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German Pages 80 [85] Year 1894
Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig.
Deutsehe Sehaehzeitung. O r g a n f ü r das g e s a m m t e
Scliachleben.
Herausgegeben von
Dr. Hermann von Gottschall. Preis des Jahrgangs von 12 Heften 9 Jt =
5 fl. Ö. W .
Zu beziehen durch alle Bitchhandlungen des In-und Auslandes, sowie durch alle Pustanstalten des Deutscheri Reiches. Gegen Einsendung von 10 Ji oder Sfl. 60 kr. Ö. TV. an die Verlagsbuchhandlung erfolgt regelmässige Zusendung unter Kreuzband an die aufgegebene Adresse. ie Schachzeitung, die älteste aller g e g e n w ä r t i g bestehenden, dem Schach ausschließlich g e w i d m e t e n Zeitschriften erscheint seit dem Jahre 1846 in ununterbrochener R e i h e n f o l g e . Sie hat sich während dieses langen Zeitraumes durch ihre rein sachliche, ausschließlich der P f l e g e des Spiels g e w i d m e t e Haltung trotz der v o n Z e i t zu Z e i t aufzutauchenden Konkurrenzunternehmungen das Vertrauen des Publikums stets in gleich hohem M a ß e zu erhalten gewußt, und ist für j e d e n Schachfreund, welcher sich für die V o r g ä n g e auf schachlichem Gebiete und die Fortentw i c k e l u n g des Spiels interessiert, unentbehrlich. Sie gilt nicht nur in Deutschland, sondern auch im Auslande, diesseits und j e n seits des Ozeans, als das deutsche H a u p t o r g a n des edlen Spiels. B e s t e l l u n g e n können stets n u r auf den g a n z e n , v o n Januar bis D e z e m b e r laufenden J a h r g a n g angenommen w e r d e n ; Abonnements auf einzelne Quartale können nicht berücksichtigt werden. P r o b e h e f t e werden auf W u n s c h j e d e r z e i t postfrei zugesandt.
DIE
WIENER PARTIE. EINE SCHACH-THEORETISCHE ABHANDLUNG VON
CURT v . B A R D E L E B E N .
LEIPZIG, VERLAG VON V E I T & COMP. 1893.
Druck yon M e t z g e r & W i t t i g in Leipzig.
HERRN REINHOLD SEELIG DEM EDLEN GÖNNER UND FREUNDE DES SCHACHSPIELS
IN DANKBARER VEREHRUNG- GEWIDMET
VON DEM
VERFASSER
Vorwort. Unter neuerdings
den
offenen Spielen
hat die moderne Praxis
fast in keiner Eröffnung so zahlreiche
Ideen zu Tage gefördert wie in der Wiener Partie.
neue Wäh-
rend zur Zeit Morphy's, jenem Zeitalter der Gambitspiele, eine so stille und scheinbar gedankenarme Eröffnung wie die Wiener Partie noch sehr wenig theoretische Ausbildung und praktische Beliebtheit hatte, ist man heutzutage, nachdem die Praxis sich mehr und zurückgezogen hat,
mit Erfolg
mehr von den Gambits an die Arbeit
gegangen,
die verborgen schlummernden Geistesschätze dieser Spielart zu heben, und man hat bald erkannt, daß hier ein reiches Feld für den Theoretiker wie den Praktiker vorhanden ist. Die theoretische Untersuchung der Gambitspiele hat heute, wenn man so sagen darf, eine A r t akademischen Charakter —
die Theorie beschäftigt sich häufig mit Fällen, die in
der Praxis beinahe gar nicht mehr vorkommen,
und so
erscheinen die Analysen eines Allgaier-, Muzio- oder Kieseritzkygambits fast als ein ludus ingenii, dem der reale "Boden in unserer realistischen Zeit fehlt.
Die Gambits
stellen
gewissermaßen die Poesie, die ideale Seite des praktischen Schachspieles dar,
aber der nüchterne,
unpoetisch
prak-
tische Schachspieler der Jetztzeit straft sie in der Regel
6
Vorwort.
mit Verachtung, indem er sie einfach ablehnt, so allen Irrgängen der Theorie aus dem Wege gehend. Anders verhält es sich mit der Wiener Partie: nachdem auf 1. e2—e4 die Antwort e7—e5 erfolgt ist, muß man sich auf die Möglichkeit gefaßt machen, daß der Gegner mit 2. S b l — c 3 die Wiener Partie herbeiführt, und dann heißt es fest im Sattel sitzen, sonst wird man gar leicht durch irgend eine unvermutete Angriffswendung zu Boden gestreckt. Aber auch der Angreifer muß die Varianten alle genau kennen, sonst wird er leicht einmal eine drohende Gefahr zu spät erkennen oder eine gute Gelegenheit zum Angriff unbenutzt vorübergehen lassen. So glauben wir durch eine sorgfältige Zusammenstellung der Varianten dieser interessanten Eröffnung jedem Schachfreund eine nützliche und unterhaltende Lektüre zu bieten und hoffen, daß unsere Arbeit eine wohlwollende Aufnahme bei dem Publikum und eine nachsichtige Beurteilung von Seiten des Kenners erfahren wird. B e r l i n , 28. Mai 1892.
C. T. Bardeleben.
Inhalt. Seite
Die Wiener Partie Erster Teil
.
.
9 . •
Erste Verteidigung 2
9 , Sf6
Erster Angriff 3. f4
9 9
Zweiter Angriff 3. Lc4
24
Dritter Angriff 3. d4
25
Vierter Angriff 3. Sf3
25
Fünfter Angriff 3. g3
26
Zweite Verteidigung 2
, Lc5
Erster Angriff 3. g3
27 27
Zweiter Angriff 3. Sa4
33
Dritter Angriff 3. Lc4
34
Vierter Angriff 3. Sf3
35
Fünfter Angriff 3. f4
36
Dritte Verteidigung 2
, Lb4
Vierte Verteidigung 2
, Sc6
46 48
Erster Angriff 3. g3
48
Zweiter Angriff 3. Lc4
49
8
Inhalt. Seite
Zweiter Teil.
Gambitspiele
50
I. Pieroegambit Erste Verteidigung 5 Zweite Verteidigung 5 Dritte Verteidigung 5
52 , d6 , Lg7? g4!
II. Hamppe-Allgaiergambit
Zweite Verteidigung 5
54 56 GO
Steinitzgambit Erste Verteidigung 5
52
65 , d5
66
, d6
75
Dritte Verteidigung 5. ...., Sf6
76
Vierte Verteidigung 5
, b6
76
Fünfte Verteidigung 5
, g5!
Nachtrag
78 80
Die Wiener P a r t i e . Erster Teil. 1. 2.
e2—e4 Sbl—c3
e7—e5
Erste Verteidigung. 2 Sg8—f6 Diese Verteidigung ist neuerdings mit Recht sehr beliebt geworden.
Erster Angriff. 3. f2—f4 d7—d5 Ungünstig für Schwarz ist, wie sofort einleuchtet, 3 e5—f4: wegen 4. e4—e5, Dd8—e7 5. Ddl—e2, Sf6—g8 6. S g l — f 3 , c7—c6 7. d2—d4. Ebenso ist 3 , d7—d6 nicht empfehlenswert, da Weiß sich darauf mit 4. d2—d4 günstig entwickelt und der schwarze Königsläufer eingeschlossen bleibt. Für Weiß kommen auf 3 , d7 — d5 folgende Spielweisen in Betracht: A.
4.
f4—e5:
Sf6—e4: a.
5.
Ddl—f3
Erster Teil.
10
Diese neuerdings beliebte Spielart bereitet der Verteidigung zwar gewisse Schwierigkeiten, ist jedoch nicht so stark, wie man allgemein annimmt. Wir glauben im folgenden zeigen zu können, daß die Verteidigung zum mindesten Ausgleich erzielt, ja daß sogar bei korrektem Spiel des Nachziehenden eher ein geringes Ubergewicht auf seiner als auf der Seite des Anziehenden zu suchen ist. 1. 5 f 7 — f 5 (!) Unseres Erachtens der stärkste Zug. 6. Sgl—e2 Vom Handbuch S. 594, § 3, Nr. 18, Anm. 22 als das Beste empfohlen. Stellung nach dem 6. Zuge.
6 Wir sind der den Stellung nicht angriff spielen soll c6 für besser als
Sb8—c6 (!) Ansicht, daß Schwarz in der vorliegenauf Verteidigung, sondern auf Gegenund halten daher den Springerzug nach 6 , c 7 — c 6 , worauf Weiß mit
Erste Verteidigung.
7.
Se2—f4!
fortfahrend
Erster Angriff.
seinerseits
den
11
Angriff
fest-
halten würde. 7.
d2—d4
Falls 7. S c 3 — e 4 : , so 7
d 5 — e 4 : 8. D f 3 — c 3 ,
f4 oder g3, Dd8 — d5 und Schwarz erhält ein ausgezeichnetes Spiel.
Auf 7. D f 3 — f 4
g 7 — g ö und auf 7.
kommt Schwarz durch 7
d2—d3
durch
7
,
,
Sc6—e5:
8. D f 3 — f 4 , S e 5 — g 6 ebenfalls im Vorteil. Sc6—b4
7 8.
Kel—dl
Natürlich darf 8. S c 3 — e 4 : ? wegen 8
, Sb4—c2 +
9. K e l — d l , d 5 — e 4 : nicht geschehen. 8
c7—c5
9.
a2—a3
10.
Lei—e3
Sb4—c6
Es liegt auf der Hand,
daß Weiß weder in. diesem
noch in dem vorhergehenden Zuge den Bauern c5 schlagen darf, da Schwarz mit dem Läufer wiedernimmt und durch die Drohung S e 4 — f 2 f hält.
ein vorzügliches Angriffsspiel er-
Spielt Weiß 10. S e 2 — f 4 , so folgt 1 0
, g7—g6
11. S c 3 - d 5 : , S c 6 — d 4 : 11. Df3—e3, g 6 — g 5 zum Vorteil des Nachziehenden. 10
g
Schwarz gelangt nun mittels
7-g6
Lf8—g7
alsbald zur
Rochade und hat ein ausgezeichnetes Spiel; denn, während Weiß nach Verlust der Rochade vollständig auf' die Verteidigung angewiesen ist, werden sich dem Nachziehenden im Laufe des Spieles
günstige
Gelegenheiten zur Aus-
nutzung der in seiner Stellung liegenden Angriffschancen darbieten. Nachdem wir gesehen haben, wie sich das Spiel bei der Fortsetzung 6 . S g l — 6 2
gestaltet,
wollen wir noch
12
Erster Teil.
einige andere an dieser Stelle dem Anziehenden zu Gebote stellende Portsetzungen betrachten. Stellung nach dem 5. Zuge.
Wenn Weiß 6 . d 2 — d 3 spielt, so ist, wie der Verfasser in der Deutschen Schachzeitung 1889 S. 289 ff. ausgeführt hat, zunächst 6 S e 4 — c 3 : 7. b 2 — c 3 : , d5—d4! 8. L e i — b 2 , c 7 — c 5 ! die Folge, wobei Schwarz gut steht, denn 9. e5—e6 scheitert, wie das Handbuch S. 5 9 4 , § 3, Nr. 1 8 , Anm. 22 bemerkt, an 9 , Dd8—b6. Ebensowenig ist 6 . e 5 — f 6 : (e. p.) für Weiß zu empfehlen, denn es folgt 6 , S e 4 — f 6 : 7. d2—d4, Lf8—e7 8. L f l — d 3 , 0 — 0 9 . S g l — e 2 , S f 6 — e 4 10.Df3—h5, Tf8—f5 und gewinnt. Auf 6. d 2 — d 4 entwickelt sich Schwarz mit 6. .-..., L f 8 — b 4 recht günstig. Die weitere Folge dürfte dann etwa sein: 7. a 2 — a 3 , L b 4 — c 3 8 . b 2 — c 3 : c7—c5 9. L f l — b 5 f , Sb8—c6 10. S g l — e 2 , Dd8—a5! 11. L b 5 — b 7 — c6: 1 2 . 0 — 0 , 0 — 0 und Schwarz droht durch La6 und Abtausch den Bauern c3 zu erobern
Erste Verteidigung.
Erster Angriff.
13
(H.), 1 oder 7. L f l — e 2 , 0 — 0 8. S g l — h 3 c7—c5 9. d4—c5: (9. De3, cd 10. Dd4:, Sc6) d 5 — d 4 10. a2— a3, Dd8—a5 zum Vorteil des Nachziehenden. Schließlich mag noch der Zug 6 . S g l — h 3 Erwähnung finden. Schwarz beantwortet denselben am besten mit demselben Zuge, den wir gegen 6. S g l — e 2 empfehlen, mit 6 , Sb8—c6. Weiß hat dann, um den angegriffenen e-Bauern zu schützen, nichts anderes als 7. L f l — b 5 , worauf 7 D d 8 — h 4 f die Rochade von Weiß verdirbt und dem Nachziehenden ein gutes Spiel verschafft. 2.
(Vergl. 1. Seite 10.) 5 Se4—c3: Den Abtausch halten wir f ü r nicht so gut wie 5 f7—f5. 6. d 2 — c 3 : Mit 6. b 2 — c 3 : , Lf8—e7 7. d 2 — d 4 , 0 — 0 völliger Ausgleich der Spiele ein. 6 Lf8—e7 7. L f l — d 3 0—0 8. D f 3 — h 5 Dies dürfte noch stärker als 8. S g l — e 2 sein. 8 9. 10.
,
tritt
g7—g6 Dh5—h6 f7—f5 S g l — f 3 mit ausgezeichnetem Spiel. b.
( Vergl. a. Seite 9.) 5. 1
Ddl—e2
H. = Handbuch (P. E. v. Bilguer's Handbuch des Schachspieles 7. Aufl.).
14
Erster Teil.
Dieser Zug ist auch nicht zu empfehlen, da er dem weißen Königsläufer die Aussicht versperrt. 5. .... Sb8—c6! Falls 5 D d 8 — h 4 f , so 6. g2—g3, Se4—g3: 7. De2—f2, Sg3—f5 8. Df2—h4: nebst 9. Sc3—d5: u.s.w. 6. S g l — f3 Unvorteilhaft ist 6. Sc3—e4: wegen 6 ScG—