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German Pages 491 [492] Year 1987
saur
Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung Band 43 Herausgegeben von Hans Bohrmann Institut für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund
Bettina Maoro
Die Zeitungswissenschaft in Westfalen 1914-45 Das Institut für Zeitungswissenschaft in Münster und die Zeitungsforschung in Dortmund
K G -
Saur
München New York • London • Paris 1987
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Maoro, Bettina: Die Zeitungswissenschaft in Westfalen 1914-45 : d. Inst, für Zeitungswiss. in Münster u.d. Zeitungsforschung in Dortmund / Bettina Maoro. — München ; New York ; London ; Paris : Saur, 1987 (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung ; Bd. 43) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1985 ISBN 3-598-21300-X NE: G T D6 © 1987 by K.G. Saur Verlag, München Satz: Fotosatz H. Buck, 8300 Kumhausen Druck: grafik + druck GmbH, München Printed in the Federal Republic of Germany ISBN 3-598-21300-X
Inhalt A.Einleitung
15
B. Akademische Gründerjahre 1915 -1925 I.
Zeitungskunde an deutschen Hochschulen vor 1925
23
II.
Die neue Universität Münster
34
III.
Von der Kriegszielbewegung zur Pressekunde - der Ausschuß für Zeitungswesen
37
Das personelle Potential a) Julius Schwering b) Aloys Meister c) Karl d'Ester d) Johann Plenge
49 56 68 71
IV.
V.
VI.
VII.
Von der Kriegsnachrichten-Sammelstelle zum Historischen Zeitungsseminar und -archiv a) Die Grundlagen b) Aufbau und pressehistoriographische Zielsetzung c) Studium im Zeitungsseminar d) Rheinlandausschuß und Zeitungsausstellungen — Propaganda und Präsentation e) Finanz- und Personalpolitik
97 104
Von der Hilfskraftstelle zum Lehrstuhlersatz - Ringvorlesungen und Lektorat a) Funktion und erste Besetzung des Presselektorats b) Das Projekt: Gemeinschaftsvorlesungen c) Funktionsverlust und -wandel des Lektorats
112 117 123
Staatswissenschaftliches Zeitungswesen: Volkswirteschulung und Propagandatheorie a) Quellenarbeit und Erziehung „sozialer Funktionäre" im Zeitungspraktikum b) Angewandte Propagandalehre und soziologisches Zeitungsarchiv c) Das Zeitungspraktikum unter Werner Friedrich Bruck..
VIII. Die Zeitungskunde in Münster bis 1925
84 88 94
131 137 143 147
5
C.Vorbildung und Standesdenken: Die Westfälische Zeitungskunde und die Praxis 1925 - 1933 I.
Akademische Journalisten(aus)bildung im Blickfeld von Wissenschaft und Praxis
151
II.
.Lobbyisten* der Zeitungswissenschaft
160
III.
Der Niederrheinisch-Westfälische Zeitungsverleger-Verein
165
IV.
Ein Zeitungsinstitut für Niederrhein-Westfalen: Gründerjahre 1925 - 1 9 2 7 a) Diskussion zwischen „Fachlobby" und Verlegern (März bis September 1925) b) Kleinpaul als „Hemmschuh" zwischen Verlegern und Universität c) „Journalistenschule" Dortmund? d) Institutionelle Verhandlungen zwischen Universität und Verlegern e) Fachvertreter gesucht
188 192
„Institut für Zeitungswesen" 1 9 2 7 - 1 9 2 9 a) Der Kompromiß-Kandidat: Günther Wohlers 1. Lebenslauf 2. Wissenschaftlich-publizistische Tätigkeit b) Wissenschaftsorganisatorische Überlegungen c) Akademisches Leben und Zeitungsstudium d) Vom „Pressa"-Erfolg zur Kündigung in Münster
201 204 213 218 224
Ausläufer a) Wohlers in Köln b) Das Brucksche Zeitungsseminar
231 237
V.
VI.
VII.
„Lehrjahre" des Instituts 1929 - 1 9 3 3 a) Neue Personaldiskussion b) Der Kandidat der Verleger: Heinrich Bause c) Materielle Situation des Instituts d) Lehre, Studium und Selbstdarstellung der Zeitungswissenschaft in Münster 1929 - 1932 e) Institutionalisierung von „Verlegers Gnaden"
VIII. Das Institut 1926-1933
im
Windschatten
der
171 177 182
241 245 248 252 260
Fachentwicklung 263
D. Institutionalisierung im Staatsdienst 1 9 3 3 - 1 9 4 5
6
I.
Die Universität Münster im Dritten Reich
273
II.
Der Deutsche Zeitungswissenschaftliche Verband
282
III.
IV.
V.
VI.
Der Anschluß des Instituts an den fachpolitischen Zentralismus a) Anpassungsversuche 1933 —1936 b) Von der Etat- zur Personalfrage c) Die „Blitzaktion Lehmann"
295 306 315
Reorganisation mit Hindernissen a) Der Kandidat des DZV: Ernst Herbert Lehmann b) Institutsleben 1936/37: Politik- und Praxisnähe c) Akademische Fettnäpfchen und fachpolitische Intrigen..
318 325 334
Prüfungsrecht ohne Prüfer: Interimszeit 1937-1938 a) Kaltstellung Bauses b) Institutsbetrieb auf Sparflamme c) Promotionsregelung und Personalsuche
344 354 357
Institutionalisierung im Zeichen der Kriegswichtigkeit: Die Zeitungswissenschaft zwischen DZV und NS-Dozentenbund a) Der Karriere-Kandidat: Hubert Max b) Forschung und Lehre 1939-1944 c) Prestige-Erfolge 1939-1942 d) Initiativen zur Studienreform e) Lehrstuhlbemühungen f) Institutsfinanzierung g) Fachpolitischer Lagerwechsel
363 366 374 379 387 391 399
VII. Das Ende und ein Nachspiel
E. Schluß
411
417
F. Anhang I.
Abkürzungsverzeichnis
II.
Dokumente a) Fragebogen des Historischen Zeitungsseminars und Zeitungsarchivs der Universität Münster zur Geschichte der westfälischen Presse, undatiert (ca. 1921) b) Institutsvertrag zwischen der Universität Münster und dem Niederrheinisch-Westfälischen ZeitungsverlegerVerein vom 23. 6. 1928 c) Nachtrag zum Institutsvertrag vom 2./17. 2. 1932 d) Schreiben von Günther Wohlers an Walther Heide vom 7.2.1935 e) Schreiben von Günther Wohlers an Walther Heide vom 8. 3. 1935
423
425
427 430 431 433 7
f) Promotionsordnung der Philosophischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster vom 1. 3. 1938, Paragraph 9 g) Leserpsychologischer Fragebogen des Instiuts für Zeitungswissenschaft an der Universität Münster, undatiert (ca. April 1939) III.
IV.
434
436
Quellen- und Literaturverzeichnis a) Auskünfte von Zeugen b) Quellen 1. Ungedruckte Quellen 2. Gedruckte Quellen c) Literatur 1. Bibliographien 2. Handbücher und Lexika 3. Monographien 4. Sammelpublikationen und Reihen 5. Aufsätze
449 450 451 461 464
Pressedissertationen in Münster 1907-1945
476
440 441 448
Vorwort des Herausgebers Mehr als drei Jahrhunderte Zeitungsgeschichte waren bereits verstrichen, als nach dem 1. Weltkrieg durch Gründung von Seminaren und Instituten die wissenschaftliche Erforschung der sozialen Institution Presse planmäßig aufgenommen wurde. Die Phase der Institutionalisierung des neuen Faches fiel in eine Zeit großer Geldknappheit der staatlichen Hochschulen. Die Fachentwicklung gestaltete sich deshalb langwierig und umwegig. Von besonderer Bedeutung war dabei die Einstellung des neuen Faches zur Heranbildung des journalistischen Nachwuchses. Von den Förderern der Zeitungskunde/Zeitungswissenschaft wurde die Ausbildung als wesentlicher Hebel für die Einführung der neuen Disziplin genutzt. Die Auswahl des Lehrpersonals orientierte sich häufig an solchen Erwartungen. Die Themen des akademischen Unterrichts, die Ergebnisse der Forschungen und die Qualifikation der Absolventen entsprachen allerdings nur zum Teil diesen allgemein gehegten Vorstellungen. Es zeigte sich rasch, daß es an wichtigen Voraussetzungen für Forschung und Lehre fehlte. Für solide Theoriebildung blieb zuwenig Zeit und die verläßliche Materialbasis in geeigneten Archiven und Bibliotheken sowie die Kenntnis der Arbeitsweisen von Journalisten als Voraussetzungen für Ausbildungsprogramme fehlte durchaus. Individuelle Entschlüsse, dies oder jenes zur Basis zu nehmen, blieben unverbindlich. Die Skeptiker schienen Recht zu behalten, wenn sie reklamierten, daß Journalistenausbildung grundsätzlich ein Problem der Praxis und der Begabung und die wissenschaftliche Analyse der Presse und ihrer Wirksamkeit eher ein Teilgebiet der Soziologie sei. Solch Zwischenergebnis charakterisiert die Fachentwicklung am Ende der Weimarer Jahre. Durch den Nationalsozialismus ergab sich überraschend eine neue Konstellation. Zeitungswissenschaft geriet zum politisch wichtigen Fach, dem Teilfunktionen der Journalistenausbildung zugeschrieben wurden. Das Propagandaministerium stellte für diese Zwecke Geldmittel zur Verfügung. Hier griffen die Hochschulen zu, soweit sie entsprechende Einrichtungen besaßen. Neue Institute wurden gegründet. Einige Fachvertreter wurden aus politischen oder „rassischen" Gründen entlassen; eine neue Generation von Zeitungswissenschaftlern setzte auf das neue politische Regime. Dadurch kompromittierte sich die Zeitungswissenschaft. Ihr Neuanfang nach dem 2. Weltkrieg war deshalb schwieriger als in vielen anderen Fächern, denen vor allem geeignete Räumlichkeiten und Bibliotheken fehlten. Gefordert war ein Neuansatz, der durch die Änderung der Fachbezeichnung in Publizistik und die Einbeziehung aller publizistischen Mittel (Hörfunk, Fernsehen, Film) dokumentiert wurde. Das fachliche Selbstverständnis blieb aber unsicher, weil die Frage der Ausbildungskompetenz offen blieb. Es fehlte die verbindliche Abstimmung mit Verlegern und Journalistenverbänden 9
über Inhalte und Ziele einer journalistischen Ausbildung und deren Verknüpfung mit dem wissenschaftlichem Studium der Massenkommunikation. Die fünfziger Jahre brachten die Entscheidung nicht, es sei denn, daß der mehrfach dokumentierte Unwille von Fakultäten, fachlichen Nachwuchs zu habilitieren, als zumindet negativ wirksame Entscheidung im Blick auf einen Abbau der Disziplin gewertet werden dürfte. Erst in den sechziger Jahren stabilisierte sich die Lage. Das Fach Publizistikwissenschaft gewann bleibendes akademisches Bürgerrecht, indem es sich sozialempirischen Verfahren bei der Analyse der sozialen Kommunikation und damit auch des Pressewesens öffnete. Erst im zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit der Studentenbewegung ergab sich erneut die Aktualisierung der Ausbildungsdiskussion. Die Frage war, ob durch eine allmähliche akademische Durchdringung des journalistischen Berufs die Verhältnisse in der Publizistik sanktioniert oder verändert werden könnten. Eine zunächst hektische Diskussion führte zu einer Reihe von Zwischenergebnissen, die im Rahmen des Publizistikstudiums praxisbezogene Journalistenausbildung vorsahen (Berlin, Münster, München). In der Diskussion mit hochschulpolitischen Entscheidungsinstanzen entwickelte sich daraus neben der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft das heutige Fach Journalistik, in dem sich Ausbildungsprogramme für den Journalismus institutionalisiert haben. Die journalistischen Studiengänge haben die Publizistikund Kommunikationswissenschaft von einem stark nachgefragten und schwer zu realisierenden Angebot entlastet. Der Absolvent der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sieht sich deshalb in erster Linie auf andere Berufsfelder verwiesen. O b diese aussichtsreich sind, wird unterschiedlich beurteilt. Für die Entscheidung dieser Frage wird es wichtig sein, ob aus den Fachinstituten wissenschaftliche Forschungsergebnisse vorgelegt werden können, die für die gesellschaftliche Reflexion von Kommunikation und Massenkommunikation bedeutsam sind. Dabei wird eine Integration historischer, soziologischer, psychologischer, politik-wissenschaftlicher, ansatzweise aber auch juristischer und wirtschaftswissenschaftlicher Fragestellungen und Methoden erforderlich sein. Der Gegenstand der gesellschaftlichen Kommunikation ist verwickelt; die Zusammenhänge bislang noch nicht hinreichend entschlüsselt. Ebenso wichtig ist auf der anderen Seite, welche Begründung die Inhalte und Ziele der Journalistenausbildung im Fach Journalistik finden und ob sich diese Begründungen mit wissenschaftlichen Methoden in Ausbildung umsetzen lassen. Angesichts die Problemstellung Anfang der achtziger Jahre ist es einleuchtend, daß nach Jahrzehnten der Abstinenz nun die Fachgeschichtsschreibung aufgenommen worden ist. Wenn es um die Gestalt einer akademischen Disziplin im Ganzen geht, muß die historische Entwicklung insgesamt reflektiert werden. Die Brüche um Umbrüche der Fachentwicklung lassen erkennen, daß es sich um ein differenziertes Feld handelt, auf dem mancherlei verdrängte Tatsachen neu zu sichten und bewerten sein werden.
10
In der Schriftenreihe Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung soll die Entwicklung des Faches in Nordrhein-Westfalen, d.h. konkret an den Universitäten in Münster und Köln und im Institut für Zeitungsforschung Dortmund von den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg bis zur fachlichen Neubegründung nach dem Weltkrieg in zwei Monographien dargestellt werden. Bettina Maoro hat in ihrer Münsteraner Dissertation (1985) die Gründung des Instituts an der dortigen Universität im Kraftfeld institutioneller und personeller Auseinandersetzungen dargestellt. Es ist die erste Einrichtung zeitungswissenschaftlicher Art an einer preußischen Hochschule. Die Untersuchung bezieht das Dortmunder Institut für Zeitungsforschung, gegründet 1926, ein, weil Münster und Dortmund von den Gründern stets fachlich komplementär gesehen wurden. Das gilt aber nicht nur, weil bei beiden Einrichtungen der seinerzeitige Niederrheinisch-Westfälische Zeitungsverleger-Verein eine Rolle als Finanzier spielte. Vielmehr war an eine Arbeitsteilung derart gedacht, daß in Münster Lehre und Ausbildung, in Dortmund Forschung für die Zeitungswissenschaft stattfinden sollte. Gedacht war also an eine westfälische Kooperation. Im Rheinland konzentrierte sich das Interesse an Zeitung und Journalistik in der Stadt Köln, die als Träger einer Handelshochschule schon vor dem 1. Weltkrieg begann, zeitungskundliche Veranstaltungen abzuhalten. Das Land Preußen nahm diese Tendenzen auf, als nach dem 1. Weltkrieg die wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt Köln zu einer vom Land finanzierten Hochschule erhoben und erweitert wurden. Durch die Berufung des Straßburger Historikers Martin Spahn und die gleichzeitige Einrichtung eines zeitungswissenschaftlichen Instituts unter seiner Leitung, schien eine aussichtsreiche Perspektive eröffnet. In seiner Münchner Dissertation hat Hans Georg Klose die Entwicklung der Kölner Zeitungswissenschaft untersucht. Diese Arbeit erscheint als Band 44 der Dortmunter Beiträge zur Zeitungsforschung. Klose zeigt das intensive Interesse der Kommune Köln unter ihrem Oberbürgermeister Konrad Adenauer an der Zeitungswissenschaft. Adenauer hat nicht nur durch die Internationale Presseausstellung Pressa 1928, sondern auch durch die nachfolgende Gründung eines kommunalen Presseinstituts Defizite der Hochschularbeit unter Martin Spahn auszugleichen versucht. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gestaltete sich die Situation in Köln allerdings fachlich katastrophal. Institutsleiter wurde ein Hauptschriftleiter des Westdeutschen Beobachters; Martin Spahn, obwohl inzwischen NSDAPMitglied, konnte sich nicht entschließen, das schon in den Weimarer Jahren vergebene akademische Terrain durch Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Zeitungswissenschaft neu zu bestellen. So scheint es konsequent, daß weder die Universität noch die Kommune Köln nach dem Kriege den fachlichen Neueinstieg versuchten, die verbliebenen Sammlungen sind dem Historischen Seminar zugeschlagen worden.
11
In Westfalen orientierte man sich nach dem 2. Weltkrieg am Modell der Weimarer Jahre. Die kriegszerstörte Münsteraner Hochschuleinrichtung wurde als Institut für Publizistik unter völlig neuer Leitung wieder aufgebaut 1 . Das Institut für Zeitungsforschung in Dortmund wurde als kommunale Kultureinrichtung zunächst wiederum zur Abteilung das Stadt- und Landesbibliothek ausgebaut und 1952 verselbständigt. Dortmund hat sich seitdem der Erforschung der gedruckten Publizistik auf der Grundlage einer umfassenden wissenschaftlichen Sammlung verschrieben 2 . Dortmund, Juli 1987
Hans Bohrmann
1
Anja Pasquay: Zwischen Tradition und Neubeginn. Walter Hagemann in Münster 1946 - 1959, in: Rüdiger vom Bruch und Otto B. Roegele (Hrsg.): Von der Zeitungskunde zur Publizistik, Frankfurt/M.: Haag + Herchen 1986, S. 249 ff.
2
Kurt Koszyk: 50 Jahre Institut für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund. 1926 —1976. Dortmund 1976: Institut für Zeitungsforschung.
12
Vorwort Für die Betreuung der vorliegenden Studie danke ich Professor Dr. Winfried B. Lerg, Direktor des Instituts für Publizistik der Universität Münster. Großen Anteil an ihrem Zustandekommen hat Dr. Arnulf Kutsch, Studienrat im Hochschuldienst am genannten Institut, dem ich die Hinführung zu den fachgeschichtlichen Fragen der Kommunikationswissenschaft im Laufe eines viersemestrigen Projekt-Seminars über „Zeitungswissenschaft im Dritten Reich" (1980 —1982) verdanke. Sein Interesse für meine Arbeit, seine stete Bereitschaft zu fachlichen Hinweisen und Ratschlägen und sein Verständnis für die verschiedenen Doktorandennöte halfen mir bei der Erstellung der vorliegenden Untersuchung über manche Klippen und trugen wesentlich zu ihrem Abschluß bei. Einen bedeutenden Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit leisteten die Mitarbeiter der benutzten Archive und Bibliotheken. Besonders hervorgehoben sei dabei die Hilfsbereitschaft und Geduld von Frau Rohtraut Müller-König und Herrn Udo Scheffler vom Universitätsarchiv Münster (Leitung: Professor Dr. Wilhelm Kohl), die mir während meiner wiederholten wochenlange Recherchen zu ihren Beständen engagierte Unterstützung und herzliche Gastfreundschaft erwiesen. Mein Dank gilt gleichfalls dem Direktor des Instituts für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund, Dr. Hans Bohrmann, für freundliche Hinweise und Anregungen während der Bearbeitung der dort befindlichen Nachlässe. Ein ausdrückliches „Dankeschön" verdienen ferner die Mitarbeiter des Universitätsarchivs Köln für ihre unkomplizierte Hilfe bei der Suche nach weiteren Quellen. Die Rekonstruktion nicht aktenkundlicher Bereiche der Instituts- und Fachgeschichte wurde vielfach durch Auskünfte historischer Zeugen erleichert. Ihnen allen, die meine Fragen — unter nicht unerheblichem Zeitaufwand und in mitunter bemerkenswerter Offenheit — mündlich und schriftlich beantworteten, bin ich zu Dank verpflichtet. Frau Toni SchülerWohlers, die mir Einsicht in die Nachlaßpapiere ihres Ehemannes Günther Wohlers gewährte und mich in Emmendingen gastlich aufnahm, Herr Walter Mertzig, Dr. Franz Kroos ( + ) und auch Dr. Gerhard Baumann, die in ausführlichen Gesprächen wertvolle Informationen zu verschiedenen Abschnitten der Instituts- und Fachgeschichte mitteilten, bin ich in diesem Zusammenhang besonders verbunden. Ferner unterstützten mich Dr. Joseph Wiesehöfer (Münster) mit nützlichen Hinweisen zur Universitätsgeschichte Münsters und Professor Dr. Bernd Mütter (Oldenburg) durch die Übermittlung eines bisher unveröffentlichen Manuskripts und die Erlaubnis, daraus zu zitieren. In den letzten anderthalb Jahren stand ich in regelmäßigem Erfahrungsaustausch mit Alfried Große (Münster), der zur Zeit an einer Dissertation über die „Geschichte des Instituts für Zeitungswissenschaft in Freiburg (1922 — 1943)" arbeitet. Er machte sich nicht nur durch interessante Quellen13
hinweise um die vorliegende Arbeit verdient, sondern half mir, die Phasen der Mutlosigkeit leichter zu überwinden und die Studie zügig fertigzustellen. Nicht unerwähnt, wenn auch ungenannt, sollen dabei die beiden bleiben, die von Beginn der Arbeit an meine geduldigsten Zuhörer und Ermunterer waren, ohne bis heute ihre erfrischende Unkenntnis des Themas abgelegt zu h a b e n . . . Die Unterstützung und das Vertrauen meiner Eltern, Erwin und Eveline Maoro, haben die Durchführung dieser Arbeit ganz wesentlich ermöglicht und gefördert; ihnen gilt daher mein besonders herzlicher Dank. Münster, im August 1987
14
A. Einleitung
Fachgeschichte hat verschiedene Funktionen: Sie kann durch den Nachweis von Anciennität den Legitimationsinteressen eines Faches dienen, sie kann fachintern als Disziplinierungsmittel wirken, indem sie sich auf bestimmte Traditionen beruft und von anderen distanziert, um zur Gewinnung und Sicherung einer vordergründigen historischen Identität des Faches beizutragen; sie kann aber auch als Möglichkeit begriffen werden, die Entwicklung der eigenen Disziplin im Wandel der internen und externen Bedingungen von Forschung und Lehre kritisch zu überprüfen und daraus Schlüsse zu ziehen für die Problemlage der Gegenwart. 1 Diese Auffassung setzt allerdings die Einsicht voraus, daß der Wissenschaftsprozeß eher von Brüchen als von einem kontinuierlichen Erkenntnisfortschritt bestimmt ist, eine Einsicht, die die Wissenschaftsforschung erst seit den späten 60er Jahren beeinflußt.2 Die Fachhistoriographie der Kommunikationswissenschaft und ihrer Vorgängerdisziplin, der Zeitungswissenschaft, wurde jahrzehntelang von den beiden erstgenannten Funktionen bestimmt: Fast gleichzeitig mit der Entstehung der Zeitungswissenschaft als akademischer Disziplin setzten die Bemühungen ein, ihre Existenzberechtigung durch Rekonstruktion einer langen Vorgeschichte und eifriger Verzeichnung ihrer Ausbreitung an den Universitäten zu begründen und ihre Mitglieder einem gemeinsamen historischen Selbstverständnis zu verpflichten. 3 Da die Publizistikwissenschaft nach 1945 ihre Ar1
2
3
Wolf Lepenies, Wissenschaftsgeschichte und Disziplinengeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft, 4. Jg. (1978), S. 4 3 7 - 4 5 1 / 4 4 9 - 4 5 0 ; ders., Einleitung. Studien zur kognitiven, sozialen und historischen Identität der Soziologie, in: ders. (Hg.), Geschichte der Soziologie. Studien zur kognitiven, sozialen und historischen Identität einer Disziplin, Bd. 1, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1981, S. I - X X X I I I / I X ; vgl. Arnulf Kutsch, Vorwort, in: ders. (Hg.), Zeitungswissenschaftler im Dritten Reich. Sieben biographische Studien, Köln: Studienverlag Hayit 1984, S. VII-XI/VII Auslösend wurde die Diskussion um Thomas S. Kuhn, The structure of scientific revolutions, Chicago: Univ. Pr. 1962; dt. Erstauflage unter dem Titel: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1967; 2., rev. und um ein Postscriptum von 1969 ergänzte Auflage Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1976; vgl. ders., Die Entstehung des Neuen. Studien zur Struktur der Wissenschaftsgeschichte, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 19 77 Als Beispiele für die Rekonstruktion einer bis ins 17. Jahrhundert reichenden Vorgeschichte der Zeitungswissenschaft seien genannt: Karl d'Ester, Zeitung und Hochschule, in: Die Grenzboten, 74. Jg. (1915,4), Nr. 47, S. 241 - 248; Hans H. Bockwitz, Zeitungskunde als wissenschaftliches Fach, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum, 3. Jg. (1920), S. 2 1 - 2 3 ; Walther Heide, Entwicklung und Stand der wissenschaftlichen Zeitungskunde, bezw. journalistischen Berufsbildung unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands, in: Zeitungswissenschaft, 1. Jg. (1926), Nr. 6, S. 8 5 - 9 2 ; Karl d'Ester, Zeitungswissenschaft einst und jetzt, in: Zeitungs-Verlag, 27. Jg. (1926), Nr. 25, Sp. 1444-1446; Karl Börner, Die Zeitungswissenschaft in Deutschland. Ihre Geschichte bis zur Jetztzeit. Ihre Aufgaben
15
b e i t z w a r a u f i n s t i t u t i o n e l l u n d p e r s o n e l l v e r e n g t e r B a s i s , a b e r in v o n E m i l D O V I F A T (Berlin) u n d Karl d ' E S T E R (München) verkörperter Kontinuität wieder a u f n a h m u n d ihre wissenschaftlichen K o n z e p t e bis A n f a n g der 60er J a h r e restaurativ weiterentwickelte,4 behielt auch die
Fachgeschichtsschrei-
b u n g i h r e k o n s e r v i e r e n d e F u n k t i o n , d i e d i e p e i n l i c h e n J a h r e 1933 b i s 1 9 4 5 n u r unter Rechtfertigungen streifte u n d an die T r a d i t i o n der W e i m a r e r Zeit wieder a n z u k n ü p f e n suchte.5 A u c h die N e u o r i e n t i e r u n g der Publizistik- und munikationswissenschaft an soziologischen und psychologischen
Kom-
Verfahren,
die Mitte der 60er J a h r e mit der R e z e p t i o n der US-amerikanischen K o m m u n i k a t i o n s f o r s c h u n g begann u n d z u r A u s b i l d u n g eines f ü n f z e h n Jahre
später
s c h o n w e i t h i n a k z e p t i e r t e n S e l b s t v e r s t ä n d n i s s e s als e m p i r i s c h e S o z i a l w i s s e n schaft führte,6 regte nicht zur längst überfälligen Vergangenheitsbewältigung an: D i e Geschäftigkeit der späten 60er u n d 70er Jahre, die z u n e h m e n d e Anerk e n n u n g der K o m m u n i k a t i o n s f o r s c h u n g d u r c h P o l i t i k b e r a t u n g u n d Begleitforschung zur neuen Medientechnologie lenkten von historischer
Selbstre-
flexion eher ab. Erst in jüngster Zeit f a n d m a n in der K o m m u n i k a t i o n s w i s s e n s c h a f t einen kritischen neuen Z u g a n g zu der eigenen Geschichte, angeregt durch einzelne, richtungsweisende
4
5
'
16
Publikationen, denen inzwischen vor allem Dissertationen
und Ziele. Ihre Träger, in: Der Wirtschaftsspiegel, 1. Jg. (1927), N r . 10, S. 8 - 13; Werner Storz, Die Anfänge der Zeitungskunde. (Die deutsche Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts über die gedruckten, periodischen Zeitungen), Phil. Diss. Leipzig vom 16.6.1932, Halle (Saale): Eduard Klinz Buchdruckerei-Werkstätten 1931 Hans Bohrmann/Rolf Sülzer, Massenkommunikationsforschung in der BRD. Deutschsprachige Veröffentlichungen nach 1960. Kommentar und Bibliographie, in: Jörg Aufermann/Hans Bohrmann/Rolf Sülzer (Hg.), Gesellschaftliche Kommunikation und Information. Ein Arbeitsbuch zur Massenkommunikation, Bd. 1, Frankfurt a.M.: Athenäum 1973, S. 8 3 - 1 2 0 / 8 6 Dies geschah, indem die Fachgeschichte 1933 bis 1945 als 'Geschichte der Pressionen' dargestellt wurde, in der die Ansätze der 20er Jahre unterdrückt oder entstellt worden seien: Karl d'Ester, Zeitungswissenschaft im Umbruch, in: Die Deutsche Zeitung, 1. Jg. (1947), N r . 4, S. 3; Emil Dovifat, Publizistik als Wissenschaft. Herkunft — Wesen - Aufgabe, in: Publizistik, 1. Jg. (1956), N r . 1, S. 3; statt sich der jüngsten Vergangenheit genauer zuzuwenden, suchte man nach Urgestein und förderte die antike Rhetorik als erste Vorläuferdisziplin der Publizistikwissenschaft zutage — Emil Dovifat, Publizistik als Wissenschaft, a.a.O.; vgl. entsprechend Hildegard Scholand/Jürgen Hüther, Das Studium der Publizistikwissenschaft, Paderborn: Schöningh 1969 ( - Schöningh Studienführer Bd. 31), S. 25 ff.; kritisch dazu Günter Kieslich, Zum Selbstverständnis der Publizistikwissenschaft, in: Publizistik 17. Jg. (1972), N r . 1, S. 6 8 - 7 8 / 6 9 ; auch O t t o Groth - Geschichte der Zeitungswissenschaft. Probleme und Methoden, München: Verlag Konrad Weinmayer 1948 - setzt sich nicht mit der Fachentwicklung des 20. Jahrhunderts auseinander, sondern behandelt unter dem insofern irreführenden Titel die vom 17. bis 19. Jahrhundert feststellbare Beschäftigung einzelner Gelehrter mit dem Gegenstand Zeitung. Gerhard Maletzke, Kommunikationsforschung als empirische Sozialwissenschaft. Anmerkungen zur Situation und Problematik, Berlin: Spiess 1980, S. 9
u n d M a g i s t e r a r b e i t e n f o l g t e n . 7 D i e s e r W a n d e l ist n i c h t n u r i m K o n t e x t e i n e r a l l g e m e i n e n „ R e h i s t o r i s i e r u n g " in w e i t e n B e r e i c h e n d e s g e g e n w ä r t i g e n W i s s e n s c h a f t s b e t r i e b e s z u v e r s t e h e n , 8 s o n d e r n d e u t e t a u c h d i e z u n e h m e n d e Integration der K o m m u n i k a t i o n s g e s c h i c h t e
— z u d e r als G e s c h i c h t e d e r w i s s e n -
schaftlichen Reflexion über K o m m u n i k a t i o n auch die Fachgeschichte gehört -
als T e i l d i s z i p l i n in d i e K o m m u n i k a t i o n s w i s s e n s c h a f t a n . 9 G e f ö r d e r t w u r d e
diese E n t w i c k l u n g n i c h t n u r d u r c h d i e E i n s i c h t s e i t e n s d e r e m p i r i s c h e n K o m munikationsforschung, daß das Verständnis gesellschaftlicher
Kommunika-
tion auch die Beachtung der historischen D i m e n s i o n verlangt, sondern auch durch die E r w e i t e r u n g der medienfixierten publizistischen Geschichtsschreibung zur sozialhistorischen
Kommunikationsforschung.10
A u s forschungsorganisatorischen und methodologischen Gründen
über-
w i e g e n bei d e n n e u e r e n f a c h h i s t o r i s c h e n A r b e i t e n b i s h e r d i e W i s s e n s c h a f t l e r biographien, da erst ausreichende F a l l s t u d i e n die Basis einer Sozialgeschichte der K o m m u n i k a t i o n s w i s s e n s c h a f t s c h a f f e n k ö n n e n u n d d i e B i o g r a p h i e e i n e n ersten Z u g a n g z u r F r a g e nach d e m Z u s a m m e n w i r k e n
lebensgeschichtlicher,
gesellschaftlicher, forschungspraktischer u n d erkenntnistheoretischer
Fakto-
ren b e i d e r B e s t i m m u n g w i s s e n s c h a f t l i c h e r A r b e i t e r m ö g l i c h t . Z u d e m t r ä g t dieses V o r g e h e n der vertieften „ E i n s i c h t in d i e R o l l e einzelner I n d i v i d u e n i m 7
Als Beispiele: Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Der Fall Walther Heide. Zur Vorgeschichte der Publizistikwissenschaft, in: Publizistik, 19./20.Jg. (1974/75), N r . 3, S. 8 0 5 - 8 0 8 ; Hans Bohrmann/Peter Schneider, Zeitschriftenforschung. Ein wissenschaftsgeschichtlicher Versuch, Berlin: Spiess 1975; Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Rundfunkwissenschaft im Dritten Reich. Teil 1 - 4 , in: Studienkreis Rundfunk und Geschichte. Mitteilungen, 1. Jg. (1975), N r . 3, S . 8 - 1 1 ; N r . 4, S. 1 0 - 1 5 ; 2. Jg. (1976), N r . 1, S. 1 7 - 2 1 ; Nr. 2, S. 1 4 - 2 0 ; dies., Pressegeschichte und Pressetheorie. Erich Everth (1878-1934), in: Publizistik, 24. Jg. (1979), S. 3 8 6 - 4 0 3 ; dies., Karl d'Ester (1881-1960). Anmerkungen aus Anlaß seines 100. Geburtstages, in: Publizistik, 26. Jg. (1981), N r . 4, S. 5 7 5 - 6 0 3 ; Arnulf Kutsch, Rundfunkwissenschaft im Dritten Reich. Aufbau, Forschung und Ende des Instituts für Rundfunkwissenschaft an der Universität Freiburg im Breisgau, Phil. Diss. Münster vom 3. 7. 1980, gedruckt unter dem Titel: Rundfunkwissenschaft im Dritten Reich. Geschichte des Instituts für Rundfunkwissenschaft der Universität Freiburg, München — N e w York — London — Paris: K.G. Saur 1985; Hans Georg Klose, Die 'Pressa' in Köln. Ihr Zustandekommen und ihre Bedeutung für die Zeitungswissenschaft, Soz. M.A. München 1983; Sylvia Straetz, Hans Amandus Münster (1901 — 1963). Sein Beitrag zur Entwicklung der Rezipientenforschung, Soz. M.A. München 1983; Birgit Jüttemeyer, Zeitschriftenforschung (1930 - 1 9 6 5 ) . Fragestellungen, Verfahrensweisen und Ergebnisse einer publizistikwissenschaftlichen Teildisziplin, Phil. M.A. Münster 1984; Arnulf Kutsch (Hg.), Zeitungswissenschaftler im Dritten Reich. Sieben biographische Studien, Köln: Studienverlag Hayit 1984
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Wolf Lepenies, Wissenschaftsgeschichte und Disziplingeschichte, a.a.O., S. 437 Arnulf Kutsch, Vorwort, a.a.O., S. VII Winfried B. Lerg, Pressegeschichte oder Kommunikationsgeschichte? In: Presse und Geschichte. Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. Referate einer internationalen Fachkonferenz der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der deutschen Presseforschung/Universität Bremen, 5. - 8. Oktober 1976 in Bremen, München: Verlag Dokumentation 1977, S. 9 - 2 4 ( - Studien zur Publizistik, Bremer Reihe. Deutsche Presseforschung, hg. von Elger Blühm, Bd. 23)
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Wissenschaftsprozeß" Rechnung, 11 die in der jahrzehntelang von einzelnen Forscherpersönlichkeiten bestimmten Kommunikationswissenschaft besonders stark hervortritt. Eine biographische Vorstudie in Form einer Seminararbeit über den Zeitungswissenschaftler Hubert MAX, Leiter des Instituts für Zeitungswissenschaft in Münster von 1938 bis 1945, war auch Ausgangspunkt dieser Arbeit. 12 Sie bot Gelegenheit, die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des einzelbiographischen Ansatzes für die Fachgeschichte kennenzulernen. Die Grenzen begannen dort, wo das Wirken des Wissenschaftlers MAX nicht allein in Bezug zum fachlichen Hintergrund, der persönlichen Vita und fachspezifischen Sozialisation zu deuten war, sondern im Zusammenhang mit der historisch gewachsenen Struktur des von ihm geleiteten Instituts, dessen Einbettung in das Universitätsgefüge und der Abhängigkeit des Wissenschaftlers von fachexternen Bezugsgruppen gesehen werden mußte. Dies führte zur Frage nach den Bedingungen, die zur Entstehung, Entwicklung und Etablierung der zeitungswissenschaftlichen Disziplin im konkreten Bereich einer einzelnen Universität geführt haben. Ihr soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Dabei bot sich die Behandlung des Instituts für Zeitungswissenschaft in Münster neben forschungsorganisatorischen Gründen auch deshalb an, weil seine relativ eigenständige Entstehung als zweitältestes Institut in Deutschland und der lange Beobachtungszeitraum gewisse Bezüge auf die Entwicklung des Gesamtfaches erleichtern. Aus den erwähnten Gründen kommt biographischen Momenten auch in der Institutsgeschichte eine zentrale Bedeutung zu. Die von der Wissenschaftsforschung inzwischen wieder hervorgehobene Rolle einzelner Individuen für das Schicksal einer Institution, die sich zum Beispiel in institutionellen Veränderungen als Folge lebensgeschichtlicher Einschnitte ausdrücken kann,13 bedarf im vorliegenden Falle allerdings der Ergänzung um andere Aspekte. Gerade weil das Institut in Münster im Gegensatz zu anderen zeitungswissenschaftlichen Einrichtungen nicht über Jahrzehnte von einzelnen Forscherpersönlichkeiten geprägt wurde, sondern seine Existenz trotz einer starken Fluktuation der Fachvertreter, langer Vakanzen und stagnierender Forschung behaupten konnte, fordert seine Geschichte die Frage heraus, welche Rolle die sich ausbildende „scientific Community" und außerwissenschaftliche Einflüsse aus Politik, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft für die Institutionalisierung des Faches in Münster spielten und welche Folgen diese spezifische Institutionalisierung wiederum für die Entwicklung oder Verhinderung bestimmter Forschungskonzepte hatte. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, daß sich die Institutionalisierung der Zeitungswissenschaft in Münster im Zuge einer fortschreitenden Fachverengung vollzog: Nach breiten interdisziplinären An11 12
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Wolf Lepenies, Einleitung, a.a.O., S. XIII Bettina Maoro/Dirk Neugebauer, Hubert Max (1909-1945), in: Arnulf Kutsch (Hg.), Zeitungswissenschaftler im Dritten Reich, a.a.O., S. 127 - 167 Wolf Lepenies, Einleitung, a.a.O., S. XIII
fangen im ersten Weltkrieg unter Beteiligung von Historikern, Philologen, Volkswirtschaftlern, Soziologen und Juristen scheint die Zeitungskunde im Kampf u m den rein institutionellen Fortbestand ihr Arbeitsgebiet nach und nach auf die historische Presseforschung eingeschränkt zu haben; ausschlaggebend dürften dabei Sachzwänge wie Personal- und Finanzknappheit, Kompromisse bei der Ausnutzung ungeeigneter Planstellen und die Bedingungen, die fachexterne Interessengruppen an Unterstützungsleistungen knüpften, gewesen sein. Die Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte, die sich aus der weitgehend universitätsinternen Gründungsphase der Zeitungswissenschaft in Münster, der Zeit ihrer institutionellen Festigung als privat finanzierte Einrichtung und ihrer Entwicklung unter staatlich-politischer Einflußnahme ergeben. Das soll nicht den Blick dafür verschließen, daß akademische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Faktoren in allen Phasen nebeneinander auf die Institutionalisierung der Zeitungswissenschaft in Münster einwirkten. W o sich Zusammenhänge, beispielsweise zwischen der Gründung des „Ausschusses für Zeitungswesen", der Kriegszielbewegung und der Vorgeschichte der „Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität" im ersten Weltkrieg ergeben, die sich auch im kompilatorischen Verfahren auf Grund der unzureichenden Quellenlage nicht zu einem endgültigen Bild verdichten lassen, erscheint es angebracht, dieses Verfahren in der Darstellung sichtbar zu machen, um spekulative Schlüsse zu vermeiden. Obwohl die Untersuchung im wesentlichen chronologisch vorgeht, lassen sich einige Rück- und Vorgriffe vor allem im ersten Abschnitt nicht vermeiden. Die vielfältigen Organisationsformen, an die die Entwicklung der Zeitungskunde in Münster in ihren ersten Jahren geknüpft war, erfordern jeweils eine einzelne Betrachtung, um die Einschätzung ihrer Bedeutung für die spätere Institutionalisierung des Faches zu ermöglichen. Der zu Anfang und am Ende der ersten beiden Abschnitte gegebene Überblick über den jeweiligen Entwicklungsstand der deutschen Zeitungswissenschaft soll die Einordnung der bis zu Beginn der 30er Jahre verhältnismäßig isolierten Situation des Faches in Münster in den fachhistorischen Kontext erleichtern, soweit dies ohne ergänzende Fallstudien möglich ist. Auf eine besondere Darstellung der Fachentwicklung von 1933 bis 1945 wird verzichtet, da die für das Institut in Münster relevanten Entwicklungen im Kapitel über den „Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verband" behandelt werden und sich die wichtigsten Aspekte der allgemeinen Fachgeschichte mit zunehmender Ausbildung der „scientific Community" in der Institutsgeschichte spiegeln; ein darüber hinausgehender Uberblick hätte der Ausdifferenzierung der Zeitungswissenschaft seit den 30er Jahren beim gegenwärtigen Forschungsstand nicht gerecht werden können. Die zeitliche Grenze dieser Untersuchung ergibt sich aus dem personellen und institutionellen Neuanfang, den das Fach als Publizistikwissenschaft in Münster nach 1945 suchte. Auch Gründe der mangelnden zeithistorischen Di19
stanz, der aus Datenschutzgründen geringeren Aktenzugänglichkeit und nicht zuletzt die Frage des angemessenen Forschungsaufwandes sprachen für diese Begrenzung. Anhaltspunkte dafür, auch diesen Neuanfang aus der Geschichte des Instituts zu verstehen, deutet das letzte Kapitel an. Neben der begrenzten fachhistorischen Literatur und ergänzenden Arbeiten zum universitäts-, presse- und allgemeinhistorischen Hintergrund beruht die vorliegende Untersuchung hauptsächlich auf ungedruckten Quellen 14 und einer systematischen Auswertung der im Untersuchungszeitraum erschienenen Fachpublikationen der Zeitungswissenschaft und der Presseorganisationen. Vor allem wurde der umfangreiche Bestand der Institutsakten im Universitätsarchiv Münster genutzt, der allerdings für den Zeitraum der beiden Weltkriege einige Lücken aufweist. Die extensive Heranziehung thematisch verwandter Fakultäts-, Rektorats- und Kurator-Akten diente teilweise dazu, diese Lücken zu schließen, darüber hinaus jedoch auch der Erhellung des universitären Umfeldes, in dem sich die Zeitungswissenschaft entwickelte. Die Akten des ehemaligen Preußischen Kultusministeriums zur Universität Münster konnten nur beschränkt ausgewertet werden, da das Deutsche Zentralarchiv in Potsdam und Merseburg seine Bestände nicht zugänglich machte. Unter den in der Bundesrepublik gelagerten Beständen dieser Provenienz erwiesen sich die des Hauptstaatsarchivs in Düsseldorf vor allem für die Gründungsgeschichte des Instituts ergiebig; ergänzende Hinweise zu Detailfragen der Universitätsgeschichte fanden sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Für die Finanzierung des Instituts im Dritten Reich und für die organisatorischen Verbindungen zwischen Zeitungswissenschaft und nationalsozialistischer Propagandapolitik waren die Akten des ehemaligen Reichspropagandaministeriums im Bundesarchiv Koblenz aufschlußreich; personengebundene Verflechtungen von Wissenschaft, Staat und Politik ließen sich in Einzelfällen an den Akten des Berlin Document Center und des Instituts für Zeitgeschichte München überprüfen. Zur Klärung einzelner biographischer Aspekte trugen zudem Materialien aus anderen Provinzial-, Universitäts- und Stadtarchiven bei, die teils durch persönliche Recherchen, teils durch freundliche Hinweise von Alfried G R O S S E (Münster) ermittelt wurden. Von größter Bedeutung nicht nur für biographische, sondern auch allgemein fachhistorische Fragen erwiesen sich die schriftlichen Nachlässe: Der Nachlaß Johann P L E N G E s (Bielefeld) enthielt unter anderem wertvolles Material über die Gründungsgeschichte der Zeitungswissenschaft in Münster, die Nachlässe von Karl d ' E S T E R und Erich S C H U L Z (Dortmund) erhellten vor 14
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Zum Stellenwert der ungedruckten Quellen in der Fachgeschichte der Kommunikationswissenschaft allgemein vgl. Arnulf Kutsch, Zur Bedeutung von Archivalien für die Historiographie der Zeitungswissenschaft, in: Entwicklungsperspektiven zukünftiger Informationssysteme, hg. von der Fachgruppe Presse-, Rundfunk- und Filmarchivare im Verein Deutscher Archivare, München: Saur 1983, S. 213 — 232
allem den Zusammenhang der Verlegerbeteiligungen am Institut für Zeitungswissenschaft in Münster und dem Institut für Zeitungsforschung in Dortmund. Im leider nur teilweise zugänglichen, in Privatbesitz befindlichen Nachlaß von Günther W O H L E R S (Emmendingen) fanden sich einige für die Fachpolitik des „Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verbandes" aufschlußreiche Schriftstücke. Umfangreiche Nachforschungen nach den Verbandsakten des ehemaligen „Niederrheinisch-Westfälischen ZeitungsverlegerVereins", der das Institut für Zeitungswissenschaft in Münster achtzehn Jahre lang finanzierte, blieben leider ergebnislos. Dennoch läßt sich die Beziehung der Verleger zur westfälischen Zeitungskunde anhand der Universitätsakten, Korrespondenzen aus den Nachlässen d'ESTER und S C H U L Z und des Verbandsorganes „Mitteilungen des Niederrheinisch-Westfälischen Zeitungsverleger-Vereins" bis 1932 recht gut nachzeichnen. Die Einstellung des Mitteilungsblattes ab 1933, der Verlust der organisatorischen Selbständigkeit des kurz darauf zum „Landesverband des Reichsverbandes der Deutschen Zeitungsverleger" umgewandelten Vereins und der stärkere persönliche Einfluß des nationalsozialistischen Landesverbandsvorsitzenden erschwert jedoch für den Zeitraum des Dritten Reiches die Beurteilung der Verlegerinteressen an der Zeitungswissenschaft in Münster. Mündliche und schriftliche Aussagen von Zeitzeugen über die Jahre der späten Weimarer Republik und des Dritten Reiches unterstützten oder ergänzten teilweise die Quellenrecherchen, erwiesen sich trotz der notwendigen Vorbehalte gegen persönliche Zeugnisse bei einigen Überlieferungslücken als hilfreiche Bindeglieder und erleichterten der Verfasserin vielfach den Zugang zum Alltag des Wissenschaftsbetriebes in einer historischen Situation, die trotz zeitlicher Nähe allzu leicht in den Bereich des längst Vergangenen entrückt.
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B. Akademische Gründerjahre 1 9 1 5 - 1 9 2 5
I. Zeitungskunde an deutschen Hochschulen vor 1925 U n g e a c h t e t d e r Auseinandersetzungen u m die wissenschaftstheoretische V o r geschichte d e r Zeitungswissenschaft, in die zumindest das 19. J a h r h u n d e r t einbezogen w e r d e n m u ß , 1 w i r d der Beginn der „ m o d e r n e n " Zeitungskunde als L e h r f a c h an d e n deutschen U n i v e r s i t ä t e n gemeinhin in den ersten beiden Jahrz e h n t e n unseres J a h r h u n d e r t s angesiedelt. E r steht i m engen Z u s a m m e n h a n g m i t der T e i l n a h m e der H o c h s c h u l e n an der „geistigen K r i e g s f ü h r u n g " i m ersten W e l t k r i e g , die das Interesse verschiedener Disziplinen auf die E r s c h e i n u n gen der P r o p a g a n d a , der staatlichen Pressepolitik und der politischen K u l t u r lenkte. 2 D i e d a d u r c h ausgelöste Presseforschung m ü n d e t e ab 1 9 1 9 d u r c h die E i n r i c h t u n g erster zeitungskundlicher Lehraufträge, Institute und Professuren in die erste Institutionalisierungsphase des F a c h e s . In den V o r k r i e g s j a h r e n hatte der Gegenstand „ P r e s s e " allenfalls als T h e m a einzelner E x a m e n s a r b e i t e n E i n g a n g an den deutschen U n i v e r s i t ä t e n gefun-
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Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wandten sich einzelne Nationalökonomen und Juristen dem durch die Entwicklung der Massenpresse evident gewordenen Phänomen der „öffentlichen Meinung" und der Presse als Wirtschaftsfaktor zu. Genannt seien hier nur Franz-Adam Löffler, Über die Gesetzgebung der Presse. Ein Versuch zur Lösung ihrer Aufgaben auf wissenschaftlichem Wege, Leipzig: Brockhaus 1837; Karl Knies, Der Telegraph als Verkehrsmittel. Mit Erörterungen über den Nachrichtenverkehr überhaupt, Tübingen: Laupp'sche Buchhandlung 1857; Albert E. Schäffle, Bau und Leben des sozialen Körpers, 1. A. Tübingen: Laupp'sche Buchhandlung 1875 — 1878 (2. A. unter dem Titel: Abriß der Soziologie, 2 Bde, Tübingen: H. Laupp 1896); vgl. dazu Fritz Eberhard, Franz Adam Löffler und Max Weber - zwei Pioniere der Publizistikwissenschaft, in: Publizistik, 8. Jg. (1963), S. 4 3 6 - 4 4 2 ; Otto Groth, Die Geschichte der deutschen Zeitungswissenschaft. Probleme und Methoden, München, Weinmayer 1948, S. 245 - 300; Hildegard Scholand/Jürgen Hüther, Das Studium der Publizistikwissenschaft, Paderborn: Schöningh 1969 ( - Schöninghs Studienführer 3), S. 32 - 35; Im Bemühen um Traditionsnachweise des Faches gab es auch Versuche, den Bogen bis zur antiken Rhetoriklehre zu schlagen: Emil Dovifat, Publizistik als Wissenschaft. Herkunft - Wesen — Aufgabe, in: Publizistik, 1. Jg. (1956), Nr. 1, S. 3 - 1 0 / 3 ; vgl. Hildegard Scholand/Jürgen Hüther, Das Studium der Publizistikwissenschaft, a.a.O., S. 26 — 28
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vgl. dazu Rüdiger vom Bruch, Zeitungswissenschaft zwischen Historie und Nationalökonomie. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Publizistikwissenschaft im späten deutschen Kaiserreich, in: Publizistik, 27. Jg. (1980), Nr. 4, S. 5 7 9 - 6 0 7 ; Günther Kieslich, Zum Selbstverständnis der Publizistikwissenschaft, in: Publizistik, 17. Jg. (1972), Nr. 1, S. 68 - 78/72; Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft 1919 — 1945, in: Kommunikationswissenschaft in Münster 1 9 1 9 - 1 9 8 2 , hg. von Josef Hackforth und Arnulf Kutsch, Münster: Institut für Publizistik 1982, S. 8 - 33/8; Georg Rohrecker, Der Einfluß der (politischen und ökonomischen) Entwicklung der Gesellschaft auf die Wissenschaft - am Beispiel Deutsche Zeitungswissenschaft vor 1933/34, Phil. Diss. Salzburg 1979, S. 295 und 479 23
den. 3 Eine Ausnahme bildete die Universität Heidelberg, an der der Historiker und Journalist Adolf K O C H ( 1 8 5 5 - 1 9 2 2 ) zwischen 1896 und 1907 gut besuchte Pressevorlesungen abhielt und nach dem Vorbild Oskar W E T T STEINs (Zürich; 1866 —1952) 4 ein - freilich kurzlebiges — journalistisches Seminar einrichtete. 5 Dagegen hatten sich die mehr praxisorientierten Technischen und FachHochschulen schon seit der Jahrhundertwende zunehmend der Zeitungskunde geöffnet: An den Handelshochschulen Königsberg und Mannheim sowie der Technischen Hochschule München fanden Pressevorlesungen statt, 6 und an der Technischen Hochschule Darmstadt wurde schon 1907 ein Lehrauftrag für „Zeitungskunde und Drucktechnik" erteilt, den der Journalist Jakob Friedrich MEISSNER ( 1 8 7 4 - 1 9 2 0 ) , ein Schüler KOCHs, bis zu seinem Tod im Jahre 1920 mit dem Schwerpunkt auf Fachzeitschriften und technischen Fragen des Zeitungswesens wahrnahm. 7 Besonders nachhaltig bemühten sich die beiden Kölner Hochschulen, die Handelshochschule und die Hochschule für kommunale und soziale Verwaltung, vor dem Krieg um das Pressewesen. Schon 1907 und 1908 hatte Robert B R U N H U B E R ( 1 8 7 8 - 1 9 0 9 ) , Redakteur der „Kölnischen Zeitung" und Autor einführender Werke über das Zeitungswesen,8 an der Handelshochschule Pressevorlesungen abgehalten und dabei an die Staats- und Geschichtswissen3
V o r 1914 vergaben z.B. die Nationalökonomen W I L B R A N D und F U C H S an der Universität Tübingen und der Germanist M U N C K E R - ein Lehrer des späteren Zeitungswissenschaftlers Karl d ' E S T E R — an der Universität München mehrere zeitungskundliche Examensarbeiten - vgl. Karl Jäger, Von der Zeitungskunde zur publizistischen Wissenschaft, Jena: Fischer 1926, S. 22 und Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß. Ein Leben für die Jugend, die Wissenschaft und die Presse, München: Pohl 1951, S. 133
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Oskar W E T T S T E I N , geb. am 26. März 1866 in Zürich, Jurist und Journalist, habilitierte sich 1903 auf Wunsch des Vereins der Züricher Presse an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich für „journalistische Fächer", für die er 1904 auch einen Lehrauftrag an der Fakultät erhielt; 1914 bis 1920 war er in der Züricher Kantonsregierung tätig; sein Plan, ein der Völkerverständigung dienendes „Internationales Zeitungsinstitut" zu gründen, kam nie zustande; - vgl. Karl d'Ester, D r . O t t o Wettstein, in: Zeitungswissenschaft, 1. Jg. (1926), N r . 6, S. 98
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zu K O C H und den Hintergründen seines Scheiterns vgl. Reinhard Riese, Die Hochschule auf dem Weg zum wissenschaftlichen Großbetrieb. Die Universität Heidelberg und das badische Hochschulwesen, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1977, S. 375 - 377 (außerdem Anhang II: D e r Fach Koch)
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In Königsberg und München führten Journalisten und Dozenten im Wintersemester 1909/10 in journalistischen Fragen ein; in Mannheim las der Nationalökonom A L T M A N N zwischen 1910 und 1920 sporadisch über den Handelsteil der Presse; vgl. Karl Jäger, V o n der Zeitungskunde zur publizistischen Wissenschaft, a.a.O.
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zur Biographie vgl. Karl d'Ester, D r . J a k o b Friedrich Meißner, in: Zeitungswissenschaft, 2. Jg. (1927), N r . 10, S. 156 und Birgit Jüttemeyer, Zeitschriftenforschung(1930 - 1965). Fragestellungen, Verfahrensweisen und Methoden einer publizistikwissenschaftlichen Teildisziplin, Magisterarbeit der Philosophischen Fakultät Münster, S. 28 und 117, Anmerkung 18
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Robert Brunhuber, Das moderne Zeitungswesen, Leipzig: Göschen 1907 und ders., Das deutsche Zeitungswesen, Leipzig: Göschen 1908
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schaftler appelliert, das Pressewesen in ihren Arbeitsbereich aufzunehmen. 9 Außerdem fanden vor 1910 einzelne Vorträge anderer Kölner Journalisten und Gastvorlesungen Adolf K O C H s zu Pressefragen statt. 10 1913 griff der Leiter der Kölner Hochschulen, der Studiendirektor Geheimrat Christian E C K E R T (1874—1952), eine Anregung zur Einrichtung eines journalistischen Seminars auf, die von Gottfried S T O F F E R S , dem Gründer des „Verbandes der Rheinisch-Westfälischen Presse", und dem „Verein der Kölner Presse" an ihn herangetragen worden war. 11 Zusammen mit dem Vorsitzenden des Vereins, Arthur J U N G („Stadt-Anzeiger", Köln), und Ernst POSSE, dem Chefredakteur der „Kölnischen Zeitung", gab er 1913 eine Broschüre zur Journalistenausbildung heraus, 12 auf deren Grundlage noch im gleichen Jahr der erste Fortbildungskurs für Journalisten eingerichtet wurde. Die Leitung hatten E C K E R T und der Abteilungsleiter der Hochschule für kommunale und soziale Verwaltung, Dr. Adolf W E B E R , zu den Lehrbeauftragten gehörten unter anderen Oskar W E T T S T E I N , S T O F F E R S und der zweite Vorsitzende des „Reichsverbandes der deutschen Presse", Dr. Martin M O H R . 1 3 Später rekrutierten sich die Referenten vor allem aus der Kölner Presse, darunter auch der Vorsitzende des Vereins der Rheinisch-Westfälischen Presse, Dr. O t t o D R E S E M A N N (1860; gest. zwischen 1928 und 1935). M Die Veranstaltungsreihe stieß unter Studenten und Praktikern auf große Resonanz, mußte aber 1916 aufgrund der Kriegsereignisse eingestellt werden. Das Interesse der Technischen Hochschulen und Fachhochschulen an Pressefragen blieb jedoch auch nach dem Krieg erhalten. So richteten die Handelshochschule Berlin, die Technischen Hochschulen Hannover und Berlin und sogar die Akademie für Verwaltungswissenschaft in Detmold nach 1918 verschiedene zeitungskundliche Angebote ein. 15 Am stärksten nahm sich wohl 9 10 11
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vgl. Otto Groth, Die Geschichte der Zeitungswissenschaft, a.a.O., S. 311 vgl. Karl Jäger, Von der Zeitungskunde . . . , a.a.O., S. 22 Aloys Meister, Die Deutsche Presse im Kriege und später, Münster: Borgemeyer 1916, S. 72 f. Vgl. Planungsprotokoll: Institut für Internationale Presseforschung Köln vom 26. 6. 1928, UA Köln, Zugang 28/405 vgl. UA Köln, Zugänge 44/143 und 28/405 vgl. Redakteure als Dozenten, in: Augustinus-Blatt. Vereinsblatt des Augustinus-Vereins zur Pflege der katholischen Presse, 17. Jg. (1913), Nr. 10, S. 72; Karl Jäger, Von der Zeitungskunde . . . , a.a.O., S. 22; -, Köln, in: Augustinus-Blatt, 18. Jg. (1914), Nr. 3, S. 18; Köln, ebd., 19. Jg. (1915), Nr. 5, S. 28; Max Arthur Jordan, Das Heimatrecht der Zeitungen auf unseren Hochschulen, in: Akademische Rundschau, Bd. 5, Leipzig 1916, S. 1 0 5 - 1 1 6 Zwischen 1915 und 1920 fanden an der Handelshochschule Berlin Vorlesungen über Handelsjournalistik statt, die der Chefredakteur des „Berliner Börsen-Couriers" und später des „Transocean-Nachrichten-Dienstes", Dr. HAAS, abhielt. An der Technischen Hochschule Berlin wurden 1920 außerdem „journalistische Übungen" von BERGSTRASSER angeboten; die Detmolder Akademie für Verwaltungswissenschaft bot im Sommersemester 1922 eine „Einführung in Geschichte und Entwicklung des Pressewesens" (NOLT I N G ) an und plante die Errichtung eines Lehrstuhls für Nationalökonomie mit dem Journalisten Dr. Klaus BUSCHMANN zu besetzen; die Technische Hochschule Hanno-
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die Handelshochschule Nürnberg der Zeitungskunde an: Dort führten die Vorlesungen zum Pressewesen, die im Wintersemester 1918/19 von Dr. Adolf B R A U N ( 1 8 6 2 - 1 9 2 9 ) , ab Sommersemester 1920 von Leo B E N A R I O (1862 - 1929) und ab Wintersemester 1921/22 von B E N A R I O und Ernst MEIE R (1893 - 1 9 6 5 ) gemeinsam abgehalten worden waren, im Herbst 1923 zur Gründung eines Instituts für Zeitungskunde, das im Wintersemester 1924/25 seine Tätigkeit aufnahm. Schließlich wurde sogar eine von B E N A R I O kommissarisch wahrgenommene Professur für Zeitungskunde eingerichtet. 16 Während des Krieges hatten jedoch auch die Universitäten begonnen, ihre Aufmerksamkeit der Pressekunde zuzuwenden: Während die Universität Münster 1915 mit ersten Plänen für wissenschaftliche Pressevorlesungen an die Öffentlichkeit trat, forderte die Universität Bonn im gleichen Jahr schon einen Lehrstuhl für Zeitungskunde.17 Den Anfang machte jedoch der Nationalökonom Karl B Ü C H E R ( 1 8 4 7 - 1 9 3 0 ) an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig: Im November 1916 gründete er im Rahmen seines Nationalökonomischen Seminars mit Hilfe einer beträchtlichen Stiftung des Verlegers Edgar H E R F U R T H das erste deutsche Institut für Zeitungskunde.18 B U C H E R hatte schon seit 1884 an der Universität Basel und später in Leipzig Vorlesungen über Organisation, Statistik und Geschichte der Presse gehalten. In seinen Schriften kritisierte er vor allem den Dualismus von verlegerischem Gewinnstreben und öffentlichem Auftrag der Presse und warf dem deutschen Journalismus während des Krieges völliges Versagen vor — eine Kritik, die ihm von Teilen der Presse heftig verübelt wurde." Die Beseitigung der Miß-
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ver, die ab 1922 ein privates Pressearchiv Walther HEIDEs beherbergte, gab diesem im Wintersemester 1923/24 Gelgenheit für eine Vorlesung über „Presse und Propaganda in Wesen, Aufgabe und Wechselwirkung", die aber trotz guten Besuches wohl aufgrund anderer Interessen HEIDEs nie fortgesetzt wurde; - vgl. Walther Heide, Entwicklung der Zeitungskunde in Deutschland seit der Revolution. In statistischer Darstellung, in: Zeitungs-Verlag, 26. Jg. (1925), Sp. 2733 - 2738; Max Arthur Jordan, Das Heimatrecht der Zeitungen, a.a.O.; Karl Jäger, Von der Zeitungskunde . . . , a.a.O.; Hans Bockwitz, Zeitungskunde als wissenschaftliches Fach, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum, 3. Jg. (1920), S. 21 - 2 3 vgl. Kommunikationswissenschaft in Nürnberg, hg. vom Lehrstuhl für Kommunikations- und Politikwissenschaft am Sozialwissenschaftlichen Institut der Universität Erlangen-Nürnberg, o.O. o.J. (Nürnberg 1985), S. 7 - 1 4 ; ferner Gustav Richter, Zeitungskunde an deutschen Hochschulen, in: Deutsche Presse, 8. Jg. (1920), Nr. 27, S. lf. und Karl Jäger, Von der Zeitungskunde . . , a.a.O., S. 24 vgl. Karl d'Ester, Zeitung und Hochschule, in: Die Grenzboten, 74. Jg. (1915,4), H. 47, S. 2 4 4 - 2 4 8 zu B U C H E R und seinem Institut vgl. Otto Groth, Die Geschichte der Zeitungswissenschaft, a.a.O., bes. S. 282 und Dietrich Schmidt/Franz Knipping, Karl Bücher und das erste deutsche Institut für Zeitungskunde, in: Karl-Marx-Universität Leipzig 1909 - 1 9 5 9 . Beiträge zur Universitätsgeschichte, Bd. 2, Leipzig: Enzyklopädie Verlag 1959, S. 57 - 77 vgl. BUCHERs Pressekritik in der norwegischen Zeitung „Samtiden" vom November 1914, zitiert nach Gottfried Stoffers, Die Presse und der Krieg. Eine Antwort für Professor Bücher, Düsseldorf 1915, S. 5; Karl Bücher, Unsere Sache und die Tagespresse, Tübingen: Mohr (Paul Siebeck) 1915; ders., Akademische Berufsbildung für Zeitungskunde, in: Preußische Jahrbücher, Bd. 159 (1915), S. 5 3 1 - 5 3 4
stände i m Pressewesen m u ß t e n a c h B Ü C H E R zuerst bei der Journalistenausbildung ansetzen, zu der auch die H o c h s c h u l e n ihren Beitrag leisten sollten. Dieser pädagogische Aspekt
— Berufsbildung auf G r u n d l a g e
staatswissen-
schaftlicher F ä c h e r m i t begleitender Praxiseinführung — b e s t i m m t e a u c h die G r ü n d u n g des Instituts für Z e i t u n g s k u n d e in Leipzig. O b w o h l B U C H E R mit dieser E i n r i c h t u n g anfangs keineswegs die B e g r ü n dung einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin anstrebte, 2 0 gehen die wichtigsten Versuche, ein theoretisches F u n d a m e n t der Zeitungswissenschaft zu schaffen, auf ihn und seine Schüler u n d M i t a r b e i t e r z u r ü c k . So leistete der Statistiker W a l t e r S C H Ö N E ( 1 8 8 5 - 1 9 4 3 ) , 2 1 der sich 1 9 2 2 in Leipzig i m F a c h Zeitungskunde habilitiert hatte u n d anschließend als P r i v a t d o z e n t an B U C H E R s Institut lehrte, 1924 den ersten fachinternen Beitrag z u r erkenntnist h e o r e t i s c h e n Auseinandersetzung der Zeitungswissenschaft u m ihren Gegenstand, i n d e m er als sein wissenschaftliches Ziel „Die Erkenntnis der Zeitung als Ausdrucksmittel wußtseins"
des gesellschaftlichen
Be-
beschrieb. 2 2 A n den Staatswissenschaftlichen F a k u l t ä t e n anderer Universitäten faßte die Zeitungskunde jedoch nicht als selbständiges F a c h F u ß : D i e seit A n f a n g der 2 0 e r J a h r e v e r m e h r t angebotenen E i n f ü h r u n g e n in den Handelsteil der Presse und wirtschaftlichen Zeitungspraktika 2 3 scheinen ausschließlich der praxisna20
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vgl. Karl Bücher, Unsere Sache und die Tagespresse, a.a.O. S. 67f.; vgl. u.a. Hildegard Scholand/Jürgen Hüther, Das Studium der Publizistikwissenschaft, a.a.O., S. 36 Walter S C H O N E hatte seit 1906 in Tübingen, Leipzig und Dresden Staatswissenschaften studiert, 1912 an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen mit einer Arbeit über „Die Anfänge des Dresdener Zeitungswesens im 19. Jahrhundert" promoviert und war seit 1914 beim Statistischen Amt der Stadt Leipzig angestellt; dieser Tätigkeit blieb er auch während und nach seiner Beschäftigung am Institut für Zeitungskunde treu; er verfaßte u.a. die erste Einführung in die Zeitungswissenschaft: Walter Schöne, Die Zeitung und ihre Wissenschaft, Leipzig: F.A. Timm 1928 Walter Schöne, Zeitungswesen und Statistik. Eine Untersuchung über den Einfluß der periodischen Presse auf die Entstehung und Entwicklung der staatswissenschaftlichen Literatur, Jena: G. Fischer 1924, S. III An der Universität Frankfurt las der Redakteur der „Frankfurter Zeitung", Ernst KAHN, schon 1920 über „Leistungen und Mängel der Tagespresse" und bot eine Übung zur „Kritischen Lektüre der deutschen und ausländischen Handelspresse" an; im folgenden Jahr wurde ein „Seminar für Zeitungswesen" eingerichtet, das mindestens bis 1925 existierte, ohne jedoch fachlich in Erscheinung zu treten; an der Universität Breslau las der Dozent OBST 1921 über „Wirtschaftliche Tagesfragen" anhand der Handelspresse, an der Universität Jena wurde im gleichen Jahr ein Kolloquium über den Handelsteil angeboten und an der Universität Hamburg fanden im Wintersemester 1921/22 ein „Handelspolitisches Zeitungspraktikum für Hörer aller Fakultäten" (SCHÄDEL) und eine „Einführung in den Handelsteil von Zeitungen" statt; in Göttingen wurde im Anschluß an die im Wintersemester 1924/25 abgehaltenen „Besprechungen des Handelsteils" (Prof. PASSOW) ein Zeitungsinstitut in Anlehnung an die Universität gegründet, das freilich noch kurzlebiger als das Frankfurter Seminar gewesen zu sein scheint; vgl. - , Zeitungskunde an deutschen Hochschulen, in: Deutsche Presse, 10. Jg. (1922),
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hen Ergänzung des Volkswirtschaftsstudiums gedient zu haben, die ein besonderes Anliegen des preußischen Kultusministers Carl Heinrich B E C K E R s (1876— 1933) war. 24 Eine gewisse Eigenständigkeit erreichte die Zeitungskunde nur in Hamburg, wo 1923 an der Staatswissenschaftlichen Fakultät ein zeitungskundliches Seminar unter Leitung Alexander ZINNs eingerichtet wurde, das sich schon in den 20er Jahren auf historisch-soziologischer Grundlage Fragen der Pressewirkung zuwandte. 25 In der Fachliteratur trat das später zum Institut umgewandelte Seminar allerdings kaum in Erscheinung, obwohl es über zwanzig Jahre lang existierte. In den ersten Jahren nach dem ersten Weltkrieg etablierte sich die Zeitungskunde an den Philosophischen Fakultäten: Hier gewann sie vor dem Hintergrund des politischen Revanchismus der Nachkriegszeit vorübergehend ein gewisses Gewicht als nationales Bildungsfach und Instrument der Staatsbürgererziehung. Die in dieser Zeit geschaffenen Lektorate, Lehraufträge und Seminare sicherten dem Fach einen bescheidenen, aber meist dauerhaften Platz an der jeweiligen Universität. Zuerst wurde an der Universität Münster, wo sich schon während des Krieges ein interfakultativer „Ausschuß für Zeitungswesen" gebildet hatte, im September 1918 die Errichtung eines zeitungskundlichen Lektorates an der Philosophischen Fakultät genehmigt. Es sollte ursprünglich nur als Ergänzung des breiten pressekundlichen Angebotes dienen, das von den Mitgliedern der Staatswissenschaftlichen und der Philosophischen Fakultät in Münster geplant war, erwies sich aber später als wichtigste Absicherung für den Bestand der Zeitungskunde in Münster. Im Oktober 1918 erteilte der letzte königlich-preußische Kultusminister, Friedrich S C H M I D T - O T T , auch dem Wirtschaftsjournalisten und Dozenten am Orientalischen Seminar der Universität Berlin, O t t o J O H L I N G E R (1883 - 1924), einen Lehrauftrag für Zeitungswesen. 26 Am 26. Mai 1919 hielt dieser seine Antrittsvorlesung zum Thema „Zeitungswesen und Hochschulstudium, 27 nach deren Muster er seine Vorlesungen und Übungen im bald darauf N r . 3, S. 1 - 3; Hans Bockwitz, Zeitungskunde als wissenschaftliches Fach, a.a.O.; Gustav Richter, Zeitungskunde an deutschen Hochschulen, a.a.O.; Fritz Körner, Universitäten und Zeitungswissenschaft, in: Deutsche Akademische Rundschau, 15. Sem. (1925), N r . 15, S. 2f.; Walther Heide, Die Zeitungswissenschaft an den deutschen Universitäten, in: Deutsche Presse, 12. Jg. (1924), N r . 4 1 / 4 2 , S. 6 - 7 und ders., Entwicklung und gegenwärtiger Stand der wissenschaftlichen Zeitungskunde . . ., a.a.O. 24
vgl. Erich Wende, C . H . Becker, Mensch und Politiker. Ein biographischer Beitrag zur Kulturgeschichte der Weimarer Republik, Stuttgart: D V A 1959, S. 129
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Alexander Zinn, Aus der Praxis zeitungskundlicher Lehrtätigkeit, in: Deutsche Presse, 16. Jg. (1926), N r . 5 0 / 5 1 , S. 1 0 - 12; vgl. Walther Heide, Die Zeitungswissenschaft an den deutschen Universitäten, a.a.O., S. 6 — 7
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Emil Dovifat, Die Publizistik an der Friedrich-Wilhelm-Universität, in: Studium Berolinense, Berlin: D e Gruyter 1960, S. 7 2 6 - 7 3 8 / 7 3 0 ; zur Biographie J Ö H L I N G E R S vgl. Hans Traub, Jöhlinger, O t t o , in Walter Heide (Hg.), Handbuch der Zeitungswissenschaft, Leipzig: Hiersemann 1940ff., Sp. 1953 - 1955
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O t t o Jöhlinger, Zeitungswesen und Hochschulstudium, Jena: Gustav Fischer 1919
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eingerichteten „Seminar für Zeitungskunde und Zeitungspraxis" am Orientalischen Seminar abhielt. Die Verbindung mit dem Orientalischen Seminar war nicht so willkürlich, wie es heute scheinen mag: Auslandskunde und Kolonialwissenschaft entwickelten sich um die Jahrhundertwende als Folgeerscheinung des deutschen Imperialismus und stiegen nach dem von Deutschland verlorenen Weltkrieg noch im Kurs, da man sich von ihnen einen Beitrag zur „geistigen Wiederaufrüstung" versprach oder doch wenigstens mit ihnen dokumentieren wollte, daß man als kultureller Beobachter am Weltgeschehen weiter teilnahm. 28 Mit der aus ähnlichem Geist geborenen Zeitungskunde, die sich nicht zufällig vielerorts vor allem der Auslandspresse annahm, bestanden somit einige Gemeinsamkeiten. J O H L I N G E R , der sich als Handelsredakteur der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" publizistisch besonders mit der englischen Wirtschaftskriegsführung befaßt hatte und schon seit 1912 einen Lehrauftrag für „Kolonialpolitik und Weltwirtschaft" am Orientalischen Seminar wahrnahm, schien für diese Verbindung prädestiniert zu sein. Er konnte seine Arbeit allerdings aufgrund einer Erkrankung, der er am 28. August 1924 erlag, nicht lange mit ganzer Kraft durchführen. Nach seinem Tod ging die Zeitungskunde in Berlin andere Wege: Im „Deutschen Institut für Zeitungskunde", das der Pressefunktionär Martin M O H R (1867 - 1927) 1925 mit Unterstützung der Berufsverbände und des Staates an der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin aufbaute, stand der Berufsbildungsgedanke im Vordergrund, 29 während die Zeitungskunde historisch-politischer Prägung allmählich ins Abseits rückte. An der Evangelischen Theologischen Fakultät der Universität wurde übrigens im gleichen Jahr — 1925 — ein Lehrauftrag für evangelisches Pressewesen an den Direktor des „Evangelischen Presseverbandes für Deutschland", Dr. August H I N D E R E R ( 1 8 7 7 - 1 9 4 5 ) , erteilt. H I N D E R E R richtete ein „Seminar für Publizistik" ein, das bis in die 40er Jahre hinein existierte, 30 aber selten aus dem Schatten des „Deutschen Instituts für Zeitungskunde" hervortrat. Als dritte preußische Universität nahm sich die Universität Köln, die im Juni 1919 als Ersatz für die an Frankreich verlorene Universität Straßburg gegründet worden war, 31 der Zeitungskunde an. Man griff damit die Tradition der journalistischen Kurse an der Handelshochschule auf, die als Wirtschaftsund Sozialwissenschaftliche Fakultät in die neue Universität eingegliedert worden war. Die Stadt Köln als Trägerin der ehemaligen Hochschule hatte schon während des Krieges geplant, einen eigenen Lehrstuhl für Zeitungskunde mit
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vgl. dazu u.a. Carl Heinrich Becker, Denkschrift über die Förderung des Auslandsstudiums, in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, 11. Jg. (1917), Nr. 5 s.o., Kap. C I vgl. - , Berlin, in: Augustinus-Blatt, 29. Jg. (1925), Nr. 4, S. 29 und Walther Heide, Wie studiere ich Zeitungswissenschaft? Essen: Essener Verlagsanstalt, Feldpostausgabe 1943 vgl. Erich Wende, C.H. Becker, a.a.O., S. 136
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angeschlossenem Seminar zu errichten, 32 der im Gegensatz zur ökonomisch orientierten Zeitungskunde in Leipzig in Verbindung zur Geschichte errichtet werden sollte.33 Zu einem zeitungskundlichen Lehrstuhl kam es 1919 nicht, aber bei der Besetzung des Ordinariates für mittlere und neuere Geschichte sprach sich die Philosophische Fakultät ausdrücklich für einen Kandidaten aus, der auch das Zeitungswesen berücksichtigen könne 34 — den Straßburger Historiker Martin SPAHN (1875 - 1 9 4 5 ) 3 5 , der 1908 mit einem wegweisenden Vortrag über die Bedeutung der Pressekunde als Hilfswissenschaft für die Geschichtswissenschaft hervorgetreten war 36 und sich seitdem unter anderem mit Archiv- und Ausstellungsfragen der historischen Zeitungskunde befaßt hatte. 37 Im Dezember 1919 übernahm SPAHN mit dem historischen Ordinariat an der Universität Köln auch einen Lehrauftrag für „Zeitungskunde und öffentliche Meinung" 38 und eröffnete am 1. April 1920 ein gleichnamiges Institut. 39 32
- , Ein Lehrstuhl für Zeitungswesen in Köln, in: Augustinus-Blatt, 20. Jg. (1916), N r . 7, S. 29; vgl. Max Jordan, Das Heimatrecht der Zeitungen . . , a.a.O., S. 109
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—, Köln und die Zeitungswissenschaft. V o r dreißig Jahren wurde das Institut für Zeitungswissenschaft gegründet, in: Die deutsche Zeitung, 4. Jg. (1950), H . 4, S. 12 - 13 vgl. Planungsprotokoll: Institut für Internationales Presseforschung Köln, a.a.O. und Willehad Paul Eckert, Kleine Geschichte der Universität Köln, Köln: Bachem 1961, S. 192
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Martin S P A H N , geb. am 7. März 1875 in Marienburg/Westpreußen, gestorben am 12. Mai 1945, habilitierte sich als 23jähriger in Berlin für neuere Geschichte, wurde 1901 auf ein Extraordinariat nach Bonn und noch im gleichen Jahr als ordentlicher Professor auf den katholischen Lehrstuhl für Geschichte nach Straßburg berufen. Zur Biographie vgl. W.A.(uerbach), Martin Spahn, in: Zeitungswissenschaft, 3. Jg. (1928), Nr. 2, S. 25; Wilhelm Klutentreter, Ein Vorkämpfer der Zeitungsforschung. Prof. Spahn (Köln) 60 Jahre (7. März), in: Deutsche Presse, 25. Jg. (1935), Nr. 9, S. 8; ders. (Hg.), Martin Spahn zum 60. Geburtstag. Mit Beiträgen von Kollegen und Schülern. Sondernummer des Nachrichtenblattes der Zeitungswissenschaftlichen Vereinigung Köln vom 7. 3.1935; ders., Die Zeitung als Geschichtsquelle. Ein Rückblick aus Anlaß des 100. Geburtstages von Martin Spahn, in: Publizistik 19./20. Jg. (1974/75), S. 802 - 804; ders., Karl Bücher und Martin Spahn. Eine Kontroverse aus der Frühgeschichte der Zeitungswissenschaft, in: Die Zeitung als Persönlichkeit. Festschrift für Karl Bringmann, hg. von Kurt Koszyk und Volker Schulze, Düsseldorf: Droste 1982 ( - Journalismus Bd. 17), S. 1 6 5 - 1 6 8 ; ferner Kurt Rossmann, Wissenschaft, Ethik und Politik, Heidelberg: Verlag L. Schneider 1949 ( - Schriften der Wandlung 4)
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Martin Spahn, Die Presse als Quelle der neuesten Geschichte und ihre gegenwärtigen Benutzungsmöglichkeiten, in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, 2. Jg. (1908), S p . 1 1 6 4 - 1170 und 1 2 0 2 - 1 2 1 2 ; vgl. Wilhelm Klutentreter, Die Zeitung als Geschichtsquelle, a.a.O.
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Seit 1909 beschäftigte sich S P A H N mit den Vorarbeiten für die Einrichtung eines Berliner Zeitungsmuseums, und 1914 leitete er zusammen mit dem Historiker Karl LAMP R E C H T (1856—1915) die historische Zeitungsausstellung auf der „Internationalen Weltausstellung für Buchgewerbe und G r a p h i k " in Leipzig; unter dem Eindruck der Ausstellung stellte ihm der spätere Mäzen des Leipziger Zeitungsinstituts, Edgar H E R F U R T H , ein Kapital von 75 000 Reichsmark zum Aufbau eines Zeitungsarchives zur Verfügung - vgl. Wilhelm Klutentreter, Die Zeitung als Geschichtsquelle, a.a.O., S. 802
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vgl. Karl Jäger, Von der Zeitungskunde . . ., a.a.O., S. 22 vgl. Wilhelm Klutentreter, Prof. Martin Spahn 60 Jahre, a.a.O.
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Den Schwerpunkt seiner zeitungskundlichen Arbeit wollte er auf die Pressegeschichte des 19. Jahrhunderts und die Aspekte „Presse, öffentliche Meinung, Propaganda und Parteiwesen" legen, wobei er es als wichtige Aufgabe der Universität Köln ansah, „den besonderen Problemen des linken Rheinufers erhöhte wissenschaftliche Pflege" zuzuwenden.'*0 Für die entsprechende Ausgestaltung des Instituts veranschlagte er Ende 1921 die stattliche Summe von 60 000 Reichsmark für einmalige Anschaffungen und 30 bis 45 000 Mark für laufende Kosten. 41 Doch schon bald engagierte sich der ehemalige Zentrumspolitiker S P A H N , der sich während des Krieges den Alldeutschen und schließlich der Deutschnationalen Volkspartei zugewandt hatte, von Köln aus stärker in der Politik als auf dem Gebiet der Zeitungskunde. 42 Durch seine häufige Abwesenheit stagnierte der Institutsbetrieb schon im Wintersemester 1921/22 43 und konnte ab 1922, nachdem S P A H N wegen seines Reichstagsmandats nach Berlin übergesiedelt war, nur noch durch Praktikervorlesungen aufrechterhalten werden. 44 An der Philosophischen und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät bildete sich daher im Wintersemester 1922/23 eine „Kommission für Zeitungskunde", 45 die in Opposition zu S P A H N eine Verbesserung des zeitungskundlichen Studiums durchsetzen wollte. 46 Ihr Vorsitzender, der Germanist Friedrich V O N D E R L E Y E N (1873-1966), der selbst seit 1916 gelegentlich Pressevorlesungen hielt,47 forderte 1925 in einer Denkschrift, die Zeitungskunde mehr auf die allgemeine Aufklärung der akademischen Berufe über die Presse auszurichten und an ihrer Ausgestaltung Vertreter aller Disziplinen zu beteiligen.48 S P A H N widersetzte sich diesem Plan mit dem Argument, daß die methodischen Mängel des Gesamtfaches solch einen expansiven
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Schreiben Spahns an den Vorsitzenden des Kuratoriums des Zeitungsinstituts, Eckert, vom 19. .12. 1921, U A Köln Zugang 9/267 vgl. —, Zeitungskunde an deutschen Hochschulen (1922), a.a.O., S. 3 Seit Ende 1920 leitete S P A H N ein „Politisches Kolleg" des antidemokratischen ,Juniclubs", das Ende 1922 in „Hochschule für nationale Politik" umbenannt wurde; vgl. Georg Rohrecker, . . . deutsche Zeitungswissenschaft vor 1933/34, a.a.O., S. 507 - 508 —, Zeitungskunde an deutschen Hochschulen (1922), a.a.O., S. 3 vgl. U A Köln Zugang 9/267 Den Vorsitz führten der Nationalökonom Bruno K U S K E und der Germanist Friedrich V O N D E R L E Y E N , zu den Mitgliedern gehörte der ehemalige Leiter der Kölner Hochschulen und mittlerweile zum Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften ernannte Christian E C K E R T ; vgl. Schreiben der Phil. Fak. an den Dekan der Wi.-So. Fak. der Universität Köln vom 20. 5.1923, U A Köln Zugang 44/7 vgl. Schreiben des PKM an Spahn vom 8. 11.1923 und Schreiben des Dekans der Wi.So. Fak. an den Dekan der Phil. Fak. vom 20. 5. 1923, U A Köln Zugang 44/7 V O N D E R L E Y E N hatte im Wintersemester 1916/17 an der Universität München über „ D a s deutsche Zeitungswesen und deutsche Bildung" gelesen und in Köln ebenfalls Pressevorlesungen gehalten; Karl Jäger, Von der Zeitungskunde . . . , a.a.O., S. 22 und - , Zeitungskunde an deutschen Hochschulen (1922), a.a.O. Denkschrift zur Ausgestaltung des Zeitungswesens in Köln vom Mai 1925, U A Köln Zugang 44/143
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Ausbau nicht rechtfertigen könnten. Dabei gab er offen zu, daß bei ihm gerade im Hinblick auf besser ausgestattete Institute die „Skepsis gegen den wissenschaftlichen Wert des gesamten zeitungskundlichen Betriebes" sehr gewachsen sei. 49 In dieser Zeit stand schon ein junger Mann in Begriff, sich in Köln für Zeitungswissenschaft zu habilitieren, der den interdisziplinären Vorstellungen der zeitungskundlichen Kommission vermutlich mehr entgegen kam: Karl JAG E R ( 1 8 9 7 - 1927), zeitungskundlicher Schüler Karl B Ü C H E R s und stellvertretender Chefredakteur der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" und des „Essener Anzeigers". 5 0 Gerade zu dieser Zeit war J A G E R in der Diskussion um die Ausgestaltung der Zeitungskunde in Münster für die Beteiligung mehrerer Fakultäten eingetreten. 51 Neben Schriften zur journalistischen Berufsvorbildung 52 arbeitete er an einer - 1926 veröffentlichten - Bestandsaufnahme der Zeitungswissenschaft, in der er sich kritisch mit Gegenstand und Methoden des Faches auseinandersetzte. 53 Anders als S P A H N , der über die Methodenkritik an der Zeitungskunde resigniert hatte, leitete J A G E R aus ihr - in Erweiterung des Ansatzes von Walter S C H O N E — die Forderung nach einer Ausweitung des Faches vom Gegenstand „Zeitung" auf alle Träger von „Mitteilungen ( . . . ) als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewußtseins" ab.54 Mit ihm schien sich die Universität Köln einen hoffnungsvollen Nachwuchswissenschaftler gesichert zu haben. Doch J A G E R starb am 15. Mai 1927 mit 30 Jahren an einem schweren Herzleiden, noch bevor er seine Habilitation verwirklichen konnte. Nachdem auch die Versuche der Zeitungskommission, S P A H N noch einmal zu einer Zusammenarbeit zu zwingen, gescheitert waren, 55 verlor das Fach in Köln schließlich das Prüfungsrecht und seinen finanziellen Etat, so daß 49 50
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Schreiben Spahns an den Dekan der Phil. Fak. vom 29. 5. 1925, UA Köln Zugang 44/143 zur Habilitationsabsicht JAGERs vgl. Schreiben Jägers an d'Ester vom 18. 5. und 29. 12. 1925, IfZ Donmund, Nachlaß d'Ester, d'Ester Briefe 1925; zur Biographie allgemein: - , Dr. Karl Jäger + , in: Zeitungswissenschaft, 2. Jg. (1927), Nr. 6, S. 93; Karl d'Ester, Jäger, Karl, in: Walther Heide (Hg.), Handbuch der Zeitungswissenschaft a.a.O., Sp. 1 9 1 7 - 1 9 2 0 Karl Jäger, Die Zeitungskunde und die Universität Münster, in: Rheinisch-Westfälische Zeitung Nr. 513 vom 29. 8. 1925 Karl Jäger, Die Berufsvorbildung des Journalisten, in: Festschrift Theodor ReismannGrone zum 30jährigen Verlegerjubiläum. Nebst Chronik der Rheinisch-Westfälischen Zeitung, Essen: Verlag Rheinisch-Westfälische Zeitung 1925, S. 11 — 16; vgl. ders., Unser Journalisten„stand", in: Deutsche Presse, 16. Jg. (1926), Nr. 12, S. 1 - 4 Karl Jäger, Von der Zeitungskunde zur publizistischen Wissenschaft, a.a.O. ebenda, S. 65 vgl. Hans-Georg Klose, Die „Pressa" in Köln. Ihr Zustandekommen und ihre Bedeutung für die Zeitungswissenschaft, Soz. Magisterarbeit München 1983, S. 112
die Kölner Zeitungskunde erst 1928 durch die Internationale Presseausstellung „Pressa" wieder neue Impulse erhielt. 56 Als zeitungskundliche Einrichtung der ersten Generation ist zuletzt noch das Lektorat für „Zeitungswesen und Publizistik" zu nennen, das im April 1922 an der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg eingerichtet worden war. 57 Die Stelle hatte man dort eigens für den Elsaßflüchtling Wilhelm K A P P ( 1 8 6 5 - 1 9 4 3 ) geschaffen, 58 einen evangelischen Pfarrer, der sich schon vor dem ersten Weltkrieg publizistisch für die Probleme seiner Heimat engagiert hatte und seit Anfang 1918 für die Propagandaabwehr tätig gewesen war. Daß KAPPs zeitungskundliches Interesse nicht aus Fragestellungen älterer Disziplinen, sondern aus der politisch-publizistischen Praxis erwachsen war und er für die Zeitungskunde kaum mehr als die „Erfahrung des Politikers im grenzländischen Volkskampf" mitbrachte, rechneten ihm spätere Biographen mehr als Verdienst denn als Manko an. 59 Nach eigener Aussage hatte KAPP den Lehrauftrag weniger in der Absicht übernommen, sich theoretisch und wissenschaftlich mit der Zeitung auseinanderzusetzen, als um eine Plattform für seine politisch-pädagogischen Interessen zu finden. 60 Sein Anliegen war die Vermittlung allgemein-politischer Bildung auf Grundlage der Zeitung als Spiegel des politischen Gegenwartsgeschehens. 61 Daher bot er — inzwischen zum Honorarprofessor ernannt, jedoch nach wie vor ohne Gehalt 62 in seinem im April 1924 eröffneten „Seminar für Publizistik und Zeitungswesen" neben Einführungen in das Pressewesen ein freies Diskussionsforum unter dem Titel „Politisches Kolloquium" an, dem er sein Hauptinteresse widmete. 63 56
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vgl. - , Institut für Internationales Zeitungswesen in Köln, in: Rheinische Zeitung (Köln), Nr. 184 vom 8. 7. 1929; Georg Rohrecker, . . . deutsche Zeitungswissenschaft vor 1933/34, a.a.O., S. 733 und Hans-Georg Klose, Die „Pressa" in Köln, a.a.O. vgl. GLA Karlsruhe: G.L. 235 No. 7850 (Ministerium des Kultus und Unterrichts; Universität Freiburg: Seminare — Seminar für Publizistik und Zeitungswesen); für Hinweise aus den Aktenbeständen des GLA Karlsruhe und des UA Freiburg danke ich Alfried Große (Münster), der vor dem Abschluß einer Dissertation über die Geschichte des Instituts für Zeitungswissenschaft in Freiburg steht. Die mehr persönlich als fachlich motivierte Initiative ging offenbar von einem „Freundeskreis" KAPPs an der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg aus, zu dem u.a. der Historiker Georg von B E L O W (1858 - 1927) gehörte - Auskunft von Alfred Große (Münster) Zur Biographie von KAPP vgl. Hans Hermann Adler, Zum Tode von Professor Wilhelm Kapp, in: Deutsche Presse, 33. Jg. (1943), Nr. 13, S. 142; Walther Heide, Prof. lic. Wilhelm Kapp, in: Zeitungswissenschaft, 1. Jg. (1926), Nr. 1, S. 32; Hans A. Münster, Prof. Dr.h.c. lic. theol. Wilhelm Kapp - Pionier der deutschen Zeitungswissenschaft 70 Jahre, in: Zeitungswissenschaft, 10. Jg. (1935), S. 516ff.; Wilmont Haacke, Kapp, Wilhelm, in: Neue Deutsche Biographie, Berlin: Duncker & Humblot 1977, Bd. 11, S. 1 3 7 - 1 3 8 Wihelm Kapp, Rückblick, o.D. (ca. 1934), UA Freiburg, PA Kapp vgl. Wilhelm Kapp, Zeitungswesen als Unterrichtsfach, in: Berliner Tageblatt Nr. 395 vom 3. 9. 1922 vgl. GLA Karlsruhe: G.L. 235, No. 7850 Auskunft von Alfried Große (Münster)
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KAPP lehnte es ab, Journalistenausbildung zu betreiben,64 zeigte sich jedoch auch schon bald skeptisch, ob sich die Zeitungskunde als reines „Bildungsfach", wie er sie verstanden wissen wollte, auf Dauer akademische Geltung verschaffen könne. 65 Obwohl er nie ein ausgeprägtes Selbstverständnis als Zeitungs-Forscher entwickelte und dementsprechend selten in die innerfachliche Diskussion eingriff, kam er schon früh zu der von JAGER vertretenen Auffassung, daß die Zeitung nur ein Teilbereich des publizistischen Geschehens sei und die Zeitungskunde daher nur Anspruch auf Anerkennung als selbständige Disziplin habe, wenn sie sich die Gesamtheit dieses Geschehens und seines Bezuges zur öffentlichen Meinung zum Gegenstand setze und mit gesellschaftswissenschaftlichen Methoden erforsche.66 Allerdings versuchte nur sein Mitarbeiter Hans Amandus MÜNSTER (1901 - 1963), ein Schüler des Soziologen Ferdinand TÖNNIES (1856 - 1936), der im Juli 1925 als „Volontärassistent" an das Freiburger Institut gekommen war, 67 diese Einsicht auch in die Institutsarbeit umzusetzen und sich stärker soziologisch-psychologischen Fragestellungen zu widmen. 68
II. Die neue Universität Münster Zu Beginn des ersten Weltkrieges, in dessen Verlauf der Grundstein für die Zeitungskunde an der Universität Münster gelegt wurde, gehörte die erst 1902 als Voll-Universität wiedererrichtete westfälische Hochschule zu den jüngsten deutschen Universitäten. Sie bestand aus vier Fakultäten, deren jüngste, die Evangelisch-Theologische Fakultät, erst kurz nach Kriegsbeginn 1914 eröffnet worden war, während sich der Ausbau der fünften, der Medizinischen Fakultät, durch den Krieg um Jahre verzögerte. Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät war mit der Erhebung der Akademie zur Universität 1902 neu eingerichtet worden, während die Katholisch-Theologische und die Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät noch aus der alten Akademie übernommen werden konnten. Die Akademie selbst war der „Torso" der ersten münsterischen Universität, die schon 1780 auf Initiative Franz Friedrich von FÜRSTENBERGs, Mi64 65
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vgl. Wilhelm Kapp, Zeitungswesen als Unterrichtsfach, a.a.O. Wilhelm Kapp, Zeitungskunde im Rahmen der Universitätswissenschaft, in: Deutsche Presse, 15. Jg. (1925), Nr. 16, S. 1 - 3 und 7 - 8 Wilhelm Kapp, Publizistik und Zeitungswesen auf der Hochschule, in: Neue Züricher Zeitung Nr. 1268 vom 29. 9. 1922; vgl. ders., Die Zeitungswissenschaft als Problem, in: Zeitungswissenschaft, 9. Jg. (1934), Nr. 1, S. 24 GLA Karlsruhe: G.L. 235, No. 7850; vgl. Sylvia Straetz, Hans Amandus Münster (1901 — 1963). Ein Beitrag zur Entwicklung der Rezipientenforschung, Soz. Magisterarbeit München 1983, S. 9 Hans Amandus Münster, Wilhelm Kapp, 60 Jahre, in: Breisgauer Zeitung vom 16. 5. 1925; ders., Das Seminar für Publizistik und Zeitungswesen an der Freiburger Universität, in: Freiburger Universitätsführer SS 1926 - WS 1926/27, S. 38ff.
nister des Kölner Kurfürsten und Bischofs von Münster, gegründet worden war. Mit ihr erfolgte die letzte mit kaiserlichen und päpstlichen Privilegien ausgestattete Universitätsgründung in Deutschland. Geprägt wurde die Hochschule durch F U R S T E N B E R G s Interesse, das weitgehend vom Klerus bestimmte Bildungswesen im Münsterland unter vorsichtiger Anpassung an den Geist der Aufklärung zu stärken und auszubauen.1 An der westfälischen Universität, die vor allem den regionalen Bedarf an Beamten, Geistlichen, Lehrern und Ärzten befriedigen sollte, durften statutengemäß nur Katholiken lehren und studieren. Nach der Angliederung Münsters an Preußen 1802 2 wurde die Universität zwar für kurze Zeit zum Objekt liberaler Reformversuche, doch diese wurden schon durch die politischen Machtwechsel während der französischen Besatzungszeit unterbrochen und scheiterten schließlich am Widerstand des Klerus. Die Gründung der Universität Bonn in den neu zu Preußen gekommenen Rheinlanden bot dem Staat daher einen willkommenen Anlaß, die ältere Universität der westlichen Provinz in Münster, die dem in Preußen favorisierten H U M B O L D T s c h e n Bildungsideal in ihrer klerikalen Prägung widersprach, aufzuheben. 3 Fortan bestanden nur die Katholisch-Theologische und die Philosophische Fakultät als „Königliche Akademie" und später als „Akademische Lehranstalt" weiter. Spätestens ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Westfalen, das als einzige preußische Provinz keine eigene Landesuniversität mehr besaß, jedoch Stimmen für die Wiedererrichtung der Universität laut. 4 Bei der preußischen Regierung stießen sie erst in den 70er Jahren auf Resonanz, als im Zuge der Reichsgründung schon der „Kulturkampf" zwischen der protestantisch ausgerichteten Staatsmacht und der katholischen Minderheit in Preußen ausgebrochen war. 5 Der preußische Oberpräsdent von Westfalen, Friedrich von 1
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Norbert Kersken, Zur Geschichte der alten Universität Münster 1780 - 1 9 8 0 , in: 200 Jahre zwischen Dom und Schloß. Ein Lesebuch zu Vergangenheit und Gegenwart der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. I.A. der Autoren hg. von Lothar Kurz, Münster: Druck-, Vervielfältigungs- und Vertriebsgesellschaft 1980, S. 9 - 19/10; soweit im Folgenden nicht näher gekennzeichnet, beziehen sich die Angaben zur Geschichte der Universität Münster auf Wilhelm Ribhegge, Geschichte der Universität Münster. Europa in Westfalen, Münster: Regensberg 1985 Zur allgemeinen Geschichte der Stadt und des Bistums Münster vgl. Josef Otto Plaßmann, Geschichte der Stadt Münster in Westfalen. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Münster: Theissing 1925; hier bes. S. 216f. Norbert Kersken, Zur Geschichte der alten Universität Münster 1 7 8 0 - 1 9 8 0 , a.a.O., S. 12; vgl. Alwin Hanschmidt, Die erste münsterische Universität 1773/80-1818. Vorgeschichte, Gründung und Grundzüge ihrer Struktur und Entwicklung, in: Die Universität Münster 1780 - 1 9 8 0 , i.A. des Rektors hg. von Heinz Dollinger, Münster: Aschendorff 1980, S. 20 Anton Eitel, Von der alten zur neuen Universität Münster, Münster: Aschendorff 1953 ( - Schriften der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität 31), S. 34 vgl. Lothar Kurz, Die münsteraner Akademie im Kulturkampf (1870-1880), in: 200 Jahre zwischen Dom und Schloß, a.a.O., S. 2 0 - 3 3
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K Ü H L W E T T E R , selbst Katholik, setzte sich für den Ausbau der münsterischen Akademie zur Universität ein, um die katholische Bevölkerung mit der ungeliebten preußischen Verwaltung zu versöhnen. 6 Als Bedingung dafür strebte er allerdings gemeinsam mit dem preußischen Kultusministerium die Entkonfessionalisierung der Akademie an. Ab 1875 wurde dieses Vorhaben mit dem Ausbau der Philosophischen Fakultät und einer Berufspolitik, die protestantische und konfessionell indifferente Gelehrte bevorzugte, in die Tat umgesetzt. Diese für einen modernen Hochschulausbau notwendigen Eingriffe stellten freilich zugleich Kulturkampfmaßnahmen dar und stießen daher in der Öffentlichkeit und bei den klerikal orientierten Vertretern der Akademie auf erbitterten Widerstand. Erst mit Ende des Kulturkampfes trat in den 80er Jahren eine ruhigere Entwicklung ein, durch die auch die lange vernachlässigte Katholisch-Theologische Fakultät Anschluß an die Modernisierung der Akademie fand. 7 Dennoch dauerte es noch bis zur Jahrhundertwende, bis die Forderung der westfälischen Provinz nach einer eigenen Landeshochschule tatsächlich erfüllt wurde. Der entscheidende Schritt dazu war die Genehmigung zur Errichtung einer Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, der am 1. Juli 1902 die Erhebung der Akademie zur Universität folgte. Der Bedarf spiegelte sich in sprunghaft ansteigenden Studentenzahlen. Hatte die durchschnittliche Frequenz der alten Akademie vor der Jahrhundertwende noch bei 400 Studenten gelegen, so zählte die westfälische Landeshochschule 1904 schon 1410 Studenten. Bis zum letzten Vorkriegssemester stieg die Zahl auf 2099 an und erreichte im ersten Nachkriegssemester mit 4693 Einschreibungen einen vorläufigen Höhepunkt. 8 Dieser Entwicklung entsprechend erweiterte sich der Lehrkörper, der 1902 aus 73 Dozenten einschließlich 35 Professoren bestanden hatte, bis 1928 auf 172 Dozenten, davon 85 Ordinarien. 9 Viele von ihnen unterstrichen durch ihre Haltung während des ersten Weltkrieges, daß sich die westfälische Hochschule von ihrer Opposition gegen Preußen und das Kaiserreich im 20. Jahrhundert gelöst hatte. Zu den Früchten der „geistigen Kriegsführung" an der Universität gehörte unter anderem der „Ausschuß für Zeitungswesen", mit dem die interdisziplinär angelegte Pressekunde an der Universität Münster begann.
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Wilhelm Kohl, Die Bemühungen um den Ausbau der Theologisch-Philosophischen Akademie zu Münster im 19. Jahrhundert, in: Die Universität Münster 1 7 8 0 - 1980, a.a.O., S. 3 7 - 6 8 / 4 4 vgl. dazu Eduard Hegel, Die katholische Theologie in Münster, in: Die Universität Münster 1 7 8 0 - 1 9 8 0 , a.a.O., S. 2 5 3 - 2 6 7 und ders., Die Geschichte der KatholischTheologischen Fakultät Münster 1773 - 1 9 6 4 , I. Teil, Münster: Aschendorff 1966, S. 3 3 3 - 3 8 7 Klaus Pott, Universitätsstruktur und Entwicklung der Studentenzahlen, in: Die Universität Münster 1 7 8 0 - 1 9 8 0 , a.a.O., S. 1 8 1 - 1 9 4 / 1 8 3 ebenda
III. Von der Kriegszielbewegung zur Pressekunde - der Ausschuß für Zeitungswesen Zu Anfang der 20er Jahre gab es in der jungen deutschen Republik wohl keine andere Universität, an der das Bemühen um die Pressekunde unter so großer Beteiligung der Ordinarien vorangetrieben wurde wie in Münster: Achtzehn Professoren, drei Privatdozenten und zwei Lektoren beteiligten sich hier zwischen 1918 und 1925 an gemeinsamen Pressevorlesungen, vier Mitglieder der Philosophischen und drei Vertreter der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät koordinierten die Veranstaltungen im „Ausschuß für Zeitungswesen". Dessen Gründung 1916 ist zwar — entgegen zahlreicher Literaturangaben1 — nicht aktenkundig belegt, begleitende Ereignisse an der Universität machen dieses Datum gleichwohl wahrscheinlich. Die Frage des breiten Engagements der Professorenschaft für publizistische Probleme weist auf die allgemeine Politisierung der Intellektuellen durch das Erlebnis des ersten Weltkrieges hin. Im Wintersemester 1917/18 gehörten dem Zeitungsausschuß der Sprachwissenschaftler Otto HOFFMANN (1865 - 1940) als Vorsitzender, der Historiker Aloys MEISTER (1886-1925), der Germanist Julius SCHWERING (1863-1941), der Nationalökonom Johann PLENGE (1874-1963), der Kunsthistoriker Hermann E H R E N B E R G (1858-1920), der Strafrechtler Ernst ROSENFELD (1869-1952) und der Rechtshistoriker Heinrich ERMANN (1857 — 1940) an, der ein Jahr später von seinem Fachkollegen Rudolf HIS (1870-1938) abgelöst wurde.2 Diese Professoren zählten größtenteils zu dem gleichen Kreis, der sich seit dem August 1914 im Rahmen der allgemeinen nationalen Kriegsbegeisterung besonders hervorgetan hatte. Neben den schnell organisierten „Kriegsvorträgen der Universität Münster" im Wintersemester 1914/15, die sich schon teil-
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Vgl. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß. Ein Leben für die Jugend, die Wissenschaft und die Presse, München: 1951, S. 210; Bernd Mütter, Aloys Meister ( 1 8 6 6 - 1925), in: Westfälische Zeitschrift, 121. Bd. (1971), S. 173 - 247/237; Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft (1918 - 1945), in: Josef Hackfort/Arnulf Kutsch, Kommunikationswissenschaft in Münster 1 9 1 9 - 1 9 8 2 , Münster: Institut für Publizistik der Westfälischen Wilhelms-Universität 1982, S. 8 - 3 3 / 8 ; zurückzuführen sind diese Angaben vermutlich auf Karl Jäger, Die Zeitungswissenschaft in Westfalen, in: Die Heimat 8 (Dez. 1926), S. 1 8 - 1 9 / 1 8
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Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster während des ersten Weltkrieges und der Novemberrevolution (1914 - 1919), Phil. Diss. Münster 1944, S. 184; vgl. Personal- und Vorlesungsverzeichnisse der W W U Münster für das Wintersemester 1917/18 und das Wintersemester 1918/19; die Akten, auf die sich K Ö S T E R bezieht, sind im Universitätsarchiv Münster teilweise auch unter neuen Signaturen nicht mehr nachweisbar.
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weise
mit
publizistischen
Fragen
beschäftigten, 3
beteiligten
sich
Aloys
M E I S T E R und andere s c h o n seit 1 9 1 4 daran, z u r A b w e h r der feindlichen P r o paganda
Aufklärungsmaterial
an
befreundete
Gelehrte
ins
Ausland
zu"
s c h i c k e n . 4 D a r i n unterschieden sie sich zunächst nicht v o n der Tätigkeit zahlr e i c h e r „national g e s i n n t e r " Kollegen an anderen deutschen U n i v e r s i t ä t e n , 5 w e n n m a n nicht gerade den patriotischen U b e r e i f e r der katholischen O r d i n a rien in M ü n s t e r als V e r s u c h ansehen will, sich v o n d e m „ n a t i o n a l e n M i ß k r e d i t " , in d e m die m ü n s t e r i s c h e H o c h s c h u l e seit d e m K u l t u r k a m p f stand, z u befreien. 6 W ä h r e n d der Einzelgänger P L E N G E m i t den „Ideen v o n 1 9 1 4 " v o n sich reden m a c h t e , in denen er das A u f g e h e n des Individuums im V o l k s g a n z e n p r o pagierte und die kriegsbedingte Z w a n g s w i r t s c h a f t als V o r b o t e n eines Staatssozialismus begrüßte, 7 arbeitete die M e h r h e i t der Professoren in enger V e r b i n d u n g mit Industriellen der deutschnationalen Kriegszielbewegung zu. U n t e r den z e h n M ü n s t e r a n e r G e l e h r t e n -
darunter H O F F M A N N , M E I S T E R , R O -
S E N F E L D , H I S und E H R E N B E R G
- , die sich d u r c h R e d e n , T e i l n a h m e an
A u f r u f e n und Appellen als besonders aktive T e i l n e h m e r dieser B e w e g u n g auswiesen, 8 k a m d e m Sprachwissenschaftler O t t o H O F F M A N N eine f ü h r e n d e R o l l e z u . 9 D e r organisatorisch versierte Wissenschaftler baute offenbar s c h o n 3
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Aloys Meister, Kabelkrieg und Lügenfeldzug, Münster: Borgmeyer 1914 ( - Kriegsvorträge der Universität Münster Bd. 4) u. Julius Schwering, Die literarische Fremdherrschaft in Deutschland, Münster: Borgmeyer 1914 ( - Kriegsvorträge der Universität Münster Bd. 5) vgl. Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität, a.a.O., S. 103 vgl. Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkrieges, Göttingen - Zürich — Frankfurt: Musterschmidt 1969, bes. S. 22 vgl. Horst Herrmann, Deutschland darf den Willen Gottes vollstrecken! Katholische Kriegsdoktrin von 1 9 1 4 - 1918 an der Universität Münster, in: 200 Jahre zwischen Dom und Schloß, hg. v. Lothar Kurz, Münster: Druck-, Vervielfältigungs- u. Vertriebsgesellschaft 1980, S. 3 4 - 4 6 / 3 4 Johann Plenge, 1789 und 1914. Die symbolischen Jahre in der Geschichte des politischen Geistes, Berlin: Julius Springer 1916; vgl. Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral, a.a.O., S. 22f., 36 u. 42f. vgl. die Tabelle „Annexionisten, Deutschnationale und Nationalsozialisten" bei Herben Döring, Der Weimarer Kreis. Studien zum politischen Bewußtsein der verfassungstreuen Hochschullehrer in der Weimarer Republik, Meisenheim a. Glan: Hain 1976, S. 264; an der Universität Münster handelte es sich um Hermann E H R E N B E R G , Julius SMEND, Rudolf HIS, Otto H O F F M A N N , Ernst Robert DAENELL, Aloys MEISTER, Gustav Friedrich PHILIPPI, Ernst R O S E N F E L D ; Rudolf SCHENK und Paul K R Ü C K M A N N Otto H O F F M A N N , 9. 2. 1865 (Hannover) - 6. 6.1940 (Münster), ordentlicher Professor für vergleichende Sprachwissenschaften in Münster, Vorsitzender des Ortsvereins Münster der Deutschen Volkspartei (DVP) seit deren Gründung 1917, im folgenden Jahr gleiches Amt bei Gründung der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), 1917/18 Dekan der Philosophisch-naturwissenschaftlichen Fakultät Münster, 1925/26 Rektor, längere Zeit Vorsitzender des „Vereins für das Deutschtum im Ausland", 1921 Landtagskandidat der DNVP, spätestens ab 1926 im Parteivorstand, 1919 - 1940 2. Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung der W W U ; vgl. u.a. UA MS N U PA 264 (Hoffmann), Phil. Fak. PA 21 (Hoffmann), Kurator PA 197, Bd. I u. II (Hoffmann)
im ersten Kriegsjahr aus diesem Kreis eine Professorengruppe auf, die in ständigem Kontakt zu dem alldeutschen Wirtschaftsführer Alfred H U G E N B E R G (1865 - 1951), einem Jugend- und Duzfreund H O F F M A N N s , 1 0 zur „Zentrale für Kriegspropaganda unter der Hochschullehrerschaft" werden sollte." Die Beziehungen festigten sich allem Anschein nach über den stellvertretenden kommandierenden General des VII. Armeekorps in Münster, Freiherrn Georg von G A Y L , der vom Mai 1915 an zur Anlaufstelle der Kriegszieldenkschriften der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie unter Führung H U G E N B E R G s als Krupp-Generaldirektor, Emil KIRDORFS (1847-1938) und Hugo STINN E S ' (1870 —1924) wurde. 12 Unter diesen Memoranden zeichneten bald auch münsterische Gelehrte als Autoren: Otto H O F F M A N N , der Jurist Paul K R Ü C K M A N N (1866-1943), der Historiker Ernst Robert D A E N E L L (1872-1921), der Geograph Wilhelm M E I N A R D U S (1867-1952) und der Althistoriker Otto S E E C K (1850-1919). 1 3 Neben diesen namentlich genannten zählte H O F F M A N N noch drei weitere Hochschullehrer zu seinem Kreis, 14 zu denen wohl auch Aloys MEISTER gehörte. Dieser hielt zusammen mit H O F F M A N N die Verbindung zu dem „Unabhängigen Ausschuß für einen deutschen Frieden" des altdeutschen Historikers Dietrich S C H Ä F E R (1845 - 1929) in Berlin und beteiligte sich in dessen Auftrag auch als Redner auf politischen Veranstaltungen. 15 10
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Alfred H U G E N B E R G , 19. 6. 1865 (Hannover) - 12. 3. 1951 (Rohbrake bei Rinteln an der Weser), 1891 Mitbegründer des Alldeutschen Verbandes, 1 8 9 4 - 1 9 0 3 Mitglied der staatlichen Ansiedlungskommission in Posen, 1909 — 1918 Vorsitzender des Direktoriums der Kruppwerke; 1916 mit Erwerb des Scherl-Verlages Begründung des DNVP-nahen Pressekonzerns H U G E N B E R G , 1927 Erwerb der Ufa, seit 1919 Reichstagsabgeordneter der D N V P , seit 1928 Parteiführer, als Gegner der Weimarer Republik, deren Außenpolitik er besonders durch das Volksbegehren gegen den Y O U N G - P l a n angriff, 1931 Versuch des Zusammengehens mit der N S D A P (,Harzburger Front'), 1933 Beteiligung an H I T L E R s Kabinett als Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister. Dankwart Guratzsch, Macht durch Organisation. Die Grundlegung des Hugenbergschen Presseimperiums, Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag 1974, S. 41; vgl. Heidrun Holzbach, Das .System Hugenberg*. Die Organisation bürgerlicher Sammlungspolitik vor dem Aufstieg der N S D A P , Stuttgart: D V A 1981, S. 126 vgl. Willi Boelcke (Hg.), Krupp und die Hohenzollern in Dokumenten. KruppKorrespondenz mit Kaisern, Kabinettschefs und Ministern 1 8 5 0 - 1918, Frankfurt a.M.: Akademische Verlagsanstalt 1970; vgl. Dankwart Guratzsch, Macht durch Organisation, a.a.O., S. 141 vgl. Dankwart Guratzsch, Macht durch Organisation, a.a.O. ebenda vgl. ebenda u. S. 143f. und Herbert Döring, Der Weimarer Kreis, a.a.O., S. 264; vgl. ferner Georg Rohrecker, Der Einfluß der (politischen und ökonomischen) Entwicklung der Gesellschaft auf die Wissenschaft - am Beispiel Deutsche Zeitungswissenschaft vor 1933/34, Phil. Diss. Salzburg 1979, S. 497; Dietrich S C H Ä F E R gehörte mit seinen Historikerkollegen Georg von B E L O W , Otto H O E T S C H , Martin S P A H N , Edward M E Y E R und dem Theologen Rudolf S E E B E R G zu den einflußreichsten Siegfrieden-Propagandisten unter den deutschen Hochschullehrern; ab 1916 fungierte diese Gruppe zunehmend auch als Sprachrohr der gleichgerichteten, aber wirtschaftlich bedingten Interessen der Schwerindustrie und der Agrarier, die sich gegen eine gemäßigte Kriegszielpolitik wehrten. Zu den
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Trotz der zumindest anfänglichen Reserve des Generals gegenüber den Vorstellungen der Wirtschafts- und Wissenschaftsvertreter16 kam es bei ihm in der Folgezeit zu mehreren Aussprachen mit den Industriellen und den Professoren über die Kriegslage.17 Sein Vertrauen in die nationale Zuverlässigkeit der Universitätsvertreter dokumentierte er nicht zuletzt damit, daß er der von Aloys MEISTER eingerichteten Kriegsnachrichtensammelstelle am 14. Juli 1915 den Charakter einer militärischen Behörde verlieh.18 Neben den vor der Öffentlichkeit betonten wissenschaftlichen Zwecken diente diese Einrichtung der Kontrolle und Abwehr feindlicher Propaganda und eigener „Auslandsaufklärung". 19 Damit fügte sie sich in das von den Industriellen finanziell geförderte Programm des Professorenkreises zur „individuellen Aufklärung" ein, das unter anderem Vorträge, Resolutionen und Unterschriftensammlungen, Pressepropaganda und Kontaktaufnahme zu anderen Hochschulen vorsah. 20 In der Folgezeit verstärkte sich die von MEISTER und H O F F M A N N vermittelte Zusammenarbeit der münsterischen Professorengruppe mit dem Kreis um Dietrich S C H Ä F E R in Berlin, der Propagandazentrale der alldeutschen Kriegszielbewegung.21 Die Gelehrten lernten dabei selbst, sich der Presse als politisches Kampfmittel zu bedienen: Otto H O F F M A N N zum Beispiel, der sich in dieser Zeit mehr in der Politik als der Forschung bewegte und 1917 die „Vaterlandspartei" in Münster gründete, 22 versuchte immer wieder, die finanzkräftige Industriellengruppe um H U G E N B E R G zum Kauf einer „nationalen" Zeitung zu bewegen — ohne allerdings von den längst gespannten Fäden H U G E N B E R G s zu erfahren.23
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Hauptforderungen beider Gruppen gehörten die nach Annexionen, nach der Wiederaufnahme des unbeschränkten U-Boot-Krieges, der Zerschlagung der englischen Seeherrschaft und einer restaurativen Innenpolitik; vgl. Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral, a.a.O., S. 46f. und Dieter Krüger, Nationalökonomen im Wilhelminischen Deutschland, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983 ( - Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 58), S. 171 vgl. Kabinettschef von Valentini an Krupp von Bohlen und Halbach vom August 1915, in: Willi Boelcke (Hg.), Krupp und die Hohenzollern, a.a.O., S. 253 - 255/253 vgl. Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft. Die Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität 1918 - 1 9 6 8 , masch. Mskr. Münster 1968, S. 23 vgl. Aloys Meister, Die Kriegsnachrichten-Sammelstelle des VII. A.K. an der Universität Münster, in: Westfalen, 8. Jg. (1916), S. 61 - 65 vgl. Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität ( 1 9 1 4 - 1 9 1 9 ) , a.a.O., S. 51 vgl. gedruckte Handschrift der Professoren von Münster vom Januar 1916 und Schreiben Hoffmanns an Hugenberg vom 21. 6. 1916 im (Rest-)Nachlaß Hugenberg, Rohbraken bei Rinteln, Schriftwechsel Hugenberg-Hoffmann; zitiert nach Dankwart Guratzsch, Macht durch Organisation, a.a.O., S. 141 ( G U R A T Z S C H benutzte den noch nicht geordneten Rest-Nachlaß H U G E N B E R G s , der inzwischen ins Bundesarchiv Koblenz überführt woden ist.) vgl. Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral, a.a.O., S. 69 und 71f. vgl. Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft, a.a.O., S. 53 und ders., Geschichte der Universität Münster. Europa in Westfalen, Münster: Regensberg 1985, S. 146 vgl. Dankwart Guratzsch, Macht durch Organisation, a.a.O., S. 141 und 143; erst später nutzte H U G E N B E R G die Dienste des Jugendfreundes zur Ausweitung seines Presseim-
Fast gleichzeitig mit den Aktivitäten für die Kriegszielbewegung wandte man sich in Münster auch der akademischen Beschäftigung mit der Presse zu. Im August 1915, also kurz nach der militäramtlichen Aufwertung der Kriegsnachrichtensammelstelle, trat die Universität mit dem Plan an die Öffentlichkeit, Pressevorlesungen nach dem Muster der Kriegsvorträge und sogar ein Lektorat für dieses Gebiet einzurichten. 24 Dieser von der Philosophischen Fakultät ausgehende, etwas plötzliche Vorstoß, dem man „mit Rücksicht auf die augenblickliche Lage" selbst keine großen Chancen einräumte, 25 sollte vermutlich einem Alleingang des Nationalökonomen Johann P L E N G E an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zuvorkommen. Dieser glaubte nämlich, in dem von ihm geplanten volkswirtschaftlichen Institut zugleich auch eine Möglichkeit zur Journalistenausbildung schaffen zu können, und hatte sich in diesem Sinne schon im Sommer 1915 mit der Bitte um Unterstützung an den Rheinisch-Westfälischen Presseverband gewandt. 26 Der Versuch, die konkurrierenden Bestrebungen an beiden Fakultäten zu koordinieren, mündete schließlich in der Gründung des interfakultativen „Ausschusses für Zeitungswesen". Auf Vorschlag P L E N G E s wurde Otto H O F F M A N N als Vertrauensperson beider Parteien zum Vorsitzenden gewählt, der damit nach eigener Aussage das „dornenvolle A m t " übernahm, „die von Anfang an bestehenden Gegensätze" zu überbrücken. 27 Die Gegensätze wurzelten in erster Linie im persönlichen Bereich, der Unverträglichkeit P L E N G E s , betrafen daneben jedoch auch fachlich-politische Fragen: Obwohl P L E N G E mit seinen außenpolitischen Vorstellungen zu den führenden Annexionisten unter den deutschen Hochschullehrern gehörte, 28 entsprangen seine pressekundlichen Ideen einem staatssozialistischem Programm, in dem er sich von seinen den deutschnationalen Wirtschaftskreisen nahestehenden Kollegen deutlich unterschied. D a er jedoch Förderer im Preußischen Unterrichtsministerium besaß und im politischen Meinungskampf der Intellektuellen bis Mitte des Krieges eine führende Rolle einnahm, 29 mußte man sich nach außen hin um ein geschlossenes Auftreten mit dem prominenten Kollegen bemühen.
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periums: Im Frühjahr 1921 vermittelte H O F F M A N N ihm nach monatelangen Verhandlungen die Kapitalmehrheit der .Bergisch-Märkischen Zeitung'; vgl. Heidrun Holzbach, Das System Hugenberg, a.a.O., S. 26 vgl. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. an den Kurator vom 6. 8. 1915, UA MS Phil. Fak. B I Nr. 2 und Karl d'Ester, Zeitung und Hochschule, in: Die Grenzboten, 74. Jg. (1915,4), H. 47, S. 241-248/241 Schreiben des Dekans der Phil. Fak. an den Kurator vom 6. 8. 1915, a.a.O. vgl. Schreiben des Vorsitzenden des Rheinisch-Westfälischen Presseverbandes, Dr. Otto Dresemann, an Plenge vom 7. 8. 1915, UB B I, Nachlaß Plenge, Presse 1913 - 1 9 2 4 Schreiben Hoffmanns an Plenge vom 29. 10. 1919 und 13.4.1920, UB B I Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß vgl. Dieter Krüger, Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland, a.a.O., S. 170-172 Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral, a.a.O., S. 42f.
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Das Vorgehen schien sich zu bewähren: Im Februar 1917 griff die Philosophische Fakultät erneut die Lektoratsfrage auf,30 und schon im Wintersemester 1917/18 verkündete der Rektor Hermann EHRENBERG, daß man „die volle Zustimmung der Staatsregierung zu unseren Vorschlägen gefunden" habe.31 Die Notwendigkeit wissenschaftlicher Behandlung des Pressewesens begründete er damit, daß der „Hauptfeind, der Engländer" der deutschen Informationspolitik beschämend überlegen sei. Die Koordination der weiteren Maßnahmen an den beteiligten Fakultäten, zu denen neben der Einrichtung des Lektorates „die Begründung eines Zeitungsarchivs durch Geheimrat MEISTER und die Fortführung seminaristischer Übungen unter Professor PLENGE" gehören sollten, wurde dem Zeitungsausschuß übertragen. So planmäßig, behauptete EHRENBERG, sei noch keine andere Universität in dieser Frage vorgegangen.32 Trotzdem äußerte das Preußische Kultusministerium schon im Frühjahr 1918 Bedenken, daß in den Einrichtungen MEISTERs und PLENGEs doppelte Arbeit geleistet werden könne. 33 Im Zeitungsausschuß einigte man sich daher im Juni 1918 auf die abgrenzende Formulierung, „daß zwar eine .allgemeine Einführung in das Zeitungswesen', aber nicht schlechthin ,das Zeitungswesen' an die philosophische Fakultät anzugliedern sei, weil die eigentliche Berufsausbildung in der Technik und Organisation der Presse und die wissenschaftliche Ausnutzung des Handelsteils für die Volkswirtschaftslehre, des politischen Teils für die politische Staatslehre der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät zufalle."34 Möglicherweise entstand auch der im Wintersemester 1918/19 verwirklichte Plan für interfakultative Pressevorlesungen aus der Notwendigkeit, den Beweis einer konstruktiven Zusammenarbeit zu erbringen, bevor man mit staatlicher Förderung rechnen konnte. Diese Notwendigkeit verlor auch nach der Revolution unter dem neuen demokratischen Kultusministerium nicht an Gewicht. 35 MEISTERs neuer Mitarbeiter Karl d'ESTER hob daher in einem Artikel vom Juli 1919 die „rege Anteilnahme" der verschiedenen Fachvertreter an der Pressekunde hervor und betonte ausdrücklich, daß ein Zeitungsinstitut „naturgemäß zwei Abtei30
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vgl. Schreiben des Dekans Schwering an die Mitglieder der Fakultät vom 28. 2. 1917, UA MS Phil. Fak. A I Nr. 2 Rektoratsbericht 1916-1918 (Ehrenberg), hdschr. Mskr., UA MS N U A I 8,1 ebenda vgl. Briefwechsel zwischen Plenge und dem Kurator vom 10. 1., 12. 1. und 20. 4.1918, UB B I Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß Schreiben Plenges an den Kurator vom 9. 7. 1918, UB BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß Zur Kontinuität der Wissenschaftsadministration vom Kaiserreich zur Demokratie vgl. Theodor Litt, Hochschule und öffentliches Leben in der Weimarer Republik, in: Kulturverwaltung der zwanziger Jahre. Alte Dokumente und neue Beiträge. Festschrift für Otto Benecke zum 65. Geburtstag, hg. von Adolf Grimme in Gemeinschaft mit Wilhelm Zilius, Stuttgart: Kohlhammer 1961, S. 49 ff., bes. S. 46
lungen umfassen" müsse, nämlich „eine sozialwirtschaftliche und eine politisch-historische". 36 Doch gerade d'ESTERs am 19. Juni 1919 erfolgte Habilitation für „Zeitungskunde" 37 setzte den Ausschuß einer harten Belastungsprobe aus: Während die Philosophische Fakultät die Annahme einer Habilitation für ein neues Lehrgebiet als Angelegenheit ihrer Fakultätsautonomie betrachtete, fühlte sich Johann P L E N G E als Ausschußmitglied übergangen. Er drohte dem um Vermittlung bemühten Vorsitzenden O t t o H O F F M A N N die Aufkündigung der gemeinsamen Ringvorlesung und den selbständigen Ausbau der staatswissenschaftlichen Zeitungseinrichtungen an. 38 Daß ihm der Konflikt nicht ganz ungelegen kam, verriet P L E N G E in der Feststellung, daß seine Studenten mit den Mischvorlesungen ohnehin nicht ganz zufrieden seien und er es für seine „Pflicht" halte, „von der etwas naiv-dilettantischen .Zeitungsforschung' " an der Philosophischen Fakultät abzurücken. 39 Es kam zwar vorübergehend zu einer Einigung, indem man die Bezeichnung des d'ESTERschen Lehrauftrages im interfakultativen Einvernehmen auf „geschichtliche Zeitungsforschung" einschränkte, 40 doch noch vor d'ESTERs Antrittsvorlesung am 28. Februar 1920 wich die Philosophische Fakultät von der Vereinbarung wieder ab und beantragte die Erteilung eines Lehrauftrages für „Zeitungsforschung" schlechthin. 41 Möglicherweise wollte man dabei mit der Kölner Universität gleichziehen, die dem DNVP-Politiker und Ordinarius für Geschichte, Martin S P A H N , inzwischen schon einen Lehrauftrag für „Zeitungskunde" erteilt hatte. Johann P L E N G E reagierte jetzt mit einer Eingabe an das Kultusministerium, in der er verlangte, die Formulierung des Lehrauftrages sowie die Zusammenarbeit des Zeitungsausschusses staatlich zu beeinflussen, wobei er MEISTERs bisher geleistete Arbeit für den Aufbau der Zeitungskunde wieder als Dilettantismus darstellte. 42 Nur die Drohung O t t o H O F F M A N N s , den Ausschußvorsitz niederzulegen und darüber hinaus potentielle Geldgeber von einer Unterstützung des PLENGE-Instituts abzuhalten, führte noch einmal zum
Karl d'Ester, Ein Institut für wissenschaftliche Zeitungsforschung in Westfalen, in: Dortmunder Zeitung Nr. 344 vom 20. Juli 1919 3 7 U A MS Phil.Fak. B I Nr. 7b (Halilitationen); in den Zeitungsausschuß trat d'ESTER erst im Wintersemester 1922/23 ein; vgl. Personal- und Vorlesungsverzeichnisse der W W U 1917/18-1922/23 3 8 Schreiben Plenges an Hoffmann vom 28. 10. 1919, U B BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß; vgl. Schreiben Hoffmanns an Plenge vom 29. 10. 1919, ebd. 3 9 Schreiben Plenges an Hoffmann vom 30. 10. 1919, ebd. « vgl. Schreiben Plenges an das PKM vom 9. 4. 1920, UA MS RS C I Nr. 4, 1; vgl. das gleiche Schreiben in U B BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß 4 1 Schreiben Plenges an Hoffmann vom 2. 2. 1920, U B BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß und Schreiben Plenges an das PKM vom 9. 4. 1920, a.a.O.; vgl. Walther Heide, Wie studiere ich Zeitungswissenschaft? Essen: Essener Verlagsanstalt (Feldpostausgabe) 1943 4 2 Schreiben Plenges an das PKM vom 9. 4. 1920, a.a.O. 36
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Einlenken des Wirtschaftswissenschaftlers. 43 Nach einer Aussprache mit MEISTER, d'ESTER und H O F F M A N N am 24. April 1920, bei der man sich endgültig auf die Lehrauftragsformulierung: „für geschichtliche Zeitungskunde und öffentliche Meinung" einigte, versprach P L E N G E , seine Eingabe an das Ministerium zurückzuziehen. 44 Trotz der Mehrheit, die im Zeitungsausschuß auf seiner Seite stand, war Aloys MEISTER zu stärkeren Zugeständnissen gezwungen als P L E N G E . Dieser stand aus fachlichen, politischen und persönlichen Gründen beim Preußischen Kultusministerium nach wie vor in besonderer Gunst 45 und erhielt von dort aus im Juli 1920 wieder die Zusicherung, daß man „großen Wert" darauf lege, „nicht ein zweites, völlig selbständiges" zeitungskundliches Projekt neben dem „auf benachbarten Gebiet liegenden Unternehmen" P L E N G E s entstehen zu lassen.46 Dementsprechend empfahl das Ministerium dem Kurator der münsterischen Universität, „zur Ersparnis vermeidbarer Kosten ( . . . ) Professor Dr. Meister zu veranlassen, sich mit Prof. Dr. Plenge in Verbindung zu setzen und mit ihm die Möglichkeit einer Arbeitsgemeinschaft zu besprechen, bei der die beiderseitigen Veranstaltungen wenigstens einen Teil des Weges gemeinsam gehen." 47 Drohten die Ausschußsitzungen bis zum Ende des Jahres 1920 schon zur reinen Formsache zu werden, da MEISTER und P L E N G E sich dort bewußt aus dem Wege gingen und andere Mitglieder ebenfalls gerne die konfliktträchtigen Termine mieden, so daß wichtige Entscheidungen fast von H O F F M A N N allein getroffen werden mußten, 48 so raufte man sich zu Beginn des neuen Jahres unter dem Druck des Ministeriums wieder oberflächlich zusammen. Am 9. Februar 1921 einigten sich MEISTER und P L E N G E auf Richtlinien „für die Zusammenarbeit zwischen dem Staatswissenschaftlichen Institut und dem Zeitungs-Archiv des Historischen Seminars der Westfälischen Wilhelms43
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vgl. Briefwechsel zwischen Plenge und Hoffmann vom 13. 4. und 14. 4. 1920, UB BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß; H O F F M A N N blieb bis 1922 Vorsitzender, sein Nachfolger wurde Ernst ROSENFELD. vgl. Schreiben des Kurators an den Dekan der Phil.Fak. vom 24. 4. 1920, UA MS Phil.Fak. A 117 und UA MS RS PA 16,1 (Plenge) (darin Schreiben Plenges an den Dekan der RS.Fak. vom 25. 4. 1920) Vor allem verband P L E N G E mit dem Kultusminister Konrad HAENISCH eine persönliche Freundschaft; vgl. Bernhard Schäfers, Plenge, Johann, in: Internationales Soziologenlexikon, hg. von W. Bernsdorf u. H. Knospe, 2. A., 1. Bd., Stuttgart: Enke 1980, S. 333-335 Schreiben eines Geheimen Regierungsrates aus dem PKM an Plenge vom 2. 7. 1920, HStA Düsseldorf, Rep. NW 5 - 4 8 1 Schreiben des PKM an den Kurator vom 16. 11. 1920, HStA Düsseldorf, Rep. NW 5 - 4 8 1 vgl. Sitzungsprotokoll vom 7. 12. 1920, UB BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß, worin H O F F M A N N vermerkt, daß PLENGE, MEISTER, SCHWERING und ROSENFELD fehlten und außer ihm selbst nur LUKAS erschienen sei. Auf dieser Sitzung wurde neben der Aufnahme des Juristen Ottmar BÜHLER (1884-1965) für den verstorbenen EHRENBERG auch beschlossen, die Ringvorlesungen nur noch im Wintersemester abzuhalten.
Universität." 4 9 Sie bestanden zwar nur in der Regelung des Zeitungsbezuges der beiden Einrichtungen, des Ineinanderarbeitens beider Ausschnittarchive, der Zusicherung gegenseitigen Nutzungsrechts in den jeweiligen Archiven und der Abgabe älterer Zeitungen aus dem Staatswissenschaftlichen Institut an das historische Zeitungsarchiv, doch die Universität hoffte damit den Ansprüchen des Ministeriums genügen zu können. Der Kurator gab das „Vertragswerk" am 17. Februar 1921 mit dem optimistischen Kommentar nach Berlin: „Es besteht hiernach sozusagen ein Zeitungsinstitut mit zwei selbständigen Abteilungen, aber mit dem gemeinschaftlichen Ziele und dem Wunsche, fortdauernd in Fühlung mit einander zu arbeiten." 50 Tatsächlich weist eine handschriftliche Randbemerkung auf dem Antrag der Universität, offenbar von einem Kenner der Münsteraner Verhältnisse innerhalb des Ministeriums eingefügt, auf einen begrenzten Erfolg hin: „Die Vereinbarung mit Plenge scheint mir zweckentsprechend. Mehr wird kaum zu erreichen sein." 51 Daher empfahl der Bearbeiter — sein Name ließ sich nicht ermitteln — einen einmaligen Zuschuß von 2000 Mark für das historische Zeitungsarchiv. Aloys M E I S T E R und sein Mitarbeiter d ' E S T E R bemühten sich nun eifrig, weitere Bekenntnisse zum interdisziplinären Gleichschritt abzulegen, der schon „vorzüglich" funktioniere und „die Voraussetzungen für ein Zeitungsinstitut in zwei selbständigen Abteilungen" schaffe; 52 dabei wolle das historische Zeitungsarchiv und -seminar das Staatswissenschaftliche Institut ergänzen, „das sich der Zeitung als Erscheinung des Wirtschaftslebens" annehme. 53 Folglich trifft es nicht ganz zu, daß ab 1920 „von einer interfakultativen Zusammenarbeit ( . . . ) keine Rede mehr" gewesen sei, 54 denn der Ausschuß, ohnehin als Zweckgemeinschaft zur gegenseitigen Kontrolle unterschiedlicher Interessen gegründet, präsentierte sich nach außen hin — und um mehr ging es nicht — geschlossener denn je. Der Erfolg rechtfertigte das Vorgehen: Im Juli 1921 beantragte das Kultusministerium beim Finanzministerium 3500 R M vom Haushalt des nächsten Jahres für das Zeitungsseminar und -archiv der Universität Münster — 2000 R M „zur Vergütung einer Hilfskraft" und 1500
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HStA Düsseldorf, Rep. N W 5 - 4 8 1 Schreiben des Kurators an das PKM vom 17. 2. 1921, HStA Düsseldorf, Rep. N W 5 - 4 8 1 hdschr. Vermerk eines Bearbeiters im PKM auf dem Schreiben des Kurators an das PKM vom 17. 2. 1921, a.a.O. Aloys Meister, Begleitschrift zu dem Antrag betr. Etat des Hist. Zeitungsseminars und Zeitungsarchivs der Universität Münster, ca. Februar 1921, HStA Düsseldorf, Rep. N W 5-481 Karl d'Ester, Historisches Zeitungsseminar und Archiv an der Universität Münster i.W., in: Zeitungskunde, 3. Jg. Nr. 3 vom 15. 6. 1921 Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft, a.a.O., S. 12
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für Anschaffungen. 55 Davon flössen allerdings nur 2000 R M tatsächlich dem Zeitungsseminar zu. 56 Dafür öffnete die neugegründete „Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität" ( G F W W U ) im selben Monat, Juli 1921, ihre Kassen und vergab 4000 R M für den „Ausbau des Zeitungsseminars und Zeitungsarchivs." 57 Das Interesse des Förderer-Vereins an den pressekundlichen Aktivitäten der Universität kam nicht von ungefähr: Ihre Geschichte war mit der des Zeitungsausschusses personell und inhaltlich eng verflochten. Am Anfang stand das „vom Krieg geprägte(n) Bewußtsein der Zusammengehörigkeit von Wissenschaft und Wirtschaft": 5 8 Vor allem Otto H O F F M A N N und Alfred H U G E N B E R G hatten seit Frühjahr 1918 das Ziel verfolgt, die durch die gemeinsame Kriegszielpolitik geschaffenen Verbindungen zwischen Universität und Industrie in eine feste Einrichtung zur Förderung der münsterischen Hochschule zu überführen. 59 Am 24. Juli 1918 fand zu diesem Zweck in Dortmund eine erste Besprechung zwischen 33 Vertretern der Wirtschaft und der Universität statt, zu denen mit H O F F M A N N , Aloys M E I S T E R und dem Rektor E H R E N B E R G gleich drei Mitglieder des Zeitungsausschusses gehörten. 60 Unter den Vertretern der Wirtschaft befanden sich H U G E N B E R G , Emil K I R D O R F , Hugo S T I N N E S und der Generaldirektor der Phoenix A G , Wilhelm B E U K E N B E R G . Dieser zählte seit 1916 zum „Freundeskreis H U G E N B E R G " , der durch den Aufbau verschiedener Tarngesellschaften den industriellen Einfluß auf Politik und Presse sicherte. 61 Außerdem nahmen der Dortmunder Oberbürgermeister und weitere Kommunalvertreter an der Besprechung teil. Ausgehend von der Feststellung, daß die Erziehung der deutschen Jugend „zu weltfremd" sei,62 strebte man die Bildung einer Förderer-Gesellschaft mit dem Ziel an,
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Schreiben des PKM an das Preußische Finanzministerium vom 26. 7. 1921: „Anmeldung für den Staatshaushalt 1922", HStA Düsseldorf, Rep. N W 5 - 4 8 1 (Karl d'Ester), Das Zeitungs-Institut der Universität Münster, in: Deutsche Presse, 11. Jg. (1923), Nr. 25/26, S. 8 vgl. Schriften der G F W W U , H. 1: Bericht über die erste Mitgliederversammlung zu Münster i.W. am 28. Mai 1922 nach dem Stande vom 1. 1. 1923, Münster o.J. (1923), S. 6 und Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft, a.a.O., S. 61 f. Harry Westermann, Die Geschichte der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität e.V., in: Die Universität Münster 1780 - 1980, hg. von Heinz Dollinger, Münster: Aschendorff 1980, S. 1 6 7 - 1 7 3 / 1 6 7 vgl. ebd., S. 167 und Wilhelm Ribhegge, Geschichte der Universität Münster, a.a.O., S. 148 f. vgl. UA MS N U K 9 ( G F W W U 1918 ff.) und Wilhelm Ribhegge, Geschichte der Universität Münster, a.a.O., S. 149 vgl. Klaus Wernecke/Peter Heller, Der vergessene Führer. Alfred Hugenberg - Pressemacht und Nationalsozialismus, Hamburg: VSA-Verlag 1982, S. 67 Niederschrift ohne Autorenangabe vom 3. 7. 1918 in den Förderer-Akten des Rektorats, UA MS N U K 9
„die grundsätzliche Einführung der studierenden Jugend und der akademischen Berufe in alle Fragen des öffentlichen Lebens" an der westfälischen Universität zu fördern. 63 Das sollte durch finanzielle Unterstützung entsprechender Lehrstühle, Forschungseinrichtungen, Seminare und Stipendien erreicht werden. Die ursprünglich für den 16. November 1918 vorgesehene Gründung der „Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität" fand aufgrund der Nachkriegswirren dann erst im folgenden Jahr, am 2. Dezember 1919, statt. 64 Die Interessen der Zeitungskunde waren bei ihr dank der Zusammensetzung der Mitglieder gut aufgehoben: Zum zweiten Vorsitzenden neben dem Generaldirektor des STINNESKonzerns, Albert V O G L E R ( 1 8 7 7 - 1 9 4 5 ) , wurde O t t o H O F F M A N N gewählt, 65 Aloys M E I S T E R trat neben Alfred H U G E N B E R G und anderen in den Verwaltungsausschuß ein, 66 und mit Ernst R O S E N F E L D und Julius S C H W E R I N G war der Zeitungsausschuß mit zwei weiteren Mitgliedern in der G F W W U vertreten. 67 Schon auf der ersten Verwaltungsausschußsitzung am 23. Februar 1920 beantragte M E I S T E R für sein geplantes Zeitungsinstitut einen einmaligen Zuschuß von 4000 R M und eine jährliche Unterstützung von 2000 RM. 6 8 Es dauerte zwar noch über ein Jahr, bis die Gesellschaft überhaupt zur Ausschüttung von Geldern in der Lage war, doch dann bedachte sie die Zeitungsforschung reichlich: Die 4000 Mark, die M E I S T E R im Juli 1921 erhielt, stellten mehr als ein Drittel des gesamten Förderer-Etats von 11 000 Mark dar. 69 Das ausgeprägte Interesse der G F W W U an der Zeitungskunde schlug sich wenig später auch im offiziellen Werbeaufruf der Gesellschaft vom Oktober 1921 nieder. Unter den allgemeinen Förderungsaufgaben, „die gerade hier im Industriegebiet unserer westfälischen Hochschule für das gesamte öffentliche Leben und für den Wiederaufbau unserer Wirtschaft gestellt sind," 70 wurden die Staatswissenschaftlichen Seminare, die chemische Forschung, die - in Münster nie eingerichteten — Agrarwissenschaften, die Zeitungskunde, Auslandskunde, Wirtschaftsgeographie und schließlich die Erfordernisse der Volksgesundheit und -bildung besonders genannt. Zum Stichwort „Zeitungskunde" hieß es: 63
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Gedruckte Niederschrift ohne Autorenangabe, Münster im Oktober 1918, in den Förderer-Akten des Rektorats, UA MS N U K 9 Harry Westermann, Die Geschichte der Gesellschaft zur Förderung . . . , a.a.O., S. 167 Beide Männer behielten dieses Amt bis zu ihrem Tod im Jahre 1940 (HOFFMANN) und 1945 (VOGLER) inne. vgl. UA MS Förderer-Akten 1,1 (der Bestand wurde inzwischen neusigniert) vgl. Unterschriften unter dem Werbeaufruf der G F W W U vom Oktober 1921, UA MS Förderer-Akten 6 vgl. Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft, a.a.O., S. 58 vgl. Schriften der G F W W U , H. 1: Bericht über die erste Mitgliederversammlung . . . , a.a.O., S. 6 und Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft, a.a.O., S. 61 Werbeaufruf der G F W W U vom Oktober 1921, U A MS Förderer-Akten 6
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„Der Verlauf des Weltkrieges hat es uns klar und hart zum Bewußtsein gebracht, daß wir eine der wirksamsten Waffen, die für jedes Volk im friedlichen Wettbewerb wie im ersten Kampfe unentbehrlich sind, unterschätzt haben: die Presse. Uns fehlte nicht nur eine Presse, die im Ausland unsere wirtschaftlichen und politischen Interessen vertrat und für deutsches Wesen Verständnis zu wecken versuchte, wir haben auch im Auslande viel zu wenig durch eine gute, den nationalen Aufgaben dienende Presse auf die öffentliche Meinung bestimmend und aufklärend eingewirkt. Hier muß Wandel geschaffen werden. Das Zeitungswesen in seinem ganzen Umfange muß eine neue wichtige Disziplin unserer Hochschulen werden, an denen die/künftigen Leiter der Presse ihre Ausbildung empfangen und alle akademischen Berufe zum Verständnis der Presse erzogen und für die Mitarbeit an ihr gewonnen und geschult werden müssen." Im allgemeinen entsprach der Wortlaut der Diktion Aloys MEISTERs, 71 wenngleich der Ausbildungsaspekt auf ein Zugeständnis des Historikers an die auf Praxis ausgerichteten Vorstellungen der Förderer hindeutet. Nach der mit großem Erfolg verlaufenen Werbeaktion konnte die GFWWU im Sommer 1922 noch einmal 5000 Mark für den Ausbau des Zeitungsseminars zur Verfügung stellen.72 Auch in den folgenden Jahren sollen noch weitere Mittel an das Zeitungsarchiv vergeben worden sein.73 Um viel kann es sich dabei zunächst jedoch nicht gehandelt haben, da die Inflation das Vermögen der Gesellschaft ab 1923 erheblich reduzierte.74 Bis auf den Erwerb des Gebäudekomplexes Schlaunstraße / Rosenhof 1925/26, in dem später auch die Zeitungskunde in Münster ein neues Domizil fand,75 trug die Gesellschaft nach dem Tod Aloys MEISTERs im Januar 1925 dann nichts mehr zur Unterstützung der Zeitungsforschung bei. Der Zeitungsausschuß hatte in diesen Jahren durch personelle Wechsel an innerer Geschlossenheit gewonnen: Vor allem der Wirtschaftswissenschaftler Werner Friedrich BRUCK (1880-1945), der zum Sommersemester 1923 an PLENGEs Stelle in den Ausschuß eintrat,76 setzte sich nachdrücklich für den organisatorischen Zusammenschluß der an beiden Fakultäten geschaffenen zeiAloys MEISTER argumentierte in seinen Eingaben an das PKM nach 1918 ebenfalls mit den Aufgaben der modernen Universität; vgl. z.B. sein Schreiben vom 24. 12. 1919, HStA Düsseldorf Rep. N W 5 - 4 8 1 : „Die Universität Münster hat erkannt, daß sie sich mehr der Pflege der Gegenwartswissenschaft zuwenden muß und daß eines der wichtigsten Mittel dazu die weitgehendste Berücksichtigung der Presse ist." 7 2 vgl. Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft, a.a.O. S. 26 und Schriften der G F W W U , H. 1: Bericht über die erste Mitgliederversammlung . . , a.a.O., S. 6 7 3 Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft, a.a.O., S. 66 und 69; leider läßt sich diese wie viele Angaben bei R I B H E G G E nicht mehr nachprüfen, da die von ihm 1968 benutzten Förderer-Akten zwar im Universitäts-Archiv Münster zugänglich sind, aber unter den entsprechenden Daten nur noch Mitgliederlisten enthalten. Nachforschungen nach dem fehlenden Material bei R I B H E G G E und der G F W W U blieben ergebnislos. 7 * Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft, a.a.O. und Harry Westermann, Die Geschichte der Gesellschaft zur Förderung . . . , a.a.O., S. 172 7 5 vgl. Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft, a.a.O., S. 104 7 6 vgl. Vöriesungsverzeichnis der W W U , SS 1923
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tungskundlichen Einrichtungen ein. E r scheiterte jedoch damit, als in den späten 20er Jahren an die Stelle der Förderer-Gesellschaft finanzkräftigere Geldgeber aus der Pressewirtschaft traten, die die Beschränkung der Zeitungskunde auf die Philosophische Fakultät zur Bedingung ihrer finanziellen Unterstützung machten.
IV. Das personelle Potential a) Julius Schwering In die Annalen seines Faches ist der Literaturhistoriker Julius S C H W E R I N G als der „Schöpfer der westfälischen Literaturgeschichte" eingegangen.1 Von seinen Bemühungen um zwei zu seiner Zeit noch mißachtete Forschungsgebiete, die regionale und die moderne Literatur, sind auch seine pressekundlichen Interessen nicht zu trennen, die sich mitunter auf seine Schüler übertrugen. Der prominenteste unter ihnen und zugleich S C H W E R I N G s erster Promovend überhaupt war Karl d ' E S T E R (1881 - 1960). Seine Dissertation „Zur Geschichte des Journalismus in Westfalen" (1907) erregte als erste rein pressekundliche Dissertation an einer deutschen Universität einiges Aufsehen. 2 Es wäre von S C H W E R I N G gewagt gewesen, als junger Ordinarius gleich das erste Thema aus einem so ungewöhnlichen Gebiet zu vergeben, hätte er in seiner zwölfjährigen Tätigkeit an der Akademie und Universität Münster nicht schon den Boden dafür bereitet: An der jungen Landesuniversität, die sich dem Provinzialstolz verpflichtet fühlte, fanden seine Bemühungen um die Aufwertung der westfälischen Literatur und damit auch um die Auswertung periodischer Publikationen großes Entgegenkommen. S C H W E R I N G war selbst Westfale. Am 14. Februar 1863 in Ibbenbüren geboren, besuchte er ab 1878 das Gymnasium in Rheine, begann 1880 nach dem Einjährigen auf Wunsch der Eltern eine Buchhändlerlehre in Köln, 3 entschloß sich aber schon bald dazu, die Hochschulreife am Gymnasium Paulinum in Münster nachzuholen, um die Universität zu besuchen. In Münster, Berlin und Heidelberg studierte er Germanistik und Geschichte und promovierte am 8. 5. 1890 in Münster mit einer Arbeit über G R I L L P A R Z E R . 4 Nach weiteren Studien in Berlin und München habilitierte er sich 1895 an der 1
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Ewald Reinhard, Julius Schwering, der Lehrer Karl d'Esters, in: Beiträge zur Zeitungswissenschaft. Festausgabe für Karl d'Ester zum 70. Gebunstag von seinen Freunden und Schülern, Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung 1952, S. 24 - 27, hier S. 25 vgl. Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester (1881 — 1960). Anmerkungen aus Anlaß seines 100. Geburtstages, in: Publizistik 26 (1981), H. 4, S. 5 7 5 - 6 0 3 , hier S. 576 UA MS Kurator PA Nr. 406 (Prof. Dr. Julius Schwering); zur Biographie vgl. Karl Schulte-Kemminghausen, Julius Schwering, in: Die Heimat. Zeitschrift des westfälischen Heimatbundes, Jg. 15 (1933), S. 1 6 - 1 8 Julius Schwering, Franz Grillparzers hellenische Trauerspiele, auf ihre literarischen Vorbilder und Quellen geprüft, Phil. Diss. Münster vom 8. 5. 1890
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Akademie in Münster mit einer literaturhistorischen Arbeit für deutsche Sprache und Geschichte. 1901 erhielt er den Professorentitel, und nach der Erhebung der Akademie zur Universität wurde er am 25. Oktober 1902 zum außerordentlichen Professor und Direktor des Germanistischen Seminars ernannt. Nun bemühte sich S C H W E R I N G verstärkt um die Förderung der neueren deutschen Literatur, der er sich durch persönliche Bekanntschaften mit zeitgenössischen Dichtern aus seiner Berliner Zeit besonders verbunden fühlte. Dies war ungewöhnlich, da schon die Literaturgeschichte bis zur Klassik in der damaligen Germanistik eher als Beiwerk zu philosophischen Studien galt. Vollkommen unbeachtet war bis dahin die regionale Literatur einschließlich so hervorragender Vertreter wie Annette von D R O S T E - H Ü L S H O F F geblieben. Dementsprechend mußte sich S C H W E R I N G die Voraussetzungen für seine Interessen erst schaffen, wozu vor allem die Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek gehörte, die dieses Gebiet bisher ganz vernachlässigt hatte. Auf der Suche nach weniger bekannten Werken stieß S C H W E R I N G besonders auf periodische Publikationen wie Heimatzeitschriften oder Musenalmanache und regte deren Anschaffung und Sammlung an. Der Erfolg seiner Bemühungen spiegelte sich in der Einrichtung eines zweiten Lehrstuhles für deutsche Sprache und Literatur mit Schwerpunkt auf der neueren deutschen Literaturgeschichte, der am 1. April 1904 eingerichtet und von S C H W E R I N G verwaltet wurde. Damit hatte die junge Universität Münster den meisten älteren etwas voraus. 5 Durch seine Aufmerksamkeit für die Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts gewann S C H W E R I N G außer der vergleichenden und westfälischen Literaturgeschichte auch ein besonderes Interesse für die politische Dichtung des 19. Jahrhunderts, die vor allem in der periodischen Presse ein Forum gefunden hatte. Als einer der ersten Dozenten hielt er schon vor dem ersten Weltkrieg Vorlesungen eigens zu diesem Thema. 6 Schon bald nach seiner Ernennung zum Ordinarius im Oktober 1906 gingen aus S C H W E R I N G s Schülerkreis zahlreiche Arbeiten zu den von ihm besonders gepflegten Gebieten hervor. Allein bis 1915, noch bevor das Pressewesen durch die Weltkriegsereignisse zum Anliegen der ganzen Universität wurde, betreute der Literaturhistoriker dreizehn Pressedissertationen im weiteren, fünf im engeren Sinne. 7 Obwohl die erste zeitungswissenschaftliche 5 6
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vgl. Schulte-Kemminghausen, Julius Schwering, a.a.O., S. 16 vgl. Josef Risse, Julius Schwering und sein Lebenswerk, in: Julius Schwering zum 70. Geburtstag. Kleine Festgabe, dargebracht im Auftrage des Dortmunder ImmermannBundes und der Vereinigung von Freunden der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, hg. von Erich Schulz, Dortmund: Thomas (in Kommission) 1933, S. 1 - 7 , hier S. 3 - Karl d'Ester, Das Zeitungswesen in Westfalen von den ersten Anfängen bis zum Jahre 1813, Phil. Diss. Münster vom 8. 6. 1907, (gedr. unter dem Titel: Zur Geschichte des Journalismus in Westfalen, Münster: Westfälische Vereinsdruckerei 1907) - Karl Knebel, Nikolaus Meyer als Freund Goethes zur Eörderei des.geistigen Lebens
F a c h b i b l i o g r a p h i e alle d r e i z e h n A r b e i t e n g r o ß z ü g i g z u i h r e m G e b i e t z ä h l t , 8 b e s c h r ä n k t sich ein g r o ß e r T e i l v o n i h n e n f r e i l i c h a u f g e l e g e n t l i c h e V e r w e n d u n g d e r P e r i o d i k a als Q u e l l e n . S C H W E R I N G selbst ging v o r s i c h t i g e r m i t dieser Etikettierung u m u n d faßte zeitungskundliche T h e m e n
rückblickend
•sogar z u d e m G e b i e t „ P r e s s e u n d T h e a t e r " z u s a m m e n . 9 I h m k a m es offens i c h t l i c h in e r s t e r L i n i e d a r a u f a n , L i t e r a t u r i m k u l t u r g e s c h i c h t l i c h e n S i n n e als A u s d r u c k des geistig-kulturellen u n d p o l i t i s c h e n L e b e n s e i n e r R e g i o n o d e r ein e s g r ö ß e r e n , n a t i o n a l e n o d e r ü b e r n a t i o n a l e n K u l t u r k r e i s e s z u erfassen. F r e i l i c h w u r d e h i e r d e r U n t e r s c h i e d z w i s c h e n d e r P r e s s e als H a u p t q u e l l e
für
„ v e r s u n k e n e " L i t e r a t u r o d e r als G e g e n s t a n d e i n e r in n e u e G e b i e t e v o r s t o ß e n d e n G e r m a n i s t i k fließend. A u f j e d e n F a l l f ü h r t e e r n i c h t auf eine Spezialisie-
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in Westfalen. Ein Beitrag zur Geschichte des westfälischen Zeitungswesens, Phil. Diss. Münster vom 24. 12. 1908 (Münster: Regensberg 1908) O t t o P. Trieloff, Die Entstehung der Rezensionen in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen vom Jahre 1772, Phil. Diss. Münster vom 13. 10. 1908 (Münster: Westfälische Vereinsdruckerei 1908) Joseph Massenkeil, Der Westfälische Merkur. Ein Beitrag zur Geschichte des westfälischen Zeitungswesens, Phil. Diss. Münster vom 20. 7. 1914 (Münster: Westfälische Vereinsdruckerei 1914) Richard Walter Piersig, Geschichte der Dortmunder Tagespresse, Phil. Diss. Münster vom 20. 10. 1915 (Dortmund: Krüger 1915)
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Heinrich Schierbaum, Justus Mosers Stellung in den Literaturströmungen während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Osnabrück 1908, Phil. Diss. Münster vom 15. 2. 1909 - Alois Joseph Becker, Die Kunstanschauung Wilhelm Müllers. Ein Beitrag zum Verständnis und zur Würdigung seiner Persönlichkeit, Phil. Diss. Münster vom 24. 2. 1908 (Borna-Leipzig: Noske 1908) - Erich Harsing, Wolfgang Menzel und das Junge Deutschland, Phil. Diss. Münster vom 3. 5. 1909 (Düsseldorf: Ohligschläger 1909) - Adolf Trampe, Georg Herwegh. Sein Leben und sein Schaffen, Phil. Diss. Münster vom 27. 5. 1910 (Borna-Leipzig: Noske 1910) - Friedrich Stichternath, Emmanual Geibels Lyrik auf ihre deutschen Vorbilder geprüft, Phil. Diss. Münster vom 17. 6. 1911 (Münster: Coppenrath 1911) - Johannes Hagemann, Levin Schückings literarische Frühzeit, Phil. Diss. Münster vom 4.4.1911 - Bernhard Klostermann, Franz Dingelstedt, sein Jugendleben und die Entwicklung seiner politischen Dichtung, Münster Westfälische Vereinsdruckerei 1913 - Karl Nolle, Heinrich Laube als sozialer und politischer Schriftsteller, Phil. Diss. Münster vom 8. 2. 1915 (Bocholt: Temming 1914) Fritz Franzmeyer, Pressedissertationen an deutschen Hochschulen 1885 - 1938, Leipzig: Börsenverein des deutschen Buchhandels 1940; fortgeführt bis 1944 in: Zeitungswissenschaft 17. Jg. (1942), S. 149 ff.; 18. Jg. (1943) S. 14 ff.; 19. Jg. (1944), S. 259 ff.; - diese Bibliographie erhob den Anspruch, Dissertationen zu erfassen, „die sich mit der Erforschung der Zeitung und Zeitschrift um ihrer selbst willen befassen oder sie als hervorragende Geschichtsquelle vorragend ausschöpfen." a.a.O., S. 8; die münsterischen Dissertationen, die einen Beitrag zum Pressewesen leisten wollen, geben dieses Zumindestens im Untertitel zu erkennen.
Julius Schwering, Die Arbeiten des Germanistischen Seminars (Neuere Abteilung) in den Jahren 1 9 0 2 - 1 9 3 0 , o.O. o.J. (Münster 1930) 51
rung oder gar Ausdifferenzierung einer neuen Disziplin, sondern auf die Facherweiterung der Germanistik hin. 10 S C H W E R I N G s Interesse für die allgemeine Geschichte trug wie bei den meisten Geisteswissenschaftlern seiner Zeit keinen abstrakt-interdisziplinären Charakter, sondern ging Hand in Hand mit seinem nationalen Selbstverständ« nis, zu dem er sich in verschiedenen Aufsätzen und Gedenkreden bekannte. 11 In den Jahren des ersten Weltkriegs, in denen ein großer Teil der Gelehrten durch eigene Publikationen oder durch Beobachtung auf die Bedeutung der Presse aufmerksam wurde, schloß sich S C H W E R I N G seinem Kollegen Aloys M E I S T E R an und brachte auch seine pressegeschichtlichen Kenntnisse in die aktuelle Diskussion ein. In seinem Beitrag für die später publizierten „Kriegsvorträge der Universität Münster": „Die literarische Fremdherrschaft in Deutschland" (1914) spielten sie noch eine untergeordnete Rolle, spätere Aufsätze im „Tag" und der Zeitschrift „Die Grenzboten" hatten ausdrücklich das historische Verhältnis der deutschen zur ausländischen Presse zum Thema. 1 2 Trotz „reißerischer" Titel wie „Die Verwelschung der deutschen Presse in der vormärzlichen Zeit" beschränkte S C H W E R I N G sich darin weitgehend auf die sachliche und — soweit es die genutzte, spärliche Literatur zuließ 13 — fundierte Darstellung der nationalen Pressegeschichte. E r hob die Verdienste der französischen Presse hervor, versucht ihre Eigenarten sowohl mit dem Nationalcharakter als auch mit politischen Ereignissen wie der französischen Revolution zu erklären, stellte ihre Blüte unter liberalen Verhältnissen und ihren Niedergang zur Sensationspresse unter Einfluß der Zensur fest und erklärte vor allem mit dem Ansehen des französischen Journalismus im eigenen Lande seine große Ausstrahlungskraft auf das Ausland. Der deutschen Pressepolitik warf er vor, weder die Eigenständigkeit deutscher Blätter gefördert noch die Entwicklung der europäischen Presse zu Trabanten der französischen verhindert und damit ein wichtiges politisches Instrument vernachlässigt zu haben. Auf Konsequenzen für die Aufgaben der Zukunft wies er nur abschließend hin. Ursprünglich blieb er dabei noch ganz auf seinem Feld, der Literatur: „Hoffentlich wird der gegenwärtige Weltkrieg in dieser Hinsicht reinigend und befreiend wirken und die deutsche Presse sich ihres Berufes, eine Vorkämpferin und 10 11
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vgl. Bohrmann/Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 587 als Beispiel: Julius Schwering, Zur Jahrhundertfeier der Befreiungskriege. Festrede im Rathaus der Stadt Münster. Bericht in: Münsterischer Anzeiger Nr. 187 vom 10. 3. 1913 Julius Schwering, Die literarische Fremdherrschaft in Deutschland, Münster: Borgmeyer 1914 ( - Kriegsvorträge der Universität Münster 5); ders., Die Verwelschung der deutschen Presse in der vormärzlichen Zeit, in: Der Tag, Ausg. B, Nr. 129 vom 5. 5. 1915; ders., Deutschland und die italienische Presse in den Jahren 1870 und 1871, in: Der Tag, Ausg. B., Nr. 140 vom 18. 6. 1915; ders., Die Entwicklung der französischen Presse zur Weltmacht, in: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst, 75. Jg. (5. 4. 1916), Nr. 14, S. 1 0 - 2 2 Schwering gibt als Quellen nur an: Hatin, Histoire politique et littéraire de la presse en France, Paris 1859 bis 1861 und Ludwig Salomon, Allgemeine Geschichte des Zeitungswesens, Leipzig: Schulze 1907
Pflegerin unserer nationalen Kunst und Dichtung zu sein, immer mehr bewußt werden!" 14 Auf die umfassende Bedeutung der Presse für die sogenannte „öffentliche Meinung" und die nationalen Ziele ging er, ohne das Phänomen selbst eingehender zu behandeln, an späterer Stelle ein: „Wir Deutsche aber haben allen Grund, in den Fragen, die das Pressewesen betreffen, von unseren westlichen Nachbarn zu lernen. Wir müssen aufhören mit den rostigen Vorurteilen, die in der Bürokratie und in der Gelehrtenzunft noch heute gegen die Zeitungen herrschen. Wir haben in diesem Weltkriege gesehen, welch ein gewaltiger Hebel der öffentlichen Meinung die Tagespresse ist. Die Kraft dieses Hebels zu stärken und für unsere vaterländischen Aufgaben in Bewegung zu setzen, ist ufisere unabweisbare nationale Pflicht. Dann wird das Wort in Erfüllung gehen, das Gustav Freytag, der Verfasser der Journalisten', im Jahre 1871 seinen Leipziger Berufsgenossen zurief: ,Die deutsche Presse muß die Welt erobern.' " 1 5 Obwohl in der schriftlichen Fassung dieses Vortrages trotz nationalistischer Appelle eine versöhnliche Tendenz vorherrschte, die sich um Selbstkritik und historischer Objektivität bemüht, bot S C H W E R I N G im mündlichen Vortrag offenbar Anhaltspunkte, ihn als Ankläger und Kriegsschuldhetzer interpretieren zu können. Nach einer Veranstaltung des Altertumsvereins in Münster vermerkte die lokale Presse über den Vortrag des anerkannten Literaturprofessors, „der sich seit langen Jahren dem Studium und der wissenschaftlichen Erforschung des europäischen Journalismus widmet", jedenfalls mit Genugtuung: „Mit flammender Entrüstung stellte er vor allem den ungeheuren, verderblichen Einfluß der französischen Presse auf die anderen Länder dar und zeigte, wie dieser Einfluß auch heute noch nachwirkt und dem französischen Zeitgeiste Triumphe von unermeßlicher Tragweite sichert." 1 ' Insgesamt widmete der „Münsterische Anzeiger" dieser Veranstaltung von der Ankündigung über den Bericht bis hin zur ausführlichen Wiedergabe vier Beiträge. 17 A b 1916 schränkte S C H W E R I N G sein zeitungskundliches Engagement aus unbekannten Gründen ein: E r veröffentlichte keine Aufsätze zu dieser Thematik mehr, und auch die von ihm zwischen 1915 und 1922 betreuten Dissertationen sparen dieses Gebiet völlig aus. An den gerade um diese Zeit beginnenden Aktivitäten an der Universität um die Zeitungskunde beteiligte er sich nur im Hintergrund, dafür jedoch mit Ausdauer: Er gehörte zu den Grün14 15 16
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Schwering, Die Verwelschung der deutsche Presse . . . , a.a.O. Schwering, Die Entwicklung der französischen Presse . . . , a.a.O., S. 22 - , Eine neue Kriegssitzung des Altertums-Vereins, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 503 vom 8. 7. 1915 ebenda und —, Krieg und Presse, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 494 vom 5. 7. 1915; - , Der Altertumsverein, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 507 vom 9. 7. 1915; —, Wie entwickelte sich die französische Presse zur Weltmacht? In: Münsterischer Anzeiger Nr. 512 vom 11. 7. 1915
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dungsmitgliedern des Zeitungsausschusses u n d blieb i h m ü b e r seine E m e r i t i e r u n g hinaus als einziger neben O t t o H O F F M A N N u n d E r n s t R O S E N F E L D bis z u r A u f l ö s u n g i m J a h r e 1 9 3 2 t r e u . 1 8 A l s D e k a n des J a h r e s 1 9 1 6 / 1 7 berief er z u d e m eine Fakultätssitzung ein, auf der a m 2 8 . F e b r u a r 1 9 1 7 z u m erstenmal das seit 1 9 1 6 angestrebte „ L e k t o r a t für Z e i t u n g s w e s e n " als selbständiger T a g e s o r d n u n g s p u n k t behandelt w u r d e . " A n den ab W i n t e r s e m e s t e r 1 9 1 8 / 1 9 bis M i t t e der 2 0 e r J a h r e in jedem Semester abgehaltenen interfakultativen R i n g v o r l e s u n g e n beteiligte sich S C H W E R I N G in unregelmäßigen A b s t ä n d e n : Z w e i m a l las er ü b e r „Presse und Liter a t u r " ( W S 1 9 1 8 / 1 9 u n d W S 1 9 2 0 / 2 1 ) , je einmal über die „Presse H o l l a n d s " (SS 1 9 2 0 ) u n d „ D i e G e s c h i c h t e der Z e n s u r und der P r e s s e " ( W S 1 9 2 1 / 2 2 ) 2 0
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T h e m e n also, die seinem Verständnis der Presse als literarischer G a t t u n g , seinen S c h w e r p u n k t e n auf vergleichender L i t e r a t u r g e s c h i c h t e u n d politischer D i c h t u n g entsprachen. D a ß ab 1 9 2 2 u n t e r den v o n i h m betreuten Dissertationen wieder verschiedene zeitungskundliche A r b e i t e n erschienen — zwischen 1 9 2 2 und 1928 lassen sich acht i m engeren, 15 i m w e i t e r e n Sinne ausmachen 2 1 —, ist w o h l auf die 18 vgl. Vorlesungsverzeichnisse der W W U 1917/18 - 1932/33 1 9 Schreiben des Dekans Schwering an die Fakultätsmitglieder vom 28. 2. 1917 UA MS Phil. Fak. A I Nr. 2 vgl. Vorlesungsverzeichnisse der W W U WS 1918/19, SS 1920, WS 1920/21 und WS 1921/22 2 1 i.e.S.: — Rudolf Schneider, Die „Thusnelda" und die „Allgemeinen Unterhaltungsblätter", zwei westfälische Biedermeierzeitschriften, Phil. Diss. vom 12. 10. 1922 (Münster: Höing 1922) — Wilhelm Fentsch, Journalismus und Journalisten im Drama von Gustav Freytag 1 7 5 7 - 1 8 4 8 , Phil. Diss. vom 25. 2. 1922 — Franz Deitmaring, Die deutsche Vierteljahresschrift 1838 - 1869. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Presse, Phil. Diss. vom 28. 9. 1922 (Stuttgart: Schwäb. Merkur 1922) — August Maaß, Das münsterische Intelligenzblatt als Zeitung und Zeitspiegel, Phil. Diss. vom 16. 5. 1923 — Maria Kleffner, Beiträge zur Geschichte der kosmopolitisch gerichteten Zeitschriften um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert von 1790 bis 1810, Phil. Diss. vom 23. 11. 1923 — Maria Schlenker, Die Entwicklung des Heimatgedankens im westfälischen Pressewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der gegenwärtig bestehenden Heimatzeitschriften, Phil. Diss. vom 20. 4. 1925 — Adolf Thiele, Gustav Freytag, der Grenzbotenjournalist, Phil. Diss. vom 29. 2. 1924 — Paul Casser, Die westfälischen Musenalmanache und poetischen Taschenbücher, Phil. Diss. vom 4. 12. 1928 (Münster: Regensberg 1928) i.w.S.: — Emil Kritzler, Die Theaterkritik Lessings, Phil. Diss. vom 6. 10. 1925 — Heinrich Steinrücke, Die literarische Tätigkeit Friedrich Steinmanns mit besonderer Berücksichtigung seiner Beziehungen zu Heinrich Heine, Phil. Diss. vom 29. 6. 1926 — Lisel Grützmacher, Franz Horn, ein Nachfahre der Romantik. Ein Beitrag zur Geschichte des literarischen Geschmacks, Phil. Diss. vom 7. 6. 1928 (Münster: Münstersche Buchdruckerei und Verlagsanstalt 1927) 54
Lehrtätigkeit Karl d'ESTERs zurückzuführen, der sich im Juli 1919 in Münster als erster Privatdozent mit Lehrbefugnis für „Historische Zeitungskunde und Geschichte der öffentlichen Meinung" habilitiert hatte22 und seit dem Sommersemester 1920 in Aloys MEISTERs „Historischem Zeitungsseminar und -archiv" mitarbeitete. Da Zeitungskunde als Promotionsfach nicht zugelassen war, mußten entsprechende Arbeiten von Referenten etablierter Disziplinen begutachtet werden — was freilich voraussetzte, daß sie die Fragestellung des jeweiligen Faches berücksichtigten. Außer der allgemeinen Geschichte kam für die Promovenden mit zeitungskundlichen Themen an der Philosophischen Fakultät daher vor allem die Literaturgeschichte in Betracht. Die Themen glichen denen, die SCHWERING schon vor 1915 angenommen hatte: Zeitungs- und Zeitschriftenmonographien als Spiegel einer kulturellen Epoche, Journalismus in der Literatur am Beispiel Gustav FREYTAGs, Presse als Quelle für die Entwicklung des Heimatgedankens und Darstellungen publizistischer Persönlichkeiten als besondere Literatengattung. Persönlich scheint SCHWERING an diesem Themenbereich jedoch nicht mehr sonderlich interessiert gewesen zu sein: Nach d'ESTERs Abgang im Jahre 1924 begutachtete er nur noch ein einziges Mal eine spezifisch zeitungskundliche Doktorarbeit. 23 Im Gegensatz zu Otto HOFFMANN nutzte er auch sein Rektoratsjahr 1923/24 nicht, für die finanziell und administrativ schwer bedrängte Zeitungskunde an seiner Universität einzutreten.24 Offenbar betrachtete der Gelehrte die Ausdifferenzierung einer neuen Wissenschaft, die er mit angeregt hatte, nur aus einer wohlwollenden Distanz und fühlte sich — organisatorisch ohnehin nicht ambitioniert — für das sich verselbständigende Gebiet in Forschung und Lehre nicht mehr zuständig. Nach seiner Emeritierung am 1. April 1929 zog sich SCHWERING schon bald ganz aus dem Lehramte zurück, um sich bis zu seinem Tode am 16. August 1941 privaten Forschungen zu widmen.
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Maria Ludewig, Johann Heinrich Merck als Kritiker, Phil. Diss. v. 7 . 6 . 1930 (Bochum-Langendreer: Pöppinghaus 1930) - Hubert Walter, Sudermann und die Franzosen. Ein Beitrag zum Verständnis seiner Art und Kunst, Phil. Diss. vom 31. 8. 1931 (Emsdetten: Lechte 1930) - Alex Köster, Julian Schmidt als literarischer Kritiker. Ein Beitrag zur Entwicklung des Realismus im 19. Jahrhundert und zur Geschichte der Kritik, Phil. Diss. v. 14. 7. 1933 (Bochum-Langendreer: Pöppinghaus 1933) - Karl Raab, Annette von Droste-Hülshoff im Spiegel der zeitgenössischen Kritik, Phil. Diss. vom 23. 9. 1933 (Münster: Regensberg 1933) UA MS Phil. Fak. B I Nr. 7b (Habilitationen) Paul Casser, Die westfälischen Musenalmanache, a.a.O. Otto H O F F M A N N , Rektor der W W U 1925/26, förderte in seiner Amtszeit vor allem den Kontakt zu den Verlegern; zur Situation der Zeitungskunde in Münster 1923/24 vgl. Karl d'Ester, Bericht über die Arbeit des Historischen Zeitungsseminars und Zeitungsarchivs an der Universität Münster (23. 2. 1923), UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f und ders., Das Zeitungs-Institut der Universität Münster, in: Deutsche Presse, 11. Jg. (1923), Nr. 25/26, S. 8
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Obwohl SCHWERING in der Organisationsgeschichte der Zeitungskunde in Münster nur eine vorbereitende Funktion einnahm, indem er aus den Fragestellungen seines Faches heraus schon kurz nach der Jahrhundertwende die Presse als trivialliterarische Gattung mit kulturpolitischer Bedeutung entdeckte und etliche Schülerarbeiten auf diesem Gebiet förderte, sollte sein Einfluß noch über zwei Generationen die Lehr- und Forschungsgeschichte der Zeitungskunde in Münster bestimmen. Karl d'ESTER blieb seinem Verständnis von der Presse verhaftet, dessen Schüler Hans BAUSE, Feuilletonschriftsteller und späterer Lektor für Zeitungskunde in Münster, kam über musischliterarische Interessen zur Presse — ohne diese allerdings jemals in Forschungsfragen umzusetzen - , und noch sein Enkelschüler, der bei d'ESTER und BAUSE ausgebildete spätere Institutsleiter Hubert MAX (1909-1945), setzte die pressehistoriographische Tradition der münsterischen Zeitungswissenschaft mit kulturhistorischem Anspruch und vornehmlich literarhistorischen Methoden in den ersten Jahren seiner Tätigkeit fort. b) Aloys Meister Unter den drei münsterischen Gelehrten, die vor und während des ersten Weltkrieges aus ihren eigenen Forschungen heraus auf die Presse als Arbeitsmaterial und Gegenstand stießen, setzte sich der Historiker Aloys MEISTER zweifellos am nachhaltigsten für die Berücksichtigung der Zeitungskunde an seiner Universität ein. Mag er als Historiker auch in „unverdiente Vergessenheit geraten" sein,25 — seine Verdienste um die Begründung des Zweitältesten Zeitungsinstitutes in Deutschland wurden zu gegebenen Anlässen immer hinreichend gewürdigt.26 25
Bernd Mütter, Aloys Meister (1866-1925), in: Westfälische Zeitschrift, 121. Bd. (1971), S. 173 - 247/173 » vgl.: - Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O. - Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft 1919 - 1945, in: Josef Hackforth/Arnulf Kutsch, Kommunikationswissenschaft in Münster 1919-1982, Münster: Institut für Publizistik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1982, S . 8 - 3 3 - Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester (1881 - 1960). Anmerkungen aus Anlaß seines 100. Geburtstages, in: Publizistik 26 (1981), H. 4, S. 5 7 5 - 6 0 3 - Winfried Lerg, Publizistik in Münster, in: Die Universität Münster 1780-1980, i.A. des Rektors hg. v. Heinz Dollinger, Münster: Aschendorff 1980, S. 337 - 338 - (Karl d'Ester), Aloys Meister, dem Begründer des historischen Zeitungsseminars an der Universität Münster, in: Zeitungswissenschaft 1. Jg. (1926), Nr. 1, S. 17 - Karl Hoeber, Zum Andenken an Prof. Aloys Meister, in: Akademische Monatsblätter, Zeitschrift des Kartellverbandes der Katholischen Studentenvereine Deutschlands, 38. Jg. (1925/26), S. 3 2 7 - 3 3 1 - Walter Heide, Aloys Meister zum Gedächtnis, in: Rheinisch-Westfälische Zeitung Essen, Nr. 115, 1925 (Jg. 188) - ferner: Ernst Symann, Aloys Meister, in: Heimatblätter der Roten Erde. Zeitschrift des Westfälischen Heimatbundes 4. Jg. (1925), S. 559
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Aloys MEISTER wurde am 7. 12. 1866 in Frankfurt am Main als Sohn eines Postbeamten geboren,27 verlebte seine Jugend im Elsaß und nahm nach dem Abitur am Gymnasium Weißenburg 1885 das Studium der Theologie an der Akademie Münster auf. Nachdem er dort schon Universalgeschichte bei Bernhard NIEHUES gehört hatte, wandte er sich ab 1886 nach seinem Wechsel zur neugegründeten Universität Straßburg ganz dem Geschichtsstudium zu. Hier promovierte er am 1. 3. 1890 bei seinem Lehrer Paul SCHEFFERBOICHHORST mit einer Arbeit über „die Hohenstaufen im Elsaß". Weitere Studien in München führten unter anderem zu einem engen Kontakt mit dem Historiker Hermann GRAUERT, der ihm schon zum 1. 10. 1890 ein Stipendium und eine Assistentenstelle am Historischen Institut der GORRESGesellschaft in Rom vermittelte. Nach zwei Jahren, in denen er in der Bibliothek und im Archiv des Vatikans Material für kirchengeschichtliche Forschungen gesammelt hatte, kehrte MEISTER 1892 nach München zurück. Hier kam er zum erstenmal mit publizistischer Arbeit in Berührung, da ihm Hermann GRAUERT, damals Redaktionsleiter der Historischen Jahrbücher der GÖRRES-Gesellschaft, die wissenschaftliche Bearbeitung des Rezensionsteiles überließ.28 Ihr widmete er sich über zwei Jahre lang bis zu seiner am 12. 12. 1894 in Bonn erfolgten Habilitation. Dort las er als Privatdozent mittelalterliche Geschichte und vertrat ab 1897 vertretungsweise auch das Ordinariat für Hilfswissenschaften. Zum 11. 10. 1899 folgte MEISTER dem Ruf an die Akademie Münster auf den außerordentlichen Lehrstuhl für mittelalterliche und neuere Geschichte als Nachfolger Heinrich FINKES. Nach der Erhebung der Akademie zur Universität 1902 wurde er zum 12.1.1902 zum persönlichen Ordinarius ernannt, bis ihm zum 29. 6. 1908 auch ein etatmäßiger Lehrstuhl zugewiesen wurde. Sah MEISTERs Berufung 1899 noch fast nach einer personalpolitischen Notlösung aus,29 so spiegelte sich in seiner Wahl zum Dekan der Philosophischen Fakultät 1910/11 und zum Rektor der Universität im darauffolgenden Jahr die Anerkennung, die er sich inzwischen erworben hatte. Seinen Ruf als Wissenschaftler hatte er schon durch verschiedene kirchen-, regional-, wirtschafts- und verfassungsgeschichtliche Forschungsarbeiten gefestigt.30 Der Kontakt zu westfälischen Industriellenkreisen, der sich durch MEISTERs Verheiratung mit der Dortmunder Stadtratstochter Paula TILMANN 1901 entwickelt hatte, hatte sein Interesse an regionaler Industriegeschichte geweckt.31 Fortan widmete er sich nicht nur deren Erforschung,
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Soweit nicht näher bezeichnet vgl. das folgende in: U A MS N U PA 144 (Meister), UA MS Kurator PA 278 (Meister) und Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O. vgl. Karl Höber, Zum Andenken an Prof. Aloys Meister, a.a.O., S. 330 Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., S. 178 Ausführliche Bibliographie bei Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., S. 238 - 243 Ernst Symann, Aloys Meister, a.a.O., S. 559; vgl. Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., S. 202
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sondern warb auch unter Historikerkollegen und den Industriellen selbst um Mitarbeit und Unterstützung. Seine wissenschaftsorganisatorischen Fähigkeiten entfaltete MEISTER daneben nicht nur in der führenden Mitarbeit verschiedener historischer Organisationen, 32 sondern auch in der Organisation des Geschichtsstudiums und der Lehrerausbildung. Vor allem der ab 1906 von ihm herausgegebene „Grundriß für Geschichtswissenschaft für das Studium der Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit", 3 3 für den MEISTER hervorragende Mitarbeiter gewonnen hatte, sicherten ihm seinen Ruf als Pädagoge und Wissenschaftsorganisator. Wie der Literaturhistoriker S C H W E R I N G verstand auch MEISTER seine Beschäftigung mit Rand- und Spezialgebieten seines Faches als Beitrag zur Kulturgeschichte, wie S C H W E R I N G verband er mit diesem Begriff jedoch nicht die unter anderem von Karl L A M P R E C H T ( 1 8 5 6 - 1915) entwickelten methodologischen Überlegungen, sondern die Vorstellung von der Universalgeschichte als einer die moderne Ausdifferenzierung der Wissenschaften zusammenfassenden geistigen Klammer. 34 Die Tradition R A N K E S , die MEISTER damit vertrat, bestimmte auch seine Uberzeugung, wissenschaftliche Arbeit und politisches Engagement voneinander trennen zu müssen — und zu können. 35 Auf religiösem Gebiet, wo er als überzeugter Katholik immerhin bemüht war, historisches Forschen von konfessionellen Streitigkeiten fernzuhalten und sich damit in den Nachwehen des Kulturkampfes einige Feinde machte, 36 mag ihm das weitgehend gelungen sein. Dem „feurigen Patrioten" MEISTER, dem die Erziehung zu geschichtlichem Verständnis und zur Vaterlandsliebe als akademischem Lehrer immer eins war, 37 fiel es jedoch zumindest seit Beginn des ersten Weltkrieges immer schwerer, zeitgeschichtliches Forschen und politische Aussagen voneinander 32
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1909— 1914 Sekretär der Abteilung Münster des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, ab 3. 4. 1914 Vorsitzender der historischen Kommission für die Provinz Westfalen, dabei Anregung der Gründung einer wirtschaftsgeschichtlichen Abteilung und der Herausgabe verschiedener Werke; Leitung der Ortsgruppe Münster der Heimatschutzbewegung; vgl. Ernst Symann, Aloys Meister, a.a.O., S. 559 - 560 Aloys Meister (Hg.), Grundriß der Geschichtswissenschaft zur Einführung in das Studium der deutschen Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit, 1. A. (2. A. 1922), LeipzigBerlin: Teubner 1906 ff. vgl. Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., S. 195 - 197; Aloys Meister, Geschichtswissenschaft und Geschichtsunterricht auf Universität und Schule, Münster: Coppenrath 1912, S. 6; zur Bedeutung der Auseinandersetzung mit L A M P R E C H T für die Situation der deutschen Geschichtswissenschaft im Kaiserreich vgl. Gerhard Oestreich, Die Fachhistorie und die Anfänge der sozialgeschichtlichen Forschung in Deutschland, in: Historische Zeitschrift, 308. Bd. (1969), S. 3 2 0 - 3 6 3 vgl. Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., S. 181 und Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 578 vgl. Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., S. 182 und Helga Oesterreich, Geschichtswissenschaft und Geschichtsstudium im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert, in: Die Universität Münster, a.a.O., S. 3 4 7 - 3 6 9 / 3 5 5 Karl Hoeber, Zum Andenken an Prof. Aloys Meister, a.a.O., S. 331
zu trennen. 38 Mit anderen Professoren der Universität Münster warb er in Wort und Schrift für die Annexionspolitik, gehörte zu Dietrich S C H A F E R s „Unabhängigem Ausschuß für einen deutschen Frieden" 3 9 und beteiligte sich auch noch nach 1918 am,kalten Krieg* gegen die französische Kulturpropaganda. Am 29. 1.1921 gründete er den „Rheinland-Ruhr-Ausschuß", der wissenschaftliches und publizistisches Material gegen die französische Propaganda in den besetzten Gebieten sammelte und auch Einlaß in die historischen und zeitungskundlichen Seminare fand. 40 Wenn auch Anhänger der .Dolchstoßlegende' und erbitterter Gegner der Sozialdemokratie, 41 paßte er sich doch den Anforderungen der „neuen Zeit", mit denen er gerade bei seinen Bemühungen um das Zeitungswesen gerne argumentierte, überraschend schnell an. Politisch für die Deutschnationalen engagiert, deren Münsteraner Ortsgruppe 1918 von seinem Kollegen, dem Sprachwissenschaftler Otto H O F F M A N N gegründet worden war, 42 begründete er seine wissenschaftsorganisatorischen Pläne nach 1918 bevorzugt mit den erzieherischen Aufgaben der Universität für einen aufgeklärte Bürger verlangenden parlamentarischen Staat. 43 Tatsächlich sah er unter dem Eindruck der miterlebten Zeitgeschichte seine Aufgabe als Historiker nun stärker darin, über die Beschäftigung mit der Geschichte Verständnis für die Fragen der Gegenwart zu wecken. 44 Vor diesem Hintergrund ist Aloys MEISTERs Interesse am Pressewesen zu verfolgen. Auf die Presse als Quelle stieß er vermutlich bei seiner Beschäftigung mit regionaler Industriegeschichte, der er sich seit der Jahrhundertwende näher zuwandte. 45 Seit dieser Zeit begann er, sich in Vorlesungen und Übungen zur Wirtschaftsgeschichte und in Studieneinführungen mit dem Zeitungswesen zu befassen und sich im Zuge quellenkritischer Erwägungen auch mit 38
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siehe z.B. MEISTERs Bismarck-Schriften seit 1915, vgl. dazu: Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkrieges, Göttingen - Zürich — Frankfurt: Musterschmidt 1969 s. Herbert Döring, Der Weimarer Kreis. Studien zum politischen Bewußtsein verfassungstreuer Hochschullehrer in der Weimarer Republik, Meisenheim a. Glan: Hain 1976, S. 264; vgl. Georg Rohrecker, Deutsche Zeitungswissenschaft vor 1933/34, Phil. Diss. Salzburg 1979, S. 4 9 7 - 4 9 8 vgl. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß. Ein Leben für die Jugend, die Wissenschaft und die Presse, München: Pohl 1951, S. 222 vgl. Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., S. 193 Wilhelm Ribhegge, Bürgertum und Wissenschaft. Die Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität 1918 - 1 9 6 8 , masch. Mskr. Münster 1968 vgl. Schreiben Meisters an das P K M vom 19. 6. 1921, HStA Düsseldorf, Rep. N W 5 - 4 8 1 Der neue Geschichtsunterricht. In Verbindung mit A. Behler, A . Pfennings, A. Schiel u. S.P. Wiechmann bearb. von Aloys Meister, Berlin: Union Verlag 1920, S. 63; zur seit 1910 zunehmenden Tendenz in der Geschichtswissenschaft, auf eine Historisierung des öffentlichen politischen Bewußtseins hinzuarbeiten, ohne dafür die Politisierung der historischen Wissenschaften in Kauf zu nehmen, vgl. Rüdiger vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland (1890 — 1914), Husum: Matthiesen 1980, S. 376 f. vgl. Helga Oesterreich, Geschichtswissenschaft und Geschichtsstudium, a.a.O., S. 355
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der
Pressegeschichte
auseinanderzusetzen. 4 6
Sechs
Jahre,
bevor
Martin
S P A H N v o r d e m I n t e r n a t i o n a l e n H i s t o r i k e r - K o n g r e ß in Berlin 1 9 0 8 sein bahnbrechendes P l ä d o y e r für die V e r w e n d u n g der Presse als historische Q u e l le hielt, 4 7 h o b M E I S T E R in e i n e m mediavistischen (!) A u f s a t z s c h o n die Bedeutung der Presse für die s o g e n a n n t e .öffentliche M e i n u n g ' h e r v o r u n d z o g daraus den Schluß: „ D e r Historiker, der aus den Zeitungen zu lesen gelernt hat, wird immer in ihnen den mächtigen Pulsschlag der Zeit herausfühlen; das E c h o klingt ihm daraus entgegen, das die Ereignisse in weiten Volkskreisen erweckt h a b e n . " 4 8 U n t e r den H i s t o r i k e r n der U n i v e r s i t ä t M ü n s t e r stand er m i t dieser Auffassung nicht alleine: G e o r g E R L E R , O r d i n a r i u s für G e s c h i c h t e und bis 1 9 1 3 M E I S T E R s V o r g ä n g e r als V o r s i t z e n d e r der H i s t o r i s c h e n K o m m i s s i o n für die P r o v i n z Westfalen, in der M E I S T E R seit 1 9 0 0 Mitglied w a r , schlug s c h o n 1 9 1 0 der K o m m i s s i o n die S a m m l u n g westfälischer P e r i o d i k a v o r , 4 9 parallel zu
den
s c h o n laufenden Bestrebungen der Stadtbibliothek D o r t m u n d u n t e r dessen L e i t e r D r . E r i c h S C H U L Z . I m gleichen J a h r erschien die erste, v o r w i e g e n d auf Pressestudien b e r u h e n d e Dissertation z u m parteipolitischen L e b e n in Westfalen u n t e r B e t r e u u n g des m ü n s t e r i s c h e n H i s t o r i k e r s Karl
SPANNAGEL.50
44
Aloys Meister, zitiert im Schreiben des Kurators an das PKM vom 17. 2. 1921, HStA Düsseldorf, Rep. N W 5 — 481; vgl. dazu Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft, a.a.O., S. 11; Wilhelm Klutentreter, Die Zeitung als Geschichtsquelle. Ein Rückblick aus Anlaß des 100. Geburtstages von Martin Spahn, in: Publizistik 19/20 (1974/75), S. 802 ff.; Rüdiger vom Bruch, Zeitungswissenschaft zwischen Historie und Nationalökonomie, in: Publizistik 27. Jg. (1980), S. 579 - 607/588; auch die erste von MEISTER betreute Dissertation zur Publizistik, die bei Volker Spiess - Verzeichnis deutschsprachiger Hochschulschriften zur Publizistik 1885—1967, Berlin — München/Pullach: Spiess Dokumentation 1969 - aufgeführt wird, mag auf MEISTERs Berührung mit der Pressegeschichte durch wirtschaftshistorische Fragen hinweisen: Heinrich Bernhards, Zur Entwicklung des Postwesens in Braunschweig-Celle, vornehmlich der jüngeren Linie Calenberg-Celle, Phil. Diss. Münster vom 7. 2. 1912 (Hannover: Geibel 1911)
47
Martin Spahn, Die Presse als Quelle der neuesten Geschichte und ihre gegenwärtigen Benutzungsmöglichkeiten, in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik (1908) II, S. 1163 - 70 und 1202 - 11; vgl. dazu Eberhard Naujoks, Pressepolitik und Geschichtswissenschaft, in: Geschichte und Wissenschaft und Unterricht, Jg. 22 (1971), S. 10 f.
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Aloys Meister, Pasquille gegen Gebhard Truchseß, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, 74. Jg. (1902), S. 1 5 3 - 1 6 2 / 1 5 3 f. Aloys Meister, 30 Jahre Historische Kommission für die Provinz Westfalen 1 8 9 6 - 1 9 2 5 , in: Westfalen, 11. Jg. (1921/22), S. 65 - 87, S. 11; E R L E R betreute kurz vor seinem Tode 1913 selbst eine pressewissenschaftliche Dissertation: Theophil Lampmann, Die Entwicklung der öffentlichen Meinung in Westfalen zur Zeit der französischen Revolution, Witten: Pott 1914 Wilhelm Hüttermann, Parteipolitisches Leben in Westfalen im Jahre 1848 bis zum Einsetzen der Reaktion im Jahre 1848, Phil. Diss. Münster vom 24. 12. 1910 (Münster: Regensberg 1910). Zu dieser Zeit waren schon sechs pressekundliche Dissertationen bei Julius S C H W E R I N G entstanden.
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50
60
Die Gehässigkeit der deutschen Parteipresse war es nach MEISTERs eigener Aussage, die auch ihn schon vor dem Kriege auf die Frage einer wissenschaftlichen Untersuchung der öffentlichen Meinung aufmerksam gemacht hatte. 51 Zum äußeren Anlaß, sich dem Pressewesen intensiver zuzuwenden, wurde jedoch erst der erste Weltkrieg und dessen steigenden Auswirkungen auf die internationale Nachrichtenpolitik. Als mit industriell-technischen Fragen vertrauter Wirtschaftshistoriker erkannte MEISTER schon früh die zentrale Bedeutung des Kabelkrieges für die internationalen Propagandazwecke. 52 England prangerte er an, einen systematischen Lügenfeldzug gegen Deutschland zu betreiben und den Gegner durch frühzeitiges Zerschneiden der deutschen Seekabel in völkerrechtsverletzender Weise propagandistisch wehrlos gemacht zu haben. 53 Er beließ es jedoch nicht dabei, moralisierend Revanche, d.h. Abgabe der wichtigsten englischen Kabel an Deutschland als Friedensbedingung zu fordern, 54 sondern sah auch „eine zielbewußte Kabelpolitik" als „Aufgabe der Zukunft" an, 55 durch die sich Deutschland und verbündete oder neutrale Staaten von der englischen Kabelherrschaft lösen sollten. Innenpolitisch begrüßte MEISTER den „Burgfrieden" in der Presse und zwischen den einzelnen Parteien, lobte die „entgegenkommende Schreibart" der Journalisten und das Wirken der Zensur, die seiner Ansicht nach die Notwendigkeit der Pressefreiheit widerlegt hatte. 56 Obwohl er der deutschen Presse die Erfüllung ihrer „vaterländischen Pflicht" bescheinigte, warnte er sie vor einseitiger Empörung über die Pressekritik des Leipziger Nationalökonomen Karl BÜCHER. 5 7 Er pflichtete B Ü C H E R in wesentlichen Punkten bei: so in der Forderung nach einem von Reuter und Havas unabhängigen Nachrichtendienst für die Nachkriegszeit, der „Enteignung der Kabelgesellschaften und der Neutralisierung des ganzen Telegraphendienstes" wie auch nach einer besseren Vorbildung für den Presseberuf. 58 Für „zweifelhaft" hielt er allerdings B Ü C H E R s Vorgehen, über einen „Studienplan zur berufsmäßigen Ausbildung in der Zeitungskunde" systematische Journalistenausbildung an der Universität zu betreiben, was nach MEISTERs Ansicht auf eine „Drillanstalt" hinauszulaufen drohe. 59 Er schlug statt dessen vor, Hochschulstudium und 51 52
53 54 55 56
57 58 59
Aloys Meister, Die deutsche Presse im Kriege und später, Münster: Borgmeyer 1916, S. 22 Aloys Meister, Das Weltkabelnetz. Seine Bedeutung im Kriege und nach dem Kriege, in: Hochland, 12. Jg. (Okt. 1914/März 1915), S. 650 - 672; vgl. ders., Kabelkrieg und Lügenfeldzug, Münster: Borgmeyer 1914 ( - Kriegsvorträge der Universität Münster Bd. 4); ders., Der Krieg und die Lüge, in: Deutsche Kultur, Katholizismus und der Weltkrieg, in Verbindung mit G. Briefs hg. v. Georg Pfeilschiffer, 2. A. Freiburg: Herder Sc Co., 1916, S. 134-146 Aloys Meister, Das Weltkabelnetz, a.a.O., S. 671 ebenda, S. 672 ebenda, S. 668 Aloys Meister, Presseprobleme im Kriege und nach dem Kriege, in: Hochland 19 (1915/16), Jan. 16, Bd. 1, S. 582-589/582 f. u. S. 19 ebenda, S. 583; vgl. Karl Bücher, Unsere Sache und die Tagespresse, Tübingen: Mohr 1915 Aloys Meister, Presseprobleme, a.a.O., S. 584, 585 u. 586 ebenda, S. 586
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Examen zu verlangen, Studienfach und -ort dem angehenden Schriftleiter aber freizustellen. Auf jeden Fall bestärkten ihn sowohl B U C H E R s Überlegungen als auch die Auseinandersetzung mit anderen Kritikern und ihrer Konsequenzen für die Kriegs- und Nachkriegszeit in dem Appell: „Wir waren diesmal militärisch und finanziell gerüstet, seien wir es in Zukunft auch journalistisch!"60 Eigene Vorstellungen über eine notwendige Pressereform legte MEISTER nach ersten eigenen Erfahrungen mit nachrichtenpolitischen Problemen in der von ihm geleisteten Kriegsnachrichten-Sammelstelle der WWU in seiner programmatischen Schrift: „Die deutsche Presse im Kriege und später" (1916) vor. 61 Darin führte er das negative Deutschlandbild im Ausland und die mangelhaften Auslandsinformationen in der deutschen Presse vor allem auf das unzeitgemäße Verhältnis zwischen Staat und Presse zurück und forderte zu dessen Uberwindung unter anderem die Einrichtung eines „Reichsamts der Presse" und Pressestellen für die deutschen Botschaften im Ausland. 62 „Zum Vorteil der deutschen Kultur und Weltgeltung", so MEISTER, könne sich die Presse auf Dauer nur auswirken, wenn der allgemeine und fachspezifische Bildungsgrad der Journalisten den an sie gestellten Anforderungen gerecht werde. 63 Angesichts des Diskussionsverlaufs in den Standesverbänden und der Tatsache, daß der Akademiker-Anteil unter Elite-Journalisten ohnehin zunehmende Tendenz aufweise, 64 plädierte er wieder für die Universität als Träger der journalistischen Berufsbildung. Wieder setzte er das „möglichst universell" angelegte Studium an erste Stelle, empfahl nun aber auch zusätzliche zeitungsspezifische Einrichtungen, wie sie in Leipzig und Münster bereits bestünden, und weitere Lektorate oder Lehraufträge für Zeitungskunde an „einigen" Universitäten. 65 Daran sollten „journalistische Seminare" angeschlossen werden, in denen neben „allgemeinen Einführungsübungen" in die „Technik des Zeitungswesens, in die Benutzung der Hilfsmittel, in die Methode des journalistischen Arbeitens" auch der „im Zeitungsbetriebe eingetretenen Spezialisierung Rechnung" zu tragen sei. Dafür dachte MEISTER an Sonderveranstaltungen für Feuilleton-Mitarbeiter, politische und Handelsredakteure. 66
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ebenda, S. 589; M E I S T E R zitierte besonders F. Leiter, Die Zeitung in und nach dem Krieg, Wien: Perles 1915; Gustav von Pacher, Die Dreierverbandspresse. Ihr Anteil an der Kriegsentfachung und ein Weg zu ihrer Dämpfung, Leipzig: Hirzel 1915; Rudolf Rotheit, Die Friedensbedingungen der deutschen Presse, Berlin: Putkammer & Mühlbrecht 1915 und Paul Dehn, England und die Presse, Hamburg: Deutschnat. Buchhandlung 1915
61
Aloys Meister, Die deutsche Presse, a.a.O.; vgl. dazu Karl d'Ester, Die deutsche Presse im Kriege und später, in: Literarischer Handweiser, zunächst für die Katholiken deutscher Zunge, 53. Jg. (1916), Münster, N r . 7/8, Sp. 282 Aloys Meister, Deutsche Presse, a.a.O., S. 84 ebenda, S. 73 ebenda, S. 77 ebenda, S. 79 u. 80 ebenda, S. 81
62 63 64 65 66
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Trotz der äußerlichen Anlehnung an den von Karl B Ü C H E R konzipierten Studienplan für Journalisten äußerte sich M E I S T E R weiterhin skeptisch über das .Leipziger Modell'. Dessen Lehrplan biete nur eine „eigens für angehende Journalisten zugestutzte Wissenschaft", die dem Zeitungsstudenten keine Möglichkeit lasse, sein Wissen auf wenigen Gebieten zu vertiefen. Dennoch sei B U C H E R s Anstalt als ein „Versuch zur Lösung der journalistischen Berufsfrage nicht von vornherein" abzulehnen. 67 Die Verlagerung der gesamten Presseausbildung von den Redaktionen auf die Universität schloß M E I S T E R ausdrücklich aus: „Es ist Zeit, daß das Zeitungswesen noch viel mehr zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung gemacht wird. Das zeitungskundliche Seminar hat daher seine Aufgabe rein wissenschaftlich aufzufassen; es soll nicht den Anspruch erheben, praktisch für den journalistischen Beruf vorzubereiten, und es sollen nicht bloß künftige Journalisten sein, die sich hier Kenntnisse über das Wesen der Presse erwerben." 68 Uber seine wissenschaftlichen Ziele äußerte sich M E I S T E R freilich zurückhaltender als über seine volkserzieherischen Absichten: Die „Kluft zwischen den akademisch Gebildeten und der Presse" sollte dadurch überwunden werden, daß einerseits der Bildungsbürger mehr Verständnis für die Presse und vielleicht sogar Interesse an der Mitarbeit gewinne, 69 und andererseits garantiert sei, „daß die Vertreter der Presse in Wirklichkeit den Gebildeten der Nation immer geistig ebenbürtig sind." 70 Mit wissenschaftlichen und staatsbürgerlichen Aspekten wehrte M E I S T E R auch die Kritik der Praktiker ab, nach der nur die Presse selbst berechtigt sei, über ihre Angelegenheiten zu urteilen: „Uber rein fachliche, etwa zeitungstechnische, Dinge wollen wir ihm [dem Pressevertreter/B. M.] das nicht bestreiten. Aber der Inhalt der Zeitungen ist für die Öffentlichkeit da; diese ist daher in höchstem Maße am Zeitungswesen interessiert. Deshalb liegt uns auch die möglichste Ertüchtigung des Nachwuchses der Zeitungsleiter und Zeitungsschreiber so sehr am Herzen." „Wir müssen uns einen Stamm geistiger Streiter heranziehen, der unsere Sache in der Presse mit der Überlegenheit einer umfassenden Bildung und gediegener Kenntnisse verficht. ( . . . ) Es handelt sich hier nicht um Zukunftinteressen der Pressekreise, sondern um unser aller heiligste Güter, um Vaterland und Heimat, um Daseinsberechtigung und Weltgeltung!" 71 In M E I S T E R s Argumentation stritt offenbar die nationalpolitische Ziel- mit einer liberalen gesellschaftlichen Wunschvorstellung: Während seine an Chaui7 68 69 70 71
ebenda, S. 82 ebenda, S. 8 0 - 8 1 vgl. ebenda, S. 81 ebenda, S. 84 ebenda, S. 84
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vinismus grenzenden Erwartungen von journalistischer Aufrüstung' eher die moderne Massenpresse erforderten, die nicht von ungefähr zur gleichen Zeit von Deutschnationalen wie H U G E N B E R G ,unter die Fittiche* genommen wurde, verriet seine Kritik an der Parteienpresse ebenso wie der Wunsch, Presse und Bildung in Zusammenhang zu stellen, den Rückzug auf den Offentlichkeitsbegriff des frühen 19. Jahrhunderts, der die öffentliche Meinung als Ausdruck einer frei räsonnierenden Bildungselite und die Presse als deren Forum verstand. 72 Obwohl er die Zeitung als Gegenstand wissenschaftlichen Forschens begriff, würdigte MEISTER sie nur als Spiegel und Informationsmittel, nicht aber als Teil der Wirtschaft; den ökonomischen Gesichtspunkten, die dem Vertrauen auf Bildung als wichtigster Voraussetzung für eine ,gute' Presse schnell den Boden entzogen hätten, verschloß sich der Wirtschaftshistoriker strikt. Seine programmatische Absicht, in erster Linie den Akademiker mit der Funktion der Presse vertraut zu machen, betonte MEISTER auch wiederholt in seinem Schriftverkehr mit dem Preußischen Kultusministerium. Seine Skepsis gegenüber dem Leipziger Zeitungsinstitut hinderte ihn ebensowenig wie mögliches Konkurrenzdenken, von der älteren Einrichtung zu lernen. So beantragte er schon am 31. Dezember 1917 eine Studienreise nach Leipzig mit der Begründung: „Die außerordentliche Bedeutung der Presse, die der Weltkrieg uns offenbart hat, wird es notwendig machen, daß der akademische Nachwuchs mehr als früher mit den Fragen des Nachrichtendienstes, den Aufgaben der Presse, der Bedeutung der Zeitung als Organ der öffentlichen Meinung, ihrer Entstehung und Geschichte, der Zensur und anderen einschlägigen Fragen vertraut gemacht werden muß. Das Hist. Seminar unserer Universität möchte sich daher die Erfahrungen zu eigen machen, die Geheimrat Bücher in Leipzig mit seinem Zeitungsinstitut gemacht hat." 73 Wenig später, am 13. Februar 1918, beantragte MEISTER an gleicher Stelle die Einrichtung des schon 1915 erwogenen Lektorates für Zeitungskunde, das sich nach seiner Vorstellung vor allem der systematischen Zeitungskunde widmen sollte. Zu deren Themen zählte er: „die Aufgaben und die Arbeitsweise der Presse, ihre Quellen, ihr Nachrichtendienst, ihr Verhältnis zum Staate und zur Allgemeinheit und ihre Pflichten gegenüber beiden, ihr Einfluß auf die Bildung der öffentlichen Meinung, ferner die politische Stellung und die wirtschaftliche Richtung der wichtigeren deutschen und ausländischen Blätter, das Wesen der Auslandspresse, die besonderen Aufgaben und die Lage der Presse im Kriege, die Zensur u.a.m., endlich auch die Herstellung in Anschluß an den Besuch in Zeitungsredaktionen."74
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vgl. Ulla Otto, Die Problematik des Begriffs der öffentlichen Meinung, in: Publizistik 11. Jg. (1966), N r . 2, S. 9 9 - 133/bes. S. 110 Schreiben Meisters an den Minister der geistigen Angelegenheiten vom 31. 12. 1917, in: U B BI Plenge-Nachlaß, Zeitungsausschuß Schreiben Meisters an das P K M vom 13. 2. 1918, U A MS Phil. Fak., B V Nr. V f.
Die Notwendigkeit ihrer Behandlung an der Universität begründete er erneut damit, daß „von den verantwortlichen Schriftleitern eine gründliche wissenschaftliche Bildung gefordert" werden müsse und auch „bei den Gebildeten der Nation wieder Interesse an der Presse und Lust zur Mitarbeit" geweckt werden müsse. Die erste Aufgabe schrieb er - in leichter Akzentverlagerung zu seiner früheren Argumentation — „ganz, die zweite zu einem wichtigen Teil den Universitäten zu." Im Gegensatz zu früheren Äußerungen klang seine Pressekritik nun harscher, wenn er beklagte, „wie wenig die deutsche Presse es verstanden hat, vor dem Kriege und im Kriege unser Volk über die großen Aufgaben einer nationalen Politik aufzuklären und es zu einem klaren und gesunden Urteil zu erziehen" und sich statt dessen häufig „ödem Parteigezänk, peinlichem Unterhaltungsstoff und einer oft recht bedenklichen Sensationsmache" gewidmet habe. 75 Diese Akzentverlagerung mag auf M E I S T E R s Auseinandersetzung mit Karl B U C H E R hinweisen, kann aber auch mit taktischen Rücksichten auf den Ansprechpartner zusammenhängen: Dem Ministerium gegenüber, von dem er Unterstützung erwartete, mochte er wohl die staatlichen Versäumnisse in der Pressepolitik, auf die er in seiner Schrift über die „Deutsche Presse" noch hingewiesen hatte, nicht vorhalten. Jedenfalls hatte M E I S T E R mit diesem Antrag überraschend schnell Erfolg: Schon im Dezember 1918 wurde der Feuilletonredakteur, Heimatdichter und ehemalige Militärzensor Dr. Friedrich C A S T E L L E ( 1 8 7 9 - 1 9 5 4 ) zum Lektor für „Einführung in das Zeitungswesen und öffentlichen Ausdruck" bestellt. 76 E r hatte mit dem Zeitungsausschuß der Fakultäten zusammenzuarbeiten, dem auch künftig die Organisation der geplanten Presseveranstaltungen oblag. 77 Mit den im Wintersemester 1918/19 beginnenden Ringvorlesungen und der zeitungskundlichen Übung C A S T E L L E s , die dieser im Sommersemester 1919 aufnahm, war damit der Grundstein für die .systematische Zeitungskunde' in Münster gelegt. M E I S T E R , der ihr nur pädagogische, keine wissenschaftliche Bedeutung beimaß, glaubte, sich von der Ausbildungs- und Informationsfrage als Nicht-Fachmann nun abwenden und verstärkt seinem eigentlichen Erkenntnisinteresse, der historischen Presseforschung im „Historischen Zeitungsseminar und -archiv" zuwenden zu können. Seine weiteren Eingaben an das Kultusministerium befaßten sich fortan mit dem Zeitungsarchiv und dessen Kernstück, der Zeitungsausschnittsammlung — für M E I S T E R nicht nur unentbehrliches, lang mißachtetes Hilfsmittel für die Zeitgeschichte, sondern auch die „Grundlage der wissenschaftlichen Pres-
75 76 77
ebenda Schreiben des Kurators an Castelle vom 4. 2. 1918, UA MS N U PA 32 Schreiben des Kurators an die philosophisch-naturwisenschaftliche Fakultät und die rechtswissenschaftliche Fakultät vom 14.9.1918, UA MS N U PA 32 (Castelle)
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seforschung" überhaupt/ 8 Gleichzeitig beteiligte er sich an den Ringvorlesungen mit Beiträgen über die Parteienpresse und pressehistorischen Themen. 7 9 Sein Bemühen um einen Assistenten und finanzielle Unterstützung für das Zeitungsarchiv wurde aber nicht im gleichen Maße vom Erfolg gekrönt wie die Lektoratsanträge: Zwar gelang es M E I S T E R im Wintersemester 1918/19, seinen ehemaligen Schüler Karl d ' E S T E R zur Mitarbeit zu gewinnen und ihn damit — für manche „Meisters vielleicht größtes Verdienst um die Publizistik" 8 0 — auf eine wissenschaftliche Laufbahn vorzubereiten. Daß sich d ' E S T E R bei ihm mit einer pressehistorischen Arbeit habilitierte, 81 lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das neue Forschungsgebiet in Münster, aber diese Chance konnte kaum genutzt werden, da vom Staat weder persönliche Zuwendungen für d ' E S T E R noch Sachmittel zu erreichen waren. Zu eigenen Forschungen oder auch nur zur Fortsetzung seiner ersten pressekundlichen Veröffentlichungen fand Aloys M E I S T E R seit der Organisation der zeitungskundlichen Einrichtungen an der Universität keine Zeit mehr, zumal er zu dieser Zeit schon unter einer schweren Krankheit litt. Auch die Gestaltung der Seminarveranstaltungen überließ er zunehmend d ' E S T E R . Trotz der vielen Niederlagen in seinem Bemühen um die materielle Sicherung der Einrichtungen reichte sein national gefärbtes Engagement für publizistische Themen jedoch immerhin noch aus, sich gemeinsam mit d ' E S T E R im 1921 gegründeten und 1923 auf die besetzte Ruhrzone erweiterten „Rheinland-SaarAusschuß" der Bearbeitung aktueller Propagandafragen zu widmen. 82 Die Themen, die den Historiker M E I S T E R zur Beschäftigung mit der Presse bewogen, spiegeln sich auch in den Themen der zehn Dissertationen zum Zeitungswesen, die er zwischen 1920 und 1924 betreute, darunter vier Arbeiten, die sich mit der regionalen Entwicklung der öffentlichen Meinung zu bestimmten politisch-gesellschaftlichen Ereignissen im .bürgerlichen Zeitalter' des 19. Jahrhunderts befaßten. 83 Die durch die allgemeine Weltkriegserfahrung und die Arbeit der Kriegsnachrichtensammelstelle aufgeworfene Frage 78 79
80 81 82
83
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Schreiben Meisters an das PKM vom 24. 12. 1919, HStA Düsseldorf Rep. N W 5 - 4 8 1 Die Anfänge der Publizistik, insbesondere der Zeitung (WS 1918/19), Die öffentliche Meinung und die Presse im Wandel der Geschichte (SS 1919), Die demokratische Presse (WS 1919/20), Die Anfänge des Zeitungswesens (WS 1921/22), Ausgewählte Abschnitte aus der Geschichte der deutschen und ausländischen Presse (SS 1924 und WS 1924/25) Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., S. 23 U A MS Kur. PA Nr. 95 (d'Ester) und UA MS N U PA Nr. 56 (d'Ester) vgl. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 222; MEISTER nutzte die dort gesammelten Materialien u.a. für eine historische Publikation: Frankreich und das Saargebiet im Spiegel der Geschichte, München: Süddeutscher Verlag 1922 — Katharina Gerwin, Die westfälische Presse und die Gebildeten bis zu den Freiheitskriegen, Phil. Diss. Münster vom 12. 4. 1920 - Carl Vilter, Aus der Geschichte der Tagespresse in Bochum. (Unter Berücksichtigung der Entwicklung des politischen Lebens), Phil. Diss. Münster vom 2. 12. 1922 (Bochum: Westdeutsche Volkszeitung 1922) — Erich Barthold, Die preussische Judenemanzipation und die öffentliche Meinung 1 8 2 4 - 1 8 4 5 , Phil. Diss. Münster vom 19. 12. 1924
nach der Vermittlung aktueller politischer Probleme durch die Presse und Propaganda wurde in drei nach 1921 abgeschlossenen Arbeiten aufgegriffen — darunter auch die Dissertation Albert W A N D s , des späteren Leiters des Dortmunder Instituts für Zeitungsforschung, über „Die .Frankfurter Zeitung' und die Marokkofrage bis zur Konferenz von Algeciras." 84 Drei weitere Doktorarbeiten gehören in die lange Reihe von Biographien .publizistischer Persönlichkeiten', mit der die zunehmend von d ' E S T E R bestimmte historische Zeitungsforschung in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts noch hervortreten sollte. 85 Mit MEISTERs Tod - er starb 58jährig am 27. Januar 1925 an seinem schweren Herzleiden — schien auch die Zeitungskunde in Münster, der schon mit Karl d'ESTERs Berufung nach München Anfang 1924 ein schwerer Schlag zugefügt worden war, vorerst am Ende zu sein. Obschon der Historiker der jungen Zeitungskunde weniger als Forschender denn als Wissenschaftsorganisator gedient hatte, 86 hatte seine Kraft zum Schluß nicht mehr ausgereicht, ein wohlbestelltes Institut zu hinterlassen. Nun mußte es sich erweisen, ob das Ordinarien-Gremium, von dem der Bestand der Zeitungskunde an der Universität abhing, auch ohne MEISTERs Integrationskraft handlungsfähig war. Im Gegensatz zu Karl B U C H E R in Leipzig, der die Journalistenausbildung wollte und dabei aufgrund seiner Zunftkritik auf die Ablehnung der Presse stieß, hatte der Münsteraner Historiker, der seine Praxisferne nicht verleugnen konnte und sich der vorbereitenden Forschung verschrieb, sich mit seinem unverbindlichen Wohlwollen und seiner fast staunenden Erkenntnis der Presse als Faktor des öffentlichen Lebens bei den Praktikern beliebt gemacht. Die regionale Presse rief ihm nach, man habe „als Angehörige des Berufes, dem er durch seine Lehrtätigkeit tüchtigen Nachwuchs zuführte, allen Anlaß, den Tod dieses Mannes zu beklagen." 87
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Rudolf Lenzing, Von Moser bis Stüve. Ein Jahrhundert Osnabrücker Pressegeschichte als Spiegel des Bürgertums, Phil. Diss. Münster vom 10. 2. 1925 (Osnabrück: Meinders Sc Elstermann 1925) — Albert Wand, Die „Frankfurter Zeitung" und die Marokkofrage bis zur Konferenz von Algeciras, Phil. Diss. Münster vom 20. 12. 1920 - Arnold Bruns, Die Grundsätze und Beweisgründe der Ententepropaganda, dargestellt an der Schweizerischen „Neuen Zeitung" von Amerikas Eintritt in den Weltkrieg bis zur deutschen Revolution (1917-1918), Phil. Diss. Münster vom 16.5. 1923 - Georg Westrup, Die Dreierbundfrage im Westfälischen Merkur, Phil. Diss. Münster vom 15. 7. 1926 (mdl. Prüfung 30. 1. 1923) - Ernst Kirchhoff, Peter Florenz Paul Weddigen als westfälischer Publizist, Phil. Diss. Münster vom 29. 5. 1923 - Ernst Maurmann, Arnold Mallinckrodt. Sein Leben und Wirken (1768 - 1825), Phil. Diss. Münster vom 13. 5. 1925 (Mdl. Prüfung 21.10. 1921) - Josef Leonardi, Agobard von Lyon und seine politische Publizistik, Phil. Diss. Münster vom 2. 6. 1927 (mdl. Prüfung am 19. 12. 1927?) vgl. Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O. - , Geheimrat Dr. Meister + , in: Münsterischer Anzeiger Nr. 89 vom 30. 1. 1925
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c) Karl d'Ester Der Rheinländer Karl d'ESTER, 8 8 am 11. Dezember 1881 in Vallendar bei Koblenz geboren, hatte über die Literaturwissenschaft zur Zeitungskunde gefunden. Nach fünf Studiensemestern in München, Münster und Wien, in denen er Theologie, Philosophie, Germanistik, Geschichte, Erdkunde und klassische Philologie studierte, kehrte er im Sommersemester 1905 nach Münster zurück, um bei dem Literaturhistoriker Julius S C H W E R I N G zu promovieren. Auf der Suche nach einem unverbrauchten' Dissertationsthema verfiel er auf die Idee: „etwas über die Presse zu schreiben, denn sie gehört ja auch zur Literatur, der sie ja so oft als Schrittmacher dient." 89 Immerhin hatte er schon bei seinem Lehrer S C H W E R I N G die Bedeutung der Presse als Quelle für die Literaturgeschichte kennenlernen können. Diese literarische Vermittlerfunktion interessierte d'ESTER auch zuerst, als er sich den westfälischen Musenalmanachen, periodisch erscheinenden Literatursammlungen, zuwandte. Erst bei genauerer Sichtung des Materials scheint sich seine Aufmerksamkeit dem Phänomen .Presse' an sich zugewandt zu haben. S C H W E R I N G machte dem offenbar zögernden Doktoranden Mut: „Schreiben Sie eine Geschichte der westfälischen Presse, das ist einmal etwas Originelles!" 90 D ' E S T E R tat es und fand mit seiner Arbeit gleich als erstes Werk Eingang in die von S C H W E R I N G neu herausgegebene Reihe „Münsterische Beiträge zur neueren Literaturgeschichte". 91 Die Dissertation, die der damals 26jährige 1906/07 der Philosophischen Fakultät der Universität Münster vorlegte, 92 spiegelte in vielem schon die typische Arbeitsweise des späteren Gelehrten: Seine später oft karikierte Sammelleidenschaft 93 fand hier ihren ersten Anstoß; auf der Jagd nach neuem Material scheute sich d'ESTER nicht einmal, den 88
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Nicht näher gekennzeichnete Angaben entstammen den beiden Memoirenbänden d'Esters: Schwarz auf Weiß, a.a.O. und Traum eines Lebens, a.a.O. sowie von Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester (1881 — 1960). Anmerkungen aus Anlaß seines 100. Geburtstages, in: Publizistik 26 (1981), H. 4, S. 5 7 5 - 6 0 3 Karl d'Ester, Traum eines Lebens, a.a.O., S. 31 Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 142 Karl d'Ester, Das Zeitungswesen in Westfalen von den ersten Anfängen bis zum Jahre 1813, Phil. Diss. Münster 1907; Münster: Schöningh 1907 ( - Münsterische Beiträge zur neueren Literaturgeschichte Bd. I) Nach der mündlichen Prüfung in den Fächern Deutsch, Geographie und Philosophie am 19. 12. 1906 promovierte d ' E S T E R am 8. 6. 1907; vgl. U A MS Phil. Fak. Prom. Akte N r . 627 (d'Ester) Der Mitarbeiter an der Pressa, Albert Vigoleis T H E L E N , behielt d ' E S T E R als „verehrten Zeitungswissenschaftler" in Erinnerung, „vor dem nicht einmal das bedruckte Butterbrotpapier seiner Studenten sicher war," in: Albert Vigoleis Thelen, Die Insel des zweiten Gesichts. Aus den angewandten Erinnerungen des Vigoleis, Düsseldorf/Köln: EugenDiederichs-Verlag 1960, S. 383
Druck seines Erstlingswerks stoppen zu lassen, um den Ertrag neuer Schätze einzufügen.94 Die erdrückende Fülle des Stoffes, die sich dem auf Neuland Forschenden auftat, bewältigte er durch eine chronologische Auswertung, die ihre Kriterien aus der allgemeinen Geschichte gewann. An theoretische und methodologische Auseinandersetzungen mit dem von Karl L A M P R E C H T (Leipzig, 1 8 5 6 - 1 9 1 5 ) und anderen herausgeforderten geisteswissenschaftlichen Methodenstreit wagte er sich dabei nicht heran. 95 Schon während des Studiums hatte d'ESTER die akademische Laufbahn angestrebt und fand in seinen Lehrern S C H W E R I N G und dem Geographen Wilhelm MEINARDUS ( 1 8 6 7 - 1 9 5 2 ) auch gleich zwei Mentoren, die ihn gern jeweils in ihrem Fach gefördert hätten. 96 Der Tod seines Vaters zwang d'ESTER jedoch dazu, sich wirtschaftlich abzusichern. E r holte 1908 das Lehrerexamen nach und trat in den Schuldienst ein. Am städtischen Realgymnasium in Hörde bei Dortmund, wo er nach kurzem Referendariat am münsterischen Schiller-Gymnasium zehn Jahre lang unterrichtete, fand der durch die katholische Erziehung des Elternhauses und ein an der Jugendbewegung orientiertes Bildungsideal geprägte junge Pädagoge durchaus menschliche Erfüllung. 97 Dennoch frönte er nebenher weiter seiner zeitungskundlichen Sammelleidenschaft, die sich auch in kleinen Veröffentlichungen niederschlug,98 und unterstützte seinen Freund, den Direktor der 94 95 96 97 91
Karl d'Ester, Traum eines Lebens, a.a.O., S. 32 vgl. Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 587 f. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 143 vgl. d'Esters entsprechende Erinnerungen in ders., Schwarz auf Weiß, a.a.O., Karl d'Ester, Zeitung und Schule, in: Westfälischer Merkur vom 8. 3. 1910; ders., Zur Geschichte der Zeitungsforschung vor 1800, in: Westfälisches Magazin, N.F. 2. Jg. (1910), Nr. 22/23, S. 214 - 17 und 3. Jg. (1911), S. 1 - 10; ders., Geschichte und Praxis des Zeitungswesens als Lehrgegenstand an den Hochschulen, in: Academia vom 15. April 1911, S. 469; ders., Der Journalismus an den Hochschulen vor 1800, in: Zeitungsverlag, 12. Jg. (1911), Nr. 36; ders., Zeitungsforschung vor 1800, in: Reichspost (Wien), 1911, Nr. 134; ders., Die Zeitung als geographisches Bildungsmittel in alter und neuer Zeit, in: Geographischer Anzeiger 1914, S. 229 ff.; ders., Zeitung und Geographie, in: ebd., 1914, Nr. 12; ders., Zeitung und Hochschule, in: Die Grenzboten, Jg. 74 (24. 11. 1915), H. 47, S. 241 ff.; Pressegeschichte, allg. (Auswahl): Ders., Kulturgeschichtliche Streifzüge durch das Anzeigenwesen alter Zeitungen, in: Rheinisch-Westfälische Zeitung vom 9. Juli 1908; ders., Zeitungsgeschichte, in: Dortmundisches Magazin, Bd. 1 (1909), S. 163; ders., Öffentliche Bibliotheken und alte Zeitungen, in: ebd., Bd. 1 (1909), S. 4 ff. u. 417; Pressepolitik (Auswahl): Ders., Aus der Geschichte der Lügenpresse, in: Kölnische Zeitung vom 27. Juni 1915; ders., Von unseren papiernen Feinden 1. England, in: Dortmunder Zeitung 1917, Nr. 409 vom 14. 8. - 2. Frankreich, ebd. Nr. 511 vom 8. 10., etc. (Rußland, USA, Italien); ders., Zeitungskunde und Politik, in: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 23. 10. 1919; ders., Eine Liga gegen die Lügenpresse der Welt, in: Westfälische Volkszeitung (Bochum) vom 21. 9. 1920; ders., Zur Geschichte der politischen Kulturpropaganda der Presse, in: Bremer Zeitung vom 16. 12. 1921; zur Bibliographie d'Esters siehe: Wilhelm Klutentreter, Karl d'Ester als Schriftsteller. Versuch einer Bibliographie (1899 - 1 9 5 1 ) , in: Beiträge zur Zeitungswissenschaft. Festgabe für Karl d'Ester zum 70. Geburtstag von seinen Freunden und Schülern, Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung 1952, S. 7 4 - 1 0 3
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Dortmunder Stadtbibliothek Erich SCHULZ (1871 - 1941), beim Aufbau der dortigen Zeitungssammlung. Bei SCHULZ lernte d'ESTER die ihm bis dahin nicht geläufige bibliographische Methode der Ausschnittsammlung und Verzettelung kennen." Obwohl er seine akademischen Pläne nicht aufgegeben hatte und sich selbst publizistisch mit der Verankerung der Zeitungskunde an der Hochschule beschäftigte,100 zögerte d'ESTER doch, als Aloys MEISTER ihm im Wintersemester 1918/19 anbot, sich für Zeitungskunde zu habilitieren.101 Zwar hatte er auf Anregung MEISTERs schon während des Krieges mit seiner Habilitationsschrift über den rheinischen Publizisten Moritz von T Ü N D E R N begonnen,102 für die Begründung eines neuen Faches war sie jedoch nicht eindeutig konzipiert. Auch der damalige Dekan der Philosophischen Fakultät, Otto HOFFMANN, mit dem er die Arbeit besprach, riet ihm ab, sich für Zeitungskunde zu habilitieren, und schlug ihm Germanistik oder Geschichte vor: „Denn das sind seine beiden Studienfächer. Die Zeitung ist für ihn und seine Arbeiten nur Literaturwerk und Geschichtsquelle."103 Trotz dieser zutreffenden Einschätzung gab d'ESTER schließlich dem Drängen MEISTERs nach, der offenbar hoffte, mit einer ausdrücklich für Zeitungskunde formulierten Lehrbefugnis die Existenz der jungen Disziplin frühzeitig abzusichern. Mit der Vorlage der Habilitationsschrift: „Die rheinische Presse unter französischer Vorherrschaft 1779 — 1814" und der Probevorlesung mit dem gleichfalls bewußt aktuell gewählten Thema: „Aus dem Wirtschaftskampf der deutschen, besonders der westfälischen Presse gegen England vor 1848" habilitierte sich d'ESTER am 17. Juli 1919 und erhielt anschließend die Zulassung als erster deutscher Privatdozent mit Lehrbefugnis für Zeitungskunde. 104 Obwohl er schon für das Wintersemester 1919/20 eine Übung am Historischen Seminar in Münster zur „Geschichte der Presse und der öffentlichen 99
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vgl. Hans Bohrmann, Gründung und Entwicklung des Instituts für Zeitungsforschung in der Weimarer Republik, in: Alois Klotzbücher (Hg.), von Büchern und Bibliotheken in Dortmund, Dortmund: Ruhfus 1982, S. 101 - 1 0 8 / 1 0 1 vgl. Karl d'Ester, Geschichte und Praxis des Zeitungswesens als Lehrgegenstand an den Hochschulen, a.a.O., und ders., Der Journalismus an den Hochschulen vor 1800, a.a.O., und ders., Zeitung und Hochschule, a.a.O. vgl. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 175; „Die erklärte Absicht ( . . . ) , eine selbständige Disziplin zur Erforschung der Zeitungen zu begründen" - Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 589 - verfolgte d'ESTER zu diesem Zeitpunkt zumindest nicht im Hinblick auf eine hauptberufliche Tätigkeit in diesem Fach. Es weist nichts darauf hin, daß er zu diesem Zeitpunkt schon eine eigene Disziplin für nötig hielt, wenn er die Beachtung der Zeitung an den Hochschulen forderte. Selbst eher eine zaudernde Natur, ließ d'ESTER sich bei dieser wie bei vielen Entscheidungen von anderen drängen. vgl. Bernd Mütter, Aloys Meister, a.a.O., 235 Schreiben Hoffmanns an Plenge vom 29. 10. 1919, UB BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß (d'Ester) UA MS Kur.PA Nr. 95 (d'Ester) und UA MS N U PA Nr. 56
Meinung ( . . . ) bis zu den Freiheitskriegen" ankündigte, mußte M E I S T E R noch ein weiteres Semester auf seine Mitarbeit warten. Da d ' E S T E R kein Dozentengehalt in Aussicht gestellt werden konnte, war dieser weiter auf den Schuldienst angewiesen. Bevor er jedoch vom städtischen Realgymnasium Hörde auf das staatliche Gymnasium Paulinum in Münster überwechseln konnte, mußte er in den staatlichen Dienst aufgenommen werden. U m diesen Prozeß zu beschleunigen, nahm er das Angebot an, für einige Monate im Schulaufsichtsdienst im Provinzialschulkollegium in Koblenz zu arbeiten. Die Koblenzer Zeit nutzte er als Zeitungskundler, um „die französische Kulturpropaganda an Ort und Stelle kennenzulernen", 1 0 5 was ihn in der Ausrichtung seiner späteren Lehrtätigkeit noch bestärken sollte. Während M E I S T E R sich in der Zwischenzeit vergeblich bemüht hatte, Mittel für eine Hilfskraftstelle zu bekommen, die archivarische Tätigkeiten im Seminar übernehmen sollte, 106 erreichte die Fakultät mit Antrag vom 21. November 1919 schließlich die Berufung d'ESTERs ans Paulinum. 107 Sobald diese Entscheidung gefallen war, begann d ' E S T E R mit der Antrittsvorlesung am 28. Februar 1920 seine Tätigkeit als Privatdozent für Zeitungskunde am Historischen Seminar. Das Thema des Vortrages: „Der Kampf um die Seele des Rheinländers einst und jetzt" verwies einmal mehr auf den Anspruch des jungen Faches und seiner westfälischen Wegbereiter, mit historischwissenschaftlicher Arbeit Stellung zu politischen Gegenwartsfragen nehmen zu können. 108 In den knapp vier Jahren, in denen d ' E S T E R von da an in Münster wirkte, widmete er neben den Aufgaben als Gymnasiallehrer seine ganze Kraft dem Aufbau des Historischen Zeitungsarchivs und -seminars an der Philosophischen Fakultät.
d) Johann Plenge Den für seine Zeit erstaunlichsten Ansatz zur theoretischen Begründung einer kommunikationswissenschaftlichen Disziplin entwickelte der Nationalökonom und Begründer der Soziologie in Münster, Johann P L E N G E , mit einer Propagandatheorie, die ihm in der Theoriegeschichte der Kommunikationswissenschaft eine Vorläuferrolle bei der Herausbildung des Paradigmas von der .Publizistik' sichert. Freilich beschäftigte sich P L E N G E mit den Themen Propaganda, Presse und Journalistenausbildung im Rahmen seiner Organisations- und Beziehungslehre, die er selbst nur als Teil „eine(r) sehr allgemein gedachte(n), bis in die letzten Zusammenhänge der Ontologie reichende(n) Lehre vom Menschen" 105 104 107
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Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 176 Schreiben Meisters an das PKM vom 24. 12. 1919, HStA Düsseldorf, Rep. N W 5 - 4 8 1 Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Wolfgang Keller) an das PKM vom 21. 11. 1919, UA MS Kur. PA 95 (d'Ester) und das Schreiben Meisters an den Dekan der Phil. Fak. vom 19. 11.1919, UA MS Phil. Fak. B I Nr. 7b vgl. Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 577 und 589
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verstand.109 An der Etablierung einer eigenständigen Disziplin von der Zeitung hatte er wohl ebensowenig Interesse wie an der Institutionalisierung seines eigenen Fachgebietes, der Soziologie, als „empirisch-analytische Fachwissenschaft." 110 Die Gründe für sein zeitweiliges Engagement für das Pressewesen waren eher persönlicher Natur. Auf menschlicher Ebene sind schließlich auch die Gründe dafür zu suchen, daß die Zeitungskunde in der westfälischen Provinzstadt ohne das theoretische Rüstzeug eines akademischen Sonderlings offenbar besser ,fuhr*. Johann PLENGE wurde am 7. Juli 1874 in Bremen als Sohn eines Großkaufmanns und Konsuls geboren und studierte bei Karl BUCHER und Karl LAMPRECHT in Leipzig sowie Heinrich DIETZEL (1857-1935) in Bonn Volkswirtschaftslehre, Philosophie und Geschichte. 1897 promovierte er bei dem Nationalökonomen Karl BUCHER und kehrte auch zur Habilitation 1903 zu seinem alten Lehrer zurück. Ihm dankte er später die Erziehung zur historischen Zusammenfassung, zur begrifflichen Klarheit und zum Gegenwartsbezug in der Wissenschaft.111 Auf die Zeitung als Arbeitsmittel für die Nationalökonomie stieß PLENGE schon während seines Studiums — allerdings nicht, wie es nahe lag, durch den späteren Gründer des ersten deutschen Zeitungsinstituts, Karl BUCHER, sondern erst durch den Bonner Nationalökonomen Heinrich DIETZEL, den er 1897 als junger Doktor kennenlernte: „Ich wurde auf das Thema Wirtschaftskriterien verwiesen, das völlig außerhalb des Gesichtskreises der Leipziger Schule lag, und damit auf das große Arbeitsmittel: Zeitung."112 Der von der Praxis abgewandten historischen Schule, die sich in der Wirtschaftswissenschaft im 19. Jahrhundert ausgebildet hatte, warf PLENGE später vor, die auf die eigene Zeit gerichteten Erkenntnisziele und damit die Verwendung der Zeitung als aktueller Spiegel der Wirtschaftsentwicklung vernachlässigt zu haben. Das Verdienst, angesichts der rasanten Entwicklung des Wirtschaftslebens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine zeitgerechte Ausbildung praktischer Volkswirtschaftler und damit neue Forschungs- und Unterrichtsmethoden gefordert zu haben, sprach er neben Lorenz STEIN und Albert SCHÄFFLE 113 vor allem DIETZEL zu: „Dagegen hat Karl Bücher, für einen alten Redakteur merkwürdig genug und doch begreiflich, weil der Redakteur eben kein Leser ist, in der Zeitung immer mehr das 109
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Leopold von Wiese, Geleitwort. Zur Erinnerung an Johann Plenge, in: Bernhard Schäfers (Hg.), Soziologie und Sozialismus. Organisation und Propaganda. Abhandlungen zum Lebenswerk von Johann Plenge, Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag 1967, S. V - VI/V Bernhard Schäfers, Johann Plenge, in: Internationales Soziologenlexikon, hg. v. W. Bernsdorf und H. Knospe, 2. A., 1. Bd., Stuttgart: Enke 1980, S. 3 3 3 - 3 3 5 v gl- Johann Plenge, Aus dem Leben einer Idee. Begleitwort zu einer Denkschrift über eine Unterrichtsanstalt zur Ausbildung praktischer Volkswirte, Münster: Borgmeyer 1915, S. 99 ebenda, S. 99 ebenda, S. 87
wegen seiner Geschichte und seiner Organisation bemerkenswerte Forschungsobjekt wie das Arbeitsmittel gesehen."114 Die nationalökonomischen Zeitungscolloquien in Leipzig, die PLENGE später an der Universität Münster weiterführte, seien ganz ohne Einfluß BUCHERs ins Leben gerufen worden: „Daß im Leipziger Seminar seit 1901 die Zeitung regelmäßig als Übungsmaterial herangezogen und später auch eine Tageszeitung für das Seminar gehalten wurde, geht erst auf meine Anregung zurück."115 Die anfänglich freundschaftliche Bewunderung für Karl BÜCHER war ab 1911 in ein haßerfülltes Verhältnis übergegangen, bei dem unter anderem PLENGEs enttäuschte Hoffnung, BUCHERs Nachfolger auf dem Leipziger Lehrstuhl für Nationalökonomie zu werden, mitspielte.116 Seine öffentliche Polemik gegen BUCHER festigte PLENGEs Ruf als unverträgliche Persönlichkeit und erschwerten auch seine Berufung an andere Universitäten.117 Nur auf Vermittlung von Männern wie Hans DELBRÜCK (1848 - 1929) und Max WEBER (1864-1941), die PLENGEs wissenschaftlichen Rang erkannten, erhielt der streitbare Privatdozent 1913 einen Ruf der Universität Münster auf das Ordinariat für wirtschaftliche Staatswissenschaft.118 Zu dieser Zeit hatte PLENGE schon die rein nationalökonomischen Forschungen hinter sich gelassen und stand in seiner zweiten, von ersten soziologisch-philosophischen Systematisierungsversuchen geprägten Arbeitsperiode. 11 ' Sein unmittelbares und praktisches Ziel, den Aufbau einer Modellanstalt zur Erziehung wirtschaftlicher und staatlicher Führungskräfte, mußte er in Münster infolge des Kriegsausbruches zwar bald zurückstellen, doch dafür inspirierte ihn das Kriegserlebnis zur Weiterentwicklung seiner theoretischen Ansätze.
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ebenda, S. 99 Johann Plenge, Aus dem Leben einer Idee, a.a.O., S. 99 vgl. Bernhard Schäfers, Einleitung. Johann Plenge: Stationen seines Lebens, Momente seines Werkes, in: ders. (Hg.), Soziologie und Sozialismus, a.a.O., S. 1 - 16/2; BÜCHER hatte PLENGE noch 1912 für einen Berliner Lehrstuhl vorgeschlagen; vgl. Dieter Krüger, Nationalökonomen im Wilhelminischen Deutschland, Göttingen: Vandenhoeck Sc Ruprecht 1983 ( - Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 58), S. 23; der Untersuchung KRUGERs, in deren Zentrum die Nationalökonomen Gerhart von SCHULZE-GÄVERNITZ, EDGAR JAFFE und PLENGE stehen, gelingt im wissenschaftssoziologischen Verfahren eine überzeugende fachhistorische Einordnung PLENGEs. Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 3 Schreiben Plenges an Weber vom 14. 3. 1913, Schreiben Plenges an Delbrück vom 14. 3. 1913 und Schreiben Delbrücks an Plenge vom 28. 2., 8. 3. und 18. 3. 1913, UB BI Plenge-Nachlaß „Weber" und „Delbrück" vgl. Hanns Linhardt, Vorwort, in: ders. (Hg.), Cogito ergo sumus. Eine Auswahl aus den Schriften von Johann Plenge. 1874-1963, Berlin: Duncker & Humbolt 1964
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Die „Ideen von 1914" die PLENGE unter dem Eindruck des Weltkriegs propagierte120 und die auch ohne Nennung seines Namens zum Schlagwort für die pseudowissenschaftliche Kriegsidealisierung durch einen großen Teil der deutschen Professorenschaft wurden, 121 berauschten sich am Aufgehen des Einzelnen im Volkskampf. Die innenpolitische Ausnahmesituation des Krieges — staatliche Wirtschaftslenkung, Einschränkung des freien Marktes, Angleichung der Standes- und Klassenunterschiede durch den Militärdienst — wollte er für die Zeit nach dem Krieg zur Norm erhoben sehen. Der von ihm geforderte „nationale Sozialismus", ein Staatssozialismus HEGELscher Prägung,122 legte den Schwerpunkt auf den Organisationsgedanken, die Erfassung der Gesellschaft in hierarchisch gegliederten Gruppen unter einer neuen Führungsschicht des „Volksbeamtentums". Diese Entwicklung sollte nicht auf demokratischem Wege erfolgen, der ohnehin nicht PLENGEs politischer Vorstellungswelt entsprach,123 sondern durch praktische Umsetzung wissenschaftlicher Reflexion in ein gesamtgesellschaftliches Erziehungssystem. Die Soziologie, nach PLENGEs Verständnis ohne die enge Verbindung zum Sozialismus nicht zu denken,124 hatte dabei die Ausbildung im wesentlichen zu tragen: „Da aber die Idee der Organisation vor allem Organisatoren verlangt, so wird das Ausbildungsideal von 1914 ganz wesentlich ein Ausbildungsideal von Organisatoren." In erster Linie dachte PLENGE dabei an seine ureigenste Aufgabe, die Schulung praktischer Volkswirte: „ ,Der Sozialismus' ist eine Zeit, wo viele gutausgebildete praktische Volkswirte notwendig sind. Wer die besten Volkswirte hat, hat den besten Sozialismus."125 Um die „Ideen von 1914" weiter ins Volk zu tragen, brauchte PLENGE die Presse: die Zeitung ist die eigentliche Verbreiterin und Verteidigerin von politischen Ideen geworden. (. ..) Zeitungen sind der für einen weiten Kreis bestimmte Aus120
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Johann Plenge, 1789 und 1914. Die symbolischen Jahre in der Geschichte des politischen Geistes. Berlin: Julius Springer 1916; vgl. ders., Das Zeitalter der Volksgenossenschaft, Berlin o.V. 1915 und ders., Die Revolutionierung der Revolutionäre, Leipzig: Der Neue Geist-Verlag 1918 vgl. z.B. Klaus Wippermann, Die Hochschulpolitik in der Weimarer Republik. Die politische Stellung der Hochschullehrer zum Staat, in: Politische Studien 20 (1969), S. 1 4 3 - 1 5 7 / 1 4 3 - 1 4 6 , und Dieter Krüger, Nationalökonomen, a.a.O., S. 194-204 vgl. dazu Johann Plenge, Marx und Hegel, Tübingen: Laupp 1911, - ein Werk, das schon früh seinen wissenschaftlichen Ruf förderte. vgl. Norbert Reichling, Johann Plenge und die „Akademischen Gewerkschaftskurse" in Münster, in: 200 Jahre zwischen D o m und Schloß. Ein Lesebuch zu Vergangenheit und Gegenwart der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, hg. v. Lothar Kurz, Münster: Vervielfältigungs- und Vertriebsgesellschaft 1980, S. 64 - 76/67 u. 73 vgl. Bernhard Schäfers, Johann Plenge, a.a.O. Johann Plenge, 1789 und 1914, a.a.O., S. 132 u. 133
druck weit verbreiteter Ideenrichtungen, die sich durch die Zeitung behaupten und die bekämpft werden müssen, indem man die Zeitung bekämpft."126 Die „neue Verantwortung" und „Macht als moralischer Faktor", die die Presse während des Krieges gewonnen habe,127 müsse stärker ausgenutzt werden als bisher, meinte PLENGE, „denn für die dauernde wirtschaftliche und politische Erziehung unseres Volkes ist die Presse beinahe wichtiger als die Schule, und sie versäumt darum eine nationale Pflicht, wenn sie nur eine gleichgültige Anteilnahme an den äußerlichen Tagesereignissen verbreitet und nicht ein Verständnis fördert, das die Hauptfragen unseres öffentlichen Lebens dauernd zu überblicken wünscht."128 Konsequenterweise zählte PLENGE daher auch die Journalisten zur Gruppe der „Organisatoren" und strebte die Journalistenausbildung im Rahmen der Organisatorenausbildung an. Was er ihnen vermitteln wollte, war soziologische Vorbildung auf der Grundlage seiner Lehre. Obwohl PLENGE mit der Werbung für seine Ideen durch die Presse durchaus nicht zufrieden war,129 übte seine Kriegsphilosophie auf die politische Diskussion der deutschen Gelehrten, darunter auch auf den Philosophen und Religionssoziologen Ernst TROELTSCH (1865 —1923), in der ersten Kriegshälfte eine starke Faszination aus.130 Der Ruf nach einer .starken Hand* auf sozialistischer Grundlage blieb auch auf dem rechten Flügel der Sozialdemokratie nicht ohne Wirkung, 131 und Kurt SCHUMACHER (1895-1952) konstatierte in seiner 1926 bei PLENGE eingereichten Dissertation: „Mit Johann Plenge gewann zum ersten Male seit Eugen Dühring ein Vertreter der offiziellen Gelehrsamkeit Einfluß auf die politische Theorie der deutschen Sozialdemokratie." 132 Innerhalb der Universität schloß sich PLENGE von den allgemeinen patriotischen Kriegsmaßnahmen nicht aus: Im Rahmen der Kriegsvorlesungsreihe hielt er im Wintersemester 1914/15 einen Vortrag über „Der Krieg und die Volkswirtschaft", in dem er schon früh auf die bisher unbekannte Stärke des 126 127 128 129 130
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ebenda, S. 5 ebenda, S. 120 ebenda, S. 132 siehe z.B. Johann Plenge, Aus dem Leben einer Idee, a.a.O., S. 35 vgl. Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkrieges, Göttingen — Zürich — Frankfurt: Musterschmidt 1969, S. 43 vgl. dazu u.a. Norbert Reichling, Johann Plenge und die „Akademischen Gewerkschaftskurse" in Münster, a.a.O., S. 73; nach Dirk Käsler - Die frühe deutsche Soziologie 1909 bis 1934 und ihre Entstehungs-Milieus. Eine wissenschafts-soziologische Untersuchung, Opladen: Westdeutscher Verlag 1984 ( - Studien zur Sozialwissenschaft, Bd. 58), S. 412 distanzierte sich die zeitgenössische Sozialdemokratie dagegen „mit Nachdruck" von PLENGEs „organisatorischem Sozialismus". Kurt Schumacher, Der Kampf um den Staatsgedanken in der deutschen Sozialdemokratie (rer. pol. Diss. Münster vom 24. 8. 1926), hg. v. Friedrich Holtmeier. Mit einem Geleitwort v. Herbert Wehner, Stuttgart — Berlin — Köln — Mainz: Kohlhammer 1973
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Wirtschaftskrieges aufmerksam machte,133 und leitete den „Zentral-Arbeitsnachweis für freiwillige Kriegshilfe" und die „Auskunftsstelle Münster der Hilfe für kriegsgefangene Deutsche", zwei Einrichtungen der Universität, die er auch als erzieherische Einsatzmöglichkeit für junge Nationalökonomen verstand.134 Das Engagement anderer ließ er dabei nicht gelten: Dem aufrechten Patrioten Aloys MEISTER, der in der Kriegsnachrichten-Sammelstelle ähnliches leistete, warf er im Wintersemester 1916/17 aus nichtigen Gründen „undeutsches Verhalten" vor135 — der Beginn einer langen Feindschaft. Es schien PLENGE unerträglich zu sein, andere selbständig auf einem Gebiet arbeiten zu sehen, das auch nur am Rande einen Bereich berührte, auf dem er die geistige .Führerschaft* beanspruchte. Das betraf auch die Zeitungskunde: Der Versuch, den eigenwilligen Kollegen an die Mitarbeit im interfakultativen Ausschuß für Zeitungswesen zu binden, hatte nur geringen Erfolg. Jeden Schritt, der von der Philosophischen Fakultät zur Förderung des Zeitungswesens ausging, begleitete PLENGE mit Ein- und Widersprüchen, etliche seiner eigenen Vorstellungen zum Thema — wie etwa die Nachahmung des Leipziger Instituts für Zeitungsforschung oder der Anspruch, für die Ausbildung in der Technik der Presse zuständig zu sein — schienen erst aus dieser Abwehrreaktion heraus geboren zu sein. Dabei sparte er nicht mit Polemik gegen die „etwas naiv-dilettantische(n) Zeitungsforschung" an der Philosophischen Fakultät: Erwähnungen des „Zeitungsforschers" Karl d'ESTER in der Presse — ohne Anführungsstriche ließ er diese Bezeichnung gar nicht gelten — tat er als „etwas kindlich . . " ab, von dessen eigenen Artikeln sprach er als „einer unausgereiften kleinen Veröffentlichung". MEISTER warf er Konzeptlosigkeit in seinem Bemühen um die Zeitungskunde und schließlich „stillschweigende Aneignung" der staatswissenschaftlichen Lehrmethoden vor — all dies nicht etwa im internen Kreis, sondern unter Einbeziehung der Studenten und des Kultusministeriums.136 Die Themen, die PLENGE selbst für zeitungskundlich relevant hielt, behandelte er im Rahmen der Ringvorlesungen zur Presse: „Handelsteil und Wirtschaftskonjunktur" (WS 1918/19, SS 1919 und WS 1920/21), „Die Presse im Gesellschaftsleben der Gegenwart" (WS 1918/19), „Die Stellung der Zeitung im heutigen Gesellschaftsleben" (WS 1919/20) und „die wirtschaftliche Presse" (WS 1921/22).137 Zum Sommersemester 1922 kündigte er die Mitarbeit endgültig auf. 133
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Johann Plenge, Eine Kriegsvorlesung über die Volkswirtschaft. Das Zeitalter der Volksgenossenschaft, Berlin 1915 (2. A. Der Krieg und die Volkswirtschaft, Münster 1915) vgl. Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität während des Ersten Weltkrieges und der Novemberrevolution (1914-1919), Phil. Diss. Münster 1944, S. 4 2 - 4 6 vgl. Schreiben Plenges an Meister vom 25. 7. 1918, UB BI Nachlaß Plenge, Meister vgl. Schreiben Plenges an O t t o Hoffmann vom 28. 10. 1919 und vom 29. /30. 10. 1919, UBBI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß, und Schreiben Plenges an das PKM vom 9. 4. 1920, UA MS Kur. Fach 13 Nr. 10, Bd. 2; siehe auch die Fortsetzung der Auseinandersetzungen in den von PLENGE betreuten Dissertationen vgl. die Vorlesungsverzeichnisse der W W U vom WS 1918/19 bis SS 1922
Das Verhältnis zwischen PLENGE und den übrigen Universitätsmitgliedern verschlechterte sich eher noch, als der Soziologe in den Nachkriegsjahren seinem Ausbildungsprogramm wieder näherrücken konnte: Der sozialdemokratische Kultusminister Konrad HAENISCH (1876-1925), der vom Kritiker zum überzeugten Anhänger der Lehren PLENGEs geworden war, unterstützte dessen Institutspläne ebenso wie sein Staatssekretär und späterer Nachfolger Carl Heinrich BECKER (1876-1933), der darin einen Ansatz zu der von ihm für notwendig gehaltenen Hochschulreform sah.138 In BECKERs Beisein wurde am 11. Mai 1920 im ehemaligen „Paulinum" das „Staatswissenschaftliche Unterrichtsinstitut" unter PLENGEs Leitung eröffnet, das mit neuen Lehrmitteln und -verfahren gestraffte volkswirtschaftliche, sozio- und politologische Schulung in enger Verbindung zur Praxis bieten sollte.139 In den drei Jahren seines Bestehens verhalf PLENGEs Institut den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Münster zu „besonderem Glanz". 140 Vor allem die aus ganz Deutschland besuchten „Akademischen Gewerkschaftskurse", ebenfalls der Ausbildung „sozialer Funktionäre" dienlich, trugen zu seinem Ruf als Modell der Zusammenarbeit von Universität und Volksbildung bei.141 Seinen Unterricht baute PLENGE auf einem von ihm selbst entwickelten „Tafelwerk" auf, das seine inzwischen zur „allgemeinen Organisationslehre" ausgereiften „Ideen von 1914" veranschaulichen und auf einfachste Weise einen Einblick in das komplexe Gesellschaftsgefüge, „eine synoptische Zusammenschau unserer gesamten Lebens- und Daseinswirklichkeit" liefern sollte.142 Da er sein Tafelwerk jedoch nur im Vortrag kommentierte, blieb es bis heute auch für Kenner seiner Arbeit in weiten Teilen unverständlich. Für seine Propagandalehre galt das nicht. PLENGE entwickelte sie 1921 aus der Erkenntnis heraus, daß Organisation und Propaganda zusammengehören — Propaganda sozusagen als einziges einheitsstiftendes Moment des organisierten Sozialismus, um das Aufgehen des ,Ich' im Volksganzen reibungslos zu gewährleisten.143 Er ging von der These aus: 138
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vgl. Norbert Reichling, Johann Plenge und die „Akademischen Gewerkschaftskurse", a.a.O., S. 65, und Erich Wende, C.H. Becker, Mensch und Politiker. Ein biographischer Beitrag zur Kulturgeschichte der Weimarer Republik, Stuttgart: DVA 1959, S. 129 u. 136 vgl. Albert Rasch, Die Eröffnung des Staatswissenschaftlichen Instituts der Universität Münster, in: Wirtschaftliche Nachrichten aus dem Ruhrbezirk 1 (1920), S. 179; ferner Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität, a.a.O., S. 29 - 30 Helmut Koch/Herbert Timm, Die Wirtschaftswissenschaften an der Universität Münster, in: Die Universität Münster 1780- 1980, i.A. des Rektors hg. v. Heinz Dollinger, Münster: Aschendorff 1980, S. 281-283/281 vgl. Norbert Reichling, Johann Plenge und die „Akademischen Gewerkschaftskurse", a.a.O., S. 64 Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 13 Johann Plenge, Deutsche Propaganda. Die Lehre von der Propaganda als praktische Gesellschaftslehre, Bremen: Angelsachsen Verlag 1921, S. 11; vgl. dazu Norbert Reichling, Johann Plenge und die „Akademischen Gewerkschaftskurse", a.a.O., S. 67
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„Propaganda ist die Verbreitung geistiger Antriebe, die Handlungen auslösen soll."144 Sie nutze die sozialen Nachahmungsgesetze zur unbewußten Beeinflussung,145 erfordere Menschenkenntnis und Wissen um die gesellschaftlichen Strukturen und könne, als „sozialpsychologische Aufgabe" betrachtet, von der Willensbestärkung bis zur Gegenpropaganda reichen.146 PLENGE stritt die Möglichkeit, über Lügen und Verschleierungen propagandistische Erfolge zu erzielen, zwar nicht ab, glaubte aber, daß letztlich die Wahrheit der stärkste Bundesgenosse der Propaganda sei, mit der die deutsche Propaganda sich außenpolitisch am besten behaupten könne. 147 Hierin deckte er sich mit anderen zeitgenössischen Schriften zur Propaganda wie Edgar STERN-RUBARTHs „Die Propaganda als politisches Instrument" 148 oder Walther HEIDEs „Deutsche Propaganda als Aufbaufaktor", der die zahlreichen Anleihen bei PLENGE freilich verschweigt.149 Hatte PLENGE noch 1916 ausdrücklich die Presse als Hauptträger gesellschaftlicher Beeinflussungsstrategien genannt, so kamen die Worte „Zeitung" und „Presse" in seiner Propagandalehre nicht einmal mehr vor, geschweige denn ein ausdrücklicher Bezug zur Zeitungswissenschaft. Statt dessen sprach er von einer Vielzahl der Propagandamittel vom Wort bis zur Zahl und vom Bild bis zum Symbol, die der Vielfalt der Formen und Anwendungsmöglichkeiten der Propaganda im privaten und gesellschaftlichen Bereich entspreche.150 Bemerkenswert ist die darin liegende Verwandtschaft zu der erst 1926 von Karl JAGER (1897— 1927) erhobenen Forderung nach Ausweitung und Vertiefung der Zeitungswissenschaft durch eine Verlagerung des Gegenstandes von der Zeitung auf die „Mitteilung als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewußtseins."151 Noch stärker drängt sich die Ähnlichkeit mit der erst in den 30er Jahren entwickelten „Zeichentheorie" Hans Amandus MUNSTERs auf.152 Soweit ,ge144 145 144 147 148
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Johann Plenge, Deutsche Propaganda, a.a.O., S. 11 ebenda, S. 73 ebenda, S. 29 ebenda, S. 36 Edgar Stern-Rubarth, Die Propaganda als politisches Instrument, 2. A., Berlin: Trawitsch & Sohn 1921 Walther Heide, Deutsche Propaganda als Aufbaufaktor, in: ders. (Hg.), Wieder Empor! Ein Wegweiser für das deutsche Volk, Essen: G.D. Baedeker 1922, S. 2 6 - 4 1 Johann Plenge, Deutsche Propaganda, a.a.O., S. 30 et passim Karl Jäger, Von der Zeitungskunde zur publizistischen Wissenschaft, Jena: Fischer 1926 MÜNSTER führte die Publizistik auf die Zeichengebung - Zeichen als .Urformen' der menschlichen Verständigung — zurück und unterschied zwischen Zeichen als Verständigungsmöglichkeiten und Zeichenträgern als Verständigungsmittel, wobei er der Wissenschaft von der Publizistik nur die Zeichengebung zuordnete, die das Kriterium der „öffentlichen Wirksamkeit" erfüllte. Eine systematische Darstellung dieser Theorie legte MÜNSTER im „Baum der Publizistik" vor - Hans Amandus Münster, Zeitung und Politik. Eine Einführung in die Zeitungswissenschaft, Leipzig: Noske 1935
seilschaftliches Bewußtsein* in .öffentlicher Meinung' zum Ausdruck kommt, war es für PLENGE freilich selbst nichts als ein Produkt wissenschaftlich betriebener Meinungslenkung: „Was wir öffentliche Meinung nennen, ist doch eine Stellungnahme der Bevölkerung auf Grund des Ineinanderwirkens zahlreicher Einzelströme von Nachrichten und von Propaganda."153 Diese Einschätzung entsprach seiner dem „nationalen Sozialismus" zugrunde liegenden Gesellschaftstheorie, „die der wissenschaftlichen Reflexion alles, dem politisch-pluralistischen Disput und der demokratischen Willensbildung nichts zutraut," 154 und weist in dieser Form schon auf die .Weiterentwicklung' der Theorie von der Publizistik im Nationalsozialismus hin. Ob sich PLENGE der Bedeutung seines Ansatzes für eine besondere Wissenschaft von der Kommunikation bewußt war, ist fraglich: Er, der sonst „um die Urheberschaft jedes Gedankens" stritt,155 nahm zum Streit um die Publizistik im Rahmen der Zeitungswissenschaft nie Stellung und versuchte auch nie, den Trumpf seiner Propagandalehre im Konkurrenzkampf zwischen sich und MEISTER einzusetzen. Offenbar drängte sich ihm der Zusammenhang zwischen Presse, Journalismus und Propaganda nicht auf. Umso mehr diente er sich nach 1933, wenn auch erfolglos, den nationalsozialistischen Machthabern als geistiger Vater ihrer „Lehre" und Propagandamethoden an. Er glaubte im Nationalsozialismus die Verwirklichung seines organisatorischen Sozialismus zu erkennen, zumal er die Urheberschaft des Begriffes „Drittes Reich" für sich beanspruchte. 156 Ob ihm nur zum Vorwurf gemacht werden kann, daß er sich nicht „gegen den Mißbrauch von Gedanken" wehrte, 157 oder ob seine demokratiefeindliche Lehre eines „Führersozialismus"158 sich nicht tatsächlich als theoretischer .Überbau* des Nationalsozialismus anbot, soll hier nicht entschieden werden. Jedenfalls kamen PLENGEs politische Vorstellungen gerade der frühen norddeutschen Richtung der NSDAP entgegen, der sich der spätere Propagandaminister Joseph GOEBBELS zuerst anschloß.159 Auch die für GOEBBELS typische pseudoreligiöse Propagandasprache wies in Begriffen und Symbolen einige Ähnlichkeiten mit 153 154
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Johann Plenge, Deutsche Propaganda, a.a.O., S. 40 Norbert Reichling, Johann Plenge und die „Akademischen Gewerkschaftskurse", a.a.O., S. 73 Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 8 Johann Plenge, Meine Anmeldung zum Bund Schlageter e.V. Als Handschrift für Gesinnungsgenossen. Mit der Verkündigung der Volksgenossenschaft der Arbeit am 31. Juli 1914, der Verheissung des „nationalen Sozialismus" aus den „Ideen von 1914" in meinen Kriegsschriften (1914 bis 1918) und dem Verlagsprogramm vom Juli 1919 mit dem ersten Symbol für „Das Dritte Reich", Münster: Bredt 1933, S. 12 et passim. Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 12 Norbert Reichling, Johann Plenge und die „Akademischen Gewerkschaftskurse", a.a.O., S. 74 vgl. Ernst K. Bramstedt, Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda 1925 - 1945, Frankfurt a.M.: S. Fischer 1971
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P L E N G E s Vokabular auf. 160 Daß P L E N G E selbst H I T L E R als „Nachläufer" bezeichnete und ihm vorhielt, „das Ineinander von Idee, Organisation und Propaganda von mir übernommen" zu haben, 161 erscheint so abwegig nicht, wenn man das Kapitel „Propaganda und Organisation" in H I T L E R s „Mein K a m p f " mit P L E N G E s Propagandalehre vergleicht. 162 In den Jahren 1920 bis 1923, in denen P L E N G E die Propagandalehre entwarf und seine Organisationslehre festigte, trat er auch als Doktorvater bei Dissertationen zu Presse- und Propagandafragen auf. Abgesehen von einer rein wirtschaftswissenschaftlichen Arbeit zur Pressewirtschaft, die sich mit publizistischen Phänomenen nicht befaßte und gleichwohl Eingang in zeitungswissenschaftliche Fachbibliographien fand, 163 regte P L E N G E in dieser Zeit sieben Arbeiten zu diesem Themenbereich an.164 Drei Arbeiten davon — zur Sport-, Wirtschafts- und politischen Propaganda — firmierten ausdrücklich als erste Schülerbeiträge zu P L E N G E s Propagandalehre. Abgesehen von der Studie zur Sportpropaganda, die sich auch um eine Darstellung der Entwicklung der Sportpresse von fast rein internen Fachzeitschriften bis hin zu aktuellen Sportzeitschriften bemühte, gingen diese Beiträge jedoch — zumindest den Auszügen nach — weder auf die Presse als Propagandamedium noch auf andere konkrete Forschungsaspekte ein. Entsprechend P L E N G E s eigener Arbeitsweise — „Plenge war unbekümmert um die geheiligten Traditionen der Wissenschaft. ( . . . ) Er zitiert kaum, es sei denn, sich selbst; (...); er beweist nicht, sondern behauptet; er analysiert nicht, sondern predigt." 165
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vgl. ebenda, S. 87 Johann Plenge, Meine Anmeldung zum Bund Schlageter, a.a.O., S. 21 u. 11 vgl. Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 9 Hierbei ist das Datum der mündlichen Prüfung zu berücksichtigen, da die meisten Arbeiten aufgrund der Inflation erst Jahre später und oft nur im Auszug gedruckt wurden: - Paul Schleich, Die Abonnentenversicherung, Rer. pol. Diss. vom 28. 7. 1919 (mdl. Prüfung 20. 2. 1914) — Hubert Thomann, Die „Kölnische Volkszeitung" im Kampf um die Gesellschaftsordnung im Krieg und Revolution, Rer. pol. Diss. vom 12. 11. 1921 (mdl. Prüfung 1. 8. 1921) - Hermann Ries, Das oldenburgische Zeitungswesen. (Eine soziologische Studie). Rer. pol. Diss. vom 5. 2. 1922 (mdl. Prüfung 30. 11. 1921) - Bernhard Ernst, Sportpresse und Sportberichterstattung mit besonderer Berücksichtigung Westdeutschlands. Eine kritische Studie zur Sportpropaganda, Rer. pol. Diss. vom 21. 2. 1925 (mdl. Prüfung 29. 9. 1922) - Bruno Rauthe, Wirtschaftspropaganda, Rer. Pol. Diss. vom 14. 4. 1926 (mdl. Prüfung 6. 12. 1922) - Arthur Eberhard Ruppert, Die moderne Jugendbewegung im Spiegel der Presse des Ruhrgebietes, Rer. pol. Diss. vom 13. 3. 1926 (mdl. Prüfung 6. 3. 1923) - Hans Contzen, Die Stellung des Redakteurs in Wirtschaft und Gesellschaft, Rer. pol. Diss. vom 19. 7. 1926 (mdl. Prüfung 24. 7. 1923) Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 7
— wurden hauptsächlich Thesen zur Bekräftigung von P L E N G E s Propagandalehre aufgestellt, ohne Beweisgründe oder Quellen anzuführen. 166 Als Beiträge zur Organisationssoziologie, wohl aber auch als Antwort auf die an der Philosophischen Fakultät betriebene Zeitungskunde sind die zur gleichen Zeit bei P L E N G E entstandenen Presse-Dissertationen zu verstehen: Teilweise benutzten sie zwar den gleichen, nur auf die Gegenwart bezogenen „Presse als S p i e g e l . . ."-Ansatz wie die philologische Pressehistoriographie, 167 teilweise bemühten sie sich jedoch um einen umfassenden, die gesellschaftlichen, ökonomischen, betriebstechnischen und politischen Rahmenbedingungen berücksichtigenden Zugriff auf das Phänomen ,Presse*. So hebt sich die ausdrücklich als „soziologisch" bezeichnete Studie Hermann RIES' über „Das oldenburgische Zeitungswesen" von pressehistorischen Verfahren durch die Berücksichtigung der Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur Oldenburgs, der materiellen und personellen Organisationsformen der verschiedenen Zeitungen und Nachrichtendienste und schließlich der Gestaltung der Zeitungen einschließlich des Verhältnisses von Text- und Anzeigenteil ab. 168 Im Gegensatz zur historischen Zeitungskunde, die sich dem Journalistenberuf vorwiegend in biographischer Behandlung publizistischer Persönlichkeiten zuwandte, versuchte Hans C O N T Z E N in „Die Stellung des Redakteurs in Wirtschaft und Gesellschaft" eine sachliche Bestandsaufnahme des journalistischen Berufsbildes abzugeben. 169 Dabei orientierte er sich an der Arbeitnehmerstellung des Redakteurs, die in dem von der Zeitungs- und Publizistikwissenschaft mitgetragenen, idealisierten Berufsbild des Standes noch Jahrzehnte später unberücksichtigt blieb. 170 Das heißt nicht, daß C O N T Z E N völlig desillusionierend zu Werke ging: Der Begriff des Redakteurs als .Anwalt der öffentlichen Meinung' blieb bei ihm unangefochten, was sicher nicht nur im Sinne des Rheinisch-Westfälischen und des Deutschen Presseverbandes war, die ihn bei dieser Arbeit mit Auskünften unterstützt hatten, 171 sondern auch der Sichtweise des Hauptreferenten Johann P L E N G E entsprach: Unparteiischer Journalismus in Form .objektiver' Berichterstattung wäre mit der Aufgabe „sozialer Funktionäre" gewiß nicht zu vereinbaren gewesen. Auch von dem Klischee des .geborenen Journalisten' rückte C O N T Z E N nicht ab, forderte freilich ein „Mindestmaß 166 Bezeichnenderweise erhielt die Arbeit Bruno Rauthes ein „magna cum laude" trotz der Feststellung der Prüfungskommission, daß sämtliche Quellennachweise fehlten; vgl. UA MS RS Prom.-Akte 653 (Bruno Rauthe) 167
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so Hubert Thomann, Die „Kölnische Volkszeitung", a.a.O. und Arthur Eduard Ruppert, Die moderne Jugendbewegung, a.a.O. Hermann Ries, Das oldenburgische Zeitungswesen, a.a.O. Hans Contzen, Die Stellung des Redakteurs, a.a.O. vgl. Siegfried Weischenberg, Journalismus, in: Kurt Koszyk/Karl Hugo Pruys, Handbuch der Massenkommunikation, München: dtv 1981, S. 9 6 - 9 9 / 9 7 Hans Contzen, Die Stellung des Redakteurs, a.a.O., Vorwort
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in der Vorbildung", das er durch ein abgeschlossenes Studium am sichersten gewährleistet sah.172 Hier setzte sich die Rivalität zwischen den Fakultäten fort: C O N T Z E N empfahl nicht nur die Volkswirtschaft — jedenfalls in der von P L E N G E angebotenen F o r m — als geeignetste Grundlage für den Presseberuf, 173 sondern verlangte die Angliederung aller an Hochschulen eingerichteten zeitungskundlichen Seminare, Übungen und Vorlesungen an die staatswissenschaftlichen Fakultäten: „Seminare, die an die philosophisch-historisch-philologischen Lehrpläne anknüpfen, enthalten die große Gefahr, daß die Zeitungskunde rein vom historischen oder philologischen Standpunkt angefaßt wird, daß es zu einer Hilfsdisziplin der Geschichte oder der Literatur wird und zu wenig praktische Ergebnisse gezeitigt werden. Dabei soll durchaus nicht verkannt werden, daß gerade auch hier die Anfänge liegen, sich überhaupt wissenschaftlich mit der Zeitung zu beschäftigen." 174 Hatte mit der Einrichtung des „Staatswissenschaftlichen Unterrichtsinstituts" PLENGEs „bedeutendste Schaffensperiode" begonnen, 175 so wurde sie im Frühjahr 1923 jäh unterbrochen: In einem in der deutschen Universitätsgeschichte wohl beispiellosen Vorgang nutzte die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Münster eine längere Abwesenheit P L E N G E s aus, um sein Institut aufzulösen und in zahlreiche Seminare zu verwandeln. 176 Die Erklärung, „daß Plenge als ,enfant terrible' der nationalökonomischen Zunft immer wieder die Spielregeln der akademischen Korporation durchbrach", 177 faßt zahlreiche fakultätsinterne Streitigkeiten wissenschaftlicher und persönlicher N a t u r zusammen, die P L E N G E bevorzugt in der Öffentlichkeit austrug, ohne den Weg des persönlichen Ausgleiches zu suchen. 178 Beim Preußischen Kultusministerium, das das Werk des Wissenschaftlers über die persönliche Pathologie stellte, fand die .entnervte' Fakultät anfangs nur wenig Unterstützung. Nachträglich billigte der Kultusminister O t t o BOELITZ freilich die Maßnahme der Fakultät als Möglichkeit, P L E N G E einen Sonderstatus zu verleihen, damit „an Stelle persönlicher Auseinandersetzungen künftig die auf ihrem Wissensgebiet (PLENGEs/B.M.) heute doppelt notwendige sachliche Arbeit tritt." 1 7 ' P L E N G E wurde zum Direktor eines neugegründeten „Instituts für Organisationslehre" ernannt, das einen eigenen Etat erhalten sollte, während die verbleibenden Seminare des Staatswissenschaftlichen Unterrichtsinstituts zu einem eigenen, der Fakultät angeschlossenem Staatswis172 173 174 175 176 177
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ebenda, S. 80 ff. ebenda, S. 85 ebenda, S. 87 Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 6 vgl. Bernhard Schäfers, Johann Plenge, a.a.O., und Hanns Linhardt, Vorwort, a.a.O. Norbert Reichling, Johann Plenge und die „Akademischen Gewerkschaftskurse", a.a.O., S. 72 vgl. die einzelnen Vorgänge in den umfangreichen Personalakten Plenges: UA MS N U PA 96, UA MS Kur. PA 6956 I - V I I ; U A M S Phil. Fak. PA 105, I - VII; UA MS RS PA 16, I - n i Schreiben des PKM an Plenge vom 9. 5. 1923, UA MS RS C I Nr. 4,1
senschaftlichen Seminar zusammengefaßt wurden, an deren Leitung PLENGE nicht mehr beteiligt war. Auf PLENGEs eigenen Wunsch entband ihn der Minister mit der Ernennung zum Institutsdirektor von seinen Rechten als Fakultätsmitglied mit Ausnahme der Beteiligung an von ihm selbst angeregten Promotionen und verzichtete auch darauf, PLENGE zum Mitglied der Prüfungskommission für Diplom-Volkswirte zu ernennen.180 An der Universität galt der Soziologe allerdings fortan als Verfemter : Studenten, die seine Vorlesungen besuchen, hatten bei anderen Ordinarien einen schlechten Stand.181 Eine Ausnahme stellte sein Fakultätskollege Werner Friedrich BRUCK dar, der seinen Schülern den Besuch bei PLENGE empfahl, obwohl er bald selbst zur Zielscheibe persönlicher Angriffe PLENGEs wurde.182 PLENGE verwandt die Zerstörung seines ersten Institutes nie. Seine damit verbundenen pädagogischen Ambitionen nahm er auch nicht wieder auf, als ihm 1923/25 die neue Einrichtung, das „Forschungsinstitut für Organisationslehre und allgemeine und vergleichende Soziologie", zur Verfügung gestellt wurde. Die Zeitung, aus der er schon für die Nationalökonomie in Lehre und Forschung Gewinn gezogen hatte, nahm auch in dem Soziologischen Institut einen festen Platz als Quelle ein, denn: „Der Journalismus steht der Gesellschaftswissenschaft innerlich nahe, weil sie wesentlich eine Beobachtungswissenschaft unserer menschlichgesellschaftlichen Gegenwart mit dem Ringen um die Gestaltung ihrer Zukunft sein muß. Der Journalismus ist also in mancher Hinsicht der nicht immer ganz zuverlässige Aufklärungstrupp der Soziologie."183 Bei dieser Feststellung beließ es PLENGE freilich - eigene Forschungen zum Journalismus regte er nicht mehr an. Ohnehin betrieb er in seinem Institut, der aufwendigsten soziologischen Einrichtung im Deutschland der 20er Jahre,184 nach eigenen Worten nur noch „politische Soziologie" im weitesten Sinne.185 Er vergrub sich in den kaum von klärenden Veröffentlichungen begleiteten Ausbau seiner Organisations- und Beziehungslehre im engeren Sinne,
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ebenda vgl. Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 9 vgl. Hanns Linhardt, Vorwon, a.a.O. und UA MS N U PA 22 (Dr. Werner Friedrich Bruck) und UA MS RS PA 3 (Prof. Dr. Rer. pol. Werner Friedrich Bruck), ferner UB BI Plenge-Nachlaß, Bruck Johann Plenge, Das Forschungsinstitut für Organisationslehre und allgemeine und vergleichende Soziologie bei der Universität Münster, Münster: Staatswissenschaftliche Verlagsgesellschaft 1928, S. 23, Hervorhebung im Original vgl. Bernhard Schäfers, Johann Plenge, a.a.O. Johann Plenge, Für ein Seminarreferat über mein Lebenswerk. Aus einem Brief vom 19. 5. 1938, zitiert nach Bernhard Schäfers, Einleitung, a.a.O., S. 16; tatsächlich stagnierte wohl der ganze Forschungsbetrieb infolge der zunehmenden Unkontrolliertheit PLENGEs - vgl. Josef Pieper, Noch wußte es niemand. Autobiographische Aufzeichnungen 1904-1945, München: Kesel-Verlag 1976, S. 86-85 u. 93-97
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die für ihn Kern aller anthropologischen Wissenschaften war. 186 Während die Beziehungslehre im engeren Sinne, deren Exponent Leopold von W I E S E (1876 - 1969) war, im Deutschland der 30er Jahre mehr Einfluß hatte als die Arbeiten Max W E B E R s (1864 - 1920), 187 geriet P L E N G E in der Fachwelt zunehmend in Vergessenheit. 188 Sein Institut wurde 1934/35 geschlossen und er selbst zwangsemeritiert, nachdem den Nationalsozialisten der eifernde Professor, der sich als NS-Prophet verkannt fühlte, zu lästig geworden war. Bis zu seiner Wiedereinsetzung im Sommersemester 1947 als von seinen amtlichen Pflichten entbundener Honorarprofessor und auch danach widmete sich P L E N G E neben seinen philosophischen Studien und dem Ausbau seines Tafelwerkes der Erforschung der Gestalt des Malers Matthias G R U N E W A L D . Später wandte er sich der Theologie und Musikwissenschaft zu. Auch hier wollte er „Entdecker und ,Spurengeber' sein", 1 8 9 entzog sich aber durch die Mißachtung jeglichen fachwissenschaftlichen Austausches von vornherein der Kritikwürdigkeit. 190 Johann P L E N G E starb nach 50jähriger Zugehörigkeit zur Universität Münster am 11. September 1963 im Alter von 90 Jahren.
V. Von der Kriegsnachrichten-Sammelstelle zum Historischen Zeitungsseminar und -archiv a) Die Grundlagen Die Presse als Quelle der neueren Geschichte hatte unter den Historikern des Kaiserreiches nur zögernd Beachtung gefunden.1 Gerade der Stolz auf die quellenkundlichen Leistungen des Historismus durch die systematische Erschließung von Akten und Dokumenten hielt die Zunftvertreter von einer Beschäftigung mit der .unzuverlässigen' Quellengattung der periodischen Literatur zurück. Bekannt ist der Spott Heinrich T R E I T S C H K E s über das 186
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Johann Plenge, Obtinenz und Realität. Uber Wirklichkeitssysteme. An Erich Rothacker, abgedruckt in : Bernhard Schäfers, Soziologie und Sozialismus, a.a.O., S. 140-193; vgl. Thomas Neumann, Zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft, a.a.O., S. 138 f.; vgl. ferner Bernhard Schäfers, Johann Plenge, a.a.O. vgl. Heine von Alemann, Geschichte und Arbeitsweise des Forschungsinstituts für Sozialwissenschaften in Köln 1919 bis 1934, in: Erwin K. Scheuch/Heine von Alemann (Hg.), Das Forschungsinstitut. Formen der Institutionalisierung von Wissenschaft, Erlangen: Institut für Gesellschaft und Wissenschaft 1978, S. 119-164/164 (Anmerkung 54) Bernhard Schäfers, Soziologie und Wirklichkeitsbildung, in: ders. (Hg.), Soziologie und Sozialismus, a.a.O., S. 162 Johann Plenge, Für ein Seminarreferat, a.a.O. vgl. Thomas Neumann, Zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft, in: Bernhard Schäfers, Soziologie und Sozialismus, a.a.O., S. 123-148/126; ferner HStA Düsseldorf Rep. N W 5-542, mit dem Experten-Briefwechsel zu Plenges .Kunstentdeckungen' vgl. Rüdiger vom Bruch, Zeitungswissenschaft zwischen Historie und Nationalökonomie, in: Publizistik 27. Jg. (1980), S. 579-607, bes. S. 585-588
schlechte Papier der Zeitungen, das schon zerfallen sein werde, ehe ihr Inhalt für die historische Forschung Bedeutung gewinne. 2 Dem war zwar nicht so - das ungewöhnlich frühe Interesse der Geschichtswissenschaft an der Aufarbeitung der BISMARCK-Ara führte schon nach der Jahrhundertwende etliche Historiker dazu, den Zusammenhang der BISMARCKschen Politik und der Publizistik seiner Zeit zu berücksichtigen - , doch die Forscher, die sich in diesem Zusammenhang der Presse zuwandten, fanden immerhin eine völlig desolate Quellenlage vor. Kaum eine Zeitung oder Zeitschrift war in Archiven oder Bibliotheken vollständig gesammelt worden, über die spärlichen Bestände gab es nicht einmal einen Uberblick. Wegweisend wirkte in dieser Situation der Vortrag des Historikers Martin S P A H N (1873-1945) auf dem internationalen Historikertag in Berlin 1908 über „die Zeitung als Geschichtsquelle", der eine breite Resonanz fand. 3 S P A H N forderte darin sowohl die methodische Auseinandersetzung mit der bisher unerschlossenen Quellengattung .Presse' als auch die Einrichtung regionaler Zeitungsarchive und eines zentralen Reichszeitungsmuseums. Die Nutzbarmachung der Presse als Quelle der allgemeinen Geschichte, so betonte er, setze zunächst die Kenntnis ihrer eigenen Entwicklung voraus - ohne pressehistorische Grundlagenforschung könne die allgemeine Geschichtsschreibung von dieser Quellengattung noch nicht profitieren. An der jungen Universität Münster fielen diese Anregungen schon auf fruchtbaren Boden: Gelehrte wie Julius S C H W E R I N G und Aloys M E I S T E R hatten sich der Presse und dem kulturhistorisch interessanten Phänomen der ,öffentlichen Meinung' schon frühzeitig zugewandt, ohne sich freilich von vornherein der methodologischen Probleme bewußt zu sein. Die Materiallage war allerdings in Münster mindestens ebenso schlecht wie an den anderen Universitäten und Bibliotheken: Die Universitätsbibliothek hatte zur Zeit der ehemaligen Akademie bis 1870 überhaupt keine Zeitungen gesammelt und konnte auch später nur einen geringen Teil ihres Etats für derartige Anschaffungen verwenden. 4 Karl d ' E S T E R (1884-1960), der mit seiner von S C H W E R I N G angeregten Dissertation über „das Zeitungswesen in Westfalen von den ersten Anfängen bis zum Jahre 1813" Pionierarbeit leistete, war auf Privatsammlungen und — soweit vorhanden — Verlagsarchive angewiesen. 5 Diese Erfahrung veranlaßte d ' E S T E R , den Direktor der Dortmunder Stadtbibliothek Erich S C H U L Z (1874-1941), mit dem er seit 1907 befreundet war, vgl. Martin Spahn, Die Presse als Quelle der neuesten Geschichte und ihre gegenwärtigen Benutzungsmöglichkeiten, in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, 2. Jg. (1908), Sp. 1 1 6 4 - 1 1 7 0 , 1 2 0 2 - 1 2 1 2 / 1 1 6 5 3 ebenda * vgl. Alois Klotzbücher, Von der Wilhelm-Auguste-Viktoria-Bücherei zur Stadt- und Landesbibliothek (1907 - 1932), in: ders. (Hg.), von Büchern und Bibliotheken in Dortmund, Dortmund: Ruhfus 1982. S. 31-99/45 5 Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, München: Pohl & Co. 1951, S. 142 und ders., Traum eines Lebens, Ingolstadt: Verlag Donau-Kurier 1957, S. 31-32 2
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auf die Bedeutung systematischer Zeitungssammlungen hinzuweisen. SCHULZ, der schon vor der Gründung der Stadtbibliothek im Jahre 1908 Zeitungsausschnittsammlungen zu bestimmten Themenkreisen angelegt hatte, berücksichtigte daher von Anfang an den Aufbau eines westfälischen Zeitungsarchives.6 Wenig später, 1910, schlug der Münsteraner Historiker Georg ERLER auch der Historischen Kommission für die Provinz Westfalen, deren Vorsitzender er als Vorgänger MEISTERs war, die Sammlung westfälischer Periodika vor. 7 All diese Bestrebungen erhielten jedoch erst nach Ausbruch des ersten Weltkrieges durch die Bemühungen um kriegsbegleitende Forschungen Auftrieb. Die Erfahrung der überlegenen gegnerischen Propaganda und das Bedürfnis, den flüchtigen Niederschlag des ,Zeitgeistes' als Zeugnis der schon als historisch bedeutend erlebten Gegenwart für die Nachwelt zu bewahren, führten so unter anderem an verschiedenen Orten zur Einrichtung von Kriegsbriefsammlungen und Ausschnittarchiven. 8 Das Vorbild für die 1915 an der Universität Münster ins Leben gerufene Kriegsnachrichtensammelstelle war offenbar die schon im Dezember 1914 gegründete Sammelstelle der Universität Jena, die unter anderem ihre Aufgabe in einer möglichst wirksamen Auslandsaufklärung durch Versendung von Informationsmaterial ins neutrale, Beförderung von Briefen ins feindliche Ausland und Auskunftsammlung über Gefangene sah und darin vom Stellverretenden Generalkommando des 11. Armeekorps Kassel unterstützt wurde. 9 Am 30. April 1915 nahm der Senat der Westfälischen Wilhelms-Universität die Empfehlung zur Nachahmung auf, mit der sich der Prorektor der Jenaer Hochschule an die deutschen Universitäten gewandt hatte. Aloys MEISTER, der mit dem Aufbau einer ähnlichen Einrichtung beauftragt wurde, bemühte sich von Anfang an um die Unterstützung des Stellvertretenden Generalkommandos des 7. Armeekorps in Münster und der Regierungsbehörden. 10 Tatsächlich verlieh der kommandierende General Georg Freiherr von GAYL der Einrichtung mit Erlaß vom 14. Juli 1915 unter dem Titel „Kriegsnachrichtensammelstelle des VII. Armeekorps (Münster)" den Charakter einer militäri-
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vgl. H i n s Bohrmann, G r ü n d u n g u n d Entwicklung des Instituts für Zeitungsforschung in der Weimarer Republik, in: Alois Klotzbücher, V o n Büchern und Bibliotheken, a.a.O., S. 101-108/101 vgl. Aloys Meister, 30 Jahre Historische Kommission für die Provinz Westfalen 1 8 9 6 - 1925, in: Westfalen 11 (1921/22), S. 65-87/11 Ernst Götz, Sammlung u n d N u t z b a r m a c h u n g der Zeitungen, in: Grenzboten, 75. Jg. (3/4 1916), S. 118-127/125; G Ö T Z weist besonders auf die Einrichtungen der Professoren H E R R E und E U L E N B E R G an den Universitäten Jena und Leipzig hin sowie auf das „Hessische Kriegszeitungsarchiv" in Darmstadt. H e i n z Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster während des ersten Weltkrieges und der Novemberrevolution (1914-1919), Phil. Diss. Münster 1944, S. 51 U A MS Senatsprotokollbuch 1895/96 - SS 1921, S. 262-264; vgl. Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität, a.a.O.
sehen Behörde" und festigte damit das schon vorher geknüpfte Band zwischen der Universität und den Militärstellen. Aufrufe in Zeitungen und Zeitschriften appellierten nun an die Öffentlichkeit, Feldpostbriefe und Tagebücher, in denen sich das Kriegserlebnis widerspiegele, zum Zwecke der wissenschaftlichen Erforschung einzusenden, damit der Nachwelt der patriotische Geist der Kriegsjahre überliefert werden könne. Das darauf eingehende Material wurde in einem Raum des Historischen Seminars gesammelt und bearbeitet. Ein beratender Vorstand, der sich aus den Dozenten des Historischen Seminars und dem Juristen Rudolf HIS als Senatsvertreter zusammensetzte, unterstützte MEISTER in dieser Arbeit. Freiwillige Studenten erfüllten die anfallende Büroarbeit. Ein Jahr später erweiterte man die Sammelstelle auf Veranlassung des Großen Generalstabes um eine zweite, militärische Abteilung, die ebenfalls MEISTER unterstand. In ihr wurden die Briefe auf militärisch wichtige Fragen hin überprüft. Wenig später kam als Drittes eine .Zeitungsabteilung' hinzu, in der ausschließlich Studentinnen arbeiteten. Neben Briefen, die schon in Zeitungen veröffentlicht worden waren, wurden hier auch Presseausschnitte gesammelt, die sich auf das Kriegsgeschehen bezogen.12 Während das gesamte Briefmaterial der Sammelstelle in der Endphase des Krieges verloren ging,13 konnte Aloys MEISTER die Zeitungsausschnittsammlung in den Revolutionstagen des Novembers 1918 „dem Flammentod entreißen" 14 und als „umfangreiches, vor allem für Pressefragen gehaltreiches Zeitungsarchiv" für seine weiteren Pläne sichern.15 Obwohl die äußeren Umstände ungünstiger denn je waren - die wirtschaftlichen Verhältnisse der Nachkriegszeit brachten auch die Hochschulen in Bedrängnis, freiwillige Studenten, wie sie MEISTER für seine Kriegsnachrichtensammelstelle gewinnen konnte, blieben nun aus 16 — setzte der Historiker nun alles darein, die in seiner Monographie „Deutsche Presse" entwickelten Gedanken über ein Zeitungsarchiv mit angeschlossenem Zeitungsseminar in die Tat umzusetzen.
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vgl. Aloys Meister, Die Kriegsnachrichtensammelstelle des VII. A.K. an der Universität Münster, in: Westfalen, 8. Jg. (1916), S. 61-65/62 vgl. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. an das PKM vom 25. 4. 1921, in: US MS Kur. PA 95 (d'Ester); ferner Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität, a.a.O., S. 54 13 ebenda, S. 55 und 208 14 Walther Heide, Die Zeitungswissenschaft in Westfalen, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 618 vom 17. 7. 1925 15 Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Grimmert) an das PKM vom 25. 4. 1921, a.a.O.; die Ausschnittsammlung befindet sich heute im Archiv des Instituts für Publizistik der Universität Münster. " vgl. Schreiben Meisters an das PKM vom 24. 12. 1919, HStA Düsseldorf Rep. N W 5-481, und das Schreiben Meisters an den Kurator vom 29. 5. 1920, UA MS Kur. F 13 Nr. 10 12
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Schon vor Ende des Krieges trug er dem Zeitungsausschuß der Universität seine Pläne im einzelnen vor. 17 Ursprünglich hatte er wohl gehofft, die Einrichtung zu einem Provinzial-Zeitungsarchiv ausbauen zu können, 1 8 fand dafür aufgrund des Einspruchs Johann P L E N G E s jedoch keine Unterstützung: „ Dem muß vom Standpunkt einer gesunden Universitätspolitik widersprochen werden, weil es die Gefahr des Sichverlierens in die kleinen Fragen der Lokalgeschichte bedeutet, während unsere Zeit die Pflege des allgemeinen politischen und geschichtlichen Verständnisses dringend verlangt, und weil es die Verwendung von Universitätsgeldern bedeutet hätte, die wie ein Landesmuseum Sache der Provinz sein müßte (sie!)." 19 Zumindest bei P L E N G E stieß auch die Absicht auf Kritik, eine Ausschnittsammlung nach Art der großen Wirtschaftsarchive — wie zum Beispiel das Institut HARMJANS* in Kiel - auf die „Gesamtzwecke der geschichtlichen Forschung und des geschichtlichen Unterrichts" zu erweitern: Es kann fraglich sein, ob mit einer solchen nach äußeren Schlagworten geordneten Ausschnittsammlung dem Bedürfnis der gründlichen und historischen Forschung, die alle Quellen aus erster Hand und vollständig heranzieht, wirklich entsprochen werden kann. (...) Jedenfalls ist eine solche Einrichtung für eine einzelne Universität zu kostspielig und ein etwa wünschenswertes Zentralarchiv für die gesamte historische Forschung findet in Münster kaum den geeigneten Boden (...)" 20 Einigen konnte man sich im Zeitungsausschuß offenbar auf ein Archiv zur Erforschung der Geschichte des Pressewesens. Zustimmung fand M E I S T E R auch für sein Anliegen, entsprechend der Unterstützung, die P L E N G E in dem Privatdozenten Hans T E S C H E M A C H E R (1884-1959) zur Bearbeitung des staatswissenschaftlichen Teils besaß, auch für den .historisch-politischen' Teil einen jüngeren Mitarbeiter zu gewinnen. 21 Es handelte sich dabei um seinen Schüler Karl d'ESTER, der sich mittlerweile im Fach Zeitungskunde habilitiert hatte und nur noch darauf wartete, von Koblenz nach Münster versetzt zu werden.
b) Aufbau und pressehistoriographische Zielsetzung Nach d'ESTERs Antrittsvorlesung im Februar 1920 und seinem Wechsel an das münsterische Gymnasium Paulinum ging man mit „rosigem Optimismus"
vgl. Schreiben Hoffmanns an Plenge vom 29. 10. 1919, U B BI, Nachlaß-Plenge, Zeitungsausschuß 18 Aloys Meister, Die deutsche Presse, Münster: Borgmeyer 1916, S. 80 " Schreiben Plenges an das PKM vom 9. 4. 1920, UA MS Phil. Fak. A I 17 2 0 ebenda; an der Universität Kiel wurden zu Beginn der 20er Jahre einzelne zeitungskundliche Vorlesungen gehalten, vgl.: —, Zeitungskunde und Hochschulen, in: Deutsche Presse 10 (1922), Nr. 3, S. 1-2; Walther Heide, Die Zeitungswissenschaft an den deutschen Universitäten, in: Deutsche Presse 12 (1924), Nr. 41/42, S. 6-7; am Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel fanden noch 1943 zeitungswissenschaftliche Vorlesungen und Übungen durch Professor Dr. Ludwig Heyde statt, vgl. Walther Heide, Wie studiere ich Zeitungswissenschaft? Essen: Essener Verlagsanstalt, Feldpostausgabe 1943 17
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vgl. Schreiben Hoffmanns an Plenge vom 29. 10. 1919, a.a.O.
daran, auf dem Vorhandenen aufzubauen. 22 Das Archiv war bis zum Sommersemester 1920 auf 10 000 Zeitungsausschnitte zu Pressefragen und eine Sammlung neuerer Zeitungen angewachsen,23 und d'ESTER stellte dem Seminar seine Privatsammlung als Grundstock einer journalistischen Handbibliothek zur Verfügung.24 Ein „Institut für wissenschaftliche Zeitungsforschung in Westfalen", wie d'ESTER es sich vorstellte, sollte auf der Grundlage einer Zusammenarbeit zwischen der Stadtbibliothek Dortmund und der Universität Münster sich folgenden Forschungszielen widmen: Der Geschichte der In- und Auslandspresse mit dem Nahziel einer großangelegten Geschichte der deutschen Presse, der Statistik, den Grundlagen des deutschen Zeitungswesens, der öffentlichen Meinung im In- und Ausland und den Fragen der Kulturpropaganda in der Presse; gleichzeitig sollte eine derartige Einrichtung auch als Auskunftsstelle für die Pressepraktiker dienen.25 D'ESTER selbst fühlte sich für diese Bereiche freilich nur zuständig, soweit sie in den Rahmen der Pressehistoriographie fielen, da er betonte, daß er „in der Zeitungsgeschichte allein zu arbeiten gedenke und das Gebiet so gewaltig ist, daß man sich darauf beschränken kann. Freilich mag es über die herkömmliche seichte Auffassung erhoben werden."26 Die „seichte Auffassung" schrieb er dem Verfasser der „Geschichte des deutschen Zeitungswesens", Ludwig SALOMON, zu, dessen Werk trotz der Kritik, die es unter anderem schon 1907 in d'ESTERs Dissertation erfahren hatte,27 noch zu Beginn der 20er Jahre in unveränderten Neuauflagen erschien.28 Bei seinen Institutsplänen klagte d'ESTER zwar schon über die fehlende Unterstützung des Staates, glaubte aber daran, daß Staat, Gemeinden und Private auf Dauer als Geldgeber zu gewinnen seien, zumal die Kosten des geplanten Instituts nach d'ESTERs Meinung nicht die Kosten einer höheren Lehranstalt überträfen. 29 Im Sommersemester 1920 stand d'ESTER der Universität schon so weit zur Verfügung, daß er seine schon für das Wintersemester angekündigte Übung zur Pressegeschichte abhalten konnte, während MEISTER sich der Presse als 22 23 24
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Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 215 Schreiben Meisters an das PKM vom 29. 5. 1920, HStA Düsseldorf Rep. N W 5-481 d'Ester, Karl, Bericht über die Arbeit des Hist. Zeitungsseminars und Archives an der Universität Münster, UA MS Phil. Fak. B V Nr. 41 Karl d'Ester, Ein Institut für wissenschaftliche Zeitungsforschung in Westfalen, in: Dortmunder Zeitung Nr. 344 vom 20. 7. 1919 Schreiben d'Esters an den Dekan der Phil. Fak. vom 4. 11. 1919, UA, MS Phil. Fak. B I Nr. 7b Ludwig Salomon, Geschichte des deutschen Zeitungswesens von den ersten Anfängen bis zur Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches, 3. Bd., 2. A. Oldenburg - Leipzig: Schulze 1906; vgl. Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester (1881 - 1960), Anmerkungen aus Anlaß seines 100. Geburtstages, in: Publizistik 26 (1981), H . 4, S. 575-603/577 Schreiben d'Esters an den Dekan der Phil. Fak. vom 4. 11. 1919, a.a.O. Karl d'Ester, Ein Institut für wissenschaftliche Zeitungsforschung in Westfalen, a.a.O.
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Quelle der neuesten Geschichte im „Zeitgeschichtlichen Zeitungspraktikum" widmete. Damit begann offiziell der Lehr- und Forschungsbetrieb im „Historischen Zeitungsarchiv und -seminar". Es begann kläglich: Da M E I S T E R sich vergeblich um einen Assistenten und eine Hilfskraft bemühte und keine ehrenamtlichen Kräfte zu gewinnen waren, drohte die Ausschnittsammlung schon zum Stillstand zu kommen. 3 0 Neben seinem Lehrauftrag und den 22 Unterrichtsstunden, die er wöchentlich am Paulinum unterrichtete, mußte sich d ' E S T E R notgedrungen selbst dem Ausschneiden, Verzetteln und Katalogisieren widmen. Zusätzlich begann er mit der Anlage eines Zettelkataloges, der den Seminarmitgliedern einen Überblick über die bisher erschienene und sonst nirgendwo verzeichnete zeitungskundliche Literatur verschaffen sollte. 31 Innerhalb eines Jahres, in dem der Gymnasiallehrer „jede freie Stunde" im Zeitungsarchiv verbrachte, 32 wuchs dieser Zettelkatalog auf 3 000 Nummern an, die aus d'ESTERs Privatmitteln angelegte Handbibliothek erweiterte sich auf 700 Werke und unter seinem Sammelfleiß kamen zu den ersten Zeitungsausschnitten 60 000 weitere hinzu. 33 In dem Bemühen, „ohne wesentliche Kosten etwas Brauchbares zu schaffen", 3 4 .rafften' die beiden Männer, wo sie konnten: D ' E S T E R spannte seine Gymnasiasten ein, wenn es darum ging, schubkarrenweise die Presseschätze abzutransportieren, die sich bei Behörden und privaten Verbänden angesammelt hatten 35 und deren speziellen Auswahlkriterien unterlagen. Auf diese Weise kam das Archiv bzw. die Privatsammlung d'ESTERs an die gesamte kommunistische Presse des Ruhrgebiets aus der Nachkriegszeit, die in der Pressestelle des Oberpräsidiums von Westfalen gesammelt worden war, 36 an den umfangreichen Bibliotheks- und Archivnachlaß des Darmstädter Dozenten für Zeitungskunde, Dr. Friedrich MEISSNER, 3 7 an Bestände fortlaufen30 31
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Schreiben Meisters an das PKM vom 29. 5. 1920, UA MS Kur. F 13 Nr. 10 Karl d'Ester, Bericht über die Arbeit des Historischen Zeitungsseminars und Archivs an der Universität Münster, ca. 1921, UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f. Schreiben Meisters an den Kurator vom 24. 1. 1921, U A MS Kur. F 13, Nr. 10, Bd. 2 Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Grimmen) an das PKM vom 25. 4. 1921, UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f., Bd. 1 ebenda Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 220. Gespräch der Verfasserin mit Dr. Franz Kroos (1908-1985), einem der Schüler d'Esters, vom 22. 11. 1984 vgl. Karl d'Ester, Traum eines Lebens, a.a.O., S. 33; die Sammlung wurde von d'ESTER später nach München mitgenommen und fiel dort den Bomben des II. Weltkrieges zum Opfer Karl d'Ester, Schicksale der Zeitungswissenschaftlichen Sammlung d'Ester (undatiertes Manuskriptfragment), IfZ Do Nachlaß d'Ester (Zeitungswissenschaft I); Jakob Friedrich Meissner (1874-1920), Red. d. Elberfelder Zeitung, d. Berliner Tageblatts, Chefred. d. Ulmer Schnellpost, Schüler Adolf KOCHs ( 1 8 5 5 - 1 9 2 2 ) in Heidelberg, ab 1 9 0 7 - 1 9 2 0 Lehrauftrag für Zeitungskunde an der T H Darmstadt, ab 1916 Hg. der „Fachpresse"; den Nachlaß erhielt d'ESTER von der Witwe, es handelte sich u.a. um „eine außerordentlich fleißig angelegte Bibliographie des gesamten Zeitungswesens", eine „Bibliothek von vie-
der Zeitungen aus dem Wehrkreiskommando, an von einigen Verlagen zur Verfügung gestellte Jubiläumsnummern und an verschiedene größere in- und ausländische Blätter, die vom in Hörde ansässigen Phönix-Hüttenwerk fortlaufend bezogen und — wohl auf Vermittlung des Phönix-Generaldirektors und Vorsitzenden der GFWWU, Albert V Ö G L E R - an das Zeitungsarchiv weitergeleitet wurden. 38 Die Feststellung der Fakultät, das Archiv sei „nach dem Muster des (finanziell weit besser ausgestatteten/B. M.) Zeitungsinstituts von Professor Karl Bücher in Leipzig eingerichtet", 39 entsprach bei dieser von Gelegenheiten abhängigen Sammelstrategie mehr dem Wunsch als der Wirklichkeit. Über das Ziel der Sammelarbeit und ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung im Zeitungsseminar ließ sich Aloys MEISTER in seinen zahlreichen Eingaben an das Preußische Kultusministerium aus. 40 Er wies darauf hin, daß die Presse sowohl als zeithistorische Quelle wie als Gegenstand der Kulturgeschichte nach einer historiographischen Aufarbeitung verlange — ein konsequenter Gedankengang, den schon Martin S P A H N vertreten hatte. MEISTER war sich bewußt, daß die Sammelarbeit des Zeitungsarchives diese Aufgabe kaum mehr als vorbereiten konnte: „Auch werden die Arbeiten, die sich auf die Aufhellung der Geschichte der Zeitung beziehen, zum Teil erst organisiert, zum Teil fortdauernd rubriziert werden müssen. Besonders die historisch-statistischen Grundlagen sind vielfach erst noch durch planmäßige Arbeit festzustellen. Die Flut der Zeitschriftenliteratur ist als eigentümliche Kulturerscheinung zu erfassen und zu würdigen. Gerade die häufige Uberproduktion ist dabei zu beachten als eine Zeiterscheinung, in der neue Ideen zum Ausdruck kommen, man denke an die zahlreichen Blätter, die für den Rätegedanken werben, an diejenigen, die für Aufbaubestrebungen werben, u.a." 41 Neben der begleitenden Verzettelung nach Stichworten habe die Sammelarbeit eines Zeitungsarchives drei Aufgaben: Sammlung je eines Exemplars möglichst aller Zeitungen und Zeitschriften als „Anschauungsstoff" für eben diese Zeiterscheinungen, die vollständige Aufbewahrung einiger führender Zeitungen als jederzeit verfügbare zeitgeschichtliche Quelle und die Aufzeich-
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len hundert Bänden und eine Ausschnittsammlung", vgl. o.V., Das Institut für Zeitungswissenschaft in Münster, in: Zeitungs-Verlag, 24. Jg. (1923), Nr. 22 (1.6.), Sp. 425 Karl d'Ester, Bericht über die Arbeit des Historischen Zeitungsseminars und Zeitungsarchivs, a.a.O. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Grimmert) an das PKM vom 25. 4. 1921, a.a.O. vgl. Schreiben Meisters an das PKM vom 24. 12. 1919, (Antrag auf Mittel zur Einstellung eines Assistenten für das Zeitungsarchiv) und vom 29. 5. 1920 (Antrag auf laufenden Etat von 2000 RM und Zuschuß für Hilfskraft und Buchbinder) HStA Düsseldorf Rep. NW 5-481; Schreiben des Kurators im Namen Meisters an das PKM vom 17. 2. 1921, ebd. (Antrag auf Ernennung d'Esters zum Extraordinarius und Mitdirektor des Historischen Zeitungsseminars); Schreiben Meisters an das PKM vom 16. 6. 1921, ebd. (Antrag auf jährlichen Etat von 3500 RM) und vom 28. 6. 1922, ebd. (Antrag auf laufenden Etat von 8500 RM und einmaligen Zuschuß von 3500 RM); Schreiben d'Esters und Meisters an das PKM vom 1. 8. 1923, UA MS Kur. F 13 Nr. 10 (Etatantrag) Schreiben Meisters an das PKM vom 24. 12. 1919, a.a.O.
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nung des gesamten Zeitungsstoffes einer Landschaft oder Provinz als Vorarbeit „für eine große allgemeine Geschichte der deutschen Presse." Die Vorarbeit der Zeitungskunde in Münster bestand zunächst in der Auswertung des vorhandenen Materials und gezielter Sammlung für eine Geschichte der Zentrumspresse 42 und für die Geschichte der westfälischen Presse, für die d'ESTER mit seiner Doktorarbeit schon den Grundstock" geliefert hatte. Womöglich sollte daraus die — nie erschienene — Fortsetzung seiner nur bis zum Jahre 1813 reichenden Dissertation entstehen. 43 Zu diesem Zweck bildete sich im Sommersemester 1921 eine studentische Arbeitsgemeinschaft unter MEISTERs und d'ESTERs Leitung, die sich der Geschichte der westfälischen Presse widmen sollte. 44 An die westfälischen Zeitungsverlage und -redaktionen wurde ein ausführlicher Fragebogen verschickt, um „die Rolle, die unser reichentwickeltes Zeitungswesen im deutschen Geistes- und Wirtschaftsleben gespielt hat", wenigstens für die Provinz Westfalen auszuloten. 45 Die 39 Fragen bezogen sich auf das Gründungsjahr, Erscheinungsort, Titel, Wappen, historische Titeländerungen des jeweiligen Blattes, auf den Wandel des Umfanges, die Erscheinungsart, die Verlagsgeschichte, Zustand des Verlagsarchivs, eventuell vorhandene Jubiläumsschriften, politische oder konfessionelle Ausrichtung, die Zensurgeschichte, Geschäfts- und Bezieherzahlen, die Namen der Gründer und bemerkenswerter Mitarbeiter, auf die soziale Zusammensetzung der Leser- und Mitarbeiterschaft, die Zahl der Bezieher von der Gründung bis 1921, eventuelle finanzielle Förderer, eventuelle historische Gewährspersonen, die Größe des Verbreitungsgebietes, eventuelle Fusionen mit anderen Blättern, Beilagenformen, Werbemethoden, Aufbau des Blattes und ähnliche Punkte. Insgesamt wies der Fragebogen also ein breites Interessenspektrum auf, das sich nicht nur auf eine respektable Chronik der westfälischen Presse beschränken wollte. Methodologisch waren die erhofften Ergebnisse freilich von vornherein fragwürdig dadurch, daß man sich bei der Erhebung der Daten allein auf die Zuverlässigkeit der auskunftgebenden Verlage verließ, so sehr dieses Vorgehen bei der ungesicherten Quellenlage auch verständlich sein mag. Das geplante große Geschichtswerk erschien nie. D ' E S T E R s durch Schuldienst, Lehrtätigkeit und Sammelarbeit vollbeanspruchte Arbeitskraft reichte für eine längere Veröffentlichung nicht aus, zumal die Rheinlandbesetzung und damit zusammenhängende aktuelle Pressefragen seine Aufmerksamkeit 42
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Dazu rief d'Ester die zentrumsnahen Verlage im Augustinus-Blatt 25. Jg. (1921), Nr. 2, S. 6 f. zur Einsendung von Jubiläumsnummern und ähnlichem auf. vgl. Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 589 vgl. Karl d'Ester, Historisches Zeitungsseminar und Archiv an der Universität Münster, in: Deutsche Presse 9. Jg. (1921), Nr. 17, S. 2-3/2 u. - , Geschichte der deutschen Presse, in: Zeitungs-Verlag 22. Jg. (1921), Nr. 4 (28.1.), Sp. 129-130 Gedruckter „Fragebogen zur Geschichte der westfälischen Presse", undatiert (1921), in: IfP Dortmund, Nachlaß d'Ester, d'Ester-Briefe undatiert
abzogen. Es blieb bei kleineren Aufsätzen zu Einzelfragen der westfälischen Presse, 46 eine Form zur schnellen Veröffentlichung von kleineren Forschungs-Zwischenergebnissen, der sich d'ESTER schon seit seiner Dissertation verschrieben hatte. Außerdem floß die Beschäftigung mit der westfälischen Pressegeschichte in der Arbeitsgemeinschaft in einige in der Folgezeit entstandene historische und literaturwissenschaftliche Dissertationen ein.47 Daneben schöpften MEISTER und d ' E S T E R aus dem eingegangenen Material Stoff für Vorlesungen und Übungen zu Themen wie „Führende Männer der Presse" (WS 1920/21), „Ausgewählte Abschnitte zur Pressegeschichte" (SS 1921, WS 1920/21, WS 1922/23), „Wesen und Werden der öffentlichen Meinung" (SS 1921), die Presse der Parteien (WS 1921/22), Geschichte der öffentlichen Meinung (WS 1921/22, SS 1923), Geschichte der deutschen Presse im Grundriß (SS 1922) und „Ausgewählte Fragen der deutschen und ausländischen Presse" (SS 1922). Aus den Vorlesungsplänen der Jahre 1920 bis 1924/25 läßt sich freilich auch ablesen, daß MEISTER und d'ESTER seit ihren ersten größeren Arbeiten über das Pressewesen zu keinen weiterführenden Fragestellungen, Themenkreisen oder Methoden kamen. MEISTER, schon von Krankheit gezeichnet, konnte seine Vorlesungen im Frühjahr 1922 nur noch sitzend abhalten und überließ die Gestaltung des zeitungskundlichen Seminarbetriebes immer mehr Karl d'ESTER, der ihm seit seiner Habilitation zur „Rechte(n) H a n d " in allen zeitungskundlichen Belangen geworden war. 48 D ' E S T E R selbst war sich wohl bewußt, daß die junge Zeitungskunde sich neben dem Sammeln auch mit ihrer eigenen Forschungsmethode auseinandersetzen mußte, um vom reinen Sichten des Materials wenigstens zu einer typologischen Ordnung des Pressewesens zu kommen. Als einen Weg vom „Beschreiben" zum „Vergleichen" regte er daher schon 1920 zur vergleichen-
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Karl d'Ester, Aus westfälischer Pressearbeit, in: Lüdinghausener Zeitung vom 1. 7. 1923 (Jubiläumsausgabe); - , Westfälisches Zeitungskolloquium, in: Deutsche Presse, 11. Jg. (1923), N r . 24, S. 5-7; - , Die westfälische Presse als Vorkämpferin der neuzeitlichen Industrieentwicklung in Deutschland, in: Tremonia (Dortmund) vom 1. 1. 1926; - , Aus der guten alten Zeit der münsterischen Presse, in: P.Z. um Mitternacht. Festzeitung zum Empfangsabend des Pressevereins für Münster und das Münsterland in der Stadthalle zu Münster am 16. 1. 1926
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Ernst Kirchhoff, Peter Florenz Paul Weddigen als westfälischer Publizist, Phil. Diss. Münster 1922 (Meister); August Maass, Das münsterische Intelligenzbfett als Zeitung und Zeitspiegel, Phil. Diss. Münster 1923 (Schwering); Maria Schlenker, Die Entwicklung des Heimatgedankens in westfälischen Pressewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der gegenwärtig bestehenden Heimatzeitung, Phil. Diss. Münster 1923 (Schwering); Albin Schmiemann, Johann Hermann Hüffer, Ein Lebensbild, Phil. Diss. Münster 1922 (Daenell); Karl Vilter, Aus der Geschichte der Tagespresse in Bochum. (Unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung des politischen Lebens) Phil. Diss., Münster 1922 (Meister)
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vgl. Schreiben Meisters an den Kurator vom 29. 1. und 23. 2. 1922, U A MS Kur. F 13 N r . 10
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den Zeitungskunde an. 49 Er selbst vollzog diesen Schritt jedoch in seiner ganzen Forscherlaufbahn nicht. 50 c) Studium im
Zeitungsseminar
Stärker als methodologischen Fragen widmete sich d'ESTER, der den jugendbewegten Schulpädagogen auch an der Universität nicht verleugnen konnte, dem erzieherischen Bereich. Mit MEISTER teilte er die Auffassung, zwar nicht für die Pressepraxis ausbilden zu können, aber zum Presseberuf erziehen zu müssen. 51 Parallel zu dem Bemühen, durch Vorträge und Veröffentlichungen die schon erbrachten Leistungen der deutschen Presse zu würdigen und damit in der Öffentlichkeit für ihre Anerkennung zu werben, setzte er sich zur Aufgabe, das Niveau des Standes durch Förderung der Presseethik 52 und „methodische Schulung" mittels Heranführung an wissenschaftliche Arbeitsweise zu heben.53 Schon von der bloßen Existenz eines Zeitungsinstituts, das die tägliche Zeitungsarbeit kritisch forschend zu begleiten habe, versprach er sich „die Reinigung und Reinerhaltung der Atmosphäre des öffentlichen Lebens." Außerdem sollte der Journalismus instand gesetzt werden, „unser Volk zu politischer Bildung, zur Freude an der Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten zu erziehen." 54 D ' E S T E R s von Kenntnissen des Redaktionsalltages gänzlich unbelastete Begeisterung für den Presseberuf — im Gegensatz zu MEISTER, der immerhin einmal „die aufreibende Arbeit eines Redakteurs einer wissenschaftlichen Zeitschrift" ausgeführt hatte, 55 stand er mit der Pressearbeit nur durch das Einreichen von regelmäßigen Beiträgen in Kontakt — übertrug sich offenbar auf seine „kleine, aber verschworene Gemeinschaft" von Studenten. 56 In den wirtschaftlich bedrängten Nachkriegsjahren mußte ein Student, der für die meisten Vorlesungen Gebühren zu zahlen hatte und häufig sein Studium selbst finanzieren mußte, schon stark motiviert sein, um ein Fach zu bele49 50
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Karl d'Ester, Vergleichende Zeitungskunde, in: Zeitungskunde vom 15. 11. 1920 vgl. Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 596; allerdings veranstaltete er im WS 1923/24 „Übungen über vergleichende Zeitungskunde" vgl. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 216.; während M E I S T E R den reinen Forschungs- und Bildungscharakter der Zeitungskunde betonte, stellte d ' E S T E R die Ausbildung eher aus Kapazitätsgründen zurück, vgl. Georg Rohrecker, Deutsche Zeitungswissenschaft vor 1933/34, Phil. Diss. Salzburg 1979, S. 480 „Hauptaufgabe der Zeitungswissenschaft soll es sein, eine Ethik der Presse aufzubauen", d'Ester (ohne Empfänger), Köln 18. 5. 1926 (Abschrift), IfZ D O , Nachlaß d'Ester (HeideBriefwechsel) Karl d'Ester, Zeitung und Hochschule in: Die Grenzboten, Jg. 74 (24. 11. 1915), H. 4, S. 241 ff./247 Karl d'Ester, Ein Institut für wissenschaftliche Zeitungsforschung in Westfalen, a.a.O. Handschriftlicher Lebenslauf Meisters vom 10. 11. 1899, U A MS Phil. Fak. PA 278 I (Meister) Karl d' Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 218
gen, das auf sein Hauptstudium nicht angerechnet werden konnte und zur Prüfung nur in Verbindung mit einem zusätzlichen Fach zugelassen wurde. 57 Unter den 19 Seminarmitgliedern, die das Fach in Münster in den beiden ersten Semestern bis 1921 aufwies58 — später wird die Zahl nicht drastisch gestiegen sein —, befanden sich mindestens vier ausgebildete Redakteure aus Münster und Umgebung 59 und einige von westfälischen Redaktionen eigens geschickte „Redaktionsaspiranten". 60 Schon im Wintersemester 1922 konnte die Philosophische Fakultät zudem vermelden, daß aus dem Zeitungsseminar „eine ganze Reihe Redakteure hervorgegangen (sind), die heute an verschiedenen Zeitungen in Westfalen tätig sind." 61 Diese zeitungskundlich interessierten, im Hauptfach überwiegend Geschichte oder Germanistik studierenden Studenten62 — daneben nahmen Studierende der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät als Hörer an den Veranstaltungen teil oder nutzten das Archiv 63 — halfen beim Ausbau des Zeitungsarchives mit, 64 ermöglichten mit Arbeitsgemeinschaften größere Forschungsprojekte d'ESTERS, arbeiteten an der Gestaltung von Zeitungsausstellungen mit und trugen somit im erheblichen Maße zu den Leistungsnachweisen bei, mit denen sich das „jüngste Kind der alma mater" in Münster allmählich Geltung verschaffte. Forschung und Lehre waren in diesem Stadium des Faches kaum trennbar, zumal d'ESTER im Gegensatz zu Karl B U C H E R in Leipzig oder Martin M O H R ( 1 8 6 7 - 1927) 65 in Berlin auch kaum bemüht war, beide Bereiche voneinander scharf zu trennen. Noch 1951, längst zum ,Nestor' seines Faches geworden, verteidigte sich d'ESTER gegen den Vorwurf, eine „Doktorfabrik" 57
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Vgl. ebenda; zur Studienmotivation für relativ unbedeutende Fächer vgl. Hans-Josef Trümpener, Die Existenzbedingungen einer Zwergwissenschaft. Eine Darstellung des Zusammenhangs von wissenschaftlichem Wandel und der Institutionalisierungsform einer Disziplin am Beispiel der Ägyptologie, Bielefeld: B.K. Verlag GmbH 1981 ( - R e p o r t Wissenschaftsforschung 6); S. 73-80 vgl. Schreiben des Dekans Phil. Fak. (Grimmert) an das PKM vom 25. 4. 1921, a.a.O. vgl. Verfasserverzeichnis der „Bierzeitung" des Historischen Zeitungsseminars, o.D. (1921), IfZ Dortmund, Nachlaß d'Ester, Bierzeitung Münster vgl. Begleitschrift Meisters zum Etatantrag, o.D. (ca. 1921), HStA Düsseldorf Rep. N W 5-481 „Entwurf einer Eingabe an den Minister für Dr. d'Ester" vom 29. 9. 1922, UA MS Phil. Fak. B I 2 Die Mehrzahl der zwischen 1920 und 1925 abgeschlossenen Dissertationen mit zeitungskundlichem Thema an der Universität Münster wurden jedenfalls als germanistische oder historische Arbeiten eingereicht. „Entwurf zu einer Eingabe an den Minister für Dr. d'Ester" vom 29. 9. 1922, a.a.O. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Grimmert) an das PKM vom 29. 9. 1922, a.a.O. Diese Trennung beruhte auf dem von B U C H E R und M O H R stärker betonten Ausbildungsaspekt; vgl. Das Institut für Zeitungskunde an der Universität Leipzig, in: Zeitungs-Verlag, 18. Jg. (1917), Nr. 8, Sp. 197 f.; Dietrich-Franz Knipping/Dietrich Schmidt, Karl Bücher und das erste deutsche Universitätsinstitut für Zeitungskunde, in: Karl-Marx-Universität Leipzig 1409 —1959. Beiträge zur Universitätsgeschichte, Bd. II, Leipzig: Enzyklopädie Verlag 1959, S. 57-77/63-65, und Martin Mohr, Wissenschaft und Presse, in: Deutsche Presse, 9. Jg. (1921), Nr. 7, S. 1-4.
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zu betreiben, damit, daß ein junges Fach ohne den Forschungsbeitrag seiner Studenten sein Arbeitsgebiet gar nicht bewältigen könne. 66 Der Anspruch der Erziehung zum Presseberuf, so undeutlich er formuliert war, schien die Erwartungen der regionalen Presse und vor allem der Schüler zu erfüllen. Als „begeisterter, ( . . . ) liebenswürdiger Lehrer", 67 der mehr anregte, als bestimmte Vorgaben zu geben und an der Universität wie an der Schule der Förderung einer vertrauensvollen Unterrichts- und Arbeitsatmosphäre den Vorrang vor Wissensvermittlung gab, übertrug er die Liebe zu seinem Arbeitsgebiet auf seine ihn verehrenden Schüler. Ein gerade in der Uberzeichnung anschauliches Bild vom Zusammenleben am münsterischen Zeitungsseminar gibt eine von Studenten zusammengestellte ,Bierzeitung' von 1921,68 in der Aloys MEISTER bezeichnenderweise mit keinem Wort erwähnt wird. Der Historiker schien das Zeitungsstudium in Münster als Lehrender kaum noch zu prägen. Statt dessen steht d'ESTER als „Karlchen", „Kahlschen *d", „Vater d'Ester", „Matador" und „General r'Etzed-Pascha" im Mittelpunkt des fröhlichen Machwerks, das zwischen den Zeilen jugendlicher Blödelei doch andeutet, was die Zeitungsstudenten von damals bewegte: Eine gehörige Portion Angst vor pressehistorischen Referaten, ein gewisser reformatorischer Eifer hinsichtlich des journalistischen Berufs nebst der Uberzeugung, dem Metier selbst bestens gewachsen zu sein — dem etliche der Autoren ja entstammten —, auch das Bewußtsein, mit der Zeitungsforschung nationale Aufgaben für die besetzten Gebiete zu erfüllen, und schließlich die liebevolle Bewunderung für ihren Seminarleiter. Gerade durch den „Kontakt im Menschlichen" sei man als Student „mit Leib und Seele dabei" gewesen, wenn d'ESTER ihm „den Geist der Zeitungswelt" nahebrachte, bescheinigte ihm später einer seiner ersten Schüler in Münster;69 statt „trockene(r) Wissenschaft" oder „schulmäßig redaktionelle(r) Weisheiten" habe er „das Beste gegeben, das ein Student in einem Zeitungsseminar bekommen kann", indem er den „Geist des Journalismus" geweckt und seine Schüler „mit journalistischem Bewußtsein, sozusagen als Voraussetzung für Selbstprüfung und spätere journalistische Verantwortung" erfüllt habe. Die Ausstrahlung d'ESTERs, die sich auch für sein späteres Wirken in München in zahlreichen Zeugnissen widerspiegelt, schien darin begründet zu sein, daß er den „Suchenden", die mit ihrem „Verlangen nach dem praktischen Journalismus nicht recht wußten wohin, 70 ebenso wie den vom Berufsalltag schon irritierten Praktikern im Grunde ihr eigenes Berufswunschbild bestätigte und den vagen Vorstellungen von Presseethos, Abenteurer- und Opfertum entgegen allen Alltagserfahrungen den wissenschaftlichen Segen gab. 66
Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 239 Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 597. 68 „Bierzeitung Münster", a.a.O. " Schreiben Dr. Fillies an d'Ester vom 11. 12. 1931, zitiert nach Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 218 70 ebenda 67
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d) Rheinlandausschuß und Zeitungsausstellungen — Propaganda und Präsentation Die starke Ubereinstimmung Aloys MEISTERs und Karl d'ESTERs in „grundsätzlichen ethischen Fragen" 71 bezog sich auch auf die Uberzeugung, Wissenschaft und politisches Engagement voneinander trennen zu müssen und dennoch mit den Mitteln der Forschung einen Beitrag zur politischen Willensbildung leisten zu können. Die Aufgabe, den .nationalen Abwehrkampf' gegen Deutschlands Weltkriegsgegner wissenschaftlich zu fördern, hatte schon bei der Gründung der Kriegsnachrichtensammelstelle, der Keimzelle des Zeitungsarchivs, Pate gestanden. Für MEISTER und d'ESTER, beide biographisch eng mit den von Frankreich zurückgewonnenen bzw. besetzten Gebieten verbunden, verlor diese Zielsetzung nach dem Ende des Weltkrieges nichts an Aktualität. Das Bedürfnis d'ESTERs, sich als Publizist und Wissenschaftler dem „unselige^) Nachspiel des ersten Weltkrieges" zuzuwenden,72 dem er in historischer Verbrämung schon anläßlich seiner Probevorlesung über „die Stellung der westfälischen Presse im Kampf gegen die wirtschaftliche Unterjochung Deutschlands nach den Freiheitskriegen" nachgegeben hatte,73 wurde durch seine Erlebnisse in Koblenz während des ersten Nachkriegsjahres noch bestärkt. „In Wort und Schrift kämpfte ich gegen die Vergewaltigung des Rechtes durch den Chauvinismus von jenseits des Rheines, in dem ich die Totengräber Europas erblicken zu müssen glaubte,"74 erinnerte sich d'ESTER 1951 aus der inzwischen gewonnenen Distanz. Aloys MEISTER beließ es angesichts der Rheinlandbesetzung nicht bei patriotischen Entrüstungsbekundungen, die ihm mit vielen Zeitgenossen gemein waren, sondern rief 1921 an der Universität Münster einen „Rheinlandausschuß" mit d'ESTER als Geschäftsführer ins Leben,75 in dem „sämtliche die Rheinlandfrage berührenden Angelegenheiten erörtert (werden sollten und) eine Propaganda auf die Studenten betrieben werden (sollte)."76 Uber den Zusammenhang mit den zeitungskundlichen Einrichtungen und der Abgrenzung zu der gerade einsetzenden Propagandaforschung des Soziologen Johann PLENGE berichtete MEISTER im Frühjahr 1921 dem Preußischen Innenministerium: „Der Rheinlandausschuß stehe in äußerlichem Zusammenhang mit dem Zeitungs71 72 73 74 75
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Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Karl d'Ester, a.a.O., S. 578. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 222. ebenda, S. 175. ebenda, S. 222. Vgl. Schreiben d'Esters an den Dekan der Phil. Fak. München vom 22. 1. 1937 (Durchschrift), in: IFZ Dortmund, Nachlaß d'Ester, d'Ester Briefe 1937. Schreiben des Preußischen Innenministeriums (künftig PIM), (i.A. gez. Loehrs) an das PKM vom 23. April 1921 (Abschrift), UA MS Kur. F 13 Nr. 10.
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seminar. Während Professor Plenge in seinem staatswissenschaftlichen Institut die technische Seite des Zeitungsbetriebes behandele, soll in dem Zeitungsseminar neben dem Privatdozenten Dester (sie!) ( . . . ) durch Geheimrat Meister die Bildung der öffentlichen Meinung und zwar historisch und aktuell, speziell in Bezug auf die Rheinlandfrage untersucht werden." 77 MEISTER verwies dabei auf gleichgerichtete Tätigkeiten der Gelehrten BUC H E R in Leipzig, W E T T S T E I N in Zürich, J Ö H L I N G E R in Berlin und seines Kollegen Aloys S C H U L T E in Bonn. Neben MEISTER und d'ESTER wurde der Ausschuß von dem Juristen Ottmar B Ü H L E R (1894-1965) geleitet, der seit dem Wintersemester 1920/21 auch im Zeitungsausschuß mitarbeitete. Außer ihnen beschäftigten sich im Rheinlandausschuß andere „Universitätsprofessoren, Oberlehrer, Studienräte und fortgeschrittene Studenten" mit der Aufgabe, „aus den besetzten Gebieten im besonderen aus dem Saarbecken wissenschaftliches Material, sowie Zeitschriften, Zeitungen, Propagandaschriften etc. zu sammeln und durch Dissertationen oder in anderer Weise im vaterländischen Sinne bearbeiten zu lassen." 78 „Einer der Hauptzwecke" des Ausschusses sollte darin bestehen, „der französischen Kulturpropaganda durch wissenschaftliche Feststellungen entgegenzutreten und durch wissenschaftliche Arbeiten festzustellen, daß keineswegs die Kultur des Saarbeckens ihre (Hauptentwicklungen?/ B.M.) von der Kultur des Westens erhalten hat, sondern daß die Kultur des Saarbeckens ihre Hauptgrundlage in der deutschen Kultur hat." 79 Dabei arbeitete der Ausschuß eng mit dem — ebenfalls .nebenher* Zeitungskunde betreibenden - Historiker Martin S P A H N in Köln und MEISTERs früherem Lehrer Aloys S C H U L T E in Bonn zusammen. Während diese Tätigkeit beim Preußischen Innenministerium sofort auf Wohlwollen und Bereitschaft zur Unterstützung stieß, schien sich das Kultusministerium zunächst an der Verbindung des politisierenden Ausschusses mit der wissenschaftlichen Einrichtung des Historischen Seminars zu stören. Jedenfalls stellte der geschäftsführende Direktor des Historischen Seminars, Professor Dr. Ernst D A E N E L L , auf eine entsprechende Anfrage hin eilfertig fest: „der Rheinlandausschuß hat mit dem Hist. Seminar keine andere Verbindung, als daß er in einem Zimmer des Hist. Zeitungsseminars untergebracht ist, das seinerseits wieder lose mit dem Hist. Seminar verbunden ist, und daß in der Person des Prof. Meister eine Personalunion besteht." Außerdem sei der Ausschuß „eine selbständige Gründung" von Studenten und den Professoren MEISTER, B Ü H L E R und d'ESTER. Ihr Zweck sei es, 77
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Schreiben des PIM (i.A. gez. Loehrs) an das PKM vom 23. 4. 1921 unter Berufung auf die Informationen MEISTERs, a.a.O. Schreiben des Reichskommissars für die Ubergabe des Saargebietes (Koblenz) an das PKM, PIM und Auswärtige Amt vom 25. 4. 1921, UA MS Kur. F 13 Nr. 10. ebenda, unleserliche Teile in Klammern.
„das Interesse an dem besetzten Rheinland zu beleben und eine Gegenpropaganda gegen die von den Franzosen entfaltete Kulturpropaganda zu unterstützen."80 Der 1921 amtierende Kultusminister C.H. B E C K E R hielt wenig von den „üblichen kulturpolitischen Mittel(n) der imperialistischen Völker", doch der Versuch, mit rechtschaffener wissenschaftlicher Arbeit, wie es der Ausschuß beanspruchte, gegen die gegnerische Propaganda anzugehen, mochte seiner Neigung zu einer „Außenpolitik mit Ideen" in gewisser Weise entgegenkommen. 81 Jedenfalls bewilligte das Kultusministerium auf Vermittlung des Innenministeriums mit Erlaß vom 6. Juni 1921 dem Ausschuß einen einmaligen Zuschuß von 5 000 Reichsmark zur Anschaffung weiterer Literatur, die MEIS T E R erbeten hatte. 82 Auch in den folgenden Jahren wurde der Rheinlandausschuß vom Kultusministerium durch kleinere Zuschüsse und Literatursendungen unterstützt. 83 Das Vertrauen des Ministerium ging soweit, d'ESTER 1922 als Pädagogen im amtlichen Auftrag ins Saargebiet zu schicken, „um dort schwierige Feststellungen über die nach dem Versailler Diktat unzulässige französische Schulpolitik zu machen zwecks einer Eingabe des Auswärtigen Amtes an den Völkerbund." 84 Die Arbeitsweise des Rheinlandausschusses unterschied sich nicht von der des Zeitungsarchives: Sammlung und Durchsicht von Zeitungen, Ausschneiden von Artikeln, Sichtung der „französische(n) Propagandaliteratur" und die publizistische Auswertung des so gewonnenen Materials gehörten in erster Linie dazu. 85 Mit der Besetzung des Ruhrgebietes durch französische Truppen im Januar 1923 und dem darauf einsetzenden, von der deutschen Regierung unterstütztem ,passiven Widerstand' der Ruhrbevölkerung dehnte sich die Tätigkeit des Arbeitskreises und damit das spezielle Augenmerk der Zeitungskunde in Münster auch auf diese Fragen aus. Karl d'ESTER unterschied jedenfalls nicht zwischen beiden Arbeitsgebieten: „Wir beschäftigen uns im Seminar wissenschaftlich mit der politischen Propaganda, von der wir damals so manche Probe erlebten. Wurde doch an der Ruhr die Hetz- und Greuelpropaganda des ersten Weltkrieges von den Besatzungsbehörden 80 81
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Schreiben Daenells an das PKM vom 8. 5. 1921, U A MS N U K 18. vgl. Erich Wende, C . H . Becker, Mensch und Politiker. Ein biographischer Beitrag zur Kulturgeschichte der Weimarer Republik, Stuttgart: D V A 1959, S. 93 und 128. Schreiben des P K M an den Kurator vom 6. 6. 1921, U A MS Kur. F 13 Nr. 10; vgl. Schreiben des PIM (i.A. gez. Loehrs) an den Kurator vom 2. 7. 1921, U A MS N U K 18. vgl. Schreiben des P K M an den Kurator vom 20. 1. 1924 und 12. 3. 1924, U A MS Kur. F 13 N r . 10. Schreiben d'Esters an den Dekan der Phil. Fak. der Universität München vom 22. 1. 1937 (Durchschrift), a.a.O. Schreiben Daenells an das P K M vom 8. 5. 1921 (Abschrift), a.a.O.; D A E N E L L wies darauf hin, daß d ' E S T E R „mit der Herausgabe eines neuen Rheinlandbuches beschäftigt" sei und M E I S T E R an einer Kritik der Schriften des französischen Gelehrten B A B E L O N („Le Rhin dans l'histoire" und „ A u pays la Sarre") arbeite.
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fortgesetzt. Die deutschgesinnten Zeitungen im besetzten Gebiet mußten einen schweren Leidensweg gehen, zahlreiche Verleger und Schriftsteller wanderten ins Gefängnis." 8 6 O b w o h l er darüber klagte, daß seine Arbeit „sehr undankbar" sei, da es „das erste Erfordernis der Propaganda (ist), daß sie im verborgenen arbeitet, und ein Zeitungsinstitut, das sich diesen Arbeiten unterzieht, ( . . . ) damit natürlich keine Reklame schlagen (kann)," 8 7 fand sein Engagement in der Öffentlichkeit genügend Beachtung, u m die regionale Presse und die Vertreter der historischen Zeitungskunde in Münster zusammenzuschmieden. Wohlwollend wurde in der Presse vermerkt, wenn M E I S T E R zur Eröffnung der Ausstellung „ R h e i n l a n d n o t " die Haltung der Ruhrbevölkerung, „an der sich der französische Annexionismus seine Hiebe holen werde," 8 8 lobte oder wenn d ' E S T E R beim Treffen der „Rhein- und Ruhrverdrängten" mit Beispielen des Zeitungsarchives „ein Bild von der ungeheuren Wirkung dieser feindlichen Werbearbeit" gab und zeigte, „ w i e man ihr begegnen kann." 8 9 Vorträge dieser Art gehörten ab 1923 zur Hauptaktivität des Rhein-Ruhr-Ausschusses vor der Öffentlichkeit. 9 0 Zu der von Walther H E I D E ( 1 8 9 4 - 1 9 4 5 / 5 7 ) , dem damaligen Redakteur der Pressekorrespondenz des Volksbundes „Rettet die E h r e " (Bremen), 9 1 herausgegebenen Kampfschrift: „Wieder e m p o r ! " haue d ' E S T E R einen Aufsatz über „die Pflichten der Presse im neuen Deutschland" beigesteuert, 92 in dem er die Kriegs- und Nachkriegsleistungen der deutschen Presse herausstellte und für die Unterstützung ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit warb. Der T o n des Aufsatzes einschließlich seiner konstruktiven Kritik kam offenbar dem 86
d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 222; in den Jahren, in denen sich die Wissenschaft geradezu mit politischer Affirmation bewähren mußte, sprach sich d ' E S T E R noch deutlicher für den Zusammenschluß von wissenschaftlicher Forschung und politischer Zielrichtung aus: „ E s ist eine Tatsache, der (sie!) auch unsere größten Gegner nicht hinwegleugnen können, daß es Vertreter unserer Disziplin waren, die zum ersten Mal nicht nur die Bedeutung der politischen Propaganda in der Kriegsführung erkannt, sondern die auch mit der Erforschung der Propaganda begonnen haben. Sie taten das nicht als weltfremde Gelehrte, in einem unfruchtbaren Historismus, sondern sie wollten ihre Erkenntnisse dem der Lügenpropaganda des Weltkrieges erlegenem Vaterlande dienstbar machen, ( . . . ) " - Manuskript-Fragment: „Im Kampf um die Wissenschaft von der Presse", o.O. o.J. (zwischen 1935 und 1940) , IfZ Dortmund, Nachlaß d'Ester, Memoiren II.
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Schreiben d'Esters an den Niederrheinisch-Westfälischen Zeitungsverlegerverein (künftig: N W Z V V ) vom 15. 7. 1925, SuLB D O , Teilnachlaß Schulz, Briefwechsel d'Ester Rudolf Predeck, Ausstellung „Rheinlandnot", in: Münsterischer Anzeiger N r . 213 vom 27. 4. 1923 - , Aus der Stadt, in Münsterischer Anzeiger N r . 456 vom 8. 9. 1923 Schreiben d'Esters an den Dekan der Phil. Fak. der Universität München vom 22. Januar 1937 (Durchschrift), a.a.O. Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Der f a l l Walther Heide. Zur Vorgeschichte der Publizistikwissenschaft, in: Publizistik 19./20. Jg. (1974/75), N r . 3, S. 805-808. Karl d'Ester, Die Pflichten der Presse im neuen Deutschland, in: Walther Heide, Wieder Empor! Ein Wegweiser für das deutsche Volk, Essen: G.D. Baedecker 1922, S. 10-25
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Selbstverständnis der Zunft entgegen; jedenfalls kamen die NiederrheinischWestfälischen Zeitungsverleger später auf d'ESTER zu, um seine Mitarbeit an einer von ihnen herausgegebenen Publikation zu gewinnen, die die nationalen Leistungen der „Presse im Ruhrkampf" im Rückblick noch einmal zusammenfassen sollte. 93 Das vom Rheinlandausschuß gesammelte Material bereicherte nicht zuletzt auch die Zeitungsausstellungen, mit denen MEISTER und d'ESTER von Zeit zu Zeit die Arbeit des Archives der Öffentlichkeit präsentierten. Die Ausstellung als Mittel, auch dem Laien ein an sich sprödes Arbeitsgebiet anschaulich zu machen, sollte gerade der jungen Zeitungswissenschaft von ihren Anfängen bis zu ihrem ersten Höhepunkt im Jahre 1928 und darüber hinaus häufig Schützenhilfe bei ihrer Konsolidierung als akademische Disziplin leisten. 94 D ' E S T E R nutzte diese Möglichkeit in Münster zum erstenmal. Den Anstoß dazu gab die Jahrestagung des Reichsverbandes der deutschen Presse im Sommer 1923, die aus aktuellem Anlaß von Bremen auf den .Grenzposten' zum besetzten Ruhrgebiet nach Münster verlegt wurde. Das spektakuläre Ereignis, das gerade in diesem Jahr den Charakter einer politischen Demonstration erhielt, 95 sollte die Aufmerksamkeit der Presse über den regionalen Bereich hinaus auf die Zeitungsforschung in Münster lenken. Erfahrungen mit der Kraft des Anschauungsstoffes hatte d'ESTER schon bei der Erstellung einer pressehistorischen Lichtbilderschau gesammelt, mit der er auch außerhalb des Seminars für das Verständnis der Presse und ihrer Tradition warb. Nun sollten die .Schätze* des Archivs zum erstenmal direkt aufbereitet werden, um für den Leitungsstand der münsterischen Zeitungskunde zu werben. Dazu wurden der akademische Leseraum der Universität und ein angrenzender Raum mit Stellwänden aufgeteilt, um verschiedene .Kapitel' der Presse93
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Karl d'Ester, Der Ruhrkampf in der Satire der Weltpresse, in: Presse im Ruhrkampf, hg. v. niederrheinisch-westfälischen Zeitungsverleger-Verein Bochum, Bochum 1925, S. 119-128; dieser Aufsatz fußte ebenso wie seine gekürzte Fassung: Das Spottbild des französischen „Nachrichtendienstes" im Ruhrkampf, in: Süddeutsche Monatshefte, 23. Jg. (1926) N r . 11 (Sonderheft: Pressefreiheit an Rhein, Ruhr und Saar), S. 335-338, auf Materialsammlungen des Rheinlandausschusses; vgl. Schreiben d'Esters an den N W Z V V vom 13. 7. 1925, SuLB D O , Teilnachlaß Schulz, Briefwechsel d'Ester Zur Bedeutung der Presseabteilung der kulturhistorischen Abteilung der B U G R A 1914 in Leipzig (organisiert von Karl L A M P R E C H T und Martin S P A H N ) und der Vertreter der Zeitungswissenschaft auf der P R E S S A 1928 in Köln vgl. Karl d'Ester, Ausstellungen des Pressewesens, in: Handbuch der Zeitungswissenschaft, hg. v. Walther Heide, Leipzig: Verlag Karl W. Hiersemann 1940 ff. Sp. 294-302/298 und Hans Georg Klose, Die .Pressa' in Köln. Ihr Zustandekommen und ihre Bedeutung für die Zeitungswissenschaft, Soz. M.A. München 1983. vgl. die Berichterstattung der münsterischen Lokalpresse: - , Dem Reichsverband der deutschen Presse zum Gruß!, und - , Ausstellung, in: Münsterischer Anzeiger N r . 289 vom 9. 6. 1923; —, Der Reichskanzler als Gast der deutschen Presse, und - , Ausstellung, in: N r . 291 vom 10. Juni 1923 und - , Die Tagung des Reichsverbandes der deutschen Presse, in: N r . 292 vom 11. 6. 1923
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geschichte voneinander zu trennen. Aus zeitungskundlicher Literatur, Zeitungs- und Zeitungsschriftenbänden, Einzelnummern, Flugblättern und Karikaturen stellte man ,pressehistorische' Epochen wie das Jahr 1848, die Vorund Nachkriegszeit oder den gegenwärtigen Rhein- und Ruhrkampf zusammen. Graphische Darstellungen, wie sie in den 20er Jahren beliebt waren, gaben mit Darstellungen der „Pressebedrückung im Ruhrgebiet", zum Ursprung der Zeitung in Deutschland oder der Entwicklung der Presse schlechthin zusätzliche Orientierungshilfen. 9 ' Die Ausstellung erfreute sich nicht nur „eines regen Besuches", der vor allem der „reichhaltige(n) Sammlungen der französischen Propagandamittel an Rhein, Ruhr und Saar sowie (der) Ausstellung altmünsterischer Zeitungen" galt, 97 sondern sie erreichte auch den Zweck, den Reichsverband zur Unterstützung für das münsterische Institut zu gewinnen. A m Sonntag, den 10. Juni 1923 stimmte die Delegierten-Versammlung dem Antrag des Verbandes der Rheinisch-Westfälischen Presse zu, in dem es hieß: „Der Reichsverband der deutschen Presse hat von dem Stande der Pflege der Zeitungswissenschaft an der Universität Münster und von der Ausstellung des zeitungswissenschaftlichen Instituts in den Räumen der Universität mit Befriedigung Kenntnis genommen. Insbesondere bringt die Ausstellung, die mit ihren Büchern, Sammlungen und Übersichten sowohl entwicklungsgeschichtlich, wie in der Darstellung der Gegenwart ein anschauliches Bild von der geistigen Struktur des deutschen Zeitungswesens gibt, in überzeugender Weise zum Ausdruck, daß die Zeitungskunde als vollwertige Wissenschaft Geltung beanspruchen darf und für die Hebung der deutschen Presse und darüberhinaus für die Allgemeinheit von der größten Bedeutung ist. Der Reichsverband der deutschen Presse richtet daher an die Presse die Aufforderung, das Institut mit allen Kräften zu unterstützen, ferner an Regierung und Landtag die dringende Bitte, die für die Pflege und den Ausbau des Instituts erforderlichen Mittel zu stellen."98 Vom Erfolg der Ausstellung angespornt, 99 nahmen d ' E S T E R und MEISTER gleich zwei andere in Münster stattfindende Verbandstagungen zum Anlaß einer Wiederholung. Der vom 24. bis 26. September 1923 in Münster tagenden Generalversammlung der GORRES-Gesellschaft präsentierte man sich im Hörsaal des Historischen Zeitungsarchives mit einer Sammlung der katholischen Presse der 96
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vgl. -r (Karl d'Ester oder Martin Mohr?), Die Zeitungswissenschaftliche Ausstellung in Münster i.W., in: Deutsche Presse, 11. Jg. (1923), N r . 25/26, S. 7. - , Die Presseausstellung des Historischen Zeitungsinstituts, in: Münsterischer Anzeiger N r . 293 vom 12. 6.1923. Die Tagung des Reichsverbandes der deutschen Presse, in: Münsterischer Anzeiger N r . 292 vom 11. 6. 1923; vgl. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 220; als Begleitveranstaltung der Pressetagung richtete übrigens auch das Psychologische Seminar der Universität eine Ausstellung aus und zwar zur „Erforschung des Lesevorgangs", vgl. Münsterischer Anzeiger N r . 291 vom 10. 6. 1923. Zur wohlwollenden Resonanz in der Presse vgl. Walther Heide, Zeitungsforschung, in: Gevelsberger Zeitung vom 11.7. 1923 und -W., Wissenschaft und Presse, in: Osnabrücker Zeitung vom 16. 7. 1923.
Niederlande. Die Darstellung der straffen Organisation des katholischen Lebens im Nachbarlande, die sich auch in der konfessionellen Pressevielfalt spiegelte, konnte ebenso auf das Interesse der katholisch orientierten Gesellschaft wie das der münsterischen Bevölkerung setzen. Eine zweite Abteilung der Ausstellung zum Ruhrkampf schöpfte wieder aus dem reichhaltigen Material des Rheinlandausschusses und verfehlte wiederum nicht ihre Wirkung auf die national erregten Gemüter. 100 Auf dem kurz darauf anschließenden Philologentag wollte das Zeitungsarchiv eigentlich mit einer Ausstellung über Jugendzeitschriften um das Interesse der Fachleute werben. 101 Auch das Sammeln von Papier kostete allerdings Geld, und damit ließ sich in diesen Inflationstagen nicht mehr planen. Hatte man für die erste Ausstellung im Juni noch 100 Mark Eintritt verlangen können — für Studenten ,nur* 50 Mark — , 102 so hätte man jetzt jedem Besucher schon Millionen abverlangen müssen. Man verzichtete überhaupt auf Eintritt, dafür aber auch auf besondere Vorbereitungen. Es kam schließlich nur wieder eine Ruhrkampfschau zustande, die obendrein den Nachteil hatte, nicht mehr ganz aktuell zu sein: Der passive Widerstand des Ruhrgebietes war Ende September 1923 auf Weisung Berlins erfolglos aufgegeben worden, 103 die Ausstellung konnte nicht mehr den Durchhaltewillen bestärken, sondern nur noch die Niederlage vor Augen führen. „Aber deshalb ist die Ausstellung nicht weniger interessant," tröstete die lokale Presse, „weil sie doch vor allem auch einen Einblick in die Art des Seminars für Zeitungskunde, alle nur irgendwo existierenden und erscheinenden Dokumente zu einem wichtigen Zeitereignis zu sammeln, sie methodisch zu ordnen und somit zu einem Instrument zu gestalten, das den objektiv Forschenden als Material unersetzlich sein muß" 104 gewähre. Das Ende des Ruhrkampfes beendete noch lange nicht die Arbeit des RheinRuhr-Ausschusses. Als sein Bestand durch den Weggang d'ESTERs Anfang 1924 und MEISTERs Tod 1925 in Frage stand, regte das Preußische Kultusministerium die Universität dringend zur Fortführung der erfolgreichen Tätigkeit an. 105 Die Universität gewann den Historiker Karl S P A N N A G E L 100
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vgl. Zeitungswissenschaftliche Ausstellung, in: Münsterischer Anzeiger N r . 490 vom 26. 9. 1923; der ursprüngliche Plan, für die Ausstellung eine Übersicht über die katholische Weltpresse zusammenzutragen, scheiterte an zu hohen Portokosten. vgl. Wissenschaftliche Zeitungsausstellung, in: Münsterischer Anzeiger N r . 338 vom 6. 7. 1923. dazu ein Hinweis im Münsterischen Anzeiger N r . 295 vom 12. 6. 1923. Den Entschluß fällte die Regierung Stresemann am 24. 9. 1923, vgl. Michael Freund, Deutsche Geschichte, 6 Bde., fortgeführt von Thilo Vogelsang, Berlin - München: Goldmann 1978, Bd. 5: 1 9 1 8 - 1 9 3 9 , S. 65. -rp (Rudolf Predeck), Ausstellung für Zeitungswesen zum Philologentage, in: Münsterischer Anzeiger N r . 495 vom 29. 9. 1923. Schreiben des P K M (i.A. Schnitzler) an den Kurator vom 27. 2. 1925, U A MS Kur. F 13 N r . 10.
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(1862 — 1937) 106 als gebürtigen Rheinländer, Kenner der rheinischen Schwester-Universität Bonn und Mitglied der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde für diese Aufgabe. 107 Im Ausschuß selbst hat S P A N N A G E L das Werk Aloys M E I S T E R s anscheinend nicht mehr lange fortsetzen können, da die entsprechende Akte - trotz weiterbestehender Rheinlandbesetzung, aber wohl aufgrund der gewandelten außenpolitischen Situation nach 1925 — noch im gleichen Jahr geschlossen wurde. Umso stärker sollte S P A N N A G E L noch als Erbverwalter der gleichzeitig verwaisten Zeitungskunde in Münster auftreten.
e) Finanz- und Personalpolitik Nicht von ungefähr hatte Aloys M E I S T E R darauf bestanden, Karl d ' E S T E R gegen dessen eigene Überzeugung und die Einschätzung der Philosophischen Fakultät für Zeitungskunde zu habilitieren. E r wollte das neue Arbeitsgebiet als eigenständige Disziplin an der Universität verankern und so früh wie möglich .Tatsachen schaffen', die sie unabhängig von der Neigung einzelner Gelehrter zum Bestandteil des Universitätsfächerkanons machte. Was die Universität selbst dazu tun konnte, war mit der Habilitation d'ESTERs getan. Nun kam es darauf an, auch die Anerkennung des Staates zu erringen, um dem Fach die im normalen Wissenschaftsbetrieb übliche Existenzgrundlage in Form eines festen Sachetats und — wichtiger noch — eines Lehrstuhls zu sichern. M E I S T E R s Etatwünsche waren vergleichsweise bescheiden: Nachdem es ihm zunächst nur um Mittel zur Anstellung eines Assistenten gegangen war, 108 veranschlagte er nach Eröffnung des Seminarbetriebes im Frühjahr 1920 einen Etat von 2 000 Mark zur Deckung der laufenden Kosten 109 und einen einmaligen Zuschuß von 3 000 RM. Selbst P L E N G E hielt diese Sätze für „viel zu gering". 110 M E I S T E R s auf 3 500 bzw. 8 500 Mark erhöhten Forde-
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Karl SPANNAGEL, geb. am 27. November 1862 in Barmen, prom. am 2. Dezember 1885 in Leipzig, hab. am 21. Januar 1893 in Berlin, Lehrauftrag in Bonn (?), zum 21. April 1897 als Extraordinarius nach Münster berufen mit Lehrauftrag für mittlere u. neuere Geschichte, am 13. Januar 1903 zum Ordinarius und Mitdirektor des Historischen Seminars ernannt, am 14. März 1918 zum „Geheimen Rat" ernannt; vor und im 1. Weltkrieg tat SPANNAGEL sich durch sein monarchistisch-nationales Engagement hervor, das sich besonders in seiner Festrede zur 100-Jahres-Feier der Befreiungskriege am 23. 2. 1913 und in seinen patriotischen Appellen in seiner Rektoratsrede im Juli 1914 an die ins Felde ziehenden Studenten niederschlug, vgl. U A MS N U PA 303 (Spannagel), UA MS Kur. PA 6649 (Spannagel) und Helga Oesterreich, Geschichtswissenschaft und Geschichtsstudium an der Universität Münster, in: Die Universität Münster 1780— 1980, i.A. des Rektors hg. von Heinz Dollinger, Münster: Aschendorff 1980, S. 347 - 382.
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vgl. Schreiben des Rektors (Grützmacher) an Spannagel vom 10. März 1925, U A MS N U K 18 und seinen Vermerk auf dem Schreiben des PKM an den Kurator vom 27. 2. 1925, a.a.O. Schreiben Meisters an das PKM vom 24. 12. 1919, a.a.O. Schreiben Meisters an das PKM vom 29. 5. 1920, a.a.O. Schreiben Meisters an den Kurator v. 12. 2. 1921, Kur. F 13, Nr. 102, 2
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rungen in den beiden folgenden Jahren 111 entsprachen in etwa der drastischen Geldentwertung jener Jahre und wurden auch vom Rektor der Universität, von SALIS, gegenüber dem Ministerium „als nicht zu hoch" vertreten. 112 Beim vierten Etat-Antrag im August 1923 war es aufgrund der Inflation schon nicht mehr möglich, sich auf eine bestimmte Summe festzulegen. 113 Der Antrag werde als „alter Bekannter ( . . . ) solange wiederkehren, bis er bewilligt" sei, kündigte MEISTER dem Kurator der Universität schon 1922 an 114 — er wurde nie bewilligt. Die Schwierigkeiten lagen nicht beim Kultusministerium, das schon vor der Eröffnung des Seminars dessen Förderungswürdigkeit bestätigt hatte, 115 sondern beim Preußischen Finanzministerium, dem das Kultusministerium größere Etatanträge nur befürwortend vorlegen konnte. Das Preußische Finanzministerium hielt die Mittel des Kultusministeriums knapp und war vor allem im Inflationsjahr 1923, aber auch schon davor, eher darauf eingestellt, Institute oder gar ganze Fakultäten oder Universitäten zu schließen als neue Disziplinen zu finanzieren. 116 Das Kultusministerium dagegen unterstützte die münsterischen Anträge nicht nur und regte die Universität dazu an, die Notwendigkeit des Zeitungsseminars für den Finanzminister noch einmal besonders nachdrücklich zu begründen, sondern stellte dem Seminar aus eigenen Sonderfonds Überbrückungshilfen zur Verfügung: Für das Rechnungsjahr 1921 betrug der einmalige Zuschuß zur Bestreitung sachlicher Ausgaben 2 000 Mark 117 — 3 500 waren gefordert worden —, Anfang 1923 kündigte das Ministerium 4 000 Mark „zur Beschaffung von Büchern und einem verschließbaren Schrank" an 118 — wieder fast die Hälfte der als Etat beantragten Summe. Im Zuge der Inflation wurde diese Zusage hinfällig: Im Juni 1923 wies der Ministerialdirigent Prof. Dr. Werner R I C H T E R dem Seminar statt dessen gleich 100 000 Mark an 119 - ein Betrag, der dem Tageswert von 1 000 Ein111 112 113 1,4
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Schreiben Meisters an das PKM vom 16. 6. 1921 und vom 28. 6. 1922, a.a.O. Schreiben des Kurators an das PKM vom 5. 7. 1922, HStA Dü Rep. NW 5 - 4 8 1 . Schreiben d'Esters und Meisters an das PKM vom 1. 8. 1923, a.a.O. Etatantrag von Meister und d'Ester an das PKM vom 15. 5. 1922, U A MS Kur. F 13, Nr. 10, 1. Schreiben des PKM an den Kurator vom 10. 2. 1920, U A MS Kur. F 13 Nr. 10, 1. vgl. Erich Wende, C.H. Becker, Mensch und Politiker, a.a.O., S. 93 und 128. vgl. Schreiben des PKM an das Preußische Finanzministerium vom 26. 7. 1921, HStA Düsseldorf, Rep. NW 5 - 4 8 1 und Schreiben des PKM an den Kurator vom 2. 4. 1921, UA MS Kur. F 13 Nr. 10, 1. Schreiben des PKM (gez. Richter) an den Kurator vom 3. Januar 1923, U A MS Kur. F 13, Nr. 10, 1; der häufig wiederkehrenden Abzeichnung zufolge unterstand die Betreuung der Zeitungswissenschaft im PKM dem Extraordinarius aus Greifswald, RICHTER, der als Betreuer der philosophischen und theologischen Fakultäten einer der wichtigsten Mitarbeiter des Kultusministeriums war; vgl. Erich Wende, C.H. Becker, Mensch und Politiker, a.a.O., S. 115. Ausgabenanweisung des PKM an den Kurator vom 29. 6. 1923, UA MS Kur. F 13 Nr. 10, 1.
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trittskarten für die Zeitungsausstellung entsprach und vermutlich in Briefmarken umgesetzt wurde. D ' E S T E R und M E I S T E R erkannten „das im Kultusministerium vorhandene Verständnis für die Pflege der Zeitungskunde" 1 2 0 an und hofften, daß es mithelfen könne, „den Herrn Finanzminister von der Unhaltbarkeit des Zustandes zu überzeugen, daß es nicht länger angängig ist, daß ein solches Universitätsinstitut durch die privaten Opfer zweier Dozenten aufrecht erhalten wird." 1 2 1 Nötig waren vor allem Mittel zur Besoldung der inzwischen mit dem Historischen Seminar geteilten Hilfskraft, M E I S T E R s Assistenten Karl B A N Z E R (1899 — ), zur Begleichung der Verwaltungskosten und zur Erweiterung des Archivs und der Bibliothek. M E I S T E R , „persönlich vermögend", 1 2 2 bestritt vermutlich einen großen Teil der reinen Verwaltungskosten, während d ' E S T E R die Sammlungen finanzierte. Allerdings verfügte das Seminar noch über die Zuschüsse der Förderergesellschaft von 1921 und 1922, die mit insgesamt 9 000 Mark nahe an die beim Staat beantragten Summen herankamen, wenn sie auch nicht die Zukunft des Seminars sichern konnten. Diese Gelder, die in den Klagen der beiden Institutsleiter vor Staat und Öffentlichkeit verständlicherweise nicht erwähnt wurden, dürften weitgehend in die Verwaltung eingeflossen sein. D e r wichtigste Ausweis der Einrichtung neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit, der wertvolle Archivbestand, blieb an die Person d ' E S T E R s geknüpft. U m so wichtiger war es für die Existenz der Zeitungskunde in Münster, der Universität diesen begabten Sammler zu erhalten. Die Gefahr, ihn durch aussichtsreichere Berufungen zu verlieren, kündigte sich schon Ende 1920 an: Karl B U C H E R in Leipzig, der gealterte Gründer des ersten deutschen und wesentlich besser ausgestatteten zeitungskundlichen Instituts, versuchte d ' E S T E R mit dem Angebot einer nichtetatmäßigen außerordentlichen Professur als seinen Nachfolger zu gewinnen. 123 Obwohl d ' E S T E R zu diesem Zeitpunkt schon direkt aus dem Preußischen Kultusministerium erfahren hatte, „daß man keinen Pfennig für Zeitungskunde bewilligen könne," 1 2 4 entschied er sich für den Verbleib in Münster unter der einzigen, bescheidenen Voraussetzung, daß er von seiner Pflichtstundenzahl als Gymnasiallehrer entlastet werde. Im Anschluß an einen „dringlichen Antrag" der Philosophischen Fakultät vom 25. April 1921 wurde ihm dieses kleine Privileg, eine Verringerung von 22 auf zehn Wochenstunden, gewährt. 125 120
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Das Zeitungsinstitut der Universität Münster, in: Deutsche Presse, 11. Jg. (1923), Nr. 25/26, S. 8. Etatantrag d'Esters und Meisters an das PKM vom 1. 8. 1923, UA MS Kur. F 13 Nr. 10,1. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 210. Schreiben Büchers an d'Ester vom 28. 12. 1920, zitiert im Schreiben d'Esters an die Phil. Fak., undatiert (Anfang 1921), UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f. Schreiben d'Esters an die Phil. Fak., undatiert (Anfang 1921), a.a.O. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. an das PKM vom 25. 4. 1921, a.a.O.
Aloys MEISTER hingegen erkannte in dem Interesse der sächsischen Kultusbehörden an .seinem' Zeitungskundler neben der Gefahr auch eine Chance, einen zeitungskundlichen Lehrstuhl für Preußen zu erwirken. Den Gedanken an ein Ordinariat für d'ESTER gab er freilich bald als undurchsetzbar auf und forderte statt dessen d'ESTERs Ernennung zum persönlichen Extraordinarius und Mitdirektor des Historischen Zeitungsseminars.126 Obwohl diese Lösung für d'ESTER keine finanzielle Besserung versprach, wußte MEISTER, daß sein Mitarbeiter, der an seinen Gymnasiasten in Münster hing und sich stark in der Jugendbewegung engagierte, schon für eine symbolische Anerkennung bereit sein würde, seine Arbeit in Münster fortzusetzen. Unklugerweise argumentierte er damit im Februar 1921 auch vor dem Kultusministerium, was dem Antrag die lapidare Randbemerkung eintrug: „Na also, dann bleibt er (d'ESTER/B. M.) wohl ohnedies in Münster." 127 Der Antrag wurde abgelehnt — und d'ESTER blieb tatsächlich. Neben den genannten Gründen mochte dafür der Glaube ausschlaggebend gewesen sein, im Propagandakampf der französisch besetzten Gebiete des Rheinlandes und Westfalens als Zeitungskundler und Patriot vorerst ,vor Ort* bleiben zu müssen. Nicht zuletzt spielte sicher auch die enge Bindung an Aloys MEISTER eine Rolle, dessen schlechten Gesundheitszustand d'ESTER zum großen Teil auf das „Ungemach und Leid" mit dem Pressewesen schob, dem er nichts neues hinzufügen wollte.128 Allerdings spielte d'ESTER in der Folgezeit dann doch mit dem Gedanken, seine wenig ermutigende akademische Position auf Dauer aufzugeben, „um sich wirtschaftlich zu verbessern,"129 wofür es zum Beispiel im Provinzialschulkollegium in Koblenz Anknüpfungspunkte gab.130 Darauf verwies die Philosophische Fakultät der Universität Münster in einem erneuten Antrag vom 4. Dezember 1922, in dem eine nichtbeamtete außerordentliche Professur für d'ESTER als Minimalforderung erhoben wurde. 131 Endlich, mehr als zwei Jahre nach dem ersten Gesuch, folgte mit Erlaß des Kultusministers vom 16. April 1923 schließlich d'ESTERs Ernennung zum nichtbeamteten Extraordinarius, allerdings mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß dies seine Rechtsstellung (und mithin seine Versorgung) nicht berühre. 132 Zu diesem Zeitpunkt war d'ESTER mit solchen Gesten jedoch kaum noch zu halten. Er hatte sich mittlerweile als Zeitungskundler und „einer der besten Kenner dieser Wissensgebiete in Deutschland" einen Namen gemacht, und die 126 127
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Schreiben Meisters an den Kurator vom 29. 1. 1921, UA MS Kur. F 13 Nr. 10, 2. Randbemerkung auf dem Schreiben des Kurators an das PKM vom 17. 2. 1921, HStA Düsseldorf, Rep. N W 5 - 4 8 1 Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 24. vgl. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. an das PKM vom 4. 12. 1922, UA MS Phil. Fak. B V Nr. 6. vgl. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 177. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Schöne) an das PKM vom 4. 12. 1922, a.a.O.; vgl. Eingabenentwurf Meisters vom 29. 9. 1922, UA MS Phil. Fak. B. I 2. Schreiben des PKM an d'Ester vom 16. 4. 1923, UA MS N U PA 56 (d'Ester).
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Universität Münster war nicht die einzige, die keinen „Ersatz" für ihn wußte: Auch die ehrgeizigen Pläne der Berufsorganisationen der bayerischen Presse für ein Institut für Zeitungswissenschaft in München waren mit Zustimmung des bayerischen Landtages inzwischen soweit gediehen, daß man dort über die Personalfrage beriet. 133 Im Gespräch stand d ' E S T E R dort schon seit Anfang 1921, ohne selbst davon zu wissen: Entgegen seiner Annahme, daß Karl BUC H E R ihm die spätere Entscheidung für München verübelt habe, 134 scheint dieser ihn - zusammen mit Johannes K L E I N P A U L ( 1 8 7 0 - 1 9 4 4 ) - der Münchener Universität selbst vorgeschlagen zu haben. 135 Während eines Ferienlagers auf Norderney mit westfälischen Jugendlichen erreichte d ' E S T E R Ende Juli 1923 schließlich das Angebot des Bayerischen Kultusministeriums, die etatmäßige außerordentliche Professur mit einem Grundgehalt von 3 360 Mark jährlich zu übernehmen. 136 Der nunmehr 42jährige machte sich die Entscheidung nicht leicht: Immer noch setzte er darauf, seine persönliche Situation in Münster verbessern zu können, wozu zunächst einmal die Schaffung erträglicher Wohnmöglichkeiten gehörte. Uber die lokale Presse ließ er mitteilen, daß sein Verbleib in Münster „von dem Verhalten des Wohnungsamtes ab(hänge), ob es ihm nach 3 1/2 jährigem Warten eine anständige Wohnung zur Verfügung" stelle.137 Gleichzeitig hoffte er auf den Erfolg neuer Initiativen zur Erwirkung einer dem Münchener Angebot vergleichbaren Stellung und eines Sachetats für das Zeitungsinstitut: E r hatte die Unterstützung des Reichsverbandes der deutschen Presse, und darüber hinaus richtete der Verband der RheinischWestfälischen Presse Ende August 1923 eine „dringliche Eingabe" an das Kultusministerium, in der darauf hingewiesen wurde, daß der Universität mit d'ESTERs Weggang nicht nur eine anerkannte Forscherpersönlichkeit, sondern auch der wichtigste Bestand des Zeitungsarchives verloren gehe. 138
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Otto B. Roegele, Hochschule, Praxis und Journalistenausbildung, in: Publizistik, 19./20. Jg. (1974/75) Nr. 3/4 u. 1/2, S. 3 1 6 - 3 2 3 . Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 212. Protokoll der Kommissionssitzung vom 9. 2. 1921 über „Pflege der Zeitungskunde an der Universität", UA München; zitiert nach Otto B. Roegele, Hochschule, Praxis und Journalistenausbildung, a.a.O., S. 322; im Juli 1923 erwog man außerdem, neben d'ESTER auch den Freiburger Lektor für Zeitungskunde, Wilhelm KAPP, zu berufen; vgl. Protokoll der Sitzung des Akademischen Senats vom 25. Juli 1923, UA München, zitiert ebd. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 185; d'ESTER gibt dafür freilich das Datum mit 1921 an - ein Irrtum, der in seinen Erinnerungen nicht vereinzelt dasteht. Vgl. Otto B. Roegele, Hochschule, Praxis und Journalistenausbildung, a.a.O. Aus der Stadt, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 416 vom 17. 8. 1923; zur überregionalen Resonanz vgl. - , Wohnungsamt und Zeitungskunde, in: Die Zeit (Berlin) vom 2. 11. 1923; eine anschauliche Schilderung des vom Abbruch bedrohten .Wohn-Verhaus' d'ESTERs findet sich in Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 2 2 3 - 2 2 5 . vgl. - , Zeitungskunde an deutschen Hochschulen, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 444 vom 2. 9. 1923.
Ebenso argumentierte die Philosophische Fakultät mit ihrem letzten Versuch am 3. September 1923, eine etatmäßige außerordentliche Professur und einen Sachetat für das Institut zu erwirken. Dabei glaubte sie, auch auf den .preußischen Nachholbedarf in Sachen Zeitungswissenschaft verweisen zu können: „Die Notwendigkeit einer solchen Professur, eines Zeitungsseminars und eines Zeitungsarchivs ist notorisch. ( . . . ) Gerade in Münster aber sind hoffnungsvolle Ansätze dazu schon jetzt am weitesten gediehen. Es wäre höchst unerwünscht und würde als ein Mangel an staatsmännischer Voraussicht ausgelegt werden können, wenn Preußen sich auf diesem wichtigen Gebiet von Bayern überflügeln und von Sachsen überholen ließe ( . . .)" 139 Die Universität ahnte offenbar nicht, daß sich die „staatsmännische Voraussicht" des Kultusministers Otto B O E L I T Z (1876-1951) und seines Staatssekretärs C. H. B E C K E R (1876— 1933) zu dieser Zeit persönlich längst einem anderen Objekt zugewandt hatte: dessen Pressereferent, Dr. Martin M O H R , der in dieser Funktion noch Anfang Juni 1923 nach Münster mit dem Auftrag geschickt worden war, die dort „geschaffenen zeitungswissenschaftlichen Einrichtungen zu besichtigen", 140 schickte sich, an, selbst ein Institut einzurichten und erhielt ein Jahr später, am 25. Juli 1924, ^ian der Philosophischen Fakultät der Berliner Universität einen Lehrauftrag für Zeitungswesen. 141 Der ehemalige Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten", und Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, der auch B E C K E R nahestand, 142 hatte sich schon 1913 gegen die Mehrheit seiner Berufskollegen für die Schaffung akademischer Stätten der journalistischen Berufsbildung ausgesprochen und sich nach dem ersten Weltkrieg verstärkt dafür eingesetzt. 143 In Berlin konnte er an die Vorbereitungen des Orientalisten und Redakteurs der „Deutschen Allgemeinen Zeitung", Otto J O H L I N G E R , anknüpfen, der schon im Oktober 1918 einen Lehrauftrag für Zeitungswesen erhalten hatte und seit Mai 1919 am Orientalischen Seminar der Berliner Universität Pressevorlesungen hielt.144 Nach dem Tod J Ö H L I N G E R s 1924 unterstützte C.H. B E C K E R , von Haus aus selbst Orientalist und ab 1925 zum zweitenmal Kultusminister, M O H R in seinen weiterreichenden Plänen für ein selbständiges Institut für Zeitungswissenschaft nach Art der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Obwohl Antrag der Phil. Fak. an das P K M vom 3. 9. 1923, U A MS Phil. Fak. B V N r . 6. Nachricht des P K M an den Kurator vom 4. 6. 1923 über den Besuch Möhrs am 8. 6. 1923, HStA Düsseldorf, Rep. N W 5 - 4 8 1 . 1 4 1 Martin Mohr, Zeitungskunde und Zeitungswissenschaft, Leipzig 1927, S. 9. l « vgl. Erich Wende, C . H . Becker, a.a.O., S. 182. 1 4 3 vgl. Rüdiger vom Bruch, Zeitungswissenschaft zwischen Historie und Nationalökonomie, in: Publizistik 25. Jg. (1980), N r . 4, S. 579 - 607/590; Martin Mohr, Zeitung und neue Zeit. Vorschläge und Forderungen zur wissenschaftlichen Lösung eines Grundproblems. München - Leipzig: Duncker & Humblot 1919. 1 4 4 vgl. Emil Dovifat, Die Publizistik an der Friedrich-Wilhelms-Universität, a.a.O., S. 732.
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B E C K E R der Bildung von Zwischenorganisationen und Komitees zur Förderung wissenschaftlicher Einrichtungen wegen der Gefahr der Undurchsichtigkeit und des Abgleitens der kulturpolitischen Führung des Staates auf gesellschaftliche Interessengruppen im allgemeinen skeptisch gegenüberstand, 145 übernahm er 1924 persönlich den Vorsitz der „Deutschen Gesellschaft für Zeitungswissenschaft", die als Rechtsträger des geplanten und im Frühjahr 1926 gegründeten „Deutschen Instituts für Zeitungskunde" ins Leben gerufen wurde und sich aus Vertretern der Universität, der Regierung und der Presseverbände zusammensetzte. Auf seine Anregung schuf M O H R außerdem ein Instituts-Kuratorium, dessen Vorsitz der Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Adolf von H A R N A C K (1851 - 1930), übernahm. 146 Selbst bei dieser, vom Kultusministerium betreuten Gründung gelang es erst 1927, eine etatmäßige Professur für Zeitungswesen und Publizistik einzurichten 147 — an einen Erfolg der münsterischen Bemühungen war Ende 1923 also kaum zu denken. Als sich d'ESTER schließlich durch den Zustand seiner Wohnung, der ihm jegliche Arbeitsmöglichkeiten nahm, zu Beginn des Wintersemesters 1923/24 gezwungen sah, seine zeitungskundlichen Vorlesungen abzubrechen, 148 verlor auch er den Mut. Im Januar 1924 teilte er der Philosophischen Fakultät mit, daß er die Berufung des Bayerischen Kultusministeriums zum 1. Februar 1924 angenommen habe. Er begründete den Entschluß, der ihm schwergefallen sei, mit der offensichtlichen Aussichtslosigkeit, vorläufig eine Verbesserung seiner Stellung in Münster zu erreichen und mit seiner mangelnden Kraft, noch länger zwei Berufe gleichzeitig auszufüllen. Der Fakultät sprach er „tiefgefühlten Dank aus für die (wissenschaftliche) Förderung, die sie (stets) der Zeitungskunde hat angedeihen lassen," 149 und versicherte, daß er sich auch von München aus so weit wie möglich für die zeitungskundlichen Einrichtungen in Münster einsetzen werde — ein Versprechen, das er über Jahrzehnte hinweg einhielt. Zunächst stand durch seinen Weggang jedoch der reine Fortbestand des münsterischen Zeitungsinstituts in Frage: die ganze mühsam aufgebaute Fachbibliothek war als d'ESTERs Privateigentum mit nach München gegangen,
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vgl. Erich Wende, C . H . Becker, a.a.O. vgl. Emil Dovifat, Die Publizistik an der Friedrich-Wilhelms-Universität, a.a.O. Nach Möhrs T o d im Sommer 1927 wurde sein Assistent, Emil D O V I F A T (1890 - 1969), auf das neugeschaffene Ordinariat berufen; der erste zeitungswissenschaftliche Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft in Deutschland war zuvor schon 1926 in Sachsen am Leipziger Institut eingerichtet und mit Erich E V E R T H (1878 - 1 9 3 4 ) besetzt worden; vgl. Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Pressegeschichte und Pressetheorie. Erich Everth (1878-1934), in: Publizistik 24 (1979), S. 3 8 6 - 4 0 3 . vgl. -, Einstellung der Vorlesungen, in: Münsterischer Anzeiger N r . 578 vom 14. 11. 1923. Schreiben d'Esters an die Phil. Fak. vom 22. 1. 1924, in: U A MS Phil. Fak. B V N r . 4 f. nicht eindeutig leserliche Teile der Handschrift sind in Klammern gesetzt.
und von den Sammlungen blieb nur ein Torso, wenn dieser auch von Walther HEIDE als „noch recht brauchbar und erfreulich" bezeichnet wurde.150 Aloys MEISTER gab jedoch nicht auf: Dank der breiteren institutionellen Grundlage, die die zeitungskundlichen Einrichtungen der beiden Fakultäten seit dem Wintersemester 1923/24 im gemeinsamen „Zeitungsseminar in zwei selbständigen Abteilungen" vorweisen konnten, 151 stand man im rein formalen Vergleich mit den übrigen Bemühungen um das Zeitungswesen an den deutschen Universitäten immer noch recht gut da.152 Zur Ergänzung seiner eigenen zeitungskundlichen Lehrtätigkeit, die sich auf eine quellenkundlich orientierte Übung und die obligatorische Vorlesung über „ausgewählte Abschnitte" der Pressegeschichte beschränkte, gewann MEISTER den Chefredakteur der münsterischen Zeitungsverlagsgesellschaft Nordwestdeutschlands, Karl MASER (1888- 1940), der im Sommersemester 1924 eine Vorlesungsreihe über „Die deutsche Presse und ihre Herstellung. Einführung in das Zeitungswesen" hielt.153 Für das folgende Wintersemester zog MEISTER außerdem noch sechs weitere Journalisten aus der Lokalpresse heran, die sich mit Vorlesungen aus der Praxis des Pressewesens abwechselten.154 Sein Hauptaugenmerk galt nun freilich der Wiederbesetzung des Lektorates, die angesichts der geringen Lehrstuhlaussichten die einzige Möglichkeit bot, überhaupt noch eine Persönlichkeit zur regelmäßigen Vertretung des Zeitungswesens in Münster zu gewinnen und die Existenz des Faches zu sichern.
150 Walther Heide, Um das Zeitungsinstitut in Westfalen, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 722 vom 21. 8. 1925. Karl JÄGER fand im September 1925 als Institutsbestand eine „viele hunderttausende umfassende Zeitungsausschnittsammlung ( . . . ) , eine kleine Handbibliothek ( . . . ) aus Duplikaten der Bibliothek Dr. d'Esters ( . . . ) , eine Sammlung von Jubiläumsnummern und von Zeitungen, besonders aus dem Bereich der Linkspresse nach 1920, zahlreiche Negative zu Lichtbildern, ( . . . ) eine erfreulich zahlreiche Sammlung deutscher Feldzeitungen" und „eine Sammlung über die Presse im Rhein- und Ruhrkampf" vor, die allerdings „an vier Stellen verstreut und nicht gepflegt" sei. — Karl Jäger, Dortmund oder Münster, in: Mitteilungen des N W Z W , 1. Jg. (1925), Nr. 9, S. 2 - 5 / 4 . 151 152
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vgl. die entsprechenden Vorlesungsverzeichnisse der W W U WS 1923/24 - WS 1924/25. vgl. Walther Heide, Die Zeitungswissenschaft an den deutschen Universitäten, in: Deutsche Presse, 14. Jg. (1924), Nr. 41/42, S. 6 - 7 . vgl. Vorlesungsverzeichnis der W W U SS 1924. vgl. ebenda, SS 1924/25 und - , Vorlesungen über Zeitungswesen, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 316 vom 4. 11. 1924; es handelte sich um die Redakteure HEILBRONN (Osnabrücker Zeitung), Dr. Jobst KISSENKÖTTER (Westfälische Landeszeitung), Dr. Rudolf PREDECK (Münsterischer Anzeiger), WARNECKE (Westfälischer Merkur), Dr. WIEMERS (Westfälischer Bauer) und Franz Z O N S (Münsterische Zeitung).
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VI. Von der Hilfskraftstelle zum Lehrstuhlersatz - Ringvorlesungen und Lektorat a) Funktion und erste Besetzung des Presselektorats Es paßte zum von nationaler Begeisterung getragenen Eifer der westfälischen Hochschule in den ersten Kriegsjahren, sich mit möglichst vielen gegenwartsbezogenen Sonderveranstaltungen aus dem .Elfenbeinturm' hinaus ins volle gesellschaftspolitische Leben zu begeben, 1 daß auch die Idee nach Vorlesungen über das Pressewesen im Sommer 1915 den „allgemeinsten Beifall" in der Philosophischen Fakultät fand. 2 Trotz der Bereitschaft zahlreicher Ordinarien, solche Ringvorlesungen durch Beiträge aus ihrem Fachgebiet zu bestreiten, war man sich jedoch von Anfang an darüber einig, daß man dazu auch einen Fachmann aus der Pressepraxis zur ständigen Ergänzung gewinnen müsse, „am besten in der Form eines eigenen Lektorats für Pressewesen." 3 Es sollte zwar noch über zwei Jahre dauern, bis man diesen Plänen nähertreten konnte, doch mit dem geeigneten Mann stand man über die Kriegsnachrichten-Sammelstelle schon früher in Verbindung: Die Rede ist von Dr. Friedrich C A S T E L L E , dem Leiter der Presseabteilung und Zensor des stellvertretenden Generalkommandos des VII. Armeekorps in Münster, der in dieser Funktion für die amtliche Betreuung der Sammelstelle zuständig war. In Münster war C A S T E L L E allerdings besser als Journalist, westfälischer Heimatdichter und Vortragskünstler bekannt. Am 30. April 1879 im münsterländischen Appelhülsen geboren, hatte er seine journalistische Laufbahn im Jahre 1900 in Aschaffenburg begonnen. 4 Ein Jahr später wechselte er nach Aachen, wo er bis 1904 am „Echo der Gegenwart" als Feuilletonredakteur tätig war. 5 Danach trat C A S T E L L E in die Kulturredaktion des „Münsterischen Anzeigers" ein, der er 16 Jahre lang bis 1921 verbunden bleiben sollte - mit Abstand die längste Zeit, die sich der ruhelose Publizist je an eine Aufgabe band.
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In diesem Sinn wurden auf Initiative des Historikers Ernst D A E N E L L ab 1914 volkshochschulartige „Hochschulkurse für Jedermann" eingerichtet. Außerdem beteiligten sich verschiedene Ordinarien mit Stellungnahmen zum Kriegsgeschehen aus der Sicht ihres Faches an den „Kriegsvorträgen der Universität Münster", von denen die meisten unter diesem Titel im münsterischen Verlag Borgmeyer veröffentlicht wurden; vgl. Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster während des ersten Weltkrieges und der Novemberrevolution (1914 - 1919), Phil. Diss. Münster 1944, S. 55 - 61 und Helga Oesterreich, Geschichtswissenschaft und Geschichtsstudium in Münster im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert, in: Die Universität Münster 1780 - 1 9 8 0 , hg. v. Heinz Dollinger, Münster: Aschendorff 1980, S. 3 4 7 - 3 8 2 / 3 6 0 .
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Schreiben des Dekans der Phil. Fak. an den Kurator der W W U vom 6. 8. 1915, UA MS Phil. Fak. B I Nr. 2. ebenda. Stadtarchiv Münster, PA Castelle. ebenda; vgl. ferner Notiz ohne Titel, in: Zeitungs-Verlag, 5. Jg. (1904), Nr. 47, Sp. 1161.
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Allerdings waren diese Jahre auch mit zahlreichen Nebentätigkeiten ausgefüllt: D a war zunächst das Studium der Germanistik, das er 1906 — kurz vor Karl d'ESTER — an der münsterischen Hochschule mit einer Dissertation über die ungedruckten Dichtungen Josef v. E I C H E N D O R F F s abschloß. 6 Drei Jahre zuvor war schon der erste größere Gedichtband C A S T E L L E s erschienen, 7 und ab 1912 gab er neben seiner Redakteurstätigkeit die Verkehrszeitschrift „Deutschland" (Essen) heraus, in der er sich besonders der Vorstellung unbekannter Heimatdichter widmete. 8 Dieser Aufgabe konnte sich C A S T E L L E freilich nur drei Jahre lang hingeben, da er mit Kriegsausbruch 1914 in die Presseabteilung des stellvertretenden Generalkommandos kriegsdienstverpflichtet wurde. Die stellvertretenden Generalkommandos waren während des Krieges für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zuständig und übten dabei auch die Pressezensur aus. 9 In Münster, einem der größten und wichtigsten Korpsbezirke, 10 unterstand diese Kontrollfunktion nun C A S T E L L E . Der Journalist wird seinen Teil dazu beigetragen haben, daß Aloys MEISTER in der Zusammenarbeit mit ihm einen so positiven Eindruck von der Pressezensur gewann, daß er dem Postulat der Pressefreiheit abschwor: „Der normale Mensch war so sehr daran gewöhnt worden zu glauben, die Presse könne nur in schrankenloser Freiheit leben - und nun ging es auch so." 11 Bei dieser Ubereinstimmung hatte die Militärbehörde keine Bedenken, ihren Zensor für Vortragsabende im Historischen Seminar der Universität freizustellen, wo er ausdrücklich seine Erfahrungen „als langjähriger Redakteur und ( . . . ) als Zensor" vermitteln sollte. 12 Viermal hielt C A S T E L L E im Wintersemester 1917/18 solche Abende ab, zu denen sich 25 Teilnehmer einfanden. 13 Außerdem stellte er sich für die von dem Historiker Ernst D A E N E L L eingerichteten „Hochschulkurse für Jedermann" zur Verfügung. In einem Vortrag „schilderte (er) die weltumspannenden Zusammenhänge des internationalen Pres6
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Friedrich Castelle, Ungedruckte Dichtungen Eichendorffs. Ein Beitrag zur Würdigung des romantischen Dramatikers, Phil. Diss. Münster 1906; vgl. Karl d'Ester, Dr. Friedrich Castelle 60 Jahre, in: Zeitungswissenschaft, 19. Jg. (1944), N r . 5/6, S. 147. V o m Leben und Lieben. Gedichte von Friedrich Castelle, Köln: J . G . Schmitz in Kommission 1903. Stadtarchiv Münster, PA Castelle. Zu den Zensurmaßnahmen des stellv. Generalkommandos des VII. A K vgl. Wilhelm Deist (Hg.), Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1 9 1 4 - 1918, Düsseldorf: Droste Verlag 1970, an verschiedenen Stellen. vgl. Barbara Marshall, The political Development of German University Towns in the Weimar Republic: Göttingen and Münster 1 9 1 8 - 1 9 3 0 , Phil. Diss. London 1972, S. 20. Aloys Meister, Presseprobleme im Kriege und nach dem Kriege, in: Hochland, 19. Jg. (1915/16; Jan. 1916); Bd. 1, S. 5 8 2 - 5 8 9 . Schreiben Meisters an das PKM vom 31. Dezember 1917 (Abschrift), U B B I Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß. U A MS Akten zur Chronik der Westfälischen Wilhelms-Universität (1. 4. 1917 31. 3. 1918), hdschr. Eintragung Meisters.
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sewesens und klärte über alle Fragen auf, die dem Zeitungsleser gerade im Kriege — insbesondere in der feindlichen Presse — vor Augen traten." 1 4 S o m i t w a r klar, an w e n M E I S T E R dachte, als er zu B e g i n n des J a h r e s 1918 die E i n r i c h t u n g eines L e k t o r a t s für Zeitungskunde anregte, das besetzt werden sollte mit e i n e m „ P r a k t i k e r der Presse, der aus der F ü l l e seiner E r f a h r u n g e n s c h ö p f t . " Seine A u f g a b e sei es, „aufzuklären über den Beeinflussungsapparat der Presse, über ihr Wesen, (ihre) Bedeutung, über ihre Pflichten gegenüber dem Staat (und der) Allgemeinheit, über die Quellen und die Nachrichtenvermittlung, über die Arbeitsweise der Presse, über Be(trieb und Her)stellungstechnik (verbunden mit dem Besuch von Zeitungsdruckereien), über die politische Stellung und die wirtschaftliche Richtung der wichtigeren deutschen und ausländischen Blätter, über das Wesen der Auslandspresse, über die besonderen Aufgaben und die Lage der Zensur und dergl. mehr."15 Systematische Z e i t u n g s k u n d e also 1 6 -
allerdings auf rein i n f o r m a t i v e r E b e n e
o h n e jeglichen F o r s c h u n g s a n s p r u c h , der die rein pressehistorisch ausgerichtete A r b e i t des späteren Zeitungsseminars hätte ergänzen k ö n n e n . 1 7 D e r Z w e c k des L e k t o r a t s w a r pädagogischer N a t u r , i n d e m es darum ging, „einerseits dem Nachwuchs der Journalisten eine vielseitige Bildung (zu vermitteln), andererseits aber den Studierenden aller akademischen Berufe Gelegenheit (zu) geben, Verständnis für die Presse und ihre Wichtigkeit auch für die fachliche Bildung zu gewinnen." 1 8 D i e s e Aufgabe w o l l t e M E I S T E R aber keineswegs dem L e k t o r a t allein überlassen. In erster L i n i e verließ e r sich auf die Bereitschaft zahlreicher K o l l e g e n sei-
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Heinz Kösters, Die Westfälische Wilhelms-Universität, a.a.O., S. 59 f.; vgl. - , Hochschulkurse für jedermann, in: Westfälischer Merkur Nr. 3 vom 3. 1. 1918; —, Hochschulkurse für jedermann, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 4a vom 3. 1. 1918 und - , Das Zeitungswesen, in: Münsterischer Anzeiger Nr. 23 vom 13. 1. 1918. Meister, Eingaben-Entwurf für die Errichtung eines Lektorats für Zeitungskunde vom 1. 1. 1918, UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f. vgl. Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft 1919 - 1945, in: Josef Hackforth/Arnulf Kutsch, Kommunikationswissenschaft in Münster 1919-1982, Münster: Fahle, S. 8 - 3 3 / S . 10 u. 12. Karl d'ESTER setzte die systematische Zeitungskunde später mit der Zeitungskunde überhaupt gleich - „Zeitungskunde umfaßt alles, was mit der Praxis der Zeitung zusammenhängt" - und fordert eine genaue Trennung zwischen ihr und der eigentlichen Zeitungs-Wissenschaft bzw. -forschung: „Man würde dann einerseits nicht immer wieder dem Vertreter der Zeitungsforschung mit Forderungen nach einer praktischen Ausbildung des Journalisten kommen, und andererseits käme der Vertreter der Zeitungskunde nicht in Gefahr, durch eine ihm bei der Fülle das zu Behandelnden und der raschen Veränderung der Verhältnisse fast unmöglich zu vermeidenden Oberflächlichkeit, das Ansehen der neuen Disziplin zu gefährden." — Karl d'Ester, Bedeutung und Aufgaben der Zeitungswissenschaft, in: Mitteilungen der Stadtbibliothek Dortmund (Westfälisches Magazin, N.F. 8), 1925, S. 5 5 - 5 9 / 5 5 u. 56 Aloys Meister, Eingaben-Entwurf für die Errichtung eines Lektorats für Zeitungskunde, a.a.O.
ner Universität, „in ihren Vorlesungen und Übungen das Zeitungswesen, soweit es in ihr Fach schlägt, zu berücksichtigen," wie sie wenig später auch in der großen Teilnahme an den Ringvorlesungen zum Ausdruck kam. Nur zur „Ergänzung" dieses Angebotes hielt es MEISTER für „notwendig, daß außerdem noch ein journalistischer Fachmann angestellt wird, der Fragen der Organisation und der Technik des Zeitungswesens zu behandeln hat." 1 9 Die damit gekennzeichnete Funktion des Lektorates war dennoch nicht zu unterschätzen: Ein Presselektorat als Unterstützung eines selbstübernommenen allgemeinen Bildungsauftrags der Universität - darin dokumentierte sich in einer Zeit, in der die Zurückhaltung der Wissenschaft gegenüber der Presse nur hier und da durch vereinzelte Gelehrte aufgebrochen wurde, eine beachtenswerte Aufgeschlossenheit innerhalb der Universitätsgemeinschaft. Eine Aufgeschlossenheit, der allerdings persönliche Rivalitäten trotz der Einigkeit in der Sache enge Grenzen setzten: Noch bevor der Antrag der Philosophischen Fakultät auf Errichtung eines Lektorats am 13. Februar 1918 dem Preußischen Kultusminister offiziell zuging, 20 torpedierte ihn Johann PLENG E als eine „nicht ( . . . ) für den Staatswissenschaftler und gar für den künftigen Zeitungsredakteur genügende Lösung," 21 weshalb er sich gezwungen sehe, für seine speziellen zeitungskundlichen Interessen eigene Wege zu gehen. Erst Ende Juni 1918 fand auf Vermittlung des Kurators der Universität, Prinz von R A T I B O R und C O R V E Y , eine Aussprache zwischen den Vertretern der rivalisierenden Fakultäten statt, bei der man sich auf folgende Vorschläge für den Minister betreffs des Lektorats einigte: „1) Das zu begründende Lektorat für Zeitungswesen wird der Philosophischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät angegliedert. 2) Der Lektor wird angestellt ,für die Einführung in das Zeitungswesen und öffentlichen Ausdruck'. 3) Der Lektor wird von dem Herrn Minister angewiesen, sich für die Wahl des Stoffes seiner Vorlesungen und Übungen ins Einvernehmen zu setzen mit dem aus Mitgliedern der Philosophischen und Naturwissenschaftlichen und Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät zusammengesetzten Kommission, die künftig die Aufgabe haben wird, durch Heranziehung der dafür in Betracht kommenden bereits vorhandenen Lehrkräfte der Universität für jedes Semester Vorlesungen über Spezialgebiete des (Zeitungs)wesens und der Journalistik zu veranlassen. 4) Das Lektorat wird erstmalig (?) Herrn Dr. Castelle in Münster übertragen. Seine (Besetzung) für (diese) Stelle (ergibt) sich (aus) seiner Neigung und seiner beruflichen Ausbildung, über die in dem beigefügten Lebenslauf nähere Mitteilungen enthalten sind. " 21
ebenda Schreiben der Phil. Fak. an das PKM vom 13. 2. 1918 UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f. Schreiben Plenges an den Kurator vom 12. 1. 1918, UB BI, Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß
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Die Fakultät erlaubt sich im (Auftrag) ( . . . ) Eurer Durchlaucht mitzuteilen, daß von ( . . . schon) unter No. 3 genannten Kommission von (der) Fakultät die Herren Ehrenberg, Meister, Schwering und Hoffmann als ständige Mitglieder (gewählt) worden sind." 22 Schon im September 1918 genehmigte das Kultusministerium die Errichtung des so definierten Lektorates, das am 4. Dezember 1918 auf C A S T E L L E übertragen wurde. 23 Es war freilich unbesoldet und bot seinem Vertreter nur über die Erhebung von Vorlesungsgebühren bescheidene Einnahmen. 24 Der Journalist begann im Sommersemester 1919 seine Vortragstätigkeit mit einer zweistündigen Vorlesung über „öffentliche Ausdruckskunst" (mit praktischen Übungen) und einer einmaligen Vortragsstunde über „Die Weltpresse seit Anfang des 20. Jahrhunderts" im Rahmen der Ringvorlesung. 25 Erst im Wintersemester 1919/20 bot er neben dem Rhetorikkurs eine fortlaufende, einstündige Vorlesung über „das moderne Zeitungswesen" an. Schon im ersten Jahr seiner Lehrtätigkeit an der Universität wurde CAS T E L L E jedoch durch anderweitiges Engagement abgelenkt: 1919 gründete er zusammen mit dem Heimatdichter Karl W A G E N F E L D die Zeitschrift „Heimatblätter der Roten Erde", die beide zusammen herausgaben, 26 und für das Sommersemester 1920 bat er von Breslau aus von vornherein um Urlaub. 27 C A S T E L L E lebte schon seit Anfang März 1920 in Schlesien, wo er in die Redaktion der Zeitschrift „Bergstadt" eingetreten war, die er zusammen mit Paul K E L L E R von 1921 bis 1927 selbst herausgeben sollte. 28 Seine münsteriche Vorlesung über „Die deutsche Presse", die in diesem Semester ausfiel, holte er allerdings noch im Wintersemester 1920/21 nach, ergänzt um einen Beitrag zu den Ringvorlesungen über „Die Technik des Zeitungswesens". Sein Gastspiel als Lektor für „Zeitungswesen und öffentlichen Ausdruck" an der westfälischen Universität beendete er endgültig im 22
Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Hoffmann) an den Kurator vom 30. 7. 1918, U A MS Phil. Fak. B V N r . 4 f.; die Koppelung des Lektoratsauftrages war zweifellos auf die Person C A S T E L L E s zugeschnitten, der beiden Anforderungen ideal gerecht werden konnte - somit war die Bezeichnung vielleicht auch ein Schachzug der Universität, um sich die Personalentscheidung zu sichern. Darüber hinaus entsprach die Doppelfunktion aber auch dem klassischen Verständnis von öffentlichem Wirken, in das die Rhetorik durchaus eingeschlossen wurde. Allerdings sollte diese Doppelaufgabe später die Neubesetzung des Lektorates erschweren, so daß sie am 31. 10. 1921 aufgehoben wurde.
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Schreiben des Kurators an die Phil. Fak. und die RuS-Fak. vom 4. 9. 1918 und Schreiben des Kurators an Castelle vom 4. 12. 1918, U A MS N U PA 32 (Castelle) vgl. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Wiese) an das P K M vom 8. 7. 1922, U A MS Kur. F 13 N r . 10,2 vgl. dazu und zum Folgenden die Vorlesungsverzeichnisse der W W U SS 1919 - WS 1921/22 Stadtarchiv Münster, PA Castelle vgl. Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft, a.a.O., S. 12 - , Münster (Westf.), in: Augustinus-Blatt, 24. Jg. (1920), N r . 3, S. 11; vgl. ferner - , Bergstadt und Türmer vereinigen sich, in: Augustinus-Blatt, 35. Jg. (1931), Nr. 9/10, S. 118; vgl. Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft, a.a.O., S. 32
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Sommersemester 1921, obwohl er noch einmal eine Vorlesung über „Das deutsche Pressewesen der Gegenwart" ankündigte. Zu dieser Zeit betätigte sich CASTELLE neben der Herausgabe der „Bergstadt" schon als Dozent bei den Düsseldorfer Akademischen Kursen.29 b) Das Projekt: Gemeinschaftsvorlesungen Mit der Vernachlässigung des Presselektorats ging an der Universität Münster nach einigen erfolgreichen Semestern auch der Qualitätsverlust der Ringvorlesungen einher: Vom Sommersemester 1922 bis 1923 wurde der Stillstand dieser Einrichtung im Vorlesungsverzeichnis nur dadurch vertuscht, daß unter der Rubrik „Vorlesungen über Zeitungswesen" die Einzelveranstaltungen des Historischen Zeitungsseminars und des Staatswissenschaftlichen Instituts noch einmal wiederholt wurden. Im Winterseme29
Stadtarchiv Münster, PA Castelle; ein Blick auf CASTELLEs weiteren Lebensweg unterstreicht den Eindruck, daß es sich bei der anderthalbjährigen Lehrtätigkeit in Münster für ihn nur um eine unbedeutende Episode gehandelt hat: Obwohl er sich im allgemeinen mehr durch den Vortrag fremder Werke als durch Veröffentlichung eigener profilierte, erhielt er 1925 für seinen westfälischen Bauernroman „Heilige Erde" - Breslau: Bergstadtverlag 1922 - den Literaturpreis des „Deutschbundes für nationales Schrifttum". Außerdem pflegte er seine Ambitionen für den jungen Rundfunk: Nach zwei gescheiterten Versuchen, die Leitung der neugegründeten Rundfunksendestelle Düsseldorf übertragen zu bekommen — die Stadt Düsseldorf war CASTELLE nämlich durch anderweitig gemachte Zusagen verpflichtet —, avancierte er 1927 dann doch auf diesen Posten und behielt ihn bis zur Auflösung des Senders am 31. März 1930. Danach verschlug es ihn für kurze Zeit in das Rundfunkstudio Münster, bis er über personelle Intrigen stolperte. Darauf widmete sich CASTELLE wieder seinem eigentlichen Presseberuf und übernahm 1930 die Herausgabe der Zeitschrift „Der Türmer" in Berlin, die er im Oktober 1931 mit der „Bergstadt" unter dem neuen Titel „Türmer. Deutsche Monatshefte. Bergstadt" (Berlin) vereinigte. Zum Ziel setzte sich die Zeitschrift die „Erhaltung und Stärkung des Volkstums auf vaterländischer Grundlage". (—, Bergstadt und Türmer vereinigen sich, a.a.O.) Im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 gab CASTELLE den Band: „Volk, das ich liebe. Ein deutsches Vortragsbuch" - Hannover: Sponholtz 1933 — heraus und engagierte sich mit westfälischen Lokalpolitikern zusammen vergeblich dafür, der Stadt Münster ihre Rundfunksendestelle zu erhalten und auszubauen. Erst nach Einstellung der „Türmer"-Herausgabe fand CASTELLE 1937 wieder Zugang zum Rundfunk: Uber Vermittlung des neuberufenen nationalsozialistischen Reichsrundfunkintendanten Dr. Heinrich GLASMEIER (1892 -1945) wurde er 1938 zum stellvertretenden Intendanten des Reichssenders Köln ernannt und stieg im November 1940 sogar zum Intendanten des Soldatensenders Luxemburg auf. Diese .Karriere' fand nach 1945 keine Fortsetzung: CASTELLE beschränkte sich von da an auf Schriftstellerei und heimatverbundenen Journalismus. Am 15. Januar 1954 starb er im münsterländischen Rheine. Vgl. Josef Bergenthal, Friedrich Castelle. Der westfälische Dichter wurde 65 Jahre alt, in: Westfälische Tageszeitung vom 30. 4. 1944; Wolf Bierbach, Von der Wefag und Werag. Rückblick und Chronik I (1924-1933), in: Walter Forst (Hg.), Aus Köln in die Welt. Beiträge zur Rundfunkgeschichte, Köln - Berlin: Grote 1974 ( - Annalen des Westdeutschen Rundfunks 2), S. 167-230/199, Dieter Heimann, Die Reichssender-Zeit. Rückblick und Chronik II (1933-1945), in: ebd., S. 231-270/245 u. 265 und Willi A. Boelcke, Die Macht des Radios. Weltpolitik und Auslandsrundfunk 1924 - 1 9 7 6 , Frankfurt a.M. - Berlin-Wien: Ullstein 1977, S. 179
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ster 1 9 2 3 / 2 4 rauften sich — wohl in Solidarität mit der Notlage des Historischen Zeitungsseminars — n o c h einmal mehrere Dozenten zusammen zu einer gemeinsamen Vorlesung über die Auslandspresse, doch dann wurde das Projekt fünfeinhalb Jahre nach der Gründung unbemerkt zu Grabe getragen. 30 Dabei hatte alles so gut angefangen: In den ersten fünf Semestern von 1918/19 bis 1920/21 spiegelten die Vorlesungen tatsächlich die breite Bereitschaft an der Universität, die verschiedene geistes-, rechts- und staatswissenschaftlichen Fachgebiete auf ihre Ergiebigkeit' hinsichtlich offener Pressefragen hin .abzuklopfen'. Schon im ersten Semester kamen somit ein- bis dreistündige Referate über Geschichte, Soziologie und Technik der Presse, über ihre Beziehungen zur Literatur, zur Wissenschaft, zum Recht, zum Handel und sogar zur Kunst zustande. Zusammen mit den eigenständigen zeitungskundlichen Veranstaltungen der Philosophischen und der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät sowie den Vorlesungen C A S T E L L E s wies die Universität Münster im Sommersemester 1919 „das umfangreichste und inhaltlich breiteste Lehrangebot über Fragen des Pressewesens auf". 3 1 In den nächsten Semestern erweiterte sich der Kanon der Ringvorlesungen noch durch die Behandlung der Auslandsund Parteienpresse. Dann aber beschloß der Zeitungsausschuß, der für die Koordination der Vorlesungen verantwortlich war, auf Antrag des Juristen Josef L U K A S (1875 — 1929) Ende 1920 — wohl aufgrund der Planungsschwierigkeiten durch die anhaltenden Streitigkeiten zwischen P L E N G E und M E I S T E R —, die Ringvorlesung künftig nur noch im Wintersemester abzuhalten. 32 Im Sommersemester 1921 warteten die presse-interessierten Hörer daher vergebens auf die Vorlesungsreihe und auf die immerhin noch angekündigte Lektoratsübung. Das Wintersemester 1921/22 brachte dafür wieder ein Presseprogramm im alten Umfang, das auf Fragen der Zensurgeschichte, der Wirtschafts- und Parteienpresse einging. Außerdem bot der Anglistik-Lektor Friedrich S C H O N E M A N N ( 1 8 8 6 - 1 9 5 6 ) eine fortlaufende „Einführung in die Auslandspresse" an. Dennoch führte der neue Modus dazu, daß die fachübergreifende Vertretung des Pressewesens an der Universität Münster allmählich einschlief. Im folgenden Wintersemester 1922/23 kam gar keine Ringvorlesung mehr zustande, und die darauffolgende (1923/24) sollte, wie gesagt, die letzte sein.
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Der Titel „Vorlesungen über Zeitungswesen" blieb zwar bis 1945 in den Vorlesungsverzeichnissen erhalten, bezog sich jedoch nur auf die Angebote der zeitungskundlichen Einrichtungen an beiden Fakultäten Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft, a.a.O., S. 11 vgl. Sitzungsprotokoll des Zeitungsausschusses vom 7. 12. 1920, U B BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß
Insgesamt hatten sich an den sieben Vorlesungsreihen sechs Dozenten und Lehrbeauftragte 33 und fünf Ordinarien 34 beteiligt, von denen jeder zweite früher oder später auch presserelevante Examensarbeiten anregte. Wie sah der Beitrag der einzelnen zum Pressewesen aus? Von dem Engagement der eifrigsten Teilnehmer an den Ringvorlesungen, Aloys MEISTER und Karl d'ESTER, die in jeder Vorlesungsreihe vertreten waren, und Johann P L E N G E , der — allen Streitigkeiten zum Trotz — immerhin sechs Abhandlungen beisteuerte, sowie Julius S C H W E R I N G mit vier Pressevorträgen war an anderer Stelle schon die Rede. Das überdurchschnittliche Interesse MEISTERs, P L E N G E s und vor allem S C H W E R I N G s an der Förderung zeitungskundlicher Untersuchungen spiegelt sich in zusammen 48 von ihnen betreuten Dissertationen, die aus mehr oder weniger einsichtigen Gründen Eingang in F R A N Z M E Y E R s Bibliographie der zwischen 1885 und 1938 erschienenen Pressedissertationen oder ergänzende Statistiken fanden. 35 Der ,Löwenanteil' daran war der „Examensmaschine" S C H W E R I N G zuzuschreiben, 36 der zwischen 1915 und 1933 29 Doktorarbeiten anregte, die weniger von ihm selbst als von den Vertretern des jungen Faches als zeitungskundlich relevant gewertet wurden. Der Privatdozent für gesellschaftliche Staats- und Verwaltungslehre, Dr. Hans T E S C H E M A C H E R , widmete sich neben seinem gutbesuchten „politischen Zeitungspraktikum" auch im Rahmen der Ringvorlesungen, an denen er bis zum endgültigen Veto seines Mentors P L E N G E nach dem Wintersemester 1921/22 regelmäßig teilnahm, politischen Pressefragen wie der nach der „Presse als Glied der politischen Organisation" (WS 1918/19) oder „Presse und Politik" (SS 1919 und WS 1920/21), der sozialdemokratischen und der sozialistischen Presse (WS 1919/20 und WS 1921/22) sowie dem Zeitungswesen Rußlands (WS 1920/21). Als Doktorvater publizistischer Dissertationen erscheint er nicht, da er erst kurz vor seinem Wechsel nach Königsberg im Jahre 1923 in Münster zum Extraordinarius ernannt wurde. 37
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Karl d'ESTER (Privatdozent für Historische Zeitungskunde), Hans TESCHEMACHER (Privatdozent für Politisch-Soziologische Staatslehre), Dr. Albert RASCH (Lektor für Privatwirtschaftslehre), Leopold M A G O N (Privatdozent für neuere deutsche Literaturgeschichte), René VAN SINT-JAN (Lektor für Flämische Sprache) und Dr. Friedrich S C H Ö N E M A N N (Lektor für Anglistik) Johann PLENGE, Aloys MEISTER, Otto H O F F M A N N , Ernst ROSENFELD, (Strafrechtler), Hermann EHRENBERG, Wolfgang KELLER, Ernst DAENELL, Paul K R Ü C K M A N N , Josef LUKAS, Arnold von SALIS (klass. Philologie), WIESE (Romanistik), Ottmar BÜHLER, Martin WACKERNAGEL Fritz Franzmeyer, Presse-Dissertationen an deutschen Hochschulen 1885 — 1938, Leipzig: Börsenverein d. dt. Buchhandels 1940; ergänzend vgl. Volker Spieß, Verzeichnis der deutschsprachigen Hochschulschriften zur Publizistik 1885 —1967, Berlin/MünchenPullach: Spieß 1969; Karl Jäger, Von der Zeitungskunde zur publizistischen Wissenschaft, Jena: Fischer 1926, S. 91 f.; ferner Zeitungswissenschaft, 7. Jg. (1931), Nr. 3, S. 181 - 182 vgl. Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 135 vgl. UA MS N U PA 213 (Teschemacher)
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Aus dem relativ umfangreichen Fundus der Rechtswissenchaft zum T h e m a „Presserecht" konnte der Strafrechtler Ernst R O S E N F E L D schöpfen, der in der Ringvorlesung auf den allgemeinen Zusammenhang von „Presse und R e c h t " (WS 1918/19), auf die juristischen Begriffe des „verantwortlichen Redakteurs" (SS 1919 und WS 1920/21) und der „Preßfreiheit" (WS 1920/21) einging. In diesen und ähnlichen Themenbereichen betreute der Jurist, der von 1922 bis zur Auflösung 1930/31 den Vorsitz des Zeitungsausschusses führte, zwischen 1919 und 1935 auch vier Dissertationen. 3 8 v Der Anglist Wolfgang K E L L E R (1879 - 1943), der beim Start der Ringvorlesungen Dekan der Philosophischen Fakultät war, stellte sich dreimal — in den Sommersemestern 1919 und 1920 und im Wintersemester 1923/24 — mit einem Vortrag über die englische Presse der Ringvorlesung zur Verfügung. Auf seine Anregung hin beschäftigten sich vier seiner Schüler mit Monographien englischer Zeitschriften bzw. mit publizistischen Persönlichkeiten Englands." Auch der Historiker Ernst D A E N E L L beteiligte sich vor seinem frühen T o d am 22. Dezember 1921 zweimal (SS 1919 und SS 1920) an den Pressevorlesungen. Aus seinem ausgeprägten Interesse für politische Vorgänge der Gegenwart heraus 40 beschäftigte er sich dabei mit der Presse der U S A . Zwei von ihm betreute geschichtswissenschaftliche Dissertationen über den Verleger Johann Hermann H Ü F F E R und den Publizisten A. L. S C H L Ö Z E R wurden kurz nach seinem T o d e fertiggestellt. 41
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- Josef Schreiner, Der Begriff des „verantwortlichen Redakteurs" nach dem Reichspressegesetz vom 7. 5. 1874. Eine systematische Darstellung und kritische Würdigung. Rer. pol. Diss. vom 9. 12. 1919 (Köln: Greven & Bechthold) - Alfred Kersberg, Die Fahrlässigkeit bei Preßdelikten, Rer. pol. Diss. Münster vom 12. 2. 1921 - Adolf Ermann, Abonnentenversicherung und Versicherungsaufsicht in Deutschland, Berlin: Verband öffentlicher Feuer-Versicherungs-Anstalten in Deutschland, Rer. pol. Diss. vom 27. 6. 1967 - Werner Obermann, Die Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Presse unter Berücksichtigung des Schriftleitergesetzes, Würzburg: Meyer, Rer. pol. Diss. Münster vom 2. 9. 1935 — Paul Blume, Die Stellung von Addison und Steele zum Theater in den moralischen Wochenschriften, Phil. Diss. Münster vom 12. 4. 1921 - Friedrich Köhler, Fieldings Wochenschrift „ T h e C h a m p i o n " und das englische Leben der Zeit, Phil. Diss. Münster vom 11. 12. 1928 - Georg Schnöckelberg, August Wilhelm Schlegels Einfluß auf William Hazlitt als Shakespeare-Kritiker, Phil. Diss. Münster vom 2. 4. 1931 - Irmgard Wendland, Der Einfluß der Politik auf das London Magazine und seine Hauptbeiträger, Phil. Diss. Münster vom 21. 9. 1937 Helga Oesterreich, Geschichtswissenschaft und Geschichtsstudium, a.a.O. — Albin Schmiemann, Johann Hermann Hüffer. Ein Lebensbild, Phil. Diss. Münster vom 7. 3. 1922; der Verleger des „Münsterischen Anzeigers", heute „Westfälische Nachrichten", J . H . H Ü F F E R , hatte den pressehistorischen Bemühungen d ' E S T E R s und der Universität Münster anfangs viel Interesse entgegengebracht; sein Nachfolger gehörte später mit zu der Verlegerkommission, die sich für die Belange des Zeitungsinstituts gebildet
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Die Frage des grundsätzlichen Zusammenhanges zwischen „Presse und bildender Kunst" hatte der Kunsthistoriker Hermann E H R E N B E R G beim Start der Pressevorlesungen im Wintersemester 1918/19 zu beantworten versucht. Kurz vor seinem Tode führte er die Studenten noch in die „Presse Italiens" (SS 1920) ein. 42 Sein Nachfolger, Martin W A C K E R N A G E L (1881-1962), der letzte in der Reihe der Ordinarien, die sich neben den Pressevorlesungen auch für die Presse als Quelle oder Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten in ihrem Fach einsetzten, schloß sich im Wintersemester 1923/24 der Ringvorlesung mit einem Beitrag über die Schweizer Presse an, die dem gebürtigen Basler besonders vertraut war. Als .publizistischer' Doktorvater sprang er 1924 zur Betreuung einer Arbeit über „Karikatur und Werbung" ein, die wohl noch unter Anregung Karl d'ESTERs entstanden war. 43 Im Jahre 1936, als etliche Examensanwärter in Münster auf die Erteilung des Promotionsrechtes für die Zeitungswissenschaft warteten, übernahm W A C K E R N A G E L die Betreuung einer Arbeit zur Feuilletongeschichte. 44 Außerdem entstand unter seinem Referat im selben Jahr die erste Dissertation in Münster, die den Film zum Gegenstand hatte — allerdings eine rein kunstästhetische Arbeit, in die zeitungswissenschaftliche Fragestellungen keinen Eingang fanden. 45 Der erste Vorsitzende des Zeitungsausschusses, Otto H O F F M A N N , hatte zwar die Ringvorlesungen im Wintersemester 1918/19 sozusagen mit einem Grundsatzreferat über „Presse und Wissenschaft" eingeleitet, doch darin beschränkte sich der Lehrbeitrag des großen Organisators im Hintergrund auch schon. Auch die Juristen Josef L U K A S und Ottmar B Ü H L E R , ebenfalls Ausschußmitglieder, übernahmen im Rahmen der Ringvorlesungen nur ergänzende Funktionen: L U K A S ließ sich über sozialdemokratische Zeitungen (WS 1919/20) und über die Presse Deutsch-Österreichs (SS 1920) aus, und BÜHL E R sprach einmal über den „Staat und die öffentliche Meinung" (WS 1920/21). Ein weiterer Jurist, Paul K R Ü C K M A N N , nahm zum konservativen
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hatte; vgl. Karl d'Ester, Traum eines Lebens. Ein deutsches Institut für internationale Presseforschung und ein Weltpressemuseum, Ingolstadt: Verlag Donau-Kurier 1957, S. 316 - Bernhard Stolz, Die öffentliche Meinung, insbesondere ihre Entwicklung in Deutschland während der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und ihre Förderung durch A.L. Schlözer, Phil. Diss. Münster vom 11. 2. 1922 Zum kunsthistorischen Seminar vgl. Karl Noehles, Zur Entwicklung des Instituts für Kunstgeschichte, in: Die Universität Münster 1 7 8 0 - 1 9 8 0 , a.a.O., S. 3 1 5 - 3 1 7 / 3 1 6 f. Arno Eder, Die Kunst, in Sonderheit die Karikatur im Dienste der Werbung, Phil. Diss. Münster vom 27. 11. 1924 Rudolf Q u a s t , Studien zur Geschichte der deutschen Kunstkritik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Wattenscheid: Busch (Phil. Diss. Münster) 1936; dem Verfasser wurde der Doktorgrad am 18. 1. 1939 infolge der gleichzeitigen Aberkennung der Staatsbürgerschaft aus politischen Gründen wieder entzogen; vgl. Promotions-Album der Philosophischen Fakultät und U A MS Phil. Fak. Diss. - A. Quast Victor Schamoni, Möglichkeiten des absoluten Films. Das Lichtspiel, Hamm: Reimann & Co. Phil. Diss. Münster vom 20. 5. 1936 (mdl. Prüfung 23. 2. 1926)
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Journalismus (WS 1920) bzw. zur deutschnationalen Presse (WS 1921/22) und zur Frage der zivilrechtlichen Haftung in der Presse (WS 1920/21) Stellung. Die Altphilologen Arnold von SALIS (1881-1958) und Leo WIESE (1871 — 1929) stellten sich jeweils einmal im Sommersemester 1920 für Vorträge zur Presse Frankreichs und der Schweiz zur Verfügung. Unter den Nichtordinarien, die sich innerhalb der Gemeinschaftsvorlesungen vorwiegend mit ausländischen Pressesystemen beschäftigten, nahm der Lektor für englische Sprache, Dr. Friedrich S C H O N E M A N N , eine besondere Rolle ein: Er steuerte zum Thema der Presse und der öffentlichen Meinung in den U S A nicht nur Einzelbeiträge bei (WS 1923/24 und WS 1924/25), sondern hielt im Wintersemester 1921/22 eine semesterübergreifende Vorlesung über „Amerika und die amerikanische Weltpolitik in der amerikanischen Presse" als „Einführung in die Auslandspresse". Außerdem veranstaltete er vom Sommersemester 1922 bis zum Wintersemester 1925/26 im Rahmen des staatswissenschaftlichen Zeitungspraktikums Kolloquien über die englische und amerikanische Politik- und Wirtschaftspresse. S C H O N E M A N N , der sich 1923 bei Wolfgang K E L L E R mit einer Arbeit über die Literatur- und Kulturgeschichte Nordamerikas habilitierte und als Begründer der Amerikanistik an der Universität Münster gilt,46 beschäftigte sich in dieser Zeit mit einer vom nordamerikanischen Mediensystem abgeleiteten, an Medien und Institutionen orientierten Propagandaträgerlehre, in der er sich vor allem mit den Schriften P L E N G E s , S T E R N - R U B A R T H s und Ludwig R O S E L I U S ' auseinandersetzte, ohne jedoch zu weiterführenden Schlüssen zu kommen. 47 Die Bereitschaft zur Mitarbeit an der Behandlung des Pressewesens war also in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg tatsächlich weit über die Teilnehmer des Zeitungsausschusses hinaus vorhanden, teils beschränkt auf gelegentliche
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Friedrich S C H Ö N E M A N N , geb. am 30. 5. 1886 (Kottbus), gest. am 23. 4. 1956 (Husum), studierte in Berlin u. Marburg Germanistik und war als Werkstudent journalistisch tätig; am 29. 1. 1912 promovierte er in Marburg mit einer Arbeit über „Achim von Arnims geistige Entwicklung" zum Dr. phil.; von 1912 bis 1920 gab er Deutschunterricht an amerikanischen Universitäten, trat dann zum 1. 4. 1921 als Lektor der englischen Sprache ins Anglistische Seminar der Universität Münster ein, übernahm ab WS 1922/23 einen Lehrauftrag für englische u. amerikanische Wirtschaftsliteratur und ab SS 1923 an der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät einen weiteren Lehrauftrag für Kulturkunde Amerikas; seine am 14. 12. 1923 erfolgte Habilitation war die erste amerikanistische Habilitation an einer deutschen Universität; 1926 wechselte er als Assistent an die Universität Berlin, wo er 1930 eine außerordentliche u. 1936 eine ordentliche Professur für amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte erhielt; von 1940 bis 1945 leitete er die Nordamerika-Abteilung an der Auslandwissenschaftlichen Fakultät der Universität Berlin; nach 1945 arbeitete er als Privatgelehrter; — vgl. U A MS PA N r . 386 (Schönemann), U A MS Kur. P A N r . 191 (Schönemann), Gunta Haenicke, Biographisches und Bibliographisches Lexikon zur Geschichte der Anglistik 1 8 5 0 - 1 9 2 5 (mit einem Anhang bis 1945), Augsburg: Universität Augsburg 1981 ( - Augsburger I- & I-Schriften 13), S. 1 6 6 - 1 6 7
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Friedrich Schönemann, Die Kunst der Massenbeeinflussung in den Vereinigten Staaten von Amerika, Berlin-Stuttgart-Leipzig: D V A 1924
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Beiträge, teils unterstützt durch eigenes Interesse an der Presse als wissenschaftliche Quelle oder Objekt der Volkspädagogik. Die organisatorischen und inhaltlichen Klammern, die diese breitgefächerten Ansätze zusammenhalten und für einen großzügigen Beitrag der Universität zur Pressekunde nutzbar machen sollten, Zeitungsausschuß und Lektorat, schienen jedoch ab 1921/22 an der notwendigen Integrationskraft zu verlieren. c) Funktionsverlust und -wandel des Lektorats „Da auch der bisherige Lektor für Zeitungskunde Dr. Castelle von hier fortgegangen ist, so ist die Universität unbedingt auf die Arbeit Dr. d'Esters angewiesen," schrieb die Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät am 25. April 1921.48 Der Privatdozent mußte nun also auch für den Zeitungsfachmann in die Bresche springen — eine Aufgabe, für die er kaum gerüstet war. Die Fakultät suchte zwar nach einem kompetenteren Nachfolger für CASTELLE und beantragte zur Erleichterung der Neubesetzung am 31. Oktober 1921 eine Trennung des Lektorats in einen Lehrauftrag für Zeitungskunde und einen für öffentlichen Ausdruck, 4 ' fand aber keinen geeigneten Bewerber. Die Hauptursache lag wohl darin, daß das Ministerium für die wenig attraktive, weil unbesoldete Stelle einen akademisch gebildeten und möglichst promovierten Vertreter erwartete. 50 Da entsprechende Vorschläge aus Münster nicht kamen, schien der Minister im Sommer 1922 zu beabsichtigen, das Lektorat ganz zu streichen. Dagegen wehrte sich die Fakultät mit dem Hinweis, daß das Lektorat „die notwendige Ergänzung zur wissenschaftlichen Zeitungskunde" sei: „Die eingehende wissenschaftliche Zeitungsforschung und die einschlägigen Seminarübungen und Vorlesungen setren voraus, daß die Teilnehmer auch über die technischen und redaktionellen Fragen unterrichtet sind. Die Fragen des Zustandekommens der Zeitung, des inländischen und überseeischen bzw. ausländischen Nachrichtendienstes, Korrespondenzen, journalistische Berufsfragen, Rechtsstellung des Redaktuers u. der gl. scheiden aus der eigentlichen Behandlung als ein Fragenkomplex aus, der am besten von einem Lektor behandelt wird, der praktische Erfahrung in journalistischer Tätigkeit gesammelt hat."51 Durch d'ESTERs Bereitschaft, die kommissarische Verwaltung des Lektorats zu übernehmen, 52 ließ sich das Ministerium wieder von seinem Vorhaben abbringen, doch gerade die Funktionen, die das Lektorat nach Angaben der Fakultät so unersetzlich machten, gingen durch diese Lösung zumindest vorübergehend verloren. 48
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Schreiben des Dekans der Phil. Fak. an das PKM vom 25. 4. 1921, UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f. vgl. Arnulf Kutsch, Von der Zeitungskunde zur Zeitungswissenschaft, a.a.O., S. 12 vgl. Schreiben des Dekans (Wiese) der Phil. Fak. an das PKM vom 8. 7. 1922, a.a.O. ebenda ebenda
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Nur ein einziges Mal, im Sommersemester 1923 — womöglich durch die in Münster anstehende Reichspressetagung angeregt - , wagte sich d'ESTER an eine pressepraktische Seminarübung heran. Bezeichnenderweise beschränkte er sich auch dabei auf die „Entwicklung des Feuilletons (mit praktischen Übungen in der Stilkunde und Kritik)", 5 3 da dies das einzige Gebiet war, in das er durch gelegentliche Erstellung von Musik- und Theaterkritiken für die Lokalpresse einen oberflächlichen Eindruck gewonnen hatte. 54 Abgesehen davon bot er neben seinem pressegeschichtlichen Repertoire keine Veranstaltung an, die auch nur dem Titel nach pressepraktische Lektoratsübungen versprach. Vermutlich hatte die Übernahme dieser zusätzlichen Aufgabe für d'ESTER tatsächlich nur die Funktion, das Lektorat bis zur Neubesetzung vor der Stillegung zu bewahren. Das erklärt auch die erstaunliche Zurückhaltung Johann P L E N G E s , der trotz seiner Vorbehalte gegen d'ESTER hier keinen Protest erhob. In der Zwischenzeit meldeten sich durchaus geeignetere Bewerber: Schon im September 1922 bot sich ein Hofrat Klaus B U S C H M A N N (1873 - ?), Journalist und Doktor der Staatswissenschaften, an, sich „neben Dr. Esther (sic!/B. M.) als Dozent für Zeitungswesen an der dortigen Universität ( . . . ) nützlich zu machen," um sein „reiches theoretisches und praktisches Wissen auf dem Gebiete des Pressewesens einer Jugend, die Interesse dafür hat, mitzuteilen." 55 Die Voraussetzungen, die er mitbrachte, schienen günstig zu sein: Ein fast 60jähriger — also wohl nicht mehr allzu ehrgeiziger — „schwerhöriger", aber promovierter Journalist, gebürtiger Rheinländer sogar und katholisch. Nach dem Studium in Leipzig, Brüssel und Straßburg sowie Volontariats- und Redakteursjahren in Straßburg und Überlingen hatte B U S C H M A N N 1903 die „Südwestdeutsche Korrespondenz" für Politik und Volkswirtschaft begründet, avancierte 1905 zum Chefredakteur und Direktor der regierungsamtlichen „Darmstädter Zeitung" und übernahm 1908 zusätzlich den Posten des scheidenden Chefredakteurs am „Heidelberger Tageblatt" und JournalistikProfessors Adolf K O C H (1855 - 1922). Seine beamtengleiche Stellung bei der „Darmstädter Zeitung" gab er 1920 aufgrund politischer Differenzen mit der Nachkriegsregierung Hessens auf — für eine Bewerbung an der deutschnational geprägten münsterischen Universität sicher eine Empfehlung. Seitdem arbeitete er als freier Journalist im sozial- und wirtschaftspolitischen Bereich und hielt im Wintersemester 1921/22 an den „Akademischen Kursen" der Düsseldorfer Volkshochschule je ein Kolleg über Pressewesen und „Internationale Wirtschafts- und Finanzprobleme" ab. Einen Lehrstuhl für Nationalökonomie in Detmold lehnte B U S C H M A N N eigenen Angaben zufolge ebenso ab 53 54 55
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Vorlesungsverzeichnis der WWU SS 1923 Karl d'Ester, Schwarz auf Weiß, a.a.O., S. 218 Schreiben Buschmanns an den Rektor der WWU (Rosemann) vom 6. 9. 1922, U A MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f.; hierin auch alle folgenden Angaben
wie einen Lehrauftrag der Bonner Universität zum Thema „Pressewesen", da er hoffte, einen Lehrauftrag in Münster besser mit seinen anderweitigen wirtschaftlichen Plänen verbinden zu können. Den Hinweis auf Münster hatte er vermutlich von Friedrich C A S T E L L E erhalten, der zur gleichen Zeit wie er in Düsseldorf Seminare veranstaltete und ihm auch weltanschaulich nahegestanden zu haben scheint. Obendrein deutete B U S C H M A N N in seiner Bewerbung auch an, sich nicht „ausschließlich dem akademischen Lehrberuf ( . . . ) widmen" zu wollen, was der Fakultät die Sorge nehmen konnte, für die finanzielle Absicherung des Bewerbers aufkommen zu müssen. Der kranke Aloys MEISTER, noch während der Kur in Bad Oeynhausen vom Rektor Rudolf R O S E M A N N um Stellungnahme gebeten, empfahl sofort, B U S C H M A N N das Lektorat anzubieten, und schrieb diesen offenbar auch persönlich an. 56 In der weiteren Korrespondenz mit MEISTER unterstrich der Journalist seinen Wunsch, als Kenner der „Geschichte als auch (der) Praxis des Zeitungswesens" in Münster „als Lehrer und Führer" tätig werden zu können, wobei es ihm auf die Form der Anstellung — Lektor oder Privatdozent - nicht ankomme. 57 Dennoch notierte MEISTER am 14. November 1922: „Herrn Dr. B. davon Mitteilung gemacht, daß die Aussichten hier doch nicht so günstig lägen." 58 Lag es an der vorsichtigen Nachfrage B U S C H M A N N s nach der Honorierung oder an seiner geäußerten Besorgnis, „ o b die dortige (Münsteraner/B. M.) Studentenschaft dem Zeitungswesen befriedigendes Interesse" entgegenbringe? In Düsseldorf sei „von den eingeschriebenen 17 Hörern meist nur ein Drittel ( . . . ) anwesend" gewesen, das habe ihm die Arbeit verleidet. 5 ' Es kann allerdings auch ein ablehnender Bescheid des Ministeriums gewesen sein, der MEISTER zu seiner Absage zwang. Fast ein Jahr später kamen andere Kandidaten ins Gespräch: Dr. Jobst A. K I S S E N K Ö T T E R (1890-1971), Redakteur der Westfälischen Landeszeitung und Dr. Karl M A S E R (1888 - 1 9 4 0 ) , ein ehemaliger Schüler MEISTERs und Chefredakteur der in Münster ansässigen Zeitungsverlagsgesellschaft Nordwestdeutschland (ZENO). 6 0 MASER, geboren am 11. Juli 1888, hatte nach achtsemestrigem historischen und altphilologischen Studium in Marburg und Münster am 13. März 1913 bei MEISTER mit einer Arbeit über „Die Juden der Frei- und
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ebenda, handschriftlicher Kommentar Meisters vom 14. 9. 1922; vgl. Schreiben Buschmanns an Meister vom 20.10. 1922, U A MS Phil. Fak. B V N r . 4 f. Schreiben Buschmanns an Meister vom 20. 10. 1922, a.a.O. ebenda, Randnotiz Meisters vom 14. 11. 1922 ebenda Schreiben Masers an die Phil. Fak. vom 6. 9. 1923, U A MS Phil. Fak. B V N r . 4 f.; hier auch alle folgenden biographischen Angaben, soweit nicht anders gekennzeichnet
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Reichsstadt D o r t m u n d und in der Grafschaft M a r k " promoviert. 6 1 Schon davor, seit Juni 1912, arbeitete er als Redakteur in dem Berliner Korrespondenzbüro „Zentrums-Korrespondenz", u m dann 1914 die Leitung des außenpolischen Ressorts des renommierten Zentrums-Blattes „ G e r m a n i a " 6 2 zu übernehmen. Dort schied er am 30. September 1922 aus und arbeitete seitdem für den Z E N O - V e r b a n d in Münster. 6 3 Bei seiner Bewerbung um das Lektorat trat er schon mit einem ausführlichen Programm auf, in dem er die Definition der Zeitung, die Organisation des Zeitungsbetriebes und die Herstellung der Zeitung, die Fragen der Zeitungskonzernbildung und der Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Organisationen im Zeitungsgewerbe, die parteipolitische Struktur der deutschen und die Auslandspresse zu behandeln dachte. 64 Aloys M E I S T E R reagierte verhalten: Einerseits räumte er ein, daß „die Presseerfahrung des Petenten (. ..) den an seine Zukunft zu stellenden Anforderungen zu entsprechen scheint," andererseits lehnte er die journalistische Herkunft M A S E R s ab: „Daß es gerade die .Germania' war, wo (er) tätig war, ist mir persönlich nicht sehr sympathisch, da ich deren politische Richtung ablehnen muß; aber es ist immerhin nicht die ,Rote Fahne' oder die ,Freiheit'." 6 5 Die „ G e r m a n i a " hatte 1921 und 1922 die sogenannte „Erfüllungspolitik" des damaligen Zentrumskanzlers Josef W I R T H unterstützt, die v o m rechten Flügel der eigenen Partei kritisiert und von den Deutschnationalen heiß bekämpft
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Karl Maser, Die Juden der Frei- und Reichsstadt Dortmund und in der Grafschaft Mark, Phil. Diss. Münster 1912 (Witten: Ruhr 1912) Die „Germania" wurde gleichzeitig mit Gründung der Zentrumspartei am 1. Januar 1871 als Tageszeitung gegründet und bestand bis 1938; vgl. weiteres: Inge Jander, Die nachrichtenpolitische Haltung der „ G e r m a n i a " von 1917 bis zum Zusammenbruch des Zweiten Reiches, Phil. Diss. Königsberg 1942; Klemens Löffler, Geschichte der katholischen Presse Deutschlands, Mönchengladbach: Volksvereins-Verlag 1924 ( - Soziale Tagesfragen, Bd. 50); Hermann Orth, 50 Jahre „Germania", in: Germania-Jubiläumsausgabe vom 17. Dezember 1920; Klaus Martin Stiegler, Germania (1871 - 1938), in: Heinz-Dietrich Fischer (Hg.): Deutsche Zeitungen des 1 7 . - 2 0 . Jahrhunderts, Pullach: Verlag Dokumentation 1972, S. 299 f.
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M A S E R arbeitete bis 1939 als Chefredakteur für den ZENO-Verband, ab 1925 von Dortmund aus. Er starb am 15. 2. 1940. vgl. Rudolf Großkopff, Die Zeitungsverlagsgesellschaft Nordwestdeutschland G m b H 1 9 2 0 - 1 9 4 0 , Dortmund: Ruhfus 1963 (als Dissertation unter dem Titel: Die ZENO-Gesellschaft, Untersuchungen über die Grundlagen und Strukturentwicklungen als Folge einer Zeitungskonzentration in der Weimarer Republik, Phil. Diss. Münster 1962, S. 100 f.)
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Schreiben Masers an die Phil. Fak. vom 6. 9. 1923, a.a.O. ebenda; Randnotiz Meisters undatiert; die „Rote F a h n e " (Berlin) war eine kommunistische Tageszeitung, „Freiheit" nannten sich sowohl zwei kommunistische (Duisburg und Hanau) Tageszeitungen als auch ein Blatt der unabhängigen Sozialdemokratie (Königsberg)
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wurde. 66 „Ohne der Entscheidung der Fakultät zwischen beiden Bewerbern ( . . . ) vorgreifen" zu wollen, erinnerte MEISTER daran, daß auch KISSENK Ö T T E R an der Stelle interessiert sei.67 K I S S E N K Ö T T E R , geboren am 10. Dezember 1890 in Münster, stand der DVP nahe, an deren Aufbau in Münster er sich nach dem ersten Weltkrieg beteiligt hatte. Seit 1919 engagierte er sich in einer „Liga zum Schutze der deutschen Kultur" und war seit 1920 bei verschiedenen Zeitungen journalistisch tätig. Allerdings war seine Promotion, für die er nach Abgabe einer kunsthistorischen Arbeit am 16. 2. 1918 in Münster das Rigorosum absolviert hatte, aufgrund noch nicht eingereichter Pflichtexemplare vorerst nicht vollzogen, zwischen ihm und der Philosophischen Fakultät schwelten seit längerem Auseinandersetzungen wegen der folglich unrechtmäßigen Führung des Doktortitels.68 Auch eine offizielle Bewerbung K I S S E N K Ö T T E R s für das Lektorat lag noch nicht vor, und die Zeit drängte, da man dem Kultusminister spätestens bis zum erwarteten Wechsel d'ESTERs nach München eine Neubesetzung vorschlagen mußte. 69 Also schlug man M A S E R am 16. November 1923 doch als Kandidaten vor - allerdings mit dem Hinweis an das DVPbestimmte Ministerium, daß der Bewerber „etwas schroff" und „politisch bedenklich" sei.70 Bei diesem halbherzigen Antrag war es kaum ein Wunder, daß der Minister nicht reagierte. Zur Uberbrückung der Wartezeit erteilte man MASER in den beiden folgenden Semestern 1924 und 1924/25 einen Lehrauftrag für Zeitungswesen, den er mit je einer Vorlesung über „Die deutsche Presse und ihre Herstellung" und „Die große Presse des In- und Auslandes" erfüllte. 71 66
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vgl. Lutz Hachmeister, Theoretische Publizistik. Studien zur Geschichte eines Paradigmas der Kommunikationswissenschaft, unveröffentlichtes masch. Mskr., Münster 1984, S. 148; Die Anfang 1987 unter dem Titel: „Theoretische Publizistik. Studien zur Geschichte der Kommunikationswissenschaft in Deutschland" (Berlin: Volker Spiess) im Druck erschienene Fassung dieser Arbeit konnte vor der Drucklegung der vorliegenden Arbeit nicht mehr eingesehen werden. Schreiben Masers an die Phil. Fak. vom 6. 9. 1923, a.a.O., handschriftliche Randbemerkung Meisters undatiert vgl. Jobst A. Kissenkötter, persönlicher Lebenslauf o.D. (ca. 1918), Schreiben Kissenkötters an den Dekan der Phil. Fak. vom 21.3. 1922 u. Schreiben des Dekans an Kissenkötter vom 24. 1. u. 21. 2. 1925, U A MS Diss. - A Nr. 2145 (Kissenkötter); K I S S E N K Ö T T E R wurde schließlich am 26. 5. 1925 promoviert. Später leitete er unter anderem die Chefredaktion des „Düsseldorfer Stadtanzeigers" und machte sich als Kunsthistoriker, Schriftsteller und Maler einen Namen; er starb am 9. 2. 1971 - Auskunft von Frau Edith Kissenkötter am 7. 8. 1985 in Münster vgl. Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Schöne) an die Fakultätsmitglieder vom 10. 9. 1923 und Schreiben des Kurators (Peters) an die Phil. Fak. vom 9. 11. 1923, beides U A MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f. Schreiben des Prodekans der Phil. Fak. (Münzer) an das P K M über den Kurator vom 16. 11. 1923, U A MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f.; vgl. U A MS Kur. F 40 N r . 6; das Preußische Kultusministerium unterstand 1921 bis 1925 dem DVP-Politiker Dr. Otto B O E L I T Z (1876-1951) vgl. Vorlesungsverzeichnisse der WWU SS 1924 und WS 1924/25
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Im November 1924 schließlich zog M A S E R sein seit einem Jahr anhängiges Gesuch aufgrund seiner „Überlastung" zurück, 72 was die Philosophische Fakultät nun als Reaktion auf die lange Wartezeit wertete und das Ministerium dafür verantwortlich machte. 73 Der zweite Kandidat, Jobst KISSENKÖTTER, der sich im laufenden Wintersemester 1924/25 mit einem Einzelvortrag an den journalistischen Gastvorlesungen im Historischen Zeitungsseminar beteiligt hatte, zog es angesichts der durch den Tod MEISTERs desolat gewordenen Situation der Zeitungskunde an der Philosophischen Fakultät vor, im Zeitungsseminar des Instituts für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Lektoratsübungen für Zeitungswesen zu übernehmen. 74 So ging das Jahr 1924 für die Zeitungskunde an der Philosophischen Fakultät recht düster zu Ende: Kein wissenschaftlicher Fachvertreter, kein Lektor für Zeitungskunde, niemand, der die Idee des schwerkranken Gründers des Zeitungsarchives, Aloys MEISTER, auch nur annähernd fortsetzen konnte. In seiner Sorge, ein unbestelltes Feld zu hinterlassen, schien MEISTER nun mit dem Gedanken zu spielen, dem Lektorat auch wissenschaftliche Funktionen zu übertragen, um den Fortbestand der eigentlichen Zeitungskunde wenigstens durch Bindung an diese Planstelle minimal zu sichern. Die Anregung, die Besetzung des Lektorates mit einer neuen Habilitation für Zeitungskunde zu verbinden, kam offenbar von Karl d'ESTER: Er gab kurz vor seinem Umzug nach München jedenfalls einem Gelsenkirchener Redakteur, Dr. Adolf P O T T H O F F , den Hinweis, sich in diesem Sinne an Aloys MEISTER zu wenden. 75 P O T T H O F F s Bewerbungsschreiben spiegelte den Wunsch eines leicht .frustrierten' Provinzjournalisten, über die Zeitungskunde auf möglichst bequemem Wege zu akademischen Weihen zu kommen. Den ursprünglichen Berufswunsch Lehrer hatte der ehemalige Germanistik-Student in Münster 1919 aus wirtschaftlichen Gründen vor dem Staatsexamen aufgeben müssen. Seither arbeitete er als politischer Redakteur bei der „Allgemeinen Zeitung" in Gelsenkirchen und litt offenbar unter der eigenen .Uberqualifikation' und dem niedrigen Niveau seines Standes: „ ( . . . ) es ist auf die Dauer ein unhaltbarer Zustand, daß heute in unserem Stand alle möglichen Berufsverfehler und gescheiterten Existenzen glauben unterschlüpfen zu können, und ein gut Teil der politischen Zustände in Deutschland mit all ihrem Dilettantismus und ihrer Verantwortungslosigkeit ist hierauf zurückzuführen." 72 73
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Schreiben Masers vom 19. 11. 1924, UA MS Kur. F 40, Nr. 6 Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Mecking) an das PKM vom 19. 11. 1924, UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f. Diese Lektoratsübungen wurden vom Sommersemester 1925 an in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät durchgeführt und spätestens vom Wintersemester 1925/26 bis einschließlich Sommersemester 1926 von KJSSENKOTTER abgehalten Schreiben Potthoffs an d'Ester vom 9. 2. 1925, IfZ D O Nachlaß d'Ester, d'Ester-Briefe 1925; P O T T H O F F hatte am 10. 9. 1921 an der Philosophischen Fakultät der Universität Münster mit einer Arbeit über „Eichendorff als Calderon-Übersetzer" promoviert
Er selbst sei der Überzeugung, „daß das allgemeine Ansehen unseres Standes sich erst dann heben wird, wenn wir niemand mehr zur Presse zulassen, der nicht eine entsprechende wissenschaftliche und zeitungskundliche Vorbildung an deutschen Hochschulen nachweisen kann." 7 ' Seinen Wunsch, sich für Zeitungswissenschaft zu habilitieren, begründete P O T T H O F F damit, so seine „Neigung zur Lehrtätigkeit und zur Publizistik" am besten verwirklichen zu können. Trotz dieser etwas naiven Vorstellungen zeigte Aloys MEISTER in seiner Antwort vom 17. Dezember 1924 sein Wohlwollen P O T T H O F F s Plänen gegenüber und bot ihm an, mit ihm „alle mit diesem Plane zusammenhängenden Fragen ( . . . ) durchzusprechen." 77 Zu diesem Gespräch kam es freilich durch den Tod des Historikers nicht mehr, und einen anderen Ansprechpartner fand P O T T H O F F an der Universität Münster offenbar nicht. 78 Das Personalkarussell der jungen deutschen Zeitungskunde schien der Philosophischen Fakultät nämlich einen viel interessanteren Kandidaten heranzutragen: den Oberassistenten am Leipziger Institut für Zeitungskunde, Dr. Johannes K L E I N P A U L , dessen Aussicht auf den Münchener Lehrstuhl durch d'ESTERs Berufung hinfällig geworden war. Der am 10. Mai 1870 in Meißen geborene Wissenschaftler hatte in Leipzig Geschichte studiert, für den Kulturhistoriker Karl L A M P R E C H T (1856-1915) als Famulus gearbeitet und 1896 mit einer Arbeit aus der Kulturgeschichte des Mittelalters promoviert. 79 Die nächsten 20 Jahre arbeitete er teils als freier, teils als angestellter Journalist bei der „Goslarer Zeitung", bis ihm Karl BUC H E R 1916 die Mitarbeit am Aufbau des Leipziger Zeitungsinstitutes anbot.8C Dort betätigte er sich in der Verwaltung, hielt Kurse zur Einführung in die Redakteurstätigkeit ab und beteiligte sich am Ausbau der Zeitungssammlung. Zur Zeitungswissenschaft veröffentlichte er 1921 eine von der FürstlichJablonowskischen Gesellschaft preisgekrönte Arbeit über „Die Fuggerzeitungen 1568-1605" und 1922 ein Buch zur „Journalistenpraxis". 81 Ein Versuch, sich 192; an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig zu habilitieren, scheiterte — K L E I N P A U L selbst schrieb es Intrigen eines anderen Inter-
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Schreiben Potthoffs an Meister, undatiert (ca. November/Dezember 1924), U A MS Phil. Fak. £ V Nr. 4 f. zitiert im Schreiben Potthoffs vom 30. 12. 1924 an Meister, ebenda vgl. Schreiben Potthoffs an d'Ester vom 9. 2. 1925, a.a.O. Johanies Kleinpaul, Das Typische in der Personenbeschreibung der deutschen Historiker des X.Jahrhunderts. Ein Beitrag zu einer Charakteristik der Personenschilderung dieses Jahrhunderts überhaupt, Phil. Diss. Leipzig vom 22. 4. 1897, Leipzig: Eichhorn 1897 Lebenslauf im Schreiben Kleinpauls an Spannagel vom 24. 6. 1925, U A MS N U H I N r . 5 spec. Ani. Bd. 2; vgl. ferner Harald Feddersen, Leidenschaftlicher Journalist und Forscher, in: D P 34. Jg. (1944), N r . 5, S. 56 Johanies Kleinpaul, Die Fuggerzeitungen 1 5 6 8 - 1 6 0 5 , Leipzig: Reinicke 1921 ( - Abhandhngen aus dem Institut für Zeitungskunde an der Universität Leipzig; 1,4); ders., Journdistenpraxis, Mönchengladbach: Volksverein-Verlag 1922
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essenten an dem geplanten Leipziger Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft zu. 82 Jedenfalls sah Karl B U C H E R unter diesen Umständen in Leipzig für seinen langjährigen Assistenten kein Fortkommen mehr und empfahl ihn zunächst nach München und dann, im Juni 1925, an die Universität Münster weiter.83 In Münster hatte die Philosophische Fakultät inzwischen Otto HOFFM A N N und Karl S P A N N A G E L damit beauftragt, durch eine geeignete Neubesetzung des Lektorates die zeitungskundlichen Einrichtungen neu zu beleben. 84 K L E I N P A U L erschien ihnen als die richtige Persönlichkeit zur Erfüllung der sich daraus ergebenenden Aufgaben. Ende Juli 1925 schlugen sie ihn für die Neubesetzung dem Ministerium vor und legten sich dabei zum erstenmal auf eine neue Funktionsbestimmung des Presselektorates fest: „Soll nach seinem (Meisters/B. M.) Tode das, was er an Einrichtungen (Seminar/Archiv) geschaffen hat, erhalten bleiben und so weiter ausgebaut werden, daß Münster in diesem Fach seinen guten Ruf, der es direkt neben Leipzig stellt, bewahren kann, so muß das Lektorat für Zeitungswesen mit einer Persönlichkeit besetzt werden, die mit gründlicher wissenschaftlicher Bildung und langjähriger praktischer Erfahrung im Pressewesen organisatorisch (sie!) Begabung und Befähigung zum akademischen Unterricht verbindet. Diese Anforderung wird zur Zeit kaum ein anderer so gut erfüllen können, wie Herr Johann Kleinpaul. ( . . . ) In Münster würden, natürlich unter der Voraussetzung des Nachweises wissenschaftlicher Befähigung, einer Habilitation des Herrn keine Schwierigkeiten entgegenstehen, da ja sein Vorgänger ebenfalls zugleich Lektor und Privatdozent für geschichtliches Zeitungswesen' war." 85 Dabei bat die Philosophische Fakultät, für das bisher unbesoldete Lektorat ein Gehalt auszusetzen, das der Netto-Einnahme von 485 Mark, die K L E I N P A U L bisher als Oberassistent in Leipzig erhalte, in etwa gleichkomme. Der Antrag hatte schnell Erfolg: Mit Erlaß vom 24. August 1925 übertrug der Preußische Kultusminister K L E I N P A U L zum 1. Oktober des gleichen Jahres das Lektorat, allerdings ohne Angaben zur Besoldung. 86 In den Kreisen, die die Entwicklung der Zeitungskunde in Münster beobachteten, stieß diese Entscheidung jedoch auf Kritik: „Im Bereich der jungen Zeitungswissenschaft gibt es nur sehr wenige, die den Beweis der Befähigung erbracht haben oder erbringen konnten, und vor all den anderen, die sich sonst mit der Zeitung befaßten, sind nur zu viele, die vermeinen, es genügt eine umfassende dilletantische Beschäftigung mit diesen Dingen; sie wissen "
Schreiben Kleinpauls an Hoffmann (oder Spannagel?) vom 25. 8. 1925, UA MS N U H I Nr. 5 spec. Anl. Bd. 2 83 vgl. Schreiben Büchers an „Kollegen" (Hoffmann oder Spannagel) vom 22. 6. 1925, UA MS N U H I Nr. 5 spec. Anl. Bd. 2 84 vgl. Karl Jäger, Die Zeitungskunde und die Universität Münster, in: RheinischWestfälische Zeitung (Essen), Nr. 513 vom 29. 8. 1925 w Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Mecking) an das PKM vom 26. 7. 1925, UA MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f. 86 Schreiben des PKM an den Kurator vom 24. 8. 1925, UA MS N U H I Nr. 5 spec. Anl. Bd. 2
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recht nette Artikel zu schreiben über: Geschichte der Presse in Zeitungsartikeln und ähnliches, sie sind recht beachtliche Zeitungsschreiber, aber sicher keine Zeitungswissenschaftler. An diesem Urteil sollte sich selbst dann nichts ändern, wenn .Empfehlungen' und .Belobigungen* von der oder jenen Seite vorliegen; gerade das Fortloben oder Hineinloben sollte stutzig machen." schrieb Karl JÄGER am 29. August 1925 in der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" mit deutlichem Bezug auf KLEINPAUL und seine Unterstützung durch BÜCHER. 87 JÄGER hatte in Leipzig neben KLEINPAUL selbst anderthalb Jahre lang eine Assistentenstelle bei BÜCHER innegehabt.88 Karl d'ESTER, der auf ihn durch einen Aufsatz über die Berufsvorbildung des Journalisten aufmerksam geworden war, hatte sich schon im Mai 1925 an JÄGER gewandt, um seine mögliche Eignung für das Lektorat in Münster zu sondieren.89 JÄGER wies jedoch darauf hin, daß er schon im Begriff stehe, sich auf Anregung Karl BÜCHERs in Köln zu habilitieren.' 0 Ein persönliches Interesse an der Ausschaltung KLEINPAULs schied bei ihm also weitgehend aus. JÄGER allein hätte die Universität Münster wohl kaum dazu bewegen können, von KLEINPAUL wieder Abstand zu nehmen, wie es bis Ende des Jahres 1925 dann tatsächlich geschah. Seinen Argumenten hatte sich bis dahin jedoch überraschend eine einflußreiche Gruppe angeschlossen, die künftig das Geschick der Zeitungskunde und -Wissenschaft in Münster auf Jahre bestimmen sollte — der Niederrheinisch-Westfälische Zeitungsverleger-Verband.
VII. Staatswissenschaftliches Zeitungswesen: Volkswirteschulung und Propagandatheorie a) Quellenarbeit und Erziehung „sozialer Funktionäre" im Zeitungspraktikum Die zeitungskundlichen Bestrebungen an der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät entwickelten sich im engen Zusammenhang mit der 87
Karl Jäger, Die Zeitungskunde und die Universität Münster, a.a.O.; auch Kleinpaul selbst fühlte sich angesprochen, vgl. sein Schreiben an Hoffmann (oder Spannagel) vom 31. 8. 1925, UA MS N U H I Nr. 5 spec. Anl. Bd. 2 8« vgl. - , Dr. Karl Jäger t , in: ZW 2 (1927), Nr. 6, S. 93 89 vgl. Schreiben Jägers an d'Ester vom 18. 5. 1925, IfZ D O , Nachlaß d'Ester, d'Ester Briefe 1925 90 ebenda; - vgl. Schreiben Jägers an d'Ester vom 29. 12. 1925, IfZ D O , Nachlaß d'Ester, d'Ester-Briefe 1925, JAGER schied dafür im August 1926 aus der Redaktion aus, um sich ganz der Wissenschaft zu widmen. In diesem Jahr veröffentlichte er neben dem Bändchen: Zeitungswissenschaft (Journalistik) - Dessau: Dünnhaupt-Verlag 1926 - die Schrift: Von der Zeitungskunde zur publizistischen Wissenschaft — Jena: Fischer 1926 - , mit der er die methodische Erweiterung der wissenschaftlichen Zeitungskunde forderte.
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Frage nach einer Ausbildungsreform für praktische Volkswirte. Daß sie nötig war, äußerte sich schon vor dem ersten Weltkrieg in Klagen über das mangelnde Rüstzeug des akademischen Nachwuchses für die Belange des modernen Wirtschaftslebens. 1 Daher konnte der Nationalökonom Johann P L E N G E auf die Unterstützung der Industrie hoffen, als er plante, mit privaten Mitteln eine besondere „Fachschule zur Kenntnis der einzelnen Zweige des Wirtschaftslebens und der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt" zu errichten, die ergänzend zum staatlichen Volkswirtschaftsstudium praktisch geschulte .Manager' hervorbringen sollten.2 Diesen schon in Leipzig erwogenen Plan brachte P L E N G E bereits 1913 in die Verhandlungen um seine Berufung als Ordinarius nach Münster ein und stieß dabei auf das Wohlwollen des Unterrichtsministeriums. 3 Mit Unterstützung seiner Fakultät ging er daran, ein Konzept zum Ausbau des Seminars für Volkswirtschaft und Verwaltung, dessen geschäftsführender Direktor er war, zu einer „Unterrichtsanstalt für die Ausbildung praktischer Volkswirte" zu entwerfen und es westfälischen Industriellenkreisen vorzulegen. Kurz vor der Vorlage einer entsprechenden Denkschrift im August 1914 scheiterte das Vorhaben jedoch am Ausbruch des ersten Weltkrieges.4 Statt dessen wurde vorerst, ab Wintersemester 1914/15, nur ein „Zeitungspraktikum über Geldmarkt, Konjunktur und Entwicklung der Weltwirtschaft" am volkswirtschaftlichen Seminar eingerichtet, in dem wöchentlich die Handelsteile der führenden Tageszeitungen und Fachblätter ausgewertet wurden. Außerdem wurde die Wirtschaftspresse regelmäßig in einer „Spezialabteilung für Markt- und Konjunkturbeobachtung" berücksichtigt.5 Nicht zufällig kündigte P L E N G E das Zeitungspraktikum im Sommersemester 1915 mit dem gleichen Titel, aber mit dem Zusatz „Unter besonderer Berücksichtigung des Krieges" an: Die ersten Kriegsmonate mit ihrer zwangsweise zunehmenden Zentralisierung des nationalen Wirtschaftsgeschehens schienen ihm die „weltgeschichtliche(n), vom dringendsten vaterländischen Bedürfnis getragene^) Werdenotwendigkeit" einer Anstalt zur lebensnahen Ausbildung von Wirtschaftsführern geradezu zu bestätigen.6 1
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Dieter Krüger, Nationalökonomen im Wilhelmischen Deutschland, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983 ( - Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 58), S. 1 3 - 2 0 Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster während des ersten Weltkrieges und der Novemberrevolution ( 1 9 1 4 - 19), Phil. Diss. Münster 1944, S. 28 Johann Plenge, Aus dem Leben einer Idee. Begleitwort zu einer Denkschrift über eine Unterrichtsanstalt zur Ausbildung praktischer Volkswirte, Münster: Borgmeyer 1915, S. 42; darin vgl. auch den Verhandlungsverlauf im Detail Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität, a.a.O., S. 28 Johann Plenge, Denkschrift über den Ausbau einer Unterrichtsanstalt zur Ausbildung praktischer Volkswirte. Denkschrift für die Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Münster: Universitätsbuchdruckerei Johannes Brecht, S. 8 (in U A MS N U A I 4 spec. Bd. 1), vgl. Vorlesungsverzeichnis der W W U WS 1914/15 Johann Plenge, Aus dem Leben einer Idee, a.a.O., S. 17
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Unter dem Eindruck der „Ideen von 1914" ging sein Institutsplan weit über rein volkswirtschaftliche Fragen hinaus: Die „Weiterwirkung der besseren Ausbildung in staatlichen und wirtschaftlichen Fragen auf Politiker, Journalisten und Beamte" gehörte nun ebenso zu seinen Zielen wie die allgemeine Volksbildung, eine bessere Organisation der Wissenschaft und sogar die Wende in der Geschichte des Sozialismus. „Es ist sehr viel Zeitungsgeist in meinem Plane. Wie vielfältig der in meiner Denkschrift als Endziel entwickelte volle Ausbau der volkswirtschaftlichen und staatswissenschaftlichen Fächer nach Ländern und Wirtschaftszweigen den künftigen politischen Journalisten oder dem Mitarbeiter des Handelsteiles nützen könnte, wird jeder für die Bildungsfragen dieses Berufes interessierte Leser leicht erkennen. Die Vorbildung der Presse ist aber nicht nur eine besondere Fachfrage, sondern auch dabei handelt es sich, wie jetzt an vielen Stellen erkannt ist, um eine Frage von der größten allgemeinen Bedeutung. Ich gehe dabei davon aus, daß das, was die Hochschule der Journalisten in planmäßiger Anpassung an seine Bedürfnisse geben sollte, vor allem die zusammenfassende und übersichtliche Darstellung der Zustände und Verhältnisse der uns selbst in sich tragenden gesellschaftlichen Gegenwart ist, deren tägliches Weiterleben die Zeitung ebenso allen Gliedern des vielverzweigten Ganzen zur Kunde bringt, wie sie ihrer ständigen Weiterentwicklung durch Anregung und Förderung in Vorschlag und Kritik überall zu dienen sucht." 7 P L E N G E gewann mit diesen Vorstellungen im Sommer 1915 nicht nur die Unterstützung westfälischer Industrieller 8 und die Befürwortung des Preußischen Unterrichtsministeriums, 9 sondern auch das Interesse des RheinischWestfälischen Presseverbandes und dessen Vorsitzenden, Dr. Otto D R E S E M A N N (1860, gest. zwischen 1928 und 1935). 10 Am 7. August 1915 bedankte sich D R E S E M A N N bei P L E N G E für die Aufnahme einer Anregung seines Verbandes zur Journalistenausbildung in der Rechts- und Staatswissenschaftli7 8
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ebenda, Hervorhebung im Original Es handelte sich dabei um die Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, zu denen P L E N G E über den Sohn des Ruhrindustriellen SPRINGOR U M (Hoesch) in seinem Zeitungspraktikum Kontakt bekam; zu den Vertretern dieser Gruppe, die mit PLENGE 1915 in engere Verhandlungen traten, gehörten auch die späteren Förderer der WWU, B E U K E N B E R G und H U G E N B E R G . PLENGEs vorzeitige Veröffentlichung der Hintergrundsverhandlungen und persönliche Gründe führten jedoch dazu, daß die Industriellen sich noch im gleichen Jahr von dem Soziologen distanzierten - vgl. Dieter Krüger, Nationalökonomen im Wilhelminischen Deutschland, a.a.O., S. 105; vgl. ferner Erhard Schräder, Theorie und Praxis. Johann Plenges Programm eines organisatorischen Sozialismus, in: Bernhard Schäfers (Hg.), Soziologie und Sozialismus, Organisation und Propaganda — Abhandlungen zum Lebenswerk von Johann Plenge, Stuttgart: Enke 1969, S. 1 7 - 4 4 / 3 8 vgl. Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität, a.a.O., S. 28; Schreiben des PKM, gez. Minister Trott zu Solz an Plenge vom 3. 6. 1985, UA MS C I Nr. 2 Otto DRESEMANN, geb. am 28. 11. 1860 (Krefeld), gest. zwischen 1928 u. 1935, schloß sein Studium an der Universität Bonn mit der Promotion zum Dr. phil. ab, war bis 1915 als Auslandsredakteur der „Kölnischen Volkszeitung" tätig und war von 1912 bis 1920 Vorsitzender des Verbandes der Rheinisch-Westfälischen Presse
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chen Fakultät 11 — vermutlich handelte es sich hierbei um den Vorschlag zur Einrichtung journalistischer Ferienkurse, der schon am Einspruch der Philosophischen Fakultät gescheitert war. D R E S E M A N N selbst begrüßte auch den Plan der Journalistenausbildung innerhalb des volkswirtschaftlichen Studiums, wies allerdings darauf hin, „daß in meinen Berufskreisen die Ansichten über die systematisch-fachliche Journalistenausbildung an Hochschulen noch auseinandergehen, und daß die Anregung, die soeben von meinem Verbände an die Wilhelms-Universität gegangen ist, zunächst das Maß dessen erblickt werden muß (sie!), auf das sich der Verbandsvorstand ohne Weiteres hat einigen können. Ich persönlich aber bin gerne bereit — ohne damit den Verband binden zu können — auch durch persönliche mündliche Besprechung der mich schon lange beschäftigenden Frage in Münster näher zu treten." 12 Kurz darauf mußte P L E N G E ihm aber schon mitteilen, daß diese „Unterhaltung über die Ausbildung der Journalisten (für Münster) zunächst einen mehr akademischen Charakter" tragen würde, da seine Institutspläne gescheitert seien. 13 Die Verhandlungen mit den Geldgebern der Industrie hatten abgebrochen werden müssen, weil das Unterrichtsministerium nach schon früh geäußerten Bedenken wegen einer zu starken Abhängigkeit des Instituts vom Großkapital seine Zustimmung schließlich am 9. August unter Hinweis auf die Kriegslage zurückgezogen hatte.14 Vorerst blieb es also nur beim Zeitungspraktikum, das noch im Wintersemester 1915/16 fortgeführt und dann durch eine Vorlesung des Lektors Dr. Albert R A S C H über „Die Technik des Kapitalmarktes (Einführung in den Börsen- und Handelsteil der Tageszeitungen)" ersetzt wurde. 15 Obwohl P L E N G E als Mitglied des Presse-Ausschusses inzwischen an den interfakultativen Bemühungen der Universität um das Pressewesen teilnahm, beobachtete er die Initiativen, die von der Philosophischen Fakultät und Aloys MEISTER ausgingen, mit Argwohn: Er warf ihnen vor, dem Vorbild des Leipziger Instituts für Zeitungskunde, das „mit einem vielseitigen Lehrprogramm die vollständige Berufsausbildung des Tagesschriftsstellers" erstrebe, nicht gerecht werden zu können, und beanspruchte für sich selbst eine eigene,
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Schreiben Desemanns an Plenge vom 7.8. 1915, UB BI, Nachlaß Plenge, Presse 1913-1924 ebenda Schreiben Plenges an Dresemann vom 11. 8. 1915, UB BI, Nachlaß Plenge, Presse 1913-1924 Heinz Köster, Die Westfälische Wilhelms-Universität, a.a.O., S. 28 f.; das Kultusministerium hatte sich offenbar der Kritik aus nationalökonomischen Fachkreisen angeschlossen, die von Karl B U C H E R aus Leipzig besonders betrieben wurde - vgl. dazu Schreiben Plenges an Dresemann vom 23. 8. 1915, UB BI, Nachlaß Plenge, Presse 1913-1924; Schreiben des PKM an den Kurator vom 9. 8.1918, UA MS RuS D A C I Nr. 2 vgl. Schreiben Plenges an den Kurator der WWU vom 12. 1. 1918, UB BI, Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß
„den staatswissenschaftlichen und berufstechnischen Zielen entsprechende Lösung, die auch nur im kleinen den Leipziger Einrichtungen gleichkommt, ( . . .)." 16 Schließlich gab er sich jedoch mit dem im Sommer 1918 im Zeitungsausschuß erzielten Kompromiß zufrieden, wonach „die eigentliche Berufsausbildung in der Technik und Organisation der Presse ( . . . ) der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät" überlassen wurde.17 Geschehen sollte dies im Rahmen der allgemeinen Ausbildung „sozialer Funktionäre", für die PLENGE mit der Eröffnung des Staatswissenschaftlichen Unterrichtsinstituts am 11. Mai 1920 endlich eine seinen ursprünglichen Zielen nahekommende Grundlage fand. War schon die Unterrichtsanstalt zur Ausbildung praktischer Volkswirte als „höchste Ausgestaltung des Zeitungspraktikums gedacht",18 so hieß es auch bei der Einführung des neuen Instituts : „Zur unmittelbaren Bearbeitung der Weiterentwicklung des wirtschaftlichen und politischen Lebens an Hand der Tagesereignisse ist das Zeitungspraktikum bestimmt, das im Sinne einer Konjunkturwarte ausgebaut werden soll."19 Davon versprach sich PLENGE sowohl die stärkere Aufmerksamkeit seines Faches für „die Fülle der Tagesereignisse und der sich daraus ergebenden Probleme" als auch eine Rückwirkung auf die Presse, die auf „Verbesserungen in der Berichterstattung" hingewiesen werden sollte.20 Das Gleiche galt für die politische Staatslehre, die ebenfalls im Institut vertreten wurde. Eine aktuelle Ergänzung des Zeitungspraktikums hatte schon im Wintersemester 1918/19 am Seminar für Volkswirtschaft und Verwaltung für Aufmerksamkeit gesorgt: Unter dem Eindruck der November-Revolution richtete der Staatswissenschaftler Hans TESCHEMACHER (1884-1959) kurzfristig ein erst für später geplantes „politisches Zeitungspraktikum" mit dem Untertitel „Der politische Neubau in Deutschland" ein, in dem unter Zugrundelegung des allgemeinen Teils führender Zeitungen aktuelle innen-, außen-, gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entwicklungen beobachtet und analysiert wurden.21 Schon im ersten Semester nahmen 76 Studenten an der Veranstaltung teil, im Sommersemester 1919 stieg die Zahl sogar auf 244 Hörer 22 —
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ebenda vgl. Schreiben Plenges an den Kurator der W W U vom 9. 7. 1918 U B BI Nachlaß Plenge, Zeitungsausschuß Johann Plenge, Aus dem Leben einer Idee, a.a.O., S. 113 Johann Plenge, Das erste staatswissenschaftliche Unterrichtsinstitut. Seine Einrichtungen und seine Aufgaben, Essen: Baedeker 1920, S. 21, Hervorhebungen im Original Einhard Schräder, Theorie und Praxis, a.a.O., S. 37 Schreiben Plenges an den Kurator vom 9. 7. 1918, a.a.O., vgl. Vorlesungsverzeichnis der WWU WS 1917/18 vgl. UA MS Akten zur Chronik der W W U (1. 4. 1918 - 31. 3. 1919)
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das Zeitungsseminar am Historischen Seminar verzeichnete in seinen ersten beiden Semestern nur ganze 19 Teilnehmer. 23 Hans T E S C H E M A C H E R , geboren am 6. Januar 1884 in Loertz, war ein enger Schüler PLENGEs. 2 4 Nach der staatswissenschaftlichen Promotion am 24. August 1907 lernte er ihn als Assistent am staatswissenschaftlichen Seminar Karl B Ü C H E R s in Leipzig kennen, wo er im Wintersemester 1911/12 als Nachfolger P L E N G E s die Leitung der finanzwissenschaftlichen Abteilung übernahm. Seine Habilitationsschrift, die er 1915 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster vorlegte, trug den stark auf P L E N G E verweisenden Titel: „Reichsfinanzreform 1906—1913. Ein geschichtliches Vorspiel zu den Ideen von 1914". Der Verzicht auf ausreichende Quellenangaben - die gleiche Arbeitsweise, die P L E N G E auch bei seinen Doktoranden gelten ließ — drohte die Habilitation zunächst am Einspruch der übrigen Fakultätsmitglieder scheitern zu lassen, doch am 27. Juni 1916 erreichte P L E N G E schließlich doch die Zulassung seines Schülers zum Privatdozenten. In Münster erreichte den Privatdozenten am 9. August 1922 die Ernennung zum außerordentlichen Professor mit Lehrauftrag für „politisch-soziologische Staatslehre" und wenig später ein Ruf auf ein staatswissenschaftliches Ordinariat an der Universität Königsberg, das er zum 31. August 1923 antrat. Bis dahin widmete sich T E S C H E M A C H E R , dessen „sozialpädagogischen Bestrebungen" das Ausbildungskonzept P L E N G E s entgegenkam, 25 regelmäßig den Zeitungspraktika, in denen er Themen wie „äußere Mächtekonstellationen und innere Parteipolitik" (2. ZW 1919 und WS 1919/20), „äußere Mächtekonstellationen und innere Parteipolitik unter besonderer Berücksichtigung der sozialistischen Bewegung" (SS 1920, WS 1920/21, SS 1921, WS 1921/22, SS 1922) und „Die Mächtekonstellation und die internationalen Finanzproblem e " (SS 1923) behandelte. 24 Das wirtschaftliche Zeitungspraktikum übernahm seit der Gründung des staatswissenschaftlichen Unterrichtsinstituts der volkswirtschaftliche Lehrbeauftragte Dr. Georg K E M E N Y (1888 - ?), der im Sommersemester 1920 und im Wintersemester 1920/21 den „Deutschen und internationalen Kapitelmarkt" anhand von Zeitungen besprach, im Sommersemester 1921 eine „Einführung in das Verständnis des Geldmarktes" und im Wintersemester 1921/22 die „Besprechung und Referate über aktuelle Konjunkturfragen, für Fortgeschrittene" anbot. 27 25
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Schreiben des Dekans der Phil. Fak. (Grimmert) an das PKM vom 25. 4. 1921, U A MS Phil. Fak. B V Nr. 4 f., Bd. 1 UA MS N U PA 213 (Teschemacher), UA MS Kur. PA 435 (Teschemacher), UA MS RS PA 13 (Teschemacher), hier auch alle im folgenden nicht näher gekennzeichneten Angaben Teschemacher, Persönlicher Lebenslauf, UA MS RS PA 13 (Teschemacher) vgl. Vorlesungsverzeichnisse der WWU WS 1918/19 - SS 1923 ebenda; Georg KEMENY, geb. 24. 9. 1888, hatte am 17. 11. 1911 bei Karl B Ü C H E R in Leipzig mit einer Arbeit über „Konjunktursymptome am Weltmarkt" promoviert; über seinen weiteren Lebenslauf ist nichts bekannt
Im Sommersemester 1922 löste ihn der Lektor für engliche Sprache mit Lehrauftrag zur Vertretung der englischen und amerikanischen Wirtschaftsliteratur, Dr. Friedrich S C H O N E M A N N , ab, 28 der im vorausgegangenen Semester schon im Rahmen der Ringvorlesung eine „Einführung in die Auslandspresse" gelesen hatte. E r begann mit einem Zeitungspraktikum zum Thema: „Amerikanische Politik und Wirtschaft in der amerikanischen Presse" 2 9 und blieb der staatswissenschaftlichen Zeitungskunde ganze vier Jahre treu. Sein Wirken fiel freilich schon in die „Ära B R U C K " , in der das staatswissenschaftliche Zeitungswesen seine wenig spektakulären,aber festgefügten Aufgaben fand. Johann P L E N G E selbst hatte seit der Eröffnung des Staatswissenschaftlichen Unterrichtsinstituts nur noch zweimal, im Wintersemester 1920/21 und im Sommersemester 1921, ein wirtschaftliches Zeitungspraktikum abgehalten. Nachdem durch die Vereinbarung vom 21. Februar 1921 zwischen ihm und Aloys M E I S T E R ein oberflächlicher Burgfrieden geschlossen worden war, wandte sich seine Aufmerksamkeit nämlich einem andern Projekt zu: Der Propagandalehre und ihrer praktischen Anwendung.
b) Angewandte Propagandalehre und soziologisches Zeitungsarchiv Der Anstoß zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Propaganda kam von einem Schulfreund P L E N G E s , dem Bremer Kaffeefabrikanten Ludwig R O S E L I U S ( 1 8 7 4 - 1943), 30 der während des Krieges recht erfolglos versucht hatte, in Rumänien für Deutschland Gegenpropaganda zu betreiben. 31 In der Uberzeugung, daß der deutsche Wiederaufbau von einer leistungsfähigen, modernen Propaganda abhänge, regte er P L E N G E schon kurz nach dem Kriege zur Aufnahme des Propagandagedankens in seine Organisationslehre an. 32 Diese Anregung konnte 1921 verwirklicht werden, nachdem R O S E L I U S Ende des Sommersemesters am Staatswissenschaftlichen Institut selbst einen Vortrag über „Zwang oder Propaganda in der Organisation" gehalten hatte, dem im Wintersemester 1921/22 eine Reihe von Praktikervorträgen über
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vgl. Notiz ohne Titel in Münsterischer Anzeiger Nr. 421 vom 20. 8. 1923 vgl. Vorlesungsverzeichnis der W W U SS 1922 Ludwig ROSELIUS, Großkaufmann, geb. 1874 in Bremen, gest. 1943 in Berlin, baute das väterliche Handelsunternehmen „Roselius Sc C o . " (ab 1906 „Kaffee H A G " ) zum europäischen Großunternehmen aus; als Kunstförderer trat er besonders bei der eigenwilligen Umgestaltung der Bremer „Böttcherstraße" 1 9 2 3 - 1 9 3 1 hervor vgl. Ludwig Kerrsen, Johann Plenges Ruhrkampfpropaganda, in: Bernhard Schäfers (Hg.), Soziologie und Sozialismus, a.a.O., S. 45 - 60/55; weitere Einzelheiten zum Bemühen von ROSELIUS um eine effektive Propaganda im ersten Weltkrieg vgl. bei Ludwig Roselius, Briefe und Schriften zu Deutschlands Erneuerung, Oldenburg i.O.: Stalling 1933, bes. S. 23 ff.: „Ein Kapitel über Organisation" vgl. Ludwig Roselius, Nachwort, in: Johann Plenge, Deutsche Propaganda. Die Lehre von der Propaganda als praktische Gesellschaftslehre, Bremen: Angelsachsen-Verlag 1921, S. 61
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Auslands-, Partei- und politische Propaganda, Mittel und Psychotechnik der Propaganda folgte. 33 Im Oktober 1921 konnte P L E N G E dem Dekan seiner Fakultät mitteilen, daß R O S E L I U S ihm als Direktor des Staatswissenschaftlichen Instituts zur Erforschung aller Fragen von Organisation und Propaganda ein Kapital von 250 000 Reichsmark als Stiftung, 30 000 Reichsmark als einmalige Unterstützung für Materialanschaffungen und 100 000 Mark für die Personalkosten in den ersten fünf Jahren zur Verfügung gestellt habe. 34 R O S E L I U S selbst erklärte seine Beweggründe für diese großzügige Finanzierung gegenüber der Fakultät mit dem Interesse, „daß an den Universitäten und davon ausgehend in den breiten Massen die klare Erkenntnis der großen politischen Zusammenhänge, fernab von aller Festlegung auf bestimmte Parteischablonen, sorgfältig gepflegt und gefördert werden muß, damit ein Volk erstehe, das imstande ist, fest und entschlossen sein Leben in die eigene Hand zu nehmen." Statt auf den offenkundigen Zusammenhang zwischen seiner Stiftung für Münster und der Person P L E N G E s einzugehen, bemühte er die völkische Mystik, die ihn gleichwohl als Geistesverwandten P L E N G E s auswies: „Klares politisches Denken und zielbewußtes Handeln dürfen naturnotwendig nicht von der Stammeseigenart ihrer Träger gelöst sein. Nur aus den urhaften Tiefen völkischer Stammeseigenart heraus können die Quellen entspringen, die das gemeinsame Verbundensein aller Stämme zu einem einigen und unteilbaren Reiche bewirken. Münster und Bremen sind stammesverwandt und gehören zusammen, (...)"» In der auf den 6. November 1922 datierten Satzung der Stiftung wird als ihr Zweck die „Förderung der praktischen Erziehung in Deutschland" angegeben. P L E N G E erhielt das Verfügungsrecht auf Lebenszeit. Nach seinem Tode sollte es an das Direktorium des Staatswissenschaftlichen Instituts übergehen. 36 Die schon erwähnte „Lehre von der Propaganda als praktische Gesellschaftlehre" hatte P L E N G E im Sommer 1921 — beinahe als .Abfallprodukt' seiner Organisationslehre — innerhalb von drei Tagen schriftlich niedergelegt. 37 Die Besetzung des Ruhrgebietes ab Januar 1923 nahm er nun als Gelegenheit wahr, seine Lehre auch praktisch zu erproben. Anders als seine Kollegen an der Philosophischen Fakultät, die sich im allgemeinen strikt bemühten, ihre Tätigkeit im Rhein-Ruhr-Ausschuß zumindest nach außen hin als neutrale wissenschaftliche Beobachtung darzustellen, kam es P L E N G E auf eigene, aktive Propagandagestaltung an. Sein Selbstverständnis als Wissen33 34 35
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Johann Plenge, Deutsche Propaganda, a.a.O., S. 6 Schreiben Plenges an den Dekan der RuS-Fak. vom 26. 10. 1921, UA MS F I Nr. 23 spec. Schreiben von Roselius an den Dekan der RS-Fak. vom 8. 12. 1921; vgl. Schreiben des Dekans der RS-Fak. an Roselius vom 23. 11. 1921 - beides UA MS RS C I Nr. 4 Bd. 1 Satzung der Roselius-Stiftung für Organisation und Propaganda vom 6. 11. 1922, U A MS RS-Fak. C I Nr. 4 Bd. 1 vgl. Ludwig Roselius, Nachwort, a.a.O., S. 61
schaftler brachte ihn dabei nicht in Konflikte, da er das Wertfreiheits-Postulat der Wissenschaft ohnehin vorbehaltlos ablehnte. 38 Sofort nach dem Ruhreinbruch bemühte sich P L E N G E um weitere Geldgeber und entfaltete eine umfangreiche Flugblattproduktion, die sich nach den Prinzipien seiner Propagandalehre in „Volks-", „Abwehr-", „Angriffs-", „Einzel-", „Massen-" und Serienpropaganda aufteilte, 39 in einer Art „.dezentralisierten Guerilla'" hergestellt und verteilt wurde 40 und vor allem dazu dienen sollte, den Gegner lächerlich zu machen sowie den Widerstandswillen der Bevölkerung zu stärken. 41 Dazu appellierte er an das „Stammesbewußtsein" der Niedersachsen und Westfalen. Im Vertrauen auf die „Symbolpropaganda" legte er das Hauptgewicht auf ein „Birkenbaumplakat", das auf eine alte Sage von der Völkerschlacht am Birkenbaum in Westfalen anspielte, die in vergangenen patriotischen Kämpfen schon häufig eine mystische, aber wirksame Rolle gespielt haben soll. 42 Immerhin berichteten auch die Tageszeitungen von dem „aufsehenerregenden Plakat", das hier und da im Ruhrgebiet gesichtet worden war. 43 P L E N G E lancierte seine Flugschriften nicht unter eigenem Namen, sondern verwandte Pseudonyme wie „Bernhard Prop(aganda) — schulte", 44 die in chiffrierter Form auf sein Selbstverständnis als zentraler Führer seiner „Propaganda-Guerilla" hindeuteten: Zu ihr gehörten Studenten und Assistenten, die als Vertrauensboten Propagandamaterial ins besetzte Ruhrgebiet einschleusten und Situationsberichte zurückbrachten. 45 Nach Meinung mancher Kollegen waren sämtliche Angestellte seines Instituts, der Buchbinder ebenso „wie der Privatassistent, der planmäßige Geschäftsführer, die Sekretärin und die Bibliothekarin" in die ihrer Ansicht nach ,,dilletantische(n) Ruhrpropagand a " eingespannt. 44 Von amtlicher Seite bekam P L E N G E mit seiner eigenwilligen Agitation offenbar keine Unterstützung: Bitter beklagte er sich darüber, daß er seine Ideen schon am 27. Januar 1923 an die „Zentrale für Heimatdienst" geleitet
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„Wir haben in der Gesellschaftswissenschaft nur das fast lächerliche Vexierproblem gehabt, .wertfrei' ohne alle Willensbeteiligung Nationalökonomie zu lehren." — Johann Plenge, Deutsche Propaganda, a.a.O., S. 37 Ludger Kernen, Johann Plenges Ruhrkampfpropaganda, a.a.O., S. 47 ebenda, S. 48 vgl. Schreiben Plenges an das PKM vom 23. 2. 1923, UA MS RS A I 3 Bd. 1; s. dort auch eine Sammlung seiner ersten Flugblätter im Ruhrkampf Ludger Kerrsen, Johann Plenges Ruhrkampfpropaganda, a.a.O., S. 49 —, Am Birkenbaum, in: Münsterischer Anzeiger, Nr. 206 vom 24. 4.1923 vgl. Bernhard Propschulte ( - Johann Plenge), Propschultes Gedanken zur Volkspropaganda an der Ruhr, gedr. Flugblatt, Exemplar in UA MS RS A I 3 Bd. 1 Ludger Kerrsen, Johann Plenges Ruhrkampfpropaganda, a.a.O., S. 48; vgl. weiteres Material dazu im Nachlaß Plenge in der Universitätsbibliothek Bielefeld vgl. Schreiben Brucks an den Kurator vom 15. 5. 1924, UA MS Kur F 14, Nr. 1, Bd. 1; ferner —, „Propaganda", in: „Temps" (Paris) vom 12. 2. 1923, zitiert nach einem Leserbrief Plenges vom 16. 2. 1923 an die „Temps" (Abschrift), UA MS RS A I 3 Bd. 1
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und keine Antwort bekommen habe. 4 7 Eine später in Bielefeld geschaffene offiziöse Ruhrpressestelle, die ohne seine Beratung entstanden war, hielt er für nicht leistungsfähig. 48 Auch bei der Industrie und den Gewerkschaften vermißte der Soziologe das richtige Verständnis für seine Propagandaauffassung. 4 9 Vor allem aber warf er dem Kultusministerium Versagen vor 5 0 und verscherzte sich damit möglicherweise die Toleranz, die ihm von dieser Stelle bis dahin immer entgegengebracht worden war. D a f ü r erregte seine Propagandatätigkeit jedoch im Ausland einige Aufmerksamkeit, bevor der Ruhrkampf ganz gegen seine Hoffnungen von deutscher Seite durch Aufgabe des passiven Widerstandes abgebrochen wurde. In der französischen Presse wurde sein Institut als „ H a u p t o r g a n der deutschen Propaganda" dargestellt, in dem die „ K u n s t der Lüge und Verleumdung" gelehrt werde; das Staatswissenschaftliche Institut in Münster sei überhaupt nur von Ruhrindustriellen gegründet worden, „ u m deutsche Propagandisten heranzubilden". Polnische Zeitungen verbreiteten sogar, daß in Münster ein „Institut für deutsche Propagandawissenschaft" bestehe, daß mit dem Ziel gegründet worden sei, Deutschland wieder zur Weltmachtstellung zu verhelfen, und der französische Ministerpräsident P O I N C A R E sah in P L E N G E gemeinsam mit Edgar S T E R N - R U B A R T H die Schöpfer einer zentralen deutschen Propaganda zur Vorbereitung eines deutschen Wiederaufstiegs. 5 1 Ein wenig erinnert dieses Mißverhältnis zwischen ausländischen Reaktionen und inländischer Be-
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Die „Reichszentrale für Heimatdienst", eine gegen Ende des ersten Weltkrieges zur Stärkung des Durchhaltewillens geschaffene Institution, wurde der im Oktober 1919 gegründeten „Vereinigten Presseabteilung der Reichsregierung" als eines von elf Referaten angegliedert. Als ihr Auftrag galt bald die allgemeine Volksaufklärung und staatsbürgerliche Erziehung, während der Rhein- und Ruhrbesetzung entwickelte sie sich jedoch auch zur Propaganda-Koordinationsstelle für die besetzten Gebiete. In den Schwerpunktgebieten Münster, Essen, Dortmund und Siegen war schon ein eigenes Vertrauensmännernetz zur Gegenpropaganda aufgebaut worden, mit dem P L E N G E offenbar konkurrierte. 1923 gründete sie die Zeitschrift „Der Heimatdienst"; 1933 ging die „Reichszentrale für Heimatdienst" im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda auf. Als Nachfolgeorganisation wurde 1952 die „Bundeszentrale für Heimatdienst" (1969 in „Bundeszentrale für politische Bildung" umbenannt) gegründet, die vor allem den Auftrag übernahm, über die Arbeitsweise demokratischer Institutionen aufzuklären und den Bürger zur Mitarbeit am Staatswesen zu motivieren, vgl. Klaus W. Wippermann, Politische Propaganda und staatsbürgerliche Bildung. Die Reichszentrale für Heimatdienst in der Weimarer Republik, Köln: Verlag Wissenschaft und Politik 1976; ferner Kurt Koszyk, Deutsche Presse 1 9 1 4 - 1945. Geschichte der deutschen Presse, Teil III, Berlin: Colloquium Verlag 1972 ( - A b h a n d l u n g e n und Materialien zur Publizistik 7), S. 1 0 7 - 1 0 9 , 9 5 - 9 6 und 363
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Zur Bielefelder Pressestelle Ruhr-Rhein und der Position P L E N G E s in der offiziellen Ruhr-Propagandapolitik vgl. Klaus Wippermann, Politische Propaganda, a.a.O., S. 2 1 0 - 2 2 0 Johann Plenge, „ G e h e i m " , gedr. Flugblatt vom 21.2.1923, U A MS RS A I 3 Bd. 1 Schreiben Plenges an das P K M vom 23.2. 1923, U A MS RS A I 3 Bd. 1 vgl. Ludger Kerrsen, Johann Plenges Ruhrkampfpropaganda, a.a.O., S. 48
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deutung an die Aufgeregtheit französischer und englischer Beobachter der deutschen Verhältnisse im Jahre 1983, die hinter tagespolitischen Randerscheinungen deutsch-deutscher Verhandlungen das verdächtige Erstarken eines deutschen Widervereinigungswillens witterten. Den nach P L E N G E s eigener Ansicht freilich folgenreichsten Einfluß übte seine Propagandalehre auf den Nationalsozialismus aus: Er prahlte 1933 damit, daß ihn im April 1923 der junge Joseph G O E B B E L S aufgesucht habe, „der nach München in die nationalsozialistische Bewegung wollte", 5 2 um sich bei dem Verfasser der „Deutschen Propaganda" Rat in Propagandafragen der Parteiführung und des Abwehrkampfes gegen die französische Besetzung des Rheinlandes zu holen. 53 Dabei habe er, P L E N G E , ihm auch „das .Dritte Reich' als den entscheidenden geschichtlichen Kampfesruf gegeben." 54 Insgesamt widmete sich P L E N G E seiner Propagandatätigkeit im Ruhrkampf nur wenige Monate: Ausbleibende Geldmittel und die Zerschlagung seines Staatswissenschaftlichen Instituts im Frühjahr 1923 hinderten ihn daran, die Propagandalehre praktisch weiterzuverfolgen. Auch als wissenschaftlicher Ansatz erwies sie sich als „Strohfeuer", das nur in einschlägigen Dissertationen unter seiner Betreuung noch ein wenig nachglühte. Unklar ist, wofür die Mittel der ROSELIUS-Stiftung, soweit sie nicht durch die Inflation verfielen, noch eingesetzt wurden. Ein geringe Teil floß sicherlich in Literaturanschaffungen: Bei einer Inspektion der Bibliothek des 1935 aufgelösten „Instituts für Organisationslehre und Propaganda" fand sich unter insgesamt 7500 Bänden ein Bestand „Propaganda" mit rund 200 Werken. 55 Ein Teil davon wurde im Frühjahr 1940 nach der endgültigen Auflösung der Bibliothek an das Zeitungswissenschaftliche Institut überwiesen 56 52
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Johann Plenge, Meine Anmeldung zum Bund Schlageter e.V. Als Handschrift für Gesinnungsgenossen. Mit der Verkündigung der Volksgenossenschaft der Arbeit am 31. 7. 1914, der Verheißung des „nationalen Sozialismus" und den „Ideen von 1914" in meinen Kriegsschriften (1914 - 1918) und dem Verlagsprogramm vom Juli 1919 mit dem ersten Symbol für „ D a s Dritte Reich", Münster: Bredt 1933, S. 12 Nach der offiziellen Darstellung während des Dritten Reiches kämpfte G O E B B E L S 1923 im Rheinland gegen die Separatisten-Bewegung - vgl. - , Dr. Joseph Goebbels. Im Spiegel von Freund und Feind. Sein Werdegang, Berlin o.J. (1933), S. 8 - 9; aufgrund der wenigen Belege aus diesen Lebensjahren G O E B B E L S ' zweifeln jüngere Biographen jedoch an dieser Darstellung - vgl. Helmut Heiber, Josef Goebbels, Berlin: Colloquium 1962, S. 32 - 34; auch G O E B B E L S ' Kontakte zur N S D A P vor dem Novemberputsch im Jahre 1923 sind nicht belegt — vgl. Werner Maser, Der Sturm auf die Republik. Frühgeschichte der N S D A P , Frankfurt - Berlin - Wien: Ullstein 1981, S. 200; da P L E N G E nach 1933 in mehreren Briefen G O E B B E L S persönlich an diese Begegnung erinnerte und sich auch nach 1945 darauf berief, ist sie als Faktum kaum zu bezweifeln, falls man nicht P L E N G E s Glaubwürdigkeit überhaupt in Abrede stellt - vgl. Johann Plenge, Die Altersreife des Abendlandes, Düsseldorf: Kämmerer 1948, S. 178 f. Schreiben Plenges an den nordrhein-westfälischen Kultusminister vom 25. 7. 1952, U A MS Phil. Fak. PA N r . 105 (Plenge) „ D e r Aufbau der Bibliothek Plenge", ca. 1936, U A MS N U H I 12 „Die Bibliothek des früheren Instituts für Organisationslehre und Soziologie", undatiert, ca. 1940, H S t A Düsseldorf, Rep. N W 5 - 542
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und befindet sich noch heute in den Bibliotheksbeständen des Instituts für Publizistik der Universität Münster. In dem Forschungsinstitut, das P L E N G E 1923 bzw. 1925 als .Ersatz' für seine zerstörte staatswissenschaftliche Einrichtung erhalten hatte, blieb er nach dieser politischen und wissenschaftsorganisatorischen Enttäuschung nach eigenen Worten „im bewußten Abstand von der Praxis." 5 7 Die Beschäftigung mit der Presse beschränkte sich jetzt in erster Linie auf den Ausbau einer Sachabteilung zur „Sammlung von Zeitungsausschnitten mit Gegenwartsmaterial zur Gesellschaftslage, zur Gesellschaftsentwicklung und zur Veranschaulichung von Einzelfragen und typischen Einzelfällen der allgemeinen Gesellschaftslehre, weil Gesellschaftslehre an keiner Stelle totes Lehrbuchwissen werden darf." 58 Bis auf die lapidare Feststellung, daß dieses Material „sehr kritisch gesichtet" werden müsse, 59 setzt sich P L E N G E dabei recht wenig mit quellenkritischen Problemen auseinander. Ihm kam es nicht auf den archivarisch-historischen Nutzen an — schon 1918 hatte er sich gegenüber Ernst T R O E L T S C H darüber lustig gemacht, „daß die meisten meiner Kollegen damit zufrieden sind, Zeitungsausschnitte über die Kriegswirtschaft zu sammeln oder hinterher die Tätigkeit irgendwelcher Kriegsämter zu beschreiben,"60 — sondern auf eine „Lehrsammlung" zu typischen soziologischen Erscheinungen. Zusammen mit der Bildersammlung des Instituts und dem PLENGEschen Tafelwerk schrieb er ihr die Bedeutung einer Ergänzungsabteilung „im Dienste einer stärkeren Annäherung an das Leben" zu. 61 Große Energien verwandte P L E N G E nicht mehr auf Fragen des Zeitungswesens. Dreimal, vom Wintersemester 1925/26 bis zum Wintersemester 1926/27, bot er in Konkurrenz zum weiterbestehenden volkswirtschaftlichen Zeitungspraktikum noch ein eigenes, „soziologisches Zeitungspraktikum" an,62 kümmerte sich jedoch schon nicht mehr um die Kritik oder Mitarbeit an den übrigen zeitungskundlichen Veranstaltungen der Universität. Günther W O H L E R S (1894-1937), der Anfang 1927 sein Amt als Lektor für Zeitungskunde an der Philosophischen Fakultät antrat, erfuhr nur noch 57
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Johann Plenge, Für ein Seminarreferat über mein Lebenswerk. Aus einem Brief vom 19. 5. 1938, zitiert nach Bernhard Schäfers, Einleitung, in: ders. (Hg.), Soziologie und Sozialismus, a.a.O., S. 1 ff. Johann Plenge, Das Forschungs-Institut für Organisationslehre und allgemeine und vergleichende Soziologie bei der Universität Münster, Münster: Staatswissenschaftliche Verlagsgesellschaft 1928, S. 23 ebenda Schreiben Plenges an Troeltsch vom 21. Februar 1918, zitiert nach Bernhard Schäfer, Soziologie und Wirklichkeitsbild. Plenges Beitrag zur deutschen Soziologie um 1930, in: ders. (Hg.), Soziologie und Sozialismus, a.a.O., S. 60 ff. Johann Plenge, Das Forschungsinstitut, a.a.O., S. 23 vgl. die Vorlesungsverzeichnisse der W W U WS 1925/26 - WS 1926/27
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vom Hörensagen, daß PLENGE „vom Schmollwinkel aus noch gegen das Institut Spinat geschmissen haben soll." 43 c) Das Zeitungspraktikum unter Werner Friedrich Bruck Das staatswissenschaftliche Institut hatte kurz vor seiner Auflösung im Mai 1923 Zuwachs bekommen: Zum Mitdirektor wurde am 22. August 1922 der Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften, Dr. Werner Friedrich BRUCK (1880 - 1945), ernannt. Der auch in praktischer Wirtschaftspolitik erfahrene Wissenschaftler war auf Anregung PLENGEs als Nachfolger des Wirtschaftswissenschaftlers TERHALLE zum planmäßigen Extraordinarius berufen worden, um PLENGE auf dem immer größer werdenden staatswissenschaftlichen Aufgabengebiet zu entlasten.64 Dazu gehörte unter anderem die Übernahme des wirtschaftlichen Zeitungspraktikums, das interimistisch von KEMENY und SCHÖNEMANN geleitet worden war. BRUCK, am 23. August 1880 in Breslau als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren, hatte in Breslau und Leipzig zunächst Botanik und später Nationalökonomie studiert.65 Nach der Promotion in Leipzig zum Doktor der Staatswissenschaften im Jahre 1904 fand er bis 1905 eine Anstellung im Reichsgesundheitsministerium, um dann für ein weiteres Jahr als planmäßiger Assistent am Botanischen Institut der Landesuniversität Gießen zu arbeiten.66 1907 wurde er zum Privatdozenten und 1913 zum außerordentlichen Professor ernannt. Während seiner insgesamt 17jährigen Zugehörigkeit zur hessischen Landesuniversität übte BRUCK gleichzeitig verschiedene Tätigkeiten für amtliche und halbamtliche Stellen aus, arbeitete zwölf Jahre lang für das Reichskolonialamt, leitete bis 1915 die Rohmaterialabteilung des Großen Kriegsministeriums, hielt sich mehrere Jahre lang im amtlichen Auftrage als Oberregierungsrat in Ubersee auf, um neue Erkenntnisse über die Baumwollwirtschaft zu sammeln,67 und füllte bis 1919 noch weitere beratende Funktionen für das Wirtschaftsministerium und andere wirtschaftliche Interessengruppen aus. Aus seiner Tätigkeit im Kolonialdienste gingen verschiedene Veröffentlichungen
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Schreiben Wohlers' an Heide vom 7. 2. 1935, Nachlaß Günther Wohlers (privat) UA MS N U PA 22 (Dr. Werner Friedrich Bruck, Prof. für wirtschaftliche Staatswissenschaften) Soweit nicht anders gekennzeichnet, sind die biographischen Daten dem International Biographical Dictionary of Central European Emigre's 1933 - 1945, Volume H/Part. 1: A - K, München — New York - London - Paris: K.G. Saur 1980, S. 160 entnommen Bescheinigung vom Rektor der Hessischen Landes-Universität Gießen, Professor Jess, vom 3. 5. 1933, UA MS RS PA 3 (Bruck) Schreiben des Rechtsanwaltes Franz W. Engels an den Dekan der RS-Fak. vom 12. 4. 1959, U A MS RS PA 3 (Bruck)
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hervor. 6 8 Politisch engagierte sich der Wirtschaftswissenschaftler seit 1907 im „Nationalliberalen Verein" und wurde 1918 Mitglied der „Deutschen Volkspartei" (DVP), für die er sich in Münster auch auf lokaler Ebene engagierte. 69 N a c h seiner Berufung an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster faßte der umgängliche Wissenschaftler in der neuen Fakultätsgemeinschaft bald besser Fuß als sein Mäzen, während sich sein Verhältnis zu J o h a n n P L E N G E zunehmend verschlechterte. P L E N G E warf B R U C K seit 1923 vor, sich aus persönlichem Ehrgeiz als Hauptbeteiligter bei der Zerstörung des Staatswissenschaftlichen Instituts hervorgetan zu haben. 7 0 Wieweit dies zutraf, läßt sich nicht beurteilen. Fest steht, daß B R U C K nach seiner Berufung nur wenige Monate brauchte, um an der Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit P L E N G E in so engem Rahmen, wie ihn die Organisation des Staatswissenschaftlichen Unterrichtsinstituts vorgab, zu zweifeln. Die Streitigkeiten setzten sich auch nach der Teilung des Instituts in das Forschungsinstitut und ein der Universität zugehöriges Staatswissenschaftliches Seminar unter B R U C K s Leitung, später „Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften", in verschiedenen Polemiken fort. 1924 sprach B R U C K sogar die Vermutung aus, daß P L E N G E in den letzten Jahren wohl „geistig schwer erkrankt" sei. 71 Davon unberührt blieb B R U C K s Achtung vor dem wissenschaftlichen Werk P L E N G E s , dem er nicht nur bei seinem Amtsantritt im Wintersemester 68
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_ Werner Friedrich Bruck, Praktische Anleitung zur Kultur der Sisalagaue in DeutschOstafrika im Auftrage des Kolonialwirtschaftlichen Komitees verfaßt, Berlin: E.S. Mittler & Sohn 1913 - ders., Der Faserbau in Holländisch-Indien und auf den Philippinen, Berlin: Mittler & Sohn 1912 - ders., Geschichte des Kriegsausschusses der deutschen Baumwollindustrie, zugleich Abriß der Baumwollwirtschaft während des Krieges. I.A.d. Kriegsausschusses der deutschen Baumwollwirtschaft bearb., Berlin: Reichswirtschaftsstelle für Baumwolle 1920 - ders., Juteersatz und Hanfbau. Ein Beitrag zur Organisation unseres inneren Wirtschaftsmarktes während des Krieges, zugleich ein Vorschlag für Deutschlands Landwirtschaft und Textil-Faserindustrie, Berlin 1914 - ders., Die Organisation der deutschen Kunstspinnstoffwirtschaft. Wirtschaftsgeschichtlicher Kommentar der Kriegs- und Übergangszeit. Nach amtlichen und halbamtlichen Quellen bearbeitet, Jena: G . Fischer 1922 Schreiben des Dekans der RS-Fak. an das Reichsministerium für Erziehung und Wissenschaft (REW) vom 6. 5. 1933, U A MS RS PA 3 (Bruck); seit 1926 gehörte B R U C K zum Vorstand des DVP-Ortsverbandes in Münster vgl. Schreiben Plenges an das P K M vom 8. 5. 1924, U A MS Kur. Fach 14, N r . 1, Bd. 1 und Johann Plenge, Das Institut für Organisationslehre und Soziologie 1923/25. Bericht für die Chronik der Westfälischen Wilhelms-Universität. Als Handschrift gedruckt, Münster: Universitätsbuchdruckerei Johannes Bredt, 25. August 1925, S. 2 (in: U A MS Phil. Fak. D N r . 7 Bd. 1); im gleichen Maße wie B R U C K , den P L E N G E nur noch als „früheren Botaniker" bezeichnete, galten seine Angriffe seinem ehemaligen Schüler, dem Professor für soziales Fürsorgewesen und Gesellschaftslehre, Dr. Heinrich W E B E R , in dem P L E N G E nur den ehemaligen Theologen sah. Schreiben Brucks an den Kurator der WWU vom 15. 5. 1924, U A MS Kur. Fach 14 Nr. 1, Bd. 1
1922/23 Respekt zollte, sondern über Jahre hinweg verbunden blieb. So empfahl er seinen Studenten unabhängig von allen Streitigkeiten weiterhin den Besuch der Vorlesungen bei dem Kollegen, der von der Mehrheit der Fakultätskollegen seit dem Eklat von 1923 gemieden wurde. 72 P L E N G E s Tafelwerk traute er zu, innerhalb weniger Jahre wegweisend für die gesamte Wirtschaftswissenschaft zu werden. 73 und seine Propagandalehre zog B R U C K trotz der Mißbilligung ihrer praktischen Anwendung im Ruhrkampf gerne heran, um den angehenden Volkswirten im Zeitungsseminar die propagandistischen Spielregeln des Wirtschaftslebens zu erläutern. 74 Das Zeitungsseminar bzw. -praktikum selbst betrachtete B R U C K als Erbe Karl B Ü C H E R s und Johann P L E N G E s , denen er die Propagierung der Zeitung als wirtchaftswissenschaftliches Arbeitsmittel als Pioniertat auf dem „Feld der nationalökonomischen Wissenschaft und besonders ihrer Pädagogik" anrechnete. 75 Noch 1929 hielt er die tägliche Analyse der Wirtschaftspresse und die damit verbundene Auseinandersetzung mit der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Lage der Gegenwart für eine der wichtigsten Methoden, um die Studenten der Volkswirtschaft in die Praxis einzuführen. Anders als P L E N G E beschränkte er sich allerdings auf diese fachbezogene Zielsetzung — „Zeitungskunde ist ( . . . ) eine Hilfswissenschaft der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wie etwa die Statistik, die Konjunkturlehre, die Wirtschafts&««