entscheidungen solcher Art an die normalen Mittel der Wahrheitsfindung gebunden sind, um Willkür auszuschließen120. siam vocari haereticus, et tamen de facto aliquis talis uno modo fit ex tali assertione haereticus. Stat etiam totam contradictionem ad fidem pertinere, ita quod unam eius partem necesse sit credere, alteram vero falsam; et tamen credens eam, quae vera est, esse falsam aut econtra, alio modo non sit haereticus. AaO. In papam ergo dum et ipse in via est peccatum quodlibet cadere potest. Alias frustra determinaret d. 40 c. Si papa ipsum ob crimen haeresis esse deponendum prout etiam canonistae omnes sine ulla discrepantia notant et determinant ex illo capite. Et idem tenent theologi. AaO, fol 73v. In tali casu erraret qui papa vocates esset non ut papa vel caput ecclesiae vel Christi vicarius, sed ut singularis persona. Neque esset iam verus papa coram Deo, sed extra ecclesiam, licet quod iudicium ecclesiae contingat ad tempus hoc non esse manifestem Ecclesia enim seu concilium suo iudicio non privat haereticum auctoritate sed solum omnibus innotescere facit. Zur Geschichte des papa haereticus im 16. Jahrhundert s. U. Horst, Zwischen Konzlllarlsmus und Reformation 31-54. Th. PrÜGL, Der häretische Papst. J. MlRUS, On the Depositton of the Pope for Heresy. AaO. Dirigiter enim a Spirite Sancto in talibus quae ad fidem spectant et bonos mores, ut non possit quaecumque contra ista docere. Dummodo faciat quod in se est ut a Spiritu dirigater in doctrina fidei et regimine recto omnium christianorum. Quod tune praesertim contingit, quando de consilio fratrum suorum cardinalium et episcoporum peritorum procedit. So schon Sylvester Prierias. Dazu s. U. Horst, Zwischen Konzilla...
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Wer indessen über die Einhaltung der Klausel im Zweifelsfall zu befinden hat, wird von ihm nicht erörtert. Kein Zweifel dürfte indes daran bestehen, warum Spina das Problem einer päpstlichen Häresie und entsprechender Vorkehrungen, sie zu vermeiden oder deren Fehlen kenntlich zu machen, gerade in unserem Zusammenhang behandelt. Päpste sollen an ihre Pflichten erinnert werden, den Konsens der maßgebenden Theologen zu suchen, um Konflikte gar nicht erst aufkommen zu lassen. Gefragt wird ferner, welche Rolle einem Theologen zufällt, der bereits vor der offiziellen Erklärung, daß Häresie vorliegt, weiß, daß der oberste Amtsinhaber kraft seiner falschen Entscheidung als deponiert zu erachten ist. In einem solchen Fall obliegt es ihm, nicht nur den Gehorsam zu verweigern, sondern dem Oberhaupt der Kirche ins Angesicht Widerstand zu leisten, ja er würde selbst formeller Häretiker werden, wenn er die Einsicht gewonnen hat, daß der Papst falsch geurteilt hat und er nichts unternommen hat. Sollte jedoch lediglich der Tatbestand eines Ärgernisses gegeben sein, wäre anders zu verfahren121. Man darf voraussetzen, daß er sich der Risiken einer solchen These in den Jahren der Reformation durchaus bewußt war. Warum hat Spina so ausführlich das Problem des häretischen Papstes und der Pflicht zur Opposition in unserem Kontext erörtert, den die Thomisten sonst gar nicht oder doch wie bei Bandello nur indirekt in Betracht ziehen? Da Grave nimis damals schon Geschichte war und anschließend als Dokument der Vergangenheit gewürdigt und entschärft wird, kann es nur die Sorge sein, ein künftiger Papst werde die opinio nova als Dogma definieren. Für einen solchen Fall möchte er Vorsorge treffen, da er dessen Eintreten zu befürchten scheint. Solche Erwägungen machen es gleichwohl nötig, abermals über die Absicht und Verbindlichkeit von Grave nimis nachzudenken. So wie der Wortlaut liegt, kann die zentrale Aussage der Bulle nicht wahr sein, denn dann würde daraus ein Widerspruch folgen, insofern sie untersagt, die beiden in ihr enthaltenen Aussagen Gegenstand der Predigt zu machen, während doch, wie wir gesehen haben, eine von ihnen als materielle Häresie zu gelten hat. Und weiter: Obschon die Kirche durch den Hl. Geist in ihren Entscheidungen gelenkt wird und deshalb deren -
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rlsmus und
Reformation 129. In der spanischen Dominikanerschule wird seit Franz Vitoria das faceré quod est in se zu einer wichtigen Voraussetzung eines alle verpflichtenden Urteils. Dazu s. U. HORST, Die Lehrautorität, bes. 38-40 und passim. AaO, fol 73r-73v. Unde ante talem ecclesiae declarationem potest, imo teneter is, cui iam darum est ilium esse depositem, non solum ei non parère, sed in facie etiam resistere, quando utilitas publica suaderet et tenendae fidei nécessitas perargeret. Secus propter scandalum non perargente fidei vel publicae utilitatis necessitate. Hi tamen qui clare noverant opinionem illam esse erroneam peccarent et formaliter haeretici essent, si illam non impugnarent von
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Haupt nicht irren kann, ist das Oberhaupt als Privatperson und selbst als doctor in der Möglichkeit, dies zu tun. Sollte nun ein so fehlgeleiteter Papst Dekretalen publizieren, deren Inhalt von der Wahrheit abweicht, so müßten sie pie in einem rechten Sinn interpretiert werden, der sich immer in ihnen finden läßt. Eine Einschränkung ist freilich zu machen: Würde er die „andere Seite" (die der Dominikaner) als häretisch verurteilen, so wäre er durch die Kirche als „abgefallen" zu erklären und die, die ihm folgten, wären Häretiker Berichte über die Intention Sixtos' IV. bei der Abfassung von Grave nimis legen indes eine wohlwollende Deutung nahe. Wie Spina erfahren haben will, habe der Papst selbst Zweifel geäußert und Eiferern, die auf eine Verurteilung drängten, erklärt, er sei auch Vater des Predigerordens. Er habe sich ferner geweigert, gewisse Bücher (Bandello) verbrennen zu lassen. Auch habe er sich unter Hinweis auf „die heiligen Lehrer" nicht zu einer Definition entschließen können. Aus solchen Bedenken folgert Spina, daß Sixtus IV. in der Sache „schwankend" (ambiguus) gewesen ist12 Welches Motiv hatte nun der Papst, dennoch die Bulle zu publizieren? Es sei ihm so Spina um die Sorge gegangen, daß Predigten, in denen die Anhänger der Unbefleckten Empfängnis Häretiker und Todsünder genannt worden seien, Ärgernis beim Volk erregt hätten124. Nicht untersagt wurde hingegen, weiterhin in Wort und Schrift zu behaupten, daß die mit der Bibel und mit wenigstens indirekt gemachten Konzilsaussagen in Widerspruch befindliche Ansicht Häresie ist. Ja, jeder Christ ist dazu verpflichtet, damit der Papst bewegt werde, im Sinne der von den Vätern gelehrten Wahrheit zu entscheiden, um so die Kirche von einem Zwiespalt zu befreien Verboten hat Grave nimis jedoch, .
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C. VI, fol 74r. Respondeter primo quod hoc non potest esse verum quantum praetendunt verba eius. Alias sequereter contradictio quia de utraque praedicationis prohibitionem illam facit. Oportet autem alteram partem contradictionis esse materialiter haereSecundo respondeter quod cum ecclesia regater a Spiritu sancto in suis deticam terminationibus eius caput ut vicarius Christi et ut caput ecclesiae est non potest errare circa fidem et bonos mores, tamen adhuc est in via potest ipse pontifex errare ut singularis persona et etiam ut doctor. Quando tamen ab aliquo taliter errante litterae decretales emanarent et consequenter ut a pontífice quae tamen sensum praeferrent a veritate devium debent pie interpretari secundum aliquem sensum verum qualem semper habent Si enim damnaret alteram opinionem haereticam esset per ecclesiam decisus sedantes essent haeretici. earn quia Ex quibus omnibus apparet pontificem illum super hac contradictione ambiguum C. VIII, fol 75r. C. IX, fol 76r. Nec per illam (decretalem) etiam prohibeter quisque ne possit asserere vel probare verbo vel scripto positionem illam quae sacris litteris et determinationi conciliorum saltem indirecte vel reductive contrariater esse haereticam. Imo quilibet Jesu Christi servus ad hoc ipsum omni studio conari débet ut ex hoc tandem moveater ...
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daß man jemand „unbesonnen" einen Häretiker oder Todsünder nennt, der an der einen oder der anderen Ansicht ohne Hartnäckigkeit festhält. Auch dieser Satz bedarf nach Spina einer Interpretation, um der einhelligen Tradition der Väter und Lehrer gerecht zu werden. Wäre nämlich ,jene Sünde" schlechthin untersagt, so folgte daraus, daß die Väter und Lehrer, die die Erbsündlichkeit Mariens für Häresie gehalten haben, der päpstlichen Exkommunikation verfallen müßten126. Spina ist seiner Sache so sicher, daß er zum Abschluß seiner Argumentation schreibt: Wenn sich heute alle Väter mit ihrer Lehre von der erbsündlichen Empfängnis Mariens auf einem Konzil versammelten, würden sie ohne jeden Zweifel in diesem Sinn entscheiden und jeden Widerspruch als Unglauben deklarieren. Was sind demgegenüber die Lebenden mit ihren dem Wandel unterworfenen
Meinungen127?
Während Cano beiden kontroversen Standpunkten den Boden entziehen und sie inhaltlich für bedeutungslos erklären möchte, hält Spina kompromißlos an der klassischen Doktrin seiner Schule fest. Er bringt jedoch anders als seine Vorgänger und Zeitgenossen einen neuen, historisch mit vielen Assoziationen verbundenen Gedanken in die Diskussion, insofern er die Päpste vor einer Definition der nova opinio mit dem Hinweis warnt, daß diese als Häresie zu betrachten wäre, die ipso facto eine Deposition impliziert. Grave nimis hat diesen Tatbestand nicht erfüllt, weil sich die Bulle in einem weiten Sinn deuten läßt und die zentrale Aussage in sich widersprüchlich ist. Das Dokument hat demnach nur geringe praktische, aber keine dogmatischen Konsequenzen. Der beständige Verweis auf die Väter- und Lehrautorität als das eigentliche Kriterium in unserer Kontroverse zeigt, daß im Grunde sie und nicht der Papst die Instanz ist, die in dieser Sache verbindlich zu entscheiden hat. -
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summus pontifex faceré quod teneter ac veritatem a sanctis patribus praedicatam determinando dissidium de gremio ecclesiae per sententiam diffmitivam auferre. AaO. Sed solum prohibenter omnes per illam extravagantem ne ausu temerario dicant quemcumque esse haereticum vel peccare mortaliter qui hanc vel illam partem sine obstinatione tenuerit Si illud peccatum esset inhibitum sequereter quod omnes sancti et illustres doctores qui tenuerant et publiée docuerant alteram partem esse haereticam si asserendo fecissent ex quo iuste merereter innodari vinculo excommunicationis pa-
paus. C. XIII, fol 77r. Si enim praedetencti et sancti doctores omnes affirmantes beatam virginem in originali conceptam viverent et in concilio congregati hanc veritatem determinarent quis nam eis auderet contradicere nisi manifeste infidelis? Et quanto maioris est auctoritatis doctrina defunctoram quam viventium mutabilitati subiecta Sed solum Christum secundum sacras litteras et ob hoc secundum fidem catholicam immunem ab omni prorsus peccato fuisse doctores omnes qui sanctitate simul et doctrina telserunt incunctanter affirmant et protestanter. ...
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Man darf schließlich annehmen, daß Torquemadas großer Tractatus mit seinem überreichen Arsenal an Argumenten, dessen Edition Spina überwacht hat, ihn in dieser Position bestärkt hat. Anzumerken bleibt, daß sie Paul III. nicht gehindert hat, ihn 1542 zum Magister S. Palatii zu ernennen.
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II.
Kapitel
Die beginnende Umorientierung
1. Johannes
a
Sancto Thoma
Von dem in Alcalá de Henares (Complutum) lehrenden Johannes a St. Thoma (f 1644) haben wir bedeutsame Zeugnisse für die Diskussion der Unbefleckten Empfängnis im Dominikanerorden, die nicht zuletzt durch die besondere Situation einer spanischen Universität charakterisiert ist, in der die Repräsentanten der klassischen Doktrin die Außenseiter waren. So hatte die Universität Alcalá 1617 beschlossen, daß die Lehre von der Immaculata Conceptio als más probable y verdadera zu halten sei Die Überlegungen des Johannes im Cursus Theologicus nehmen ihren Ausgang von der Tatsache, daß Thomas von Aquin in dieser Frage damals Angriffen ausgesetzt war, die seiner Autorität Schaden zufügten. Wegen der Intensität der Auseinandersetzungen sahen sich die Päpste gezwungen, beiden Parteien Schweigen aufzuerlegen, von dem Gregor XV. den Predigerorden in der Bulle Eximii et singulares fructus vom 28. Juli 1622 insofern befreite, als er den Dominikanern gestattete, das Problem in den eigenen Reihen zu erörtern. Kontraversen mit anderen blieben jedoch nach wie vor untersagt Auf dieses Dokument sei, um den damals in Rom herrschenden Standpunkt zu illustrieren, kurz eingegangen. Der Papst verweist zunächst auf Verlautbarungen Pauls V., seines Vorgängers: Die Diskussion der Immaculataproblematik in den Schulen ist frei, wofern keine der beiden Thesen als häretisch oder irrig bezeichnet wird, dann aber wird verfügt, daß niemand in öffentlichen Predigten und Vorlesungen behaupten darf, daß auch Maria in der Erbsünde empfangen worden sei. .
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1
Zu Leben und Werk s. Art.: Johannes a St. Thoma, in: LexThom 293-302 (J. STÖHR). Art.: Johannes a St. Thoma, in: LMK 3, 414-416 (R. Schenk). U. Horst, Die Diskussion 58-64; ders., Die Lehrautorität des Papstes 168-172 (päpstliche Lehrautorität). P. GOMES, Joâo de Santo Tomás 34-38 (Werke). Für die damalige Situation in Alcalá ist anzumerken, daß die Theologische Fakultät am 23. August 1617 der Bitte des Königs entsprach, sich zur Immakulatafrage zu äußern. Man beschloß einstimmig, daß die Universität immer gelehrt habe, Maria sei ohne Erbsünde empfangen worden. Man halte diese sentencia por más probable y por verdadera. Text bei F. Marcos Rodríguez, La Universidad de Salamanca 590f. S. auch O. GÓMEZ, Juramentos concepcionlstas. S. auch J. Barrientos García, El maestro Pedro de Herrera 188f. 2 Ed. cit., Disp. 2, a. II, 265-274. Über Leben und Werke I-XXIV. Hier nr. 1, 265f. Text der Bulle: Bullarium Ordinis Praedicatorum, ed. cit., t. VI, 13f. -
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Paul V. betonte
sei3.
allerdings formelhaft, daß damit keine Vorentscheidung getroffen
Da indes die Kontroversen nicht aufhörten, sah sich Gregor XV. zu rigorosen Maßnahmen genötigt. Nunmehr wurden sämtliche Kolloquien, Predigten und Schriften selbst privaten Charakters verboten, die die erbsündliche Empfängnis Mariens zum Gegenstand hatten. Die Streitfrage sollte der Diskussion, welcher Art sie sein mochte, entzogen werden4. Versichert wird wiederum, daß diese Maßnahme kein Präjudiz und kein Urteil in der Sache impliziere. Der bisher erreichte Diskussionsstand sollte nicht überschritten werden. Außerdem ordnete der Papst an, daß fortan überall und in allen Gemeinschaften das Fest der Empfängnis zu feiern sei und nicht das der Heiligung Offenbar war der Einfluß des Dominikanerordens und seiner führenden Theologen noch so groß, daß der Papst von sich aus (motu proprio) zu einer Konzession bereit war. Er gewährte darum den Predigerbrüdern die Erlaubnis, in Kolloquien und Konferenzen untereinander, aber nicht mit anderen das mariologische Problem zu erörtern Das Zugeständnis bewegte sich also in einem sehr engen Rahmen, der jedwede Öffentlichkeit, insbesondere Publikationen und Predigten, ausschloß. Die Richtung, die das Lehramt künftig einzuschlagen gedachte, war un.
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mißverständlich vorgezeichnet.
Ed. cit. 13. Schon Pius V. hatte 1570 versucht, die Diskussion unter Verweis auf Sixtus IV. in ruhigere Bahnen zu lenken. Bullarium Romanum, ed. cit., t. VII, CLXXVII, § 3, 874. Ceterum, quamdiu per apostolicam Sedem altera pars definita non fuerit oppositaque sententia condemnata, liceat viris doctis in publicis academiae disputationibus sive generalium aut provincialium capitulorum vel ubi alias intersunt, qui rem capere possunt, nec scandali ulla subest occasio, de illa quaestione disserere, et argumentis utramlibet partem vel asserere vel impugnare, dum tamen neutra veluti errónea praedicetur, serventurque illa omnia, quae a dicto Sixto praedecessore nostro statuta sunt. Paul V. hat diese Anordnung durch schärfere Strafen bekräftigt. Ed. cit., t. VII, CCLXXXI, 356-359 (6. Juli 1616). Vgl. R. Laurentin, L'action du Saint-Siège 69f. Ed. cit. 13... ampliavimus etiam ad privata colloquia et scripta, mandantes et praecipientes omnibus ne de cetero, donec articulus hujusmodi a Sede Apostólica diffinitus neque etiam in sermonibus et scriptis privatis audeant asserere, quod eadem B. Virgo fuerit concepta in peccato originali, nec de hac opinione affirmativa aliquo modo agere ...
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seu 5
tractare...
Ed. cit. 13f... ut in sacrosancto Missae sacrificio ac divino officio celebrandis, tam publiée quam privatim non alio quam Conceptionis nomine uti debeant. Ed. cit. 14 ut de cetero in quibuscumque privatis eorum colloquiis seu conferentiis inter se dumtaxat et non inter alios aut cum aliis de materia ejusdem Conceptionis B. Mariae Virginis disserere et tractare libere et licite possint... ...
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Auf Grund dieser Konzession sieht sich Johannes a St. Thoma berechtigt, die Meinung des Aquinaten in seinem Summenkommentar darzulegen. Zunächst vermerkt er, daß die Kirche bisher nichts entschieden habe. Weder Sixtus IV. noch das jeglicher Autorität entbehrende Basler Konzil hätten dies getan. Gerühmt wird die Umsicht, mit der Gregor XV. die Bitte Philipps IV. von Spanien, eine Definition vorzunehmen, abgelehnt hat. Die Größe der Angelegenheit, das Beispiel der Vorgänger und die Pflicht, auf die Stimme des Hl. Geistes zu hören, hätten ihn veranlaßt, einstweilen keine Entscheidung zu fallen. Auch in einem Schreiben vom 4. Juli 1622 an die Tante des Königs, die Infantin Margarete a Cruce, Nonne in Madrid, habe er versichert, daß die Stunde einer dogmatischen Festlegung noch nicht gekommen sei Die Worte des Papstes möchte sich auch Johannes a St. Thoma zum Vorbild nehmen, um nüchtern und vorsichtig die Lehre des hl. Thomas zu erläutern, zumal dieser selbst nur das vertreten wollte, was Daß der zuletzt geäußerte Gedanke indes dem Sinn der Kirche damals Folgen für die jeweilige Gegenwart hat, deutet sich bereits hier an. Wie hat nun Thomas argumentiert? Zunächst gilt die Beobachtung, daß er in Bezug auf die Allgemeinheit der Erbsünde unter Absehung von einem Privileg anders spricht, als wenn er über die Preservation Mariens im Besonderen handelt. Im ersten Fall fügt er, um die Universalität zu betonen, eine Zensur an, im zweiten hingegen nicht9. Ferner ist festzustellen, daß er die Frage, ob sich Maria die Erbsünde zugezogen hat, nie direkt stellt, sondern nur untersucht, ob sie vor der Beseelung geheiligt worden ist. Es ging ihm also vornehmlich um den Vorgang und die Prinzipien, d.h. um Seele und Fleisch vor der Beseelung, aus denen die Person entstanden ist, und darum, ob von dem Vorgang ein Privileg, das Fehlen einer rechtlichen Haftbarkeit (debitum), auszuschließen ist. Die Existenz einer Haftbarkeit ist demnach der Schlüssel zum rechten Verständnis des Problems. In Hinsicht auf die empfangene Person (persona concepta) hat sich hingegen ThoEr hat zwar wie Augustinus gegen mas keine besonderen Gedanken .
entsprach8.
gemacht10.
7
Ed. cit., nr. 3, 266f. Ed. cit., nr. 5, 267. Hanc modestiam plane secutes est Divus Thomas, et hanc nos docuit; et ita in hac parte sensit, ut semper locum dederit illi sensui qui modo ab Eclesia admittiter, nec illi umquam contradixit. Nr. 6, 268 in hac re divina providentia temperavit, ne in particulari aliquid scriberet, quod praesenti Ecclesiae statte et sensui quem habet circa virgineum conceptem, contradicere posset. Nr. 7, 268... ubi autem in singulari agit D. Thomas de ipsa B. V. an sit excepta a pecca...
9
to 10
originali, nusquam censuram aliquam apposuit.
non fuit sollicites D. Thomas quaerere de persona, an fuerit praeservatione sed de actione, et de principiis ex quibus generata est persona, scilicet anima vel came ante animationem, an ex vi sua induxerint sanctitatem in persona; et curae teit ipsi excludere ab actione privilegium, et carentiam debiti contrahendi peccatum:
Nr. 7, 268
...
privilegiata:
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Pelagius die Universalität der Erbsünde kraft eines Gesetzes betont, doch schließt die Tatsache, daß alle Menschen unter dieses Gesetz fallen, nicht aus, daß jemand auf Grund eines Privilegs von ihr befreit werden kann. Die Annahme eines Privilegs fordert geradezu die Existenz von Ausnahmen11. Insbesondere folgt aus der so gedeuteten Universalität der Erbsünde kein Präjudiz für die Ansicht, Maria sei kraft eines Privilegs vor der Sünde vorherbewahrt worden12. Neben der Möglichkeit einer Bewahrung ex privilegio, mit der gegen die thomistische Tradition gerechnet wird, hat man sich nach Johannes a St. Thoma vor Augen zu halten, daß der Aquinate alle Weisen bedacht hat, in denen die Heiligung Mariens geschehen konnte. Zum normalen, für alle geltenden Weg tritt die Preservation entweder durch eine Gnade vor der Beseelung oder durch eine der Seele gewährte Gnade, die die Materie des Samens oder den Embryo reinigt. Thomas war nun bei seinen Überlegungen nicht so sehr bemüht, die Preservation der Person Mariens im Augenblick ihrer Hervorbringung auszuschließen. Ihm ging es vielmehr darum, die Preservation des Fleisches oder der Seele zu bestreiten, so als würde kraft der Zeugung die Person heilig werden, wobei Maria in sich nicht der erlösenden Gnade bedürfte und auch nicht das debitum incurrendi hätte13. Den Aquinaten beschäftigte diesen Gedanken zufolge vornehmlich die Frage, ob Maria vor der Beseelung geheiligt worden ist, während es ihn nicht sonderlich interessierte, ob sich die Person, die der Art ihrer Empfängnis entsprechend das debitum incurrendi peccatum hatte, tatsächlich nicht die Erbsünde zugezogen hat. Beiden Ansichten gab er so ihren Platz in der Kirche, der allein die Entscheidung über das Faktum zusteht14. haec enim carentia ex ipsa actionis generativae sanctitate, seu privilegio, sequebatur. De persona vero concepta, an fuerit privilegiata, non obstante actione ipsa seu activa conceptione quae de se in peccatum ruebat, D. Thomas non multum tractavit... Nr. 11, 269 alioquin privilegium non esset, si ab universalitate legis non exciperet... Nr. 12, 270. Quare ex illa universali propositione D. Thomae et ejus censura, quae solum respicit id quod ex vi legis ordinariae comprehenditur, nullum praejudicium nec censura résultat in earn opinionem, quae ex privilegio concedit B. Virgini praeservationem a peccato, non ex vi legis. Nr. 13, 270. Fuit autem sollicitus D. Thomas excludere non tam ipsam praeservationem personae Virginis in instanti reali suae productionis, quam praeservationem camis vel animae: ita quod ex vi conceptionis activae, seu generationis, redderetur sancta illa persona: in se autem, in quantum persona singularis et producía, non eguisset gratia liberationis, nec debitum haberet incurrendi: sed tota gratia fieret vel parentibus, vel actioni seu principiis ipsis unde persona illa resultare debebat, id est, carni vel animae ante animationem. AaO. Hoc fuit intentum D. Thomae et ideo semper inquisivit, an fuerit ante animationem sanctificata. Quod vero ipsa persona jam producía, quae ex vi et modo suae con...
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später zu würdigenden Brief an den Ordensgeneral wird Johannes a St. Thoma seine Interpretation des Aquinaten präzisieren, aber schon jetzt dürfte klar sein, daß das Ziel der Argumente in dem Nachweis liegt, daß dieser einer „neutralen" Position zuneigte und die Entscheidung dem definitiven Urteil der Kirche anheimstellte. Die Kontroverse um Thomas und die Unbefleckte Empfängnis wäre dann entschärft. Auf diese mittlere Linie kam es damals an, um eine Umorientierung in der Haltung des Dominikanerordens einzuleiten, ohne die Autorität des Schulhauptes zu mindern. Daß Maria, wie immer man ihre Empfängnis deutet, nicht außerhalb der erlösungsbedürftigen Menschheit steht, ist nach Johannes a St. Thoma durch die Tatsache gewährleistet, daß sie sich wie alle anderen die rechtliche Haftbarkeit, das debitum, zugezogen hat15. Unserem Magister zufolge hat auch der Aquinate das ganze Gewicht seiner Argumentation auf diesen Punkt gelegt und deshalb beiden Meinungen ihren Platz in der theologischen Auseinandersetzung über die Faktizität der Immaculata Conceptio gelassen16. Diese abwägende Haltung des hl. Thomas bestätigt sich in dessen Stellungnahme hinsichtlich der Frage nach der Feier des Festes der Empfängnis. Sie illustriert in eindrücklicher Weise seine Treue zur römischen Kirche. Wenn sie damals die Feier der Empfängnis in einigen Kirchen lediglich tolerierte, wie konnte dann Thomas jener Meinung zuneigen? In der quaestio de facto sah er sich seinen Prinzipien zufolge an die Haltung Roms gebunden. Um allerdings auch der von einer Minorität der Kirchen praktizierten und von Rom geduldeten Festfeier „Raum zu geben", war er überzeugt, sie dürfe nicht „gänzlich" verworfen werden17. Die Verehrung für die römische Kirche, die für Thomas und später für In seinem
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ceptionis habebat debitum incurrendi, de facto non incurrerit peccatum, D. Thomas non teit multem sollicites: sed utrique sententiae dedit locum Ecclesiae, ad quam solum pertinet judicare hanc quaestionem de facto. Nr. 14, 271. Oportet autem poneré quod quilibet personaliter redemptione Christi indinon solum ratione naturae: liberari autem a malo, vel a debito absolví non potest, nisi qui debitum incurrit... Nr. 16, 272. Conformât se D. Thomas sensui Ecclesiae. Nr. 17, 272. Hoc puncto stabilito, quod praecipue teit curae Divo Thomae et in quod totem pondus rationis suae libravit, scilicet quia alias non indigeret redemptione in sua persona, si debitum saltern non haberet... de reliquo an scilicet habendo debitum in sua persona, de facto non contraxit culpam, sed praeservata fiierit B. Virgo in instanti reali suae animationis: utrique opinioni locum dedit Div. Thomas, quia erat quaestio de facto. AaO 272f. Si ergo Ecclesia hoc tune considerabat et sentiebat, quomodo poterat doctor sanctus non magis inclinare in hanc partem? tem quia sic sentiebat tune Romana Ecclesia cujus sensum debebat S. doctor defenderé: tem in determinando quaestionem de facto, qualis ista erat, oportebat expectare judicium Ecclesiae, et non rationum humanarum
geat,
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seine Schule charakteristisch ist, hat naturgemäß Konsequenzen für alle Epochen, in denen sich das gleiche oder ein ähnliches Problem stellt. Wenn „heute", so schließt Johannes a St. Thoma, die Kirche das Fest der Empfängnis nicht nur toleriert, sondern vorschreibt, dann ist klar, welche Konklusion der Aquinate daraus ziehen würde Diese neue Sicht der Dinge, die seit Sixtus IV. Gestalt angenommen hat, brauchen die Thomisten demnach im Grunde nicht zu fürchten. Entscheidend bleibt freilich der Nachweis, daß Maria dem debitum unterliegt, während die quaestio de facto in den Augen des hl. Thomas kein sonderliches Gewicht hatte. Er konnte die Antwort dem Urteil der Kirche überlassen, die im Verlauf der Zeiten zu immer tieferen Einsichten gelangt. Wer sich wie er im Gleichklang mit der römischen Kirche weiß, wird solchen Lehrentwicklungen zustimmen. Es besteht kein Zweifel daran, daß Johannes a St. Thoma mit seiner Interpretation des Aquinaten den Streit zwischen den Schulen entschärfen und zugleich die Autorität des Ordenslehrers auf eine neue Basis stellen wollte, so daß die gegen ihn vorgetragenen Angriffe ins Leere gingen. Wie Campanella und andere vor ihm wußte er, daß die Animositäten gegen die Dominikaner im Wachsen begriffen waren und daß von Seiten der Päpste in dieser Hinsicht Wohlwollen auf lange Sicht nicht zu erwarten war. Daß unter diesen Umständen der erste Adressat solcher den bisherigen offiziellen Standpunkt modifizierenden Überlegungen der eigene Orden war, dürfte sicher sein. Hat unser Autor sein Ziel erreicht? Das war nicht der Fall. Seine Interpretation des Aquinaten fand vielmehr das Mißfallen des Generalmagisters Nicolaus Ridolfi (1629-1644), das er in einem nicht erhaltenen Schreiben zum Ausdruck brachBekannt ist uns indes die in ihm getroffene Anordnung, Johannes a St. Thote ma möge die Kommentierung der Summa Theologiae fortsetzen, aber veranlassen, daß die Äußerungen zur Unbefleckten Empfängnis im defensorium divi Thomae in den noch nicht verkauften Exemplaren getilgt würden. Dasselbe sollte .
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ponderibus duci Noluit ergo in quaestione de facto D. Thomas aliud sequi quam id quod judicabat et sentiebat tune Ecclesia Romana, in cujus auctoritate debent fidèles conquiescere. Um auf die andere tolerierte Möglichkeit hinzuweisen, zitiert er S Th III ...
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27, 2 ad 3.
AaO 273. Pro illo ergo tempore sie censuit D. Thomas sicut Ecclesia Romana sentiebat, pro isto vero sentiret id quod illa sentit, et eo modo quo sentit: in his enim quaestionibus de facto, juxta diversa témpora variatur judicium et crescit rerum notitia paulatim. Dazu vgl. B. Reiser, Ein beachtenswerter Brief.
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für eine weitere Auflage gelten Der Befehl zeigt mit wünschenswerter Deutlichkeit, daß der Orden weder einen Kurswechsel noch eine Modifizierung der bisherigen Position zu akzeptieren bereit war. In der Antwort erfahren wir zunächst, was Johannes a St. Thoma konkret vorgeworfen wurde. Er habe zu sagen gewagt, daß die Kirche jetzt die „fromme Meinung" favorisiere und wie er das begründen wolle, da doch das Lehramt in seinen Dekreten bekenne, es möchte „unserer Lehre" kein Präjudiz zufügen, sondern sie so wie bisher belassen21. Diesen Vorhaltungen gegenüber beteuert der so getadelte Magister, er habe nirgendwo behauptet, daß die Kirche die „fromme Meinung" begünstige, wohl aber geschrieben, daß sie das in Bezug auf das Fest der Empfängnis tue. Die in seinen Augen unzutreffende Behauptung des Generalmagisters gibt ihm Gelegenheit, die Zensoren in Rom zu ersuchen, Bücher sorgfältiger zu lesen, da er seine Worte in dieser schwierigen Materie mit Bedacht gewählt habe. Daß sich die Kirche bisher zurückhaltend geäußert hat, sieht er durch die Tatsache bestätigt, daß Gregor XV., als er dem Orden das Fest der Empfängnis vorschrieb, am bisherigen Standpunkt des Ordens und an der traditionellen Deutung des Aquinaten nichts geändert hat. Er fährt dann aber fort: Obschon die Kirche „unsere Lehre" gelten läßt, besteht doch kein Zweifel daran, daß die so klar geförderte Feier der Empfängnis der „frommen Meinung" das eigentliche Fundament gibt, wodurch sie erst zu einer opinio probabilis avancierte. Das heißt: Vor Sixtus IV. hat sie „kaum" eine Wie sehr die späteren Stellungnahmen für sie sprechen, zeigt Grundlage nicht zuletzt der Umstand, daß die Dekrete eigens versichern, die ihr entgegengesetzte Ansicht nicht präjudizieren zu wollen. Nach Johannes de St. Thoma ist also nicht zweifelhaft, daß die „fromme Meinung" nach Einführung des Festes der Empfängnis eine größere Probabilität hat, als dies vorher der Fall gewesen war, denn nunmehr kann man nicht mehr bestreiten, daß sie theologisch gerechtfertigt ist23. Zwischen der Feier des Festes und der Wahrheit des Glaubens an die Unbe.
gehabt22.
Ed. cit. 398f. Die wenigen noch vorhandenen Exemplare des ersten Bandes lassen darauf schließen, daß er bald aus dem Verkehr gezogen wurde. Ed. cit. 399f... Ecclesia nullum praeiudicium sententiae nostrae velle inferre, sed eandem relinquit in eo state quo ante erat. Ed. cit. 400 ac per hoc (Einführung des Festes) ex consequenti posuit Ecclesia totem fiindamentem quod habet opinio pia illamque ad statem opinionis probabilis evexit, vix illa opinio fiindamentem haberet. Per hoc ergo mulcum ante témpora Sixti IV tem illi favit Ecclesia, imo totem esse opinionis illi dedit. Ed. cit. 401. Ex consequenti tamen illa opinio pia traxit inde maiorem probabilitatem ...
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quam antea habebat, quia antea poterat dubitari an posset talis opinio sustineri, cum ab Ecclesia Romana non celebrareter illud festem, et modo dubitari non potest quod talis opinio sustineri potest...
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fleckte Empfängnis besteht allerdings, so wird einschränkend versichert, kein notwendiger Zusammenhang. Sollte der Papst jedoch diese Verbindung jetzt herstellen, wäre gleichzeitig die traditionelle Sicht der Thomisten „unterdrückt und ausgelöscht" Daß diese Deutung einer Gratwanderung gleichkommt, ver.
steht sich. Was die spekulativen Argumente angeht, habe er, Johannes a St. Thoma, auf zwei Punkte großen Wert gelegt. Er habe erstens zeigen wollen, daß die Maria heiligende Gnade ihrer Person gegolten habe und nicht der Seele, dem Fleisch, dem Samen oder den Eltern. Darum sei es dem Aquinaten im Kern gegangen und nicht so sehr um die Frage, ob sie sich die Erbsünde zugezogen habe oder nicht. Auch müsse das debitum contrahendi gewahrt bleiben, doch reichten die genannten Gründe nicht aus, um eine tatsächliche Preservation zu erweisen25. In Hinsicht auf die Tatsächlichkeit der Erbsünde gibt er vor allem zu bedenken, daß sich Thomas damals den Standpunkt der römischen Kirche zu eigen gemacht habe, ohne der „anderen Meinung" ihren Platz streitig zu machen. Er wie auch der Orden hätten nichts anderes beabsichtigt, als sich der Lehre der römischen Kirche Die Anwendung dieses von Thomas selbst praktizierten Prinzips auf die gegenwärtige Situation ergibt sich von selbst. Da die römische Kirche jetzt nicht nur wie seinerzeit das Fest duldet, sondern positiv vorschreibt, würden auch seine Ansichten einem solchen Positionswechsel korrespondieren. Nach Johannes a St. Thoma heißt das freilich nicht, daß sich der Aquinate in der Wahrheitsfrage anders entschiede er würde das seiner Meinung nach Richtige halten wohl aber gewährte er der pia opinio einen „größeren Raum", da die Kirche dies gestattet27. Daraus ergibt sich folgender Schluß: Wenn die Kirche ihre Meinung ändert, so folgt ihr darin auch Thomas kraft des von ihm strikt beobachteten Grundsatzes, sich stets Rom anzugleichen. Das will sagen: Der Aquinate würde
anzugleichen26.
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Ed. cit. 401. Et modo si Papa declarasset fuisse institutum propter illam sententiam et in favorem veritatis totaliter deprimeret et extingueret oppositam. Ed. cit. 402. Et ipsae rationes D. Thomae ad hoc totum pondus habent, ut ostendant quod si ante animationem sanctificaretur non egeret redemptione, quae rationes non concludunt non fuisse praeservatam defacto, sed non fuisse hanc gratiam et beneficium factum ipsi carni aut animae, ita ut debitum contrahendi non incurreret. Ed. cit. 405. 2° quoad quaestionem de facto, adhaesisse Eclesiae Romanae quae tune opinione illa ducebatur. Dédisse autem locum alteri opinioni quantum tune dabat Ecclesia Romana. 3° Quod in hac quaestione de facto non amplius intendit S. Thomas nec ordo noster quam adhaerere sensui Ecclesiae Romanae et conformait illi. Ed. cit. 405 nunc quando Ecclesia Romana non solum tolérât sed positive praecipit festum celebari, vice versa de his sententiis censeret D. Thomas. Non quidem quoad ipsam determinationem veritatis, de hoc enim teneret quod vellet, cum Ecclesia permittat, sed in dando locum his opinionibus ...
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jetzt denken, was die Kirche denkt, und dies so, wie es die Kirche tut, also ohne die andere Sicht der Dinge zu präjudizieren Der Nachsatz erlaubt es ihm, die traditionelle Lehre nach wie vor zu halten, da dies von den Päpsten ausdrücklich .
konzediert wird. Nach Argumenten, die die Autorität der Kirche betonen, neue Akzente in Doktrin und Liturgie zu setzen, richtet sich Johannes a St. Thoma direkt an den Ordensgeneral und fragt ihn, ob die gegen ihn gerichtete Anklage zutreffe, er habe die Lehre des Aquinaten in verwirrender Weise dargestellt, wenn er sage, dieser würde jetzt für richtig halten, was die römische Kirche für richtig erachtet, und er würde es so tun, wie diese es tut? Das Problem, vor dem der Orden und insbesondere die Ordensleitung damals stand, ist geschickt und präzise formuliert. Der Grundsatz zeigt, mit welchen ekklesiologischen Schwierigkeiten man über kurz oder lang konfrontiert werden würde, beharrten die Dominikaner auf ihrer traditionellen Position. Mußten indes nicht andererseits die eigenen Argumente Johannes a St. Thoma in Verlegenheit bringen und ihm den Vorwurf eintragen, er behaupte, Thomas würde, lebte er jetzt, die „fromme Meinung" vertreten? Einen solchen Schluß weist er allerdings entschieden zurück. Er sage lediglich, daß der Aquinate ihr heute auf Grund einer positiven Stellungnahme der Kirche einen „größeren Raum" geben würde als einst Der Summenkommentar des Johannes a St. Thoma und sein Schreiben an den Ordensgeneral sind bedeutende Dokumente für den Stand der Immaculatadiskussion unter den Thomisten in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Sie bestätigen den auch anderswo gewonnenen Eindruck, daß die Dominikaner als die einzige Schule, die sich bisher die pia opinio nicht zu eigen gemacht hatte, in ein Dilemma geraten waren, aus dem sie sich nicht befreien konnten. Einerseits fühlten sie sich verpflichtet, die Treue zu Thomas zu wahren, sahen aber andererseits, daß die Päpste konsequent in der Liturgie den Glauben an die Unbefleckte Empfängnis favorisierten, so daß eine Dogmatisierung zusehends wahrscheinlicher wurde, die dann eine Desavouierung des Aquinaten in einer seit Jahrhunderten für zentral gehaltenen Frage mit sich gebracht hätte. Johannes a St. Thoma hat in Alcalá, .
Ed. cit. 406. Si aliter determinet nunc, mutabit Ecclesia opinionem suam: mutabit et D. Thomas in vi suae doctrinae. 5° et postremo concludo, quod D. Thomas tenuit tune id quod Romana Ecclesia sentiebat; et nunc sentiret id quod ipsa sentit et eo modo quo sentit.Qui dicit „eo modo" est sine praeiudicio alterius. Ed. cit. 406. 6° Tandem sugillor me significare quod S. Thomas si esset in hoc tempore, sequeretur piam opinionem. Nihil tale dico, sed quod in dando locum illis sententiis versa vice censeret, quia tune dabat locum opinioni piae solum ut toleraret in feste illo celebrando. Nunc amplius daret tanquam positive ab Ecclesia sit praeeeptem ut celebremus illud, non solum celebrationem aliarum Ecclesiamm tolerando.
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Hochburg der Immakulisten, deutlicher als andere die Entwicklung vorausgesehen und erkannt, daß ein kompromißloses Beharren auf der traditionellen Ordensdoktrin fatale Folgen haben mußte, denen er beizeiten die Spitze nehmen wollte. Die scharfe Reaktion der Ordensleitung zeigt freilich, daß man in Rom nicht gewillt war, den bisherigen Kurs zu korrigieren. einer
2. Tommaso
Campanella
Eine für den Verfasser, für die Lage des Dominikanerordens und für die Diskussion unter gewissen Thomisten, die die immer einflußreicher werdende immakulistische Tendenz realistisch einschätzten, typische Abhandlung ist der Apologeticus Tommaso Campanellas, den er während seiner Kerkerhaft in Neapel 1625/26 verfaßt hat Über die mit dem Werk verfolgten Absichten äußert er sich in seinem an Kardinal Gabriel de Trejo y Paniagua adressierten Vorwort. Dieser hatte sich als Gesandter Philipps IV. von Spanien bei Paul V. für die Definition der Unbefleckten Empfängnis einsetzen sollen31. Campanella wußte also, wie man sich den Monarchen und dessen Botschafter geneigt machen konnte. Ihnen war nur zu gut bekannt, daß ein wichtiges Hindernis, das der Erfüllung ihres Plans entgegenstand, die Opposition des Predigerordens war, der trotz seiner geschwächten Position immer noch großes Ansehen in römischen Kreisen genoß. Eigens erwähnt wird femer das Drängen der Mendozafamilie, die die Hoheit über das Castel Nuovo hatte, in dem der Dominikaner einsaß. Es waren also wohl auch taktische Motive, die Campanella veranlaßt haben, ein originelles und lebhaftes Plädoyer für die „fromme Ansicht" zu halten, doch braucht deshalb an seiner persönlichen Überzeugung nicht gezweifelt zu werden. In der Tat: Wenn es gelang, die Thomisten mit den Theologen anderer Schulen und mit der Frömmigkeit des Volkes zu versöhnen, schien einer Dogmatisierung, wie sie die spanischen Könige wünschten, nichts mehr im Wege zu stehen. Man mußte lediglich einen Mittelweg finden, der es insbesondere den Thomisten ermöglichte, die Autorität des Aquinaten zu wahren und die bisherige Opposition über die Jahrhunderte in einem neuen Licht zu sehen und so verständlich zu machen. Der Apologeticus beginnt mit der Feststellung, daß derzeit gegen den Dominikanerorden eine Kampagne geführt wird, in der man ihm vorwirft, in der mariologischen Kontroverse Uneinsichtigkeit zu zeigen, die eine Schmälerung der Ehre .
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Einleitung und Edition von C. FlRPO, II „De Conceptione Virginis" di Tommaso Campanella. QE II 505-521. Art.: Campanella, Tommaso, in: DBI 17, 372-401 (C. FlRPO). Art.: Campanella, Thomas, in: LMK 1, 643-645 (R. Schenk). Zu den vorausgehenden Bemühungen Philipps III. s. J.M. Pou Y Martí, Embajadas de Felipe III. S. auch O. GÓMEZ, Juramentos concepcionistas: Über Salamanca 920-955. 128
Mariens einschließt. Demgegenüber möchte Campanella in einem ersten Schritt darlegen, daß Thomas nach wie vor alle Scholastiker überragt und daß die Prediger über sämtlichen Orden stehen und auch im Streit um die Unbefleckte Empfängnis den Primat innehaben Wie ist dieser herausfordernde Anspruch zu beweisen? Zunächst haben die vier klasssischen Mendikantenorden den Vorrang vor den vielen Neugründungen wie etwa Jesuiten, Barnabiten, Somaskern, die ihre Theologie von den alten Gemeinschaften übernommen haben. Aus diesem Grund rühmen sich auch die Jesuiten, die gern als coriphei gelten möchten, Schüler des hl. Thomas zu sein. Zwar haben auch sie Kommentare zur Summa Theologiae verfaßt, doch reichen diese nicht an das Niveau derer heran, die wir von Cajetan haben. Den jüngst entstandenen Orden fehlt neben den Theologen, die die Mendikanten hervorgebracht haben, die gemeinsame Liturgie, das Chorgebet. Die Dominikaner dürfen schließlich darauf hinweisen, daß sie den Magister Sacri Palatii und die Kommissare der hl. Inquisition stellen sowie die Beichtväter und Berater der Katholischen Könige. Campanella beendet seinen Vergleich mit einem Seitenhieb auf die als Knabenerzieher anerkannten Jesuiten: Sie verhalten sich zu den fratres wie die Pädagogen zu den großen Lehrern33. Hatte zunächst das Lob allen Mendikanten gegolten, so wird nunmehr der Platz bestimmt, den sie untereinander einnehmen. An der Spitze stehen Franziskaner und Dominikaner aufgrund ihrer Gelehrsamkeit und der Tatsache, daß sie zwei alle überragende Theologen, Thomas und Bonaventura, in ihren Reihen zählen, mit denen sich weder Aegidius Romanus noch Johannes Baconthorpe messen können34. Interessanter und für unsere Frage kennzeichnender ist die Frage, wie sich Minoriten und Prediger zueinander verhalten. Campanella findet eine erste Antwort in der Selbstbezeichnung der Franziskaner als Minoriten. Sie nennen sich so nicht aus Demut, sondern weil das im Blick auf die Dominikaner der Wahrheit entspricht. Sie sind tatsächlich minores, wie schon der Umstand zeigt, daß Dominicus ein doctor aus edlem Hause war, während Franciscus nur als Sohn eines Kaufmanns geboren wurde. Erst im „mittleren Alter" entwickelte er sich zu einem Heiligen. Auch war er in den spekulativen Wissenschaften ungebildet (idiota), doch weise „im Geschmack göttlicher Dinge" 5. Ein uns bekanntes, hier leicht abgewandeltes Argument ist nach Campanella der Umstand, daß alle durch die Kirche kanonisierten Heiligen berühmte Magistri der Theologie waren, während dies bei den Franziskanern nur für Bonaventura, Antonius und .
Prooemium, ed. cit. 197f. C. II, ed. cit. 198f. C. III, ed. cit. 199f. C. IV, ed. cit. 200. Etenim Minores dicti sunt isti non ob humilitatem modo: nulla enim humilitas est mendax, sed ob veritatem in respecte ad Praedicatores ...
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Siena zutrifft, die freilich, verglichen mit dem Aquinaten, von geringerem theologischem Rang sind. Schließlich gibt er zu bedenken, daß der nichtkanonisierte Scotus und nicht der hl. Bonaventura eine Schule begründet Bernhardin
von
hat36. Das
forciert vorgetragene Lob des eigenen Ordens verdeckt die von vielen Mitgliedern als belastend empfundene Isolierung, in die er namentlich in Spanien und in Italien geraten war. Ihnen wurde im Verlauf der Diskussion im 17. Jahrhundert klar, daß sie sich aus ihr nur durch eine Neuinterpretation der Thesen des Aquinaten befreien konnten, wollten sie auf längere Sicht keinen allzu großen Verlust des Ansehens riskieren. Daß das nicht einfach war, wußte Campanella, der, um dieses Ziel zu erreichen, seine ganze dialektische Kunst und seine außerordentlichen Kenntnisse der Literatur er hatte, wie er selbst sagt, keine Bücher im Gefängnis zur Verfügung aufbieten mußte. Er bestritt nicht, wie das andere taten, daß die Werke des hl. Thomas eindeutige makulistische Texte enthalten37. Dieser Sachverhalt stellt jedoch nicht das letzte Wort dar, ja es gibt Erklärungen, die die vermeintlich gesicherte Lehre in einem neuen Licht erscheinen lassen. Ein erster Schritt ist historischer Art. Im Gegensatz zu der landläufigen und mit Stolz vorgetragenen Meinung der Franziskaner ist das mariologische Geheimnis, um das es hier geht, nicht in der Schule der Minoriten entfaltet und begründet worden, sondern „eher" in der der Dominikaner 8. Mit dieser Behauptung leitet Campanella seinen Gegenangriff ein. Wie der Brief des hl. Bernhard an die Lyoner Kanoniker zeige, beriefen sich die Empfänger auf das Fest der Empfängnis, das ein englischer Bischof eingeführt habe. Die frühen Franziskaner mit Bonaventura an der Spitze hätten sich zudem über eine lange Zeit die Kritik des großen Zisterziensers zu eigen gemacht und die makulistische These vertreten. Selbst Duns Scotus habe sie nur „mit Zögern" (haesitanter) und „bedingungsweise" (conditiso
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onaliter) gelehrt39. (summarischen) Vorgeschichte ist ein erster Schluß zu ziehen. Thomas braucht für seine Lehre keine Entschuldigung. Da er ebenso demütig wie klug war, sah er sich außerstande, die Vätertradition zu verurteilen, ja er fühlte Aus dieser
C.V, ed. cit. 200-204. C. VII, ed. cit. 205-207. Igitur, si Thomistae conceptionem immaculatam negant, habent in divo Thoma excusationem, quam vulgus theologastrorum negat... C. VIII, ed. cit. 207. Doctrinam de conceptione beatae Virginis sine peccato originali non ortam esse a Franciscanis melioribus, sed potius a Dominicanis, licet paulo ante ab
epicopo Anglicane AaO 209. Quapropter
nescio cur isti vulgares adeo excellunt Franciscanos, vel quasi inventores immaculatae conceptionis, vel quasi non assertores maculatae. Quod autem prius et magis Dominicani purificaverunt conceptionem sequens manifestabit sermo. ...
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sich verpflichtet, sie zu verteidigen, zumal er von seinem Lehrer Albert wußte, daß der hl. Bernhard und die Pariser Doktoren die Unbefleckte Empfängnis verworfen hatten. Persönlich habe er jedoch, meint Campanella, die Empfängnis Mariens für unbefleckt gehalten40. Wenn die Scotisten Thomas wegen seiner traditionellen Thesen attackieren, müssen sie bedenken, daß sie zugleich alle Väter und den hl. Bernhard angreifen41. Im übrigen hat die Kirche den hl. Thomas weder eines Irrtums bezichtigt noch korrigiert, obwohl Campanella konzediert, daß die Päpste seit Sixtus IV. auf Distanz zu den Thomisten gegangen sind und die Unbefleckte Empfängnis ohne jeden Zweifel favorisieren. Gleichwohl ist die Autorität des Aquinaten immer noch so groß, daß die Kirche die opinio semiThomae nicht verurteilt hat, obschon alle Orden und das Volk auf dem ganzen Erdenkreis dies fordern. Was ist mit dem sonst unbekannten Begriff gemeint? Wie der Kontext nahelegt, ist darunter die makulistische These der Thomisten zu verstehen, die sich, wie gleich darzulegen sein wird, von der unterscheidet, die Thomas selbst vertreten hat42. Was will diese Distinktion näherhin zum Ausdruck bringen? Campanella legt Thomas das Bekenntnis in den Mund, im Verlauf der Zeit Widersprüchliches geschrieben zu haben. Im I. Sentenzenbuch habe er, durch Anselm von Canterburys Worte in De concepta virginali veranlaßt, gemeint, Maria sei von einer aktuellen Sünde ebenso frei gewesen wie von der Erbsünde. In der Tertia Pars der Summa habe er hingegen, gestützt auf den hl. Bernhard und Anselms Cur Deus homo die Erbsündlichkeit Mariens gelehrt. Capreolus, Cajetan und Torquemada hätten später die dort vorgetragenen Argumente übernommen und weiter entfaltet. Das heißt: Die Schüler des Aquinaten haben sich dessen Sicht der Dinge zu eigen gemacht und sich so mit einem gewissen Recht Thomisten nennen können. Mit einem leichten Tadel merkt Campanella an, daß sie der These den Vorzug
41
C. XI, ed. cit. 209. Ex iam dictis clare eliciter divi Thomae excusatio, si quam volumus excusationem, quam nec indiget illi dare. Cum enim esset aeque humilis atque sapiens, quamquam sentiret conceptionem esse immaculatam, tamen id quod sancti docuerunt damnare noluit, potius autem defenderé, cum praesertim Albertus eius praeceptor scripserit, damnatam fuisse a sancto Bernardo et doctoribus Parisiensibus ab initio opinionem hanc. AaO 211. C. X, ed. cit. 211. Idcirco, si Scotem et Iesuitas ac Franciscanos proponas ob isthanc (opinionem) Dominicanis et Sancto Thomae, omnibus quoque Patribus et praecipue Bernardo anteponendi essent... C. X, ed. cit. 21 lf... nihilominus tanta est authoritas divi Thomae, quod, cunctis ordinibus religiosorum clericorumque reclamantibus et populo adversante totius orbis Christiani, adhuc opinio semi-Thomae (quoniam alibi aliter scribit) non est damnata. -
42
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hätten geben sollen, die der Wahrheit „mehr" entsprach Vermerkt wird ferner, daß eine solche Koexistenz der Interpretationen nur solange problemlos war, wie sich die Argumente für die eine oder die andere Lösung die Waage hielten. Da jetzt die Gründe für die Annahme der befleckten Empfängnis nicht mehr probabel sind, weil die Päpste nunmehr für die opinio nova plädieren, sind die Theologen die besseren Thomisten, die sich für die von der Kirche favorisierte Alternative entscheiden. Daß sich die Päpste von den makulistischen Thomisten abwenden, bedeutet jedoch kein Urteil gegen Thomas, sondern nur gegen einige Thomisten, die der alten Deutung Mit der Ansicht, beide Parteien im Lager der Thomisten dürften sich in dieser Kontroverse auf Thomas berufen, hat Campanella erreichen wollen, daß im Falle einer Definition der Unbefleckten Empfängnis die unterlegenen Dominikaner keineswegs ihr Gesicht verlieren und insofern Recht hatten, ihren Standpunkt zu verteidigen, als Thomas selbst ihn eine Zeitlang vertreten hatte. Zwei Fragen drängen sich allerdings auf. Gibt es die beiden möglichen, sich aber ausschließenden Interpretationen und welche von beiden hat als die vom Aquinaten letztlich intendierte zu gelten? Fünf Gründe weiß Campanella anzuführen, die für die im I. Sentenzenbuch vorgetragene Lehre sprechen, die das Vermächtnis des hl. Thomas darstellt. 1. Bezeichnend ist der Umstand, daß Thomas, wenn er für die sündenfreie Empfängnis plädiert, mit seinem eigenen Argument operiert und keinen anderen Lehrer zitiert, wohingegen er sich in der Tertia Pars auf fremde Gewährsleute, insbesondere auf den hl. Bernhard, stützt45. Das heißt: Wo er und die Thomisten unabhängig von Zeugen der makulistischen Tradition seinen persönlichen Gedanken folgt, ist er Immakulist46. Warum er dann nicht deutlicher von klasssischen Autoritäten Abstand nimmt, wird freilich nicht erklärt, auch nicht, warum er in seiner letzten Schaffensphase zu keinem selbständigen Urteil gefunden hat. .
anhängen44.
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C. XI, ed. cit. 214f... datque (Thomas) licentiam sequendi utramlibet opinionem, quando discordant; potius autem illam, quae veritati consonare videtur magis consequens est, ut discipuli eius possint utramvis amplecti, ac simul esse Thomistae. AaO 215 ergo, etiamsi pontifex maximus determinet pro incontaminatione conceptionis, nihil profecto déterminât contra divum Thomam, sed contra aliquos Thomistas, qui sequuntur doctrinam in III Parte, non autem contra alios Thomistas, qui doctrinam in I Sententiarum positam sequuntur C. XIII, ed. cit. 216. Ergo procul dubio sanctus Thomas rectissime ex virtute suae logicae conclusit beatam Virginem immunem fuisse ab originalis macula peccati. At in III parte, q. 27, loquitur de conceptione maculata ex dictis sanctorum, quorum nullus docuerat conceptionem sine peccato, sed ex dictis praecipue Bernardi... AaO 217. Quapropter dicimus Thomam et Thomistas contra conceptionem, non ex propriis, sed ex Bernardi dictis opinionem et rationem hausisse. ...
...
...
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Campanella wußte natürlich, daß die Summa das letzte große Werk des Aquiwar und sich deshalb als größere Autorität empfahl. Aber auch diesmal lag eine Lösung nicht fern. Da der Sentenzenkommentar jedoch seiner Meinung nach vollendet, korrigiert und von Thomas selbst veröffentlich worden war, während der Tod eine definitive Revision der Summa unmöglich gemacht hatte, besaß das Jugendwerk einen höheren Grad der Authentizität, an dem alle weiteren Äußerungen zur Unbefleckten Empfängnis zu messen sind 3. Das entscheidende Argument des I. Sentenzenbuchs basiert auf dem Satz Anselms, hinter dem fast alle Väter stehen, daß Maria reiner ist als alle Geschöpfe und die Engel. Er ist in sich unwiderlegbar, und auch Thomas hat ihn nicht wider2.
naten
.
legt48.
4. Die Bernhard, Augustinus und allen anderen entnommenen Einwände gegen die Reinheit der Empfängnis sind leicht zu entkräften und dürfen als bereits entkräftet Ferner läßt sich sagen, daß die Diskussion um das Fest der Empfängnis dem Ende entgegengeht. So ist darauf zu verweisen, daß es jetzt" auch von der römischen Kirche unter dem Titel der Empfängnis begangen wird und sogar für den Dominikanerorden verpflichtend vorgeschrieben ist. Bernhard, Thomas und Torquemada müssen sich also unter diesem Aspekt geschlagen geben50. Wenn Cajetan meint, es ließe sich kein Heiliger finden, der die nova opinio lehre, so genügt Campanella die Aussage des Tridentinums51. Von einigem Interesse ist weiter der Versuch, dem klassischen Einwand, die Tradition der Väter widerspreche dem Geheimnis, die Spitze zu nehmen. Diese haben so Campanella lediglich Meinungen vorgetragen, aber kein Zeugnis von dogmatischem Gewicht opinative, sed non testificative abgelegt. Für das fehlende Vätertestimonium existiert allerdings ein „Ersatz": die von der Kirche approbierten „Offenbarungen" der hl. Brigitte. Auf sie wird gleich einzugehen sein, aber schon hier wird der außerordentliche Einfluß der schwedischen Seherin deutlich52.
gelten49.
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48 49
50 51 52
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AaO 220. Nam opera scripta, perfecta et emendata ab aliquo autore sunt maioris authoritatis, quam scripta ac non perfecta, nec emendata; sed libri Sententiarum sunt scripti, perfecti et emendati, éditique a divo Thoma; Summa vero scripta quidem est, sed non perfecta, nec emendata: ergo haec minoris est ponderis authoritatisque minoris. C. XV, éd. cit. 221-224. C. XVI, éd. cit. 224-237. AaO 230f. Vgl. die Bulle Gregors XV. Eximii et singulares fructus. AaO 235f. AaO 236. Praeterea, sancti illi locuti sunt opinative, et e contra habemus sanctam Brigidam, quae loquitur testificative. Unus autem testis praevalet cunctis opinantibus Mihi plus valet una Brígida super omnes opinatores. Haec me convincit in suis Revelationibus, approbatis ab Ecclesia et ab évente, quas omnes religiose et rigorose examinavimus per historias et per theologiam. ...
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Positiv beurteilt Campanella den Entscheid des Basler Konzils. Er erfreut sich zwar keiner kirchlichen Billigung, hat aber auf Grund der Zustimmung so vieler Bischöfe große Autorität, die später durch die Bulle Grave nimis Sixtos' IV. und das Tridentinum bekräftig worden ist53. Im Anschluß daran kommt Campanella abermals auf die „Offenbarungen" der hl. Brigitte zu sprechen, die für ihn eine Schlüsselrolle in der Immakulatafrage einnehmen. Er habe, bekennt er, lange Zeit auf Seiten der älteren Thomisten gestanden, sei dann aber durch die „Offenbarungen" der Visionärin „besiegt" worden, der in ihnen bezeugten Unbefleckten Empfängnis zuzustimmen. Für ihn sei sie, die größte aller heidnischen und christlichen Sibyllinen, „meine Mutter in Christus Jesus"54. In ihren Visionen wurde auch die Antwort auf das von Bernhard und Thomas vorgebrachte und von ihnen für entscheidend gehaltene Argument gegeben, wonach nichts rein sein kann, was aus fleischlichem Samen empfangen wurde. Maria selbst hat der Heiligen die Lösung mitgeteilt: „Gott selbst hat die Vereinigung meines Vaters und meiner Mutter mit solcher Keuschheit vorgenommen, daß damals keine keuschere Ehe gefunden wurde"55. Das heißt: Eine der Vernunft widerstreitende Begierde gab es in diesem besonderen Fall nicht und folglich auch keine Sünde, so daß sich schließlich der Einwand Bernhards und des Aquinaten als unbegründet erweist56. Bevor sich Campanella an den Generalmagister des Ordens und an alle Thomisten wendet, legt er ein mysteriöses Bekenntnis ab, das seine letzten Zweifel ausgeräumt hat. Ein gewisser frater Dominicanus, der Gott um Einsicht „in dieser Sache" gebeten hat, sah Dominicus, Thomas und andere Söhne des hl. Dominicus. Der Heilige befahl sodann Thomas, er möge die Antwort geben. Thomas, auf eine Anhöhe steigend, hielt eine staunenerregende Predigt über die Unversehrtheit der Empfängnis Mariens. „Dieser hl. Mann" (der frater), heißt es weiter, „lebt". Mehr möchte er, Campanella, nicht sagen. Die Folgerung aus der Vision ergibt sich von selbst: Die sind die besseren Thomisten und Predigerbrüder, die die Lehre des I. Sentenzenbuchs jener der Summa vorziehen. Und ferner: Der Ruhm der Thomisten besteht darin, daß allein die Jungfrau Maria die Einwände
C. C.
XVII, ed. cit. 237. XVIII, ed. cit. 240. Ast ergo diu certans pro Thomistis antiquioribus, tandem sanctae Brigidae revelationibus victus, acquiesco, quandoquidem eventus et Ecclesia ipsas comprobavit. Hec sane illustrissima est omnium sybillarum gentilium et christianorum, in Christo Domino. Die Geschichte der Approbation ist Campanella in bekannt. Vgl. Juan de Torquemada, Declarationes revelationum S. Birgittae, Nürnberg 1521. Vgl. Th. Kaeppeli, Scriptores III 27f (nr. 2707). Auch Rom 1606. AaO 240f. AaO 241. mater
mea
Grundzügen
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„ihres geliebten Thomas" überzeugend lösen konnte Der erste Eindruck, daß diese Vision ihm, Campanella, zuteil geworden ist, so daß es sich, wie C. Firpo meint, um ein autobiographisches Zeugnis handelt, ist wohl nicht gerechtfertigt, .
da er sich kaum als vir sanctus bezeichnet haben dürfte. Bemerkenswert ist freilich die Rolle von Privatoffenbarungen in einem sonst rational argumentierenden Traktat. Zum Beschluß richtet Campanella einen leidenschaftlichen Appell an den Generalmagister und die Thomisten im Orden. Nachdem die Päpste ihnen untersagt haben, gegen die Unbefleckte Empfängnis zu agieren, sollten sie nicht warten, bis diese den nächsten Schritt tun und alle des Irrtums anklagen. Noch ist also Zeit, einen neuen Kurs einzuschlagen und der Lehre des I. Sentenzenbuchs zu folgen, der die Kirche mehr und mehr zuneigt. Schließlich sollte man bedenken, daß sich sämtliche Orden die Neuerung zu eigen gemacht und die traditionelle Position der Thomisten verlassen haben58. Warum kämpft man für Cajetan, Capreolus und Torquemada und nicht vielmehr für Thomas? Erinnert wird schließlich an die Pariser Universität und an die Dominikaner, die den Eid auf die Unbefleckte Empfängnis ablegen. Spanien mit seinen Hochschulen kämpft vehement für sie. Auch die Siculi streiten für sie wider die Pest. Der Appell endet mit dem Aufruf an den Orden, den Kurswechsel zu vollziehen, um wie in der bisherigen Geschichte Sieger in allen Kontroversen zu bleiben. „Nur Dominikaner können Dominikaner Der unmittelbare Anlaß für Campanella, den Apologeticus zu verfassen, war, wie es scheint, taktischer Natur. Der Adressat, Kardinal Gabriel de Trejo, war als Gesandter des spanischen Monarchen bemüht, in Rom die Definition der Unbefleckten Empfängnis zu bewirken. Er stand in der Gunst Philipps IV. und konnte für den in einem Gefängnis Neapels einsitzenden Predigerbruder ein gutes Wort einlegen. Campanellas Wunsch, der Kirchenfürst möge den Traktat dem König übermitteln, wird wohl in diesem Sinn zu lesen sein. Auch der Kardinal hatte am Apologeticus ein lebhaftes Interesse. Gelang es, führende Kreise des theologisch immer noch einflußreichen Dominikanerordens zu bewegen, den Widerstand gegen eine Definition aufzugeben, wäre ein wichtiges Hindernis aus dem Weg -
besiegen"59.
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geräumt.
AaO 244. Iste vir sanctus vivit; nolo plura addere, sed quod salus ex Dominicanis est. AaO 246. At Ecclesia nunc opinionem I Sententiarum docet esse magis consonam omnes enim nunc intelligunt quaestionis nodum et insuper solutioveritati et pietati nem iam datam ab Ecclesia et sancta Brígida. soli Dominicani Dominicanos vincere possunt et quoniam salus verbi ex AaO 248 Dominicanis est. ...
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Das soll aber keineswegs heißen, daß die Befreiung aus der Kerkerhaft die einzige Absicht Campanellas gewesen ist, seinen Traktat zu verfassen. An der Echtheit seines Sinneswandels, der ihn, bewegt durch die „Offenbarungen" der hl. Brigitte, von einem semi-thomista zu einem authentischen thomista gemacht hat, ist wohl nicht zu zweifeln. Andere Motive haben ebenfalls mitgewirkt. Campanella, der die Geschichte der Kontroversen ebenso gut kannte wie die Veränderungen, die sich in dieser Hinsicht in der Kirche bis in seine Tage ereignet hatten, war zu der Überzeugung gelangt, daß die Opposition des Ordens gegen die Intentionen der Päpste, gegen die Universitäten und die von allen Orden geförderte Volksfrömmigkeit nicht von Dauer sein konnte. Mit ihm stand die Autorität des Aquinaten auf dem Spiel. Die Päpste, die Theologen und unter ihnen insbesondere die Jesuiten befanden sich in einem anderen Lager, dessen Einfluß kontinuierlich wuchs. Der Predigerorden war in eine Isolation geraten, der er ohne Kursänderung nicht entrinnen konnte. Campanella war überzeugt, daß eine Umorientierung für die semi-thomistae nur akzeptabel war, wenn es gelang, das Ansehen des hl. Thomas auch in dieser kritischen Phase zu wahren. Das erklärt sein Bemühen, nicht in der Summa, sondern im Sentenzenkommentar die authentische Lehre über die Unbefleckte Empfängnis zu suchen. Wie es scheint, blieb der Apologeticus in der Nachwelt ohne Echo, aber an Versuchen, aus Thomas einen Immakulisten, einen thomista, zu machen, hat es bis in die Neuzeit nicht gefehlt. 3. Franciscus de Araújo
Franciscus de Araújo
(1580-1664), der letzte Theologe der Schule von Salamaneiniger Bedeutung, markiert den chronologischen Endpunkt unserer Beschäftigung mit den Kontroversen um die Unbefleckte Empfängnis60. Anders als Johannes a St. Thoma und Campanella beharrt er auf den traditionellen Positionen seiner Schule, die er allerdings nur auf versteckte Weise zu verteidigen sucht. Unter diesem Aspekt repräsentiert auch er einen Kurswechsel unter den spanischen Dominikanern. Um den Dekreten Pauls V. und Gregors XV. zu entspreca von
chen, verzichtet er auf eine Diskussion des Problems und beschränkt sich auf die Rolle eines Kommentators des Aquinaten, wobei er freilich wußte, daß dessen Doktrin wegen der großen Autorität, die Thomas immer noch hatte, den Eindruck auf die Päpste nicht verfehlen würde. Das Ergebnis der Analyse der wichtigsten Texte ist eindeutig: Der doctor angelicus hat stets die Bewahrung Mariens vor der
Vgl. QE II 609-611. R. HERNÁNDEZ, Actividad universitaria de Francisco de Araújo. U. HORST, Die Diskussion 55-58; DERS., Die Lehrautorität des Papstes 165-168. 136
Erbsünde und das debitum, ihr verfallen zu sein, bestritten In dieser Hinsicht hat er nie gezweifelt und nie geschwankt, auch nicht im Sentenzenkommen.
tar62.
Araújo kennt freilich die Ansicht, daß Thomas, „lebte er heute", seinen Standpunkt aufgeben und sich zur pia opinio bekehren würde. Namen nennt er nicht, sagt aber, daß die These Jüngeren Theologen und Hofpredigern" gefalle, weil sie meinten, sie erwiese Maria und Thomas einen Dienst63. Die Anspielung auf Kreise am königlichen Hof und die vorgetragenen Argumente verraten, daß er an Johannes a St. Thomas denkt, der Prediger und Beichtvater König Philipps IV. war. Das „wenn Thomas heute lebte" löst indes nach Araújo das Problem nicht, da ein futurum conditionatum contingens in keiner notwendigen Beziehung zur daraus gezogenen Konsequenz steht Die Einführung des Festes der Empfängnis wäre für ihn kein Grund, seine Haltung zu revidieren, denn eine solche Anordnung der Kirche zwingt nicht zur Änderung eines Urteils, das ein Akt des Intellekts ist, sondern nur zu Akten der Frömmigkeit und des Kultes, die Willensakte sind 5. Auch der Wunsch, sich der römischen Kirche anzugleichen, sei aus der Natur der Sache und kraft der Verfügung der Kirche vereinbar mit der Beibehaltung eines eigenen Urteils. Und daraus die Folgerung: Aus diesem Grund gleichen sich auch die Schüler des Aquinaten unter Wahrung ihrer eigenen Meinung der Kirche an, wenn sie das von ihr angeordnete Fest der Empfängnis feiern66. .
Ed. cit., 417. Zu q. 81,3. AaO 420. Daß Thomas auch im Sentenzenkommentar keine andere Meinung vertreten hat als später richtet sich gegen den portugiesischen Dominikaner Luis de Sotomayor: Cantici Canticorum Salamonis interpretatio, c. IV, ed. cit. 797b, der aber an der erbsündlichen Empfängnis Mariens festhält. Zum Autor s. M.A. Rodrigues, A Cátedra de Sacrada Escritura 157-260. AaO 420ab. Pulchra sane quaestio: in qua pars affirmativa quibusdam iunioribus theologis et concionatoribus aulicis arridet: neque affecte principibus saeculi complacendi, sed ni fallor affectu maius obsequium Beatissimae Virgini ac Angélico Praeceptori
praestandum.
AaO 421 Si D. Thomas nunc viveret, oppositem suae sententiae sentiret: cum sit de futuro conditionato contingente, sel. dependente ab hac conditione: Si nunc viveret, quae contingens est absoluta et non habens necessariam connexionem cum consequente, revera est falsa iuxta regulam dialectorum AaO quia mandatum de celebrando huiusmodi festem non cogit ad mutandum iudicium, quod est actes intellectus, nisi tantem ad exhibendum pium affectem et cultem praestandum, qui est actus voluntatis in obsequium B. Virginis AaO 422 nam, affectes conformandi se cum Romana Ecslesia non est incompatibilis ex natura rei aut ex Dei vel Ecclesiae ordinatione cum retentione proprii iudicii ac opinionis negantis immaculatam Virginis corruptionem Unde discipuli Angelici Prae...
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Die Verehrung Mariens mit einem neuen Fest ist ein Willensakt, der keinen Einfluß auf das „alte Urteil" hat. Das Zeichen, daß es sich in der Tat so verhält, ist der Umstand, daß die Kirche das Fest nicht unter dem Titel der Unbefleckten Empfängnis feiern wollte, sondern unter dem der Araújo hat seinen durch päpstliche Verlautbarungen erzwungenen Vorsatz, lediglich als Kommentator des Aquinaten die Probleme zu erörtern, nur teilweise befolgt. Tatsächlich hat er im letzten Abschnitt den Vermittlungsversuch des Johannes a St. Thoma erörtert und abgelehnt. Aus seiner persönlichen Meinung und dem unveränderten Standpunkt des Ordens hat er kein Hehl gemacht. Auf Polemik konnte er verzichten.
Empfängnis67.
cum retentione propriae opinionis se laudabiliter cum Ecclesia comformant in celebrando indictum ab ipsa conceptionis festum. AaO autoritas Ecclesiae indicens tale festum cogit ad cultum novo modo B. Virginis exhibendum, qui est actus voluntatis, non ad antiquum iudicium intellectus mutandum. In cuius Signum Apostólica Sedes festum ipsum Conceptionis noluit sub nomine immaculatae, nisi tantum sub nomine Conceptionis simpliciter celebrandum
ceptoris 7
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Nachwort
Als Thomas von Aquin die patristische Lehre von der absoluten Universalität der Erbsünde im Einklang mit Bernhard, Albert und Bonaventura auf die Empfängnis Mariens übertrug und lehrte, die Gottesmutter sei erst nach der Beseelung geheiligt worden, ahnte er nicht, welche Kontroversen diese These in den kommenden Jahrhunderten auslösen würde. Die gleichsam nebenbei gemachte Bemerkung allerdings, die Kirche Roms toleriere an einigen Orten das Fest der Empfängnis, deutet auf eine konkurrierende Meinung hin, die den Keim in sich trug, einmal die Diskussion auf neue Bahnen zu lenken. Der damalige Konsens der Theologen sprach indes nicht dafür. Das änderte sich freilich, als anderslautende Thesen der Minoriten in Paris Widerhall fanden. Die Neuerung stieß dort jedoch auf die heftige Opposition des Johannes de Polliaco, der sie als häretisch qualifizierte, weil sie gegen die Schrift, die Väter, Petrus Lombardus, Thomas von Aquin und den Kanonisten Huguccio verstieß. Ihr wird also schon früh das Argument des Traditionsbruchs vorgehalten, das von nun an die antiimmakulistische Debatte beherrschte. Die Fronten zwischen den Lagern und dem dahinter liegenden methodischen Problem werden demnach schon zu Beginn der Diskussion sichtbar. Den von Thomas v. Aquin eingenommenen Standpunkt von der Heiligung Mariens nach ihrer Beseelung teilen von wenigen Ausnahmen abgesehen alle Dominikanertheologen des 14. Jahrhunderts, auch wenn sie die Meinung ihrer Opponenten mit Ausnahme des Johannes Dominici nicht als Irrlehre bezeichnen. Einige lehrten jedoch, Gott könne seiner absoluten Macht nach Maria vor der Erbsünde bewahren, auch wenn er das, um die einzigartige Stellung Christi nicht zu gefährden, in der tatsächlichen Heilsordnung so nicht realisiert hat. Wie stark und breit angelegt der Widerstand in den ersten Jahrzehnten gegen die Vertreter der nova opinio war, belegt der eindrucksvolle Konsens der übrigen Mendikantenorden. Augustinereremiten und Karmeliten beriefen sich wie die Predigerbrüder auf die keine Ausnahme duldende Allgemeinheit der Erbsünde, wie sie Schrift und Tradition bezeugten. Recht bald zeigten sich allerdings Symptome eines allmählichen Wandels, für den ein 1315 disputiertes Quodlibet des Karmeliten Guido Terreni ein interessantes Indiz bietet, das Kommendes vorwegnimmt. Auch er vertritt die klassische These und lehnt das Fest der Empfängnis im Sinne einer Preservation ab, bekennt jedoch, aus Gründen der persönlichen Devotion wäre er geneigt, der Erbsündenfreiheit Mariens zuzustimmen. Daß sie -
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„eher" der pietas entspreche, wird später ein wichtiges Argument der Immakulisten werden. Aufschlußreich ist der Wandel in der Doktrin seines Ordensbruders Johannes Baconthorpe, der sich nach einigen Schwankungen schließlich gegen 1340 der nova opinio anschließt. Ähnliches ist bei den Augustinereremiten zu konstatieren. Aegidius Romanus, Augustinus von Ancona und Gregor von Rimini wissen sich im Einklang mit der Tradition, doch verteidigt Thomas von Straßburg 1335 als erster Theologe seines Ordens die Unbefleckte Empfängnis, weil sie besser mit Gottes Güte und Allmacht zu vereinbaren ist. Die Beispiele zeigen, daß sich vor Mitte des Jahrhunderts die einst so geschlossene Abwehrfront gegen die Minoriten in Auflösung befindet. Die Dominikanertheologen sehen sich nunmehr isoliert und in der Defensive, der sie nicht mehr entkommen sollten. Die wenigen unbedeutenden Ausnahmen in ihren Reihen ändern an dieser Situation nichts. Gleichwohl verlaufen die Kontroversen noch in verhältnismäßig unpolemischen Bahnen, doch kündigt sich 1390 in dem bereits erwähnten Häresievorwurf des Johannes Dominici ein scharfer Ton an, der die Diskussionen in Zukunft begleiten wird. Das 15. Jahrhundert ist die Zeit der großen öffentlichen Kontroversen zwischen sich schärfer abgrenzenden Lagern. Neue Akzente werden gesetzt und präzisere methodische Reflexionen in die Debatte eingeführt, die sehr bald aus einem partikulären dogmatischen Problem eine Grundsatzfrage der theologischen Argumentation macht, mit der sich auch erstmals ekklesiologische Themen verbinden. Am Beginn dieser Entwicklung stehen Traktate aragonesischer Dominikaner. Sie bieten, um den makulistischen Standpunkt historisch zu begründen, Listen von Heiligen und anerkannten Autoren, die ihn verteidigen, und zitieren zum Beleg Texte aus deren Werken. Mit ihrer Hilfe wird eine Traditionskette konstituiert, die den durch die nova opinio provozierten Bruch demonstrieren sollte. Die Kontinuität in dieser Sache, einst selbstverständlich, hatte zu existieren aufgehört. Dieser durch die Immakulisten bewirkte Angriff auf bisher unbestrittene Autoritäten rechtfertigte in den Augen der Opponenten den Vorwurf, die Neuerer begünstigten eine Häresie oder seien ihr gar verfallen. Als unerhört wird feiner der Umstand empfunden, daß in den Auseinandersetzungen um Nikolaus Eymerich erstmals die Politik eine Rolle zu spielen beginnt. König Johannes von Aragonien hatte nämlich 1394 das Fest der Empfängnis in seinen Ländern vorgeschrieben und den Gegnern striktes Schweigen auferlegt. Einen vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung stellt das Basler Konzil dar. Um die auch von den Immakulisten empfundene Schwäche ihrer Position, keinen überzeugenden Grund gegen den Vorwurf der Neuerung zu haben, zu überwinden, sahen sie den Ausweg in einem liturgischen Argument, in der Einführung des die ganze Kirche verpflichtenden Festes der Empfängnis. Allen Beteiligten war freilich bewußt, daß ein solcher zunächst als Devotion deklarierter Akt den 140
die Immaculata Conceptio implizierte. Das erklärt den sich über die erstreckenden Versuch der Gegner, diesen Schritt zu verhindern oder doch, sollte das nicht gelingen, den dogmatischen Inhalt des Festes im Grunde offen zu lassen. Dem Scharfsinn der opponierenden Theologen sollten, wie die Nachgeschichte zeigt, in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt sein. Die führenden Dominikaner, Johannes de Montenigro und Johannes Torquemada, erkannten auf dem Basler Konzil den Ernst der Situation. Sie wußten, daß sie ihren Standpunkt gegen die immer stärker gewordene Tendenz, der Autorität der ehemals maßgebenden und allgemein anerkannten Theologen Grenzen zu setzen und stattdessen mit spekulativ-deduktiven Beweisen und der liturgischen Praxis zu operieren, neu begründen mußten. Das konnte nur mit einer Systematik der traditionellen Erkenntnisquellen, deren sich die Theologie gerade in diesem Fall zu bedienen hatte, gelingen. Aus der synodalen Erfahrung war ihnen klar geworden, daß sie einen schweren Stand haben würden, der sich allein aus der Tatsache ergab, daß die Mehrzahl der Konzilstheologen und unter ihnen das war besonders folgenreich die Vertreter der Universitäten auf die immakulistische Linie eingeschwenkt war. Um die Unvereinbarkeit der opinio nova mit der Tradition zu erweisen, entwickelten die beiden Dominikaner daher eine bislang in dieser Gestalt noch nicht vorhandene Hermeneutik theologischer Autoritäten. Mit ihrer Hilfe ließ sich, so hofften sie, darlegen, daß die Doktrin der Unbefleckten Empfängnis mit der in den Schulen praktizierten theologischen Methode nicht zu vereinbaren war. Anstelle der Väter, der heiligen Lehrer und der kirchlich anerkannten Theologen, die die Basis der klassischen Argumentation bildeten, hatte die opinio nova lediglich die novelli theologi mit ihren Deduktionen ohne Fundierung in einer langen Tradition, die bei Päpsten und Konzilien stets in Achtung gewesen war, hinter sich. Sie sollte jetzt durch „Meinungen" ersetzt werden, die keine Gewähr für eine Glaubenswahrheit boten. Mit der normierenden Vergangenheit standen diese novellae interpretadones im Widerspruch. Torquemadas Tractatus enthielt demgegenüber eine Fülle von Zeugen und Zeugnissen, gegen die, wie er überzeugt war, die Argumente zweitrangiger Theologen wenig ausrichten konnten. Beide Dominikaner haben das Verdienst, die eigentlichen Differenzen zwischen den Schulen und die Mängel in der Begründung der nova opinio aufgewiesen zu haben, auch wenn ihnen nicht verborgen blieb, daß sie die Mehrheit der Konzilsväter nicht zu überzeugen vermochten. Die schließlich 1439 erfolgte Definition der Unbefleckten Empfängnis übte, weil sie sich auf den Konsens auch nichtkonziliaristischer Theologen stützte, beträchtlichen Einfluß auf die Nachwelt aus, obschon die Dominikaner es nicht unterließen, auf deren dubiosen und schismatischen Charakter hinzuweisen. Die Päpste haben es aus diesem Grund stets vermieden, sie für ihre Verlautbarungen in Anspruch zu nehmen, so sehr sie wie Glauben
an
Folgezeit
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etwa Sixtus IV.
den Inhalt billigen mochten. -
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Die Zeit nach der Synode erheischt unter einem neuen Aspekt Aufmerksamkeit. War auf der Basler Kirchenversammlung die Propagierung der nova opinio vornehmlich eine Sache der Theologen und Universitäten gewesen, so wurden nun die Gläubigen zum Motor der Immakulatafrömmigkeit, aus der den Dominikanern eine scharfe Opposition zumal in den Städten erwuchs68. Sie nahm etwa in Oberitalien und wenig später in Spanien heftige Formen an, die sich an vielen Orten in offener Feindschaft äußerten. Abermals sahen sich die Predigerbrüder und diesmal beim Volk in ein schmerzliches Abseits gedrängt. Die alte Konkurrenz unter den Mendikanten hatte nun ein neues Objekt mit weitem Widerhall gefunden. Die Reaktion der Dominikaner ließ freilich nicht lange auf sich warten. Im Jahre 1475 publizierte Vincenzo Bandello seinen Liber recollectorius, eine umfangreiche Summe mit den bekannten Argumenten, die er mit einem langen Katalog von Autoritäten und einer Fülle von Texten verband, die er auf seiner Seite wußte. Die von ihm erteilten Zensuren sind deutlich, vermeiden jedoch den offenen Vorwurf der Häresie, der allerdings zwischen den Zeilen erhoben wird. Die daraus gezogene Konklusion ist einfach: Was von so vielen Theologen unterschiedlichster Herkunft quer durch alle Epochen gelehrt worden ist, darf als gewiß und Widerspruch als Anmaßung gelten. Die daraus resultierende Lehrtradition können allein die Dominikaner für sich reklamieren. Daß Thomas darin eine Sonderstellung einnimmt, gründete in der ihm seitens der Päpste zuteil gewordenen Kanonisation und öffentlichen Anerkennung. Sie erklärt auch die Tatsache, daß die Päpste zögerten, gegen seine durch ihre Vorgänger approbierte Lehre eine definitive Entscheidung zu fallen. Sie wurde noch lange als schwer zu umgehendes Hindernis empfunden, wie zahlreiche Versuche belegen, den nur scheinbar, wie manche meinten, klaren Standpunkt des Aquinaten in dieser Sache umzudeuten, um ihn doch für die Unbefleckte Empfängnis in Anspruch nehmen zu kön-
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nen.
Gleichwohl waren solche Erwägungen nur retardierende Momente, die auf Dauer dem Ansturm der Immakulisten mit ihrem Rückhalt beim Volk nicht standzuhalten vermochten. Mit der amtlichen Billigung des Offiziums und der Messe zu Ehren der Empfängnis Mariens durch Sixtus IV. erfolgte ein erster Durchbruch. Man mußte nun nicht mehr mit dem kontroversen Basler Konzil operieren. Gleichwohl kapitulierte Bandello nicht und verfaßte 1481 ein neues Buch mit dem Titel De singulari puritate Salvatoris, in dem er seine Thesen wiederholte und den für einen Dominikaner erstaunlichen, wenn auch vorsichtig formulierten Versuch unternahm, die hl. Schrift und die Tradition gegen die päpstlichen Verlautbarungen auszuspielen. Mit der Bulle Grave nimis und deren die ganze Kirche verpflichtenden Version von 1483 ging Sixtus IV. einen wichtigen Schritt weiter. Dazu
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s.
St. SUDMANN, Das Basler Konzil, bes. 217f.
beanspruchte Allgemeingültigkeit und untersagte, um die Objektivität des Franziskanerpapstes zu wahren, beiden Parteien, sich wechselseitig zu verketzern. An dieser Position hat der Apostolische Stuhl in der Folgezeit nicht mehr rütteln lassen, eine Rückkehr zum alten Diskussionsstand gab es nun nicht mehr. Die Würfel waren endgültig gefallen, auch wenn Nachhutgefechte mit allen wünschenswerten theologischen Distinktionen und Subtilitäten nicht aufhörten, die zuweilen auch die Päpste nachdenklich gemacht haben. So gelang es Cajetan mit Hinweis auf Thomas und seine Schule, Leo X. zu überzeugen, daß es angemesseSie
sei, von einer Definition auf dem Lateranense Abstand zu nehmen. Auch später waren Päpste nicht ohne weiteres gewillt, die Unbefleckte Empfängnis als Glaubenswahrheit zu deklarieren, da dies eine Minderung der Lehrautorität des Aquinaten impliziert hätte. Noch um 1540 war man in Rom bereit, Bartholomaeus Spina, den scharfen Gegner der nova opinio, mit seiner höchst eigenwilner
ligen Interpretation von Grave nimis zu tolerieren und ihn sogar mit dem Amt eines Magister Sacri Palatii zu betrauen69. Er konfrontierte die Päpste, falls sie sich zu einer Definition bewegen lassen sollten, mit dem Häresievorwurf, der die Deposition implizierte. Außerhalb der Ordenstradition und der sonstigen Diskussion stand Melchior Cano, der, der Auseinandersetzungen überdrüssig, nachzuweisen suchte, daß sich keine der sich befehdenden Schulen auf die Offenbarung berufen konnte, ja, daß die eine wie die andere Lösung ohne Belang für den Glauben ist. Anzumerken ist freilich, daß in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts selbst die einst geschlossene Front der Dominikaner zu wanken beginnt. Ambrosius Catharinus distanziert sich entschieden von Cajetans Gutachten und propagiert die Ansichten von dessen Gegnern. In Salamanca hält Franz von Vitoria, die Leuchte der spanischen Scholastik, unter dem Einfluß seiner Pariser Studienjahre in Vorlesungen die These des Scotus für besser begründet, während seine Nachfolger selbst unter schwerem politischem Druck an der Ordensdoktrin bis ins 17. Jahrhundert festhalten. In Alcalá bemühte sich Johannes a St. Thoma mit subtilen Interpretationen entsprechender Texte des Aquinaten einen Weg aus der Isolation zu finden und die Ordenstradition mit der inzwischen fest etablierten liturgischen Festfeier der Empfängnis in Einklang zu bringen. Die Ordensleitung mißbilligte indes seinen Vermittlungsversuch. Zum Ansehen des Aquinaten in Rom zur damaligen Zeit s. etwa J.W. O'Malley, The Feast of Thomas Aquinas; DERS., Some Renaissance Panegyrics of Aquinas; DERS., Praise and Blame (Index: Aquinas). Ch.L. STINGER, The Renaissance In Rome 142— 144, 163-166. P.O. Kristeller, Le Thomisme. J.F. D'Amico, Renaissance Humanism in Papal Rome (Index: Aquinas, Thomas).
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Entwicklung der Folgezeit darf außerhalb unserer Betrachtung bleiben, da die von uns gewürdigten Theologen hinreichend Kontinuität und Differenzierungen des thomistischen Standpunkts charakterisieren. Zu fragen ist allerdings, welche Motive hinter der erst spät von Außenseitern durchbrochenen Einmütigkeit in der Ablehnung der Unbefleckten Empfängnis standen, die sonst bei keiner theologischen Schule des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit zu konstatieren ist. Diese oft als Starrsinn bezeichnete Festigkeit ist in der Tat erstaunlich, zumal sie sich in der letzten Phase der Entwicklung nicht mehr im Einklang mit dem sensus Ecclesiae befand, dem sich gerade die Dominikaner stets verpflichtet wußten. Warum waren sie bereit, seit Grave nimis in einem gewissen Dissens mit der kontinuierlich wachsenden Zustimmung der Theologen, der Universitäten und der Gläubigen ihren Standpunkt so vehement zu verteidigen oder ihnen auferlegtes Schweigen mit scharfsinnigen Distinktionen zu umgehen? Ein wichtiger institutioneller Grund ist in der Tatsache zu sehen, daß der Orden schon bald nach dem Tod des Aquinaten seinen Mitgliedern vorschrieb, dessen Lehre kompromißlos zu vertreten und nicht zuletzt in den eigenen Reihen zu verteidigen. Zuwiderhandelnden wurde die Suspension von ihren Ämtern angedroht. Bereits 1279 beschied das Pariser Generalkapitel, niemand dürfe über Thomas oder seine Schriften unehrerbietig reden70. Das Pariser Generalkapitel von 1286 ordnete an, sämtliche Brüder sollten sich um die Verbreitung und Verteidigung der Lehre des „ehrwürdigen Bruders Thomas" saltern ut est opinio mühen71. In den dokrinären Auseinandersetzungen um Durandus a S. Porciano Die
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Metz sah sich der Orden 1309 abermals veranlaßt, auf dem Genemit noch präziseren Maßnahmen den Lehrprimat des und in den Schulen der Predigerbrüder verpflichtend zu machen. Thomas ist in Lektionen und Disputationen zu folgen und die, die davon
und Jakob
von
ralkapitel in Zaragoza Aquinaten zu verfügen
MOPH III, 1, 204. Cum venerabilis vir memorie recolende fr. Thomas de Aquino, sua conversacione laudabili et scriptis suis multis multem honoraverit ordinem, nec sit aliquatenus tolerandum, quod de ipso vel scriptis ejus aliqui irreverenter et indecenter loquanter, etiam aliter sencientes. Das Kapitel Mailand 1278 hatte (aaO 199) den Schriften des Aquinaten volle Autorität zuerkannt: scriptis venerabilis patris fratris Thome de Aquino, quibus ex nunc plenam damus auctoritatem in capite et in membris. MOPH, t. III, 1, 235. Districtius iniungimus et mandamus, ut fratres omnes et singuli, prout sciunt et possunt, efficacem dent operam ad doctrinam venerabilis fratris Thome de Aquino recolende memorie promovendam et saltem ut opinio defendendam. Et si qui contrarium faceré attemptaverint sive sint magistri sive bacallarii, lectores, priores et alii fratres etiam aliter sencientes pro facto ab officiis propriis et graciis ordinis sint suspensi Vgl. A. Walz, Ordinatlones capitulorum. W.A. Hinnebusch, The History of the Dominican Order, Bd. 2, 154-171. ...
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abweichen, haben harte Strafen zu gewärtigen. Alle Brüder, die nach Paris geschickt werden sollen, haben zuvor ein dreijähriges Thomasstodium zu absolvie72
ren
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Noch detaillierter äußerte sich 1313 das
Generalkapitel in Metz.
Es ordnete
an, der Orden habe sich an Thomas zu halten, weil seine Doktrin als sanior et communior anzusehen sei. Auch diesmal werden bei Mißachtung scharfe Strafen
angedroht73.
Die Anordnungen der genannten Generalkapitel waren die entscheidenden Schritte, die zur Formierung einer eng an Thomas gebundenen Schule führten. Daß sie die Haltung der Dominikaner auch in den Kontroversen um die Unbefleckte Empfängnis bestimmt haben, steht außer Zweifel. Anzumerken ist freilich, daß sich, soweit wir sehen, die Kapitel zur Sache selbst weder positiv noch negativ geäußert haben. Zu ergänzen ist ferner, daß die Kanonisation des hl. Thomas 1323 in den Spannungen mit den Minoriten den Argumenten der Dominikaner ein außerordentliches Ansehen verlieh, da keiner ihrer Gegner sich auf ein solches Privileg berufen konnte. Das heißt, wie sie mit einem stolzen Unterton vermerkten: Nur sie hatten einen von der Kirche approbierten Heiligen der jüngeren Vergangenheit auf ihrer Seite. Daß eine derart an einen Lehrer gebundene Schule freilich auch ihre Nachteile hatte, mußte der Orden erfahren, als er gegen Ende des 15. Jahrhunderts in ein kirchliches Abseits geriet. Diese neue Situation hatte vielfältige Ursachen. Die Stärke der thomistischen Position lag, wie immer wieder betont wurde, in der Erlösungsbedürftigkeit aller aus der Verbindung von Mann und Frau hervorgegangenen und erbsündlich verfaßten Menschen, von der es nach dem Zeugnis der Schrift und der Väter keine Ausnahme gab. Weder sie noch die hochscholastischen Lehrer akzeptierten eine Sonderstellung der Mutter Christi in der faktischen Heilsgeschichte. Mit der Möglichkeit eines sie vor der Erbsünde präservierenden
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MOPH IV, 2, 38. Volumus et districte iniungimus lectoribus et sublectoribus universis, quod legant et déterminent secundum doctrinam et opera venerabilis doctoris fratris Thome de Aquino, et in eadem scolares suos informent... Qui autem contrarium fecisse notabiliter inventi fuerint nec admoniti voluerint revocare, per priores provinciales vel magistrum ordinis sic graviter puniantur, quod sint ceteris exemplum MOPH IV, 2, 64f. Cum doctrina venerabilis doctoris fratris Thome de Aquino sanior et communior reputetur, et eam ordo noster specialiter prosequi teneatur, inhibemus districte, quod nullus frater legendo, determinando, respondendo, audeat assertive tenere contrarium eius, quod communiter creditur de opinione doctoris predicti Zum Streit um Durandus s. I. Iribarren, Durandus of Saint Pourçain., bes. 182-186. M.M. MulCHAHEY, „First the Bow is Bent ¡n Study ", bes. 154-161. J. Koch, Die Verteidigung der Theologie des hl. Thomas von Aquin. F. EHRLE, Der Kampf um die Lehre des hl. Thomas von Aquin. M. BURBACH, Early Dominican and Franciscan Legislation regarding St. Thomas. ...
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Privilegs
rechnete man in einer von der Offenbarung vorgegebenen Ordnung nicht. Erst als Scotus zu zeigen versuchte, daß Gott drei Möglichkeiten hatte, Maria war niemals in der Erbsünde, sie war es lediglich in uno instanti, oder sie war es nur während einer gewissen Zeit (per tempus aliquod) -, wobei er allein wußte, welche schließlich realisiert wurde, änderte sich die Situation. Und weiter: Es scheint indes, so fährt Scotus fort, probabel zu sein, daß Gott schließlich die Möglichkeit gewählt hat, die weder der Autorität der Kirche noch der der Schrift widerstreitet und Maria mit dem auszeichnet, was vorzüglicher ist (quod excellentes est) Scotus argumentiert also mit einer Möglichkeit, die Maria eine Privilegierung bietet, die die beiden anderen Möglichkeiten der Gottesmutter nicht gewähren. Mit ihr ist allerdings für den Fall zu rechnen, daß Kirche und Schrift keinen Einspruch erheben. Bezeichnenderweise lautet die Bedingung nicht, die beiden Autoritäten müßten diese These ausdrücklich bezeugen. Verlangt wird lediglich ein Nichtwidersprechen. Auch Thomisten haben akzeptiert, daß eine Preservation Mariens in der Macht Gottes liegt, doch ermangelte eine solche Ansicht der Begründung durch die Offenbarung. Sie waren zwar bereit, das potuit der Trias potuit, decuit ergo facit zu akzeptieren, sie bestritten jedoch, daß das fecit aus dem potuit und dem decuit ableitbar ist, wenn kein Schriftbeweis dies verlangt oder doch wenigstens nahelegt. Sie wurden nicht müde, eine Possibilientheologie abzulehnen, wofern sie nicht durch die traditionellen Autoritäten gedeckt ist. Der Gedanke, die pietas spreche für die Unbefleckte Empfängnis und mache sie hinreichend probabel, fand ihre Zustimmung nicht, solange keine stringente Verbindung mit der veritas nachgewiesen werden kann. Das Argument der Universalität der Erbsünde und die Einzigartigkeit der Stellung Christi in der faktischen Erlösungsordnung schien ihrer Position bei weitem die größere Gewißheit zu geben. Die zunehmende Bedeutung des sensus Ecclesiae hingegen erkannten nur einige Außenseiter wie Johannes a St. Thoma. Die generell skeptische Haltung der Thomisten dem Glaubenssinn gegenüber zeigt an, daß die Dominikaner verkannten, wie sehr sich die klassischen theologischen Erkenntnisquellen in Bewegung und Veränderung befanden, insofern neben Schrift, Tradition und kanonisierten Lehrern der sensus Ecclesiae schon lange einen Rang gewonnen hatte, den er ehedem ihrer Meinung nach nicht gehabt hatte. Diese Haltung ist schließlich auch
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Ordinatio III, d. 3, q. 1, ed. C. Balic, Ioannes Duns Scotus Doctor Immaculatae Conceptionis 13. (Opera Omnia IX, nr. 34). Quod autem horum trium quae ostensa sunt possibilia esse, factum sit Deus novit, sed si auctoritati Ecclesiae vel auctoritati Scripturae non repugnet, videter probabile, quod excellentius est, attribuere Mariae. Vgl. C. Balic, De regula mariologica. A. EMMEN, Einführung In die Mariologie der Oxforder Franziskanerschule, bes. 152-158. -
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ein Zeichen dafür, daß es bei den Kontroversen um die Unbefleckte Empfängnis nicht zuerst um eine einzelne dogmatische Wahrheit ging, sondern um ein grundsätzliches Ringen, in dessen Zentrum die Frage nach der rechten theologischen Methode stand. Daß es den Thomisten im Kern um die Klärung problematischer Quellen der theologischen Erkenntnis zu ton war, machen Dauer und Heftigkeit der Opposition verständlich. Nicht geleugnet zu werden braucht, daß auch Prestigedenken und Rivalitäten zwischen Orden und Schulen in den sich über Jahrhunderte hinziehenden Kontroversen eine nicht zu übersehende Rolle gespielt haben. Wie sehr Teile des Predigerordens in der Opposition gegen die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis verharrten, zeigen Ereignisse aus der der Definition unmittelbar vorausgehenden Phase, die, weil sie, soweit wir sehen, noch nie gewürdigt worden sind, hier ausführlich dargestellt seien. Im Kontext der damals verbreiteten Harmonisierung einstiger Gegensätze und angesichts einer drohenden Isolierung des Ordens im Gefolge der zahlreichen Petitionen von Bischöfen und religiösen Gemeinschaften erbat der Generalmagister Angelo Ancarani von Papst Gregor XVI. das Induit, das Fest der Empfängnis Mariens mit einer feierlichen Oktav zu feiern und in die Präfation die Worte et te in immaculata conceptione einzufügen Der Papst entsprach dem Gesuch am 10. Dezember 184376. Eine uns einstweilen nicht näher bekannte Gruppe von Ordensmitgliedern hat offenbar in dieser Bitte eine eigenmächtige Handlung des Generals erblickt, die der Zustimmung eines Generalkapitels bedurft hätte. Angesichts dieser Opposition sah sich Ancarani, um Unsicherheiten für damals und später auszuschließen, genötigt, die Ritenkongregation zu bitten, eine Klärung herbeizuführen. Am .
Daß sich auch unter Dominikanern ein Kurswechsel andeutete, zeigte sich darin, daß Mariano Spada, einer der wenigen Theologen, die der Orden damals hatte, nachzuweisen versuchte, daß auch Thomas zu den Befürwortern der Immacolata Conceptio gehört habe. S. sein Buch Esame critico. Dazu s. A. Andalore, P. Mariano Spada. Text des Induits in: Pareri dell'episcopato cattolico, t. VI, 592 indultum, deinceps, iuxta proprium ritum, Festum Conceptionis Deiparae celebrandum octava solemni prout celebrantur Festa Annunciationis, Assumptionis ac Sacratissimi Rosarii Beatae Mariae Virginis Es fällt auf, daß der Zusatz et te in immaculata conceptione hier fehlt. Er findet sich allerdings im Elenchus der Namen derer, die die adiectio vocis Immaculatae in der Präfation gewünscht haben. Vgl. J.B. Perrone, De immaculato B. V. conceptu, ...
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nr.
192,256.
Viele Einzelheiten sind in dem Buch des damaligen Generalprokrators des Ordens enthalten: Franciscus Gaude, De immaculato Deiparae conceptu. Die Schrift datiert vom 20. November 1854, doch setzt der Text die erfolgte Definition voraus. Zum Autor s. Art.: Gaude, Franciscus, Vincenzo, in: DBI 52, 668-670 (CM. Fiorentini). Pareri 592 ...
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14. Juni 1845 entschied sie, daß der Ordensgeneral in Bezug auf die Einführung eines solchen Festes nicht die Zustimmung eines Generalkapitels zu erfragen hat. Gesagt wird ferner, daß künftige Ordensmeister nicht die Vollmacht haben, das neue Officium abzuschaffen. Und schließlich: Alle Dominikaner sind gehalten, das Induit des Apostolischen Stuhls zu Mit diesen Antworten der Kongregation gaben sich die Opponenten indes nicht zufrieden, so daß Ancarani abermals gezwungen war, weitere, noch präzisere Stellungnahmen zu erbitten. Diesmal ging es nicht nur um die umstrittene Verfahrensweise, die zur Übernahme des Festes geführt hatte, sondern auch um Fragen, wie man sich zur Sache selbst stellen sollte. Daß sich in ihnen lebhafte Diskussionen im engeren Kreis spiegeln, dürfte sicher sein. Es könne sein, heißt es in dem Gesuch einleitend, daß sich jemand weigere, den Dekreten des Apostolischen Stuhls zuzustimmen, weil er glaube, Maria sei in der Erbsünde empfangen worden, oder weil er sich fürchte, den Eid auf die Lehre des hl. Thomas zu brechen. Um nun falschen Interpretationen ein für allemal den Schein der Berechtigung zu nehmen, hat der General der Kongregation sieben dubia zar Beantwortung vorgelegt. 1. Kann der Ordensgeneral ohne Zustimmung des Generalkapitels rechtmäßig vom Hl. Stuhl das Fest der Empfängnis Mariens mit dem Zusatz et te in conceptione immaculata entgegennehmen, zumal in einem früheren Generalkapitel, „wie man behauptet", verfügt worden ist, daß dazu der Konsens der obersten Ordensinstanz erforderlich ist? Unter Verweis auf das vorhin genannte Dekret vom 14. Juni 1845 antwortet die 78 Kongregation mit Ja 2. Bedarf der General auch dann nicht der Zustimmung des Generalkapitels, wenn, „wie einige wollen", der Hl. Stuhl „einst" angeordnet hat, daß in den hier zur Rede stehenden Fällen der Ordensmeister allein nur das tun kann, was er mit der Entscheidung des Generalkapitels tun kann? Antwort: Er benötigt keine Zustimmung79. 3. Dürfen künftige Ordensgeneräle, Generalkapitel oder Provinziale das Fest mit dem vorhin zitierten Zusatz abschaffen, da das päpstliche Dekret vom 10. Dezember 1843 keine Verpflichtung auferlegt, sondern nur eine Konzession gewährt? Die Antwort: Sie haben diese Vollmacht nicht mehr80.
akzeptieren77.
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AaO AaO AaO AaO
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594. 596. 595 u. 596. Worauf sich die 595 u. 596.
aliqui berufen, ist unklar.
4. Sind alle Brüder und Nonnen strikt gehalten, das Fest der Empfängnis mit dem Zusatz zu feiern und in ihren Kirchen zu begehen? Die Antwort: Ja81. 5. Gilt diese strenge Verpflichtung auch für die, die nicht an die Unbefleckte Empfängnis glauben und insbesondere auch für die, die den Eid auf die Lehre des hl. Thomas geleistet haben? Die Antwort: Ja. Sollte es nötig sein, möge man den Papst konsultieren, um vom Eid befreit zu werden82. 6. Im Fall einer positiven Antwort auf die dubia 4 und 5 lautet die weitere Frage, ob die, die ihrer eigenen Meinung anhängen und ob die, die sich unter dem Vorwand, der Lehre des Aquinaten zu folgen, weigern, den Entscheidungen des Hl. Stuhls in dieser Angelegenheit nachzukommen, aus Verachtung handeln, selbst wenn sie lediglich das Wort immaculata auslassen? Die Antwort ergibt sich aus der Lösung des vorausgehenden Zweifels83. 7. Haben die Dekrete der Ritenkongregation und die von ihr auf die dubia gegebenen Antworten dieselbe Autorität, die sie hätten, kämen sie vom Papst selbst, auch wenn man diesem keinen Bericht erstattet hätte? Die Antwort: Ja. Das Reskript der Ritenkongregation wurde am 23. März 1847 unterzeichnet84. Offenbar hat Pius IX. den Responsiones große Bedeutung beigemessen, so daß er sie persönlich in allen Punkten am 17. Juni 1847 approbiert hat. Eigens erwähnt wird der Thomaseid, von dem der Papst „alle und jeden einzelnen" befreite85. Vincent Jandel schließlich, damals vicarius generalis des Ordens, erbat von Pius IX. die Erlaubnis, in die Lauretanische Litanei die Anrufung Regina sine labe originali concepta zu übernehmen, die der Papst am 13. Juli 1854 gewährte Auch dieses in letzter Stunde erfolgte Gesuch, dem zahlreiche Bitten von Bischöfen und höheren Oberen vorausgegangen waren, verrät mehr als viele Worte, in welcher Situation sich der Orden am Vorabend der Definition befand87. Das Buch des mit der Stimmung unter den Dominikanern vertrauten Generalprokurators Franciscus Gaude, der diese Details berichtet, war zweifellos als Appell an .
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AaO 595 u. 596. AaO 595 u. 596. AaO 595 u. 596. AaO 596. AaO 596. Dazu s. W. VAN DER MARCK, Geschichte und Ursprung des Thomaseides. F. Gaude, op. cit. § IV, nr. 37, 61 f. Zu Jandels Amtszeit s. B. Bonvin, Lacordaire Jandel 107-138. H.-M. Cormier, Vie du R. Père Alexandre Vincent Jandel. Die Biographie ist für unsere Zwecke unergiebig. Vgl. G. Martina, Pío IX(1851-1866), 161-275.
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widerstrebende Mitbrüder gedacht, sich der „richtig" gedeuteten Lehre des hl. Thomas und der marianischen Tradition des Ordens zu erinnern, der stets treu zu den Entscheiden des Apostolischen Stuhls gestanden habe88. Der Wunsch des Generals angesichts einer anhaltenden Opposition, die Ritenkongregation möge in den internen Konflikten für Klarheit und Zustimmung zu den römischen Entscheidungen sorgen, darf als das letzte wahrnehmbare Zeichen eines latenten Widerstands im Orden verstanden werden. Eine sich über fünf Jahrhunderte hinziehende Diskussion war nunmehr an ihr Ende gelangt.
Fr.
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Gaude, De Immaculato § IV, 61 f.
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Namensverzeichnis
Aegidius Romanus 26, 30, 61, 129, 107,
140 Albertus Magnus 14, 29, 44, 60 Alexander v. Haies 29, 44, 61 Alva y Astorga, P. 22, 62 Alvarus Pelagius 46, 61 Ambrosius, hl. 30, 59 Ambrosius de Altamura 79 Ambrosius Catharinus 106,107,143 Amery, H. 35 Ancarani, A. 147 Andaloro, A. 147 Anselm v. Canterbury 20, 33, 94, 131, 133 Antonin v. Florenz 95, 96 Antonio de Trejo 75, 76 Antonius v. Padua 94, 129 Anzulewicz, H. 18 Argelati, Ph. 79 Arnold, Cl. 106 Astruc de Cortielles, R. 33 Augustinus, hl. 9, 12, 20, 30, 59, 71, 73, 88 Augustinus v. Ancona 26, 140
Bandello, V. 3, 53-74, 79, 80, 84, 86, 96, 142
Bäumer, R. 99 Baier, W. 95 Balic, C. 15,97,102,146 Barré, H. 12 Barrientes García, J. 110,119 Bartholomaeus Brixiensis 63 Beda, hl. 33 Belda Plans, J. 111 Benedikt XIII. 32 Bemardin v. Siena 95, 130 Bernardino de Busti 70 Bernhard v. Cl. 8, 12, 14, 18, 22, 33, 38, 44, 59, 60, 94, 100, 108, 130-134, 139 Bertrand de Turre 29 Bérubé, C. 83
Biel, Gabriel 100 Binder, K. 27,40,49, 100 Bittremieux, J. 83 B0rresen, K.E. 12 Bonaventura 29, 38, 61, 81, 83-85, 94, 95, 108, 129, 130, 139 Bonino, S.-Th. 69
Bonnefoy, J.-F.
17
Bonvin, B. 149 Bouman, CA. 38 Brigitte, hl. 97,98, 133, 134, 136 Brosse, O. de la, 88 Burbach, M. 145
Caj etan, Thomas de Vio 3,81,86-106, 108, 131, 134, 135
Campanella, Tommaso 128-136
Cano, Melchior 110-112,117,143
Caravale, G. Caspar, P. 9
106
Castro, M. de 76 Catena, C. 26 Cecchin, St.M. 97
Christian, R.
22 Clemens VII. 32 Congar, Y. 86 Cormier, H.-M. 149 Courtenay, W.J. 24 Creytens, R. 50
D'Amico, J.F. 143 DaPrati, P. 23 Decker, B. 17 Dedieu,H. 35 Defendi,N. 79
Degand, A.
50
Dessi, R.M. 53,79 Dietz, I.M. 9 Dillon-Bussi, A. 62
Dionysius Areopagita Dionysius Carth. 52
84
167
Domínguez Asensio, JA. 87, 88 Dominicus, hl. 134 Doucet, V. 16 Dunbabin, J. 23 Duns Scotus 30,33,61,65,81- 83,93,97, 102, 130, 146 Durandus de S. Porciano 19-22, 60, 107, 144
Ehrle,F. 17,145 Emmen, A. 34, 66, 95, 102, 146 Ercoled'Este 70,71 Eschmann, LT. 10, 11 Eugen IV. 40,51
Felmberg, B.A.R.
86
Ferrer, Vincenz 32, 60, 95 Ferrua, A. 53 Fiorentini, CM. 47 Firpo,C. 128,135 Fonzo, L. di 70,95 Forcada, V. 32 Forte, St. 25 Franciscus, hi. 129 Franciscus de Araújo 136-138 Franciscus Insuber 70 Franz v. Mayronis 66, 93, 97, 104 Franz v. Vitoria 107 -110, 143 Fries, A. 14 Fumagalli, E. 25 Gabriel de Trejo 128,135
Gaude,F. 147,149,150 Gauthier, R.-A. 9 A. 17 76 Giordano, S. 79 Gomes, P. 119 Gómez, O. 76,119,128 Gofii Gaztambide, J. 28 González Haba, M. 17
Gerwing, Gilly,C.
Gratian 30,63 Gregor d. Gr. 30 Gregor XV. 119-121,125,133,136 Gregor XVI. 147 Gregor v. Rimini 26, 61, 108, 140 Guido de Baysio 30, 63 Guido Terreni 25,30,61,139
168
Häfele, G.M. 100 Hallensleben, B. 86 Hechich, B. 16,17,97 Heimann, Cl. 31 Heinrich v. Gent 17,23,63 Helmrath, J. 34,40,44,99 Hermann v. Schildesche 27 Hernández, R. 136 Hervaeus Natalis 18, 19, 60 Hieronymus, hl. 30 Hinnebusch, W.A. 144 Hödl, L. 15 Hoffmann, A. 7,12,57 Holböck, F. 98 Horst, U. 35, 46, 106-108, 110, 114, 115, 119, 136 Hostiensis 30 Hugo v. St. Cher 60 Hugolin v. Orvieto 61
Huguccio 16,30,63,139 Humbert de Romanis 10
Imbach, R. 24 Innozenz I. 60 Iribarren, I. 19,145 Isolani, I. 79-85 Izbicki, Th.M. 49,79
Jacopone da Todi
61 Jakob v.Metz 17, 144
Jandel.V. 149 Jean de Rouvroy 34, 35 Jellouschek, C. 100 Jetzer, J. 86 Johann I. (König v. Aragon) 31, 140 Johannes Andreae 30, 44 Johannes Baconthorpe 25, 26, 129, 140 Johannes Brito 19 Johannes Capreolus 42,131,135 Johannes Damascenus 33 Johannes Dominici 23, 24, 60, 139, 140 Johannes v. Kaikar 61 Johannes de Montenigro 2, 35-40, 69, 141 Johannes de Montesono 28-30, 60, 85 Johannes Nanni 25 Johannes v. Neapel 18, 60 Johannes v. Paris 60 Johannes de Polliaco 15, 16, 63, 139
Johannes Rupella 30 Johannes v. Segovia 39 Johannes Teutonicus 63 Johannes de Torquemada 2, 35, 39-49, 51, 60,69,96, 131,133, 135, 141 Johannes a St. Thoma 3, 119-128, 136, 138, 143, 146 Jugie, M. 42 Juric,J. 98
Minnich, N. 99 Minis, J. 114 Modric, L. 25 Montag, U. 98 Morard, M. 42 Mortier, DA. 28,53 Müller, H. 34 Mulchahey, M.M. 145
Kaeppeli, Th. 17, 19, 23, 24, 28, 31,
Nicolaus Eymerich 29, 31-34, 140 Nicolaus v. Lyra 30, 61 Nicolaus Trivet 17,29,98 Nyberg, T. 98
134
Katharina v. Siena 60, 98 Klueting, H. 86 Koch,J. 145 Kochaniewiz, B. 7 Kömer, B. 111 Korosak, B. 105 Kristeller, P.O. 54, 143 Kruse, L. 105
Oakley, F.
111 Lauchert, F. 79, 86, 106 Laurentin, R. 120 Laurentius Calcaneus 62, 63 Leander Albertus 53, 54 Le Bachelet, X. 7 Leblanc, M. 57 Leite de Faria, A. 23 LeoX. 3,86,87,99,103-105,143 Leonard v. Nogarola 74 Llamas, E. 40 Löhr.G. 87 Ludolf v. Sachsen 61 Luis de Sotomayor 137
Marcos
Rodríguez,
Marschler, Th. 17,18 Martin V. 98 Martina, G. 149 Mattioli, A. 94 Meersseman, G. 35 Meuthen, E. 87 Migliore, P. 66
99
Ockham 61
Lang,A.
121 149 F. 76,
7
O'Carroll, M. 66
Laarmann, M. 15 Labourdette, M. 57 Lamy,M. 8,23,26,28,31,32,46,97
Margarete a Cruce Marck, W. van der
Mullaney, Th.U.
0'Malley,J.W. 143 Orter, Georg 87 Ouy,G. 28 Panella, E. 17 Paul III. 118 Paul IV. 75,136 PaulV. 75,119,128 Paulus v. Perusa 61? Pelagius 122 Peramau, J. 32, 33
Percin, I.I. 52,64,65 Perrone, J.B. 147 Pesch,O.H. 22,23,57 Petrus Petrus Petrus Petrus Petrus Petrus
Aureoli 194
Compostellanus
25 Lombardus 16, 30, 44, 63, 139 de Palude 22,23,60 de Tarantasia 60 de Vincentia 76
Pez,B. 76 110, 119
Philipp III. (König v. Spanien) 128 Philipp IV. (König v. Spanien) 121, 128,
135, 137 Pierre Porcher 35 PiusV. 120 Pius IX. 149 Polo Carrasco, J. 108 Pompei, A. 97 Pou y Martí, J.M. 128
169
Prügl, Th. 114 Puig i Oliver, J. de 29,31,32 Radultes Hotot 15
Raphael de Pornassio 50-52,60,61,64 Rappenecker, M. 17 Raymund v. Pefiafort 60 Redigonda, L.A. 79 Reiser, B. 124
Richard v. Armagh 63 Richard v. Mediavilla 30,61 Richard v. St. Victor 20 Ridolfî.N. 124 Robert Holkot 24,25,60 Robles, L. 31 Rodrigues, M.A. 137 Rossi, LF. 7 Rossmann, H. 66 Rovetta, A. 79 Rovira, G. 40,76
Saggi, L.
26 Samaritani, A. 17,25 Sbaralea, L.H. 70 Scaramuzzi, O. 106 Schenk, R. 7, 19, 23, 28, 35, 40, 86, 119, 128 Schlosser, M. 107 Schmaus, M. 17 Schmitt, C. 86 Schweizer, J. 106 Sericoli, C. 70,74,75,79 Sixtus IV. 3, 15, 50, 70-72, 74, 79, 82, 86,
100, 101, 103, 107, 111, 116, 121, 124, 125, 131,134, 141, 142
Spada,M. 147 Spina, B. 113-118,143 Soll, G. 42
Springer, K.-B. 113 Stegmüller, O. 19,54,95 Stephan Bourret 52, 65
170
Stieber, E. 52
Stinger, Ch.L.
143
Stöhr,J. 54,119 Stöve, E. 86 Sudmann, St. 34, 99, 142
Taurisano, O. 113 Tavuzzi, M. 54,113
Taylor, J.
17
Teeuwen, M. 15 Thomas v. A. 1, 7-14, 16, 22, 23, 29, 33, 35, 36, 38, 39, 42, 44, 48, 52, 53, 57, 60, 64, 65, 88, 94, 95, 100, 105, 107, 108, 110, 121-127, 129-134, 136, 137, 139, 142, 144, 145, 148 Thomas Hopeman 25 Thomas v. Straßburg 27, 140 Thomas v. Sutton 16, 60
Tognetti, M.
105
Torreil, J.-P. 10,11
Tremp-Utz, K. Turley,Th. 25 Urban V.
86
52,64
Vagaggini, C.
12
Vauchez, A. 89,98
Wadding, L. 70,75 Walz, A. 144 Wassermann, D. 52 Weisheipl, LA. Wicks, J. 86
11
Wilhelm v. Auxerre 63 Wilhelm Duranti 30,63 Wilhelm v. Ware 66, 102 Wirt,Wigand 86
Xiberta, B.M. 25 Zumkeller, A. 26,27