Die Zulässigkeit von Außenseitermethoden und die dabei zu beachtenden Sorgfaltspflichten [1 ed.] 9783428524716, 9783428124718

Bereits seit längerem befindet sich die Schulmedizin in einer Vertrauenskrise und Patienten wenden sich zunehmend Altern

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Die Zulässigkeit von Außenseitermethoden und die dabei zu beachtenden Sorgfaltspflichten [1 ed.]
 9783428524716, 9783428124718

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Schriften zum Strafrecht Heft 190

Die Zulässigkeit von Außenseitermethoden und die dabei zu beachtenden Sorgfaltspflichten Von

Burkhard Tamm

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

BURKHARD TAMM

Die Zulässigkeit von Außenseitermethoden und die dabei zu beachtenden Sorgfaltspflichten

Schriften zum Strafrecht Heft 190

Die Zulässigkeit von Außenseitermethoden und die dabei zu beachtenden Sorgfaltspflichten

Von

Burkhard Tamm

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Sommersemester 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 703 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-12471-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern Heide und Karl-Heinz sowie meiner Lebensgefährtin Andrea

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2006 von der Juristischen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis zu ihrer Fertigstellung im Februar 2006 berücksichtigt worden. Im Zusammenhang mit der Erstellung dieser Dissertation bin ich einer Vielzahl von Menschen zu Dank verpflichtet. Dies gilt zuvörderst für meinen Doktorvater Herrn Prof. Dr. Gerhard Dannecker, der diese Arbeit überhaupt erst ermöglicht hat, indem er mich als Doktorand annahm. Zudem gebührt ihm mein Dank für die ausgesprochen gute Betreuung meiner Arbeit. Desgleichen gilt mein Dank meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Eckhard Nagel sowie Herrn Prof. Dr. Lutz Michalski. Ebenfalls bedanken möchte ich mich sehr herzlich bei Frau Daniela Kleinheisterkamp, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Prof. Dr. Dann-ecker, für die gute und angenehme Betreuung meiner Arbeit. Mein besonderer Dank gilt meiner Lebensgefährtin Frau Dipl.-Ing. Andrea Kubik für ihre Liebe und die Kraft, die sie mir in all der Zeit gegeben hat und weiter gibt. Bedanken möchte ich mich schließlich bei meinen Eltern Heide und KarlHeinz, die mir stets zur Seite stehen und ohne deren Glauben an mich ich all dies kaum erreicht hätte. Ihnen widme ich diese Arbeit. Mein Dank gilt zudem: Dem Gesundheitsamt Ansbach, Herrn Dr. Robert Schulze, für das Überlassen von Informationen und Unterlagen zur Durchführung der Heilpraktikerprüfung. Dem Institut für Demoskopie Allensbach, Frau Gertrud Petrig, für das Überlassen statistischer Daten zur Akzeptanz der Naturheilmittel. Dem Robert-Koch-Institut, Frau Ute Bölt, für das Überlassen statistischen Materials zur Akzeptanz alternativer Heilmethoden. Der Bayerischen Landesärztekammer für das Überlassen von Material zur historischen Entwicklung des Berufsbildes des Arztes. Dem Fachverband Deutscher Heilpraktiker e.V., Herrn Wilms und Herrn Arne Krüger, für Informationen zu den von Heilpraktikern hauptsächlich angewandten Methoden und deren Organisationsgrad. Dem Gesundheitsamt Würzburg, Frau Heinrich, für die Gewährung der Einsichtnahme in schwer zugängliche Literatur und die Ermöglichung eines Einblicks in die praktische Anwendung des Heilpraktikergesetzes. Der Stiftung Warentest für die Überlassung der aktuellen Auflage des Buches „Die andere Medizin – ,Alternative‘ Heilmethoden für Sie bewertet“. Der Fachbuchhandlung „Neuer Weg“, Frau Fecher und Herrn Dürschmied für ihre Unterstützung im Zusammenhang mit der Aktualisierung verwendeter Literatur. Sollte

8

Vorwort

ich an dieser Stelle jemanden zu erwähnen versäumt haben, so mag er mir dies bitte nachsehen, mein Dank ist ihm in jedem Fall gewiss. Streben nach des Himmels Sphären, auch wenn die Welt in Trümmern liegt, heißt wahre Kraft und Stärke nähren, auf dass des Menschen Wille siegt.

Würzburg, im Januar 2007

Burkhard Tamm

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

I. Gegenstand und Ziel der vorliegenden Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

I. Abgrenzung des Experiments und des Heilversuchs von der Heilbehandlung . .

20

1. Der zweistufige Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Der dreistufige Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

3. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

II. Der Begriff der Schulmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

1. Unterscheidung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

2. Unterscheidung nach dem Grad der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

3. Unterscheidung anhand eines Wirksamkeitsnachweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

4. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren . . . . . . .

35

1. Der Begriff der Außenseitermedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

2. Die Entwicklung der Akzeptanz von medizinischen Außenseitermethoden in der Bevölkerung und die Gründe für den Trend zur Außenseitermedizin

37

3. Einzelne Außenseiterverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

a) Diagnostische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

aa) Die Irisdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

bb) Die Elektroakupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der kapillar-dynamische Bluttest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 44

dd) Die Heinz-Spagirik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Angewandte Kinesiologie (AK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 46

b) Therapeutische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

aa) Die Phytotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Homöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 48

cc) Die Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

10

Inhaltsverzeichnis dd) Die Chiropraktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

ee) Die Neuraltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

ff) Die Eigenbluttherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

gg) Die Ozontherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

4. Zusammenfassung / Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

1. Rechtsgeschichtliche Entwicklung des Berufs des Heilpraktikers . . . . . . . . . . .

57

2. Der Begriff „Ausübung der Heilkunde“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Die Definition der Verwaltungsgerichte und Zivilgerichte, die „Fachwissentheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

b) Die Definition der Strafgerichte, die „Eindruckstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . .

70

c) Gründe für die unterschiedlichen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

d) Grenzziehung anhand konkreter Fälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . .

72

e) Die Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

f) Zusammenfassung / Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

g) Gewerblichkeit / Berufsmäßigkeit der Ausübung der Heilkunde . . . . . . . . .

82

3. Die Zulassungsvoraussetzungen im Einzelnen und die Fortbildung des Heilpraktikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

a) Mindestalter von 25 Jahren gem. § 2 Abs. 1 lit. a DVO . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

b) Abgeschlossene Volksschulausbildung gem. § 2 Abs. 1 lit. d DVO . . . . . .

84

c) Sittliche Zuverlässigkeit gem. § 2 Abs. 1 lit. f DVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

d) Geistige und körperliche Eignung gem. § 2 Abs. 1 lit. g DVO . . . . . . . . . . .

84

e) Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt gem. § 2 Abs. 1 lit. i DVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

f) Die Fortbildung des Heilpraktikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

g) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

4. Dem Heilpraktiker untersagte Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

V. Das Berufsbild des Arztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

1. Die Ausbildung des Arztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

2. Die Fort- und Weiterbildung des Arztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

a) Die Fortbildung des Arztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

b) Die Weiterbildung des Arztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Zusammenfassung / Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 VI. Gegenüberstellung der beiden Berufsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Inhaltsverzeichnis

11

VII. Die Heilbehandlung durch Ärzte und Heilpraktiker als Körperverletzung i. S. d. §§ 223 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Strafrechtliche Einordnung der Heilbehandlung durch den Arzt . . . . . . . . . . . . 108 a) Die Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Die Ansicht des Großteils der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Strafrechtliche Einordnung der Heilbehandlung durch den Heilpraktiker . . . 112 B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei der Heilbehandlung durch Ärzte und Heilpraktiker mit Außenseitermethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Der Begriff der Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Das so genannte Übernahmeverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Übernahmeverschulden schon allein aufgrund der Übernahme der Heilbehandlung oder Diagnosestellung mit außerschulischen Methoden? . . . . . . . 119 2. Vom Außenseiterarzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Vom Heilpraktiker zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Der Maßstab des gewissenhaften Heilpraktikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Der Arzt als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Zusammenfassung / Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Die Wahl der Diagnose- / Behandlungsmethode und die Aufklärungspflichten des Außenseiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Die Therapiefreiheit / Methodenfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Das Spannungsverhältnis zwischen Methodenfreiheit und Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Die Selbstbestimmungsaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Die therapeutische Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Die Sorgfalts- und Aufklärungspflichten des Außenseiterarztes . . . . . . . . . . . . . 154 a) Die Wahl der Diagnose- und Behandlungsmethode durch den Außenseiterarzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

12

Inhaltsverzeichnis b) Die Aufklärungspflicht des Außenseiterarztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 5. Die Sorgfalts- und Aufklärungspflichten des Heilpraktikers . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Besonderheiten bei der Wahl der Diagnose- und Behandlungsmethode durch den Heilpraktiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Besonderheiten bei den Aufklärungspflichten des Heilpraktikers . . . . . . . . aa) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 171 172 175

c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 IV. Fehler im Zusammenhang mit der Diagnosestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Vom schulmedizinisch tätigen Arzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . 184 2. Vom Außenseiterarzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Vom Heilpraktiker zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 V. Fehlerhafte Anwendung von Außenseitermethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Unterlassung der Verweisung an einen Arzt oder Spezialisten . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Vom Außenseiterarzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Vom Heilpraktiker zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Nicht kunstgerechte Anwendung einer Außenseitermethode . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Vom Außenseiterarzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Vom Heilpraktiker zu beachtender Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 VI. Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten im Bereich der Schuld . . . . . . . . 197 1. Individuelle Sorgfaltspflicht des Außenseiterarztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Individuelle Sorgfaltspflicht des Heilpraktikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 C. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I. Die für den ärztlichen Außenseiter geltenden Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Die für den Heilpraktiker geltenden Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 D. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Abkürzungsverzeichnis 6. StrRG a. A. a. F. Abs. AHRS

AIDS AK AllMBl AMG Anm. Art. Aufl. Az. BÄO BayObLG Bd. BestG BestV BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BOH BR-Drucksache BtMG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE DÄA DMW DVBl.

6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (Strafrechtsreformgesetz) andere Auffassung alte Fassung Absatz Ankermann / Kullmann (Hrsg.), Arzthaftplicht-Rechtsprechung. Ergänzbare Rechtsprechungssammlung zur gesamten Arzthaftpflicht einschließlich der Haftung von Krankenhausträgern Acquired Immune Deficiency Syndrom Angewandte Kinesiologie Allgemeines Ministerialblatt der Bayerischen Staatsregierung Arzneimittelgesetz Anmerkung Artikel Auflage Aktenzeichen Bundesärzteordnung Bayerisches Oberstes Landesgericht Band Bestattungsgesetz Bestattungsverordnung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Berufsordnung für Heilpraktiker Bundesrat-Drucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur Deutsche Medizinische Wochenschrift Deutsches Verwaltungsblatt

14 DVO e.V. f. ff. Fn. FS GA gem. gerac GewArch GewO GG GKV GRUR GS GVBl. h. L. h. M. HansOLG HebG HeilbKG BW Hessischer VGH HKaG HPG, HprG HRR Hrsg. i. d. R. i. E. i. S. d. IfSG JR LG lit. LM m. w. N. MBO-Ä MDR MedR MMW MWBO NJW

Abkürzungsverzeichnis Durchführungsverordnung eingetragener Verein folgende fortfolgende Fußnote Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß german acupuncture trials Gewerbearchiv – Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht Gewerbeordnung Grundgesetz Gesetzliche Krankenversicherung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt herrschende Lehre herrschende Meinung Hanseatisches Oberlandesgericht Hebammengesetz Heilberufe- und Kammergesetz Baden-Württemberg Hessischer Verwaltungsgerichtshof Heilberufe- und Kammergesetz (Bayern) Heilpraktikergesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung (Zeitschrift) Herausgeber in der Regel im Ergebnis im Sinne des, im Sinne der Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) Juristische Rundschau Landgericht litera Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs mit weiteren Nachweisen Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht (Zeitschrift) Münchener Medizinische Wochenschrift Musterweiterbildungsordnung Neue Juristische Wochenschrift

Abkürzungsverzeichnis Nr. NStZ o. g. OLG OVG PKV RÄO RG RGBl. RGSt Rn. S. s. StGB StPO u. a. u. U. Urt. v. usw. UV VersR VG VGH Baden-Württemberg VGH Nordrhein-Westfalen vgl. z. B. ZHG ZStW zugl.

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Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht oben genannt Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Private Krankenversicherung Reichsärzteordnung Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Seite oder Satz siehe Strafgesetzbuch Strafprozessordnung unter anderem oder und andere unter Umständen Urteil vom und so weiter Ultraviolett Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen vergleiche zum Beispiel Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (Zahnheilkundegesetz) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zugleich

Einleitung I. Gegenstand und Ziel der vorliegenden Arbeit Die klassische Schulmedizin befindet sich seit geraumer Zeit in einer Vertrauenskrise und es ist festzustellen, dass sich Patienten zunehmend Alternativverfahren wie etwa der Akupunktur, der Homöopathie oder der Phytotherapie zuwenden1. Auch in den Medien wird die „Alternative Medizin“ immer wieder thematisiert, werden die einzelnen Verfahren ausführlich dargestellt und diskutiert2. Dabei ist mit der Abwendung von der Schulmedizin oft gleichzeitig verbunden, dass sich Patienten in die Hände eines nichtärztlichen Heilbehandlers, eines Heilpraktikers, begeben, anstatt einen Arzt zu konsultieren. Insgesamt stellt sich im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Verfahren der Außenseitermedizin eine Vielzahl von Fragen:  Wie stark ist der Trend der Abwendung von der Schulmedizin und der gleichzeitigen Hinwendung zur so genannten Außenseitermedizin?  Wird die Außenseitermedizin von den Patienten vor allem als Ergänzung oder aber als Ersatz für die Verfahren der Schulmedizin in Anspruch genommen?  Was sind die Gründe für die zunehmende Beliebtheit der Außenseitermedizin?  Welche strafrechtliche Relevanz hat die Anwendung von Verfahren der Außenseitermedizin? Variiert diese Relevanz in Abhängigkeit davon, ob der Behandler ein Arzt oder aber ein Heilpraktiker ist?  Welche Sorgfaltspflichten treffen den Behandler, der Außenseitermethoden zur Anwendung bringt, aus der Sicht des Strafrechts konkret, und treffen den Heilpraktiker dieselben Sorgfaltspflichten wie den ärztlichen Außenseiter?

Die Analyse der Stärke und der Gründe des Trends zur Außenseitermedizin wird in dieser Arbeit nur einen geringen Umfang einnehmen. Die Erörterung dieses Bereichs dient nur dazu, die Relevanz des Gegenstands dieser Untersuchung darzustellen und gleichzeitig die Gründe für den Trend zur Alternativmedizin zu verdeutlichen. Den Schwerpunkt dieser Arbeit wird dagegen die Frage bilden, 1 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, Vorwort S. V.; Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 8. 2 Vgl. z. B. die Serie „Alternative Medizin“ des Magazins „Stern“, beginnend mit der Ausgabe 08. 01. 2004. Vgl. auch Bayerischer Rundfunk am 29. 09. 2005 im Rundschau Magazin.

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Einleitung

welche Sorgfaltspflichten dem medizinischen Außenseiter aus der Sicht des Strafrechts gegenüber seinen Patienten obliegen. Ziel der Untersuchung ist dabei, sowohl für den ärztlichen als auch für den nichtärztlichen medizinischen Außenseiter aufzuzeigen, an welchem Haftungsmaßstab er sich konkret jeweils messen lassen muss. Brennpunkt innerhalb dieser Erörterung wird die Frage sein, ob an den nichtärztlichen Außenseiter genau dieselben Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind, wie an den Außenseiterarzt oder ob sich dies verbietet. Denn im Gegensatz zur Ausbildung des Arztes ist die des Heilpraktikers nicht gesetzlich geregelt. Die einzigen Rechtsgrundlagen auf Bundesebene stellen das Heilpraktikergesetz (HPG) aus dem Jahr 1939 sowie die dazu erlassenen Durchführungsverordnungen dar. Der Heilpraktiker muss, um eine Zulassung zu erhalten, eine Prüfung bei einem Gesundheitsamt ablegen, wobei die Anforderungen an den Prüfling von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt variieren können. Nach der 1. Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (1. DVO) müssen nur wenige Grundvoraussetzungen erfüllt werden, um als Heilpraktiker zugelassen zu werden. Dabei hängt die Zulassung als Heilpraktiker nicht davon ab, dass der Bewerber die sachliche Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde besitzt, er braucht nach der 1. DVO, was seine Bildung angeht, nicht mehr als eine abgeschlossene Volksschulbildung nachzuweisen (§ 2 Abs. 1 d der 1. DVO)3. Durch die 2. Durchführungsverordnung (2. DVO) wurde als weitere Voraussetzung der Zulassung eingeführt, dass sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergeben muss, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden keine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde4. Aufgrund der Zielsetzung des Heilpraktikergesetzes, die ursprünglich darin bestand, den Heilpraktikerstand abzuschaffen5, handelt es sich dabei nicht um eine Art Fachprüfung, aus der bei Bestehen ein Befähigungsnachweis folgen würde, denn eine Überprüfung der heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Heilpraktiker erfolgt nur am Maßstab der Gefahrenabwehr6. Es stellt sich daher die Frage, welchen Kenntnisstand und welches Wissen man beim Heilpraktiker voraussetzen muss für die Feststellung, ob er auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Wissens seine Sorgfaltspflichten gegenüber dem Patienten verletzt hat. Die Untersuchung wird zeigen, dass sich die Festlegung des zugrunde zu legenden Sorgfaltsmaßstabs schwierig gestaltet. Da in den letzen Jahren eine Zunahme von Arzthaftungsprozessen zu verzeichnen ist7, Haftungsprozesse gegen Heilpraktiker aber Seltenheitswert haben, könnte 3 4 5 6 7

RGBl. 1939, Teil I, S. 260. RGBl. 1941, Teil I, S. 368. Vgl. u. a. BVerwGE 66, S. 357 ff., S. 372; Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 2. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 10, Rn. 2 und 7. Vgl. u. a. Ehlers / Broglie, Arzthaftungsrecht – Grundlagen und Praxis, Ehlers, S. 3, Rn. 9.

II. Gang der Darstellung

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man vermuten, dass die Tätigkeit der Letzteren in geringerem Maße haftungsrelevant ist als die des Arztes, nicht nur, was die zivilrechtliche Haftung anbelangt, sondern auch die strafrechtliche. Die vorliegende Arbeit wird aber zeigen, dass die strafrechtliche Relevanz der Tätigkeit des Heilpraktikers nicht geringer ist als die des Arztes.

II. Gang der Darstellung Am Beginn der Untersuchung wird zunächst die Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Außenseitermedizin“ stehen. Die Begriffe „Schulmedizin“ und „Außenseitermedizin“ werden erörtert und von einander abgegrenzt, damit der Gegenstand dieser Arbeit klar umrissen ist. Im weiteren Verlauf schließt sich die Darstellung der Berufsbilder „Arzt“ und „Heilpraktiker“ an, wobei zum einen die historische Entwicklung verdeutlicht, vor allem aber auch die Unterschiede herausgearbeitet werden sollen, die im Hinblick auf die Regelung der Ausbildung und Fortbildung beider Berufsgruppen bestehen. Der Schwerpunktbereich der Untersuchung, der sich mit den vom ärztlichen und nichtärztlichen Außenseiter jeweils zu beachtenden Sorgfaltspflichten befasst, ist so untergliedert, dass nacheinander einzelne Fehlerquellen bei der Behandlung von Patienten genannt werden und innerhalb dieser Problembereiche dargestellt wird, welche Sorgfaltspflichten jeweils den ärztlichen respektive den nichtärztlichen Außenseiter treffen. Auf diese Weise soll der Leser in die Lage versetzt werden, in Bezug auf den ihn jeweils interessierenden Problembereich schnell zu ermitteln, welche Sorgfaltspflichten dem Außenseiterarzt oder dem Heilpraktiker jeweils konkret obliegen. Die Arbeit wird sich mit den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen befassen und sich kritisch mit diesen auseinandersetzen. Dabei wird gezeigt, dass die bestehenden Regelungen zur Ausübung der Heilkunde durch Heilpraktiker nicht ausreichen und es gesetzlicher Vorschriften bedarf, die entweder den Beruf und insbesondere die Ausbildung des Heilpraktikeranwärters dezidiert regeln oder aber die Ausübung der Heilkunde durch Nichtärzte einschränken oder untersagen.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz Am Anfang der Auseinandersetzung mit den strafrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit medizinischen Außenseitermethoden muss die Abgrenzung der Begriffe „Schulmedizin“ und „Außenseitermedizin“ stehen. Daran schließt sich die Darstellung des Berufsbilds des Heilpraktikers respektive des Arztes an. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Berufsbildern werden herausgearbeitet. Am Ende dieses Kapitels steht die Frage, ob die Heilbehandlung durch den Arzt respektive den Heilpraktiker den Tatbestand der Körperverletzung i. S. d. §§ 223 ff. StGB verwirklicht.

I. Abgrenzung des Experiments und des Heilversuchs von der Heilbehandlung Bevor definiert wird, was unter Schulmedizin und was unter Außenseitermedizin zu verstehen ist, muss eine andere Abgrenzung erfolgen, nämlich die zwischen der Heilbehandlung, um die es im Rahmen dieser Arbeit gehen soll, und dem medizinischen Experiment und Heilversuch, die beide nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind. Für diese Arbeit wird lediglich der Begriff der Heilbehandlung eine Rolle spielen, weil es im Bereich des Experiments und des Heilversuchs um neuartige respektive noch nicht oder nur wenig erprobte Verfahren geht. Beide Bereiche sind daher – das Experiment im engeren, der Heilversuch nur im weiteren Sinne, wie im Folgenden gezeigt werden wird – dem Bereich der medizinischen Forschung zuzuordnen. Der Bereich der Forschung ist für diese Arbeit jedoch irrelevant, weil keines der in dieser Arbeit angesprochenen Außenseiterverfahren zu den unerprobten oder nur wenig erprobten Verfahren zu zählen ist. Die Abgrenzung zur Heilbehandlung ist aber nicht nur zur Kennzeichnung des Gegenstandes dieser Arbeit, sondern auch deshalb erforderlich, weil der therapeutische Eingriff und das Experiment unterschiedliche Voraussetzungen haben, um strafrechtliche Rechtfertigung zu erlangen8. Im Folgenden sollen einige der in diesem Bereich vertretenen Meinungen dargestellt und bewertet werden, um anschließend die einzelnen Begriffe so zu defi8 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 48; Siebert, Strafrechtliche Grenzen Ärztlicher Therapiefreiheit, S. 29.

I. Abgrenzung des Experiments und des Heilversuchs

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nieren, wie sie für die vorliegende Untersuchung zugrunde gelegt werden sollen, damit klar wird, was im Rahmen dieser Arbeit unter dem Begriff der Heilbehandlung zu verstehen ist. Es können im Wesentlichen zwei unterschiedliche Meinungsströmungen unterschieden werden: Zum einen gibt es Autoren, die lediglich zwischen den Begriffen Heilbehandlung und Experiment unterscheiden, zum anderen gibt es diejenigen, die den genannten Kategorien eine dritte hinzufügen, nämlich die des Heilversuchs. Im Folgenden werden daher diese beiden Ansätze dargestellt und bewertet, wobei auch auf die Unterschiede im Detail innerhalb dieser zwei großen Strömungen eingegangen wird. Die von den Autoren verwandte Terminologie ist dabei nicht einheitlich. So wird das Experiment zum Teil auch synonym als Humanexperiment bezeichnet, die Heilbehandlung als Heileingriff.

1. Der zweistufige Ansatz Zu den Autoren, die lediglich zwischen den Begriffen Heilbehandlung und Experiment unterscheiden wollen, zählen Bockelmann9 und Siebert10. a) Nach Bockelmann ist ein Experiment anzunehmen, wenn es an einer therapeutischen Zielsetzung fehlt und das Vorgehen des Behandlers vielmehr der Gewinnung neuer medizinischer Erkenntnisse oder der Bestätigung oder Widerlegung wissenschaftlicher Hypothesen dient. Dies soll auch dann gelten, wenn in Aussicht genommen ist, die erzielten Erkenntnisse später zur Entwicklung therapeutischer Methoden zu nutzen11. Eine Heilbehandlung liegt dagegen nur dann vor, wenn eine therapeutische Zielsetzung besteht; außerdem muss es sich grundsätzlich um eine bereits am Menschen erprobte Heilmaßnahme handeln12. Aber auch die Fälle, in denen eine erstmalige Anwendung eines neuartigen, aber soweit wie möglich im Tier- und Menschenversuch bereits erprobten Verfahrens im Ernstfall vorliegt, das heißt, wenn keine bewährte Methode zur Verfügung steht, sind nach Bockelmann kein Experiment, sondern nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilende Heileingriffe13. In diesen Fällen liegt nach der Ansicht Bockelmanns also so etwas wie eine Heilbehandlung besonderer Art vor. Neben der Erprobtheit des Verfahrens ist nach Bockelmann also für den Begriff der Heilbehandlung entscheidend, dass zumindest auch eine therapeutische Zielsetzung gegeben ist. Wird dagegen ein noch nicht erprobtes Verfahren ohne theraBockelmann, Strafrecht des Arztes. Siebert, Strafrechtliche Grenzen Ärztlicher Therapiefreiheit. 11 Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 119, Fn. 2. 12 Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 97 und 99. 13 Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 82, Rn. 96. 9

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

peutische Zielsetzung am Menschen angewandt, so liegt ein Experiment vor. Eine weitere Differenzierung zwischen Heilversuch und Experiment unternimmt Bockelmann nicht. Die Abgrenzung zwischen Heilbehandlung und Experiment erfolgt also zum einen grundsätzlich anhand des objektiven Kriteriums der Erprobtheit des Verfahrens, zum anderen rein subjektiv nach der Zielsetzung des jeweiligen Behandlers. b) Siebert will dagegen zur Differenzierung zwischen Heilbehandlung und Experiment nicht darauf abstellen, ob es sich um die erstmalige Anwendung einer Methode am Menschen handelt oder um die Anwendung bereits erprobter Verfahren. Auch lehnt er es ab, das Vorliegen einer Heilbehandlung davon abhängig zu machen, dass es sich um die Anwendung einer standardisierten Methode handelt, weil der Begriff der Standardisierung nur schwer zu definieren sei14. Nach Siebert soll die Abgrenzung im Unterschied zu Bockelmann anhand rein subjektiver Kriterien erfolgen. Danach ist die Heilbehandlung dadurch gekennzeichnet, dass bei ihr ein konkreter therapeutischer Zweck – die Heilung oder Linderung der Leiden eines bestimmten Patienten – im Vordergrund steht. Beim Humanexperiment steht demgegenüber eine regelmäßig im Allgemeininteresse verfolgte wissenschaftliche Zielsetzung im Vordergrund15. Als Indiz für den experimentellen Charakter des ärztlichen Vorgehens könne nach Siebert dann angesehen werden, dass der Arzt nach bestimmten Regeln vorgeht, um eigene oder fremde theoretische Überlegungen zu bestätigen oder nicht hinreichend bekannte Naturgesetze im menschlichen Organismus aufzufinden. Im Zweifel sei vom Heilwillen des Arztes auszugehen, weil dieser „sich so besser stünde“, als es bei Annahme eines Experiments der Fall wäre16.

2. Der dreistufige Ansatz Als Vertreter eines dreistufigen Ansatzes, die nicht nur das Experiment und die Heilbehandlung, sondern daneben auch noch den Heilversuch als Kategorie kennen, sind im Wesentlichen Grahlmann17, Laufs18, Eser19 und Deutsch20 zu nennen. Siebert, Strafrechtliche Grenzen Ärztlicher Therapiefreiheit, S. 25. Siebert, Strafrechtliche Grenzen Ärztlicher Therapiefreiheit, S. 28 und 29. 16 Siebert, Strafrechtliche Grenzen Ärztlicher Therapiefreiheit, S. 29. 17 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik von Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden. 18 Laufs, Die klinische Forschung am Menschen nach deutschem Recht, VersR 1978, S. 385 ff.; Laufs, Die Entwicklung des Arztrechts im Jahre 1977 / 78, NJW 1978, S. 1177 ff. 19 Eser, Das Humanxperiment – Zu seiner Komplexität und Legitimität, Schröder-GS, S. 191 ff. 20 Deutsch, Das wissenschaftliche, nicht therapeutische Experiment am Menschen: nationale und internationale Grundsätze, VersR 1983, S. 1 ff.; Deutsch, Medizinrecht, Arztrecht, 14 15

I. Abgrenzung des Experiments und des Heilversuchs

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a) Eine ärztliche Maßnahme ist nach Grahlmann dann als Heileingriff anzusehen, wenn diese hinsichtlich der konkret bestimmten Behandlungsziele indiziert ist. Indiziert sei ein Engriff dann, wenn die Aussicht, die gesamte Verfassung des Patienten durch den konkreten Eingriff zu bessern – also nicht nur das betreffende Leiden zu heilen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit größer ist, als das Risiko, dass sich der Gesamtzustand des Patienten ohne den Eingriff verschlechtert. Außerdem dürfe es kein besseres Verfahren (wirksameres oder zumindest ebenso wirksames mit niedrigem Risiko) geben21. Ein Verfahren könne darüber hinaus aber nur dann objektiv indiziert sein, wenn es sich um ein bereits am Menschen erprobtes Verfahren handelt, denn nur dann liegen bereits Erkenntnisse über die Geeignetheit des jeweiligen Verfahrens vor und bestehen für den Eingriff bereits Regeln, an die der Behandler sich halten muss und anhand derer beurteilt werden kann, ob die Lex Artis bei der Durchführung des Eingriffs eingehalten wurde22. Weitere Voraussetzung für die Qualifikation einer Maßnahme als Heileingriff ist nach Grahlmann, dass der Eingriff von einer Heilintention des Behandlers getragen ist, der Behandler müsse mit Heilwillen tätig werden23. Zusammengefasst formuliert, setzt ein Heileingriff nach der Ansicht Grahlmanns Folgendes voraus: Es muss sich bei dem jeweiligen Eingriff um ein bereits am Menschen erprobtes Verfahren handeln, für dessen Anwendung sich bereits Regeln herausgebildet haben. Dieses Verfahren muss in der Weise objektiv indiziert sein, dass die Chancen, die gesamte gesundheitliche Verfassung des Patienten zu bessern, höher sind, als das Risiko, dass es ohne den Eingriff zu einer Verschlechterung dieses Zustandes kommt. Ein besseres Verfahren (wirksamer oder genauso wirksam aber risikoärmer) darf nicht zur Verfügung stehen. Außerdem muss der Behandler mit Heilwillen handeln, es muss ihm um die Heilung des konkreten Patienten gehen. Der Begriff des Experiments setzt nach Grahlmann zunächst einmal voraus, dass es sich bei dem am Patienten vorgenommenen Eingriff um ein Verfahren handelt, das erstmalig am Menschen angewandt wird24. Weitere Voraussetzung sei aber zudem, dass es dem Behandler nur um das generell therapeutische Ziel gehen muss, einen neuen Weg für bestimmte schon vorhandene Kranke oder auch für noch unbestimmte zukünftige Kranke zu finden, es müsse also an einer konkreten therapeutischen Zweckgebundenheit fehlen25. Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, Rn. 652; Deutsch, Medizin und Forschung vor Gericht – Kunstfehler, Aufklärung und Experiment im deutschen und amerikanischen Recht, S. 38 ff. 21 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik von Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 4. 22 Vgl. Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik von Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 4 f.; S. 15. 23 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik von Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 4 f. 24 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik von Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 22 f.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Der Heilversuch nimmt nach der Ansicht Grahlmann eine eigene rechtliche Stellung in der Pufferzone zwischen Heileingriff und Experiment ein26. Zwar habe der Heilversuch mit dem Experiment gemein, dass in beiden Fällen eine erstmalige Anwendung von Verfahren am Menschen gegeben ist, beziehungsweise, dass es sich um einen neuartigen Eingriff handelt27. Der Heilversuch unterscheide sich jedoch im Bereich der subjektiven Zielrichtung der ärztlichen Tätigkeit vom Experiment. Während das Experiment nur das generell therapeutische Ziel verfolge, einen neuen Weg für bestimmte, schon vorhandene Kranke oder auch für noch unbestimmte zukünftige Kranke zu finden, komme beim Heilversuch die konkret therapeutische Zwecksetzung hinzu28. Dieser therapeutische Zusatzzweck müsse dabei inhaltlich in ganz bestimmter Weise ausgestaltet sein, damit von einem Heilversuch gesprochen werden könne. Grahlmann fordert das Vorliegen einer „subjektiven Indikation“ und führt dazu aus, dass ein Heilversuch voraussetze, dass der Behandler aufgrund positiv ausgefallener Vorversuche im Labor und an Tieren den Eingriff in der „Hoffnung“ ausführen kann, das Ergebnis des Tierversuchs werde sich auch hier zeigen. Neben diesem als Wissenselement benannten Faktor müsse aber noch ein Willenselement hinzukommen. Der Arzt muss zumindest auch den Willen haben, den jeweiligen konkreten Kranken zu heilen. Beide Elemente seien bei der „subjektiven Indikation“ nahezu untrennbar miteinander verknüpft. In der „subjektiven Indikation“ liege daher das Abgrenzungskriterium zum Experiment29. Zu den Voraussetzungen dieser Indikation führt Grahlmann dann weiter aus: Die ärztliche Erfahrung im Allgemeinen, gründliche und günstig verlaufende Vorversuche im Labor und an Tieren sowie der Mangel einer bewährten Methode seien die Voraussetzungen dafür, dass dieser Eingriff nicht als Humanexperiment angesehen wird. Denn er biete wenigstens noch die Hoffnung auf Rettung des betreffenden Patienten. Hier zeige sich auch der Wert eines so verstandenen ultimaRatio-Gedankens. Handele es sich bei dem Eingriff um die „letzte Chance“, so ist der erstmalige Eingriff zwar kein Heileingriff, aber auch kein Humanexperiment, sondern ein Heilversuch, denn er ist die letzte Hoffnung auf Verlängerung des vom Tode bedrohten Lebens beziehungsweise auf Heilung des Erkrankten30. 25 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 25. 26 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 3. 27 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 1 f., S. 22 ff. 28 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 25. 29 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 25 f. 30 Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch – Zur strafrechtlichen Problematik Neulandoperationen und experimentellen Heilmethoden, S. 26 und dort Fn. 153.

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I. Abgrenzung des Experiments und des Heilversuchs

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Zusammenfassend formuliert, kennzeichnet den Heilversuch nach Grahlmann, dass es zwar auch dort – wie beim Experiment – um die erstmalige Anwendung eines Verfahrens am Menschen gehe. Im Gegensatz zum Experiment komme beim Heilversuch jedoch der therapeutische Zusatzzweck hinzu, die „subjektive Indikation“. Beim Heilversuch gehe es dem Behandler auch um die Heilung des jeweiligen Patienten (Willenselement). Aufgrund positiv ausgefallener Vorversuche im Labor und an Tieren dürfe der Behandler den Eingriff in der „Hoffnung“ ausführen, das Ergebnis des Tierversuchs werde sich auch hier zeigen (Wissenselement). Voraussetzung der „subjektiven Indikation“ sei dabei aber immer, dass das jeweilige Verfahren im Sinne einer „ultima-Ratio“ die letzte Chance für den Patienten darstellt. Die Heilung des konkreten Patienten muss nach Ansicht Grahlmanns bei alledem nicht im Vordergrund stehen, damit von einem Heilversuch gesprochen werden kann, sondern es soll ausreichen, wenn Forschungszweck und Heilintention kumulativ festgestellt werden können. c) Gegen diese kumulative Rechtfertigung Grahlmanns im Bereich der Definition des Heilversuchs wendet sich Laufs. Er kritisiert, dass Kernstück dieser Rechtfertigung neben der Heilintention und der Einwilligung des Patienten die Wahrnehmung berechtigter Interessen durch den Arzt sei. Diesen berechtigten Interessen, mit denen Grahlmann den medizinischen Fortschritt meint, komme aber unter den rechtfertigenden Elementen nicht der erste Rang zu, den ihm Grahlmann zumesse, denn der Mensch dürfe dem technischen Fortschritt grundsätzlich nicht als Mittel dienen31. Kennzeichnend für den Heilversuch sei zum einen dass dort empirischwissenschaftliches Neuland betreten werde32. Der Heilversuch stünde dem Standardeingriff dabei aber näher als das wissenschaftliche Experiment33. Der Heilversuch zeige sich geprägt durch die ins Werk gesetzte Heilabsicht. Mag dieser auch als nicht im strengen Sinne indiziert, das heißt durch Wissenschaft und Erfahrung angezeigt gelten können, so erweise er sich jedenfalls als ärztlich vertretbar, aus der Sicht des Handelnden als gesollte Maßnahme. Der Heilversuch sei daher zu kennzeichnen als die – ex ante beurteilt – vertretbare, oft als ultima Ratio eingesetzte, durch das ärztliche Gewissen gebotene, primär in therapeutischer Absicht durchgeführte Heilmaßnahme34. Nach der Ansicht von Laufs muss die therapeutische Absicht also im Vordergrund stehen und darf nicht – wie bei Grahlmann – lediglich auch eine Rolle spielen. Zum Experiment führt Laufs aus, dass dieses insoweit dem Heilversuch gleiche, als auch dort empirisch-wissenschaftliches Neuland betreten werde35. Das Experi31 Laufs, Die klinische S. 385 ff., S. 388. 32 Laufs, Die klinische S. 385 ff., S. 387. 33 Laufs, Die klinische S. 385 ff., S. 392. 34 Laufs, Die klinische S. 385 ff., S. 392.

Forschung am Menschen nach deutschem Recht, VersR 1978, Forschung am Menschen nach deutschem Recht, VersR 1978, Forschung am Menschen nach deutschem Recht, VersR 1978, Forschung am Menschen nach deutschem Recht, VersR 1978,

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

ment unterliege jedoch strengeren Voraussetzungen als der Heilversuch36. Das Experiment gelte nicht dem gesundheitlichen Wohl des Probanden, sondern dem Fortschritt von Wissenschaft und Heilkunst. Diese Definition des Heilversuchs und des Experiments lässt nur wenig Raum für die Definition des Begriffs der Heilbehandlung im engeren Sinn. Wenn nach Laufs schon beim Heilversuch das konkrete therapeutische Ziel im Vordergrund steht, also nicht – wie bei Grahlmann – lediglich auch eine Rolle spielt, dann folgt aus dieser Definition für den Begriff der Heilbehandlung, dass diese nur dann vorliegt, wenn auch hier zum einen der konkrete therapeutische Zweck, die Heilung des Patienten, im Vordergrund steht und zum anderen – und damit im Gegensatz zum Heilversuch – ein Standardeingriff vorliegt. Die Ansicht Laufs vertreten mit Unterschieden in der Begründung auch Eser und Deutsch: d) Eser führt aus, dass die Anwendung eines Medikaments, bei der es primär um die Heilung des betroffenen Patienten geht, nicht schon deshalb den Charakter einer Heilbehandlung verliere, weil damit zugleich auch ein Forschungsinteresse verbunden ist. Motiv- und Zweckbündel seien unschädlich, sofern das Verfahren oder Mittel im konkreten Fall objektiv indiziert und das individuelle Heilungsinteresse dominant oder zumindest wesentlich mitbestimmend bleibt37. Auch Eser nimmt also eine Heilbehandlung an, wenn bereits erprobte Verfahren zur Anwendung kommen und das individuelle Heilungsinteresse zumindest im Vordergrund steht. Fraglich werde dies aber bereits dort, wo ein Verfahren oder Mittel hinsichtlich seiner (positiven oder möglicherweise auch negativen) Wirksamkeit noch nicht hinreichend erprobt ist und daher streng genommen nicht als objektiv indiziert betrachtet werden kann, der Einsatz dieser Therapie jedoch mangels eines sonstigen, bereits bewährten beziehungsweise erprobtermaßen besseren Verfahrens, die einzige Rettungschance darstellt. Eser kommt dann zu dem Schluss, dass ein solcher Heilversuch, wie er im Grunde jeder Ersterprobung am Menschen, aber genau genommen auch bei einem an sich erprobten Verfahren in der erstmaligen Anwendung durch diesen Operateur liegt, zwar objektiv einen experimentellen Charakter besitzt, aber durch das subjektive Heilungsinteresse der Kategorie der Heilbehandlung näher steht. Deshalb seien deren Regeln grundsätzlich auch auf einen solchen Heilversuch anwendbar38. Durch den Begriff des Heilversuchs erfasst Eser also die 35 Laufs, Die klinische Forschung am Menschen nach deutschem Recht, VersR 1978, S. 385 ff., S. 387. 36 Laufs, Die klinische Forschung am Menschen nach deutschem Recht, VersR 1978, S. 385 ff., S. 389; Laufs, Die Entwicklung des Arztrechts im Jahre 1977 / 78, NJW 1978, S. 1177 ff., S. 1179. 37 Eser, Das Humanexperiment – Zu seiner Komplexität und Legitimität, Schröder-GS, S. 191 ff., S. 198 und 199. 38 Eser, Das Humanexperiment – Zu seiner Komplexität und Legitimität, Schröder-GS, S. 191 ff., S. 199.

I. Abgrenzung des Experiments und des Heilversuchs

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Fälle, in denen noch nicht hinreichend erprobte Verfahren zum Einsatz kommen, jedoch ein subjektives Heilungsinteresse die Hauptrolle spielt. Als kennzeichnend für ein im Vordergrund stehendes Heilungsinteresse sieht er an, dass das jeweilige Verfahren mangels anderer adäquater Therapien als letzte Chance für den Patienten eingesetzt wird. Von einem Humanexperiment geht Eser dort aus, wo es überhaupt nicht mehr (oder allenfalls beiläufig) um ärztliche Behandlung des konkret betroffenen Menschen geht, sondern ausschließlich (oder jedenfalls primär) um wissenschaftliche Zwecke. Dies sei sowohl dort der Fall, wo an Patienten ein Verfahren oder Mittel erprobt wird, das für sein eigentliches Leiden weder objektiv indiziert ist noch sonst wie in finalem Zusammenhang damit steht, wie auch da, wo das verabreichte Mittel zwar auch Behandlungszwecken dient, aber – anders als beim Heilversuch – nicht mangels anderer adäquater Therapien, sondern primär zu Erprobungszwecken (Unschädlichkeits-, Wirksamkeits- oder Überlegenheitsnachweis) eingesetzt wird39. Beim reinen Humanexperiment fehlt also das Heilungsinteresse oder es spielt lediglich eine untergeordnete Rolle. e) Deutsch stellt zunächst fest, dass Ausgangspunkt für die Definition der Begriffe Heilbehandlung, Heilversuch und Experiment begrifflich das Gegensatzpaar Versuchsbehandlung und Standardbehandlung sei40, wobei eine Standardbehandlung diejenige sei, die üblicherweise von Ärzten oder Fachärzten dieser Richtung oder in Kliniken dieser Spezialisierung angewendet wird41. Von einer Heilbehandlung ist danach nur dann auszugehen, wenn im Rahmen einer therapeutischen Zielsetzung Standardmethoden zur Behandlung des Patienten eingesetzt werden. Für den Heilversuch und das Experiment ist dagegen zunächst kennzeichnend, dass es sich jeweils um unerforschte Verfahren handelt. Im Weiteren stellt Deutsch zur Abgrenzung von Experiment und Heilversuch dann auf den phänomenologischen und normativen Unterschied ab. Phänomenologisch werde der Heilversuch durch den Therapiezweck wesentlich akzentuiert42. Diese Formulierung legt nahe, dass auch nach der Ansicht von Deutsch der Therapiezweck beim Heilversuch im Vordergrund stehen muss und nicht lediglich einen Nebenzweck darstellen darf. In normativer Hinsicht finde beim Heilversuch die Abwägung zwischen Vorteil und Gefahr auf gleichen Ebenen statt. Hier sei die erhoffte Besserung mit dem Risiko des unerforschten Weges zu 39 Eser, Das Humanexperiment – Zu seiner Komplexität und Legitimität, Schröder-GS, S. 191 ff., S. 200. 40 Deutsch, Medizinrecht, Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, Rn. 651; Deutsch, Medizin und Forschung vor Gericht – Kunstfehler, Aufklärung und Experiment im deutschen und amerikanischen Recht, S. 42. 41 Deutsch, Medizinrecht, Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, Rn. 651. 42 Deutsch, Das wissenschaftliche, nicht therapeutische Experiment am Menschen: nationale und internationale Grundsätze, VersR 1983, S. 1 ff., S. 2.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

kontrastieren; beide Schätzungen bezögen sich auf die Versuchsperson und ihr Wohlergehen43. Im Gegensatz dazu finde diese Abwägung beim Experiment, das Deutsch auch als wissenschaftlichen Versuch bezeichnet, auf verschiedenen Ebenen statt. Dort sei der wissenschaftliche Gewinn an Erkenntnis dem Risiko des Einzelnen gegenüberzustellen. Der Fortschritt der Wissenschaft und die individuelle Gefahr träfen sich jedoch nicht auf der gleichen Werteskala. Im Gegensatz zum Heilversuch wird das Experiment nicht durch einen Therapiezweck akzentuiert44. Fehlt daher bei der Anwendung noch in der Erprobung befindlicher Methoden die therapeutische Zielsetzung oder spielt sie lediglich eine untergeordnete Rolle, so handelt es sich um ein Experiment.

3. Zusammenfassung und Bewertung Dem zweistufigen Ansatz von Bockelmann und Siebert kann nicht gefolgt werden. Dies deshalb, weil es begrifflich erforderlich erscheint, die Fälle eigenständig zu erfassen, in denen nicht oder nur wenig erprobte Verfahren zum Einsatz kommen, in denen aber eine therapeutische Zielsetzung im Vordergrund steht. Diese Fälle lassen sich befriedigend weder unter den Begriff der Heilbehandlung fassen noch unter den des Experiments. Die zusätzliche Kategorie des Heilversuchs ermöglicht hier eine klare Differenzierung, wie sie auch bereits in den „Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“, die 1931 vom Reichsministerium des Innern erlassen wurden, vorgenommen wurde45, so dass dem dreistufigen Ansatz der Vorzug gebührt. Auch wird so dem Umstand Rechnung getragen, dass der Patient bei Anwendung von noch wenig erprobten Verfahren auch umfassender aufzuklären ist, als bei Durchführung einer Standardbehandlung46. Die Aufklärung bei einem Heilversuch muss also umfassender sein, als bei Anwendung einer Standardheilbehandlung. Die Kategorie des Heilversuchs hilft dem Behandler dabei, den Umfang seiner Aufklärungspflicht richtig einzuschätzen. Die einzelnen Begriffe der Heilbehandlung, des Heilversuchs und des Experiments vollständig nach objektiven Kriterien abzugrenzen, erscheint dabei nicht möglich. Die einzig tauglichen objektiven Kriterien sind die Erprobtheit und die Standardisierung der jeweiligen Therapiemethode. Im Übrigen kann dann jedoch nur nach subjektiven Gesichtspunkten abgegrenzt werden, das heißt, es kommt auf die jeweilige Zielsetzung des ärztlichen Handelns an. 43 Deutsch, Das wissenschaftliche, nicht therapeutische Experiment am Menschen: nationale und internationale Grundsätze, VersR 1983, S. 1 ff., S. 2. 44 Deutsch, Das wissenschaftliche, nicht therapeutische Experiment am Menschen: nationale und internationale Grundsätze, VersR 1983, S. 1 ff., S. 2. 45 Vgl. DMW 1931, S. 509. 46 Laufs, Arztrecht, Rn. 489.

I. Abgrenzung des Experiments und des Heilversuchs

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Von den Vertretern des dreistufigen Ansatzes kann Grahlmann insoweit nicht gefolgt werden, als er es für die Annahme eines Heilversuchs für ausreichend erachtet, wenn die Heilung des Patienten neben dem Forschungszweck lediglich auch eine Rolle spielt. Hier wird dem Forschungsinteresse ein unangemessenes Gewicht eingeräumt und der Patient zum Objekt der Forschung degradiert, obschon diese Bewertung von Grahlmanns Ansicht durch seine Erwähnung des ultima-Ratio-Gedankens etwas abgeschwächt wird. Vorzugswürdig erscheint die Ansicht von Laufs, Deutsch und Eser. Kennzeichnend sowohl für das Experiment als auch für den Heilversuch ist folglich, dass noch in der Erprobung befindliche Methoden zur Anwendung kommen. Dies ist zum einen bei der erstmaligen Anwendung einer neuen Therapie auf den Menschen der Fall. Zum anderen aber auch bei der Anwendung einer noch neuen Therapie, die zwar schon wenige Male angewandt wurde, aber für deren Anwendung sich noch kaum feste Regeln herauskristallisieren konnten, und bei der die Chancen und Risiken noch nicht feststehen, weil noch zu wenig Erfahrungen mit dieser Therapieform vorliegen. Der Bereich der Forschung wurde also noch nicht verlassen. Der Übergang von „noch nicht ausreichend erprobt“ zu „ausreichend erprobt“ ist dabei fließend und eine Frage des Einzelfalls. Ein Experiment stellt dann die Anwendung von in dieser Weise noch in der Erprobung befindlichen Methoden dar, ohne dass mit der Anwendung dieser Methoden eine therapeutische Zielsetzung verbunden ist. Ein Experiment liegt aber auch dann noch vor, wenn die therapeutische Zielsetzung nur eine untergeordnete Rolle spielt, also nicht im Vordergrund steht. Ein Heilversuch ist dann gegeben, wenn solche noch in der Erprobung befindlichen Methoden zur Anwendung kommen und mit der Behandlung eine therapeutische Zielsetzung verbunden ist, die dabei im Vordergrund stehen muss, also nicht lediglich eine Nebenrolle spielen darf. Kennzeichnend für diese Heilintention ist in der Regel, dass das jeweilige Verfahren mangels anderer adäquater Therapien als letzte Chance für den Patienten eingesetzt wird. Eine Heilbehandlung liegt dagegen dann vor, wenn bereits erprobte Verfahren zum Einsatz kommen, bei denen bereits gewisse Erfahrungen mit der Anwendung vorliegen, sich schon Regeln für die Anwendung ergeben haben und bei deren Anwendung die Heilung des Patienten im Vordergrund steht oder die einzige Intention darstellt. Das Experiment und der Heilversuch werden aus den bereits eingangs dargestellten Gründen nicht Gegenstand dieser Arbeit sein.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

II. Der Begriff der Schulmedizin Viele Autoren haben den Versuch unternommen, den Begriff der Schulmedizin zu definieren und zum Teil wird behauptet, dass die Grenzen zwischen Schulmedizin und Alternativmedizin fließend seien47. Es existieren im Wesentlichen drei Ansätze, die im Folgenden dargestellt werden sollen, um einen Überblick über die unterschiedlichen Ansichten zu verschaffen. Dabei ist festzustellen, dass die dargestellten Ansätze untereinander Überschneidungen aufweisen.

1. Unterscheidung nach dem Wortlaut Eine Richtung in der Literatur orientiert sich am Wortlaut und versteht unter Schulmedizin den Inbegriff dessen, was an Universitäten auf dem Sektor der Medizin gelehrt wird48, die auf den Universitäten und Medizinischen Akademien in wissenschaftlicher Forschung, Lehre und Krankenbehandlung betriebene Medizin49 oder auch die Auffassung namhafter Universitätslehrer und Ärzte50. An Hochschulen und Universitäten werden jedoch zunehmend auch alternative Behandlungsmethoden gelehrt51. Aus diesem Grund kann allein hierauf nicht abgestellt werden52, denn damit wären auch Heilmethoden erfasst, die in der Medizin übereinstimmend oder weit überwiegend als Außenseitermethoden eingestuft werden.

2. Unterscheidung nach dem Grad der Anerkennung a) Ein weiterer Ansatz, den Schwalm vertritt, wäre, auf den Grad der Anerkennung der jeweiligen Methode und darauf abzustellen, von wem sie vertreten wird. So wird der Begriff der Schulmedizin von ihm u. a. definiert als die auf den Universitäten gelehrte medizinische Wissenschaft, wenn sie entweder allgemein oder weitaus überwiegend anerkannte Regeln entwickelt hat, oder Heilverfahren von überragender Wirksamkeit und Bedeutung oder doch weit verbreitete und erprobte 47 Vgl. z. B. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, § 12, IV. 3. e). 48 Zuck, Der Standort der besonderen Therapierichtungen im deutschen Gesundheitswesen, NJW 1991, 2933 ff. 49 Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 93, Fn. 12. 50 Ebermayer, Der Arzt im Recht – Rechtliches Handbuch für Ärzte, S. 137. 51 Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, § 12, IV. 3. a); Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 1. 52 Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, § 12, IV. 3. a).

II. Der Begriff der Schulmedizin

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Verfahren in Lehre, Ausbildungspraxis und Forschung vertritt53. Offen bleibt bei dieser Definition, in welchem Maße die jeweilige medizinische Methode der wissenschaftlichen Kontroverse entzogen sein muss, damit von einer derartigen allgemeinen Anerkennung gesprochen werden kann, und wer darüber befindet, ob sie in ausreichendem Maße unumstritten ist54. Auch bleibt diese Ansicht zu sehr an der Oberfläche, denn es erscheint sinnvoller, nicht allein darauf abzustellen, ob eine Anerkennung der jeweiligen Methode gegeben ist, sondern darauf, was die Gründe für diese Anerkennung sind. An dieser Ansicht richtig erscheint jedoch, dass auch die Wirksamkeit der jeweils vertretenen Heilverfahren Erwähnung findet und als ein mögliches Abgrenzungskriterium mit herangezogen wird. b) Die Ansicht Sieberts geht in dieselbe Richtung, denn er definiert den Begriff als die Richtung in der medizinischen Wissenschaft, die nach wissenschaftlicher Erprobung auf führenden Kongressen, in führenden Fachzeitschriften und von führenden Wissenschaftlern vertreten wird, deren Wert in der medizinischen Wissenschaft nicht überwiegend ausdrücklich und ernsthaft bestritten wird, und die keinen grundsätzlichen sozial-ethischen Bedenken ausgesetzt ist55. Im Unterschied zu Schwalm bezieht Siebert das Kriterium der Wirksamkeit der Heilmethode nicht in seine Definition mit ein, so dass offen bleibt, aus welchem Grund diese Richtung von führenden Wissenschaftlern vertreten wird. Diese Definition erscheint zwar grundsätzlich tauglich, bleibt aber zu oberflächlich.

3. Unterscheidung anhand eines Wirksamkeitsnachweises a) Nach Ehlers muss das Kennzeichen der Schulmedizin die Kausalitätsbeziehung zwischen Handeln und Erfolg sein, womit aber nicht zur unverzichtbaren Voraussetzung werde, dass bei jedem Eingriff zwingend und immer ein Erfolg erforderlich ist56. Nicht gefordert wird von ihm auch, dass von einer schulmedizinischen Therapie nur dann zu sprechen ist, wenn das Wirkprinzip bekannt ist57. In erster Linie gilt danach für eine wissenschaftlich anerkannte Methode, das heißt die Schulmedizin, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle nach statistischer Wahrscheinlichkeit ein beliebig reproduzierbarer therapeutischer Erfolg erzielt werden kann. Entscheidend soll danach sein, dass die Wahrscheinlichkeit eines objektivierbaren Erfolgseintritts über der so genannten Placebowahrscheinlichkeit liegt58. 53 Schwalm, Zu Begriff und Beweis des ärztlichen Kunstfehlers, Bockelmann-FS, S. 539 ff., S. 546. 54 Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, § 12, IV. 3. b). 55 Siebert, Strafrechtliche Grenzen Ärztlicher Therapiefreiheit, S. 70 und 71. 56 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S, 53. 57 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 54. 58 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 55.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Die Schulmedizin zeichnet sich daher dadurch aus, dass ihre Verfahren intersubjektiv nachvollziehbare Ergebnisse erzielen59. Das heißt, das bei Anwendung eines Verfahrens an einem Patienten erzielte Ergebnis lässt sich bei Anwendung an anderen Patienten reproduzieren. Als weitere Grundlage schulmedizinischen Handelns sieht Ehlers die Standardisierung, das heißt die Anerkennung der jeweiligen Methode60 und grenzt den Begriff der Schulmedizin auf diese Weise insbesondere gegen den Begriff des Experiments ab. Er geht an dieser Stelle aber noch etwas weiter, indem er im Zusammenhang mit einer erforderlichen Standardisierung der Verfahren davon spricht, dass die Ausübung eines ärztlichen Ermessens im rechts- und wissenschaftsfreien Raum nicht denkbar sei. Die Ermessensausübung verlange nach Maßstäben, die Grenzen setzen. Die Grenzen des ärztlichen Ermessens werden dann jeweils durch externe Wissenschaft, empirisch oder rechtlich begründete Festlegungen von Handlungs- und Beurteilungsmaßstäben bestimmt, die über die Richtigkeit des Vorgehens in Relation zu diesen Maßstäben und zur Situation entscheiden lassen61. Er formuliert weiter, dass sich jeder Therapeut, egal welcher Schule, diesen Grundsätzen der Schulmedizin beugen muss. Dies gelte auch für diagnostische und therapeutische Verfahren, die von Heilpraktikern angewendet werden. Andernfalls käme nur eine Einordnung unter „experimentelles Vorgehen“ oder „Außenseitermethode“ in Betracht62. Diese Ausführungen legen den Schluss nahe, dass er nur dann von Schulmedizin sprechen möchte, wenn diese sich an die Regeln hält, die im Rahmen der Erprobung und der längeren Anwendung der jeweiligen Methode aufgestellt wurden und Verbreitung gefunden haben. Zusammen mit den übrigen Voraussetzungen, die er zur Definition des Begriffs Schulmedizin aufgestellt hat, erschiene diese Ansicht zwar grundsätzlich zutreffend, jedoch will Ehlers offenbar Heilbehandler, die sich nicht an die vorhandenen Standards für die Anwendung der jeweiligen Methode halten, als medizinische Außenseiter bezeichnen, oder aber es soll sich um ein medizinisches Experiment handeln. Der zweiten Aussage könnte in manchen Fällen wohl noch gefolgt werden, nicht aber der ersten. Verfahren, deren Wirksamkeit erwiesen ist, werden nicht allein dadurch zu Außenseiterverfahren, dass die Regeln, die für deren Anwendung bestehen, vom Behandler nicht oder nicht vollständig eingehalten werden. Der Begriff der Außenseitermedizin ist nicht auf diese Weise von der Schulmedizin abzugrenzen. Die Standardisierung, das Vorhandensein von Regeln für die Anwendung und von 59 60

Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 53. Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 55 und

51. 61 62

56.

Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 55. Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 55 und

II. Der Begriff der Schulmedizin

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Erfahrungen mit dieser Anwendung, die Erprobtheit des Verfahrens, stellt zwar auch ein Kriterium dar, das innerhalb der Schulmedizin eine Rolle spielen kann, aber dieses Kriterium taugt nur zur Abgrenzung vom Experiment und vom Heilversuch, nicht aber zur Abgrenzung von der Außenseitermedizin, in deren Bereich sich ebenfalls für die einzelnen Verfahren Anwendungsregeln und damit eine Standardisierung entwickelt haben. b) Tag vertritt im Wesentlichen dieselbe Ansicht. Ihr zufolge steht die Schulmedizin als Synonym für die primär naturwissenschaftlich orientierte Medizin. Bei ihr steht die Krankheit als eigene Erscheinungsform im Vordergrund, nicht aber die Konstitution des Erkrankten. Auf eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten wird verzichtet, auch spielt das Kriterium der dem Kranken innewohnenden Lebenskraft hier keine Rolle, das bei einer Vielzahl alternativer Methoden zentrale Bedeutung hat63. Kennzeichnend für den Begriff der Schulmedizin ist danach, dass sie die naturwissenschaftlich orientierte Medizin darstellt, im Unterschied zu den besonderen Methoden, die nach schulmedizinischen Maßstäben methodisch befriedigende Nachweise der Wirksamkeit regelmäßig nicht geben können64. Auf eine Standardisierung oder die Anerkennung der jeweiligen Methode stellt Tag dabei nicht ab. Ihre Ansicht unterscheidet sich insoweit von derjenigen Ehlers’. c) Klinger spricht zusammenfassend davon, dass die medizinische Richtung der Schulmedizin die Wissenschaftskriterien des Kausalitätsprinzips, der Reproduzierbarkeit, der Nachprüfbarkeit der Methode, der Voraussehbarkeit und Persönlichkeitsunabhängigkeit der Ergebnisse erfüllt65. Gerade diese Unabhängigkeit von der Person des Patienten ist bei den Naturheilverfahren als einem Teil der Außenseiterverfahren nicht gegeben. So wird bei den naturheilkundlichen Methoden, z. B. der Akupunktur betont, dass die Mitarbeit des Patienten, der Wille zur Gesundung und ein individuelles Handeln des Therapeuten erforderlich sind.

4. Zusammenfassung und Bewertung Den Ansichten, die auf den Wortlaut oder nur oberflächlich auf den jeweiligen Grad der Anerkennung abstellen, kann – wie bereits dargestellt – nicht gefolgt werden. Vorzugswürdig erscheint der zuletzt genannte Ansatz, der von einigen Autoren – mit Abweichungen im Detail – vertreten wird, wobei der Auffassung von Ehlers nur bedingt gefolgt werden kann. 63 Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, § 12, IV. 3. d). 64 Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, § 12, IV. 3. e). 65 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 16.

3 Tamm

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Den Kern des Begriffs „Schulmedizin“ bildet folglich die naturwissenschaftlich orientierte Medizin, die methodisch befriedigende Nachweise ihrer Wirksamkeit geben kann66. Da im Rahmen dieser Arbeit nur der Bereich der Heilbehandlung problematisiert wird und nicht auch der Bereich des Experiments oder des Heilversuchs67, wird der Begriff der Schulmedizin in dem engen Sinne verstanden, dass das jeweilige Verfahren zudem ein Standardverfahren sein muss, damit von Schulmedizin im Sinne einer Heilbehandlung gesprochen werden kann. Das zusätzliche Kriterium der Standardisierung wird hierbei lediglich innerhalb des Begriffs der Schulmedizin zur Abgrenzung der Heilbehandlung vom Experiment und vom Heilversuch verwendet, es taugt nicht zur Abgrenzung von der Außenseitermedizin. Dies deshalb, weil es sowohl im Bereich der Außenseitermedizin als auch im Bereich der Schulmedizin Verfahren gibt, die noch wenig erprobt sind und die deshalb in die Kategorien Experiment oder Heilversuch einzuordnen wären, während es andere Verfahren gibt, die bereits umfangreich erprobt wurden und für deren Anwendung sich daher bereits Regeln herausgebildet haben. Die Frage der Erprobtheit des jeweiligen Verfahrens darf nicht mit der Frage der nach naturwissenschaftlichen Kriterien nachgewiesenen Wirksamkeit vermengt werden. Die Begriffe Schulmedizin und Außenseitermedizin stellen also zwei Oberbegriffe dar, innerhalb derer es das Experiment, den Heilversuch oder aber die Heilbehandlung geben kann. Für diese Arbeit ist lediglich der Bereich der Heilbehandlung relevant, wie bereits erörtert wurde68. Aus diesem Grunde und der besseren Verständlichkeit halber wird der Begriff Schulmedizin für diese Arbeit in dem engen Sinne verwendet, dass es sich jeweils um Verfahren handeln muss, die dem Bereich der Heilbehandlung angehören und nicht den Bereichen des Experiments oder Heilversuchs. Unter Schulmedizin im Sinne dieser Arbeit werden also Heilbehandlungsverfahren verstanden, die nach naturwissenschaftlichen Kriterien methodisch befriedigende Nachweise ihrer Wirksamkeit erbringen können.

66 Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, § 12, IV. 3. e); vgl. auch Oepen, Unkonventionelle medizinische Verfahren – Diskussion aktueller Aspekte, Oepen, S. 1. 67 Vgl. Kapitel A, Teil I. 68 Vgl. Kapitel A, Teil I.

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren

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III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren 1. Der Begriff der Außenseitermedizin Als Konsequenz aus dieser Definition folgt, dass all diejenigen Methoden, bei denen es sich nicht um ein Experiment oder einen Heilversuch handelt, und bei denen – im Gegensatz zur Schulmedizin – der genannte methodisch befriedigende Nachweis der Wirksamkeit nicht erbracht werden kann, zu den Außenseiterverfahren zu rechnen sind. In Abgrenzung zum Experiment und zum Heilversuch ist im Rahmen dieser Arbeit auch für die Außenseiterverfahren als kennzeichnend anzusehen, dass sich in dem Sinne Standards herausgebildet haben müssen, als die einzelnen diagnostischen und therapeutischen Methoden nach einem bestimmten Muster, nach bestimmten Regeln, durchzuführen sind. Auch im Bereich der Außenseiterverfahren liegen teilweise sehr lange Erfahrungen in der Anwendung vor, aus denen sich Regeln für eben diese Anwendung ergeben haben. Eine Standardisierung beziehungsweise Erprobtheit in diesem Sinne ist also auch im Bereich der Außenseitermedizin bei vielen Verfahren gegeben. Wo es an einer solchen fehlt, geht es innerhalb des Begriffs der Außenseitermedizin um den Bereich des Experiments oder des Heilversuchs und nicht um denjenigen der Heilbehandlung, der für diese Arbeit allein eine Rolle spielt69. Ehlers differenziert an dieser Stelle noch weiter, indem er nur diejenigen Verfahren als Außenseiterverfahren bezeichnen möchte, die zweifelsfrei als unwirksam feststehen. Ist die Wirksamkeit noch nicht bewiesen, so spricht er von Grenzbereichsmethoden70. Diese weitere Differenzierung soll für diese Arbeit nicht erfolgen, da bei allen Verfahren, auf die eingegangen wird, von ihren Vertretern gerade die Wirksamkeit behauptet wird. Die Wirksamkeit der einzelnen Verfahren ist daher zwar umstritten, daraus, dass der weitaus größte Teil der Medizin bestimmte Verfahren als unwirksam einstuft, kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Unwirksamkeit zweifelsfrei feststeht, weil in dem einen oder anderen Fall dennoch eine positive Wirkung erzielt wird, wenngleich diese auf einen bloßen Placeboeffekt zurückzuführen sein mag. Unter Außenseitermedizin im Sinne dieser Arbeit sind daher solche Heilbehandlungsverfahren zu verstehen, die nach naturwissenschaftlichen Kriterien methodisch befriedigende Nachweise ihrer Wirksamkeit nicht erbringen können Innerhalb der Alternativverfahren könnte – bei Zugrundelegung der für diese Arbeit gefundenen Definition – weiter unterschieden werden zwischen den traditionellen und den alternativen medizinischen Verfahren. Die traditionelle Medizin basiert dabei auf Überzeugungen, die sich vielfach schon mehrere hundert Jahre 69 70

3*

Vgl. Kapitel A, Teil I. Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen,“ S. 58.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

vor der Entwicklung und Verbreitung der modernen Medizin herausgebildet haben, während die alternative Medizin jüngeren Ursprungs ist und gewissermaßen eine Reaktion auf die Hochtechnologiemedizin darstellt71. Da diese Unterscheidung aber im Ergebnis keine Rolle spielt, weil es sich jeweils um Außenseitermedizin handelt, wird auf sie verzichtet. Da Gegenstand dieser Untersuchung die Darstellung der Sorgfaltspflichten von ärztlichen und nichtärztlichen Heilbehandlern ist, erscheint es sinnvoll, zunächst kurz darzustellen, welche Außenseitermethoden sowohl von Ärzten als auch von Heilpraktikern gleichermaßen besonders häufig zur Anwendung gebracht werden. An späterer Stelle wird dann ausführlich auf einzelne dieser Verfahren eingegangen, wie auch auf weitere Verfahren, die zwar weniger häufig, aber dennoch in größerem Umfang zur Anwendung kommen. Die am häufigsten von Ärzten angewandten therapeutischen Außenseiterverfahren sind72:  Phytotherapie;  Neuraltherapie;  Homöopathie;  Akupunktur;  Chirotherapie;  Eigenblutbehandlung;  Ozontherapie.

Von Heilpraktikern werden in erster Linie angewandt73:  Phytotherapie;  Neuraltherapie;  Homöopathie;  Akupunktur;  Chiropraktik;  Irisdiagnostik, um nur einige Verfahren zu nennen.

Bei allen genannten Verfahren handelt es sich – bis auf die Irisdiagnostik – um therapeutische Verfahren. Von medizinischen Außenseitern – vorwiegend jedoch von Heilpraktikern – werden aber auch eine Vielzahl diagnostischer Außenseiterverfahren angewandt. Bevor auf einige dieser Verfahren im Einzelnen eingegangen 71 Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, § 12, IV. 4. a). 72 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 66. 73 Auskunft des 2. Vizepräsidenten des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker e.V. am 02. 04. 2003; vgl. auch Franz, Naturheilmittel und Recht, S. 163 sowie Arndt, Heilpraktikerrecht. Entstehung, Funktionswandel, Berufszulassungsregelung, S. 55.

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren

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wird, soll zunächst dargestellt werden, wie sich die Akzeptanz der Außenseiterverfahren in der Bevölkerung bis heute entwickelt hat und welche Gründe es für diese Entwicklung gibt.

2. Die Entwicklung der Akzeptanz von medizinischen Außenseitermethoden in der Bevölkerung und die Gründe für den Trend zur Außenseitermedizin In der Einleitung dieser Arbeit wurde bereits erwähnt, dass sich die Medien immer wieder ausführlich mit dem Thema „Alternative Medizin“ befassen, und gerade auch in der jüngsten Zeit sind in den Medien umfangreiche Arbeiten zu diesem Thema erschienen74. Im Jahre 2001 wurde mit den weltweit größten Akupunkturstudien gerac (german acupuncture trials) begonnen, die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen finanziert werden und deren erste Ergebnisse im Oktober 2004 veröffentlicht wurden75. Gegenstand der Studien ist die Frage der Wirksamkeit der Akupunktur. Bereits hierdurch wird das zunehmende Interesse der Bevölkerung an der Außenseitermedizin dokumentiert, wobei jedoch weiter unklar bleibt, wie sich das Interesse und die Inanspruchnahme alternativer Heilmethoden in der Bevölkerung bis heute konkret entwickelt haben. Aus einer Studie des Robert-Koch-Institutes aus dem Jahr 2002 ergeben sich hierzu genauere Erkenntnisse76: So zeigte sich im Rahmen dieser Untersuchung, dass die Zahl der Ärzte, die in ihrer Praxis alternative Heilmethoden anbieten und einsetzen, in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Knapp 10 % der insgesamt 369.000 Ärzte in Deutschland führte im untersuchten Zeitraum eine einschlägige Zusatzbezeichnung aus dem Umfeld der alternativen Methoden und der Naturheilverfahren77. Die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ führten 5.680 Ärzte im Jahre 1995, im Jahre 2000 waren es bereits 10.746. Bei der Bundesärztekammer waren im Jahre 1994 etwa 2.400 Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ registriert und ihre Zahl stieg bis zum Jahr 2000 auf 4.490. Die Mitgliederzahl beim Deutschen Zentralverein Homöopathischer Ärzte lag im Jahre 1996 noch bei 3.135, während sie im Jahr 2000 bereits auf mehr als 4.000 angestiegen war. Auch im Bereich der Akupunktur ist diese Entwicklung festzustellen. Die größte Organisation der ärztlichen Akupunkturverbände in Deutschland, die Deutsche 74 Vgl. u. a. die Serie „Alternative Medizin“ im Magazin „Stern“, ab Ausgabe vom 08. 01. 2004 sowie Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet. 75 Am 21. 10. 2004 veröffentlicht im Internet unter www.gerac.de. 76 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9. 77 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 7.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄA), hatte 1996 rund 7.200 Mitglieder, im Jahr 2000 waren es bereits 11.000. Nach einer Schätzung dieses Verbandes wenden rund 20.000 bis 30.000 Ärzte in Deutschland zumindest gelegentlich Akupunktur an. Dies korrespondiert mit der Tatsache, dass die Akupunktur diejenige Einzelmethode der alternativen Medizin ist, die in den letzten Jahren den größten Zustrom von Patienten erfahren hat78. Eine Statistik, die auf einer internen Erhebung des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen im Zeitraum August 1994 bis Januar 1995 beruht, besagt, dass von Versicherten 14.385 Anträge auf Kostenerstattung für Leistungen im Bereich alternativer Heilmethoden gestellt wurden, wobei ein Drittel der Anträge auf Akupunktur entfiel79. Auch eine Analyse des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband) ergab, dass für die Inanspruchnahme der Akupunktur Ende der neunziger Jahre eine ganz erhebliche Zunahme zu beobachten ist und diese Therapieform innerhalb des breiten Spektrums alternativer Verfahren die quantitativ größte Bedeutung hatte80. Alternative Therapieformen wie die Akupunktur, Homöopathie oder Ozonbehandlungen werden aber in großem Umfang auch von Heilpraktikern angewendet, deren Zahl in Deutschland vom Robert-Koch-Institut auf etwa 12.000 bis 15.000 geschätzt wird81. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes mit Stand vom 02. 12. 2003 betrug die Anzahl der in Deutschland niedergelassenen Heilpraktiker dagegen in den Jahren 2001 und 2002 konstant 18.00082. Umfragen des Institutes für Demoskopie Allensbach aus den Jahren 1970, 1997 und 2002 zeigen ebenfalls eine Zunahme der Akzeptanz der Außenseitermedizin, jedenfalls soweit es den Bereich der Naturheilmittel betrifft83. So zählten 1970 erst 52 % der Bevölkerung in den alten Bundesländern zu den Verwendern von Naturheilmitteln, im Jahre 2002 waren es dagegen bereits 73 %. Im Osten Deutschlands war der Anteil der Naturheilmittelverwender im Jahre 2002 mit 64 % dabei etwas geringer84. Bei den Männern in den alten Bundesländern lag der Anteil der Naturheilmittelverwender 1970 noch bei 49 %, um im Jahre 1997 auf 55 % und im Jahre 2002 auf 78 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 7. 79 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 10. 80 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 11. 81 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 8; vgl. auch Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 26 . 82 Quelle: Internetdatenbank des Statistischen Bundesamtes Deutschland. 83 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 – wichtigste Erkenntnisse aus Allensbacher Trendstudien. 84 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 – wichtigste Erkenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 1.

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren

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66 % zu steigen. Bei den westdeutschen Frauen lag der Anteil im Jahre 1970 bei 55 %, im Jahre 1997 bei 74 % und im Jahre 2002 bei 79 %85. Auch die Verwendungsintensität hat seit 1970 zugenommen. Der Anteil derjenigen, die innerhalb des letzten Vierteljahres Naturheilmittel verwendet haben, stieg in den alten Bundesländern von 14 % im Jahre 1970 auf 35 % im Jahre 2002. Auch für die Zukunft rechnet ein großer Teil der Befragten mit einer weiteren Zunahme bei der Verwendung von Naturheilmitteln. 47 % erwarten, dass die Anzahl der Verwender von Naturheilmitteln in 50 Jahren höher sein wird, als er heute ist. Nur 8 % sind der Meinung, in 50 Jahren würden weniger Naturheilmittel verwendet als heute86. Der Stellenwert von Naturheilmitteln bei der Bevölkerung lässt sich auch daran ablesen, dass im Jahre 2002 insgesamt 76 % der in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten Verwender von Naturheilmitteln es als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ansahen, dass die Verordnungsfähigkeit von Naturheilmitteln auf Kassenrezept erhalten bleibt. Nur 13 % war dies „nicht so wichtig“ und 9 % war es „egal“87. Dabei werden die Naturheilmittel überwiegend im Wege der Begleitmedikation eingesetzt. Nur 4 % der Naturheilmittelverwender würden im Krankheitsfall ausschließlich Naturheilmittel einsetzen, dagegen 62 % unter anderem auch Naturheilmittel. Ungefähr jeder dritte würde die Therapie im Krankheitsfall ganz dem Arzt überlassen. Entschiedener werden Naturheilmittel bei leichteren gesundheitlichen Beschwerden eingesetzt, und zwar in der Regel nicht exklusiv (5 %), sondern überwiegend als Ergänzung (67 %)88. Mit der Zunahme bei den Verwendern von Naturheilmitteln einher geht der Anteil derjenigen unter ihnen, die der Überzeugung sind, Naturheilmittel seien eigentlich nur etwas für leichtere Fälle. Im Jahre 1980 lag deren Anteil noch bei 30 %, stieg im Jahre 1997 auf 38 % und im Jahre 2002 auf 42 %89. Ein Anteil von 92 % der Verwender von Naturheilmitteln berichten dabei, dass ihnen diese Mittel schon geholfen haben, wobei 38 % davon einschränkend berichten, dies sei nicht immer der Fall gewesen90. In aller Regel sind es nach dieser Studie Befindlichkeitsstörun85 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 kenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 8, Schaubild A. 86 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 kenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 2 und S. 11, Schaubild B. 87 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 kenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 6 und S. 26, Schaubild K. 88 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 kenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 3 und S. 19, Tabelle 5. 89 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 kenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 4. 90 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 kenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 3.

– wichtigste Er– wichtigste Er– wichtigste Er– wichtigste Er– wichtigste Er– wichtigste Er-

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

gen beziehungsweise leichte Erkrankungen, die mit Naturheilmitteln nach Aussage der Verwender erfolgreich therapiert werden konnten91. Ein zentrales Motiv für die Inanspruchnahme von alternativen Heilmethoden ist nach der Studie des Robert-Koch-Instituts die Betroffenheit von chronischer Erkrankung und ausbleibende oder subjektiv als unzureichend empfundene Heilerfolge der Schulmedizin, was durch mehrere Umfrage-Ergebnisse belegt werde92. Der zweite wesentliche Grund für die Inanspruchnahme alternativer Methoden ist die Furcht vor Nebenwirkungen. So wurden in mehreren Befragungen u. a. der Techniker Krankenkasse im Jahr 2001 und des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller von einer großen Mehrheit der Bevölkerung die vorgeblich „sanften“, „natürlichen“ und „nebenwirkungsfreien“ Begleitumstände alternativer Therapieformen, insbesondere von Naturheilverfahren, als besonders positiv hervorgehoben93. Auch aus der Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, die die Anwendung von Naturheilmitteln betraf, ergibt sich, dass die Bevölkerung auf einer Skala von 0 („ganz gering“) bis 10 („sehr groß“) die Gefahr von Nebenwirkungen bei chemischen Arzneimitteln im Durchschnitt bei 6,7 einschätzt, bei Naturheilmitteln dagegen nur bei 2,394. Ein weiterer Grund für die Popularität der Alternativmedizin liegt darin, dass in diesem Bereich die Kommunikation und die emotionale Zuwendung subjektiv intensiver erlebt werden und ein stärkerer Einbezug von persönlichen Problemen aus der Familie oder dem Berufsleben stattfindet95. So sind denn wohl auch die häufigsten Kritikpunkte gegenüber Ärzten die fehlende Gesprächs- und Aufklärungsbereitschaft, ihre Fixierung auf das Symptom, der übermäßige Einsatz von diagnostischen Apparaten sowie die mangelhafte emotionale Zuwendung96. Der zeitliche Umfang des persönlichen Kontaktes beim Alternativtherapeuten wird als doppelt so hoch eingeschätzt wie beim Schulmediziner97. Insgesamt ist die Einschätzung von unkonventionellen Heilverfahren in der Bevölkerung sehr positiv. So fanden 1995 rund 61 % der Bevölkerung diese oft 91 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 – wichtigste Erkenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 4. 92 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 22. 93 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 22. 94 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 – wichtigste Erkenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 2 und 16, Schaubild E. 95 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 23. 96 Vgl. Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 2. 97 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 23.

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren

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besser als die Schulmedizin, obwohl gleichzeitig 71 % der Auffassung waren, dass diese Verfahren im Vergleich zur Schulmedizin weniger abgesichert sind. Eine Befragung der Identity Foundation ergab 2001 in Bezug auf Verfahren der Naturheilkunde, dass 57 % der Bevölkerung der Auffassung sind, diese seien auch schon in solchen Fällen erfolgreich gewesen, bei denen die „klassische“ Medizin versagt habe98. Eine andere Umfrage ergab aber auch, dass es 80 % der Befragten sogar gefährlich erscheint, sich bei schwerwiegenden Erkrankungen auf Außenseitermethoden zu verlassen99. Im Folgenden sollen nun einige Verfahren der Außenseitermedizin im Einzelnen dargestellt werden. Dabei wird auch auf die Frage eingegangen, ob die landläufige Auffassung innerhalb der Bevölkerung, alternative Verfahren seien schonender und risikoloser als diejenigen der Schulmedizin, sich durch Tatsachen stützen lässt. Es wird dabei nicht auf alle vertretenen Diagnose- und Therapieansätze eingegangen, weil dies zur Darstellung der strafrechtlichen Problematik nicht erforderlich ist und den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Dennoch soll auf eine größere Anzahl von Methoden eingegangen werden, um zu verdeutlichen, welchen Umfang die – zum Teil abstrus erscheinenden – alternativen Verfahren heute haben.

3. Einzelne Außenseiterverfahren100 a) Diagnostische Methoden aa) Die Irisdiagnostik Sie zählt zu den wichtigsten Methoden der Heilpraktiker101 und dient der Erkennung von Funktionsstörungen allein aus der Iris unter Einschluss der Pupille102. Untersuchungen ergaben, dass sich bis zu 80 % der Heilpraktiker dieser Methode bedienen103. Sie wurde in der heutigen Form von Ignaz von Peczely (1825 – 1911) begründet und basiert auf der Annahme, dass bestimmte Zeichen in der Iris mit Organerkrankungen im Zusammenhang stehen und aus der Lokalisation eines solchen Zeichens in der Iris aufgrund vergleichender Untersuchungen auf Erkrankungen eben dieses Organs geschlossen werden kann104. 98 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 22. 99 Studie des Robert-Koch-Instituts, Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 9, S. 22 und 23 m. w. N. 100 Eine Bewertung einer Vielzahl von Verfahren findet sich bei Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet. 101 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 181. 102 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 51. 103 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 71.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Von J. T. Carter wird diese Methode folgendermaßen definiert105: „Irisdiagnose ist die Kunst und Wissenschaft der Beobachtung von Struktur, Pigmentierung und Dichte der Iris, wodurch sich Zustand und Funktionstüchtigkeit aller Organe oder Organsysteme des Körpers besonders eingehend studieren lassen. . .“. Diese Definition beruht auf der Grundannahme, dass jedem Organ, jeder Gewebszone des Körpers eine Stelle in der Iris entspricht, die sich gleichzeitig mit den Veränderungen auf der organischen Ebene gleichfalls verändert. Zur Befunderhebung sind der Helligkeitsgrad, die Form und die Farbe dieser Iriszeichen entscheidend. Helle Wolken gelten dabei als Hinweis auf Entzündungen, während dunkle Flecken eine Funktionsminderung der betreffenden Organe anzeigen106. Zur Stellung der Diagnose wird ein so genannter Irisspiegel beziehungsweise Iriszirkel benutzt, der in der Weise aufgegliedert ist, dass der Kopf mit seinen einzelnen Organen sich in den oberen Teil der Iris projiziert, die Füße und die Beckenorgane in den unteren Teil107. Hinsichtlich der Zuordnung der Felder der Iris zu bestimmten Organen existieren dabei unterschiedliche Auffassungen, so dass unterschiedliche Irisspiegel Verwendung finden, die Rede ist von etwa 20 verschiedenen108. Die vorausgesetzte Verbindung von Organen und Iris konnte bis heute nicht nachgewiesen werden. Verschiedene Studien zur diagnostischen Zuverlässigkeit der Irisdiagnostik, z. B. bei Niereninsuffizienz oder bei Gallensteinen mit begleitender Gallenblasenentzündung, erbrachten trotz Heranziehung erfahrener Irisdiagnostiker negative Resultate. Dabei wurden sowohl kranke Patienten als gesund eingestuft wie auch gesunde Probanden als krank109. Eine aktuelle Auswertung mehrerer Studien durch die Stiftung Warentest ergab, dass die Aussagekraft der Irisdiagnostik insbesondere bei Asthma, Colitis ulcerosa, Gallensteinen, koronarer Herzerkrankung, Nierenschaden, Schuppenflechte und orthopädischen Verletzungen wiederholt und schlüssig widerlegt wurde. Die Irisdiagnostik sei daher kein aussagekräftiges Verfahren110. Diese Methode wird daher 104 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 51. 105 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 183. 106 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 183. 107 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 180. 108 Oepen, An den Grenzen der Schulmedizin – Eine Analyse umstrittener Methoden, Oepen, S. 34. 109 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 183; vgl. auch Übersicht über durchgeführte Studien bei Oepen, Unkonventionelle medizinische Verfahren – Diskussion aktueller Aspekte, Dern, Müller und Oepen, S. 140 ff. 110 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 182.

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren

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von der Schulmedizin abgelehnt111. Dennoch wird sie von Ärzten und nahezu allen Heilpraktikern angewandt112.

bb) Die Elektroakupunktur Das erste Elektroakupunkturgerät wurde 1825 von dem französischen Arzt Salander konstruiert113. In ihrer heutigen Form geht die Elektroakupunktur auf den Arzt Reinhard Voll zurück, der dieses Verfahren in den fünfziger Jahren entwickelte und sich dabei an die chinesische Akupunktur anlehnte, die davon ausgeht, dass jede Krankheit Folge eines gestörten Energieflusses ist. Dieser Energiefluss soll nun mit dieser Methode gemessen werden können114. Der Unterschied zur klassischen Akupunktur besteht darin, dass im Gegensatz zu dieser keine Nadeln verwendet werden. Der Patient hält bei diesem Verfahren eine negative Elektrode in Form eines Messingstabes in der Hand, während der Arzt oder Heilpraktiker eine positive Elektrode auf Akupunkturpunkte setzt, die nach der chinesischen Akupunkturlehre bestimmten Organen zugeordnet sind. Aus der elektrischen Reaktion wird dann darauf geschlossen, ob ein Organ entzündet oder geschwächt ist oder ob ein „Krankheitsherd“ vorhanden ist115. Ein Wert von 50 auf einer willkürlich in 100 Teilstriche eingeteilten Skala gilt als normal, während niedrigere Werte auf degenerative Vorgänge und Erschöpfung hinweisen. Höhere Werte zeigen dagegen eine überschießende Energie“, beispielsweise durch Entzündungen, an. Diese Annahmen sind aber mehr als fragwürdig, da die Messwerte unter anderem abhängig sind vom Auflagedruck, von der Dicke der subkutanen Fettpolster und von der Hautfeuchtigkeit116. Mit der gleichen Apparatur erfolgt der Medikamententest, indem der Patient das in einem Glasbehälter befindliche Mittel in die Hand nimmt und der Behandler nun das Messgerät einsetzt. Pendelt sich der Zeiger beim Normalwert von 50 ein, so ist das passende Medikament gefunden117. 111 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 51; Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 36; Oepen, An den Grenzen der Schulmedizin – Eine Analyse umstrittener Methoden, Oepen, S. 34. 112 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 183. 113 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 127. 114 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 182. 115 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 8 f.; vgl. auch Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 128. 116 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 182. 117 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 9; Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 182.

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Bereits vor 25 Jahren wurden sorgfältige Überprüfungen dieser Testanordnung vorgenommen, die zeigten, dass die postulierten Potentialschwankungen als paramedizinische Phänomene zu werten sind118. Bis heute konnte die Theorie über die Bedeutung von „Herden“ für die Gesundheit trotz eingehender Untersuchung nicht wissenschaftlich belegt werden119. Die Elektroakupunktur ist alles andere als risikolos. So hat sie in einer Vielzahl von Fällen zu folgenschweren Eingriffen geführt, wie beispielsweise zur Entfernung von funktionsfähigen, gesunden Zähnen und dem Ausschälen des Kieferknochens, ohne dass sich der Gesundheitszustand der Behandelten dabei gebessert hätte. Die Auswertung mehrere Studien durch die Stiftung Warentest führte zu dem Ergebnis, dass die Elektroakupunktur weder zur Diagnostik noch zur Therapie von Krankheiten oder Störungen geeignet ist120.

cc) Der kapillar-dynamische Bluttest Bei diesem auch „Blutsteigbild nach Kälin“ genannten Verfahren wird Blut mit einem aus Mistelsäften gewonnenen Präparat (Iscador) vermischt und auf spezielle Papierzylinder aufgebracht. In einem komplizierten Verfahren werden unter Beachtung bestimmter Laborkonditionen Blutsteigebilder hergestellt, aus denen auf Tumorerkrankungen geschlossen werden können soll121. Diese Methode wird von der Wissenschaft nicht akzeptiert122, denn bei ihr liegt das Problem darin, dass bestimmte äußere Umstände, wie z. B. die Ausstattung der Laborräume, die Versendung der Blutproben, die Vorbereitung der Papierzylinder, exakt eingehalten werden müssen, um Abweichungen in den Ergebnissen zu vermeiden. Zum anderen stellt sich die Schwierigkeit des korrekten „Lesenlernens“ der entstandenen Blutsteigebilder, um dadurch die richtigen Schlüsse aus den Formen zu ziehen123. Hauptkritikpunkt bei dieser Methode ist aber die Behauptung ihrer Anhänger, man könne aus der bloßen äußeren Form der jeweiligen Blutsteigebilder auf ganz bestimmte Erkrankungen schließen124.

118 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 182. 119 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 128. 120 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 131. 121 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch den Heilpraktiker, S. 54. 122 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 69. 123 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch den Heilpraktiker, S. 54 f. 124 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 69.

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren

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dd) Die Heinz-Spagirik Die Spagyrik ist ein Verfahren der mittelalterlichen Alchemie, in dem sich religiöse, mythische, astrologische und naturwissenschaftliche Elemente mischen125. In der heutigen Form geht sie zurück auf den Heilpraktiker Ulrich Jürgen Heinz, der das Verfahren weiterentwickelte und es sowohl diagnostisch als auch therapeutisch zur Behandlung einsetzte. Heute betreibt er eine modifizierte Form dieses Verfahrens, dem er die Bezeichnung „Clustermedizin“ gab126. Das mit der Spagyrik verbundene Konzept ist nur schwer fassbar. Es gliedert sich zudem in verschiedene Systeme, die sich kaum beschreiben lassen. Seinem Selbstverständnis nach ist die Spagyrik ein geheimes Verfahren, was dem Wesen der Alchemie entspricht127. Für den Bereich der Diagnostik hat der deutsche Heilpraktiker Ulrich Jürgen Heinz ein eigenes spagyrisches System entwickelt, mit dem er Krankheiten bereits zu einem Zeitpunkt aufspüren können will, zu dem die Schulmedizin sie noch nicht erkennen kann128. Hierzu wird ein Tropfen Patientenblut auf spagyrische Weise behandelt, in dem es zunächst verascht wird. Die Asche wird dann mit mehrfach destilliertem Wasser zusammengebracht und das Ganze dann filtriert. Einen Tropfen der so gewonnenen Flüssigkeit lässt man dann bei einer bestimmten, festgelegten Temperatur und Luftfeuchtigkeit trocknen. Das dabei entstehende Kristallisationsmuster wird mit anderen in einer Datenbank aufgeführten Mustern verglichen und daraus die Diagnose und das passende Heilmittel abgeleitet129. Zur Frage der Wirksamkeit der Spagyrik liegen keinerlei kontrollierte klinische Studien vor, die diese belegen130. Das Verfahren ist zudem nicht ohne Risiken. Soweit es um den Bereich der Diagnostik geht, besteht die Gefahr, dass ernsthafte Erkrankungen übersehen werden und unbehandelt bleiben. Soweit es um die Anwendung der Spagyrik im therapeutischen Bereich geht, bestehen ebenfalls Risiken. So wird eine „Erstverschlimmerung“ der Beschwerden als positives Zeichen gedeutet. Es ist daher nicht auszuschließen, dass nicht rechtzeitig erkannt wird, dass sich der Zustand des Patienten verschlechtert und er einer anderen Behandlung zugeführt werden muss. Zudem enthalten fast alle Tropfen, die in der Spagy125 Federspiel / Herbst, tet, S. 283. 126 Federspiel / Herbst, tet, S. 283. 127 Federspiel / Herbst, tet, S. 283. 128 Federspiel / Herbst, tet, S. 285. 129 Federspiel / Herbst, tet, S. 285. 130 Federspiel / Herbst, tet, S. 285.

Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewerDie andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewerDie andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewerDie andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewerDie andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewerDie andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewer-

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

rik angewendet werden, Alkohol, so dass diese für Alkohol- und Leberkranke nicht geeignet sind131. ee) Angewandte Kinesiologie (AK) Dieses Verfahren, das vor allem in der jüngsten Zeit eine erhöhte Verbreitung findet, wurde in den 1960-er Jahren von dem US-amerikanischen Chiropraktiker George Goodheart entwickelt und beruht auf der Vorstellung, dass die Muskelkraft Aussagen über Organkrankheiten gestattet132. So legt der Behandler zum Beispiel eine Hand auf die Lebergegend und drückt mit der anderen Hand den erhobenen Arm des Patienten nach unten. Kann der Patient diesem Druck Widerstand leisten, so ist die Leber gesund. Gibt der Arm aber nach, dann soll nicht etwa der betreffende Armmuskel geschwächt, sondern die Leber erkrankt sein. Erhöht sich die Muskelkraft, wenn auf die Leber ein bestimmtes Medikament gelegt oder ein passendes Nahrungsmittel in die Hand gegeben wird, dann soll durch deren Verabreichung ein Heilerfolg erzielt werden können. Dieses Verfahren wird von der Schulmedizin als absurd bezeichnet133. Belegt wird die Richtigkeit dieser Einschätzung durch mehrere Tests. So führten beispielsweise deutsche Wissenschaftler einen Doppelblindtest durch, bei dem vier Kinesiologen sieben Allergiker 20-mal untersuchten. Die Trefferquote entsprach dem Zufall134. Kinesiologie kann nicht als risikolos bezeichnet werden. Die Anwendung dieses Verfahrens birgt ein hohes Risiko für falsch-negative wie auch falsch-positive Diagnosen in sich, dass also Kranke als gesund oder Gesunde als krank eingestuft werden. Hinzu kommt das Risiko, dass beispielsweise unnötige oder ungeeignete Medikamente eingenommen werden und der Patient auf notwendige und wirksame Behandlungen verzichtet135.

131 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 285. 132 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 183. 133 Vgl. z. B. Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 184; Oepen, Unkonventionelle medizinische Verfahren – Diskussion aktueller Aspekte, Oepen, S. 133. 134 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 187. 135 Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 187.

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b) Therapeutische Methoden aa) Die Phytotherapie Unter Phytotherapie ist der Einsatz von Heilpflanzen zur Erhaltung der Gesundheit und zur Heilung von Krankheiten zu verstehen. Die Anwendung phytotherapeutischer Arzneien hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen, diese Therapieform erfreut sich also einer zunehmenden Beliebtheit136. Die bereits erwähnte Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2002 ergab, dass nur 13 % der Befragten die Verordnung von Naturheilmitteln auf Kassenrezept für „nicht so wichtig“ halten, 41 % dagegen für „wichtig“ und 35 % für „sehr wichtig“137. Neben dem Glauben an die sanfte, natürliche und nebenwirkungsfreie Heilung durch solche Mittel, spielt für die Beliebtheit der Phytotherapie aber auch die Tatsache eine Rolle, dass die positiven Effekte zahlreicher Pflanzenextrakte zwischenzeitlich nachgewiesen wurden, die sich im Vergleich mit konventionellen Arzneimitteln teilweise durch geringere Kosten und Nebenwirkungen auszeichnen. So wurde beispielsweise die Wirksamkeit von Johanniskraut bei depressiven Verstimmungen festgestellt oder auch die durchblutungsfördernde Wirkung von Weißdorn oder Ginkgo biloba138. Trotz der zum Teil nachgewiesenen Wirksamkeit wird die Phytotherapie nicht zur Schulmedizin gezählt, vor allem weil für eine Reihe von Arzneien noch nicht der Nachweis der Wirksamkeit geführt werden konnte. So sind therapeutisch orientierte pharmakologische Forschung und klinische, dem modernen Standard entsprechende Studien in der Phytotherapie insgesamt noch selten139. Der überwiegende Anteil aller Anwendungsgebiete entstammt der jahrhunderte-, teils jahrtausendealten Erfahrung mit pflanzlichen Arzneimitteln und beruht nicht auf Wirksamkeitsnachweisen, die in Studien mit Doppelblindversuchen erbracht wurden140. Die Phytotherapie kann daher im Wesentlichen als Erfahrungsmedizin bezeichnet werden141. Bei der Durchführung doppelblinder, randomisierter, kontrollierter Studienanordnungen geht es zum einen darum, innerhalb einer Therapie die einzelne Wirkung eines isoliert betrachteten Arzneimittels zu bewerten und alle anderen mög136 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 112 f. 137 Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Naturheilmittel 2002 – wichtigste Erkenntnisse aus Allensbacher Trendstudien, S. 6 und S. 26, Schaubild K. 138 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 112 f. 139 Schulz / Hänsel, Rationale Phytotherapie – Ratgeber für die ärztliche Praxis, S. 19. 140 Weiss / Fintelmann, Lehrbuch der Phytotherapie, Abschn. 1.3 und 1.4. 141 Vgl. auch i. E. Schulz / Hänsel, Rationale Phytotherapie – Ratgeber für die ärztliche Praxis, S. 19 f.

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lichen Einflüsse, vor allem einen Placeboeffekt, zu eliminieren, andererseits geht es um die Objektivierbarkeit solcherart gewonnener Ergebnisse142. Dies ist ein weiteres Problem bei der Phytotherapie, denn es ist bislang ungeklärt, ob die Wirkung eines bestimmten Heilpflanzenextrakts stets auf einen einzelnen Inhaltsstoff zurückzuführen ist. Teilweise ist dies der Fall, und die auf der Grundlage dieses Wissens synthetisch hergestellten Präparate sind reiner, verträglicher und wirksamer als die in natürlicher Form verabreichten Arzneien. In anderen Fällen ist es aber auch möglich, dass gerade die Kombination verschiedener Stoffe in natürlicher Zusammensetzung den entscheidenden therapeutischen Erfolg erzielt143. Problematisch bei dieser Therapieform ist, dass die Pflanzenheilmittel im deutschen Arzneimittelrecht anders bewertet werden als konventionelle Pharmaka, so dass die staatliche Kontrolle bezüglich der Wirksamkeit und Unschädlichkeit als unzureichend angesehen wird und zum Teil ganz fehlt144. Vor allem im Zusammenhang mit chinesischen Produkten wurde festgestellt, dass diese in der Zusammensetzung oft stark variieren und häufig undeklarierte Zusätze aufweisen. Eine Überprüfung von 2.609 Proben chinesischer Kräutermixturen ergab 1999, dass letzteres bei 24 % dieser Proben der Fall war145. Die Einnahme von pflanzlichen Heilmitteln kann allergische Reaktionen hervorrufen oder auch Vergiftungen, die lebensbedrohliche Ausmaße annehmen können. Ein weiteres Risiko ergibt sich aus einer möglichen Selbstmedikation von Patienten, die Phytotherapeutika ohne Wissen ihres Hausarztes zusätzlich zu konventionellen Pharmaka einnehmen, in dem Glauben, dies könne nicht zu Komplikationen führen und schädlich sein146. bb) Die Homöopathie Sie gehört zu den von Heilpraktikern mit am häufigsten angewandten therapeutischen Methoden147 und geht auf den Arzt, Apotheker und Chemiker Samuel Hahnemann (1755 – 1843) zurück. Sie basiert auf drei Prinzipien: (1) Das Simile-Prinzip ruht auf der Annahme, dass ein Mittel, das bei einem Gesunden ein bestimmtes Symptom erzeugt, dieses bei einem Kranken heilen Weiss / Fintelmann, Lehrbuch der Phytotherapie, Abschn. 1.4. Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 113 f. 144 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 117. 145 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 117. 146 Vgl. Darstellung bei Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 118 f. 147 Auskunft des 2. Vizepräsidenten des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker e.V. am 02. 04. 2003. 142 143

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kann. Krankheiten werden also mit denjenigen Mitteln in potenzierten Dosen behandelt, die unverdünnt bei Gesunden ähnliche Erscheinungen hervorrufen würden: Similia similibus curentur (Ähnlichkeitsgesetz)148. Als Ausgangssubstanzen werden für die homöopathische Therapie Mineralien, Metalle, gelber Phosphor, Pflanzen und Tiergifte (z. B. Schlangengift) verwendet. (2) Die Arzneimittelprüfung am Gesunden dient dazu, die Symptome, die durch Einnahme einzelner Arzneien beim Gesunden hervorgerufen werden, zu erkennen149. (3) Die Dosierungslehre besagt, dass die homöopathischen Arzneimittel in kleinen beziehungsweise kleinsten Dosen verabreicht werden müssen150. Dieser Grundsatz entwickelte sich aus den Erfahrungen, die Hahnemann machte, als er begann, seine neue Methode anzuwenden, denn es kam zu erheblichen toxischen Nebenwirkungen. Daher begann er damit, die von ihm verwandten Mittel so stark zu verdünnen, dass sie keine unerwünschten Auswirkungen mehr hervorriefen. Allerdings erwiesen sich diese Verdünnungen dann auch insgesamt als unwirksam151. Die zunehmenden Verdünnungen wurden anschließend mit Schüttelungen kombiniert, das heißt jede Verdünnungsstufe wurde 100-mal gegen eine elastische Unterlage gestoßen. Auf diese Weise sollte sich angeblich deren Wirksamkeit potenzieren. Auch wenn in einer stark verdünnten Lösung kein Molekül der ursprünglichen Substanz mehr vorhanden war, so sollte die Energie der gelösten Substanz durch die Schüttelungen auf das Lösungsmittel übertragen worden sein. Hahnemann behauptete, in der Lösung bleibe die Erinnerung an die ehemals vorhandene Substanz zurück, der Stoff werde zur Energie152. Eine unter der Behandlung auftretende Verschlimmerung der Krankheitssymptome wird von der Homöopathie als Hinweis auf den einsetzenden Heilungsprozess interpretiert (so genannte Erstverschlimmerung). Treten neue Symptome hinzu, die bereits in früheren Lebensjahren einmal bestanden, so ist dies kein Grund, die Diagnose und Therapie zu überdenken, sondern dieser Umstand wird als anamnestische Reaktion bezeichnet, das heißt als Reaktivierung einer nicht vollständig ausgeheilten Erkrankung, die nun die Chance hat, endgültig auszuheilen153. 148 Abdolvahab-Emminger, Exaplan – Das Kompendium der klinischen Medizin, Miesbach, S. 873. 149 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 44. 150 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 44; Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 10 f. 151 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 158. 152 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 158 f. 153 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 160.

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Die Homöopathie wird in Deutschland fast ausschließlich von Allgemeinmedizinern und Heilpraktikern gepflegt und zählt hier zu den häufigsten alternativen Behandlungsverfahren. Sie ist als Zusatzbezeichnung von der Ärztekammer zwar anerkannt, ist aber dennoch stark umstritten154. Zum Teil wird sehr deutlich Kritik geübt. So kritisiert eine Stimme in der Literatur, dass doch auch niemand auf die Idee käme, ein Zytostatikum (Arznei gegen Krebs), zu dessen markantesten Nebenwirkungen Haarausfall und Erbrechen gehören, in homöopathischer Dosierung als Vorbeugung gegen Glatze oder gegen die Seekrankheit einzusetzen155. Als ein weiteres Beispiel werden Gleichgewichtsstörungen genannt, die ein Hirntumor auslöst. Es widerspräche schon dem gesunden Menschenverstand, nun Alkohol als Gegenmittel einzusetzen, nur weil dieser in hohen Dosen ebenfalls Gleichgewichtsstörungen auslöst156. Einer derart harschen Kritik war der Begründer dieser Therapieform bereits selbst ausgesetzt. So geriet Hahnemann 1816 mit dem Medizinprofessor Dzonzdi in heftigen Streit. Während letzterer der Meinung war, dass Verbrennungen am besten durch Eintauchen der verbrannten Haut in eiskaltes Wasser zu behandeln wären, vertrat Hahnemann die Auffassung, man müsse stattdessen mit erwärmtem Weingeist oder Terpentin-Öl therapieren157. Die Wirksamkeit der Homöopathie ist äußerst fraglich. So ergab beispielsweise eine Meta-Analyse der vorhandenen placebo-kontrollierten homöopathischen Studien für kein einziges Krankheitsbild einen Therapieeffekt, der über die Placebowirkung hinausging158. Insgesamt konnten die bisher veröffentlichten Studien die Gültigkeit homöopathischer Studien nicht belegen159. Die Homöopathie kann zudem auch nicht als risikolos bezeichnet werden160, denn es kommen Substanzen wie Blei, Quecksilber oder Schlangengift zum Einsatz. Gifte wie beispielsweise Arsen, Quecksilber, Blei, Kadmium können über längere Zeit in Tiefpotenzen gegeben eine chronische Vergiftung hervorrufen161; 154 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 160 f. 155 Sewing, Zum Problem der „Binnenanerkennung“ von „besonderen Therapierichtungen“, NJW 1995, S. 2400 ff., S. 2401. 156 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 161 f. 157 Vgl. Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 158. 158 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 165. 159 Oepen, Unkonventionelle medizinische Verfahren – Diskussion aktueller Aspekte, Oepen und Schaffrath, S. 263 f. 160 Vgl. Übersicht über die Risiken bei Oepen, Unkonventionelle medizinische Verfahren – Diskussion aktueller Aspekte, Oepen und Schaffrath, S. 265 ff. 161 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 164.

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in geringeren Dosen addieren sie sich zu den ohnehin bereits vorhandenen Umweltbelastungen hinzu und begünstigen teilweise die Krebsentstehung und schädigen das Erbgut. Bis zu einer Verdünnung von D 8 sind allergische Reaktionen möglich162. Aufgrund der fragwürdigen Wirksamkeit, der wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Auswertung der vorgelegten Studien und der durch die Verwendung schädlicher Stoffe bestehenden Risiken gehört die Homöopathie nicht zur Schulmedizin163. cc) Die Akupunktur Sie ist eine der ältesten Therapieformen der Medizin und wurde in China begründet. Sie basiert auf der Annahme, dass einzelnen Organen und Organsystemen bestimmte Akupunkturpunkte zugeordnet werden können. Die Systematik dieser Punkte beruht auf ihrer Zusammenfassung in 12 Hauptleitbahnen (Meridiane). Dort zirkulieren neben der Körperenergie (Chi) weitere Energien in bestimmten Richtungen, Ebenen und in einem bestimmten Rhythmus. Ist diese Energiezirkulation durch Fülle oder Leere gestört, so beeinträchtigt dies die gekoppelten Organsysteme (Funktionskreise)164. An den Akupunkturpunkten werden silberne oder goldene Nadeln in die Haut eingestochen, um dadurch den Energiefluss zwischen den Organen zu beeinflussen und das energetische Gleichgewicht wiederherzustellen165. Die Akupunktur wird sowohl von Heilpraktikern als auch von manchen Ärzten angewandt. Ihre Erfolge in bestimmten Bereichen sind unleugbar. Eine gesicherte Wirkung besteht bislang für Übelkeit und Erbrechen sowie für postoperative Zahnschmerzen166. Es wurde aber auch festgestellt, dass bei Asthma eine Nadelung von Akupunkturpunkten zu einem nachhaltigeren Effekt führt als die Nadelung von Pseudoakupunkturpunkten. Der Heroin-, Kokain- und Alkoholentzug, so wurde festgestellt, wird durch die Anwendung von Akupunktur erleichtert. Ebenso zeigt diese Therapieform bei chronischen Schmerzen eine gewisse Wirksamkeit. So erfahren laut einer Studie 55 – 85 % der Patienten eine Linderung ihrer Schmerzen167. 162 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 164. 163 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 78. 164 Abdolvahab-Emminger, Exaplan – Das Kompendium der klinischen Medizin, Miesbach, S. 871. 165 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 46; Prokein, Über diagnostische und therapeutische Methoden des Heilpraktikers, S. 41 ff. 166 Vgl. Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 132 mit Hinweis auf die „Acupuncture – NIH Consensus Conference“ 1998.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Diese Ergebnisse bezüglich der schmerzlindernden Wirkung der Akupunktur werden von den weltweit bislang größten Akupunkturstudien gerac gestützt, denn auch dort ergab sich als erstes Zwischenergebnis u. a., dass die Akupunktur bei chronischen Kreuz- und Knieschmerzen wirksam ist168. Die Wirkungsweise der Akupunktur ist jedoch bis heute nicht vollständig geklärt. Eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen zeigte zwar, dass durch Akupunktur dünne markhaltige Nervenfasern stimuliert werden, die Impulse zum Rückenmark leiten und dadurch drei schmerzhemmende Zentren aktivieren. Es wird aber vermutet, dass die Akupunkturpunkte nicht spezifisch im Hinblick auf angezielte entfernte Wirkungsorte sind, wie dies von der Meridiantheorie behauptet wird169. Diese Vermutung wird durch die Ergebnisse der gerac-Studien untermauert, denn dort ergab sich, dass eine Wirkung unabhängig davon erzielt werden kann, ob man eine Nadelung an so genannten Akupunkturpunkten vornimmt oder an vermeintlich unwirksamen Punkten170. An der Akupunktur wird zudem kritisiert, dass es unterschiedliche Akupunkturschulen gibt, nach denen die Eigenschaften, die den einzelnen Akupunkturpunkten zuzuordnen sind, nicht einheitlich festgelegt sind. Zudem bestehen erhebliche Diskrepanzen bei den Empfehlungen zur günstigsten Einstichtiefe171. Andere Kritiker führen aus, dass alle Akupunktureffekte, also Schmerzlinderung, Beseitigung von Durchblutungsstörungen, Regulation des Muskeltonus und andere Wirkungen, auch durch Suggestion und Hypnose möglich sind172. Insgesamt wird die Akupunktur bislang weiterhin nicht von der Schulmedizin anerkannt, sie ist bisher nicht naturwissenschaftlich begründet. Dennoch wird ihre Wirksamkeit in Teilbereichen wahrgenommen. So wird sie u. a. als eine Behandlungsmethode bezeichnet, die innerhalb der Grenzen ihres Wirkungsbereiches sinnvoll eingesetzt werden kann, zur Behandlung ernsthafter Erkrankungen aber nicht geeignet sei173. Man wird wohl sagen können, dass die Akupunktur an der Schwelle zur Schulmedizin steht. Bis es vielleicht einmal zu einer Zuordnung zu dieser kommen kann, bedarf es aber noch weiterer Untersuchun167 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 132. 168 Ein Überblick über die jeweils aktuellsten Ergebnisse findet sich im Internet unter www.gerac.de; im Übrigen vgl. Federspiel / Herbst, Die andere Medizin – „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet, S. 62 ff. 169 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 132. 170 Vgl. Überblick über Ergebnisse dieser Studie im Internet unter www.gerac.de. 171 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 135. 172 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 132. 173 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 136.

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren

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gen174. Auch die gerac-Studien konnten keine gesicherte Antwort auf die Frage geben, auf welche Weise die beobachteten Effekte zustande kommen175. Die Akupunktur ist im Übrigen nicht ungefährlich, denn es sind Komplikationen wie Stichverletzungen an Nerven und Blutgefäßen, des Herzens und der Lunge oder das Abbrechen der Akupunkturnadeln und anschließendes Wandern der Bruchstücke im Körper möglich176. Auch können Krankheitssymptome durch falsche oder nicht angemessene Technik oder Punktwahl verlagert und verstärkt werden177. Die häufigste Komplikation durch zu tief eingestochene Nadeln stellt ein Pneumothorax (Luftansammlung zwischen Lunge und Rippenfell) mit Behinderung der Atmung dar178. dd) Die Chiropraktik Diese Methode, für die auch das Synonym Chirotherapie verwendet wird, wurde von dem amerikanischen Heilpraktiker Daniel David Palmer (1844 – 1913) entwickelt179 und wird von dem Heilpraktiker Dickmann so definiert, dass man darunter die wissenschaftlich begründete Art von Krankheitsbehandlung versteht, Verschiebungen in der Wirbelsäule mittels besonderer, dem Berufe eigener Methoden festzustellen und sie mit der bloßen Hand wieder einzurichten180. Die Diagnose wird durch Anwendung einer bestimmten Palpationstechnik gestellt. Die Korrektur einer Fehlstellung oder Fehlfunktion eines Wirbelsäulenabschnitts erfolgt durch dessen Mobilisation. Diese findet passiv statt, bis ein elastischer Widerstand spürbar wird. Das behandelte Wirbelsäulensegment wird dabei durch eine geringgradige ruckartige Bewegung über diesen Endpunkt hinaus gedehnt, wobei die nicht zu behandelnden, benachbarten Gelenke mittels spezieller Handgriffe „verriegelt“ werden. Dieses als spinale Manipulation bezeichnete Manöver geht oft mit einem hörbaren Knack und einer – vorübergehenden – besseren Beweglichkeit einher181. 174

So auch Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“,

S. 75. Vgl. Überblick über Ergebnisse dieser Studie im Internet unter www.gerac.de. Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 47; Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 60. 177 Abdolvahab-Emminger, Exaplan – Das Kompendium der klinischen Medizin, Miesbach, S. 871. 178 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 134. 179 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 122. 180 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 61. 181 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 123. 175 176

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Trotz der beachtlichen, nachweisbaren Erfolge, z. B. bei Rückenschmerzen182, Ischialgie und Bewegungsunfähigkeit einer Extremität, birgt diese Methode aufgrund der großen Kraft, die beim Einrenken eines Wirbels ausgeübt wird, hohe Risiken, weil es zu irreversiblen Schädigungen kommen kann183. Komplikationen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule sind dabei sehr selten. Häufiger jedoch, wenngleich noch immer selten, sind Komplikationen im Bereich der Halswirbelsäule. Dort kann ein Endothel-Einriss an den Halsarterien einen Schlaganfall auslösen184. An dieser Therapieform werden von Seiten der Schulmedizin eben diese Risiken kritisiert sowie, dass die Ergebnisse der Manualtherapie nicht besser als die der konventionellen medikamentösen und physiotherapeutischen Behandlungsverfahren sind. Zwar wirke diese Methode schneller, es bestehe aber die Gefahr, dass die Beschwerden in immer kürzeren Abständen erneut auftreten und die Wirbelgelenke gewissermaßen „ausleiern“, weshalb Rückenschule, Haltungstraining und Muskelkräftigung vorzuziehen seien185.

ee) Die Neuraltherapie Diese Therapieform gehört zu den beliebtesten alternativen Heilverfahren186. Die Vertreter dieser Therapieform gehen zum einen von der Annahme aus, dass die Injektion eines Lokalanästhetikums („Quaddelung“) an bestimmten Stellen eine Fernwirkung auf tieferliegende Strukturen und Organe hat187. Das Verfahren wird zum anderen aber auch zur Lokaltherapie bei Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats eingesetzt. Schließlich erfolgen so genannte Störfeldbehandlungen, die auf der Annahme basieren, dass ein als „Störfeld“ wirkender Krankheitsherd – z. B. eine chronische Entzündung der Gaumenmandeln – verschiedenartige chronische Erkrankungen auslöst und unterhält. Durch Injektion eines Lokalanästhetikums in das „Störfeld“ soll die Erkrankung augenblicklich heilen („Sekundenphänomen“)188. 182 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 123. 183 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch den Heilpraktiker, S. 61; Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 48. 184 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 124. 185 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 124 f. 186 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 137. 187 Oepen, An den Grenzen der Schulmedizin – Eine Analyse umstrittener Methoden, Oepen, S. 44. 188 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 137.

III. Der Begriff der Außenseitermedizin, Akzeptanz und einzelne Verfahren

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Die Wirkung der Neuraltherapie bei lokalen Schmerzen ist nach Auffassung der Schulmedizin wohl mit derjenigen der Akupunktur vergleichbar und beruht auf demselben Mechanismus wie diese189. Sie ist daher auch in Bezug auf die Wirksamkeit bei Schmerzzuständen denselben Einwänden ausgesetzt. Hinzu kommt, dass die postulierte Fernwirkung der Einspritzung von Lokalanästhetika ebenso wenig erwiesen ist wie die Störfeldtheorie190. Die Neuraltherapie zählt daher nicht zur Schulmedizin. Bei der Anwendung dieser Therapie bestehen erhebliche Risiken. So kann es bei ungenügender Hautdesinfektion zu Infektionen im Bereich der Weichteile oder auch der Wirbelsäule kommen. Die versehentliche Injektion in den Liquorraum oder in ein Gefäß kann zu lebensgefährlichen Komplikationen, wie z. B. einer Atemlähmung, führen. Auch sind Verletzungen tieferliegender Strukturen wie Lunge, Bauchspeicheldrüse oder hirnversorgende Arterien, mit teils tödlich verlaufenden Einblutungen beobachtet worden191.

ff) Die Eigenbluttherapie Bei der Eigenblutbehandlung handelt es sich um eine Heilweise, die eine Umstimmung des Allgemeinbefindens des Patienten bewirken soll. Dies soll auf unterschiedliche Art und Weise erreicht werden, und zwar zum einen durch Abbau und Eliminierung eines Blutergusses, der künstlich durch intramuskuläre Injektionen kleiner Blutmengen hervorgerufen wird, wobei einige Therapeuten das Blut vor der Reinjektion mit UV-Licht bestrahlen oder es mit destilliertem Wasser verdünnen192. Andere Therapeuten dagegen injizieren das Blut zurück in die Vene. Auch bei dieser Art der Anwendung wird das Blut vorher teilweise mit destilliertem Wasser oder homöopathischen Mitteln versetzt, bevor es reinjiziert wird193. Die so ausgelösten Reaktionen sollen auch die Grundkrankheit und den Gesundungswillen des Patienten beeinflussen. Als Indikationen werden von den Befürwortern dieser Methode chronische Leiden verschiedenster Ursache angegeben194. 189 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 137 f. 190 Oepen, An den Grenzen der Schulmedizin – Eine Analyse umstrittener Methoden, Oepen, S. 44; Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 138. 191 Vgl. im Einzelnen Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 139 sowie Oepen, An den Grenzen der Schulmedizin – Eine Analyse umstrittener Methoden, Oepen, S. 44. 192 Oepen, An den Grenzen der Schulmedizin – Eine Analyse umstrittener Methoden, Oepen, S. 54. 193 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 170. 194 Oepen, An den Grenzen der Schulmedizin – Eine Analyse umstrittener Methoden, Oepen, S. 54.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Die Wirksamkeit dieser Therapieform ist nicht nachgewiesen und bei ihrer Anwendung besteht die Gefahr einer Abszessbildung195.

gg) Die Ozontherapie Bei dieser Methode wird dem Patienten auf unterschiedliche Weise ein OzonSauerstoffgemisch appliziert: durch intravenöse oder intraarterielle Injektionen, durch Blutentnahme, Anreicherung des Blutes mit Ozon-Sauerstoff und anschließende Reinjektion des Blutes oder durch Insufflierung des Gasgemisches in Darm, Blase und Harnleiter196. Angewandt wird diese Methode zur Bekämpfung von Schmerzen und Durchblutungsstörungen sowie zur Behandlung von Wunden und Infektionen197, aber auch bei Asthma, Leberzirrhose, Morbus Parkinson und sogar AIDS.198. Die positiven Effekte dieser Therapieform, die von Ärzten und Heilpraktikern behauptet werden, konnten nie nachgewiesen werden, weshalb diese Methode nicht zur Schulmedizin zählt199. Gegen diese Therapie wird vorgebracht, dass die Injektion zusätzlichen Sauerstoffs in die Venen unsinnig sei, weil sich der Körper über die Lungen jederzeit mit genau der Menge an Sauerstoff versorgt, die er benötigt200. Diese Verfahrensweise ist sogar sehr gefährlich, weil Gasembolien entstehen können, die auch bereits – mit tödlichem Ausgang – bekannt geworden sind201. Je nach betroffenem Organ äußern sich diese z. B. in Atemnot, Lähmungen oder Sehstörungen bis hin zur Erblindung202.

195 Oepen, An den Grenzen der Schulmedizin – Eine Analyse umstrittener Methoden, Oepen, S. 54. 196 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 50. 197 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 50; Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 62 f. 198 Vgl. Oepen, Unkonventionelle medizinische Verfahren – Diskussion aktueller Aspekte, Oepen, S. 215. 199 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 172; Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 80 . 200 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 172. 201 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 50 mit Hinweis auf VG Düsseldorf, MedR 1985, S. 292 und OVG Münster, MedR 1986, S. 2900; Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 172. 202 Stöhr, Ärzte, Heiler, Scharlatane – Schulmedizin und alternative Heilverfahren auf dem Prüfstand, S. 172.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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4. Zusammenfassung / Bewertung Insgesamt lässt sich durch konkrete Zahlen belegen, dass tatsächlich ein Trend hin zur Außenseitermedizin existiert, der auch in den nächsten Jahrzehnten ungebrochen fortdauern dürfte. Die Hauptgründe für diesen Trend sind dabei die Betroffenheit von chronischer Erkrankung und ausbleibende oder subjektiv als nicht ausreichend empfundene Heilerfolge der Schulmedizin, sowie die Annahme, alternative Heilmethoden seien nebenwirkungsärmer und schonender als diejenigen der Schulmedizin. Außerdem werden die Hinwendung des alternativen Behandlers zum Patienten und die Kommunikation mit diesem auch im Hinblick auf eventuelle psychosoziale Gründe für die jeweilige Erkrankung als intensiver empfunden als beim Schulmediziner. Die Übersicht über die einzelnen alternativmedizinischen Diagnose- und Therapieformen konnte – insbesondere bezogen auf letztere – eines zeigen: Die landläufige Meinung, alternative Behandlungsmethoden seien sehr viel schonender, nebenwirkungsärmer und ungefährlicher als die Methoden der Schulmedizin, lässt sich durch Tatsachen nicht bestätigen. Gerade invasive Methoden wie die Akupunktur, die Neural- oder auch die Ozontherapie bergen ein erhebliches Gefahrenpotential in sich, bei der Anwendung homöopathischer und phytotherapeutischer Mittel besteht das Risiko einer Vergiftung. Aus diesem Grund sollte für den Patienten zumindest sichergestellt sein, dass der Behandler, in dessen Hände er sich begibt, die richtige Diagnose treffen kann, das bei der jeweiligen Erkrankung angezeigte Verfahren und dieses dann auch richtig anwenden wird. Im Folgenden soll nun eine Darstellung des Berufsbildes des Heilpraktikers sowie des Berufsbildes des Arztes erfolgen, um im Anschluss daran zeigen zu können, welche Gefahren aus der Unterschiedlichkeit beider Berufsbilder für den Patienten resultieren und wie diesen Gefahren zu begegnen ist.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers 1. Rechtsgeschichtliche Entwicklung des Berufs des Heilpraktikers Bevor auf die einzelnen Elemente eingegangen wird, die das heutige Berufsbild der Heilpraktiker prägen, soll ein Überblick über die rechtsgeschichtliche Entwicklung dieses Berufsstandes gegeben werden203. 203 Vgl. hierzu auch Dannecker, Alles was Recht ist – Alternative Heilverfahren in rechtlicher Sicht, Heilung-Energie-Geist – Heilung zwischen Wissenschaft, Religion und Geschäft, S. 152 ff., S. 156 f.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

a) Bis zum Inkrafttreten der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 21. 06. 1869204 gab es in allen deutschen Staaten Kurpfuschereiverbote205 in unterschiedlich starker Ausprägung206. Verstöße gegen diese Kurpfuschereiverbote wurden mit zum Teil erheblichen Strafen geahndet. Konsequenterweise wurden die Kurpfuschereiverbote im Wesentlichen in fast alle Landesstrafgesetzbücher übernommen207, so z. B. in diejenigen von Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Preußen, um nur die größeren Länder zu nennen208. So bestimmte § 199 des preußischen Strafgesetzbuches: „Wer, ohne vorschriftsmäßig approbiert zu sein, gegen Belohnung oder einem besonders an ihn erlassenen Verbote zuwider die Heilung einer äußeren oder inneren Krankheit oder eine geburtshilfliche Handlung unternimmt, wird mit Geldbuße von fünf bis zehn Talern oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft“209.

b) Im Zuge des Aufstiegs der Ärzte zu einem durchgeformten Berufsstand im 19. Jahrhundert wurde zunehmend Kritik von Seiten der Ärzteschaft laut, die sich gegen das bestehende „Bevormundungssystem“ des Staates wandte. So wehrte sich die Ärzteschaft beispielsweise vehement gegen die Pflicht zur Hilfeleistung, die das preußische Strafgesetzbuch 1851 in § 200 sanktionierte, indem es bestimmte: „Medizinalpersonen, welche in Fällen einer dringenden Gefahr ohne hinreichende Ursache ihre Hülfe verweigern, sollen mit Geldbußen von zwanzig bis zu fünftausend Thalern bestraft werden.“

Dieser Kurierzwang wurde von den Ärzten als inakzeptabel eingestuft. Vornehmlich auf Betreiben der Berliner Medizinischen Gesellschaft und im Zusammenhang mit dem Erlass der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes im Jahre 1869 fiel dann zum einen dieser Kurierzwang, zum anderen wurde aber auch das in § 199 des preußischen Strafgesetzbuchs enthaltene Kurpfuschereiverbot aufgehoben, das sich gegen Heilmaßnahmen nicht vorschriftsmäßig Approbierter wandte210. Die Berliner Medizinische Gesellschaft hatte in einer Eingabe darauf hingewiesen, dass die bisher bestandenen Pfuschereiverbote die Pfuscherei doch nicht hätten beseitigen können, sie seien unwirksam; sie seien aber auch überflüssig, da sie Privilegien gewähren, die jetzt sogar von denen zurückgewiesen werden, die sie besitzen; sie seien aber auch unwürdig für die Bildungsstufe und UrteilsfähigBundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1869, S. 245 ff. Zum Begriff des Medizinalpfuschers vgl. Probst, Fahrende Heiler und Heilmittelhändler – Medizin von Marktplatz und Landstraße, S. 49 ff. 206 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 7; Ebermayer, Der Arzt im Recht – Rechtliches Handbuch für Ärzte, S. 215. 207 Vgl. Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 7 f. m. w. N. 208 Ebermayer, Der Arzt im Recht – Rechtliches Handbuch für Ärzte, S. 215. 209 Ebermayer, Der Arzt im Recht – Rechtliches Handbuch für Ärzte, S. 215. 210 Vgl. zu allem: Laufs, Arzt und Recht im Wandel der Zeit, MedR 1986, S. 165. 204 205

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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keit des Volkes, das dieser gängelnden Maßnahme nicht mehr bedürfe. In der Folge fiel das Pfuschereiverbot und die Kurierfreiheit wurde eingeführt211. Mit der Reichsgründung galt diese uneingeschränkte Kurierfreiheit nicht nur im Gebiet des Norddeutschen Bundes, sondern im gesamten Reichsgebiet212. Die Betätigung auf dem Gebiet der Heilkunde war danach jedermann gestattet, auch dem, der weder approbiert noch ärztlich geprüft oder auch nur ausgebildet war. Einer Approbation, die vom Nachweis der Befähigung zur heilkundlichen Tätigkeit abhängig war, bedurfte nur derjenige, der sich als Arzt oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen wollte (§ 29 GewO a. F.)213. Die Vorschriften der Gewerbeordnung bewirkten also lediglich einen Titelschutz214. Die Folge der Einführung der Kurierfreiheit war eine große Vermehrung der nichtärztlichen Heilbehandler. In Berlin wuchs sie in den Jahren 1879 – 1907 von 28 auf 1.379, in Preußen von 5.060 im Jahre 1923 auf 5.648 im Jahre 1924. Schon im Jahre 1907 schätzte man die Zahl der Kurpfuscher in Deutschland auf 12.000. Von 1.734 männlichen Kurpfuschern in Preußen waren im Jahre 1909 250 kleine Landwirte und Händler, 587 Handwerker, 300 Handel- und Gewerbetreibende, 76 Arbeiter, 287 Beamte (darunter 35 Pfarrer, 99 Lehrer). Von 609 weiblichen Kurpfuschern waren 49 Hebammen, 19 Masseusen, 15 Pflegerinnen, 220 ohne besonderen Beruf, im Übrigen Handwerker- und Arbeiterfrauen215. c) Eine erste Modifizierung dieses Rechtszustandes wurde durch eine Änderung der Gewerbeordnung durch das Gesetz vom 01. 07. 1883216 erreicht. Dieses Gesetz fügte einen § 56a in die Gewerbeordnung ein217, der die Ausübung der Heilkunde im Umherziehen allen nicht approbierten Personen bei Strafe (§ 148 GewO a. F.218) verbot. Eine Definition des Begriffs der Heilkunde enthielt das Gesetz dabei nicht, so dass diese von der Rechtsprechung selbständig entwickelt werden musste219. d) 1909 wurde dann der Versuch unternommen, im Wege der Gesetzgebung die Kurierfreiheit gewissen allgemeinen Einschränkungen zu unterwerfen. Im Reichstag wurde vom Bundesrat der Entwurf eines Gesetzes gegen Missbrauch im Heilgewerbe eingebracht, um Regelungen für die Ausübung der Heilkunde ohne Approbation zu treffen. Die Kurierfreiheit sollte zwar grundsätzlich beibehalten werden, es sollten aber vor allem eine Anzeigepflicht für den Beginn des GeVgl. Ebermayer, Der Arzt im Recht – Rechtliches Handbuch für Ärzte, S. 215. Bockelmann, Das Ende des Heilpraktikergesetzes, NJW 1966, S. 1145 ff., S. 1145; Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 27. 213 Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, S. 245 ff., S. 252 f. 214 OVG Nordrhein-Westfalen, MedR 1998, S. 571. 215 Ebermayer, Der Arzt im Recht – Rechtliches Handbuch für Ärzte, S. 216. 216 RGBl. 1883, S. 177 ff. 217 RGBl. 1883, S. 177 ff., S. 197. 218 RGBl. 1883, S. 177 ff. S. 237. 219 Bockelmann, Das Ende des Heilpraktikergesetzes, NJW 1966, S. 1145 ff., S. 1145. 211 212

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

werbes und auf Anforderung eine Auskunftspflicht über persönliche Verhältnisse und Behandlungsarten der Heilbehandler statuiert, bestimmte Behandlungsarten verboten und Möglichkeiten zur Untersagung des Heilgewerbes geschaffen werden220. Trotz anhaltender Diskussionen kam es letztlich nicht zu einer gesetzlichen Aufhebung oder inhaltlichen Einschränkung der Kurierfreiheit221. e) Durch den Erlass des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten im Jahre 1927222 wurde der Grundsatz der Kurierfreiheit in der Weise durchbrochen, dass § 7 dieses Gesetzes vorsah, dass nur approbierten Ärzten die Behandlung von Geschlechtskrankheiten und von Krankheiten oder Leiden der Geschlechtsorgane gestattet sein sollte. Außerdem wurde jede Art der Fernbehandlung verboten223. f) Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde damit begonnen, die Ausübung der Heilkunde durch Nichtärzte gesetzlich zu regeln. Der „Entwurf eines Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne ärztliche Approbation“ aus dem Jahr 1938 stieß dabei zunächst nicht auf den Widerstand der Heilpraktiker. Gegen die am 17. 02. 1939 dann als Gesetz erlassene endgültige Fassung des Heilpraktikergesetzes (HPG)224 wurden dagegen erhebliche Einwände laut, weil diese Fassung eine völlige Sperrung des Neuzuganges und Nachwuchses und ein Verbot der Ausbildungsstätten für die weitere Zukunft des Berufsstandes vorsah225. In § 1 Abs. 1 HPG wurde ein genereller Erlaubniszwang für die Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung eingeführt. In § 1 Abs. 2 HPG wird der Begriff der Ausübung der Heilkunde definiert als jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Als einheitliche Berufsbezeichnung legt § 1 Abs. 3 HPG die Bezeichnung „Heilpraktiker“ fest, und § 5 Abs. 1 HPG bedroht denjenigen mit Strafe, der ohne Erlaubnis die Heilkunde ausübt226. Mit dem Erlass des HPG wurde das Ziel verfolgt, die Kurierfreiheit abzuschaffen227 und langfristig den Berufsstand der Heilpraktiker228. So verbot auch § 4 220 Entwurf eines Gesetzes gegen Missstände im Heilgewerbe, Verhandlungen des Reichstages, 12. Legislaturperiode, II. Session 1909 / 1910, Anlagen-Bd. 277, Nr. 535. 221 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 19; Ebermayer, Der Arzt im Recht – Rechtliches Handbuch für Ärzte, S. 217. 222 RGBl. 1927, S. 61 ff. 223 RGBl. 1927, S. 62. 224 RGBl. 1939, Teil I, S. 251 ff. 225 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 29; Rabe, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 11. 226 RGBl. 1939, Teil I, S. 251 ff., S. 251. 227 Dannecker, Alles was Recht ist – Alternative Heilverfahren in rechtlicher Sicht, Heilung-Energie-Geist – Heilung zwischen Wissenschaft, Religion und Geschäft, S. 152 ff.,

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HPG jede Einrichtung und Unterhaltung von Ausbildungsstätten für Personen, die sich der Ausübung der Heilkunde im Sinne des HPG widmen wollten. Die bereits tätigen Heilpraktiker durften ihren Beruf weiter ausüben, soweit sie dafür nicht ungeeignet erschienen, benötigten aber ebenfalls eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 HPG. Eine Erlaubniserteilung an Personen, die die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, bisher nicht berufsmäßig ausgeübt hatten, war gem. § 2 Abs. 1 HPG229 und § 8 Abs. 1 der 1. Durchführungsverordnung (1. DVO)230 nur noch in besonders begründeten Ausnahmefällen möglich, wobei nicht definiert wurde, wann ein solcher Ausnahmefall vorliegen sollte. Aus der Zielsetzung des HPG, nämlich den Berufsstand des Heilpraktikers und die Kurierfreiheit abzuschaffen, erklärt sich auch, warum weder dem HPG, noch den dazu erlassenen Durchführungsverordnungen Vorschriften über eine berufsqualifizierende Ausbildung und Prüfung als Voraussetzung für eine Erlaubniserteilung zu entnehmen sind231. Jede staatliche Anerkennung im Sinne einer „kleinen Approbation“ sollte vermieden werden232. Am 03. 07. 1941 wurde die 2. Durchführungsverordnung (2. DVO)233 erlassen. Im Wesentlichen wurden in dieser nur die Versagungsgründe modifiziert. § 1 der 2. DVO bestimmt, dass die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung zu versagen sei, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. g) Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wandelte sich die Bedeutung des HPG. Nachdem es vorher repressiven Charakter besessen hatte und die Abschaffung des Berufsstandes der Heilpraktiker verfolgte, wurde es ins Gegenteil verkehrt und zur Anspruchsgrundlage für eine Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung, die Kurierfreiheit stand nur noch unter einem Erlaubnisvorbehalt234. Diese Veränderung der Natur des HPG ergab sich aufgrund des Art. 123 Abs. 1 GG, der bestimmt, dass Recht aus der Zeit vor der Bundesrepublik fortgilt, soweit es dem S. 157; Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 21; Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 2; Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 15; BVerwGE 66, S. 357 ff., S. 372. 228 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 21; Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 30. 229 RGBl. 1939, Teil I, S. 251. 230 RGBl. 1939 Teil I, S. 259 ff., hier S. 261. 231 Vgl. auch Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 22; Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „NichtHeilkundigen“, S. 15. 232 BVerfGE 78, S. 178 ff. 233 RGBl. 1941, Teil I, S. 368. 234 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 16; Rieger, Lexikon des Arztrechts, Abschn. 2460, Rn. 2.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Grundgesetz nicht widerspricht. Das HPG war danach an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, der die Berufsfreiheit verbürgt. Im Jahre 1957 entschied dann das BVerwG, dass § 2 Abs. 1 HPG gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, da das HPG die Berufsausübungserlaubnis für die Zukunft nur noch in „besonders begründeten Ausnahmefällen“ zulässt und sie darüber hinaus völlig in das Ermessen der Gesundheitsbehörde stellt235. In verfassungskonformer Auslegung ergibt sich danach aus § 2 Abs. 1 HPG, dass jeder Berufsbewerber bei Erfüllung der persönlichen Zulassungsvoraussetzungen einen Anspruch auf Zulassung zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde hat236. Die §§ 8 und 9 der 1. DVO erklärte das BVerwG für nicht mehr anwendbar, weil sie auf den ursprünglichen Ausnahmecharakter des § 2 Abs. 1 HPG abgestellt seien. Dagegen bestünden gegen die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 der 1. DVO in der Fassung der 2. DVO aus Sicht des Verfassungsrechts keine Bedenken, soweit die darin aufgestellten Voraussetzungen nicht – wie es in Buchstabe c. und zum Teil auch in Buchstabe f. der Fall sei – auf nationalsozialistischen Anschauungen beruhen. Die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz nahm das BVerwG insbesondere in Bezug auf Buchstabe i. an, welcher die Versagung der Erteilung der Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde vorsieht, wenn sich aus einer Prüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt237. h) Das HPG wurde in inhaltlich bedeutsamer Weise zuletzt geändert durch das Gesetz vom 02. 03. 1974238. Der alte § 5 wurde durch einen neuen ersetzt, nach dem derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, der, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und eine Erlaubnis nach § 1 des HPG zu besitzen, die Heilkunde ausübt. In § 5a wurde vorgesehen, dass ordnungswidrig handelt, wer als Inhaber einer Erlaubnis nach § 1 die Heilkunde im Umherziehen ausübt. Abs. 2 des § 5a sieht für den Fall eines Verstoßes eine Geldbuße vor. Änderungen der 1. DVO erfolgten durch die Verordnung vom 18. 04. 1975239. Zu einer weiteren Modifikation kam es aufgrund des Art. 29 des Gesetzes zur Erleichterung der Verwaltungsreformen in den Ländern vom 10. 03. 1975240. Beide Änderungen betrafen dabei lediglich Zuständigkeitsfragen. BVerwG, NJW 1957, S. 841 f., S. 841. BVerwG, NJW 1957, S. 841 f., S. 842; OVG Nordrh.-Westf, MedR 1998, S. 571 ff., S. 572; Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 10, Rn. 3. 237 BVerwG, NJW 1957, S. 841 f., S. 842. 238 BGBl. 1974, Teil I, S. 469 ff., S. 550. 239 BGBl. 1975, Teil I, S. 967. 240 BGBl. 1975, Teil I, S. 685 ff., S. 690 f. 235 236

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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i) Immer wieder wurde von verschiedener Seite versucht, zu einer Änderung des HPG oder zu einer einheitlichen Überprüfungsordnung für Heilpraktikeranwärter zu kommen. So sollte beispielsweise eine Initiative des Landes NordrheinWestfalen dazu führen, dass der Bundesrat beim Bundestag einen Gesetzentwurf zur Änderung des Heilpraktikergesetzes einbringt. Es ging um eine Rechtsgrundlage für den Erlass einer bundeseinheitlichen Überprüfungsverordnung für Heilpraktiker. Der Bundesrat stimmte jedoch mehrheitlich gegen die Einbringung eines solchen Gesetzentwurfs. Allerdings wurde die Bundesregierung aufgefordert, bis Ende des Jahres 1988 über die Vereinheitlichung der Überprüfungen von Heilpraktikeranwärtern zu berichten241. Die Bundesregierung kam dieser Aufforderung nach und berichtete mit Datum vom 17. 01. 1989 über die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern. Sie kam in ihrem Bericht zu dem Ergebnis, dass eine Vereinheitlichung des Überprüfungsverfahrens notwendig sei. Es seien bundesweit strenge Maßstäbe anzulegen, damit allerorts Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung wirksam abgewendet werden könnten. Eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung wurde jedoch weder für erforderlich noch für sinnvoll gehalten242. Eine zentrale Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern in allen Ländern gewährleiste, dass auf Länderebene auch eine inhaltlich gleiche Ausrichtung der Überprüfungen unter Anwendung einheitlicher Maßstäbe bei der Beurteilung der Frage, ob die Ausübung der Heilkunde durch den betreffenden Heilpraktikeranwärter eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde, erfolgt. Eine ländereinheitliche Überprüfungspraxis könne durch eine entsprechende Abstimmung unter den Ländern erreicht werden243. Von allen Anstößen und Initiativen blieb nur die Leitlinie für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern aus dem Jahr 1992244, auf die an späterer Stelle noch eingegangen wird. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass § 1 Abs. 1 HPG ein generelles Berufsverbot mit Erlaubnisvorbehalt enthält245. Wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein, bedarf einer Erlaubnis nach dem HPG, deren Erteilung dem Bewerber nicht versagt werden darf, wenn er alle persönlichen Voraussetzungen erfüllt, die das HPG in Verbindung mit den dazu erlassenen Durchführungsverordnungen, an diese Erteilung knüpft. BR-Drucksache 523 / 87. BR-Drucksache 20 / 89, S. 3 und S. 7 ff. 243 BR-Drucksache 20 / 89, S. 5. 244 Bundesministerium für Gesundheit, Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern gem. § 2 Abs. 1 lit. i. der 1. DVO zum Heilpraktikergesetz, Geschäftszeichen: 315-4334-3 / 4, vom 02. 09. 1992, abgedruckt in Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 29 ff. 245 Erbs / Kohlhaas, Pelchen, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Band 2, Abschn. H 54, § 1, Rn. 1. 241 242

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Im Folgenden soll nun die Frage beantwortet werden, wie der Begriff der Ausübung der Heilkunde definiert wird.

2. Der Begriff „Ausübung der Heilkunde“ Das HPG wiederholt nicht den Fehler, der bei Erlass des § 56a GewO a. F. begangen wurde, nämlich, den Begriff der Ausübung der Heilkunde nicht zu definieren. § 1 Abs. 2 HPG bestimmt: Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird246.

Diese Legaldefinition des HPG erscheint auf den ersten Blick geeignet, um festzustellen, ob es sich in einem zu beurteilenden Fall um Ausübung von Heilkunde handelt oder nicht. Gleichwohl ist der in der Literatur geäußerten Ansicht zuzustimmen, dieser Begriff sei ergänzungsbedürftig. Bockelmann und Taupitz stellen beispielsweise fest, diese Definition sei deshalb zu weit gefasst, weil sie streng genommen auch handwerkliche Tätigkeiten wie diejenige der orthopädischen Schumacher, der Augenoptiker247, der Masseure und Bademeister248 oder auch die Tätigkeit der Sanitäter, Laboranten oder Logopäden249 erfasst. Zum anderen würden Heilschwindler und Wunderdoktoren nicht erfasst, weil diese gerade keine diagnostischen oder therapeutischen Zwecke verfolgten, sondern sie nur vortäuschen, insoweit sei der Begriff zu eng250. Dannecker, Bockelmann und Käfer251 weisen außerdem darauf hin, die Formulierung des Gesetzes erfasse zudem weder die Krankheitsprophylaxe noch den kosmetisch indizierten chirurgischen Eingriff252. Auch die Rechtsprechung erkannte früh die Unschärfen dieser Legaldefinition und bemühte sich um eine Ergänzung und Konkretisierung, wobei zur Bestimmung des Begriffs „Ausübung der Heilkunde“ unterschiedliche Wege gegangen wurden. In concreto bestehen die Unterschiede im Wesentlichen zwischen der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und Zivilgerichte auf der einen Seite und derRGBl. 1939, Teil I, S. 251. Taupitz zu LG Verden in MedR 1998, S. 183. 248 Bockelmann, Strafrecht des Arztes, 1968, S. 3 f. 249 Bockelmann, Das Ende des Heilpraktikergesetzes, NJW 1966, S. 1145 ff., S. 1146. 250 Taupitz zu LG Verden in MedR 1998, S. 183. 251 Käfer, Der Heilpraktiker in Theorie und Praxis, § 1 HPG, Anm. 6.3. 252 Dannecker, Alles was Recht ist – Alternative Heilverfahren in rechtlicher Sicht, Heilung-Energie-Geist – Heilung zwischen Wissenschaft, Religion und Geschäft, S. 152 ff., S. 165; Bockelmann, Das Ende des Heilpraktikergesetzes, NJW 1966, S. 1145 ff., S. 1146. 246 247

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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jenigen der Strafgerichte auf der anderen253. Es wurden aber häufig auch beide Definitionen nebeneinander von den Gerichten angewandt, was die bestehenden Unterschiede relativiert.

a) Die Definition der Verwaltungsgerichte und Zivilgerichte, die „Fachwissentheorie“ Das Hamburgische OVG entschloss sich im Jahre 1950 in dem zu beurteilenden Fall dazu, sich an die Rechtsprechung zu § 56 GewO a. F. anzulehnen, und stellte fest, Heilkundeausübung sei seit jeher und dem tieferen Sinne des Wortes nach nur solche berufsmäßige Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, die nach allgemeiner Auffassung besondere ärztliche Fachkenntnisse voraussetzt254. Diese Definition legte acht Jahre später auch das BVerwG seiner Entscheidung zugrunde und konkretisierte sie dahin, dass auch Tätigkeiten, die ihrer Methode nach der ärztlichen Krankenbehandlung gleichkommen und ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen sowie gesundheitliche Schädigungen verursachen können, erlaubnispflichtig sein müssten. Hinsichtlich des Erfordernisses ärztlicher Fachkenntnisse komme es darauf an, ob diese in Bezug auf das Ziel, die Methode oder auch die Art der Tätigkeit erforderlich seien255. Im Jahre 1970 stellte das Gericht darüber hinaus fest, dass heilkundliche Tätigkeiten, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben können, nicht unter die Erlaubnispflicht des HPG fallen, auch wenn sie zur ordnungsgemäßen Vornahme ärztliche Fachkenntnisse erfordern. Andererseits fielen solche Verrichtungen, selbst wenn sie für sich gesehen keine ärztlichen Fachkenntnisse voraussetzten, gleichwohl unter die Erlaubnispflicht, wenn sie Gesundheitsgefährdungen mittelbar zur Folge haben können, etwa dadurch, dass frühzeitiges Erkennen ernster Leiden, das ärztliches Fachwissen voraussetzt, verzögert werden kann und die Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung nicht nur geringfügig ist256. Eine mittelbare Gefahr dieser Art besteht dabei nach Ansicht des OVG Nordrhein-Westfalen insbesondere dann, wenn die in Rede stehende Heilbehandlung als eine die ärztliche Berufsausübung ersetzende Tätigkeit erscheint257. 253 Vgl. auch Übersicht bei Dannecker, Alles was Recht ist – Alternative Heilverfahren in rechtlicher Sicht, Heilung-Energie-Geist – Heilung zwischen Wissenschaft, Religion und Geschäft, S. 152 ff., S. S. 165 ff. 254 Hamburgisches OVG, DVBl. 1950, S. 644 ff. 255 BVerwG NJW 1959, S. 833 ff., S. 834. 256 BVerwG, NJW 1970, S. 1987 ff., S. 1988 unter Bezugnahme auf BVerwG, NJW 1966, S. 1187 ff., S. 1189. 257 Vgl. OVG Nordrh.-Westf., MedR 1998, S. 571 ff., S. 572.

5 Tamm

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

In einem Urteil aus dem Jahr 1994 wurde die gefundene Definition vom BVerwG dann noch einmal ergänzt um die Feststellung, das ärztliche Fachwissen könne nicht nur im Hinblick auf das Ziel, die Art oder die Methode der Tätigkeit, sondern auch im Hinblick auf die Feststellung erforderlich sein, ob im Einzelfall mit der Behandlung begonnen werden darf258. Was die Frage der „allgemeinen Auffassung“ zur Notwendigkeit ärztlicher Fachkenntnisse anbelangt, hat das BayObLG bereits im Jahr 1961 klargestellt, dass für die Frage, ob im jeweiligen Fall ärztliches Fachwissen erforderlich ist oder nicht, die allgemeine Auffassung nicht der Ansicht der Fachmedizin gegenüber gestellt werden kann, sondern von einer allgemeinen Auffassung dann nicht gesprochen werden könne, wenn hierbei die Meinung der medizinischen Fachwissenschaft nicht mit eingeschlossen ist. Andernfalls würde gegebenenfalls die Ansicht nicht sachkundiger Kreise gegen die Ansicht der Sachkundigen entscheiden können, ob eine Krankheit vorliegt und die Behandlung durch einen Arzt erforderlich ist259. Außerdem muss die jeweilige Behandlung – bei generalisierender und typisierender Betrachtung der in Rede stehenden Tätigkeit – geeignet sein, gesundheitliche Schädigungen zu verursachen. Auch der 2. Zivilsenat des BGH folgte in einem Urteil aus dem Jahre 1987 im Wesentlichen dem Ansatz der Verwaltungsgerichte, stellte aber darüber hinaus fest, dass nach dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck die Behandlung eines konkreten Krankheitsfalles in der Weise hinzukommen muss, dass derjenige, der die Heilkunde ausübt, auf den konkreten Krankheitsfall eingeht und somit eine individualisierende Beziehung des Behandelten zum Behandler herstellt. Dies gelte in gleicher Weise für die einem Kranken ohne Untersuchung gegebenen Anweisungen und Ratschläge zur Behandlung einer Krankheit, eines Leidens oder eines Körperschadens260. Auch für seine Entscheidung aus dem Jahr 1998 hob der BGH auf die Definition der Verwaltungsgerichte ab261, was vom BVerfG in dessen Beschluss vom 17. 07. 2000262 nicht beanstandet wurde. Letzteres stellte aber noch einmal klar, dass in Fällen, in denen lediglich vom Bestehen mittelbarer Gefahren für die Volksgesundheit auszugehen ist, sich Verbot und Schutzgut so weit voneinander entfernen, dass bei der Abwägung besondere Sorgfalt geboten sei. Die Gefahren müssten hinlänglich wahrscheinlich und die gewählten Mittel eindeutig Erfolg versprechend sein. Allein die bloße Möglichkeit, dass aufgrund der Tätigkeit des Behandlers ein gebotener Arztbesuch unterbleibt, reiche nicht aus, um eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu begründen263. 258 259 260 261 262

BVerwG, NJW 1994, S. 3024 ff., S. 3026. BayObLG, GA 1961, S. 207 f., S. 207. BGH, NJW 1987, S. 2928 f., S. 2929. BGH, NJW 1999, S. 865 ff., S. 866. BVerfG, NJW 2000, S. 2736 ff.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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Das Risiko, dass die untersuchten Personen aufgrund eines Normalbefundes auf den Besuch eines Augenarztes verzichten, könne hinreichend durch einen Hinweis des Augenoptikers bewältigt werden, nur ein Augenarzt könne einen krankhaften Befund zuverlässig ausschließen264. In Fortführung dieser Rechtsprechung und auf der Basis der Fachwissentheorie entschied der Erste Senat des BVerfG dann in seinem Beschluss vom 02. 03. 2004265, dass die Erlaubnispflicht nach dem HPG im Falle der so genannten Geistheilung schon nicht geeignet sei, den mit ihr erstrebten Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen. Der Beschluss betraf einen Heiler, der – ohne Diagnosestellung – durch Handauflegen die Selbstheilungskräfte seiner „Patienten“ zu aktivieren suchte. Das Gericht stellte fest, dass für die Tätigkeit des Beschwerdeführers keine ärztlichen Fachkenntnisse erforderlich seien, zumal dieser unabhängig von etwaigen Diagnosen einheitlich durch Handauflegen handele. Eine mittelbare Gesundheitsgefährdung durch die Vernachlässigung notwendiger ärztlicher Behandlung sei mit letzter Sicherheit nie auszuschließen, wenn Kranke außer bei Ärzten bei anderen Menschen Hilfe suchten. Dieser Gefahr könne aber im vorliegenden Fall durch das Erfordernis einer Erlaubnis nach dem HPG nicht adäquat vorgebeugt werden. Arzt und Heilpraktiker stünden einander im Behandlungsansatz viel näher als die Heiler. Wer einen Heilpraktiker aufsuche, werde den Arzt eher für entbehrlich halten, weil ein Teil der ärztlichen Funktion vom Heilpraktiker übernommen werden darf. Die Heilpraktikererlaubnis bestärke den Patienten in gewisser Weise in der Erwartung, sich in die Hände eines nach heilkundlichen Maßstäben Geprüften zu begeben. Die Gefahr, notwendige ärztliche Hilfe zu versäumen, würde daher eher vergrößert, wenn geistiges Heilen als Teil der Berufsausübung von Heilpraktikern verstanden wird. Die Heilpraktikererlaubnis und die ärztliche Approbation zielten nicht auf rituelle Heilung. Wer letztere in Anspruch nehme, gehe einen dritten Weg, setze sein Vertrauen nicht in die Heilkunde, sondern wähle etwas von der Heilkunde Verschiedenes. Dieses zu unterbinden sei nicht Sache des Heilpraktikergesetzes. Je weiter sich das Erscheinungsbild des Heilers von medizinischer Behandlung entferne, desto geringer werde das Gefährdungspotential, das im vorliegenden Zusammenhang allein geeignet sei, die Erlaubnispflicht nach dem HPG auszulösen. Das BVerfG verlangt vom jeweiligen Behandler jedoch, dass dieser seinen Patienten in geeigneter Weise ausdrücklich darauf hinweist, dass seine Tätigkeit eine notwendige ärztliche Behandlung nicht ersetzt. BVerfG, NJW 2000, S. 2736 ff., S. 2737. BVerfG, NJW 2000, S. 2736 ff. 265 BVerfG, 1BvR, 784 / 03 vom 02. 03. 2004, zu finden unter www.bverfg.de sowie in NJW-RR 2004, S. 705 f. 263 264

5*

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Diese Rechtsprechung des Ersten Senats wurde in einem weiteren Fall, in dem es um Geistheilung ging, vom Zweiten Senat des BVerfG in dessen Beschluss vom 03. 06. 2004266 bestätigt. Die Verfassungsbeschwerde betraf eine strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers, der gegen diese Verurteilung unter anderem auch einwandte, die Auslegung des Begriffs der Ausübung der Heilkunde im Sinne der Eindruckstheorie, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch eingegangen wird, erweitere die Anwendung der Strafvorschrift des § 5 HPG und verstoße damit gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hätte der Beschwerdeführer keine Heilkunde ausgeübt. Der Zweite Senat gab der Verfassungsbeschwerde statt und stützte sich dabei auf die Kriterien, die der Erste Senat in seinem Beschluss vom 02. 03. 2004 für die Definition der Ausübung der Heilkunde bereits aufgestellt hatte. Auch der Zweite Senat fällte seine Entscheidung damit auf der Basis der Fachwissentheorie, ohne in seinem Beschluss jedoch die Eindruckstheorie als nicht mehr haltbar ausdrücklich zu verwerfen. Das Handauflegen, das der Kläger anwende, setze kein ärztliches Fachwissen voraus. Da die mit der Tätigkeit des Beschwerdeführers verbundenen Gesundheitsgefahren ersichtlich nur im Versäumen ärztlicher Hilfe liegen könnten, müsse lediglich sichergestellt werden, dass ein solches Unterlassen vom Beschwerdeführer nicht veranlasst oder gestärkt wird. Es müsse gewährleistet sein, dass der Beschwerdeführer die Kranken zu Beginn des Besuchs ausdrücklich darauf hinweist, dass er eine ärztliche Behandlung nicht ersetzt. Hierfür habe der Beschwerdeführer jedoch Sorge getragen. Der Erste Zivilsenat des BGH bezog sich in seinem Urteil vom 21. 04. 2005267 ebenfalls auf den Beschluss des BVerfG vom 02. 03. 2004 und entschied in dem Fall, in dem es um die Anwendung der Tonometrie und der automatischen Perimetrie durch einen Augenoptiker ging, dass dieser den Hinweis, seine Tätigkeit könne die ärztliche Behandlung nicht ersetzen, nicht schriftlich erteilen müsse, sondern ein mündlich erteilter Hinweis ausreiche. Das Berufungsgericht habe zu Recht angeführt, dass die mündliche Aufklärung den Vorteil habe, dass auf den Empfängerhorizont des jeweiligen Kunden Rücksicht genommen werden könne und diesem Rückfragen möglich seien. Zusammenfassend formuliert besagt die Fachwissentheorie heute, dass eine Ausübung von Heilkunde stets dann vorliegt, wenn die Tätigkeit nach allgemeiner Auffassung ärztliche oder heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt, sei es im Hinblick auf das Ziel, die Art oder die Methode der Tätigkeit selbst oder bezogen auf die Feststellung, ob im Einzelfall mit der Behandlung begonnen werden darf. 266 BVerfG, 2 BvR 1802 / 02, mit red. Leitsatz und Gründen abgedruckt in NJW 2004, S. 2890 f. 267 BGH, I ZR 190 / 02, zu finden unter www.bundesgerichtshof.de.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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Es fallen jedoch auch solche Tätigkeiten unter den Begriff der Ausübung der Heilkunde, die das genannte ärztliche Fachwissen zwar nicht voraussetzen, aber eine mittelbare Gefahr für die Volksgesundheit mit sich bringen, insbesondere in der Weise, dass Patienten von einer notwendigen ärztlichen Behandlung absehen könnten. Diese mittelbare Gefahr muss jedoch hinlänglich wahrscheinlich sein. Weist der jeweilige Behandler in diesen Fällen vor Beginn der Behandlung in geeigneter Weise – nach Auffassung des BGH in Zivilsachen kann Mündlichkeit ausreichen – ausdrücklich darauf hin, dass seine Tätigkeit eine notwendige ärztliche Behandlung nicht ersetzt, so wird die mittelbare Gefahr für die Volksgesundheit beseitigt und fällt seine Tätigkeit nicht unter den Begriff der Ausübung der Heilkunde. Die Fälle der Geistheilung stellen nach der Rechtsprechung des BVerfG im Ergebnis insoweit einen Sonderfall dar, als die Geistheilung als so genannter „dritter Weg“, nämlich als Weg der rituellen Heilung eingestuft wird, der grundsätzlich mit einer Behandlung durch einen Heilpraktiker oder Arzt nicht vergleichbar ist. Unter Zugrundelegung des Beschlusses des BVerfG vom 02. 03. 2004 müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Geistheilung nicht als Ausübung der Heilkunde eingestuft werden kann. Zum einen muss sich der Behandler, ohne Durchführung einer Diagnostik, darauf beschränken, die Selbstheilungskräfte des Patienten zu wecken. Zum anderen muss er den Patienten zu Beginn der Behandlung in geeigneter Weise und ausdrücklich darauf hinweisen, dass seine Tätigkeit die ärztliche Behandlung nicht ersetzt268. Innerhalb der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wird diese Definition – mit Abweichungen im Detail, vorwiegend aufgrund einer weiteren Präzisierung – nun seit langem in ständiger Rechtsprechung für den Begriff der Ausübung der Heilkunde zugrunde gelegt269, zum Teil ergänzt um die Definition der Strafgerichte, die auf die so genannte Eindruckstheorie abstellen. So befand das VG Stade, unter das HPG sei jedes Tun zu subsumieren, das bei dem Behandelten den Eindruck erweckt, ihm werde Heilung oder Linderung zuteil270. Das BVerwG formulierte in einem Urteil aus dem Jahr 1993 ähnlich, indem es zwar zum einen auf die Fachwissentheorie abhob, aber zudem feststellte, es komme maßgeblich darauf an, welchen Sinn der Behandler seinem Tun im Hinblick auf den Patienten erkennbar beilegen will271. Auf die Eindruckstheorie und die Konsequenzen, die die neueste Rechtsprechung des BVerfG für diesen Ansatz der Strafgerichte mit sich bringt, soll im Folgenden eingegangen werden. 268

Vgl. auch Erdle, Recht der Gesundheitsfachberufe und Heilpraktiker, Abschn. 30.1,

Rn. 3. 269 Vgl. auch BVerwG, NJW 1966, S. 1187 ff., S. 1188; BVerwG, NJW 1970, S. 1987 ff.; VG Stade, NJW 1990, S. 790 f. 270 VG Stade, NJW 1990, S. 790 f., S. 790. 271 BVerwG, NJW 1994, S. 3024 ff., S. 3026; Ebenso OVG Nordrh.-Westf., MedR 1998, S. 571 ff., S. 575.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

b) Die Definition der Strafgerichte, die „Eindruckstheorie“ Im Unterschied zu den Verwaltungsgerichten entwickelten die Strafgerichte ihre „Eindruckstheorie“. Der 5. Strafsenat des BGH stellte in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1955 auf den Zweck des HPG ab, der darin bestehe, zum Wohle der Volksgesundheit zu verhindern, dass Kranke, statt sich von einem Arzt behandeln zu lassen, in die Hände Unkundiger und Unzuverlässiger fallen. Außerdem richte sich das Gesetz dagegen, dass solche unberufenen Personen die Neigung vieler Leidender, jede scheinbare Hilfe in Anspruch zu nehmen, ausnutzen, um sich auf undurchsichtige Weise berufsartig zu betätigen und insbesondere auf Kosten dieser Menschen eine bequeme Einnahmequelle zu haben272. Mit Rücksicht auf diese Zwecke des HPG sei unter Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden im Sinne des § 1 Abs. 2 HPG jedes Tun zu verstehen, das bei den Behandelten den Eindruck erweckt, es ziele darauf ab, sie zu heilen oder ihnen Erleichterung zu verschaffen. Dies könne auch dadurch geschehen, dass angeblich übernatürliche Gewalten mit vermeintlichen oder vorgetäuschten übersinnlichen Kräften bekämpft werden. Gerade ein solches Treiben könne den Zielen des HPG in hohem Maße zuwiderlaufen und daher besonders gefährlich sein273. Der BGH stellte also auf den Eindruck beim zu Therapierenden ab, um auch die Tätigkeit unter das HPG subsumieren zu können, die kein ärztliches Fachwissen voraussetzt, namentlich die Tätigkeit der Scharlatane und Heilschwindler. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1978 präzisierte der BGH dann in Bezug auf die Fälle der so genannten Geistheilung weiter, dass es für die Annahme einer Ausübung der Heilkunde nicht ausreiche, wenn der Behandler lediglich die Hilfe Gottes für den Kranken erbitte, sondern dass es erforderlich sei, dass der Geistheiler sich selbst übernatürliche Kräfte beilegt, die mittelbar oder unmittelbar zur Heilung oder Linderung des Leidens führen sollen274. Das HansOLG Bremen setzte sich – ohne in der Sache zu entscheiden – im Jahre 1956 sowohl mit der Definition der Verwaltungsgerichte als auch mit derjenigen des BGH in Strafsachen auseinander275. Zunächst zog es die schon von den Verwaltungsgerichten gefundenen Kriterien heran und sprach aus, dass die in § 1 HPG näher umschriebene Tätigkeit nach allgemeiner Auffassung besondere ärztliche Fachkenntnisse voraussetze. Unerheblich sei dabei, ob der Tätigkeit eine körperliche Untersuchung oder die Stellung einer Diagnose vorausgeht. Heilkunde übe vielmehr schon derjenige aus, der einem 272 273 274 275

BGH, NJW 1956, S. 313 f., S. 314. BGH, NJW 1956, S. 313 f., S. 314. BGH, NJW 1978, S. 599 ff. HansOLG Bremen, MDR 1957, S. 310 f.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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Kranken ohne Untersuchung Anweisungen und Ratschläge zur Behandlung einer vorhandenen oder vermeintlich vorhandenen Krankheit gibt, indem er ihm zeigt, durch welche Methoden seine Krankheit zu heilen oder zu lindern sei. Aus dem Zweck des HPG ergebe sich dabei weiter, dass es sich um die Behandlung eines konkreten Krankheitsfalles handeln muss276. Anschließend nahm das Gericht Bezug auf die Rechtsprechung des BGH und stellte fest, dass es richtig sei, unter Ausübung der Heilkunde jedes Tun zu verstehen, das bei den Behandelten den Eindruck erweckt, es ziele darauf ab, sie von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden zu heilen oder ihnen Erleichterung zu verschaffen277. Zusammenfassend gesagt, ist Ausübung der Heilkunde nach der Eindruckstheorie der Strafgerichte jedes Tun, das bei den Behandelten den Eindruck erweckt, es ziele darauf ab, sie zu heilen oder ihnen Erleichterung zu verschaffen. Erforderlich ist außerdem, dass es sich um die Behandlung eines konkreten Krankheitsfalles handeln muss. Die Fälle der Geistheilung fielen nach der bisherigen Rechtsprechung unter der Voraussetzung, dass der Geistheiler sich selbst übernatürliche Kräfte beilegt, die mittelbar oder unmittelbar zur Heilung oder Linderung des Leidens führen sollen, ebenfalls unter diesen Begriff. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG, insbesondere nach dem Beschluss vom 03. 06. 2004278, der eine strafrechtliche Verurteilung betraf, können diese Fälle jedoch nicht mehr als solche der Ausübung von Heilkunde eingestuft werden, sofern der Behandler sich auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Patienten beschränkt und – ohne Durchführung einer Diagnostik – zu Beginn der Behandlung in geeigneter Weise ausdrücklich darauf hinweist, dass seine Tätigkeit eine notwendige ärztliche Behandlung nicht ersetzt. Diese Entscheidung des BVerfG, die sich auf den Beschluss des Ersten Senats vom 02. 03. 2004 stützte, gibt zu erkennen, dass das Gericht die Fachwissentheorie der Verwaltungsgerichte auch für das Gebiet des Strafrechts als maßgeblich und die Eindruckstheorie als obsolet ansieht, wenngleich dieser Beschluss nicht ausdrücklich gegen die Anwendbarkeit der Eindruckstheorie Stellung bezieht. Das Vorbringen des Beschwerdeführers hätte eine konkrete Äußerung zu dieser Frage nahe gelegt279. Die Strafgerichte stellten bislang in ständiger Rechtsprechung auf die Eindruckstheorie ab, jedoch wurde in mehreren Entscheidungen zusätzlich auch die „Fachwissentheorie“ zur Beurteilung herangezogen280. So auch OLG Stuttgart, NJW 1964, S. 47 f. HansOLG Bremen, MDR 1957, S. 310 f. 278 BVerfG, 2 BvR 1802 / 02, mit red. Leitsatz und Gründen abgedruckt in NJW 2004, S. 2890 f. 279 Vgl. erneut A. IV. 2. a). 276 277

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

c) Gründe für die unterschiedlichen Ansätze Die Gründe dafür, dass die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und diejenige der Strafgerichte hinsichtlich der Definition des Begriffs „Ausübung der Heilkunde“ ursprünglich zu unterschiedlichen Ansätzen gelangten, liegt darin begründet, dass die Strafgerichte einerseits und die Verwaltungsgerichte andererseits von verschiedenen Ansatzpunkten ausgehen müssen. Während es bei den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen darum geht, ob der Antragssteller, der die Heilkunde ausüben will, unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Berufswahl einen Rechtsanspruch auf die dazu erforderliche Erlaubnis hat, ist von den Strafgerichten zu beurteilen, ob ein Täter Behandlungsmethoden ausübt, durch die der einzelne Patient ebenso wie die Allgemeinheit gefährdet wird281, es geht hier um Schutz von Leib und Leben von Personen, die sich in die Hände Unkundiger begeben haben. Der Blickwinkel der Verwaltungsgerichte ist abstrakt-generell, derjenige der Strafgerichte konkreter auf den Einzelfall bezogen. Entsprechend wurde der Ansatz der Verwaltungsgerichte vom 1. Strafsenat des BGH im Jahre 1977 als im Rahmen des § 5 HPG zu eng eingestuft. Die Definition der Verwaltungsgerichte würde im Rahmen dieser Vorschrift dazu führen, dass nur derjenige wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde bestraft werden könne, der zwar die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 1 HPG erfüllt, es aber lediglich unterlassen hat, sich um die Erteilung einer Erlaubnis zu bemühen. Das aber würde zu einer Einengung des Tatbestandes führen, durch die gerade die besonders gefährlichen und strafwürdigen Fälle der Scharlatanerie und der schwindelhaften Kurpfuscherei nicht mehr erfasst würden282. Dennoch stellte das Gericht damals in Anwendung der Fachwissentheorie fest, dass auch nach dieser Definition der Verwaltungsgerichte in dem zu entscheidenden Fall, in dem es um einen Wunderheiler ging, von Ausübung der Heilkunde auszugehen ist. Wie auch gerade diese Entscheidung zeigt, gelangt man über beide Definitionen in aller Regel zum selben Ergebnis.

d) Grenzziehung anhand konkreter Fälle aus der Rechtsprechung Trotz der Konkretisierungsbemühungen der Gerichte bleibt es im Einzelfall schwierig zu entscheiden, wann eine Ausübung von Heilkunde jeweils anzunehmen ist. Es hat sich in der Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik herausgebildet, und im Folgenden sollen einige Urteile283 angesprochen werden, um an280 So beispielsweise BGH, NJW 1978, S. 599 f., S. 600; LG Berlin, NJW 1988, S. 780 f., S. 781. 281 So BGH, NJW 1978, S. 599 f., S. 600. 282 So BGH, NJW 1978, S. 599 f., S. 600.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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hand konkreter Fälle sichtbar zu machen, innerhalb welchen Rahmens nach der Rechtsprechung von einer Ausübung der Heilkunde auszugehen ist. Dabei wird trotz des Umstandes, dass die Eindruckstheorie und die Fachwissentheorie in der Regel zum selben Ergebnis führen werden – wie auch das Urteil des 1. Strafsenats des BGH aus dem Jahre 1977 zeigt284 — im Wesentlichen die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dargestellt. Dies deshalb, weil zum einen die mögliche Strafbarkeit nach § 5 HPG nicht Gegenstand dieser Arbeit sein wird. Die Frage, wann eine Ausübung von Heilkunde vorliegt, wird vielmehr nur mit der Zielsetzung gestellt, die Tätigkeitsbereiche zu ermitteln, die es erforderlich machen, dass Personen, die in diesen Bereichen tätig sein wollen, vor Beginn ihrer Tätigkeit eine Erlaubnis nach dem HPG erwerben. Zum anderen ist die Eindruckstheorie aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG obsolet geworden, wie später noch vertieft erörtert werden wird, so dass der Blick vor allem auf die Urteile gerichtet werden soll, die die Fachwissentheorie zugrunde legen. Ebenfalls ausgeklammert bleiben die Fälle der Geistheilung, da es bei dieser um rituelle Heilung geht, die nach der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich nicht mit der Behandlung durch einen Arzt oder Heilpraktiker vergleichbar ist. aa) Dem Urteil des Hamburgischen OVG aus dem Jahre 1950 lag ein Fall zugrunde, in dem eine Heilgymnastin Kurzwellenbestrahlungen durchführte, die ärztlich verordnet worden waren285. Das OVG stellte fest, zu denjenigen, die im Sinne des § 1 Abs. 2 HPG die Heilkunde ausüben, gehörten nicht diejenigen, welche bei der Ausübung der Heilkunde lediglich als Diener und Krankenpfleger fungieren. Im zu entscheidenden Fall stellte das OVG fest, um die Ausübung von Heilkunde würde es sich zweifellos dann handeln, wenn die Klägerin die Bestrahlungen aufgrund eigener Diagnose und Verordnung verabfolgte. Da sie jedoch ausschließlich aufgrund ärztlicher Attestierung tätig werde, verbleibe sie mit ihrer Tätigkeit im Rahmen einer dienenden Funktion, übe Heilkunde nicht aus, sondern unterstütze lediglich die Heilkundeausübung des jeweils verordnenden Arztes, der die heilkundliche Verantwortung auch für die Behandlung trage286. bb) Das BVerwG hatte dann im Jahre 1958 einen anderen Fall zu entscheiden287, der operative Eingriffe zu kosmetischen Zwecken betraf, die von einem Behandler vorgenommen wurden, der weder approbierter Arzt war noch eine Erlaubnis nach dem HPG besaß. Seine Tätigkeit umfasste dabei die Korrektur von ästhetischen Mängeln an Nasen und Ohren. Das Gericht entschied, dass das Gebiet der 283 Eine Vielzahl von Urteilen findet sich bei Rabe, Gerichtsentscheidungen zum Recht der Ausübung der Heilkunde ohne Approbation (Heilpraktiker) und bei Käfer, Der Heilpraktiker in Theorie und Praxis, § 1 HPG, Anm. 6 ff. 284 Vgl. erneut BGH, NJW 1978, S. 599 f. 285 Hamburgisches OVG, DVBl. 1950, S. 644 ff. 286 Hamburgisches OVG, DVBl. 1950, S. 644 ff., S. 645. 287 BVerwG, NJW 1959, S. 833 ff.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Kosmetik zwar grundsätzlich nicht unter den Begriff der Heilkundeausübung falle, was vor allem gelte, wenn unter Kosmetik im herkömmlichen Sinne die Pflege der Haut verstanden wird288. Schönheitskorrekturen seien aber als eine erlaubnispflichtige Tätigkeit einzustufen, da bei solchen Eingriffen bei unsachgemäßer Ausführung Körperschäden eintreten können, weshalb sie ärztliches Fachwissen voraussetzten289. cc) Auch die Ernährungsberatung kann nach Ansicht des OLG Stuttgart Ausübung der Heilkunde sein, sofern eine individuelle Beratung von Personen erfolgt, die sich mit Leiden oder gesundheitlichen Beschwerden an den Behandler wenden, und zur Heilung oder Linderung der Leiden eine bestimmte Kost empfohlen wird290. dd) Ebenfalls die Kosmetik betrifft die Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1965. Das Gericht entschied, dass § 1 Abs. 2 HPG auch dann auf kosmetische Eingriffe angewendet werden kann, wenn die Behandlung selbst zwar keine medizinischen Kenntnisse voraussetzt, jedoch die Frage, ob sie im einzelnen Fall begonnen werden darf, ärztliches diagnostisches Fachwissen erfordert, um einer Gesundheitsgefährdung durch den Eingriff vorzubeugen. Gegenstand des Urteils war die Entfernung von Warzen und Leberflecken im Kalkauterverfahren291. ee) Ein Jahr später befasste sich das BVerwG dann mit der Frage, ob die Bestimmung der Sehschärfe durch einen Optiker als Ausübung der Heilkunde einzustufen ist292, und kam zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei. Es erläuterte, dass die Bestimmung der Sehschärfe ebenso rein technischer beziehungsweise handwerksmäßiger Natur sei, wie die Messungen, die der Hörgerätefachhändler mittels eines Audiometers über die Hörgrenze des Kunden vornimmt. Beschränke sich die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf technische Vorgänge, ohne das Gebiet des Handwerksmäßigen zu überschreiten, so könne von einem Hinübergreifen in das Gebiet der wissenschaftlichen Heilkunde und damit von einer Ausübung der Heilkunde nicht die Rede sein293. Die Anwendung des HPG sei auch nicht deshalb geboten, weil die Ausübung dieser Tätigkeit durch die Optiker Gesundheitsgefährdungen der Fehlsichtigen zur Folge haben kann, denen nur durch ein ärztliches Fachwissen vorgebeugt werden könne, denn die Gefahr, der ein Kunde des Optikers dadurch ausgesetzt ist, dass durch die Brillenanpassung ein ernstes Augenleiden nicht erkannt und verschlimmert wird, sei äußerst gering294. 288 289 290 291 292 293 294

BVerwG, NJW 1959, S. 833 ff., S. 833. BVerwG NJW 1959, S. 833 ff., S. 834. OLG Stuttgart, NJW 1964, S. 47 f. BVerwG, MDR 1966, S. 177. BVerwG, NJW 1966, S. 1187 ff. BVerwG, NJW 1966, S. 1187 ff., S. 1189. BVerwG, NJW 1966, S. 1187 ff., S. 1189.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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ff) 1970 entschied das BVerwG einen Fall, in dem ein staatlich anerkannter Masseur an Patienten chiropraktische Behandlungen vornahm, die vorher von einem Arzt verordnet worden waren295. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass eine chiropraktische Tätigkeit, wie sie der Kläger berufsmäßig zur Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden am Menschen vornehme, ärztliches Fachwissen erfordere. Dabei bleibe die Chiropraktik auch dann Ausübung der Heilkunde, wenn sie auf Anordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorgenommen wird und der Arzt oder Heilpraktiker dem Chiropraktiker vor Behandlungsbeginn die Diagnose mitteilt sowie gegebenenfalls weitere Hinweise für die chiropraktische Behandlung aus ärztlicher Sicht gibt. Dem Chiropraktiker oblägen auch in einem solchen Fall keine unter ärztlicher Leitung und Aufsicht stehenden bloßen Hilfsfunktionen. Die Tätigkeit des Chiropraktikers sei daher nicht derjenigen der Heilhilfskräfte zuzuordnen, deren Tätigkeit das BVerwG dann nicht dem Begriff der Ausübung der Heilkunde unterstellt, wenn sie unter Aufsicht und Verantwortung einer befugten Person vorgenommen wird. Als solche Heilhilfstätigkeiten, die kein ärztliches Fachwissen erfordern und bei denen es sich nicht um eine Ausübung der Heilkunde handelt, nennt das Gericht beispielhaft die Tätigkeit der medizinischen Masseure, Krankenpfleger oder medizinisch-technischen Assistenten. Kennzeichnend für eine Heilhilfstätigkeit sei dabei immer, dass zwischen den nichtärztlichen Hilfskräften und den Ärzten ein Unterordnungsverhältnis bestehe296. gg) Im Jahre 1993 hatte das BVerwG einen Fall zu entscheiden, in dem es um „Heilmagnetisieren“ ging297. Das BVerwG hob ergänzend auf die Eindruckstheorie ab, indem es urteilte, dass es maßgeblich darauf ankomme, welchen Sinn der Behandler seinem Tun im Hinblick auf den Patienten erkennbar beigelegt wissen möchte. Da in diesem, dem Urteil zugrunde liegenden Fall, zu dem Behandler Menschen mit Asthma, Neuralgie, Ischias und anderen Beschwerden in der Erwartung gekommen waren, geheilt zu werden, und der Behandler mit der Intention tätig wurde, diese Erwartung zu erfüllen, sei er zum Zwecke der Heilung tätig geworden und seine Tätigkeit wurde damit vom Gericht als Ausübung der Heilkunde eingestuft. Die von der Tätigkeit des Behandlers ausgehende Gefahr sah das Gericht darin, dass dieses Tätigwerden bei den Patienten die Hoffnung auf Heilerfolge nährt und dadurch der Bereitschaft entgegenwirken könne, medizinische Hilfe durch einen Arzt in Anspruch zu nehmen298. 295 296 297 298

BVerwG, NJW 1970, S. 1987 ff. BVerwG, NJW 1970, S. 1987 ff., S. 1988. BVerwG, NJW 1994, S. 3024 ff. BVerwG, NJW 1994, S. 3024 ff., S. 3026.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Aufgrund der Nähe des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts zu dem der Geistheilung durch Handauflegen ist fraglich, ob auf der Grundlage des Beschlusses des BVerfG vom 02. 03. 2004 eine Einordnung des Heilmagnetisierens unter den Begriff der Ausübung von Heilkunde noch ohne weiteres vorgenommen werden kann. Diese Frage stellt sich jedenfalls in solchen Fällen, in denen der Behandler keine Diagnostik betreibt und vor Beginn der Behandlung in geeigneter Weise ausdrücklich darauf hinweist, dass seine Tätigkeit die ärztliche Behandlung nicht ersetzt. hh) Der bereits genannte Beschluss des BVerfG vom 17. 07. 2000 betraf die Frage, ob die Durchführung der berührungslosen Augeninnendruckmessung (Tonometrie) und die Prüfung des Gesichtsfeldes mittels einer Computermessung (automatische Perimetrie) durch einen Augenoptiker eine Ausübung von Heilkunde ist. Das Gericht stellte zunächst fest, dass es Wortlaut und Sinn von § 1 HPG entspreche, solche Verrichtungen, die für sich gesehen keine ärztlichen Fachkenntnisse voraussetzen, als Ausübung der Heilkunde zu qualifizieren, wenn sie mittelbar die Gesundheit gefährden, beispielsweise weil frühzeitiges Erkennen ernster Leiden verzögert wird299. Das Gericht kam dann aber zu dem Ergebnis, dass der mittelbaren Gefahr für die Gesundheit, nämlich dem Risiko, dass die untersuchten Personen aufgrund eines Normalbefundes vom Besuch eines Augenarztes absehen, ausreichend durch einen Hinweis des Augenoptikers begegnet werden kann, ein krankhafter Befund könne zuverlässig nur durch einen Augenarzt ausgeschlossen werden300. In seiner Entscheidung hob das Gericht zudem besonders hervor, dass auch die Vorteile einer Untersuchung durch den Augenoptiker zu berücksichtigen seien, die darin lägen, dass die Wahrscheinlichkeit einer vermehrten Aufdeckung von vorhandenen oder drohenden Augenerkrankungen besteht, und verneinte im Ergebnis eine Ausübung von Heilkunde durch den Optiker.

e) Die Auffassungen in der Literatur Wie die Rechtsprechung, so erkannte auch die Literatur die Schwächen der Legaldefinition und bemühte sich um eine Konkretisierung des Begriffs der Ausübung der Heilkunde. Die h. M. in der Literatur folgt der Fachwissentheorie der Verwaltungsgerichte, wobei einige Autoren eine vermittelnde Position beziehen, indem sie die Fachwissentheorie und die Eindruckstheorie nebeneinander anwenden. aa) Schneider stimmt in seiner Anmerkung zum Urteil des Hamburgischen OVG301 dessen Ansicht zu, nach der es darauf ankommt, ob die jeweilige Tätigkeit 299 300 301

BVerfG, NJW 2000, S. 2736 ff., S. 2736. BVerfG, NJW 2000, S. 2736 ff. Schneider Anm. zu Hamburgisches OVG, DVBl.1950, S. 644 ff., S. 645 f.

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nach allgemeiner Auffassung ärztliches Fachwissen erfordert. Auch Schumacher stimmt dem Ansatz der Verwaltungsgerichte zu und folgt damit der Fachwissentheorie302. Ebenso lehnt im Ergebnis Dannecker die Eindruckstheorie als zu weitgehend ab303. Am deutlichsten wird die Eindruckstheorie von Wegener abgelehnt. Zunächst stimmt er Bockelmann in der Aussage zu, die gesetzliche Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 HPG habe gerade auf dasjenige Merkmal verzichtet, das allein dazu taugt, eine einleuchtende sachliche Unterscheidung von heilkundlichen und nicht heilkundlichen Handlungen zu erreichen, nämlich das Erfordernis ärztlichen Fachwissens304, um im Anschluss daran die Eindruckstheorie insgesamt abzulehnen. Das HPG bezwecke lediglich den Schutz des Bürgers vor falschen Ärzten, also vor Personen, die ärztliche Kunst anwenden, ohne Arzt oder wenigstens Heilpraktiker zu sein; der Bürger solle aber nicht vor seiner eigenen Dummheit geschützt werden. Ein Standpunkt, den auch Taupitz, Schulte und Waechter sowie Käfer im Ergebnis teilen305. Wer glaube, durch übernatürliche Kräfte Heilung zu erlangen, sei selbst schuld. Diesem Ansatz entsprechend stimmt Taupitz auch der Auffassung des BVerfG im Geistheiler-Beschluss vom 02. 03. 2004 zu, es könne sogar kontraproduktiv sein, wenn man von einem rituellen Heiler eine Heilpraktikererlaubnis verlange306. Die Ablehnung der Eindruckstheorie stützt Wegener zudem darauf, dass auch andere Normen in sehr unterschiedlichen Gesetzen ein subjektives Element bei der Definition des Begriffs Heilkunde nicht kennen307. bb) Bockelmann308 setzte sich im Jahre 1966 mit der Rechtsprechung zum Begriff der Ausübung der Heilkunde auseinander und bezog eine vermittelnde Auffassung, indem er die Kriterien der Eindruckstheorie mit denjenigen der Fachwissentheorie verband. 302 Schumacher, Psychotherapie und Heilbehandlung aus rechtlicher Sicht, NJW 1970, S. 1945 ff., S. 1947. 303 Dannecker, Alles was Recht ist – Alternative Heilverfahren in rechtlicher Sicht, Heilung-Energie-Geist – Heilung zwischen Wissenschaft, Religion und Geschäft, S. 152 ff., S. 181. 304 Wegener, Was ist Heilkunde? Heilpraktikergesetz, Rechtssystem und Gesetzessprache, MedR 1990, S. 250 ff., S. 250. 305 Taupitz, Anm. zu LG Verden, MedR 1998, S. 183 ff., S. 184; Schulte / Waechter, Der Heilkundebegriff des § 1 Abs. 2 HprG – Eine Untersuchung am Beispiel der apparativen Legastheniebehandlung, MedR 2000, S. 78 ff., S. 80; Käfer, Der Heilpraktiker in Theorie und Praxis, § 1 HPG, Anm. 6.3.3. 306 Taupitz, Anm. zu BVerfG, MedR 2005, S. 35 ff.; vgl. zu diesem Beschluss und zum Bereich Geistheilung insgesamt auch Dannecker, Alles was Recht ist – Alternative Heilverfahren in rechtlicher Sicht, Heilung-Energie-Geist – Heilung zwischen Wissenschaft, Religion und Geschäft, S. 152 ff., S. 172 ff. 307 Wegener, Was ist Heilkunde? Heilpraktikergesetz, Rechtssystem und Gesetzessprache, MedR 1990, S. 250 ff., S. 251 f. 308 Bockelmann, Das Ende des Heilpraktikergesetzes, NJW 1966, S. 1145 ff., S. 1149.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

In Bezug auf die Eindruckstheorie stellte er fest, Ausübung der Heilkunde müsse alles sein, was sich als Ausübung der Heilkunde gibt, und dafür, ob es sich so gibt, muss maßgebend sein, was der Heilbehandler den Behandelten merken lässt, nicht was er sich heimlich vorbehält. In diesem Sinne sei der Eindruck des Behandelten entscheidend. Würde man unter Tätigkeiten zur Feststellung, Heilung oder Linderung von menschlichen Krankheiten usw. nur echte oder gar Erfolg versprechende verstehen, so führte dies zu dem grotesken Ergebnis, dass ein Heilbehandler nichts weiter nötig hätte, als gegen die Lex Artis zu verstoßen, um sich gegen die Anwendung des HPG auf sein Verhalten zu sichern. Unter den Begriff der Ausübung der Heilkunde falle nach der Eindruckstheorie zum Beispiel auch das Gesundbeten, sofern sich der Betende nicht darauf beschränkt, die Hilfe Gottes anzurufen, sondern sich wie ein Medizinmann geriert und damit ausdrückt, er selbst werde den Behandelten durch seine Gebete heilen309. Allein auf den Eindruck des Patienten könne aber nicht abgestellt werden, weil sonst die Ansicht eines Laien darüber entscheiden würde, ob im Einzelfall eine Ausübung von Heilkunde vorliegt310. Aus diesem Grund ergänzt Bockelmann die Eindruckstheorie durch die Fachwissentheorie, an deren Heranziehung er jedoch kritisiert, dass diese eigentlich nur dann Sinn macht, wenn die Ausübung der Heilkunde solchen Personen verboten wäre, die über das geforderte ärztliche Fachwissen nicht verfügen. Zur Zeit der Geltung des § 56 GewO a.F. sei das Abstellen auf das ärztliche Fachwissen sinnvoll gewesen, weil – bei sonst für jedermann bestehender Kurierfreiheit zur damaligen Zeit – allein dem Arzt die Ausübung der Heilkunde im Umherziehen nicht untersagt war. Denn gerade durch dieses ärztliche Fachwissen unterscheide sich der Arzt von „jedermann“311. Auch Cramer stellt fest, dass die Eindruckstheorie zur Feststellung, ob jemand die Heilkunde ausübt, ergänzungsbedürftig ist312 und ergänzt sie, wie Bockelmann, um die Fachwissentheorie313. Ehlers bezieht im Rahmen seiner Darstellung der Rechtsprechung und der Ansichten innerhalb der Literatur im Ergebnis ebenfalls eine vermittelnde Position auf der Grundlage der vorrangigen Anwendung der Fachwissentheorie314. An der grundsätzlichen Ablehnung der Eindruckstheorie durch Wegener kritisiert Ehlers, dass das HPG den Bürger eben nicht nur vor falschen Ärzten schützen wollte. Ziel des HPG sei vielmehr immer gewesen, die Therapie durch nicht ausreichend qualiBockelmann, Das Ende des Heilpraktikergesetzes, NJW 1966, S. 1145 ff., S. 1149. Bockelmann, Das Ende des Heilpraktikergesetzes, NJW 1966, S. 1145 ff., S. 1149. 311 Bockelmann, Das Ende des Heilpraktikergesetzes, NJW 1966, S. 1145 ff., S. 1150. 312 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch den Heilpraktiker, S. 30. 313 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch den Heilpraktiker, S. 30 und 34. 314 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern –“Nicht-Heilkundigen“, S. 106 ff. 309 310

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fizierte Laien zu unterbinden. Zudem sei der Patient gar nicht immer in der Lage, einzuschätzen, inwieweit die jeweilige Therapie Humbug sei und deshalb eine Gefahr darstellt oder aber sachgemäßer Therapie entspricht315.

f) Zusammenfassung / Bewertung Bezogen auf die Rechtsprechung der Verwaltungs- und Strafgerichte wurde deutlich, dass diese bisher zunehmend dahin tendierte, sowohl die Fachwissentheorie als auch die Eindruckstheorie anzuwenden. Sie unterschied sich damit bislang von der h. M. in der Literatur, die – soweit ersichtlich – lediglich auf die Fachwissentheorie abstellt. Die gegebene Darstellung verdeutlicht zudem, dass die Legaldefinition des Begriffs der Ausübung der Heilkunde in § 1 Abs. 2 HPG gründlich misslungen ist. Im Ergebnis kann man zudem konstatieren, dass die Eindruckstheorie dem Einwand ausgesetzt ist, einem rein subjektiven Ansatz zu folgen, wohingegen es bei Anwendung der Fachwissentheorie bisweilen schwierig erscheint, die Fälle von eklatanter Scharlatanerie durch Geistheilung und vergleichbare übersinnliche Methoden zu erfassen, da diese Tätigkeiten für sich gesehen kein ärztliches Fachwissen voraussetzen. An diesem Punkt kommt es aber zunächst entscheidend darauf an, wie weit man den Rahmen ziehen möchte, der vom Schutzzweck des HPG erfasst werden soll. Verhindern soll das HPG Gefahren für die Volksgesundheit und der Einwand Wegeners und mit Einschränkungen auch Taupitz’, ein Schutz der Bürger vor der eigenen Dummheit sei nicht bezweckt gewesen, und es sei selbst schuld, wer glaubt, durch übernatürliche Kräfte Heilung zu erlangen, ist nicht leicht von der Hand zu weisen. Denn geht man vom mündigen Bürger aus, der schon aufgrund seiner Allgemeinbildung in der Lage sein sollte, derartige Methoden als Humbug einzustufen, so legt dies die Ablehnung der Eindruckstheorie nahe. Problematisch erscheint an einer solchen Ablehnung zwar, dass die oft verzweifelte Lage vieler Betroffener, die sich in letzter Hoffnung auf Heilung an einen so genannten „Wunderdoktor“ wenden, weil die Schulmedizin nicht die erhofften Erfolge zeigte, auf den ersten Blick keine Berücksichtigung findet. Zudem wird der Einwand, der Patient sei oft nicht in der Lage, zu differenzieren, inwieweit eine angebotene Therapie Humbug ist oder nicht, von Ehlers nicht zu Unrecht erhoben. Dennoch muss man von einem einsichtigen, durchschnittlichen Betroffenen erwarten können, dass ihm zumindest in den Fällen von Geistheilung und sonstigen magischen Methoden bewusst ist, dass ihm keine medizinisch begründete Behandlung zu Teil wird. Eine solche Art der Behandlung ist so weit von einer medizinischen – im eigentlichen Sinne heilkundlichen – Behandlung entfernt, dass 315

Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – ..Nicht-Heilkundigen“, S. 114.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

es nicht sachgerecht erscheint, auch diese Fälle als Ausübung von Heilkunde einzustufen. Mit der von der Bevölkerung erwarteten typischen Tätigkeit eines Heilpraktikers haben solche Methoden auch rein gar nichts mehr zu tun. Es wäre nicht sachgerecht, solche Methoden dadurch aufzuwerten, dass derjenige, der diese Methoden anwenden möchte, einer Erlaubnis nach dem HPG bedarf. Damit würden diese Methoden in eine Nähe zur eigentlichen medizinischen Behandlung gerückt, die ihnen nicht zusteht. Auch ist es nicht Zweck des HPG, zu verhindern, dass sich Scharlatane durch die Anwendung von Geistheilung und ähnlicher Methoden eine bequeme Einnahmequelle schaffen können. Dieses Problem muss außerhalb des HPG einer Lösung zugeführt werden. Den Entscheidungen des BVerfG vom 02. 03. 2004 und 03. 06. 2004 ist daher zuzustimmen. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass das BVerfG nicht entschieden hat, dass die rituelle Heilung niemals unter den Begriff der Ausübung der Heilkunde fällt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Heiler keine Diagnostik betreibt, sich auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte beschränkt und den jeweiligen Patienten vor der Behandlung ausdrücklich darauf hinweist, dass diese eine ärztliche Behandlung nicht ersetzt. Erfüllt der Behandler diese Voraussetzungen, dann greift auch die Kritik von Ehlers nicht mehr, denn der Patient ist vollständig darüber informiert, dass er sich bei der Behandlung durch einen Heiler auf einen dritten Weg begibt, der mit einer Behandlung durch einen Arzt oder Heilpraktiker nichts zu tun hat. Damit wäre die mittelbare Gefahr für die Volksgesundheit, die von Methoden wie der Geistheilung ausgeht, beseitigt. Im Ergebnis ist es also durchaus möglich, auch die Fälle der Geistheilung und konsequenterweise auch die gleich gelagerten Fälle sonstiger ritueller oder magischer Heilmethoden anhand der Fachwissentheorie zu beurteilen. Diese Fälle scheiden unter Anwendung dieses Ansatzes bei Erfüllung der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen grundsätzlich aus dem Begriff der Ausübung der Heilkunde aus. Demnach besteht kein Bedürfnis mehr für die Anwendung der Eindruckstheorie, die in erster Linie dazu diente, die Fälle der Scharlatanerie sachgerecht beurteilen und erfassen zu können. Ein Großteil der Tätigkeiten außerhalb der Scharlatanerie kann mit der Fachwissentheorie ohne weiteres aufgrund der dort in der Regel schon hinsichtlich der Art und Methode der Tätigkeit erforderlichen ärztlichen Fachkenntnisse hinreichend gut erfasst werden. Dies gilt aber auch für solche Tätigkeiten außerhalb der magischen Methoden, die für sich genommen kein ärztliches Fachwissen erfordern. Begründet eine solche Tätigkeit, wie beispielsweise die Tonometrie316, lediglich die mittelbare 316

BVerfG, NJW 2000, S. 2736 ff., S. 2736.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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Gefahr, dass eine notwendige ärztliche Behandlung versäumt werden könnte, so liegt eine Ausübung von Heilkunde vor, sofern nicht vor Beginn der Behandlung in geeigneter Weise ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die jeweilige Tätigkeit die ärztliche Behandlung nicht ersetzt. Auch zur Erfassung dieser Tätigkeiten bedarf es also nicht der Eindruckstheorie. Zudem ist allein die Fachwissentheorie aufgrund des Elements des ärztlichen Fachwissens geeignet, den Bereich der Ausübung von Heilkunde gegenüber solchen Bereichen, wie beispielsweise der handwerklich geprägten Tätigkeit der orthopädischen Schumacher, sinnvoll abzugrenzen. Die gegebene Darstellung erhellt in Übereinstimmung mit den Entscheidungen des BVerfG, dass die Eindruckstheorie im Ergebnis obsolet geworden ist317, so dass in Zukunft auch die Strafgerichte dazu übergehen dürften, die Frage, ob eine Ausübung von Heilkunde vorliegt, auf der Grundlage der Fachwissentheorie zu beantworten. Dies ist vor allem im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 03. 06. 2004 zu erwarten, der eine strafrechtliche Verurteilung betraf, wenngleich die Eindruckstheorie in diesem Beschluss nicht ausdrücklich abgelehnt wurde. Für die Zukunft steht allerdings zu befürchten, dass sich eine Vielzahl von Anwendern abstruser Methoden, die von den Gerichten bisher als Ausübung der Heilkunde eingestuft wurden, auf die Rechtsprechung des BVerfG berufen wird mit dem Argument, die von ihnen angewandte Methode könne aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit der Geistheilung nicht anders als diese beurteilt und behandelt werden318. Dies könnte zu einer starken Zunahme bei den Anwendern solcher Methoden führen, da die „Behandler“ keine Prüfung vor dem Gesundheitsamt mehr ablegen und eine Erlaubnis nach dem HPG erwerben müssen, sondern künftig völlig frei „praktizieren“ können, jedenfalls soweit sie keine Diagnostik betreiben, sich auf das Wecken der Selbstheilungskräfte ihrer Patienten beschränken und diese ausdrücklich darauf hinweisen, dass ihre Tätigkeit die ärztliche Behandlung nicht ersetzen kann. Zusammenfassend gesagt, soll nach der hier vertretenen Ansicht von einer Ausübung der Heilkunde nur dann gesprochen werden können, wenn die Tätigkeit des Behandlers nach allgemeiner Auffassung ärztliches Fachwissen voraussetzt, wobei dieses im Hinblick auf das Ziel, die Art oder die Methode der Tätigkeit oder im Hinblick auf die Feststellung erforderlich sein muss, ob im Einzelfall mit der Behandlung begonnen werden darf. Außerdem muss die Tätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unmittelbar oder mittelbar gesundheitliche Schäden hervorrufen können, die bloße Möglichkeit einer solchen Gefährdung reicht nicht aus. 317

So auch Erdle, Recht der Gesundheitsfachberufe und Heilpraktiker, Abschn. 30.1,

Rn. 3. 318 Im Bereich „Reiki“ zeichnet sich diese Entwicklung laut Auskunft des Gesundheitsamtes Würzburg vom 17. 11. 2005, bereits ab.

6 Tamm

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Schließlich muss der Behandler in Bezug auf konkrete Krankheitsfälle oder in Bezug auf konkrete Beschwerden tätig werden. Bloße Heilhilfstätigkeiten fallen nicht unter den Begriff der Ausübung der Heilkunde. Grundsätzlich miterfasst werden aber auch die Fälle, in denen die jeweilige Tätigkeit für sich gesehen zwar kein ärztliches Fachwissen voraussetzt, diese jedoch mittelbare Gesundheitsgefahren mit sich bringt, indem das rechtzeitige Erkennen ernster Leiden, das ärztliches Fachwissen voraussetzt, verzögert werden kann. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung muss dabei mehr als nur geringfügig sein. Weist der Behandler, ohne Durchführung einer Diagnostik, vor Beginn einer solchen Behandlung daher ausdrücklich und in geeigneter Weise darauf hin, dass seine Tätigkeit die ärztliche Behandlung nicht ersetzen kann, so liegt keine Ausübung von Heilkunde vor, die nach § 1 Abs. 2 HPG erlaubnispflichtig wäre, da die mittelbare Gefahr für die Volksgesundheit durch diesen Hinweis beseitigt wird. Insbesondere die so genannte Geistheilung und ähnlich gelagerte rituelle oder magische Methoden fallen nicht unter den Begriff der Ausübung der Heilkunde, soweit der Behandler keine Diagnostik betreibt, sich auf das Wecken der Selbstheilungskräfte seiner Patienten beschränkt und diese ausdrücklich darauf hinweist, dass durch seine Tätigkeit die ärztliche Behandlung nicht ersetzt wird. Wann eine der Geistheilung vergleichbare Methode vorliegt, wird dabei eine Frage des Einzelfalles bleiben, jedoch ist wohl keine griffigere Definition denkbar, die diese Unschärfe vollständig vermeidet, so dass man es der Rechtsprechung wird überlassen müssen, im jeweiligen Fall festzulegen, ob eine Ausübung von Heilkunde zu bejahen ist. Methoden der Geistheilung und ähnliche Methoden werden nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein319. Die Frage der Zulässigkeit ihrer Anwendung wird daher nicht beantwortet, ebenso wenig die Frage, welche Sorgfaltspflichten dabei zu beachten wären, denn die Geistheilung ist keine Methode, die von Außenseiterärzten oder Heilpraktikern typischerweise angewendet wird. Diese Untersuchung bezieht sich allein auf solche Methoden, wie sie beispielhaft im Teil III. dieses Kapitels genannt wurden und denen zueigen ist, dass ihre Anwendung ärztliches Fachwissen voraussetzt. Nur die bei Anwendung solcher Methoden zu beachtenden Sorgfaltspflichten werden im Rahmen dieser Arbeit thematisiert.

g) Gewerblichkeit / Berufsmäßigkeit der Ausübung der Heilkunde Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des HPG ist, dass die Heilkunde berufsmäßig oder gewerblich ausgeübt wird. 319 Vgl. hierzu aber Dannecker, Alles was Recht ist – Alternative Heilverfahren in rechtlicher Sicht, Heilung-Energie-Geist – Heilung zwischen Wissenschaft, Religion und Geschäft, S. 152 ff.

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Eine berufsmäßige Ausübung liegt dann vor, wenn in der Absicht gehandelt wurde, die Tätigkeit in gleicher Weise zu wiederholen und dadurch zu einer, wenn nicht dauernden, so doch wiederkehrenden Beschäftigung zu machen320. Es reicht dabei schon aus, wenn nur eine einzige Behandlung durchgeführt wird, sofern diese in der Absicht vorgenommen wird, sie zu wiederholen321. Es ist also nicht die Dauer entscheidend, sondern nur, dass es sich um eine wiederkehrende Beschäftigung handelt. Gewerbsmäßig ist die Tätigkeit in Abgrenzung zur Berufsmäßigkeit dann, wenn sie darüber hinaus gegen Entgelt erfolgt322, es dem Behandler also um eine auf Dauer angelegte, gewinnorientierte Tätigkeit geht, mittels derer er sich eine fortlaufende Einnahme- oder Nebeneinnahmequelle zu verschaffen sucht323. Die Entgeltlichkeit stellt jedoch für § 1 Abs. 2 HPG kein entscheidendes Kriterium dar, da es ja bereits ausreicht, dass die entsprechende Tätigkeit berufsmäßig ausgeübt wird.

3. Die Zulassungsvoraussetzungen im Einzelnen324 und die Fortbildung des Heilpraktikers Die Voraussetzungen, die der Heilpraktikeranwärter erfüllen muss, damit ihm die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde erteilt wird, ergeben sich aus § 2 Abs. 1 der 1. DVO in der Fassung vom 03. 07. 1941. Sofern die dort genannten Versagungsgründe nicht vorliegen, besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Erlaubnis325.

a) Mindestalter von 25 Jahren gem. § 2 Abs. 1 lit. a DVO Die Vorschrift bezweckt, solche Personen von der berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde fernzuhalten, bei denen noch nicht das erforderliche Maß an Lebenserfahrung, Lebensreife und Verantwortungsbewusstsein erwartet werden kann. Durch das Aufstellen dieser Altersgrenze soll das Risiko von Fehldiagnosen und -behandlungen zumindest gemindert werden326. 320 BGH, NJW 1955, S. 471 f., S. 471; BGH, GRUR 1981, S. 665 f.; OLG Düsseldorf, NJW 1966, S. 410. 321 OLG Tübingen, NJW 1953, S. 1605 f., S. 1606. 322 Vgl. OLG Tübingen, NJW 1953, S. 1605 f., S. 1606; VGH Baden-Württemberg, MedR 1992, S. 54 ff., S. 58. 323 VGH Baden-Württemberg, MedR 1992, S. 54 ff., S. 58. 324 Vgl. auch Überblick bei Dannecker, Alles was Recht ist – Alternative Heilverfahren in rechtlicher Sicht, Wege zum Menschen 2003, S. 521 ff., S. 525 ff. 325 BVerwG, NJW 1957, S. 841 f., S. 842. 326 Vgl. OVG Münster, NJW 1981, S. 2018 f.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

b) Abgeschlossene Volksschulausbildung gem. § 2 Abs. 1 lit. d DVO Nach dieser Bestimmung bedarf es keiner speziellen Vorbildung, um Zugang zum Beruf des Heilpraktikers zu erlangen. Es ist nicht einmal ein qualifizierter Hauptschulabschluss erforderlich327.

c) Sittliche Zuverlässigkeit gem. § 2 Abs. 1 lit. f DVO Die Forderung der sittlichen Zuverlässigkeit soll sicherstellen, dass der Bewerber eine ausreichende Gewähr für eine ordnungsgemäße Berufsausübung bietet. Da die Zuverlässigkeit eine nach dem Eindruck der Gesamtpersönlichkeit zu beurteilende Charaktereigenschaft ist, kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an328. Je schwerwiegender und berufsbezogener jedoch ein Fehlverhalten ist, desto eher kann von sittlicher Unzuverlässigkeit ausgegangen werden329. Das BVerwG nahm einen solchen Fall der Unzuverlässigkeit an bei einem Heilpraktiker, der für den vorzeitigen Tod eines Patienten verantwortlich war, dessen Tuberkulose er nicht erkannt hatte, weshalb er rechtskräftig wegen berufsfahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von 6 Monaten verurteilt worden war330.

d) Geistige und körperliche Eignung gem. § 2 Abs. 1 lit. g DVO Die Vorschrift stellt an die Heilpraktiker die gleichen gesundheitlichen Anforderungen, die berufsrechtlich auch an andere Angehörige der Heilberufe zu richten sind, wie z. B. an Ärzte331. Entscheidend kommt es darauf an, ob der jeweilige Zustand des Bewerbers diesen als ungeeignet erscheinen lässt, den Beruf des Heilpraktikers auszuüben. Beim Vorliegen einer Schwäche der geistigen Kräfte oder einer Sucht wird die Nichteignung aufgrund des davon ausgehenden hohen Gefahrenpotentials regelmäßig indiziert. Dagegen kommt es bei körperlichen Leiden entscheidend auf die Einzelfallverhältnisse an. Zu bejahen ist die Ungeeignetheit beispielsweise bei Taubheit, Stummheit oder Blindheit.

Käfer, Der Heilpraktiker in Theorie und Praxis, § 2 1. DVO, Anm. 5. BVerwGE 4, S. 250 ff., S. 257. 329 Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 24; Käfer, Der Heilpraktiker in Theorie und Praxis, § 2 1. DVO, Anm. 7. 330 BVerwGE 4, S. 250 ff., S. 257. 331 Vgl. § 3 Abs. 1, Satz 1, Nr. 3 BÄO. 327 328

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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e) Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt gem. § 2 Abs. 1 lit. i DVO Diese Bestimmung enthält die einzige wirkliche Hürde auf dem Weg zur Erlaubniserteilung, denn diese Voraussetzung ist die einzige, die nicht durch nahezu jeden Bewerber erfüllt werden kann. Die DVO spricht an dieser Stelle von einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten“ des Bewerbers, jedoch enthalten weder das HPG noch die DVO Regelungen zur Art und zum Umfang der fachlichen Überprüfung. Der Grund dafür liegt – wie bereits dargestellt – darin, dass das HPG ursprünglich die Abschaffung der Kurierfreiheit und der Heilpraktikerschaft bezweckte332. Das Gesundheitsamt prüft, ob der Bewerber durch die Ausübung der Heilpraktikertätigkeit eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Die Volksgesundheit ist nach der Rechtsprechung des BVerwG dann gefährdet, wenn befürchtet werden muss, dass infolge der Behandlung durch den Heilpraktiker entweder unmittelbar oder durch ein nicht rechtzeitiges Erkennen der Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung für den Patienten ernsthafte Gesundheitsschäden eintreten können. Den Schutz vor Gesundheitsgefährdungen genieße nicht nur die Bevölkerung als Ganzes, sondern auch und gerade der Einzelne333. Der VGH München hat im Jahre 1991 in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1983 weiter festgestellt, dass die Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens und die Bestimmung der inhaltlichen Anforderungen der Überprüfung dabei in das pflichtgemäße Ermessen der Gesundheitsbehörde gestellt sind und nur durch das Kriterium der „Gefahr für die Volksgesundheit“ begrenzt werden334. Die vorgesehene Überprüfung stellt dabei keine berufsqualifizierende Prüfung dar, sondern eine Überprüfung erfolgt lediglich am Maßstab der Gefahrenabwehr335. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1971 führte der Hessische VGH aus, das Heilpraktikergesetz schließe die Möglichkeit nicht aus, dass jemand zur Ausübung der Heilkunde zugelassen werden muss, der keinerlei ärztliche Kenntnisse und Fähigkeiten hat336. Das BVerwG stellte im Jahre 1995 ebenfalls in diesem Sinne fest, weder sei die Überprüfung nach dem Heilpraktikergesetz als ein medizinisches Staatsexamen mit ermäßigten Anforderungen zu bezeichnen, noch handele es sich bei der Heilpraktikerlaubnis um eine kleine Approbation. Verlangt werde von der Behörde ausVgl. erneut Kapitel A, Teil IV, 1, f). BVerwGE 66, S. 367 ff. , S. 371 f. 334 Vgl. VGH München, NJW 1991, S. 1558 ff., S. 1559; BVerwGE 66, S. 367 ff., S. 372. 335 Vgl. BVerwG, GewArch 1997, S. 116 ff., S. 117; so auch bereits Hessischer VGH, GewArch 1971, S. 238. 336 So auch bereits Hessischer VGH, GewArch 1971, S. 238. 332 333

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

schließlich Gefahrenabwehr. Allein zur Aufklärung, ob diese vorliegt, überprüfe der Amtsarzt den Anwärter auf Kenntnismängel oder medizinische Fehlvorstellungen. Die Überprüfung ziele nicht auf den Nachweis einer Fachqualifikation ab und sie ende auch nicht mit einer Vergabe von Prüfungsnoten, die wie regelmäßig bei wissenschaftlich-fachlichen Berufszugangsprüfungen auf ein bestimmtes Leistungsprofil – etwa auf den Durchschnitt der zu erwartenden Leistung – bezogen werden. Die Überprüfung sei keine vom Gesetz formalisierte Prüfung im herkömmlichen Sinne337. Der VGH München hat in seiner Entscheidung hinsichtlich des Inhalts der Prüfung aus der Zielsetzung dieser Überprüfung und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entnommen, dass der Nachweis einer allgemeinen medizinischen Fachqualifikation nicht zu erbringen sei, weil eine medizinische Ausbildung für den Heilpraktiker nicht vorgeschrieben sei; eine eigentliche Fachprüfung finde nicht statt. An den Bewerber würden vielmehr nur die zum Schutze der Volksgesundheit unabweisbaren Mindestanforderungen gestellt. Kenntnisse und Fähigkeiten, die seine heilkundliche Tätigkeit nicht berühren, dürften von ihm nicht verlangt werden338. Innerhalb dieser rechtlichen Grenzen könne die vorzunehmende Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Antragstellers aber nicht anders als im Wege eines zumindest prüfungsähnlichen Verfahrens durchgeführt werden. Der Überprüfung käme nach Sinn und Zweck des Gesetzes doch der Charakter einer Eignungsprüfung zu, die sich notwendigerweise auf berufsbezogene Fachkenntnisse erstrecken müsse, soweit diese Voraussetzung einer für den Patienten schadlosen Ausübung der Heilkunde sind. Das Gericht führt weiter aus, es sei somit unter dem Gesichtspunkt der ermessensfehlerfreien Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens nicht zu beanstanden, wenn vom Antragsteller die schriftliche Beantwortung eines Fragenkatalogs verlangt wird, an die sich ein mündliches Prüfungsgespräch anschließt339. Der sachliche Inhalt der Überprüfung, das heißt die Auswahl der dem einzelnen Berufsbewerber zu stellenden Fragen, stehe dabei ebenfalls im pflichtgemäßen Ermessen des Gesundheitsamtes340. Das Gericht befand, dass die Ermessensrichtlinien des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 12. 11. 1968341 geeignet seien, die Überprüfungsgegenstände sachgerecht zu begrenzen und erheblichen Abweichungen bezüglich der Prüfungsanforderungen vorzubeugen. 337 BVerwG, GewArch 1997, S. 116 ff., S. 117; So auch VGH Nordrhein-Westfalen, GewArch 1999, S. 202 ff. 338 Vgl. VGH München, NJW 1991, S. 1558 ff.; BVerwGE 35, S. 308 ff., S. 316; BVerwGE 66, S. 367 ff., S. 373. 339 VGH München, NJW 1991, S. 1558 ff., S. 1559; vgl. zur Frage der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Kenntnisüberprüfung auch VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 26. 10. 2005, Az. 9 S 2343 / 04. 340 VGH München, NJW 1991, S. 1558 ff., S. 1559. 341 Vgl. Ministerialblatt der bayerischen inneren Verwaltung 1968, S. 584 ff.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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Die genannten Richtlinien besagten, dass neben der Überprüfung der allgemeinen heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besonderer Wert auf die Kenntnis der Vorschriften über die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, der Erscheinungsformen dieser Krankheiten und der gesetzlichen Grenzen für eine Tätigkeit des Heilpraktikers zu legen ist, die sich insbesondere daraus ergeben, dass zur Behandlung bestimmter Krankheiten und Verschreibung bestimmter Arzneimittel nur Ärzte oder Zahnärzte befugt sind. Die Richtlinien besagten weiter, es erscheine sachgerecht, wenn von dem Heilpraktiker auch ein Mindestmaß an allgemein-heilkundlichen Grundkenntnissen verlangt wird342. Der VGH München stellt in seinem Urteil weiter fest, es erscheine grundsätzlich sachgerecht, wenn vom Heilpraktikeranwärter auch allgemein-heilkundliche Grundkenntnisse aus den Gebieten Anatomie, Physiologie, Pathologie, Differentialdiagnostik, Erste Hilfe, Hygiene und Seuchenbekämpfung verlangt würden, jedenfalls wenn es sich um Mindestanforderungen handelt, wie sie im Interesse der Gefahrenabwehr unerlässlich sind343. Die Überprüfung allgemein-heilkundlicher Kenntnisse wurde auch bereits vom BVerwG in seinem Urteil aus dem Jahr 1983 nicht beanstandet344. Das Bundesministerium für Gesundheit erließ dann im Jahre 1992 Leitlinien, in denen es einen Katalog von Gebieten zusammenstellte, der Gegenstand der Überprüfung nach § 2 Abs. 1 lit. i. DVO sein sollte. Diese Leitlinien stellten eine Empfehlung an die Länder dar, Regelungen zu erlassen, die die in den Leitlinien genannten Gebiete zum Gegenstand der Heilpraktikerprüfung machen345. In diesen Leitlinien wird einleitend noch einmal in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung hervorgehoben, dass die Überprüfung der Kenntnisse des Heilpraktikeranwärters keine Prüfung im Sinne einer Leistungskontrolle zur Feststellung einer bestimmten Qualifikation ist, woraus folge, dass sie sich auf die Feststellung beschränken muss, ob der Stand der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass eine heilkundliche Tätigkeit durch ihn zu Schäden an der menschlichen Gesundheit führen könnte. In diesem Rahmen müsse sie allerdings die wesentlichen Gegenstände umfassen, die für eine solche Feststellung relevant sind. Daher seien auch solche fachlichen Grundkenntnisse der Medizin zu überprüfen, ohne deren Beherrschung heilkundliche Tätigkeiten leicht mit Gefahren für die menschliche Gesundheit verbunden sein können. Die Leitlinien bezweckten neben einer größeren Vereinheitlichung der Prüfung auch die Zentralisierung der Überprüfung in den einzelnen Ländern. In kleinen VGH München NJW 1991, S. 1558 ff., S. 1559. VGH München, NJW 1991, S. 1558 ff., S. 1560. 344 Vgl. BVerwGE 66, S. 367 ff., S. 375. 345 Bundesministerium für Gesundheit, Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern gem. § 2 Abs. 1 lit. i. der 1. DVO zum Heilpraktikergesetz, Geschäftszeichen: 315-4334-3 / 4, vom 02. 09. 1992, abgedruckt in Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 29 ff. 342 343

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Ländern sollte die Überprüfung von nur einem Gesundheitsamt durchgeführt werden, in größeren von einigen wenigen. Für eine länderübergreifende Vereinheitlichung sollten dann die Länder sorgen, indem sie sich untereinander abstimmen. In den Leitlinien ist weiter festgelegt, dass die Überprüfung aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil besteht. Der weitaus größte Teil der schriftlichen Prüfung besteht dabei aus Multiple-Choice-Fragen. Die Dauer der mündlichen Prüfung beträgt 15 bis höchstens 45 Minuten. Als Gegenstände der Überprüfung werden in der Leitlinie festgelegt:  Berufs- und Gesetzeskunde einschließlich rechtlicher Grenzen der Ausübung der Heilkunde ohne Approbation als Arzt;  Grenzen und Gefahren diagnostischer und therapeutischer Methoden des Heilpraktikers;  Grundkenntnisse der Anatomie, pathologischen Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie;  Grundkenntnisse der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung von Volkskrankheiten, insbesondere der Stoffwechselkrankheiten, der Herz-Kreislaufkrankheiten, der degenerativen Erkrankungen sowie der übertragbaren Krankheiten;  Erkennung und Erstversorgung akuter Notfälle und lebensbedrohender Zustände;  Technik der Anamneseerhebung; Methoden der unmittelbaren Krankenuntersuchung (Inspektion, Palpation, Perkussion, Auskultation, Reflexprüfung, Pulsund Blutdruckmessung);  Praxishygiene, Desinfektion / Sterilisation;  Injektions- und Punktionstechniken;  Deutung grundlegender Laborwerte346.

In den folgenden Jahren wurden die Leitlinienempfehlungen von den Ländern durch Richtlinien und Erlasse in geltendes Landesrecht umgesetzt347. Unterschiede zwischen den Ländern bestehen zwar weiter fort, es sind jedoch innerhalb der einzelnen Ländern Bestrebungen zu erkennen, dort zu einer Zentralisierung der Überprüfung zu gelangen, wie sie in den Leitlinien des Bundesministeriums für Gesundheit empfohlen wurde. Auch hinsichtlich des konkreten Inhalts der Überprüfung ist eine Entwicklung hin zu einer Vereinheitlichung zu erkennen. So unternimmt in Bayern das Gesundheitsamt Ansbach Anstrengungen, zu einer auch länderübergreifenden Vereinheitlichung hinsichtlich des Prüfungsinhalts zu gelangen. Auf Landesebene ist dies be346 Vgl. zu allem im Einzelnen, Bundesministerium für Gesundheit, Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern gem. § 2 Abs. 1 lit. i. der 1. DVO zum Heilpraktikergesetz, Geschäftszeichen: 315-4334-3 / 4, vom 02. 09. 1992, abgedruckt in Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 29 ff. 347 Vgl. Überblick bei Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 31 ff.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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reits durch ein freiwilliges gemeinsames Vorgehen der bayerischen Gesundheitsämter gelungen. Das Gesundheitsamt Ansbach erstellt die Prüfungskataloge für die schriftliche Überprüfung, die dann von den beteiligten Gesundheitsämtern übernommen werden. Aber auch länderübergreifend ist es bereits zu einer größeren Vereinheitlichung der schriftlichen Überprüfung gekommen. So beteiligen sich mittlerweile u. a. die Gesundheitsämter der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland an der vom Gesundheitsamt Ansbach erstellten Prüfung348. Im Prüfungstermin 19. 03. 2003 betrafen die Fragen hauptsächlich den Bereich des Erkennens von Krankheiten. Die Heilpraktikeranwärter mussten beantworten, an welchen Symptomen sich bestimmte Krankheiten erkennen lassen oder welcher Untersuchungsbefund für das Vorliegen bestimmter Krankheiten, beispielsweise der Pneumonie, spricht oder welche von mehreren vorgegebenen Aussagen auf die Erkrankung Colitis Ulcerosa oder Influenza zutreffen. Außerdem betraf ein Teil der Fragen den Bereich der Anatomie und der Hygiene, sowie die nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Erkrankungen349. Die Prüfung besteht aus insgesamt 60 Multiple-Choice-Fragen, von denen innerhalb der vorgegebenen Zeit von 120 Minuten mindestens 45 richtig beantwortet werden müssen, um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden, deren Dauer mindestens 30 Minuten beträgt.

f) Die Fortbildung des Heilpraktikers Fortbildung heißt – entsprechend der für den Arzt gültigen Begriffsbestimmung – dass der Heilpraktiker seine Fertigkeiten und Kenntnisse ständig berufsbegleitend in dem Bemühen vertieft und erweitert, mit der Entwicklung der Medizin und insbesondere seines eigenen Faches Schritt zu halten und den sich stetig verändernden Standards gewachsen zu bleiben.350 Ebenso wenig wie gesetzliche Ausbildungsregelungen für den Heilpraktiker existieren, besteht eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Fortbildung. Zwar haben die Heilpraktikerverbände eine Berufsordnung351 verabschiedet, die den einem Berufsverband angehörigen Heilpraktiker zur Fortbildung verpflichtet, jedoch gehören zum einen nicht alle Heilpraktiker einem Verband an, zum anderen 348 Mitteilung des Leitenden Medizinaldirektors des Gesundheitsamtes Ansbach, Herrn Dr. Schulz, vom 23. 06. 2004; vgl. auch Urteil des VGH Baden-Württemberg v. 26. 10. 2005, Az. 9 S 2343 / 04, aus dem hervorgeht, dass sich bislang insgesamt 12 Bundesländer dem Verfahren der einheitlichen Koordination und Erstellung von Fragen durch das Gesundheitsamt Ansbach angeschlossen haben. 349 Prüfungskatalog des Termins 19. 03. 2003, zur Verfügung gestellt vom Gesundheitsamt Ansbach. 350 Vgl. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 11, Rn. 4; Vgl. auch BGH VersR 1968, S. 276 f. 351 Abgedruckt bei Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 381 ff.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

ist fraglich, wie die Verbände die stetige Fortbildung ihrer Mitglieder gewährleisten können. Vor allem aber kann ein Verstoß gegen die Pflicht zur Fortbildung gem. § 28 Abs. 2 der Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH) keine erheblicheren Konsequenzen nach sich ziehen, als den Ausschluss aus dem Verband. Vor einer so genannten Ahndung im satzungsmäßigen Verfahren soll jedoch nach § 28 Abs. 1 BOH erst der Versuch einer kollegialen Bereinigung durch die satzungsgemäß zuständigen Berufsvertreter unternommen werden. Das Schwert des Ausschlusses aus dem Verband als einziges wirkliches Sanktionsmittel erweist sich in der Konsequenz aber als stumpf, denn der ausgeschlossene Heilpraktiker ist im Falle eines Verstoßes gegen seine aus der Berufsordnung folgende Fortbildungspflicht durch nichts gehindert, weiter zu praktizieren. Der Ausschluss zieht keinerlei weitere Konsequenzen nach sich. Heilpraktiker, die keinem Verband angehören, können indes auch nicht von einem Verband gemaßregelt werden, was im Gegensatz zur Lage der Ärzte steht, die allesamt Zwangsmitglieder der für sie zuständigen Ärztekammer sind und deren ständiger Kontrolle unterliegen, worauf an späterer Stelle, im Zusammenhang mit der Fortbildung des Arztes, noch einzugehen ist.

g) Zusammenfassung und Bewertung Die einzige wirkliche Hürde, die auf dem Weg zur Zulassung zur Heilpraktikerschaft zu überwinden ist, stellt die Überprüfung der Kenntnisse des Heilpraktikeranwärters durch das Gesundheitsamt dar. Festzuhalten ist dazu an dieser Stelle, dass – entsprechend dem Sinn der Überprüfung, Gefahren für die Volksgesundheit zu verhindern – sich die Heilpraktikerprüfung lediglich auf das Abfragen von Grundkenntnissen beschränkt. Nicht gefordert werden umfassende medizinische Kenntnisse, beispielsweise umfangreiche Kenntnisse über solche Krankheiten, die nicht zu den Volkskrankheiten gehören. Auch wird nicht gefordert, dass der Heilpraktiker die Verfahren der Schulmedizin einschließlich deren Risiken und Chancen kennt, die als Alternativen zu den von ihm verwendeten Verfahren in Frage kommen. Der auch von anderen Bundesländern verwandte Prüfungskatalog des Gesundheitsamtes Ansbach für den Termin 19. 03. 2003, der hinsichtlich seines Inhalts wohl stellvertretend auch für andere Prüfungstermine stehen wird, enthielt auch keinerlei Fragen zu den vom Heilpraktiker angewandten diagnostischen und therapeutischen Methoden. So musste der Prüfling weder theoretisch darstellen, wie man beispielsweise die Akupunktur oder Homöopathie richtig anwendet und welche Risiken dabei bestehen, noch musste er im Rahmen einer praktischen Prüfung beispielsweise an einem Patienten unter Beweis stellen, dass er diese Techniken auch tatsächlich beherrscht. Die Heilpraktikerprüfung besteht lediglich aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Der Prüfling muss nicht einmal einen bloßen schriftlichen Nach-

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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weis erbringen, dass er, was die jeweiligen Techniken wie z. B. die Irisdiagnostik, die Homöopathie oder die Akupunktur angeht, eine Ausbildung an irgendeiner Ausbildungseinrichtung genossen hat. Dies entspricht den Vorgaben der Rechtsprechung, die besagt, dass nach dem Heilpraktikergesetz an den Bewerber vielmehr nur die zum Schutze der Volksgesundheit unabweisbaren Mindestanforderungen gestellt würden352. Im Ergebnis muss der zu überprüfende Heilpraktikeranwärter nur wissen, wie er als Heilpraktiker seinem Patienten nicht schadet, nicht aber, wie er ihm am besten nützt353. Dies wird auch aus der Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1995 sehr deutlich, aus der hervorgeht, dass der Amtsarzt den Heilpraktikeranwärter unter dem Gesichtpunkt der Gefahrenabwehr auf Kenntnismängel und medizinische Fehlvorstellungen überprüft354. Es erfolgt also keine – zumal keine praktische – Prüfung darauf, ob in ausreichendem Maße umfassende medizinische Kenntnisse vorhanden sind, die den Heilpraktiker befähigen, seine Patienten bestmöglich zu behandeln. Diese Rechtslage bleibt erheblich hinter dem zurück, was zu fordern wäre: Wer die Heilkunde ausüben will, sollte daraufhin geprüft werden, ob er zu deren Ausübung auch genügend qualifiziert ist. Die Überprüfung sollte nicht den Fokus auf eine Abwehr von Gefahren für die Volksgesundheit richten, sondern der Beantwortung der Frage dienen, ob der Heilpraktikeranwärter fachlich ausreichend qualifiziert ist, um den Patienten bestmöglich zu behandeln. Dazu wären auch Kenntnisse über die Verfahren der Schulmedizin erforderlich. Der Heilpraktiker sollte wissen, welche schulmedizinischen Verfahren zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten als Alternative zu den von ihm angewendeten in Betracht kommen, welche Risiken mit deren Anwendung verbunden sind, welcher Wirksamkeitsgrad ihnen zugeschrieben wird und was in Bezug auf diese Verfahren der aktuelle Stand der Wissenschaft ist. Nur dann kann er seine eigenen Methoden kritisch hinterfragen und auf der Grundlage fundierter Kenntnisse entscheiden, wann er seinen Patienten an einen Arzt verweisen muss. Erst recht zählen zu den zu fordernden Kenntnissen auch solche über die richtige Anwendung und die Risiken der von ihm verwendeten Verfahren. Diese Kenntnisse sollte er in einer praktischen Prüfung nachweisen müssen. Zu fordern wäre insgesamt eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt eines Qualifikationsnachweises, wie dies auch bei der ärztlichen Prüfung der Fall ist. Hierzu bedürfte es zunächst gesetzlicher Ausbildungsregelungen, die die Ausbildung des Heilpraktikers entsprechend der des Arztes regeln. Dann erst wäre eine Überprüfung der Kenntnisse des Heilpraktikers im Sinne eines Qualifikationsnachweises möglich. Gegenwärtig bleibt die Rechtslage jedoch hinter dieser Forderung erheblich zurück. 352 Vgl. BVerwG NJW 1970, S. 1987 ff. S. 1988; VGH München, NJW 1991, S. 1558 ff., S. 1558. 353 So Käfer, Der Heilpraktiker in Theorie und Praxis, § 2 1. DVO, Anm. 10.1.1. 354 Vgl. noch einmal BVerwG, GewArch 1997, S. 116 ff., S. 117.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

In Anbetracht des Umstandes, dass gesetzliche Ausbildungsregeln für den Heilpraktiker fehlen, erscheint es umso unbefriedigender, dass die lediglich unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr durchgeführte Überprüfung der Heilpraktikeranwärter trotz der Umsetzung der Leitlinien des Ministeriums für Gesundheit vom 02. 09. 1992 in Landesrecht und der wohl in den meisten Ländern erreichten Zentralisierung der Prüfung noch immer nicht bundeseinheitlich durchgeführt wird, sondern – bis auf die genannten Ausnahmen – in Umfang, konkretem Inhalt und Verfahren noch immer Unterschiede zwischen den Bundesländern bestehen. Auch ist die Prüfung unbegrenzt wiederholbar355. Bereits bei der Gesetzesinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen wurde dies in der Begründung des Entwurfs kritisiert, wie auch, dass sich jeder Prüfling das Bundesland für seine Prüfung aussuchen kann, in dem ihn die leichteste Prüfung erwartet356. Die Heilpraktikerverbände bemühen sich zwar darum, eine fundierte Ausbildung des Nachwuchses durch verbandseigene Schulen sicherzustellen, wobei durch übergeordnete Zusammenschlüsse einzelner Heilpraktikerverbände eine verbandseigene Schulsatzung entstanden ist, an die sich jede Heilpraktikerausbildungsstätte verbindlich zu halten hat, die den Namen „Verbandsschule“ tragen möchte. In der Satzung357, die aber eben nur in den genannten Schulen und nicht in allen Heilpraktikerschulen Geltung hat, sind die Inhalte der mindestens dreijährigen und 3000 Unterrichtsstunden zu 45 Minuten umfassenden Ausbildung genau spezifiziert, wobei auch eine praktische Ausbildung vorgesehen ist, die sich z. B. auf Blutdruckmessung, Palpation und Perkussion des Oberbauches, Blutentnahmen, die Akupunktur oder die Chiropraktik erstreckt. Jedoch ist kein Heilpraktikeranwärter gesetzlich verpflichtet, sich auf einer Verbandsschule ausbilden zu lassen, sondern er kann sich auch im Eigenstudium oder an einer Nicht-Verbandsschule auf die Prüfung beim Gesundheitsamt vorbereiten. Selbst wenn er eine Schule besucht, so muss streng unterschieden werden zwischen einer Ausbildung, die nur dem Bestehen der Heilpraktikerprüfung dient, und einer solchen, die einer fundierten Berufsausbildung dienen soll358. Das Erreichen nur der „Überprüfungsreife“ kann aufgrund der Zielsetzung der Überprüfung und ihrer genannten Defizite für eine Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung in einer Praxis aber auf keinen Fall ausreichen359, denn unter anderem wird in dieser Prüfung gerade nicht überprüft, ob der Heilpraktikeranwärter die Homöopathie, Chiro355 So noch einmal ausdrücklich festgestellt von BVerwG, GewArch 1997, S. 116 ff., S. 117; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 26. 10. 2005, Az. 9 S 2343 / 04. 356 Vgl. BR-Drucksache 523 / 87. 357 Auszüge einer Schulsatzung abgedruckt bei Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 392 ff. 358 Donhauser, Der Beruf des Heilpraktikers – Analyse der Ausbildungssituation und Vorschläge zur Verbesserung der Ausbildung, S. 97. 359 So auch Donhauser, Der Beruf des Heilpraktikers – Analyse der Ausbildungssituation und Vorschläge zur Verbesserung der Ausbildung, S. 98.

IV. Das Berufsbild des Heilpraktikers

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praktik, Irisdiagnostik oder andere Methoden korrekt anzuwenden in der Lage ist oder nicht. Dennoch erlangt der Prüfling mit dem Bestehen der Prüfung die Erlaubnis, als Heilpraktiker zu praktizieren. Das Fehlen jeglicher gesetzlicher Ausbildungsregeln und einer umfassenden staatlichen Fachprüfung für den Heilpraktiker kann nur als nicht zu tolerierender Zustand bezeichnet werden, denn wie noch gezeigt werden wird, ist der Heilpraktiker – von bestimmten Einschränkungen abgesehen – mit Erwerb der Erlaubnis genauso umfassend berechtigt, die Heilkunde auszuüben wie der Arzt. Hinzu kommt, dass lediglich privatrechtliche Fortbildungsvorschriften für den Heilpraktiker existieren. Er unterliegt nur dann den Fortbildungsvorschriften der BOH, wenn er einem der privatrechtlich organisierten Heilpraktikerverbände angehört. Aber selbst dann führt ein Verstoß gegen diese Fortbildungspflicht nicht zu schwereren Konsequenzen als dem Ausschluss aus dem Verband. Der Heilpraktiker ist nicht gehindert, weiterhin zu praktizieren. Es bleibt auch insgesamt zweifelhaft, wie die Verbände die Erfüllung der Fortbildungspflicht gewährleisten können. Als Fazit ist zu konstatieren, dass sich eine gesetzlich normierte, nachprüfbare oder allgemeinverbindliche Qualifikation für den Heilpraktiker nicht feststellen lässt360.

4. Dem Heilpraktiker untersagte Maßnahmen In der Tätigkeit und den Befugnissen zeigen sich zwischen approbiertem Arzt und zugelassenem Heilpraktiker nur geringe Unterschiede361. Grundsätzlich ist der Heilpraktiker aufgrund seiner Erlaubnis umfassend befugt, die Heilkunde auszuüben362. Dennoch gibt es eine Anzahl von Maßnahmen, die dem Heilpraktiker untersagt sind. Einige dieser Einschränkungen sollen im Folgenden dargestellt werden363. So ist es dem zugelassenen Heilpraktiker gem. §§ 48, 49 AMG untersagt, verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verordnen, was gem. § 13 BtMG auch für Betäubungsmittel gilt. Auch ist ihm gem. § 4 HebG untersagt, Geburtshilfe zu betreiben und auf der Grundlage des § 24 IfSG, Personen zu behandeln, die an bestimmten übertragbaren Krankheiten erkrankt oder dessen verdächtig sind. Das 360 Vgl. auch Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 10, Rn. 7; GleißnerKlein, Private Standesregeln im Wettbewerbsrecht – Die Berufsordnung der Heilpraktiker, S. 89. 361 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 95. 362 Vgl. auch Käfer, Der Heilpraktiker in Theorie und Praxis, § 1 HPG, Anm. 2.2.; Franz, Naturheilmittel und Recht, S. 167 und 168. 363 Vgl. im Einzelnen Erdle, Recht der Gesundheitsfachberufe und Heilpraktiker, Abschn. 30.1, Rn. 8 sowie Rieger, Lexikon des Arztrechts, Abschn. 2460, Rn. 10 und Franz, Naturheilmittel und Recht, S. 168 f.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

ZHG untersagt dem Heilpraktiker in § 1, die Zahnheilkunde auszuüben, da diese dem geschulten Zahnarzt oder den approbierten Ärzten vorbehalten ist. Die Bestattungsgesetze der Länder, in Bayern beispielsweise die Vorschriften des Art. 2 BestG und des § 3 Abs. 1 BestV, untersagen dem Heilpraktiker, eine Leichenschau durchzuführen und Totenscheine auszustellen. Aus § 218a StGB ergibt sich, dass ein Schwangerschaftsabbruch nur dann nicht strafbar ist, wenn er von einem Arzt durchgeführt wird. Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf gem. § 81a StPO nur durch den Arzt vorgenommen werden, was gem. § 81c StPO auch für Untersuchungen und Entnahmen von Blutproben bei anderen Personen gilt. Gem. § 87 Abs. 2 StPO ist es dem Heilpraktiker untersagt, eine Leichenöffnung vorzunehmen.

V. Das Berufsbild des Arztes Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausübung des Arztberufes, auch im Hinblick auf dessen Ausbildung und Fortbildung, waren ebenfalls immer wieder Veränderungen unterworfen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Entwicklungsschritte kurz dargestellt werden, bevor – am Ende dieser Darstellung – auf die heute maßgeblichen Regelungen zur Ausbildung und Fortbildung des Arztes eingegangen wird.

1. Die Ausbildung des Arztes a) Die Gewerbeordnung von 1869364 führte, zunächst nur im Bundesgebiet, später im gesamten Reichsgebiet, die Kurierfreiheit ein und bestimmte in § 29 GewO 1869, dass Apotheker und diejenigen Personen, die sich als Ärzte (Wundärzte, Augenärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte und Tierärzte) oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen oder seitens des Staates oder einer Gemeinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Funktionen betraut werden sollen, der Approbation bedürfen, welche aufgrund des Nachweises der Befähigung erteilt wird365. Damit wurde eine einheitliche Approbation als Arzt eingeführt und der Titel Arzt geschützt, während die Heilkunde im Übrigen jedoch jedermann ausüben durfte, solange er sich nicht zusätzlich – trotz Fehlens der dazu erforderlichen Approbation – auch als Arzt bezeichnete. Nach der Einführung der Gewerbeordnung von 1869 wurde dann eine neue Prüfungsordnung für die Medizinalpersonen vom 25. 09. 1869 für das Gebiet des Norddeutschen Bundes erlassen366, die durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 364 365 366

Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, 1869, S. 245 ff. Vgl. Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, 1869, S. 245 ff., S. 252 f. Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1869, S. 635 ff.

V. Das Berufsbild des Arztes

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28. 06. 1872367 auf das Deutsche Reich ausgedehnt wurde368. In dieser Prüfungsordnung waren an Prüfungen zur Erlangung der Approbation das Tentamen physicum sowie die aus fünf Abschnitten bestehende ärztliche Prüfung vorgesehen. b) Im Jahre 1935 wurden die Regelungen der Gewerbeordnung durch die Reichsärzteordnung (RÄO) abgelöst369. § 2 Abs. 1 bestimmte, dass zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Deutschen Reich nur befugt ist, wer von der zuständigen deutschen Behörde als Arzt bestallt ist. Diese Bestallung berechtigte zur Ausübung der Heilkunde unter der Bezeichnung Arzt und galt für das gesamte Reichsgebiet370. In der RÄO waren Regelungen zur Erteilung und Zurücknahme, zum Ruhen und zum Verzicht auf die Bestallung enthalten. Die Voraussetzungen für die Bestallung als Arzt waren in der RÄO nicht weiter geregelt. § 3 Abs. 1 RÄO bestimmte lediglich, dass die Bestallung als Arzt erhält, wer die Voraussetzungen der Bestallungsordnung erfüllt, die nach Anhörung der Reichsärztekammer vom Reichsminister des Innern erlassen wird. In ihrem § 14 enthielt die RÄO eine Ermächtigung zum Erlass einer Berufsordnung durch die Reichsärztekammer, die durch das Gesetz errichtet und mit der Errichtung von Ärztekammern beauftragt wurde. Die §§ 25 und 26 der RÄO bestimmten, dass alle Ärzte des Deutschen Reiches der Reichsärztekammer unterstehen, deren Anordnungen für die Ärzte bindend sind, und zu deren Befolgung die Ärzte durch Erzwingungsstrafen bis zu eintausend Reichsmark angehalten werden konnten. Alle Ärzte des Deutschen Reiches unterlagen demnach der Aufsicht der Reichsärztekammer. Die Bestimmungen der Gewerbeordnung wurden durch § 85 RÄO außer Kraft gesetzt, soweit sie sich auf den ärztlichen Beruf im Sinne der RÄO bezogen. Aufgrund der Ermächtigung in der RÄO wurde die Bestallungsordnung für Ärzte vom 25. 03. 1936 erlassen371. Deren § 2 Abs. 1 bestimmte, dass die Bestallung als Arzt demjenigen Reichsangehörigen erteilt wird, der die ärztliche Prüfung vollständig bestanden und den Bestimmungen über das praktische Jahr entsprochen hat. Vor der ärztlichen Prüfung, die sich gem. § 29 der Verordnung in 15 Abschnitte gliederte, war die ärztliche Vorprüfung zu durchlaufen, deren Inhalt in § 5 der Verordnung geregelt war. Sowohl hinsichtlich der ärztlichen Vorprüfung als auch hinsichtlich der ärztlichen Prüfung war damals bestimmt, dass eine Prüfungswiederholung nur einmal möglich ist372. In beiden Prüfungsabschnitten erfolgte sowohl die Überprüfung der RGBl. 1872, S. 243 f. Opitz, Bestallungsordnung für Ärzte und Prüfungsordnung für Zahnärzte, S. 4 f. 369 Vgl. Reichsärzteordnung, RGBl. 1935, Teil I, S. 1433 ff. 370 Vgl. Reichsärzteordnung, RGBl. 1935, Teil I, S. 1433 ff., S. 1433. 371 Abgedruckt in Opitz, Bestallungsordnung für Ärzte und Prüfungsordnung für Zahnärzte, S. 7 ff. 372 Vgl. §§ 15 und 57 Abs. 4 der Bestallungsordnung. 367 368

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

theoretischen Kenntnisse des Kandidaten, als auch eine Überprüfung seiner praktischen Fertigkeiten. Nach § 63 der Verordnung war die weitere Voraussetzung für die Bestallung, dass sich der Kandidat nach vollständig bestandener ärztlicher Prüfung ein Jahr lang an einer Universitätsklinik, Universitätspoliklinik oder an einem dazu besonders ermächtigten Krankenhaus innerhalb des Deutschen Reiches als Praktikant beschäftigt hatte. c) Die Reichsärzteordnung galt nach 1945 nicht einheitlich in allen Teilen Deutschlands weiter. Einzelne Länder wie Bayern und Nordrhein-Westfalen erließen eigene ergänzende Vorschriften. Eine einheitliche Rechtslage wurde erst durch die Bundesärzteordnung vom 02. 10. 1961373 wieder hergestellt. Gem. § 3 war die Bestallung in fachlicher Hinsicht davon abhängig, dass der Antragsteller nach dem Studium der Medizin die ärztliche Prüfung bestanden und die Medizinalassistentenzeit abgeleistet hatte. Der Bundesminister des Innern wurde in § 5 ermächtigt, durch Rechtsverordnung in einer Bestallungsordnung für Ärzte die Mindestdauer des medizinischen Studiums, das Nähere über die ärztliche Prüfung, die Medizinalassistentenzeit und die Bestallung sowie die Prüfungsgebühren zu regeln. d) 1969 wurde die Zulassung zum ärztlichen Beruf durch ein Änderungsgesetz zur Bundesärzteordnung374 wieder zur Approbation. In § 2a wurde die Berufsbezeichnung „Arzt“ und „Ärztin“ ausdrücklich geschützt. Neben weiteren Änderungen wurde durch dieses Gesetz die Medizinalassistentenzeit wieder abgeschafft. In § 4 wurde der Bundesminister für Gesundheitswesen unter anderem dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung in einer Approbationsordnung für Ärzte die Mindestanforderungen an das Studium der Medizin einschließlich der praktischen Ausbildung in Krankenanstalten, sowie das Nähere über die ärztliche Prüfung und die Approbation zu regeln. e) Heute ist die Bundesärzteordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. 04. 1987375, zuletzt geändert durch Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. 12. 2004, maßgebend. § 3, Abs. 1, S. 1, Nr. 4 bestimmt nun, dass das mindestens sechsjährige Studium der Medizin an einer wissenschaftlichen Hochschule absolviert worden sein muss, damit eine Approbation erfolgen kann. Die Nr. 5, die bislang eine zweijährige Tätigkeit als Arzt im Praktikum vorsah, wurde gestrichen. Die 1987 wesentlich erweiterte Vorschrift des § 4 bestimmt nun in Abs. 2, dass die Regelungen der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 373 374 375

BGBl. 1961, Teil I, S. 1857 ff. BGBl. 1969, Teil I, S. 1509 ff. BGBl. 1987, Teil I, S. 1218 ff.

V. Das Berufsbild des Arztes

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durch Rechtsverordnung zu erlassenden Approbationsordnung auf eine Ausbildung auszurichten sind, welche die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen und selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufs vermittelt. Die heute maßgebende Approbationsordnung für Ärzte in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. 06. 2002376, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. 06. 2005, regelt in § 1, wie die Ausbildung der Ärzte sich gliedert. Dabei wird in Abs. 1, S. 3 bereits einleitend betont, dass die Ausbildung zum Arzt auf wissenschaftlicher Grundlage und praxis- wie auch patientenbezogen durchgeführt wird. Im Einzelnen umfasst sie: 1. ein Studium der Medizin von sechs Jahren an einer Universität oder gleichgestellten Hochschule, das eine zusammenhängende praktische Ausbildung von achtundvierzig Wochen einschließt; 2. eine Ausbildung in Erster Hilfe; 3. einen Krankenpflegedienst von drei Monaten; 4. eine Famulatur von vier Monaten und 5. die ärztliche Prüfung, die in zwei Abschnitten abzulegen ist. § 2 Abs. 1 der Approbationsordnung bestimmt für die Unterrichtsveranstaltungen unter anderem, dass die Universitäten praktische Übungen durchzuführen haben, die einen Unterricht am Krankenbett, Praktika und Blockpraktika umfassen. Gem. § 2 Abs. 3 soll sich der Lehrstoff dabei an den Anforderungen der ärztlichen Praxis orientieren. Nach der Unterweisung am Gesunden steht die Unterweisung am Patienten im Vordergrund. Die Approbationsordnung legt für die Ausbildung des Arztes also verbindlich fest, dass dieser nicht nur eine theoretische, sondern auch eine praktische Ausbildung, und diese auch direkt am Patienten, zu durchlaufen hat. Eine erfolgreiche Teilnahme an den praktischen Übungen liegt gem. § 2 Abs. 7 nur dann vor, wenn der Studierende dort gezeigt hat, dass er sich die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten angeeignet hat und sie in der Praxis anzuwenden weiß. Der angehende Arzt muss also während der Ausbildung sein praktisches Wissen und Können direkt am Patienten auch unter Beweis stellen. Um zu den ärztlichen Prüfungen zugelassen zu werden, müssen von ihm Nachweise erbracht werden, dass er an den nach der Approbationsordnung vorgesehenen Unterrichtsveranstaltungen erfolgreich teilgenommen hat, beziehungsweise Leistungsnachweise in Bezug auf bestimmte Fächer377. § 20 Abs. 1 der Approbationsordnung regelt, dass die einzelnen Teile des Ersten und Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nur zweimal wiederholt werden können und eine weitere Wiederholung auch nach erneutem Medizinstudium nicht zulässig ist. 376 377

BGBl. 2002, Teil I, S. 2405 ff. Vgl. §§ 10 Abs. 4. S. 1, Nr. 2, 27 Abs. 1 der Approbationsordnung.

7 Tamm

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung ist in den §§ 22 bis 26 geregelt. Bereits für diesen Abschnitt sieht § 24 einen mündlich-praktischen Teil vor, in dem die Prüfungskommission dem angehenden Arzt vor dem Prüfungstermin praktische Aufgaben stellen und ihm aufgeben soll, deren Ergebnisse bei der Prüfung mündlich oder mittels Vorlage eines schriftlichen Berichts darzulegen und zu begründen. Der Prüfungsstoff, auf den die Fragen in der schriftlichen Aufsichtsarbeit dieses Prüfungsabschnitts abzustellen sind, ist in der Anlage 10 zur Approbationsordnung genau festgelegt. Den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung regeln die §§ 27 bis 33. § 28 bestimmt, dass dem Prüfling praktische Aufgaben aus den klinisch-praktischen Fächern zu stellen sind und der Prüfling in der Prüfung fallbezogen zu zeigen hat, dass er die während des Studiums erworbenen Kenntnisse in der Praxis anzuwenden weiß und über die für den Arzt erforderlichen fächerübergreifenden Kenntnisse und über die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt. Die Vorschrift legt dann im Einzelnen fest, worüber der Prüfling in der Prüfung einen Nachweis zu erbringen hat. Bereits der schriftliche Teil dieses Prüfungsabschnitts wird gem. § 29 Abs. 1 fallbezogen, insbesondere durch Fallstudien, gestaltet. Auf welchen Prüfungsstoff die Aufgaben im schriftlichen Teil dieses Prüfungsabschnitts abgestellt sein müssen, legt § 29 Abs. 3 i. V. m. der Anlage 15 zur Approbationsordnung genau fest. Für den ersten Tag des mündlich-praktischen Teils dieses Prüfungsabschnitts sieht § 30 Abs. 1 die praktische Prüfung mit Patientenvorstellung vor. Dieser Prüfungsteil hat sich gem. § 30 Abs. 2 in jedem Fall auf patientenbezogene Fragestellungen aus der Inneren Medizin, der Chirurgie und dem Gebiet zu beziehen, auf dem der Prüfling seine praktische Ausbildung erfahren hat. § 30 Abs. 3 bestimmt weiter, dass die Prüfungskommission dem Prüfling vor dem Prüfungstermin einen oder mehrere Patienten zur Anamneseerhebung und Untersuchung zuzuweisen hat. Der Prüfling hat hierüber einen Bericht zu fertigen, der Anamnese, Diagnose, Prognose, Behandlungsplan sowie die Epikrise des Falles enthält. Dieser Bericht ist dann unverzüglich nach Fertigstellung von einem Mitglied der Prüfungskommission gegenzuzeichnen und beim Prüfungstermin vorzulegen. Er ist Gegenstand der Prüfung und in die Bewertung einzubeziehen. Besonders im Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erfolgt also fallbezogen eine Überprüfung der praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings. Zudem wird der Prüfling direkt am Patienten geprüft.

2. Die Fort- und Weiterbildung des Arztes In der Bundesärzteordnung und der auf ihrer Grundlage erlassenen Approbationsordnung ist der Arztberuf nicht umfassend geregelt. Dem Bund steht nach Art. 74 Nr. 19 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen zu. Von dieser Kompetenz hat er durch Er-

V. Das Berufsbild des Arztes

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lass der Bundesärzteordnung Gebrauch gemacht. Grundsätzlich steht nach dem Grundgesetz jedoch den Ländern das Recht zur Gesetzgebung zu. Diese haben von ihrer verbleibenden Kompetenz zur Regelung des Rechts der ärztlichen Berufsausübung durch Erlass der Heilberufs- und Kammergesetze Gebrauch gemacht378. Diese enthalten u. a. Regelungen über Errichtung, Aufgaben und Organisation der Ärztekammern sowie über die Fort- und Weiterbildung. Ähnlich der Reichsärzteordnung regeln aber auch die Heilberufs- und Kammergesetze die beruflichen Pflichten des Arztes nicht ausführlich, sondern ermächtigen die Ärztekammern zum Erlass von Berufs- und Weiterbildungsordnungen. Auf der Grundlage der Heilberufs- und Kammergesetze üben die Ärztekammern die berufliche Aufsicht über die Berufsangehörigen aus379. Im Jahre 1947 schlossen sich die deutschen Ärztekammern in einem nicht rechtsfähigen Verein zu einer Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Ärztekammern zusammen, die 1955 in „Bundesärztekammer“ umbenannt wurde und der seit der deutschen Wiedervereinigung auch die neu gebildeten Ärztekammern der neuen Bundesländer angehören. Aufgabe der Bundesärztekammer ist nach ihrer Satzung u. a. die Herbeiführung einer möglichst einheitlichen Regelung der ärztlichen Berufspflichten. Dementsprechend erlässt der Deutsche Ärztetag als oberstes Organ der deutschen Ärzteschaft eine über die Bundesärztekammer abgestimmte Musterberufsordnung, die durch entsprechende Satzungsbeschlüsse der einzelnen Ärztekammern für den Arzt verbindlich wird. Diese Musterberufsordnung wird von den Ärztekammern regelmäßig in ihrer jeweils geltenden Fassung durch entsprechende Satzungsbeschlüsse im Wesentlichen unverändert übernommen. Auch die ebenfalls als Satzung erlassenen Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern lehnen sich eng an die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer an380.

a) Die Fortbildung des Arztes Fortbildung bedeutet, dass der Arzt seine Fertigkeiten und Kenntnisse ständig berufsbegleitend in dem Bemühen vertieft und erweitert, mit der Entwicklung der Medizin und insbesondere seines eigenen Faches Schritt zu halten und den sich stetig verändernden Standards gewachsen zu bleiben381. Eine allgemeine Fortbildungspflicht für die deutschen Ärzte bestimmte erstmalig § 4 der Berufsordnung vom 05. 11. 1937, die von der Reichsärztekammer, 378 Vgl. Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Band I, A 19. 379 Narr, Ärztliches Berufsrecht, Band I, Rn. A 19 mit Hinweis auf das Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 09. 05. 2000. 380 Vgl. Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Band I, Rn. A 20 und A 21. 381 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 11, Rn. 4; VersR 1968, S. 276 f.

7*

Berufsausübung, Heilberufsgesetz Berufsausübung, Vgl. auch BGH

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

der gem. § 25 Abs. 1 RÄO alle Ärzte im Deutschen Reich unterstanden und deren Anordnungen gem. § 26 RÄO für alle Ärzte bindend waren, auf der Grundlage des § 14 RÄO erlassen wurde382. Erstmals wurde in dieser Berufsordnung für alle Ärzte im Deutschen Reich geregelt, dass der Arzt die Pflicht hat, sich beruflich fortzubilden und ohne Voreingenommenheit für oder gegen eine bestimmte Richtung in der Heilkunde sich mit allen wichtigen Heilverfahren vertraut zu machen. Diese Berufsordnung war für alle Ärzte unmittelbar bindend, ohne dass es dazu gesonderter Satzungsbeschlüsse einzelner Ärztekammern bedurfte, wie dies heute der Fall ist, denn die Ärztekammern und ärztlichen Bezirksvereinigungen waren nicht selbständig, sondern bloße Untergliederungen der Reichsärztekammer, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besaßen383. Die Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997 – in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach, zuletzt geändert durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen, geändert durch den Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer am 24. 11. 2006384, bestimmt heute in ihrem § 4, dass Ärztinnen und Ärzte, die ihren Beruf ausüben, dazu verpflichtet sind, sich in dem Umfange beruflich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu ihrer Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist385. Außerdem ist in dieser Vorschrift bestimmt, dass Ärztinnen und Ärzte ihre Fortbildung nach Abs. 1 auf Verlangen gegenüber der Ärztekammer durch ein Fortbildungszertifikat nachweisen müssen. § 5 bestimmt, dass Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, an den von der Ärztekammer eingeführten Maßnahmen zur Sicherung der Qualität der ärztlichen Tätigkeit teilzunehmen und der Ärztekammer die hierzu erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Musterberufsordnung wird – wie bereits erwähnt – regelmäßig in ihrer jeweils gültigen Fassung durch entsprechende Satzungsbeschlüsse der Landesärztekammern im Wesentlichen unverändert übernommen. Die Sanktionsmöglichkeiten, die bei Verstößen gegen die Fortbildungspflicht oder andere Berufspflichten des Arztes zur Verfügung stehen, sind nicht in den einzelnen Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelt, sondern den Heilberufs- und Kammergesetzen der einzelnen Bundesländer zu entnehmen. Die Heilberufs- und Kammergesetze bilden auch die gesetzliche Grundlage dafür, dass die Landesärztekammern ihre Berufsordnungen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde überhaupt als Satzung beschließen können. Abgedruckt in Deutsches Ärzteblatt 1937, S. 1031 ff. Wagner, Deutsches Ärzteblatt, 1935, S. 1233 f., S. 1234. 384 Jeweils aktuelle Fassung veröffentlicht im Internet auf den Seiten der Bundesärztekammer: www.baek.de. 385 Vgl. auch BGHSt 43, S. 306 ff., S. 311. 382 383

V. Das Berufsbild des Arztes

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Im Bundesland Bayern bestimmt dies beispielsweise Art. 20 des Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten – Heilberufe- und Kammergesetz (HKaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 06. 02. 2002386, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. 12. 2005. Danach erlässt die Landesärztekammer die Berufsordnung, die der Genehmigung durch das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz bedarf. Die Fortbildungspflicht des Arztes ist dabei nicht nur in der Berufsordnung387, sondern auch bereits in § 18 Abs. 1 S. 1, Nr. 1 HKaG enthalten. Art. 2 Abs. 1 HKaG bestimmt, dass die Berufsvertretung der Ärzte, die sich gem. Art. 1 HKaG in die ärztlichen Kreisverbände, die ärztlichen Bezirksverbände und die Landesärztekammer untergliedert, die Aufgabe hat, die Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten zu überwachen. Art. 4 HKaG trifft Regelungen zur Mitgliedschaft in den ärztlichen Kreisverbänden und bestimmt, dass jeder in Bayern tätige Arzt und jeder Arzt, der ohne ärztlich tätig zu sein, in Bayern seine Hauptwohnung im Sinne des Melderechts hat, Mitglied eines Kreisverbandes ist. Art. 4 HKaG sieht somit die Zwangsmitgliedschaft in einem ärztlichen Kreisverband vor. Sowohl die Kreisverbände, als auch die Landesärztekammer sind Körperschaften des öffentlichen Rechts388. Entsprechende Bestimmungen existieren auch in den übrigen Bundesländern, wobei die Kammermitgliedschaft in den meisten Ärztekammern von der Approbation und nicht primär von der Berufsausübung im Kammerbereich abhängig ist389. In den einzelnen Bundesländern hat der Vorstand der Ärztekammer bei Verstößen von Kammermitgliedern gegen die Berufsordnung nach Maßgabe der Heilberufsund Kammergesetze teilweise ein Rügerecht und ein Antragsrecht gegenüber dem Berufsgericht auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens390. In Bayern sieht das HKaG in Art. 38 dieses Rügerecht vor, das jedoch dem Vorstand des jeweils zuständigen ärztlichen Bezirksverbands zusteht und nicht der Landesärztekammer. Ein solches Rügeverfahren kommt nach Abs. 1 dieser Vorschrift dann in Betracht, wenn die Schuld des Kammermitgliedes gering ist und der Antrag auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. Das Antragsrecht des Vorstandes des ärztlichen Bezirksverbandes auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens ist in Art. 39 HKaG geregelt. Dort ist beGVBl. 2002, S. 43 ff. Aktuelle Fassung vom 01. 06. 2005, gültig ab 01. 08. 2005, veröffentlicht auf den Internetseiten der Bayerischen Landesärztekammer: www.blaek.de. 388 Vgl. für Bayern: Art. 3 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 1 HKaG. 389 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band II, Rn. B 38. 390 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band II, Rn. B 76. 386 387

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

stimmt, dass die Einleitung eines solchen Verfahrens dann beantragt wird, wenn eine Rüge zur Ahndung der Verletzung der Berufspflicht nicht ausreicht oder ein Mitglied trotz einer rechtswirksam erteilten Rüge sein beanstandetes Verhalten fortsetzt. Gem. Art. 67 Abs. 1 HKaG kann im berufsgerichtlichen Verfahren erkannt werden auf: 1. Verweis; 2. Geldbuße bis fünfzigtausend Euro; 3. Entziehung der Delegierteneigenschaft oder der Mitgliedschaft oder eines Amtes in Organen der Berufsvertretung; 4. Entziehung der Wählbarkeit zum Delegierten oder in Organe der Berufsvertretung bis zur Dauer von fünf Jahren; 5. Ausschluss aus der Berufsvertretung, wenn die Mitgliedschaft freiwillig ist. Gem. Art. 67 Abs. 2 HKaG können die in den Ziffern 1 – 4 genannten Maßnahmen auch nebeneinander verhängt werden. Entsprechende Sanktionsmöglichkeiten sehen wohl auch die Heilberufs- und Kammergesetze der übrigen Bundesländer vor391. Nicht untersagen kann das Berufsgericht dagegen die Berufsausübung. Die Regelungen der Berufszulassung fallen in die Bundeskompetenz, der Landesgesetzgeber vermag eine solche Sanktion daher nicht einzuführen392. Das berufsgerichtliche Verfahren wird vor Gerichten für besondere Sachgebiete im Sinne des Art. 101 Abs. 2 GG durchgeführt. Solche Sondergerichte sind zulässig, können aber nur durch Gesetz errichtet werden. Regelungen hierzu enthalten ebenfalls die Heilberufs- und Kammergesetze der einzelnen Bundesländer. Überwiegend sind die Berufsgerichte bei den Verwaltungsgerichten und die Landesberufsgerichte bei den Oberverwaltungsgerichten errichtet393. In Bayern dagegen sind die Berufsgerichte bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit angesiedelt. Art. 68 Abs. 2 HKaG bestimmt als Berufsgericht für die Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Schwaben das Landgericht München I, für die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und Oberpfalz das Landgericht Nürnberg-Fürth und als Landesberufsgericht das Oberlandesgericht München. b) Die Weiterbildung des Arztes Während die Ausbildung zum Arzt ein Basiswissen vermitteln soll, aufgrund dessen die Ausübung der Heilkunde am Menschen unter der Bezeichnung Arzt 391 Vgl. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 14, Rn. 22 mit Hinweis auf § 58 HeilbKG BW. 392 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 14, Rn. 22. 393 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band II, Rn. B 77.

V. Das Berufsbild des Arztes

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gestattet wird394, die Fortbildungspflicht als ständige Vertiefung und Erweiterung der ärztlichen Fertigkeiten und Kenntnisse dazu dient, als Arzt mit der Entwicklung der Medizin und insbesondere des eigenen Faches Schritt zu halten, dient die Weiterbildung einer Spezialisierung und Vertiefung ärztlichen Fachwissens auf einem eingegrenzten Fachgebiet395. In der Berufsordnung vom 05. 11. 1937396 war die Weiterbildung in den §§ 29 ff. bereits mitgeregelt. Dort waren einzelne, anerkannte Facharztbezeichnungen aufgezählt und es war bestimmt, welche Voraussetzungen ein Arzt erfüllen muss, um als Facharzt in einem bestimmten Gebiet anerkannt zu werden. Auch waren dort seine aus der Anerkennung als Facharzt resultierenden Pflichten geregelt. Bereits zu dieser Zeit bestand keine Verpflichtung des Arztes, sich weiterzubilden und als Facharzt anerkennen zu lassen. Da diese Berufsordnung für jeden Arzt unmittelbar verbindlich war, bedurfte es auch hinsichtlich der Weiterbildungsregelungen keines gesonderten Satzungsbeschlusses durch einzelne Ärztekammern. Dies ist heute anders. Grundlage für den Erlass von Weiterbildungsordnungen durch die Landesärztekammern bilden erneut die Heilberufs- und Kammergesetze der Länder397, die die ärztliche Weiterbildung bereits selbst eingehend regeln398. In Bayern bestimmt Art. 35 Abs. 1 HKaG, dass die Landesärztekammer eine Weiterbildungsordnung erlässt, die der Genehmigung des Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz bedarf. Entsprechende Regelungen existieren auch in den übrigen Bundesländern399, so dass allein die auf dieser Grundlage jeweils von der für ihn zuständigen Landesärztekammer erlassene Weiterbildungsordnung für den einzelnen Arzt verbindlich ist. Die Weiterbildungsordnungen der Länder entsprechen jedoch inhaltlich im Wesentlichen der jeweils aktuellen Musterweiterbildungsordnung (MWBO)400, die vom Deutschen Ärztetag als Empfehlung verabschiedet wird. Während der Arzt zur stetigen Fortbildung verpflichtet ist, besteht keine Pflicht zur Weiterbildung. Es steht dem Arzt auch heute weiterhin frei, sich weiterzubilden, um als Facharzt anerkannt zu werden, eine Schwerpunkt- oder Zusatzbezeich394 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. W 1. 395 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. W 1. 396 Deutsches Ärzteblatt 1937, S. 1031 ff. 397 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. W 11. 398 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. W 14. 399 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. W 1. 400 Vgl. Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. A 21.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

nung zu erwerben401. In der aktuellen MWBO gem. Beschlussfassung der Bundesärztekammer vom 30. 04. 2004402 ist die Weiterbildung des Arztes ausführlich geregelt, wobei jedoch bereits die Heilberufs- und Kammergesetze der Länder genauere Vorgaben enthalten. Beispielsweise regelt in Bayern Art. 28 Abs. 1 HKaG, welche Fachrichtungen die Landesärztekammer bestimmt, in denen Ärzte eine Gebietsbezeichnung, eine Teilgebietsbezeichnung oder eine Zusatzbezeichnung führen können, wenn sie die dafür erforderliche Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen haben403. Die MWBO regelt dann in Bezug auf jedes Gebiet, auf dem eine Weiterbildung erfolgen kann, die Weiterbildungszeit und die zu vermittelnden Inhalte. Gem. § 1 der MWBO ist das Ziel der Weiterbildung der geregelte Erwerb festgelegter Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten, um nach Abschluss der Berufsausbildung besondere ärztliche Kompetenzen zu erlangen. Die Weiterbildung dient der Sicherung der Qualität ärztlicher Berufsausübung. Der erfolgreiche Abschluss der Weiterbildung führt gem. § 2 Abs. 1 MWBO zur Facharztbezeichnung in einem Gebiet, zur Schwerpunktbezeichnung im Schwerpunkt eines Gebietes – das HKaG verwendet hier nicht den Begriff „Schwerpunkt“, sondern spricht von „Teilgebiet“404 – oder zur Zusatzbezeichnung. Der Unterschied zwischen den Begriffen Gebiet und Schwerpunkt besteht darin, dass sich beim Gebiet die Weiterbildung auf den Gesamtbereich im Sinne der Gebietsdefinition (z. B. Chirurgie) erstreckt, während der Schwerpunkt (z. B. Gefäßchirurgie) nur einen – allerdings verselbstständigten – Bereich umfasst, der innerhalb der Weiterbildung im Hauptgebiet einen besonderen, auch zeitlich eingegrenzten „Schwerpunkt“ bildet, dessen Inhalt teilweise auch Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse umfassen kann, welche in der Weiterbildung im Gebiet nicht vermittelt werden405. Eine Facharztbezeichnung kann gem. § 2 Abs. 1 und 2 MWBO nur auf einem Gebiet erworben werden. Das Führen einer Schwerpunktbezeichnung setzt gem. § 2 Abs. 3 MWBO voraus, dass zuvor eine Facharztweiterbildung im Gebiet durchlaufen wurde. Folge einer Spezialisierung auf einem Gebiet und ggf. in einem Schwerpunktbereich ist, dass der Arzt, solange er sich als „Arzt für . . .“ bezeichnet, grundsätzlich nur im Gebiet seiner Spezialisierung tätig werden darf, es sei denn, er wird im Notdienst eingesetzt oder wird als Urlaubsvertreter tätig406. Die Folge der Spezia401 Vgl. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 11, Rn. 22 mit Hinweis auf die Regelungen in der ehemaligen DDR. 402 Jeweils aktuelle Fassung veröffentlicht auf den Internetseiten der Bundesärztekammer: www.baek.de. 403 Vgl. Art. 29 Abs. 1 HKaG. 404 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. W 58. 405 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. W 59.

V. Das Berufsbild des Arztes

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lisierung hat jedoch auch haftungsrechtliche Konsequenzen: Wenn sich ein Sondergebiet als solches durchgesetzt hat und anerkannt ist, dann ist jeder Arzt grundsätzlich verpflichtet, an einen Arzt des jeweiligen Spezialgebiets zu verweisen oder diesen anderweitig hinzuzuziehen, wenn dieses Spezialgebiet deutlich betroffen ist. Die Fachärzte des Gebietes bzw. des Schwerpunktes setzen zudem den Standard der erforderlichen Sorgfalt, der im Falle der Nichtbeachtung durch einen Arzt zu dessen Haftung führt407. Mit Zusatzbezeichnungen (z. B. Homöopathie), bei denen es sich weder um ein eingegrenztes Gebiet noch um ein Teilgebiet handelt, wird lediglich darauf hingewiesen, dass in bestimmten Bereichen, die selbst keine Gebiete darstellen, besondere Kenntnisse vorhanden sind408. Auch der Erwerb einer Zusatzbezeichnung setzt gem. § 2 Abs. 4 MWBO grundsätzlich voraus, dass Facharzt- und Schwerpunktweiterbildungsinhalte abgeleistet wurden. Eine Facharztbezeichnung beispielsweise für Homöopathie oder Akupunktur kann nach der MWBO nicht erworben werden. Es besteht lediglich die Möglichkeit, eine entsprechende Zusatzbezeichnung zu erwerben. Neben den bereits genannten Formen der Weiterbildung kennt die MWBO noch die Weiterbildung zur Qualifizierung in bestimmten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in Gebieten (Fachkunde) sowie die fakultative Weiterbildung in Gebieten. Im Falle des erfolgreichen Abschlusses der Weiterbildung in einem dieser Bereiche erhält der Arzt hierüber eine Bescheinigung, die ihn jedoch nicht zur Ankündigung einer speziellen ärztlichen Tätigkeit durch Führen einer Bezeichnung berechtigt. Die fakultative Weiterbildung, die Fachkunde und auch der Erwerb einer Zusatzbezeichnung haben keine haftungsrechtliche Relevanz. Ihre Bedeutung beschränkt sich auf das Gebiet des Berufsrechts409. Da es im Bereich der Außenseitermethoden, um die es in dieser Untersuchung allein geht, keine Facharztbezeichnungen gibt, existiert für den jeweiligen Behandler auch kein Facharztstandard, den er haftungsrechtlich bei seiner Behandlung zu gewährleisten hätte. Unberührt hiervon bleibt jedoch die Pflicht, an einen Facharzt zu verweisen oder diesen anderweitig hinzuzuziehen, wenn das jeweilige Spezialgebiet deutlich betroffen ist.

406 Deutsch, Medizinrecht, Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, Rn. 32. 407 Deutsch, Medizinrecht, Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, Rn. 33. 408 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band I, Rn. W 59. 409 Deutsch, Medizinrecht, Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, Rn. 33.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

3. Zusammenfassung / Bewertung Aus der gegebenen Darstellung wird ersichtlich, dass sich aus der Bundesärzteordnung und der dazu erlassenen Approbationsordnung umfangreiche, und vor allem rechtsverbindlich festgelegte, Ausbildungsanforderungen ergeben, die vom angehenden Arzt zu erfüllen sind, damit er zur ärztlichen Prüfung zugelassen und letztlich approbiert werden kann. Schon während der Ausbildung müssen Nachweise über den erfolgreichen Erwerb der geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten erbracht werden, und der angehende Arzt muss bereits in der Ausbildung zeigen, dass er seine Kenntnisse auch praktisch und am Patienten richtig anzuwenden weiß. Die Inhalte der Ärztlichen Prüfung sind ebenfalls gesetzlich definiert, wie auch die Nachweise, die vom Prüfling erbracht werden müssen, damit er überhaupt zur Prüfung zugelassen werden kann. Die Prüfung erfolgt dabei auch fallbezogen und mit konkretem Bezug zum Patienten. Aus dem Bestehen der Ärztlichen Prüfung ergibt sich der Nachweis der Befähigung und Qualifikation des Prüflings zur Ausübung der Heilkunde. Auch die Fort- und Weiterbildung des Arztes ist im Einzelnen geregelt, zum Teil gesetzlich, zum Teil in Form von Berufs- und Weiterbildungsordnungen. Die Einhaltung dieser Regelungen, insbesondere der Fortbildungspflicht, kann von der Ärztekammer, deren Mitglied der jeweilige Arzt ist, überwacht, Verstoße können von ihr geahndet werden.

VI. Gegenüberstellung der beiden Berufsbilder In Bezug auf Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung sind zwischen Arzt und Heilpraktiker große Unterschiede festzustellen. Die Ausbildung des Arztes ist detailliert geregelt, was im starken Gegensatz zur Situation beim Heilpraktiker steht. Dieser muss sich nirgends ausbilden lassen, sondern kann sich auch vollkommen selbstständig auf seine Prüfung vor dem Gesundheitsamt vorbereiten. Es bestehen hier keinerlei gesetzliche Ausbildungsvorschriften. Der Heilpraktikeranwärter muss daher auch keinerlei Nachweise über erworbene Kenntnisse erbringen, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Die Prüfung erfolgt nicht fallbezogen oder gar mit direktem Bezug zum Patienten, auch stellt sie keine Fachprüfung dar, aus der sich die Befähigung zur Ausübung der Heilkunde ergibt, sondern es werden nur Grundkenntnisse abgefragt. Aus dem Bestehen der Prüfung ergibt sich lediglich, dass die Ausübung der Heilkunde durch den erfolgreichen Heilpraktikeranwärter keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Aus dem Bestehen der Ärztlichen Prüfung, die eine Fachprüfung darstellt, ergibt sich hingegen die Befähigung und Qualifikation des Anwärters zur Ausübung der Heilkunde.

VI. Gegenüberstellung der beiden Berufsbilder

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Auch die Fort- und Weiterbildung des Arztes, der Zwangsmitglied in einer Ärztekammer ist, die seine Berufsausübung überwacht, ist gesetzlich umfangreich geregelt durch die Heilberufs- und Kammergesetze der Länder sowie die von den Ärztekammern erlassenen Berufsordnungen und Weiterbildungsordnungen, die sich in der Regel eng an die jeweils vom Deutschen Ärztetag als Empfehlung verabschiedete Musterberufsordnung und Musterweiterbildungsordnung anlehnen. Verstößt der Arzt gegen seine Fortbildungspflicht oder sonstige Berufspflichten, so kann er von der Kammer gerügt werden, was für Bayern beispielsweise die Vorschrift des Art. 38 HKaG vorsieht. Es kann aber auch zur Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens kommen, das schärfere Sanktionen nach sich ziehen kann wie beispielsweise die Verhängung eines Bußgeldes von bis zu 50.000 Euro. Die Erfüllung der Pflicht zur Fortbildung kann beim Arzt wesentlich effektiver überwacht und Verstöße gegen diese Pflicht können wesentlich effektiver geahndet werden, als dies beim Heilpraktiker der Fall ist. Denn der Heilpraktiker ist nicht gezwungen, einem Heilpraktikerverband beizutreten und sich dessen Aufsicht zu unterstellen. Auch handelt es sich bei den Heilpraktikerverbänden nicht um aufgrund gesetzlicher Ermächtigung gegründete Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihrerseits wieder einer staatlichen Aufsicht unterliegen, sondern lediglich um privatrechtliche Organisationen410. Heilpraktiker unterliegen damit keiner gesetzlich festgelegten Berufsaufsicht, die mit der Berufsaufsicht durch die Ärztekammern vergleichbar wäre411. Gesetzliche Vorschriften zur Fort- und Weiterbildung des Heilpraktikers existieren nicht. Schließt sich der Heilpraktiker einem Verband an und unterwirft er sich dessen Aufsicht, so können Verstöße gegen die Berufsordnung, die nur für die jeweiligen Verbandsmitglieder gilt und die nicht den Charakter eines Gesetzes respektive einer Satzung hat, nach dem Versuch einer kollegialen Bereinigung schlimmstenfalls lediglich mit dem Ausschluss aus dem Verband geahndet werden. Da der Ausschluss aus dem Verband aber keine weiteren Folgen nach sich zieht, ist dieses Mittel nicht wirklich effektiv, um Verstöße gegen die Fortbildungspflicht oder andere Verstöße zu ahnden. Auch ist insgesamt zweifelhaft, wie die Berufsverbände der Heilpraktiker sicherstellen, dass ihre Mitglieder sich regelmäßig fortbilden412. Sowohl die Ausbildung, als auch die Fort- und Weiterbildung des Arztes sind also detailliert geregelt, was beim Heilpraktiker nicht der Fall ist. Das Berufsbild des Arztes unterscheidet sich von demjenigen des Heilpraktikers daher grundlegend. Beide Berufe lassen sich auch nicht miteinander vereinbaren. Dass ein Arzt nach § 1 Abs. 1 HPG selbst nicht als Heilpraktiker tätig sein kann, ist jedoch nur 410 Vgl. Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band II, u. a. Rn. B 20. 411 Rieger, Lexikon des Arztrechts, Abschn. 2460, Rn. 12. 412 Vgl. auch Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 10, Rn. 7.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

eine logische Folge der zentralen Stellung, die er in der Heilkunde innehat. Die ärztliche Behandlung umfasst jede Heilpraktikertätigkeit und schließt eine besondere Erlaubnis für sie damit notwendig aus413. Im Kapitel B werden die genannten Unterschiede beider Berufsbilder aufgegriffen und es wird verdeutlicht, welche Probleme daraus resultieren. Es wird erörtert, ob und gegebenenfalls inwieweit aus diesen Unterschieden Konsequenzen hinsichtlich der Haftung zu ziehen sind.

VII. Die Heilbehandlung durch Ärzte und Heilpraktiker als Körperverletzung i. S. d. §§ 223 ff. StGB 1. Strafrechtliche Einordnung der Heilbehandlung durch den Arzt Hinsichtlich der strafrechtlichen Einordnung der ärztlichen Heilbehandlung werden unterschiedliche Ansichten vertreten:

a) Die Ansicht der Rechtsprechung Sowohl die Rechtsprechung414 als auch eine Anzahl von Stimmen im Schrifttum415 ordnen die Frage der strafrechtlichen Beurteilung der ärztlichen Behandlung dem Bereich der Rechtswidrigkeit zu. Die Ausgangsentscheidung für diese Jurisdiktion bildet das Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahr 1894 416. Der zu entscheidende Fall betraf einen Arzt, der einem siebenjährigen Mädchen, das an einer tuberkulösen Vereiterung der Fußknochen litt, einen Fuß amputierte, obwohl der Vater des Mädchens einer Operation ausdrücklich widersprochen hatte. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen hätte die durch die Operation gestoppte Weiterverbreitung der tuberkulösen Infektion das Kind mit chronischem Siechtum, schließlich dem Tode bedroht. Nach der Operation traten keine weiteren tuberkulösen Erscheinungen auf und das Kind entwickelte sich normal weiter. BVerwGE 26, S. 254 ff., S. 256. U. a. BGHSt 11, S. 111 ff.; BGH, MedR 1998, S. 326 ff. 415 U. a. Arzt / Weber, Strafrecht Besonderer Teil, § 6, Rn. 99; Cramer, Ein Sondertatbestand für die eigenmächtige Heilbehandlung. Einige Bemerkungen zu §§ 223, 230 des Entwurfs eines 6. Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG), Lenckner-FS, S. 761 ff., S. 776; Kargl, Körperverletzung durch Heilbehandlung, GA 2001, S. 538 ff.; Schwalm, Zu Begriff und Beweis des ärztlichen Kunstfehlers, Bockelmann-FS, S. 539 ff., S. 539 f. 416 RGSt 25, S. 375 ff. 413 414

VII. Die Heilbehandlung als Körperverletzung

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Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass sich der behandelnde Arzt einer Körperverletzung schuldig gemacht hatte, weil der von ihm durchgeführte Eingriff nicht von einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters gedeckt war, dieser vielmehr einem Eingriff sogar ausdrücklich widersprochen hatte. Seine Entscheidung begründete das Gericht zunächst historisch, indem es ausführte, der Gesetzgeber habe durch Ersetzung des § 187 des preußischen Strafgesetzbuches durch den § 223 StGB mit dem Ausdruck „körperlich misshandeln“ im weitesten und allgemeinsten Sinne alle unmittelbar und physisch dem körperlichen Organismus zugefügten Verletzungen erfassen wollen. Aus diesem Grunde erschien es dem Gericht verfehlt, wie die Vorinstanz in dem vorgenommenen Eingriff nur deshalb keine Misshandlung zu erblicken, weil nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch unter einer Misshandlung lediglich ein unangemessenes, schlimmes oder übles, nicht aber ein an sich vernünftiges und zweckmäßiges Verhalten zu verstehen sei417. Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit führt das Gericht dann weiter aus, es sei unhaltbar, die Rechtswidrigkeit einer Körperverletzung deshalb zu verneinen, weil der Zweck oder gar der Erfolg derselben sich als dem Verletzten heilsam, als vernünftig darstelle. Dass jemand nach eigener Überzeugung oder dem Urteil seiner Berufsgenossen die Fähigkeit besitzt, das wahre Interesse seines Nächsten besser zu verstehen als dieser selbst, dessen körperliches oder geistiges Wohl durch geschickt und intelligent angewendete Mittel vernünftiger fördern zu können, als dieser es vermag, gewähre jenem entfernt nicht irgendeine rechtliche Befugnis, nunmehr nach eigenem Ermessen in die Rechtssphäre des anderen einzugreifen, diesem Gewalt anzutun und dessen Körper willkürlich zum Gegenstand gut gemeinter Heilversuche zu benutzen.418. Was von der Vorinstanz jedem Arzt jedem Kranken gegenüber als „Recht“ zu Körperverletzungen und Misshandlungen eingeräumt werde, würde mit der gleichen logischen Notwendigkeit jedem, der sich für heilkundig hält, jedem gegenüber, den er für krank ansieht, zuzugestehen sein. Es bleibe bei diesem Gedankengang dunkel, weshalb der vernünftig-humane Zweck nur Körperverletzungen, nicht aber auch Freiheitsberaubung, Nötigung, Sachbeschädigung und zahlreiche ähnliche Delikte aus dem Bereich der rechtswidrigen Handlungen herauszuheben geeignet sein soll419. Als vollends untauglich für das Strafrecht sah das Gericht den Gesichtspunkt an, nach den unberechenbaren Zufälligkeiten des Erfolges, also nach den der Tat in unbestimmter Zukunft nachfolgenden Eventualitäten, begrifflich unterscheiden zu wollen, ob eine an sich alle gesetzlichen Merkmale des § 223 StGB in sich tragende Körperverletzung ein Delikt darstellt oder nicht420. 417 418 419 420

RGSt 25, S. 375 ff., S. 377 f. RGSt 25, S. 375 ff., S. 378 f. RGSt 25, S. 375 ff., S. 379. RGSt 25, S. 375 ff., S. 379.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

Das Gericht führt weiter aus: „Für das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten wird innerhalb der Sphäre des bürgerlichen wie des peinlichen Rechtes an der zwischen beiden Personen bestehenden Willensübereinstimmung unter allen Umständen als dem leitenden und entscheidenden Gesichtspunkte festzuhalten sein. . . In jedem Falle ist es der Wille des Kranken beziehungsweise seiner Angehörigen und gesetzlichen Vertreter, welcher überhaupt gerade diesen Arzt beruft, die Behandlung dieses Kranken zu übernehmen. Hält man dieses fest, dann ergibt sich die weitere Folgerung auch von selbst, dass Inhalt und Umfang der dem Arzte solchergestalt eingeräumten Befugnisse in Anwendung aller Mittel seiner Kunst sich nicht minder regeln muss durch den Rechtswillen des Kranken.“421

Abschließend kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass derjenige Arzt, der vorsätzlich für Heilzwecke Körperverletzungen verübt, ohne sein Recht hierfür aus einem bestehenden Vertragsverhältnis oder der präsumtiven Zustimmung, dem vermuteten Auftrag hierfür legitimierter Personen herleiten zu können, überhaupt unberechtigt, das heißt rechtswidrig, handelt und der solche Delikte verbietenden Norm des § 223 StGB unterliege. Noch zweifelloser trete eine solche Rechtswidrigkeit hervor, wenn der Arzt gegen den erklärten Willen jener Person handelt422. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit auch weiterhin selbst dann als Körperverletzung zu bewerten, wenn er durch einen Arzt in heilender Absicht erfolgt. Auch weiterhin kann die Heilmaßnahme im Regelfall nur durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gerechtfertigt sein423. Der ärztliche Heileingriff ist daher nach ständiger Rechtsprechung und nach der Ansicht eines Teils der Literatur als tatbestandliche Körperverletzung zu qualifizieren, unabhängig davon, ob der Eingriff medizinisch indiziert424, lege artis durchgeführt425 und erfolgreich ist426. Jede ärztliche, die Integrität des Körpers berührende Maßnahme bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung, i. d. R. durch Einwilligung des Patienten427.

b) Die Ansicht des Großteils der Literatur Von Seiten der Literatur war und ist diese Rechtsprechung starker Kritik ausgesetzt. Zu dieser nicht zum Verstummen zu bringenden Kritik hat vor allem beigetragen, dass die Rechtsprechung auch die lege artis ausgeführte sowie die RGSt 25, S. 375 ff., S. 381. RGSt 25, S. 375 ff., S. 382. 423 BGHSt 43, S. 306 ff., S. 308. 424 BGHSt 11, S. 111 ff., S. 114. 425 BGHSt 12, S. 379 ff., S. 380. 426 Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Eser, § 223, Rn. 29; Kargl, Körperverletzung durch Heilbehandlung, GA 2001, S. 538 ff., S. 538. 427 BGH, NStZ 1996, S. 34 ff., S. 35; BGHSt 11, S. 111 ff., S. 112. 421 422

VII. Die Heilbehandlung als Körperverletzung

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im Ergebnis erfolgreiche Heilbehandlung als tatbestandliche Körperverletzung einstufte428. Schon Binding wandte sich 1902 gegen diese Einordnung, indem er ausführte, die ärztliche Tätigkeit sei stets als Ganzes betrachtet und der fatale Teil einfach von der Heilbehandlung konsumiert worden. Von jeher habe das Wundenheilen den löblichen Gegensatz zum Wundenschlagen gebildet429. So wandte er sich denn auch gegen die Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1894 und stellte fest, es habe sich dort lediglich um einen Fall bloßer Willensmissachtung gehandelt430. Ein Großteil der Literatur sieht im ärztlichen Heileingriff schon tatbestandlich keine Körperverletzung, wobei dieses Ergebnis unterschiedlich begründet wird. Es werden verschiedene Ansichten vertreten, die zum Teil auf der gleichen Basis ruhen, aber in der Betonung einzelner Aspekte Unterschiede aufweisen. Die wesentlichen Meinungsströmungen sollen im Folgenden kurz dargestellt werden, wobei diese Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, da die Literatur zu dieser Frage kaum noch übersehbar ist431. aa) Nach der Erfolgstheorie ist in erster Linie zwischen dem gelungenen und dem misslungenen Eingriff zu unterscheiden. Entscheidend sei die Bewertung des gesamten Vorgangs, nicht aber die des einzelnen Aktes. Eine erfolgreiche Heilbehandlung werde nicht vom Tatbestand der §§ 223, 229 StGB erfasst432. Die heute wohl h. L. in der Literatur will den Tatbestand der Körperverletzung dabei nur in den Fällen als nicht erfüllt ansehen, in denen der Eingriff sowohl gelungen ist als auch lege artis durchgeführt wurde433. Die erfolgreiche und lege artis, jedoch ohne Einwilligung des Patienten durchgeführte, eigenmächtige Heilbehandlung, wird danach als bloßes Freiheitsdelikt eingestuft434. 428 429

Vgl. Kargl, Körperverletzung durch Heilbehandlung, GA 2001, S. 538 ff., S. 538. Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts – Besonderer Teil, 1. Band,

S. 56. 430 Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts – Besonderer Teil, 1. Band, S. 58 Fn. 1. 431 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Ulsenheimer, § 138, Rn. 1. 432 Vgl. u. a. Hardwig, Betrachtungen zur Frage des Heileingriffs, GA 1965, S. 161 ff.; Beling, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arztes bei Vornahme und Unterlassung operativer Eingriffe, ZStW Band 44 (1924), S. 220 ff.; Bockelmann, Rechtliche Grundlagen und rechtliche Grenzen der ärztlichen Aufklärungspflicht, NJW 1961, S. 945 ff., S. 946 f. Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht – Besonderer Teil I, S. 108 ff. 433 Vgl. Otto, Grundkurs Strafrecht – Die einzelnen Delikte, § 15, Rn. 11; Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht – Besonderer Teil I, S. 107 ff.; Hirsch, Zur Frage eines Straftatbestandes der eigenmächtigen Heilbehandlung, Zipf-GS, S. 353 ff., S. 362. 434 Vgl. Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht – Besonderer Teil I, S. 107 ff., S. 109; i. E. ebenso Hirsch, Zur Frage eines Straftatbestandes der eigenmächtigen Heilbehandlung, Zipf-GS, S. 353 ff., insbesondere S. 355 ff.; Kaufmann, die eigenmächtige Heilbehandlung, ZStW Band 73 (1961), S. 341 ff., S. 373 f.

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A. Terminologie und Darstellung der strafrechtlichen Relevanz

bb) Eine andere Auffassung in der Literatur, die Handlungstheorie, stellt maßgeblich auf die Kunstgerechtigkeit ab. Ist der Eingriff von Heilungstendenz getragen und kunstgerecht durchgeführt, so sei er selbst bei Misslingen tatbestandlich keine Körperverletzung435. Auch nach dieser Ansicht stellt die lediglich wider den Willen des Betroffenen durchgeführte Heilbehandlung keine Körperverletzung, sondern lediglich ein Freiheitsdelikt nach den §§ 239, 240 StGB dar436.

c) Stellungnahme Der in Bezug auf die Einordnung der ärztlichen Heilbehandlung bestehende Streit soll für diese Untersuchung nicht entschieden, sondern auf die Ansicht der Rechtsprechung abgehoben werden, die seit langem unverändert besteht. Dies dient dem Zweck, auf der Grundlage dieser für den medizinischen Außenseiter allein praxisrelevanten Ansicht Regeln zu entwickeln, nach denen sich seine Haftung bestimmt. Zudem mehren sich in jüngerer Zeit auch innerhalb des Schrifttums die Stimmen, die der Ansicht der Rechtsprechung beipflichten437. Der ärztliche, in die körperliche Integrität eingreifende Heileingriff ist daher auf der Grundlage der Ansicht der Rechtsprechung und eines Teils der Literatur als tatbestandliche Körperverletzung zu qualifizieren, unabhängig davon, ob der Eingriff medizinisch indiziert, lege artis durchgeführt und erfolgreich ist und bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung, in der Regel durch Einwilligung des Patienten.

2. Strafrechtliche Einordnung der Heilbehandlung durch den Heilpraktiker Auch die Heilbehandlung durch den Heilpraktiker kann im gleichen Umfang wie diejenige des Arztes den Tatbestand der Körperverletzung438 erfüllen, es bestehen diesbezüglich keine Unterschiede in der strafrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Heilpraktikers zu der des Arztes. Soweit der Heilpraktiker im Rahmen seiner Behandlung einen Eingriff vornimmt, wie dies z. B. bei Anwendung der Akupunktur oder bei einer Blutentnahme der Fall ist, liegt eine körperliche Misshandlung i. S. d. § 223 StGB vor439. 435 Engisch, Ärztlicher Eingriff zu Heilzwecken und Einwilligung, ZStW Band 58 (1946), S. 1 ff., S. 5 ff., Welzel, Das deutsche Strafrecht – Eine systematische Darstellung, S. 289. 436 Vgl. etwa Welzel, Das deutsche Strafrecht – Eine systematische Darstellung, S. 289. 437 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Ulsenheimer, § 138, Rn. 9a. 438 Vgl. auch Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 244. 439 Vgl. auch Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 93.

VII. Die Heilbehandlung als Körperverletzung

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Eine Gesundheitsbeschädigung i. S. d. § 223 StGB ist denkbar, wenn ein Krankheitszustand aufrechterhalten oder sogar verschlimmert wird, weil der Heilpraktiker aufgrund einer falschen Diagnose eine ungeeignete Therapie angewendet hat440.

440 Vgl. Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 93.

8 Tamm

B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei der Heilbehandlung durch Ärzte und Heilpraktiker mit Außenseitermethoden Bevor nun im Folgenden auf einzelne Fehlerquellen bei der Heilbehandlung mit Außenseitermethoden durch Ärzte und Heilpraktiker eingegangen werden soll, ist zunächst die Frage zu beantworten, welche Vorschriften des StGB im Bereich der Haftung des Arztes und des Heilpraktikers bei der Anwendung von Außenseitermethoden von besonderer praktischer Relevanz sind. Durchmustert man die einschlägigen Urteile, so stellt man fest, dass es mit Abstand die Delikte der fahrlässigen Tötung gem. § 222 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung gem. § 229 StGB sind, die an der Spitze der Vorwürfe stehen, die in Arztstrafverfahren zu untersuchen sind441. Dieses Ergebnis zeigt sich dabei unabhängig davon, ob es im jeweiligen Fall um Außenseiterverfahren oder aber um solche Verfahren ging, die zur Schulmedizin gezählt werden. Auch im Bereich der strafrechtlichen Verantwortung des Heilpraktikers sind es diese Vorschriften, die besondere praktische Relevanz besitzen. Aus diesem Grund wird im Folgenden zuerst die Frage geklärt, wie der Begriff der Fahrlässigkeit im Strafrecht definiert wird. Anschließend wird unter konkreter Bezugnahme auf einzelne Fehlerquellen im Hinblick auf die §§ 222, 229 StGB dargestellt, welche Sorgfaltsanforderungen in einzelnen Bereichen vom Außenseiterarzt respektive vom Heilpraktiker unter dem Gesichtspunkt der Fahrlässigkeitshaftung zu erfüllen sind. Dabei wird insbesondere auf die einschlägige Rechtsprechung eingegangen. Erläutert werden zunächst das so genannte Übernahmeverschulden, dann die im Zusammenhang mit der Wahl der Diagnose- und Behandlungsmethode zu beachtenden Sorgfalts- und Aufklärungspflichten sowie schließlich diejenigen Sorgfaltspflichten, die im Zusammenhang mit der Diagnosestellung zu beachten sind. Danach wird auf die fehlerhafte Anwendung von Außenseitermethoden eingegangen. Innerhalb der einzelnen Fehlerquellenbereiche wird jeweils zwischen dem Außenseiterarzt und dem Heilpraktiker differenziert. Es wird dargestellt, welche Sorgfaltspflichten für die jeweilige Berufsgruppe gelten. Schließlich wird auf die Frage eingegangen werden, ob oder inwieweit die individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Behandlers im Bereich der Schuld zu berücksichtigen sind. 441

Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 2. Aufl., S. 11 m. w. N.

I. Der Begriff der Fahrlässigkeit

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I. Der Begriff der Fahrlässigkeit Was den Begriff der Fahrlässigkeit anbelangt, so werden im Hinblick auf dessen Definition unterschiedliche Ansichten vertreten. Die in der neueren Zeit weit überwiegend vertretene Auffassung, die Zweistufigkeitslehre442, geht aber davon aus, dass das Fahrlässigkeitsdelikt einen doppelten Maßstab umschließt. Danach ist die Frage, ob dem Täter der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann, auf zwei Ebenen zu prüfen: zum einen auf der Ebene des Unrechtstatbestandes, zum anderen auf der Ebene der Schuld443. Auf der Ebene des Unrechtstatbestandes sind nach überwiegender Meinung444 die nach objektiven Kriterien zu bestimmenden generellen Sorgfaltsanforderungen maßgeblich. Individuelle Fähigkeiten des Täters sind dagegen erst auf der Ebene der Schuld zu berücksichtigen, das heißt erst dort wird die Frage gestellt, ob der Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten, insbesondere also nach seinem intellektuellen Zuschnitt und seiner Lebenserfahrung, subjektiv in der Lage war, das objektiv erforderliche Maß an Sorgfalt zu erbringen445. Nach h. L. kann mehr als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt vom Strafrecht nicht gefordert werden, jedoch darf auf standardisierte Sonderfähigkeiten (Fernlastfahrer, Chefarzt) dort abgestellt werden, wo sie in dem betreffenden Verkehrskreis zum Einsatz kommen müssen446. Nach der h. L. ist für die Frage der objektiven Sorgfaltswidrigkeit also auf die so genannte Gruppenfahrlässigkeit abzustellen. Hat der Täter danach die Sorgfalt außer Acht gelassen, die von einer erfahrenen, umsichtigen Person seines Verkehrskreises in der konkreten Situation des Täters zu fordern wäre, dann fällt ihm eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung zur Last447. 442 Vgl. Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Cramer / Sternberg-Lieben, § 15, Rn. 116 und 118. 443 H. L, vgl. für viele: Roxin, Strafrecht – Allgemeiner Teil, Band I, Grundlagen. Der Aufbau der Verbrechenslehre, § 24, Rn. 54 ff.; Kühl, Strafrecht – Allgemeiner Teil, § 17, Rn. 7 und 8; Bockelmann / Volk, Strafrecht – Allgemeiner Teil, S. 158 und 167; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts – Allgemeiner Teil, S. 565; Aus der Rechtsprechung: BGHSt 31, S. 96 ff., S. 101; BGHSt 12, S. 75 ff., S. 78; besonders deutlich: BGH, NJW 1995, S. 795 ff., S. 796. 444 Vgl. Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Cramer / Sternberg-Lieben, § 15, Rn. 118. 445 Vgl. Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Cramer / Sternberg-Lieben, § 15, Rn. 118; Es vertreten diese Auffassung u. a.: Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts – Allgemeiner Teil, S. 565 m. w. N; Bockelmann / Volk, Strafrecht – Allgemeiner Teil, S. 158. Kaufmann, Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, Welzel-FS, S. 393 ff., S. 404 ff., insbesondere S. 406; BGH, NJW 1995, S. 795 ff., S. 796. 446 So u. a. Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts – Allgemeiner Teil, S. 565 und dort Fn. 15; Kühl, Strafrecht – Allgemeiner Teil, § 17, Rn. 25 und 32; Krey, Deutsches Strafrecht – Allgemeiner Teil, Band 2, Rn. 532. Wessels / Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil – Die Straftat und ihr Aufbau, Rn. 669 und 672; Aus der Rechtsprechung: OLG Köln, NJW 1969, S. 1586 f., S. 1586. 447 Vgl. z. B. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Ulsenheimer, § 139, Rn. 18.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Damit dem Täter jedoch auf der Ebene des Unrechtstatbestandes insgesamt objektiv der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann, muss der schädigende Erfolg für ihn unter Zugrundelegung des für seinen Verkehrskreis zu fordernden Wissens und Könnens zudem vorhersehbar gewesen sein. Es ist daher weiter zu fragen, ob der Täter den schädigenden Erfolg hätte voraussehen müssen (unbewusste Fahrlässigkeit) oder ob er den Eintritt des schädigenden Erfolgs als möglich vorausgesehen, jedoch vorwerfbar darauf vertraut hat, hierzu werde es nicht kommen (bewusste Fahrlässigkeit)448. Aufgrund der Bildung differenzierter Gruppen, der Bestimmung des jeweils maßgeblichen engeren Verkehrskreises, ist der Unterschied zwischen der h. L. und der Mindermeinung, die bereits im Unrechtstatbestand auf die individuellen Fähigkeiten des Täters abhebt449, geringer als vielfach angenommen, denn es kommt darauf an, wie eng man im zu entscheidenden Fall den Verkehrskreis jeweils bestimmt. Je enger dieser bestimmt wird, desto mehr individualisierende Merkmale des Täters fließen dabei in die Beurteilung ein. Der Unterschied ist aber auch deshalb gering, weil bei unterdurchschnittlichen Fähigkeiten Einigkeit darüber besteht, dass die Strafbarkeit des Täters nicht weiter reichen kann, als sein Leistungsvermögen, einerlei, ob dessen Mangel nun den Tatbestand ausschließt oder aber erst die Schuld entfallen lässt 450. Hat der Täter über diesen Maßstab hinausgehendes Sonderwissen oder Sonderfähigkeiten, das oder die er nicht eingesetzt hat, so wollen einige Vertreter der h. M. dies auf der Ebene des Unrechtstatbestandes ebenfalls berücksichtigen und weichen insoweit vom Grundansatz der Zweistufenlehre ab451. Individuelle Sonderfähigkeiten werden nach dieser Ansicht bereits im Bereich des Tatbestandes für die Frage des Fahrlässigkeitsvorwurfs berücksichtigt. Bei durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Fähigkeiten bildet dagegen der Durchschnitt den Vergleichsmaßstab. Eine Entlastung des unterdurchschnittlich Befähigten findet dann erst auf der Ebene der Schuld statt452. Im Folgenden wird für die Frage, ob dem Täter auf der Ebene des Unrechtstatbestandes objektiv der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann, die Auffassung der Rechtsprechung und der h.L. zugrunde gelegt, die auf die so genannte Gruppenfahrlässigkeit im dargestellten Sinne abstellt. 448 Vgl. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Ulsenheimer, § 139, Rn. 18; vgl. auch Wessels / Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil – Die Straftat und ihr Aufbau, Rn. 661. 449 Vgl. z. B. Otto, Grundkurs Strafrecht – Allgemeine Strafrechtslehre, S. 192 f. 450 Vgl. Roxin, Strafrecht – Allgemeiner Teil, Band I, Grundlagen. Der Aufbau der Verbrechenslehre, § 24, Rn. 56. Vgl. auch Otto, Grundkurs Strafrecht – Allgemeine Strafrechtslehre, S. 192 f., insbesondere S. 193. 451 Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Cramer / Sternberg-Lieben, § 15, Rn. 138 ff. 452 Vgl. u. a. Roxin, Strafrecht – Allgemeiner Teil, Band I, Grundlagen. Der Aufbau der Verbrechenslehre, § 24, Rn. 58; wie Roxin auch Blei, Strafrecht – Allgemeiner Teil, Nr. 162 ff.

I. Der Begriff der Fahrlässigkeit

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Bezogen auf den Arzt oder Heilpraktiker bedeutet dies, dass ihnen dann objektiv der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht wird, wenn sie die Sorgfalt außer Acht gelassen haben, die von einer erfahrenen und umsichtigen Person ihres Verkehrskreises in der konkreten Situation zu fordern gewesen wäre und sie zudem den Eintritt des schädigenden Erfolgs unter Zugrundelegung des für ihren Verkehrskreis zu fordernden Wissens und Könnens hätten vorhersehen können oder aber die Möglichkeit des Eintritts dieses Erfolgs vorhergesehen haben, jedoch vorwerfbar darauf vertrauten, er werde sich nicht einstellen. Erst auf der Ebene der Schuld ist dann die Frage zu stellen, ob der Täter subjektiv in der Lage war, das objektiv erforderliche Maß an Sorgfalt zu erbringen. Dieser objektive Maßstab wird auch im Bereich des Zivilrechts – dort aber ausschließlich – zu Grunde gelegt. Die Sorgfaltsanforderungen werden dort rein objektiv nach dem jeweiligen Verkehrskreis bestimmt, auf die Frage, ob eine Person auch subjektiv dazu in der Lage war, das so bestimmte Maß an Sorgfalt zu erbringen, kommt es hier dagegen gar nicht an453. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte wird aus diesem Grund für diese Arbeit ebenfalls nutzbar gemacht. Die dort aufgestellten Grundsätze werden – unabhängig von der Frage, ob diesen im jeweiligen Fall zu folgen ist – auf den Bereich des Strafrechts übertragen und für die Frage der strafrechtlichen Beurteilung medizinischer Außenseiter durch die Rechtsprechung berücksichtigt. Zwischen den Begriffen der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung und dem der Vorhersehbarkeit, aus denen sich der Begriff der objektiven Fahrlässigkeit respektive Sorgfaltswidrigkeit zusammensetzt, wird dabei im Folgenden nicht strikt getrennt werden. Dies dient zum einen der besseren Verständlichkeit, denn Ziel dieser Arbeit ist es, dem Außenseiterarzt und dem Heilpraktiker möglichst konkrete Handlungsanweisungen an die Hand zu geben, d. h. konkret darzustellen, welche Pflichten ihm obliegen, damit er dem Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung oder gar Tötung entgeht. Zum anderen ist bei beiden Begriffen der jeweils engere Verkehrskreis maßgebend. Sowohl für die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung als auch der Vorhersehbarkeit kommt es also auf die Gruppenfahrlässigkeit und damit auf die für den jeweiligen Verkehrskreis zu fordernden Kenntnisse und Fähigkeiten an. Zudem wird auch innerhalb der für diese Arbeit ausgewerteten Rechtsprechung und Literatur oft nur undeutlich oder gar nicht zwischen diesen beiden Begriffen unterschieden454, was wohl vor allem aus dem Umstand resultiert, dass Streit darüber besteht, in welchem Verhältnis die beiden Begriffe überhaupt zueinander stehen455. 453 Vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Heinrichs, § 276, Rn. 15; BGHZ 39, S. 281 ff., S. 283; BGH NJW 1970, S. 1038 ff., S. 1039; Aus der neueren Zeit: BGH, NJW 1993, S. 2889 ff., S. 2992; BGH, NJW 1994, S. 3008 ff., S. 3009. 454 Vgl. beispielsweise Wessels / Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil – Die Straftat und ihr Aufbau, Rn. 667.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Nimmt man aber eine solche Differenzierung vor, so wäre beispielsweise für die Frage der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung zu erörtern, welche diagnostischen Maßnahmen von einem umsichtigen und erfahrenen Behandler des jeweiligen Verkehrskreises in der konkreten Situation durchgeführt worden wären oder in welcher Weise ein solcher Behandler im konkreten Fall die Akupunkturnadeln gesetzt hätte. Für die Frage der Vorhersehbarkeit wäre ebenfalls auf den engeren Verkehrskreis abzustellen und zu fragen, ob ein umsichtiger und erfahrener Behandler des jeweiligen Verkehrskreises im konkreten Fall hätte erkennen können, dass seine Handlung einen schädigenden Erfolg herbeiführen könnte. Der Schwerpunkt beim Fahrlässigkeitsvorwurf liegt in der Praxis überwiegend im Bereich der unbewussten Fahrlässigkeit, d. h. der Täter hat zwar nicht erkannt, dass seine sorgfaltswidrige Handlung den tatbestandlichen Erfolg herbeiführen würde, er hätte es dies aber erkennen können. Aus diesem Grund wird im Verlaufe dieser Arbeit überwiegend die unbewusste Fahrlässigkeit im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

II. Das so genannte Übernahmeverschulden Der Begriff des Übernahmeverschuldens wird nicht einheitlich verwendet. Stattdessen finden auch die Begriffe der fahrlässigen456 oder pflichtwidrigen Tätigkeitsübernahme oder der Übernahmefahrlässigkeit Verwendung457. Erfasst werden mit diesen Begriffen die Fälle, in denen der Täter eine risikobehaftete Tätigkeit vornimmt, ohne die für die Vermeidung der dabei möglicherweise entstehenden Gefahren erforderlichen Erkenntnisfähigkeiten oder Erkenntnismittel sowie das erforderliche Erfahrungswissen zu besitzen458. So stellte auch der BGH in einem zu entscheidenden Fall fest: „Es ist vielmehr anerkannt, dass auch derjenige schuldhaft handeln kann, der eine Tätigkeit vornimmt, von der er weiß oder erkennen kann, dass ihm die dafür erforderlichen Kenntnisse fehlen. . . Ein derartiges Verschulden kann sowohl in der Übernahme einer die Fähigkeiten des Handelnden übersteigenden Tätigkeit liegen wie auch in ihrer Fortführung.“459 455 Vgl. hierzu Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 137 ff. 456 So beispielsweise Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Cramer / SternbergLieben, § 15, Rn. 136. 457 Müller, Fahrlässige Tätigkeitsübernahme und persönliche Zurechnung – Strukturanalyse der Handlung und ihre Auswirkungen auf das Strafrecht, insbesondere der Zurechnung, S. 1. 458 Vgl. beispielsweise Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 26. Aufl., Cramer / SternbergLieben, § 15, Rn. 136; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts – Allgemeiner Teil, S. 580 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 2. Aufl., S. 25 ff. mit Beispielen. 459 BGH, JR 1986, S. 248 ff., S. 250.

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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Bezogen auf den Außenseiterarzt und den Heilpraktiker bedeutet dies, dass ihnen ein Übernahmeverschulden zur Last fallen kann, wenn sie eine Behandlung beginnen oder diese fortsetzen, obwohl ihnen die dazu erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen und sie hätten erkennen können, dass dadurch ein Schaden verursacht werden kann. Zudem käme ein Übernahmeverschulden dann in Betracht, wenn sie zwar erkannt haben, dass ihre Fähigkeiten möglicherweise nicht ausreichen, aber vorwerfbar darauf vertrauten, ein schädigender Erfolg werde schon nicht eintreten. Um die Begriffe der Sorgfaltspflichtverletzung und der Vorhersehbarkeit anhand dieser Fallkonstellation noch einmal aufzugreifen und konkret zu beschreiben, liegt der Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung beim Übernahmeverschulden also darin, dass ein umsichtiger und erfahrener Behandler des jeweils maßgeblichen Verkehrskreises in der konkreten Situation die Behandlung nicht begonnen oder sie nicht fortgeführt hätte. Im Bereich der Vorhersehbarkeit wird der Vorwurf erhoben, dass ein umsichtiger und erfahrener Behandler in der konkreten Situation erkannt hätte, dass ihm die zur erfolgreichen Behandlung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen und es deshalb zum Eintritt eines schädigenden Erfolgs kommen kann (unbewusste Fahrlässigkeit). In Betracht kommen kann aber auch der Vorwurf, dass der Behandler durchaus erkannt hat, dass seine Kenntnisse und Fähigkeiten möglicherweise nicht ausreichen aber vorwerfbar darauf vertraut hat, der schädigende Erfolg werde nicht eintreten (bewusste Fahrlässigkeit). Im Folgenden soll nun die Frage genauer erörtert werden, unter welchen Voraussetzungen dem Außenseiterarzt oder dem Heilpraktiker aufgrund der bloßen Übernahme der Behandlung oder Diagnosestellung der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. Dabei ist zuerst die Frage zu klären, ob dem medizinischen Außenseiter bereits allein deshalb ein Übernahmeverschulden zu Last fallen kann, weil er außerschulische Methoden zur Anwendung bringt. Es stellt sich damit die Frage, ob die Methoden der Schulmedizin eine Vorrangstellung gegenüber den Außenseitermethoden einnehmen.

1. Übernahmeverschulden schon allein aufgrund der Übernahme der Heilbehandlung oder Diagnosestellung mit außerschulischen Methoden? Bereits das Reichsgericht stellte in seinem Urteil vom 01. 12. 1931460 fest, dass für jeden, an den die Frage der Übernahme einer Heilbehandlung herantritt, die Pflicht zur Prüfung besteht, ob seine Fähigkeiten und Kenntnisse gerade im gegebenen Fall zur Feststellung der Krankheit und zu ihrer erfolgreichen Behandlung genügen. 460

RGSt 67, S. 12 ff.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Ein nichtärztlicher Heilbehandler oder ein Arzt könne gerade deshalb der fahrlässigen Verursachung einer Körperverletzung oder Tötung schuldig zu erkennen sein, weil er eine Heilbehandlung übernommen und die Zuziehung eines Arztes oder Facharztes anzuraten unterlassen hat, obwohl er bei der ihm möglichen Prüfung seiner Fähigkeiten hätte erkennen können, dass seine Fähigkeiten und Kenntnisse für die zuverlässige Feststellung der Krankheit oder für die erfolgreiche Behandlung der festgestellten Krankheit nicht ausreichen und durch mangelhafte Feststellung oder Behandlung der Krankheit eine Körperverletzung oder der Tod der behandelten Person verursacht werden kann461. Das Reichsgericht stellte dabei aber auch klar, dass die Kurierfreiheit – vorbehaltlich der sondergesetzlichen Ausnahmen – grundsätzlich für Krankheiten aller Art, auch für schwere Krankheiten gelte, ferner für ernst gemeinte – nicht auf Schwindel hinauslaufende – Heilverfahren aller Art. Die allgemeinen oder weitaus überwiegend anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft genössen grundsätzlich keine Vorzugsstellung vor den von der Wissenschaft abgelehnten Heilverfahren ärztlicher Außenseiter oder nichtärztlicher Heilbehandler462. In der Übernahme der Behandlung eines Kranken, auch eines Schwerkranken, könne nicht schon allein deshalb eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gefunden werden, weil der Übernehmende Vertreter einer Richtung ist, die von den Vertretern der ärztlichen Wissenschaft weitaus überwiegend abgelehnt wird463. Diese Feststellungen der Entscheidung des Reichsgerichts sind auf die heutige Zeit übertragbar, da sich der Charakter des HPG durch den Erlass des Grundgesetzes verändert hat. Aus dem ehemaligen Verbotsgesetz wurde eine Anspruchsgrundlage mit Erlaubnisvorbehalt, so dass faktisch – von wenigen Ausnahmen abgesehen – wieder Kurierfreiheit besteht. Auch nach der jetzigen Rechtslage ist dem Arzt und dem Heilpraktiker die Anwendung von Außenseitermethoden grundsätzlich weiterhin nicht verwehrt464. So entschied auch der BGH im Jahre 1991: „Die Anwendung solcher nicht allgemein anerkannter Therapieformen und sogar ausgesprochen paraärztlicher Behandlungsformen ist jedoch rechtlich grundsätzlich erlaubt.“465

Festzuhalten ist daher, dass nicht schon allein die Übernahme der Behandlung oder der Diagnosestellung mit außerschulischen Methoden zwangsläufig zu einem Übernahmeverschulden führt. Der Vorwurf kann aber darin liegen, dass der medizinische Außenseiter nicht erkannt hat, dass im konkreten Fall eine Krankheit vorliegt, die er mit seinen Methoden nicht diagnostizieren oder sachgerecht (ohne Gefährdung der Gesundheit des Patienten) behandeln kann466. RGSt 67, S. 12 ff., S. 23. RGSt 67, S. 12 ff., S. 22. 463 RGSt 67, S. 12 ff., S. 23 f. 464 BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1536; BGHSt 37, S. 383 ff., S. 385; Vgl. auch MeyerGeorge, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 93. 465 Vgl. BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1536. 461 462

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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Zusammengefasst gilt demnach folgendes: Die Übernahme der Behandlung oder Diagnosestellung mit außerschulischen Methoden führt nicht zwangsläufig zu einem Übernahmeverschulden des Behandlers. Medizinischen Außenseitern, seien es nun Ärzte oder nichtärztliche Heilbehandler – nach heutiger Terminologie Heilpraktiker – kann aber ein Übernahmeverschulden vor allem dann zur Last fallen, wenn sie eine Heilbehandlung übernommen haben, obwohl sie bei der ihnen möglichen Prüfung ihrer Fähigkeiten hätten erkennen können, dass ihre Fähigkeiten und Kenntnisse für die zuverlässige Feststellung der Krankheit oder für die erfolgreiche Behandlung der festgestellten Krankheit nicht ausreichen und durch mangelhafte Feststellung oder Behandlung der Krankheit eine Körperverletzung oder der Tod der behandelten Person verursacht werden kann. Daneben käme ein Fahrlässigkeitsvorwurf außerdem dann in Betracht, wenn der Außenseiterarzt oder Heilpraktiker seine Unzulänglichkeit und die Möglichkeit der Verursachung einer Körperverletzung oder des Todes des Patienten zwar erkannt hat, aber pflichtwidrig darauf vertraute, weder eine Körperverletzung noch der Tod des Patienten werde von ihm verursacht werden.

2. Vom Außenseiterarzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Für die Frage eines Übernahmeverschuldens des Außenseiterarztes kommt es danach entscheidend auf das Maß an Wissen und Kenntnissen an, das bei dem jeweiligen Außenseiterarzt unter Zugrundelegung seines engeren Verkehrskreises bei Übernahme der Behandlung hätte vorhanden sein müssen. Hätte er auf der Grundlage dieses zu fordernden Wissens erkennen müssen, dass er die konkrete Krankheit mit seinen Methoden nicht diagnostizieren oder sachgerecht behandeln kann und durch mangelhafte Feststellung oder Behandlung der Krankheit eine Körperverletzung oder der Tod der behandelten Person verursacht werden kann, dann fällt ihm ein Übernahmeverschulden zur Last, wenn er trotz dieser Erkenntnismöglichkeit die Behandlung übernommen hat. Es entscheidet also, wie allgemein bei der Frage der Fahrlässigkeit, die Gruppenfahrlässigkeit über die Grenze, ab der ein Übernahmeverschulden vorliegt467. Der Standard eines auch vom Recht akzeptierten guten und von Verantwortung getragenen ärztlichen Handelns bestimmt sich unterschiedlich je danach, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Ressourcen (personeller und apparativer Art) im jeweiligen Verkehrskreis des Arztes vorauszusetzen sind. Dieses am durchschnittlich 466 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1509; Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 61. 467 Vgl. erneut Kapitel B, Teil I; vgl. auch Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1509.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

befähigten (Fach-)Arzt orientierte Maß an Kenntnis und Können bestimmt auch die arztstrafrechtliche Haftung468. Für die Frage eines Übernahmeverschuldens des jeweils zu beurteilenden Arztes kommt es also auf den Wissens- und Kenntnisstand an, der bei einem Arzt seines Faches und seines Erfahrungsstandes zu erwarten ist. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob Verfahren der Schulmedizin oder Außenseiterverfahren angewandt werden. In einem zu beurteilenden Fall verneinte der BGH entsprechend diesem Grundsatz ein Übernahmeverschulden eines noch in der Facharztausbildung befindlichen, noch wenig erfahrenen Assistenzarztes, weil dieser nach den bei ihm – das heißt einem Assistenzarzt seines Ausbildungsstandes – vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen nicht die mit der selbständigen Führung einer Operation für den Patienten verbundenen Gefahren erkennen konnte469. Der bei dem jeweiligen Arzt zu erwartende Kenntnisstand wird ermittelt, indem er einer Gruppe respektive einem Verkehrskreis zugeordnet wird. Für die jeweilige Gruppe ist der zugrunde zu legende Erfahrungs- und Kenntnisstand festzustellen, wobei insbesondere die Fortbildungspflicht des Arztes eine Rolle spielt. Es ist zu ermitteln, welcher Kenntnisstand in der jeweiligen Gruppe vorauszusetzen ist, wenn man für diese Gruppe eine im Sinne des § 4 MBO-Ä 1997 ordnungsgemäße Fortbildung zugrunde legt. Entscheidend ist dafür die Frage, in welchem Umfang sich ein Arzt fortbilden muss. Die Anforderungen, die diesbezüglich an den Arzt gestellt werden, sind hoch470. Der Arzt hat sich bis an die Grenzen des Zumutbaren über die Erkenntnisse und Erfahrungen der Wissenschaft auf dem Laufenden zu halten471. Schon das Reichsgericht entschied in diesem Sinne, indem es feststellte, dass vom Arzt verlangt werden müsse, dass er sich über die Fortschritte der Heilkunde unterrichtet und mit den neuesten Heilmitteln vertraut macht. Wer das Heilgewerbe ausübt, dürfe sich nicht aus Bequemlichkeit, Eigensinn oder Hochmut den neuen Lehren und Erfahrungen verschließen472. Die Auswahl der Quellen und Informationsmittel steht dabei grundsätzlich im Ermessen des einzelnen Arztes473. Insbesondere durch die Lektüre von Fachzeitschriften hat er sich jedenfalls in seinem eigenen Fachgebiet auf dem Laufenden 468 Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Cramer / Sternberg-Lieben,§ 15, Rn. 219 mit Hinweis auf BGH, NJW 1987, S. 877 ff., S. 879. 469 BGH, NJW 1984, S. 655 ff., S. 657. 470 Vgl. Giesen, Arzthaftungsrecht – Die zivilrechtliche Haftung aus medizinischer Behandlung in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und der Schweiz, Rn. 77; Geiß / Greiner, Arzthaftpflichtrecht, B, Rn. 11. 471 BGH, VersR 1977, S. 546 ff., S. 547. 472 Vgl. RGSt 64, S. 263 ff., S. 269. 473 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 11, Rn. 4.

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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zu halten474. Er muss sich durch ständige Fortbildung auf seinem Fachgebiet auf dem wissenschaftlich neuesten Stand halten und ist insbesondere gehalten, sich auf seinem Fachgebiet generell wie im Blick auf eine konkret angewandte Behandlungsmethode mit der einschlägigen medizinischen Literatur nach dem letzten gesicherten Stand vertraut zu machen475. Von einem Arzt kann dabei zwar nicht gefordert werden, dass er zu seiner Fortbildung sämtliche medizinischen Fachzeitschriften hält und liest, jedoch wird von ihm verlangt, dass er jedenfalls von dem Inhalt der Fachzeitschriften Kenntnis nimmt, die er selbst für so wichtig ansieht, dass er sie hält476. Niedergelassene Ärzte brauchen Spezialveröffentlichungen nicht durchweg regelmäßig zu lesen477, sie sind nicht verpflichtet, Spezialveröffentlichungen über Kongresse und ausländische Fachliteratur zu studieren; durch solche Veröffentlichungen werden zunächst Behauptungen aufgestellt, die nur als neuer wissenschaftlicher Denkanstoß einzuordnen sind und aufgrund derer keinesfalls ein neuer medizinischer Standard begründet oder festgeschrieben wird478. Geboten ist dagegen das regelmäßige Lesen einschlägiger Fachzeitschriften auf dem entsprechenden Gebiet479. Den Arzt trifft auch die Pflicht, die jeweils neueste Auflage eines medizinischen Lehrbuchs zu beschaffen und zu lesen, jedenfalls dann, wenn es sich um ein für sein Arbeitsgebiet unentbehrliches Standardwerk handelt480. Der Arzt muss sich zwar haftungsrechtlich im Grundsatz nicht auf die seinem Fachgebiet zugeordneten Behandlungsmethoden beschränken. Übernimmt er aber Behandlungsmaßnahmen außerhalb seines Fachgebiets, dann hat er auch für die Qualitätsstandards der übernommenen Behandlungsaufgabe einzustehen481. Der Arzt muss sich also auch in Bezug auf von ihm angewandte Methoden, die eigentlich nicht sein Fachgebiet betreffen, umfassend fortbilden. Zudem muss vom Außenseiterarzt verlangt werden, dass er diejenigen schulmedizinischen Verfahren und deren Chancen und Risiken kennt, die als Alterna474 Giesen, Arzthaftungsrecht Arzthaftungsrecht – Die zivilrechtliche Haftung aus medizinischer Behandlung in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und der Schweiz, Rn. 77. 475 Geiß / Greiner, Arzthaftpflichtrecht, B, Rn. 11, der hier missverständlich von „Weiterbildung“ spricht. 476 So OLG Hamm, VersR 1965, S. 1108 ff., S. 1108, das missverständlich von „Weiterbildung“ spricht. 477 BGH, VersR 1972, S. 1075 ff., S. 1077. 478 BGH, VersR 2000, S. 890 f., S. 891. 479 BGH NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1537. 480 Laufs / Uhlenbruck., Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 11, Rn. 9 mit Hinweis auf BGH, VersR 1977, S. 546 ff., S. 547. 481 Geiß / Greiner, Arzthaftpflichtrecht, B, Rn. 13 mit Hinweis auf BGH, VersR 1982, S. 147 ff., S. 148 f.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

tiven zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen, denn nur so kann er eine Abwägung zwischen den einzelnen Verfahren vornehmen und eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob er selbst die Diagnose stellen respektive die Behandlung übernehmen kann oder ob er den Patienten an einen anderen Arzt verweisen muss, der dieses Verfahren anwendet, das er selbst nicht anwenden kann. Die Sachkunde über die Schulmedizin muss dabei so weit gehen, dass der Arzt genau zu wissen hat, wie die Schulmedizin den Kranken im konkreten Einzelfall behandeln würde482. Einem Arzt, der ja auch schulmedizinisch ausgebildet ist, sind diese Kenntnisse ohne weiteres zuzumuten. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass den Außenseiterarzt im selben Umfang ein Übernahmeverschulden zur Last fallen kann wie jedem Vertreter der Schulmedizin. Der Außenseiterarzt ist im selben Umfang zur Fortbildung verpflichtet wie jeder Arzt, der schulmedizinische Methoden anwendet. Zusammengefasst gelten für den Außenseiterarzt im Einzelnen die folgenden Grundsätze:  Der Außenseiterarzt muss sich auf seinem Fachgebiet umfassend über den Stand der medizinischen Wissenschaft auf dem Laufenden halten, muss sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Fortschritte der Heilkunde unterrichten und mit den neuesten Heilmitteln vertraut machen. Er darf sich nicht den neuen Lehren und Erfahrungen, und damit den neuen Erkenntnissen der Heilkunde, verschließen. Wendet er Methoden an, die eigentlich nicht sein Fachgebiet betreffen, so muss er sich auch in Bezug auf diese Methoden umfassend fortbilden.  Der Außenseiterarzt muss sich außerdem über die schulmedizinischen Verfahren und deren Risiken informieren und informiert halten, die als Alternativen zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Dabei muss er genau wissen, wie die Schulmedizin den Kranken im konkreten Einzelfall behandeln würde.  Die Auswahl der Quellen und Informationsmittel steht grundsätzlich im Ermessen des einzelnen Außenseiterarztes, der sich insbesondere durch die regelmäßige Lektüre von Fachzeitschriften in seinem Gebiet auf dem Laufenden halten muss. Das Lesen sämtlicher medizinischer Fachzeitschriften wird zwar nicht von ihm verlangt, aber er muss zumindest den Inhalt derjenigen Fachzeitschriften zur Kenntnis nehmen, die er für so wichtig erachtet, dass er sie hält.  Den Außenseiterarzt trifft außerdem die Pflicht, die jeweils neueste Auflage eines medizinischen Lehrbuchs zu beschaffen und zu lesen, wenn es sich bei diesem Lehrbuch um ein für sein Arbeitsgebiet unentbehrliches Standardwerk handelt.

Dem Außenseiterarzt fällt also ein Übernahmeverschulden zur Last, wenn er auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Ausbildungs-, Erfahrungs- und Kenntnis482 Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., S. 219; Laufs, Arztrecht, Rn. 485; Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 211 f. m. w. N.

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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stands hätte erkennen müssen, dass im konkreten Fall eine Krankheit vorliegt, die er mit seinen Methoden nicht diagnostizieren oder sachgerecht behandeln kann und durch mangelhafte Feststellung oder Behandlung der Krankheit eine Körperverletzung oder der Tod der behandelten Person verursacht werden kann.

3. Vom Heilpraktiker zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Wie das Reichsgericht bereits in seinen Entscheidungen vom 08. 07. 1930 und 01. 12. 1931 feststellte, kann auch beim nichtärztlichen Heilbehandler schon die Übernahme einer Tätigkeit den Vorwurf einer für den tatbestandsmäßigen Erfolg ursächlichen Fahrlässigkeit begründen, wenn der Täter nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen hätte erkennen können, dass er den mit der übernommenen Tätigkeit verbundenen besonderen Anforderungen an Wissen und Können nicht gewachsen ist, und dass diese seine Tätigkeit eben wegen dieses Mangels möglicherweise den in Frage stehenden Erfolg herbeiführen wird483. Dem Heilpraktiker kann also aus demselben Grund ein Übernahmeverschulden zur Last fallen wie dem Außenseiterarzt, insoweit ergeben sich keine Unterschiede. Das Gericht stellte aber auch klar, dass in der Übernahme der Behandlung eines Kranken, auch eines Schwerkranken, nicht schon allein deshalb eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gefunden werden kann, weil der Übernehmende kein approbierter Arzt ist und nicht über alle Kenntnisse eines solchen verfügt, oder weil er Vertreter einer Richtung ist, die von den Vertretern der ärztlichen Wissenschaft weitaus überwiegend abgelehnt wird484. Fraglich ist nun, welcher Sorgfaltsmaßstab unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit für den Heilpraktiker heranzuziehen ist, an welchem Maßstab er sich messen lassen muss, mithin, welcher Verkehrskreis für die Beurteilung heranzuziehen ist, ob dem Heilpraktiker ein Übernahmeverschulden zur Last gelegt werden kann. Hier werden in der Rechtsprechung und in der Literatur unterschiedliche Ansätze vertreten, die im Folgenden dargestellt und beurteilt werden sollen:

a) Die Rechtsprechung aa) Das Reichsgericht entschied in der bereits genannten Entscheidung vom 08. 07. 1930, dass auch vom nichtärztlichen Heilbehandler verlangt werden müsse, dass er sich über die Fortschritte der Heilkunde unterrichtet und mit den neuesten Heilmitteln vertraut macht, auch er dürfe sich nicht aus Bequemlichkeit, Eigensinn oder Hochmut den neuen Lehren und Erfahrungen verschließen485. 483 484 485

RGSt 64, S. 263 ff., S. 271; RGSt 67, S. 12 ff., S. 20. RGSt 67, S. 12 ff., S. 23 f. RGSt 64, S. 263 ff., S 269.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

In seinem Urteil vom 01. 12. 1931 bestätigte das Reichsgericht diese Rechtsprechung und führte weiter aus, dass für den nichtärztlichen Heilbehandler ebenso wie für den approbierten Arzt eine Ausbildungs- und Fortbildungspflicht bestehe, der zufolge er sich über die Grundlagen und die Fortschritte der Heilkunde nach bestem Können unterrichten und sich deren neuen Erfahrungen und Lehren gegenüber öffnen muss486. Es könne dabei aber von dem nichtärztlichen Heilbehandler nicht dasselbe Maß von allgemeiner Ausbildung und Fortbildung verlangt werden wie vom approbierten Arzt, sonst würde der Wille des Gesetzgebers ins Gegenteil verkehrt487. Mit der Erwähnung des Willens des Gesetzgebers nahm das Gericht Bezug auf die 1931 noch bestehende allgemeine Kurierfreiheit, die durch Erlass des HPG 1939 aufgehoben wurde. Da sich der Charakter des HPG aufgrund des Inkrafttretens des Grundgesetzes jedoch geändert hat und deshalb faktisch im Wesentlichen wieder Kurierfreiheit besteht488, kann das Urteil auf die heutige Zeit insoweit übertragen werden, als das HPG weder die Ausbildung des Heilpraktikers regelt noch eine Pflicht zur Fortbildung vorsieht, so dass sich die vom Heilpraktiker zu beachtenden Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Ausbildung und Fortbildung weder aus dem HPG noch aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergeben. Zwar sieht die Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH) in § 5 Abs. 1 eine Fortbildungspflicht vor, die auch nachzuweisen ist, jedoch gehören nicht alle Heilpraktiker einer Berufsorganisation an489, so dass diese Pflicht nicht für jeden Heilpraktiker besteht, worauf im Rahmen dieser Arbeit bereits eingegangen wurde490. Im Übrigen genießt die BOH keinen Gesetzesrang. Nach den Entscheidungen des Reichsgerichts besteht für den nichtärztlichen Heilbehandler also trotz des Fehlens entsprechender gesetzlicher Bestimmungen eine Aus- und Fortbildungspflicht, zu deren Umfang das Reichsgericht jedoch nichts Genaues aussagt. Der Umstand, dass der nichtärztliche Heilbehandler keine geregelte medizinische Ausbildung genossen hat, wie dies beim approbierten Arzt der Fall ist, soll aber berücksichtigt werden, so dass eine Gleichstellung mit dem approbierten Arzt nicht erfolgt. Die Tatsache, dass das Reichsgericht zwischen dem Arzt einerseits und dem Heilpraktiker andererseits differenzieren wollte, ergibt sich noch aus einer weiteren Aussage im Urteil vom 01. 12. 1931 sehr deutlich. So stellte das Gericht zur Frage eines eventuellen Übernahmeverschuldens eines Heilpraktikers fest, dass für den nichtärztlichen Heilbehandler die Übung der gewissenhaften nichtärztlichen Berufsgenossen von Bedeutung sein kann, insbesondere, ob diese bei Krankheiten der fraglichen Art die Behandlung abzulehnen und den Kranken an einen Arzt zu RGSt 67, S. 12 ff., S. 22 f. RGSt 67, S. 12 ff., S. 22 f. 488 Vgl. Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1510. 489 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 10, Rn. 7. 490 Vgl. Kapitel A, Teil IV, Nr. 3, f). 486 487

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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verweisen pflegen491. Das Reichsgericht zog also als Vergleichsmaßstab den gewissenhaften Berufskollegen heran. Diesen Maßstab legte das Gericht auch bereits in seiner Entscheidung vom 14. 04. 1916 zugrunde492. Das Reichsgericht – so ist im Ergebnis festzuhalten – zog als Maßstab für die Frage eines Übernahmeverschuldens des Heilpraktikers den gewissenhaften Heilpraktiker heran. Ein gewissenhafter Heilpraktiker ist nach der Auffassung des Reichsgerichts ein solcher, der sich über die Grundlagen und die Fortschritte der Heilkunde nach bestem Können unterrichtet und sich den neuen Lehren und Erfahrungen nicht verschließt. Offen bleibt dabei jedoch, auf welche Weise der Heilpraktiker die geforderte Ausbildung und Fortbildung sicherstellen, welches Wissen er sich im Rahmen einer wie auch immer gearteten Ausbildung aneignen und welche Zeitschriften er beispielsweise lesen muss, um den Ansprüchen an seine Fortbildung gerecht zu werden. Es bleibt offen, wie der gewissenhafte Heilpraktiker konkret ermittelt werden soll. bb) Innerhalb der neueren Rechtsprechung der Obergerichte existieren zur Frage des Sorgfaltsmaßstabes des Heilpraktikers – soweit ersichtlich – keine strafrechtlichen Entscheidungen. Der BGH entschied aber im Jahre 1991 auf dem Gebiet des Zivilrechts über die an einen Heilpraktiker zu stellenden Sorgfaltsanforderungen. So stellte er fest, dass das Maß und der Umfang der vom Heilpraktiker zu verlangenden Sorgfalt sich, wie allgemein im Zivilrecht, nach der Größe der übernommenen Gefahr bestimme und weitgehend von der Verkehrsauffassung abhängig sei. Der Heilpraktiker habe bei Anwendung invasiver Behandlungsmethoden im Hinblick auf Nutzen und Risiken dieser Therapiearten dieselben Sorgfaltspflichten zu erfüllen, wie ein Arzt für Allgemeinmedizin, der sich solcher Methoden bedient; dies gelte auch im Hinblick auf seine Fortbildung. Von dem Heilpraktiker könne jedoch nicht dasselbe Maß an Aus- und Fortbildung verlangt werden, wie von einem Facharzt, der ein anderes Maß an Sorgfalt und Können schuldet als ein Arzt für Allgemeinmedizin. Gefordert wird das regelmäßige Lesen einschlägiger Fachzeitschriften auf dem entsprechenden Gebiet493. Darüber hinaus sah der BGH den Beklagten im zugrunde liegenden Fall für verpflichtet an, sich über die Ergebnisse der Kongresse von Ozontherapeuten in Deutschland zu erkundigen, ohne zeitliche Verzögerung die einem Allgemeinmediziner verständliche und zugängliche Literatur zu sichten und vor allem die organisatorischen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass ihn die aus schulmedizinischer Sicht gegen eine intravenöse Injektion eines Ozon-Sauerstoff-Gemischs aufkommenden Bedenken unverzüglich erreichten494. 491 492 493 494

RGSt 67, S. 12 ff., S. 23 f. RGSt 50, S. 37 ff., S. 45 f. BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1537. BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1537.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Der BGH zieht hier als Vergleichsmaßstab also den Verkehrskreis des Allgemeinarztes heran und bestimmt die Aus- und Fortbildungspflichten des Heilpraktikers bei der Anwendung invasiver Methoden in Anlehnung an einen Allgemeinarzt, der diese Methoden ebenfalls gebraucht. Diesen Vergleichsmaßstab zieht er jedoch eben nur bei der Anwendung invasiver Methoden heran. Da es im Strafrecht nach h. M. im Bereich des Unrechtstatbestandes nur auf die Frage ankommt, ob objektiv eine Sorgfaltswidrigkeit vorliegt, die individuellen Fähigkeiten des Täters also unberücksichtigt bleiben und erst im Bereich der Schuld Beachtung finden495, lässt sich diese Entscheidung auf das Strafrecht übertragen496, denn im Zivilrecht wird ausschließlich auf diesen objektiven Maßstab der Gruppenfahrlässigkeit abgestellt497. Bezogen auf invasive Methoden muss sich der Heilpraktiker also am Verkehrskreis eines Allgemeinarztes messen lassen, der diese Methoden ebenfalls anwendet und muss, um dem Fahrlässigkeitsvorwurf zu entgehen, dasselbe Maß an Wissen und Fortbildung aufweisen, wie es von diesem verlangt wird. Offen bleibt bei dieser Entscheidung, was bei solchen Außenseitermethoden gelten soll, die ausschließlich Heilpraktiker anwenden sowie solchen Außenseiterverfahren, die zwar auch von Allgemeinärzten angewendet werden, jedoch nicht invasiv sind. Diese Frage ließ der BGH unbeantwortet. Auch das OLG Bamberg folgte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 der Linie des BGH und stellte im Zusammenhang mit einer intramuskulären Injektion fest, dass der Heilpraktiker hier den gleichen Anforderungen unterläge wie der Arzt, da es sich bei dieser Art der Behandlung um eine invasive Methode handele498. Aus einer Entscheidung des OLG Stuttgart aus dem Jahr 1998499 lässt sich entnehmen, dass das Gericht auch bei nicht invasiven Methoden, die nicht auch von Allgemeinärzten angewandt werden, offenbar auf den Allgemeinarzt als Sorgfaltsmaßstab rekurrieren will. So betraf der vom Gericht entschiedene Fall eine Heilpraktikerin, die bei einer frisch am Darm operierten Frau eine selbst kreierte Ernährungstherapie anwandte, die bei der Patientin Schmerzen verursachte. Das Gericht entschied, dass wer als Heilpraktiker im Rahmen eines Behandlungsverhältnisses einem frisch am Darm operierten Krebspatienten die Anwendung eines Therapiekonzepts empfiehlt und die damit verbundenen Ernährungsanweisungen weitergibt, auf diese Weise die therapeutische Verantwortung übernehme und deshalb den im konkreten Fall damit verbundenen gesundheitlichen Vgl. erneut Kapitel B, Teil I. So i. E. auch Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 146 f. 497 Vgl. erneut Kapitel B, Teil I. 498 OLG Bamberg, Urteil v. 27. 11. 2000, Az. 4 U 106 / 99. 499 OLG Stuttgart, Urteil v. 21. 04. 1998, Az. 14 U 25 / 97. 495 496

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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Gefahren Rechnung tragen müsse. Habe er die erforderlichen Kenntnisse nicht, so müsse er von der Behandlung Abstand nehmen. Übernehme er aber die Behandlung, so stehe er einem Heilpraktiker gleich, der bei einer invasiven Behandlung den Sorgfaltsmaßstab jedenfalls eines Arztes für Allgemeinmedizin garantieren müsse, der im zu entscheidenden Fall nicht eingehalten worden sei. Dieses Urteil ist zurzeit noch eine Einzelentscheidung und es bleibt auch dunkel, wie am Maßstab des Allgemeinarztes bei Methoden gemessen werden soll, die ausschließlich von Heilpraktikern angewendet werden. Hier handelte es sich darüber hinaus noch um eine selbst kreierte Methode einer einzelnen Heilpraktikerin.

aa) Zwischenergebnis Bei kumulativer Betrachtung der strafgerichtlichen Entscheidungen des Reichsgerichts sowie der zivilgerichtlichen Entscheidungen des BGH aus dem Jahre 1991 und des OLG Bamberg aus dem Jahr 2000 ergibt sich im Hinblick auf die Sorgfaltsanforderungen an den Heilpraktiker aus der Sicht der Rechtsprechung das folgende Bild: Den Heilpraktiker trifft danach sowohl eine Aus- wie auch eine Fortbildungspflicht, wobei im Hinblick auf die Ausbildung aber offen bleibt, auf welche Weise diese zu erfolgen hat. Hier bestehen keine gesetzlichen Vorgaben und die Rechtsprechung lässt diese Frage ebenfalls unbeantwortet. Jedenfalls aber muss sich der Heilpraktiker danach über die Grundlagen und Fortschritte der Heilkunde nach bestem Können unterrichten und darf sich neuen Lehren und Erkenntnissen der Heilkunde nicht verschließen, was auch bereits den Bereich der Fortbildung berührt. Der BGH und das OLG Bamberg stellen dann weitergehend klar, dass der Heilpraktiker sich in Bezug auf invasive Methoden, die auch von Allgemeinärzten angewandt werden, am Maßstab eines solchen Allgemeinarztes messen lassen muss. Er muss diese Methoden richtig anwenden können, muss die Risiken und den Nutzen dieser Methoden kennen und muss die einschlägigen Fachzeitschriften auf diesen Gebieten regelmäßig lesen. Außerdem ist er nach Ansicht des BGH dazu verpflichtet, ohne zeitliche Verzögerung die einem Allgemeinmediziner verständliche und zugängliche Literatur zu sichten. Für nicht invasive, auch von Allgemeinmedizinern angewandte Methoden und solche, die ausschließlich von Heilpraktikern zur Anwendung gebracht werden, verbliebe es danach bei den Anforderungen, die das Reichsgericht stellt, das aber nichts darüber aussagt, auf welche Weise der Heilpraktiker seine Ausbildung sicherstellen muss und auf welche Weise er sich konkret fortbilden muss. Den Maßstab in diesem Bereich bildet nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts der gewissenhafte Berufskollege des Heilpraktikers, mithin der gewissenhafte Heilpraktiker und nicht der Arzt, wobei aber offen bleibt, wie der gewissenhafte Heilpraktiker konkret ermittelt werden soll. Von der Entscheidung des OLG Stuttgart ist zu erwarten, dass sie eine Einzelentscheidung bleiben wird. 9 Tamm

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

b) Die Literatur Innerhalb der Literatur bestehen unterschiedliche Ansichten im Hinblick auf das vom Heilpraktiker zu fordernde Wissen und Können und die an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen. Ein Teil der Literatur will grundsätzlich zwischen Arzt und Heilpraktiker differenzieren und misst damit am Maßstab des gewissenhaften Heilpraktikers, während andere Autoren den Heilpraktiker am Maßstab des Arztes messen. aa) Der Maßstab des gewissenhaften Heilpraktikers (1) Taupitz stimmt der Ansicht des BGH insoweit zu, als letzterer in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1991 feststellte, dass von einem Heilpraktiker unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit nicht dasselbe Maß von allgemeiner Ausund Fortbildung gefordert werden könne wie von einem Facharzt500 und stellt auf den Standard der Heilpraktiker ab501. Auch Taupitz will darauf abheben, ob der Heilpraktiker die objektiv-typisierte Sorgfalt seines engeren Verkehrskreises eingehalten hat502. Auch er verlangt nicht, dass der Heilpraktiker dieselben schulmedizinischen Kenntnisse haben muss, wie ein approbierter Arzt. Taupitz führt dazu aus, dass rechtliche Differenzierungen, wie sie zum Beispiel in unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen zum Ausdruck kommen, für die Frage, welche Sorgfalt als die im Verkehr erforderliche anzusehen ist, nicht unberücksichtigt bleiben dürften. Den tragenden Gesichtspunkt hierfür und für die Objektivierung des Sorgfaltsmaßstabes bilde der Vertrauensgrundsatz. Nach diesem müsse jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr darauf vertrauen können, dass jeder andere Teilnehmer mit derjenigen Sorgfalt vorgeht, die normal ist, die vom Rechtsverkehr typischerweise erwartet wird und berechtigterweise erwartet werden kann. Behandele die Rechtsordnung Berufstätige, die auf ein und demselben Gebiet tätig sind, in Ausbildung und Zulassung ganz unterschiedlich, so sei dies ein Indiz dafür, dass auch das berechtigte Vertrauen in die Fähigkeiten der Berufsangehörigen zur Gefahrerkennung und -vermeidung unterschiedlich ausgerichtet ist. Denn Ausbildungs- und Zulassungsvoraussetzungen seien geradezu das essentielle Instrumentarium der Rechtsordnung zur Erreichung des Ziels, einen bestimmten Standard bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten zu gewährleisten503. 500 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1509. 501 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1509 f. 502 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1508. 503 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1506 f.

des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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Den Begriff des Standards der Heilpraktiker erläutert Taupitz dabei zwar nicht en detail, aber er setzt sich weitergehend mit dem genannten Urteil des BGH auseinander. Taupitz stellt zwar zum einen auf die objektiv-typisierte Sorgfalt des engeren Verkehrskreises des Heilpraktikers ab504, hält aber gleichzeitig die Entscheidung des BGH insoweit für richtig, als dieser bei der Anwendung invasiver Methoden auch vom Heilpraktiker verlangt, dass er die gängigen medizinischen Zeitschriften und die einschlägigen Fachzeitschriften auf dem entsprechenden Gebiet verfolgt, um feststellen zu können, ob aus schulmedizinischer Sicht Bedenken gegen die Durchführung des fraglichen Eingriffs geltend gemacht werden. Der Heilpraktiker sei hier selbstverständlich dazu verpflichtet, auch das schulmedizinische Schrifttum zu berücksichtigen. Schon das Reichsgericht habe für den nichtärztlichen Heilbehandler die Pflicht ausgesprochen, sich über die Grundlagen und die Fortschritte der Heilkunde nach bestem Können zu unterrichten505. Nach Taupitz gilt für invasive Eingriffe eines Heilpraktikers, dass er diesbezüglich das bei einem Allgemeinmediziner hierfür erforderliche Wissen haben muss506. Im Übrigen stellt er nur fest, dass der Heilpraktiker allgemein immer verpflichtet sei, sich eine ausreichende Sachkunde über die von ihm angewendete Behandlungsweise einschließlich ihrer Risiken und richtigen Techniken für die gefahrlose Anwendung anzueignen507. Taupitz will also grundsätzlich auf den Standard der Heilpraktiker abstellen und zwischen Arzt und Heilpraktiker differenzieren. Stehen aber invasive Methoden in Rede, so verlangt er im Einklang mit dem BGH vom gewissenhaften Heilpraktiker, dass er dasselbe Wissen wie ein Allgemeinmediziner hat, der dieselben Methoden anwendet, und sich im selben Umfang wie dieser fortbildet. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Taupitz den Maßstab des Standards der Heilpraktiker nur dann heranzieht, wenn es um nicht invasive, auch von Allgemeinärzten angewandte Methoden geht oder um ausschließlich von Heilpraktikern gebrauchte, ohne dass er den Begriff des Standards der Heilpraktiker detailliert erläutert. Geht es aber um invasive Methoden, so stellt er eben doch nicht mehr auf den Standard der Heilpraktiker ab, sondern auf den Verkehrskreis des Allgemeinmediziners, sofern die jeweilige Methode auch von diesem angewendet wird. Konkret bezogen auf den Bereich des Übernahmeverschuldens des Heilpraktikers folgt Taupitz der Ansicht des Reichsgerichts508. Auch nach seiner Auffas504 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1508. 505 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1509. 506 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1509. 507 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1508.

9*

Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

sung besteht für den nichtärztlichen Heilbehandler die Pflicht, sich über die Grundlagen und Fortschritte der Heilkunde nach bestem Können zu unterrichten und kommt es für die Frage eines Übernahmeverschuldens auf die Übung der gewissenhaften nichtärztlichen Berufsgenossen an, insbesondere auf die Frage, ob diese bei Krankheiten der fraglichen Art die Behandlung abzulehnen und den Kranken an einen Arzt zu verweisen pflegen. Insoweit geht Taupitz also näher auf den so genannten Standard des Heilpraktikers ein. Ob Taupitz auch in diesem Bereich unterscheiden will zwischen invasiven, auch von Allgemeinärzten angewandten Außenseitermethoden und solchen, bei denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen, bleibt unklar, er folgt an dieser Stelle lediglich pauschal der Ansicht des Reichsgerichts, das diese Differenzierung nicht vornimmt. Auch bei der Ansicht von Taupitz ergibt sich wieder die Frage, wie der gewissenhafte Heilpraktiker konkret ermittelt werden soll, wie das Maß an Wissen und Kenntnissen zu ermitteln ist, das bei einem solchen vorausgesetzt werden muss. (2) Auch Cramer lehnt eine generelle Gleichstellung des Heilpraktikers mit dem Arzt ab509 und vertritt einen differenzierten Ansatz. Sie befürwortet eine Gleichstellung in punkto Sorgfaltsanforderungen nur in dem Bereich, in dem der Heilpraktiker Außenseitermethoden anwendet, die auch von Ärzten angewendet werden, weil sich der Heilpraktiker hier de facto auf das Gebiet des Arztes wage, weshalb ihm auch kein anderer Sorgfaltsmaßstab zugebilligt werden könne. Das Handeln des Heilpraktikers müsse folglich, soweit er eine Tätigkeit ausübt, die der ärztlichen vergleichbar ist, an dem Kenntnisstand eines Arztes gemessen werden510. Eine Unterscheidung zwischen invasiven und nicht invasiven Methoden nimmt Cramer dabei nicht vor. Zur Erfüllung dieser Anforderungen ist es nach Cramer auch erforderlich, dass der Heilpraktiker ausreichende schulmedizinische Kenntnisse besitzt, um die Anwendung seiner Methoden zu rechtfertigen. Der Heilpraktiker müsse die Methoden der Schulmedizin daher insoweit kennen, als sie sich im konkreten Einzelfall in Bezug auf die von ihm beabsichtigte Behandlung als Alternative darstellen würden511. Dem Heilpraktiker, der sich auf ein Gebiet wagt, auf dem sich auch Ärzte betätigen, sei grundsätzlich zuzumuten, sich in gleichem Maße hinsichtlich dieser Methoden auszubilden. Schließlich stünden ihm alle Möglichkeiten zur Informa508 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder „Laie“? NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1509 f. 509 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 149 ff. 510 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 149 f. 511 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 154.

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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tion, wie Lehrbücher oder Seminare offen, so dass er diese uneingeschränkt nutzen könne und müsse. Zuzumuten seien ihm detaillierte Kenntnisse hinsichtlich der von ihm praktizierten Verfahren. Im Ergebnis müsse der Heilpraktiker die von ihm präferierte Methode wie ein Arzt beherrschen, der diese anwendet512. In Bezug auf solche Methoden, die ausschließlich von Heilpraktikern angewandt werden, verlangt Cramer vom Heilpraktikeranwärter, dass dieser eine umfassende Ausbildung zu wählen hat, die geeignet ist, ihm das für die jeweilige Tätigkeit notwendige Fachwissen zu vermitteln, wobei eine solche Ausbildung nicht zu quantifizieren sei, sondern entscheidend wäre die Qualität und Geeignetheit im Hinblick auf den künftigen Betätigungsbereich. Den Besuch einer Heilpraktikerschule hält Cramer hierzu nur bedingt für geeignet, da es sein könne, dass diese Schwerpunkte bildet, die nicht Gegenstand der beabsichtigten künftigen Tätigkeit des Heilpraktikers sind, so dass das dort vermittelte Wissen nicht geeignet ist ein sorgfältiges Handeln zu ermöglichen513. Sie fordert dann vom Heilpraktikeranwärter, dass sich dieser Kenntnisse über schulmedizinische Grundlagen aneignet, wie die topografische und pathologische Anatomie, die Physiologie und die Erkennung und Unterscheidung von Volkskrankheiten, insbesondere der übertragbaren Krankheiten, der Stoffwechselkrankheiten, der Herz- Kreislauferkrankungen und der degenerativen Erkrankungen. Der Berufsanwärter müsse die diagnostischen und therapeutischen Grenzen naturheilkundlicher Verfahren und die Hygiene-, Desinfektions- und Sterilisationsmaßnahmen kennen lernen. Zur fundierten Ausbildung gehöre auch Gesetzeskunde, sowie die Technik der Anamneseerhebung und die Erkennung und Erstversorgung akuter Notfälle und lebensbedrohlicher Zustände. Schließlich müsse der Berufsanwärter die Injektionstechniken beherrschen und auch in der Lage sein, grundlegende Laborwerte zu deuten514. Die von Cramer genannten Gebiete, auf denen der Heilpraktikeranwärter umfangreiche Kenntnisse haben soll, sind zum größten Teil auch bereits aus der Leitlinienempfehlung des Bundesministeriums für Gesundheit515 ersichtlich, die im Wesentlichen von den einzelnen Bundesländern in geltendes Landesrecht umgesetzt wurde, so dass Grundkenntnisse auf diesen Gebieten bereits in der Überprüfung der Heilpraktikeranwärter vor dem Gesundheitsamt erforderlich sind. 512 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 155. 513 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 156. 514 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 156 f. 515 Bundesministerium für Gesundheit, Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern gem. § 2 Abs. 1 lit. i. der 1. DVO zum Heilpraktikergesetz, Geschäftszeichen: 315-4334-3 / 4, vom 02. 09. 1992, abgedruckt in Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 29 ff.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Es bleibt bei Cramers Ansicht offen, wer festlegen soll, was umfangreiche Kenntnisse auf den genannten Gebieten sind, denn genaue gesetzliche Vorgaben existieren hierüber ja nicht. Auf die an Heilpraktikerschulen vermittelnden Kenntnisse will sie dabei aber ebenfalls nicht abstellen, so dass es schwierig erscheint, hier einen konkreten, unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit brauchbaren Maßstab herauszubilden, an dem der Heilpraktiker sich in Bezug auf den von ihm zu fordernden Kenntnis- und Wissensstand messen lassen muss. Hinsichtlich der Fortbildungspflichten stellt Cramer den Heilpraktiker dann zum Teil wieder dem Arzt gleich. Soweit er auf einem Gebiet tätig ist, auf dem auch Ärzte tätig sind, bindet sie ihn an den ärztlichen Standard und sieht ihn als verpflichtet an, seine Fortbildung auf alle Publikationen auszudehnen, die das Gebiet betreffen, auf dem sich der Heilpraktiker betätigt. Auch die entsprechende allgemeinmedizinische Literatur müsse der Heilpraktiker heranziehen, er dürfe sich nicht auf die speziell für seinen Berufsstand herausgegebene beschränken, sofern das jeweilige Verfahren auch von Ärzten praktiziert wird516. Nur derjenige Heilpraktiker wende „jede Sorgfalt“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH) an, der alle Möglichkeiten zu einer umfassenden Fortbildung nutzt. Der Heilpraktiker müsse daher dieselben Angebote wahrnehmen wie ein Arzt, denn schließlich stünden ihm diese Möglichkeiten in gleichem Maße offen517. Von der Frage, ob der jeweilige Heilpraktiker einem Berufsverband angehört oder nicht, macht Cramer ihre Ansicht dabei offenbar nicht abhängig. (3) Meyer-George wendet sich ebenfalls gegen eine generelle Gleichstellung der Sorgfaltspflichten des Heilpraktikers mit denen des Arztes518. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Sorgfaltspflichten des Heilpraktikers nicht bestimmt werden können, indem man die Verkehrsauffassung einer bestimmten Berufsgruppe zugrunde legt. Weder der „Durchschnittsheilpraktiker“ noch der „Durchschnittsarzt“ könne zum Maßstab genommen werden519. Der „Durchschnittsheilpraktiker“ lasse sich aufgrund der sehr unterschiedlichen Zusammensetzung der Heilpraktikerschaft nicht ermitteln520. Der „Durchschnittsarzt“ könne deshalb nicht als Maßstab dienen, weil die Berufsbilder des Arztes und des Heilpraktikers zu unterschiedlich seien521. Meyer-George unternimmt den Versuch, den Sorgfaltsmaßstab für einzelne Bereiche individuell zu bestimmen und differenziert zwischen dem Vorwurf der fehlerhaften Diagnose, dem Vorwurf der fehlerhaften Wahl der The516 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 158. 517 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 159. 518 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, u. a. S. 87 und 89. 519 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 96. 520 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 84 f. 521 Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 89.

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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rapie, dem Vorwurf der fehlerhaften Durchführung der Therapie und dem Vorwurf der fehlerhaften Aufklärung522. Im Einzelnen kommt Meyer-George zu den folgenden Ergebnissen: Sie vertritt den Standpunkt, dass der Patient vom Heilpraktiker nicht verlangen kann, dass dieser die Alternativen der Schulmedizin kennt und vor Anwendung bestimmter therapeutischer Methoden diese mit jenen vergleicht523. Meyer-George verlangt demnach vom Heilpraktiker kein Wissen über schulmedizinische Verfahren, die als Alternativen zu den von ihm angewandten in Betracht kommen. Für den Fall, dass der Heilpraktiker gegen die gesetzlichen Behandlungsverbote beispielsweise im Bereich der Geschlechtskrankheiten und der Zahnheilkunde verstößt, so würden jedoch jedenfalls ärztliche Maßstäbe an ihn anzulegen sein, weil der Schutzzweck dieser Gesetze, die Behandlung dieser Krankheiten akademisch qualifizierten Ärzten zu überlassen, sonst unterlaufen werde524. In diesen Fällen verlangt Meyer-George also, dass der Heilpraktiker bei verbotswidriger Tätigkeit auf diesen Gebieten hinsichtlich seines Wissens und seiner Kenntnisse am Arzt zu messen ist, der auf diesen Gebieten tätig wird. Hinsichtlich der vom Heilpraktiker jeweils angewandten Methoden gilt, dass der Heilpraktiker diese beherrschen, ihre Risiken kennen und wissen muss, wie sie vermieden werden525. Soweit der Heilpraktiker Methoden oder Techniken anwendet, die auch von Vertretern der Schulmedizin praktiziert werden, ist der Heilpraktiker am Maßstab des Arztes zu messen, der diese Methoden ebenfalls anwendet. Das Argument, die Tätigkeiten von Arzt und Heilpraktiker wären nicht vergleichbar, träfe für diesen Bereich gerade nicht zu526. Der Heilpraktiker muss sich in diesem Bereich also hinsichtlich seines Wissens und seiner Kenntnisse am Maßstab des Arztes messen lassen. In Bezug auf heilpraktikerspezifische Methoden, das heißt solche Methoden, die von Vertretern der Schulmedizin nicht angewendet werden, bezeichnet auch Meyer-George es als schwierig, Kriterien zu finden, nach denen die hier zu stellenden Sorgfaltsanforderungen zu bestimmen sind527. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Maßstab für die Beurteilung heilpraktikerspezifischer Therapien der Wissens- und Kenntnisstand eines besonders gut ausgebildeten Vertreters der konkret zu beurteilenden Methode ist. Welchen Kenntnisstand ein solcher besonders gut ausgebildeter Vertreter hat, wäre dann durch einen Sachverständigen zu ermitteln528. 522 523 524 525 526 527 528

Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 96 ff., S. 99 f. Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 103. Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 105. Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 105. Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 107 f. Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 110. Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 96 ff.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Auch auf der Grundlage dieser Ansicht erscheint es insbesondere im Bereich der heilpraktikerspezifischen Methoden schwierig, den Kenntnisstand zu ermitteln, der im zu beurteilenden Fall beim jeweiligen Heilpraktiker zugrunde gelegt werden muss. bb) Der Arzt als Maßstab (1) Eberhardt vertritt die Ansicht, die vom Heilpraktiker zu fordernde Sorgfalt sei nach dem gleichen Maßstab zu bestimmen, wie dies beim Arzt der Fall ist. Danach sei von ihm zu fordern, dass er die erforderliche Sachkunde hinsichtlich der diagnostischen und therapeutischen Methoden der Schulmedizin besitzt, um die sorgfältige, von ihm erwartete Abwägung zwischen den möglichen Behandlungsmethoden treffen zu können. Darüber hinaus müsse er auch genau wissen, wie die Schulmedizin den Kranken im konkreten Einzelfall behandeln würde529. Seine Ansicht stützt Eberhardt zum einen auf die Annahme, dass es nicht möglich sei, einen halbwegs brauchbaren Vergleichsmaßstab innerhalb der Heilpraktikerschaft zu ermitteln, da der gesetzliche Freiraum Qualifikationen von absoluter medizinischer Unbedarftheit bis hin zum medizinischen oder zahnmedizinischen Hochschulstudium als möglich erscheinen lasse530. Da nur ein Teil der Heilpraktiker in Verbänden organisiert sei beziehungsweise Heilpraktikerschulen besucht habe, sei es auch problematisch, die Maßstäbe anzulegen, die von den Heilpraktikerverbänden in deren Schulen zugrunde gelegt werden531. Eberhardt stützt seine Ansicht des Weiteren auf ein Urteil des BGH, das die Frage der Haftung eines Dentisten zum Gegenstand hatte532. Der BGH stellte hier fest, dass an die Sorgfaltspflicht des Dentisten keine geringeren Anforderungen zu stellen seien als an die eines Zahnarztes. Der Grund liege darin, dass schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde allgemein anerkannt war, dass die Dentisten im Rahmen der öffentlichen Gesundheitspflege nicht weniger wichtige Aufgaben zu erfüllen haben als Ärzte oder Zahnärzte. Gerade die Dentisten hätten auch stets Wert darauf gelegt, dass sie gegenüber dem akademisch ausgebildeten Zahnarzt nicht als Zahnbehandler minderer Qualität angesehen werden533. Eberhardt ist der Meinung, diese Argumentation sei ohne weiteres auch auf den Heilpraktiker übertragbar. Auch dieser habe nicht weniger 529 Eberhardt, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, VersR 1986, S. 110 ff., S. 115. 530 Eberhardt, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, VersR 1986, S. 110 ff., S. 115; i. E. mit der gleichen Argumentation vertritt diese Ansicht auch Rieger, Lexikon des Arztrechts, Abschn. 2460, Rn. 20. 531 Eberhardt, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, VersR 1986, S. 110 ff., S. 115. 532 Eberhardt, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, VersR 1986, S. 110 ff., S. 115. 533 BGH, VersR 1953, S. 67 ff., S. 68.

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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wichtige Aufgaben als der Arzt zu erfüllen. Zudem verwehre sich sicherlich auch die Heilpraktikerschaft dagegen, von vornherein als Heilbehandler minderer Qualität angesehen zu werden534. Seine Auffassung stützt Eberhardt außerdem auf einen Vergleich mit dem Bereich der Rechtsberatung. Die Rechtsprechung stelle in diesem Bereich die Sorgfaltsanforderungen des minder qualifizierten Rechtsbeistands praktisch mit denen eines Rechtsanwalts gleich. Da Arzt und Heilpraktiker gleichermaßen auf dem Gebiet der Heilkunde tätig sind und der Heilpraktiker im Vergleich zum Arzt der minder qualifizierte sei, könne diese Rechtsprechung auf den Heilpraktiker übertragen werden. Die Sorgfaltsanforderungen an den Heilpraktiker müssten gerade auch im Hinblick auf das überragend wichtige Gemeinschaftsgut der Volksgesundheit den Anforderungen entsprechen, die an den Arzt gestellt werden. Nach Eberhardts Auffassung gilt danach für den Heilpraktiker und den Arzt uneingeschränkt derselbe Sorgfaltsmaßstab. Dem Heilpraktiker kann danach ein Übernahmeverschulden zur Last fallen, wenn er nicht die erforderliche Sachkunde hinsichtlich der diagnostischen und therapeutischen Methoden der Schulmedizin besitzt, um die sorgfältige, von ihm erwartete Abwägung zwischen den möglichen Behandlungsmethoden treffen zu können und / oder nicht genau weiß, wie die Schulmedizin den Kranken im konkreten Einzelfall behandeln würde. Im Ergebnis läuft dies darauf hinaus, dass der Heilpraktiker nach dieser Ansicht umfassende, arztgleiche Kenntnisse sowohl über die Verfahren der Schulmedizin haben muss, die als Alternative zu den von ihm angewendeten in Betracht kommen, als auch in Bezug auf die von ihm selbst angewandten Verfahren. Er muss sich damit diesbezüglich denselben Kenntnisstand aneignen, wie er beim Arzt vorausgesetzt wird. Probleme ergeben sich auch bei diesem Ansatz dann, wenn es um solche Methoden geht, die nicht von Ärzten angewendet werden. Der Arzt kann in diesem Bereich kaum den Maßstab bilden. Welcher Maßstab soll aber dann gelten? (2) Ehlers vertritt ebenfalls den Standpunkt, es dürfe in tatbestandlicher Hinsicht (er bezieht dies konkret auf den Tatbestand des § 230 StGB535) keinen Unterschied zwischen Arzt und Heilpraktiker in Bezug auf die ihnen abzuverlangende gebotene Sorgfalt geben. Der Ausgleich für die für einen Heilpraktiker objektiv sehr hoch liegende gebotene Sorgfalt – ist er doch nicht als Schulmediziner ausgebildet – müsse im Rahmen der Schuldfrage erfolgen. Erst auf dieser Ebene sei die Frage zu stellen, ob der Heilpraktiker aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten, seines Wissens und Könnens, subjektiv in der Lage war, die objektiv gebotene Sorgfalt zu gewährleisten536. 534 Eberhardt, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, VersR 1986, S. 110 ff., S. 115. 535 Jetzt § 229 StGB. 536 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 250.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Vom Heilpraktiker sei zu fordern, dass er nicht nur die Methode, das Vorgehen der Schulmedizin kennt, er müsse vielmehr auch genau wissen, wie die Schulmedizin den Kranken im konkreten Einzelfall behandeln würde537. Innerhalb der Heilpraktikerschaft selbst sei kein anwendbarer Vergleichsmaßstab zu gewinnen, wofür das Fehlen von Ausbildungsvorschriften und das Fehlen eines formal geregelten Ausbildungsverfahrens inklusive Prüfung ursächlich sei und die Tatsache, dass im Sinne des Heilpraktikergesetzes allein die Überprüfung im Hinblick auf eine drohende Gefahr für die Volksgesundheit erfolgt538. Bei Übertragung des Sorgfaltsmaßstabes eines Allgemeinarztes auf die Heilpraktiker würde ein Grundstandard zugrunde gelegt, der sich mit der Verkehrsauffassung decke: Derjenige, der therapiert und dessen Tätigkeit Rechtsgüter wie Gesundheit und Leben tangiert, müsse zumindest über eine medizinische Grundausbildung verfügen, die derjenigen des Allgemeinarztes entspricht539. Seine Auffassung stützt Ehlers auch auf das Ergebnis mehrerer Untersuchungen, aus denen sich ergab, dass den meisten Menschen, die einen Heilpraktiker aufsuchen, nicht bekannt ist, dass dieser seine Kenntnisse nicht in einem staatlich kontrollierten und reglementierten Ausbildungsgang erwirbt. Die Ansicht von Taupitz, der Bürger erwarte von einem Heilpraktiker weniger als von einem Arzt, lehnt Ehlers daher als nicht zutreffend ab540. Erneut ergeben sich Probleme bei der Festlegung des Sorgfaltsmaßstabes, wenn es um solche Methoden geht, die nicht von Ärzten angewendet werden. Hier kann der Arzt als Maßstab kaum herangezogen werden.

c) Zusammenfassung / Bewertung Die gegebene Darstellung zeigt, dass es vor allem im Bereich derjenigen Methoden, die nicht auch von Ärzten angewendet werden, schwierig ist, einen Maßstab zu bilden, an dem der zu beurteilende Heilpraktiker hinsichtlich des bei ihm vorauszusetzenden Wissens und Könnens zu messen ist. Im Übrigen erscheint es fraglich, ob auf den Arzt als Vergleichsmaßstab zurückgegriffen werden kann oder muss, und für welche Fälle dies möglich sein soll. aa) Die Ansicht Eberhardts, der an den Heilpraktiker pauschal dieselben Anforderungen stellen will wie an den Arzt, ist abzulehnen, da sie keine Stütze im Gesetz findet. Der Gesetzgeber hat gerade keine genauen Anforderungen an die Aus- und Fortbildung des Heilpraktikers gestellt, so dass sich eine völlige GleichEhlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 251. Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 220. 539 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 221. 540 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 218, S. 142 f. 537 538

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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stellung mit dem Arzt verbietet. Vom Heilpraktiker kann nicht verlangt werden, dass er genauso gute Kenntnisse der Schulmedizin besitzt, wie sie ein Arzt haben muss. Der Vergleich, den Eberhardt mit dem Gebiet der Rechtsberatung zieht, hinkt, denn im Gegensatz zum Heilpraktiker muss der Rechtsbeistand nach § 1 Rechtsberatungsgesetz eine Prüfung ablegen, aus deren Bestehen sich seine Qualifikation zur Ausübung der Rechtsberatung ergibt. Wie bereits mehrfach gezeigt, ergibt sich aus dem Bestehen der Prüfung nach dem HPG nicht dasselbe Ergebnis541. Außerdem besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Arzt und Heilpraktiker, der im Verhältnis Rechtsbeistand zu Rechtsanwalt nicht gegeben ist: Arzt und Heilpraktiker vertreten unterschiedliche Ansätze in Bezug auf die Heilkunde. Während der Arzt im Wesentlichen schulmedizinische Methoden anwendet, lehnt der Heilpraktiker diese gerade ab und bringt Außenseitermethoden zur Anwendung. Dagegen wendet auch der Rechtsbeistand das Gesetz so an, wie es der Rechtsanwalt tut, die Anwendung des Rechts lässt keine unterschiedlichen Methoden zu542. Dasselbe Argument greift aber auch für den von Eberhardt bemühten Vergleich zwischen dem Zahnarzt und dem Dentisten. Beide Berufsgruppen wenden dieselben Methoden an, die Dentisten stehen nicht im Gegensatz zu den Regeln und Methoden der zahnärztlichen Kunst und Wissenschaft. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Verhältnis Arzt / Heilpraktiker, den auch Meyer-George feststellt, wenn sie darauf hinweist, dass die Heilpraktiker nach ihrem Selbstverständnis geradezu einen Gegenpol zur Schulmedizin darstellen543. bb) Ehlers ist nicht zu folgen, da auch er die Entscheidung des Gesetzgebers verkennt, die Ausbildung der Heilpraktiker nicht gesetzlich zu regeln. Zwar ist Ehlers zuzugeben, dass das HPG ursprünglich auf die Abschaffung des Berufsstandes der Heilpraktiker gerichtet war und man deshalb nicht sagen kann, der Wille des Gesetzgebers sei ursprünglich der gewesen, die Tätigkeit der Heilpraktiker auch ohne besondere Ausbildung zuzulassen. Auch ist es richtig, dass sich der Charakter des HPG hin zu einer Anspruchsgrundlage allein aufgrund des bloßen Inkrafttretens des Grundgesetzes geändert hat, so dass auch dieser Umstand nicht als Argument für die Behauptung tauglich ist, der Gesetzgeber habe bewusst keine Ausbildungsregelungen für die Tätigkeit der Heilpraktiker aufstellen wollen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass seit Inkrafttreten des Grundgesetzes Jahrzehnte vergangen sind, in denen der Gesetzgeber es im vollen Bewusstsein des Fehlens von Ausbildungsvorschriften weiterhin nicht für erforderlich angesehen hat, diesen Berufsstand einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Dieser Umstand kann nicht unberücksichtigt bleiben. Eine generelle Gleichstellung des Sorgfaltsmaßstabes des Heilpraktikers mit dem des Arztes ist deshalb abzulehnen. Ins541 542 543

Vgl. u. a. Kapitel A, Teil IV, 3, e). So auch Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 91 f. Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 91.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

besondere muss auf der Grundlage dieses Sachverhalts der Forderung Ehlers widersprochen werden, derjenige, der therapiert und dessen Tätigkeit Rechtsgüter wie Gesundheit und Leben tangiert, müsse zumindest über eine medizinische Grundausbildung verfügen, die derjenigen des Allgemeinarztes entspricht. Der Gesetzgeber verlangt eine solche Ausbildung bei Heilpraktikern gerade nicht, obwohl dies sicher wünschenswert wäre. Dem Umstand, dass den meisten Menschen nicht bekannt ist, dass sich die Ausbildung des Heilpraktikers grundlegend von derjenigen des Arztes unterscheidet, ist auf andere Weise zu begegnen als durch eine pauschale Gleichstellung der Sorgfaltsmaßstäbe von Arzt und Heilpraktiker. cc) Der Ansicht Cramers kann insoweit zugestimmt werden, als sie eine generelle Gleichstellung der Sorgfaltsanforderungen von Arzt und Heilpraktiker ablehnt. Ihr Ansatz, die Sorgfaltsanforderungen nur dort gleichzusetzen, wo der Heilpraktiker Methoden anwendet, die auch Ärzte anwenden, erscheint zunächst plausibel. Jedoch ist dieser Ansatz insoweit einem Einwand ausgesetzt, als Cramer ihn auf die Prämisse stützt, der Heilpraktiker wage sich hier auf das Gebiet des Arztes. Dies würde voraussetzen, dass das jeweilige Gebiet, auf dem der Heilpraktiker tätig wird, eigentlich dem Arzt vorbehalten ist. Für den Bereich der alternativen Heilmethoden ist dies aber gerade nicht der Fall. Die Ausübung der Heilkunde ist insgesamt gerade nicht dem Arzt vorbehalten, so dass es verfehlt ist, anzunehmen, der Heilpraktiker würde sich bei der Anwendung von Alternativmethoden insoweit auf das Gebiet des Arztes begeben, als Ärzte diese Methoden ebenfalls anwenden. Die tatsächliche Entwicklung im Bereich der alternativen Heilmethoden führt gerade zur gegenteiligen Conclusio. Denn diese wurden und werden noch immer von der überwiegenden Mehrheit der Ärzte abgelehnt. Dennoch werden sie immer öfter auch von Ärzten angewendet und zusätzlich zu den Methoden der Schulmedizin angeboten, weil die Nachfrage nach alternativen Methoden in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Man könnte also, bezogen auf die alternativen Heilmethoden respektive Außenseitermethoden formulieren, dass sich hier, ganz im Gegensatz zur Ansicht Cramers, der Arzt auf das Gebiet des Heilpraktikers begibt, für den die Anwendung von Außenseitermethoden gerade seit jeher typisch ist. Jedenfalls aber kann allein aus dem Umstand, dass die jeweilige Methode auch von Ärzten angewandt wird, kein höherer Haftungsmaßstab für den Heilpraktiker hergeleitet werden. Die Gefährlichkeit der jeweils angewandten Methode muss Berücksichtigung finden, wie noch gezeigt werden wird. Cramer lässt das Argument, die von ihr in diesem Bereich vorgenommene Gleichstellung des Haftungsmaßstabes sei nicht mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar, nicht gelten und ist der Auffassung, aus dem Fortgelten des HPG sei nicht zu schließen, dass ergänzende Regelungen zur Schaffung einer einheitlichen Ausbildung unterbleiben sollten.

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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Auch dieses Argument verfängt nicht, wie bereits bei der Stellungnahme zur Ansicht von Ehlers dargestellt. Zudem bleibt unklar, was nach Cramer bei solchen Außenseitermethoden gelten soll, die nicht auch von Ärzten angewandt werden. Cramer fordert hier zwar umfangreiche Kenntnisse in verschiedenen Bereichen, es bleibt aber offen, an welchem Maßstab beurteilt werden soll, ob der jeweilige Heilpraktiker auf diesen Gebieten so umfangreiche Kenntnisse hat, dass diese als im Sinne Cramers umfassend zu bewerten sind. Denn genaue gesetzliche Vorgaben existieren hierzu ja nicht. Auf die an Heilpraktikerschulen vermittelten Kenntnisse will Cramer dabei aber ebenfalls nicht abstellen, so dass es schwierig erscheint, hier einen konkreten, unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit brauchbaren Maßstab herauszubilden, an dem der Heilpraktiker sich in Bezug auf den von ihm zu fordernden Kenntnis- und Wissensstand messen lassen muss. dd) Taupitz ist insoweit zuzustimmen, als er – wie auch Cramer grundsätzlich – zwischen dem Arzt und dem Heilpraktiker differenzieren will. Dies gebietet schon der Umstand, dass zur Bestimmung des im Einzelfall zugrunde zu legenden Sorgfaltsmaßstabs auch sonst auf den jeweiligen näheren Verkehrskreis der zu beurteilenden Person abzustellen und damit die so genannte Gruppenfahrlässigkeit maßgebend ist. In Übereinstimmung auch mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist danach Maßstab für die Beurteilung des Verhaltens eines Heilpraktikers als sorgfaltswidrig oder sorgfaltsgemäß grundsätzlich der gewissenhafte Berufskollege, also der gewissenhafte Heilpraktiker. ee) Wie aber ist nun der gewissenhafte Heilpraktiker zu ermitteln und bildet dieser in jedem Fall den Maßstab? Es sei noch einmal betont, dass es um die Frage geht, welches Wissen und welche Kenntnisse bei einem Heilpraktiker vorausgesetzt werden dürfen und müssen, damit auf dieser Grundlage die Frage beantwortet werden kann, ob ihm in Einzelfall ein Übernahmeverschulden zur Last gelegt werden kann, weil er bei der Übernahme der Behandlung nicht erkannt hat, dass seine Kenntnisse zur ordnungsgemäßen Diagnose und / oder Behandlung der jeweiligen Krankheit nicht ausreichen und durch mangelhafte Feststellung oder Behandlung der Krankheit eine Körperverletzung oder der Tod der behandelten Person verursacht werden kann. Bei der Entscheidungsfindung zur Festlegung einer Definition des gewissenhaften Heilpraktikers und zur Beantwortung der Frage, ob dieser in jedem Fall den zugrunde zu legenden Maßstab bildet, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden müssen:  Detaillierte gesetzliche Ausbildungsvorschriften für den Heilpraktiker existieren nicht; der Gesetzgeber hat sich auch nach Erlass des Grundgesetzes und dadurch bedingte Änderung des Charakters des HPG dafür entschieden, die Ausbildung des Heilpraktikers auch weiterhin nicht gesetzlich zu regeln. Die Tätigkeit des Heilpraktikers steht unter dem Schutz von Art. 12 GG.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

 Die Berufsgruppe der Heilpraktiker ist hinsichtlich ihrer Ausbildung inhomogen. Es existiert jedoch eine Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH), die Pflichten für diejenigen Heilpraktiker enthält, die einem Berufsverband angehören, u. a. enthält sie eine Pflicht zur Fortbildung. Außerdem existieren Verbandsschulen mit eigener Schulsatzung, in der die Ausbildungsinhalte und die Ausbildungsdauer geregelt sind. Diese Regelungen haben jedoch keinen Gesetzesrang und sind daher nicht allgemeinverbindlich für jeden Heilpraktiker respektive jede Heilpraktikerschule, sondern gelten nur innerhalb der Verbände beziehungsweise Verbandsschulen.  Die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit stehen über Art. 2 Abs. 2, S. 1 GG ebenfalls unter dem Schutz der Verfassung und sind von besonders hohem Rang; aus diesem Grund kann das Maß der diesen Rechtsgütern im Einzelfall drohenden Gefahren nicht unberücksichtigt bleiben.

Ausgangspunkt ist erneut die Feststellung, dass keinerlei gesetzliche Vorschriften existieren, die die Ausbildung des Heilpraktikers detailliert regeln. Die einzigen Regelungen, die es in diesem Bereich gibt, sind in den Leitlinien des Bundesministeriums für Gesundheit für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern vom 02. 09. 1992544 enthalten sowie in den aufgrund dieser Leitlinien erlassenen Richtlinien und Erlassen der Länder545. Diese Bestimmungen betreffen jedoch nur den Inhalt der Prüfung nach dem Heilpraktikergesetz und sehen bestimmte und nur wenige Bereiche vor, in denen der Heilpraktikeranwärter zu prüfen ist. In den meisten Bereichen müssen beim Prüfling nur Grundkenntnisse vorhanden sein. Wie bereits dargestellt, ergibt sich aus Art. 12 GG ein Anspruch des Heilpraktikeranwärters auf Erteilung der Erlaubnis nach dem HPG, wenn er bei Erfüllung aller weiteren Voraussetzungen die Prüfung besteht546. Im Zusammenhang mit der Festlegung der an den Heilpraktiker zu stellenden Sorgfaltsanforderungen muss die Tatsache Berücksichtigung finden, dass es der Gesetzgeber seit Inkrafttreten des Grundgesetzes in voller Kenntnis des Umstandes, dass die Ausbildung des Heilpraktikers nicht geregelt ist, auch weiterhin nicht für notwendig befunden hat, diese Ausbildung einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Aus diesem Grund kann vom Heilpraktiker diesbezüglich eigentlich auch nicht sehr viel verlangt werden, eine generelle Gleichstellung mit dem Arzt kann jedenfalls nicht erfolgen. Da die Ausbildung der Heilpraktikeranwärter aber sehr unterschiedlich ist und die Ansicht, es gäbe aus diesem Grund auch keine homogene Heilpraktikerschaft, also zutrifft547, ist es schwierig, die Anforderungen zu fixieren, die an den Heilpraktiker im Hinblick auf sein Wissen und seine Fähigkeiten zu stellen sind. Abgedruckt in Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 29 ff. Vgl. beispielsweise die Richtlinien des Sozialministeriums Baden-Württemberg, abgedruckt in Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 34 ff. 546 Vgl. erneut Kapitel A, Teil IV, 3. 547 Vgl. auch Käfer, Der Heilpraktiker in Theorie und Praxis, § 1 HPG, Anm. 2.1. 544 545

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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Innerhalb der vom Heilpraktiker angewendeten Methoden gibt es jedoch solche, die einen besonders hohen Gefährlichkeitsgrad aufweisen, beispielsweise, weil es sich um invasive Methoden handelt, die mit einem Eingriff in den Körper verbunden sind. Zu nennen sind hier insbesondere die Akupunktur oder die Ozontherapie. Aufgrund der Gefährlichkeit dieser Methoden erscheint es unter dem Blickwinkel des Art. 2 Abs. 2, S. 1 GG erforderlich, in diesem Bereich den Allgemeinarzt als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, soweit die jeweilige Methode auch von Allgemeinärzten angewandt wird. Insoweit ist also der Rechtsprechung des BGH beizutreten. Der Heilpraktiker muss sich in Bezug auf diese Methoden daher im Ergebnis genauso wie der Allgemeinarzt, der diese Methoden anwendet, umfassend ausund fortbilden. Er muss die entsprechenden Methoden richtig anwenden können und sich ständig auf dem neuesten Stand halten. In Bezug auf seine Ausbildung wird er dem genannten Maßstab regelmäßig nur dann gerecht werden können, wenn er vor Beginn seiner Berufstätigkeit zumindest eine geregelte Ausbildung an einer guten Heilpraktikerschule durchlaufen hat. Außerdem ist zu fordern, dass der Heilpraktiker diejenigen schulmedizinischen Verfahren und deren Chancen und Risiken kennt, die als Alternativen zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen, denn nur so kann er eine Abwägung zwischen den einzelnen Verfahren vornehmen und eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob er selbst die Diagnose stellen respektive die Behandlung übernehmen kann, oder ob er den Patienten an einen Schulmediziner verweisen muss. Wie diese Methoden im Einzelnen genau angewendet werden, muss der Heilpraktiker dagegen nicht wissen. Das Argument, aufgrund besonders großer Gefahren sei der Arzt als Maßstab heranzuziehen, beansprucht aber auch bei solchen Außenseitermethoden Geltung, die zwar nicht invasiv sind, deren Anwendung jedoch ein ebenso hohes Risikopotential birgt. Zu denken wäre hier beispielsweise an die Chiropraktik, deren Anwendung aufgrund der großen Kräfte, die dabei zur Anwendung kommen, erhebliche Risiken mit sich bringt548. Auch bei solchen Methoden rechtfertigt es Art. 2 Abs. 2, S. 1 GG, auf den Allgemeinarzt als Vergleichsmaßstab abzustellen, soweit die jeweilige Außenseitermethode – bei der Chiropraktik ist dies beispielsweise der Fall – auch von Ärzten angewendet wird. In Bezug auf solche Methoden gibt es zum einen überhaupt die Möglichkeit, auf den Arzt als Vergleichsmaßstab zurückzugreifen. Zum anderen gibt es dadurch bedingt auch entsprechende Sachverständige aus dem Bereich der Ärzte, die vor Gericht im Entscheidungsfalle die jeweilige Gefährlichkeit der angewandten Methode fachkundig beurteilen können. Ist die Gefährlichkeit einer auch von Ärzten angewandten Außenseitermethode vergleichbar hoch wie bei invasiven Außenseitermethoden, dann bildet auch hier der Außenseiterarzt den Maßstab für die Frage, welches Wissen und Können vom zu beurteilenden Heilpraktiker zu fordern ist. 548

Vgl. Kapitel A, Teil III, 3, b), dd).

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Käme man beispielsweise im Rahmen einer solchen Einschätzung zu dem Ergebnis, dass auch die Homöopathie oder die Phytotherapie vergleichbar hohe Gefahren bergen wie invasive Behandlungsmethoden, so wäre auch hier wieder der Allgemeinarzt Vergleichsmaßstab, der diese Methoden ebenfalls anwendet. In diesem Bereich gilt also das gleiche, was soeben in Bezug auf die invasiven und auch von Ärzten angewandten Außenseitermethoden festgestellt wurde. Das Kriterium der Gefährlichkeit der jeweiligen Methode ist das entscheidende, auf das allein sich eine Gleichsetzung der Sorgfaltspflichten des Heilpraktikers mit denen von ärztlichen Außenseitern stützen lässt, sofern die jeweilige Methode auch von diesen angewandt wird. Die Vernachlässigung dieses Kriteriums war daher auch einer der Gründe für die Kritik an der Ansicht Cramers, die allein darauf abstellt, ob die jeweilige Methode auch von Ärzten angewandt wird. Fraglich bleibt dann aber noch, was in Bezug auf solche, auch von Ärzten angewandte Alternativmethoden zu gelten hat, die einen zu geringen Gefährlichkeitsgrad aufweisen, als dass man auf der Grundlage der hier vertretenen Ansicht bei deren Anwendung den Arzt als Vergleichsmaßstab heranziehen könnte. Und was soll bei solchen Methoden gelten, die ausschließlich von Heilpraktikern zur Anwendung gebracht werden? In Bezug auf diese Fälle ist der Umstand zu berücksichtigen, dass eine Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH)549 existiert, die die Pflichten derjenigen Heilpraktiker bestimmt, die einem Berufsverband angehören. Diese Berufsordnung, die u. a. in Art. 5 eine Pflicht zur Fortbildung enthält, wurde von den sechs Bundesverbänden der Heilpraktikerschaft, die als DIE DEUTSCHEN HEILPRAKTIKERVERBÄNDE in wichtigen Belangen des Berufsstandes gemeinsam handeln wollen, anerkannt550. Schätzungsweise 75 bis 80 % der Heilpraktiker sollen in einem Verband organisiert sein551 und unterliegen somit dieser Berufsordnung. Auch existieren an den Verbandsschulen Schulsatzungen552, die die Ausbildung an diesen Schulen sowohl im Hinblick auf die zu vermittelnden Inhalte als auch in Bezug auf die Dauer regeln. Sowohl die Berufsordnung als auch die Schulsatzung haben zwar nicht den Rang eines Gesetzes oder einer Verordnung, sondern weisen nur privatrechtlichen Charakter auf. Man kann jedoch sagen, dass sich aus der Tatsache, dass ein so hoher Prozentsatz der Heilpraktiker einem Verband angehört und sich damit auch dieser Berufsordnung unterwirft, geschlossen werden muss, dass ein gewissenhafter Heilpraktiker nur derjenige sein kann, der zum einen die in der BOH enthaltene FortbilAbgedruckt in Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 381 ff. Vgl. Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 381. 551 Auskunft des Vizepräsidenten des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker e.V., Bundesverband vom 16. 09. 2004; von 90% geht aus: Franz, Naturheilmittel und Recht, S. 163. 552 Auszug einer Schulsatzung für Verbandsschulen, abgedruckt in Liebau, Berufskunde für Heilpraktiker, S. 392 ff. 549 550

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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dungspflicht ordnungsgemäß erfüllt, zum anderen aber auch, diejenigen Kenntnisse besitzt, die ein Heilpraktiker haben muss, der eine geregelte Ausbildung an einer Verbandsschule durchlaufen hat553. Denn dies allein entspricht dem Selbstverständnis der Heilpraktikerverbände, die sowohl die BOH als auch die Schulsatzungen selbst erlassen haben, eben um eine fundierte Ausbildung und Fortbildung von Heilpraktikern zu gewährleisten. In Bezug auf die Ausbildung wird im Entscheidungsfalle ein Sachverständiger eines Heilpraktikerverbandes vom Gericht hinzugezogen werden müssen, um zu ermitteln, welches Maß an Kenntnissen beim angeklagten Heilpraktiker unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit zugrunde zu legen ist, an welchem konkreten Maßstab sich dieser also messen lassen muss. Der sich danach ergebende Maßstab wird ein hoher sein, dem der Heilpraktiker erneut regelmäßig nur dann wird gerecht werden können, wenn er vor Beginn seiner Berufstätigkeit eine geregelte Ausbildung an einer guten Heilpraktikerschule durchlaufen und sich seine Kenntnisse nicht lediglich im Selbststudium angeeignet hat. Eine gute Heilpraktikerschule kann dabei nur eine solche sein, die im selben Umfang Kenntnisse vermittelt, wie dies an einer Verbandsschule der Fall ist. Im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Fortbildung ist auf die für den Außenseiterarzt geltenden Grundsätze zurückzugreifen, soweit sich nicht aufgrund der Unterschiedlichkeit der Berufsbilder von Arzt und Heilpraktiker Besonderheiten ergeben müssen. Auch im Bereich der minder gefährlichen, auch von Ärzten angewandten Außenseitermethoden sind an den Heilpraktiker aus Gründen des Patientenschutzes hinsichtlich seiner Fortbildung hohe Anforderungen zu stellen. Ein gewissenhafter Heilpraktiker kann im Einklang mit der Ansicht des Reichsgerichts daher nur ein solcher sein, der sich regelmäßig über die Grundlagen und Fortschritte der Heilkunde nach bestem Können unterrichtet und sich den neuen Lehren und Erkenntnissen der Medizin nicht verschließt. Darüber hinaus muss vom gewissenhaften Heilpraktiker auch gefordert werden, dass er diejenigen schulmedizinischen Verfahren und deren Chancen und Risiken kennt, die als Alternativen zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen, denn nur so kann er eine Abwägung zwischen den einzelnen Verfahren vornehmen und eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob er selbst die Diagnose stellen respektive die Behandlung übernehmen kann oder ob er den Patienten an einen Schulmediziner verweisen muss. Wie diese Methoden im Einzelnen genau angewendet werden, muss der Heilpraktiker dagegen nicht wissen. In Bezug auf solche Methoden, die nicht den Gefährlichkeitsgrad von invasiven Methoden erreichen und die auch von Ärzten angewandt werden, muss sich jeder Heilpraktiker an diesem genannten Maßstab messen lassen, unabhängig davon, ob er einem Verband angehört oder nicht. In diesem Bereich rechtfertigt es das gerin553 Eine Rückwirkung der standesrechtlichen Vorschriften der Heilpraktiker auf deren Sorgfaltspflichten bejaht für das Zivilecht Franz, Naturheilmittel und Recht, S. 172.

10 Tamm

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

gere Maß der mit der Anwendung dieser Methoden verbundenen Gefahren nicht mehr, Art. 2 Abs. 2, S. 1 GG aus Gründen des Patientenschutzes so stark in den Vordergrund zu rücken, wie dies bei invasiven und vergleichbar gefährlichen Methoden geschehen ist, die auch von Ärzten angewandt werden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Ausbildung und Fortbildung des Heilpraktikers nicht gesetzlich zu regeln und die Tatsache, dass die Tätigkeit des Heilpraktikers von Art. 12 GG geschützt wird, müssen hier stärkere Berücksichtigung finden. Diese Lösung weist zwar zunächst das Manko auf, dass die Regelungen der Berufsordnung und der Verbandsschulsatzungen als privatrechtliche Regelungen von den Heilpraktikerverbänden jederzeit geändert werden können, so dass es den Verbänden theoretisch möglich wäre, beispielsweise durch eine Änderung der Schulsatzungen die Ausbildung an den Verbandsschulen derartig einzuschränken, dass nur noch die Grundkenntnisse vermittelt werden, die zum Bestehen der Prüfung vor dem Gesundheitsamt erforderlich sind. Maßstab dürfte dann konsequenterweise nach dem hier vertretenen Ansatz nur noch der Heilpraktiker sein, der diese Grundkenntnisse aufweist, so dass der Patientenschutz nicht mehr gewährleistet wäre. Diese Befürchtung dürfte in der Praxis jedoch kaum gerechtfertigt sein, denn einerseits bleibt es der Rechtsprechung überlassen, im Entscheidungsfalle festzulegen, welche Methoden zu den im o.g. Sinne gefährlichen gehören und welche nicht. Die Heilpraktikerverbände werden aufgrund dieser zunächst bestehenden Unsicherheit ein vitales Interesse daran haben, eine umfassende und fundierte Ausbildung an ihren Schulen sicherzustellen, damit die dort ausgebildeten Heilpraktiker die Kenntnisse erwerben, an denen sie im Falle einer Haftung gemessen werden könnten. Zum anderen können derartig rudimentäre Kenntnisse auf keinen Fall ausreichen und für die Frage der vom Heilpraktiker zu fordernden Kenntnisse zugrunde gelegt werden. Die Rechtsprechung müsste und würde auf eine solche Änderung in den Schulsatzungen reagieren. Eine solche Änderung würde dazu führen, dass auch dort, wo es um auch von Ärzten angewandte Methoden geht, die keinen mit invasiven Verfahren vergleichbaren Gefährlichkeitsgrad aufweisen, der Arzt als Maßstab herangezogen werden müsste, weil ein solchermaßen „ausgebildeter“ Heilpraktiker nicht mehr als gewissenhaft angesehen werden kann. Würde man dies annehmen, so wäre der Begriff der Gewissenhaftigkeit ad absurdum geführt. Auch im Hinblick auf solche Methoden, die nur von Heilpraktikern angewandt werden, kann allein der im genannten Sinne gewissenhafte Heilpraktiker Vergleichsmaßstab sein, denn in diesem Bereich scheidet der Arzt als Vergleichsmaßstab ja bereits denknotwendig aus. Der hier vertretene Ansatz führt zwar auf den ersten Blick zunächst zu einem geringeren Schutz des Patienten, als er bestehen würde, wenn man generell den Arzt als Vergleichsmaßstab heranzuziehen suchte. Letzteres ist aber bei Methoden, die allein Heilpraktiker anwenden, gar nicht möglich. Außerdem berücksichtigt

II. Das so genannte Übernahmeverschulden

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der hier vertretene Ansatz bereits soweit wie dies eben möglich ist den Grad der jeweils für den Patienten bestehenden Gefahren. Zudem kann die in dieser Weise bestehende Schutzlücke über erhöhte Aufklärungspflichten des Heilpraktikers weitgehend geschlossen werden, was im Folgenden noch gezeigt werden wird. Dort wird auch aufgezeigt, dass diese erhöhten Aufklärungspflichten das Risiko weiter verringern, dass die Heilpraktikerverbände ihre Ausbildungsanforderungen in den Schulsatzungen vermindern. Zusammenfassung Soweit es um auch von Ärzten angewandte invasive Alternativmethoden oder solche auch von Ärzten angewandte Alternativmethoden geht, mit deren Anwendung vergleichbare Gefahren verbunden sind, gelten nach der hier vertretenen Ansicht zusammengefasst die folgenden Grundsätze:  In diesem Bereich bildet hinsichtlich des beim Heilpraktiker vorauszusetzenden Wissens und Könnens der Allgemeinarzt den Vergleichsmaßstab, der diese Methoden ebenfalls anwendet. Der Heilpraktiker muss sich damit am dieselben Methoden anwendenden Außenseiterarzt messen lassen.  Dies bedeutet, dass der Heilpraktiker sich in Bezug auf diese Methoden genauso umfassend ausbilden und auf dem neuesten Stand halten muss, wie der Allgemeinarzt, der diese Methoden anwendet. Der Heilpraktiker muss sich auf seinem Fachgebiet umfassend über den Stand der medizinischen Wissenschaft auf dem Laufenden halten, muss sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Fortschritte der Heilkunde unterrichten und mit den neuesten Heilmitteln vertraut machen. Er darf sich neuen Lehren und Erkenntnissen der Heilkunde nicht einfach verschließen. Wendet er Methoden an, die eigentlich nicht sein Fachgebiet betreffen, so muss er sich auch in Bezug auf diese Methoden umfassend fortbilden.  Die Auswahl der Quellen und Informationsmittel steht grundsätzlich im Ermessen des einzelnen Heilpraktikers, der sich insbesondere durch die regelmäßige Lektüre von Fachzeitschriften in seinem Gebiet auf dem Laufenden halten muss. Das Lesen sämtlicher medizinischer Fachzeitschriften wird zwar nicht von ihm verlangt, aber er muss zumindest den Inhalt derjenigen Fachzeitschriften zur Kenntnis nehmen, die er für so wichtig erachtet, dass er sie hält.  Der Heilpraktiker muss sich außerdem auch über die schulmedizinischen Verfahren und deren Risiken und Chancen informieren und informiert halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Wie diese Verfahren genau angewendet werden, muss er allerdings nicht wissen.  Um diesen Anforderungen insgesamt gerecht werden zu können, wird der Heilpraktiker im Ergebnis eine umfassende Ausbildung an einer guten Heilpraktikerschule durchlaufen und bei der Fortbildung auch die Zeitschriften berücksichtigen müssen, die sich an Allgemeinmediziner wenden. Eine gute Heilpraktiker10*

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

schule kann dabei nur eine solche sein, die zumindest im selben Umfang Kenntnisse vermittelt, wie dies an einer Verbandsschule der Fall ist.  Den Heilpraktiker trifft außerdem die Pflicht, die jeweils neueste Auflage eines medizinischen Lehrbuchs zu beschaffen und zu lesen, wenn es sich bei diesem Lehrbuch um ein für sein Arbeitsgebiet unentbehrliches Standardwerk handelt.

Soweit es um Methoden geht, deren Anwendung keine solchen Gefahren mit sich bringt, die mit denen von invasiven Methoden vergleichbar sind und die auch von Allgemeinärzten angewandt werden oder um solche Methoden, die nur von Heilpraktikern angewendet werden, gelten die folgenden Grundsätze:  In diesem Bereich bildet der gewissenhafte Heilpraktiker den Maßstab. Gewissenhaft ist der Heilpraktiker, der die Kenntnisse aufweist, die ein Heilpraktiker haben muss, der an einer Verbandsschule eine umfassende Ausbildung durchlaufen hat und der sich entsprechend der Forderung in der Berufsordnung fortbildet.  Dabei kann in Bezug auf die Fortbildung ein gewissenhafter Heilpraktiker im Einklang mit der Ansicht des Reichsgerichts nur ein solcher sein, der sich stetig über die Grundlagen und Fortschritte der Heilkunde nach bestem Können unterrichtet und sich den neuen Erkenntnissen und Lehren der Medizin öffnet. Der Heilpraktiker muss sich auf seinem Fachgebiet umfassend über den Stand der medizinischen Wissenschaft auf dem Laufenden halten und muss sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Fortschritte der Heilkunde unterrichten und mit den neuesten Heilmitteln vertraut machen. Wendet er Methoden an, die eigentlich nicht sein Fachgebiet betreffen, so muss er sich auch in Bezug auf diese Methoden umfassend fortbilden.  Auch hier gilt, dass der Heilpraktiker einschlägige Fachzeitschriften lesen muss, um sich auf dem neuesten Stand zu halten. Das Lesen sämtlicher medizinischer Fachzeitschriften auf dem jeweiligen Gebiet wird zwar nicht von ihm verlangt, aber er muss zumindest den Inhalt derjenigen Fachzeitschriften zur Kenntnis nehmen, die er für so wichtig erachtet, dass er sie hält.  Außerdem muss er sich aber auch über die schulmedizinischen Verfahren und deren Risiken und Chancen informieren und informiert halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Wie diese Verfahren genau angewendet werden, muss er aber nicht wissen.  Um diesen Anforderungen insgesamt gerecht werden zu können, wird der Heilpraktiker im Ergebnis eine umfassende Ausbildung an einer guten Heilpraktikerschule durchlaufen und bei der Fortbildung auch die Zeitschriften berücksichtigen müssen, die sich an Allgemeinmediziner wenden. Eine gute Heilpraktikerschule kann dabei nur eine solche sein, die im selben Umfang Kenntnisse vermittelt, wie dies an einer Verbandsschule der Fall ist.  Auch in diesem Bereich trifft den Heilpraktiker außerdem die Pflicht, die jeweils neueste Auflage eines medizinischen Lehrbuchs zu beschaffen und zu

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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lesen, wenn es sich bei diesem Lehrbuch um ein für sein Arbeitsgebiet unentbehrliches Standardwerk handelt. Wie beim Arzt, so sind auch beim Heilpraktiker die vom BGH zur so genannten Anfängeroperation entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen554. Das heißt, in die Beurteilung mit einzubeziehen ist die Frage, wie lange der jeweilige Heilpraktiker bereits praktisch tätig ist und welcher Erfahrungsstand danach bei ihm vorauszusetzen ist. Als Ergebnis ist an dieser Stelle damit festzuhalten, dass auf der Grundlage des nach den aufgestellten Kriterien vorauszusetzenden Ausbildungs-, Erfahrungs- und Kenntnisstandes für die Frage des Übernahmeverschuldens zu ermitteln ist, ob der Heilpraktiker im jeweiligen Fall hätte erkennen müssen, dass er nicht in der Lage ist, die konkrete Krankheit mit seinen Methoden zu diagnostizieren oder sachgerecht zu behandeln und durch mangelhafte Feststellung oder Behandlung der Krankheit eine Körperverletzung oder der Tod der behandelten Person verursacht werden kann.

III. Die Wahl der Diagnose- / Behandlungsmethode und die Aufklärungspflichten des Außenseiters Bei der Wahl der Diagnose- und Behandlungsmethode besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der grundsätzlichen Therapiefreiheit respektive Methodenfreiheit des Arztes oder Heilpraktikers und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten555. Aus diesem Grund wird im Folgenden zunächst beschrieben, was unter Therapie- / Methodenfreiheit zu verstehen ist. Anschließend wird kurz auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eingegangen, bevor im Einzelnen erörtert wird, wie sich das Spannungsverhältnis zwischen der Therapie- / Methodenfreiheit des Arztes oder Heilpraktikers auf der einen und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf der anderen Seite, genau darstellt. Dabei wird deutlich werden, dass die Frage, ob der jeweilige Behandler bei der Wahl der Diagnose- oder Behandlungsmethode sorgfältig oder sorgfaltswidrig gehandelt hat, nicht losgelöst von der Frage betrachtet werden kann, ob er seinen Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Es wird daher im Folgenden – jeweils wieder gesondert für den Außenseiterarzt und den Heilpraktiker – zunächst erörtert, welche grundsätzlichen Pflichten dem Behandler auf der Ebene des Unrechtstatbestandes bei der Auswahl der Diagnose554 Vgl. zu diesen Grundsätzen BGH, NJW 1984, S. 655 ff.; vgl. auch soeben Kapitel B, Teil II, 2. 555 Ebenso für den Bereich des Zivilrechts: Franz, Naturheilmittel und Recht, S. 265.

150

B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

oder Behandlungsmethode obliegen. Anschließend wird erörtert, worüber der Außenseiter den Patienten im Einzelnen aufklären muss, damit sein Eingriff auf der Ebene der Rechtswidrigkeit durch die Einwilligung des Patienten Rechtfertigung erlangt.

1. Die Therapiefreiheit / Methodenfreiheit556 Der Grundsatz der ärztlichen Methodenfreiheit wurde bereits durch das Reichsgericht beschrieben, das entschied, dass die allgemein oder weitaus überwiegend anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft grundsätzlich keinen Vorrang gegenüber den von der Wissenschaft abgelehnten Heilverfahren ärztlicher Außenseiter oder nicht ärztlicher Heilbehandler genießen557. Auch der BGH entschied in diesem Sinne, indem er aussprach, dass die Anwendung nicht allgemein anerkannter Therapieformen und sogar ausgesprochen paraärztlicher Behandlungsformen rechtlich grundsätzlich erlaubt sei558. Ein Sorgfaltspflichtverstoß kann sich also grundsätzlich nicht allein daraus ergeben, dass sich der jeweilige Behandler für eine Außenseitermethode entschieden hat, anstatt ein schulmedizinisches Verfahren anzuwenden. Dies wurde auch bereits oben für den Bereich des Übernahmeverschuldens festgestellt559. Vor dem Hintergrund, dass aufgrund des Inkrafttretens des Grundgesetzes aus dem HPG eine Anspruchsgrundlage mit Erlaubnisvorbehalt wurde, die im Ergebnis dazu führte, dass – bis auf bestimmte Ausnahmebereiche, in denen der Heilpraktiker nicht tätig werden darf560 – praktisch wieder Kurierfreiheit besteht, kann ein grundsätzlicher Vorrang der schulmedizinischen Verfahren vor denen der Außenseitermedizin auch nicht in Betracht kommen. Dies deshalb, weil das Bestehen von Kurierfreiheit ohne gleichzeitige Gewährung der Freiheit der Methodenwahl kaum denkbar ist561. Aus diesem Grund steht die Methodenfreiheit auch sowohl dem ärztlichen Außenseiter wie dem Heilpraktiker zu und umfasst sie nicht nur therapeutische, sondern auch diagnostische Außenseiterverfahren. Das HPG regelt lediglich, „wer“ behandeln darf, nicht aber, „wie“ zu behandeln ist562. Auch das „Wie“ der Diagnostik wird – weil die Diagnostik notwendige Voraussetzung der Heilbehand556 Hierzu ausführlich für den Bereich des Zivilrechts: Franz, Naturheilmittel und Recht, S. 97 ff., S. 263 ff. 557 RGSt 67, S. 12 ff., S. 22. 558 Vgl. BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1536. 559 Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 1. 560 Vgl. erneut Kapitel A, Teil IV, 4. 561 Vgl. auch Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 222. 562 Vgl. auch BGH, LM Nr. 48 zu § 222 StGB.

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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lung ist – von der Methodenfreiheit mit erfasst. Mit Uhlenbruck und Laufs könnte man formulieren: „Vor jede Therapie haben die Götter die Diagnose gesetzt“563. Sowohl in der höchstrichterlichen Spruchpraxis als auch in der Rechtslehre ist der Grundsatz der ärztlichen Therapiefreiheit anerkannt, es gilt, dass die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes ist564, dem aufgrund der ihm gewährten Therapiefreiheit grundsätzlich ein breiter Ermessensspielraum bei der Wahl seiner Methode eingeräumt ist565. Die Wahl der Behandlungsmethode ist die höchstpersönliche Entscheidung des Arztes innerhalb eines rechtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraums566. Sie belässt dem Arzt einen von ihm zu verantwortenden Risikobereich im Rahmen der Regeln der ärztlichen Kunst567. Der Arzt hat darüber zu entscheiden, ob überhaupt eine Behandlung stattfinden soll. Kein Arzt darf zu einer seinem Gewissen widersprechenden Methode oder zu einer bestimmten Arzneimitteltherapie gezwungen werden. Schließlich bleibt es stets seine Aufgabe, die ihm geeignet erscheinende diagnostische oder therapeutische Methode auszuwählen568. All dies gilt entsprechend auch für den Heilpraktiker. Über die rechtliche Grundlage der Therapiefreiheit besteht keine Einigkeit: a) So wird zum Teil angenommen, dass sie sich aus der Garantie des § 1 Abs. 2 BÄO ergäbe569 und auf der Erkenntnis beruhe, dass der Staat die Vorstellungen von Arzt und Patient über den richtigen therapeutischen Weg nicht durch eigene therapeutische Vorstellungen verdrängen dürfe570. Die staatliche Gewalt, auch die Judikative, kann und darf sich nicht zum Richter im medizinischen Methodenstreit aufwerfen571. b) Das Reichsgericht dagegen sah die Wurzeln der Therapiefreiheit in der Kurierfreiheit572. Diese wurde durch Erlass des HPG zwar aufgehoben, dies war jedoch insoweit nur vorübergehend der Fall, als sich der Charakter des HPG durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes veränderte, so dass im Wesentlichen wieder Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Uhlenbruck / Laufs, § 50, Rn. 7. BGH, NJW 1988, S. 763 ff., S. 764; Jung, Außenseitermethoden und strafrechtliche Haftung, ZStW Band 97 (1985), S. 47 ff., S. 54; BGH, NJW 1982, S. 2121 f., S. 2122; Laufs, Arztrecht, Rn. 484. 565 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 43. 566 Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 2. Aufl., S. 17. 567 BGHSt 37, S. 385 ff., S. 385. 568 Laufs, Entwicklungslinien des Medizinrechts, NJW 1997, S. 1609 ff., S. 1609. 569 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 3, Rn. 13. 570 Gallwas, Zur Legitimation ärztlichen Handelns, NJW 1976, S. 1134 ff., S. 1135. 571 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 3, Rn. 15; dem im Grundsatz zustimmend Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 219. 572 RGSt 67, S. 12 ff., S. 22 f. 563 564

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Kurierfreiheit besteht. Trotz der insoweit vorübergehenden Abschaffung der Kurierfreiheit durch das HPG hielt die Rechtsprechung an dem Prinzip der Methodenfreiheit fest, ohne sich durch diese vorübergehende Veränderung zu einer Korrektur ihrer Rechtsprechung veranlasst gesehen zu haben573. c) Wieder andere sehen den Grund der Therapiefreiheit darin, dem Patienten eine effektive, selbstbestimmte Gesundheitsfürsorge zu ermöglichen. Die Therapiefreiheit beschreibe ein fremdnütziges Privileg des Arztes und sei nicht durch das Bestehen der Kurierfreiheit bedingt574. d) Zum Teil wird die Rechtfertigung der Methodenfreiheit darin gesehen, dass anderenfalls der wissenschaftliche Fortschritt beeinträchtigt würde575. e) Wieder andere sehen die Grundlage der Methodenfreiheit im Selbstbestimmungsrecht des Patienten begründet, dem bei ausreichender Unterrichtung über die unterschiedlichen in Betracht kommenden Verfahren grundsätzlich freistehe, sich ausdrücklich gegen anerkannte Heilmethoden zu entscheiden576. f) Unabhängig von den unterschiedlichen Begründungsansätzen wird die Methodenfreiheit jedenfalls allseitig anerkannt577, so dass sich eine Streitentscheidung erübrigt.

2. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten Das dem Patienten zustehende Selbstbestimmungsrecht findet seine Grundlage in dem durch Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf körperliche Unversehrtheit, dem damit eng verflochtenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Menschenwürde578.

3. Das Spannungsverhältnis zwischen Methodenfreiheit und Selbstbestimmungsrecht579 Die dem Arzt und dem Heilpraktiker zugestandene Methodenfreiheit besteht nicht losgelöst vom Willen und der Entscheidungsbefugnis des Patienten. Damit dieser sein Selbstbestimmungsrecht wahren kann, muss er vom Arzt oder HeilVgl. z. B. BGH, MDR 1962, S. 666. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 224. 575 Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 87. 576 Vgl. Schmid, Die Grenzen der Therapiefreiheit, NJW 1986, S. 2339 ff., S. 2341. 577 Vgl. auch Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 99, Rn. 19. 578 Vgl. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 15 und 265. 579 Für den Bereich des Zivilrechts ausführlich: Franz, Naturheilmittel und Recht, S. 263 ff. 573 574

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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praktiker aufgeklärt werden. Dabei sind vor allem zwei Arten der Aufklärung voneinander zu unterscheiden, da eine Verletzung der jeweiligen Aufklärungspflicht unterschiedliche rechtliche Folgen hat.

a) Die Selbstbestimmungsaufklärung Aus dem Zusammenspiel zwischen Methodenfreiheit und individueller Einwilligung des Patienten ergibt sich eine Arzt-Patienten-Beziehung, die als Behandlungs- und Entscheidungspartnerschaft bezeichnet werden kann580. Die strafrechtliche Relevanz im Hinblick auf einen Fehler bei der Wahl der Diagnose- oder Behandlungsmethode kann daher in einem Verstoß des Arztes gegen seine Pflicht zur Selbstbestimmungsaufklärung liegen, die vor allem die Risikoaufklärung umfasst581. Diese Aufklärung dient dazu, dem Patienten Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs jedenfalls in seinen Grundzügen erkennbar zu machen, um ihm eine Abschätzung des Für und Wider des Eingriffs zu ermöglichen582. Sie soll die Entscheidungsfreiheit des Patienten gewährleisten583. Ist die Selbstbestimmungsaufklärung mangelhaft erfolgt, so liegt keine wirksame Einwilligung des Patienten in die dann vorgenommene Behandlung und somit eine rechtswidrige Körperverletzung durch den Behandler vor, da dem Patienten die Tragweite seiner Entscheidung nicht oder nicht vollumfänglich bewusst war584. Dies gilt für Ärzte und Heilpraktiker gleichermaßen, da zum einen auch die Behandlung durch den Heilpraktiker grundsätzlich den Tatbestand der Körperverletzung i. S. d. §§ 223 ff. StGB erfüllt und daher einer wirksamen Einwilligung bedarf, um Rechtfertigung zu erlangen. Zum anderen steht – wie gerade festgestellt – auch dem Heilpraktiker die Methodenfreiheit zu, die vom Selbstbestimmungsrecht des Patienten begrenzt wird. b) Die therapeutische Aufklärung Von der Selbstbestimmungsaufklärung zu unterscheiden ist die bloße therapeutische Aufklärung, die auch als Sicherungsaufklärung bezeichnet wird585. Sie 580 Vgl. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 265; ebenfalls in diesem Sinne Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., S. 220. 581 Vgl. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 272 m. w. N. 582 BGH, NJW 1984, S. 1807; BVerfG, NJW 1979, S. 1925 ff., S. 1929; BGH, NJW 1956, S. 1106 ff., S. 1107. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 271. 583 Laufs, Arztrecht, Rn. 176. 584 Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, § 223, Rn. 13. 585 Vgl. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 62, Rn. 1.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

umfasst die Pflicht zur Beratung und Aufklärung im gesundheitlichen Interesse des Patienten und kann beispielsweise beinhalten, den Patienten zu schonender Lebensweise, zu Diät oder zur Enthaltsamkeit zu bestimmen. Im Zusammenhang mit der Verordnung von Arzneimitteln muss der Patient über die Dosis sowie über Unverträglichkeiten und Nebenfolgen beraten werden586. Die therapeutische Aufklärung oder Beratung soll den Patienten also zu gesundheitsgerechtem Verhalten anleiten oder ihm medizinische Aufschlüsse für eine verantwortungsvolle Lebensführung vermitteln. Ein Verstoß gegen diese Beratungspflicht stellt keine strafrechtlich relevante Aufklärungspflichtverletzung dar587. Zivilrechtlich jedoch begründet ein Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung einen Behandlungsfehler588, der Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann.

4. Die Sorgfalts- und Aufklärungspflichten des Außenseiterarztes Wie gezeigt, besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Methodenfreiheit des Arztes und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Im Folgenden wird daher zunächst dargestellt, welche Faktoren der Arzt bei seiner Entscheidungsfindung zu Gunsten einer bestimmten Methode unter dem Gesichtspunkt der Sorgfalt beachten muss, um danach zu verdeutlichen, worüber er seinen Patienten jeweils aufzuklären hat. Zum Schluss erfolgen dann die Zusammenführung beider Bereiche und die Zusammenfassung der Ergebnisse.

a) Die Wahl der Diagnose- und Behandlungsmethode durch den Außenseiterarzt Rechtsprechung und Schrifttum sind sich im Grundsatz darüber einig589, dass für die Frage der Sachgerechtigkeit der Behandlung der jeweilige medizinische beziehungsweise ärztliche Standard zu berücksichtigen ist. Ob dem Arzt bei der Methodenwahl ein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen ist, beurteilt sich dabei unter dem Blickwinkel des Zeitpunktes der Behandlungsentscheidung (ex-anteBetrachtung)590. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 62, Rn. 1. Laufs, Arztrecht, Rn. 168. 588 Vgl. auch Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Laufs, § 62, Rn. 2. 589 Aus der Rechtsprechung: BGH NJW 1987, S. 1479 f., S. 1480; aus dem Schrifttum: Groß, Die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Haftungs- und Schadensrecht, VersR 1996, S. 657 ff., S. 663; Laufs, Entwicklungslinien des Medizinrechts, NJW 1997, S. 1609 ff., S. 1609. 590 BGH, LM Nr. 48 zu § 222 StGB; Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., S. 216; BGH, JR 1981, S. 499 ff. 586 587

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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Wie bereits festgestellt, stehen sich die Methoden der Schulmedizin und diejenigen, die als Außenseiterverfahren bezeichnet werden, grundsätzlich als gleichwertig gegenüber591. Aus diesem Grund kann es für die Frage, was der jeweilige Standard der Medizin ist, grundsätzlich nur darauf ankommen, was innerhalb der jeweils vertretenen Richtung als der aktuelle Standard angesehen wird. Diese Frage ist daher jeweils getrennt innerhalb der schulmedizinischen Methoden und innerhalb der Außenseitermethoden zu beantworten. Der einzuhaltende ärztliche Standard ist also grundsätzlich anhand der fachbezogenen Binnenanerkennung zu ermitteln592, wobei der dem Arzt eröffnete Spielraum jedoch seine Grenzen in fachimmanenten Vernunftskriterien findet. Der ärztliche Beurteilungsspielraum endet dort, wo allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe und Erkenntnisse nicht beachtet werden593. Unter anderem bedeutet dies, dass der Behandler verpflichtet ist, sowohl die ausdrücklichen Schranken als auch die im konkreten Fall für alle Therapierichtungen gleichermaßen geltenden elementaren Grundsätze einzuhalten594. Der Arzt schuldet dem Patienten danach die Anwendung des Diagnoseverfahrens oder des Therapieverfahrens, das dem jeweiligen Entwicklungsstand der vertretenen medizinischen Richtung genügt. Die zum Zeitpunkt der Behandlung vorhandenen, allgemein anerkannten Basiserkenntnisse und Erfahrungen anderer Therapierichtungen – und hierbei insbesondere der naturwissenschaftlich geprägten Schulmedizin – darf der Behandler dabei jedoch nicht außer Betracht lassen. Die als Alternativen in Betracht kommenden Verfahren der Schulmedizin muss der Außenseiterarzt daher ebenfalls in seine Überlegungen mit einbeziehen595. Entsprechend entschied der BGH bereits im Jahre 1960, dass auch ein Arzt, der im Gegensatz zur so genannten Schulmedizin steht, sich über deren Erfahrungen nicht hinwegsetzen darf. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sich um eine lebensgefährliche Erkrankung handelt596. Wenn vom Arzt gefordert wird, dass er das Diagnose- / Therapieverfahren anwenden muss, das dem jeweiligen Entwicklungsstand der von ihm vertretenen medizinischen Richtung entspricht, so bedeutet dies hingegen nicht, dass der Arzt das jeweils neueste Behandlungskonzept anwenden muss597. Generell gilt, dass Vgl. Kapitel B, Teil III, 1. Vgl. auch Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 233. 593 Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 226. 594 Vgl. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 234. 595 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 80; Jung, Außenseitermethoden und strafrechtliche Haftung, ZStW Band 97 (1985), S. 47 ff. , S. 57. 596 BGH, NJW 1960, S. 2253 f., S. 2253. 597 BGH, NJW 1988, S. 763 ff., S. 764; Laufs, Arztrecht, Rn. 484; OLG Düsseldorf, VersR 1996, S. 755 ff., S. 756; Deutsch, Medizinrecht, Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, Rn. 163 m. w. N. 591 592

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

eine Methode ab dem Zeitpunkt nicht mehr dem einzuhaltenden Qualitätsstandard genügt, ab dem es neue Methoden gibt, die risikoärmer oder für den Patienten weniger belastend sind und / oder bessere Heilungschancen versprechen und in der Medizinischen Wissenschaft im Wesentlichen unumstritten sind598. Da die Methoden der Schulmedizin grundsätzlich keinen Vorrang vor den Verfahren der Außenseitermedizin genießen, ist die Frage, welche Methode nach diesen Grundsätzen vom medizinischen Außenseiter jeweils anzuwenden ist, wiederum zunächst innerhalb des Bereichs der Außenseitermedizin zu beantworten. Der BGH entschied zudem in Bezug auf die Wahl von Operationsmethoden, dass jeder Arzt die Freiheit besitzt, die von ihm anzuwendende Operationsmethode danach auszusuchen, wie sie seiner Ausbildung, Erfahrung und Praxis entspricht. Unter mehreren praktisch gleichwertigen Methoden darf er das nach seinem Ermessen am besten geeignete Verfahren bevorzugen, insbesondere ein solches, für das er die größere Erfahrung besitzt599. Diese Kriterien spielen auch für die Entscheidung des Außenseiterarztes eine Rolle. Des Weiteren gilt, dass der Arzt unter mehreren gleich geeigneten Heilverfahren dasjenige wählen muss, das den Patienten neben dem primär erstrebten Heilerfolg am wenigsten gefährdet oder schädigt, wobei die Anforderungen an die vergleichende Prüfung mit der Gefährlichkeit der Erkrankung steigen600. Der Arzt verstößt somit gegen seine Verpflichtung zur Anwendung der optimalen Heilmethode, wenn er sich für das größere Risiko entscheidet, obwohl unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der spezifischen Vor- und Nachteile der jeweiligen Maßnahme, ein weniger gefährliches Vorgehen den Zweck in gleicher Weise erfüllt hätte601. Zwar muss der Arzt nicht stets den sichersten therapeutischen Weg wählen; ein höheres Risiko muss aber in den besonderen Sachzwängen des konkreten Falls oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden602. Dieser Grundsatz beansprucht sowohl für therapeutische als auch für diagnostische Verfahren Geltung. Umstritten ist jedoch, ob darüber hinaus auch eine Verpflichtung des Arztes zur Anwendung der jeweils wirksamsten Methode existiert:

598 BGH, NJW 1992, S. 754 ff., S. 755; Laufs, Entwicklungslinien des Medizinrechts, NJW 1997, S. 1609 ff., S. 1609. 599 BGH, NJW 1982, 2121 f.; Laufs, Arztrecht, Rn. 484. 600 BGH, NJW 1960, S. 2253 f., S. 2253. 601 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 43; BGH, NJW 1968, S. 1181 ff., S. 1182. 602 BGH, NJW 1987, S. 2927 f., S. 2927.

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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aa) Die Rechtsprechung Bereits vom Reichsgericht wurde die Anwendung einer von der Schulmedizin abweichenden Methode anstatt einer als weitaus überwiegend am wirksamsten anerkannten Methode der Schulmedizin dann nicht beanstandet, wenn der jeweilige – ärztliche oder nicht ärztliche – Behandler sachliche Gründe für die Anwendung der Außenseitermethode hatte. So stellte das Reichsgericht beispielsweise fest, dass die Verpflichtung zur Anwendung des wirksamsten Mittels dann nicht besteht, wenn ein Heilkundiger ein Heilmittel zwar als besonders wirksam gegen die von ihm zu behandelnde Krankheit kennt, von seiner Anwendung aber deshalb Abstand nimmt, weil er hiervon erhebliche anderweitige Gefahren für den Kranken befürchtet oder wenn ihm zwar bekannt ist, dass ein Heilmittel von der ärztlichen Wissenschaft weitaus überwiegend als das wirksamste erachtet wird, wenn er aber seinerseits aus wohlerwogenen Gründen an diese Wirksamkeit nicht glaubt und die scheinbare Wirksamkeit auf andere Umstände – etwa auf eine zeitweise Abschwächung der „Virulenz“ der die Krankheit erzeugenden Bazillen – zurückführt603. Das Reichsgericht ließ also Ausnahmen von der Bindung an die jeweils wirksamste Methode zu, die es auch in späteren Entscheidungen aber weiterhin als Grundsatz annahm604. Der BGH entschied dann in seinem bereits zitierten Urteil aus dem Jahr 1960, dass der Arzt, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass seine Heilmethode nicht ausreicht oder keinen Erfolg zeitigt und gleichzeitig für die Behandlung der Krankheit ein anderes weit verbreitetes und erprobtes Verfahren in Frage kommt, entweder dieses anwenden oder die Behandlung aufgeben und damit sein Möglichstes tun muss, dass der Kranke einer Behandlung mit diesem Verfahren zugeführt wird605. Nach einem weiteren Urteil des BGH aus dem Jahr 1962606, das Bezug nimmt auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen607, gilt, dass eine Bindung an die weitaus überwiegend als die wirksamste eingestufte Methode besteht, soweit nach der Überzeugung des Heilbehandlers im Einzelfall keine sachlichen Gründe gegen deren Anwendung sprechen. Ergebe sich nicht schon hieraus, dass der Arzt oder sonstige Heilbehandler zur Anwendung jenes als am wirksamsten geltenden Mittels oder Verfahrens verpflichtet ist, so hat er das von ihm angewandte Verfahren oder Heilmittel stets auf seine Wirksamkeit zu prüfen und, falls er erkennt, dass es im gegebenen Fall versagt, für die Zuziehung eines anderen Arztes zu sorgen, was nach der Sachlage nur bedeuten kann, dass jenes wirksamste Verfahren anzuwenden ist. 603 604 605 606 607

Vgl. RGSt 64, S. 263 ff., S. 270. Vgl. RGSt 74, S. 60 ff., S. 61. BGH, NJW 1960, S. 2253 f., S. 2253; ebenso BGH, LM Nr. 6 zu § 230 StGB. BGH, LM Nr. 48 zu § 222 StGB. U. a. auf RGSt 64, S. 263 ff., S. 270 und RGSt 67, S. 12 ff., S. 25.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Nach Ansicht des Senats sind diese an den Arzt zu stellenden Forderungen Mindestverpflichtungen, die sich aus der Übernahme der Heilbehandlung auch dann ergeben, wenn er einer bestimmten Richtung angehört und der Kranke dies weiß, ja, wenn der Patient sich gerade aus diesem Grund in die Behandlung des Arztes begeben hat. Denn der Kranke sei sich regelmäßig über die Grenzen eines bestimmten Heilverfahrens nicht im Klaren. Aus einem Urteil des OLG München aus dem Jahr 1989 ergibt sich608, dass der Außenseiterarzt eine Behandlungsmethode dann nicht anwenden darf, wenn er keinerlei Anhaltspunkte für deren Wirksamkeit hat. Dies entschied das Gericht zwar im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung durch einen Heilpraktiker, für den Außenseiterarzt kann jedoch nichts anderes gelten, weil der Grundsatz der Methodenfreiheit sowohl für die Behandlung durch den Heilpraktiker als auch für die Behandlung durch den Außenseiterarzt gilt und der Tatbestand der Körperverletzung in beiden Fällen in der selben Weise betroffen ist. Wegweisend erscheint in diesem Zusammenhang das Urteil des BGH vom 29. 01. 1991609, in dem dieser feststellte, dass für die Frage der Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Wahl einer diagnostischen oder therapeutischen Außenseitermethode entscheidend sei, dass jeder Patient, bei dem eine von der Schulmedizin nicht oder noch nicht anerkannte Methode angewendet wird, innerhalb der durch die §§ 138 BGB, 226a StGB gezogenen Grenzen eigenverantwortlich entscheiden kann, welcher Behandlung er sich unterziehen will. Das Selbstbestimmungsrecht eines um die Tragweite seiner Entscheidung wissenden Patienten schließt die Befugnis ein, jede nicht gegen die guten Sitten verstoßende Behandlungsmethode zu wählen, so dass aus dem Umstand, dass der Heilbehandler den Bereich der Schulmedizin verlassen hat, nicht von vornherein auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden kann610. Auch dieses Urteil betraf zwar einen Heilpraktiker, für den Außenseiterarzt kann jedoch aus den eben genannten Gründen nichts anderes gelten.

bb) Die Literatur Die Literatur lehnt eine starre Bindung des Arztes an die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft wirksamste Methode überwiegend ab611. OLG München, VersR 1991, S. 471 ff., S. 472. BGH, NJW 1991, S. 1535 ff. 610 BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1537; Vgl. auch Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Ulsenheimer, § 139, Rn. 43. 611 Vgl. Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 87; Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., S. 218; Jung, Außenseitermethoden und strafrechtliche Haftung, ZStW Band 97 (1985), S. 47 ff., S. 56; Eser, Medizin und Strafrecht, eine schutzgutorientierte Problemübersicht, ZStW Band 97 (1985), S. 1 ff., S. 12; Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 75 f.; a. A. Laufs, Arztrecht, Rn. 487. 608 609

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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Von Klinger wird gegen eine solche Bindung vorgebracht, dass die Therapiewahl des Arztes in erster Linie auch eine Frage des Selbstbestimmungsrechts ist und damit der Aufklärung des Patienten im konkreten Einzelfall. Lehne der Patient die Behandlung mit eben dieser wirksamsten Methode ab oder ist gerade diese Methode kontraindiziert – beispielsweise aufgrund einer Unverträglichkeit für den Patienten – könnte eine starre Bindung an eine Methode letztendlich auch dahingehend verstanden werden, dass der Kranke in diesem Fall unbehandelt bleiben muss, da konsequenterweise nun die wirksamste Methode nicht zur Anwendung kommen könne612. Ein Heilbehandler soll danach nicht verpflichtet sein, das nach dem augenblicklichen Stand der ärztlichen Wissenschaft wirksamste Verfahren oder Mittel anzuwenden, solange er weder „aus Prinzip“ seine Außenseitermethode „in jedem Fall“ als überlegen ansieht, noch „aus Prinzip“ Methoden und Mittel der Schulmedizin verdammt, sondern vielmehr das Für und Wider verschiedener, in ihrer bekannten Wirksamkeit sogar weit auseinander klaffender Heilverfahren und Heilmittel sachlich gegeneinander abwägt613. Bockelmann, Eser und Siebert vertreten die Ansicht, durch eine Bindung an die wirksamste Methode werde jeglicher medizinische Fortschritt unterbunden, denn das wirksamste Mittel stände, einmal gefunden, ja bereits fest. Eine Beschränkung der Methodenfreiheit des Arztes aus Rechtsgründen, mit der Folge der Hemmnis des medizinischen Fortschritts oder sogar des Stillstandes der Medizin, könne jedoch unter keinen Umständen hingenommen werden614. Zum Teil wird innerhalb der Literatur dann im Weiteren dem Ansatz des Reichsgerichts gefolgt, das die Anwendung einer Außenseitermethode anstelle eines weit überwiegend als besonders wirksam anerkannten Verfahrens unter der Voraussetzung für zulässig erachtet, dass der Behandler hierfür sachliche Gründe hat. Bockelmann verlangt in diesem Zusammenhang „wohlerwogene, rationale, einsehbare Gründe“615. Siebert will dagegen auf das Bestehen sachlicher Gründe für die Entscheidung für ein Außenseiterverfahren ganz verzichten. Der Arzt soll nach dieser Ansicht alle Methoden anwenden dürfen, deren Wirkungslosigkeit nicht erwiesen ist. Nur die Anwendung solcher Methoden, bei denen der Eintritt eines Heilerfolges ausgeschlossen ist, stelle eine Überschreitung der Grenzen der Methodenfreiheit dar. Dieser Maßstab lasse sich aus der Vorschrift des § 226 a StGB herleiten616. Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 75 f. Vgl. Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 78. 614 Vgl. Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 87; Eser, Medizin und Strafrecht, eine schutzgutorientierte Problemübersicht, ZStW Band 97 (1985), S. 1 ff., S. 12; Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., S. 218; a. A. Schmidt, die Grenzen der Therapiefreiheit, NJW 1986, S. 2339 ff., S. 2340. 615 Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 88. 612 613

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

cc) Stellungnahme Eine starre Bindung des Arztes an die wirksamste Methode ist abzulehnen, da dies dem Umstand widersprechen würde, dass im Grundsatz Kurierfreiheit besteht. Diese würde ad absurdum geführt, nähme man eine solche Bindung an, denn sie würde einem Vorrang der Schulmedizin entsprechen, die allein die Vermutung der Richtigkeit aufgrund ihrer praktischen Bewährung beziehungsweise ihres Bestehens in der wissenschaftlichen Diskussion für sich hat617. Auch würde eine solche Bindung den medizinischen Fortschritt lähmen, denn beispielsweise werden in Bezug auf die Akupunktur oder auch Phytotherapie, die beide noch zu den Außenseitermethoden gerechnet werden, zunehmend Erkenntnisse gewonnen, die eine Wirksamkeit dieser Methoden in bestimmten Bereichen belegen. Dies wäre kaum der Fall, hätte man eine starre Bindung an die jeweils wirksamste Methode angenommen und dem Arzt die Auswahl solcher Behandlungsmethoden damit grundsätzlich untersagt. Letztlich ist aber entscheidend, dass die Methodenfreiheit des Arztes begrenzt wird durch das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Der Wille des ausreichend aufgeklärten Patienten ist maßgebend und vorrangig618. Dies wird selbst von Autoren so gesehen, die sich für eine starre Bindung an die als nachweislich am wirksamsten anerkannten Verfahren aussprechen619. Auch der BGH hat in seinem bereits genannten Urteil vom 29. 01. 1991620 klargestellt, dass jeder Patient, bei dem eine von der Schulmedizin nicht oder noch nicht anerkannte Methode angewendet wird, innerhalb der durch die §§ 138 BGB, 226a StGB gezogenen Grenzen eigenverantwortlich entscheiden kann, welcher Behandlung er sich unterziehen will. Entscheidet sich der Patient daher bewusst, das heißt ausreichend aufgeklärt, für eine Außenseitermethode, so ist diese Entscheidung zu respektieren und der Arzt nicht gehindert, die in Aussicht genommene Außenseitermethode anzuwenden. Der Arzt muss sich danach innerhalb des folgenden Rahmens bewegen, wenn er eine Entscheidung für eine Methode treffen will: Er muss anhand der eingangs genannten Kriterien eine Abwägung zwischen den unterschiedlichen in Betracht kommenden Methoden tatsächlich vornehmen und dabei auch die Verfahren und Erkenntnisse der Schulmedizin in seine Überlegungen einbeziehen. Von der Methodenfreiheit nicht gedeckt ist die Anwendung von Methoden, bei denen der Eintritt des Heilerfolgs ausgeschlossen ist. 616 Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., S. 219. 617 Vgl. Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., S. 219; Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 230. 618 Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., S. 218. 619 Vgl. Schmidt, Die Grenzen der Therapiefreiheit, NJW 1986, S. 2339 ff., S. 2341. 620 BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1537.

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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Außerdem muss der Außenseiterarzt, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass das von ihm angewandte Verfahren keine Wirkung zeigt, das bekanntermaßen wirksamere Verfahren anwenden oder dafür sorgen, dass der Patient einer Behandlung mit diesem Verfahren zugeführt wird. Insoweit ist der Rechtsprechung des BGH zu folgen. Im Übrigen muss er den Patienten ausreichend aufklären, damit dieser sich vollständig informiert und damit bewusst für das vom Arzt ausgewählte und vorgeschlagene Verfahren entscheiden kann. Fraglich ist danach der Umfang dieser Aufklärungspflicht.

b) Die Aufklärungspflicht des Außenseiterarztes Im Grundsatz stimmen das Schrifttum und die Rechtsprechung hinsichtlich des Umfangs der Aufklärungspflicht des Arztes überein, wobei einige Autoren im Vergleich zur Rechtsprechung das Selbstbestimmungsrecht des Patienten noch stärker gewichten möchten621. In jedem Fall gilt, dass der Umfang und die Intensität der Aufklärung sich nicht abstrakt bestimmen lassen, sondern an der konkreten Sachlage auszurichten sind622. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass die zur Rechtfertigung des ärztlichen Heileingriffs erforderliche Einwilligung nur dann wirksam erteilt werden kann, wenn der Patient in gebotener Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist623. Im Folgenden soll nun eine Orientierung darüber gegeben werden, auf welche Faktoren sich die Aufklärung durch den Außenseiterarzt beziehen muss. Werden medizinische Außenseitermethoden angewandt, so sind die Aufklärungspflichten des Behandlers deutlich erhöht624. Je angefochtener oder umstrittener eine gewählte Methode, je stärker der Arzt von eingeführten oder als anerkannt geltenden Heilverfahren abweichen möchte, desto weiter reichen die Informationspflichten625. 621 Vgl. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 242 mit Nachweisen. 622 Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Eser, § 223, Rn. 40 c m. w. N; Eser, Medizin und Strafrecht – eine schutzgutorientierte Problemübersicht, ZStW Band 97 (1985),S. 1 ff., S. 21. 623 BGH, NStZ 1996, S. 34 ff., S. 34. 624 Narr, Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung, Band II, B 144; Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 123; Schmid, Die Grenzen der Therapiefreiheit, NJW 1986, S. 2339 ff., S. 2340; Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 253; Jung, Außenseitermethoden und strafrechtliche Haftung, ZStW Band 97 (1985), S. 47 ff., S. 57 f.; i. E. OLG Koblenz, NJW 1996, S. 1600 f., S. 1601. 625 Laufs, Arztrecht, Rn. 489.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Bereits 1931 hat das Reichsgericht entschieden, dass ein Heilkundiger, der bewusst ein anderes als das von der ärztlichen Wissenschaft weitaus überwiegend anerkannte Untersuchungs- und Heilverfahren anwenden will, zumindest verpflichtet ist, den Kranken auf eine Frage, ob nicht ein anderes Verfahren geboten sei oder ein Arzt hinzugezogen werden müsse, dahin aufzuklären hat, dass das von ihm beabsichtigte oder angewendete Verfahren von den Vertretern der ärztlichen Wissenschaft weitaus überwiegend abgelehnt wird626. Später entschied es dann, dass diese Aufklärungspflicht auch dann besteht, wenn der Patient nicht von sich aus nachfragt627. Diesem Ansatz bleibt die Rechtsprechung auch weiterhin treu. So entschied beispielsweise das OLG Koblenz im Jahre 1996, dass den Arzt die Pflicht trifft, den Patienten darüber zu informieren, dass die von ihm vorgeschlagene und zur Behandlung angewendete Außenseitermethode von der Schulmedizin eindeutig abgelehnt wird628. Nach der Ansicht einiger Autoren ist von diesem Grundsatz der Rechtsprechung dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Patient über die Außenseiterstellung des Arztes bereits informiert ist, denn in diesem Fall könne schon die Arztwahl an sich als Bekenntnis des Patienten zur Anwendung von Außenseitermethoden eingestuft werden629. Dieser Ansicht kann aus Gründen des Patientenschutzes jedoch nicht gefolgt werden, denn gerade bei einem auch schulmedizinisch ausgebildeten Außenseiterarzt, der in der Regel neben Außenseitermethoden auch Methoden der Schulmedizin anwenden wird, erschließt sich dem Patienten nicht ohne weiteres, dass dieser in seinem Fall eine Außenseitermethode zur Anwendung bringt. Der Rechtsprechungsansicht gebührt daher der Vorzug. Des Weiteren ist der Mediziner im Falle der Entscheidung für eine Außenseitermethode dazu verpflichtet, in verstärktem Maße über alternative Behandlungsmethoden zu informieren630. Der Arzt hat seinen Patienten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls über die Grundzüge der alternativ in Betracht kommenden schulgemäßen Behandlungsmethoden zu unterrichten631. Damit gewährleistet ist, dass der Außenseiterarzt zusammen mit dem Patienten eine fundierte Entscheidung für eine bestimmte Methode und gegen andere Methoden treffen kann, ist dabei zu fordern, dass ärztliche Anhänger von medizinischen AußenRGSt 67, S. 12 ff., S. 24. RG HRR 1938 Nr. 857. 628 OLG Koblenz, NJW 1996, S. 1600 f., S. 1601; ebenso OLG Stuttgart, Urteil v. 21. 04. 1998, Az. 14 U 25 / 97; so auch Laufs, Entwicklungslinien des Medizinrechts, NJW 1997, S. 1609 ff., S. 1614. 629 Jung, Außenseitermethoden und strafrechtliche Haftung, ZStW Band 97 (1985), S. 47 ff., S. 59; Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, S. 131. 630 BGH, NJW 1978, S. 587 ff., S. 588 f. 631 Vgl. Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 230. 626 627

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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seitermethoden die konkurrierenden Verfahren der Schulmedizin sowie die wissenschaftlichen Grundlagen der eigenen Heilmethode kennen müssen. Die Sachkunde über die Schulmedizin muss dabei so weit gehen, dass der Arzt genau zu wissen hat, wie die Schulmedizin den Kranken im konkreten Einzelfall behandeln würde632. Einem Arzt, der ja schulmedizinisch ausgebildet ist, sind diese Kenntnisse ohne weiteres zuzumuten. Zudem dürften die meisten ärztlichen Außenseiter neben den Außenseitermethoden ohnehin auch schulmedizinische Methoden anwenden, so dass sie mit deren Anwendung vertraut sind. Der Patient muss vom Arzt erfahren, dass633 und warum er von einer möglichen Standardbehandlung abweichen will634. Dies schließt die Information über die üblichen schulmedizinischen Verfahren635 und darüber ein, welche Risiken der Patient eingeht, wenn er die schulmedizinische Behandlung unterlässt636. Gibt es mehrere, gleich Erfolg versprechende Behandlungsverfahren, so muss der Arzt dem Patienten zwar nicht stets alle medizinischen Möglichkeiten darstellen und ihm gegenüber seine Wahl begründen, er ist jedoch verpflichtet, über Alternativen aufzuklären, wenn jeweils unterschiedliche Risiken für den Patienten bestehen, weil diesem die Entscheidung darüber belassen bleiben muss, auf welches er sich einlassen will637. Eine Aufklärung ist aber insoweit entbehrlich, als die anderen, theoretisch in Betracht kommenden ärztlichen Maßnahmen keine besonders ins Gewicht fallenden Vorteile hinsichtlich der Heilungschancen und möglichen Komplikationen derselben Risikogruppe haben und nach medizinischer Erfahrung jedenfalls nicht besser indiziert sind638. Zur ordnungsgemäßen Aufklärung gehört auch, dass der Patient über die Risiken der Methode aufgeklärt wird, die der Arzt anwenden will639. Das OLG Brandenburg entschied im Jahre 2000 auf dem Gebiet des Zivilrechts640: „Dabei gilt, dass die Aufklärung dem Patienten einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen vermitteln muss, die sich für 632 Siebert, Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit, MedR 1983, S. 216 ff., 219; Laufs, Arztrecht, Rn. 485; Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „NichtHeilkundigen“, S. 211 f. m. w. N. 633 Vgl. auch OLG Koblenz, NJW 1996, S. 1600 f., S. 1601. 634 Jung, Außenseitermethoden und strafrechtliche Haftung, ZStW Band 97 (1985), S. 47 ff., S. 58. 635 Schmid, Die Grenzen der Therapiefreiheit, NJW 1986, S. 2339 ff., S. 2340. 636 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 124; Jung, Außenseitermethoden und strafrechtliche Haftung, ZStW Band 97 (1985), S. 47 ff., S. 58. 637 BGH, NStZ 1996, S. 34 f., S. 34; Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 127 mit Hinweis auf BGH, Urteil v. 24. 11. 1987 – VI ZR 65 / 87. 638 BGH, VersR 1986, S. 342 ff., S. 343; BGH, VersR 1988, S. 179 ff., S. 180. 639 BGH, NJW 1963, S. 393 ff., S. 394; Jung, Außenseitermethoden und strafrechtliche Haftung, ZStW Band 97 (1985), S. 47 ff., S. 58; Deutsch / Matthies, Arzthaftungsrecht: Grundlagen, Rechtsprechung, Gutachter- und Schlichtungsstellen, S. 49. 640 OLG Brandenburg, NJW 2000, S. 389 ff.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

seine körperliche Integrität und seine Lebensführung – insoweit unter besonderer Berücksichtigung die Lebensführung nachhaltig und anhaltend beeinträchtigender Risiken – aus dem Eingriff ergeben können. Es geht darum, dem Patienten aufzuzeigen, welcher Art und Schwere der vorgesehene Eingriff ist und welche Folgen für ihn persönlich daraus resultieren. Nicht zuletzt müssen ihm mögliche Belastungen für seine künftige Lebensführung deutlich werden. Über die mit dem Eingriff verbundenen Gefahren ist, selbst, wenn sie sich nur selten realisieren, dann aufzuklären, wenn daraus gegebenenfalls eine erhebliche Belastung für den Patienten erwächst und das Risiko für den geplanten Eingriff trotz seiner Seltenheit spezifisch und für den Laien überraschend ist“641.

Dabei brauchen die Risiken grundsätzlich nicht in allen Details beschrieben, sondern lediglich in groben Zügen erkennbar gemacht zu werden642, der Patient muss im Großen und Ganzen wissen, worin er einwilligt643. Jedoch gilt auch, dass die Aufklärungspflicht umso weiter geht, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten als dringend geboten erscheint644. Bei der Anwendung von Außenseitermethoden muss der Arzt zudem nur über solche Gefahren aufklären, die für ihn im Bereich des Möglichen liegen645. Das Maß der erforderlichen Aufklärung kann im Einzelfall dadurch begrenzt sein, dass der Patient selbst bereits vorab in ausreichendem Umfang informiert war. Einen bereits informierten oder instruierten Patienten braucht der Arzt nicht mehr aufzuklären646. Auch darf der Arzt in Bezug auf Risiken, die jedermann allgemein bekannt sein müssten, erwarten, dass der Patient nachfragt, wenn er weitere Erläuterungen wünscht647. Als Beispiele für ärztliche Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit den Risiken von Außenseiterverfahren seien zwei Entscheidungen aus der jüngeren Zeit genannt, die das Verfahren der Chiropraktik betreffen: So wurde entschieden, dass bei chiropraktischer Behandlung im Schulter- / Nackenbereich über das seltene Risiko vaskulärer Komplikationen aufzuklären sei648. Auch sei ein durch Bandscheibenvorfall vorgeschädigter Patient darüber aufzuklären, dass eine beabsichtigte Chirotherapie zu einer unvermeidbaren Bandscheibenoperation führen kann649. In beiden Fällen handelt es sich zwar um zivilOLG Brandenburg, NJW 2000, S. 389 ff., S. 399. BGH, NJW 1984, S. 1397 ff., S. 1398; Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Eser, § 223, Rn. 41 c m. w. N. 643 BGH, NJW 1963, S. 393 ff., S. 394. 644 Vgl. LG Landau, VersR 1987, S. 1102; BGH, NJW 1972, S. 335 ff., S. 337; Laufs, Arztrecht, Rn. 198; Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Eser, § 223, Rn. 40 c m. w. N. 645 BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1538. 646 BGH, VersR 1961, S. 1036 ff., S. 1038; Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Eser, § 223, Rn. 42; Laufs, Arztrecht, Rn. 208. 647 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 118 mit Hinweis auf OLG Frankfurt, Urteil v. 01. 02. 1990 – 1 U 72 / 87. 648 OLG Düsseldorf, MedR 1994, S. 67. 641 642

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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gerichtliche Entscheidungen, jedoch gilt sowohl im Zivilrecht als auch im Strafrecht hinsichtlich der Anforderungen an die ärztliche Aufklärungspflicht ein objektiver Maßstab, so dass die Grundsätze der Zivilgerichte in die strafrechtliche Beurteilung übertragen werden können650. Ebenfalls zur ordnungsgemäßen Aufklärung gehört nach h. M. grundsätzlich die Aufklärung über die Diagnose651. Der Patient muss erfahren, dass er krank ist und an welcher Krankheit er leidet652. Einschränkungen können sich aber insoweit ergeben, als die Aufklärung zu einer Gefährdung des Patienten führen könnte, die schwerer wiegt als die Beeinträchtigung seines Selbstbestimmungsrechts (so genanntes „therapeutisches Privileg“)653. Im Zusammenhang mit der Anwendung der Augen- und Pendeldiagnose entschied das Reichsgericht im Jahre 1932 auf dem Gebiet des Strafrechts, dass der Patient bei Behandlung durch einen Arzt oder Naturheilkundigen auch bei schweren Erkrankungen wie Krebs das Interesse und den Anspruch habe, von dem Heilbehandler wahrheitsgemäß über die Natur seines Leidens informiert zu werden. Nur dann könne er sachgemäß darüber entscheiden, ob er sich überhaupt einer Heilbehandlung und welcher er sich unterziehen will, ob er insbesondere weiter den Lehren und der Behandlungsweise der Naturheilkunde vertrauen oder noch einen Arzt befragen möchte. Volle Aufklärung sei vornehmlich geboten, wenn sie zu Heilzwecken erforderlich erscheint. Gerade bei einem Naturheilkundigen könne die Pflicht zur Angabe der vollen Wahrheit, auch über den Ernst des Leidens, besonders dringend sein, weil er nur dann vom Kranken eine so peinliche Befolgung seiner naturheilkundlichen Vorschriften erwarten könne, wie sie auch nach seiner Lehre erforderlich ist, damit nicht jede Aussicht auf Erfolg schwindet654. Die Gerichte nehmen in der neueren Zeit nur sehr zurückhaltend eine Einschränkung der Aufklärungspflichten an655. c) Zusammenfassung Damit der Außenseiterarzt seiner Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Auswahl des Diagnose- oder Therapieverfahrens gerecht wird sowie seiner im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten stehenden Aufklärungspflicht, muss er auf der Grundlage der hier vertretenen Ansicht Folgendes beachten: OLG Stuttgart, VersR 1998, S. 637. Vgl. auch Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 113. 651 Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Eser, § 223, Rn. 41 d mit Nachweisen; Cramer, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 116. 652 Laufs, Arztrecht, Rn. 202. 653 Zum Meinungsstand im Einzelnen vgl. Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Eser, § 223, Rn. 42 mit Nachweisen. 654 RGSt 66, S. 181 ff., S. 182. 649 650

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

 Grundsätzlich genießen die von der Schulmedizin anerkannten Verfahren keinen Vorrang vor den Verfahren der Außenseitermedizin, daher darf der Außenseiterarzt sich grundsätzlich frei für ein solches Außenseiterverfahren entscheiden.  Dabei muss er dafür Sorge tragen, dass das von ihm gewählte Verfahren den auf dem Gebiet der Außenseitermethoden aktuellen medizinischen Standard darstellt.  Stehen verschiedene, gleichwertige Verfahren zur Verfügung, so muss sich der Außenseiterarzt grundsätzlich für dasjenige entscheiden, das mit den geringsten Risiken für den Patienten verbunden ist und diesem voraussichtlich am wenigsten schaden wird. Unter mehreren praktisch gleichwertigen Methoden darf er unter Berücksichtigung dieser Faktoren das nach seinem Ermessen am besten geeignete Verfahren bevorzugen, insbesondere ein solches, für das er die größere Erfahrung besitzt und das am besten seiner Ausbildung und Praxis entspricht. Entscheidet sich der Arzt für die vergleichsweise risikoreichere Methode, so muss dieses höhere Risiko in den besonderen Sachzwängen des konkreten Falls oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden.  Eine Bindung an das wirksamste Verfahren besteht grundsätzlich nicht. Der Außenseiterarzt darf jedoch solche Methoden nicht anwenden, die den Heilerfolg nicht herbeizuführen in der Lage sind. Erkennt er oder muss er erkennen, dass das von ihm angewandte Verfahren keine Wirkung zeigt, muss er entweder das bekanntermaßen wirksamere Verfahren selbst anwenden oder dafür sorgen, dass der Patient diesem Verfahren zugeführt wird. In einem solchen Fall kann es daher angezeigt sein, ein Verfahren der Schulmedizin anzuwenden oder dafür zu sorgen, dass der Patient einem anderen Behandler zugeführt wird, der dieses anwendet. Aus diesem Grund muss der Außenseiterarzt in seine vergleichende Abwägung der unterschiedlichen Verfahren auch solche der Schulmedizin einbeziehen, die im konkreten Fall in Betracht kämen.  Allgemein gilt der Grundsatz, dass jeder Patient, bei dem eine von der Schulmedizin nicht oder noch nicht anerkannte Methode angewendet wird, innerhalb der durch die §§ 138 BGB, 226a StGB gezogenen Grenzen eigenverantwortlich entscheiden kann, welcher Behandlung er sich unterziehen will. Das Selbstbestimmungsrecht eines um die Tragweite seiner Entscheidung wissenden Patienten schließt die Befugnis ein, jede nicht gegen die guten Sitten verstoßende Behandlungsmethode zu wählen.  Will der Außenseiterarzt ein Außenseiterverfahren zur Anwendung bringen, dann muss er seinen Patienten vorher darüber informieren, dass und warum er von einer Standardbehandlung abweichen will.  Der Arzt ist in einem solchen Fall verpflichtet, seinen Patienten in verstärktem Maße über die Verfahren der Schulmedizin zu informieren, die als Alternative zu dem von ihm in Aussicht genommenen in Betracht kämen. Der Arzt hat seinen Patienten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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über die Grundzüge der alternativ in Betracht kommenden schulgemäßen Behandlungsmethoden zu unterrichten. Dazu muss er genau wissen, wie die Schulmedizin den Kranken im konkreten Fall behandeln würde. Gibt es mehrere, gleich Erfolg versprechende Behandlungsverfahren, so muss der Arzt dem Patienten zwar nicht stets alle medizinischen Möglichkeiten und deren Risiken darstellen und ihm gegenüber seine Wahl begründen, er ist jedoch verpflichtet, über Alternativen aufzuklären, wenn jeweils unterschiedliche Risiken für den Patienten bestehen.  Außerdem muss der Arzt über die Risiken informieren, die mit der gewählten Außenseitermethode verbunden sind. Dabei brauchen die Risiken grundsätzlich nicht in allen Details beschrieben, sondern lediglich in groben Zügen erkennbar gemacht zu werden. Der Patient muss einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen erhalten, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können. Es gilt, dass die Aufklärungspflicht umso weiter geht, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten als dringend geboten erscheint. Der Arzt muss jedoch nur über solche Gefahren aufklären, die für ihn im Bereich des Möglichen liegen.  Grundsätzlich muss der Arzt seinen Patienten über die von ihm angenommene Diagnose aufklären. Einschränkungen können sich insoweit ergeben, als die Aufklärung zu einer Gefährdung des Patienten führen könnte, die schwerer wiegt als die Beeinträchtigung seines Selbstbestimmungsrechts.  Das Maß der erforderlichen Aufklärung kann im Einzelfall dadurch begrenzt sein, dass der Patient selbst bereits vorab in ausreichendem Umfang informiert war. Einen bereits informierten oder instruierten Patienten braucht der Arzt nicht mehr aufzuklären. Auch darf der Arzt in Bezug auf Risiken, die jedermann allgemein bekannt sein müssten, erwarten, dass der Patient nachfragt, wenn er weitere Erläuterungen wünscht.

5. Die Sorgfalts- und Aufklärungspflichten des Heilpraktikers Grundsätzlich werden weder die Therapiefreiheit noch das Selbstbestimmungsrecht des Patienten dadurch im Sinne eines „Weniger“ tangiert, dass der Behandler kein Arzt ist. Dies ergibt sich daraus, dass die Therapiefreiheit auch dem Heilpraktiker zusteht656 und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten bei der Behandlung durch einen Heilpraktiker nicht weniger geschützt sein darf als bei der Behandlung durch einen Arzt. Schließlich hat die durch den Heilpraktiker durchgeführte Heilbehandlung im gleichen Umfang wie die ärztliche Heilbehandlung Relevanz im 655

Vgl. Laufs, Arztrecht, Rn. 203 mit Nachweisen.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Hinblick auf eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung oder Tötung. Der Heilpraktiker muss im Hinblick auf die Entscheidung für oder gegen eine Behandlungsmethode und im Hinblick auf die Aufklärung seines Patienten daher grundsätzlich dieselben Kriterien beachten wie der Außenseiterarzt657. Da sich das Berufsbild des Heilpraktikers und das des Arztes vor allem in Bezug auf die Ausbildung aber gravierend unterscheiden, ist fraglich, ob und gegebenenfalls inwieweit für den Heilpraktiker Besonderheiten gelten. Soweit im Folgenden nicht auf Besonderheiten eingegangen wird, gelten die bereits zum Außenseiterarzt getroffenen Feststellungen zur Wahl der Behandlungsmethode und zu den Aufklärungspflichten aus den vorstehend genannten Gründen entsprechend für den Heilpraktiker658. An die nachfolgende Untersuchung der Besonderheiten schließt sich – ebenso wie beim Außenseiterarzt geschehen – im weiteren Verlauf die Zusammenfassung der Ergebnisse an.

a) Besonderheiten bei der Wahl der Diagnoseund Behandlungsmethode durch den Heilpraktiker Was die Wahl der Behandlungsmethode durch den Außenseiterarzt angeht, wurde als Ergebnis u. a. festgehalten, dass dieser die von ihm angewandten Methoden auch mit denjenigen der Schulmedizin vergleichen muss, die im konkreten Fall als Alternative in Betracht kommen. Dazu müsse er auch genau wissen, wie diese Verfahren angewendet werden. Außerdem müsse er ein als weitaus am wirksamsten anerkanntes Verfahren der Schulmedizin dann anwenden oder dafür sorgen, dass der Patient einer entsprechenden Behandlung zugeführt wird, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass das von ihm gewählte Verfahren nicht geeignet ist, den Heilerfolg herbeizuführen659. Allgemein gelte dabei der Grundsatz, dass jeder Patient, bei dem eine von der Schulmedizin nicht oder noch nicht anerkannte Methode angewendet wird, innerhalb der durch die §§ 138 BGB, 226a StGB gezogenen Grenzen eigenverantwortlich entscheiden kann, welcher Behandlung er sich unterziehen will. Das Selbstbestimmungsrecht eines um die Tragweite seiner Entscheidung wissenden Patienten schließt die Befugnis ein, jede nicht gegen die guten Sitten verstoßende Behandlungsmethode zu wählen. Angesichts des Umstandes, dass der Heilpraktiker keine schulmedizinische Ausbildung durchlaufen hat, stellt sich die Frage, ob und welche Besonderheiten hier gelten müssen. Fraglich sind in concreto die vom Heilpraktiker zu fordernden Kenntnisse und Fähigkeiten hinsichtlich der Erkenntnisse und Verfahren der Schul656 657 658

Vgl. erneut Kapitel B, Teil III, 1. Vgl. dazu erneut Kapitel B, Teil III, 4. Vgl. dazu Kapitel B, Teil III, 4, c).

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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medizin. Der Meinungsstand zu dieser Frage wurde bereits dargestellt660 und die folgende Ansicht vertreten:  Soweit es um auch von Ärzten angewandte invasive Alternativmethoden oder solche auch von Ärzten angewandte Alternativmethoden geht, mit deren Anwendung vergleichbar große Gefahren verbunden sind, bildet hinsichtlich des beim Heilpraktiker vorauszusetzenden Wissens und Könnens der Allgemeinarzt den Vergleichsmaßstab, der diese Methoden ebenfalls anwendet. Dies bedeutet, dass der Heilpraktiker sich in Bezug auf diese Methoden genauso umfassend ausbilden und auf dem neuesten Stand halten muss wie der Allgemeinarzt. Der Heilpraktiker muss daher einschlägige Fachzeitschriften lesen und sich außerdem auch über die schulmedizinischen Verfahren und deren Risiken und Chancen informieren und informiert halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Um diesen Anforderungen insgesamt gerecht werden zu können, wird der Heilpraktiker im Ergebnis eine umfassende Ausbildung durchlaufen müssen und muss er bei der Fortbildung auch die Zeitschriften berücksichtigen, die sich an Allgemeinmediziner wenden und die genannten Verfahren betreffen661.  Soweit es um Methoden geht, deren Anwendung keine solchen Gefahren mit sich bringt, die mit denen von invasiven Methoden vergleichbar sind und die auch von Allgemeinärzten angewandt werden, oder um solche Methoden, die nur von Heilpraktikern angewendet werden, bildet der gewissenhafte Heilpraktiker den Maßstab. Gewissenhaft ist der Heilpraktiker, der die Kenntnisse aufweist, die ein Heilpraktiker haben muss, der an einer Verbandsschule eine umfassende Ausbildung durchlaufen hat und der sich entsprechend den Vorgaben der Berufsordnung fortbildet. Auch hier gilt, dass der Heilpraktiker einschlägige Fachzeitschriften lesen muss, um sich auf dem neuesten Stand zu halten. Er muss sich stetig über die Grundlagen und Fortschritte der Heilkunde nach bestem Können auf dem Laufenden halten und darf sich neuen Lehren und Erfahrungen der Heilkunde nicht verschließen. Außerdem muss er sich aber auch über die schulmedizinischen Verfahren und deren Risiken und Chancen informieren und informiert halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Dazu muss er seine Lektüre auch auf solche Zeitschriften ausdehnen, die sich an Allgemeinärzte wenden662.

Auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Wissens ergibt sich, dass der Heilpraktiker bei seiner Entscheidung für eine Behandlungsmethode diejenigen Methoden der Schulmedizin in seine Überlegung mit einbeziehen muss, die als Alternativen zu den von ihm angewandten Außenseiterverfahren in Betracht kommen. Er muss sowohl deren Chancen als auch deren Risiken kennen. 659 660 661

Vgl. erneut Kapitel B, Teil III, 4. c). Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3. Vgl. im Einzelnen Kapitel B, Teil II, 3, c).

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Fraglich ist dann nur noch, ob vom Heilpraktiker die Anwendung eines weitaus überwiegend als besonders wirksam anerkannten Verfahrens verlangt werden kann, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass sein Heilverfahren nicht geeignet ist, den Heilerfolg herbeizuführen. Diesbezüglich gilt, dass vom Heilpraktiker, der hinsichtlich der Anwendung der Verfahren der Schulmedizin nicht ausgebildet ist, nicht verlangt werden kann, diese Verfahren anzuwenden. Dies würde auch eine erhöhte Gefahr für den Patienten bedeuten, da der Heilpraktiker die zur Anwendung dieses Verfahrens erforderliche Sachkenntnis nicht besitzt. Daher kann vom Heilpraktiker – insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des BGH663 – nur gefordert werden, dass er dafür Sorge trägt, dass sein Patient einer solchen Behandlung mit diesem Verfahren zugeführt wird664. Wie für den Außenseiterarzt so gilt auch für den Heilpraktiker, dass er eine Behandlungsmethode dann nicht anwenden darf, wenn er keinerlei Anhaltspunkte für deren Wirksamkeit hat665. Das OLG München entschied in seinem auch bereits oben zitierten666 Urteil aus dem Jahr 1989667 , das einen Heilpraktiker betraf, des Weiteren, dass dabei jedoch nicht mit den Maßstäben der Fachmedizin gemessen werden darf. Wer sich in die Behandlung eines Heilpraktikers begebe, wünsche ja gerade eine Therapie jenseits der üblichen Methoden der Fachmedizin. Da die Fachmedizin als wirksam erkannte Heilmethoden selbst anwende, lege der Patient eines Heilpraktikers Wert auf solche Behandlungsmethoden, deren Wirksamkeit von der Fachmedizin nicht oder nur zum Teil anerkannt wird668. Wo die genaue Grenze zwischen den Therapiemethoden verläuft, die auch ein Heilpraktiker nicht mehr anwenden darf und denjenigen, die er noch anwenden darf, ließ das Gericht offen. Es stellte jedoch fest, dass der Beklagte im zu entscheidenden Fall konkrete Anhaltspunkte dafür hatte, dass die von ihm vorgenommene Behandlung dem Patienten zumindest vorübergehende Linderung seines Leidens und eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs bringen konnte669. Das Gericht ging im Ergebnis somit davon aus, dass die Wirkungslosigkeit des angewandten Verfahrens nicht feststand, sondern es ausreichende Anhaltspunkte für die Wirksamkeit gab, so dass dieses Verfahren daher angewendet werden durfte. Grenzen der Therapiefreiheit des Heilpraktikers ergeben sich nach der Ansicht des Gerichts nur daraus, dass er keine dem Patienten schädlichen Heilmittel verwenden und wissentlich keine völlig wirkungslosen Heilmittel verabreichen Vgl. im Einzelnen Kapitel B, Teil II, 3, c). RGSt 64, S. 263 ff., S. 271; RGSt 67, S. 12 ff., S. 25; BGH, NJW 1960, S. 2253 f., S. 2253. 664 So auch OLG München, VersR 1991, S. 471 ff., S. 472. 665 OLG Stuttgart, Urteil v. 21. 04. 1998, Az. 14 U 25 / 97; OLG München, Urteil v. 26. 04. 1989, Az. 27 U 68 / 88. 666 Vgl. erneut Kapitel B, Teil III, 4, a), aa). 667 OLG München, VersR 1991, S. 471 ff. 668 OLG München, VersR 1991, S. 471 ff., S. 472. 662 663

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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darf670. Außerdem betonte es, dass der Patient sich im zu entscheidenden Fall im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts bewusst für die Anwendung eines Außenseiterverfahrens entschieden hatte. Auch an dieser Entscheidung wird wieder deutlich, dass die Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten letztlich die entscheidende Rolle spielt. Es ist daher zu untersuchen, ob und gegebenenfalls welche Besonderheiten hinsichtlich der Aufklärungspflichten des Heilpraktikers gelten.

b) Besonderheiten bei den Aufklärungspflichten des Heilpraktikers Über die an den Heilpraktiker hinsichtlich der Aufklärung seines Patienten zu stellenden Anforderungen besteht keine Einigkeit. Dies ist dadurch begründet, dass in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Anforderungen an das Wissen und die Kenntnisse des Heilpraktikers gestellt werden. Der Meinungsstand zu dieser Frage wurde bereits dargestellt671. Dennoch soll auf die verschiedenen Meinungsströmungen an dieser Stelle insoweit erneut eingegangen werden, als explizit zum Umfang der Aufklärungspflichten des Heilpraktikers Stellung bezogen wird.

aa) Die Rechtsprechung Das Reichsgericht entschied 1931, dass ein Heilkundiger, der bewusst ein anderes als das von der ärztlichen Wissenschaft weitaus überwiegend anerkannte Untersuchungs- und Heilverfahren anwenden will, zumindest verpflichtet ist, den Kranken auf eine Frage, ob nicht ein anderes Verfahren geboten sei oder ein Arzt hinzugezogen werden müsse, dahin aufzuklären, dass das von ihm beabsichtigte oder angewendete Verfahren von den Vertretern der ärztlichen Wissenschaft weitaus überwiegend abgelehnt wird672. Später entschied es dann, dass diese Aufklärungspflicht auch dann besteht, wenn der Patient nicht von sich aus nachfragt673. Hinsichtlich der Diagnoseaufklärung im Zusammenhang mit der Anwendung von Außenseitermethoden ergeben sich für das Gebiet des Strafrechts – soweit ersichtlich – lediglich aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts Anforderungen an den Heilpraktiker. Das Reichsgericht entschied, dass der Kranke auch bei schweren Erkrankungen wie Krebs ein Interesse und einen Anspruch habe, von dem Heilbehandler (Arzt oder Naturheilkundiger), dem er sich anvertraut, wahrheitsgemäß über die Natur seines Leidens unterrichtet zu werden674. Grundsätzlich hat der 669 670 671 672 673

OLG München, VersR 1991, S. 471 ff., S. 472. OLG München, VersR 1991, S. 471 ff., S. 473. Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3. RGSt 67, S. 12 ff., S. 24. RG HRR 1938 Nr. 857.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Heilpraktiker den Patienten also in vollem Umfang über die von ihm gestellte Diagnose aufzuklären. Aus den Urteilen der neueren Zeit ist zu entnehmen, dass die Aufklärungspflichten des Heilpraktikers nach der Auffassung der Obergerichte ganz allgemein grundsätzlich nicht geringer sind als diejenigen der Ärzte675. Allerdings wird dieser Grundsatz insoweit wieder eingeschränkt, als der Heilpraktiker nicht dazu verpflichtet sein soll, einen Patienten, der sich ersichtlich von der Schulmedizin abwendet, darauf hinzuweisen, dass die von ihm angewandte Methode von der Schulmedizin abgelehnt wird und es sich mithin um eine Außenseitermethode handelt676. Das OLG München hat in seinem Urteil aus dem Jahr 1989 sehr weitgehend angenommen, dass derjenige, der sich in die Behandlung eines Heilpraktikers begibt, gerade eine Therapie jenseits der üblichen Methoden der Fachmedizin wünscht. Eine Hinweispflicht des Heilpraktikers auf die aus fachmedizinischer Sicht unzureichende Erfolgskontrolle seiner Heilmethoden bestehe infolgedessen nicht677. Nach diesem Urteil entfällt also eine Aufklärungspflicht darüber, dass der Heilpraktiker eine Außenseitermethode anwenden will bereits deshalb, weil derjenige, der sich an einen Heilpraktiker wendet, hierauf eingestellt ist und gerade auf die Anwendung von Außenseitermethoden Wert legt. Allgemein gilt hinsichtlich der Aufklärungspflichten des Heilpraktikers nach der neueren Rechtsprechung, dass diese insoweit denjenigen des Allgemeinarztes entsprechen, wie invasive Methoden zur Anwendung gelangen678. Auf der Grundlage des danach vorauszusetzenden Wissens muss der Heilpraktiker demnach über Chancen und Risiken des von ihm angewandten Verfahrens aufklären und die als Alternativen in Betracht kommenden Verfahren der Schulmedizin vorstellen wie auch deren Chancen und Risiken. Im Übrigen kann nur auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückgegriffen werden, das in Bezug auf das vom Heilpraktiker zu fordernde Wissen den gewissenhaften Berufskollegen des Heilpraktikers zum Maßstab nimmt, ohne diesen jedoch genau zu definieren679.

bb) Die Ansichten in der Literatur Innerhalb der Literatur werden im Hinblick auf die Aufklärungspflichten des Heilpraktikers unterschiedliche Ansichten vertreten. Das Meinungsspektrum reicht RGSt 66, S. 181 ff., S. 182. Vgl. BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1538; OLG Hamm, VersR 1987, S. 1019. 676 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 21. 04. 1998, Az. 14 U 25 / 97; OLG München, Urteil v. 12. 02. 1998, Az. 1 U 5001 / 97 jeweils unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1991, S. 1535 ff. 677 OLG München, VersR 1991, S. 471 ff., S. 472. 678 Vgl. auch Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 234; BGH, NJW 1991, S. 1535 ff. 674 675

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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von der mehr oder weniger umfangreichen Einschränkung der Aufklärungspflichten des Heilpraktikers über alternativ in Betracht kommende Methoden der Schulmedizin über an den Besonderheiten des Berufsstandes des Heilpraktikers orientierte Auffassungen bis hin zu der Ansicht, an den Heilpraktiker seien im Bezug auf die Aufklärung grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu stellen wie an den Arzt. Im Einzelnen werden die folgenden Auffassungen vertreten: (1) Meyer-George sieht hinsichtlich der Aufklärungspflichten des Heilpraktikers gegenüber den Pflichten des Arztes nur insoweit Besonderheiten, als sie den Heilpraktiker als nicht dazu verpflichtet ansieht, den Patienten darüber zu informieren, wie dieser im konkreten Fall nach den Regeln der Schulmedizin behandelt würde. Der Patient, der sich zum Heilpraktiker begibt, verlange diese Kenntnisse auch nicht von diesem. Wenn er wissen wollte, wie sein Leiden von einem Arzt behandelt würde, würde er sich an einen solchen wenden680. (2) Taupitz spricht sich ebenfalls gegen einen Gleichlauf der Aufklärungspflichten von Arzt und Heilpraktiker aus. Der Heilpraktiker habe nur über solche Gefahren und Behandlungsalternativen aufzuklären, die ihm selbst nach seinem Fachwissen bekannt sein müssen. Andernfalls verlange man eine Aufklärung des Heilpraktikers über Dinge, die er selbst nicht weiß und auch nicht zu wissen braucht. Der Heilpraktiker müsse über Risiken und in Betracht kommende Behandlungsalternativen der Schulmedizin aufklären, die er nach dem Wissensstand eines gewissenhaften Heilpraktikers kennen muss681. (3) Cramer sieht den Heilpraktiker als verpflichtet an, den Patienten darüber aufzuklären, dass sich die von ihm praktizierten Methoden von einer schulmedizinischen Behandlung unterscheiden. Außerdem soll er dem Patienten die im Einzelfall maßgeblichen Besonderheiten erläutern müssen682. Da sich der Heilpraktiker nicht als „Mini-Arzt“ betrachte, sondern als Alternative zur herkömmlichen Medizin, ergebe sich, dass eine detaillierte Aufklärung über Methoden der Schulmedizin, die als Alternativen zu der von ihm jeweils in Aussicht genommenen Methode in Betracht kommen, nicht von ihm verlangt werden könne. Allerdings müsse vom sorgfältigen Heilpraktiker erwartet werden können, die Möglichkeiten der schulmedizinischen Behandlung in ihren Grundzügen darzustellen, um dem Patienten die Wahlmöglichkeit zu verdeutlichen683. In den Fällen, in denen ein Patient nach erfolgloser ärztlicher Behandlung einen Heilpraktiker aufsucht, können nach Ansicht Cramers die Anforderungen an die Aufklärung über Behandlungsalternativen geringer sein, da der Heilpraktiker dann erkennen und

Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, Nr. 3, a). Meyer-George, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, S. 124. 681 Taupitz, Der Heilpraktiker aus der Sicht des Haftungsrechts: „Arzt“, „Mini-Arzt“ oder „Laie“?, NJW 1991, S. 1505 ff., S. 1510. 682 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 95. 679 680

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

darauf vertrauen könne, dass eine schulmedizinische Behandlung nicht mehr gewünscht wird. Diese Erleichterung könne jedoch nur gelten, wenn der Patient den sicheren Eindruck seiner Informiertheit vermittelt684. Im Übrigen nimmt Cramer dann eine an den Besonderheiten des Berufsbildes des Heilpraktikers orientierte Modifizierung der Aufklärungspflichten des Heilpraktikers vor. Hinsichtlich der Risiken, die mit der Anwendung der in Aussicht genommenen Methode verbunden sind, vertritt Cramer den Standpunkt, dass der Heilpraktiker den Patienten darauf hinweisen muss, dass er zu einer vollständigen Aufklärung über mögliche Risiken nicht in der Lage ist. Dies hält sie deshalb für erforderlich, weil die möglichen Risiken, durch die Behandlung mit einer Außenseitermethode einen Schaden zu erleiden, viel höher seien, da sich bei ungesicherten Methoden besondere Gefahren u. U. nicht so rechtzeitig erkennen lassen, dass ihre Realisierung vermieden werden könnte685. Im Übrigen gelte der Grundsatz, dass die Informationspflichten des Arztes desto weiter reichen, je angefochtener oder umstrittener eine gewählte Methode ist, in noch umfassenderem Maß für den Heilpraktiker686. Cramer erweitert die Aufklärungspflichten darüber hinausgehend, indem sie den Heilpraktiker dazu für verpflichtet hält, den Patienten über die Besonderheiten seines Berufsstandes aufzuklären. Der Patient müsse über die Art der Ausbildung und die damit verbundenen besonderen Risiken und über die gesetzlichen und technischen Grenzen einer Behandlung durch den Heilpraktiker aufgeklärt werden, weil der Patient hierüber häufig nicht informiert sei, was dazu führe, dass der Patient ohne weitere Erläuterungen die möglichen Gefahren einer Behandlung gar nicht erkennen könne687. Es könne nicht schlechthin vorausgesetzt werden, dass der Patient über die Besonderheiten des Berufsstandes der Heilpraktiker informiert ist688. Es müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Eingriff des Heilpraktikers schon wegen dessen Person besondere Risiken birgt, weil er aufgrund seiner Ausbildung nicht in der Lage sein kann, besondere Gefahren zutreffend zu bewerten689. Der Patient müsse darauf hingewiesen werden, dass er sich einem nicht akademischen Heiler gegenübersieht, mit der Folge besonderer, in der Ausbildung begründeter Risiken690. 683 Cramer, Strafrechtliche Heilpraktiker, S. 103 f. 684 Cramer, Strafrechtliche Heilpraktiker, S. 105. 685 Cramer, Strafrechtliche Heilpraktiker, S. 107. 686 Cramer, Strafrechtliche Heilpraktiker, S. 109. 687 Cramer, Strafrechtliche Heilpraktiker, S. 95. 688 Cramer, Strafrechtliche Heilpraktiker, S. 109.

Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

175

Auch sei der Patient darüber aufzuklären, dass der Heilpraktiker zu seiner Berufsausübung eine Zulassung benötigt, die jedoch grundsätzlich noch nichts über die Qualifikation des Heilpraktikers aussagt, sondern nur die generelle Berechtigung zur Ausübung der Heilkunde darstellt. Soweit der konkrete Fall dazu Anlass bietet, müsse der Heilpraktiker außerdem darüber informieren, dass die Behandlung bestimmter Krankheiten gesetzlich bestimmten Personengruppen vorbehalten ist691. (4) Ehlers vertritt die Ansicht, der Heilpraktiker sei im selben Umfang zur Aufklärung des Patienten verpflichtet wie der Allgemeinarzt692. Der Umfang der Aufklärung müsse sich, da Aufklärung und Einwilligung Aspekte der Rechtswidrigkeit seien, konsequenterweise nach Kriterien richten, die nicht in der Person des Aufklärenden begründet sind. Die Ansicht von Taupitz lehnt Ehlers aus diesem Grunde ab693. Unabhängig davon, ob er bei einem Arzt oder einem Heilpraktiker in Behandlung ist, müsse der Patient umfassend und selbstständig prüfen können, welchen Eingriff er mit welchen Konsequenzen erdulden möchte. Die Darstellung von Behandlungsalternativen gehöre dazu694. Auch vom Heilpraktiker sei eine vollständige Aufklärung über Schul- und Alternativmethoden zu erwarten695. Außerdem sei der Heilpraktiker, der bewusst ein anderes als das von der Wissenschaft überwiegend anerkannte Untersuchungsverfahren oder Heilverfahren anwenden will, verpflichtet, den Kranken hierüber aufzuklären696. (5) Der Ansicht von Ehlers ist auch Eberhardt, der ebenso zu dem Ergebnis gelangt, dass es Unterschiede zwischen Arzt und Heilpraktiker im Hinblick auf die Aufklärungspflicht und damit das verfassungsrechtlich verankerte Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht geben kann und darf. Dies ergebe sich schon aus der Gleichwertigkeit der Konsequenzen des Eingriffs, sei er vom Arzt oder vom Heilpraktiker ausgeführt697. cc) Stellungnahme Die Ansichten, die an den Heilpraktiker hinsichtlich seiner Aufklärungspflichten pauschal dieselben Anforderungen stellen wie an den Arzt, sind abzulehnen. Auch bezüglich der Aufklärungspflichten gilt, dass der Heilpraktiker hinsichtlich seines Wissens und seiner Kenntnisse nur dort am Allgemeinarzt zu messen ist, wo er 689 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 107. 690 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 109. 691 Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 95 f. 692 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 228 ff.; so auch Rieger, Lexikon des Arztrechts, Abschn. 2460, Rn. 20. 693 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 229. 694 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 231. 695 Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 232.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

auch von Ärzten angewandte invasive Alternativmethoden oder solche auch von Ärzten angewandte Alternativmethoden anwendet, mit deren Anwendung vergleichbar große Gefahren verbunden sind. Hinsichtlich der Risiken und Chancen dieser Verfahren muss er sich bezüglich seiner Kenntnisse am Allgemeinarzt messen lassen, der diese Methoden ebenfalls anwendet und den Patienten entsprechend aufklären. Aufgrund des hohen Stellenwertes des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, muss der Heilpraktiker jedoch in jedem Fall über die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommenden schulmedizinischen Verfahren aufklären und dem Patienten deren Risiken und Chancen verdeutlichen. Er muss hingegen nicht wissen, wie diese Methoden im Detail genau angewendet werden. Nur bei einer Verpflichtung des Heilpraktikers zu einer solchen Aufklärung kann der Patient sein Selbstbestimmungsrecht in vollem Umfang ausüben. Dieser muss über die konkurrierenden Verfahren der Schulmedizin informiert sein, damit er sich in voller Kenntnis aller wesentlichen Umstände bewusst für die vorgeschlagene Außenseitermethode entscheiden kann. Die Ansichten von Taupitz und Meyer-George sind daher abzulehnen. Der Ansicht von Cramer ist zunächst insoweit zu folgen, als sie den Heilpraktiker auch dazu für verpflichtet hält, darüber aufzuklären, dass dieser keine akademische medizinische Ausbildung genossen hat und vor dem Gesundheitsamt nur unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr geprüft wurde. Der Heilpraktiker muss aus Gründen des Patientenschutzes dazu verpflichtet sein, gegenüber dem Patienten offen zu legen, welche Art von Ausbildung er durchlaufen hat. Der Ansicht Cramers, es könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass der Patient über die Unterschiede informiert ist, die im Hinblick auf die Ausbildung zwischen Arzt und Heilpraktiker bestehen, ist zuzustimmen. Die Annahme Cramers wird belegt durch Erhebungen, auf die Ehlers in seiner Arbeit Bezug nimmt. Danach ergab sich aus einer Umfrage der Deutschen Patientenzeitung folgendes: Von 2000 Befragten gaben 95 % an, die Heilpraktikeranwärter müssten sich drei Jahre oder länger ausbilden lassen. Nur 2 % waren der Ansicht, dass das Gesetz für den Heilpraktiker keine Ausbildung vorschreibt698. Aus einer amtsinternen Dokumentation der Staatlichen Zentrale für Fernunterricht über den Fernunterricht für Heilpraktiker aus dem Jahre 1990 ergibt sich nach Ehlers das gleiche Bild. Dort wurde festgestellt, dass dem Bürger Urteilsvermögen und Einsicht fehlten, dieser wisse lediglich, dass der Staat den Heilpraktiker geprüft hat, dass er also seinen Beruf ausüben darf. Er wisse jedoch nicht, ob er zweckentsprechend auf seinen Beruf vorbereitet wurde – auch dann nicht, wenn er ein privates Diplom an die Wand des Sprechzimmers hängt. Der Bürger könne nicht wissen, ob sich der angehende Heilpraktiker eine für seine verantwortliche Tätigkeit am Menschen stofflich umfassende, nach dem neuesten Stand der Wis696

Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 233 f.

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

177

senschaft notwendige qualitative Ausbildung angeeignet hat und ob er in dieser notwendige praktische Anleitungen und Erfahrungen vermittelt bekommen hat oder ob er unvollständig, schnell oder oberflächlich für die amtsärztliche Überprüfung vorbereitet wurde699. Hieraus wird ersichtlich, dass in der Bevölkerung – hieran wird sich bis heute nichts geändert haben – so gut wie vollkommene Unwissenheit über das Berufsbild, die Ausbildung und damit die Qualifikation von Heilpraktikern besteht. Dies gilt es für die Frage der Aufklärungspflichten des Heilpraktikers zu berücksichtigen. Aus dem Umstand, dass der Heilpraktiker keine umfassende schulmedizinische Ausbildung durchlaufen hat, also geringere medizinische Kenntnisse als ein Arzt hat, ergeben sich im Vergleich zur ärztlichen Behandlung immer auch größere Gefahren für den Patienten. Über die wesentlichen Gefahren der jeweiligen Behandlung muss der Patient aber aufgeklärt werden, damit er wirksam in eine solche Behandlung einwilligen kann. Über die Aufklärungsbedürftigkeit eines Risikos entscheidet dabei wesentlich das Gewicht, das die Gefahr für den Entschluss haben kann700. Der Ausbildungsgrad des Heilpraktikers ist in diesem Sinne ein wesentlicher Punkt, denn aus der geringeren Ausbildung des Heilpraktikers im Vergleich zum Arzt resultieren erhöhte Gefahren für die Gesundheit des Patienten, die von erheblichem Gewicht sind, so dass der Patient darüber aufzuklären ist, welche Ausbildung der Heilpraktiker durchlaufen hat, ob er also seine Kenntnisse im Selbststudium, durch Fernkurse, an einer Verbandsschule oder an einer sonstigen Heilpraktikerschule erworben hat und wie lang seine Ausbildung war. Erst wenn der Patient dies weiß, kann man davon ausgehen, dass sich der Patient bewusst für die Behandlung durch den Heilpraktiker und die damit verbundenen höheren Gefahren entscheidet. Nach der hier vertretenen Auffassung bildet in Bezug auf die Sorgfaltspflichten des Heilpraktikers der gewissenhafte Heilpraktiker den Maßstab, soweit es um Methoden geht, deren Anwendung keine solchen Gefahren mit sich bringt, die mit denen von invasiven Methoden vergleichbar sind und die auch von Allgemeinärzten angewandt werden, oder um solche Methoden, die nur von Heilpraktikern angewendet werden701. Da sich hieraus eine gewisse Schutzlücke ergibt702, ist diese durch eine erhöhte Aufklärungspflicht im genannten Sinne zu schließen. Auf diese Weise wird das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gestärkt, der nun in voller Kenntnis der Qualifikationsunterschiede zwischen Arzt und Heilpraktiker selbst entscheidet, ob er sich den erhöhten Gefahren einer Alternativbehandlung durch den Heilpraktiker aussetzen will oder nicht. So wird zum einen dem Umstand Rechnung getragen, 697 698 699 700

Eberhardt, Die zivilrechtliche Haftung des Heilpraktikers, VersR 1986, S. 110 ff., S. 115. Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 142 f. Ehlers, Medizin in den Händen von Heilpraktikern – „Nicht-Heilkundigen“, S. 143. Vgl. Laufs, Arztrecht, Rn. 187.

12 Tamm

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

dass die Tätigkeit des Heilpraktikers Grundrechtsschutz genießt. Zum anderen findet aber auch der Umstand Berücksichtigung, dass die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit des Patienten ebenfalls unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen. Beide Grundrechte werden in Ausgleich gebracht und es werden in Bezug auf die zu fordernden Kenntnisse keine überhöhten Anforderungen an den Heilpraktiker gestellt, die der Entscheidung des Gesetzgebers widersprächen, dessen Ausbildung nicht zu regeln. Auf diese Weise wird die in der Bevölkerung verankerte Fehlvorstellung über die Qualifikation von Heilpraktikern mit der Zeit beseitigt. Aufgrund der Verpflichtung zu dieser Aufklärung werden sich Heilpraktikeranwärter dazu gezwungen sehen, sich die für die Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse in einer geregelten Ausbildung anzueignen, um ein entsprechendes Ausbildungszertifikat vorweisen zu können. Aufgabe der Verbände wird es dann sein, die Bevölkerung zusätzlich über die Qualität an ihren Schulen zu informieren, um die im Vergleich zu anderen Ausbildungsgängen höhere Qualität herauszustellen und in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. Hieraus dürfte dann weiterer Druck für Heilpraktikeranwärter resultieren, eine Ausbildung an einer Verbandsschule zu durchlaufen. Solange der Gesetzgeber keine Ausbildungsvorschriften erlässt, muss auf dem Wege hoher Sorgfalts- und Aufklärungspflichten versucht werden, eine hohe Qualität der Heilbehandlung durch Heilpraktiker sicherzustellen, um den Patienten zu schützen. Auf diese Weise wird der Patient zudem wesentlich effizienter davor geschützt, dass es überhaupt zu einer Schädigung seiner Gesundheit kommt. Denn selbst bei vollkommener Gleichsetzung der Sorgfaltsanforderungen von Heilpraktiker und Außenseiterarzt, wird dadurch lediglich erreicht, dass der Heilpraktiker im Nachhinein, das heißt, wenn es bereits zu einer Schädigung des Patienten gekommen ist, haftet. Es wird Heilpraktiker geben, die sich trotz des erhöhten Haftungsrisikos dafür entscheiden, ohne fundierte Ausbildung zu praktizieren, in der Hoffnung, es werde schon nichts passieren. Eine Entscheidung, von der der Patient, der in die Hände eines solchen Heilpraktikers gelangt, nichts weiß, die aber das Risiko, durch die Behandlung an der Gesundheit geschädigt zu werden, erheblich erhöht. Werden aber die Aufklärungspflichten, wie hier vertreten, erhöht, so kann der nun über alle Risiken informierte Patient selbst entscheiden, ob er sich überhaupt dem Risiko aussetzt, sich von einem Heilpraktiker behandeln zu lassen, oder ob er davon doch lieber Abstand nehmen will. Der Patientenschutz wird somit wesentlich besser sichergestellt. Die hier zur Aufklärungspflicht des Heilpraktikers vertretene Auffassung findet auch eine Stütze in der nicht das Gebiet der Außenseitermethoden betreffenden Rechtsprechung der Obergerichte und in der Literatur: Das OLG Celle entschied im Jahre 1977 im Zusammenhang mit einer Schilddrüsenoperation, dass der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt hatte, weil er den Patienten über die vielleicht seltene, aber typische Komplikation

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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einer Strumektomie nicht aufgeklärt hatte. Nach den Angaben des Sachverständigen variierte die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Strumektomie in Abhängigkeit davon, ob die Operation in einer Universitätsklinik oder bei einem auf Schilddrüsenoperationen spezialisierten Arzt oder aber in einem anderen Krankenhaus oder beim Allgemeinchirurgen durchgeführt wurde. Der Arzt im zu entscheidenden Fall war ein Oberarzt, der mit Schilddrüsenoperationen verhältnismäßig wenig Erfahrung hatte. Das Gericht stellte fest, hinsichtlich der Aufklärungspflichten über Behandlungsrisiken komme es darauf an, wie die Verhältnisse dort liegen, wo die Operation des betreffenden Patienten stattgefunden hat703. Der BGH bewegt sich auf derselben Linie und entschied im Jahre 1980, dass der Umfang der Aufklärungspflicht von den konkreten Umständen des Falles abhängt, es mithin darauf ankomme, mit welcher Komplikationsdichte gerade in der Klinik des Beklagten aufgrund des Könnens und der Erfahrung der dort tätigen Chirurgen zu rechnen war704. Auch das OLG Bremen entschied in seinem Urteil vom 10. 02. 1981, dass es hinsichtlich des Umfangs der Aufklärungspflicht über Risiken grundsätzlich auf das Zahlenmaterial über verwirklichte Risiken in der jeweiligen konkreten Klinik ankomme705. Soweit Cramer über die erhöhte Aufklärungspflicht im dargestellten Sinne hinaus den Standpunkt vertritt, dass der Heilpraktiker den Patienten auch darauf hinweisen muss, dass er zu einer vollständigen Aufklärung über mögliche Risiken nicht in der Lage ist, kann ihr nicht gefolgt werden, denn wenn es sich nicht um einen Heilversuch oder ein Experiment handelt, sondern „nur“ um eine Außenseitermethode, ist nicht einzusehen, warum die möglichen Risiken, durch eine Behandlung damit einen Schaden zu erleiden, immer viel höher sein sollen als bei der Anwendung von Methoden der Schulmedizin. Verfahren wie die Akupunktur, Homöopathie oder Phytotherapie existieren beispielsweise länger als manche von der Schulmedizin anerkannte Krebstherapie. Lediglich die Wirksamkeit dieser Verfahren ist umstritten, die mit der Anwendung dieser Verfahren verbundenen Risiken sind jedoch seit längerer Zeit bekannt. Mit zunehmender Erkenntnis über diese Methoden mögen neue Risiken offenbar werden, über die dann auch aufzuklären ist. Aber es gilt auch für die Schulmedizin, dass immer nur über die Risiken aufgeklärt werden kann, die zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt sind706. Für Außenseiterverfahren ergeben sich diesbezüglich keine Besonderheiten. Cramer sowie der Ansicht der Rechtsprechung des OLG München ist insoweit zuzustimmen, dass der Heilpraktiker einen Patienten, der sich ersichtlich von der 701 702 703 704

12*

Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3, c). Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3, c). OLG Celle, NJW 1978, S. 593 f., S. 593. BGH, NJW 1980, S. 1905 ff., S. 1907; so auch Laufs, Arztrecht, Rn. 187.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Schulmedizin abgewandt hat, nicht mehr darüber aufklären muss, dass die von ihm angewandten Methoden Außenseiterverfahren sind. Die Abwendung von der Schulmedizin muss aber – beispielsweise, weil der Patient seine tiefe Enttäuschung über die Schulmedizin zu erkennen gibt – klar ersichtlich sein. Ist dies nicht der Fall, muss der Heilpraktiker auch darüber aufklären, dass die von ihm angewandten Methoden Außenseitermethoden sind. Der Rechtsprechung ist auch insoweit zuzustimmen, als sich die Aufklärungspflichten des Heilpraktikers an denen des Allgemeinarztes orientieren, soweit invasive Methoden zum Einsatz kommen, die auch von Allgemeinärzten angewandt werden.

c) Zusammenfassung In Bezug auf die Auswahl der Methode und die zu beachtenden Aufklärungspflichten des Heilpraktikers ist zunächst auszugehen von der hier vertretenen Ansicht zum vom Heilpraktiker zu fordernden Wissens- und Kenntnisstand:  Soweit es um auch von Ärzten angewandte invasive Alternativmethoden oder solche auch von Ärzten angewandte Alternativmethoden geht, mit deren Anwendung vergleichbar große Gefahren verbunden sind, bildet hinsichtlich des beim Heilpraktiker vorauszusetzenden Wissens und Könnens der Allgemeinarzt den Vergleichsmaßstab, der diese Methoden ebenfalls anwendet. Das hat zur Folge, dass der Heilpraktiker sich in Bezug auf diese Methoden genauso umfassend ausbilden und auf dem neuesten Stand halten muss wie der Allgemeinarzt. Der Heilpraktiker muss daher einschlägige Fachzeitschriften lesen und sich zudem über die schulmedizinischen Verfahren und deren jeweilige Risiken und Chancen informieren und informiert halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Um diesen Anforderungen insgesamt gerecht werden zu können, wird der Heilpraktiker im Ergebnis eine umfassende Ausbildung durchlaufen müssen und muss er bei der Fortbildung auch die Zeitschriften berücksichtigen, die sich an Allgemeinmediziner wenden707.  Soweit es Methoden anbelangt, deren Anwendung keine solchen Gefahren mit sich bringt, die mit denen von invasiven Methoden vergleichbar sind und die auch von Allgemeinärzten angewandt werden, oder um solche Methoden, die nur Heilpraktiker anwenden, bildet der gewissenhafte Heilpraktiker den Maßstab. Gewissenhaft ist der Heilpraktiker, der die Kenntnisse aufweist, die ein Heilpraktiker haben muss, der an einer Verbandsschule eine umfassende Ausbildung durchlaufen hat und der sich entsprechend den Vorgaben der Berufsordnung fortbildet. Auch hier gilt, dass der Heilpraktiker einschlägige Fachzeitschriften lesen muss, um sich auf dem neuesten Stand zu halten. Er muss sich regelmäßig und nach bestem Können über die Grundlagen und Fortschritte der Medizin unterrichten und darf sich neuen Erkenntnissen und Lehren der Heil705

OLG Bremen, MedR 1983, S. 111 f., S. 111.

III. Methodenwahl und Aufklärungspflichten

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kunde nicht verschließen. Außerdem ist er verpflichtet, sich auch über die schulmedizinischen Verfahren und deren Risiken und Chancen zu informieren und informiert zu halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Um diesen Anforderungen insgesamt gerecht werden zu können, wird der Heilpraktiker im Ergebnis eine umfassende Ausbildung durchlaufen müssen und muss er bei der Fortbildung auch die Zeitschriften berücksichtigen, die sich an Allgemeinmediziner wenden708. Auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Wissens muss der Heilpraktiker seine Entscheidung für die anzuwendende Methode treffen und auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Wissens muss er den Patienten aufklären. Im Einzelnen muss der Heilpraktiker auf der Grundlage der hier vertretenen Ansicht in Bezug auf die Methodenwahl und die Aufklärung des Patienten folgendes beachten:  Grundsätzlich genießen die von der Schulmedizin anerkannten Verfahren keinen Vorrang vor den Verfahren der Außenseitermedizin; der Heilpraktiker darf sich daher grundsätzlich frei für ein solches Außenseiterverfahren entscheiden.  Dabei muss er dafür Sorge tragen, dass das von ihm gewählte Verfahren den auf dem Gebiet der Außenseitermethoden aktuellen medizinischen Standard darstellt.  Wenn verschiedene, gleichwertige Verfahren zur Verfügung stehen, muss sich der Heilpraktiker grundsätzlich für dasjenige entscheiden, das die geringsten Risiken für den Patienten mit sich bringt und diesem voraussichtlich am wenigsten schaden wird. Unter mehreren praktisch gleichwertigen Methoden darf er unter Berücksichtigung dieser Faktoren das nach seinem Ermessen am besten geeignete Verfahren bevorzugen, insbesondere ein solches, für das er die größere Erfahrung besitzt und das am besten seiner Ausbildung und Praxis entspricht. Entscheidet sich der Heilpraktiker für die vergleichsweise risikoreichere Methode, so muss dieses höhere Risiko durch die besonderen Sachzwänge des konkreten Falls oder durch eine günstigere Heilungsprognose gerechtfertigt sein709.  Eine Bindung an das wirksamste Verfahren besteht grundsätzlich nicht. Der Heilpraktiker darf aber keine Methoden anwenden, die nicht in der Lage sind, den Heilerfolg herbeizuführen. Erkennt er oder muss er erkennen, dass das von ihm angewandte Verfahren keine Wirkung zeigt, muss er dafür sorgen, dass der Patient dem wirksamen Verfahren zugeführt wird. In einem solchen Fall kann es daher angezeigt sein, dafür zu sorgen, dass der Patient einem anderen Behandler zugeführt wird, der ein als wirksam anerkanntes Verfahren der Schulmedizin anwendet. Aus diesem Grund muss der Heilpraktiker in seine vergleichende Abwägung der unterschiedlichen Verfahren auch solche der Schulmedizin einbeziehen, die im konkreten Fall als Alternativen in Betracht kämen. 706 707

Laufs, Arztrecht, Rn. 189 m. w. N. Vgl. im Einzelnen erneut Kapitel B, Teil II, 3, c).

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

 Will der Heilpraktiker ein Außenseiterverfahren zur Anwendung bringen, dann muss er seinen Patienten vorab darüber informieren, dass und warum er von einer Standardbehandlung abweichen will. Wenn eindeutig erkennbar ist, dass der Patient sich von den Verfahren der Schulmedizin abgewandt hat und deshalb den Heilpraktiker aufsucht, bedarf es einer Aufklärung darüber, dass die vom Heilpraktiker angewandten Methoden von der Schulmedizin nicht anerkannt werden, nicht mehr.  Der Heilpraktiker ist im Falle der Anwendung eines Außenseiterverfahrens verpflichtet, seinen Patienten in verstärktem Maße über die Verfahren der Schulmedizin zu informieren, die als Alternative zu dem von ihm in Aussicht genommenen in Betracht kämen. Der Heilpraktiker hat seinen Patienten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls über die Grundzüge und die jeweiligen Chancen und Risiken der alternativ in Betracht kommenden schulgemäßen Behandlungsmethoden zu unterrichten. Wie diese Verfahren genau angewendet werden, muss er dabei jedoch nicht wissen. Gibt es mehrere, gleich Erfolg versprechende Behandlungsverfahren, so muss der Heilpraktiker dem Patienten zwar nicht in jedem Fall alle medizinischen Möglichkeiten und deren Risiken darstellen und ihm gegenüber seine Wahl begründen, er ist aber verpflichtet, über Alternativen aufzuklären, wenn jeweils unterschiedliche Risiken für den Patienten bestehen.  Außerdem muss der Heilpraktiker über die Risiken informieren, die mit der gewählten Außenseitermethode verbunden sind. Dabei brauchen die Risiken grundsätzlich nicht in allen Details beschrieben, sondern es reicht aus, wenn sie in groben Zügen erkennbar gemacht werden. Der Patient muss einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen erhalten, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können. Es gilt, dass die Aufklärungspflicht umso weiter geht, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten als dringend geboten erscheint. Der Heilpraktiker muss jedoch nur über solche Gefahren aufklären, die für ihn im Bereich des Möglichen liegen.  Der Heilpraktiker muss seinen Patienten über die Besonderheiten seines Berufsstandes informieren. Er muss dem Patienten mitteilen, welche Art von Ausbildung er genossen hat, ob er seine Kenntnisse im Selbststudium, in einem Fernkurs, an einer Verbandsschule oder an einer sonstigen Heilpraktikerschule erworben hat und wie lang seine Ausbildung war. Außerdem muss er darüber aufklären, dass er keine akademische medizinische Ausbildung genossen hat und vor dem Gesundheitsamt nur unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr geprüft wurde.  Grundsätzlich muss der Heilpraktiker seinen Patienten über die von ihm angenommene Diagnose aufklären. Einschränkungen können sich aber insoweit ergeben, als die Aufklärung zu einer Gefährdung des Patienten führen könnte, die schwerer wiegt als die Beeinträchtigung seines Selbstbestimmungsrechts710.

IV. Fehler im Zusammenhang mit der Diagnosestellung

183

 Das Maß der erforderlichen Aufklärung kann im Einzelfall dadurch begrenzt sein, dass der Patient selbst bereits vorab in ausreichendem Umfang informiert war. Einen bereits informierten oder instruierten Patienten braucht der Heilpraktiker nicht mehr aufzuklären. Auch darf der Heilpraktiker in Bezug auf Risiken, die jedermann allgemein bekannt sein müssten, erwarten, dass der Patient nachfragt, wenn er weitere Erläuterungen wünscht.

IV. Fehler im Zusammenhang mit der Diagnosestellung Diagnosefehler im Sinne von Fehlinterpretationen der Befunde bewerten die Gerichte nur mit großer Zurückhaltung als Behandlungsfehler und damit Sorgfaltspflichtverstoß711. Diagnostische Irrtümer sind meist nicht auf ein vorwerfbares ärztliches Versehen zurückzuführen. Die Symptome sind nicht immer eindeutig und können den Schluss auf die unterschiedlichsten Ursachen zulassen712. Aus diesem Grund und weil nur ein fundamentaler Irrtum einen groben Pflichtverstoß begründet713, wird im Folgenden auf diese Form des Diagnoseirrtums nicht eingegangen werden. Denn in erster Linie lasten die Gerichte dem Arzt dann Fehldiagnosen an, wenn er elementare Kontrollbefunde nicht erhoben hat oder eine Überprüfung der ersten Diagnose („Arbeitsdiagnose“) unterblieben ist714. Oft sind Diagnosefehler aber auch schon auf ein Verschulden bei der Übernahme der Behandlung ohne die erforderliche diagnostische Ausstattung und Spezialerfahrung zurückzuführen715. Der juristische Schwerpunkt liegt bei den genannten Fallgestaltungen auf dem Unterlassen716, das heißt dem Unterlassen der zur richtigen Diagnosestellung erforderlichen Maßnahmen. Da Vorsatz regelmäßig ausscheidet, beschränkt sich die strafrechtliche Relevanz auf die fahrlässige Körperverletzung gem. §§ 229, 13 StGB und die fahrlässige Tötung gem. §§ 222, 13 StGB.

Vgl. im Einzelnen erneut Kapitel B, Teil II, 3, c). Verneint z. B. bei OLG Bamberg, Urteil v. 27. 11. 2000, Az. 4 U 106 / 99. 710 Vgl. zu einem solchen Fall, bei dem zudem die Diagnose objektiv falsch war OLG Braunschweig, VersR 1990, S. 57 ff. 711 Vgl. Übersicht bei Steffen / Pauge, Arzthaftungsrecht – Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung, Rn. 154; BGH, VersR 1981, S. 1033 ff., S. 1034; OLG Köln, VersR 1989, S. 631; OLG Köln, VersR 1991, S. 930 f., S. 930. 712 Laufs, Arztrecht, Rn. 497. 713 BGH, MedR 1995, S. 70 ff., S. 71. 714 Steffen / Pauge, Arzthaftungsrecht – Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung, Rn. 155 mit Nachweisen; vgl. auch OLG Frankfurt am Main, VersR 1997, S. 1358 f., S. 1359. 708 709

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Die erforderliche Garantenpflicht des Arztes oder Heilpraktikers ergibt sich dabei aufgrund der tatsächlichen Übernahme der Behandlung717. Die faktische Übernahme dieser Schutzfunktion macht den behandelnden Arzt zum Garanten dafür, dass in Richtung der Erfolgsabwendung alles nach Lage des Falles Sachgemäße und Erforderliche geschieht, das heißt, er muss im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren die gebotenen medizinischen Maßnahmen ergreifen, um die dem Kranken drohenden Schädigungen abzuwenden718. Dieser Grundsatz hinsichtlich der Entstehung einer Garantenpflicht gilt ebenso für den Heilpraktiker, da keine berufsspezifischen Besonderheiten vorhanden sind, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten719. Begrifflich versteht man unter der Diagnose die Erkennung einer Krankheit. Die Diagnose ist nicht gleichzusetzen mit einer endgültigen Feststellung der Krankheit und ihrer Ursachen, sondern sie ist das Ergebnis oft langwieriger Untersuchungen und Befunderhebungen. Den Weg zur Diagnose oder ihre allgemeine Methodologie bezeichnet man als Diagnostik720. Im Rahmen der Differenzialdiagnose sind verschiedene Krankheiten und Syndrome bei einem bekannten (Leit-)Befund bis auf schließlich eine Diagnose einzuengen721. Der BGH bezeichnet die Diagnose als eine auf medizinischer Begutachtung beruhende Wertung722. Was die Haftung gerade des Außenseiterarztes und des Heilpraktikers für Diagnosefehler anbelangt, sind kaum gerichtliche – insbesondere strafgerichtliche – Entscheidungen ersichtlich, die sich mit dieser Frage befassen. Aus diesem Grund wird im Folgenden zunächst dargestellt, welche Grundsätze ganz allgemein für den Arzt gelten, um dann herauszuarbeiten, ob und gegebenenfalls welche Besonderheiten für den Außenseiterarzt respektive den Heilpraktiker gelten.

1. Vom schulmedizinisch tätigen Arzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Allgemein besteht für den Arzt im Hinblick auf das richtige ärztliche Vorgehen bei der Diagnose kein abgeschlossener Regelkodex, sondern muss sich für den jeweiligen Behandlungsfall die Regel erst in der Behandlung finden. Dafür muss dem Arzt ein ausreichender Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum für Diag-

715 Steffen / Pauge, Arzthaftungsrecht – Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung, Rn. 156; vgl. zu diesem Bereich erneut Kapitel B, Teil II. 716 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 40 mit Hinweis auf LG Frankfurt / Main, AHRS 1942 / 1. 717 Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 33, S. 54 ff.; Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex Artis – Eine arztstrafrechtliche Untersuchung, S. 407; BGH, NJW 1995, S. 204 ff. 718 BGH, NJW 1979, 1258 f., S. 1258.

IV. Fehler im Zusammenhang mit der Diagnosestellung

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nose und Therapie gelassen werden, den auch die Haftung nicht verkürzen darf. Anderes würde zur Überdiagnose, zur defensiven, auf eingefahrene Methoden fixierten Therapie führen und zum Nachteil des Patienten ausschlagen723. Dennoch sind die an den Arzt zu stellenden Anforderungen hoch724. Da eine sachgemäße Behandlung des Patienten in besonderem Maße von der Diagnosestellung abhängig ist, darf die Diagnose nur aufgrund einer sorgfältigen persönlichen Untersuchung und aufgrund einer eingehenden Anamnese erfolgen, wobei sich aber z. B. ein Chefarzt auf die Ergebnisse seiner bewährten Mitarbeiter verlassen darf725. Wenn eine Diagnose nicht gesichert ist, dann muss der Arzt weitere Erkenntnisquellen ausschöpfen, wie z. B. Röntgen, Durchleuchtung, Laboruntersuchungen, mikroskopische Untersuchungen und sonstige differenzialdiagnostische Möglichkeiten726. Beispielhaft seien hierzu einige Fälle aus der Rechtsprechung genannt: Der BGH kam im Jahre 1959 in einem Fall727 zur Annahme eines Diagnosefehlers, in dem ein Patient vom behandelnden Arzt zur Schmerzlinderung intravenös Morphine verabreicht bekommen hatte. Der Arzt hatte es dabei unterlassen, den ihm unbekannten Patienten vorher eingehend auf Erkrankungen der Atemwege und des Herzens hin zu untersuchen. Stattdessen hatte er sich darauf beschränkt, den Puls zu fühlen und den Patienten zu betrachten, um auf diese Weise den Zustand des Kreislaufs zu prüfen. Der Patient, der an einem Emphysem litt, starb infolge von Nebenwirkungen, die durch das Morphin ausgelöst wurden. Das Gericht stellte fest, dass narkotische Mittel zwar zur Beseitigung von Schmerzzuständen unentbehrlich seien, ihnen jedoch auch gewisse Gefahren anhafteten. Da sie das Atemzentrum lähmten, leuchte es ein, dass besonders bei Erkrankungen der Atemwege und des Herzens gefährliche Nebenwirkungen auf das Atemzentrum möglich seien728. Das OLG Bamberg bejahte in seinem Urteil vom 07. 05. 1992729 einen groben Behandlungsfehler, weil die beklagten Ärzte es unterlassen hatten, den bewusstlosen Patienten auf Malaria hin zu untersuchen, obwohl ihnen bekannt war, dass sich der Patient vor Auftreten der Beschwerden in Westafrika aufgehalten hatte. Die behandelnden Ärzte unterstellten eine vom Patienten tatsächlich nicht vorgenommene Malariaprophylaxe und verwarfen die Möglichkeit einer Malaria719 So auch Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 129. 720 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Uhlenbruck / Laufs, § 50, Rn. 1. 721 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Uhlenbruck / Laufs, § 50, Rn. 4. 722 Vgl. BGH, MedR 1989, S. 236 ff., S. 237. 723 Steffen / Pauge, Arzthaftungsrecht – Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung, Rn. 153; Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 64. 724 Lilie, Aufklärung und Fehler bei der Diagnose, MedR 1987, S. 28 ff., S. 29. 725 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Uhlenbruck / Laufs, § 50, Rn. 8 und dort Fn. 22.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

infektion als unwahrscheinlich. Die von Anfang an erforderliche Blutuntersuchung, die den Beklagten als zur Prüfung einer Malariainfektion verwendete Methode bekannt war und von ihnen hätte angewendet werden können, wurde erst vorgenommen, als eine Rettung des Patienten nicht mehr möglich war. Das OLG Stuttgart verurteilte im Jahre 1993730 einen Notarzt zum Schadensersatz, weil dieser bei bestehendem Verdacht auf Meningitis zweifelsfrei gebotene Untersuchungsmaßnahmen nicht vorgenommen hatte. Anstatt den Patienten auf Hautblutungen zu untersuchen und Tests wie den Brudzinksi- oder den Kernig-Test durchzuführen, hatte der beklagte Arzt nur eine Überprüfung der Nackensteifigkeit vorgenommen und kam zur Diagnose einer abgeklungenen Mandelentzündung. Neben der Annahme eines Diagnoseirrtums aufgrund unzureichender Befunderhebung kam das Gericht in diesem zu entscheidenden Fall zusätzlich zu dem Schluss, dass auch eine fundamentale Fehlinterpretation der erhobenen Befunde zu bejahen sei. Aus den letztgenannten Urteilen wird ersichtlich, dass die Rechtsprechung gerade dann vom Arzt verlangt, weitere Befunde zu erheben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass seine Diagnose nicht gesichert sein könnte731. Sind solche Anhaltspunkte vorhanden und erkannte der Arzt dies oder musste er dies erkennen, so ist der Arzt dazu verpflichtet, seine Diagnose in Frage zu stellen und weitere gebotene Untersuchungsmaßnahmen durchzuführen, um seine Diagnose abzusichern oder aber zu korrigieren. Der Kranke hat einen Anspruch darauf, dass der Arzt ein mehrdeutiges Krankheitsbild durch alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel moderner Untersuchungstechnik aufklärt. Auch entfernt liegende Krankheitsursachen hat dieser in seine Erwägungen mit einzubeziehen und die zu deren Erkenntnis notwendigen Untersuchungsmethoden anzuwenden732. Das OLG Düsseldorf stellte in seinem Urteil vom 31. 01. 1985 fest, dass Voraussetzung für eine sachgerechte Behandlung die diagnostische Abklärung der konkreten Beschwerden sei. Zu diesem Zweck müsse der Arzt den Patienten anhören und untersuchen. Sind die Beschwerden und Befunde außergewöhnlich und lassen sie eine sichere Zuordnung zu einem bestimmten Krankheitsbild nicht zu, so müsse der Arzt, wenn es sich nicht um eine absolute Bagatellerkrankung handelt, zusätzliche Untersuchungen einleiten, notfalls unter Einschaltung zusätzlicher medizinischer Disziplinen733. Der Arzt hat alle ihm zu Gebote stehenden Erkenntnisquellen zu nutzen, soweit dies anhand der Umstände und Verdachtsmomente angezeigt ist. Je deutlicher sich

726 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Uhlenbruck / Laufs, § 50, Rn. 9; OLG Frankfurt am Main, VersR 1997, S. 1358 f., S. 1359. 727 BGH, NJW 1959, S. 1583 ff. 728 BGH, NJW 1959, S. 1583 f., S. 1583. 729 OLG Bamberg, VersR 1993, S. 1019 ff.

IV. Fehler im Zusammenhang mit der Diagnosestellung

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abzeichnet, dass eine ganz bestimmte Krankheit vorliegt, desto eher kann der Arzt auf belastende und kostspielige Diagnostik verzichten734. Dem oben genannten Urteil des BGH aus dem Jahr 1959735 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass der Arzt in verstärktem Maße verpflichtet ist, seinen Patienten gründlich zu untersuchen, wenn die von ihm in Aussicht genommene Behandlung bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen besonders schwerwiegende Nebenwirkungen nach sich ziehen kann. Zudem gilt, dass der Arzt sich nicht mit Arbeitshypothesen aufhalten darf, sondern unverzüglich mit differenzialdiagnostischen Erkenntnismitteln die möglichen Ursachen abzuklären hat, wenn Symptome einer bedrohlichen Erkrankung vorliegen736. Die Anforderungen, die an den Arzt im Hinblick auf die Diagnostik gestellt werden, sind demnach hoch. Dennoch darf nicht verkannt werden, dass auch eine Überdiagnostik, zumal wenn sie mit Risiken für den Patienten verbunden ist, genauso einen Behandlungsfehler begründen kann wie eine Fehldiagnose737.

2. Vom Außenseiterarzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Rechtsprechung zur Haftung des Außenseiterarztes für Diagnosefehler ist – wie bereits eingangs erwähnt – kaum auszumachen. Im Jahre 1955 urteilte der BGH in einer Strafsache über einen Außenseiterarzt738, der in drei Fällen seine Patienten nicht ausreichend körperlich untersucht hatte, bevor er die Behandlung mit außerschulischen Methoden begann. Das Gericht nahm in allen drei Fällen u. a. wegen dieser Versäumnis die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Arztes an und führte zu einem dieser Fälle aus, dass das Verhalten des Angeklagten deshalb pflichtwidrig gewesen sei, weil er nach den ihm bekannt gewordenen eindeutigen Symptomen der Verschlimmerung des Zustandes des Patienten hätte erkennen müssen, dass seine Diagnose nicht zutraf. Dennoch habe er seine als unzureichend erkennbare Behandlung fortgesetzt, Abstand von einer sachgemäßen Untersuchung genommen, ohne eine solche die Diagnose anderer Ärzte abgelehnt und von der am ehesten Erfolg versprechenden Operation abgeraten. Dem Reichsgericht lag im Jahre 1940 bereits ein ähnlicher Fall zur Entscheidung vor739, in dem es ein Arzt unterlassen hatte, von den Abstrichen seiner OLG Stuttgart, VersR 1994, S. 313 ff. Vgl. auch BGH, VersR 1985, S. 886 f., S. 887; BGH, MedR 1983, S. 107 ff., S. 108; eine Vielzahl von Nachweisen aus der Rechtsprechung finden sich bei Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Uhlenbruck / Laufs, § 50, Rn. 16. 732 OLG Frankfurt, VersR 1956, S. 554. 733 OLG Düsseldorf, VersR 1986, S. 919 ff., S. 921. 734 Laufs, Arztrecht, Rn. 495. 730 731

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Patienten Kulturen anzulegen, wie es dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprochen hätte. Er gelangte daher nicht zur zutreffenden Diagnose einer Diphterie und behandelte die beiden Kinder deshalb lediglich mit homöopathischen Mitteln. Beide Kinder starben an den Folgen ihrer Erkrankung. Im Jahre 1960 hatte der BGH eine Strafsache zu entscheiden740, in der der angeklagte Arzt sich lediglich der Augendiagnose bediente und keine anderen Diagnoseverfahren anwandte. Seine Patientin litt unter einer Krebserkrankung und das Gericht kam zu der Erkenntnis, dass gerade aufgrund der Nichtverwendung anderer diagnostischer Methoden dem Angeklagten die starke Zunahme der Krebswucherung während seiner Behandlungszeit verborgen geblieben sei. Es sei ein Kunstfehler, wenn sich ein Arzt bei einer lebensgefährlichen Erkrankung ausschließlich auf die Augendiagnose verlasse, besonders wenn er diese, wie damals der Angeklagte, erst verhältnismäßig kurze Zeit anwende. Trotz des Umstandes, dass die Gerichte in den genannten Fällen den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht in erster Linie in der unzureichenden Befunderhebung sahen, sondern eher in einer fehlerhaften Wahl der Behandlungsmethode741, kann aus diesen Entscheidungen folgendes entnommen werden: an den Außenseiterarzt werden weder geringere noch höhere Anforderungen hinsichtlich der Befunderhebung gestellt als an den schulmedizinisch tätigen Arzt742. Auch der Außenseiterarzt muss seine Patienten vor Beginn der Behandlung ausreichend untersuchen und – wie aus dem Urteil des BGH aus dem Jahr 1960743 deutlich wird – seine Diagnose stetig überprüfen, sofern Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass diese falsch sein, beziehungsweise, dass ihm der Schweregrad der Erkrankung verborgen geblieben sein könnte. Liegt eine schwere Erkrankung vor, so ist auch der Außenseiterarzt in besonderem Maße dazu verpflichtet, seine Diagnose abzusichern. Im Ergebnis können danach die folgenden Grundsätze als Leitlinie für den Außenseiterarzt festgehalten werden: Die Diagnose darf nur aufgrund einer sorgfältigen persönlichen Untersuchung und aufgrund einer eingehenden Anamnese erfolgen. Der Arzt muss den Patienten anhören und untersuchen.  Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Diagnose nicht gesichert sein könnte und erkennt der Außenseiterarzt dies oder muss er dies erkennen, dann ist auch er dazu verpflichtet, weitere Erkenntnisquellen auszuschöpfen, wie z. B. Röntgen, Durchleuchtung, Laboruntersuchungen, mikroskopische Untersuchungen und sonstige differenzialdiagnostische Möglichkeiten, soweit er hierzu in der Lage BGH, NJW 1959, S. 1583 f., S. 1583. Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Uhlenbruck / Laufs, § 100, Rn. 6 mit Hinweis auf BGH, NJW 1989, S. 2318 ff. 737 Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Uhlenbruck / Laufs, § 50, Rn. 10. 735 736

IV. Fehler im Zusammenhang mit der Diagnosestellung

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ist und keine absolute Bagatellerkrankung vorliegt. Auch entfernt liegende Krankheitsursachen hat der Außenseiterarzt in seine Erwägungen mit einzubeziehen. Ist er nicht selbst dazu in der Lage, die erforderlichen Untersuchungen durchzuführen, so muss er – dies wurde bereits im Bereich „Die Wahl der Diagnose- / Behandlungsmethode und die Aufklärungspflichten des Außenseiters“ angesprochen – die Behandlung abbrechen und dafür sorgen, dass sein Patient einer Behandlung mit diesem Verfahren zugeführt wird744. Für die Frage, ob der Außenseiterarzt erkennen muss, dass Anhaltspunkte für eine Unsicherheit der zunächst gestellten Diagnose vorhanden sind und / oder dass er nicht in der Lage ist, die Krankheit mit seinen Mitteln richtig zu diagnostizieren, kommt es wiederum auf die von ihm zu fordernden Kenntnisse an, die bereits im Bereich „Das so genannte Übernahmeverschulden“ dargestellt wurden745.  Der Außenseiterarzt hat alle ihm zu Gebote stehenden Erkenntnisquellen zu nutzen, soweit dies anhand der Umstände und Verdachtsmomente angezeigt ist. Je deutlicher sich abzeichnet, dass eine ganz bestimmte Krankheit vorliegt, desto eher kann er auf belastende und kostspielige Diagnostik verzichten.  Der Außenseiterarzt ist in verstärktem Maße verpflichtet, seinen Patienten gründlich zu untersuchen, wenn die von ihm in Aussicht genommene Behandlung bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen besonders schwerwiegende Nebenwirkungen nach sich ziehen kann.  Zudem gilt, dass der Außenseiterarzt sich nicht mit Arbeitshypothesen aufhalten darf, sondern unverzüglich mit differenzialdiagnostischen Erkenntnismitteln die möglichen Ursachen abzuklären hat, wenn Symptome einer bedrohlichen Erkrankung vorliegen.

Insgesamt werden danach an die Untersuchung des Außenseiterarztes zur Stellung einer Diagnose dieselben strengen Anforderungen gestellt wie an den rein schulmedizinisch praktizierenden Arzt.

3. Vom Heilpraktiker zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Was die Sorgfaltspflichten des Heilpraktikers im Zusammenhang mit der Diagnosestellung anbelangt, so ist nur eine Entscheidung aus der jüngsten Zeit ersichtlich, die sich explizit mit dieser Frage befasst. Das OLG Bamberg entschied im Jahr 2000 einen Fall746, in dem ein Heilpraktiker an einem Patienten die Injektion eines Vitaminpräparats vorgenommen hatte, ohne dass dies indiziert gewesen wäre. Aufgrund der Injektion kam es zu Komplikationen und massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen, weil sich beim Patienten ein Spritzenabszess gebildet 738 739 740

BGH, LM Nr. 6 zu § 230 StGB. RGSt 74, S. 350 ff., S. 351. BGH, NJW 1960, S. 2253 f., S. 2254.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

hatte. Im Gegensatz zum Landgericht verneinte das OLG einen Diagnosefehler, weil keine Wahrscheinlichkeit dafür festgestellt werden könne, dass sich bei Erhebung weiterer Befunde ein reaktionspflichtiges Befundergebnis gezeigt hätte747. Aus dieser Entscheidung ergibt sich weder, dass der Heilpraktiker im Vergleich zum Arzt erhöhten Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der Stellung der Diagnose unterliegt, noch, dass seine Sorgfaltspflichten in diesem Bereich geringer als die des Arztes sind. Die Literatur nimmt zu dieser Frage ebenfalls nicht explizit Stellung, so dass bezüglich des Meinungstandes auf die bereits oben gegebene Darstellung verwiesen werden muss, in der die einzelnen Ansichten über die an den Heilpraktiker generell zu stellenden Sorgfaltsanforderungen verdeutlicht wurden748. Für die Ergebnisfindung im Bereich der Diagnostik ist zunächst festzuhalten, dass auf diesem Gebiet die für den Heilpraktiker geltenden Sorgfaltsanforderungen nur insoweit von denen des Arztes abweichen können, als sich dies aufgrund der Unterschiedlichkeit der Berufsbilder rechtfertigt. Im Übrigen müssen die an den Heilpraktiker zu stellenden Anforderungen aus Gründen des Patientenschutzes mit denen, die an den Außenseiterarzt gestellt werden, gleich laufen. Im zweiten Schritt ist auf die Grundsätze zurückzugreifen, die im Zusammenhang mit der Wahl von Diagnose- und Behandlungsmethoden bereits aufgestellt wurden749. Dies bedeutet im Einzelnen:  Auch der Heilpraktiker darf nur aufgrund einer sorgfältigen persönlichen Untersuchung und aufgrund einer eingehenden Anamnese eine Diagnose stellen. Der Heilpraktiker muss den Patienten anhören und untersuchen.  Wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die von ihm zunächst gestellte Diagnose nicht gesichert sein könnte und der Heilpraktiker dies erkennt oder erkennen muss, dann ist er nur insoweit verpflichtet, weitere Erkenntnisquellen auszuschöpfen, wie er dazu aufgrund seiner apparativen Ausrüstung und aufgrund seines Wissens selbst in der Lage ist. Auch entfernt liegende Krankheitsursachen hat der Heilpraktiker in seine Erwägungen mit einzubeziehen. Ist er nicht selbst dazu in der Lage, die erforderlichen Untersuchungen durchzuführen, so muss er – entsprechend dem im Bereich „Die Wahl der Diagnose- / Behandlungsmethode und die Aufklärungspflichten des Außenseiters“ angesprochenen Grundsatz – die Behandlung abbrechen und dafür sorgen, dass sein Patient einer Behandlung mit diesem Verfahren zugeführt wird750. Vor allem die Anwendung schulmedizinischer Diagnoseverfahren wird dem Heilpraktiker regelmäßig nicht selbst möglich sein. In dieser Hinsicht ergibt sich im Vergleich mit den Sorgfaltspflichten des Außenseiterarztes also beim Heilpraktiker eine Modifizierung. 741 742 743 744 745

So in den Entscheidungen RGSt 74, S. 350 ff. und BGH, LM Nr. 6 zu § 230 StGB. So auch Klinger, Strafrechtliche Kontrolle medizinischer Außenseiter, S. 69 f. BGH, NJW 1960, S. 2253 f., S. 2254. Vgl. hierzu erneut Kapitel B, Teil III, 4, c). Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 2.

V. Fehlerhafte Anwendung von Außenseitermethoden

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Für die Frage, ob der Heilpraktiker im jeweiligen Fall erkennen muss, dass Anhaltspunkte für eine Unsicherheit der zunächst gestellten Diagnose vorhanden sind und / oder dafür, dass er mit eigenen Mitteln keine ordnungsgemäße Diagnose vornehmen kann, kommt es wiederum auf die von ihm zu fordernden Kenntnisse an, die bereits im Bereich „Das so genannte Übernahmeverschulden“ dargestellt wurden751.  Der Heilpraktiker hat alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu nutzen, soweit dies anhand der Umstände und Verdachtsmomente angezeigt ist. Je deutlicher sich abzeichnet, dass eine ganz bestimmte Krankheit vorliegt, desto eher kann er auf belastende und kostspielige Diagnostik verzichten.  Auch der Heilpraktiker ist in verstärktem Maße verpflichtet, seinen Patienten gründlich zu untersuchen, wenn die von ihm in Aussicht genommene Behandlung bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen besonders schwerwiegende Nebenwirkungen nach sich ziehen kann.  Zudem gilt, dass auch der Heilpraktiker sich nicht mit bloßen Arbeitshypothesen aufhalten darf, sondern unverzüglich mit differenzialdiagnostischen Erkenntnismitteln die möglichen Ursachen abzuklären hat, wenn sich Symptome einer bedrohlichen Erkrankung zeigen. Erkennt er oder muss er erkennen, dass seine Kenntnisse zur richtigen Diagnose oder Behandlung nicht ausreichen, so ist er verpflichtet die Behandlung abzubrechen und seinen Patienten an einen Arzt zu verweisen. Auch in diesem Bereich ergibt sich demnach eine Modifizierung im Vergleich zu den Pflichten des Außenseiterarztes.

Bis auf die genannten Modifizierungen unterliegt der Heilpraktiker also hinsichtlich der Diagnostik denselben Sorgfaltsanforderungen wie der Außenseiterarzt.

V. Fehlerhafte Anwendung von Außenseitermethoden In diesem Bereich sollen zwei unterschiedliche Fallgestaltungen angesprochen werden: Zum einen kann der Verstoß des Außenseiterarztes oder des Heilpraktikers darin liegen, dass er es unterlassen hat, seinen Patienten zur Diagnose oder Therapie an einen anderen Arzt oder Spezialisten zu verweisen, der im Gegensatz zu ihm in der Lage ist, am Patienten die notwendigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen durchzuführen. Zum anderen kommt aber ein Sorgfaltspflichtverstoß auch dadurch in Betracht, dass eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme nicht in Übereinstimmung mit den für die jeweilige Methode geltenden Regeln angewandt wurde. 746

OLG Bamberg, Urteil v. 27. 11. 2000, Az. 4 U 106 / 99.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

1. Unterlassung der Verweisung an einen Arzt oder Spezialisten Sowohl der Außenseiterarzt, wie auch der Heilpraktiker können auf diese Weise gegen Ihre Sorgfaltspflichten verstoßen und sich einer fahrlässigen Tötung gem. § 222 StGB oder einer fahrlässigen Körperverletzung gem. § 229 StGB durch Unterlassen schuldig machen. Die erforderliche Garantenstellung ergibt sich erneut aus der tatsächlichen Übernahme der Behandlung752. a) Vom Außenseiterarzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Nach der Rechtsprechung kann das Unterlassen einer gebotenen Maßnahme, sei es auch nur der erforderlich werdenden Überweisung zur Weiterbehandlung an einen Spezialisten, der über das notwendige Instrumentarium zur Diagnose und Therapie verfügt, ebenso wie ein Eingriff in den Körper des Patienten durch positives Tun, ein ärztlicher Behandlungsfehler sein, sofern es nach dem vom Arzt zu fordernden Wissens- und Kenntnisstand fehlerhaft war753. Für den Außenseiterarzt ergeben sich diesbezüglich keine Besonderheiten. Dies wurde auch bereits aus den Ausführungen ersichtlich, die in dieser Arbeit in den Bereichen „Das so genannte Übernahmeverschulden“754 und „Die Wahl der Diagnose- / Behandlungsmethode und die Aufklärungspflichten des Außenseiters“755 gemacht wurden. Entscheidend kommt es darauf an, welches Wissen und welchen Kenntnisstand man beim Außenseiterarzt voraussetzen muss. Es ist zurückzugreifen auf die bereits in den genannten Bereichen gefundenen Ergebnisse. Danach gilt:  Maßstab für den konkreten Außenseiterarzt ist ein Außenseiterarzt des gleichen Fachs mit einem vergleichbaren Erfahrungsstand.  Hinsichtlich der vom Außenseiterarzt zu fordernden Kenntnisse gelten dann erneut die Grundsätze, die bereits im Bereich „Das so genannte Übernahmeverschulden“ dargestellt wurden756.

Hat es der Außenseiterarzt unterlassen, seinen Patienten an einen anderen Arzt oder Spezialisten zu verweisen, obwohl er auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Wissens hätte erkennen müssen, dass seine Kenntnisse und Fähigkeiten für die notwendige Diagnose und / oder Therapie nicht ausreichen und es zu einer Schädigung des Patienten kommen kann, so ist ihm ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last zu legen. 747 OLG Bamberg, Urteil v. 27. 11. 2000, Az. 4 U 106 / 99 mit Hinweis auf BGH, NJW 1996, S. 1589. 748 Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3. 749 Vgl. erneut Kapitel B, Teil III, 5, c). 750 Vgl. hierzu erneut Kapitel B, Teil III, 5, c).

V. Fehlerhafte Anwendung von Außenseitermethoden

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b) Vom Heilpraktiker zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Für den Heilpraktiker gelten in diesem Bereich im Vergleich zum Außenseiterarzt insoweit keine Besonderheiten, als auch ihm ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last fallen kann, weil er keine Verweisung an einen Arzt oder Spezialisten vorgenommen hat, obwohl er hätte erkennen müssen, dass dies erforderlich ist, weil er selbst nicht in der Lage ist, die Krankheit ordnungsgemäß zu diagnostizieren oder zu behandeln757. Dies entschied bereits das Reichsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 1941, in dem das Gericht das schuldhafte Verhalten der Behandlerin darin sah, dass diese keine Verweisung an einen Arzt vorgenommen hatte, der für die erforderliche klinische Behandlung Sorge getragen hätte, obwohl sie bei der Patientin den Verdacht auf Gebärmutterhalskrebs hätte erkennen müssen758. Auch aus den Ausführungen zum Übernahmeverschulden759 und zur Wahl von Diagnose- und Behandlungsmethode760 wurde bereits ersichtlich, dass in diesem Bereich ein Sorgfaltspflichtverstoß des Heilpraktikers in Betracht kommen kann. Entscheidend ist auch hier das Wissen, das man beim jeweiligen Heilpraktiker zugrunde legen muss. Der Meinungsstand hierzu und zum an den Heilpraktiker allgemein anzulegenden Sorgfaltsmaßstab wurde bereits dargestellt761. Der Rückgriff auf die im Rahmen dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse ergibt die folgenden Grundsätze:  Den Maßstab für den zu beurteilenden Heilpraktiker bildet ein Heilpraktiker der gleichen Fachrichtung mit einem vergleichbaren Erfahrungsstand.  Hinsichtlich der vom Heilpraktiker dann zu fordernden Kenntnisse gelten erneut die Grundsätze, die bereits im Bereich „Das so genannte Übernahmeverschulden“ dargestellt wurden762.

Der Heilpraktiker hat sich eines Sorgfaltspflichtverstoßes schuldig gemacht, wenn er es unterlassen hat, seinen Patienten an einen Arzt oder Spezialisten zu verweisen, obwohl er auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Wissens hätte erkennen müssen, dass seine Kenntnisse und Fähigkeiten für die notwendige Diagnose und / oder Therapie nicht ausreichen und es zu einer Schädigung des Patienten kommen kann.

751 752 753 754 755 756

Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3, c). Vgl. erneut Kapitel B, Teil IV. BGH, MedR 1983, S. 107 ff., S. 108. Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 2. Vgl. erneut Kapitel B, Teil III, 4, c). Vgl. im Einzelnen erneut Kapitel B, Teil II, 2.

13 Tamm

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

2. Nicht kunstgerechte Anwendung einer Außenseitermethode Das Schwergewicht der Vorwerfbarkeit in diesem Bereich liegt nicht mehr beim Unterlassen, sondern beim positiven Tun. Da bei der Durchführung einer Therapie ein Vorsatz des Behandlers, den Patienten nicht kunstgerecht zu behandeln, regelmäßig ausscheidet, beschränkt sich die strafrechtliche Relevanz auch hier in erster Linie auf die fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB und die fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB. Jeder Heileingriff muss lege artis erfolgen. Unter der Lex Artis sind begrifflich die Regeln der ärztlichen Kunst zu verstehen, bei denen es sich um die aufgrund des Fachwissens und der Standards der Disziplin anerkannten Grundsätze und Methoden handelt763. Die Lex Artis ist nicht gleichzusetzen mit der Anwendung von Verfahren der Schulmedizin, da diese grundsätzlich keinen Vorrang gegenüber den von der Schulmedizin nicht anerkannten Außenseitermethoden genießen764. Jeder Kunstfehler begründet eine Sorgfaltspflichtverletzung, die beim Eintritt eines schädlichen Erfolgs zur Strafbarkeit gem. §§ 222, 229 StGB führen kann765, das heißt, der Außenseiterarzt und der Heilpraktiker sind dazu verpflichtet, die jeweils gewählte Methode so anzuwenden, wie es den dazu entwickelten Kunstregeln entspricht.

a) Vom Außenseiterarzt zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Nach der Rechtsprechung gilt, dass der Arzt die Voraussetzungen fachgemäßer Behandlung kennen und beachten muss und verpflichtet ist, sich eine ausreichende Sachkunde über die von ihm angewandten Methoden einschließlich ihrer Risiken, vor allem die richtigen Techniken für deren gefahrlose Anwendung, anzueignen766. Für die Beantwortung der Frage, ob der Außenseiterarzt eine Außenseitermethode vorwerfbar nicht kunstgerecht angewandt hat, kommt es danach auch in diesem Bereich darauf an, welches Wissen und welche Kenntnisse bei dem zu beurteilenden Arzt unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit vorauszusetzen sind. Denn der Standard eines auch vom Recht akzeptierten guten und von Verantwortung getragenen ärztlichen Handelns bestimmt sich unterschiedlich je danach, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Ressourcen (personeller und apparativer Art) im jeweiligen Verkehrskreis des Arztes vorauszusetzen sind. Dieses am durchschnitt757 Vgl. auch Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 126, 130 f. 758 RGSt 75, S. 324 ff. 759 Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3, c).

V. Fehlerhafte Anwendung von Außenseitermethoden

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lich befähigten (Fach-)Arzt orientierte Maß an Kenntnis und Können bestimmt auch die arztstrafrechtliche Haftung767. Auch hier kann zurückgegriffen werden auf die bereits gefundenen Ergebnisse768:  Zur Beurteilung des Verhaltens des konkreten Außenseiterarztes ist ein Außenseiterarzt des gleichen Fachs mit vergleichbarem Erfahrungsstand als Maßstab heranzuziehen.  Hinsichtlich der Frage, welches Wissen und welche Kenntnisse danach beim zu beurteilenden Außenseiterarzt im Einzelnen zugrunde zu legen sind, gelten die Grundsätze, die bereits im Bereich „Das so genannte Übernahmeverschulden“ dargestellt wurden769.

Kommt man auf der Grundlage dieses zu fordernden Wissens- und Kenntnisstandes zu dem Ergebnis, dass dem Außenseiterarzt eine nicht fachgerechte Anwendung einer Außenseitermethode zur Last gelegt werden kann, so trägt dies den Fahrlässigkeitsvorwurf. Ergibt sich im Bereich dieser Fragestellung aber als Ergebnis, dass dem Außenseiterarzt z. B. aufgrund seiner noch geringen praktischen Erfahrungen unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit an diesem Punkt kein Vorwurf gemacht werden kann, so kann ihm in der Regel dennoch ein Vorwurf unter dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens zur Last gelegt werden, weil er die Behandlung des Patienten überhaupt übernommen hat, obwohl er hätte erkennen können, dass er damit überfordert ist und seine Tätigkeit eine Schädigung des Patienten zur Folge haben könnte770. Ebenso könnte in einem solchen Fall der Vorwurf gegebenenfalls darauf gegründet werden, dass er nach Übernahme der Behandlung keine Verweisung an einen anderen Arzt oder Spezialisten vorgenommen hat, obwohl er im Verlaufe der Behandlung hätte erkennen müssen, dass er selbst die Krankheit nicht sachgemäß diagnostizieren oder behandeln kann771.

b) Vom Heilpraktiker zu beachtender Sorgfaltsmaßstab Was hinsichtlich der Anwendung von Außenseitermethoden für den ärztlichen Außenseiter gilt, beansprucht nach der Rechtsprechung ebenso Geltung für den Heilpraktiker. Auch dieser muss die Voraussetzungen fachgemäßer Behandlung kennen und beachten und ist verpflichtet, sich eine ausreichende Sachkunde über 760 761 762 763 764

13*

Vgl. erneut Kapitel B, Teil III, 5, c). Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3. Vgl. im Einzelnen erneut Kapitel B, Teil II, 3, c). Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, § 223, Rn. 13. Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 1 und Teil III, 1.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

die von ihm angewandten Methoden einschließlich ihrer Risiken, vor allem die richtigen Techniken für deren gefahrlose Anwendung, anzueignen772. Für die Beantwortung der Frage, ob der Heilpraktiker eine Außenseitermethode vorwerfbar nicht kunstgerecht angewandt hat, kommt es danach, wie beim Außenseiterarzt, auch in diesem Bereich darauf an, welches Wissen und welche Kenntnisse bei dem zu beurteilenden konkreten Heilpraktiker unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit vorauszusetzen sind. Der Meinungsstand hierzu und zum an den Heilpraktiker allgemein anzulegenden Sorgfaltsmaßstab wurde bereits dargestellt773. Der Rückgriff auf die im Rahmen dieser Untersuchung gefundenen Ergebnisse führt zu den folgenden Grundsätzen:  Den Maßstab für den zu beurteilenden Heilpraktiker bildet ein Heilpraktiker der gleichen Fachrichtung mit einem vergleichbaren Erfahrungsstand.  Hinsichtlich der vom Heilpraktiker dann zu fordernden Kenntnisse gelten erneut die Grundsätze, die bereits im Bereich „Das so genannte Übernahmeverschulden“ dargestellt wurden774.

Kommt man auf der Grundlage dieses zu fordernden Wissens- und Kenntnisstandes zu dem Ergebnis, dass dem Heilpraktiker eine nicht fachgerechte Anwendung einer Außenseitermethode zur Last gelegt werden kann, so trägt dies den Fahrlässigkeitsvorwurf. Aber auch beim Heilpraktiker kann es sein, dass man bei dieser Beurteilung zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Heilpraktiker z. B. aufgrund seiner noch geringen praktischen Erfahrungen unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit an diesem Punkt kein Vorwurf gemacht werden kann. Dann kann jedoch – wie beim Außenseiterarzt – in aller Regel ein Vorwurf unter dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens erhoben werden, weil der Heilpraktiker die Behandlung des Patienten überhaupt übernommen hat, obwohl er hätte erkennen müssen, dass er damit überfordert ist und seine Tätigkeit eine Schädigung des Patienten zur Folge haben könnte775. Wie beim Außenseiterarzt könnte in einem solchen Fall der Vorwurf gegebenenfalls auch darauf gegründet werden, dass er nach Übernahme der Behandlung keine Verweisung an einen Arzt oder Spezialisten vorgenommen hat, obwohl er im Verlaufe der Behandlung hätte erkennen müssen, dass er selbst die Krankheit nicht sachgemäß diagnostizieren oder behandeln kann776.

765 766 767 768 769

Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, § 223, Rn. 13. Vgl. erneut BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1537. Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Cramer / Sternberg-Lieben, § 15, Rn. 219. Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 2. Vgl. im Einzelnen erneut Kapitel B, Teil II, 2.

VI. Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten bei der Schuld

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VI. Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten im Bereich der Schuld Im Zusammenhang mit dem Begriff der Fahrlässigkeit wurde bereits dargestellt, dass dieser nach der im Strafrecht überwiegend vertretenen Zweistufigkeitslehre einen doppelten Maßstab umfasst: Auf der Ebene des Unrechtstatbestandes wird die Frage beantwortet, ob der Täter das objektiv erforderliche Maß an Sorgfalt erbracht hat. Zu diesem Zweck wird der Täter einer Gruppe zugeordnet, die dem für ihn maßgeblichen näheren Verkehrskreis entspricht. Anschließend wird ermittelt, welche Kenntnisse und welches Können objektiv bei einem Angehörigen dieses Verkehrskreises mit dem Ausbildungsstand des Täters vorauszusetzen waren, und auf der Basis dieses Wissens ermittelt, ob der Täter objektiv sorgfaltswidrig gehandelt hat. Auf der Ebene der Schuld geht es um die weitere Frage, ob der Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten, insbesondere also nach seinem intellektuellen Zuschnitt und seinem bisherigen Erfahrungswissen, subjektiv in der Lage war, das objektiv erforderliche Maß an Sorgfalt zu erbringen777. Aus diesem zweistufigen Ansatz folgt, dass ein Arzt, der zivilrechtlich wegen des dort geltenden rein objektiven Maßstabes haftet, strafrechtlich mangels Schuld freizusprechen sein kann, weil die von ihm unter den konkreten Umständen geforderte Sorgfalt über seine individuellen Einsichten und Fertigkeiten hinausging778. Das gleiche gilt auch für den Heilpraktiker. In Bezug auf die Strafbarkeit des Außenseiterarztes und des Heilpraktikers geht es im Bereich der Schuld konkret um die Frage, ob eine unzureichende Aus- und Fortbildung, der Mangel an objektiv erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten im jeweiligen Fall geeignet ist, den Schuldvorwurf entfallen zu lassen.

1. Individuelle Sorgfaltspflicht des Außenseiterarztes Am Beginn der Auseinandersetzung mit der Frage, ob Qualifikationsmängel des Außenseiterarztes dazu führen können, dass bei Vorliegen eines objektiven Sorgfaltspflichtverstoßes der Schuldvorwurf entfällt, muss die Überlegung stehen, zu welchem Ergebnis es führen würde, wenn man diese Möglichkeit bejahte: Der schlecht ausgebildete Außenseiterarzt und / oder der Außenseiterarzt, der seiner Fortbildungspflicht nur unzureichend nachkommt, würden gegenüber dem Außenseiterarzt, der für eine umfassende Ausbildung und Fortbildung Sorge trägt, haftungsrechtlich privilegiert. Je gröber der Außenseiterarzt seine Aus- und Fort770 771

Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 2. Vgl. erneut Kapitel B, Teil V, 1, a).

198

B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

bildung vernachlässigt, desto eher könnte er im Falle eines objektiven Sorgfaltspflichtverstoßes einer Haftung entgehen, da ihm dieser aufgrund seiner besonders schlechten Qualifikation nicht vorgeworfen werden könnte. Ein Ergebnis, das schon aus Gründen des Patientenschutzes nicht hingenommen werden kann und die zunächst erfolgte Aufstellung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs konterkarieren würde. Im Bereich der Schuld können an den Außenseiterarzt daher keine geringeren Anforderungen in Bezug auf seine Ausbildung und Fortbildung gestellt werden als im Bereich des Unrechtstatbestandes. In Fällen, in denen der Außenseiterarzt eine Behandlung übernommen hat, obwohl er nach seinen individuellen Fähigkeiten nicht in der Lage war, eine ordnungsgemäße Diagnose zu stellen und eine ebensolche Behandlung zu gewährleisten, wird in aller Regel bereits ein Übernahmeverschulden779 des Arztes anzunehmen sein, weil ihm vorgeworfen werden kann, dass er zumindest hätte erkennen können, dass er zu einer ordnungsgemäßen Heilbehandlung nicht in der Lage ist. Denn objektiv pflichtwidrig und subjektiv schuldhaft handelt auch derjenige Arzt, der freiwillig – ohne Not – eine Tätigkeit übernimmt, der er mangels eigener persönlicher Fähigkeiten oder Sachkunde erkennbar nicht gewachsen ist oder die er trotz vorhandenen Könnens und Erfahrung aus anderen Gründen, etwa Übermüdung, Trunkenheit, Erkrankung, Medikamenteneinwirkung u. a. nicht sachgerecht erfüllen kann, sofern er dies erkannt hat oder hätte erkennen müssen780. Dies wird bei den genannten Konstellationen aber regelmäßig anzunehmen sein. Die Fälle, in denen der Arzt nicht in der Lage war, seine persönlichen Defizite zu erkennen, dürften die absolute Ausnahme darstellen781. So verneinte der BGH in einem zivilrechtlichen Fall etwa ein Übernahmeverschulden eines noch in der Facharztausbildung befindlichen, noch wenig erfahrenen Assistenzarztes, weil dieser nach den bei ihm – das heißt einem Assistenzarzt seines Ausbildungsstandes – vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen nicht die mit der selbständigen Führung einer Operation für den Patienten verbundenen Gefahren erkennen konnte782. Der Erfahrungsstand der jeweils zu beurteilenden Person findet jedoch bereits im Bereich des Unrechtstatbestandes Berücksichtigung und nicht erst im Bereich der Schuld783, so dass es danach schon an einem objektiven Sorgfaltspflichtverstoß mangelte. 772 773 774 775 776 777 778 779

Vgl. erneut BGH, NJW 1991, S. 1535 ff., S. 1537. Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3. Vgl. im Einzelnen erneut Kapitel B, Teil II, 3, c). Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 3, c) Vgl. erneut Kapitel B, Teil V, 1, b). Vgl. im Einzelnen erneut Kapitel B, Teil I. Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl., S. 34 f. Vgl. hierzu erneut Kapitel B, Teil II, 2.

VI. Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten bei der Schuld

199

In Fällen, in denen sich der Außenseiterarzt, dem objektiv ein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen ist, im Rahmen des Schuldvorwurfs darauf beruft, er sei aufgrund der Vernachlässigung seiner Aus- und / oder Fortbildung nicht in der Lage gewesen, seine eigene Unzulänglichkeit zur Behandlung des Patienten zu erkennen, kann ihn auch dies nicht entlasten, da es in einem solchen Fall zu der dargestellten Privilegierung des besonders schlecht qualifizierten Arztes käme. Der Schuldvorwurf an den Außenseiterarzt kann daher nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen entfallen. So etwa dann, wenn der Pflichtverstoß dem Außenseiterarzt in einer Stresssituation unterlief, die ihm nicht bewusst wurde784 oder wenn sich im Verlauf einer Behandlung unvorhersehbare Komplikationen ergeben und ein Abbruch der Behandlung und eine Verweisung an einen Kollegen nicht möglich ist785. Letzteres kommt aber letztlich wohl nur bei Operationen in Betracht786, mit denen sich der Außenseiterarzt in der Regel nicht befasst.

2. Individuelle Sorgfaltspflicht des Heilpraktikers Was in Bezug auf eine mögliche Privilegierung des besonders schlecht qualifizierten Außenseiterarztes durch eine positive Berücksichtigung seiner mangelhaften Kenntnisse im Bereich der Schuld festgestellt wurde787, gilt gleichermaßen für den Heilpraktiker. Auch beim Heilpraktiker können in Bezug auf seine Aus- und Fortbildung und damit in Bezug auf die bei ihm vorauszusetzenden Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der Schuld keine Abstriche gegenüber den Anforderungen gemacht werden, die im Bereich des Unrechtstatbestandes an ihn gestellt wurden788. Auch für den Heilpraktiker gilt also, dass ihm in Fällen, in denen er eine Behandlung übernommen hat, obwohl er nach seinen individuellen Fähigkeiten nicht in der Lage war, eine ordnungsgemäße Diagnose zu stellen und eine ebensolche Behandlung zu gewährleisten, in aller Regel bereits ein Übernahmeverschulden789 anzulasten ist, und zwar auch dann, wenn er sich darauf beruft, er habe seine eigene Unzulänglichkeit aufgrund der Vernachlässigung seiner Aus- und Fortbildung nicht erkennen können. Dies gebietet der Gedanke des Patientenschutzes wie auch die Tatsache, dass die zuvor erfolgte Aufstellung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs sonst konterkariert würde. 780 Vgl. Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 3. Aufl., S. 35; ebenso Peters, Der strafrechtliche Arzthaftungsprozess – Eine empirisch-dogmatische Untersuchung in kriminalpolitischer Absicht, S. 189. 781 So Peters, Der strafrechtliche Arzthaftungsprozess – Eine empirisch-dogmatische Untersuchung in kriminalpolitischer Absicht, S. 189 f. nach Auswertung von Aktenmaterial der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die keinen solchen Fall zutage förderte. 782 BGH, NJW 1984, S. 655 ff., S. 657. 783 Vgl. erneut Kapitel B, Teil II, 2. 784 Vgl. Schönke / Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., Cramer / Sternberg-Lieben, § 15, Rn. 195.

200

B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

In gewissem Gegensatz zu dieser Ansicht steht die Entscheidung des Reichsgerichts vom 01. 12. 1931790: Dem bereits an früherer Stelle zitierten Urteil lag ein Fall zugrunde, in dem ein Heilpraktiker die Blinddarmentzündung bei einer Frau zunächst mit homöopathischen Mitteln und später mit Umschlägen und Massagen mit warmer Butter behandelte, anstatt ihr zu einer sofortigen Operation zu raten. Diese wurde erst veranlasst, als nach 10 Tagen ein Arzt hinzugezogen wurde. Der Tod der Patientin war zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr zu verhindern. Das Gericht führte aus, dass innerhalb der Grenzen des objektiven Maßstabes zur Feststellung einer Sorgfaltspflichtverletzung unter Schuldgesichtspunkten auch noch die Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Täters geboten sei, wobei aber beachtet werden müsse, dass schon die Übernahme einer Tätigkeit den Vorwurf einer für den tatbestandlichen Erfolg ursächlichen Fahrlässigkeit begründen kann, wenn der Täter nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen hätte erkennen können, dass er den mit der übernommenen Tätigkeit verbundenen besonderen Anforderungen an Wissen und Können nicht gewachsen ist und dass seine Tätigkeit eben wegen dieses Mangels möglicherweise den in Frage stehenden Erfolg herbeiführen werde791. Das Gericht stellte fest, dass der Richter für die Frage, ob der Täter nach seinen persönlichen Verhältnissen zur Erkenntnis und Erfüllung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und zur Erkenntnis der ursächlichen Bedeutung seines Verhaltens in der Lage war, nicht die Stellungnahme des Gesetzgebers außer Acht lassen dürfe, der – von wenigen Ausnahmen abgesehen – jeden zur Ausübung der Heilkunde zulässt, der sich hierzu berufen fühlt. Die Wirkung dieser Stellungnahme auf die Seele des Behandlers müsse Berücksichtigung finden, denn es fehle aufgrund dieser Sachlage an jeder Warnung der Rechtsordnung, die auf anderen Gebieten in dem Erfordernis des Nachweises bestimmter Fähigkeiten und Kenntnisse liege792. Das Gericht führt weiter aus, dass der nichtärztliche Heilbehandler im Glauben an die Überlegenheit seiner Methoden zusätzlich durch entsprechende Veröffentlichungen in Zeitschriften und Büchern bestärkt werden könne, die den Verfahren der ärztlichen Wissenschaft ablehnend gegenüberstehen. Sofern die jeweiligen Methoden auch von Ärzten angewandt würden, könne dies seine Überzeugung weiter stützen, besonders, wenn er während einer länger dauernden Praxis keine nennenswerten, für ihn erkennbaren Misserfolge erlebt. Hier sei es durchaus möglich, dass der Heilbehandler bei der Übernahme der Behandlung seinen Mangel an Fähigkeiten und Kenntnissen und die Möglichkeit der Verursachung einer Körperverletzung oder der Tötung durch die Behandlung trotz einer etwa angestellten Selbstprüfung nicht zu erkennen vermag, zumal, wenn

785 Peters, der strafrechtliche Arzthaftungsprozess – Eine empirisch-dogmatische Untersuchung in kriminalpolitischer Absicht, S. 189.

VI. Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten bei der Schuld

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er nur über eine geringe Urteilsfähigkeit verfügt. Die genannten und ähnliche besondere Gesichtspunkte könnten dazu führen, dass in einem Fall, in dem ein Heilbehandler infolge eines schweren Mangels an Fähigkeiten und Kenntnissen einen an sich leicht vermeidbaren, höchst bedauerlichen rechtswidrigen Erfolg verursacht hat, aus inneren Gründen strafrechtlich hierfür nicht verantwortlich gemacht werden kann793. Bei der Beurteilung dieser Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass sie aus einer Zeit vor Erlass des HPG stammt. Die Ausübung der Heilkunde war damals noch ohne Erlaubnis jedermann möglich, so dass es tatsächlich an der vom Gericht genannten Warnung der Rechtsordnung fehlte. Dies ist seit Erlass des HPG anders. Jeder Heilpraktiker bedarf einer Erlaubnis nach dem HPG und muss dazu eine Prüfung vor dem Gesundheitsamt bestehen. Auch wenn es sich bei dieser Prüfung nicht um eine Fachprüfung handelt, aus der sich die Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde ergibt, erfüllen die nach dem HPG für die Erlangung der Erlaubnis zu erfüllenden Voraussetzungen eine Warnfunktion im genannten Sinne, so dass dieses Argument des Reichsgerichts aus heutiger Sicht nicht mehr verfängt. Auch den weiteren Ausführungen des Reichsgerichts kann nicht gefolgt werden. An den Heilpraktiker sind in Bezug auf seine Aus- und Fortbildung aus Gründen des Patientenschutzes hohe Anforderungen zu stellen. Zu den Pflichten des Heilpraktikers gehört nach der hier vertretenen Ansicht u. a. auch, dass er die Verfahren der Schulmedizin in ihren Grundzügen kennt, die als Alternativen zu den von ihm angewandten Methoden in Betracht kommen794. Legt man den für den Heilpraktiker ermittelten hohen objektiven Maßstab für die Frage der Fahrlässigkeit seines Verhaltens zugrunde, so wird man im Bereich der Schuld kaum zu dem Ergebnis gelangen können, dass ein diesem Maßstab nicht entsprechendes Wissen und Können den Heilpraktiker subjektiv entschuldigen könnte. Die vom Reichsgericht genannten weiteren Argumente für einen eventuellen Wegfall des Schuldvorwurfs können danach nicht überzeugen. Würde man der Ansicht des Reichsgerichts folgen, so würde dies zu der bereits genannten Privilegierung des besonders schlecht qualifizierten Heilpraktikers führen. Dies aber kann aus Gründen des Patientenschutzes nicht hingenommen werden795. Ist der jeweilige Heilpraktiker noch ein „Anfänger“, ist er also noch nicht lange praktisch tätig und verfügt er daher noch nicht über so umfangreiche Erfahrungen wie ein seit langen Jahren praktizierender Heilpraktiker, so ist dies bereits im Bereich des Unrechtstatbestandes bei der Zuordnung des Heilpraktikers zum für ihn maßgebenden Verkehrskreis zu berücksichtigen. Im Bereich der Schuld spielt dies dagegen keine Rolle796. 786 Vgl. auch Peters, der strafrechtliche Arzthaftungsprozess – Eine empirisch-dogmatische Untersuchung in kriminalpolitischer Absicht, S. 189. 787 Vgl. soeben Kapitel B, Teil VI, 1. 788 Ebenso Cramer, Strafrechtliche Grenzen der Therapiefreiheit und der Heilbehandlung durch Heilpraktiker, S. 172.

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B. Strafrechtlich relevante Fehlerquellen bei Außenseitermethoden

Auch für den Heilpraktiker gilt daher im Ergebnis, dass der Schuldvorwurf nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen entfallen kann. Wie beim Außenseiterarzt kann dies beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Pflichtverstoß dem Heilpraktiker in einer Stresssituation unterlief, die ihm nicht bewusst wurde797, oder wenn sich im Verlauf einer Behandlung unvorhersehbare Komplikationen ergeben und ein Abbruch der Behandlung und eine Verweisung an einen Arzt nicht möglich sind798. Letzteres kommt aber letztlich wohl nur bei Operationen in Betracht799, mit denen sich auch der Heilpraktiker in aller Regel kaum befasst.

789 790 791 792 793

Vgl. hierzu erneut Kapitel B, Teil II, 3. RGSt 67, S. 12 ff. RGSt 67, S. 12 ff., S. 20. RGSt 67, S. 12 ff., S. 25. RGSt, 67, S. 12 ff., S. 25 f.

C. Zusammenfassung der Ergebnisse Die vorliegende Untersuchung sollte zeigen, welche Sorgfalts- und auch Aufklärungspflichten vom ärztlichen respektive nicht ärztlichen Außenseiter bei der Heilbehandlung von Patienten aus der Sicht des Strafrechts zu beachten sind, um eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung gem. § 229 StGB oder fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB auszuschließen.

I. Die für den ärztlichen Außenseiter geltenden Grundsätze: Ausgangspunkt ist das Maß an Wissen und Kenntnissen, das unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit beim jeweiligen Außenseiterarzt zugrunde zu legen ist. Um diesen vorauszusetzenden Wissens- und Kenntnisstand festzulegen, ist für den zu beurteilenden Außenseiterarzt der für ihn maßgebliche nähere Verkehrskreis zu ermitteln; es wird festgestellt, welcher Wissens- und Kenntnisstand bei einem auf demselben Gebiet tätigen Außenseiterarzt mit vergleichbarer praktischer Erfahrung zugrunde zu legen ist. Für diese Festlegung ist die in § 4 MBO-Ä 1997 geregelte Fortbildungspflicht zu berücksichtigen, der jeder Arzt, auch der Außenseiterarzt, unterliegt. Das heißt, für den zu beurteilenden Außenseiterarzt gilt, dass er das Maß an Wissen und Kenntnissen haben muss, das bei einem Arzt vorhanden zu sein hat, der zu der für ihn ermittelten Gruppe gehört und der sich ordnungsgemäß fortbildet. Um seiner Fortbildungspflicht in vollem Maße zu entsprechen, muss der Außenseiterarzt sich auf seinem Fachgebiet umfassend über den Stand der medizinischen Wissenschaft auf dem Laufenden halten, muss sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Fortschritte der Heilkunde unterrichten und mit den neuesten Heilmitteln vertraut machen. Er darf sich neuen Erkenntnissen und Lehren der Medizin nicht verschließen. Wendet er Methoden an, die eigentlich nicht sein Fachgebiet betreffen, so muss er sich auch in Bezug auf diese Methoden umfassend fortbilden. Außerdem muss er sich auch über die schulmedizinischen Verfahren und deren Risiken und Chancen informieren und informiert halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Vom Außenseiterarzt, der neben den Außenseiterverfahren in aller Regel auch Verfahren der Schulmedizin anwenden wird, kann dabei auch verlangt werden, dass er genau weiß, wie diese Verfahren im Einzelnen angewandt werden.

204

C. Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Auswahl der Quellen und Informationsmittel steht dabei grundsätzlich im Ermessen des einzelnen Außenseiterarztes, der sich insbesondere durch die regelmäßige Lektüre von Fachzeitschriften in seinem Gebiet auf dem Laufenden halten muss. Auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Maßes an Wissen und Kenntnissen ist die Frage zu beantworten, ob dem jeweiligen Arzt ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last zu legen ist. Dem Arzt kann beispielsweise ein Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst bei der Anwendung einer Außenseitermethode zur Last fallen. Kommt man an diesem Punkt zu dem Ergebnis, dass der Arzt auf der Grundlage des genannten Wissens- und Kenntnisstandes hätte erkennen müssen, dass er die jeweilige Methode nicht richtig anwendet und es dadurch zu einer Schädigung des Patienten kommen kann, so ist ein Sorgfaltspflichtverstoß zu bejahen. Auch in dem Fall, in dem der Arzt nach dem vorauszusetzenden Wissens- und Kenntnisstand nicht zu dieser Erkenntnis imstande war, kann ihm ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last fallen, weil er von Anfang an zumindest hätte erkennen müssen, dass er nicht in der Lage ist, die Krankheit seines Patienten ordnungsgemäß zu diagnostizieren oder zu behandeln. Aufgrund der dennoch erfolgten Übernahme der Behandlung kann ihm dann ein Übernahmeverschulden vorgeworfen werden. War in einem solchen Fall die eigene Unzulänglichkeit dem Außenseiterarzt bei Übernahme der Behandlung noch nicht erkennbar oder lag sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor, kommt man aber zu dem Ergebnis, dass er z. B. wegen der Verschlimmerung der Symptome während der Behandlung hätte erkennen müssen, dass er mit dieser überfordert ist, so kann ihm daraus der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden, dass er es unterlassen hat, seine Behandlung abzubrechen und den Patienten an einen anderen Arzt zu verweisen, der eine ordnungsgemäße Behandlung sicherzustellen in der Lage gewesen wäre. Die Weiterführung der Behandlung trotz der Möglichkeit, die eigene Unzulänglichkeit und die Möglichkeit einer Schädigung des Patienten zu erkennen, begründet dann einen Sorgfaltspflichtverstoß. In Bezug auf die Stellung der Diagnose kann dem Außenseiterarzt dann ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last zu legen sein, wenn er elementare Kontrollbefunde nicht erhoben oder eine Überprüfung der ersten Arbeitsdiagnose unterlassen hat und dadurch zu einer Fehldiagnose gelangte. Der Außenseiterarzt muss seinen Patienten sorgfältig untersuchen und anhören und darf nur aufgrund einer eingehenden Anamnese eine Diagnose stellen. Wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die zunächst gestellte Diagnose nicht gesichert ist, und der Arzt dies auf der Grundlage des bei ihm vorauszusetzenden Kenntnis- und Wissensstands erkennen muss, so ist er verpflichtet, weitere Erkenntnisquellen auszuschöpfen, soweit er dazu selbst in der Lage ist. Kann er die notwendigen Untersuchungen nicht selbst durchführen, so muss er den Patienten an einen anderen Arzt verweisen, der hierzu in der Lage ist. Insgesamt gilt, dass der Außenseiterarzt umso eher auf belastende

I. Die für den ärztlichen Außenseiter geltenden Grundsätze

205

und kostspielige Diagnostik verzichten kann, je deutlicher sich abzeichnet, dass eine ganz bestimmte Krankheit vorliegt. Zudem ist der Arzt in verstärktem Maße dazu verpflichtet, seinen Patienten gründlich zu untersuchen, wenn die durch ihn in Aussicht genommene Behandlung bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen besonders schwerwiegende Nebenwirkungen nach sich ziehen kann. Hinsichtlich der Wahl der Behandlungsmethode gilt, dass die Wahl der Methode aufgrund der bestehenden Methodenfreiheit primär Sache des Arztes ist und die Verfahren der so genannten Schulmedizin grundsätzlich keinen Vorrang vor den Verfahren der Außenseitermedizin genießen, so dass sich der Arzt grundsätzlich frei für eine Außenseitermethode entscheiden kann. Dabei muss er dafür Sorge tragen, dass das von ihm gewählte Verfahren den auf dem Gebiet der Außenseitermethoden aktuellen medizinischen Standard darstellt. Stehen verschiedene, gleichwertige Verfahren zur Verfügung, so muss sich der Außenseiterarzt grundsätzlich für dasjenige entscheiden, das mit den geringsten Risiken für den Patienten verbunden ist und diesem voraussichtlich am wenigsten schadet. Unter mehreren praktisch gleichwertigen Methoden darf er unter Berücksichtigung dieser Faktoren das nach seinem Ermessen am besten geeignete Verfahren bevorzugen, insbesondere ein solches, für das er die größere Erfahrung besitzt und das am besten seiner Ausbildung und Praxis entspricht. Eine Entscheidung für eine vergleichsweise risikoreichere Methode muss in besonderen Sachzwängen des konkreten Falles oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden. Eine Bindung an das wirksamste Verfahren besteht grundsätzlich nicht. Der Außenseiterarzt darf jedoch solche Methoden nicht anwenden, die den Heilerfolg nicht herbeizuführen in der Lage sind. Erkennt er oder muss er erkennen, dass das von ihm angewandte Verfahren keine Wirkung zeigt, so muss er entweder das bekanntermaßen wirksamere Verfahren selbst anwenden oder dafür sorgen, dass der Patient diesem Verfahren zugeführt wird. In einem solchen Fall kann es angezeigt sein, ein Verfahren der Schulmedizin anzuwenden oder dafür zu sorgen, dass der Patient einem anderen Behandler zugeführt wird, der dieses anwendet. Aus diesem Grund muss der Außenseiterarzt in seine vergleichende Abwägung der unterschiedlichen Verfahren auch solche der Schulmedizin einbeziehen, die im konkreten Fall als Alternative in Betracht kämen. Die Methodenfreiheit des Arztes wird begrenzt durch das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Dieses schließt die Befugnis ein, jede nicht gegen die guten Sitten verstoßende Behandlungsmethode zu wählen. Damit der Patient eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen kann, muss der Außenseiterarzt ihn ordnungsgemäß aufklären. Da jede ärztliche, die Integrität des Körpers berührende Maßnahme tatbestandlich als Körperverletzung zu qualifizieren ist, bedarf sie, um gerechtfertigt zu sein, der aufgrund ordnungsgemäßer Aufklärung erteilten, wirksamen Einwilligung des Patienten. Zur ordnungsgemäßen Aufklärung gehört die Information des Patienten darüber, dass und warum der Außenseiterarzt von einer Standardbehandlung abweichen

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C. Zusammenfassung der Ergebnisse

will. Der Außenseiterarzt ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Patienten in verstärktem Maße über die Verfahren der Schulmedizin zu informieren, die als Alternative zu dem von ihm in Aussicht genommenen Verfahren in Betracht kommen. Gibt es mehrere, gleich Erfolg versprechende Behandlungsverfahren, so muss der Arzt dem Patienten jedenfalls dann deren Risiken darstellen und ihm gegenüber seine Wahl begründen, wenn jeweils unterschiedliche Risiken für den Patienten bestehen. Zudem muss der Arzt im Großen und Ganzen über die Risiken informieren, die mit der gewählten Außenseitermethode verbunden sind und deren Verwirklichung im Bereich des Möglichen liegt. Dabei brauchen die Risiken grundsätzlich nicht in allen Details beschrieben, sondern lediglich in groben Zügen erkennbar gemacht zu werden. Der Patient muss einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen erhalten, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können. Die Aufklärungspflicht geht umso weiter, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten als dringend geboten erscheint. Auch über die vom Arzt angenommene Diagnose muss aufgeklärt werden, soweit nicht die Aufklärung hierüber zu einer Gefährdung des Patienten führen könnte, die schwerer wiegt, als die Beeinträchtigung seines Selbstbestimmungsrechts. Soweit der Patient bereits ausreichend informiert ist, braucht der Außenseiterarzt ihn nicht mehr aufzuklären. Auch muss der Außenseiterarzt nicht über solche Risiken informieren, die jedermann allgemein bekannt sein müssten. Hier darf der Arzt erwarten, dass der Patient nachfragt, wenn er weitere Erläuterungen wünscht. In Bezug auf die im Rahmen des Unrechtstatbestandes an den Außenseiterarzt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen gilt, dass diese im Rahmen der Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten im Bereich der Schuld nicht relativiert werden. Der Schuldvorwurf an den Außenseiterarzt entfällt nicht dadurch, dass er aufgrund der Vernachlässigung seiner Aus- und Fortbildung nicht in der Lage war, den Sorgfaltsanforderungen gerecht zu werden, die unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit auf der Ebene des Unrechtstatbestandes an ihn gestellt werden. Würde man dies zulassen, so würde derjenige Außenseiterarzt haftungsrechtlich privilegiert, der seine Aus- und Fortbildung besonders vernachlässigt. Dies kann aus Gründen des Patientenschutzes nicht hingenommen werden. Der Schuldvorwurf an den Außenseiterarzt kann daher nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen entfallen. So etwa dann, wenn der Pflichtverstoß dem Außenseiterarzt in einer Stresssituation unterlief, die ihm nicht bewusst wurde, oder wenn sich im Verlauf einer Behandlung unvorhersehbare Komplikationen ergeben und ein Abbruch der Behandlung und eine Verweisung an einen Kollegen nicht möglich ist. Letzteres kommt aber letztlich wohl nur bei Operationen in Betracht, mit denen sich der Außenseiterarzt in der Regel nicht befasst.

II. Die für den Heilpraktiker geltenden Grundsätze

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II. Die für den Heilpraktiker geltenden Grundsätze Auch für die Festlegung der an den Heilpraktiker zu stellenden Sorgfaltsanforderungen bildet der beim Heilpraktiker unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit vorauszusetzende Wissens- und Kenntnisstand den Ausgangspunkt. Um diesen zu definieren, ist für den zu beurteilenden Heilpraktiker der für ihn maßgebliche nähere Verkehrskreis zu bestimmen; es wird ermittelt, welcher Wissens- und Kenntnisstand bei einem auf demselben Gebiet tätigen Heilpraktiker mit vergleichbarer praktischer Erfahrung zugrunde zu legen ist. Da gesetzliche Bestimmungen zur Ausbildung und Fortbildung des Heilpraktikers nicht existieren, war es in diesem Bereich schwierig, einen Sorgfaltsmaßstab zu entwickeln, an dem sich der Heilpraktiker jeweils konkret messen lassen muss. Grundlage für die Entwicklung der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht waren die folgenden Faktoren, hinsichtlich derer festgestellt wurde, dass sie in Ausgleich, in ein angemessenes Verhältnis zu einander, gebracht werden müssen:  Es existieren keine detaillierten gesetzlichen Ausbildungsvorschriften für den Heilpraktiker; der Gesetzgeber hat sich auch nach dem Erlass des Grundgesetzes und der dadurch bedingten Änderung des Charakters des HPG dafür entschieden, die Ausbildung des Heilpraktikers auch weiterhin keiner gesetzlichen Regelung zuzuführen. Die Tätigkeit des Heilpraktikers wird durch Art. 12 GG geschützt.  Die Berufsgruppe der Heilpraktiker ist in Bezug auf ihre Ausbildung inhomogen. Es existiert jedoch eine Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH), die Pflichten für diejenigen Heilpraktiker formuliert, die einem Berufsverband angehören; u. a. enthält sie eine Pflicht zur Fortbildung. Zudem existieren Verbandsschulen mit eigener Schulsatzung, in der die Ausbildungsdauer und die Ausbildungsinhalte geregelt sind. Diese Regelungen besitzen jedoch keinen Gesetzesrang und sind daher nicht allgemeinverbindlich für jeden Heilpraktiker respektive jede Heilpraktikerschule, sondern gelten nur innerhalb der Verbände beziehungsweise Verbandsschulen.  Die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit stehen über Art. 2 Abs. 2, S. 1 GG ebenfalls unter dem Schutz der Verfassung und haben einen besonders hohen Rang; daher kann das Maß der diesen Rechtsgütern im Einzelfall drohenden Gefahren nicht unberücksichtigt bleiben.

Sodann wurde als Ergebnis gefunden, dass der Heilpraktiker bei Anwendung von invasiven und vergleichbar gefährlichen Methoden, die auch von Ärzten angewandt werden, einem anderen Haftungsmaßstab unterliegt, als bei der Anwendung von auch von Ärzten angewandten geringgefährlichen Methoden und solchen Methoden, die nur Heilpraktiker anwenden. Im Einzelnen ergab sich Folgendes: a) Soweit der Heilpraktiker auch von Ärzten angewandte invasive oder vergleichbar gefährliche Methoden zur Anwendung bringt, gilt, dass hinsichtlich des

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C. Zusammenfassung der Ergebnisse

beim Heilpraktiker vorauszusetzenden Wissens und Könnens der Allgemeinarzt den Vergleichsmaßstab bildet, der diese Methoden ebenfalls anwendet. Dies bedeutet, dass sich der Heilpraktiker in Bezug auf diese Methoden im gleichen Umfang ausbilden und auf dem neuesten Stand halten muss, wie der ärztliche Außenseiter. Der Heilpraktiker muss sich auf seinem Fachgebiet umfassend über den Stand der medizinischen Wissenschaft auf dem Laufenden halten, muss sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Fortschritte der Heilkunde unterrichten und mit den neuesten Heilmitteln vertraut machen. Er darf sich den neuen Lehren und Erkenntnissen der Heilkunde nicht verschließen. Wendet er Methoden an, die eigentlich nicht in sein Fachgebiet fallen, so muss er sich auch in Bezug auf diese Methoden umfassend fortbilden. Wie beim ärztlichen Außenseiter liegt es grundsätzlich im Ermessen des einzelnen Heilpraktikers, welche Quellen und Informationsmittel er auswählt. Der Heilpraktiker muss sich jedoch insbesondere durch die regelmäßige Lektüre von Fachzeitschriften in seinem Gebiet auf dem Laufenden halten. Der Heilpraktiker ist außerdem dazu verpflichtet, sich über diejenigen schulmedizinischen Verfahren und deren jeweilige Risiken und Chancen zu informieren und informiert zu halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Wie diese Verfahren genau angewendet werden, muss er allerdings nicht wissen, da er keine schulmedizinische Ausbildung durchlaufen hat. Um diesen Anforderungen insgesamt gerecht werden zu können, wird der Heilpraktiker im Ergebnis eine umfassende Ausbildung an einer guten Heilpraktikerschule durchlaufen und bei der Fortbildung auch solche Zeitschriften berücksichtigen müssen, die sich an Allgemeinmediziner wenden. Eine gute Heilpraktikerschule kann dabei nur eine solche sein, in der mindestens im selben Umfang Kenntnisse und Wissen vermittelt werden, wie dies auf einer Verbandsschule der Fall ist. b) Soweit der Heilpraktiker Methoden anwendet, die auch von Ärzten angewandt werden, die jedoch keine so großen Gefahren mit sich bringen wie invasive Methoden, oder er Verfahren anwendet, die ausschließlich von Heilpraktikern angewandt werden, so bildet der gewissenhafte Heilpraktiker den Maßstab, an dem sich der konkrete Heilpraktiker messen lassen muss. Gewissenhaft ist der Heilpraktiker, der die Kenntnisse aufweist, die ein Heilpraktiker haben muss, der an einer Verbandsschule eine umfassende Ausbildung durchlaufen hat und der sich entsprechend der Forderung in der Berufsordnung fortbildet. Dabei kann in Bezug auf die Fortbildung ein gewissenhafter Heilpraktiker im Einklang mit der Ansicht des Reichsgerichts nur ein solcher sein, der sich ständig und nach bestem Können über die Grundlagen und Fortschritte der Heilkunde unterrichtet und sich deren neuen Erkenntnissen und Lehren gegenüber nicht ver-

II. Die für den Heilpraktiker geltenden Grundsätze

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schließt. Der Heilpraktiker muss dafür Sorge tragen, dass er auf seinem Fachgebiet umfassend über den Stand der medizinischen Wissenschaft auf dem Laufenden bleibt und er muss sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Fortschritte der Heilkunde unterrichten und mit den neuesten Heilmitteln vertraut machen. Auch hier gilt, dass der Heilpraktiker einschlägige Fachzeitschriften lesen muss, um sich auf dem neuesten Stand zu halten. Wendet er Methoden an, die eigentlich nicht sein Fachgebiet betreffen, so muss er sich auch in Bezug auf diese Methoden umfassend fortbilden. Außerdem muss er sich aber auch über diejenigen schulmedizinischen Verfahren und deren Risiken und Chancen informieren und informiert halten, die als Alternative zu den von ihm angewandten Verfahren in Betracht kommen. Wie diese Verfahren genau angewendet werden, muss er jedoch nicht wissen. Um diesen Anforderungen insgesamt gerecht werden zu können, wird der Heilpraktiker im Ergebnis eine umfassende Ausbildung an einer guten Heilpraktikerschule durchlaufen und bei der Fortbildung auch solche Zeitschriften berücksichtigen müssen, die sich an Allgemeinmediziner wenden. Eine gute Heilpraktikerschule kann dabei nur eine solche sein, in der im selben Umfang Kenntnisse und Wissen vermittelt werden, wie dies auf einer Verbandsschule der Fall ist. c) Auf der Grundlage dieses vorauszusetzenden Maßes an Wissen und Kenntnissen ist die Frage zu beantworten, ob dem zu beurteilenden Heilpraktiker ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last zu legen ist. Beispielsweise kann der Vorwurf darin begründet sein, dass der Heilpraktiker bei der Anwendung einer Außenseitermethode gegen die dafür anerkannten Regeln verstoßen hat. Soweit man an diesem Punkt zu dem Ergebnis gelangt, dass der Heilpraktiker auf der Grundlage des genannten Wissens- und Kenntnisstandes hätte erkennen müssen, dass er die jeweilige Methode nicht richtig anwendet und es zu einer Schädigung des Patienten kommen kann, ist von einem Sorgfaltspflichtverstoß auszugehen. Dem Heilpraktiker kann aber auch in den Fällen ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last fallen, in denen er nach dem vorauszusetzenden Wissens- und Kenntnisstand nicht zu dieser Erkenntnis imstande war. Denn dann wird ihm in aller Regel vorgeworfen werden können, dass er von Anfang an zumindest hätte erkennen müssen, dass er nicht in der Lage ist, die Krankheit seines Patienten ordnungsgemäß zu diagnostizieren oder zu behandeln. Wegen der dennoch erfolgten Übernahme der Behandlung kann ihm dann, ebenso wie dies beim Außenseiterarzt festgestellt wurde, ein Übernahmeverschulden vorgeworfen werden. Konnte der Heilpraktiker die eigene Unzulänglichkeit in einem solchen Fall bei Übernahme der Behandlung noch nicht erkennen oder lag sie zu dieser Zeit noch nicht vor, gelangt man aber zu dem Ergebnis, dass er z. B. wegen der Verschlimmerung der Symptome während der Behandlung hätte erkennen müssen, dass er mit 14 Tamm

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C. Zusammenfassung der Ergebnisse

dieser überfordert ist, so kann ihm daraus der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden, dass er es unterlassen hat, seine Behandlung abzubrechen und den Patienten an einen Arzt zu verweisen, der eine ordnungsgemäße Behandlung sichergestellt hätte. In der Weiterführung der Behandlung trotz der Möglichkeit, die eigene Unzulänglichkeit und die Möglichkeit einer Schädigung des Patienten zu erkennen, liegt dann ein Sorgfaltspflichtverstoß. Was die Stellung der Diagnose anbelangt, so kann dem Heilpraktiker im selben Umfang ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last fallen, wie dem Außenseiterarzt; nämlich dann, wenn er elementare Kontrollbefunde nicht erhoben oder eine Überprüfung der ersten Arbeitsdiagnose nicht vorgenommen hat und dadurch zu einer Fehldiagnose gelangte. Auch der Heilpraktiker muss seinen Patienten mit aller Sorgfalt untersuchen und anhören und darf nur aufgrund einer eingehenden Anamnese eine Diagnose stellen. Wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die zunächst gestellte Diagnose nicht gesichert ist, und der Heilpraktiker dies erkennen muss, so ist er verpflichtet, weitere Erkenntnisquellen auszuschöpfen, soweit er dazu selbst in der Lage ist. Kann er die notwendigen Untersuchungen nicht selbst durchführen, so muss er den Patienten an einen Arzt verweisen, der hierzu in der Lage ist. Wie beim Außenseiterarzt so gilt auch beim Heilpraktiker, dass dieser umso eher auf belastende und kostspielige Diagnostik verzichten kann, je deutlicher sich abzeichnet, dass eine ganz bestimmte Krankheit vorliegt. Zudem ist der Heilpraktiker in verstärktem Maße dazu verpflichtet, seinen Patienten gründlich zu untersuchen, wenn die durch ihn in Aussicht genommene Behandlung bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen besonders schwerwiegende Nebenwirkungen nach sich ziehen kann. In Bezug auf die Wahl der Behandlungsmethode gilt, dass die Wahl der Methode aufgrund der auch zu Gunsten des Heilpraktikers bestehenden Methodenfreiheit in erster Linie dessen Angelegenheit ist und die Verfahren der so genannten Schulmedizin grundsätzlich keine Vorzugsstellung vor den Verfahren der Außenseitermedizin haben. Der Heilpraktiker kann sich also grundsätzlich frei für eine Außenseitermethode entscheiden. Dabei muss er dafür Sorge tragen, dass das von ihm gewählte Verfahren den auf dem Gebiet der Außenseitermethoden aktuellen medizinischen Standard darstellt. Wenn verschiedene, gleichwertige Verfahren zur Verfügung stehen, dann muss sich der Heilpraktiker grundsätzlich für dasjenige entscheiden, das mit den geringsten Risiken für den Patienten verbunden ist und diesem aller Voraussicht nach am wenigsten schadet. Unter mehreren praktisch gleichwertigen Methoden darf er unter Berücksichtigung dieser Faktoren das nach seinem Ermessen am besten geeignete Verfahren bevorzugen, insbesondere ein solches, für das er die größere Erfahrung besitzt und das am besten seiner Ausbildung und Praxis entspricht. Eine Entscheidung für eine vergleichsweise risikoreichere Methode muss darin ihre Rechtfertigung finden, dass diese aufgrund besonderer Sachzwänge des konkreten Falles angezeigt erscheint oder eine günstigere Heilungsprognose mit sich bringt. Grundsätzlich besteht keine Bindung an das im jeweiligen Fall wirksamste Verfahren. Der Heilpraktiker darf jedoch solche Methoden nicht anwenden, die den

II. Die für den Heilpraktiker geltenden Grundsätze

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Heilerfolg nicht herbeizuführen in der Lage sind. Erkennt er oder muss er erkennen, dass das von ihm angewandte Verfahren keine Wirkung zeigt, so muss er dafür sorgen, dass der Patient dem wirksamen Verfahren zugeführt wird. In einem solchen Fall kann es angezeigt sein, dafür zu sorgen, dass der Patient einem anderen Behandler zugeführt wird, der das wirksamere schulmedizinische Verfahren anwendet. Aus diesem Grund muss der Heilpraktiker in seine vergleichende Abwägung der unterschiedlichen Verfahren auch solche der Schulmedizin einbeziehen, die im konkreten Fall in Betracht kämen. Vom Heilpraktiker kann dabei nicht verlangt werden, dass er das weitaus wirksamere Verfahren der Schulmedizin selbst anwendet, da er keine schulmedizinische Ausbildung durchlaufen hat. Dies würde auch eine nicht zu tolerierende Gefährdung des Patienten mit sich bringen, da der Heilpraktiker die zur Anwendung dieses Verfahrens erforderliche Sachkenntnis nicht besitzt. Die Methodenfreiheit des Heilpraktikers wird begrenzt durch das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Dieses schließt die Befugnis ein, jede nicht gegen die guten Sitten verstoßende Behandlungsmethode zu wählen. Damit der Patient eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen kann, muss er vom Heilpraktiker ordnungsgemäß aufgeklärt werden. Da jede medizinische, in die Integrität des Körpers eingreifende Maßnahme eines Arztes oder Heilpraktikers tatbestandlich eine Körperverletzung darstellt, bedarf sie zum Ausschluss ihrer Rechtswidrigkeit der aufgrund ordnungsgemäßer Aufklärung erteilten, wirksamen Einwilligung des Patienten. Zur ordnungsgemäßen Aufklärung gehört die Information des Patienten darüber, dass und warum der Heilpraktiker von einer Standardbehandlung abweichen will. Nur wenn klar und deutlich erkennbar ist, dass der Patient sich von den Verfahren der Schulmedizin abgewandt hat und deshalb den Heilpraktiker aufsucht, bedarf es keiner Aufklärung darüber, dass die vom Heilpraktiker angewandten Methoden von der Schulmedizin nicht anerkannt werden. Der Heilpraktiker ist, wenn er Außenseiterverfahren anwendet, verpflichtet, den Patienten in besonderem Maße über diejenigen Verfahren der Schulmedizin zu informieren, die als Alternative zu dem von ihm in Aussicht genommenen Verfahren in Betracht kommen. Gibt es mehrere, gleich Erfolg versprechende Behandlungsverfahren, so muss er dem Patienten jedenfalls dann deren Risiken darstellen und ihm gegenüber seine Wahl begründen, wenn jeweils unterschiedliche Risiken für den Patienten bestehen. Außerdem muss der Heilpraktiker im Großen und Ganzen über diejenigen Risiken informieren, die die gewählte Außenseitermethode mit sich bringt und deren Verwirklichung im Bereich des Möglichen liegt. Diese Risiken müssen dabei grundsätzlich nicht in allen Details beschrieben werden, sondern es reicht aus, wenn sie in groben Zügen erkennbar gemacht werden. Der Patient muss einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen erhalten, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können. Die Aufklärungspflicht geht umso wei14*

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C. Zusammenfassung der Ergebnisse

ter, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten als dringend geboten erscheint. Auch über die von ihm angenommene Diagnose muss der Heilpraktiker grundsätzlich aufklären, soweit nicht die Aufklärung hierüber zu einer Gefährdung des Patienten führen könnte, die schwerer wiegt, als die Beeinträchtigung seines Selbstbestimmungsrechts. Im Unterschied zum Außenseiterarzt muss der Heilpraktiker seinen Patienten auch über die Besonderheiten seines Berufsstandes informieren. Er muss dem Patienten mitteilen, welche Art der Ausbildung er genossen hat, ob er seine Kenntnisse im Selbststudium, in einem Fernkurs, an einer Verbandsschule oder an einer sonstigen Heilpraktikerschule erworben hat, und wie lang seine Ausbildung war. Außerdem muss er darüber aufklären, dass er keine akademische Ausbildung genossen hat und vor dem Gesundheitsamt nur unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr geprüft wurde. Soweit der Patient bereits ausreichend informiert ist, braucht der Heilpraktiker ihn nicht mehr aufzuklären. Auch muss der Heilpraktiker nicht über solche Risiken informieren, die jedermann allgemein bekannt sein müssten. Hier darf er erwarten, dass der Patient nachfragt, wenn er weitere Erläuterungen wünscht. Die Sorgfaltsanforderungen, die im Rahmen des Unrechtstatbestandes an den Heilpraktiker gestellt werden, sind im Rahmen der Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten im Bereich der Schuld nicht zu relativieren. Der Schuldvorwurf an den Heilpraktiker kann nicht deshalb entfallen, weil er aufgrund der Vernachlässigung seiner Aus- und Fortbildung nicht in der Lage war, den Sorgfaltsanforderungen gerecht zu werden, die unter dem Gesichtspunkt der Gruppenfahrlässigkeit auf der Ebene des Unrechtstatbestandes an ihn gestellt werden. Wenn man dies zuließe, so würde derjenige Heilpraktiker haftungsrechtlich privilegiert, der seine Aus- und Fortbildung in besonders hohem Maße vernachlässigt. Dies wäre ein unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes nicht zu tolerierendes Ergebnis. Der Schuldvorwurf an den Heilpraktiker kann wie beim Außenseiterarzt nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen entfallen. So etwa dann, wenn der Pflichtverstoß dem Heilpraktiker in einer Stresssituation unterlief, die ihm nicht bewusst wurde, oder wenn sich im Verlauf einer Behandlung unvorhersehbare Komplikationen ergeben und ein Abbruch der Behandlung und eine Verweisung an einen Arzt nicht möglich sind. Letzteres könnte aber wohl nur bei Operationen relevant werden, mit denen sich der Heilpraktiker in der Regel nicht befasst.

D. Schlussbetrachtung Die vorliegende Arbeit hat deutlich gemacht, dass das Fehlen einer gesetzlichen Regelung der Tätigkeit von Heilpraktikern nur als unbefriedigend bezeichnet werden kann, denn nur mühsam gelingt es, Sorgfaltskriterien aufzustellen, an denen sich der Heilpraktiker messen lassen muss, wenn er Außenseitermethoden anwendet. Alternative Behandlungsmethoden haben sicher ihre Berechtigung, sie können zum Fortschritt der Medizin beitragen und zu einer sicherlich erforderlichen ganzheitlicheren Betrachtung von Krankheiten. Denn immer öfter kristallisiert sich heraus, dass gerade die Psyche einen hohen Einfluss auf die Gesundung hat und in ebensolchem Maße Auslöser von somatischen Erkrankungen sein kann. Auch bestehen keine grundsätzlichen Einwände gegen die Zulassung nichtärztlicher Heilbehandler. Der Gesetzgeber sollte jedoch legislativ tätig werden und diesen Berufszweig einer gesetzlichen Regelung zuführen, vor allem im Hinblick auf die Aus- und Fortbildung der Heilpraktiker. Um die Gefahren für die Patienten möglichst gering zu halten, könnte eine gesetzliche Regelung entweder so aussehen, dass die Ausbildung und Fortbildung der Heilpraktiker in vergleichbarer Weise geregelt wird wie die der Ärzte, wobei die Betonung in der Ausbildung auf den Verfahren der Außenseitermedizin liegen sollte. Oder aber der Umfang der Gebiete, auf denen der Heilpraktiker tätig werden darf, wird – auf der Grundlage der jeweils mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren für den Patienten – weiter eingeschränkt, so dass auf diese Weise eine Absicherung des Patienten stattfindet. Methoden, die ein hohes Gefahrenpotential besitzen, dürften dann nur noch von Ärzten angewandt werden und nicht mehr auch von Heilpraktikern. Vorzugswürdig erscheint allerdings der erstgenannte Weg, denn er würde zu einer Etablierung alternativer Heilmethoden in der Medizin beitragen, wobei eine qualitativ abgesicherte Versorgung der Bevölkerung gesichert wäre. Diese Etablierung würde der Vielfältigkeit der medizinischen Ansätze dienlich sein und wohl dazu führen, dass auch auf dem Gebiet der Außenseitermedizin vermehrt Forschung betrieben würde, mehr als dies heute der Fall ist. Dies könnte dem Fortschritt der Medizin dienen. Denn beispielsweise wird in zunehmendem Maße die Wirksamkeit einzelner phytotherapeutischer Arzneien nachgewiesen oder auch die Wirksamkeit der Akupunktur auf manchen Gebieten. Vielleicht wäre das Maß der Erkenntnis der Medizin auf diesen und anderen Gebieten schon viel größer, wenn eine gesetzliche Regelung der Ausbildung der Heilpraktiker vorhanden wäre und an staatlichen Ausbildungseinrichtungen für Heilpraktiker Forschung auf diesen Gebieten betrieben worden wäre.

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D. Schlussbetrachtung

Es bleibt abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber tätig wird. Der Umstand, dass er seit Jahrzehnten keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung des Heilpraktikerberufes sieht, gibt jedoch wenig Grund zu der Hoffnung, dass er seine Untätigkeit auf diesem Gebiet überwinden wird. Bis dahin bleibt es daher Aufgabe der Literatur und der Rechtsprechung, Kriterien für eine Haftung zu entwickeln. Die vorliegende Arbeit sollte hierzu einen Beitrag leisten.

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Sachwortverzeichnis Ähnlichkeitsgesetz 49 Ärztekammer 50, 90, 95, 99, 100, 101, 103, 106, 107 Akupunktur 17, 33, 36, 37, 38, 43, 51, 52, 53, 55, 57, 90, 91, 92, 105, 112, 143, 160, 179, 213 Allgemeinmediziner 50, 127, 129, 131, 147, 148, 169, 180, 181, 208, 209 Anamnese 98, 185, 189, 190, 204, 210 Anfängeroperation 149 Approbation 59, 60, 61, 67, 85, 88, 94, 95, 96, 101 Approbationsordnung 96, 97, 98, 106 Assistenzarzt 122, 198 Aufklärung 28, 68, 86, 135, 153, 154, 159, 161, 163, 164, 165, 167, 168, 171, 173, 174, 175, 176, 178, 179, 181, 182, 183, 205, 206, 211, 212 Aufsichtsbehörde 100 Augeninnendruckmessung 76 Augenoptiker 64, 67, 68, 76 Ausbildungsvorschriften 106, 138, 139, 141, 178, 207 Außenseiter, ärztlicher 120, 150 Befähigungsnachweis 18 Behandlungsalternativen 161, 173, 175 Beratung 74, 154 Berufsausübung 65, 67, 84, 99, 100, 101, 102, 104, 107, 175 Berufsmäßigkeit 82, 83 Berufsordnung 89, 90, 95, 99, 100, 101, 103, 107, 126, 134, 142, 144, 146, 148, 169, 180, 207, 208 Berufsordnung für Heilpraktiker 90, 126, 134, 142, 144, 207 Berufspflichten 99, 100, 101,107 Bestallung 60, 61, 92, 95, 96 Binnenanerkennung 155 Blutsteigbild nach Kälin 44

BOH 90, 93, 126, 134, 142, 144, 145, 207 Bundesärztekammer 37, 99, 100, 104 Bundesärzteordnung 96, 98, 99, 106 Chiropraktik 36, 53, 75, 92, 143, 164 Chronische Erkrankung 54 Diagnosefehler 183, 184, 185, 187, 190 Diagnoseirrtum 183, 186 Diagnostik 44, 45, 69, 71, 76, 80, 81, 82, 150, 184, 187, 189, 190, 191, 205, 210 Differenzialdiagnose 184 Doppelblindtest 46 Doppelblindversuch 47 Dosierungslehre 49 Eigenblutbehandlung 36, 55 Eigenbluttherapie 55 Eigenstudium 92 Eignungsprüfung 86 Eindruckstheorie 68, 69, 70, 71, 73, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81 Einwilligung 25, 109, 110, 111, 112, 150, 153, 161, 175, 205, 211 Elektroakupunktur 43, 44 Entgeltlichkeit 83 Erfahrungsmedizin 47 Erfolgstheorie 111 Erlaubnis 60, 61, 62, 63, 67, 72, 73, 80, 81, 83, 93, 108, 142, 201 Erlaubniserteilung 61, 85 Erlaubnispflicht 65, 67, 74, 82 Erlaubnisvorbehalt 61, 63, 120, 150 Erlaubniszwang 60 Ermessen 32, 62, 85, 86, 109, 122, 124, 147, 156, 166, 181, 204, 205, 208, 210 Ernährungsberatung 74 Erprobtheit 21, 22, 28, 33, 34, 35 Ersterprobung 26 Erstverschlimmerung 45, 49

Sachwortverzeichnis Experiment 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 32, 33, 34, 35, 179 Facharzt 103, 105, 120, 127, 130 Facharztbezeichnung 103, 104, 105 Facharztstandard 105 Fachkenntnisse, ärztliche 65, 66, 67, 70, 76, 80 Fachkunde 105 Fachprüfung 18, 86, 93, 106, 201 Fachwissentheorie 65, 67, 68, 69, 71, 72, 73, 76, 77, 78, 79, 80, 81 Fahrlässigkeit, bewusste 116, 119 Fahrlässigkeit, unbewusste 116, 118, 119 Fehldiagnose 83, 183, 187, 204, 210 Fernbehandlung 60 Forschung 20, 29, 30, 31, 47, 213 Forschungszweck 25, 29 Fortbildungspflicht 90, 93, 99, 100, 101, 103, 106, 107, 122, 126, 128, 129, 134, 197, 203 Garantenpflicht 184 Gebietsbezeichnung 104 Gefahrenabwehr 18, 85, 86, 87, 91, 92, 176, 182, 212 Geistheilung 67, 68, 69, 70, 71, 73, 76, 79, 80, 81, 82 gerac 37, 52, 53 german acupuncture trials 37 Gesundbeten 78 Gesundheitsgefährdung 65, 66, 67, 74, 82, 85 Gewerbeordnung 58, 59, 94, 95 Gewerbeordnung des norddeutschen Bundes 58 Gewerblichkeit 82 Grenzbereichsmethoden 35 Gruppenfahrlässigkeit 115, 116, 117, 121, 125, 128, 130, 134, 141, 145, 194, 195, 196, 203, 206, 207, 212 Haftungsmaßstab 18, 140, 207 Naturheilverfahren 33, 37, 40 Handauflegen 67, 68,76 Handlungstheorie 112 Heilabsicht 25

221

Heilbehandler, nichtärztlicher 17, 36, 59, 120, 121, 125, 126, 131, 132, 150, 213 Heilbehandlung, eigenmächtige 111 Heileingriff 21, 23, 24, 110, 111, 112, 161, 194 Heilhilfskräfte 75 Heilhilfstätigkeiten 75, 82 Heilintention 23, 25, 29 Heilmaßnahme 21, 25, 58, 110 Heilpflanzen 47, 48 Heilpraktiker, gewissenhafter 127, 144, 145, 148, 208 Heilpraktikererlaubnis 67, 77 Heilpraktikergesetz 7, 18, 60, 63, 68, 85, 91, 138, 142 Heilpraktikerschule 92, 133, 134, 136, 141, 142, 143, 145, 147, 148, 177, 182, 207, 208, 209, 212 Heilpraktikerverband 89, 92, 93, 107, 136, 144, 145, 146, 147 Heilung, rituelle 67, 73, 80 Heilungsinteresse 26, 27 Heilversuch 20, 21, 22, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 33, 34, 35, 109, 179 Heilwillen 22, 23 Homöopathie 17, 36, 37, 38, 48, 49, 50, 51, 90, 91, 92, 105, 144, 179 Humanexperiment 21, 22, 24, 27 Indikation 24, 25, 55 Invasive Behandlungsmethoden 127, 144 Irisdiagnose 42 Irisdiagnostik 36, 41, 42, 91, 93 Kausalitätsbeziehung 31 Kausalitätsprinzip 33 Kinesiologie 46 Kosmetik 74 Krankenpfleger 73, 75 Kurierfreiheit 59, 60, 61, 78, 85, 94, 120, 126, 150, 151, 152, 160 Kurierzwang 58 Kurpfuschereiverbote 58 lege artis 110, 111, 112, 194 Lex Artis 23, 78, 194

222

Sachwortverzeichnis

Manualtherapie 54 Masseur 64, 75 MBO-Ä 100, 122, 203 Medikamententest 43 Medizin, traditionelle 35 Methode, wirksamste 157, 158, 159, 160 Methoden, magische 82 Methoden, übersinnliche 79 Methodenfreiheit 149, 150, 151, 152, 153, 154, 158, 159, 160, 205, 210, 211 Musterberufsordnung 99, 100, 107 Musterweiterbildungsordnung 99, 103, 107 MWBO 103, 104, 105 Nachprüfbarkeit 33 Naturheilkunde 41, 165 Naturheilmittel 7, 38, 39, 40, 47 Nebenwirkungen 40, 47, 49, 50, 185, 187, 189, 191, 205, 210 Neuraltherapie 36, 54, 55 Optiker 74, 76 Ozontherapie 36, 56, 57, 143 Patientenschutz 145, 146, 162, 176, 178, 190, 198, 199, 201, 206, 212 Perimetrie 68, 76 Phytotherapie 17, 36, 47, 48, 144, 160, 179 Placeboeffekt 35, 48 Placebowahrscheinlichkeit 31 Placebowirkung 50 Prüfung, ärztliche 95, 96, 97 Prüfungswiederholung 95

Selbstbestimmungsrecht 149, 152, 153, 154, 158, 159, 160, 161, 165, 166, 167, 168, 171, 175, 176, 177, 182, 205, 206, 211, 212 Selbstheilungskräfte 67, 69, 71, 80, 81, 82 Selbststudium 145, 177, 182, 212 Sicherungsaufklärung 153 Sonderfähigkeiten 115, 116 Sonderwissen 116 Sorgfaltsanforderungen 18, 114, 115, 117, 127, 129, 130, 132, 135, 137, 140, 142, 178, 190, 191, 206, 207, 212 Sorgfaltsmaßstab 18, 121, 125, 127, 128, 129, 130, 132, 134, 137, 138, 139, 141, 184, 187, 189, 192, 193, 194, 195, 196, 198, 199, 207 Sorgfaltspflichten 17, 18, 19, 36, 82, 114, 126, 127, 134, 144, 158, 177, 189, 190, 192 Spagyrik 45 Spezialisierung 27, 103, 104, 105 Stand der Wissenschaft 91, 158, 188 Standard 35, 47, 89, 99, 105, 121, 123, 130, 131, 132, 134, 154, 155, 166, 181, 194, 205, 210 Standardisierung 22, 28, 32, 33, 34, 35 Standard der Heilpraktiker 130, 131, 132 Standardbehandlung 27, 28, 163, 166, 182, 205, 211 Standardeingriff 25, 26

Rechtswidrigkeit 108, 109, 110, 150, 175, 211 Reproduzierbarkeit 33 Risikoaufklärung 153

Tätigkeitsübernahme, pflichtwidrige 118 Teilgebietsbezeichnung 104 Therapiefreiheit 149, 150, 151, 152, 167, 170 Therapiezweck 27, 28 Titelschutz 59 Tonometrie 68, 76, 80

Sanitäter 64 Sanktionsmöglichkeiten 100, 102 Schönheitskorrekturen 74 Schulsatzung 92, 142, 144, 145, 146, 147, 207 Schutzlücke 137, 177 Schwerpunktbezeichnung 104

Übernahmefahrlässigkeit 118 Übernahmeverschulden 114, 118, 119, 120, 121, 122, 124, 125, 126, 127, 131, 132, 137, 141, 149, 150, 189, 191, 192, 193, 195, 196, 198, 199, 204, 209 Überprüfungsreife 92 Ultima Ratio 24, 25, 29

Qualifikationsmängel 197

Sachwortverzeichnis Verbandsschule 92, 142, 144, 145, 146, 148, 169, 177, 178, 180, 182, 207, 208, 209, 212 Verfahren, erprobtes 21, 23, 157 Verkehrskreis 115, 116, 117, 118, 119, 121, 122, 125, 128, 130, 131, 141, 194, 197, 201, 203, 207 Versuch, wissenschaftlicher 28 Versuchsbehandlung 27 Vertrauensgrundsatz 130 Volksgesundheit 18, 61, 62, 63, 66, 69, 70, 79, 80, 82, 85, 86, 90, 91, 106, 137, 138 Vorhersehbarkeit 117, 118, 119

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Weiterbildung 98, 99, 102, 103, 104, 105, 106, 107 Weiterbildung, fakultative 105 Wirksamkeitsnachweis 31, 47 Wunderheiler 72 Zulassung 18, 62, 90, 96, 98, 130, 175, 213 Zulassungsvoraussetzungen 62, 83, 130 Zusatzbezeichnung 37, 50, 104, 105 Zwangsmitgliedschaft 101 Zweistufigkeitslehre 115, 197