Die Westpolitik der SED 1948/49–1961: "Arbeit nach Westdeutschland" durch die Nationale Front, das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit [Reprint 2017 ed.] 9783050077413, 9783050034461


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German Pages 400 Year 1999

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Inhalt
I. Einleitung
II. Beginn und Aufbau der Westarbeit 1948 bis Ende 1950
III. Auf der Suche nach dem deutschdeutschen Gespräch. Optionen in der „gesamtdeutschen Arbeit“ bis Ende 1953
IV. Gesamtdeutsche Rhetorik - teilstaatliche Handlungsorientierung. Nationale Politik bis zum Konföderationsvorschlag der DDR 1957
V. Arbeit nach Westdeutschland als Politik zur Anerkennung der DDR 1958 bis 1961
VI. Resümee
VII. Organigramme
VIII. Quellen und Literatur
IX. Abkürzungen
X. Personenregister
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Die Westpolitik der SED 1948/49–1961: "Arbeit nach Westdeutschland" durch die Nationale Front, das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit [Reprint 2017 ed.]
 9783050077413, 9783050034461

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Heike Amos Die Westpolitik der SED 1948/49-1961

Heike Amos

Die Westpolitik der SED 1948/49-1961 , Arbeit nach Westdeutschland" durch die Nationale Front, das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit

Akademie Verlag

Die vorliegende Untersuchung wurde im Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer durchgeführt.

Abbildung auf dem Einband: Kundgebung der Nationalen Front im Rahmen der „Deutsche-an-einen-Tisch-Bewegung" in Ost-Berlin am 20. September 1951. Blick auf die Kundgebungsteilnehmer. Signatur: Bundesarchiv, Bild 183/11948/2

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Arnos Heike: Die Westpolitik der SED 1948/49 - 1961 : „Arbeit nach Westdeutschland" durch die Nationale Front, das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit / Heike Arnos. - Berlin : Akad. Verl., 1999

ISBN 3-05-003446-7 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 1999 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der R. Oldenbourg-Gruppe. Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN / ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: Günter Schorcht, Schildow Druck: GAM MEDIA, Berlin Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza

Printed in the Federal Republic of Germany

Inhalt

I.

Einleitung

II.

Beginn und Aufbau der Westarbeit 1948 bis Ende 1950 1. Von der Volkskongreßbewegung zur Nationalen Front 1948/49 A. Eine nationale Bewegung von „unten" B. Nationale Front - „was soll das sein?" 2. Personeller und organisatorischer Aufbau des Westapparates A. Zentraler Parteiapparat der SED und Anfange des Geheimdienstes B. Deutscher Volksrat und Nationale Front C. Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) 3. „Gesamtdeutsche" Aufgabenorientierung und ihre Umsetzung 1949/50 A. Anlaufschwierigkeiten in Ost und West B. Propagandaflut und Instrukteur-Einsätze C. Die „Grotewohl-Initiative" vom 30. November 1950

III.

Auf der Suche nach dem deutsch-deutschen Gespräch. Optionen in der „gesamtdeutschen Arbeit" bis Ende 1953 1. Randnotizen in der nationalen Politik A. Nauheimer Kreis B. Ein Zusammengehen mit „rechten Kreisen"? 2. SED-Gesprächsangebote auf Spitzenebene 1951 und 1952 3. Jeder „Adenauer-Gegner" ein Partner in der Westarbeit? A. Carl Severing (SPD) B. Joseph Wirth und der Bund der Deutschen (BdD) C. Gustav Heinemann und die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP) 4. Alltagsarbeit der Nationalen Front 5. Dauerkrise in der Westarbeit: Versuche der Gegensteuerung durch das Politbüro A. Organisations,,wirrwarr" B. Die Spitzen der Blockparteien im Visier C. Der 17. Juni 1953 - und seine Folgen

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6

Inhalt 6.

IV.

V.

VI. VII.

Die „bürgerlichen" Minister Hamann und Dertinger als Kontaktpersonen nach Westdeutschland? A. Karl Hamann B. Georg Dertinger 7. „Fragen der deutschen Wiedervereinigung" als Aufgabenfeld im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Gesamtdeutsche Rhetorik - teilstaatliche Handlungsorientierung. Nationale Politik bis zum Konföderationsvorschlag der DDR 1957 1. Deutschlandpolitische Großereignisse A. Berliner Außenminister- (1954) und Genfer Gipfelkonferenz (1955) B. Adenauers Moskaureise (1955) 2. SED-Westarbeit mit den Blockparteien. Hineinwirken in die SPD und in die „bürgerlichen" Parteien der Bundesrepublik A. DDR-Blockparteien und Massenorganisationen B. Sozialdemokratische Partei a) Die Parteispitze - Herbert Wehner b) Informationsfluß nach Ost-Berlin und SPD-Ostbüro C. „Bürgerliche" Parteien: CDU und FDP a) „Deutscher Klub 1954" b) Die Professoren Hagemann und Wegner c) CDU- und FDP-Ostbüro, Exil-CDU 3. Nationales Wirken auf eingefahrenen Bahnen: Ausschuß für Deutsche Einheit und Nationale Front 4. Konföderationsvorschlag 1957 Arbeit nach Westdeutschland als Politik zur Anerkennung der DDR 1958-1961 1. Die Diskussion um die Rechtsnachfolge des Reiches 2. Kommission für gesamtdeutsche Arbeit beim SED-Politbüro 3. Neue Chancen bei der SPD - Deutschlandplan und Godesberg 4. Deutsch-deutsches Treffen in Genf (Sommer 1959) und in Marburg (Januar 1961) 5. Nach dem Bau der Mauer Resümee Organigramme: SED-gesteuerter Westapparat in der DDR Ende 1949 SED-gesteuerter Westapparat in der DDR 1953/1954 SED-gesteuerter Westapparat in der DDR 1956 SED-gesteuerter Westapparat in der DDR 1959/1960

VIII. Quellen und Literatur IX. Abkürzungen X. Personenregister

145 147 159 173 188 188 188 196 206 206 215 215 226 233 234 242 249 258 268 276 276 289 297 313 326 336 351 351 352 353 354 355 387 393

I. Einleitung

Die deutsche Teilung war ein Ergebnis der schon wenige Monate nach Kriegsende offen zutage tretenden Differenzen der Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges. Das begrenzte Einvernehmen zwischen den USA, Großbritannien und Frankreich einerseits sowie der Sowjetunion andererseits über die Behandlung" Deutschlands nach der von ihnen geforderten bedingungslosen Kapitulation ging rasch verloren. Die Einigkeit zerbrach am grundlegend unterschiedlichen Verständnis von Demokratisierung und Entnazifizierung der Deutschen. Auch konnte keine Einigung zwischen den Siegermächten über die Höhe und die Aufteilung der zu zahlenden Reparationen erzielt werden. Die östliche wie die westliche Seite behielten die im Mai 1945 gewonnenen Positionen bei, um zu verhindern, daß das ganze Deutschland der jeweils anderen Konfliktpartei zufiel. Vorstellungen und Interessen der Besiegten waren wenig gefragt, die deutsche Beteiligung am Spaltungsprozeß marginal, da die effektive politische Gewalt in den Händen der jeweiligen Besatzungsmacht lag. Das Problem der nationalen Einheit, vor das sich die Deutschen nach 1945 gestellt sahen, war durch den von ihnen verschuldeten Krieg und die Niederlage bedingt. Der Erhalt der nationalen Einheit und, in Perspektive, die Wiedergewinnung der staatlichen Souveränität machten zunächst das nationale Problem aus. Für die Führungsspitze der deutschen Kommunisten, insbesondere für die aus der Moskauer Emigration zurückkehrenden Parteifunktionäre, war die nationale Politik nicht Selbstzweck, sondern wurde Mittel zu einem „höheren" Zweck, der Schaffung eines neuen Deutschlands, einer „deutschen demokratischen Republik". Die Politik der deutschen Kommunisten lief in die Richtung, ihre Macht auszubauen, um letztlich das sowjetisch-stalinistische Sozialismusmodell auf ganz Deutschland zu übertragen. Das Maximalziel der westlichen Alliierten und der Sowjetunion bestand bald nach dem Ende des Krieges darin, ganz Deutschland in den jeweiligen Machtblock einzubeziehen sowie dessen sozioökonomisches und politisches System an die eigenen Wertund Ordnungsvorstellungen anzugleichen. Doch diese Pläne konnte keine der Besatzungsmächte realisieren. Die Sowjetunion mußte sich - ebenso wie die USA, Großbritannien und Frankreich - damit begnügen, ihre politischen und ökonomischen Vorstellungen auf den von ihr okkupierten Teil Deutschlands zu übertragen. So restaurierte man in den drei Westzonen Deutschlands nach 1945 das kapitalistische Wirtschaftssystem weitgehend, führte eine parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat ein. Diese Entwicklung legitimierte die westdeutsche Bevölkerung in freien Wahlen. Der

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Einleitung

Sowjetischen Besatzungszone hingegen wurden die zentralgesteuerte Staatswirtschaft und das politische Regime der stalinistischen Diktatur aufgezwungen. Die ostdeutsche Bevölkerung blieb weitgehend ohne freie Entscheidungsmöglichkeit.1 Die „nationale Politik" der ostdeutschen kommunistischen Führungselite, das heißt sowohl ihre Einstellung zu Fragen der staatlichen Einheit Deutschlands als auch ihre Handlungen, ist Untersuchungsgegenstand der nachfolgenden Studie. Dabei spielt zum einen die Zielsetzung der SED-Führung eine große Rolle: Welche konkreten Absichten standen hinter ihrer Westpolitik? Gab es Veränderungen in dieser Zielsetzung im Untersuchungszeitraum, wer bewirkte sie und wann fanden sie statt? Nachgegangen wird zum anderen der tatsächlichen Bündnispolitik der SED. Es interessieren sowohl ihre Überlegungen, mit welchen politischen Kräften in Ost und in West kooperiert werden sollte als auch die Frage, ob die propagierte Kooperation letztlich nur ein „Benutzen" der nicht-kommunistischen politischen Kräfte war. Wie lange und gegebenenfalls welche Gruppen/Personen in der SED-Führung nahmen die staatliche Einheit noch als realistische Option wahr? Galt dieses Ziel auch für ein nicht-sozialistisches Deutschland ohne politischen Führungsanspruch der Kommunisten? Alle Optionen in der nationalen Politik der SED sind nicht aus sich allein heraus zu verstehen. In entscheidendem Maße waren sie durch politische Rahmenbedingungen vorgegeben und begründet. Dabei war die sowjetische Deutschlandpolitik, die allerdings keine konstante Größe darstellte, die wichtigste Rahmenbedingung. Die Westpolitik der SED war in hohem Maße durch die sowjetische Seite fremdbestimmt. Andere Rahmenbedingungen wie die Folgen des Ausgangs des Krieges (Gebietsabtrennungen), die Beziehungen zwischen den Siegermächten, das militärische Kräfteverhältnis zwischen ihnen, die unterschiedliche Entwicklung in den vier Besatzungszonen und das wesentlich attraktivere Modell der ökonomischen und politischen Entwicklung im Westen Deutschlands waren im Vergleich zu den sowjetischen Vorgaben von untergeordneterer Bedeutung. Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden Prämissen untersucht die vorliegende Studie die Westarbeit der SED.2 Auch wenn die deutschlandpolitischen Zielsetzungen der sowjetischen Führung Rahmen und Grenzen aufzeigten, wird davon ausgegangen, daß die SED-Führung bei der Ausarbeitung und Realisierung ihrer Westpolitik in begrenztem Maße konzeptionelle Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten besaß. Diese Handlungsspielräume scheinen in den Zeiträumen einer relativen Stabilität der SED-Herrschaft im Osten Deutschlands (1951-1952 und ab 1957-1959) größer gewesen zu sein als in den Phasen einer angespannten innenpolitischen Situation in der DDR (1953, 1956 und 1961).3 Unter SED-Westarbeit soll die gesamte operative Umsetzung der west- und deutschlandpolitischen Ziele der SED-Führung zunächst in den westlichen Besatzungs1 2 3

Vgl. Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland, S. 1; Hermann Weber, Die DDR 19451990, S. 21 f. Vgl. Wolfgang Pfeifer, S. 1967 ff.; Michael Lemke, Die Sowjetisierung der SBZ/DDR im ostwestlichen Spannungsfeld, S. 41 ff. Vgl. Michael Lemke, Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung, S. 181 f.

Einleitung

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zonen, dann in der Bundesrepublik Deutschland verstanden werden. Der Begriff „Deutschlandpolitik" war ein originär westlicher Terminus, der von der SED kaum bzw. nur in einigen offiziellen Dokumenten in den fünfziger Jahren verwendet wurde. Die SED/DDR selbst bezeichnete dieses Politikfeld als „Westarbeit", „gesamtdeutsche Arbeit"4 oder „Arbeit nach Westdeutschland". Die Westarbeit umfaßte die allgemeine Propaganda der SED in der Bundesrepublik und in West-Berlin. Mit ihr unternahm die SED den Versuch, gezielt auf die öffentliche Meinung, auf Parteien und Organisationen der Bundesrepublik sowie auf westdeutsche Politiker, Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre, auf Journalisten und Wissenschaftler und auf andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in ihrem Sinne Einfluß zu nehmen. Die SED schuf sich einen umfangreichen und zentralisierten Apparat für diese Westarbeit. Die Entscheidungsgewalt und die Hauptverantwortung dafür lag immer beim SED-Politbüro. Vom SED-Apparat gesteuert und in die Westarbeit einbezogen waren die DDR-Massenorganisationen, die Ministerien (insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit) sowie andere staatliche Institutionen und alle Blockparteien. Die vorliegende Studie konzentriert sich auf die Westpolitik des zentralen SEDApparates - des Politbüros, des Sekretariats und der speziellen Westkommission des Politbüros bzw. der Westabteilung im Apparat des Zentralkomitees.5 Weitgehend ausgespart bleibt dabei das „KPD-Arbeitsbüro". Die Einflußnahme der SED auf die KPD und ihre Wirkung in der Gesellschaft der Bundesrepublik sind ebenfalls nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Eine weiterer Schwerpunkt liegt auf der Erforschung der Westarbeit der „Nationalen Front des demokratischen Deutschland" und des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA). Beide, die Nationale Front, die 1949 als gesamtdeutsche Bewegung zur „Rettung der deutschen Nation" proklamiert wurde, und das DDR-Außenministerium entwickelten sich zum reinen Sprachrohr der SED-Westpolitik. Eigenständige Entscheidungen und Aktivitäten für die Westarbeit standen ihnen nicht zu. Die geheimdienstliche Tätigkeit im Westen Deutschlands sowie die intensive Überwachung deutsch-deutscher Kontakte galten als eine Hauptaufgabe des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die Westarbeit des MfS bildet damit einen weiteren Forschungsschwerpunkt der Studie. Das Staatssicherheitsministerium war fest in die SEDMachtstrukturen eingebunden, wenngleich der Geheimdienst in der Westarbeit eine gewisse Eigenständigkeit besaß. Die Erforschung der Westpolitik des zentralen SED-Apparates, der Nationalen Front und des Außenministeriums erforderte es, neben den inhaltlichen auch die personellen und strukturellen Aspekte mit einzubeziehen. Hingegen konnte die Westarbeit des Staatssicherheitsministeriums nur im Hinblick auf die inhaltliche Seite, d.h. auf konkrete Aktionen in und nach Westdeutschland, untersucht werden. Die Strukturen und 4 5

Der Begriff „gesamtdeutsche Arbeit" verschwand seit Mitte der fünfziger Jahre mit der Verkündung der Zwei-Staaten-Theorie mehr und mehr aus dem DDR-Sprachgebrauch. Die Westpolitik des SED-Westapparates wurde ausschließlich auf der zentralen Ebene untersucht. Die Arbeit der SED-Westabteilungen auf Länder-, dann auf Bezirks- und Kreisebene konnte nicht berücksichtigt werden.

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Einleitung

die personelle Besetzung der Abteilungen des MfS für die Arbeit in Westdeutschland blieben ausgespart. Das lag in erster Linie an der begrenzten Zugänglichkeit zu Quellen über den Westapparat des MfS. Die Darstellung des Themas folgt dem chronologischen Ablauf des historischen Geschehens. Neben der Einleitung und dem Resümee gliedert sich die Arbeit in vier umfangreiche Kapitel. Der Schwerpunkt der Erörterung der SED-Westpolitik liegt auf den Zeiträumen 1950 bis 1953 (Kapitel III) und 1954 bis 1957 (Kapitel IV). Die Zäsuren für die Kapitelgliederung bilden einschneidende Ereignisse und/oder Maßnahmen der Westarbeit, die z.T. mit deutschlandpolitischen bzw. für die DDR-Geschichte bestimmenden Entwicklungen zusammenfallen. In den einzelnen Kapiteln wird jeweils versucht, die gesamte Breite der SED-Westarbeit - von zentralen Aktivitäten der SEDSpitze über Einzelaktionen des Staatssicherheits- und Außenministeriums bis hin zu massenaktivierenden Propagandamaßnahmen der Nationalen Front - darzustellen. Desiderat der historischen Forschung zur Westpolitik der DDR im Untersuchungszeitraum bleiben detaillierte Untersuchungen zur Westarbeit aller BlockparteienCDU, LDPD, NDPD, DBD - und der Massenorganisationen sowie zum Wirken der Westabteilungen anderer Institutionen (z. B. des VdgB oder des Deutschen Friedenskomitees) und der Ministerien (z. B. Ministerium für Innerdeutschen und Außenhandel). Fast alle bisherigen Arbeiten zur Westarbeit beziehen sich auf die zentrale Ebene; das Wirken der Westabteilungen von Parteien und Organisationen auf Länder-, dann Bezirks- und Kreisebene ist noch nicht Gegenstand der Forschung gewesen. Studien über das Agieren und Reagieren auf SED-Aktionen von seiten der Bundesrepublik, z. B. durch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen oder die Ostabteilung des Auswärtigen Amtes, fehlen weitgehend. Diese Arbeit zur SED-gesteuerten Westpolitik im Zeitraum von der Gründung der DDR 1949 bis zum Bau der Berliner Mauer 1961 beruht zum großen Teil auf der Auswertung ungedruckter Quellen. Zu nennen sind an erster Stelle die Akten und Unterlagen des ehemaligen SED-Parteiarchivs, die heute von der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BA), Berlin, verwaltet werden. Besonders ergiebig für Erkenntnisse zur SED-Westarbeit waren aus diesem Archiv die Bestände von Politbüro und Sekretariat des ZK der SED, die Bestände „Arbeitsbüro Walter Ulbricht" und ,Arbeitsbüro Albert Norden", der Bestand der ZKWestabteilung und Westkommission der SED, die Nachlässe von Walter Ulbricht und Otto Grotewohl sowie der Bestand der Westabteilung des Nationalrats der Nationalen Front.6 Umfangreiches Quellenmaterial zum Thema wurde im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, Außenstelle Berlin, Bestand Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, gesichtet. Ausgewertet wurden - soweit vorhanden und zugänglich - Personalund Strukturunterlagen des DDR-Außenministeriums, die Bestände der jeweiligen Ministerbüros bzw. der Büros des Staatssekretärs und des Stellvertretenden Ministers, der gesamte Bestand der Protokolle und Unterlagen der wöchentlichen Leitungs- und Kol6

Die verwendeten Archivunterlagen befindet sich im Quellen- und Literaturverzeichnis der vorliegenden Studie.

Einleitung

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legiumssitzungen des MfÄA von 1949 bis 1961 sowie die Sachakten, die im Aktentitel die Begriffe „Wiedervereinigung", „Deutsche Frage" bzw. „Spaltung Deutschlands und Friedensvertrag" auswiesen. Aus dem Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU; „Gauck-Behörde"), Berlin, wurden überwiegend MfS-Unterlagen der Kategorie „Sachakten mit operativem Charakter" (Akten zu Einzelvorgängen) und „Personenbezogene Operativ- und Untersuchungsvorgänge" eingesehen. Letztere Unterlagen enthielten neben den Ermittlungsakten des Untersuchungsvorgangs der Staatssicherheit auch die entsprechenden Justizunterlagen, d.h. Anklageschriften, andere Dokumente der Staatsanwaltschaft, Gerichtsprotokolle und Strafiirteile.8 Quellenpublikationen zur SED-Westarbeit gibt es bisher kaum. Für die Westpolitik der SED der fünfziger Jahre wären die von Rolf Badstübner und Wilfried Loth herausgegebene Dokumentation „Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953" u n d - m i t qualitativen Abstrichen - die Dokumentation von Michael Hermes und Karla Popp „Westarbeit der FDJ 1946-1989" zu nennen. Hilfreich und ergiebig für die Erarbeitung der Thematik waren aus dem Bereich der wissenschaftlichen Literatur die verschiedenen Arbeiten von Michael Lemke, die Artikel und Monographien von Michael Kubina und Jochen Staadt sowie eine Reihe von Publikationen der Abteilung Bildung und Forschung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Die Studie wurde im Zeitraum von Mai 1996 bis Oktober 1998 am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer angefertigt. Für die aufgeschlossene Atmosphäre und die stetige Unterstützung gilt mein Dank allen Kolleginnen und Kollegen des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung, der Hochschule für Verwaltungswissenschaften und vor allem der Hochschulbibliothek in Speyer. Für die computertechnische Unterstützung danke ich Frau Wera Veith-Joncic. Zu Dank verpflichtet bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Archive und Bibliotheken in Berlin, die stets sehr hilfsbereit bei der Beschaffung von Unterlagen und Kopien für meine Arbeit waren. Bedanken möchte ich mich insbesondere bei Frau Christiane Rothärmel, „meiner Sachbearbeiterin" für die Unterlagen aus dem Archiv der Gauck-Behörde. 7

8

Für den Zugang zu den Unterlagen des DDR-Außenministeriums ergibt sich die Schwierigkeit, daß keine Findbücher oder Findkarteien, sondern „nur" Aktenpläne mit Haupt- und Ländergruppenverzeichnissen existieren. Nicht berücksichtigt wurden z. B. die Botschafterberichte, die für den Zeitraum ab Beginn der sechziger Jahre unverzichtbar für die Erforschung der SED-Westarbeit sein dürften. Auch für das Archiv des BStU gilt, daß dem Wissenschaftler keine Findhilfsmittel zur Verfügung stehen. Nach einer mindestens einjährigen Antragsfrist zur Einsicht von Unterlagen des ehemaligen MfS zu einem konkreten Thema muß sich der Benutzer auf die von einem Sachbearbeiter zusammengestellten und -gesuchten archivalischen Quellen verlassen.

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Einleitung

Für die genaue und kritische Durchsicht meines gesamten Manuskripts möchte ich Frau Dr. Kornelia Lobmeier, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig des Hauses der Geschichte, meinen Dank aussprechen. Ganz besonderer Dank gilt Herrn Universitätsprofessor Dr. Rudolf Morsey, meinem wissenschaftlichen Betreuer am Forschungsinstitut, der mit vielen Anregungen, Gesprächen und einer Durchsicht des Manuskripts die Entstehung und Fertigstellung dieser Studie begleitet hat. Speyer, im Dezember 1998

Heike Amos

II. Beginn und Aufbau der Westarbeit 1948 bis Ende 1950

1. Von der Volkskongreßbewegung zur Nationalen Front 1948/1949 A. Eine nationale Bewegung von „unten" Seit 1945 hatte es immer wieder Initiativen zur Bildung gesamtdeutscher Gremien gegeben. Sie waren zunächst von den Liberaldemokraten (LDP) in Berlin ausgegangen, die den vier Alliierten bereits 1945 vorschlugen, einen deutschen „Generalbevollmächtigten" als Verbindungsmann zwischen den in Potsdam verabredeten (und dann auf französischen Widerspruch nicht zustandegekommenen) deutschen Zentralverwaltungen einzusetzen oder eine „Kontrollkommission der Parteien" zu installieren. 1946 trat die LDP für einen „Deutschen Zonenrat" ein, und ein Jahr später votierte sie für die Bildung eines Ausschusses, bestehend aus den Führern aller deutschen Parteien, der als Sachverständigen-Gremium den Außenministern der Vier Mächte auf der Moskauer Konferenz (März/April 1947) zur Verfugung stehen sollte.1 Eine „Nationale Repräsentation" aus Vertretern aller deutschen Länderparlamente, die die gesamtdeutschen Interessen gegenüber den Besatzungsmächten vertreten sollte2, war ein Plan der Ost-CDU. Er scheiterte am Veto Frankreichs im Alliierten Kontrollrat und an der Weigerung der SPD, mit der zwangsweise vereinigten SED und der Nichtwiederzulassung der SPD in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zusammenzuarbeiten.3 Die Liberalen und Christdemokraten in den Westzonen hatten diese Anregungen zur Schaffung gesamtdeutscher Gremien stets begrüßt; die CDU der drei westlichen Zonen und die der Ostzone - seit Februar 1947 mit der CSU zonenübergreifend in der Arbeitsgemeinschaft CDU/CSU zusammengefaßt4 - war, seit Januar bzw. März 1947, besonders für die Idee der „Nationalen Repräsentation" eingetreten.5 1 2 3 4 5

Vgl. Dietrich Staritz, S. 18. Vgl. Michael Richter, Die Ost-CDU 1948-1952, S. 34, 45, 61 ff. Vgl. Otmar Jung, S. 189 f.; Michael Richter, Entstehung und Transformation des Parteiensystems in der SBZ und Berlin 1945-1950, S. 2536 ff. Die CDU-Ost gehörte nur bis August 1947 der Arbeitsgemeinschaft CDU/CSU an. Vgl. Werner Conze, S. 123 f., 133-149.

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Beginn und Aufbau der Westarbeit 1948 bis Ende 1950

Andere Initiativen wie die Konferenz der Ministerpräsidenten in München (5. bis 8. Juni 1947) oder die Interzonenkonferenzen der Gewerkschaften6 (z. B. die Interzonenkonferenz im Mai 1947 in Garmisch-Partenkirchen) zeigten die Schwierigkeiten deutscher Delegationen aus den vier Besatzungszonen, gemeinsame deutsche Interessen zu formulieren. Keiner der von ihnen entwickelten Pläne konnte realisiert werden. Doch in allen Diskussionen war deutlich geworden, daß die Einheit Deutschlands für alle Parteien in Ost und West ein Thema von hohem Rang war. Die Schaffung der Bizone (Januar 1947), die Verkündung der Truman-Doktrin (März 1947) und die geplante Einbeziehung der Westzonen in den Marshallplan (Sommer 1947) einerseits sowie die Durchführung der Bodenreform bzw. des Volksentscheids in Sachsen (September 1945/Juni 1946), die Gründung der SED (April 1946) und die Schaffung der Deutschen Wirtschaftskommission in der SBZ (Juni 1947) andererseits verdeutlichten die Tendenz zur separaten Entwicklung in den Westzonen und in der Ostzone. Begleitet wurde dies durch die Kompromißunfähigkeit der Sowjetunion und der USA auf den Außenministerkonferenzen und im Alliierten Kontrollrat in Berlin.7 Die Londoner Außenministerkonferenz im November/Dezember 1947 erschien in dieser Situation als eine entscheidende Station für die immer geringer werdende Chance einer gesamtdeutschen Lösung. Zwei Wochen vor Konferenzbeginn, am 12./13. November 1947, trat der Parteivorstand der SED in Berlin zusammen und zog eine negative Bilanz über die bisherigen Versuche zur Bildung einer nationalen Repräsentation. Im „Manifest an das deutsche Volk zur Londoner Konferenz" vom 13. November 19478 hielt der SED-Parteivorstand seine deutschlandpolitischen Vorstellungen fest: Grundbedingung für den friedlichen Aufbau eines demokratischen Deutschland sollte die Entnazifizierung des öffentlichen Lebens und die Enteignung der Großgrundbesitzer und Monopolisten gleich dem Vorbild der Entwicklung in der SBZ sein. Hinzu kam die strikte Ablehnung des Marshallplans. Aber die SED-Prinzipien hatten sich als nicht kompromißfahig erwiesen. Die immer wieder bekundete Bereitschaft der SED-Spitzenfunktionäre, mit den anderen Parteien in Ost und West zur Bildung einer nationalen Repräsentation zusammenzukommen, erwies sich angesichts der einseitigen Orientierung des Manifests an der Entwicklung in der SBZ als eine rhetorische Pflichtübung.9 Nachdem die Versuche gescheitert waren, auf die eine oder andere Weise über Vertreter der Länderparlamente bzw. der Parteien, sozusagen „von oben", eine gesamtdeutsche Verständigung zustandezubringen, unternahm die SED den Versuch, mittels einer „Massenmobilisierung" in Ost und West, also einer „Volksbewegung von unten", die Einheit Deutschlands zu erzwingen. Die SED-Führung begann die Unterstützung breiter 6 7 8 9

Vgl. Albert Behrendt, passim; Werner Petschick, S. 74-88. Vgl. Manfred Koch, S. 349. Vgl. das Manifest in: Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd. 1, S. 241243. Vgl. Pressemitteilung des SED-ZS am 16. Oktober 1947: in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2.1/140/B1. 3; Rolf Badstübner, Die sowjetische Deutschlandpolitik im Lichte neuer Quellen, S. 123.

Von der Volkskongreßbewegung zur Nationalen Front 1948/49

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Bevölkerungskreise für ihre nationalen Ziele zu suchen.10 Ihr kam es vor allem darauf an, neben den Parteien auch die Massenorganisationen der SBZ für die Unterstützung ihrer deutschlandpolitischen Vorstellungen zu gewinnen. In ihrem Einflußbereich war sie beim DFD, bei der FDJ, beim FDGB, dem Kulturbund und der VdgB erfolgreich. Aber auch konzentrierte Propagandaaktionen in den Betrieben und auf öffentlichen Versammlungen erzielten einen gewissen Erfolg. Die generalstabsmäßig geplante Aktion eines „Volksentscheids", „daß der Wille nach deutscher Einheit eine Forderung des ganzen deutschen Volkes ist", brachte Mitte November 1947 ein Ergebnis von 93,8 Prozent an Zustimmung.11 Da die Ost-CDU unter Jakob Kaiser mit dem Blick auf die ablehnende Haltung der CDU in den Westzonen die Beteiligung an der Volkskongreßbewegung als einer auf Gesamtdeutschland zielenden Initiative ablehnte, rief die SED allein (und nicht, wie vordem geplant, als Aufruf des „antifaschistisch-demokratischen Blocks"12) am 24. November 1947 zur Einberufung eines gesamtdeutschen Volkskongresses am 6./7. Dezember 1947 unter der Losung „Für einen gerechten Frieden" auf. Einladungen dazu sollten an alle Parteien, Massenorganisationen, Betriebe und an Einzelpersönlichkeiten in ganz Deutschland gerichtet werden.13 Das von der SED favorisierte Organisationskonzept des Volkskongresses, zur Mobilisierung des ganzen Volkes auch die Massenorganisationen einzubeziehen, wurde zunächst von der CDU-Ost und teilweise von der LDP abgelehnt. Dem Volkskongreß fehlte die breite Zustimmung in der SBZ. Der SED-Alleingang führte zu einer Krise in der Zusammenarbeit mit den anderen Blockparteien. In den westlichen Besatzungszonen stieß die Bewegung größtenteils auf Ablehnung.14 In Niedersachsen, in Vegesack bei Bremen, tagte am 17. und 18. Januar 1948 einer der wenigen Landes-Volkskongresse in den Westzonen. Otto Grotewohl (SED) und Otto Nuschke (CDU) traten dort als Referenten auf. Das SED-Zentralsekretariat bewerteten den Kongreß als vollen politischen Erfolg.15 Weitere geplante Volkskongresse in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Hessen-Frankfurt, Bayern und Rheinland-Pfalz wurden von der britischen bzw. der amerikanischen Militärregierung verboten. Dessen ungeachtet setzte die SED ihre Bemühungen um die Volkskongreß10 11 12

13 14 15

Vgl. Klaus Bender, S. 96 ff. Vgl. ebenda, S. 99-106. Die vier Parteien der SBZ (KPD, SPD, CDU, LDP) schlössen sich im Juli 1945 zur „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien" (sog. Antifa-Block) zusammen, um eine gemeinsame Politik der Entnazifizierung, der Demokratisierung, des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Deutschlands usw. durchzusetzen. Beschlüsse des Blocks konnten gemäß der Geschäftsordnung nur einstimmig gefaßt werden. Da die CDU ihre Zustimmung zum Aufruf einer Volkskongreßbewegung verweigerte, konnte der Aufruf nicht durch den Block, für die Öffentlichkeit eine politisch wirksamere Form, erfolgen. Die SED war gezwungen, alleine zum Volkskongreß aufzurufen. Vgl. Dietrich Staritz, S. 19. Vgl. Beschlußprotokoll ZS-Sitzung vom 24. November 1947; in SAPMO-BA DY 30 IV 2/2. 1/147. Vgl. Manfred Koch, S. 350; Otmar Jung, S. 201 f. Vgl. Bericht des ZS an den PV vom 11. Februar 1948, in: SAPMO-BA N Y 4036/656/B1. 33.

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Beginn und Aufbau der Westarbeit 1948 bis Ende 1950

bewegung fort. In den Ländern der SBZ fanden zwischen dem 1. und 2. Volkskongreß Landesvolkskongresse statt.16 Trotz der vielfältigen Initiativen von seiten der SED erreichte der 1. Deutsche Volkskongreß vom 6./7. Dezember 1947 in Berlin sein Hauptziel, für die Erhaltung der Einheit Deutschlands an der Seite der Sowjetunion zu wirken, nicht. Die politische Isolation der SED konnte nicht aufgebrochen werden. Obwohl der Fehlschlag offensichtlich war, dachte man in Ost-Berlin nicht daran, die Volkskongreßbewegung auslaufen zu lassen, sondern organisierte nach gleichem Modus den 2. Deutschen Volkskongreß am 17./18. März 1948 - bewußt an die deutsche Tradition vom März 1848 anknüpfend.17 Neben den bekannten Forderungen nach der Bildung gesamtdeutscher Zentralverwaltungen in Berlin, der „Übergabe der deutschen Wirtschaft an die Organe des deutschen Volkes", der Bodenreform auch in den Westzonen, der Auflösung des Wirtschaftsrates der Bizone usw. bestimmte der 2. Deutsche Volkskongreß einen „Deutschen Volksrat" aus 400 Abgeordneten. Er erhielt den Auftrag, ein Volksbegehren zur Durchführung einer Volksabstimmung über die Einheit Deutschlands abzuhalten. Das brachte in der Zeit vom 23. Mai bis 13. Juni 1948 zwar 13 Millionen Stimmen Zustimmung, davon 1 Million aus der britischen Zone - in den anderen beiden westlichen Zonen wurde das Volksbegehren verboten. Es blieb aber wirkungslos, da es im Juni 1948 keine alliierte Behörde mehr gab, die eine Volksbefragung für Deutschland hätte anordnen können. Der Alliierte Kontrollrat in Berlin hatte bereits im März 1948 mit dem Rückzug der sowjetischen Vertreter seine Arbeit eingestellt. Mit der Wahl des Deutschen Volksrates bekam die Volkskongreßbewegung eine feste Organisationsform, die eine parlamentarische Tradition suggerierte. Der Volksrat wählte ein Präsidium und bildete sieben Ausschüsse. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehörte die Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes für (ganz) Deutschland. Der Beschluß über die Durchführung des Volksbegehrens in allen Zonen war ein letzter Versuch, aus der SBZ heraus noch einmal Einfluß auf ganz Deutschland zu nehmen. Um die Bevölkerung der Ostzone für das geplante Volksbegehren zu organisieren und zu mobilisieren, wurden zwischen dem 1. und 2. Volkskongreß (Dezember 1947 und März 1948) in Betrieben, Wohngebieten, Fabriken, Schulen, Universitäten und kommunalen Verwaltungen ca. 5.000 Landes- und Kreisausschüsse in Form von 16

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So z. B. am 24. Januar in Halle; am 22. Februar 1948 in Berlin; am 1. März in Dresden; am 5. März in Weimar; am 7. März in Potsdam. Vgl. Bericht des ZS an den PV vom 11. Februar 1948, in: SAPMO-BA N Y 4036/656/B1. 34. Noch zehn Tage vor Beginn des 2. Volkskongresses lehnte die SED-Spitze unter W. Pieck einen erneuten Antrag der Ost-CDU, vorgebracht von Otto Nuschkes, ab. Der hatte gefordert, in den Landtagen der Länder aller vier Besatzungszonen Delegierte für eine gesamtdeutsche Vertretung zu wählen. Dieser Vorschlag kam ursprünglich von der Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU in den Westzonen (27. Februar 1948). Pieck begründete die Ablehnung damit, daß er darin ein bloßes politisches Manöver der Westseite sehe, den Plan eines „Deutschen Volkskongreß für die Einheit Deutschlands und einen gerechten Frieden" durchkreuzen zu wollen. Die Ablehnung der SED-Spitze sollte „streng vertraulich" behandelt und nicht öffentlich werden. Vgl. Sitzung des ZS der SED vom 6. März 1948, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/2.1/178/B1.1-3.

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„Volksausschüssen für Einheit und gerechten Frieden" gebildet; ihre Zahl erhöhte sich auf rund 11.000 bis Juni 1948.18 Im Oktober 1948 legte der Verfassungsausschuß des Volksrats seinen Verfassungsentwurf vor, der sich in wesentlichen Punkten an den SED-Entwurf für die Länderverfassungen von Ende 1946 anlehnte. Eine Wiedervereinigung wurde darin nicht explizit erwähnt. Vielmehr erweckte der Entwurf den Eindruck, als ob sich das deutsche Volk in allen Zonen diese Verfassung gegeben hätte.19 So sollten einerseits die nationale Propaganda unterstützt, andererseits aber die institutionellen und legitimatorischen Voraussetzungen für einen ostdeutschen Separatstaat geschaffen werden. Beim Ersten Deutschen Volksrat konstituierten sich im Juli 1948 Arbeitsgemeinschaften20, darunter auch die „Arbeitsgemeinschaft West"21. Erich W. Gniffke, Mitglied des SED-Zentralsekretariats und Vorsitzender des Sekretariats des Deutschen Volksrates, leitete die erste Sitzung der „Arbeitsgemeinschaft West" am 1. Juli 1948. Vor dem Hintergrund des seit dem 1. September 1948 in Bonn tagenden Parlamentarischen Rates („Londoner Empfehlungen", Übergabe der „Frankfurter Dokumente" an die Ministerpräsidenten der elf westdeutschen Länder, Verfassungskonvent in Herrenchiemsee) und unter dem Eindruck der Berlin-Blockade (Juni 1948 bis Mai 1949) diskutierten Ende September 1948 ca. 60 Mitglieder des Deutschen Volksrates aus den westlichen Besatzungszonen in Kassel die Aufgaben und Ziele ihrer „Arbeitsgemeinschaft West". Die sahen sie in der Mobilisierung der Bevölkerung der Westzonen, die „zu einem klaren Nein bei einer eventuellen Abstimmung über die westdeutsche Verfassung" motiviert werden sollte.22 Die „Arbeitsgemeinschaft West" organisierte den Kontakt und den Informationsfluß zwischen dem Deutschen Volksrat in Ost-Berlin und den , Ausschüssen für Einheit und gerechten Frieden" in den drei Westzonen. Im Sommer 1948 berichtete Hannes Ewald (KPD und Vorsitzender des Ausschusses Nord-Westfalen der „Freunde der Deutschen Einheit und eines gerechten Friedens") aus Münster kritisch, aber noch voller Optimismus nach Berlin an Gniffke: „... Nachdem die Volkskongreßbewegung, dank der beharrlichen Hetzpropaganda der Westpresse, nur schrittweise, teils gar nicht, vorangekommen ist, haben Währungsreform, Absperrung der Zonengrenzen und Vorbereitung des Weststaates auch weiteren Bevölkerungskreisen die Einsicht vermittelt, daß ent18 19

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Vgl. Von der Volkskongreßbewegung zur Nationalen Front, Mai 1950, in: SAPMO-BA NY 4074/197. Vgl. „Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik, Beschluß einer außerordentlichen Tagung des PV der SED", in: Tägliche Rundschau vom 17. November 1946 und Erste Landesverfassung der SED - rekonstruierte Fassung der zentralen Mustervorlage, in: Gerhard Braas, S. 427-436; Verfassungsdiskussion auf der 5. Tagung des Deutschen Volksrats vom 22.-24. Oktober 1948 und „Entwurf einer Verfassung für die deutsche demokratische Republik", in: Deutscher Volksrat. Informationsdienst, Heft 6,1948. S. 3-39. Vgl. Deutscher Volksrat. Informationsdienst, Heft 2, 1948. Sie wurde auch bezeichnet als,Arbeitsgemeinschaft der Westzonendelegierten". Vgl. Bericht der Konferenz der westdeutschen Mitglieder des Deutschen Volksrates in Kassel, 25. September 1948, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494.

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schiedene politische Aktionen zur Herbeiführung der deutschen Einheit das dringendste derzeitige politische Anliegen ist; eine jetzt einsetzende verstärkte Aufklärungsaktion über die Volkskongreßbewegung böte Aussichten, den ständigen Ausschüssen [„Freunde der Deutschen Einheit"] eine Massenbasis zu verschaffen." 3 Zur Aktivierung der Arbeit der Volkskongreßausschüsse versuchten die der Zonengrenze nahen Kreisausschüsse der SBZ, Verbindungen mit westdeutschen Ausschüssen für „Einheit und gerechten Frieden" aufzunehmen. So trafen sich z. B. im Dezember 1948 der Schönberger (Mecklenburg) und der Lübecker Kreisausschuß der Volkskongreßbewegung in Lübeck zu einer Art „Vereinigungssitzung". Bedauert wurde, daß außer SED-, KPD-Mitgliedern und Parteilosen kein CDU- oder LDP-Mitglied aus der SBZ den Weg nach Lübeck gefunden habe. Die britische Militärregierung verweigerte der Volkskongreßbewegung in Lübeck und anderswo die Lizenz zur politischen Betätigung, und daher war die Volkskongreßbewegung an eine der zugelassenen Parteien gebunden. Bisher hatte sich nur die KPD als Lizenzträger gefunden. Aber gerade diese Abhängigkeit machte die größten Probleme. Die Lübecker Ausschußmitglieder gaben zu bedenken, daß sie durch die Anbindung an die KPD die gleiche Ablehnung bei den breiten Massen der Bevölkerung erführen wie die Kommunistische Partei. Ein weiteres Problem beim Aufbau der Volkskongreß-Organisation sahen die Lübecker Ausschußmitglieder in der Beschaffung benötigter Finanzen. Der Verkauf von SED-Propagandaschriften brachte bei weitem nicht das nötige Geld.24 Zum Publikationsorgan der Volkskongreßbewegung in der Sowjetischen Besatzungszone wurden die Wochenzeitung „Deutschlands Stimme. Wochenblatt der Volksbewegung für Einheit und gerechten Frieden" und der „Informationsdienst"25. Für die Herausgabe dieser Schriften gründete das SED-Zentralsekretariat im Sommer 1948 eigens den „Kongreß-Verlag" in Berlin26. Als Herausgeber von „Deutschlands Stimme" zeichneten das Mitglied des SED-Zentralsekretariats Erich W. Gniffke, der LDPPolitiker Arthur Lieutenant und der CDU-Politiker Luitpold Steidle verantwortlich. Chefredakteur und damit zuständig für die inhaltliche Gestaltung des Blattes wurde der SED-Publizist Albert Norden. 1948 erschienen im Kongreß-Verlag bereits 17 Mono23

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Ewald an Gniffke vom 22. Juli 1948, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494; vgl. auch Brief aus Münster an Gniffke von den „Freunden der Deutschen Einheit" vom 31. Mai 1948; Brief Ewalds an Gniffke vom 3. Juli 1948; Sitzung der AG West am 21. Oktober 1948, alle in: ebenda. Vgl. Bericht über die vereinigte Sitzung des Lübecker und Schönberger Kreisausschusses für Einheit und gerechten Frieden am 7. Dezember 1948, in: ebenda; vgl. auch: „An alle Deutschen in Schleswig-Holstein: machtvolle Grenzland-Kundgebung am Sonntag, den 3. Oktober 1948 in Flensburg", in: Deutschlands Stimme, Sondernummer Oktober 1948, S. 1. Erste Ausgabe der Wochenzeitung „Deutschlands Stimme" vom 4. Januar 1948; Erste Ausgaben des Informationsdienstes im Juli 1948. Ab dem 24. Februar 1950 erschien Deutschlands Stimme als „Zeitung der Nationalen Front des demokratischen Deutschland" zwei Mal monatlich; ab Dezember 1953 als „Stimme des Patrioten. Organ für die Mitarbeiter der Nationalen Front des demokratischen Deutschland" und ab 1. Januar 1960 als „Die Stimme". Die Ausgabe kostete jeweils 20 Pfennige. Der Kongreß-Verlag bestand von 1948 bis 1962. In diesen Jahren gab der Verlag über 380 Titel, Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Bücher, heraus. Vgl. Irina Gast, S. 5 ff.

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graphien, die aktuelle deutsch-deutsche Probleme ansprachen.27 Die SMAD-Führung bewilligte für die Zeitung „Deutschlands Stimme" eine Auflagenhöhe von einer Million Exemplare; sie zählte damit zu den auflagenstärksten regelmäßig erscheinenden Publikationen in ganz Deutschland.28 Der Erste Deutsche Volksrat tagte von März 1948 bis zu den „Wahlen" des 3. Deutschen Volkskongresses sechs Mal: im März, Mai, Juli, August, Oktober 1948 und dann erst wieder am 18./19. März 1949. Die Mitglieder des Volksrates beschäftigten sich in ihren Sitzungen mit defensiven deutschlandpolitischen Maßnahmen wie Protesterklärungen zu den „Londoner Empfehlungen" oder Aufrufen gegen „Weststaatsgründung und Westwährung".29 Auch wurden die Beratungen zur Verfassung einer „deutschen demokratischen Republik" vorangetrieben - immer mit dem Blick auf die Ereignisse in den Westzonen.30

B. Nationale Front - „was soll das sein?" Im Sommer 1948, nach dem 2. Deutschen Volkskongreß, tauchten in politischen Gesprächen zwischen den SMAD-Vertretern und der SED-Spitze eine Idee auf, die mit der Volkskongreßbewegung in Konkurrenz treten sollte: die „Nationale Front" (NF). Mit dem Begriff und der Bewegung der Nationalen Front deutete sich eine Ablösung der offenbar als verbraucht angesehenen Rhetorik von der Volkskongreßbewegung an. Ein gesamtdeutscher Anspruch sollte sich bei schwindenden Erfolgsaussichten mit der Nationalen Front noch kämpferischer artikulieren lassen. Um die bürgerlichen Schichten anzusprechen und vielleicht auch zu gewinnen, hatten die KPD und dann die SED nach 1945 eine stark national gefärbte Propaganda betrieben. Die Kommunisten artikulierten seit dem Ende des Krieges, daß sie den Fehler 27

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Z. B. Johannes Dieckmann, Die gegenwärtigen Länderverfassungen in Deutschland vergleichend betrachtet, 1948; Ein offenes Wort zur deutschen Frage. Drei Wochen Vorbereitung für einen deutschen Volkskongreß in Bayern, 1948. Vgl. Irina Gast, S. 22-25. Vgl. Klaus Bender, S. 181. Ab Dezember 1953 bis Dezember 1959 hieß die Zeitung dann „Stimme des Patrioten. Organ für die Mitarbeiter der Nationalen Front des demokratischen Deutschland". Ab Dezember 1953 erschien das „Funktionärsorgan" zwei Mal im Monat in einer Auflagenhöhe von 100.000 Exemplaren. Vgl. SED-Sekretariatssitzung vom 4. November 1953, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/405. Vgl. Von der Volkskongreßbewegung zur NF, Mai 1950, in: SAPMO-BA NY 4074/197/B1. 7-9; Entschließung des Deutschen Volksrats zur Forderung eines demokratischen Friedens für Deutschland am 23. Oktober 1948 oder Erklärung des Friedensausschusses des Deutschen Volksrats zur Berliner Frage vom 30. Oktober 1948, in: Deutscher Volksrat. Informationsdienst, Heft 7, 1948, S. 14, 39. Vgl. Richtlinien für die Verfassung einer „deutschen demokratischen Republik" gutgeheißen (August 1948); Verfassungsdiskussion im Volksrat vom 22. bis 24. Oktober 1948; Begründung, Diskussion und Abstimmung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik am 19. März 1949, in: Deutscher Volksrat. Informationsdienst, Heft 6, 1948, S. 3-23 und Heft 1,1949, S. 3-26.

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einer Unterschätzung der „nationalen Frage" nicht wiederholen würden. Begriffe wie „Nation", „Patriotismus" und „Vaterlandsliebe" würden zu ihrem neuen Vokabular gehören. Der deutsche Nationalismus, der sich in den zwanziger und dreißiger Jahren gegen die Kommunisten gewandt hatte, sollte im künftigen Deutschland ihr sprachliches Instrument werden.31 Für die deutschen Kommunisten bedeutete der Wechsel in Ideologie und Sprache vom „proletarischen Internationalismus", dem „Proletarier aller Länder vereinigt euch", zu „Nation" und „wahrem deutschen Nationalismus" eine Kehrtwendung von 180 Grad - die sie ohne viel Widerspruch mitmachten. Begriff und Inhalt der Nationalen Front erinnerten an politische Programme und Aktionen aus der kommunistischen Bewegung der jüngsten Vergangenheit: ob Einheitsfront- oder Volksfrontpolitik (1935/1936); Nationalkomitee Freies Deutschland (1943) oder „Antifa-Block" (Juli 1945) - sie kamen aus einer gleichen Denk- und Sprachtradition. Suggeriert wurde mit den Begriffen und Organisationsformen ein Zusammenfassen oder Zusammengehen von verschiedenen politischen Gruppen zur Erreichung eines in Teilen der demokratischen Öffentlichkeit scheinbar positiv besetzten politischen Ziels. Ob es seit Mitte der dreißiger Jahre um den auf kommunistische Initiative zurückgehenden Versuch ging, zwischen beiden Arbeiterparteien (KPD und SPD) bzw. zwischen bürgerlichen Linken, Sozialdemokraten und Kommunisten eine Koalition gegen die NS-Herrschaft zustande zu bringen (Einheits-, Volksfront)32 oder um das (seit 1943) Zusammenfassen deutscher kommunistischer Emigranten und Kriegsgefangener in der Sowjetunion, die zum Widerstand gegen Hitler und zur Beendigung des Krieges aufriefen33 (NKFD), oder aber um das politische Konzept der Moskauer KPD-Führung, eine „parteiübergreifende [KPD, SPD, CDU, LDP] nationale Bewegung der demokratischen Erneuerung" (Antifa-Block), seit Juni 1945 umgesetzt34, aufzubauen - letztlich beinhalteten diese Versuche das Bestreben der Kommunisten, unter Verschleierung ihrer Hegemonieansprüche mit Hilfe dieser Bewegungen oder Organisationen an die politische Macht zu gelangen. Zum ersten Mal tauchte der Begriff der „Nationalen Front" am 10. Juni 1948 in einer Besprechung zwischen Wilhelm Pieck, dem Vorsitzenden der SED, und Wladimir S. Semjonow, dem Politischen Berater der SMAD, auf.35 Die sowjetische Seite prägte Begriff und Inhalt, die Bezeichnung „Nationale Front" kam wahrscheinlich von Stalin selbst.36 31 32 33 34 35 36

Vgl. Carola Stern, Ulbricht, S. 215. Vgl. Konrad Fuchs, Heribert Raab, S. 847. Vgl. ebenda, S. 544. Vgl. So funktionierte die DDR, Bd. 1, S. 123. Vgl. Besprechung mit Semjonow, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 233. „Um den Widerstand und den Kampf gegen diese [Deutschlandpolitik] der Westmächte zu verbreitern und zu vertiefen, ist der Vorschlag auf Schaffung der Nationalen Front entstanden, für den wir die Anregung vom Genossen St.[alin] erhielten. Wir fanden mit diesem Vorschlag zunächst kein rechtes Verständnis bei den bürgerlichen Parteien, mit denen wir im Block und im Volksrat zusammenarbeiten." Verschwiegen wurde, daß auch der SED zunächst das Verständnis

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Durch die Vorgaben der Sowjetführung auf den verstärkten Klassenkampf in der SBZ, auf die forcierte Stalinisierung der SED, auf das Ausarbeiten eines Wirtschaftsplanes (Juni 1948) oder durch den öffentlich erzwungene Widerruf der These vom „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus" sollten die Perspektive auf die „Einheit Deutschlands" keineswegs aufgegeben werden. Im Juni 1948 rief der SMAD-Offizier Semjonow die SED-Spitze zur Bildung einer „Kampfformation ... für Einheit, Frieden" und zur „Stärkung [des] nationalen] Befreiungskampfes" auf. Die „Nationale Front" sollte, so Semjonow weiter, den „wahren Nationalismus" stärker als bisher zur Geltung bringen und auch „ehemalige Nazis" und „ehemalige Militärs" ansprechen37, um schließlich die „Einheit durch Anschluß" des Westens an die SBZ zustandezubringen. Wie dies zu erreichen sein sollte, blieb unklar. Wilhelm Pieck vernahm lediglich die lapidaren Hinweise von Semjonow, für „Westdeutschland verschiedene Formen" der Arbeit, der „Situation entsprechend", anzuwenden.38 Im Juni 1948 tauchte so eine modifizierte Argumentation unter Verwendung des Begriffs der Nation im Sinne einer noch stärkeren nationalen Einfärbung des Kampfes um die Einheit Deutschlands auf. Die sowjetische Seite forderte von der SED „wahren Nationalismus" und eine erste wage Aufgabenbestimmung bei der Entwicklung der Nationalen Front.39 Die SED-Führer entwickelten seit Sommer 1948 Interesse und Initiativen für eine staatliche Organisation der sowjetischen Zone. Mit Blick auf die Entwicklung in den drei westlichen Zonen, insbesondere auf den Fortgang der Beratungen im Parlamentarischen Rat, schlugen sie Stalin als Reaktion auf die Vorbereitung einer Staatsgründung im Westen im Dezember 1948 vor, eine provisorische deutschen Regierung zu bilden, das Plenum der Deutschen Wirtschaftskommission zu einer Volkskammer von 110 Mitgliedern auszubauen und ein Verwaltungsgesetz zu verabschieden. Wahlen wären nach SED-Vorstellung im Herbst 1949 bzw. Frühjahr 1950 mittels „Blockliste" möglich.40 In den Fragen der staatlichen Organisation der SBZ und noch viel mehr in Fragen des „sozialistischen Aufbaus" (sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft) bremsten die SMAD-Vertreter und die KPdSU-Spitze in Moskau jedoch deutlich. Noch hegte man in Moskau Hoffnungen, die Pläne einer Weststaatsgründung mit der Berlin-Blockade auf-

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für die Nationale Front abging. Piecks Notizen zur Besprechung mit Stalin um den 20. September 1949 in Moskau, in: ebenda, S. 299. Zur Mobilisierung dieser nationalen Kräfte wurde zum 25. Mai 1948 die NationalDemokratische Partei (NDPD) (und auch die Bauernpartei DBD) gegründet. Bereits ab Februar 1948 erhielten auf SMAD-Befehl alle nichtbelasteten NSDAP-Mitglieder und NS-Anhänger die Chance,, jetzt mit den demokratischen Kräften der Gesellschaft an der Sicherung der Einheit und der demokratischen Entwicklung Deutschlands ehrlich mitzuarbeiten". Vgl. So funktionierte die DDR, Bd. 2, S. 714. Vgl. Besprechung mit Semjonow am 10. Juni 1948, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 31, 233. Vgl. ebenda, S. 233. Vgl. Reise von Pieck, Grotewohl, Ulbricht und Oelßner nach Moskau vom 12. bis 24. Dezember 1948, Besprechung am 18. Dezember 1948, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 247 ff.; Besucher im Kreml-Kabinett, in: Historisches Archiv, Nr. 5-6, 1996, S. 44.

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halten zu können.41 Die sowjetische Seite beharrte auf dem Vorrang der nationalen Einheit vor der Verwirklichung sozialistischer Ordnungsvorstellungen in der östlichen Besatzungszone. Das offensichtliche Scheitern der Berlin-Blockade und die weitere Entwicklung zur Konstituierung eines westdeutschen Staates ließen Stalin im Februar/März 1949 der Bildung einer Volkskammer und einer „provisorischen, deutschen Regierung" aus der Deutschen Wirtschaftskommission heraus zustimmen, wenn es zu einer Regierungsbildung im Westen kommen sollte. Stalin forderte, daß der Volksrat und eventuell ein neuer Volkskongreß an der Etablierung der neuen Staatlichkeit zu beteiligen sei. Wladimir Semjonow kehrte am 6. Mai 1949 mit Stalins Anweisung aus Moskau nach Berlin zurück, daß jetzt die Notwendigkeit bestehe, einen „Schritt weiter" als mit der Volkskongreßbewegung zu gehen: Stalin verlangte von der SED-Spitze die Bildung einer ,,Nationale[n] Front für Einheit".42 Nachdem die SED-Führung auf den ersten Aufruf zur Schaffung einer solchen „nationalen Front" vom Juni 1948 nicht reagiert hatte, mußte sie jetzt das Programm des 3. Volkskongresses kurzfristig um die Verabschiedung eines „Manifests an das deutsche Volk" erweitern, in dem zur Bildung einer „nationalen Front für Einheit und gerechten Frieden" aufgerufen wurde.43 Im Präsidium des Volksrates, jetzt also unter Beteiligung von Spitzenvertretern der anderen Blockparteien, wurde am 9. Mai 1949 eine erste Diskussion über die Nationale Front gefuhrt. Auf einer weiteren Präsidiumssitzung des Volksrats am 28. Mai gaben die Vertreter der anderen Blockparteien ihre Ablehnung zur Schaffung einer Nationalen Front bekannt.44 Die „Wahlen" zum 3. Deutschen Volkskongreß am 15./16. Mai 1949 ergaben das für die SED-Führung katastrophale Wahlergebnis von nur 66,1 Prozent Zustimmung zu der suggestiv gehaltenen Fragestellung: „Bist Du für Einheit und gerechten Frieden und den Abzug aller Besatzungstruppen?" Der Volkskongreßbewegung trat von nun an in Gestalt der „Nationalen Front" eine neue Organisationsform mit einer stärkeren Frontstellung gegen jegliche Westorientierung Deutschlands zur Seite 46 Von dem Wahlergebnis äußerlich unbeeindruckt tagte der 3. Deutsche Volkskongreß vom 29. Mai bis 3. Juni 1949 in Ost-Berlin und setzte einen Zweiten Volksrat ein. Dessen Hauptaufgabe bestand in der Annahme der seit

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Vgl. Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 143 ff. Semjonow war noch am Abend des 6. Mai 1949 von Stalin im Kreml instruiert worden. Vgl. Besucher im Kreml-Kabinett, in: Historisches Archiv, Nr. 5-6, 1996, S. 53; Bericht Grotewohls im PB vom 23. Mai 1949, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 281; Piecks Notizen vom 4./5. Mai 1949, in: SAPMO-BA NY 4036/656/B1. 93. Vgl. „Nationale Front gegen Nationale Not", in: Deutschlands Stimme vom 15. Mai 1949, S. 1; Manifest abgedruckt in: Deutschlands Stimme vom 3. Juni 1949. Vgl. Piecks Notizen zur nationalen Front Anfang Juli 1949, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 291. Vgl. auch die Diskussion zum Wahlergebnis im Blockausschuß am 17. Juni 1949, in: SAPMOBA N Y 4090/501/B1. 124-136. Vgl. Manfred Overesch, S. 1962 f.

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Mitte 1948 fertiggestellten Verfassung für eine Deutsche Demokratische Republik zeitlich als Nachvollzug zu dem am 23. Mai 1949 in Bonn verkündeten Grundgesetz.47 Mit Stalins Forderung nach Schaffung einer Nationalen Front hatten die Spitzenfunktionäre anfanglich große Schwierigkeiten. Wilhelm Pieck notierte am 23. Mai 1949 unter dem Stichwort „Schaffung der nationalen] Front-was soll das sein?": „... Losung bedenklich", wegen das Anklangs an eine „Nazi-Parole".48 Bereits Anfang Mai 1949 fanden sich bei Pieck warnende Worte, daß mit der Nationalen Front nicht in die „Hände der alten ... aggressiven] ... Nationalisten" gearbeitet werden dürfe.49 Obwohl sich selbst das Politbüro über die „Organisation" der Nationale Front im unklaren war, beschloß es Ende Mai 1949, daß die unteren SED-Parteiorganisationen mit der Klärung des Begriffs Nationale Front zu beginnen hätten.50 Franz Dahlem, Politbüro-Mitglied und verantwortlich für die Westarbeit, erhielt den Auftrag, mit den Kommunisten aus Westdeutschland zu sprechen. Diese sollten von der Notwendigkeit überzeugt werden, ihre Arbeit auf die Schaffung der Nationalen Front umzustellen und in ihrem Wirkungsbereich, in Städten und Dörfern Westdeutschlands, „unter verschiedenen Bezeichnungen Organe der Nationalen Front" gründen.51 Die SMAD beauftragte die SED-Spitze, einen „Plattform-Entwurf für die Nationale Front zu erstellen.52 Widerstrebend fand sie sich mit dem Auftrag ab.53 Im Sekretariat des SED-Politbüros lag Mitte Juni ein erster Kampagneplan zur Propagierung der Nationalen Front vor. Funktionäre wie Rudolf Hermstadt, Otto Winzer, Gerhart Eisler oder Albert Norden legten erste Ausarbeitungen zu Themen wie „Die Nationale Front vereint den Arbeiter bis zum Unternehmer" oder „Kampf gegen die Spalter und Separatisten und Zerschlagung des Sozialdemokratismus" vor.54 Im Juni nahm der von der SMAD geforderte Entwurf einer Plattform zur Nationalen Front erste Gestalt an. Vermutlich formulierten Fred Oelßner, Franz Dahlem und Paul Merker die erste Konzeption über Aufgaben und Ziele der Nationalen Front. Der Inhalt des Entwurfs - bezeichnet als „Manifest der Nationalen Front" - wurde mehrere Male 47

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Der Zweite Volksrat blieb solange untätig, bis sich in Bonn Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung (September 1949) konstituiert hatten. Dann, wiederum im Nachvollzug, proklamierte der Volksrat am 7. Oktober 1949 die Gründung der DDR und erklärte sich zur Provisorischen Volkskammer. Vgl. Manfred Koch, S. 352 f. Notizen Piecks und Besprechung mit Semjonow, beides am 23. Mai 1949, in: Wilhelm Pieck Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 282 f.; vgl. Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 155; Diskussionen zur Nationalen Front in den Sitzungen des Demokratischen Blocks im Juni, Juli 1949, in: Siegfried Suckut, Blockpolitik in der SBZ/DDR 1945-1949, S. 413-424, 437, 448 f., 458-471, 475-490. Vgl. Notizen W. Piecks vom 4./5.Mai 1949, in: SAPMO-BA NY 4036/656/ Bl. 93. Vgl. Stimmungsberichte zur NF Mai, Juni 1949, in: SAPMO-BA NY 4090/517/B1. 1-5. Vgl. PB-Sitzung vom 31. Mai 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/25/B1. 9, 10. Vgl. Besprechung mit Semjonow am 23. Juni 1949, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 284. Vgl. Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 155 f. Vgl. Protokoll der Sekretariatssitzung des PB der SED vom 17. Juni 1949, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/3/33/B1. 21-22.

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SED-intern und mit der SMAD, insbesondere mit Semjonow, besprochen. 55 Die eher dürftigen Anweisungen der SMAD-Offiziere über die Bildung einer Nationalen Front ergänzte Sergej I. Tulpanow, Leiter der Propaganda- und Informationsverwaltung der SMAD, Ende Juni 1949 mit nicht gerade aussagekräftigeren Hinweisen, daß die Nationale Front ihr Hauptgewicht im Westen haben sollte und daß es dabei nicht auf die Form, sondern den politischen Inhalt ankomme und „viele Formen" der Tätigkeit im Westen Deutschlands notwendig seien.56 Der vom SED-Politbüro erstellte und mit der SMAD abgesprochene Entwurf erklärte zu Zielen der Nationalen Front: die Herstellung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einheit Deutschlands, die nationale Unabhängigkeit „unseres Vaterlandes", den Abschluß eines Friedensvertrages und den Abzug der Besatzungstruppen. 57 Die Ziele der Nationalen Front lassen erkennen, daß das Wirtschafts-, Rechts- und Bildungssystem der SBZ ohne Abstriche auf den Westen übertragen werden sollte. Zur Disposition oder zur Diskussion stellte die SED-Seite keine ihrer „Errungenschaften", weder die Grundsätze aus der „Verfassung für eine Deutsche Demokratische Republik" noch die Vorstellungen über eine Planwirtschaft oder den fragwürdigen Modus, gesamtdeutsche Gremien aus Vertretern von Parteien und Massenorganisationen zusammenzustellen. Kompromißvorschläge gab es nicht. Weder die Diskussion im Politbüro noch die Besprechung bei Semjonow oder Aussprachen im Volksrat hatten bei der Erstellung des Manifestes der Nationalen Front den Sowjets genügt. Am 11., 13., 17. und 19. Juli kam es zu weiteren Unterredungen in der SED-Spitze sowie mit Semjonow und Tulpanow. 58 In Piecks Notizen vom 19. Juli hieß es: Manifest erst mit dem Politbüro und dann in der nächsten Parteivorstandssitzung der SED (am 17. und 18. August) diskutieren. 59 Ganz einverstanden mit Begriff und Inhalt der Nationalen Front war man in der SED-Führung wohl immer noch nicht. Sie fürchtete starke und vielleicht schwer zu kontrollierende nationale (nationalistische!) Tendenzen in der Bevölkerung. Wilhelm Pieck hielt nach einer Parteivorstandssitzung am 20. Juli fest: „Wir machen uns Sorgen - wer zur Nationalen Front kommt.... Ersteinmal [müssen] unsere [SED-] Aufgabefn] und Ziel[e]" in die Massen" getragen werden. Es könnte eine Gefahr für die Nationale Front entstehen, wenn nicht die Arbeiterklasse dort die Führung übernähme. Im Schlußwort der Tagung hatte Fred Oelßner nachdrücklich erklärt: „Der Parteivorstand stellt vor die Partei die Pflicht, mit allem Ernst an das Studium der nationalen Frage und an die Schaffung der Nationalen Front gegen die Unterdrückung der deutschen Nation durch den amerikanischen Imperialismus ... heranzugehen. Das Politbüro wird beauftragt, die Stellungnahme der Partei zur Schaffung 55 56 57 58 59

Vgl. Piecks Notizen zur Nationalen Front Anfang Juli 1949, in: Wilhelm PieckAufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 291. Vgl. Besprechung mit Tulpanow am 28. Juni 1949, in: ebenda, S. 285. Vgl. Entwurf, Ziele der Nationalen Front vom 2. Juli 1949, in: SAPMO-BA N Y 4090/643/B1. 104-107. Vgl. Piecks Notizen zur nationalen Front Juli 1949, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 291. Vgl. ebenda; PB-Sitzung am 12. Juli 1949, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/2/32.

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der Nationalen Front in einer Plattform zu formulieren und sie als Direktive für die Partei der nächsten Tagung des Parteivorstandes vorzulegen."60 Das SED-Politbüro stimmte am 19. Juli 1949 dem von Fred Oelßner vorgelegten achtseitigen Entwurf: „Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands und die Nationale Front" zu.61 Anschließend lag er auch dem Parteivorstand und dem Deutschen Volksrat zur Aussprache vor. Eine Woche später forderte das Politbüro vom Deutschen Volksrat erste Berichte über die Entwicklung der Nationalen Front im Westen Deutschlands an.62 Im Unterschied zu den ersten Richtlinien über die Nationale Front von Anfang Juli 1949 arbeitete Fred Oelßner reichliche zwei Wochen später in seinem Entwurf „SED und Nationale Front", einem Papier zur Selbstverständigung in der Partei, folgende Punkte stärker heraus: Er wies die Schuld an der Teilung Deutschlands pauschal den westlichen Alliierten und den führenden politischen Kräfte in Westdeutschland zu. Die Stalin-Theorie von einem „zeitweiligen Bündnis zwischen nationalem Bürgertum und Arbeiterklasse im Kampf gegen ausländische bourgeoise Unterdrücker" wurde auf den Aufbau der Nationalen Front in Westdeutschland angewandt. Und Oelßner führte einen undifferenzierten verbalen Schlag gegen „Kosmopolismus, Weltbürgertum", gegen „amerikanischen Imperialismus und Sozialdemokratismus". Mit der Formulierung, „der Kampf um die nationalen Interessen des Volkes widerspricht weder den proletarischen Klasseninteressen noch dem Geist des proletarischen Internationalismus", sprach Oelßner ein in der SED-Spitze umstrittenes und für die „Genossen" irritierendes Problem an.63 Den „Kampf um die deutsche Einheit" führte die SED mit zwei verschiedenen programmatischen Erklärungen zur Nationalen Front: die eine mit dem Titel „SED und die Nationale Front"64 war den SED-Mitglieder vorbehalten, und die andere, das „Manifest der Nationalen Front", war für die „übrige" Bevölkerung in Ost und West bestimmt. Die Fassung für die Parteimitglieder hatte ihren inhaltlichen Schwerpunkt auf der Propagierung des Ziels, über eine „antifaschistisch-demokratischen Ordnung" in Westdeutschland nach dem Vorbild der SBZ zu einem sozialistischen Gesamtdeutschland zu gelangen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, müßten dessen Gegner - die westlichen Besatzungsmächte, Adenauer und seine Partei sowie die Sozialdemokratie unter Schumacher - vehemend bekämpft werden. Der (gesamtdeutschen Bevölkerung gegenüber verfuhr man jedoch anders. Ihr sollte mit den Parolen von der Nationalen Front vorerst lediglich eingehämmert werden, daß der „amerikanische Imperialismus" die Hauptschuld an der deutschen Spaltung trage und Westdeutschland als Aufmarschgebiet für einen neuen Krieg benutze. Aus dieser 60 61 62 63 64

Notizen W. Piecks im Parteivorstand vom 20. Juli 1949, in: SAPMO-BA NY 4036/656/B1. 9799. Vgl. PB-Sitzung vom 19. Juli 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/34/BI. 25. Vgl. PB-Sitzung vom 26. Juli 1949, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/2/35/BI. 10-11. Vgl. Entwurf: Die SED und die Nationale Front; PB-Sitzung am 19. Juli 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/34/BI. 27-38. Vgl. Die Nationale Front des demokratischen Deutschland und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, in: Dokumente der SED, Bd. II, S. 327-355.

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„Erkenntnis" sollte die deutsche Bevölkerung den Schluß ziehen, daß die Wiederherstellung der deutschen Einheit nur möglich sei durch den Zusammenschluß aller patriotisch gesinnten Deutschen in einer nationalen Sammelbewegung gegen die „amerikanischen Spalter". Diese nationale Sammelbewegung, so die Vorstellung der SEDFührung, hätte Arbeiter, Bauern, kleine und mittlere Unternehmer, aber auch Teile des Großbürgertums aus ganz Deutschland zu erfassen. Die SED-Spitze erklärte sich also im Rahmen der Nationalen Front zu einem zeitweiligen Bündnis eben mit jenen Kräften bereit, denen sie seit 1945/46 in der SBZ unter Berufung auf die Demokratisierung Deutschlands schärfsten Kampf angesagt hatte.65 Das von der SED-Führung und nicht zuletzt auch von der SMAD geforderte Bündnis mit dem „national-gesinnten Bürgertum" machte vielen Funktionären und Mitgliedern der SED, besonders den älteren, Schwierigkeiten. Ihr Einwand gegen das Programm der Nationalen Front resultierte aus dem Vorwurf an ihre Partei, durch die Bündnisbereitschaft mit dem Bürgertum die revolutionäre Klassenkampfposition des Proletariats zu verraten.66 Große Bedeutung im Denken und Handeln der SED-Spitze nahm im Sommer 1949 die Entwicklung der Nationalen Front in den westlichen Besatzungszonen ein. Verschiedene Formen von Protesten, Korrespondenzen, Konferenzen oder Delegationsbesuche sollten initiiert und unterstützt werden, um den „Widerstandswillen des deutschen Volkes gegen die amerikanische Besatzungspolitik" zu stärken.67 Das breite Spektrum der Arbeit der Nationalen Front nach Westdeutschland lief bereits in diesen Wochen an. Kampagnen und Massenagitationen in Tageszeitungen, Rundfunk (bestellte Leser- und Hörerbriefe), Kino (Wochenschau „Der Augenzeuge")68 oder Flugblättern, Broschüren, Traktaten in schwindelerregenden Auflagenhöhen6 bei noch rationiertem und knappem Papieraufkommen zählten zur alltäglichen West-Arbeit. 65 66

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Vgl. Carola Stern, Porträt einer bolschewistischen Partei, S. 100 ff. So ergab sich z. B. der absurde Zustand, daß ein SED-Funktionär auf dem Land einerseits die Aufgabe, mit allen Mitteln den Einfluß der Großbauern zurückzudrängen und andererseits dieselben Großbauern für die Mitarbeit in den Dorfausschüssen der Nationalen Front zu gewinnen, zu erfüllen hatte. Die linientreuen SED-Professoren an den Universitäten waren beauftragt, „bürgerliche" Professoren als „Objektivisten" zu entlarven und sie gleichzeitig für die neue nationale Bewegung zu gewinnen. Im innenpolitischen Leben der SED galt als gefahrlichste Abweichung der „Sozialdemokratismus". Im Rahmen der Nationalen Front mußte der Parteifunktionär um eine möglichst enge Kampfgemeinschaft mit den westdeutschen Sozialdemokraten werben. Vgl. Entwurf: Die SED und die Nationale Front; PB-Sitzung am 19. Juli 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/34/B1. 40. Vgl. Plan zur Führung einer Kampagne zur Frage Einheit und gerechter Friede, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/13; Kampagne-Plan zur Gewinnung der technischen Intelligenz in Ost- und Westdeutschland für die NF am 29. August 1949, in: ebenda, DY 30 J IV 2/3/48; 2/3/51. Unterstützung des Wahlkampfes der KPD auf dem Gebiet der Massenagitation: Zehn verschiedene Broschüren mit einer Auflage von insgesamt 1.100.500 Stück im Juni 1949; darunter z. B. das Manifest des Dritten Deutschen Volkskongresses; die Rede Grotewohl über die Verfassung des Deutschen Volksrates oder Außenministerrat und Nationale Front. Vgl. Sekretariatssitzung vom 17. Juni 1949, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/3/33/B1. 17-19.

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Der Aufbau und die Fortfuhrung eines Korrespondentennetzes in Westdeutschland70 verzögerte sich im Sommer/Herbst 1949. Beim Sekretariat des Politbüros der SED führten verantwortliche Funktionäre Klage, daß das bewilligte Budget für diese Arbeit nachträglich um fast die Hälfte gekürzt werden sollte. Zur Illustration: Pro Quartal standen 77.000 „Westmark" zur Verfugung, von denen erst 20.000 „Westmark" eingegangen waren. Die Funktionäre beschwerten sich beim Politbüro darüber, daß es unter solchen Umständen unmöglich sei, eine Politik der Nationalen Front, wie sie mit dem Korrespondenten-Apparat zu betreiben wäre, durchzuführen.71 Die SED-Spitze versuchte Kontakte zu einflußreichen Persönlichkeiten im Westen Deutschlands herzustellen. So bemühte man sich z. B. um die Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft und des Nauheimer Kreises.72 Diese reagierten verunsichert auf die Nationale Front. Man sei sich zwar einig, so westdeutsche Stimmen, eine Einheit mit Ostdeutschland im Kampf um die Wiedervereinigung herzustellen, aber der „Begriff der Nationalen Front ist... für Westdeutschland untragbar, da er untrennbar verbunden ist mit dem Eindringen von ausgesprochen faschistischen, chauvinistischen und militaristischen Elementen".73 Noch mehr als in Ost-Berlin befürchtete man im Sommer 1949 in Westdeutschland, daß sich mit der Nationalen Front in erster Linie politisch „Rechte" und ehemalige Militärs angesprochen fühlten. Der Ausgang der Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag am 14. August 1949 schokkierte die SED-Spitze. Unfähig eigene Versäumnisse und Fehler zu analysieren, sahen SED-Politbüro und Parteivorstand im Wahlergebnis eine folgenschwere politische Fehlentscheidung der Westdeutschen. Die SED diskreditierte deren Wahlentscheidung - mit dem Wissen, im Osten Deutschlands keine Wahlen bei der Konstituierung der DDR zuzulassen - als Folge „eines mit allen Mitteln der ideologischen Verhetzung, des Massenbetruges und des physischen Terrors geführten Kampfes gegen ... die wahren Interessen des deutschen Volkes".74 Um so nachdrücklicher rief der Parteivorstand der SED dazu auf, alle national gesinnten Deutschen in einer „breiten und mächtigen nationalen Front zum Kampf um die Einheit Deutschlands, um den Abschluß eines Friedensvertrages und den Abzug der Besatzungstruppen" zusammenzufassen.75 Mit der Konstituierung des Deutschen Bundestages und Bundesrates am 7. September, der Wahl des Bundespräsidenten am 12. September und der Wahl Konrad Adenau70

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Das waren Personen in Westdeutschland, die größere Mengen von SED-Agitationsmaterial erhielten und im Westen weiterverteilten bzw. Berichte über die Arbeit westdeutscher Volksausschüsse, später Ausschüsse der Nationalen Front, lieferten. Vgl. Heinz Schmidt, Leo Bauer u. a. an das PB vom 5. September 1949, in: SAPMO-BA NY 4036/649/B1. 57, 58. Vgl. zu diesen Gruppierungen bei Rainer Dohse, S. 41 ff., 71 ff. Bericht an W. Pieck vom 9. August 1949, in: SAPMO-BA NY 4036/649/B1. 40. Entschließung des SED-PV zum Ergebnis der Wahlen in Westdeutschland vom 23./24. August 1949, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/1/70/B1. 14. Vgl. SAPMO-BA DY 30 IV 2/1/70/B1. 17-18; Die Lage in Deutschland und die Aufgaben der Partei, in: ebenda, NY 4036/656/B1. 110-111.

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ers zum Bundeskanzler am 15. September 1949 konnte nun auch die öffentlich als „Nachvollzug" deklarierte Gründung des ostdeutschen Staates vonstatten gehen. Zur Besprechung des Ablaufplanes der DDR-Gründung weilten Pieck, Grotewohl, Ulbricht und Oelßner fast zwei Wochen, vom 16. bis 28. September, in Moskau. Diese Politbüromitglieder formulierten in Moskau am 19. September einen Brief an Stalin, an dessen Anfang eine Bitte um Stalins Meinung zur Entschließung über die Schaffung der Nationalen Front stand. Die SED-Politiker schlugen vor, die durch die Volkskongreßbewegung geschaffenen Volksausschüsse allmählich in Ausschüsse der Nationalen Front umzuwandeln.76 Im Gründungsprozeß der DDR spielte die Nationale Front nur eine marginale Rolle. Alles konzentrierte sich auf die Ableitung der DDR aus der Volkskongreßbewegung. So wurde z. B. der Zweite Deutsche Volksrat zur Provisorischen Volkskammer umgebildet. Die Nationale Front trat als Nachfolgeorganisation des Volkskongresses am 7. Oktober 1949 in das öffentliche Leben. Nachdem am 4. Oktober der SED-Parteivorstand sowohl den „Plan zur Bildung einer Provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik" als auch die Entschließung über die „Nationale Front des Demokratischen Deutschland und die Sozialistische Einheitspartei" angenommen hatte77, konnte auf der Sitzung des Deutschen Volksrates am 7. Oktober 1949 die „Schaffung der Nationalen Front" als Tagesordnungspunkt 1 abgehandelt werden.78 So wurde am 7. Oktober zunächst zum Kampf um die „Wiederherstellung der Einheit Deutschlands" aufgerufen und dann der Beschluß zur Staatsgründung gefaßt. Dieses Verständnis der Nachordnung des DDR-Gründungsbeschlusses nach der Annahme des Manifestes der Nationalen Front brachte Otto Grotewohl in seiner Regierungserklärung am 12. Oktober 1949 zum Ausdruck.79 Dies wurde sowohl von Marschall Tschuikow, obersten Chef der SMAD und später der Sowjetischen Kontrollkommission, in seiner Erklärung am 10. Oktober als auch von Stalin in seinem geradezu euphorischen Grußtelegramm am 13. Oktober deutlich hervorgehoben.80

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Stalins Stellungnahme dazu ist bisher nicht überliefert. Da in der Folgezeit aber genau so verfahren wurde, ist seine zustimmende Meinung zu unterstellen. Vgl. Brief an Stalin, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 294 f.; PB-Sitzung am 13. September 1949, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/2/44/B1. 10-14. Vgl. Entschließungsbeschluß in der PB-Sitzung vom 2. Oktober 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/47; Entschließung abgedruckt in: Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd. 2, S. 327-355; Siegfried Suckut, Die Entscheidung zur Gründung der DDR, S. 141 f. Die Änderung der Tagesordnung war Ergebnis der Moskauer Beratung. Wahrscheinlich hatte die sowjetische Führung den vier SED-Politbüromitgliedern nahegelegt, die Annahme des „Manifestes der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands" als ersten Tagesordnungspunkt dem Gründungsakt der DDR voranzustellen. Vgl. Wortlaut der Regierungserklärung Grotewohls, in: Dokumente zur Außenpolitik der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. 1, S. 19-37; Rolf Badstübner, Die sowjetische Deutschlandpolitik im Lichte neuer Quellen, S. 128. Vgl. Erklärung des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Armeegeneral Tschujkow; Telegramm des Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR J.W. Stalin vom

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Das „Manifest an das deutsche Volk", beschlossen auf der 9. Tagung des Deutschen Volksrates am 7. Oktober 1949, und der mit „Sekretariat der Volkskongreßbewegung" unterzeichnete Aufruf zur Nationalen Front des demokratischen Deutschlands können als Gründungsdokumente der Nationalen Front bezeichnet werden. Sie wurden am 8. Oktober 1949 im Neuen Deutschland veröffentlicht.81 In einem eindringlichen Appell postulierte die SED-Spitze agitationswirksam Aufgaben und Ziele der Nationalen Front: Kampf um die Einheit Deutschlands, für einen gerechten Friedensvertrag und für die Wiederherstellung der vollen Souveränität der deutschen Nation.82 In einer so bezeichneten „öffentliche Aussprache" zum Manifest nahmen Otto Grotewohl als SED-Vorsitzender und Vorsitzender des Verfassungsausschusses des Deutschen Volksrates, Hermann Kastner und Otto Nuschke als LDPD- bzw. CDUVorsitzende und Präsidiumsvorsitzende des Deutschen Volksrates sowie Herbert Warnke als FDGB-Vorsitzender euphorisch Stellung.83 Die im „Manifest der Nationalen Front" enthaltene Aufforderung an alle „patriotischen Kräfte des deutschen Volkes", für die „Errichtung eines einheitlichen, unabhängigen demokratischen Deutschland" nach dem Vorbild der DDR einzutreten, entsprach den Forderungen und Interessen der sowjetischen Deutschlandpolitik. Die Parteiführung der KPdSU hatte seit Mitte 1948 das Zustandekommen einer gesamtdeutschen Nationalen Front angeregt. Die SED-Spitze, primär am Erhalt ihrer politischen Macht in der SBZ interessiert, reagierte zunächst zurückhaltend darauf. Letztlich blieb der SED nichts anderes übrig, als Begriff und Ziele der Nationalen Front in ihren deutschlandpolitischen Forderungskatalog aufzunehmen.84 Die SED-interne Reaktion auf die Bildung der Nationalen Front blieb im Herbst 1949 zurückhaltend.85 Die Nationale Front des demokratischen Deutschland hatte eine deutschlandpolitische und eine DDR-interne Funktion zu erfüllen. Die deutschlandpolitische Funktion ist im weiteren Untersuchungsgegenstand der Studie. Die innenpolitische Funktion der Nationalen Front wurde mit fortschreitender Zeit jedoch immer bedeutender. Die SED machte sie zu einer Art Dachverband aller Parteien und gesellschaftlichen Organisationen. Sie verkörperte faktisch das Organisationsmonopol der SED-Staatspartei, die die

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13. Oktober 1949, in: Dokumente zur Außenpolitik der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. 1, S. 229-232. Deutscher Volksrat. Informationsdienst, Heft 7, 1949, S. 3 f.; vgl. auch die Ausführungen bei Helmut Neef, S. 136 ff.; „Manifest des Deutschen Volksrates. Die Nationale Front des demokratischen Deutschland", in: Neues Deutschland vom 8. Oktober 1949, S. 3. Vgl. „Manifest an das deutsche Volk", in: Deutscher Volksrat. Informationsdienst, Heft 7, 1949, S. 3 f.; auch in: SAPMO-BA NY 4074/197/B1. 92; Entwurf zum Programm der NF 1949, in: ebenda, NY 4074/210/B1. 1-16. Vgl. Aussprache über das Manifest, in: Deutscher Volksrat. Informationsdienst, Heft 7, 1949, S. 5 f. Vgl. Siegfried Suckut, Nationale Front, S. 428; Notizen Franz Dahlems, in: SAPMO-BA NY 4072/213. Vgl. Siegfried Suckut, Die Entscheidung zur Gründung der DDR, S. 142 f.; dort der Dokumentenabdruck der Tagung des PV vom 4. Oktober 1949 und vom 9. Oktober 1949, S. 146-175.

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Nationale Front kontrollierte und instrumentalisierte. Die SED nutzte die Nationale Front innenpolitisch zur Legitimationsbeschaffung. So wurde sie seit Herbst 1950 bis zum Ende der DDR mit den Einheitslisten bei den Volkskammerwahlen identifiziert. 86

2. Personeller und organisatorischer Aufbau des Westapparates Die SED installierte einen zentralisierten, vom Politbüro und vom Zentralkomitee straff geleiteten Westapparat. Dieser hatte die Aufgabe, im Westen Deutschlands kommunistische Vorstellungen zu propagieren, die parlamentarische Ordnung zu unterwandern und Hilfsorganisationen der SED einzurichten und anzuleiten. Die SED verzichtete zu keiner Zeit auf Ansätze zur Systemveränderung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Westarbeit umfaßte damit die Propaganda der SED in der Bundesrepublik sowie gezielte Versuche zur Einflußnahme auf westdeutsche Politiker, Unternehmer, Gewerkschaftsfunktionäre, Journalisten, Wissenschaftler und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Wenn auch die Leitorientierung der Westpolitik durch die sowjetische Führungsmacht erfolgte, trugen die Verantwortung für die politische Umsetzung die SED-Funktionäre. 1 Der Apparat für die Westarbeit umfaßte auf der obersten Ebene die Verantwortlichen im SED-Zentralsekretariat (seit Januar 1949 SED-Politbüro) und die zuständigen Abteilungen im Zentralkomitee (vorher Parteivorstand) der SED. Auf einer zweiten Ebene baute die SED-Führung umfangreiche Strukturen für die Westarbeit auf, und zwar den Westapparat in der Nationalen Front, in einzelnen Ministerien (z. B. Ministerium für Innerdeutschen und Außenhandel, Außenhandelsbetriebe) sowie in allen Blockparteien und Massenorganisationen 2 . Von besonderer Bedeutung für die Umsetzung der SEDWestarbeit auf „staatlichem" Gebiet waren die zuständige Abteilung der Nationalen Front und die Abteilung im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Eine große Rolle spielten - und damit ist eine weitere Ebene benannt - die auf die Bundesrepublik zielenden geheimdienstlichen Apparate 3 wie das Ministerium für Staatssicherheit (u. a. der seit August 1951 bestehende Außenpolitische Nachrichtendienst), die ihre Tätigkeit im Rahmen der politischen Vorgaben der SED-Führung wahrnahmen. Der Außenpolitische Nachrichtendienst etablierte Anfang der fünfziger Jahre in kürzester Zeit in allen Parteien und Organisationen der DDR mit Westabteilungen sogenannte legale Resi86 1 2

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Vgl. Siegfried Suckut, Nationale Front, S. 429 f.; So funktionierte die DDR, Bd. 2, S. 722-733. Vgl. Michael Lemke, Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung, S. 184 f.; Jochen Staadt, Westarbeit der SED, S. 685 f. Vgl. PB-Beschluß über den umfangreichen Auf- und Ausbau des Westapparates in verschiedenen Massenorganisationen vom 27. Juni 19950, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/2/96; eine Untersuchung zur Westarbeit des FDGB für den Zeitraum 1949 bis 1956 bei Josef Kaiser, S. 106-131. Vgl. Michael Kubinn, Die Schaffung von strukturellen Voraussetzungen für die Westarbeit im zentralen Parteiapparat von KPD/SED in den ersten Nachkriegsjahren, S. 39-47.

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denturen4, die die deutsch-deutschen Kontakte, Begegnungen und Veranstaltungen im Auge behielten.5 Zwischen den einzelnen Ebenen des Westapparates bestanden zahlreiche Querverbindungen. Der Aufbau dieses umfassenden Westapparates vollzog sich in den ersten vier Jahren nach Gründung der DDR. In dieser Zeit häuften sich strukturelle und personelle Veränderungen noch.

A. Zentraler Parteiapparat der SED und Anfange des Geheimdienstes Mit der Gründung der SED-Einheitspartei im April 1946 kam es im obersten Parteigremium, dem Zentralsekretariat, zu einer Aufgabenteilung. Dem Kommunisten Franz Dahlem und dem ehemaligen Sozialdemokraten Erich W. Gniffke fielen, dem Prinzip der Parität entsprechend, die Ressorts Organisation, Personalpolitik, Westdeutschland und die Verbindung zum Ausland zu.6 Eigenartigerweise fand sich in den Archivdokumenten von Zentralsekretariat und Parteivorstand die Zuteilung des Aufgabengebietes „Westarbeit"7 bzw. „Westdeutschland" weder bei Dahlem und Gniffke noch bei den anderen Mitgliedern des Zentralsekretariats.8 Franz Dahlem (1892-1981), ein altgedienter Kommunist, war bereits in den zwanziger Jahren ZK- und Politbüromitglied und in den dreißiger Jahren in Paris Mitglied der Auslandsleitung der KPD gewesen. 1939 bis 1942 in Frankreich interniert, dann an die Gestapo ausgeliefert und bis 1945 im KZ Mauthausen, zählte Dahlem 1945 wieder zum engsten Führungskreis der KPD. Als Mitglied des Parteivorstands/Zentralkomitees und des Zentralsekretariats/Politbüros lag die Verantwortung der Westarbeit bis Mai 1953 in seinen Händen.9 Bezeichnenderweise war Dahlem kein Moskau-Emigrant. Der ehemalige Sozialdemokrat Erich Walter Gniffke (1895-1964), seit 1913 SPDMitglied und in den zwanziger Jahren als Prokurist und Mitinhaber einer Exportfirma tätig, war während der NS-Zeit in Deutschland verblieben und in einer SPD4 5 6 7 8 9

„Legale Residente": getarnte nachrichtendienstliche Führungsstelle außerhalb der eigentlichen Zentrale, z. B. Botschaften oder Handelsmissionen. Vgl. Markus Wolf, S. 88. Vgl. Erich W. Gniffke, S. 164; Carola Stern, Porträt einer bolschewistischen Partei, S. 56. Eine Westabteilung, wie Carola Stern behauptete, existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Vgl. Arbeitsverteilung im ZS, April 1946, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/1/1; Erich Woitinas, S. 23-26, 67-71. F. Dahlem, 1913-1917 SPD, 1917-1920 USPD, dann KPD, 1920-1924 Mitglied des Preußischen Landtages, 1928-1933 Abgeordneter des Deutschen Reichstages, Emigration in Frankreich und Spanien, 1937-1939 Leiter der Politischen Kommission der Internationalen Brigaden in Spanien, dann bis 1939 Leiter des Sekretariats des ZK der KPD in Paris, 1945 bis Mai 1953 höchste Funktionen in der SED, 1949-1953 Abgeordneter der Volkskammer, dann aller Partei- und Staatsämter wegen „politischer Blindheit gegenüber der Tätigkeit imperialistischer Agenten in der Emigration" enthoben, 1955-1977 im Ministerium für Hochschulwesen, 1956 politisch rehabilitiert und 1957 ins ZK der SED kooptiert. Vgl. Erinnerungsbericht und „Kaderakte" Franz Dahlem, in: SAPMO-BA SgY 1078; DY 3 0 I V 2/11/V 5280-1.

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Widerstandsgruppe tätig. Nach 1945 zählte Gniffke zu den Mitbegründern der SPD in Berlin, er wurde Mitglied des SPD-Zentralausschusses und dann Mitglied des Zentralsekretariats der SED. Im Oktober 1948 flüchtete Gniffke unter dem wachsenden Sowjetisierungsdruck in den Westen. 10 Für ihn, der am 30. Oktober 1948 aus der SED ausgeschlossen wurde, bestimmte das Zentralsekretariat keinen Nachfolger. Dahlem übernahm die alleinige Verantwortung für die Westarbeit im höchsten Parteigremium. Sein Sekretär war Hans Seigewasser 1 . Persönliche Mitarbeiter von Erich W. Gniffke waren Ingo Wachtel und ab Juni 1948 Leni de Roggenbucke. 12 Der Parteivorstand der SED richtete im März 1946 zwanzig Fachabteilungen ein. Eine spezielle Abteilung für die Westarbeit gab es zu dieser Zeit nicht.13 Von Anfang an gingen alle wichtigen Entscheidungen, die die Westarbeit betrafen, über die Schreibtische von Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl. Dabei sicherte sich Walter Ulbricht zunächst im SED-Zentralsekretariat, dann im Politbüro und im Sekretariat des Politbüros, eine weitgehende Entscheidungsbefugnis über die Deutschlandpolitik. Die SED nahm für sich seit ihrer Gründung in Anspruch, eine gesamtdeutsche Partei zu sein, ohne in den westlichen Besatzungszonen jemals eine Zulassung erhalten zu haben. Die Kommunistische Partei in den Westzonen war keine von der SED souveräne Partei. Die KPD wurde vom Parteivorstand und Zentralsekretariat der SED politisch und organisatorisch geführt. 14 Die zunächst vollzogene Aufnahme von KPD-Vertretern in den SED-Parteivorstand - im Zentralsekretariat der SED gab es keinen KPDVertreter - sollte aus gesamtdeutscher Sicht die Möglichkeit sichern, Einfluß auf die politische Entwicklung in den Westzonen zu nehmen. Trotzdem war die KPD nicht eine bloße Teilorganisation der SED. Um den unterschiedlichen Bedingungen in den vier 10

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Gniffke war von 1922 an Mitglied im Zentralverband der Angestellten und ab 1926 dort hauptamtlich tätig; von 1929-1933 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverband (AfA) in Braunschweig; nach 1945/1946 einer der drei Vorsitzenden des ZA der SPD in Berlin; nach 1948 wieder SPD-Mitglied in Westdeutschland. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 227 f. H. Seigewasser (1904-1979), Bankangestellter, 1922 SPD, 1931 Mitbegründer der SAP, 1932 KPD, 1933-1945 inhaftiert, u. a. im KZ Sachsenhausen, 1945-1950 Mitarbeiter des PV bzw. des ZK der SED, 1953-1970 Mitglied des Präsidiums des NR der NF, 1960-1979 StS für Kirchenfragen. Vgl. Erinnerungsbericht von Seigewasser, in: SAPMO-BA SgY 1336; Wer war Wer in der DDR, S. 685 f.; Erich W. Gniffke, S. 181; „Hans Seigewasser zum 50. Geburtstag", in: Stimme des Patrioten, 2. Augustheft 1955, S. 8. Vgl. Entscheidungen der SED 1948, S. 524. Angaben über Wachtel und de Roggenbucke konnten nicht ermittelt werden. Vgl. Fachabteilungen beim PV der SED, 1. März 1946, in: SAPMO-BA NY 4036/659/B1. 1; Organisation des Apparates, Sitzung des ZS der SED am 25. April 1946, in: SAPMO-BA IV 2/2.1/1. Vgl. Bericht des ZS an den PV der SED für den Zeitraum 15. Januar bis 11. Februar 1948, in: SAPMO-BA NY 4036/656/B1. 44-45; Michael Kubina, Die Schaffung von strukturellen Voraussetzungen für die Westarbeit im zentralen Parteiapparat von KPD/SED in den ersten Nachkriegsjahren, S. 38-41.

Personeller und organisatorischer Aufbau des Westapparates

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Besatzungszonen Rechnung zu tragen, wurde am 14. Februar 1947 zwischen dem SEDParteivorstand und den auf Zonenebenen bestehenden Leitungen der KPD die Arbeitsgemeinschaft SED-KPD vereinbart.15 Das Ziel der Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft bestand in der Schaffung von Voraussetzungen für die Bildung einer einheitlichen sozialistischen Partei in ganz Deutschland.16 Walter Ulbricht und Franz Dahlem soll es gelungen sein, den Einfluß Erich W. Gnifikes in der Arbeitsgemeinschaft zurückzudrängen. Ulbricht oblag die Verantwortung für politisch-ideologische Fragen; Dahlem sicherte sich die Entscheidungsgewalt in organisatorischen und Kaderfragen.17 Zum 3. Januar 1949 entschied die SED-Führung, die Arbeitsgemeinschaft SED-KPD offiziell aufzulösen. Alle zwanzig Vertreter der KPD mußten aus dem Parteivorstand ausscheiden. Das änderte allerdings nichts an der Vormachtstellung der SED gegenüber der KPD.18 Die KPD hatte sich nun als westdeutsche Partei konstituiert und sich damit einen Deckmantel von Unabhängigkeit für künftige Wahlkämpfe in der Bundesrepublik gegeben. Offiziell wurde dieser Schritt mit den unterschiedlichen Parteiaufgaben in Ost- und Westdeutschland begründet. In Wirklichkeit dürfte aber entscheidender gewesen sein, die Abhängigkeit der KPD von der SED nicht durch eine organisatorische Verknüpfung (Arbeitsgemeinschaft) offiziell zur Schau zu stellen, sondern durch indirektere Formen, insbesondere durch die Finanzierung19, zu ersetzen.20

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Die Mitglieder der Zentralen Arbeitsgemeinschaft in: Entscheidungen der SED 1948, S. 525; Erinnerungsbericht M. Reimann, in: SAPMO-BA SgY 1097; Michael Kubina, „Was in dem einen Teil...", S. 427 ff. An der Spitze des PV der KPD stand im April 1948 Max Reimann (18981977) mit seinen beiden Stellvertretern Kurt Müller (1903-1990) und Walter Fisch (1910-1966). K. Müller, 1920 KPD, 1950 Verhaftung durch das MfS, Verurteilung 1953, bis 1955 in Haft und seit 1960 in der Bundesrepublik in der SPD. W. Fisch, 1930 KPD, nach 1945 Vorsitz der KPD in Hessen. Vgl. Entscheidungen der SED 1948, S. 21 f.; Sitzung des ZS der SED vom 21. August 1947, in: SAPMO-BA DY 30IV 2/2.1/119. Vgl. Carola Stern, Porträt einer bolschewistischen Partei, S. 66 f.; Notizen zur AG und zur Westkommission 1947-1952 Franz Dahlems, in: SAPMO-BA NY 4072/215. Auseinandersetzungen mit den Westgenossen waren damals an der Tagesordnung. Zu unterschiedlich waren die Verhältnisse in Ost und West, als daß man sich ohne Probleme auf eine gemeinsame nationale Strategie einigen konnte. Kontrolle und Führungsanspruch von SED und SMAD über die KPD mußten wiederholt eingefordert werden. Die Kritik an der Arbeit der Westgenossen nahm ständig zu, sie sollten sich um mehr Kohärenz mit der SED bemühen. In den Reihen der KPD gab es hinsichtlich der Wiedervereinigung Verwirrung. Für die WestKommunisten war schwer zu begreifen, daß der Kampf um die nationale Einheit Klassenkampf sei, der mit den „national gesinnten Unternehmern" geführt werden sollte. Vgl. Michael F. Scholz, Bauernopfer der deutschen Frage, S. 88. Die SED-Spitze erreichte Ende 1951 ein detaillierter, geheimer Bericht über Ausführungen vom Bundesminister des Innern Dr. Robert Lehr über die Finanzquellen der KPD, der FDJ, des VVN, der DSF und der Sozialdemokratischen Aktion in Westdeutschland. Vgl. SED-Hausmitteilung vom 18. Dezember 1951, in: SAPMO-BA NY 4036/649/B1. 271-289. Vgl. ZS-Sitzung Ende Dezember 1948, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2.1/258; Carola Stern, Porträt einer bolschewistischen Partei, S. 67.

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Beginn und Aufbau der Westarbeit

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D a s Zentralsekretariat der S E D behandelte die Bildung einer „Westkommission" erstmals am 31. August 1948. 2 1 Aber erst ein halbes Jahr später, im Februar 1949, konstituierte sie sich. D i e Leitung der „Westkommission beim Zentralsekretariat der S E D " übernahm Franz Dahlem; Karl Schirdewan 2 2 , Bruno Haid 2 3 und Bruno Fuhrmann 24 wurden seine Stellvertreter. 25 D i e Kommission wurde in sechs Sachgebiete mit folgenden Verantwortlichen unterteilt: 26 Referat KPD: verantwortlich Bruno Fuhrmann; Referat SPD: verantwortlich Hermann Zilles 2 7 ;

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Vgl. Sitzungsprotokoll, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2.1/105; Michael Kubina, „Was in dem einen Teil...", S. 484 ff. K. Schirdewan (Jahrgang 1907), 1925 KPD, 1932 Vorsitz des KJVD in Ostpreußen, ab 1933 illegale Arbeit, 1934 verhaftet und bis 1945 Häftling im KZ Sachsenhausen, 1945 Mitarbeiter des PV dann des ZK der SED, ab 1953 PB des ZK der SED, 1958 wegen „Fraktionstätigkeit" aus SED ausgeschlossen, dann Leiter der Staatlichen Archivverwaltung in Potsdam. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 639 f.; K. Schirdewan, Aufstand gegen Ulbricht, Berlin 1994. B. Haid (1912-1993), Jurist, 1930 SPD, 1931 KPD, Emigration nach Frankreich und Mitarbeiter der KPD-Auslandsleitung in Paris, 1940 interniert, Résistance, nach 1945 Mitarbeiter beim PV bzw. ZK der SED, bis 1952 Westkommission beim PV/ZK, dann im Justizdienst und 1958 seiner Funktion als Generalstaatsanwalt („Kampf gegen Feinde der DDR vernachlässigt") enthoben. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 268. B. Haid gehörte neben Richard Stahlmann und Ernst Wollweber zu den Hauptverantwortlichen für den Aufbau des geheimdienstlichen konspirativen SED-Westapparates nach 1945. Während Stahlmann fur den Grenzapparat zuständig war, Wollweber für den Nachrichtenapparat, konzentrierte sich Haid auf den parteieigenen Abwehrapparat. Damit fielen in Haids Kompetenzen z. B. die Abwehrarbeit gegen die Ostbüros von SPD und CDU. Deshalb auch seine Verantwortlichkeit für die „bürgerlichen Parteien". Vgl. Michael Kubina, Die Schaffung von strukturellen Voraussetzungen ..., S. 41-47. B. Fuhrmann (1907-1979), 1925 KPD, 1929/30 Jugendschule der KJI in Moskau, 1933 verhaftet, 1936 Flucht in die CSR, dann Schweiz, dort seit 1940 interniert, 1945 illegale Einreise nach Deutschland, dann Mitarbeiter des PV der SED, 1950 aller Parteifunktionen („Field-Affäre") enthoben, 1956 rehabilitiert. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 207. Vgl. Michael Kubina, „Was in dem einen Teil...", S. 485, 500; Entscheidungen der SED 1948. Aus den Stenographischen Niederschriften der 10. bis 15. Tagung der Parteivorstandes der SED wird auf Seite 530 ohne Angaben von Quellen geschrieben: „Für die Westabteilung waren Otto Grotewohl, Walter Ulbricht, Paul Merker, Franz Dahlem und Helmut Lehmann als Mitglieder des ZS verantwortlich. ..." Nicht zutreffend ist die Behauptung bei Monika Kaiser, die Westkommission wäre erst nach DDR-Gründung entstanden. Der Autorin folgend soll die Westkommission eine Art Zwitterstellung - sowohl ZK-Abteilung als auch Politbürokommissioneingenommen haben. Vgl. Monika Kaiser, S. 82. Vgl. Sekretariatssitzung vom 2. Februar 1949, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/2; Sitzung vom 21. Februar 1949, in: ebenda, DY 30 J I V 2/3/6; Sitzung vom 9. September 1949, in: ebenda, DY 30 J I V 2/3/51. H. Zilles (1903-1956), 1930 KPD, ab 1933 im illegalen Widerstand, Emigration in der Niederlande, inhaftiert und KZ Buchenwald, nach 1945 KPD-Funktionär in NRW, KPD-Vertreter im SED-PV, Übersiedlung in SBZ/DDR, Mitarbeiter im PV und im ZK der SED, 1953 wegen

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Referat Information und „bürgerliche Parteien": verantwortlich Bruno Haid; Referat Presse, Rundfunk, Agitation: verantwortlich Erich Glückauf28; Referat Gewerkschaften und Massenorganisationen: verantwortlich Walter Hähnel29; Referat Wirtschaft und Verwaltung: zunächst unbesetzt. Die Westkommission wurde in den folgenden Jahren immer wieder umgebildet und personell sehr erweitert.30 Nach der Auflösung der Arbeitsgemeinschaft SED-KPD übernahm sie auch wesentliche Anleitungs- und Kontrollfunktionen über den KPDParteivorstand. Die Referate-Einteilung verdeutlicht aber, daß das Spektrum der Tätigkeit der Westkommission weiter gefaßt war. Das Sammeln und Auswerten von Informationen über die Parteien, Organisationen und über die Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik, das Initiieren von Aktionen zur „Herstellung einer gemeinsamen Front von KPD, SPD und fortschrittlichen bürgerlichen Kräften zur Beseitigung der Adenauerregierung" oder das Erstellen und Darstellen eigener politischer Standpunkte bzw. Popularisieren von Reden und Schriften der Vertreter der sowjetischen oder DDRFührung gehörten zum Arbeitsalltag der Mitglieder der Westkommission.31 Die große Bedeutung des SED-Westapparates kam darin zum Ausdruck, daß ausschließlich ehemalige Kommunisten die Führungsposten des zentralen Westapparates besetzten. Ehemalige Sozialdemokraten hatten keine Schlüsselpositionen inne. Einige wenige Führungsfunktionen wurden mit Moskau-Emigranten besetzt; die Mehrzahl der „Kader" im Bereich der Westarbeit kam nicht direkt aus der sowjetischen Emigration. Die Funktionäre der Westarbeit hatten vor 1945 zumeist in Spanien, Frankreich oder Skandinavien in den konspirativen Apparaten der KPD oder teilweise direkt für den sowjetischen Geheimdienst gearbeitet.

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„mangelnder Wachsamkeit" aller Funktionen verlustig. Vgl. So funktionierte die DDR, Bd. 3, S. 385; Michael Kubina, „Was in dem einen Teil...", S. 486. Das Kleine Sekretariat des PB beschloß am 9. Juni 1949, daß E. Glückauf in der Westkommission das angegebene Referat zu übernehmen habe. Vgl. „Kaderakte" E. Glückauf, in: SAPMO-BA DY 30 IV2/11/V 2525. E. Glückauf (1903-1977), 1922 KPD, Politischer Redakteur beim Pressedienst des ZK der KPD, ab 1933 illegale Arbeit, 1936-1939 Internationale Brigaden in Spanien, Kominternmitarbeiter, Exil in Belgien, Norwegen, Schweden, dort Tätigkeit für den sowjetischen Geheimdienst, 19461950 SED-Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern, 1961-1968 Mitglied des PB des ZK der illegalen KPD, dann ZK der SED. Vgl. ebenda. W. Hähnel war seit den zwanziger Jahren Mitarbeiter des Nachrichtenapparates der KPD; 19351938 war er in Moskau und ging dann im Parteiauftrag nach Frankreich. Im Juli 1945 kehrte er nach Berlin zurück. Vgl. Michael Kubina, „Was in dem einen Teil...", S. 418 f. Ein erster Beschluß über die personelle Erweiterung der Westkommission nach Gründung der DDR stand im Zusammenhang mit der Entscheidung zum Auf- und Ausbau der Westapparate der staatlichen Institutionen (Ministerien) und Massenorganisationen. Diese sollten zentral bei der Westkommission koordiniert werden. Vgl. ebenda, S. 487. Vgl. Sitzungsprotokoll der Westkommission am 11. und 24. November 1949; Materialien der Westkommission von März bis Dezember 1949, in: SAPMO-BA NY 4182/867. Vgl. Michael Kubina, „Was in dem einen Teil...", S. 493.

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Beginn und Aufbau der Westarbeit 1948 bis Ende 1950

Nachdem im Januar 1949 aus dem Zentralsekretariat der SED das Politische Büro der SED geworden war, fand unter den sieben Mitgliedern und zwei Kandidaten des Politbüros eine Umverteilung der Zuständigkeiten statt. Franz Dahlem behielt das Aufgabengebiet „Verbindung mit dem Westen".33 Im Oktober 1949 entband ihn das Politbüro von dem einflußreichen Aufgabenbereich Personal-(Kader-) Politik, damit er sich, so die Begründung, ganz seinen Aufgaben für den Westen widmen könne.34 Beim Parteivorstand, ab Sommer 1950 Zentralkomitee, installierte die SED-Führung im April 1949 mit der „Bildung einer Kommission für Außenpolitische Fragen beim Parteivorstand der SED" eine weitere Abteilung, die u. a. auch mit „Westarbeit" betraut wurde.35 Zu den Mitgliedern der Außenpolitischen Kommission gehörten: Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Walter Ulbricht, Franz Dahlem, Josef Orlopp, Georg Handke36, Paul Wandel, Herbert Warnke, Erich Honecker, Maria Rentmeister. Zur Koordinierung der Tätigkeit wurde ein Sekretariat bei der Kommission gebildet, an dessen Spitze man Leo Zuckermann37 stellte.38 Das SED-Politbüro umschrieb die Aufgaben der „Außenpolitischen Kommission" so: „ständiges Verfolgen und Analysieren der laufenden Beziehungen Deutschlands, sowohl der sowjetischen Besatzungszone als auch der westlichen Zonen, zu auswärtigen Staaten", „aufklärende Tätigkeit in Deutschland über die Außenpolitik der Sowjetunion" und „aufklärende Tätigkeit über die Entwicklung und die Politik in beiden Teilen Deutschlands im Auslande". 9 Bei der Erfüllung der Vorgaben in der Westarbeit darf auch die im September 1949 gebildete „Propagandakommission beim Parteivorstand der SED" nicht übersehen wer-

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Vgl. PB-Sitzung vom 15. Februar 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/3. Franz Dahlem wurde Mitglied des Kleinen Sekretariats des Politbüros. Die Leitung der Westarbeit blieb auch dort in seinem Verantwortungsbereich. Vgl. „Kaderakte" F. Dahlem, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/11N 5280-1. Bereits im Februar 1947 hatte Albert Norden dem ZS der SED vorgeschlagen, ein „Außenpolitisches Büro" zur „systematischen Beschaffung und Auswertung sämtlicher im Ausland über die deutsche Frage und Deutschland erscheinenden Informationen" einzurichten. Vgl. Brief Nordens an das ZS vom 2. Februar 1947, in: SAPMO-BA NY 4217/14/B1. 1-5. G. Handke (1894-1962), Bankkaufmann, 1918 KPD, bis 1933 Redakteur verschiedener kommunistischer Zeitungen, Mitglied der illegalen Inlandsleitung der KPD, 1934-1945 Zuchthaushaft, nach 1945 u. a. Präsident der Zentralverwaltung für Handel und Versorgung und Stellvertretender Vorsitzender der DWK, 1949/52 Minister für Außenhandel und Materialversorgung bzw. für Innerdeutschen und Außenhandel, 1953-1959 StS im MfAA. Vgl. „Kaderakte" und Nachlaß G. Handke, in: SAPMO-BA DY 30IV 2/11/V 145 und NY 4128/1-5. L. Zuckermann (1908-1983), jüdischer Herkunft, 1927 KPD, 1932 Dr. jur., 1933 Emigration Frankreich, Spanien, 1941-1947 Exil in Mexiko, 1947 SED, ZK-Abteilung Staatliche Verwaltung, 1949 StS und Chef der Präsidialkanzlei von Pieck, November 1950 Demission unter dem Druck der Überprüfung von Westemigranten und jüdischer Kommunisten, Dezember 1952 Flucht in die BRD und Übersiedlung nach Mexiko. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 829. Vgl. Sekretariatssitzung am 12. April 1949 und Bildung einer außenpolitischen Kommission beim PV der SED vom 23. April 1949, in: SAPMO-BA DY 30 J I V 2/3/19 und NY 4072/211. Sekretariatssitzung vom 12. April 1949, in: SAPMO-BA DY 30 J I V 2/3/19.

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den.40 Mitglieder dieser Kommission wurden die SED-Funktionäre Kurt Hager41 als Vorsitzender, Anton Ackermann42, Fred Oelßner43, Joseph Winternitz, Hans Teubner, Karl Fugger, Heinz Hoffmann und Rudolf Dölling44. Zu ihren Pflichten gehörte in erster Linie das Konzipieren und Erstellen von Propaganda- und Agitationsmaterialien für das „Verbreiten des Moskauer- und SED-Standpunktes in allen Fragen, die das Deutschlandproblem" betrafen. Die Tätigkeit des DDR-Geheimdienstes war zu einem erheblichen Teil auf den Westen Deutschlands ausgerichtet. Die SED schuf sich mit dem Ministerium für Staatssicherheit ihr wichtigstes Instrument zur Überwachung der ostdeutschen Bevölkerung und zur Unterdrückung jeder Form innerer Opposition. Seine weiteren Kernaufgaben waren die einer politischen Geheimpolizei, eines Spionageabwehr- und Auslandsnachrichtendienstes und eines strafprozessualen Untersuchungsorgans. Das Ministerium für Staatssicherheit wurde offiziell am 8. Februar 1950 durch ein Gesetz der Volkskammer gegründet. Dem ging am 24. Januar 1950 der entsprechende Beschluß des SEDPolitbüros voraus. Eigentliche Schöpfer des MfS waren die sowjetischen Sicherheitsorgane (NKWD; militärische Spionageabwehr „Smersch"), die nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone in der Deutschen Zentralverwaltung des Inneren (August 1946) eine politische Polizei, als Teil der Kriminalpolizei - bezeichnet als K 5 - schufen. Die Einheiten der K 5 fungierten in erster Linie als Hilfsorgane der sowjetischen Staatssicherheitsgremien in der SBZ. Sie waren eine absolute Domäne der kommunistischen Kaderpolitik. Auf Initiative von Walter Ulbricht und Erich Mielke (Vizepräsident der DVdl) sowie mit Zustimmung der KPdSU-Führung löste man im Mai 1949 den K 5 - Bereich aus der Kriminalpolizei heraus und schuf sich einen eigenständigen Apparat, der im Februar 1950 den Grundstock des MfS bildete. In das Staatssicherheitsministerium gingen 40 41

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Vgl. PB-Sitzung vom 12. September 1949, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/52; Erich Woitinas, S. 67 f. K. Hager (1912), 1930 KPD, journalistische Tätigkeit, Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg (Mitarbeit Radio Madrid), Exil in England, 1946 Rückkehr nach Deutschland. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 265 f. A. Ackermann (1905-1973), hochrangiger kommunistischer Funktionär, 1926 KPD, 1928-1933 in Moskau, Mitarbeiter in der KI, Mitglied des ZK der KPD, 1935-1940 Paris, Mitglied des vorbereitenden Ausschusses für eine Deutsche Volksfront, ab 1940 in Moskau, 1945 Leiter der „Gruppe Ackermann", Mitglied des ZS und des PV der SED. Vgl. „Kaderakte" A. Ackermann, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/11/V 1370. F. Oelßner (1903-1977), 1920 KPD, 1926-1932 zur Parteischulung in Moskau, propagandistisch tätig, Emigration nach Prag, Paris, ab 1935 in Moskau, 1945 als Mitglied der Gruppe „Ackermann" nach Berlin zurück, Aufbau der ZK-Abteilung Agitation und Propaganda, Mitglied des ZS und des PB der SED; galt bis 1958 als Chefideologe der SED. Vgl. „Kaderakte" F. Oelßner, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/11/V 2562. Vgl. die biographischen Daten der Funktionäre in: Wer war Wer in der DDR, S. 798 f., 731, 205, 317 f., 140. Vgl. Jens Gieseke, S. 3, 9.

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auch Geheimstrukturen des SED-Parteiapparates (der Grenzapparat/Abteilung Verkehr, der Nachrichten- und Abwehrapparat) ein. Ihr „Westnetz" bildete mit die Basis für die Auslandsspionage der DDR.46 Wilhelm Zaisser wurde als Minister für Staatssicherheit berufen. Erich Mielke fungierte als Staatssekretär und Stellvertreter Zaissers. Für den Bereich der „Aufklärung", als geheimdienstliches Angriffsziel jener Zeit galten West-Berlin und Westdeutschland, wurde auf Beschluß der SED-Parteiführung am 16. August 1951 der ,Außenpolitische Nachrichtendienst (APN)" gegründet, der getarnt als „Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung" unter unmittelbarer Anleitung sowjetischer Geheimdienstoffiziere seine Arbeit aufnahm. Die Leitung des APN lag in den Händen von Anton Ackermann, Kandidat des SED-Politbüros und Staatssekretär im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Zu den aktivsten Mitarbeitern zählte damals neben Richard Stahlmann4 bereits Markus Wolf 48 . Das MfS hatte bis 1953 (noch) nichts mit dem Außenpolitischen Nachrichtendienst zu tun. Er wurde erst im September 1953 als Hauptabteilung XV (ab November 1955 Hauptverwaltung Aufklärung - HV A) in das Staatssicherheitsministerium eingegliedert.49 Da es beim DDR-Geheimdienst von Anfang an eine nicht zu trennende Einheit zwischen „ A b w e h r - " und „Aufklärungsarbeit" gegeben hatte, war die Westarbeit („Arbeit im Operationsgebiet") eine Gesamtaufgabe des MfS. Angesichts der ungewissen Zukunft der deutsch-deutschen Staatlichkeit, der bis 1961 offenen Grenze und der vielfaltigen Beziehungen zwischen Ost- und Westdeutschen war es naheliegend, innere und äußere Arbeit als Gesamtaufgabe zu begreifen und sie aus einem einheitlichen Apparat zu betreiben.50

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Vgl. ebenda, S. 7 ff.; Michael Kubina, „Was in dem einen Teil...", S. 446-482. R. Stahlmann, eigentlich Artur Iiiner (1891-1974), 1919 KPD, Leitung des militär-politischen Apparates der KPD, 1924-1925 Geheimdienstausbildung in der UdSSR, illegale Einsätze in Frankreich, China usw., Mitarbeiter der KI, Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg, seit 1940 in illegaler KPD-Auslandsleitung in Stockholm, 1946 Rückkehr nach Deutschland, Aufbau des Polizei- und KPD/SED-Abwehrapparates, 1953-1958 stellvertretender Leiter der HV Aufklärung. Vgl. Wer war wer im Ministerium für Staatssicherheit, S. 68. M. Wolf (Jahrgang 1923), mit seiner Familie seit 1934 in sowjetischer Emigration, 1942 KPD, 1945-1949 Mitarbeiter beim Berliner Rundfunk, seit 1951 Mitarbeiter im APN, seit 1953 Leiter der HA XV (ab 1956 HV A) im MfS. Vgl. ebenda, S. 77 f. Vgl. Karl Wilhelm Fricke, Ordinäre Abwehr - elitäre Aufklärung?, S. 17 f. Vgl. Hubertus Knabe, S. 7 f. Nach Abschluß der Aufbauphase (1952) verfügte das MfS über 14 Abteilungen, darunter eine Abteilung II: Arbeit in Westdeutschland. Aber auch die Mehrzahl der anderen Abteilungen - wie Abteilung IV Spionageabwehr, Abteilung V Politischer Untergrund, Parteien, Kirchen oder Abteilung VII Festnahmen/Observation - waren in die Westarbeit eingebunden. Vgl. Jens Gieseke, S. 11 f.

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B. Deutscher Volksrat und Nationale Front Der am 18. März 1948 auf dem 2. Deutschen Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden „gewählte" Erste Deutsche Volksrat hatte an seine Spitze ein Präsidium mit 20 Mitgliedern gestellt. Wilhelm Pieck (SED), Wilhelm Külz (LDP) und Otto Nuschke (CDU) bildeten den Vorstand des Präsidiums. Für die laufende Arbeit der Volkskongreßbewegung und des Deutschen Volksrates sowie zur Koordinierung der Arbeit der Ausschüsse mußte ein Sekretariat eingerichtet werden. Wilhelm Pieck schlug auf einer außerordentlichen Sitzung des SED-Zentralsekretariats am 18. März 1948 der Parität entsprechend Walter Ulbricht und Erich W. Gniffke als Vorsitzende des Sekretariats des Deutschen Volksrates vor. Gniffke wehrte sich gegen eine Kopplung mit Ulbricht mit den Hinweisen, sein paritätischer Partner wäre erstens Dahlem und zweitens gäbe es bei der Leitung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) auch keine Parität mehr.51 Er wäre damit einverstanden, den Vorsitz des Sekretariats allein zu übernehmen. So wurde Gniffke als Mitverantwortlicher für die Westarbeit im SED-Zentralsekretariat alleiniger Vorsitzender des Sekretariats des Ersten Deutschen Volksrates.52 Nach Gniffkes Flucht in die westlichen Besatzungszonen im Oktober 1948 übernahm zum Ende des Jahres der ,Altkommunist", langjährige Reichstagsabgeordnete und nach 1945 sächsischen SED-Landesvorsitzender Wilhelm Koenen5 das Amt des Sekretariatsvorsitzenden. Wilhelm Koenen hatte damals ein Alter von 62 Jahren. Eine parteiinterne Einschätzung zu Beginn der fünfziger Jahre charakterisierte Wilhelm Koenen als „guten Verhandlungspartner", der bemüht war, immer die Linie der Partei durchzusetzen. „Im Umgang mit den Menschen ist er entgegenkommend, kameradschaftlich."54 Wilhelm Koenen hatte dann auch den Vorsitz des Sekretariats des Zweiten Deutschen Volksrates, „gewählt" auf dem 3. Volkskongreß am 18. März 1949, inne. Mit der Umbildung der Volkskongreßbewegung zur Nationalen Front wurde er im Februar 1950 Präsidi-

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Der Kommunist Heinrich Rau hatte 1948/49 den alleinigen Vorsitz der DWK. Vgl. Wolfgang Zank, S. 265, 282. Vgl. Erich W. Gniffke, S. 298 ff.; Manfred Koch, S. 356. W. Koenen (1886-1963), 1903 SPD, seit 1920 KPD, 1919 bis 1932 Abgeordneter der Nationalversammlung, dann des Deutschen Reichstages, bis 1933 auch im Preußischen Landtag, Mitglied des ZK der KPD, 1933 von den Nationalsozialisten als Mitbrandstifter im Reichstagsbrandprozeß verfolgt, Koenen floh nach Frankreich, später in die CSR; in Paris organisierte er mit Ulbricht und Dahlem die deutsche Volksfrontbewegung, 1938 Emigration nach Großbritannien; in London Kontakt zu sozialdemokratischen Emigranten, z. B. zu Erich Ollenhauer und Fritz Heine, 1940 bis 1942 interniert in Großbritannien und Kanada, 1945 Rückkehr nach Deutschland, Mitglied des SED-Parteivorstands. Vgl. Erinnerungsbericht W. Koenen, in: SAPMO-BA SgY 0493; „Kaderakte" W. Koenen, in: ebenda DY 30 IV 2 / 1 W 225 und Nachlaß W. Koenen, in: ebenda N Y 4074/25 und 31. In: „Kaderakte" W. Koenen, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/11/V 225.

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umsmitglied des Nationalrats der Nationalen Front und bis Anfang 1953 Vorsitzender im Büro des Präsidiums des Nationalrats der Nationalen Front.55 Im Vorfeld der Berufung von Wilhelm Koenen zum Leiter des Büros des Präsidiums des Nationalrates muß es eine Diskussion der Politbürospitze (Wilhelm Pieck) bei Semjonow um seine Person gegeben haben. Pieck notierte am 24. Dezember 1949: „Leitung des Nationalrats der Nationalen] Front stärkere Kraft als W. Koenen". 56 Und dreieinhalb Wochen später, am 18. Januar 1950, wieder nach einer Besprechung zwischen Pieck und Semjonow, hielt der SED-Funktionär fest: „Leitung Nationalrat der N a t i o n a l e n ] Front des demokr.fatischen) Deutschland aktiver Genosse Bernhard Koenen." 57 Vermutlich war die sowjetische Führung mit der Besetzung der Spitzenposition im Nationalrat durch Wilhelm Koenen nicht einverstanden und schlug deshalb dessen drei Jahre jüngeren Bruder Bernhard vor. Bernhard Koenen hatte eine ähnliche politische Entwicklung wie sein Bruder genommen. 58 Jedoch mit dem einen bedeutenden Unterschied: Seine Parteikarriere hatte als einzige Emigrationsstation von 1933 bis 1945 die UdSSR aufzuweisen. Da störte es die sowjetischen Funktionäre nicht, daß Bernhard Koenen zwischen 1937 und 1939 zwei Mal vom sowjetischen Sicherheitsdienst NKWD in Moskau verhaftet worden war. 59 „Westemigranten" waren den Sowjets verdächtiger. Trotz dieses Makels der Westemigration wurde Wilhelm Koenen Leiter des Büros des Sekretariats des Nationalrates. Diese Position verlor Koenen im Mai 1953. Säuberungen in der SED-Parteispitze 60 und eine überzogene Agentenhysterie im Zusammenhang mit den „Westemigranten" in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre waren sicher auch Gründe für die Absetzung von Wilhelm Koenen. In seiner „Kaderakte" fanden sich für Mai 1953 Notizen, die aus Meldungen westdeutscher Zeitungen stammten. Danach soll sich der Vorsitzende des Sekretariats der Nationalen Front Wilhelm Koenen seit Januar 1953 unter Aufsicht des Staatssicherheitsdienstes im Volkspolizei-Krankenhaus in der Berliner Scharnhorststraße aufgehalten haben. Die Zentrale Partei-Kontroll-Kommission der SED beschuldigte ihn, „durch Überschreitung und ei55

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Am 3. Februar 1950 konstituierte sich in Berlin als repräsentatives zentrales Organ der Nationalen Front ein „Nationalrat". Dem Nationalrat gehörten anfangs 65 Mitglieder aus den Parteien und Massenorganisationen an. Beim Nationalrat wurde ein Sekretariat, nach August 1950 ein Büro des Präsidiums, gebildet. Vgl. So funktionierte die DDR, Bd. 2, S. 723, 731. Piecks Notizen der Besprechung mit Semjonow, in: SAPMO-BA NY 4036/736/B1. 19. Ebenda, Bl. 31. B. Koenen (1889-1964), 1907 SPD, 1917 USPD und 1920 KPD, Redakteur verschiedener KPDZeitungen, 1922-33 Mitglied des Landtags der Provinz Sachsen und 1924-1929 des Preußischen Staatsrats, 1933 nach Moskau, u. a. Lehrer an einer Komintern-Schule, 1943 Mitglied des ZK der KPD und Arbeit als Lehrer in Antifa-Kursen für deutsche Kriegsgefangene, nach 1945 u. a. 1. Sekretär der SED-Landesleitung in Sachsen-Anhalt, Mitglied des Deutschen Volksrates und der Volkskammer, dann Botschafter in der CSR. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 390. Vgl. Hermann Weber, „Weiße Flecken" in der Geschichte, S. 102. Auch im Mai 1953 schaltete Ulbricht seinen schärfsten Gegenspieler Franz Dahlem aus; im Juli 1953 wurden Zaisser und Herrnstadt aus allen Positionen entfernt und im Januar 1954 folgten Anton Ackermann, Hans Jendretzky und Elli Schmidt. Vgl. Hermann Weber, DDR. Grundriß der Geschichte 1945-1990, S. 55.

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genmächtige Personalpolitik, [die] Zerschlagung kommunistischer Tarnorganisationen in der BRD verschuldet zu haben"61. Auf der 13. SED-ZK-Tagung im Mai 1953 erhielt Koenen eine Rüge „wegen mangelnder politischer Wachsamkeit". 2 Nachfolger im Amt des Vorsitzenden vom Büro des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front wurde der ehemalige Persönliche Sekretär Franz Dahlems, Hans Seigewasser.63 Für die laufende politische Arbeit hatten sich sowohl beim Ersten (März 1948) als auch beim Zweiten Deutsche Volksrat (März 1949) ständig arbeitende Ausschüsse gebildet. Für die Arbeit nach Westdeutschland war kein Ausschuß, sondern eine Westkommission direkt beim Sekretariat des Zweiten Deutschen Volksrates eingerichtet worden. Diese tagte am 12. Mai 1949 zum ersten Mal.64 Mitglieder in der Westkommission beim Volksrat waren Vertreter aller Parteien (SED, CDU, LDP, NDP, DBD) und Massenorganisationen (FDGB, DFD, KB, FDJ, VdgB) sowie jeweils ein Vertreter der Deutschen Wirtschaftskommission und des Rundfunks.65 Zu den ersten Aufgaben der Kommissionsmitglieder zählte eine Bestandsanalyse in Form von Erfahrungsberichten und dem Auflisten ihrer Westverbindungen.66 Von Anlaufschwierigkeiten bei der Arbeit der Westkommission des Volksrates zeugte eine Besprechung von Verantwortlichen der Kommission mit zwei SMADOffizieren. Fast sechs Wochen nach deren konstituierender Tagung am 25. Juni 1949 forderte ein Major Mischin: „... sofortige Bildung einer Westabteilung mit starker Besetzung. Der Leiter dieser Abteilung muß große Vollmachten haben und direkte Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden des Sekretariats [des] Deutschen Volksrates, Herrn Koenen, [ausüben]." Vorteihaft wäre, so Major Mischin weiter, wenn der Leiter dieser Abteilung aus einer der Massenorganisationen käme. Sein Vorschlag galt dem zweiten Vorsitzenden des FDGB Bernhard Göring. Auf jeden Fall sollte es nach SMAD-Vorstellungen ein Mann „mit Kenntnis und Einfluß auf die westdeutschen Verhältnisse" sein.67 Die Sitzungen der Westkommission leitete ein Albert Rada68 vom Büro des Sekretariats des Volksrates.69 Konkrete personelle und institutionelle Strukturen der Westarbeit 61 62 63 64

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„Kaderakte" W. Koenen, in: SAPMO-BA D Y 3 0 I V 2 / 1 1 / V 225. Vgl. Carola Stern, Porträt einer bolschewistischen Partei, S. 307 f. Auch Franz Dahlem, PB-Verantwortlicher für die Westarbeit, verlor wegen „politischer Blindheit gegenüber der Tätigkeit imperialistischer Agenten" im Mai 1953 alle Parteifunktionen. Weitere Sitzungen der Westkommission beim Deutschen Volksrat fanden statt: 17., 18. und 24. Mai, 29. Juni, 5. Juli und am 6. Oktober 1949. Vgl. die Berichte, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494 und DY 6 vorl. 2398. Vgl. 6. Sitzung der Westkommission am 5. Juli 1949, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494. Vgl. Arbeitsplan für unsere Arbeit nach Westdeutschland, Juni 1949, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494. Vgl. Besprechung mit Hauptmann Sawosin und Major Mischin, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494. Zu der Person Albert Rada konnten keine Angaben ermittelt werden. Anfang der fünfziger Jahre war er als Oberreferent in der Westabteilung der Nationalen Front angestellt. Vgl. Personalstruktur 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 3279.

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bei der Nationalen Front bildeten sich in der zweiten Hälfte des Jahres 1949 heraus und erreichten zu Beginn des Jahres 1950 erste feste Formen. Die Volkskongreßbewegung ging von Oktober 1949 bis Januar 1950 in die Nationale Front über, die nun einer strafferen Organisation unterlag. Das SED-Politbüro bestimmte am 6. Dezember 1949, die bisherigen Volksausschüsse der Volkskongreßbewegung in Ausschüsse der Nationalen Front des demokratischen Deutschland umzuwandeln.70 Am 7. Januar 1950 verabschiedete das Sekretariat des Deutschen Volksrates den Beschluß, sich als Sekretariat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland zu konstituieren.71 Im Selbstverständnis der Sekretariatsmitglieder war man im Kampf um die Einheit Deutschlands mit der Nationalen Front über die Volkskongreßbewegung hinausgegangen und hatte „aus den Reihen der Intelligenz, der früheren Pg's [ehemalige Mitglieder der NSDAP] und der Unternehmer ... für die nationale Zusammenarbeit" neue Mitstreiter gefunden.72 Formal oberstes Leitungsgremium wurde der Nationalkongreß73. Eigentliches repräsentatives Führungsgremium war der Nationalrat, der sich am 3. Februar 1950 in OstBerlin konstituierte. Ihm gehörten 65 Mitglieder aus allen Parteien und Massenorganisationen an. Knapp die Hälfte der Mitglieder kam anfanglich aus Westdeutschland.74 Zum ersten Präsidenten des Nationalrates der Nationalen Front bestimmte die SEDFührung im August 1950 den 54jährigen, parteilosen und für den politischen Kurs in der Nationalen Front bedeutungslosen Chemiker Erich Correns75.

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Vgl. Sitzungsbericht vom 5. Juli 1949, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494. Vgl. PB-Sitzung vom 6. Dezember 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/59; „Vom Volkskongreß zur Nationalen Front", in: Deutschlands Stimme vom 14. Oktober 1949, S. 1. Vgl. Helmut Neef, S. 140 f. „Die Landes-, Kreis- oder Ortsausschüsse der Nationalen Front des demokratischen Deutschland werden nicht nur die bisher von ihnen als Volksausschüsse für Einheit und gerechten Frieden geleistete Arbeit für den nationalen Aufbau verstärkt fortsetzen, sondern sich durch eine noch breitere nationale Politik mit allen Kräften für die Demokratisierung eines friedlichen Deutschlands einsetzen ..." Entwurf für einen Beschluß des Sekretariats der Volkskongreßbewegung, Sekretariatssitzung vom 6. Januar 1950, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/76/B1. 15-16; vgl. „Offizier und Nationale Front", in: Deutschlands Stimme vom 14. Oktober 1949, S. 3; Ernst Niekisch, „National - nicht nationalistisch", in: ebenda vom 28. Oktober 1949, S. 3. Vorläufer des Nationalkongresses waren die drei Volkskongresse. Der I. „Nationalkongreß der Nationalen Front" fand am 25./26. August 1950 in Berlin statt; der II. am 15./16. Mai 1954; der III. vom 20.-22. September 1958; der IV. am 16./17. Juni 1962 und der letzte Kongreß der NF am 21./22. März 1969. Vgl. Helmut Neef, S. 153 ff., S. 202 ff., S. 278 ff.; So funktionierte die DDR, Bd. 2, S. 730 f. Vgl. Mitgliederliste des Nationalrates 1950 (43 Namen) und Liste der Nationalratsmitglieder aus Westdeutschland vom September (33 Namen) bzw. Dezember (31 Namen) 1950 in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 8/1 und DY 6 vorl. 5435 und PB-Sitzung vom 24. Januar 1950, in: ebenda DY 30 IV 2/2/68; vgl. auch Wilhelm Koenen, Zur Bildung des Nationalrates der Nationalen Front des demokratischen Deutschland, S. 193-203. E. Correns (1896-1981), Studium der Chemie, Physik und Botanik, 1922 Dr. phil., in den zwanziger Jahren Industriechemiker bei IG-Farben in Elberfeld, in den dreißiger Jahren Betriebsleiter

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An die Spitze des Nationalrates wurde ein Präsidium gestellt. Ihm gehörten die Vertreter aller Parteien und der größeren gesellschaftlichen Organisationen an. Das waren 1950 u. a. Otto Grotewohl (SED), Otto Nuschke (CDU), Hans Loch (LDPD), Heinrich Homann (NDPD), Ernst Goldenbaum (DBD), Erich Mückenberger (SED/DSF) und Hans Seigewasser (SED).76 Beim Präsidium des Nationalrates richtete das Politbüro der SED im März 1950 ein Sekretariat77 ein, welches ab August 1950 als Büro des Präsidiums bezeichnet wurde. In diesem Sekretariat / Büro des Präsidiums arbeiteten hauptamtliche Funktionäre aus allen Parteien, die die tägliche Verwaltungsarbeit zu erledigen hatten. Dem Büro des Präsidiums stand ein Leiter vor.78 Wie bereits erwähnt, hatte den Vorsitz vom Büro des Präsidiums des Nationalrats der Nationalen Front des demokratischen Deutschland bis Mai 1953 Wilhelm Koenen und dann Hans Seigewasser inne. Diese Funktion übte immer ein SED-Mitglied aus. Auf Landesebene wurden Ende 1949/Anfang 1950 Landes- und Kreisausschüsse der Nationalen Front des demokratischen Deutschland gebildet79, die ab Mitte 1952 zu Bezirksausschüssen umgewandelt wurden. Analoge Strukturen, wie sie an der Spitze der Nationalen Front aufgebaut wurden, fanden sich in den Ländern (dann Bezirken) und Kreisen in der DDR wieder.80 Das kollektiv-arbeitende „Büro des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front des demokratischen Deutschland" bestand seit März 1950 nach den Vorgaben des SED-Politbüros neben dem Leiter Koenen aus der Stellvertreterin und Verantwortlichen für Organisationsfragen Edith Hauser, einem zweiten Stellvertreter und Verantwortlichen für Agitation Hans Seigewasser, Max Nierich81, verantwortlich für Presse und Information, Fritz Otto, verantwortlich für Personalfragen und Verwaltung, Georg Wil-

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der Zellwolle- und Kunstseide GmbH in Schwarza (Thüringen), 1939 Maßregelung durch NSBehörden, seine Ehefrau starb beim Transport ins KZ, nach 1945 Direktor einer Zellstoff- und Papierfabrik, dann wieder Leiter der Kunstseidenwerke in Schwarza, Correns war anerkannter Experte für Cellulose-Chemie, 1950 bis 1981 Präsident des Nationalrats und Mitglied der Volkskammer. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 121. Vgl. Notizen F. Dahlems, in: SAPMO-BA NY 4072/130/B1. 147. 1950 bestand auch noch ein „Geschäftsführender Ausschuß". Auch dort waren Mitglieder aller Parteien vertreten. Vgl. So funktionierte die DDR, Bd. 2, S. 731. Vgl. Sekretariatssitzung vom 27. März 1950, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/96. Vgl. Vgl. So funktionierte die DDR, Bd. 2, S. 723 f , 731. Die Landesausschüsse der NF wurden 1950 geleitet: in Sachsen-Anhalt von Adam Wolfram (SED); in Sachsen von Otto Schön (SED); in Thüringen von Erich Mückenberger (SED); in Mecklenburg von Karl Mewis (SED); in Brandenburg von Dr. Otto Korfes (NDPD); in OstBerlin von Prof. Dr. Theodor Brugsch (ptl.), 2. Vorsitzender Ernst Hoffmann (SED). Vgl. SAPMO-BA NY 4090/517/B1. 18. Vgl. Siegfried Suckut, Nationale Front, S. 429; So funktionierte die DDR, Bd. 2, S. 731 f. Vgl. zur Vita M. Nierichs (1890-1976) und zu seiner Tätigkeit als Chefredakteur bei den Zeitungen der Nationalen Front („Deutschlands Stimme" und „Stimme des Patrioten"), in: Helmut Müller-Enbergs, S. 295 f.

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heim Jost 82 , verantwortlich für die Westarbeit 83 , und Max Spangenberg, der die Redaktion des Wochenblattes der Nationalen Front „Deutschlands Stimme" zu übernehmen hatte. Zur personellen Verstärkung des Apparates sollte weiter nach geeigneten Funktionären Ausschau gehalten werden. 8 4 A b Mitte des Jahres 1950 firmierte die „Westabteilung", auch als „Abteilung für Verbindungen mit Westdeutschland" bezeichnet, unter dem N a m e n „Abteilung IV" bei der Nationalen Front. Chef der Abteilung IV war, w i e gesagt, Georg Jost. 85 Verantwortlich für Inhalt und Ausführung der Westarbeit in der Nationalen Front waren in den Anfangsjahren also Wilhelm Koenen, Hans Seigewasser, M a x Spangenberg 8 6 und Georg Jost. B i s 1952 festigte sich die Struktur der Abteilung IV, die seit ca. Februar 1952 „Abteilung Gesamtdeutsche Fragen" hieß. V o m Abteilungsleiter bis zur „Handadressenschreibkraft" arbeiteten in dieser Abteilung im Januar 1951 7 7 Personen und 4 0 Instrukteure 87 . 88 Darunter fielen die „Dienststellungen" w i e Abteilungsleiter und Stell-

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Zur Person von Georg Wilhelm Jost konnten bisher, bis auf sein Geburtsdatum, 23. September 1911, keine Angaben ermittelt werden. Jost arbeitete bereits beim Sekretariat des Ersten Deutschen Volksrates. Vgl. Referenteneinsätze in Westdeutschland 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 5940. In der Anfangsphase der Konstituierung der Gremien und Ausschüsse der Nationalen Front (Januar 1950) hatte das Politbüro vorübergehend Franz Dahlem für das Aufgabengebiet „Westfragen" in der Nationalen Front eingesetzt. Vgl. Sekretariatssitzung vom 6. Januar 1950, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/76. Vgl. Sekretariatssitzung vom 13. Juni 1949 und vom 27. März 1950, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/32 und 2/3/96. Vgl. Organisationsstruktur Juni 1950 und Lagebericht über die Entwicklung der Nationalen Front in Westdeutschland Juni 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 1015 und 8/1. Analoge Westabteilung bei der NF wurden in den Ländern und Kreisen der DDR aufgebaut. M. Spangenberg (1907-1987), Feinmechaniker, 1929 KPD, KJVD-Funktionär, 1932/33 politischer Mitarbeiter des EKKI der KJI in Moskau, bis 1935 Mitarbeiter des KJVD in Prag, dann Teilnehmer am spanischen Bürgerkrieg, ab 1939 zur Abschnittsleitung Nord nach Kopenhagen zur illegalen Arbeit beordert, 1946 Rückkehr in die SBZ, Redakteur bei der Deutschen Volkszeitung und dem ND, ab 1955 Abteilungsleiter im ZK, Leiter des Arbeitsbüros der Westkommission des PB bis zur Auflösung 1971. Vgl. „Kaderakte" Spangenbergs, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/I1/V 4453. Ein „Instrukteur" bei der Nationalen Front war beauftragt, die Mitarbeiter der westdeutschen Arbeitskreise der Nationalen Front mit wichtigen Informationen, Beschlüssen und Empfehlungen aus der Ost-Berliner Zentrale vertraut zu machen und vor allem die Arbeit dieser Ausschüsse zu überprüfen und zu kontrollieren. So hatten sich bis Anfang 1952 z. B. 28 Landesausschüsse der Nationalen Front in Nordrhein-Westfalen, 22 in Rheinland-Pfalz und zehn in Bayern konstituiert. Vgl. Arbeitskreise in Westdeutschland, April 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 7/1. Vgl. Struktur und Geschäftsverteilungspläne der Abteilung IV, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 3279. Zum Vergleich: In der „Abteilung Westdeutschland" der FDJ waren im August 1950 58 Planstellen (Abteilungsleiter, Instrukteure, Sektorenleiter, Schreibkräfte usw.) besetzt. Vgl. Michael Herms, Karla Popp, S. 516.

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vertretender Abteilungsleiter89, Gruppenleiter, Haupt- und Oberreferent, Landesinstrukteur90, Sachbearbeiter, Sekretärin, Kraftfahrer und Boten, Packerin und andere Schreibkräfte. Ihr Gehalt staffelte sich. Der Gruppenleiter Georg Jost erhielt monatlich DM 1.610,-, der Stellvertretende Abteilungsleiter DM 1.250,-, ein Hauptreferent DM 1.012,-, ein Länderinstrukteur DM 550,-, eine Stenotypistin ca. DM 360,- und eine Handadressenschreibkraft noch DM 196,- monatlich.91 Der monatliche Durchschnittslohn in der DDR lag 1950 bei DM 256,-.92 Die Tätigkeit bei der Nationalen Front lohnte sich finanziell! Die einzelnen Aufgabenbereiche waren 1951 wenig voneinander abgegrenzt. Beim Abteilungsleiter lag neben der Anleitung der Instrukteure die Verantwortung für die Presse- und Berichtsauswertung. Der Stellvertreter war verantwortlich für „die Zusammenarbeit mit den Parteien, Organisationen, Institutionen, Verwaltungen und der Abteilungen des Büros betreffs gesamtdeutsche Konferenzen, Kongresse, Besuche westdeutscher Delegationen und die Westarbeit der Ausschüsse in der DDR". Dem Oberreferenten fielen die Aufgaben Bearbeitung von Delegationsfragen sowie Aufbau und Kontrolle der Empfangsstellen für westdeutsche Besucher zu. Außerdem hielt er die Verbindung zu den anderen Abteilungen bei der Nationalen Front.93 Referenten und Sachbearbeiter hatten mit der Einsatzplanung und Kontrolle der Instrukteure, mit der Korrespondenzauswertung, mit dem Presse- und Berichtswesen, mit dem Versand der Agitations- und Propagandamaterialien in die Bundesrepublik sowie mit dem Anlegen und Weiterfuhren der Adressen-, Versand- und Fachkartei zu tun. Und nicht zuletzt gab es die zwölf Handadressenschreibkräfte, die notwendig waren, da uniformiert geschriebene Adressen auf den Postsendungen der massenhaft versandten Propagandamaterialien der Nationalen Front von der Post der Bundesrepublik aussortiert und nicht zugestellt wurden.94 Bis Anfang 1952 hatte sich eine klare Gliederung der Abteilung IV für gesamtdeutsche Fragen, durchgesetzt. Es waren fünf Sektoren gebildet worden, die folgende Aufgabengebiete abzudecken hatten:

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Abteilungsleiter soll 1951 ein Hein KUlkens gewesen sein; sein Stellvertreter Georg Wieber. Georg Jost (Gruppenleiter) wurde als dem „Büro des Nationalrats verantwortlich für die Abteilung" bezeichnet. Vgl. Struktur und Geschäftsverteilungspläne der Abteilung IV, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 3279. Es gab sechs Landesinstrukteure: einen für Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, einen für Bayern, einen für Nordrhein-Westfalen, einen für Niedersachsen, einen für Rheinland-Pfalz und einen für Württenberg-Baden, Würtenberg-Hohenzollern, Südbaden. Vgl. Stellenplan 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 3279. Vgl. Dietrich Staritz, S. 55. 1952 gab es bei der Nationalen Front eine Gliederung in fünf Abteilungen: Abteilung I Organisation, Abteilung II Presse, Abteilung III Aufklärung, Werbung, Schulung, Abteilung IV Gesamtdeutsche Fragen und Abteilung V Finanzen, Personal und Verwaltung. Vgl. Personalfragen vom 3. April 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 3279. Vgl. Struktur- und Geschäftsverteilungsplan der Abteilung IV vom 12. Januar 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 3279.

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1. Sektor Organisation: u. a. das Führen der Personenkartei, bestehend aus Adressen und Vermerken über Vertreter aus politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Kreisen Westdeutschlands und das Registrieren und Auswerten der Korrespondenzen; 2. Sektor Gesamtdeutsche Gespräche: u. a. Vorschläge, Koordination und Organisation von Reisen nach Westdeutschland; Berichte über gesamtdeutsche Tagungen, gesamtdeutsche Sportveranstaltungen, Beratungen der Industrie- und Handelskammer oder berufsspezifischer Kreise (z. B. der gesamtdeutsche Ärztekreis); 3. Sektor Korrespondenz: Aufarbeiten der Korrespondenzkartei, Zusammenstellen und Auswerten der in den eingehenden westdeutschen Schreiben auftretenden Argumentationen; 4. Sektor Delegationen, Solidarität, Lehrgänge und Schulungen: Betreuung von westdeutschen Delegationen und Besuchern und Betreuung von Urlaubergruppen aus der Bundesrepublik; 5. Sektor Kartei und Versand: Ausbau der Fach- und Länderkarteien und ständige Anwerbung von Helfern zum Adressenschreiben. 95 Struktur und personelle Besetzung der Abteilungen und Sektoren der Nationalen Front im allgemeinen wie der „Abteilung fur Gesamtdeutsche Fragen" im speziellen wechselten von 1949 bis 1952 oft - in Konstituierungsphasen kein ungewöhnlicher Vorgang. Eine Beruhigung der personellen und strukturellen Verhältnisse trat dann im Laufe der erste Hälfte der fünfziger Jahre ein. Für die Unterstützung der jeweils aktuellen Westpolitik schuf die SED-Spitze ständig neue, hochrangig besetzte Kommissionen und Gremien, um die Anleitung und Kontrolle der entsprechenden Aktivitäten zu garantieren. Für das Jahr 1950 lassen sich dafür ein „Nationales Komitee" 96 , eine „Kommission zur Herstellung der Aktionseinheit in Westdeutschland" 97 oder ein „Komitee zum Schutze der demokratischen Rechte in Westdeutschland" nennen 98

C. Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) Nachdem am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik proklamiert worden war, wählte die „Provisorische Volkskammer" am 12. Oktober eine „Provisorische Regierung der DDR". Die in Moskau abgestimmte Besetzung der Ministerposten hatte zunächst für das „Ministerium für Außenpolitik" Lothar Bolz (NDPD) vorgesehen. In 95 96 97

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Vgl. Arbeitsplan der Abteilung IV, Januar, Februar 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 7/1. Vorschläge ftlr die Besetzung des Komitees. Sekretariatssitzung vom 30. Januar 1950, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/3/81. Diese Kommission war zusammengesetzt aus: O. Grotewohl, W. Ulbricht, F. Dahlem, R. Herrnstadt, M. Reimann, H. Warnke und E. Honecker. U. a. hatte die Kommission die Aufgabe, den im November 1950 stattfindenden Parteitag der KPD vorzubereiten. Vgl. PB-Sitzung vom 19. September 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/109. Vgl. PB-Sitzung vom 3. Oktober 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/111.

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Verhandlungen mit den Vertretern der Blockparteien und nach Rücksprache bei der SMAD veränderte sich die Zusammensetzung der Regierung noch kurzfristig. Georg Dertinger (CDU) übernahm anstelle von Bolz das „Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten".99 Sein Staatssekretär wurde der Moskau-Kommunist und Kandidat des Politbüros Anton Ackermann. Trotz einer auch formal eingeschränkter Souveränität100 und einer praktisch nicht existierenden außenpolitischen Handlungsfreiheit wurde, im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland, ein Außenministerium in der ersten DDRRegierung eingerichtet. Damit sollte der Eindruck erweckt werden, mit der DDR sei der unabhängige, demokratische, friedliebende deutsche Kernstaat entstanden. Die überschwengliche Hommage Stalins in seinem Glückwunschtelegramm an das deutsche Volk vom 13. Oktober 1949 verstärkte diesen Eindruck. Im Gegensatz dazu stellte Akkermann das Besatzungsstatut und das „Privileg der Regelung der auswärtigen Beziehungen für die Bundesrepublik durch die Hohen Kommissare der westlichen Besatzungsmächte" als Indiz für das Fehlen völkerrechtlicher Souveränität der Bundesrepublik hin.101 Am 10. Oktober übertrug der sowjetische Oberbefehlshaber Wassili I. Tschuikow die Verwaltungsfunktionen der SBZ formal an die Regierung der DDR. An die Stelle der SMAD trat die Sowjetische Kontrollkommission (SKK), die de facto weiterhin die oberste politische Gewalt wahrnahm. Der erste DDR-Außenminister war Georg Dertinger (CDU), bei DDR-Gründung 47 Jahre alt. Er hatte in Berlin Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre studiert, sich dann aber einer journalistischen Tätigkeit zugewandt. Politisch pflegte er in den zwanziger und dreißiger Jahren zu deutsch-nationalen Kreisen Kontakt. Da ihm von den NSMachthabern aus politischen Gründen die Mitarbeit an der innländischen Presse verboten wurde, war er seit 1935 für die ausländische Presse tätig. 1945 gehörte Dertinger zu den Mitbegründern der CDU in Berlin. Jakob Kaiser setzte ihn im Januar 1946 als Generalsekretär der Ost-CDU ein. Dertinger geriet jedoch bald mit Kaiser in Konflikt, da er dessen Kampf um die Unabhängigkeit der Partei gegenüber der SED nicht uneingeschränkt unterstützte. Nach dem von der SMAD erzwungenen Ausscheiden Kaisers (Dezember 1947) bestimmte Dertinger gemeinsam mit Otto Nuschke den neuen Kurs der CDU in Richtung auf eine enge Zusammenarbeit mit der SED.102 Dertinger übernahm als Repräsentant der Ost-CDU im Oktober 1949 das Amt des Außenministers. Das Außenministerium war für die außenpolitisch-diplomatische Tä99 Vgl. Reise nach Moskau vom 16.-28. September 1949 einschließlich Vorschläge des PB, in: Wilhelm Pieck- Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 304,309. Lothar Bolz wurde Chef des Aufbauministeriums. 100 Die DDR wurde 1950 vollberechtigtes Mitglied des RGW; Abschluß des Souveränitätsvertrages der DDR mit Moskau am 20. September 1955; Aufnahme in den Warschauer Vertrag am 15. Mai 1955. 101 Vgl. A. Ackermann, Über die Grundzüge der Außenpolitik der DDR, April 1950, in: PA AA M f A A A 15528/B1. 84-85. 102 Vgl. Munzinger-Archiv, Lieferung 12/1968. Über die Verwicklungen Dertingers in die deutschdeutschen Beziehungen zwischen 1949 und Januar 1953 siehe III. 6.

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tigkeit sowie für die Auslandsinformation verantwortlich. Es hatte die Rechte und Interessen der DDR anderen Staaten gegenüber zu vertreten und völkerrechtliche Verträge abzuschließen. Innerhalb der DDR oblag dem Ministerium die Zusammenarbeit mit den akkreditierten Vertretern anderer Staaten; ferner war es zuständig für die Betreuung der in der DDR zugelassenen ausländischen Pressevertreter. Neben dem Ministerbüro und dem Büro des Staatssekretärs Anton Ackermann (SED) 103 gliederte sich das MfAA in sieben Hauptabteilungen und drei Abteilungen. 104 Die Hauptabteilung I „Politische Angelegenheiten" unter Leitung von Gerhard Kegel hatte im November 1949 auch die ersten Anfange der Westarbeit im Ministerium abzudecken. Vermutlich aber war zu diesem frühen Zeitpunkt dieses spezifische Aufgabenfeld noch nicht als solches erkannt bzw. hatte die SED-Spitze es dem MfAA noch nicht als solches zugewiesen. Der Kommunist Gerhard Kegel 105 - seit Ende der zwanziger Jahre Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes der Sowjetunion und im Auftrag der KPD seit 1935 Mitglied der NSDAP - hatte die NS-Zeit als sogenannter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der deutschen Botschaft in Warschau, an der deutschen Botschaft in Moskau und, bevor er zur Wehrmacht mußte, als Legationssekretär im Auswärtigen Amt in Berlin verbracht. Nach 1945 ging er als Redakteur zur „Berliner Zeitung", bis er von Oktober 1949 bis April 1950 als Hauptabteilungsleiter im MfAA tätig war. Gerhard Kegel war von 1955 bis 1972 ein leitender Mitarbeiter im ZK-Apparat und insbesondere auf dem Gebiet der Außenpolitik Berater und persönlicher Mitarbeiter von Walter Ulbricht. 106 Die Funktion des Leiters der Hauptabteilung I im MfAA übernahm im Februar 1950 der im Moskauer Exil geschulte erst 29jährige Peter Florin107. Ab 1953 wechselte FIo-

103 Dem Kandidaten des SED-Politbüros Anton Ackermann unterstand der auf Initiative der UdSSR im Juli/August 1951 gegründete Spionageabwehrdienst (APN) der DDR. 104 Vgl. Gliederung des MfAA vom 5. November 1949; Hausmitteilung an die Personalabteilung vom 22. November 1949, in: PA AA MfAA A 1; MfAA 48/B1. 9, 38. 105 G. Kegel (1907-1989), Studium der Staats- und Rechtswissenschaft in Breslau, journalistische Ausbildung, 1931 Mitglied der KPD, illegale Arbeit und Spionagetätigkeit für die Sowjetunion in Warschau, eingebunden in den Widerstands-Kreis um Rudolf Herrnstadt und Lothar Bolz, bis 1941 an der deutschen Botschaft in Moskau, bis 1943 im Auswärtigen Amt, Januar 1945 freiwillig in sowjetische Gefangenschaft, Juni 1945 Rückkehr nach Berlin, 1950 Stellvertretender Chefredakteur des ND, dann Direktor des Verlages „Die Wirtschaft", 1955-1972 leitender Mitarbeiter des ZK der SED auf dem Gebiet der Außenpolitik, 1959 Sprecher der DDR-Regierungsdelegation auf der Genfer Außenministerkonferenz, 1973-1976 Botschafter und Leiter der Ständigen Vertretung der DDR am Sitz der UNO in Genf. Vgl. Personenakte zu G. Kegel, in: BStU MfS AP 567/56/B1. 10-17; Rudolf Herrnstadt, Das Herrnstadt-Dokument, S. 284. 106 Vgl. „Kaderakte" von G. Kegel, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/11/V 4950 und ders., In den Stürmen unseres Jahrhunderts, passim. 107 P. Florin (Jahrgang 1921), Sohn des bekannten kommunistischen Funktionärs Wilhelm Florin, mit seinen Eltern 1935 bis 1945 in Moskauer Emigration, Studium, Mitarbeit im NKFD in Moskau, dort 1940 KPD, 1945 Rückkehr nach Deutschland und journalistisch tätig, von 1973 bis 1982 Leiter der Ständigen Vertretung der DDR bei der UNO in New York, dann Stellvertretender Minister des MfAA. Vgl. Personalunterlagen, in: PA AA MfAA MR-A/1 und A 14817.

Personeller und organisatorischer Aufbau des Westapparates

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rin in den ZK-Apparat. Er übernahm die Leitung der ZK-Abteilung Außenpolitik bzw. Internationale Verbindungen. Bereits im Februar 1950 war die Hauptabteilung I des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten in sieben Einzelabteilungen untergliedert worden, darunter in die „Abteilung Friedensvertrag".108 Im Juni 1950 fand im Ministerium eine erste Umstrukturierung statt. Die Hauptabteilung II „Kapitalistische Staaten" oder „West" hatte eine Unterabteilung „Deutschlandpolitik der westlichen Imperialisten" gebildet.109 Die Schwerpunkte ihrer Arbeit lagen 1950 und 1951 auf a) der „Beobachtung der imperialistischen Großmächte und ihrer Kolonien und Halbkolonien", b) der Beobachtung der UNO, der „Europaunion und des Atlantikpaktes" sowie der „Widersprüche zwischen den imperialistischen Großmächten" und c) „der Entwicklung Westdeutschlands im allgemeinen, außen- und innenpolitisch im besonderen".110 Seit Ende 1952 bzw. zu Beginn des Jahres 1953 arbeitete unter der Hauptabteilung II die Unterabteilung „Deutschlandpolitik der westlichen Besatzungsmächte" mit Günter Kohrt an der Spitze. In der Hauptabteilung II waren Anfang 1953 29 Mitarbeiter beschäftigt.111 Günter Kohrt, Leiter der Unterabteilung, hatte nach 1945 beim Berliner Magistrat gearbeitet, Verwaltungslehrgänge und die Deutsche Verwaltungsakademie besucht und war 1950 als Persönlicher Referent beim Staatssekretär des MfAA eingestellt worden.112 Kohrt war ein politisch unbekannter und mit der Sachmaterie der Deutschlandpolitik im Außenministerium wenig vertrauter Mitarbeiter. Für die Mitarbeiter des MfAA galt in den Jahren 1949 und 1950 „innerdeutsche Politik", das hieß „alles zu tun, was die Einheit Deutschlands und dem Frieden dienen kann", noch nicht als originärer Bestandteil der Außenpolitik. Wie die Bezeichnung der jeweiligen Abteilung im MfAA andeutete, sah man zunächst als vordringliche Aufgabe, zu einem „demokratischen Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens" beizutragen. 13 Dazu sollte in erster Linie die Politik der „amerikanisch-englisch-französischen Imperialisten" in bezug auf Gesamtdeutschland beobachtet und ausgewertet werden.

108 Vgl. Hauptabteilungsleiterbesprechung am 20. Februar 1950 und Aufstellung über nicht besetzte Stellen vom 21. Februar 1950, in: PA A A MfAA A 2 und MfAA 48/B1. 65. 109 Vgl. Sitzungsprotokoll vom 19. Juni 1950, in: PA AA MfAA LS-A 207/B1. 13 110 Hauptabteilungsleitersitzung am 1. Dezember 1950, in: PA AA MfAA A 2/B1. 113, 115. 111 Vgl. Kollegiumssitzung vom 25. Februar 1953, in: PA AA MfAA LS A 217/B1. 4; Mitarbeiteraufstellung vom 16. März 1953, in: ebenda, MfAA 53/B1. 1-8. 112 G. Kohrt (1912-1982), Buchhalter, 1930 SPD, August 1945 KPD, 1958-1964 Mitarbeiter beim ZK der SED, später Botschafter in China und Ungarn, 1966-1973 StS im MfAA. Vgl. Personalunterlagen, in: PA AA MfAA MR-A/1. 113 Vgl. Rededisposition Dertingers vom 9. November 1949; Anton Ackermann, Über die Grundzüge der Außenpolitik der DDR, April 1950, in: PA AA MfAA A 10042/B1. 2-6, A 15528/B1. 8491.

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3. „Gesamtdeutsche" Aufgabenorientierung und ihre Umsetzung 1949/50 A. Anlaufschwierigkeiten in Ost und West Beide deutschen Regierungen, die in in Bonn und Ost-Berlin, sahen ihre Staaten als „Provisorien" an. In den jeweiligen Verfassungen war ihr politisches Hauptziel, die Wiedervereinigung Deutschlands, niedergeschrieben. 1 Die DDR erhob wie die Bundesrepublik von Anfang an einen gesamtdeutschen und Alleinvertretungsanspruch; Kernstaatsideen und Magnettheorie zählten zum deutsch-deutschen Gedankengut. Von der Westarbeit war in den führenden SED-Gremien in den Monaten nach der DDR-Gründung keine Rede. Das gesamtdeutsche Engagement auf der DDR-Führungsebene ruhte bis zum Frühjahr 1950 weitgehend. Vorrangig dienten fast alle politischen Aktivitäten der Macht- und Herrschaftssicherung der SED und den Aufbauproblemen im eigenen Land. Aus dem Kreis der kommunistischen Spitzenfunktionäre der DDR wurden keine Anregungen zu Fragen der Arbeit nach Westdeutschland vernommen. In einer Unterredung zwischen Vertretern des SED-Politbüros und Vertretern der SKK am 23. März 1950 in Ost-Berlin kam es nach ausführlichen Erörterungen über die Lage in der Landwirtschaft sowie u. a. über die Herausgabe von Lenin-und StalinWerken in deutscher Sprache zu der Bemerkung: „Was tun gegenüber Bonner Regierung und Westfrage?" Antworten oder Hinweise scheinen nicht gegeben worden zu sein.2 Der Stellenwert der „Westfrage" war zu dieser Zeit nicht eben groß. Bewegung in die Sache brachte erst ein deutlicher Hinweis Stalins an Pieck, Grotewohl, Ulbricht und Oelßner während ihres Moskau-Besuches vom 3. bis 6. Mai 1950. Stalin mahnte stärkere Aktivitäten im Hinblick auf das westliche Deutschland an. Und das führte am 2. Juni 1950 zu einem „Beschluß des Politbüros über die Verstärkung des Kampfes in Westberlin und Westdeutschland". Darin hieß es: „Das Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands stellt selbstkritisch fest, daß die Politik und die praktische Arbeit der SED ungenügend auf die Lösung der gesamtdeutschen Aufgaben orientiert ist. ... Die SED hat dem Kampf in Berlin zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet und die Kommunistische Partei Deutschlands sowie alle Kräfte des Friedens und der Demokratie in Westdeutschland völlig ungenügend unterstützt." Der Arbeitsplan für den bevorstehenden III. Parteitag der SED (20. bis 24. Juli 1950) legte nun fest, daß alle Kräfte der neugewählten führenden Organe der Partei sich auf 1 2 3

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Vgl. Verfassung der DDR, in: Gesetzblatt der DDR, Jahrgang 1949; Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe 1949 - jeweils die Präambel. Vgl. Besprechung zwischen Tschuikow, Iljitschow und Rau, Grotewohl, Pieck, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 37, 338. Die SED-Funktionäre waren am 4. Mai 1950 von Stalin für reichlich drei Stunden empfangen worden. Anwesend war u. a. auch Semjonow. Vgl. Besucher im Kreml-Kabinett, in: Historisches Archiv, Nr. 1, 1997, S. 12. Beschluß des PB, in: SAPMO-BA NY 4036/656/B1. 174.

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die Entfaltung einer gesamtdeutschen Politik zu konzentrieren hätten. Als unmittelbar in Angriff zu nehmende Maßnahmen bestimmten die Funktionäre: 1. Die gesamtdeutsche Politik der SED muß ihr Aufgabenfeld nicht nur in der DDR, sondern systematisch auch in Westdeutschland finden. 2. Die SED-Genossen in den „Organen des Demokratischen Blocks", in der Nationalen Front, im FDGB, in der FDJ, im DFD, in der DSF hätten sich einzusetzten, in diesen „Bewegungen bzw. Massenorganisationen von oben bis unten [die Kräfte ihrer] Tätigkeit auf die Unterstützung des Kampfes in Westberlin und Westdeutschland" zu konzentrieren. 3. Die Herausgabe von Broschüren, Büchern, anderer Propagandamaterialien, die Einladungen von Delegationen aus Westdeutschland durch volkseigene Betriebe, Volksgüter, Verwaltungen und Institutionen der DDR wären zu intensivieren. Briefkontakte von Betrieb zu Betrieb, von Gewerkschaft zu Gewerkschaft, von Organisation zu Organisation sollten ein „realistisches und anschauliches Bild" - so der SED-Politbüro-Beschluß - über die Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik zeigen.5 Dieser geforderte West-Aktionismus lief, verhalten zwar, auf unterer Ebene im Rahmen der Nationalen Front an. Noch unter der Ägide der West-Kommission des Zweiten Volksrates schickten im Mai, Juni und Juli 1949 die Blockparteien und die Massenorganisationen regelmäßig ausgewählte Vertreter nach Westdeutschland, um dort festere Kontakte herzustellen. Dabei wurde von Seiten der Sowjetunion Wert darauf gelegt, daß die Westabteilung des Deutschen Volksrates nicht nur als ein Kontrollorgan für die Westarbeit der Blockparteien und Massenorganisationen fungierte, sondern selbst eine eigenständige Tätigkeit nach Westdeutschland entwickelte. Diese Forderung stellten die Sowjets wiederholt dann auch an die Gremien der Nationalen Front - an das Sekretariat des Nationalrates und an die Westabteilung der Nationalen Front. Die Parteien und Organisationen erhielten von sowjetischen Offizieren und von den Verantwortlichen der Westkommission beim Deutschen Volksrat regelmäßig die Instruktionen, die „Erfahrungen ihrer bisherigen Arbeit nach dem Westen und ihre Verbindungen sowie ihre speziellen Kenntnisse westdeutscher Probleme" zusammenzutragen und auszuwerten. Dazu gehörten im Sommer 1949 auch die Informationen über Wahlprogramme und Wahlplattformen der bundesdeutschen Parteien, über die Zahl und die Zusammensetzung der Volkskongreßausschüsse in Westdeutschland, über die persönlichen und brieflichen Direktverbindungen von Ost nach West sowie über den Aufbau eines umfassenden Instrukteurnetzes.6 Als wichtig für die Verbindungsherstellung 5 6

Vgl. ebenda, Bl. 173-177; PB-Sitzung vom 19. Juli 1950, in: ebenda DY 30 IV 2/2/99/B1. 1-7; Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 169 f.; Dietrich Staritz, S. 84 f. Anfang Juli 1949 erstatteten Vertreter der Blockparteien und verschiedener Organisationen Berichte über ihre „alltägliche Westarbeit". Dabei kam zur Sprache, daß die NDPD, im Gegensatz zu den anderen Parteien, noch keine festen Verbindungen mit Parteien in Westdeutschland aufgenommen hatte, aber mit Einzelpersönlichkeiten in Verbindung stand. Von der NDPD war Vincenz Müller damit beauftragt. Der Gewerkschaftsvertreter (FDGB) berichtete über die letzten Erfolge bei der Sammlung von Adressen (Anlegen und Erweitern der Adressenkartei) aus Bayern und dem Versenden von „Schulungs- und Informationsmaterialien". Während der CDU-

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nach Westdeutschland betrachtete man den Ausbau der Arbeit an den Grenzen zwischen Ost- und Westdeutschland. Diese grenznahen Kreise standen von nun an unter besonderem Interesse der Verantwortlichen in Ost-Berlin. 7 War die „Nationale Front des demokratischen Deutschland" von Sommer 1949 bis Anfang 1950 mehr eine propagandistische Losung, so nahm sie, wenn auch zögerlich, 1950 Organisationsform an. Nach dem Beschluß der Umbenennung des Sekretariats des Volksrats in das Sekretariat der Nationalen Front und der Umwandlung der Volkskongreßausschüsse in Ausschüsse der Nationalen Front Anfang Januar 1950 waren es wieder sowjetische Offiziere, die im Dezember 1949, Januar und März 1950 vor allem das Tempo und das ungenügende Engagement der SED-Genossen bei der Umbildung der Ausschüsse kritisierten. So beanstandete Semjonow: „Die Umbildung der Volkskongreß-Ausschüsse in Ausschüsse der Nationalen Front geht sehr langsam vor sich. ... Einige Organisationseinheiten der SED fuhren keine Arbeit zur Propagandierung der Nationalen Front durch. ... Eine anschauliche Agitation fehlt in der Regel." 8 Sofort nahmen die SED-Funktionäre eine Bestandsaufnahme vor. Selbstkritisch vermerkten sie, daß die Umbildung der Volksfrontausschüsse in solche der Nationalen Front zu langsam vor sich gehe. Die Situation sah im Januar 1950 so aus: im Land Sachsen waren in 11 von 35 Kreisen Ausschüsse der Nationalen Front geschaffen worden, im Land Brandenburg in 22 von 27 Kreisen, in Thüringen in 18 von 22 Kreisen, in Mecklenburg in allen 22 Kreisen und in Sachsen-Anhalt in 5 Kreisen. In den 11.900 Gemeinden der DDR waren in nur ca. 2.000 (1,7 Prozent) Ausschüsse der Nationalen Front gebildet worden. Die aufgestellte Mängelliste bei den Umbildungen der Volkskongreßausschüsse in Ausschüsse der Nationalen Front reichte von der Nicht-„Entlarvung reaktionärer Elemente der bürgerlichen Parteien in den Ausschüssen", über die Kritik, Parteilose und „Fortschrittliche der bürgerlichen Parteien" in die Umbildung und Erweiterung der Ausschüsse nicht einbezogen zu haben, bis zu der Feststellung, daß keine „Broschüren oder Flugblätter zur Unterstützung der Propagandisten und Agitatoren" in bezug auf die Nationale Front zur Verfugung ständen.9 Dieser Bericht ging am 29. Januar 1950 auch

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Vertreter den Vorrang der Westarbeit darin sah, Westdeutsche in die „Ostzone" einzuladen, damit sie sich ein Bild über die wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen machen könnten, schlug der SED-Vertreter eine intensivere Propagierung aktueller politischer Themen nach Westdeutschland vor. Vgl. 6. Sitzung der West-Kommission, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494. Vgl. Bericht: Direkte Aufnahme von Verbindungen nach dem Westen vom 25. Mai 1949, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 2398; Arbeitsplan für unsere Arbeit nach Westdeutschland, Juni 1949 und Besprechung mit Hauptmann Sawosin und Major Mischin, 25. Juni 1949 und 6. Sitzung der West-Kommission am 5. Juli 1949, alle in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494. Bericht Semjonows am 24. Januar 1950, in: SAPMO-BA NY 4036/736/B1. 42-49; Besprechung Tschuikow, Iljitschow, Grotewohl und Pieck in Berlin am 7. März 1950, in: Wilhelm PieckAufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 335 f. Vgl. Die Nationale Front des Demokratischen Deutschland, 24. Januar 1950, in: SAPMO-BA NY 4182/1195/B1. 21-24; vgl. auch die etwas abweichenden Angaben über die Zahlen der Umwandlungen der Volkskongreßausschüsse in der Besprechung zwischen Semjonow und Pieck vom 24. Dezember 1949 und 24. Januar 1950, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 321 f., 328 f.

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an Semjonow.10 Zwei Monate später konnte dann die SED-Führung wenigstens die organisatorische Umgestaltung der Landes-, Kreis- und Ortsausschüsse den sowjetischen Offizieren in Berlin-Karlshorst melden. Wieder mußte aber beanstandet werden, daß es in den meisten Fällen nur zu einer formalen Umbenennung der Ausschüsse gekommen war. Versammlungen mit der Bevölkerung oder inhaltliche Diskussionen über Ziele und Zweck der Nationalen Front hatten kaum stattgefunden.11 Weiter wurde bemängelt, daß die soziale und (partei)politische Zusammensetzung der Ausschüsse nicht den Wünschen und Vorstellungen der SED-Führung entsprach: zu wenige Arbeiter und Angestellte - zu wenige, ein anderes Mal zu viele Mitglieder (!) aus „bürgerlichen" Parteien säßen in den Ausschüssen der Nationalen Front. In Sachsen-Anhalt z. B. bestünden die Ausschüsse zu nur 5,9 Prozent aus Arbeitern und zu 4,7 Prozent aus Bauern, aber zu 52 Prozent aus Angestellten. Im Kreisausschuß Neustrelitz wären neben 224 SEDMitgliedern nur 22 LDP- und 23 CDU-Mitglieder vertreten. Aber in den Ausschüssen der Grenzgebiete des Landes Thüringen, z. B. in Heiligenstadt, „hat die CDU 32 Vertreter, die LDP 14 Vertreter und die SED nur 30".12 Aus den Berichten über die organisatorische Umbildung und die Anfange der Arbeit der Ausschüsse zu Beginn des Jahres 1950 ging auch hervor, wie dicht das Netz dieser Ausschüsse geknüpft wurde: neben Landes-, Kreis- und Gemeinde-Ausschüssen der Nationalen Front entstanden in einigen Städten „Revier-, Stadtviertel-, Block-, Straßenausschüsse"; auch in Betrieben, Institutionen, Hochschulen und Universitäten hatten sich die Ausschüsse zu organisieren. Und wie sah zur gleichen Zeit die Situation der Nationalen Front in Westdeutschland aus? Das SED-Politbüro befaßte sich auf seiner Sitzung am 21. März 1950 ausfuhrlich mit der „Durchführung der Politik der Nationalen Front des demokratischen Deutschland in Westdeutschland".13 Zunächst legten die „führenden Genossen" fest, daß die Politik der Nationalen Front zur Generallinie der KPD erhoben werden muß. Nur die Popularisierung der Erfolge in der DDR durch Wort und Schrift und die Schaffung der „einheitlichen Deutschen Demokratischen Republik über ganz Deutschland" brächten das deutsche Volk wieder zusammen. Kampf gegen die Annexion des Saargebiets, Solidaritätsaktionen gegen Demontagen in Salzgitter und Hamburg oder Aufzeigen der

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Vgl. Die Nationale Front des Demokratischen Deutschland, in: SAPMO-BA N Y 4036/736/ Bl. 42-43. „In der Gemeinde Mühlbeck (Kreis Niederbamim) [östlich von Berlin], die 3.500 Einwohner zählt, haben an der Versammlung zur Umgestaltung des Ausschusses nur 70 Personen teilgenommen, während allein die SED-Organisation der Gemeinde 300 Mitglieder zählt. In der Stadt Rüdersdorf desselben Kreises ist die Bevölkerung überhaupt nicht eingeladen worden, an der Versammlung zur Umgestaltung des Stadtausschusses teilzunehmen." Aus: Einige Bemerkungen zur Frage der Bewegung der NF, 13. März 1950, in: SAPMO-BA NY 4036/736/B1. 70. Einige Bemerkungen zur Frage der Bewegung der NF, 13. März 1950, in: SAPMO-BA NY 4036/736/B1. 71. Vgl. Protokoll der Sitzung, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/2/77/B1. 6-15.

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Ursachen der Millionenarbeitslosigkeit 14 in Westdeutschland lauteten weitere SEDDevisen. Durch diese Agitationen erhoffte sich das SED-Politbüro ernsthaft, Einfluß auf die westdeutsche Arbeiterschaft zu nehmen. Die SED-Spitze holte zu einer organisatorischen und inhaltlichen Groß-Aktion für die Etablierung der Nationalen Front in Westdeutschland aus. Das Politbüro beschloß, das Hauptgewicht der Arbeit auf die Schaffung der Ausschüsse der Nationalen Front im Orts-, Kreis- und Landesmaßstab Westdeutschlands zu legen. Die Grundlage sollten dabei die ca. 80 bereits bestehenden Ausschüsse aus der Zeit der Volkskongreßbewegung bilden. Zur Tarnung entschied das SED-Politbüro, daß die Bezeichnungen der einzelnen Ausschüsse der Nationalen Front als taktische Frage von Fall zu Fall zu behandeln wäre. So könnte, das im Zusammenhang mit der Demontage in Salzgitter zustande gekommene „Verteidigungskomitee" z. B. diesen Namen behalten. Ahnten die Funktionäre, daß sie mit den Nationalen-Front-Ausschüssen wie vormals mit der Volkskongreßbewegung im Westen Deutschlands kaum Erfolg haben würden? Die unmittelbare Verantwortung für die Leitung der Ausschüsse wurde in die Hände der KPD gelegt mit dem Auftrag, eng mit der SED-Westkommission beim Parteivorstand und den SED-Mitgliedern (und nur denen!) in der Westabteilung der Nationalen Front zusammenzuarbeiten. Die Mitglieder der DDR-Blockparteien in der Nationalen Front hatten beim Aufbau und der Organisation der Nationalen Front West außen vor zu bleiben. Geographischer Schwerpunkt der Arbeit wurde das Land NordrheinWestfalen. Hier konnte man sich, wenn überhaupt, des größtmöglichen Erfolgs sicher sein. Eine starke Unterstützung durch die KPD war gewährleistet. 15 Die Westabteilung der Nationalen Front in Ost-Berlin erhielt abschließend die Aufgabe, „eine auf die speziellen Probleme Westdeutschlands eingestellte Westausgabe von 'Deutschlands Stimme1" herauszugeben. 16 Die Hälfte der Gesamtauflage der Zeitung, eine halbe Millionen Exemplare, war für Westdeutschland bestimmt.17 Im Vorfeld hatten die Verantwortlichen der „Westabteilung" der Nationalen Front die Art und Weise und die Gestaltung der Westausgabe von „Deutschlands Stimme" genaustens konzipiert. Nach ihren Vorstellungen sollte die Zeitung den „Kampf verantwortungsbewußter deutscher Patrioten in Westdeutschland zur Entwicklung des nationalen Widerstandes gegen das Bonner-Adenauer-Regime und die westalliierte Kolo-

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Die Arbeitslosenquote lag 1950 bei 10,4 Prozent, 1951 bei 9,1 Prozent, 1952 bei 8,5 Prozent und ging bis 1961 auf 0,9 Prozent kontinuierlich zurück. Vgl. Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland, S. 290. Bundestagswahl im August 1949: KPD 5,7 Prozent (15 Bundestagsmandate); Landtagswahlen in NRW im Juni 1950: von 215 Mandaten erhielt die KPD 12 (5,5 Prozent); bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Hessen, Württemberg-Baden, Bayern und zum Abgeordnetenhaus in West-Berlin (zwischen Juli und Dezember 1950) errang die KPD kein einziges Mandat. Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 1949-1957, S. 476 f. Vgl. PB-Sitzung vom 21. März 1950 und Sekretariatssitzung am 24. März 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/77/B1. 9-11; DY 30 J IV 2/3/95. Des weiteren traf das Politbüro auf seiner Sitzung Beschlüsse zur Westarbeit des FDGB und der FDJ. Vgl. ebenda, Bl. 11-15. Vgl. Irina Gast,S. 11.

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nial- und Kriegspolitik" unterstützen. Die Ausgestaltung der zwölf Seiten der Zeitung wurde streng geregelt: auf Seite 1 „aktuelle politische Bildreportagen von wichtigen Ereignissen der Woche in Westdeutschland", Seite 2 Leitartikel als politische Wochenkommentare - bis hin zur letzten Seite mit der Vorgabe „bunte Seite nach dem Leitsatz: Scherz, Satire, Ironie mit tiefer politischer Bedeutung [!]". Die ostdeutschen Zeitungsmacher wußten, daß sie mit der Zeitung „Deutschlands Stimme" in Konkurrenz zu anderen politischen Blättern in der Bundesrepublik treten würden und sie deshalb in Inhalt und äußerer Form ansprechender erscheinen mußte. Aber dies gestanden sie sich so nicht ein, sondern schoben die boulevardmäßige Aufmachung der Westausgabe von „Deutschlands Stimme" auf den „politisch unentwickelten, aber gutwilligen Durchschnittsmenschen in Westdeutschland", der dem „höheren politischen Reifegrad der DDR-Bevölkerung" noch nicht entspreche.18 Bereits im April 1950 hatte das Sekretariat der Nationalen Front bei der SEDWestabteilung, bei Erich Glückauf und bei Franz Dahlem, angefragt, ob eine Art Bulletin für Westdeutschland durch das Sekretariat des Nationalrats der Nationalen Front des demokratischen Deutschland herausgegeben werden könnte. Es sollte 14-tägig in einer Auflage von 40.000 Exemplaren und einem Umfang von 12 bis 24 Seiten erscheinen und amtliche Mitteilungen der DDR-Regierung, der Nationalen Front und der Ausschüsse der Nationalen Front in Westdeutschland verbreiten helfen. Für die Herausgabe des so betitelten „Informationsdienstes"19 wurde die Presseabteilung in der Nationalen Front verstärkt und eine Redaktionskommission gebildet, die aus je einem Vertreter der SED-Westkommission, der Westabteilungen des FDGB, der FDJ, des DFD, sowie des Amtes für Information und des Deutschlandsenders bestehen sollte.20 Übrigens war im Herbst 1949 über die Finanzierung von Westarbeit beim SEDParteivorstand festgehalten worden: „Die KPD erhält eine monatliche Subvention von 320.000 Westmark und einen einmaligen Geldbetrag von 500.000 Westmark. Zur Verstärkung der Rundfunkpropaganda auf Westdeutschland und Ausgaben für die Organisierung und Ausbau des Netzes der Berichterstatter werden bis Ende 1949 130.000 Westmark und für das Jahr 1950 320.000 Westmark bewilligt."21 Das bedeutete für das Jahr 1950 eine laufende Unterstützung von mindestens 4,16 Million DM (West) für die Arbeit der KPD. Im Juni 1950 legte der im Politbüro für die Westarbeit verantwortliche Franz Dahlem vor seinem Parteivorstand erste Rechenschaft über die Entwicklung der Nationalen Front in Westdeutschland ab. Auch hier betonte er, daß alle nur verfügbaren Kräfte und 18 19 20 21

Vgl. Entwurf. Herausgabe einer Westausgabe von „Deutschlands Stimme", 18. Oktober 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 59. Informationsdienst. Hrsg. vom Sekretariat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland, ab August 1950. Vgl. auch Irina Gast, S. 11, 86. Vgl. Schreiben des Sekretariats der NF an die Westabteilung des ZS der SED vom 18. April 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 59. Vorschläge des PB an den PV zur Bildung einer Provisorischen Regierung der DDR, o.D. (Ende September) 1949, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 305.

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Mittel nach Westdeutschland „geworfen" würden. 22 Landesausschüsse der Nationalen Front bestünden in Württemberg-Baden, in Hessen, in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein. In Hamburg und Bremen gäbe es bisher nur provisorische Landesausschüsse. Bis Mai 1950 hatten sich unter massiver Beteiligung von Abgesandten aus dem DDR-Büro des Nationalrats der Nationalen Front 116 Ausschüsse der Nationalen Front als örtliche Arbeitsgruppen und -kreise konstituiert. Einräumen mußten die Emissäre aber, „daß überall dort, wo wir von hier aus [die Zentrale in Ost-Berlin] mit starken Kräften auftraten, eine schnelle Entwicklung einsetzte, die oft sofort zum Stillstand führte, wenn unsere Unterstützung nachließ." 23 Obwohl die positivsten Berichte aus Nordrhein-Westfalen stammten, kamen die SED-Funktionäre nicht umhin, auch hier einzuschränken, daß sich „die organisatorische und politische Situation der Nationalen Front in Nordrhein-Westfalen gebessert hat, [aber] grundsätzlich kein entscheidender Fortschritt zu verzeichnen [ist]. Die Organisation der Kreise ist schwach und zufallig." 24 Das Ergebnis vieler Bemühungen der Mitarbeiter der Nationalen Front in Westdeutschland muß frustrierend gewesen sein. Die westdeutsche Bevölkerung sah, und dies zu recht, in der Nationalen Front eine „kommunistische Tarnorganisation". Sie fühlte sich keineswegs so unterdrückt und ausgebeutet, wie die SED-Führung ständig propagierte. Natürlich verzeichnete Ost-Berlin auch Einzelerfolge bei den Aktivitäten der westdeutschen Nationalen Front.25 Aber der Aufwand dafür stand in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Dafür blühte das Berichtswesen. In den von Franz Dahlem regelmäßig eingeforderten „Lageberichten über die Entwicklung der Nationalen Front in Westdeutschland" hatte man u. a. folgende Punkte zu dokumentieren: die politische Hauptlinie im Arbeitsplan, Argumente der Gegner und Schwierigkeiten in der Entwicklung, politische und soziale Zusammensetzung der Ausschüsse, Arbeit und Einsatz der Instrukteure und Referenten, Angaben über den Etat unter Berücksichtigung des Agitationsmaterials. 26 Am 25. und 26. August 1950, einen Monat nach dem III. SED-Parteitag 27 , trat in Ost-Berlin der I. Nationalkongreß der Nationalen Front des demokratischen Deutschland zusammen. Auf dieser Massenveranstaltung mit 2.500 Delegierten, davon ca. 1.000 aus Westdeutschland, propagierte Staatspräsident und SED-Vorsitzender Wil-

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Vgl. SED-PV-Sitzung vom 2. und 3. Juni 1950, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/1/41/B1. 212. Übersicht über die Entwicklung der Bewegung der Nationalen Front des demokratischen Deutschland in Westdeutschland, 1. Juni 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 1015. Ebenda. In Bochum hatte sich ein Ausschuß der Nationalen Front mit vier Arbeitskreisen gebildet. Im Ausschuß waren Lehrer, Architekten, Ingenieure, Funktionäre von Sportvereinen, Mitglieder der evangelischen Frauenhilfe usw. vertreten. Politisch bestand der Ausschuß aus Christdemokraten, Zentrumsmitglieder, Sozialdemokraten, Parteilosen und Kommunisten. Um den Ausschuß gruppierten sich 142 Betriebsräte. Vgl. ebenda. Vgl. Lagebericht von H. Seigewasser vom 6. Juni 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 8/1. Vgl. Gemeinsame Beratung SED-KPD auf dem III. PT, in: SAPMO-BA NY 4109/29/B1. 314320.

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heim Pieck wiederholt „den Kampf um Frieden, Einheit und wirtschaftlichen Aufstieg" sowie die „Grundsätze des nationalen Widerstandes in Westdeutschland".28 Die Hauptaufmerksamkeit richtete sich während des Kongresses aber auf ein innenpolitisches Thema, die Vorbereitung der Volkskammerwahlen am 15. Oktober 1950.29 Karl Schirdewan, Vertreter der SED-Westkommission, hatte die für Westarbeit in den Massenorganisationen Verantwortlichen auf die Aufgaben im Vorfeld des Nationalkongresses orientiert. Der Auftrag lautete: „eine unerhörte Mobilisierung der Massen in Westdeutschland" anzuregen und den „nationalen Widerstand" nicht nur zu propagieren, sondern auch durchzufuhren.30 Wie und was konkret darunter zu verstehen war, blieb unklar. Großes Interesse bestand aber am Erhalt der Legalität des Wirkens der Nationalen Front in Westdeutschland. Die Bundesregierung in Bonn beriet seit Mai 1950 darüber, wie die „kommunistischen Infiltrationsversuche" der DDR unter Kontrolle zu halten bzw. zurückzudrängen wären. Ein Verbot der KPD wurde bereits diskutiert.31 Diese Überlegungen in der Bundesrepublik verfolgte die DDR-Führung genau.32 Im Vorfeld des Nationalkongresses hatte vermutlich die KPD-Parteizentrale aus Frankfurt a. M. dem Sekretär des Präsidiums der Nationalen Front in Ost-Berlin, Hans Seigewasser, für einen westdeutschen Arbeitsausschuß des bevorstehenden Kongresses einen Verteilerschlüssel zur Entsendung von Vertretern mitgeteilt. Erwünscht waren z. B. aus Nordrhein-Westfalen namentlich die Kommunisten Max Reimann, Grete Thiele, Oskar Neumann und Carlheinz Rebstock sowie vier Arbeiter, ein Unternehmer, zwei Vertreter der Mittelschicht, ein Bauer und ein Vertreter der Intelligenz. Es sollten also nicht mehr als vier Kommunisten aus Nordrhein-Westfalen in diesem Arbeitsaus28 29

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Vgl. Nationale Front des demokratischen Deutschland, S. 21; Helmut Neef, S. 153 f. Vgl. PB-Sitzung am 11. Juli und am 15. August 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/97 und 2/2/104. Das „Programm der Nationalen Front des demokratischen Deutschland zu den Wahlen am 15. Oktober 1950" wurde auf dem Nationalkongreß angenommen. Ebenso die Losungen zu den „Volkswahlen", z. B.: „1. Der Sieg der demokratischen Kräfte bei den Oktoberwahlen sichert den Aufbau aus eigener Kraft! 2. Alles für die Unabhängigkeit Deutschlands, alles für die Einheit, alles für den Frieden, alles für ein glückliches Leben! ..." In: Nationale Front des demokratischen Deutschland. Informationsdienst, Nr. 13,1950, S. 3-8. Vgl. Sitzung der Westkommission des ZK der SED mit Vertretern der Massenorganisationen und des Nationalrats vom 4. August 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 8/1. Vgl. 64. Kabinettssitzung am 9. Mai 1950 und 66. Kabinettssitzung am 16. Mai 1950, in: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 2. 1950, S. 371, 392. Nachdem Wilhelm Pieck auf dem Nationalkongreß der Nationalen Front am 25. August 1950 ein Programm des „Nationalen Widerstandes" verkündet und damit die Arbeiter der Bundesrepublik zu Streiks gegen die Politik der Bundesregierung aufgerufen hatte, verabschiedete das Kabinett der Bundesregierung am 19. September 1950 den Beschluß über die Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Staatsordnung. Dieser Beschluß listete 13 Organisationen auf, u. a. die KPD und den VVN, deren Unterstützung durch Angehörige des öffentlichen Dienstes mit ihrer Entfernung aus dem Dienst geahndet werden sollte. Vgl. 97. Kabinettssitzung am 19. September 1950, in: ebenda, S. 702 f. Vgl. Aus Bonner Parlamentskreisen erfahren wir ..., 30. August 1950, in: SAPMO-BA NY 4072/214/B1. 116-117.

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schuß vertreten sein. Weitere Anweisungen forderten, daß aus Nordrhein-Westfalen, aus Württemberg-Baden und aus Schleswig-Holstein jeweils ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier oder Nationalsozialist und aus Schleswig-Holstein Umsiedler zu berücksichtigen wären. 33 Mit dem Verteilerschlüssel offerierte die KPD-Führung und die Präsidiumsspitze der Nationalen Front der ost- und westdeutschen Öffentlichkeit eine scheinbar repräsentative Vertretung der Bundesrepublik auf dem ersten Nationalkongreß der Nationalen Front. So wie vordem auf den Deutschen Volkskongressen sprach man von den „zahlreichen Patrioten" als würdigen Repräsentanten aus dem Westen Deutschlands. Trotzdem hagelte es von der „Abteilung für Verbindungen mit Westdeutschland" der Nationalen Front Kritik wegen der schlechten Vorbereitung des Nationalkongresses. Diese richtete sich gegen die „führenden Genossen der Landesvorstände" der KPD in Westdeutschland. Sie würden die Arbeit der Nationalen Front nicht als ihre zentrale Aufgabe, sondern nur als einen ressortmäßig zu erledigenden Auftrag begreifen und den Nationalkongreß organisatorisch, aber nicht politisch vorbereiten. Nur wo die KPD-Landesausschüsse mit ihren Funktionären intensiv für den Nationalkongreß werben würden, verstärkten die westdeutschen Landesausschüsse der Nationalen Front ihre Aktivitäten. 34 Am 25. August 1950, dem Tag der Eröffnung des Nationalkongesses in Ost-Berlin, fand vormittags in der Berliner Staatsoper eine Arbeitstagung der westdeutschen Delegierten zum Nationalkongreß der Nationalen Front des demokratischen Deutschland statt. DDR-Ministerpräsident und SED-Parteivorsitzender Otto Grotewohl sowie DDRAußenminister und CDU-Spitzenfunktionär Georg Dertinger beschworen die „Landsleute aus dem Westen unseres Vaterlandes", daß der Kampf um die Selbsterhaltung der deutschen Nation und die Einheit des deutschen Vaterlandes jenseits von parteipolitischen, weltanschaulichen oder der beruflich-sozialen Stellung des Einzelnen zu beginnen habe. 35 Außenminister Dertinger sprach die nicht populäre ostdeutsche Anerkennung der „Oder-Neiße-Grenze als Friedensgrenze" zwischen Polen und der DDR mit der Unter-

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63 Mitglieder waren für den Ausschuß vorgesehen. Davon sollten 14 Kommunisten sein. Gewünscht waren 24 Arbeiter und Angestellte, zwei Landarbeiter, vier Unternehmer, fünf Bauern, elf Vertreter der Mittelschichten und sieben der Intelligenz. Delegiertenwahlen für den Nationalkongreß fanden statt in: Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern, Südbaden und Bayern. Vgl. Schlüssel für die Benennung der Mitglieder für den westdeutschen Arbeitsausschuß vom 15. August 1950 und Bericht über die Vorbereitung des Nationalkongresses im Westen Deutschlands, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 1015 und DY 6 vorl. 59. Vgl. Bericht über die Vorbereitung des Nationalkongresses im Westen Deutschlands, 18. September 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 59. O. Grotewohl: „Darum spannen wir die Grundlage der Nationalen Front nicht um Parteien, nicht um weltanschauliche Truppen, sondern um alle Menschen unserer Nation, die bereit sind, sich für die Erhaltung unseres Volkes einzusetzen ..." Stenographische Niederschrift der Arbeitstagung der westdeutschen Delegierten zum Nationalkongreß am 25. August 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 59.

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Zeichnung des Grenzabkommens am 6. Juni 1950 an.36 Vehement verteidigte er den Grenzvertrag. Seine Ansprache schloß er mit der rhetorischen Frage: „Willst du für diesen Traum der Heimkehr nach Schlesien oder Pommern, der dir eingeredet wird, einen Krieg wieder eingehen, oder ist es nicht besser, daß sich das polnische und deutsche Volk so vertragen, daß man herüber und hinüber als Freund zu Freund einst wird verkehren können? ... Jawohl, es ist besser, in Frieden über die Grenze an der Oder zu gehen als im Krieg nicht in die Heimat, sondern ins Massengrab zu kommen."37 Der Nationalkongreß in Berlin schloß am 26. August mit der Wahl des Präsidiums und der Mitglieder des Nationalrats. In den Nationalrat wurden 30 Persönlichkeiten aus Westdeutschland integriert, deren Namen aber, wegen der möglichen beruflichen Nachteile, die sie in ihren Heimatorten erwarten würden, öffentlich nicht bekannt gegeben wurden.38 In das Vorfeld des I. Nationalkongresses der Nationalen Front fiel der Beginn des Korea-Krieges am 25. Juni 1950, der in Deutschland Ost und West Kriegsängste heraufbeschwor.39 Im Gefolge des „Korea-Schocks" kam es zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren zu Gesprächen über Sicherheitsfragen und Ende August 1950 zu Adenauers „Sicherheitsmemorandum", in dem er die Bereitschaft zur Beteiligung eines westdeutschen Kontingents an einer möglicherweise zu bildenden internationalen westeuropäischen Armee signalisierte. Im September dehnten die Westalliierten ihre Sicherheitsgarantien auf einen etwaigen Angriff von DDR-Seite aus, verstärkten ihre Truppen in der Bundesrepublik und billigten Bonn „bewegliche Polizeikräfte auf Länderebene" zu.40 Fortan, beginnend mit dem Nationalkongreß der Nationalen Front, beinhalteten die Losungen und Agitationen der Nationalen Front den „Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands", ohne daß es Bezüge zur Kontingentstärke der sowjetischen Besatzungsarmee und der Größe der „Kasernierten Volkspolizei" in der DDR gegeben hätte. Beide Seiten schenkten sich in den folgenden Monaten im Schüren von Kriegsängsten und Austeilen von Bedrohungsgesten nichts. 36

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Schon Anfang 1947 sprach Stalin - der Widerstand der SED-Führung gegen die Abtrennung der Ostgebiete war sehr stark - ein Machtwort in der Frage. Stalin erklärte unmißverständlich deutlich, die Ostgrenze in Frage zu stellen, hieße auch andere Grenzen in Frage stellen und bedeute dann Krieg. Vgl. Besprechung der SED-Spitze mit Stalin u. a. in Moskau am 31. Januar 1947, in: Wilhelm Pieck- Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 112; Besucher im Kreml-Kabinett, in: Historisches Archiv, Nr. 5-6, 1996, S. 5 f. Stenographische Niederschrift der Arbeitstagung der westdeutschen Delegierten zum Nationalkongreß am 25. August 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 59. Vgl. Nationale Front des demokratischen Deutschland. Informationsdienst Heft 14/15, 1950, S. 43; Liste der Nationalratsmitglieder aus Westdeutschland vom Dezember 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 5435. Vor dem SED-Parteivorstand führte Pieck im Juni 1950 aus, man müsse in der Tat damit rechnen, „daß durch Provokationen und die Irreführung der Massen im Westen die westlichen Besatzungsmächte doch einen Schlag gegen den Frieden und gegen den Osten führen" könnten. Zitiert bei Michael Lemke, Die DDR und die deutsche Frage 1949-1955, S. 147. Vgl. Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland, S. 30 f.; Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 1949-1957, S. 107-116.

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B. Propagandaflut und Instrukteur-Einsätze Die Aufrufe der Nationalen Front zur Weiterarbeit der Ausschüsse in Form von Massenaktionen von Betrieb zu Betrieb, von Bauernhof zu Bauernhof, von Gemeindevertretung zu Gemeindevertretung, von Schule und Universität Ost zu Schule und Universität West und in Form von Briefaktionen und dem Austausch von Delegationen mit dem Ziel, in ein „deutsches Gespräch" zu kommen, liefen durch die DDR.41 Ganz im Sinne der pathetischen Formulierung des SED-Spitzenfunktionärs Anton Ackermann "ununterbrochen muß die Stimme der friedensgewillten und für die Einheit Deutschlands kämpfenden Millionenmassen der Bevölkerung der DDR über die Zonengrenzen schallen" - erfolgte die Arbeit der Ausschüsse der Nationalen Front.42 Tonnenweise gingen Broschüren, Abhandlungen, Traktate, Flugblätter, Zeitungen und Zeitschriften, vorwiegend im Einzelversand, von Ost- nach Westdeutschland.43 Von Mai bis Juli 1950 waren es im monatlichen Durchschnitt ca. 400.000, im August 1950 exakt 801.399 und in den darauffolgenden Monaten September und Oktober 1.071.670 Sendungen.44 Umfang und ständiger Bearbeitungsaufwand der für diesen Versand nötigen Adressenkartei der Nationalen Front werden vorstellbar. Im August 1950 umfaßte die Versandkartei der Zentrale in Ost-Berlin 19.400 Karten (Einzelanschriften). In der „Fachkartei" hatten die Mitarbeiter der „Abteilung IV: Abteilung für Verbindung mit Westdeutschland" 7.980 Lehrer, 750 Ärzte, 240 Betriebsräte und 140 Bauern ausgewiesen. Ihre Organisationskartei - registrierte Landes- und Kreisausschüsse in Westdeutschland - war auf 240 Adressen-Karten angewachsen. Der persönliche Briefwechsel von der Zentrale in Ost-Berlin zu Personen in Westdeutschland verzeichnete im Monat August 1950 eine Zahl der Antworten von 356 Briefen.45 41

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Zur Popularisierung der Nationalen Front hatten SED-Agitatoren ein „kämpferisches" Lied verfaßt und vertont. Hier die letzte Strophe: „Lied der Nationalen Front! ... Wir haben der Fronten viel gesehn, / wir wollen sie niemals wieder. / Die Front, die in Zukunft wird bestehn, / umfängt uns Deutsche als Brüder. / 'Nationale Front1, das Banner entrollt, / für Einheit, für Frieden unter Schwarz-Rot-Gold, / bis der Osten und Westen ein einiges Band, / als Volk, Nation und Vaterland." In: SAPMO-BA NY 4074/210. Vgl. A. Ackermanns Notizen zum Nationalkongreß am 24. August 1950, in: SAPMO-BA NY 4109/29/B1. 99-101; z. B. Betriebskontakte von Ost nach West bereits 1948, in: ebenda, DY 6 vorl. 56/1; Briefkontakte der Kreisausschüsse 1949/1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 5438, 5675. Vgl. verschiedene Flugblätter und Abhandlungen, in: SAPMO-BA N Y 4074/210. Das Agitationsmaterial des Kongreßverlages, Broschüren, Zeitungen, welches auch (vermutlich sogar in erster Linie) für die ostdeutsche Bevölkerung bestimmt war, wurden nur zu einem geringen Teil über den Buchhandel bzw. über die Post vertrieben. Der Literaturvertrieb wurde über sogenannte Literaturobleute in den Ausschüssen der Nationalen Front organisiert. So wollte man gewährleisten, daß das Material bis in den letzten Ort in der DDR kam. Vgl. Irina Gast, S. 11 f. Vgl. Versand nach dem Westen, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 59, 1015. Das waren z. B. Veröffentlichungen: „Hände weg von Korea!", „An die Bevölkerung Westdeutschlands!", „OderNeiße-Friedensgrenze", „Aufmarschgebiet Westdeutschland" usw. Vgl. Arbeitsbericht der Abteilung IV für August 1950 vom 18. September 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 59. Die Karteien des Nationalrats wurden regelmäßig nach „brauchbaren Beziehun-

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Problematischer gestaltete sich der Weg der Briefe, Broschüren und Zeitungen an ihre Empfänger nach Westdeutschland. Große Mengen gedruckte Materialien, die von Ost nach West gingen und als Absender die Nationale Front trugen, wurden hin und wieder von der Bundespost bzw. dem Zoll nicht weiterbefördert. Öfters beklagten die West-Abonnenten von Zeitungen (z. B. „Deutschlands Stimme"), daß ihre Sendungen kontrolliert und aussortiert waren. Natürlich bestand die Möglichkeit, die Briefe und die Broschüren per Kurier über die noch (fast) grüne Grenze bzw. in Berlin per S-Bahn in den Westen zu bringen. Doch tat sich dann das Problem auf, daß das erforderliche West-Porto für Briefmarken fehlte und für die Millionensendungen pro Jahr so hohe DM-Beträge nicht zur Verfugung standen.46 So verfielen die Mitarbeiter der Kreisausschüsse der Nationalen Front, insbesondere der grenznahen Kreise wie Nordhausen, Heiligenstadt, Hildburghausen, Mühlhausen, Meiningen, Sonneberg und Plauen, auf ungewöhnliche Transportmethoden von Literatur nach Westdeutschland. Sie berichteten, die Literatur durch Luftballons und in den Hohlkörpern von Spielzeugpuppen (Kreis Sonneberg) versandt zu haben. Andere schickten die Materialien mit Holztransporten oder in Milchkannen über die Demarkationslinie. Wieder andere übergaben sie Bauern, die im kleinen Grenzverkehr mit ihren landwirtschaftlichen Fahrzeugen das Agitationsmaterial über die Grenze schleusten. An den Interzonenkontrollpunkten und bei „Aussprache-Abenden mit Westbesuchern" lag die Literatur der Nationalen Front aus. Und nicht zuletzt meldeten die Kreisausschüsse Heiligenstadt und Bad Salzungen in Thüringen, daß sie die Flugblätter und Broschüren per Flaschenpost auf der Werra nach Hessen transportieren wollten, aber z.Z. keine Korken für diese Art des Transports zu beschaffen seien!47 Aus dem Gesamtdeutschen Ministerium in Bonn vernahm die SED-Spitze in OstBerlin aus nicht näher bezeichneter Quelle, daß es Kritik an der mangelnden propagandistischen Arbeit des Ministeriums, an dem „nicht genügenden propagandistischen Hineinwirken in die Ostzone", gäbe. Flugblatt- und Plakatklebeaktionen und intensivere Rundfunkagitationen von West nach Ost forderte das Bonner Innenministerium vom Gesamtdeutschen Ministerium, um der ostdeutschen Propaganda-Offensive etwas entgegensetzen zu können.48 Die zentral geplanten und mit erheblichem Aufwand durchgeführten SED-Propagandaaktionen nach Westdeutschland riefen bei westdeutschen Politikern und in hochrangigen Gremien, wie dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen des

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gen nach drüben" oder nach „Persönlichkeiten aus der DDR, die gute Beziehungen nach Westdeutschland unterhalten", durchgesehen. Vgl. Vorschläge des Büros der NF zur Verstärkung der Westarbeit vom 2. November 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 8/1. Vgl. Stimmen aus Westdeutschland, 5. Juli 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 1015; Siegfried Suckut, Innenpolitische Aspekte der DDR-Gründung, S. 100 f. Vgl. Arbeitsmethoden für den Transport von Literatur nach dem Westen, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 8/1. Vgl. Kritik des Bundeskabinetts, 31. August 1950, in: SAPMO-BA NY 4072/214/B1. 119.

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Deutschen Bundestages, ein Gefiihl der Machtlosigkeit und Bedrohung hervor, das sich gelegentlich zur Hysterie steigerte.49 Ein besonderes politisches Interesse richtete die DDR-Führung auf die Begeisterung und Aktivierung der jungen Generation für die SED-Westaktionen.50 So wollte z. B. der FDJ-Vorsitzende Erich Honecker während des ersten Deutschlandtreffens der Jugend im Mai 1950 die Schlagkraft der FDJ in der Ost-West-Auseinandersetzung unter Beweis stellen und tausende uniformierte Blauhemden über die Sektorengrenze von Ostnach West-Berlin marschieren lassen. Dieses Unternehmen wurde kurzfristig, wohl auch zum Ärger der SED-Führung, auf Anordnung Moskaus gestoppt. Stalin wollte im Sommer 1950 nicht wieder in Zwist mit den Westmächten wegen West-Berlin geraten. Die sowjetischen Offiziere der SKK gaben Honecker zu verstehen, sein geplanter Marsch durch die westlichen Stadtbezirke habe den „Kriegshetzern im Westen" geradezu Wasser auf ihre Mühlen geleitet.51 Die FDJ-Großveranstaltungen und Massenaufmärsche wie das Deutschlandtreffen oder die Weltjugendfestspiele im August 1951 müssen ihre Wirkung aber nicht völlig verfehlt haben. So berichtete ein ungenannter Informant im August 1951 aus dem „Bonner Kabinettskreis", daß Minister Jakob Kaiser den ungeahnt großen Erfolg der Berliner Weltjugendfestspiele eingestehen mußte und daß „im ganzen eine große Aktivierung der kommunistischen Jugend aus Westdeutschland geglückt sei". Dagegen wäre trotz einer finanziellen Unterstützung von DM 400.000 durch die Bundesregierung das Europa-Jugendlager auf der Loreley ein Mißerfolg gewesen.53 Wie bedroht sich die Bundesrepublik von SED/FDJ-Aktionen seinerzeit fühlte, zeigen die Maßnahmen bundesdeutscher Gremien, um die Teilnahme westdeutscher Jugendlicher an den Ost-Berliner Weltjugendfestspielen im August 1951 zu behindern. Es war u. a. verboten worden, für die Veranstaltung in der Bundesrepublik zu werben. Der weitgehendste Eingriff bestand in der Verweigerung der Ausstellung von Interzonenpässen und in einer zeitweisen Sperrung der Zonengrenze in west-östlicher Richtung 49 50 51 52

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Vgl. Der Gesamtdeutsche Ausschuß, S. XLIX; Ausschußsitzung vom 1. Februar 1951, in: ebenda, S. 123-129. Vgl. zur Westarbeit der FDJ und ihre Anleitung durch die SED bei Michael Herms, Karla Popp. Vgl. Ulrich Mählert, Gerd-Rüdiger Stephan, S. 81 f. Vgl. Michael Herms, Karla Popp, S. 81-87, 134-147. Vgl. auch die geplanten Gegenveranstaltungen in West-Berlin zum Deutschlandtreffen der FDJ im Mai 1950 in Ost-Berlin, die die Bundesregierung initiierte, in: Der Gesamtdeutsche Ausschuß, Sitzung vom 17. Mai 1950, S. 55-61. Im Bericht heißt es: „... der Geist, der auf der Loreley herrschte, sei entmutigend gewesen. Auch hier habe sich gezeigt, wie weit der Kommunismus bereits durch seine verschiedenen Kanäle in die westdeutsche Jugend vorgedrungen sei... Bei gemeinsamen Aussprachen über die Verteidigung der freien Welt sei es fast immer so gewesen, daß der Diskussionsleiter die Frage der Verteidigung überhaupt gegen die ganzen Jugendlichen habe verteidigen müssen..." Informationen aus dem Bonner Kabinett, in: SAPMO-BA NY 4072/214/B1. 202. Vgl. auch die Suche nach Gegenmaßnahmen zur Veranstaltung der „Weltjugendfestspiele" durch den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen des Deutschen Bundestages, in: Der Gesamtdeutsche Ausschuß, Sitzung am 29. März 1951, S. 173, Sitzung am 17. Mai 1951, S. 183 f., Sitzung am 17. August 1951, S. 199 und Sitzung vom 4. September 1951, S. 205 ff.

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durch den Bundesgrenzschutz, um den Jugendlichen die Reise nach Ost-Berlin zu erschweren. Allein in Bayern und Niedersachsen waren an Polizeieinsätzen wegen der Festspiele ca. 12.000 Beamte beteiligt.54 Im Finanzplan des FDJ-Führungsgremiums waren 1951 für die Arbeit in Westdeutschland 247.405 Mark (West) monatlich vermerkt. Auf ein Jahr hochgerechnet bedeutete das eine Unterstützung von ca. drei Millionen DM. Hinzu kamen eine Million Mark (West) Zuschüsse für die in diesem Jahr stattfindenden Weltfestspiele und 500.000 DM „für Agitationszwecke für die Weltfestspiele und zur Volksbefragung".55 Für die Westarbeit der FDJ scheinen beträchtliche Geldsummen aufgewandt worden Regelmäßig reisten in großer Zahl „Instrukteure" und Funktionäre der Nationalen Front in und durch die Bundesrepublik. Allein im August 1950 schickte das Sekretariat der Nationalen Front zur Vorbereitung des I. Nationalkongresses zwanzig Instrukteure in die westlichen Bundesländer.57 Die Referenteneinsätze waren langfristig geplant, und die Auswahl der Referenten spiegelte die politische Hochrangigkeit solcher Aktionen. Zu Vortragsreisen in die Bundesrepublik sandte die SED-Führung 1949 und 1950 u. a. Elli Schmidt (Kandidatin des SED-Politbüros und Vorsitzende des DFD), Wilhelm Girnus (SED-Funktionär und Redakteur beim „Neuen Deutschland"), die Professoren Rudolf Agricola (Lehrstuhl für politische Ökonomie in Halle und vordem von 1945-1948 mit Theodor Heuss Chefredakteur der „Rhein-Neckar-Zeitung" in Heidelberg) und Robert Havemann (Physiochemiker mit Lehrauftrag an der Humboldt-Universität, Volkskammerabgeordneter und Funktionär des Kulturbundes), die Mitarbeiter des Nationalrats der Nationalen Front Friedel Malter (SED und Bundesvorstand des FDGB), Wilhelm Jost (Leiter der Westabteilung beim Nationalrat) und Max Spangenberg (SED und Chefredakteur von „Deutschlands Stimme") sowie den Stellvertretenden Bürochef des Nationalrats Hans Seigewasser (ZK der SED).58 Reiseberichte kamen auch vom 54 55

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Vgl. ebenda, Sitzung am 4. September 1951, S. 209 f. Das Protokoll der Sekretariatssitzung vermerkte weiter: „Auf das Konto 'S1 [?] werden 448.800,— DM (West) übernommen." Vgl. Protokoll vom 30. März 1951, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/182. Vgl. zur FDJ-Westarbeit Michael Herms, S. 48-53. Der Gesamthaushaltsplan des FDJZentralrates sah für 1951 einen Etat von 87 Mio. DM (Ost) vor. Davon gingen 2,5 Mio. DM (Ost) an die FDJ-Abteilung „Westdeutschland" und war damit der größte Einzeletat. 1956 waren für die politische Arbeit des FDJ-Zentralrates 11,3 Mio. DM (Ost) vorgesehen, davon gingen an die „Abteilung Gesamtdeutsche Arbeit" 4,57 Millionen DM (Ost). Vgl. Michael Herms, Karla Popp, S. 521 f. Vgl. zu den Instrukteureinsätzen die Sitzungen Sekretariats am 17. Juni 1949, am 18. September 1950, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/33, J IV 2/3/139; Reiseberichte der Instrukteure nach Westdeutschland 1950, 1951 und Arbeitsbericht der Abteilung IV vom 18. September 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 0495, 59. Vgl. Referenteneinsätze und Vortragsreisen nach Westdeutschland 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 5684, 5940, 5879; Vorschläge des Büros zur Verstärkung der Westarbeit vom 2. November 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 8/1.

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Generalsekretär der LDP Günter Stempel, dem Nationalratsmitglied Heinz Ullrich oder von den Schriftstellern Arnold Zweig und Anna Seghers. 59 Welches Bild gaben die Instrukteure und Referenten über die Wirkung der Westarbeit der SED-Spitze, der Regierung der DDR und der Nationalen Front? Mit welchen Personen und Organisationen traten sie in der Bundesrepublik in Kontakt? Auf welche Stimmung in bezug auf die Existenz und die Politik der DDR stießen die ausgewählten Funktionäre 1949 und 1950? Noch scheinen die Berichte und Rückmeldungen, die auch nach Berlin-Karlshorst an die Sowjetische Kontrollkommission gingen 60 , offen und kritisch gewesen zu sein. Zunächst fallt auf, unter welch unterschiedlichen Organisationsnamen sich Personen und Gruppen, die von der Nationalen Front organisiert und von der KPD unterstützt wurden, in Westdeutschland zusammenfanden: So bestanden in Bonn VVN-Friedensgruppen, in Hamburg und Schleswig „Arbeitsgemeinschaften für gesamtdeutsche Fragen", in Göttingen die „Deutsche Friedensgesellschaft", der „Dortmunder Kreis für ein einiges Deutschland", der „Recklinghausener Ausschuß der Nationalen Front", „Friedenskomitees" in verschiedenen Städten, so in Bremen das „Komitee der Kämpfer für den Frieden", in Augsburg das „Komitee zur Verteidigung der demokratischen Rechte 61 " oder die mit bekannteren Persönlichkeiten besetzte „Gesellschaft für die Wiedervereinigung Deutschlands" 62 . Scharfe Kritik ging in diesem Zusammenhang an die einzelnen KPD-Organisationen in den Bundesländern, die diese Gruppen nur unzureichend unterstützten oder in ihrer „linkssektiererischer Art" 63 die Menschen mehr abschreckten als sie in diese Gruppen einzubinden verstanden. Auch räumten die ostdeutschen Funktionäre ein, daß man es nicht geschafft habe, die Nationale Front im Westen als ein überparteiliches und nicht-kommunistisch gelenktes Gre. • 6 4 mium zu präsentieren. 59 60 61

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Vgl. Reiseberichte September, November 1949, Januar 1950, November 1950, April 1950, Juli 1950, alle in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 8/1,494, 495, 5879, 5070. Vgl. z. B. An die SSK: Bericht über die westdeutsche Reise vom 15.-24. Februar 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 5879. In einer SED-Politbilrositzung vom 3. Oktober 1950 wurde die SED-Westkommission unter F. Dahlem angewiesen, in Betrieben, Orten, Verwaltungen und Gewerkschaftsgruppen Westdeutschlands, „Komitees zum Schutz der demokratischen Rechte" unter verschiedenen Bezeichnungen zu bilden. Diese sollten gemaßregelten Anhängern der Nationalen Front beistehen. Vgl. Protokoll, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/111/B1. 1-2. Hier hatten sich z. B. eingeschrieben: Botschafter a.D. Rudolf Nadolny, Staatssekretär a.D. Dr. Paul Binder, Oberbürgermeister a.D. Wilhelm Elfes, Stellvertretender Ministerpräsident Dr. Günther Gereke, Reichsminister a.D. Dr. Andreas Hermes oder Staatsminister Heinrich Lübke usw. Vgl. Mitteilung an die NF vom 18. Juni 1950, in: SAPMO-BA NY 4090/517/B1. 59-61. Der Vorsitzende des Nationale-Front-Ausschusses von Bielefeld und KPD-Mitglied verschickte Einladungen zu einer Versammlung, die nur so von Marx-, Lenin- und Stalinzitaten strotzten. „Sie führten dazu, daß einige bisherige Freunde der Nationalen Front es unter Protest ablehnten, zur Versammlung zu erscheinen ... und auf Grund dieser Einladung die Nationale Front als eine reine Parteiangelegenheit der KPD bezeichneten." So berichtete der DDR-Staatssekretär Wilhelm von Stolzenberg (LDPD) im Januar 1950 von Veranstaltungen in Hamburg: „Es ist ja bekannt, daß die Bewegung der Nationalen Front trotz

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Die Emissäre aus dem Osten Deutschlands berichteten übereinstimmend über die aufgeschlossenen Fragen zu Einzelentwicklungen in der DDR65 auf Veranstaltungen, die die Ausschüsse der Nationalen Front und die KPD-Organisationen in Städten der Bundesrepublik organisiert hatten. An direkten Kontakten, an Informationen aus erster Hand, auch an Zeitungen und Zeitschriften aus der DDR schienen die westdeutschen Teilnehmer dieser Veranstaltungen - die durch ihr Kommen per se Interesse bekundet hatten - angetan und interessiert zu sein.66 Aber mindestens ebenso unverhohlen äußerten sie Kritik an Aufmachung und Inhalt des Agitationsmaterials aus dem Osten. Die Schriften wurden als „propagandistisch", „monoton", im „Stil unverständlichen", als „aggressiv" und „ohne notwendige sachliche Untermauerung" empfunden. In allen Rückmeldungen aus dem Westen kam die Sprache immer wieder auf Fragen und Bemerkungen, die die DDR-Instrukteure und Referenten als „versteckte Angriffe gegen die Ostzone" und als Zeichen der „totalen Verhetzung der Menschen im Westen Deutschlands" ausmachten. Aber immerhin scheute man sich nicht, diese für die SEDSpitze unangenehmen Themenstellungen anzusprechen. Wiederkehrende Fragen auf den Veranstaltungen der Organisationen der Nationalen Front in Westdeutschland waren etwa: „Entspricht es der Wahrheit, daß die Volkspolizei schwere Waffen trägt?"; „Wieviel Gefangene befinden sich noch in der Sowjetunion?; „Welche Stellung nimmt die DDR zur Oder-Neiße-Grenze ein?"; „Müssen die Bauern in der DDR die gesamte Ernte abliefern?"; „Wie steht es mit den Kirchen in der DDR? Können ihre Anhänger ihren religiösen Sitten und Gebräuchen nachgehen?"; „Warum gab es keine geheimen Wahlen im Osten?" sowie „Können die bürgerlich-demokratischen Parteien mitbestimmen, oder unterliegen sie einer SED-Diktatur?"67 Eine weiteres Problemfeld, das von DDR-Seite mit gewissem Unbehagen registriert wurde, bestand darin, daß sich zu den Vortrags- und Versammlungsveranstaltungen sehr oft politisch „rechte" Kreise, ehemalige Offiziere der Waffen-SS, Funktionäre der HJ und NSDAP, einfanden. Die von diesen gestellte Frage, ob sie in den Ausschüssen der Nationalen Front mitarbeiten dürften, wurde in den meisten Fällen so beantwortet: „Wenn er kein Kriegsverbrecher sei, wenn er keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe, sei seine Mitarbeit willkommen, und er könne dadurch beweisen,

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der Mitarbeit aller Parteien usw. in der Ostzone als ein unbedingt kommunistisch geführtes Unternehmen angesehen wird." Das waren Fragen zu: Entwicklungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens in der DDR; Justiz- und Verfassungsfragen insbesondere zum Problem der Gewaltenteilung; wirtschaftliche Beziehungen zwischen Ost und West (Handelstätigkeit). „Man wünscht auch durch Schriften und sonstige Literatur laufend unterrichtet zu werden." oder „Es freut uns immer, von Euch etwas zu bekommen. Daß wir die Schriften von Hand zu Hand geben, brauchen wir nicht besonders zu betonen, denn das Interesse ist dafür ... sehr groß, besonders in den akademischen Kreisen." Es gab auch drastischere Aussagen in den Berichten: „Sofort [begann] eine unverholene Hetze mit sozialdemokratischen Schlagworten ... Vergewaltigungen durch die Russen, KZ's im Osten, Zwangsarbeit in der DDR - daher keine Arbeitslosigkeit, Verschleppung und Rechtsunsicherheit, Oder-Neiße-Linie, Angriffsabsichten der Sowjetunion - Beweis der Krieg mit Finnland ..."

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daß er wirklich bereit sei, das beste für sein Vaterland zu tun." Diese Worte stießen auf eine positive Resonanz bei diesem Teilnehmerkreis.68 Kontaktversuche zu sozialdemokratischen oder CDU/CSU-Kreisen scheinen nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein. Gespräche und Verbindungen zu Einzelpersönlichkeiten ließen sich hin und wieder herstellen; z. B. in Bonn zu dem ehemaligen Diplomaten der Weimarer Republik Rudolf Nadolny69, zu Professor Ulrich Noack aus Würzburg bzw. zu Ärzten, Juristen, Universitätsprofessoren und Redakteuren. Die für die Funktionäre aus Ostdeutschland wichtige Frage, wie die Westdeutschen zu den ostdeutschen Bemühungen um die deutschen Einheit stünden, wurde unterschiedlich beantwortet: Die antisowjetische Propaganda sei zwar sehr groß - so ein Bericht vom November 1949 - , aber die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, die Bildung der Regierung und die damit verbundenen außenpolitischen Aktivitäten fänden wohlwollende Beachtung. Die dauernde Verhetzung hätte zwar teilweise zu einer Abneigung gegenüber der Entwicklung in der DDR geführt - berichtete ein NDPD-Funktionär im November 1950 an das Sekretariat der Nationalen Frontdoch sei der „politische Boden trotz allem aufgeschlossen und günstig". In allen Versammlungen und Aussprachen konnte er feststellen, „daß die Bevölkerung unserer Entwicklung gegenüber aufgeschlossen ist... und unsere Entwicklung bejaht." Andererseits leiteten die ostdeutschen Abgesandten auch die negative Stimmung weiter, wenn sie schrieben, „daß große Teile der westdeutschen Bevölkerung aller Schichten gegenwärtig [Herbst 1949] der Sowjetunion und der kommunistischen Partei sowie der SED mit einer unbeschreiblichen Ablehnung gegenüberstehen. ... Alle [westdeutschen] Kreise versicherten, daß man die Ostzone keineswegs abgeschrieben habe ... Die Wiedervereinigung stellt man sich allerdings im wesentlichen in einem Anschluß der Ostzone an den Bundesstaat" vor.70 68

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In einem Bericht wurde geschlußfolgert: „Es ist zu verzeichnen, daß, obwohl der Antisowjetismus in der Mehrheit der Bevölkerung immer noch tief verwurzelt ist, doch schon eine Auflockerung zu bemerken ist und daß vor allem in nationalgesinnten Kreisen des Bürgertums ... sowie vor allem bei ehemaligen Nationalsozialisten ... Verständnis und Zustimmung für enge und freundschaftliche Beziehungen zwischen dem sowjetischen und dem deutschen Volke ständig zunehmen...." Die „Gesellschaft fllr die Wiedervereinigung Deutschlands, Berlin-Bonn", d.h. die Gruppe um Nadolny und Hermes, nahm eine kritische und ablehnende Haltung zur DDR und zur Nationalen Front ein. Vgl. Vertrauliche Information an W. Koenen vom 4. Dezember 1950, in: SAPMO-BA NY 4074/203/B1. 26. Vgl. Bericht von H. Ullrich über seine Fahrt nach Westdeutschland 27. Oktober bis 5. November 1949, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494; Bericht von Günter Stempel über seine Reise nach Westdeutschland vom 17.-21. September 1949, in: ebenda; Hausmitteilung von H. Ullrich an Wilhelm Koenen vom 16. Dezember 1949, in: ebenda; Bericht von Dr. Freiherr von Stolzenberg über seine Reise nach dem Westen vom 20.-24. Januar 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 8/1; Reise nach Göttingen vom 3. März 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 495; Bericht über die westdeutsche Reise an die SKK vom 29. März 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 5879; Bericht von M. Spangenberg über die Reise nach NRW vom 12.-17. April 1950, in: ebenda; Die Friedensfront in Westdeutschland wächst trotz Drohung und Terror, vom 3. Juli 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 1015;

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Aus allen Berichten der Jahre 1949 und 1950 ging mehr oder weniger deutlich hervor, daß die Bemühungen der Nationalen Front in bezug auf ihre Westarbeit kritisch und distanziert von der Bevölkerung der Bundesrepublik aufgenommen wurden. Teilerfolge, insbesondere bei direkten Kontakten und Gesprächen zwischen Ost- und Westdeutschen, hatten die „Arbeit nach Westdeutschland" bei den DDR-Funktionären aber keinesfalls schon als hoffnungslose Sache erscheinen lassen. Sie schlußfolgerten, daß intensive, größer angelegte und systematische Aktionen in der Bundesrepublik, die Konzentration auf die junge Generation, verstärkte Einladungen in die DDR oder die Auswahl von guten und geeigneten Referenten für die Einsätze nach Westdeutschland, um „für die Einheit Deutschlands und die Erhaltung des Friedens" zu werben, auf längere Sicht zum gewünschten Erfolg führen würden.

C. Die „Grotewohl-Initiative" vom 30. November 1950 Die sowjetischen Ermahnungen vom Juni 1950 an die Adresse der SED-Führung, die Arbeit nach Westdeutschland zu verbessern, konnte keine grundlegende Änderung nach sich ziehen. Die ganze Aufmerksamkeit der SED-Spitze ruhte 1950 auf dem eigenen Staat. Mit Problemen wie der Vorbereitung der Volkskammerwahlen und der damit verbundenen Ausschaltung von hartnäckigen Widerständen aus den „bürgerlichen" Parteien gegen die Aufstellung der Einheitswahllisten71 und mit Wirtschaftsfragen war sie zu sehr in Anspruch genommen, als daß sie sich intensiver der Westarbeit widmen konnten. Welche Schwierigkeiten die SED mit der Westarbeit, d.h. mit dem Hineinwirken in die Bundesrepublik hatte, widerspiegelte der detaillierte Arbeitsplan vom September/Oktober 1950, der dafür nur den Punkt „Vorbereitung des Parteitages der KPD" auswies. Und hier sah man das „Sektierertum72,, als das Haupthindernis dafür an, daß die KPD keine engeren Verbindungen mit der westdeutschen Bevölkerung herstellen

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Stimmen aus Westdeutschland vom 5. Juli 1950, in: ebenda; Bericht von G. Stempel über die Westreise vom 7.-13. Juli 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 495; Bericht von M. Schneider über seine Vortragsreise vom 19. Oktober bis 2. November 1950, in: ebenda; Instrukteurbericht vom 5. Dezember 1950, in: ebenda. Vgl. Über den Verlauf der Aufdeckung reaktionärer Elemente in den bürgerlichen Parteien, 13. März 1950, in: SAPMO-BA NY 4036/736/B1. 78 ff. Die SED-Westkommission erreichten regelmäßig Briefe von westdeutschen KPD-Anhängern, die extreme Vorstellungen vertraten, z. B. die sofortige Enteignung von allem Privateigentum oder die Schaffung der „Diktatur des Proletariats" in ganz Deutschland durch militärische Gewalt der Sowjetunion. Die SED-Genossen befürchteten, mit solchen Parolen die Menschen noch mehr abzuschrecken, als sie zu gewinnen. Vgl. Abschrift vom 12. Juni 1950 und Mitteilung für die SED-Westkommission an Erich Glückauf vom 30. Juni 1950, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 8/1.

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konnte.73 Um diesen Mangel zu beheben, fiel der SED-Spitze nichts besseres ein, als eine weitere Zahl von hochrangig besetzten Gremien und Kommissionen zu installieren. Das waren u. a. die Kommission zu „Fragen der politischen Entwicklung in Westdeutschland", die Kommission „Entwicklung der Wirtschaft in Westdeutschland", die Kommission „Lage der Arbeiterklasse" im Zusammenhang mit der Überprüfung der Lohnbewegung und der Gewerkschaftspolitik der KPD.74 Selbstverschuldete Mängel bzw. Fehlleistungen eigener Art wie die aggressive Politik der Durchsetzung des totalitären Führungsanspruchs der SED in der DDR (z. B. die Einheitswahllisten für die Volkskammerwahlen), die extreme Ausrichtung auf sowjetische Wünsche und Vorgaben, die allgegenwärtige Präsenz der Besatzungsmacht und das dürftige materielle Erscheinungsbild der DDR um 1950 fielen vermutlich nicht in ein kritikwürdiges Licht. Konnte oder wollte die SED-Führung, die einzelnen Mitglieder des SED-Politbüros, diese Realität nicht wahrnehmen? Welche Meldungen registrierten die Spitzenfunktionäre und welche nahmen sie auf? Im SED-Politbüro fragte man sich wiederholt, warum es nicht gelang, Einfluß auf die sozialdemokratischen Gruppen in Westdeutschland zu nehmen. Der SED-Spitzenfunktionär Heinrich Rau gestand 1949 ein, „daß wir in der Gewinnung der sozialdemokratischen Massen nicht nur nicht vorwärts kommen, sondern an Boden verlieren". Sogar eine Überprüfung der SED-Arbeit gegenüber den Sozialdemokraten wurde in Erwägung gezogen, um dann doch wieder in die alten Ausflüchte und Lösungsvorschläge zu verfallen: die verräterische Politik der Schumacher-Leute aufzeigen, intensive, sachliche Überzeugungsarbeit dahingehend leisten, „daß die Politik der sozialdemokratischen Führung nicht den Interessen der Massen entspricht", konkrete Vorschläge zum gemeinsamen Handeln zwischen KPD und SPD auf örtlicher Ebene organisieren, um letztlich Oppositionsgruppen in der SPD zu schaffen.75 Es gelang der SED, mittels der KPD im Westen Deutschlands eine Organisation mit dem Namen „Sozialdemokratische Aktion" zu initiieren, die wie die Bezeichnung andeutete, sozialdemokratische Anhänger binden sollte. Die SPD erwirkte erst 1952 auf Antrag beim Landgericht Frankfurt a.M. mit der Begründung, daß es sich bei der „Sozialdemokratischen Aktion" um eine kommunistische Tarnorganisation handele, die nichts mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu tun habe, daß die „Sozialdemokratische Aktion" diesen Namen ablegen mußte. Daraufhin nannte sie sich „Sozialistische Aktion".76 73

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Vgl. Informationen Ulbrichts an Pieck über einen Plan September/Oktober 1950 vom 7. September 1950, in: Wilhelm Pieck- Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 38, 356-360. Weitere Kommissionen waren: „Lage in der SPD und Einheitsfrontpolitik der KPD", „Lage der Bauernschaft", „Lage der Jugend", „Lage der Frauen", „Lage der Umsiedler", „Lage unter der Intelligenz". Vgl. PB-Sitzung vom 3. Oktober 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/111. Vgl. Heinrich Rau an Anton Ackermann, Walter Ulbricht zur Kenntnisnahme vom 6. Januar 1949, in: SAPMO-BA NY 4182/867/B1. 47-48. Vgl. Auswertung der Aktionseinheits-Konferenz, PB-Sitzung vom 31. Oktober 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/116; 97. Kabinettsitzung am 19. September 1950, in: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 2. 1950, S. 703.

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Mißtrauisch beobachteten die SED-Funktionäre ihre „gefahrlichste politische Konkurrenz": die SPD-Führung in Westdeutschland.77 In diesem Zusammenhang tauchten hin und wieder Informationen über Herbert Wehner auf. Dieser hatte im März 1950 in Hamburg verkündet, es wäre politisch unklug, die KPD zu verbieten. Eine „klare soziale Politik" erledige die KPD weitgehend. Wehner argumentierte, so der Bericht an Ulbricht, gegen alle Stimmungen in der SPD, die eine Koalition mit Adenauer einzugehen wünschten.78 Sehnlichst hoffte die SED-Spitze, auf eine Verschlechterung des „sehr ernsten Gesundheitszustandes des greisen Bundeskanzlers", um im Kampf gegen „die AdenauerClique" endlich erfolgreicher zu sein.79 Ulbricht erreichten im Frühjahr/Sommer 1950 Informationen, daß Adenauer an Knochentuberkulose leide und nicht mehr bzw. nur kurzfristig in sein Amt zurückkehren könne. Als Nachfolger handelte man, so der ungenannte Informant, den ehemaligen Reichsminister Dr. Hans Schlange-Schöningen, einen angeblichen Verfechter einer Großen Koalition, oder den Ex-Reichskanzler Heinrich Brüning.80 Wie irrig diese Informationen waren, zeigte sich schnell. Für 1949 und für 1950 kann ein ernster Wille der Mehrheit der SED-Führung angenommen werden, Deutschland nach dem Bild der „antifaschistisch-demokratischen Ordnung" der DDR wiederzuvereinen, auch wenn das Politbüromitglied Rudolf Herrnstadt intern im Oktober 1950 seiner Partei riet (Warum tat er das?), „sich von der undialektischen Vorstellung freizumachen, das kommende einheitliche, demokratische Deutschland werde einfach eine vergrößerte Kopie der gegenwärtigen Deutschen Demokratischen Republik sein".81 Damit wollte er aber vermutlich nicht andeuten, daß das 77

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„In dem obersten Kreis des SPD-Parteivorstandes wird die Auffassung vertreten, daß Carlo Schmidt [sie] engstens mit der Hohen Kommission die Politik der Partei bestimmt. Schumacher muß immer wieder von der Hohen Kommission zurechtgebogen werden. Die SPD arbeitet darauf hin, den Bundeskanzler zu erhalten, sie sind unter diesen Umständen bereit, eine große Koalition, allerdings ohne Adenauer, zu bilden." Informationen aus der SPD vom 23. März 1950, in: SAPMO-BA NY 4036/649/B1. 159. Vgl. ebenda, Bl. 158 f. „Im Zusammenhang mit dem Schweizer Erholungsurlaub Adenauers beschäftigt man sich zur Zeit auch mit der Frage einer eventuellen Nachfolgeschaft. A.'s starke Position wird u. a. darauf zurückgeführt, daß es schwer halten wird [sie], einen geeigneten Nachfolger zu finden. 'Adenauers Gesundheitszustand soll sehr ernst sein'." In: Brief Ulbrichts an Dahlem vom 19. April 1950, in: SAPMO-BA NY 4182/867. Vgl. Bericht an Ulbricht, August 1950 und Genossen Ulbricht zur Information, 26. Juli 1950, in: SAPMO-BA N Y 4182/867/B1. 118 und NY 4182/1305/B1. 207-208. Die Kanzler-Diskussionen brachten es mit sich, daß die SED-Spitze alle nur möglichen Kandidaten im ständigen Visier hatte. So schrieb Albert Norden, späterer Chefideologe der SED, bereits 1948 einen „vernichtenden" Artikel zu Heinrich Brüning. Vgl. ders., „Der Mann, der sich mit Hitler traf. Zur bevorstehenden Rückkehr des Ex-Kanzlers Heinrich Brüning aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Westdeutschland", in: Deutschlands Stimme vom 6. Juni 1948, S. 5. Zitiert bei Michael Lemke, Die DDR und die deutsche Frage 1949-1955, S. 152; ders., Eine deutsche Chance?, S. 28. Vgl. auch die (parteiische) Stellung der DDR-Historiographie bei Heinz Heitzer, S. 233-257.

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vereinte Deutschland der politischen und sozialen Ordnung der Bundesrepublik entsprechen würde. Es bleibt die Frage, ob die SED sich und die DDR für stark genug hielt, die Einheit zu ihren Vorstellungen zu erzwingen. Oder war man bereit, zunächst Abstriche vom Maximalkonzept hinzunehmen? Welche Gedanken machten sich die SED-Machthaber, die denkbar unterschiedlichen politischen und ökonomischen Ordnungsverhältnisse in Ost- und Westdeutschland wieder in Einklang zu bringen? Nachdem vom 12. bis 19. September 1950 in New York die Außenminister der USA, Großbritanniens und Frankreichs die Weichen für die Einbeziehung der Bundesrepublik in das westliche Verteidigungssystem gestellt hatten, tagten am 20. und 21. Oktober 1950 in Prag die Außenminister der Sowjetunion, Albaniens, Bulgariens, der Tschechoslowakei, Polens, Rumäniens, Ungarns und der DDR82. Moskau nahm die westlichen Sicherheitsgarantien für die Bundesrepublik sehr ernst. Die Frage der westdeutschen Wiederbewaffnung schien für die sowjetischen Parteiführer ersteinmal noch uninteressant. Sollte die Sowjetunion in dieser Situation nicht einen Versuch starten, um in die Diskussion um Deutschland erneut einzusteigen? Die UdSSR ließ dazu in Prag einen deutschlandpolitischen Vorschlag verabschieden, der auf einen Kompromiß zwischen Ost-Berlin und Bonn hinauslaufen sollte. Dieser sah die „Bildung eines aus Vertretern Ost- und Westdeutschland paritätisch zusammengesetzten Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates, der die Bildung einer provisorischen demokratischen, friedliebenden, gesamtdeutschen, souveränen Regierung vorbereiten und den Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs die entsprechenden Vorschläge zwecks gemeinsamer Bestätigung unterbreiten soll ..." vor. Unter bestimmten Umständen könne eine unmittelbare Befragung des deutschen Volkes über diesen Vorschlag durchgeführt werden. Ministerpräsidenten Otto Grotewohl konkretisierte in einer Regierungserklärung vom 15. November den Prager Vorschlag damit, „daß dieser Gesamtdeutsche Konstituierende Rat die Vorbereitung der Bedingungen zur Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen für eine Nationalversammlung übernehmen könnte." Der Prager Beschluß modifizierte die Politik der SED gegenüber der Bundesrepublik. Zunächst änderte sich der unversöhnliche Ton gegenüber der Bonner Regierung.84 Man unterließ die militante Forderung nach „Sturz der Bonner Regierung" und konzentrierte sich auf den agitatorischen Angriff gegen die „amerikanischen Imperialisten". Auch die radikalen Wiedervereinigungsvorstellungen wurden moderater vorgetragen, als Ulbricht am 27. Oktober 1950 auf einer ZK-Tagung formulierte, daß es Angelegenheit des ganzen Volkes sei, nach der Herstellung der Einheit über seine innere Ordnung 82

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Von Seiten der DDR waren in Prag anwesend: Außenminister Georg Dertinger, seine Persönliche Referentin Helene Berner, der Staatssekretär Anton Ackermann, der Hauptabteilungsleiter Peter Florin und der Abteilungsleiter Wilhelm Meißner. Vgl. PA des AA MfAA A 14615. Prager Erklärung vom 22. Oktober 1950 und Aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl vor den Abgeordneten der Volkskammer in Berlin am 15. November 1950, in: Dokumente zur Außenpolitik der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. I, S. 318, 179. Vgl. Entschließung des ZK der SED zum Ergebnis der Prager Außenministerkonferenz, PBSitzung vom 25. Oktober 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/115.

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selbst zu entscheiden. Ulbricht sprach sich für den Konstituierenden Rat und für damit verbundene innerdeutsche Verhandlungen auf der Basis des „Willens zum Kompromiß" aus. Die SED-Spitze sah in dem Prager Treffen ein Signal für sowjetische Gesprächsbereitschaft und eine Chance, die „Massen in ganz Deutschland national" zu beeinflussen sowie sich selbst, die Regierung der DDR, aufzuwerten.85 Ende Oktober 1950 startete eine großangelegte Popularisierungskampagne zur „Massenmobilisierung für die Prager Beschlüsse in Westdeutschland". Unter Leitung des SED-Politbüros wurde alles aufgeboten, was der kommunistische Agitationsbetrieb zu bieten hatte: Massenverbreitung der Prager Erklärung der Außenministerkonferenz als Flugblatt, als Plakat und als Klebezettel; Organisation von Belegschaftsversammlungen und Kundgebungen sowie organisierte Zustimmungserklärungen von Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen in Ost und West. Die sofortige Entsendung von 40 Instrukteuren in die Bundesrepublik stand genauso im Repertoire wie das Herantreten an „Persönlichkeiten in Westdeutschland" (z. B. an Martin Niemöller oder Gustav Heinemann) oder das Entsenden von politisch zuverlässigen Leuten aus der DDR, die Personen in Westdeutschland persönlich aufsuchen sollten, um mit ihnen eine „Aussprache" zu den Prager Beschlüssen zu führen.86 Am 30. November 1950 richtete Ministerpräsident Otto Grotewohl an Bundeskanzler Konrad Adenauer ein Schreiben, in dem er die Aufnahme von Verhandlungen über die Bildung eines „Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates" vorschlug. Der Grotewohlbrief entstand auf direkte sowjetische Anordnung unter Federführung Walter Ulbrichts.87 Welche Bedingungen" nach Ansicht der Absender gegeben sein müßten, um die Durchführung freier Wahlen zu gestatten, und ob eine „Bildung der gesamtdeutschen Regierung" vor oder erst nach den Wahlen stattfinden sollte, blieb unklar. Die Propagierung des Grotewohl-Briefes verlief nach dem gleichen Muster wie vordem die Popularisierung der Prager Beschlüsse. In der DDR inszenierte das SEDPolitbüro sie als „Zustimmungskampagne" und in die Bundesrepublik als eine von der KPD geleitete „Massenaktion".88 Diese propagandistische Großkampagne zielte darauf, die Bundesregierung zu zwingen, den Vorschlag anzunehmen. Gleichzeitig sollte sie 85 86

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Vgl. Michael Lemke, Eine deutsche Chance?, S. 30 f.; Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 171 f. Vgl. Politbürobeschluß zur Massenmobilisierung vom 31. Oktober 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/116; Sitzung der Westkommission des ZK der SED vom 28. Oktober 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 2398; Vorschläge des Büros des Präsidiums des Nationalrats zur Popularisierung der Erklärung der Außenminister in Prag, 30. Oktober 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 8/1 und Besprechung über Westfragen, betr. M. Niemöller, 18. Oktober 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 1015. Vgl. Michael Lemke, Eine deutsche Chance?, S. 31. Vgl. Maßnahmen zur Popularisierung des Briefes des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl an Adenauer, Politbürositzung vom 5. Dezember 1950; Sekretariatssitzung vom 4. Dezember 1950, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/1/B1. 67-71, DY 30 J IV 2/3/157/B1. 4-6; Verteilung von Flugblättern (Grotewohlbrief) durch die Nationale Front vom 11. Dezember 1950, in: ebenda, DY 6 vorl. 8/1.

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die aktive Rolle der DDR-Regierung in der Deutschen Frage verdeutlichen. Die SED besaß großes Interesse, in der deutsch-deutschen Systemauseinandersetzung ihr Erscheinungsbild zu verbessern. Nach einem Jahr Staatlichkeit wollte die DDR-Führung innenpolitisch ihre Macht festigen, um mit dieser Stärkung der Wiedervereinigung nach ihren Vorstellungen entscheidend näherzukommen. Ein innerdeutsches Gespräch auf Regierungs- oder Parlamentsebene hätte zu ihrer politischen Aufwertung wesentlich beigetragen. Der SED-Spitze war hingegen klar, daß die Bundesregierung zu einem solchen Gespräch kaum zu bewegen war. Deshalb orientierte man den eigenen Westapparat auf die Beeinflussung von Politikern und Persönlichkeiten in Westdeutschland, die der Adenauerschen Politik skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden. Das SEDPolitbüro war über den Stand der internen Bonner Beratungen zum Grotewohl-Brief (Dezember 1950 bis Anfang März 1951) gut informiert.89 Die Quellen dieser Informationen fanden sich in Bonner und Berliner SPD-Kreisen, im Gesamtdeutschen Ministerium, im Außenpolitischen Ausschuß des Bundestages sowie in Führungsgremien von FDP und Deutscher Partei.90 Bundeskanzler Adenauer besaß politischen Instinkt und Erfahrung, um den DDR-Vorschlag nicht allzuschnell abzulehnen. Er wußte von der nicht kleinen Zahl national-patriotisch denkender Deutscher (Bischof Dibelius, Bundespräsident Heuss und Bundestagspräsident Ehlers z. B. traten für eine eher positive Reaktion auf den Grotewohl-Brief ein), die im Sinne der Wiedervereinigung mit der DDR-Führung ins Gespräch kommen wollten. Bei einer Umfrage des Instituts für Demoskopie, Allensbach, ob Adenauer der Einladung Grotewohls zu Gesprächen folgen

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Vgl. Michael Lemke, Eine deutsche Chance?, S. 31 f. Hoffnungsvoll registrierte die SED-Spitze defätistische Stimmungen unter westdeutschen Politikern, die anzeigten, daß die westliche Seite sich z.T. den SED-Propagandainitiativen nicht gewachsen sah. Vgl. Der Gesamtdeutsche Ausschuß, Sitzung am 1. Februar 1951, S. 123-128; Andreas Biefang, S. 690 f. Das SED-Politbüro vernahm aus Bonn, daß Bundesminister Jakob Kaiser im Kabinett immer wieder die sofortige Ablehnung des Grotewohl-Briefes forderte. Die Minister Franz Blücher und Hans-Christoph Seebohm waren unschlüssig, Ludwig Erhard votierte für das Aufnehmen geheimer Verbindungen in die DDR. Adenauer wollte sich mit der Beantwortung des Briefes Zeit lassen, die Ernsthaftigkeit der ostdeutschen Angebote prüfen sowie die Hohen Kommissare konsultieren. Die SPD-Spitze war in ihrer Stellung zur Grotewohl-Offerte gespalten: Willy Brandt und Carlo Schmid äußerten sich positiv zur Aufnahme von Verhandlungen, Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer und Herbert Wehner sprachen sich vehement dagegen aus. Vgl. Michael Lemke, Eine deutsche Chance?, S. 32-36; Eine Auswahl der Berichte aus der Bundesrepublik: Betr.: Grotewohlbrief vom 11. Dezember 1950, Aus der SPD. Zum Grotewohl-Brief vom 16. Dezember 1950, Aus Bonn erfahren wir vom 15. Januar 1951, Zum Zustandekommen der Antwort Adenauers vom 10. Januar 1951, H. Geßner an O. Grotewohl vom 22. Januar 1951, alle in: SAPMOBA NY 4090/653/B1. 179-180, 190-195, NY 4090/654/B1. 27-29, Bl. 50-51. Eigenartigerweise scheinen die Kabinetts-Sitzungen der Bundesregierung, die zur Diskussion über den Brief Grotewohls stattfanden, nicht protokolliert worden zu sein. Vgl. Sondersitzung der Bundesregierung vom 11. Dezember und Kabinettssitzung am 21. Dezember 1950, in: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Band 2. 1950, S. 879, 914.

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sollte, hatten im Dezember 1950 49 Prozent der Befragten mit ,ja", 27 Prozent mit „nein" geantwortet, 14 Prozent waren unentschieden, zehn Prozent ohne Meinung.91 Zu Beginn des Jahres 1951 intensivierte die SED ihre Kampagne zum GrotewohlBrief.92 Am 10. Januar 1951 trafen folgende, aus internen Kreisen der Bundesrepublik stammende Meldungen in Ost-Berlin ein: „Zum Zustandekommen der Antwort Adenauers: Am 9. 1. 1951 fand eine Unterredung im Ministerium für gesamtdeutsche Fragen statt, bei der die Antwort auf den Grotewohl-Brief diskutiert wurde. Es kam zum Ausdruck, daß die Hinauszögerung der Antwort stärkste Mißbilligung von Seiten Kaisers erfahren hat.... Es war ferner in Erfahrung zu bringen, daß der Grotewohl-Brief im Kabinett große Schwierigkeiten aufgeworfen hat und selbst den Kanzler in seiner Haltung unsicher gemacht hat. ... Der Bundeskanzler sieht die Notwendigkeit ein, die Tür zu Verhandlungen auf innerdeutscher Basis offenzuhalten, will aber die amerikanische Position auf der Viererkonferenz stärken. Diese Stärkung kann nur durch ein Scheitern der innerdeutschen Gespräche erfolgen. Er ist also zu der Auffassung Kaisers abgeschwenkt, die Ost-West-Gespräche im Vorwege scheitern zu lassen. Diese Haltung wurde durch die Einstellung der SPD stark beeinflußt, die jedes innerdeutsche Gespräch ... ablehnt."93 Am 15. Januar 1951 beantwortete Adenauer in Form einer Regierungserklärung das DDR-Angebot negativ. Auf den Vorschlag zur Bildung eines Gesamtdeutschen Rates und auf allgemeine Verhandlungsangebote nicht eingehend, stellte er seine Forderungen nach „freien Wahlen in der Sowjetzone", „politischer Betätigungsfreiheit für alle in der Sowjetzone lebenden Deutschen" und die Auflösung der „Polizeitruppen militärischen Charakters" entgegen.94 Diese westdeutschen Grundsätze zur Wiedervereinigung Deutschlands blieben auf lange Zeit hin konstant: Der Bundesregierung schwebte eine Wiedervereinigung in den Grenzen von 1937 vor. Erreicht werden sollte sie durch VierMächte-Verhandlungen in Verbindung mit freien Wahlen in der DDR. Auch die SEDFührung befürwortete eine interalliierte Deutschlandregelung, brachte aber stärker das 91 92

Vgl. ebenda, Band 4. 1951, S. XXXIV bis XXXVII, hier S. XXXV. So wandte sich z. B. am 9. Januar 1951 der sächsische Ministerpräsident Max Seydewitz mit der Bitte an Kanzler Adenauer, das Angebot Grotewohls anzunehmen und den Brief positiv zu beantworten. Seydewitz erhielt immerhin (!) eine schriftliche Antwort von Herbert Blankenborn, wenn auch eine nichtssagend: „... Der Herr Bundeskanzler hat mich beauftragt, Ihnen den Eingang Ihres Schreibens vom 9. Januar dankend zu bestätigen. Die Bundesregierung hat in ihrer Erklärung vom 15. Januar die Voraussetzungen zu einer Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit genannt. Da diese Erklärung den Willen sämtlicher im Bundestag vertretener Parteien - mit Ausnahme der kommunistischen - verkörpert, hat der Herr Bundeskanzler ihr nichts hinzuzufügen. ..." Vgl. Abschrift des Briefes Seydewitz an Adenauer und Antwort von Blankenhorn vom 23. Januar 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/424/B1. 279-281.

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Betr. Grotewohlbrief vom 10. Januar 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/654/B1. 27. Vgl. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung. Band 4. 1951, S. XXXV f.; Zu Adenauers Erklärung vor Pressevertretern vom 15. Januar 1951, in: PA AA MfAA A 15633/B1. 6-11; „Das schlug Otto Grotewohl vor. Und das antwortete Dr. Adenauer", in: Deutschlands Stimme vom 19. Januar 1951, S. 2; Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 19491957, S. 144 ff.

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innerdeutsche Gespräch als Lösungsansatz ein. Ein gesamtdeutsches Gremium sollte Verhandlungen zum Friedensvertrag aufnehmen und gesamtnationale Wahlen vorbereiten. Jede von der SED verlangte „Gesamtdeutsche Beratung" lehnte die Bundesregierung jedoch definitiv ab. Nach Adenauers ablehnender Antwort reagierte das SED-Politbüro mit der Weiterführung der Kampagne - nun mittels der Volkskammer, die dem Bundestag eine gemeinsame Sitzung beider Parlamente im Sinne des Grotewohl-Briefes vorzuschlagen hatte. Dieser Volkskammer-Appell erfolgte am 30. Januar 1951 unter der öffentlich wirksamen Losung ,.Deutsche an einen Tisch".95 Die westdeutsche Seite geriet unter Handlungszwang, da auch Vertreter der Regierungskoalition bzw. Vertreter der CDU und der FDP die Grotewohl-Angebote positiver beantwortet wissen wollten.96 In Ost-Berlin berieten unterdessen am 21. Februar 1951 Wilhelm Pieck und die Vertreter der SKK W. Tschuikow und W. Semjonow über Fragen im Zusammenhang mit den Angeboten an den Bundestag. Die SED-Seite schien noch immer eine positive Reaktion vom Bundestag und von der Bundesregierung zu erwarten bzw. zu erhoffen.97 In den folgenden Wochen bis März 1951 aber, nachdem die Verfassungsorgane der Bundesrepublik alle Vorschläge Ost-Berlins ignoriert hatten, flaute die Aktion um den

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Vgl. PB-Sitzung vom 15. Januar 1951, vom 23. Januar 1951, vom 6. Februar 1951, in: SAPMOBA DY 30 IV 2/2/126, 2/2/129, 2/2/132. Vgl. Aus führenden Kreisen der CDU: Grotewohl-Brief, 17. Februar 1951: „... Adenauer unterrichtete das Kabinett davon, daß ihn Schumacher dringend gebeten habe, zu verhindern, daß Bundestagspräsident Ehlers seine Bemühungen weiter fortsetze, bald eine möglichst positive Beantwortung des Angebots der Volkskammer durch den Bundestag zuwege zu bringen." In: SAPMO-BA NY 4090/654/B1. 8. Aus dem im Grotewohl-Nachlaß aufgefundenen Protokoll einer Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses der FDP vom 22. Februar 1951 geht hervor: Minister Franz Blücher: „Ich habe das Gefühl ..., daß unsere Antwort auf die Grotewohlbriefe und -reden unzulänglich sind und daß mit dem, was bisher geschieht, wir vor der deutschen Zukunft eine Verantwortung übernehmen, die wir nicht tragen können ...", in: ebenda, Bl. 10-14. In den Protokollen der FDPBundesvorstandssitzungen jener Zeit sind ähnliche Äußerungen zum Grotewohl-Brief nicht dokumentiert. Vgl. FDP-Bundesvorstand. Sitzungsprotokolle 1949-1954. Erster Halbband, S. 165 ff.; Der Gesamtdeutsche Ausschuß, S. LII-LIV. Vgl. Notizen Piecks, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 361; Piecks Notizen zur Politbürositzung vom 13. Februar 1951, in: SAPMO-BA NY 4036/654/B1. 124. Im MfAA hatte Minister Dertinger an seine Mitarbeiter die Direktive rausgegeben, auf die bevorstehende Beantwortung der Grotewohl-Initiativen mit der Beschleunigung aller Vorarbeiten zum Problem der Einheit Deutschlands und eines deutschen Friedensvertrages zu reagieren. Es wurden fünf Arbeitsschwerpunkte aufgeteilt: a) Deutsche Einheit, deutsche Grenz-, Bevölkerungs- und Verfassungsfragen; b) Entmilitarisierung, c) Zurückziehen der Besatzungstruppen, Kontrollmaßnahmen in bezug auf Deutschland, d) Wirtschafts-, Verkehr-, Finanzfragen in Verbindung mit einem Friedensvertrag und e) Wiedergutmachungsverpflichtungen. Vgl. Kommission zur Durchführung der Prager Beschlüsse vom 12. Januar 1951, in: PA AA MfAA A 15527/B1. 125-127; LS-A 208.

„ Gesamtdeutsche " Aufgabenorientierung und ihre Umsetzung 1949/50

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Grotewohlbrief ab.98 Neue Kampagnen wie die „Vorbereitung der Volksbefragung über den sofortigen Abschluß eines Friedensvertrages" bzw. die „Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands" traten an ihre Stelle." Im März 1951 mußte das SED-Politbüro kritisch zum Thema des nationalen und des Friedenskampfes Stellung nehmen. Dieser wäre hinter dem „Tempo der Remilitarisierung" in Westdeutschland zurückgeblieben. „Selbst in der DDR besitzt die Friedensbewegung keineswegs denjenigen Tiefgang und nationalen Schwung, der der besonderen und besonders augenfälligen Bedrohung des deutschen Volkes entsprechen würde", resümierte man am 13. März 1951 im SED-Politbüro.100 Das Abschmettern der Grotewohl-Initiative und der damit verbundenen Kampagne stellte für die SED-Führung einen tiefgehenden und politisch nachwirkenden Mißerfolg dar. Die verhaltene Hoffnung auf einen Erfolg der Westpolitik bei der SED- und DDRSpitze bis zum Frühjahr 1951 gründete sich auf verschiedene Faktoren: Zum einen wollte die Sowjetunion den festgefahrenen Deutschland-Prozeß wieder in Bewegung setzen. Zum anderen lag die Spaltung Deutschlands noch nicht lange zurück und insbesondere der militärische Prozeß der deutschen Einbindungen war noch relativ niedrig. Gemeinsamkeiten auf vielen Ebenen (wirtschaftliche, kulturelle) wirkten weiter. Der Einheitswille in Ost und West konnte von der SED-Führung und der Bundesregierung nicht übersehen oder ignoriert werden. Die ostdeutsche Seite blieb bei der Überzeugung, sie könnte die Systemauseinandersetzung auf deutschem Boden zu ihren Gunsten entscheiden. Sie plädierte für ein einheitliches Deutschland nach dem Vorbild der DDR, zu erreichen über eine Art nationales Kurzzeitprogramm. Diese irrigen Hoffhungen der SED-Führung basierten auf einer politischen Fehlanalyse und ihren kommunistischen Glaubenssätzen, wie auch auf der Tatsache, daß die wirtschaftlichen und die großen politischen Mißerfolge der DDR, insbesondere der 17. Juni 1953 sowie der „Siegeszug" der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik, noch vor ihr lagen. Die wirtschaftliche Situation der DDR und damit die Stimmung in der Bevölkerung waren 1949 und 1950 zwar angespannt, aber weder dramatisch kritisch noch hoffnungslos. Illusionen über die Qualität des westdeutschen inneren Widerstandes gegen einen Wehrbeitrag („Ohne-mich-Bewegung") und die überzogenen Erwartungen an den Rücktritt des Innenministers Gustav Heinemann aus Protest gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik kamen hinzu. Aber auch die beträchtlich hohe Zahl der Arbeitslosen - im Frühjahr 1950 belief sie sich auf 13,5 Prozent (rund zwei Millionen) der Fortgang der Demontagen (z. B. der Salzgitter-Werke) oder das noch nicht abzusehende Integrationsproblem der ca. 7,9 Millionen Heimatvertriebenen in Westdeutschland nährten die politischen Hoffnungen der SED. Das wirtschaftliche und politische System der Bundesrepublik hatte sich noch nicht konsolidiert. 98 Vgl. nocheinmal eine Kampagne zur ablehnenden Stellungnahme des Bundestages im März 1951, in: PB-Sitzung vom 13. März 1951, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/138. 99 Vgl. Notizen Piecks vom 12. März 1951, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 362; PB-Sitzung vom 28. März 1951, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/2/140. 100 Zitiert in: Michael Lemke, Eine deutsche Chance?, S. 38.

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Das Denken der SED-Spitze in bezug auf ihre „Arbeit nach Westdeutschland" zeigte sich ambivalent. Würde sich der Weg über die Nationale Front unter Einschluß und Instrumentalisierung der westdeutschen Sozialdemokraten und der „fortschrittlichen bürgerlichen Kräfte" im „Kampf um Deutschlands Einheit" als richtig und möglich erweisen? War die Deutsche Demokratische Republik wirklich die Basis für ein Gesamtdeutschland? Die Verhandlungsangebote der SED an die Bundesrepublik waren ernst gemeint, weil man noch annahm, durch die „Gewinnung der Massen in Westdeutschland" dem Ziel der Einheit unter kommunistischem Vorzeichen näher zu kommen. Die Ernsthaftigkeit war durch den Kampagnencharakter der Offerten nicht in Frage gestellt.101 Der Erfolg des West-Aktionismus war nur bescheiden. Die Reaktionen aus Westdeutschland konnten den verantwortlichen Funktionären nicht verborgen geblieben sein. Der SED-Führung und der sowjetischen Besatzungsmacht hätte deutlich werden müssen, wie wenig sie mit ihren bisherigen Aktionen ausrichten konnten. Ein Überdenken und eine Korrektur ihrer eigenen Politik schien dringend notwendig, war für kommunistische Politiker aber schier unmöglich.102

101 Vgl. ebenda, S. 28, 39 f.; ders. Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung, S. 184 f.; ders., Die DDR und die deutsche Frage 1949-1955, S. 143, 152; Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer. Grilndeijahre der Republik 1949-1957, S. 77 f., 119 ff., 133 f., 166 ff.; ders., Adenauer. Der Aufstieg: 1876-1952, S. 776 ff.; Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland, S. 24. 102 Die Glaubwürdigkeit der DDR-Angebote an die Bundesrepublik litt unter ihrer politischen Praxis. Die repressiven Maßnahmen im Inneren der DDR standen im schroffen Gegensatz zu ihren öffentlich erklärten Absichten. Obwohl die SED wußte, Erfolg oder Mißerfolg ihrer Westarbeit hing auch vom Gewinnen der sozialdemokratischen „Massen" im Westen ab, trat sie 1950/51 eine Welle von Verhaftungen ostdeutscher Sozialdemokraten („Kampf dem Sozialdemokratismus" in der SED) los. Vgl. Entschließung des ZK der SED zu bisherigen Ergebnissen der Überprüfung der Parteimitglieder und Kandidaten, in: SAPMO-BA NY 4036/657/B1. 51-103.

III. Auf der Suche nach dem deutschdeutschen Gespräch. Optionen in der „gesamtdeutschen Arbeit" bis Ende 1953

1. Randnotizen in der nationalen Politik A. Nauheimer Kreis Im Sommer 1948 hatte sich in Bad Nauheim unter Führung des Würzburger Universitätsprofessors und Historikers Ulrich Noack der „Nauheimer Kreis", eine Ende der vierziger/Anfang der fünfziger Jahre in Ost und West bekannte Vereinigung für die Umsetzung des Konzepts einer militärischen Neutralisierung Deutschlands, gegründet. Der damals 49jährige Ulrich Noack1 versammelte um sich mehr oder weniger prominente Wissenschaftler und Politiker zur Bildung einer überparteilichen Plattform für die Verbreitung seiner bereits unmittelbar nach 1945 entwickelten und veröffentlichten deutschen Neutralismusgedanken.2 Noack ging 1948 von der Idee aus, daß die Sowjetunion für die „Herausgabe ihrer Besatzungszone" eine langjährige wirtschaftliche Entschädigung durch Deutschland in Form von Lieferung hochentwickelter deutscher Industrieprodukte im Tausch gegen sowjetische Rohstoffe erhalten müßte. Das würde den wirtschaftlichen Wohlstand im Osten Europas fordern und Deutschland weitgehend als Konkurrenten auf dem Weltmarkt-dies ganz im Sinne der Westmächte - ausschalten. Deutschland, so Noack, müsse aus den Herrschaftsgebieten des Ostens und des Westens herausgenommen und seine international garantierte und kontrollierte Neutralität sowie seine Entmilitarisierung gesichert werden. Die Oder-Neiße-Grenze sah Noack als unabänderlich an, eine damals unpopuläre und umstrittene Ansicht. Dem Einwand, bei der Realisierung seiner Vorschläge der Sowjetunion schutzlos ausgeliefert zu sein, begegnete er mit dem Argument internationaler Sicherheitsgarantien. Außerdem führte er den wirtschaftlichen 1

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U. Noack (Jahrgang 1899), 1929 Habilitation in Frankfurt a.M., Dozent an der Universität Greifswald, nach dem 20. Juli 1944 kurzzeitig von der Gestapo inhaftiert, Sommer 1945 Mitbegründer der CDU in Berlin, 1947 Berufung auf einen Lehrstuhl für mittlere und neue Geschichte an der Universität Würzburg. Vgl. Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender 1954, S. 1687. Vgl. Rainer Dohse, S. 46 ff. Zur Gründungsveranstaltung in Bad Nauheim erschien auch der damalige Fraktionsvorsitzende der hessischen CDU und spätere Bundesaußenminister Heinrich von Brentano. Er beteiligte sich dann schon 1949 nicht mehr an der Arbeit des Nauheimer Kreises.

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Auf der Stiche nach dem deutsch-deutschen Gespräch

und politischen Nutzen sowie die berechtigten Sicherheitsbedürfnisse der Sowjetunion ins Feld. Ohne besondere Sympathien für den Kommunismus zu äußern, unterstellte er der Sowjetunion keinen Eroberungswillen, sondern lediglich das Interesse an der Konsolidierung der bereits erreichten Machtstellung. In allen Neutralitätsentwürfen Noacks wurde die Zugehörigkeit Deutschlands zu den parlamentarischen Demokratien des Westens und ihrer Kultur nie in Frage gestellt.3 Dem Nauheimer Kreis gelang es in Westdeutschland nicht, über einen kleinen Kreis von Anhängern und Sympathisanten hinauszukommen oder gar führende Politiker für die Konzeption Noacks zu gewinnen.4 Auch im Osten Deutschlands versuchte Ulrich Noack Verbindungen zu Spitzenpolitikern der SBZ, dann der DDR, vorzugsweise zu CDU- und LDP-Politikern und hier insbesondere zu Professor Hugo Hickmann, Otto Nuschke und Karl Hamann, herzustellen. So traf er am 26. August 1949 in Weimar u. a. auf Georg Dertinger, Otto Nuschke, Karl Hamann, aber auch auf Walter Ulbricht, Anton Ackermann sowie die Professoren Robert Havemann, Wolfgang Harich und Rudolf Agricola.5 Noack legte seine Konzeption eines entmilitarisierten, föderativen, deutschen Bundesstaates vor, der eine friedensstiftende Mittlerrolle zwischen Ost und West einnehmen sollte. Die ostdeutschen Repräsentanten ermunterten Noack offen in seinem Kurs.6 Aber sehr schnell mußte die SED-Führung einsehen, daß Noack nicht einseitig für ihre Politik einzuspannen war. Zum Beispiel erklärte er in einem Interview im Oktober 1949 in Würzburg: „... Es steht fest, daß bei allen politischen Faktoren der Ostzone der Wille zur Wiedervereinigung mit Westdeutschland viel stärker im Mittelpunkt steht, insbesondere bei den bürgerlichen Parteien, die in dieser Wiedervereinigung den einzigen Ausweg erkannt haben, um aus einer Gefahrdung der demokratischen Grundlagen des politischen Lebens endgültig herauszukommen. Man ist bei diesen bürgerlichen Parteien ... enttäuscht, daß bei den nichtmarxistischen Kräften in Westdeutschland der richtige Blick für die Situation dieser Mehrheit des Volkes im Osten, die die bürgerliche Richtung darstellt, nicht besteht. Man empfindet dort die voreilige und oberflächliche Identifizierung, die der Westen zwischen der SED und diesen bürgerlichen Parteien vornimmt, als eine Schädigung und Schwächung der deutschen Interessen."7

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Vgl. Rainer Dohse, S. 47 ff.; Hans-Peter Schwarz, Vom Reich zur Bundesrepublik, S. 376-383. Vgl. Gesammelte Pressemitteilungen für 1949 und 1950. Aktuelles Informations-Archiv. Heft 112. Neutralisierungsplan der Nauheimer Kreises, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0085. Vgl. Zusammenkunft mit U. Noack in Weimar, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0494. Franz Dahlem, der Verantwortliche für Westarbeit im Politbüro, hatte die Kontakte für weitere Gespräche mit Noack im Auge zu behalten. Vgl. PB-Sitzung vom 29. August 1949, in: SAPMOBA DY 30IV 2/2/41. Aber bereits hier verständigte sich die SED-Spitze intern über die Ablehnung und „praktische Undurchführbarkeit" der „Neutralitätsidee". Vgl. Stellungnahme zum Vortrag von Noack zur Weimarer Goethe-Woche, in: SAPMO-BA NY 4074/202/B1. 33-37. Interview Prof. Noack mit der amerikanischen Militärregierung vom 12. Oktober 1949, in: SAPMO-BA NY 4036/751/B1. 143.

Randnotizen in der nationalen Politik

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Ulrich Noack lud hochrangige Vertreter aus West- und Ostdeutschland sowie Persönlichkeiten des In- und Auslandes zu einer „Deutschland-Konferenz" vom 18. bis 20. November 1949 nach Rengsdorf bei Neuwied ein. Die Tagesordnung und Diskussionspunkte der Konferenz umfaßten: 1. Abschluß eines Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland unter Abzug der Besatzungstruppen, 2. Schaffung eines gemeinsamen Kontrollorgans, bestehend aus den vier Besatzungsmächten, zur Verhinderung einer militärischen Aufrüstung Gesamtdeutschlands; dieses Kontrollorgan soll an die Stelle des Besatzungs- und Ruhrstatuts treten, 3. Bildung einer gesamtdeutschen Regierung und eines gesamtdeutschen Parlaments, hervorgegangen aus allgemeinen, geheimen und freien Wahlen unter Zulassung aller Parteien in allen Zonen; kein Beitritt zum Atlantikpakt; 4. Aufstellen einer einheitlichen Norm für Polizeikräfte in den Ländern unter Kontrolle der Länderregierungen.8 Aus der DDR war der CDU-Politiker Professor Hugo Hickmann als Redner nominiert. Von Seiten der DDR hatte das Politbüro Anfang November 1949 entschieden, Wilhelm Koenen (SED und Sekretariatsvorsitzender der Nationalen Front), Hermann Matern (SED, Politbüromitglied), Erich Glückauf (SED, Mitglied der SED-Westkommission), Siegbert Kahn(?) sowie Otto Nuschke (CDU-Vorsitzender) nach Rengsdorf zur Deutschland-Konferenz zu entsenden.9 Die Auswahl der Teilnehmer wurde mit dem KPD-Parteivorstand in Frankfurt a.M. abgesprochen, der seinerseits auch Funktionäre nach Rengsdorf delegieren wollte. Den hochrangigen SED-Genossen wurden klare politische Richtlinien für ihr Auftreten auf der Tagung des Nauheimer Kreises vorgegeben. Bemerkenswert war die von einer Kommission, bestehend aus Franz Dahlem, Wilhelm Koenen, Karl Schirdewan (Stellvertretender Leiter der SED-Westkommission) und Erich Glückauf, erarbeitete Stellungnahme in zwei Punkten: Das SED-Politbüro lehnte zum einen eindeutig eine Diskussion über die Neutralisierung Deutschlands ab, und zum anderen sollte der Anspruch auf freie Wahlen zu einer gesamtdeutschen Volksvertretung aus dem Forderungskatalog Noacks gestrichen werden. Wörtlich hieß es in den Protokollen vom 8. November 1949: „In jedem Fall muß der Fragenkomplex des Nauheimer Kreises um die Neutralisation Deutschlands aufgegliedert werden, um die Frage der Neutralisation als Alternative der Konferenz zu isolieren. Dabei soll unsere ablehnende Stellung zur Frage der Neutralisation (Hervorh. H.A.) nicht als scharfer Gegensatz in der Konferenz in Erscheinung treten. ..."10 und „Die Forderung nach Wahlen zu einer gesamtdeutschen Volksvertretung ist zu streichen."11

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Vgl. Vorlage an das Politbüro. Vorschläge für das Auftreten der Fraktion der SED-Genossen auf dem Deutschlandkongreß des Nauheimer Kreises vom 8. November 1949, in: SAPMO-BA NY 4182/867/B1. 79. Vgl. Beschluß-Protokoll der Besprechung zur Noack-Konferenz am 27. Oktober 1949 und Liste der Einladungen, in: SAPMO-BA NY 4074/202/B1. 44, 58; Bericht über meine (Heinz Ullrich) Fahrt nach Westdeutschland vom 8. November 1949, in: ebenda, DY 6 vorl. 0494. Dazu an anderer Stelle noch: „Es ist zu vermeiden, daß es zu einer frontalen Abstimmung in der Frage der Neutralisierung kommt. In dieser Richtung kann man wahrscheinlich auch in persönli-

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Auf der Suche nach dem deutsch-deutschen Gespräch

Die SED-Führung versuchte Noack und den Nauheimer Kreis für ihre einseitigen nationalen politischen Ziele auszunutzen. Ihr Interesse lag bei einer anti-westlichen, anti-amerikanischen Politikausrichtung. So begrüßte sie die Stellungnahme gegen Besatzungs- und Ruhrstatut in Westdeutschland sowie gegen den Atlantikpakt. Sie unternahm den Versuch, den Nauheimer Kreis in den Kontrollbereich der Nationalen Front einzubeziehen. Die SED-Spitze unterstützte alle Vorschläge, die auf gemeinsame Beratungen von Parteien und Organisationen aus Ost und West bis auf Regierungsebene abzielten. Das Politbüro suchte im Zusammengehen mit dem Nauheimer Kreis keinen ernsthaften Ausgleich oder eine wechselseitige Verständigung zwischen Ost und West zum nationalen Problem: „Unsere [SED] politische Argumentation muß taktisch dahin führen, daß die aktuellen Fragen und die nächsten Schritte zur nationalen Einheit Deutschlands auf der Konferenz in den Mittelpunkt gerückt werden, wobei die Reihenfolge der Schritte zur nationalen Einheit... gemäß unserer Grundlinie entsprechend zu vertreten ist."12 Und die Reihenfolge hieß: 1. Volksabstimmung in ganz Deutschland über die nationale Einheit, 2. Aufhebung des Besatzungsstatuts, Abschluß eines Friedensvertrages, 3. Abzug der Besatzungstruppen, 4. Bildung eines deutsch-deutschen Gremiums zur Verhandlungaufnahme von Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung.13 Kurzfristig verbot die Landesregierung Rheinland-Pfalz unter Ministerpräsident Peter Altmeier (CDU) den Deutschland-Kongreß des Nauheimer Kreises im November 1949 wegen der Teilnahme ostdeutscher Spitzenfunktionäre, die mittels der Veranstaltung den Versuch unternehmen würden, die „verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik" zu untergraben. Bedingt durch das Verbot, das die SED propagandistisch auszunutzen verstand 4 , fuhren lediglich Erich Glückauf und Hermann Zilles, beide Mitglieder der SED-Westkommission, zum vorgesehenen Tagungsort in RheinlandPfalz. Nur mit Mühe gelang es ihnen dort, Professor Noack davon abzubringen, auf einer Pressekonferenz eine Entschließung zu verkünden. Denn diese hätte neben der gewünschten Linie-gegen das Eintreten Westdeutschlands in die „Westeuropaunion" und das , Atlantikpaktsystem" - wieder die für die SED unakzeptablen Forderungen

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chen Gesprächen auf Prof. Noack einwirken." In: Vorlage an das Politbüro, 8. November 1949, in: SAPMO-BA NY 4182/867/B1. 80, 83. PB-Sitzung vom 8. November 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/55; vgl. Vorschläge für das Auftreten der SED-Fraktion in Rengsdorf vom 3. November 1949, in: SAPMO-BA NY 4074/202/B1. 48-57. Vorlage an das Politbüro, 8. November 1949, in: SAPMO-BA NY 4182/867/ Bl. 80. Vgl. ebenda, Bl. 80-81. Der Punkt 4 in diesem Dokument („Wahlen für eine gesamtdeutsche Volksvertretung") ist handschriftlich von Ulbricht durchgestrichen. Außerdem findet sich im Text noch der Vorschlag, daß die „westdeutsche Bundesregierung ihren provisorischen Sitz von Bonn nach Berlin" verlegen soll, um über die räumliche Nähe beider Regierungen in Berlin schnell wichtige Fragen erörtern zu können. Vgl. auch Vorschläge für das Auftreten der SEDFraktion vom 7. November 1949, in: SAPMO-BA NY 4074/202/B1. 52-57. Vgl. Ein Verbot, in: SAPMO-BA NY 4074/202/B1. 69.

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nach freien Wahlen mit selbständigen Listen aller deutscher Parteien sowie eine „immerwährende unbewaffnete Neutralisierung Deutschlands" enthalten.15 Noack sah die Ost-CDU und die LDP als seine adäquaten Ansprechpartner in Ostdeutschland an. So äußerte er immer wieder seine für die SED-Spitze unangenehmen Standpunkte: „In der CDU der Ostzone stehen die Elemente, die am mutigsten und am offensten Widerstand leisten gegen die ideologische Beeinflussung durch den Kommunismus. Bei Neuwahlen würde die CDU wahrscheinlich einen großen Zustrom bekommen. ... So wie die SED es sich dachte, ist es nicht gekommen. Sie hat nicht die große Mehrheit der Massen hinter sich gebracht, ,.."16 Dem Politbüro mußten die Thesen und Forderungen des Nauheimer Kreises immer unwillkommener und gefährlicher erscheinen. Im Herbst 1949 hatte die Konstituierung der DDR stattgefunden, ohne wie auch immer geartete Wahlen. Nach dem übergroßen Wahlerfolg der bürgerlichen und sozialdemokratischen Kräfte bei den ersten Bundestagswahlen und dem beschämenden Ergebnis der KPD sowie dem schlechten Wahlergebnis der SED bei den Wahlen zum Dritten Deutschen Volkskongreß in der Sowjetischen Besatzungszone waren sich die Ost-Berliner Machthaber darüber im klaren: Freie, geheime, gleiche und direkte Wahlen in ganz Deutschland würden ihr politisches Aus bedeuten. Die SED stand noch vor der schwierigen Aufgabe, die „bürgerlichen" Blockparteien auf die „Einheitswahllisten" für die im kommenden Jahr anvisierten Volkskammerwahlen zu zwingen, was ihr im Frühjahr 1950 unter massivem Druck gelingen sollte. An einer deutschlandpolitischen Profilierung der CDU oder LDP mittels des Nauheimer Kreises konnte von ihrer Seite kein Interesse bestehen. Des weiteren lagen der kommunistischen Ideologie pazifistisch-neutralistische Gedanken fern. Zwar wurde ein entmilitarisiertes und ungerüstetes Westdeutschland gefordert, an der seit Mitte 1948 im Aufbau befindlichen Kasernierten Volkspolizei sollte jedoch nicht gerüttelt werden. Es wurde mit zweierlei Maß gemessen: Ein deutscher Patriot, so der SED-Blick, müsse zwischen den Kräften, die zum Krieg drängen - dem monopolkapitalistischen Lager - , und denen, die den Weltfrieden verteidigen - die Sowjetunion und die Volksdemokratien - , unterscheiden können! Zu der Ablehnung zweier wesentlicher Bestandteile des Programmes des Nauheimer Kreises kam hinzu, daß die politische Führung der DDR registrierte, daß sich im Westen Deutschlands keine einflußreichen Politiker oder Persönlichkeiten im Nauheimer Kreis sammelten.17 Eine intensivere Auseinandersetzung mit der Handvoll Bildungsbürger um Professor Noack schien unnötig zu werden. Die SED-Westkommission ging

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Vgl. Bericht über die Rengsdorfer Tagung vom 28. November 1949, in: SAPMO-BA NY 4036/751/B1. 167. Ebenda, Bl. 168; vgl. Interview Prof. Noack mit der amerikanischen Militärregierung vom 12. Oktober 1949, in: ebenda, Bl. 145. Vgl. Hans-Peter Schwarz, Vom Reich zur Bundesrepublik, S. 383; Die Vorschläge des Nauheimer Kreises. Prof. Dr. Ferdinand Hestermann, Universitätsprofessor in Münster, 1950, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/10.02/212.

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Auf der Suche nach dem deutsch-deutschen Gespräch

in ihren Einschätzungen deutlich auf Distanz.18 Noch sollte der Versuch, den Nauheimer Kreis in ihrem Sinne propagandistisch auszunutzen, nicht völlig abgebrochen werden19, aber Illusionen über politische Erfolge machte man sich nicht mehr.20 In den nächsten Wochen und Monaten nahm Professor Noack die Gelegenheit war, mit DDR-Politikern, insbesondere denen der Blockparteien, und sogar mit einem Vertreter der Sowjetischen Kontrollkommission, dem Hochkommissar Wladimir Semjonow, Gespräche zu fuhren. Aber auch er registrierte im Osten Deutschlands Ablehnung und steigendes politisches Mißtrauen, vor allem aus SED-Kreisen. Er erkannte, daß die ständig vorgehaltenen nationalen Phrasen und Parolen der SED und der Nationalen Front mit seinen Auffassungen nicht in Einklang zu bringen waren. 1950 reiste Professor Noack noch zu verschiedenen Vortragsveranstaltungen in die DDR.21 Um so mehr Ulrich Noack dem Einfluß ostdeutscher kommunistischer Funktionäre und der Organisation der Nationalen Front widerstand, sich entzog sowie auf seinen sehr kritischen Positionen gegenüber der politischen Praxis in der DDR beharrte22, um so deutlicher äußerte die SED-Führung öffentlich ihre Ablehnung.23 Auch Noack kam im Frühjahr 1950 zu der Erkenntnis, daß weitere Verhandlungen mit der SED sinnlos waren. Für das Scheitern einer Umsetzung seiner Vorstellung von deutsch-deutschen Gesprächen machte er letztlich beide Seiten, Ost wie West, verantwortlich.24 18

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So berichtete E. Glückauf an W. Pieck am 28. November 1949: „Zweifellos hat das bisherige Auftreten von Noack den Boden fllr die Entwicklung der nationalen Politik mit lockern helfen. ... Noack wird aber gefährlich und sicherlich in Zukunft noch mehr, wenn er,..., mit den reaktionären Kräften in der CDU und in der LDP konspiriert und in dem Zusammenhang Forderungen aufstellt, die sich objektiv gegen die Sowjetunion und gegen die DDR richten." Bericht über die Rengsdorfer Tagung vom 28. November 1949, in: SAPMO-BA NY 4036/751/B1. 169. So erging die Anweisung, in die „unmittelbare Umgebung von Noack einige qualifizierte Genossen einzubauen, um stärkeren Einfluß auf ihn, seine Anhänger und die mit ihm verbundenen Kreise zu nehmen." Ebenda, Bl. 171. Vgl. Politbürobeschluß zum Nauheimer Kreis vom 29. November 1949, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/58/B1. 8-9. Vgl. Brief U. Noacks an Wilhelm Koenen, in: SAPMO-BA NY 4074/202/B1. 40; Rainer Dohse, S. 54. Vgl. Stellungnahme des Nauheimer Keises zur SED und zur Nationalen Front vom 18.-20. Mai 1950, in: DY 30 IV 2/10.02/212/B1. 43-45. Dort ist u. a. zu lesen: „... Wie gut und wirkungsvoll könnte die SED eine gemeinsame Nationalversammlung Deutschlands und damit seine Wiedervereinigung vorbereiten, wenn die vorgeschlagene Verfassung der DDR zunächst einmal versuchsweise in Ostdeutschland in Kraft gesetzt und dort nach ihren Bestimmungen g e w ä h l t würde! Die Zusammensetzung eines ostdeutschen Parlaments würde sich dann, soweit es sich dabei um die politischen Parteien handelt [und nicht um Massenorganisationen, H.A.], von der eines westdeutschen Parlaments grundsätzlich gar nicht mehr so wesentlich unterscheiden." Vgl. W. Piecks Notizen zu einer Besprechung mit Tschuikow am 29. März 1950, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 340; Notiz zum Nauheimer Kreis 1950, in: SAPMO-BA NY 4182/1305/B1. 206; Noacks SED-Beziehungen getrübt, März 1950, in: ebenda, NY 4074/202/B1. 78. „Die SED hat allerdings das Verbot der Rengsdorfer Tagung durch den CDUMinisterpräsidenten Altmeier sinnreich ergänzt durch den Ausschluß von Prof. Hickmann aus

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Mit führenden Politikern der Ost-CDU und der LDP stand Noack noch auf Jahre in persönlicher Verbindung25; politisch in der nationalen Frage etwas auszurichten, vermochte er nicht. Bei der damals weit verbreiteten Ablehnung einer Wiederaufrüstung in der westdeutschen Öffentlichkeit konnte der Kreis um Ulrich Noack bis ca. Mitte der fünfziger Jahre noch auf Aufmerksamkeit und Zustimmung in verschiedenen Bevölkerungskreisen der Bundesrepublik rechnen. Professor Ulrich Noack schloß sich 1953 kurzzeitig der Gesamtdeutschen Volkspartei um Gustav Heinemann an, schied da wieder aus, schloß sich 1956 der FDP an, brach mit ihr aber schon wieder im Jahr i960.26 Der Nauheimer Kreis spielte in der nationalen Politik der SED bereits seit Mitte des Jahres 1950 keine wesentliche Rolle mehr.

B. Ein Zusammengehen mit „rechten Kreisen"? Die SED scheute sich Anfang der fünfziger Jahre nicht, zeitweise auch politisch rechtslastige Gruppierungen und belastete Nationalsozialisten sowie ehemalige Militärs für ihre Westpolitik zu bemühen. DDR-Staat und SED nahmen zwar für sich in Anspruch, antifaschistisch - einer ihrer Hauptlegitimationsgründe - zu sein, stellten das jedoch durch ihren selektiven Antinazismus in Frage. Als „antifaschistisch geläutert" in Ost und West galt, wer sich zur SED-Politik bekannte. Mit umgekehrtem Vorzeichen funktionierte dieser „Katharsis-Mechanismus" auch in der Bundesrepublik.27 Im Herbst 1949 hatte sich in Westdeutschland eine neonazistische Partei gegründet, die Sozialistische Reichspartei (SRP). In ihr gaben ehemalige NSDAP-Funktionäre den Ton an, u. a. Otto-Ernst Remer, ein hochdekorierter Wehrmachtsoffizier, und der Bundestagsabgeordnete Fritz Doris (DRP).28 Die SRP bezog Stellung gegen die „beiden deutschen Satellitenstaaten", bekannte sich zum Deutschen Reich, welches für sie nach der CDU-Leitung von Sachsen. Denn diese beiden Extreme der Verblendung bewirken ... das gleiche: Sie fördern die Teilung Deutschlands" Stellungnahme von Prof. Noack u. a. zum Fall Prof. Hickmann, 25. Mai 1950, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/10.02/212/B1. 46. Dem Politbüro gelang es im Frühjahr 1950, Hickmann und andere, die Widerstand gegen die Einheitslisten zu den bevorstehenden Volkskammerwahlen leisteten, erfolgreich von ihren Posten in der CDU zu verdrängen. Vgl. Pieck, Ulbricht bei Tschuikow u. a. vom 23. Januar 1950, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 327 f. 25

Der im Dezember 1952 in Haft genommene LDPD-Politiker und Minister für Handel und Versorgung Karl Hamann mußte sich bei Vernehmungen durch das MfS einer intensiven Befragung zu Ulrich Noack und dem Nauheimer Kreis stellen. Vgl. Vernehmungsprotokoll des Beschuldigten Dr. Hamann, Karl vom 1. Oktober 1953, in: BStU, MfS AU 411/54 Bd. 1, Bl. 113-117; Nachrichten des Nauheimer Kreises vom 8. September 1950, in: SAPMO-BA NY 4074/202/B1. 81-82.

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Vgl. Rainer Dohse, S. 57 f. Vgl. Michael Lemke, Die DDR und die deutsche Frage 1949-1955, S. 158. Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer 1949-1957, S. 130 f., 523, 530; Horst W. Schmollinger, Die Sozialistische Reichspartei, S. 2274 ff.

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Auf der Suche nach dem deutsch-deutschen Gespräch

wie vor weiter existierte, und lehnte - und das war das entscheidende für die SEDSpitze - einen westdeutschen Wehrbeitrag als „Söldnerdienst für die Amerikaner" ab. Sobald sich der Eindruck ergab, daß ehemalige Offiziere oder NS-Funktionäre in Opposition zur Westintegration der Bundesrepublik standen, wurden sie relativ undifferenziert für die nationalen Interessen der SED eingespannt. Bereits im Sommer 1949 hatte Fritz Doris über den niedersächsischen Landesvorstand der KPD, Kontakte in die SBZ, auch zu Walter Ulbricht, herzustellen versucht.29 Ob dieser persönliche Kontakt zustandegekommen ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Ende 1950 versuchte die SED eine Reihe ehemaliger Wehrmachts- bzw. SSOffiziere und z.T. hochrangige HJ-Führer für ihre national drapierte Politik zu begeistern. In einem Brief von Mitte Dezember 1950 an den DDR-Ministerpräsidenten Grotewohl formulierte ein Vertreter dieser Gruppe die Bitte, „die Vorschläge ... zu einer Aussprache zwischen Ost und West" unbedingt zu nutzen, um „gegen jede Remilitarisierung" Deutschlands vorgehen zu können.30 Grotewohl empfing mit Wohlwollen einen Vertreter dieser „früheren Führer der HJ, Offiziere und Soldaten" am 18. Dezember 1950 in Ost-Berlin.31 Im August 1951 versuchte die SED-Spitze über den KPD-Funktionär Willi Mohn die ehemaligen SS-Generale Wisch und Kraas, General Student und die Witwe General Dietls anzusprechen. Die Informationen über die Auffassungen innerhalb dieses Kreises - Ablehnung einer Remilitarisierung; Neugründung einer Wehrmacht nur in einem einheitlichen Deutschland ohne Besatzung - führten bei dem KPD-Informanten zu der Schlußfolgerung, daß insbesondere die jungen Offiziere und Soldaten diese Remilitarisierungsablehnung mittrugen und die nationale SED-Politik sich deshalb auf diesen Personenkreis konzentrieren müsse.32 All ihre propagandistische Arbeit warf die SED 29

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Vgl. Landesvorstand Niedersachsen der KPD an Karl Schirdewan vom 21. Juli 1949, in: SAPMO-BANY 4182/867/B1. 53. „Er [Doris] kam jetzt zu uns [KPD in Niedersachsen] mit dem Vorschlag, im Kampf um die Einheit Deutschlands an verschiedenen Frontabschnitten gemeinsam zu arbeiten.... Er [Doris] ist ein großer Demagoge, ist in zahlreichen Versammlungen gegen uns aufgetreten.... Wenn er nach der Ostzone kommt, sollte man ihn trotzdem anhören, weil man ... interessante Einzelheiten erfahren kann." Wörtlich hieß es da: „Wir unterzeichnenden früheren Führer der HJ, Offiziere und Soldaten, die sich erst unter schweren inneren und äußeren Erschütterungen zu einer klaren Vorstellung eines neuen, einigen und friedlichen Deutschland durchgerungen haben,... sprechen ... für abertausende Kameraden ... Wir [bekennen] uns rückhaltlos gegen alle Bestrebungen ... unser Volk in einen 3. Weltkrieg mit hineinzuziehen. Wir wollen nicht, daß sich abermals eine deutsche Jugend ... jener Wahnidee opfert, die mit dem Schlagwort 'eines Kreuzzuges für die Freiheit' propagiert wird." Brief von Wilhelm Jurzek (ehemaliger Oberbannführer) an Grotewohl vom 15. Dezember 1950, in: SAPMO-BA NY 4090/666/B1. 32-33. Vgl. Persönlicher Referent des Ministerpräsidenten an Jurzek vom 19. Dezember 1950, in: SAPMO-BANY 4090/666/B1. 34. Wörtlich in den KPD-Berichten: „Der größte Teil der Frontsoldaten und der jungen Generation kann für den Kampf gegen die Wiederaufrüstung gewonnen werden.... Die jungen Offiziere sind ... auf unserer Linie, je älter der General, um so früher ist er zur Mitarbeit bei der Bundesregierung bereit. Denn durch seine Mitarbeit erhält er seine alte Stellung, Dienstrang und Gehalt...

Randnotizen in der nationalen Politik

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nun auf den westdeutschen „Führungsring der ehemaligen Soldaten", der unter dem Einfluß der Gegner einer „Remilitarisierung unter Besatzungsrecht" stand.33 Auch der Kontakt zur Sozialistischen Reichspartei brach indes nicht ab. Das Büro des Präsidiums des Nationalrats unter Wilhelm Koenen teilte im April 1951 dem ZK mit, daß ein Vertreter des „Kreises um Remer, Guderian, Rudel und Galland [ehemalige Wehrmachtsoffiziere34] bei uns [beim Nationalrat in Berlin] vorsprach sowie gleichzeitig im Auftrag der Sozialistischen Reichspartei, um über uns zu einem gesamtdeutschen Gespräch zu kommen".35 Dieser Vertreter, Wolfgang Müller, bat um Unterstützung für die am 6. Mai 1951 stattfindenden Landtagswahlen in Niedersachsen. Auf Wahlkampfveranstaltungen wollten die SRP-Parteigänger zu Fragen der Remilitarisierung, zum Abzug der Besatzungsmächte und zum Abschluß einer Friedensvertrages mit Deutschland auftreten. Sie wünschten von den Vertretern des Nationalrates, darauf hinzuwirken, ihren Einfluß in westdeutschen Kreisen - gemeint waren die kommunistischen Kreise - gegen zu erwartende Provokationen auf ihre Auftritte geltend zu machen. Der SRP-Gesandte äußerte die Bitte, demnächst im kleinsten Kreis mit Wilhelm Koenen und Erich Honecker, damals Vorsitzender der FDJ und auf ehemalige HJ-Funktionäre angesetzt, über „Unterstützungen" - gemeint sein könnte eine finanzielle Unterstützung 3 6 -zu konferieren. Gleichzeitig sollte ein Termin für ein gesamtdeutsche Gespräch, wer immer sich daran auch beteiligen sollte, abgesprochen werden.37 Die Landtagswahlen in Niedersachsen am 6. Mai 1951 brachten der SRP immerhin 11 Prozent Stimmenanteil. Von Georg Wieber, einen wichtigen Kontaktmann der Nationalen Front zwischen der SED-Spitze und Persönlichkeiten in der Bundesrepublik, ging ein weiterer Treffbericht von Anfang Mai 1951 an Franz Dahlem in Ost-Berlin ein. Es wurden Absprachen im Vorgehen gegen die Remilitarisierungspläne geführt.38 Zu weiteren Besprechnungen zwischen SRP und SED-Vertretern der Nationalen Front scheint es nicht gekommen zu sein. Das Sekretariat des Politbüros der SED unter-

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Unsere Arbeit muß sich auf die jungen Kräfte stützen ... Gerade die [Bundes-]Regierung legt Wert darauf, die jungen Kräfte zu bekommen, wer soll den sonst die Reihen 'der Frontformationen1 füllen." Bericht vom 14. Juli 1951, vom 1. August 1951, Arbeitsbericht vom 13.-26. Juli 1951, Bericht über Feierlichkeiten um Ramke, in: SAPMO-BA NY 4036/649/B1. 252-257; vgl. Michael Lemke, Die DDR und die deutsche Frage 1949-1955, S. 158. Vgl. Berichte zum Führungsring, Juli 1951, in: SAPMO-BA NY 4036/649/B1. 258-265. Vgl. als Beispiel der Lebenslauf des deutschen Heerführers und Generaloberst Heinz Guderian (1888-1954), in: Munzinger Archiv, Lieferung 1/1977. Büro des Präsidiums an das ZK der SED, z. Hd. Franz Dahlems, 5. April 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 5256. In Piecks Notizen war sechs Wochen später der Vermerk zu lesen: „HJ will Ztg., dafür 20.000 M" - das als ein möglicher Hinweis finanzieller Unterstützung der SED für rechte Kreise in Westdeutschland. Vgl. Besprechung am 16. Mai 1951, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 366. Vgl. Büro des Präsidiums an das ZK der SED, z. Hd. Franz Dahlems, 5. April 1951, in: SAPMOBA DY 6 vorl. 5256. Vgl. Besprechung am 6. Mai 1951 mit Wolfgang Müller, SRP, Braunschweig, Georg Wieber und Helga Turowski in Hamburg, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 5256.

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Auf der Suche nach dem deutsch-deutschen Gespräch

sagte am 17. Mai 1951 jeglichen Kontakt zwischen der Nationalen Front und der Sozialistischen Reichspartei. Der Parteivorstand der KPD hatte indessen eine Stellungnahme gegen die Politik der SRP vorzubereiten, und die FDJ-Leitung unter Honecker arbeitete an einem „entlarvenden" Bericht über frühere Funktionäre der Hitlerjugend und ihre politische Tätigkeit in Westdeutschland.39 Es hat den Anschein, daß die SED-Führung seit Sommer/Herbst 1951 auf Distanz zu bekannten Wehrmachts- und NS-Größen in Westdeutschland ging. Das hieß aber nicht, daß man im Rahmen der Nationalen Front und der betriebenen „gesamtnationalen patriotischen Deutschlandbewegung" auf ehemalige Nationalsozialisten, Angehörige der Kriegsgeneration und der ehemaligen Hitlerjugend verzichten wollte. Ein differenzierteres Vorgehen beim Werben um eine Mitarbeit in der Nationalen Front, z. B. in der gerade laufenden Volksbefragungskampagne40, zwischen der ehemaligen NS-Führungsebene und der Masse der Mitläufer schien der SED wohl aus pragmatischen Gründen geboten.41 Eine allzu öffentliche Vereinnahmung ehemaliger NS-Größen für ihre nationalen Ziele hätte mehr geschadet als genützt; und vielleicht sahen die SED-Funktionäre das auch so.42 Zeitgleich, im September 1951, gab die Regierung der Bundesrepublik den Verbotsantrag gegen die SRP beim gerade konstituierten Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bekannt. Das Verbot erfolgte im Oktober 1952. Die rechtsradikale Gruppierung zerfiel in eine Vielzahl von Einzelorganisationen und verlor schnell an Bedeutung.43

2. SED-Gesprächsangebote auf Spitzenebene 1951 und 1952 Nachdem die Grotewohl-Initiative vom 30. Oktober 1950 und die darauf folgende Kampagne „Deutsche an einen Tisch" im März 1951 erfolglos abgeklungen waren, ging 39 40

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Vgl. Sekretariatssitzung, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/3/196. Seit Mai 1951 versuchte die SED mittels einer organisierten Volksbefragung in Ost und West, Stimmung gegen Adenauer und Schumacher, gegen Remilitarisierung, für den Abschluß eines Friedensvertrages und für gesamtdeutsche Gespräche zu machen. Vgl. Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 175 f. W. Pieck notierte in einer Besprechung am 16. Mai 1951: „Faschisten u. K.[ommunisten?] u. Na. Front / Abtrennung (Kommunisten?] sehr schwach / Nat. Frage nicht von KPD genügend / kann bei Faschisten] nicht differenzieren" In: Wilhelm Pieck- Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 366. Otto Grotewohl bzw. das Büro des Nationalrates hielten im Jahr 1951 losen Kontakt zu Vertretern des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), insbesondere zum Generalsekretär des BHE und Mitglied des Bundestages Hans-Gerd Fröhlich. Vgl. Brief von Fröhlich an den NR der NF vom 8. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/517/B1. 161-162 bzw. NY 4074/ 203 /Bl. 65. Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer 1949-1957, S. 132 f.

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das Werben um die Bundesrepublik wieder in die Bahnen über, die „Massen in Westdeutschland" gegen ihre Regierung zu mobilisieren. Ende April 1951 legte das Sekretariat des Politbüros einen detaillierten Plan zur „Vorbereitung und Durchführung der Volksbefragung ... gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahr 1951"1 vor. Ein Agitationsplan für die DDR umfaßte mündliche Formen der Propaganda, wie „Versammlungen oder Großkundgebungen in den Zonengrenzkreisen" oder Gespräche in Aufklärungslokalen der Nationalen Front und in Großbetrieben. Die Auflagen für die schriftliche Agitation reichte von einer Million Flugschriften und 100.000 Plakaten für die Verbreitung des Regierungsbeschlusses zur Volksbefragung bis zu mehr als zwei Millionen Schriften zur Verbreitung der „besseren ökonomischen und sozialen Lage" der Bauern und der Intelligenz in der DDR. Außerdem wurden Millionen von Briefen an bestimmte Zielgruppen2 verfaßt und versandt, die ausgehend von Problemen dieser sozialen Gruppen (Flüchtlinge, arbeitslose Jugendliche usw.) auf die einschlägigen Propagandafloskeln Kampf gegen Remilitarisierung und für einen Friedensvertrag sowie den Aufruf zum Sturz der , Adenauer-Clique" - einschwenkten.3 Bei dieser Vielzahl von Aktivitäten muß das Ergebnis die Akteure im Politbüro um so mehr deprimiert haben. Sie mußten eingestehen, daß sich die „Stimmung für gesamtdeutsche Gespräche" in Westdeutschland nicht gegen die Adenauer-Regierung kanalisieren ließ. Bei einem Treffen mit der Spitze der SKK am 11. Mai 1951 resümierte Pieck, daß die Bewegung für die Volksbefragung im Westen noch sehr schwach sei: Von 10.000 geplanten Ausschüssen hätten sich gerade erst 1.000 gebildet. Bis Ende Juli gelang es in der Bundesrepublik, 1,7 Millionen Unterschriften, das waren nur 5,5 Prozent der Wahlberechtigten, zu sammeln.4 Die Arbeit der Kommunistischen Partei, die diese Aktion führen sollte, wurde scharf kritisiert. Wieder einmal warf die SED-Führung den westdeutschen Kommunisten vor, nicht fähig zu sein, „eine breite nationale Politik zu entwickeln und als Vorkämpferin des ganzen deutschen Volkes aufzutreten". Inaktivität der Parteimitglieder und nicht genügende Verbindung mit den „werktätigen Massen" wurden als Gründe ihres ständigen Scheiterns ausgemacht.5 1 2

Vgl. Sekretariatssitzung vom 30. April 1951, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/191. Vgl. Brief an die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik, Brief an die Christen, Brief an die Frauen, Brief an die deutschen Techniker und Ingenieure, Brief an die Ärzte, Brief an die Handwerker, Brief an die Unternehmer, Brief an die deutschen Exporteure, Ruf an die deutsche Jugend, Brief an die Westdeutschen Wissenschaftler, Brief an die Lehrer und Erzieher und Brief an die Mitglieder des Bundes deutscher Jugend, Kameraden! (Brief an die ehemaligen deutschen Offiziere). Vgl. Sekretariatsprotokoll 30. April 1951, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/191 und NY 4036/646.

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Vgl. die Briefe, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/3/191. Vgl. Besprechung mit Tschuikow vom 4. April 1951, Besprechung mit Tschuikow, Iljitschow, Puschkin am 11. Mai 1951, Besuch bei Pieck von Graur [sie] und Slawin am 20. Juli 1951, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 363, 365, 372. Als Lösung des Problems galten die nichtssagenden Worte: „Die zentrale Aufgabe zur Verbesserung der Arbeit im Westen ist die Verstärkung der Arbeit des PV der KPD, der die politische, organisatorische und agitatorische Leitung der Volksbefragungskampagne in der Hand haben

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Auf der Suche nach dem deutsch-deutschen Gespräch

Ende Juli 1951 mußten Pieck, Ulbricht und Grotewohl bei der Sowjetischen Kontrollkommission den Schluß ziehen, daß sie ihre frühere politische Initiative in der AntiRemilitarisierungs-Kampagne und in der Frage des Friedensvertrages eingebüßt hätten. Als Ausweg aus der Defensivsituation sahen sie weder veränderte Inhalte noch Ziele ihrer nationalen Politik. Auch kam es nicht zu Alternatiworschlägen, Kompromissen oder möglichen Zugeständnissen an die westdeutsche Seite. Wieder blieb man bei der bisher erfolglosen Massenagitation: Ein offener Brief an die SPD-Arbeiter oder weit gestreute Verbreitung eines „Weißbuches über die Lage in Westdeutschland"6 hießen die nächsten nationalen Maßnahmen.7 Ministerpräsident Otto Grotewohl initiierte den nächsten „Volkskammerappell" am 15. September 1951, der-ohne weiter von Parität in einem gesamtdeutschen Gremium zu sprechen - die Durchführung „gesamtdeutscher freier Wahlen für eine Nationalversammlung" in den Vordergrund der „gesamtdeutschen Beratung" rückte8: Das war offensichtlich ein Versuch, aus der nationalen Defensive herauszukommen. Diesen Offerten gingen intensive Beratungen mit der sowjetischen Seite voraus. Sie waren Teil eines großangelegten diplomatischen und propagandistischen Planes, der am 10. März 1952 in die erste Stalin-Note münden sollte.9 Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann wiederholte das Angebot am selben Tag gegenüber dem Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers und schickte einen Em-

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muß." Der SED-Apparat entsandte zehn Genossen zur Unterstützung des PV der KPD. Vgl. PBSitzung vom 22. Mai 1951, in: SAPMO-BA DY 30IV 2/2/149. Die Herausgabe von „Farbbüchern" hatte in Deutschland Tradition. Regierungsstellen veröffentlichten Dokumentensammlungen zu wichtigen politischen Anlässen. In diesem Fall publizierte der Nationalrat der Nationalen Front das „Weißbuch über die amerikanisch-englische Interventionspolitik in Westdeutschland und das Wiedererstehen des deutschen Imperialismus'". Vgl. Zur Herausgabe des Weißbuches, in: Neues Deutschland, vom 12. August 1951. Vgl. Otto Grotewohl, „Noch ist es Zeit. Zum Offenen Brief des ZK der SED an die Sozialdemokraten und Kommunisten in Westdeutschland", in: Neues Deutschland vom 1. September 1951, S. 1-3; Besprechung am 30. Juli 1951, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 372 f.; PB-Sitzung vom 21. August 1951, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/162/B1. 37-56. Vgl. den parallel laufenden Kampagneplan zur Popularisierung dieser erneuten Volkskammerinitiative, Beschluß des PB vom 18. September 1951, in: SAPMO-BA DY 30IV 2/2/167/B1. 7-13. Die sowjetische Seite plante langfristig eine Aktion (seit ca. Mitte 1951) in bezug auf den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland: zunächst sollte die DDR sich mit einem Vorschlag an Bonn wenden, um Beratungen zwischen beiden deutschen Staaten mit dem Ziel einzuleiten, eine Initiative bei den Vier Mächten zum Abschluß eines Friedensvertrages zu starten. Die nicht geforderte Parität in der deutsch-deutschen Vertretung sollte der westdeutschen Regierung keinen Vorwand für eine Ablehnung bieten. Erwartet wurde, daß die Bonner Regierung diesen Vorschlag ablehnen würde. Dann sollte sich die DDR an die Vier Mächte wenden, die Schritte zum Abschluß eines Friedensvertrages einleiten sollten. Nach ca. zwei weiteren Monaten sollte dann die sowjetische Regierung den drei Westmächten eine entsprechende Note mit Grundsätzen für den Friedensvertrag offerieren. Dieser Plan wurde so auch durchgezogen. Vgl. ausführlich bei Gerhard Wettig, Die Deutschland-Note vom 10. März 1952, S. 792 f., 796.

SED-Gesprächsangebote auf Spitzenebene 1951 und 1952

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missär nach Bonn, der am 18. September von Ehlers im Bundeshaus empfangen wurde. Der Abgesandte überbrachte die schriftliche Fassung des Volkskammer-Appells.10 Einen Monat später reiste der DDR-Beauftragte nochmals zu Ehlers, um die Zustimmung der DDR-Volkskammer zu den vom Bundestag am 27. September eröffneten Vorschlägen über die Bedingungen für die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen zu signalisieren.11 In der Folgezeit konzentrierte sich die Ost-West-Auseinandersetzung auf den Modus und die Funktion von „gesamtdeutschen Wahlen". Die Freiheit des Wahlablaufes hing für Bonn und die westlichen Regierungen von der internationalen Kontrolle der Wahlen durch UNO-Beauftragte ab. Die DDR und die sowjetische Seite sahen in der UNOKontrolle ein politisches Übergewicht der USA und unterbreiteten einen Gegenvorschlag: ein Wahlkontroll-Gremium, bestehend aus Vertretern der vier alliierten Mächte. Bei ernsthaften Absichten zur Verständigung hätten beide Seiten, die DDR wie die Bundesrepublik, auf den jeweils anderen Vorschlag eingehen können. Adenauer sah (wollte sehen?) in der Grotewohl-Initiative ausschließlich ein von der Sowjetunion bestelltes Störmanöver angesichts der gerade beendeten Außenministerkonferenz in Washington und der dort beschlossenen Schritte zur Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnis.12 Und die ostdeutsche Seite: Wollte sie tatsächlich freie gesamtdeutsche Wahlen? Die SED-Führung, der kommunistischen Ideologie verhaftet, lehnte das demokratischparlamentarische System und Wahlen ab. Nach ihrer Überzeugung waren „freie Wahlen" Betrug an der Arbeiterklasse, für einen Staat wie die DDR unnötig. Wahlen trügen immer eindeutig „Klassencharakter". Im parteiinternen Kreis, im Politbüro oder im ZK, sprach man offen davon, daß die Durchführung „freier Wahlen" ein Versuch des Westens sei, die Einheit auf der Basis der in Westdeutschland herrschenden Ordnung her10 11

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Vgl. Bericht über die Reise nach Bonn, Bericht über den Empfang beim Präsidenten Ehlers, in: SAPMO-BA NY 4076/175/B1. 73-76. Vgl. Bericht über die Reise nach Bonn, 10. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/654/B1. 5254. Ehlers soll im Gespräch geäußert haben: „'Wir wollen keine 'Gespräche', das Wort Gespräch hat hier einen merkwürdigen Klang bekommen ..., deshalb haben wir etwas Konkretes geschaffen (er meinte damit das neue Wahlgesetz). Die Entwicklung wird vermutlich so sein, daß wir keineswegs ein Wahlgesetz für ganz Deutschland diktieren wollen, aber der Bundestag wird sagen, dieses Gesetz würde der Bundestag als Grundlage für gesamtdeutsche Wahlen annehmen.' Er [Ehlers] wollte damit zum Ausdruck bringen, daß dies einen konkreten Vorschlag des Bundestages zur Abhaltung gesamtdeutscher Wahlen darstelle." Vgl. Rudolf Morsey, Die Deutschlandpolitik Adenauers, S. 18 ff. Die beginnende deutschlandpolitische Konfrontation zwischen Regierungsparteien und Opposition in der Bundesrepublik machte sich an der erneuten Grotewohl-Initiative fest. Während Adenauer, den Volkskammerappel als Versuch der UdSSR, die Westintegration der Bundesrepublik zu verhindern, ansah, erkannte Schumacher aufgrund des Zugeständnisses der DDR, freie Wahlen als ersten Schritt zur Wiedervereinigung zu akzeptieren, immerhin ein Angebot, dessen Ernsthaftigkeit geprüft werden müsse. Vgl. diesen parteipolitischen Fronten folgende Diskussionen im Gesamtdeutschen Ausschuß des Bundestages 1951, in: Der Gesamtdeutsche Ausschuß, Sitzung am 18. und am 25. September 1951, S. 214-226.

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beizufuhren. In der SED herrschte Klarheit darüber, daß bei freien Wahlen die SPD und die CDU die Wahlsieger sein würden.13 Warum sollte also die SED freie Wahlen favorisieren? Für sie bedeuteten freie Wahlen das Ende ihrer Herrschaft, und der Westen hätte sein deutschlandpolitisches Maximalprogramm verwirklicht. So demonstrativ die SED-Führung 1951 und 1952 auch freie Wahlen forderte, mußte sie sich doch praktisch auf diese Wahlen nicht einlassen. Die starre westliche Haltung und die Ablehnung aller östlicher Vorschläge seitens der Bundesregierung machte es für die SED berechenbar, daß ihre Angebote keiner Überprüfung standzuhalten hatten.14 Bis zur Vorlage eines DDR-Wahlgesetzes, welches Semjonow der SED-Führung am 1. November 1951 in Auftrag gab, vergingen noch zwei Monate. In diesen Wochen fanden weitere deutsch-deutsche Kontakt- bzw. Verständigungsversuche statt. Nach Absprache mit der Sowjetischen Kontrollkommission verfaßte DDR-Präsident Pieck einen Brief an Bundespräsident Heuss, der am 2. November in Bonn per Boten überbracht wurde. Piecks Schreiben, welches in Form und Inhalt nicht gerade auf Ausgleich und Verständigung abzielte, beinhaltete den Vorschlag zu einem Treffen beider Präsidenten, in dem „wir erörtern, wie der Weg gebahnt werden kann zur Einberufung einer gesamtdeutschen Beratung, um eine friedliche Einigung Deutschlands herbeizuführen." Obwohl Pieck über die Besprechung mit Semjonow am 1. November notierte, daß die Forderung der Bundesrepublik nach Kontrolle der Wahlen durch eine UNOKommission eine „nicht hoffnungslos strittige Frage" sei, fand das einen Tag später keinen Ausdruck im Schreiben an Heuss. Da hieß es wie gehabt, daß die DDR mit einer Überprüfung der Voraussetzungen für freie Wahlen in allen Teilen Deutschlands einverstanden sei, aber diese Prüfung durch Vertreter Ost- und Westdeutschlands unter der Kontrolle der vier alliierten Mächte erfolgen sollte.15 Die schriftliche Antwort von Bundespräsident Heuss an den „Herrn Präsidenten Wilhelm Pieck" - immerhin gab es eine solche - vom 7. November war in der Sache genauso unzugänglich, abweisend und konzessionslos.16 13

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Oder hatten die Kommunisten um Ulbricht die Vorstellung, die politische Macht in Gesamtdeutschland (mit der Sowjetunion im Rücken) ähnlich an sich bringen zu können, wie in den Jahren 1945-1949 in der SBZ? Ende 1953 äußerte Ulbricht in einem Interview: „Wir sind überzeugt, daß auch bei einer gesamtdeutschen demokratischen Wahl die antifaschistisch-demokratischen Parteien und Massenorganisationen einen Block bilden werden, um den amerikanischen und westdeutschen Militaristen eine Niederlage beizubringen." In: Bericht über Nuschke vom 9. Juli 1956, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 2, Bl. 59. Vgl. die mit zahlreichen Belegen versehenen Ausführungen zum Problem „freie Wahlen" bei Michael Lemke, Die DDR und die deutsche Frage 1949-1955, S. 145 f. Vgl. Besprechung mit Semjonow am 1. November 1951, in: Wilhelm Pieck- Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 376-378; Notizen Piecks zur Übergabe des Briefes an Heuss und Abschrift Brief an Heuss vom 2. November 1951, in: SAPMO-BA N Y 4036/770/B1. 39-42; PB-Sitzung vom 1. November 1951, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/174; Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 177 f. Theodor Heuss: „... Die Angriffe und Vorwürfe, die Sie in Ihrem Schreiben gegen Bundesregierung und Bundestag richten, sind unberechtigt und werden von mir entschieden zurückgewiesen. ... Es ist unrichtig, daß Bundesregierung und Bundestag in Bonn durch ihre Stellungnahme 'jede

SED-Gesprächsangebote auf Spitzenebene 1951 und 1952

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Mitte November 1951 bot der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgs, Otto Dibelius, seine Vermittlungstätigkeit für gesamtdeutschen Beratungen oder auch eine Beratung zwischen Bundeskanzler Adenauer und der sowjetischen Seite an17, die letztlich jedoch nicht in Anspruch genommen wurde. Die DDR-Volkskammer verabschiedete am 9. Januar 1952 das von den Sowjets in Auftrag gegebene Wahlgesetz. Auf der Grundlage des Weimarer Verhältniswahlrechts sah es zwar eine Beteiligung der „Massenorganisationen" an der Wahl vor und forderte die Zulassung „nur demokratischer" Parteien zur Wahl, hielt sich aber ansonsten an das demokratische Reichstagswahlgesetz. In Bonn wurde die angebotene Grundlage als nicht ausreichend betrachtet. In erster Linie fehlten konkrete Hinweise, wie die DDR die Grundsätze der freien und geheimen Wahl durch bestimmte Verfahren gewährleisten wollte.18 In der Endphase der Verhandlungen zwischen den drei Westmächten und der Bundesrepublik über den EVG- und Generalvertrag schaltete sich die UdSSR in die Diskussion ein. Stalin schlug am 10. März 1952 den Westmächten vor, unter Beteiligung einer nicht-gewählten „gesamtdeutschen" Regierung Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrages zu führen. Ziel der Verhandlungen sollte ein neutralisiertes, aus den Machtblöcken ausgeklammertes, bis zur Oder und Neiße verkleinertes Deutschland sein. Nach Abzug aller ausländischen Truppen sollten diesem „unabhängigen, demokratischen, friedliebenden" Deutschland nationale Streitkräfte zugestanden werden. Mit der zweiten Note vom 9. April 1952 ging die Sowjetunion positiv auf die Forderung der Westmächte nach der „freien, gesamtdeutschen Wahlen" ein. Die Kontrolle der Wahlen sollte nach sowjetischer Vorstellung nicht durch einen UNO-Ausschuß, sondern, wie

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Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland zu verhindern' beabsichtigen; ... Ihre Beurteilung der gegenwärtigen Situation und die Tonlage, in der diese durch Ihre Worte zum Ausdruck gebracht wird, muß die Möglichkeit des von Ihnen angeregten Gesprächs von Anbeginn fragwürdig machen.... Sie verwerfen, was die Voraussetzungen zur Durchführung freier Wahlen betrifft, den Vorschlag der Bundesregierung ..., mit der Überprüfung eine neutrale Kommission der 'Vereinten Nationen' zu beauftragen. Sie regen ... an, daß zu solchen Verfahren 'eine aus Ostund Westdeutschland zusammengesetzte Kommission unter Viermächtekontrolle der UdSSR, der USA, Englands und Frankreichs' bestellt werde. Ich halte diesen Vorschlag, der im Grunde eine Neubelebung des 'Kontrollrates' bedeutet, unter dem gesamtdeutschen Aspekt des Weges zur staatlichen Unabhängigkeit für einen Rückschritt. ..." Abschrift des Briefes in: SAPMO-BA NY 4036/770/B1. 44-45; Antwortschreiben des Bundespräsidenten wurde veröffentlicht, in: Mitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 1005/51 vom 7. November 1951. Vgl. Besprechung am 15. November 1951, in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 379 f. Vgl. zuletzt dazu: Gerhard Wettig, Stalin und die deutsche Frage, S. 1259-1273.; Dokumentation: Wahlgesetzentwurf der Volkskammer für gesamtdeutsche Wahlen vom 9. Januar 1952 und Wahlgesetzentwurf des Deutschen Bundestages für gesamtdeutsche Wahlen vom 6. Februar 1952, abgedruckt in: Dokumentation zur Deutschlandfrage, Hauptband I, S. 126-136.

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gehabt, durch eine Kommission der Siegermächte erfolgen.19 Die drei Westmächte lehnten das Angebot der Sowjetunion ab. Sie waren nicht bereit, die Integration der Bundesrepublik in die westliche Welt rückgängig zu machen und bestanden auf international kontrollierten freien Wahlen als Voraussetzung für die Bildung einer deutschen Regierung, die ihrerseits dann frei über den Friedensvertrag, die Bündnispolitik und die Grenzfrage entscheiden müsse. Mit der Unterzeichnung von EVG- und Generalvertrag Ende Mai 1952 war das Hauptziel der sowjetischen Noten verfehlt. Der Notenwechsel dauerte noch bis in den Dezember des Jahres an und galt einer gegenseitigen Schuldzuweisung am Scheitern der sowjetischen Angebote. Die sowjetische Notenoffensive wurde begleitet von einer erneuten SED-Offensive. Wieder hoffte die DDR-Seite, die „patriotischen" Kräfte in Bundestag und Bundesregierung mobilisieren zu können. Aber auf jeden Fall sollte eine Manifestation des deutschen Einheitswillens von ostdeutscher Seite seine Wirkung auf die westdeutscher Seite nicht verfehlen. Das Politbüro beschloß am 11. März eine „Argumentation für die Massenaufklärung zur Note der Sowjetregierung an die Regierungen der USA, Englands und Frankreichs über den Entwurf eines Friedensvertrages mit Deutschland" und 43 Losungen zur Note.20 Diese Parolen reichten von „Die Sowjetunion weist den Weg zu einem demokratischen Friedensvertrag mit Deutschland!" über die Propaganda-Sprüche „Der Vorschlag der Sowjetunion sichert das friedliche Schaffen der Bauern" bis zu „Für den Zusammenschluß aller Patrioten für einen Friedensvertrag, gegen den Generalkriegsvertrag" und „Dank an Generalissimus Stalin für seine weise Friedenspolitik, die dem deutschen Volk hilft, einen gerechten Friedensvertrag zu erringen". Zwei Wochen später schloß sich ein Plan zur „Aufklärung der Bevölkerung über die Vorschläge der Sowjetregierung für einen Friedensvertrag mit Deutschland und die Entfaltung einer breiten Massenbewegung für den baldigen Abschluß eines solchen Friedensvertrages" an. Wieder bot man alles auf, was kommunistische Propagandisten im Repertoire hatten: „Aufklärungs- und Versammlungstätigkeit" in Betrieben, Institutionen, in jedem Dorf, über die Stützpunkte der Nationalen Front, in Frauen- und Jugendausschüssen, in Straßen- und Hausversammlungen, in Schulen oder Universitäten. Veranstaltungen zu den Vorschlägen der Sowjetregierung in den Blockparteien und Massenorganisationen, in kirchlichen Kreisen und kulturellen Einrichtungen mußten organisiert werden. Tausende Broschüren, Plakate und Flugblätter gingen nach Westdeutschland.21 Es ist kaum vorstellbar, daß es DDR-Bürger gegeben hat, die nicht von dieser „Aufklärungskampagne" erfaßt wurden. 19

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Vgl. Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland, S. 35 und die umfangreiche historische Fachliteratur zur Kontroverse um die sowjetische Deutschlandnote, zusammengestellt bei Rudolf Morsey. vgl. ebenda, S. 164-167; Die Unterrichtung Piecks durch die SKK über die sowjetische Note am Vorabend des 10. März' 1952, in: Wilhelm Pieck- Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 381. Vgl. PB-Sitzung, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/200/B1. 1, 21-32; Besprechung am 26. Mai 1952 in Karlshorst, in: Wilhelm Pieck- Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 404. Vgl. Sekretariatsprotokoll vom 17. März 1952, in: SAPMO-BA DY 30 J I V 2/3/275/B1. 22-31.

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Nachdem sich ein Scheitern der sowjetischen Notenangebote abzeichnete, schob die SED weitere Aktionen, um an die nationalen Kräfte in Ost und West zu appelieren, nach: zunächst die „Kampagne für die Aktionseinheit mit der SPD"22 und den Aufruf des Nationalrats der Nationalen Front gegen die Unterzeichnung des immer so bezeichneten „Generalkriegsvertrages".23 Mit den Beschlüssen der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 nahm die DDR Kurs auf den „planmäßigen Aufbau des Sozialismus". Das schloß auch Schritte in Richtung einer umfassenden militärischen Bewaffnung („Volksarmee schaffen - ohne Geschrei"), die rigorose Absperrung der bis dahin noch relativ durchlässigen „Zonengrenze", die Beseitigung der föderalen Restbestände in der DDR (Auflösung der Länder und Bildung von 14 Bezirken), die Umsetzung des „demokratischen Zentralismus" in der Staatsverwaltung und die beginnende Kollektivierung der Landwirtschaft ein.24 Trotz der Aussichtslosigkeit der Realisierung ostdeutscher Gesprächs- und Verhandlungsangebote an die Bundesrepublik und der verhärteten politischen Situation nach den verschiedenen Abweisungen ergriff die DDR im September 1952 überraschenderweise noch einmal die Initiative. Sie entsandte eine durch die Volkskammer „gewählte" Delegation, bestehend aus Hermann Matern (SED, Politbüromitglied), Otto Nuschke (CDU-Vorsitzender), Karl Hamann (LDPD-Vorsitzender), Heinrich Homann (Stellvertretender Vorsitzender der NDPD) und Ernst Goldenbaum (Vorsitzender der DBD), nach Bonn. Sie sollten dem Bundestag deutschlandpolitische Vorschläge der DDR unterbreiten.25 Das Politikum dieser Aktion bestand darin, dem Präsidenten des Bundestages persönlich die Vorschläge zu übergeben. In Bonn kam es daraufhin zu hektischen diplomatischen Aktivitäten und einem interfraktionellen Streit zwischen de22

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Bei dem Angebot an die SPD handelte es sich um ein Schreiben an den SPD-Parteivorstand vom 24. März 1952, in dem ein gemeinsames Vorgehen gegen die westdeutsche Wiederbewaffnung, für einen Friedensvertrag und die Vorbereitung gesamtdeutscher Wahlen für eine Nationalversammlung vorgeschlagen wurde und das auf die erwartete Ablehnung stieß. Vgl. PB-Sitzung vom 6. Mai 1952, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/2/210. Vgl. PB-Sitzung vom 20. Mai 1952: „Vereinigt Euch zum nationalen Volkswiderstand!", in SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/212/B1. 32-34. Die SED-Spitze reiste vom 29. März bis 10. April 1952 nach Moskau. Dort standen bereits die Beratungen zu Grundfragen der Politik der SED im Zusammenhang mit ihrer 2. Parteikonferenz mehr im Vordergrund als Besprechungen zu Fragen des Friedensvertrages und der Wiedervereinigung. (Die erste ablehnende Antwort der Westmächte zur Stalin-Note war am 25. März erfolgt.) Vgl. Reise nach Moskau, in: Wilhelm Pieck- Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 382-399. Die SED-Funktionäre waren am 1. und am 7. April 1952 von Stalin empfangen worden. Vgl. Besucher im Kreml-Kabinett, in: Historisches Archiv, Nr. 1, 1997, S. 26 f. Die Vorschläge beinhalteten: „1. die Entsendung von Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik und der westdeutschen Bundesrepublik zur Teilnahme an einer Viermächtekonferenz, die die friedliche Regelung aller Deutschland betreffenden Fragen zum Ziel haben soll und 2. die Bildung einer Prüfungskommission für freie gesamtdeutsche Wahlen, einschließlich der Festlegung des Beginns ihrer Tätigkeit." In: Entwurf an H. Ehlers, in: SAPMO-BA N Y 4036/ 754/B1. 33-35 und PB-Sitzung vom 12. September 1952, in: ebenda, DY 30 IV 2/2/231.

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nen, die den Empfang der Volkskammer-Emissäre befürworteten, und denen, die ihn strikt ablehnten. Kanzler Adenauer stand an der Spitze der Verweigerer, da er befürchtete, die Volkskammerdelegierten könnten eine größere Zahl von Bundestagsabgeordneten beeinflussen, der bevorstehenden Ratifizierung von General- und EVG-Vertrag nicht zuzustimmen. Das Bundestagspräsidium beschloß jedoch auf ausdrückliche Zustimmung der Bundestagsfraktionen, die Volkskammerdelegation zur Entgegennahme ihres Schreibens zu empfangen.26 Aber kurzfristig sagten beide Vizepräsidenten des Bundestags, Carlo Schmid und Hermann Schäfer, ihre Teilnahme am Empfang der Volkskammerdelegation wieder ab.27 Der Präsident des Deutschen Bundestages, Dr. Hermann Ehlers, empfing am 19. September 1952 die DDR-Delegation für 20 Minuten im Bundeshaus. Den Volkskammerabgeordneten waren Anordnungen für ihr Auftreten in Bonn mitgegeben worden. Für die SED-Spitze galt der Empfang als der „erste offizielle Schritt Ost- und Westdeutschlands zueinander und von ernster Bedeutung für die friedliche Regelung der deutschen Frage". Die fünf DDR-Emissäre sollten Verhandlungen zur Bildung und Entsendung einer deutsch-deutschen Delegation zu einer Viermächte-Konferenz einleiten und Modalitäten zur Bildung einer Prüfungskommission für freie gesamtdeutsche Wahlen klären. Die gewünschte deutsch-deutsche Delegation sollte paritätisch besetzt werden. Der Handlungsspielraum auf DDR-Seite sah ein Verhältnis fünf Westdeutsche zu drei Ostdeutsche vor, wobei West- und Ost-Berlin mit jeweils einem Bevollmächtigten vertreten sein sollte. Bundestag und Volkskammer hätten die jeweiligen Mitglieder der Delegation zu wählen.28 Der Empfang in Bonn und das Schreiben der Volkskammer brachten erwartungsgemäß inhaltlich nichts Neues.29 Ehlers konnte die Absicht der Volkskammerdelegation, auf eine direkte Antwort des Bundestages in Bonn zu warten, abwenden. Die fünf DDR-Abgeordneten stellten sich im Bonner Hotel „Stern" einer Unterredung mit ca. dreißig Bundestagsabgeordneten. Sie sprachen mit Hans Bodensteiner (CSU), Ernst Müller-Hermann (CDU), Artur Stegner, Karl Georg Pfleiderer (beide FDP) und einer 26

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Vgl. Gerhard Besier, S. 100-104. DPA meldete am 1. September 1952: „... Wie unterrichtete Bonner Kreise erklären, sind sich die großen Fraktionen einschließlich der SPD darüber einig, daß Bundestagspräsident Ehlers und die beiden Bundestagsvizepräsidenten, Professor Carlo Schmid [SPD] und Dr. Hermann Schäfer [FDP], die Abgesandten der Sowjetzonen-Volkskammer empfangen und den zu übermittelnden Brief entgegennehmen sollen. Es werde dabei zu keiner Diskussion über die in dem Brief enthaltenen Forderungen zur Einheit Deutschlands kommen." In: SAPMO-BA NY 4036/754/B1. 1. Vgl. die Auseinandersetzungen um den Volkskammer-Besuch in den Parteien der Bundesrepublik (CDU, CSU, FDP, SPD und BHE) in: Analyse der Lage in Westdeutschland als Ergebnis einer Reise nach Bonn vom 11.-19. September 1952, in: SAPMO-BA NY 4036/754/B1. 12-18. Vgl. Richtlinien für die Delegation, in: SAPMO-BA NY 4076/178/B1. 3-4, 20-22. Ehlers schickte am 20. September dem „Stellvertretenden Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik Herrn Otto Nuschke" das Wortprotokoll des Empfangs vom Vortag. Nuschke hatte das Gespräch bezeichnenderweise mit dem Satz beendet: „Ich glaube, die Tatsachen sind härter als die Hoffnung." Vgl. Anschreiben und Protokoll in: SAPMO-BA NY 4076/178/B1. 72-81.

SED-Gesprächsangebote auf Spitzenebene 1951 und 1952

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Reihe weiterer CDU-, CSU-, FDP- und SPD-Abgeordneter, aber auch mit Parlamentariern kleinerer Parteien, BHE, Bayernpartei (Hermann Etzel), Zentrum und natürlich der KPD. Besonders effektiv gestaltete sich der Kontakt zu Hans Bodensteiner30, der seinen Verhandlungswillen mit der DDR signalisierte und namentlich weitere 37 gesprächsinteressierte Bundestagsabgeordnete benannte, die den Kurs Adenauers ablehnten.31 Auf einer Pressekonferenz am 20. September in Bonn hatte das Mitglied der Volkskammerdelegation Otto Nuschke sich unvorsichtigerweise dahingehend geäußert, daß er zwischen den Wahlmodalitäten in der DDR, die nicht ganz denen einer normalen Demokratie entsprächen, und den künftigen Wahlen für eine gesamtdeutschen Nationalversammlung unterscheide. Nuschke erklärte zwar auch, die Wahlen in der DDR im Oktober 1950 seien frei gewesen, aber das half ihm nicht mehr, bei der Rückkehr in die DDR einer politischen Rüge durch die SED zu entgehen.32 Es war nicht die erste; die politischen Aktivitäten des CDU-Vorsitzenden Nuschke standen unter Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit. Sowohl auf den Volkskammerappell vom September als auch auf ein zweites Schreiben vom Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann vom 31. Oktober 195233 antwortete der Bundestag nicht. Rechtlosigkeit, herrschende Gewalt und die forcierten sozialen und politischen Veränderungen in der DDR galten der Bundesrepublik als Bestätigung für die Unglaubwürdigkeit aller politischen Angebote der SED-Führung. Auch dieser vorerst letzte Versuch zu einer Gesprächsanbahnung auf Spitzenebene war von einer umfangreichen Kampagne umrahmt worden.34 30

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Hans Bodensteiner (Jahrgang 1912), Jurist und Volkswirt, nach 1945 CSU, 1949 MdB, Juni 1952 (während der sowjetischen Notenoffensive) öffentliche Kritik an der Deutschland- und Außenpolitik des Bundeskanzlers; Beginn eines Parteiausschlußverfahrens im September 1952, erklärte im November 1952 seinen CSU-Austritt, blieb bis zum Ende der Legislaturperiode fraktionslos im Bundestag, wurde später Mitglied der GVP. Vgl. Munzinger-Archiv, Lieferung Januar 1953. Vgl. Michael Lemke, Die infiltrierte Sammlung, S. 209; Kabinettssitzung vom 19. September 1952, in: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 5. 1952, S. 588 f.; Gerhard Bester, S. 104. Vgl. Karl-Heinz Schmidt, Die Deutschlandpolitik der SED, S. 2116. Die FAZ berichtete am 22. September 1952 über die Aussage Nuschkes vor der Presse: „Nuschke sagte weiter, man sei in der Sowjetzone bereit, auch nach den Grundsätzen einer formalen Demokratie eine Nationalversammlung für ganz Deutschland zu wählen. Die gegenwärtigen Modalitäten in der Sowjetzone entsprächen nicht ganz denen der normalen Demokratie. Jedoch seien die letzten Wahlen im November [September!] 1950 völlig frei vonstatten gegangen. ..." „Der Besuch der Volkskammerdelegation", in: ebenda, S. 3. Vgl. PB-Sitzung vom 28. Oktober 1952, in: SAPMO-BA DY 30IV 2/2/241. Die Aktion stand unter dem Titel: „Weitere Maßnahmen zur Durchführung der Volksentscheidung gegen Generalvertrag, für einen Friedensvertrag und zur Entwicklung der deutschen Sammlung". Vgl. Politbürositzung vom 9. September 1952, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/230 bzw. der „Kampagneplan zur Auswertung der Reise der Delegation der Volkskammer nach Bonn", Sekretariatssitzung vom 22. September 1952, in: ebenda DY 30 JIV 2/3/326.

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Parallel dazu hatten die DDR-Spitzenfunktionäre Walter Ulbricht, Paul Verner und Rudolf Herrnstadt das „Programm der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands" ausgearbeitet und dem Parteivorstand der KPD im November 1952 in der Bundesrepublik als neues Parteiprogramm zur Verkündung überlassen. „Sturz des AdenauerRegimes" durch „unversöhnlichen und revolutionären Kampf aller deutscher Patrioten" war die immer gleichlautende zentrale Aussage in diesen Jahren und Inhalt des Programms.35 In den Jahren 1950 bis 1952 standen sich in den Vorstellungen zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands die nicht zu vereinbarenden Konzepte der ost- und westdeutschen Seite gegenüber. Die DDR hielt an innerdeutschen Gesprächen bzw. Beratungen („Deutsche an einen Tisch" und „Gesamtdeutscher konstituierender Rat") vor der Abhaltung von „freien" Wahlen unter deutsch-deutscher bzw. alliierter Viermächtekontrolle fest. Die Bundesregierung leitete Legitimität und Alleinvertretung ihres Staates aus den Wahlen vom August 1949 her und sprach der Regierung der DDR wegen des Wahlmodus' vom Oktober 1950 das Recht ab, einen Teil des deutschen Volkes zu vertreten. Die Bundesregierung verweigerte den nicht legitimierten DDR-Politikern jedes Gespräch, jede Kontaktaufnahme. Der Weg zur Wiedervereinigung führte für die Bundesrepublik ausschließlich über freie, demokratische Wahlen in ganz Deutschland unter internationaler Kontrolle. Die Ablehnung der zahlreichen ostdeutschen Vorschläge durch die Bundesregierung und den Bundestag verärgerte die SED und führte in der Folgezeit zu noch unbeweglicheren Positionen bei der Staatspartei selbst und in den deutsch-deutschen Verhältnissen.

3. Jeder „Adenauer-Gegner" ein Partner in der Westarbeit? Das SED-Politbüro erkannte, daß Erfolg oder Mißerfolg in der Verwirklichung ihrer nationalen Ziele von Bündnispartnern in Westdeutschland abhing. Dabei versuchten sich Pieck, Grotewohl, Ulbricht und die anderen Spitzenpolitiker, mit Rückendeckung der Sowjetischen Kontrollkommission in Berlin-Karlshorst, auf eine im weitesten Sinne „bürgerliche Opposition" in der Bundesrepublik zu stützen. Im Zusammenhang mit dem Volkskammerappell vom September 1951 beschloß das SED-Politbüro, verstärkt Besprechungen mit sogenannten bürgerlichen Persönlichkeiten, die öffentliche Erklärungen gegen Bundesregierung und Bundestages abgeben sollten, zu organisieren. Dabei wollten sie sich in besonderem Maße auf Kräfte in der SPD stützen. Das PolitbüroProtokoll vermerkte am 18. September 1951 unter dem Punkt „Systematische Beein-

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Vgl. PB-Sitzung vom 28. Oktober 1952, vom 4. November 1952 und Sekretariatssitzung vom 10. November 1952, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/241, IV 2/2/243, DY 30 J IV 2/3/339; Abdruck des Programms, in: Einheit 1952, S. 1385-1397.

Jeder „Adenauer-Gegner" ein Partner in der Westarbeit

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flussung und Gewinnung einflußreicher Personen ... und persönliche Bearbeitung von bestimmten Bundestagsabgeordneten": „Das Hauptgewicht ist zu legen auf das Herantreten an sozialdemokratische Funktionäre und einflußreiche Mitglieder der SPD" mit dem Ziel ihrer „Gewinnung für eine positive öffentliche Erklärung zu den Vorschlägen der Volkskammer". 1 Dann bedienten sich die SED-Funktionäre aber insgesamt ehemaliger Politiker aus der Zeit der Weimarer Republik, die sich mit Adenauer nach 1945 im Streit um die politische Gestaltung der Westzonen/Bundesrepublik angelegt hatten. In erster Linie wären da Joseph Wirth, Carl Severing und Gustav Heinemann zu nennen.

A. Carl Severing (SPD) Zeitgleich zu den Angeboten Otto Grotewohls bzw. der DDR-Volkskammer an den Deutschen Bundestag vom 15. September 1951 aktivierte die SED-Führung direkte politische Gesprächsbeziehungen nach Westdeutschland. Mit Carl Severing2 fand sich ein historisch bedeutsamer Repräsentant der Sozialdemokratie, der nicht von vornherein alle Gesprächskontakte mit Kommunisten ablehnte. Severing war 1951 bereits 76 Jahre alt und Mitglied des Landtages in Nordrhein-Westfalen. Die sozialdemokratische Parteiführung in Bonn unter Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer setzte auf bewußte und scharfe Abgrenzung zur SED-Führung.3 Carl Severing traf sich mehrmals - nachzuweisen waren Zusammenkünfte am 13. und 24. Oktober 1951 und am 19. November 1951 - mit dem KPD-Vorsitzenden Max Reimann in Bielefeld.4 Diese Treffen waren vermutlich im Auftrag, ganz sicher aber mit Wissen des SED-Politbüros zustande gekommen. Severing bekundete seine ablehnende Haltung zur Politik Kurt Schumachers. Er erklärte Reimann, in der SPD öffentlich für eine klare Linie gegen Remilitarisierung, gegen die Einfuhrung der Wehrdienstpflicht, für eine Verständigung und für Verhandlungen zwischen Ost- und West-

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PB-Sitzung vom 18. September 1951 und vom 23. Oktober 1951, in: SAPMO-BA DY 30 IV 2/2/167 und DY 30 IV 2/2/172. Das Kontakt-Knüpfen sollte über KPD-Abgeordnete erfolgen. Untergeordnetes Interesse für die SED besaßen die Bundestagsabgeordneten der CDU und des Zentrums - so das Politbüro-Protokoll. Carl Severing (1875-1952), SPD, 1920-1933 Mitglied des Deutschen Reichstages, 1920-1926 und 1930-1932 Preußischer Innenminister, 1928-1930 Reichsinnenminister, 1947 Mitglied des Landtages in NRW, am 23. Juli 1952 in Bielefeld gestorben. Vgl. Thomas Alexander, Carl Severing - Sozialdemokrat aus Westfalen mit preußischen Tugenden, Bielefeld 1992. Vgl. Kurt Klotzbach, S. 228-237. Vgl. Protokoll aus dem Gedächtnis über meine Unterredung mit Severing vom 13. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/665/B1.49-53; Vertraulich! 24. Oktober 1951, in: ebenda NY 4036/751/B1. 104; Vertraulicher Brief von Reimann vom 21. November 1951, in: ebenda NY 4090/665/B1. 67-74. Abdruck des ersten und zweiten Dokumentes bei Karl-Heinz Schmidt, S. 2203-2212.

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deutschland einzutreten.5 In diesem Zusammenhang begrüßte er die Initiative Otto Grotewohls und soll im Gespräch geäußert haben:6 „Wenn ich bei der ersten Aktion [Grotewohlbrief 30. Oktober 1950] auch noch an Propaganda seitens der SED glaubte, bin ich jetzt davon überzeugt, daß die Grotewohlaktion ehrlich gemeint ist, das kann man nicht mit einer Handbewegung [sie! sicher: Handvoll] von Bedingungen abhängig machen, sondern muß diesen Vorschlag aufgreifen und in Verhandlungen eintreten." Des weiteren habe Severing in Gesprächen versichert, so informierte Reimann seine Genossen in Ost-Berlin, daß große Teile der SPD, z. B. die Mehrheit seiner Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, mit seiner Meinung konform gingen. Severing erklärte sich bereit, „in öffentlichen Kundgebungen mit ihnen [Max Reimann] gemeinsam aufzutreten", sofern es sein angegriffener Gesundheitszustand zulassen werde.8 Zunächst einigten sich beide darauf, daß Severing sich in verschiedenen Zeitungsartikeln zu Wort melden sollte, um seine SPD-Genossen, vor allem die im Bundestag, aufzufordern, dem Appell der Volkskammer und Beratungen von Vertretern aus West- und Ostdeutschland zuzustimmen. Auf Nachfrage von Reimann soll Severing dezidiert Grüße an Pieck und Grotewohl übermittelt haben, „und sagen Sie ihnen, daß ich mit ihnen einverstanden bin und mitmachen werde." Carl Severing war über die Aktivitäten der Gruppen um Gustav Heinemann, Martin Niemöller und Joseph Wirth informiert, hielt sich aber von ihnen fern.9 Die Einschätzung der Gespräche mit Severing Mitte Oktober 1951 durch Reimann fiel sehr positiv aus: Der KPD-Vorsitzende versicherte Ulbricht, Pieck und Grotewohl nochmals schriftlich, Severing und viele einflußreiche Personen der SPD, darunter Severings Schwiegersohn Walter Menzel (u. a. SPD-Abgeordneter im Bundestag, Mitglied des SPD-Parteivorstands), ständen gegen Schumacher und seine Politik. Reimann ließ sich zu dem euphorischen Urteil hinreißen: „Wenn Severing sich bereit erklärt, mit mir auf einer öffentlichen Kundgebung zu sprechen, so würde dies in der SPD eine außerordentlich starke Bewegung erzeugen ... Es würde im Bürgertum in Bonn ebenso wie bei den Hohen Kommissaren wie eine Bombe einschlagen. Wir hätten das erste Mal eine aktive Opposition in der SPD, die mit hervorragenden Funktionären in Er5

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Vgl. Vertraulich! 24. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4036/751/B1. 104. Severing vertrat einen gegen jegliche Wiederaufrüstung gerichteten Kurs, während die SPD-Parteiführung unter Schumacher in einer Wiederaufrüstungsdebatte erst die Herstellung nationaler Souveränität von den westlichen Alliierten verlangte und dann auch zu Verhandlungen über einen deutschen Militärbeitrag bereit gewesen wäre. Unter den Umständen einer politischen Gleichberechtigung Deutschlands wäre die Sozialdemokratie an der Mitwirkung einer „Wehrverfassung" bereit gewesen. Adenauer hingegen war davon überzeugt, daß eine nationale Selbstbestimmung nicht ohne einen vorher zu zahlenden Preis erreicht werden könnte. Er erkannte die Chance, die Souveränität als Folge der Wiederaufrüstung zu erlangen. Vgl. Kurt Klotzbach, S. 212 ff. Es muß darauf verwiesen werden, daß Berichte über Zusammentreffen mit Severing ausschließlich als Gedächtnisprotokolle von Max Reimann vorliegen. Protokoll aus dem Gedächtnis, vom 13. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/665/B1. 49. Vgl. ebenda, Bl. 52; Thomas Alexander, S. 253 ff. Vgl. Vertraulich vom 24. Oktober 1951 und Protokoll aus dem Gedächtnis, 13. Oktober 1951, in: SAPMO-BA N Y 4036/751/B1. 104-105; NY 4090/665/B1. 51-52.

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scheinung tritt."10 Indirekt kann aus den Worten Reimanns herausgelesen werden, welche Hoffnungen die Kommunisten auf eine „Aktionseinheit" mit der SPD legten, wissend, daß das Gewinnen der „sozialdemokratischen Massen" Grundvoraussetzung für die Realisierung ihrer Vorstellungen von der deutschen Einheit war. Einschränkend fügte Reimann am Ende seines Berichtes hinzu, daß es doch noch ungewiß wäre, ob Severing wirklich auf einer öffentlichen Kundgebung mit ihm zusammen auftreten würde. Aber ein „Manifest" oder eine „Erklärung an das deutsche Volk" mit seiner Unterschrift im Sinne einer Aktionseinheit gegen die Schumacherpolitik wäre auf jeden Fall herauszuholen. Die Erwartungen an Severing waren überzogen, wie sich schnell herausstellte. Bereits Mitte November 1951 mußte der KPD-Funktionär und Kontaktmann zu Severing eingestehen, daß Severing zwar einige Artikel über die wachsenden Widerstände gegen eine militärische Aufrüstung in der Bundesrepublik veröffentlichte11, aber zu seiner Stellung über gesamtdeutsche Beratungen geschwiegen habe. Severing machte in der Unterredung deutlich, daß er „noch nicht" (!) bereit sei, seine sozialdemokratischen Genossen gegen Schumacher zu sammeln.12 Weitere Treffen zwischen Reimann und Severing wurden vereinbart. Erfolgreicher scheinen sie nicht verlaufen zu sein. Severing ließ sich nicht in die SED-Linie für deutsch-deutsche Spitzengespräche einbinden; wahrscheinlich hatte er das auch nie erwogen. Ob Reimann mehr in die Gespräche hineininterpretierte oder Severing dann doch vor zu großer Nähe zu den Kommunisten zurückschreckte, bleibt dahingestellt. Carl Severing war ein kranker Mann, 76 Jahre alt, er hatte keinen Einfluß mehr auf Spitzengremien und auf den politischen Meinungsstreit in seiner Partei.13 Auch den SED-Funktionären in Ost-Berlin schien das klar gewesen zu sein, denn sie unternahmen in den nächsten Monaten keine Anstrengungen mehr, Carl Severing für ihre nationale Politik und ihre deutschlandpolitischen Kampagnen einzuspannen.

B. Joseph Wirth und der Bund der Deutschen (BdD) Eine andere Art von politischer Gesprächsbeziehung bahnte sich zeitgleich zwischen SED-Spitzenpolitikern und dem ehemaligen Zentrumspolitiker und Reichskanzler Dr. 10 11

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Protokoll aus dem Gedächtnis, 13. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/665/B1. 53. Vgl. Carl Severing, „Wie rüstet man zum Frieden?", in: Freie Presse, Bielefeld vom 17. November 1951; „Karl Severing (SPD) warnt Adenauer", in: Neues Deutschland vom 29. November 1951, S. 1. „Er [Severing] betonte im Laufe der Diskussion,... daß noch keine Persönlichkeit in der SPD da ist, die ... eine Fahne für die Mitglieder gegen die Politik Dr. Schumachers darstellt. Ich [Reimann] erwiderte darauf, daß er und viele andere einflußreiche Mitglieder ... diese Fahne abgeben könnten. Darauf erklärte er mir wörtlich: Ich habe ihnen ja schon gesagt, daß ich regelmäßig mit Genossen der SPD spreche, aber es gibt doch noch große Schwankungen. Es bedarf noch einer geraumen Zeit, um eine solche Fahne zu entwickeln." Vertraulicher Brief von Reimann, 21. November 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/665/B1. 69-70. Vgl. Thomas Alexander, S. 234 ff.

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Joseph Wirth an. Etwa zur Jahresmitte 1951 begann Joseph Wirth14, Kontakte zu offiziellen DDR-Stellen zu suchen.15 Joseph Wirth konnte erst 1948 aus der Schweiz nach Freiburg i.Br. zurückkehren. Sein Anspruch, als ehemaliger Reichskanzler und Minister der Weimarer Republik, eine politische Rolle im Nachkriegsdeutschland zu spielen, ließ sich nach 1948 nicht mehr realisieren. Seinem einstigen Parteikollegen in der Deutschen Zentrumspartei Konrad Adenauer, den er zunächst politisch unterschätzt hatte, brachte er in der Folgezeit extreme Ablehnung und Anfeindung entgegen. Während Adenauer nach einem europäischen Lösungsansatz für das Nachkriegsdeutschland suchte und dabei im Interesse einer friedlicheren Zeit auf ein allmähliches Ende des nationalstaatlichen Prinzips setzte, dachte Wirth ausschließlich in den Bahnen der Weimarer Zeit: deutsch, mitteleuropäisch und national. Wirth opponierte seit seiner Rückkehr nach Deutschland auf Biegen und Brechen gegen die politische Linie Adenauers.16 Die DDR schien prinzipielles Interesse, auch wegen der Adenauer-Gegnerschaft, an Wirth zu haben. Als „Mann von Rapallo"17 verkörperte er eine Art deutsch-sowjetischer Verständigungspolitik, an die die SED öffentlich anzuknüpfen vorgab. Im Herbst 1951 begannen intensivere Gespräche und Verhandlungen zwischen Wirth und Verbindungsmännern des SED-Politbüros. Das war zum einen der KPD-Vorsitzende Max Reimann und zum anderen ein von Franz Dahlem instruierter, mit „O.K." zeichnender Mitarbeiter.18 Die Verbindungen zu Joseph Wirth wurden durch den Außenpolitischen Nachrichtendienst der DDR, der unter Leitung Anton Ackermanns, dann Markus Wolfs stand, mitinitiiert und jahrelang kontrolliert.19 Im Vorfeld eines von Wirth geplanten Besuches in Berlin, der einem politischen Meinungsaustausch in West-Berlin (u. a. mit Ernst Reuter) und mit Politikern in Ost14

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J. Wirth (1879-1956), 1920-1933 als Zentrumsabgeordneter Mitglied des Reichstages, Mai 1921 bis November 1922 Reichskanzler, dann Ministerämter in verschiedenen Reichsregierungen, ab 1933 Emigration nach Frankreich und in die Schweiz, 1948 Rückkehr nach Freiburg, blieb in den Westzonen, dann in der Bundesrepublik ohne politischen Einfluß. Vgl. Rudolf Morsey, Wirth, in: Staatslexikon, Bd. 5, S. 1002; Ulrike Hörster-Philipps, passim. Vgl. Ulrike Hörster-Philipps, S. 730. Vgl. ebenda, S. 676 ff.; Heinrich Küppers, S. 319 ff. Als Reichskanzler hatte Wirth 1922 die Verantwortung für den Vertrag von Rapallo getragen. Darin verzichteten Deutschland und die Sowjetunion auf Wiedergutmachungsansprüche, vereinbarten wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Für die Sowjetunion bedeutete der Vertrag damals einen Durchbruch in der internationalen Isolation. Deutschland bezweckte mit ihm eine Revision des Versailler Vertrages. Die Westmächte sahen in dem Vertrag einen politischen Affront. Nach 1945 galt der Rapallo-Vertrag Kritikern als Synonym für unberechenbare deutsche Schaukelpolitik zwischen Ost und West; Anhänger sahen in ihm ein Vorbild friedlicher Koexistenz zwischen Staaten unterschiedlicher politischer Systeme. Vgl. Bericht über meinen Besuch bei J. Wirth am 19. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 1-4; Max Reimann an das SED-Politbüro am 21. November 1951, in: ebenda NY 4090/665. Mit dem Deck-Kürzel „O.K." war der Mitarbeiter Franz Dahlems, der Mitarbeiter in der Nationalen Front und Kontaktmann auch zu anderen westdeutschen Politikern Georg Wieber gemeint. Vgl. Ulrike Hörster-Philipps, S. 730 f. Vgl. Markus Wolf, S. 88-92.

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Berlin (u. a. Friedrich Ebert) über Möglichkeiten für innerdeutsche Gespräche dienen sollte, konferierten SED-Emissäre von Oktober bis Dezember 1951 mindestens sieben Mal mit ihm in Freiburg.20 Das SED-Politbüro, in erster Linie Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, erhielten darüber detaillierte Berichte. Von vornherein war über die Person Wirths zu klären, ob er über ein politisches Konzept verfugte und wenn ja, über welches, mit welchen Personen aus dem öffentlichen Leben er Kontakt pflegte und wie es um die persönliche Konstitution des 72jährigen bestellt war. Schließlich wollte man Klarheit, ob Wirth für die nationalen Ziele der SED „zu gewinnen" bzw. zu beeinflussen wäre. Für die SED-Mittelsmänner schien eine politische Konzeption nicht erkennbar. Der westdeutsche Besuchsverkehr bei Wirth „beschränke sich auf eine Reihe von Zentrumsleuten, die contra Adenauer stehen", u. a. Wilhelm Elfes21 und Helene Wessel22. Wirth sei „geistig zweifellos noch auf der Höhe und auch belastungsfahig, aber sehr dem Wein verfallen". Wirth äußerte in Gesprächen nachdrücklich den Wunsch, von den DDR-Spitzenpolitikern Pieck, Ulbricht, Grotewohl und Wilhelm Koenen empfangen zu werden. Im Gespräch mit Reimann soll er geäußert haben: „Wir müssen den Frieden erhalten und die Einheit Deutschlands retten, daher bin ich mit dem Vorschlag der Volkskammer einverstanden und werde ihn in jeder Beziehung unterstützen." Auch über eine Aufwandsentschädigung für seine Reisen und Aktivitäten durch die Nationale Front wurde gesprochen sowie die Bereitstellung von einem Fahrzeug mit Fahrer geregelt.23 Ende November 1951 zeichnete Franz Dahlem ein positives Bild über den politischen Nutzen, den die Beziehung zu Wirth bringen könnte. Seine Informationen an alle Politbüromitglieder schlössen mit der Bemerkung: „Wir haben ein Interesse daran, daß Wirth aktiv in der Zentrumspartei auftritt24, um die schwankende Frau Wessel zu festi20

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Vgl. Georg Herbstritt, S. 44 f.; Besuchsberichte vom 24. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 1-4; Information vom 1. November 1951, in: ebenda, Bl. 6-7; Bericht über die Besuche am 14., 16. und 18. November 1951, in: ebenda, NY 4090/665/B1. 80-84. Wilhelm Elfes (1884-1969), 1905 Deutsche Zentrumspartei, vor 1933 im Reichsparteivorstand, 1923-1933 im Preußischen Staatsrat (jahrzehntelange freundschaftliche Verbindung mit Adenauer), Redakteur der Westdeutschen Arbeiterzeitung, ab 1945 Oberbürgermeister von Mönchengladbach, CDU-Mitglied, November 1951 Ausschluß aus der CDU, Mitglied des BdD. Vgl. Albert Eßer, passim. Helene Wessel (1898-1969), 1928-1933 MdL von Preußen für das Zentrum, 1946-1950 MdL (Zentrum) in NRW, 1949-1951 Vorsitzende des Zentrums, 1952 Mitbegründerin der GVP, ab 1957 SPD. Vgl. Elisabeth Friese, passim; Diether Posser, S. 91-108. Vgl. Bericht von O.K. (Georg Wieber) über seinen Besuch bei J. Wirth vom 24. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 2-3; Information des Genossen Max vom 1. November 1951, in: ebenda, Bl. 6-7. Darin zu lesen: „Dann kam ich [Max Reimann] auf seine finanzielle Lage zu sprechen, deutete sehr vorsichtig an, daß für die Arbeit er selbstverständlich auch über den Fond des Hauptausschusses [für die Volksbefragung; ein Organ der NF], ohne daß jemand etwas weiß, Geld erhalten kann. Er stimmte mir dann zu. Wir kamen Uberein, daß ich persönlich mit ihm diese Fragen regele." Wirth sollte auf dem Parteitag des Zentrums im November 1951 das Hauptreferat halten; dazu kam es aber nicht.

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gen. Die Hauptsache muß aber darin bestehen, daß W.[irth] sich mit einem Kreis von politischen Persönlichkeiten aus den verschiedensten Lagern verbindet (Severing und SPD-Abgeordnete und Gewerkschaftsfunktionäre - Leute um Pünder, Hermes25, Kirchenleute, Universitätsprofessoren usw.), mit einem Wort, mit den aktiven Anhängern der Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland, mit denen zusammen in absehbarer Zeit eine Konferenz durchgeführt und ein breiter Ausschuß für die Vorbereitung einer gesamtdeutschen Tagung gebildet werden kann."26 Das SED-Politbüro, in diesem Fall Walter Ulbricht, entwickelte genaue Vorstellungen, wie Joseph Wirth in bezug auf die deutschlandpolitischen Ziele der SED „zu überzeugen" wäre. Das vorerst formulierte Ziel am Ende des Jahres 1951 lautete: „Sensationelle öffentliche Stellungnahme Dr. Wirths mit Vorschlägen zur Rettung der deutschen Nation".27 Darunter verstand Ulbricht, eine Verständigung über die Wiedervereinigung durch Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung zwischen ost- und westdeutschen Vertretern herbeizufuhren, die Innenpolitik Westdeutschlands mit ihrer Remilitarisierungsstrategie abzulehnen sowie einen raschen Friedensvertrag mit schnellem Abzug aller Besatzungsmächte zu fordern. Alle diese Vorschläge entsprachen dem Angebot Grotewohls vom 15. September an den Deutschen Bundestag. Wirth sollte als ersten Schritt zur Unterstützung dieser SED-Forderungen, die „bürgerlichen Kräfte" in Westdeutschland zusammenfassen helfen. Und das waren nach Meinung der SEDFunktionäre: „Kreise um Heinemann und Wessel", katholische Kreise, Kreise um Niemöller und die evangelische Kirche, Umsiedlerverbände oder Einzelpersönlichkeiten wie Andreas Hermes. Die Einbeziehung von SPD-Politikern, z. B. Carl Severing, und von kommunistischen Vertretern, z. B. Max Reimann, wurde strikt untersagt.28 Mitte Dezember 1951 besuchte Joseph Wirth Ost-Berlin. Dort führte er zunächst Gespräche mit dem DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, mit dem Politbüromitglied Franz Dahlem und mit dem Vorsitzenden des Nationalrats der Nationalen Front Wilhelm Koenen. Wirth erklärte sich in den Gesprächen grundsätzlich bereit, seine politische Arbeit mit der DDR-Führung zu koordinieren. Im weiteren Verlauf seines Aufenthalts kam es zu Gesprächen u. a. mit dem Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann (LDPD), mit dem Oberbürgermeister von Ost-Berlin Friedrich Ebert, mit dem evangelischen und dem katholischen Bischof von Berlin, Otto Dibelius und Wilhelm Weskamm, sowie mit dem CDU-Vorsitzenden Otto Nuschke29. In West-Berlin traf er 25

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Hermann Pünder (1888-1976), 1945 Mitbegründer der CDU in Münster, 1945 Nachfolger von Adenauer im Oberbürgermeisteramt von Köln, 1948/49 Oberdirektor und Vorsitzender des Vereinigten Wirtschaftsgebiets in Frankfurt a.M. Andreas Hermes (1878-1964), 1928-1933 MdR (Zentrum), Reichsminister, nach 1933 mehrmals inhaftiert, 1945 Mitbegründer der CDU in Berlin, 1948-1954 Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Bericht über meine Besuche bei Dr. J.W. am 14., 16. und 18. November 1951, in: SAPMO-BA N Y 4090/665/B1. 84; vgl. auch Michael Lemke, Die infiltrierte Sammlung, S. 197 f. Zur Aussprache mit Dr. Wirth, in: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 37. Vgl. ebenda, Bl. 39-40. Das MfS erhielt über Vertrauensleute in der westdeutschen FDP im März 1952 Mitteilungen über Gespräche zwischen Wirth und Nuschke. Nuschke habe demnach „über Wirth gegen die

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sich mit Ernst Lemmer (Mitglied des West-Berliner Abgeordnetenhauses, Vorsitzender der CDU-Fraktion) und mit Erwin Respondek30, seinem ehemaligen Zentrumskollegen.31 Auch wurde Joseph Wirth in Berlin-Karlshorst vom Armeegeneral und Chef der Sowjetischen Kontrollkommission Wassili Tschuikow sowie dem Politischen Berater des Generals, Botschafter Wladimir Semjonow, empfangen.32 Der Verantwortliche für die Westarbeit im SED-Politbüro Dahlem legte Ende Dezember 1951 einen genauen Plan vor, wie die Person Wirth in den von der SED gewünschten Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands einbezogen und „verwandt" werden könnte.33 In erster Linie schwebte ihm vor, in der Bundesrepublik eine einflußreiche „bürgerliche Oppositionsgruppe" gegen die Politik der Bundesregierung, insbesondere gegen Konrad Adenauer, aufzubauen, die von Joseph Wirth zwar geführt, aber vom SED-Politbüro gelenkt und instruiert werden würde. 4 Diese Gruppierung oder politische Plattform - Dahlem bezeichnete sie als „westdeutsche Kommission zur Vorbereitung gesamtdeutscher Wahlen" - sollte unter Berufung auf das von der Volkskammer vorgelegte Wahlgesetz und die 14-Punkte-Antwort des Bundestages vom 27. September 1951 eine „Gesamtdeutsche Arbeitskommission" mit „ständigen Gesamtdeutschen Beratungen" konstituieren. Der Aufruf zur Bildung einer „westdeutschen Kommission" hätte unbedingt von Westdeutschland und nicht von Berlin aus zu erfolgen. Von Anbeginn sollte verhindert werden, daß Wirth sich an die Gruppierungen Heinemann/Wessel oder an das Zentrum anzuschließen gedenke. Wieder wurde vor der bremsenden Wirkung eines Zusammengehens mit SPD-Vertretern gewarnt: „Es ist ge-

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westdeutsche CDU mit dem Ziel [konspiriert], sie [die CDU] zu spalten und ihren linken Flügel mit dem Zentrum zu verschmelzen. In diesem Sinne hat sich Nuschke für Wirth anscheinend auch in Karlshorst eingesetzt." Der SED-Spitze mißfielen solche Arrangements, da sie die Einflußnahme auf Wirth nicht an einen CDU-Politiker (Ost) abzugeben gedachten. Vgl. Verhandlungen Dr. Wirths mit Politikern der DDR vom 7. März 1952, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 3, Bl. 19. Erwin Respondek (1894-1971), Jurist, MdR (Zentrum), Mitarbeiter von Reichskanzler Brüning, bis 1933 Hochschullehrer, zeitweise in Gestapohaft, nach 1945 u. a. Wirtschaftsberater. Vgl. John V. H. Dippel, passim. Vgl. Georg Herbstritt, S. 50 f. Die Aufzählung der Gesprächspartner ist unvollständig, der Gesprächskreis war größer. Vgl. „Wirth bei Tschuikow und Semjonow. Bonn sagt: 'Endgültig disqualifiziert'", in: FAZ vom 4. Januar 1952, S. 3. Vgl. Betreffend Dr. Joseph Wirth. Notizen und Materialien für Genossen Walter Ulbricht von Franz Dahlem, vom 30. Dezember 1951, in: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 17-26. Dahlem formulierte: „Bildung einer westdeutschen Kommission zur Vorbereitung gesamtdeutscher Wahlen zur Nationalversammlung mit dem Ziel der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, der Ablehnung der Remilitarisierung Deutschlands, der Ausarbeitung eines gemeinsamen deutschen Vorschlags für den Abschluß eines Friedensvertrages ... Die Losung muß so sein, daß sie die breitesten Schichten und alle Oppositionsgruppierungen und Strömungen erfassen kann, die für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands ... sind, also von den Pazifisten bis zu den verschiedenartigen Anhängern der Neutralisation Deutschlands." In: ebenda, Bl. 20.

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fahrlich, Wirth mit solchen Leuten wie Severing in Verbindung zu bringen, die ihn an den Rockschößen zurückhalten würden." Unverholen äußerte dann Dahlem: „In diesem westdeutschen Gremium [um J. Wirth] müssen von vornherein Personen vertreten sein, die eine Garantie dafür sind, daß die Bewegung von uns gelenkt wird ... Solche angesehenen Persönlichkeiten, die nicht so kommunistisch abgestempelt sind, gibt es auf allen Ebenen ..."35 Die „westdeutsche Kommission" unter Wirth hätte dann die Aufgabe, das zu tun, was die Bonner Regierung zu tun nicht bereit war, nämlich die Wiedervereinigungsvorschläge der DDR aufzugreifen. Zur Sprache kam auch ein von Wirth wiederholt vorgebrachtes Thema, die politischen Gefangenen in der DDR. In Einzelfallen erreichte Wirth bei der Sowjetischen Kontrollkommission und der SED-Führung eine Begnadigung und Freilassung von Verurteilten.36 Aber auch hier hielten die Ost-Berliner Machthaber das Heft fest in der Hand; Zugeständnisse machten sie nur, wenn es ihnen genehm war.37 Der von Dahlem formulierte SED-Plan wurde im großen und ganzen so realisiert mit dem einen großen Manko: Er gereichte den Initiatoren nicht zum Erfolg. Wirth verfaßte unter „intensiver Mitwirkung" von Otto Grotewohl politische Memoranden, die sowohl an den Bundespräsidenten Heuss, an die Mitglieder des Bundestags, des Bundesrats sowie an 120 westdeutsche Zeitungsredaktionen gingen. Mit der Veröffentlichung eines ersten Schreibens Anfang Januar 1952 wurden Wirths Inititativen in OstBerlin der Öffentlichkeit bekannt und erregten einiges Aufsehen.38 Ein zweites Memorandum - "Die Reise hinter den Eisernen Vorhang. Der gemeinsame Weg der Deutschen zur Einheit - oder zum Krieg"39 - erschien Ende Februar 195240. Aber die Reak35 36

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In: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 22. Vgl. Ulrike Hörster-Philipps, S. 733, 844 ff. U. a. trat Wirth für seinen ehemaligen Mitarbeiter Dr. Heinrich Scharp und für Dr. Werner Pünder (Bruder von Hermann Pünder), ein. Beide waren von den Sowjets verurteilt worden. Sie sind mit Hilfe Joseph Wirths freigekommen. In Dahlems Ausführungen über die Gespräche mit Wirth zur „Gefangenenfrage" hatte Ulbricht handschriftlich hinter beide Namen und die Frage einer möglichen Entlassung ein ,ja" geschrieben. Vgl. SAPMO-BA 4182/870/B1. 26. Mißtrauisch beobachtete die SED Wirths Kontakte zur SKK. Ein Observationsbericht des MfS vom 7. März 1952 vermerkte: „Wirth hat sich bei der SKK offenbar ausgebeten, die Urteile einer Reihe politischer Häftlinge zu überprüfen. Dies soll ihm gelungen sein, und man sucht inzwischen nach einer plausiblen Erklärung, um der Öffentlichkeit dieses Zugeständnis an Wirth verständlich zu machen." Betrifft: Verhandlungen Dr. Wirths mit Politikern der DDR, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 2, Bl. 113-114. Vgl. Brief Grotewohls an Wirth vom 27. Dezember 1951; Memorandum des Reichskanzlers a.D.; Schreiben an den Bundestag und Bundesrat vom 1. Januar 1952; Franz Dahlem an Otto Grotewohl zum Memorandum Wirth vom 3. Januar 1952, alle in; SAPMO-BA NY 4090/665/Bl. 94, 98-100, 134-155; NY 4182/870/B1. 41-44; „Verstärkt den Kampf um Deutschlands Einheit", in: Deutschlands Stimme vom 20. Januar 1952, S. 1. Vgl. Entwurf des Memorandums in: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 86 ff. Die Entstehungsgeschichte des Wirth-Memorandums war bezeichnend für den Einfluß der SED-Funktionäre auf Wirth. Den wichtigsten Helfer und Ratgeber Joseph Wirths, Erwin Respondek, schalteten die Kommunisten, da sie dem früheren Zentrumsmann mißtrauten und er sich den Einflüssen aus

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tionen in der Bundesrepublik waren größtenteils ablehnend. Seine Aktivitäten blieben politisch ohne Auswirkung, weil man im Westen Deutschlands vermutete, daß Joseph Wirth zu einem „Sprachrohr des Ostens" geworden war. In seinen Denkschriften paßte sich Wirth weitgehend den Sprachregelungen der DDR an, bezeichnete Gegner der SED-Politik als „Saboteure" und sprach der Bundesregierung das Recht ab, ohne Befragung des Volkes über internationale Verträge und einen deutschen Wehrbeitrag zu entscheiden. Überzeugende Kritik an politischen Verhältnissen in der DDR übte er nicht.41 In den folgenden Monaten, vor dem Hintergrund der Stalin-Noten, sammelten sich auf Vortrags- und Kundgebungsveranstaltungen um Joseph Wirth und den ehemaligen Oberbürgermeister von Mönchengladbach Wilhelm Elfes42 Gegner des Generalvertrages und des EVG-Abkommens. Organisatorisch fanden sie sich in der im Juni 1952 gegründeten „Deutschen Sammlung" 3 zusammen, die am 10. Mai 1953 zu einer Partei, dem „Bund der Deutschen", umgewandelt wurde. An der Spitze dieser Partei standen Wilhelm Elfes und Joseph Wirth.44 Im Vorfeld der zweiten Bundestagswahlen, d.h. im

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SED-Kreisen entzog, aus. Wirth ließ das widerspruchslos geschehen. Vgl. SED-Hausmitteilung Dahlem an Pieck vom 25. Februar 1952; SED-Hausmitteilung Dahlem an Ulbricht vom 3. März 1952 und Dahlem an Grotewohl vom 18. März 1952, in: SAPMO-BA NY 4036/751/B1. 84-87; NY4182/870/B1. 106-108; NY 4090/665/B1. 168. Erwin Respondek stand auch in Kontakt mit dem Ministerpräsidenten der DDR. So berichtete er Mitte März 1952 an Grotewohl über einen weiteren Reichskanzler a.D., über Heinrich Brüning. Der Name Brüning tauchte Anfang der fünfziger Jahre immer mal wieder im Zusammenhang mit Nachfolgespekulationen im Amt des Bundeskanzlers in den Akten der SED auf. Brüning soll, so Respondek, schriftlich aus den USA seine positive Meinung zu den Aktionen J. Wirths geäußert haben. Im Visier der SED-Führung standen auch die Ex-Reichskanzler Hans Luther und Franz von Papen. Jede (vermeintliche) „Contra-Adenauer"-Äußerung wurde in Ost-Berlin aufmerksam registriert. Vgl. Brief von Respondek an Grotewohl vom 13. März 1952, in: SAPMO-BA NY 4090/665/B1. 166-167; Öffentliche Äußerungen und biographische Daten von Brüning, 16. Oktober 1954, von Luther, 20. Oktober 1954 und von Papen, 16. Oktober 1954, in: ebenda, NY 4090/660/B1. 241-243,271-274,281-285. Abgedruckt in: Dokumentation der Zeit, Berlin (Ost) 1952, S. 1166-1174. Vgl. Ulrike Hörster-Philipps, S. 721-756; Georg Herbstritt, S. 56 f., 62 f., 73, 84. Elfes politische Anlehnung an die Gewerkschaftsbewegung und an die Sozialdemokratie mißbilligte die CDU. Im Zusammenhang mit seinem öffentlichen Auftreten gegen eine Wiederbewaffnung und Westintegration der Bundesrepublik wurde er im November 1951 aus der CDU ausgeschlossen. Vgl. Albert Eßer, S. 193-196, 200-209. Vgl. die Versuche einer inhaltlichen und organisatorischen Anleitung der Deutschen Sammlung (sowie Joseph Wirths) durch das SED-Politbüro, Sitzungen vom 31. März 1953 und 14. April 1953, in: SAPMO-BA DY 30 J I V 2/2/273 und 2/2/275 und SED-Hausmitteilung vom 17. Januar 1953, in: ebenda, NY 4182/871/B1. 47-48; Die nächsten Aufgaben in Westdeutschland, PBSitzung vom 3. März 1953, in: ebenda, DY 30 J I V 2/2/265/B1. 15-16. Joseph Wirth war das prominente Aushängeschild der Partei. Wirkungsvoll nutzte man den Titel „Reichskanzler a.D.". Der Bund der Deutschen gab eine Tageszeitung heraus: „Deutsche Volkszeitung. Herausgeber: Reichskanzler a.D. Dr. Joseph Wirth, Fulda". Vgl. Joseph Wirth, „Das deutsche Volk zu Frieden und Glück führen" und Wilhelm Elfes, „Der Kampf um Deutschlands

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Juli 1953, gelang es nach mehreren vergeblichen Versuchen, mit der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) Gustav Heinemanns ein Wahlbündnis abzuschließen.45 Weder dem Bund der Deutschen noch der GVP brachte dieses Wahlabkommen einen Vorteil, denn nun geriet auch die GVP in den Verdacht, von der SED gesteuert und finanziert zu sein. Wirkungsvoll, kurz vor den Bundestagswahlen, präsentierte die westdeutsche Seite auf einer Bundespressekonferenz in Bonn zwei ehemalige Mitarbeiter der Westabteilung der Nationalen Front aus Ost-Berlin, den Chef der Westabteilung Georg Jost und den Kontaktmann zu westdeutschen Persönlichkeiten Georg Wieber, als Überläufer aus dem Osten. Jost und Wieber gaben eine Erklärung über die Finanzierung des Bundes der Deutschen durch die SED ab. Außerdem wurden aus westdeutschen Arbeitsbüros der Nationalen Front Rechnungsquittungen vorgelegt, die nachweisen sollten, daß Persönlichkeiten des BdD wie z. B. Joseph Wirth von der SED bezahlt würden. Die Rechnungsbelege variierten in der Summe zwischen DM 200 und DM 2.800 und waren eher als Aufwandsentschädigungen anzusehen. Die SED-Spitze vermerkte zu diesem Vorgang, daß notwendige „Maßnahmen zur Sicherung der strengsten Konspiration in Verbindung mit dem Bund der Deutschen zu ergreifen" seien.46 Die Bundestags-Wahlen am 6. September 1953 brachte das vernichtende Ergebnis von 1,2 Prozent Stimmenanteil für die Gesamtdeutschen Volkspartei und beendeten die kurze Zusammenarbeit mit dem Bund der Deutschen. Dieser sank in die frühere politische Isolation zurück und verlor jede Bedeutung.47 Joseph Wirth reiste bis zu seinem Tod im Jahre 1956 noch mehrere Male nach OstBerlin und hielt sich im Dezember 1953 und im März 1954 auch in Moskau auf. Im Westen Deutschlands blieb er in seinen letzten Lebensjahren politisch ausgegrenzt48, im Osten erhielt er mehrere Auszeichnungen: im Oktober 1955 die Ehrendoktorwürde der Ost-Berliner Humboldt-Universität und im Dezember 1955 den Stalin-Friedenspreis.49

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Einheit geht weiter", in: Deutschlands Stimme vom 29. März 1953, S. 3; vgl. Ulrike HörsterPhilipps, S. 792-804. Vgl. Zustimmender Politbürobeschluß zum Zusammengehen BdD und GVP vom 27. Juni 1953, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/2/296; Ulrike Hörster-Philipps, S. 804-827. Vermerk vom 4. September 1953, in: SAPMO-BA NY 4090/316/B1. 307; Ulrike HörsterPhilipps, S. 820 f. Das Politbüro erteilte dem KPD-Vorsitzenden im Mai 1953 den Auftrag, sich öffentlich strikt vom Bund der Deutschen abzugrenzen. Vgl. PB-Sitzung vom 19. Mai 1953, in: ebenda, DY 30 JIV 2/2/281/B1. 2. Vgl. Rainer Dohse, S. 139 ff.; Michael Lemke, Die infiltrierte Sammlung, S. 197 ff. Die Bundesrepublik leistete sich in bezug auf Wirth eine beschämende Bestrafungs- und Abschreckungsaktion, indem sie ihm bis zu seinem Tod seine Pensionsansprüche aus der Zeit als Reichskanzler und -minister wegen seiner Kontakte nach Ost-Berlin verweigerte. Bundespräsident Heuss machte auf diesen Skandal aufmerksam. Er verwies darauf, daß der Finanzminister von 1932-1945, Graf Schwerin von Krosigk, durch den Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg verurteilt, seine Pension erhielt; Wirth, der vor der NS-Herrschaft ins Ausland fliehen mußte, aber wegen kommunistischer Nähe keinen Anspruch haben sollte. Vgl. Heinrich Küppers, S. 27; Ulrike Hörster-Philipps, S. 707-713. Vgl. Sitzung des SED-Sekretariats vom 9. März 1955, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/459; „Wirths trojanisches Pferd", in: Die Zeit, 26. März 1953, S. 1; „Das Abgründige in Herrn Wirth.

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C. Gustav Heinemann und die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP)50 Nach dem Ausscheiden Gustav Heinemanns51 als Bundesminister des Innern aus dem Kabinett Adenauers im Oktober 195052 machte sich die SED-Führung Hoffhungen, Heinemann für ihre Ziele in der Westpolitik einsetzen zu können. Obwohl Heinemann sich nach 1945 klar als Gegner des Marxismus sowie als Kritiker der kirchenfeindlichen Strömungen in der SED zu erkennen gegeben hatte und obwohl er für eine Einigung und geistige Erneuerung Europas, für eine enge Zusammenarbeit mit den Westmächten und für die Gründung des westdeutschen Teilstaates eingetreten war, wollte die DDRFührung nichts unversucht lassen, diesen veritablen Gegner der RemilitarisierungsPolitik Adenauers auf ihre Seite zu ziehen. Adenauers Konzept, durch Wiederbewaffnung und Westintegration die Souveränität für die Bundesrepublik zu erreichen, hielt Heinemann für falsch. Ein neutraler Status des vereinigten Deutschland erschien ihm unumgänglich, weil nur diese Lösung den Sicherheitsinteressen des Ostens - Heinemann sprach auch der Sowjetunion ein Sicherheitsbedürfnis z u - w i e des Westens Rechnung tragen würde.53 Gustav Heinemann entwickelte die konsequenteste Gegenposition zur Deutschlandpolitik Adenauers in den frühen fünfziger Jahren.54 Für die SED-Spitze schien Heinemann auch in seiner Funktion als Präses der gesamtdeutschen Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) interessant, obwohl sich im Herbst 1950 nur eine Minderheit in der evangelischen Kirche, darunter der engagierte hessische Kirchenpräsident und überzeugte Pazifist Martin Niemöller, im Streit mit Adenauer hinter Heinemann stellte. Die Mehrheit in der Kirche vermied es, in dieser Auseinandersetzung Partei zu ergreifen. Die evangelische Kirche spielte in den fünfziger Jahren bei deutsch-deutscher Vermittlungstätigkeit eine nicht zu unterschätzende Rolle.55

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Der Weg des Altreichskanzlers nach Moskau", in: Rheinischer Merkur, 1. April 1955; „Die neuen Träger des Stalin-Friedenspreises", in: Neues Deutschland, 24. Dezember 1955, S. 5; Georg Herbstritt, S. 164 ff. Ausführlich zur Geschichte der GVP Josef Müller. Gustav Heinemann (1899-1976), Rechtsanwalt, Justitiar, Prokurist der Rheinischen Stahlwerke in Essen, Mitglied der Bekennenden Kirche, 1945 Mitbegründer der CDU, 1945-1967 Mitglied des Rates der EKD, 1949-1955 Präses der gesamtdeutschen Synode der EKD, 1957-1969 MdB, 1969-1974 Bundespräsident. Über die Gründe und die Art und Weise von Heinemanns Rücktritt gibt es ausreichende wissenschaftliche Untersuchungen, auf die hier nicht weiter zu verweisen ist. Vgl. Rainer Dohse, S. 142 ff.; Rainer Zitelmann, S. 96-101. Vgl. dazu Bernd Faulenbach, S. 259 f. Vgl. dazu Gerhard Besier, S. 84-106. Der Kirchenpräsident Martin Niemöller traf sich öfters mit Vertretern des öffentlichen Lebens der DDR, mit Personen aus Landesregierungen, Landtagen, politischen Parteien oder der Nationalen Front und bot seine Vermittlungstätigkeit für deutschdeutsche Gespräche an. So schlug er z. B. im September 1951 vor, wenn ein Treffen zwischen Adenauer und Grotewohl nicht möglich erscheine, könnten doch zwei andere „gewählte" Perso-

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Am 10. Januar 1951 trafen sich im Amtssitz von Probst Heinrich Grüber56 in Berlin Gustav Heinemann und die SED-Spitzenfunktionäre Franz Dahlem und Hermann Axen (Leiter der Abteilung Agitation und Propaganda im ZK) zu einer Unterredimg, die auf Initiative des KPD-Bundestagsabgeordneten Heinz Renner zustande gekommen war. Heinz Renner und Gustav Heinemann kannten sich aus der Zeit von Heinemanns Tätigkeit als Oberbürgermeister von Essen (1946 bis 1949) und als Mitglieder im Landtag von Nordrhein-Westfalen näher. Das Treffen soll auf Initiative von Heinemann stattgefunden haben.57 Dahlem und Axen wollten von den beiden Kirchenvertretern wissen, ob die am 11. Januar 1951 in Potsdam stattfindende gesamtdeutsche Tagung der evangelischen Kirche eine zustimmende Erklärung zu der Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland auf der Grundlage des Grotewohl-Briefes und seines Vorschlags eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates vom 30. Oktober 1950 abgeben würde. Grüber und Heinemann antworteten ausweichend58, und Gustav Heinemann lenkte das Gespräch auf zwei andere, für die SED-Leute unangenehme Probleme. Zum einen machte er auf die Ängste in der Bevölkerung Westdeutschlands vor der DDRVolkspolizei aufmerksam, die, so Heinemann, eines Tages durch ihren Einmarsch in die Bundesrepublik die Gesellschaftsordnung der DDR zwangsweise exportieren könnte. Um diese Ängste abzubauen, schlug Heinemann vor, in gemeinsamen deutschdeutschen Beratungen über die Festlegung der Stärke, der Bewaffnung und der Stationierung der Volkspolizei in ganz Deutschland zu verhandeln. Zum anderen sprach Heinemann die Frage an, welche Garantien die ostdeutsche politische Führung in bezug auf freie und geheime, gesamtdeutsche Wahlen zu geben bereit wäre.59 Dabei machte er unmißverständlich auf den fragwürdigen Charakter der DDR-Wahlen im Oktober 1950 aufmerksam. Hier entzogen sich nun die SEDGesprächspartner einer Antwort. Im schriftlichen Bericht an Wilhelm Pieck klang das so: „Sowohl zu der Frage der Behandlung der Volkspolizei sowie zur Frage gesamtdeutscher Wahlen sprachen wir unsere Meinung aus, daß es darauf ankomme, ... eine

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nen sich zusammensetzen. Vgl. Ausführungen Niemöllers am 22. September 1951, in: SAPMOBA NY 4090/453/B1. 211-213,216-217. H. Grüber (1891-1975), evangelischer Theologe, 1940-1943 in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau, Probst der Berliner Marienkirche, 1949-1958 Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Regierung der DDR. Vgl. Heinrich Grüber, Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, passim. Vgl. Aktennotiz über die Unterredung, in: SAPMO-BA NY 4090/453/36; Michael Lemke, Die infiltrierte Sammlung, S. 187 f. Dahlem formulierte in seinem Bericht so: „Als wir die Diskussion immer wieder darauf lenkten, ob die morgige Kirchentagung nicht eine klare Stellungnahme zum Grotewohl-Brief einnehmen würde, beharrte Heinemann durch Schweigen auf dem anfangs vertretenen Standpunkt (persönlich seien beide mit dem Brief einverstanden, aber im Kreis der übrigen Ratsmitglieder der EKD gäbe es noch Bedenken), während Probst Grüber sagte, ..., aus dem Stadium des Deklamatorischen herauszutreten und zu praktischen Schlußfolgerungen zu kommen." Aktennotiz über die Unterredung von Dahlem und Axen, in: SAPMO-BA NY 4036/649/B1. 192-193. Vgl. die Stellung der Notgemeinschaft (und G. Heinemanns) zu den ostdeutschen Gesprächsangeboten bei Josef Müller, S. 180-198.

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klare Stellungnahme zur Frage der Verständigung zu fassen, und daß es dann Angelegenheit der Mitglieder des gesamtdeutschen Ausschusses wäre, zu den einzelnen Fragen konkret Stellung zu nehmen ..."60 Dahlem und Axen vermuteten in ihrer Einschätzung des Gesprächs, daß die evangelische Kirche unter dem Druck stehe, eine klare Stellungnahme in der Frage der Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland abgeben zu müssen. Heinemann sei offensichtlich geschickt worden, Kompromißmöglichkeiten auf ostdeutscher Seite auszuloten. Aber anstatt über Kompromißvorstellungen nachzudenken, hieß die Schlußfolgerung bei den SED-Funktionären: „Wir haben den Eindruck, daß alles weitere davon abhängt, wie stark die Massenbewegung gegen die Remilitarisierung und für die Zustimmung zum Grotewohl-Brief verstärkt wird." 1 Gustav Heinemnann hatte sich offensichtlich nicht von den SED-Leuten beeinflussen lassen, wie er überhaupt von verschiedenen politischen Gruppierungen Abstand halten wollte. Dem SED-Verantwortlichen für Westarbeit Franz Dahlem war im Januar 1951 zu Ohren gekommen, daß in Westdeutschland Entwürfe zu einem Aufruf mit der Aufforderung zur Volksbefragung gegen die Remilitarisierung kursierten. Eine Gruppe von westdeutschen Persönlichkeiten, der ehemalige Landwirtschaftsminister und Stellvertretende Ministerpräsident von Niedersachsen Dr. Günther Gereke62, der niedersächsische Minister für Flüchtlingswesen und Soziales Heinrich Albertz (SPD), Martin Niemöller, Ulrich Noack und Gustav Heinemann wären bereit, diesen Aufruf zu unterschreiben und sich damit an weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu wenden. Als dieses Unternehmen in der westdeutschen Presse bekannt wurde, zog Heinemann offensichtlich seine Bereitschaft an der Teilnahme der Aktion zurück. Von Dahlem nach dem Grund seiner Absage gefragt, antwortete Heinemann, er möchte mit diesen Leuten, insbesondere mit Günther Gereke - seine Kontakte und Beziehungen nach Ostdeutschland waren allgemein bekannt - nicht in Verbindung gebracht werden.63 Für die Arbeit mit westdeutschen Persönlichkeiten meinte Dahlem in seinem Bericht an Grotewohl und Pieck, daß weiter versucht werden müsse, „diese einzelnen Per-

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Aktennotiz über die Unterredung von Dahlem und Axen, in: SAPMO-BA NY 4036/649/B1. 192193. Ebenda, Bl. 194. G. Gereke (1883-1970), 1924-1928 und 1930-1932 MdR (DNVP), 1945-1946 Ost-CDU, 19461950 niedersächsischer Innen- bzw. Landwirtschaftsminister, im Zusammenhang mit Kontakten und Verhandlungen in der DDR im Juni 1950 Rücktritt vom Ministeramt und Ausschluß aus der CDU, bis 1952 MdL in Niedersachsen, Juli 1952 Übersiedlung in die DDR, dort Mitglied des Präsidiums des NR der NF. Vgl. zu den deutsch-deutschen Kontakten Gerekes Michael F. Scholz, Bauernopfer der deutschen Frage, S. 101-105, 123 f. Vgl. Nachtrag zur Besprechung mit Heinemann und Grüber vom 10. Januar 1951 von Franz Dahlem, in: SAPMO-BA NY 4090/453/B1. 39-40. Hierbei könnte es sich um den sogenannten Wiesbadener Aufruf gegen Wiederaufrüstung und für einen allgemeinen Friedensschluß von Gereke, Noack, Niemöller und Heinemann gehandelt haben. Gereke lancierte den Aufruf frühzeitig in die Presse, was Heinemann verärgerte. Als sich die bekannten Rechtsnationalen Fritz Doris und Otto-Ernst Remer dem Aufruf anschlössen, zogen sich die genannten Persönlichkeiten zurück. Vgl. Michael F. Scholz, Bauernopfer der deutschen Frage, S. 127.

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sönlichkeiten, zu denen indirekte Verbindungen bestehen, im Sinne einer Stellungnahme gegen die Remilitarisierung zu beeinflussen".64 Von der Tagung des Evangelischen Kirchenrates in Potsdam erhielt der DDRMinisterpräsident Otto Grotewohl die Nachricht, daß es zwischen dem CDU(Ost)Vorsitzenden und Stellvertretenden Ministerpräsidenten Otto Nuschke, dem Präses der EKD Gustav Heinemann, dem Kirchenpräsidenten Martin Niemöller sowie dem Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg Otto Dibelius eine interne Besprechung über die Möglichkeit der Schaffung einer gesamtdeutschen Partei gegeben hätte. Initiatoren dieser möglichen Parteigründung solle die Ost-CDU und die WestCSU sein, und es gäbe bereits CSU-Kreisverbände wie Einzelpersonen, die eine Doppelmitgliedschaft in der Ost-CDU beantragen würden. Der ehemalige Minister Gereke, Persönlichkeiten im Noack-Kreis und Mitglieder der FDP würden diesem Gedanken einer gesamtdeutschen Partei nicht ablehnend gegenüberstehen. Auch sei die Sowjetische Kontrollkommission darüber informiert, und sie sanktioniere das Vorhaben. Grotewohls handschriftliche Anmerkungen auf der Aktennotiz aus Potsdam lassen vermuten, daß er die Schaffung einer „Gesamtdeutschen Partei unter Führung der CDU" mißbilligte und er Erkundigungen darüber bei den Sowjets einzuholen gedachte.65 Letztlich kam unter Führung der Ost-CDU sowie mit Gustav Heinema oder anderen bekannten Persönlichkeiten eine solche „gesamtdeutsche Partei" nicht zustande.66 Die Trennung von Adenauer und die Ablehnung eines westdeutschen Verteidigungsbeitrages bedeuteten für Heinemann noch keine grundsätzliche Abwendung von der bisherigen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Außenpolitik der CDU, der Heinemann noch bis 1952 angehörte. Der Neugründung einer Partei stand er zunächst ablehnend gegenüber. Sinnvoller war nach seiner Meinung die Schaffung eines überparteiliches Gremiums, welches am 21. November 1951 in Düsseldorf unter dem Namen „Notgemeinschaft für den Frieden Europas" ins Leben gerufen wurde. Zu den fuhrenden Gründungsmitgliedern gehörte neben Heinemann auch Helene Wessel. Sie verstanden die „Notgemeinschaft" als ein Sammelbecken aller gegen die Wiederbewaffnung auftretenden Kräfte in Westdeutschland.67 Vor kommunistischen Unterwanderungsversuc h e n - e i n Problem, vor dem damals alle Aufrüstungsgegner in der Bundesrepublik standen - versuchten sie sich zu schützen. Auf der Pressekonferenz zur Gründung der „Notgemeinschaft" erklärten Gustav Heinemann und Helene Wessel, ihnen gehe es um die Bildung einer Organisation, „die nichts mit kommunistischer Infiltration und östlicher Beeinflussung zu tun habe". Man werde sich gegen, jede Unterwanderung wehren

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Nachtrag zur Besprechung mit Heinemann und Grüber vom 10. Januar 1951 von Franz Dahlem, in: SAPMO-BA NY 4090/453/B1. 39-40 und NY 4036/649/B1. 195-196. Vgl. Amt für Informationen, Aktennotiz vom 11. Januar 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/ 453/B1. 46. Vgl. Günther Gerekes Bemühen (mit Wissen von W. Ulbricht und den Sowjets) bei der Parteigründung der Deutschen Sozialen Partei (DSP) Ende 1950/Anfang 1951, in: Michael F. Scholz, Bauernopfer der deutschen Frage, S. 120-123. Vgl. Josef Müller, S. 116-137, Rainer Dohse, S. 152 f.

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... und sich klar gegen kommunistische und rechtsradikale Kreise absetzen" und lehne auch jede Verbindung mit dem Nauheimer Kreis ab.68 Der Kreis um Heinemann blieb unter Beobachtung der SED-Oberen. Der KPDFunktionär Max Reimann war neben seinen Verbindungen zu Severing und Wirth auch Kontaktperson zu Gustav Heinemann. Ende Oktober bzw. Ende November 1951 berichtete er nach Besuchen bei Heinemann an Grotewohl und Pieck, die Gruppe um Heinemann, darunter Niemöller und Helene Wessel, planten immer noch, mit einer Erklärung gegen die Remilitarisierung und für eine deutsch-deutsche Verständigung an die Öffentlichkeit zu gehen, sowie die Gründung einer neuen Partei anzustreben. Aber wieder habe Heinemann den Wunsch Max Reimanns, daß Reimann sich mit seiner Unterschrift dem Kreis anschließe, abgewiesen. Heinemann begründete die Ablehnung damit, daß die Gruppe dann sofort als kommunistisch abgestempelt würde, und das sei seiner Sache sehr schädlich. Außerdem werde seine öffentliche politische Erklärung auch kritische Punkte gegen die sowjetische Politik wie gegen die kommunistische Seite insgesamt enthalten. Reimann empfahl den „Genossen" in Ost-Berlin, „die ganze Sache um Heinemann sehr aufmerksam [zu] verfolgen" und nun endlich mehr Initiative zu entwickeln, „um diese Persönlichkeiten auf die Linie einer Erklärung in unserem Sinne" zu bringen.69 Aber bei Heinemann blieben die SED-Funktionäre ohne Chancen. Er war darauf bedacht, Abstand zwischen sich und der „Notgemeinschaft" sowie den SED- bzw. KPDFunktionären zu halten. Die DDR-Seite warb und beobachtete Heinemann und seine politische Gruppe noch das ganze Jahr 1952.70 Nach anfanglichen Vorbehalten entschieden sich Heinemann und die „Notgemeinschaft" im Laufe des Jahres 1952 - im Mai hatte Adenauer die Westverträge (EVG- und Generalvertrag) unterzeichnet - , für das Konzept einer unbewaffneten Neutralität eines wiedervereinigten Deutschlands einzutreten. Obwohl Heinemann einer Parteigründung noch immer skeptisch gegenüberstand, beteiligte er sich an der Konstituierung der Gesamtdeutschen Volkspartei in Frankfurt a.M. am 29./30. November 1952.71 Die SED war von nun an nicht mehr nur auf Besuchsgespräche angewiesen, bei denen der Gesprächspartner kontrollierte, was die andere Seite erfahren sollte. Im Bundesvorstand der Partei sowie in der gewählten Deutschland-Kommission saß wenigstens eine „Vertrauensperson" der SED: Ruth Achelis-Bezzel72. Ihre Anleitung erfolgte über die Berliner SED-Organisation, den Kontakt zu Achelis-Bezzel hielt Professor Robert Have68 69

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Vgl. FAZ vom 23. November 1951, zitiert bei Rainer Zitelmann, S. 209; Elisabeth Friese, S. 154-160. Vgl. Abschrift. Vertraulich vom 24. Oktober 1952, in: SAPMO-BA NY 4036/751/B1. 105; Bericht M. Reimanns vom 21. November 1951, in: SAPMO-BA NY 4090/665/B1. 71; Karl-Heinz Schmidt, S. 2126,2203-2209. Vgl. z. B. Briefentwurf von Grotewohl und Hilde Benjamin an Heinemann zu Heinemanns Vorschlag, über Fragen der Wiedererlangung der Rechtseinheit zu konferieren, November 1952, in: SAPMO-BA NY 4090/665/B1. 40. Vgl. Josef Müller, S. 241-249. Ruth Achelis-Bezzel, wohnhaft in Berlin-Dahlem, keine biographischen Angaben bekannt.

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mann. Aus einem „Treffbericht" Havemanns vom 4. Dezember 1952, kurz nach der Gründung der GVP, ging hervor, daß man überein gekommen war, „daß Frau A.fchelisBezzel] sich stets so verhalten wird, daß ihre Position im Bundesvorstand nicht verloren geht .,."73 Um so mehr Heinemann und seine Parteifreunde ihre kritischen Positionen nicht nur gegen die westdeutsche Regierungspolitik deutlich machten, sondern auch die Politik der DDR-Regierung in vielen Punkten immer wieder beanstandeten - das betraf die Kirchenpolitik der DDR-Führung, die die streitbare katholische Pazifistin Klara Marie Faßbinder (GVP-Mitglied) bei Ulbricht anmahnte, oder die Veränderungen im Zuge der Verkündung der „planmäßigen Errichtung der Grundlagen des Sozialismus in der DDR" sowie die Ereignisse um den 17. Juni 1953 74 -, wurde auch die SED-Spitze öffentlich schärfer und aggressiver in ihren Angriffen auf die „Heinemann-Partei".75 Das war auch eine Reaktion der SED auf die Einsicht, daß es nicht gelang, Einfluß auf die politische Linie der GVP zu gewinnen. Bei den Verhandlungen der GVP über ein Wahlbündnis mit dem Bund der Deutschen im Frühjahr 1953 versuchte die SED-Spitze, über den BdD nochmals Einfluß auf die Heinemann-Partei zu nehmen. Ein SED-Politbüroprotokoll vermerkte als Verhandlungsvorgaben für den BdD: 1. Es muß vermieden werden, daß im gemeinsamen Programm von BdD und GVP antisowjetische Positionen vertreten werden oder Formulierungen auftreten, die eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten ablehnen. 2. Die von Heinemann und Wessel vertretene Position, die Adenauer-Regierung mit der DDRRegierung auf eine Stufe zu stellen, muß abgeleht werden. 3. Der BdD soll sich bei den Verhandlungen mit allen Kräften dafür einsetzen, daß ein neuer Name für die gemeinsame Organisation gewählt wird. „Wenn als letzte Möglichkeit eine Verständigung ... nur unter dem Namen GVP möglich ist, kann darauf eingegangen werden unter der Bedingung, daß die Organisation des Bundes [der Deutschen] bestehen bleibt ..."76 Hier überschätzten die ostdeutschen Funktionäre ihren politischen Einfluß auf die Verhandlungsposition des BdD. Keiner ihrer Punkte konnte durchgesetzt werden. Obgleich das Wahlbündnis mit dem BdD für die GVP ein Fehler war, muß man Heinemann zugestehen, daß er eine kommunistische Einflußnahme zu verhindern suchte. So hatte der BdD verbindlich den Ausschluß von KPD-Mitgliedern zusagen müssen; die prominente Kommunistin und Bundestagsabgeordnete Grete Thiele wurde z. B. von 73

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R. Havemann, Besprechung mit Frau Achelis-Bezzel, in: Karl-Heinz Schmidt, S. 2126, 22132214. Frau Achelis-Bezzel schied 1955 in der Niedergangsphase der GVP aus dem Bundesvorstand aus. Vgl. Brief von Prof. Klara Marie Faßbinder an Walter Ulbricht vom 10. August 1952; Brief des Präsidiums der GVP an den Ministerpräsidenten der DDR vom 13. März 1953; Brief von Klara Marie Faßbinder an Otto Grotewohl vom 28. Juni 1953, in: SAPMO-BA NY 4090/665/B1. 8, N Y 4090/667/B1. 162-163, NY 4090/665/B1. 13. Vgl. PB-Sitzung vom 3. März 1953, Die nächsten Aufgaben in Westdeutschland, in: SAPMOBA DY 30 J IV 2/2/265/B1. 16; PB-Sitzung vom 26. Mai 1953, in: ebenda, DY 30 J IV 2/2/282/B1. 2-3. Vgl. PB-Sitzung vom 18. Juli 1953, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/2/307/B1. 3-4.

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der Kandidatenliste zurückgezogen. Zudem mußte jeder Kandidat auf der GVP-Liste eine Erklärung über die Ablehnung jeder „faschistischen, polizei-bürokratischen und kommunistischen Diktatur" unterzeichnen. Die GVP verlangte Aufklärung über die finanziellen Hintergründe des Bundes und ließ sich überzeugen, daß seine Gelder nicht aus Ost-Berlin kamen.77 Die Wahlniederlage der Gesamtdeutschen Volkspartei bei den 2. Bundestagswahlen im September 1953 ließ beide Gruppierungen wieder auf Distanz gehen. Schon am 14. September 1953, einige Tage nach den Wahlen, reiste der Generalsekretär der GVP Hans Bodensteiner unter Vermittlung eines bekannten ADN-Journalisten in Bonn, Wilhelm Karl Gerst78, nach Ost-Berlin. Ziel von Hans Bodensteiners Reise war es, mit Funktionären der Ost-CDU (Otto Nuschke), mit den SEDWestspezialisten Paul Verner und Erich Glückauf sowie mit einem sowjetischen Vertreter aus Berlin-Karlshorst zusammenzukommen, um über eine finanzielle Unterstützung der GVP durch die DDR zu verhandeln. In Gesprächen mit Otto Nuschke am 15. und am 19. September erklärte der Generalsekretär der GVP, daß zur Unterstützung der Partei und anderer bürgerlicher Kreise in Westdeutschland mindestens DM 20.000 monatlich notwendig wären, um bei den folgenden Landtagswahlen mithalten zu können. Außerdem wolle man unbedingt aus der finanziellen Abhängigkeit der KPD herauskommen79 und lieber direkt mit der Ost-CDU zusammenarbeiten. Otto Nuschke hielt sich mit Zusagen bedeckt; solche Entscheidungen hätte die Ost-CDU sowieso nicht alleine treffen können. Tatsächlich gingen die Kontakte zwischen Ost-CDU und GVP unter den wachsamen Augen des SED-Politbüros und der Staatssicherheit 1953 weiter.80 Im Mai 1954 weilte das Vorstandsmitglied der GVP Pfarrer Herbert Mochalski bei Funktionären der CDU in Ost-Berlin, und wieder ging es um die für unerläßlich gehal-

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Vgl. Rainer Zitelmann, S. 211; Rainer Dohse, S. 157 f.; Josef Müller, S. 286-297. Wilhelm Karl Gerst (1887-1968), Journalist, erhielt mit anderen 1945 die Lizenz zur Herausgabe der „Frankfurter Rundschau", wegen angeblicher Parteinahme für den Nationalsozialismus Lizenz wieder entzogen, kandidierte erfolglos 1949 zur Bundestagswahl für die KPD im Wahlkreis Fulda, Mitarbeiter ostdeutscher Zeitungen in Westdeutschland, seit 1949 Bonner Korrespondent der DDR-Nachrichtenagentur ADN, 1954 Akkreditierung beim Deutschen Bundestag entzogen, da er „das Ansehen des journalistischen Berufsstandes durch seine wahrheitswidrige Berichterstattung schwer belastet" habe. Vgl. Munzinger-Archiv, Lieferung August 1968.

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Im Bericht über den Besuch heißt es: „Es sei für ihn [Bodensteiner] unbedingt notwendig, von der 'Bevormundung' der Kollegin Grete Thiele [KPD] loszukommen, die bisher das Geld für alle entsprechenden Organisationen in der Bundesrepublik verteilte. Seiner [Bodensteiners] Auffassung nach sei mit diesen finanziellen Mitteln oft unverantwortlich gearbeitet worden. Der BdD habe 300.000 Mark ausgegeben ohne große Ergebnisse ... Es sei also besser, direkten Kontakt zur Deutschen Demokratischen Republik - für die GVP zur CDU zu bekommen." Bericht über den Besuch Bodensteiners ..., in: Karl-Heinz Schmidt, S. 2194. Bei Josef Müller finden sich keine Hinweise auf die beschriebenen Kontakte.

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tene Unterstützungssumme von monatlich DM 20.000.81 Die Dokumente geben keinen Aufschluß, ob es schließlich zu einer direkten finanziellen Unterstützung durch die DDR gekommen ist. Sie beweisen aber, daß zwei fuhrende Persönlichkeiten der Gesamtdeutschen Volkspartei in Ost-Berlin um Gelder nachgesucht haben. Genutzt hat es der GVP nicht. Sie erholte sich von der verheerenden Wahlniederlage aus dem Jahr 1953 nicht. Im Mai 1957 hielt sie ihren letzten Bundesparteitag ab. Die GVP beschloß, sich selbst aufzulösen und empfahl ihren Mitgliedern den Beitritt zur SPD, den u. a. Gustav Heinemann und Helene Wessel vollzogen.82

4. Alltagsarbeit der Nationalen Front Die Westarbeit der Nationalen Front - Struktur, Personal und Aufgabenfelder - hatte sich bis in das Jahr 1952 konsolidiert. Die Abteilung IV für „Gesamtdeutsche Fragen" bzw. „Gesamtdeutsche Arbeit" hatte ihren Mitarbeiterstab auf eine Personalstärke von ca. 75 Personen stabilisieren können. Doch wurde ständig Klage darüber gefuhrt, daß der weitaus größte Teil der Angestellten sich aus technischen Kräften bzw. jugendlichen Hilfskräften zusammensetzte. Tatsächlich waren nur zehn der über 70 Angestellten der Abteilung IV als „politische Mitarbeiter" in den Stellenplänen ausgewiesen und damit auch verantwortlich für die inhaltliche Arbeit. Obwohl es für die „gesamtdeutsche Arbeit" eine eigenständige Abteilung bei der Nationalen Front gab, muß davon ausgegangen werden, daß andere Abteilungen - Organisationabteilung, Presseabteilung, Abteilung Aufklärung, Werbung, Schulung, Abteilung Personal, Verwaltung, Finanzen - indirekt auch für die Westarbeit tätig waren. So wurden z. B. Teile der „Argumentations- und Propaganda-Materialien" in Zusammenarbeit mit der Abteilung Aufklärung, Werbung, Schulung her- und zusammengestellt.1 Die Leitung der „Abteilung für Gesamtdeutsche Arbeit" war im März 1952 von Georg Jost, der sich nach Westdeutschland abgesetzt hatte, auf den ,Alt-Kommunisten" Walter Vesper, den die SED aus Westdeutschland abzog, übergegangen. Vom ZK der SED war die Anweisung gekommen, als „verantwortlichen Genossen für die gesamtdeutsche Arbeit einen Abteilungsleiter mit Westerfahrung, der die politische Anleitung der Abteilung garantieren kann", einzusetzen.2 Vesper war 55 Jahre alt, seit Gründung der KPD ihr Mitglied. Erfahrungen mit den Problemen in der Westarbeit sammelte er nach 1945 als Mitglied des KPD-Landesvorstandes in Nordrhein-Westfalen, dann des 81 82 1

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Vgl. 1.7. 1954. Bei seinem letzten Besuch machte Pfarrer Mochalski..., in: Karl-Heinz Schmidt, S. 2200-2202, 2125-2126. Vgl. Josef Müller, S. 378-393; Rainer Zitelmann, S. 109 f.; Rainer Dohse, S. 159 ff. Vgl. Stellenplan der Abteilung IV vom 28. März 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 3279; Bericht über den gegenwärtigen Stand der Arbeit des NR vom 14. Januar 1952, in: ebenda, NY 4074/207/B1. 62,65. Vgl. Brief des Büros des Präsidiums des NR der NF an das ZK der SED vom 18. Februar 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0058.

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KPD-Parteivorstandes. Als Mitglied der KPD-Fraktion saß er bis Juni 1952 im ersten Deutschen Bundestag.3 Die Funktion als Verantwortlicher für die Westarbeit in der Nationalen Front hatte Vesper bis 1959 inne. Gleichzeitig war er Stellvertretender Vorsitzender im Büros des Nationalrats der Nationalen Front. Im Führungsgremium des Nationalrats, im Büro des Präsidiums, arbeiteten 1952 neben Wilhelm Koenen, Walter Vesper, Hans Seigewasser, Max Nierich, Georg Jost (bis März 1952), Fritz Otto, Kurt Genz und Max Spangenberg. Kritisiert wurde auch hier die personelle Unterbesetzung, da einzelne Büromitglieder wochen- bzw. monateweise in Westdeutschland zur politischen Arbeit eingesetzt waren.4 Die personelle Ausstattung und die ständigen Fluktuationen in den Landes- und Kreissekretariaten der Nationalen Front wurden ständig bemängelt, die unzureichende „systematische Kaderpolitik" beim Büro des Präsidiums angemahnt.5 Die Hauptaufgaben der Nationalen Front sahen die DDR-Funktionäre Anfang der fünfziger Jahre darin, „in ganz Deutschland eine umfassende nationale Massenbewegung für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands" zu organisieren, eine „breite, beharrliche, systematische Aufklärungsarbeit unter allen Bevölkerungsschichten Deutschlands" für das Zustandekommen einer „gesamtdeutschen Beratung", gegen eine „Remilitarisierung Westdeutschlands" und gegen den „amerikanischen Imperialismus, seine Hauptverbündeten und für die Entlarvung ihrer aggressiven Kriegspläne" zu betreiben.6 Die jeweils aktuellen Aufgaben der Nationalen Front bezogen sich dann auf die laufenden Kampagnen und das politische Tagesgeschäft. Ob es sich dabei um die deutschlandpolitischen SED-Kampagnen, Volksbefragungen, „Offenen Briefe" 7 oder 3

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W. Vesper (1897-1978), 1917 Spartakusbund, seit 1928 „Parteiarbeiter", 1933-1936 illegale Tätigkeit in Deutschland (Zusammenarbeit u. a. mit W. Ulbricht, F. Dahlem, A. Ackermann, G. Handke, H. Kippenberg), dann im spanischen Bürgerkrieg, bis 1945 Resistance in Frankreich, 1951-1959 Nationalrat der NF, dann Botschafter in Ungarn und in der CSSR. Vgl. „Kaderakte" W. Vesper und Erinnerungsbericht, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2 / 1 W 2584, SgY 30/1337/1, 2; Jürgen Radde, S. 157. Georg Jost war „von März bis August [1951] im Auftrag des ZK für die Volksbefragung in Westdeutschland eingesetzt. Max Spangenberg ist mit gleichem Auftrag von März bis zum heutigen Tage [Januar 1952] tätig." Bericht über den gegenwärtigen Stand der Arbeit des NR vom 14. Januar 1952, in: SAPMO-BA NY 4074/207/B1. 62. Vgl. Strukturpläne der Landes- und Kreissekretariate der NF im Januar 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 3279. Im Landessekretariat gab es neben dem Referenten für gesamtdeutsche Fragen die Referenten für Kirchenfragen, für Personalfragen, für Pressefragen, den Bearbeiter für Delegationen und Westbesucherveranstaltungen und den Bearbeiter zur Führung der Entwicklungskartei (Personen- und Fachkartei). Ein Referent für gesamtdeutsche Fragen im Landessekretariat verdiente monatlich ca. 500,- DM (Ost) brutto. Vgl. Bericht über gesamtdeutsche Aufgaben beim Büro des Präsidiums mit Vertretern der Landessekretariate, 16. Oktober 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0058; Bericht Arbeit der NF vom 29. Oktober 1951, in: ebenda, NY 4074/215/B1. 2; Gegenwärtiger Stand der Arbeit des Nationalrates vom 14. Januar 1952, in: ebenda, NY 4074/207/B1. 37. Vgl. die Kampagne zur Massenmobilisierung für die Prager Beschlüsse vom Oktober 1950, die Zustimmungskampagne zum Grotewohl-Brief von Dezember 1950 bis Januar 1951 und Kampa-

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um die Popularisierung von innenpolitischen Programmen zur Gesellschaftsentwicklung8 handelte, alles zählte zu den Obliegenheiten der Nationalen Front. Die Art und Weise der Umsetzung der alltäglichen und wenig spektakulären „gesamtdeutschen Arbeit" in der Nationalen Front betrieben die Mitarbeiter durch: 1. die Arbeit in den sogenannten Korrespondenzzirkeln, 2. den Literatur- und Agitationsmaterialien-Vertrieb nach Westdeutschland, 3. die Aktionen „Persönlichkeit schreibt an Persönlichkeit" bzw. „Persönlichkeit fahrt zu Persönlichkeit", 4. die Durchfuhrung von „Westbesucherveranstaltungen", d.h. das Organisieren von Aussprache- und Diskussionsveranstaltungen mit Westdeutschen, die zu Besuch in die DDR kamen, und 5. das Betreiben von Aufklärungslokalen an den Zonengrenzkontrollpunkten.10 Ein Schwerpunkt der Tätigkeit lag in den ersten Jahren auf der Arbeit der Korrespondenzzirkel. Die Korrespondenzzirkel, gebildet in Städten, Stadtbezirken, Hausgemeinschaften, in Dörfern, Gemeinden, Schulen, Universitäten, Betrieben, Verwaltungen, bei Behörden, Ausschüssen der Nationalen Front, bei den Parteien- und Massenorganisationen usw., galten als „wichtigste Methode unserer Aufklärungsarbeit nach Westdeutschland und Westberlin". Nach dem Motto „Dein Brief-eine scharfe Waffe im Klassenkampf' 11 fanden sich in den Korrespondenzzirkeln 14-tägig ca. fünf Personen unter Leitung eines Mitgliedes der Nationalen Front zusammen. Dort diskutierten die Zirkelmitglieder die aktuellen politischen Ereignisse und Kampagnen, sie werteten die Antwortbriefe aus Westdeutschland aus und besprachen Argumente und Inhalte der neu zu schreibenden Briefe.12 Somit dienten die Zirkel nicht nur der Unterstützung des einzelnen beim Schreiben nach Westdeutschland, sondern hatten auch eine politische Kontrollfunktion über den Inhalt der Briefe von Ost nach West und umge-

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gne zum Volkskammer-Appell „Deutsche an einen Tisch" ab Februar 1951, die Volksbefragung gegen Remilitarisierung Westdeutschlands, für den Abschluß eines Friedensvertrages und für gesamtdeutsche Gespräche März bis Mai 1951, den „Offenen Brief' des ZK der SED an die Sozialdemokraten und Kommunisten in Westdeutschland vom 1. September 1951, die Kampagne zur Popularisierung der erneuten Volkskammerinitiative im September 1951, die Kampagne zur Aufklärung der Bevölkerung über die Vorschläge der Sowjetregierung für einen Friedensvertrag mit Deutschland im März 1952, die Kampagne für die Aktionseinheit mit der SPD und den Aufruf gegen die Unterzeichnung des Generalvertrages im Mai 1952, die Maßnahmen zur Durchführung der Volksentscheidung gegen Generalvertrag, für einen Friedensvertrag und zur Entwicklung einer deutschen Sammlung sowie die Kampagne zur Auswertung der Reise der Delegation der Volkskammer nach Bonn im September 1952. Vgl. Popularisierung des Fünfjahresplanes im Jahr 1950 (1951-1955), des Nationalen Aufbauprogramms Berlin 1951 oder finanzielle Förderung der technischen Intelligenz, der Hochschullehrer und bestimmter Facharbeiter 1952. Mit „Persönlichkeit" waren in erster Linie Akademiker gemeint: Ärzte, Ingenieure, Pfarrer, Wissenschaftler, Künstler. Vgl. Bericht zur Besprechung über gesamtdeutsche Aufgaben beim Büro des Präsidiums mit Vertretern der Landessekretariate, 16. Oktober 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0058. Vgl. Arbeitsplan Abteilung IV, Dezember 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 5449. Vgl. Anleitung für die Tätigkeit der Korrespondenzzirkel, 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 56/1.

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kehrt (!) zu erfüllen. Die Korrespondenzen zwischen Ost und West gingen zum großen Teil von Privatanschrift an Privatanschrift. Selten gab es anonyme Antwortschreiben aus Westdeutschland13, und wenn es sie gab, mußten sie keineswegs negativ ablehnend sein. Die Arbeit in den Zirkeln verlief nicht gleichbleibend kontinuierlich, sondern wurde zu besonderen Anlässen, z. B. nach den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Ost-Berlin im Herbst 1951, stark forciert.14 Das „Merkblatt für unsere Korrespondenzzirkel" aus dem Jahr 1951 soll die alltäglich Arbeit im Zirkel illustrieren: „1. Lies jeden Morgen unsere fortschrittliche Presse! 2. Schreibe den Freunden so, als würdest du persönlich mit ihnen sprechen! Laß die Schlagworte weg! 3. Antworte den einfachen Menschen auch in einfacher, verständlicher Sprache! Vermeide Fremdwörter! ... 6. Schreibe, wenn dir selbst nichts einfallt, keine Zeitungsabschnitte ab! ... 9. Gib dem Freund das Bewußtsein, daß er in seinem Kampf nicht allein steht. Vermeide den überheblichen, belehrenden oder bedauernden Ton! 10. Übt demokratische Wachsamkeit in euren Briefen! Laßt euch nicht durch geheucheltes Interesse und geschickte Fragestellung durch die Feinde des deutschen Volkes, die sich in unsere Korrespondenzen einschalten können, zu unbedachten Angaben verleiten! 15 ... 12.... Es geht darum, daß du jedem Freunde mit dem du im Briefwechsel stehst, ein tatkräftiger Kämpfer für die Einheit Deutschlands und für den Frieden der Welt wirst, denn dazu soll dein Brief entscheidend beitragen!"16 Für den Februar 1952 ergab eine Zählung, daß im Land Sachsen 6.736 Korrespondenzzirkel existierten, in Sachsen-Anhalt 1.613 Zirkel, in Thüringen 3.647, in Brandenburg 729 und in Mecklenburg 605 Zirkel. Die Landesleitung der Nationalen Front in Mecklenburg gab darüber hinaus an, daß in den 605 Korrespondenzzirkeln insgesamt 2.739 Teilnehmer schreiben würden.17 Werden die Angaben aus Mecklenburg hochge13

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Anonyme Antwortschreiben aus Westdeutschland waren auch eine Art Vorsichtsmaßnahme. So gibt es Unterlagen, daß bundesdeutsche Zollämter „Postsendungen bundesfeindlichen Inhalts" an sich nahmen und den Adressaten aufforderten, bei der zuständigen Kriminalpolizei innerhalb von 14 Tagen gegen die Vernichtung der „Erzeugnisse" Einspruch zu erheben, um diese ausgehändigt zu bekommen. Vgl. Benachrichtigung des Hauptzollamtes Lüneburg vom 5. November 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 56/2. Vgl. eine Vielzahl von Briefen aus Westdeutschland 1950 und 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0056/1, 0056/2, 0060. „In einigen Fällen ist es in letzter Zeit vorgekommen, daß Antwortbriefen aus Westdeutschland Hetzflugblätter beigelegt waren. Es ist erforderlich, derartiges Material sofort direkt an das Kreissekretariat der Nationalen Front zu leiten. Wir machen ... darauf aufmerksam, daß in einzelnen Fällen Versuche gemacht worden sind, durch die private Korrespondenz Auskünfte über z. B. interne Produktionsziffern von volkseigenen Betrieben ... und z.T. sogar über Truppenteile der sowjetischen Besatzungsmacht zu erhalten. Hinter solchen Fragen stecken immer unsere Feinde ... Alle solche Briefe ... müssen aus Gründen der demokratischen Wachsamkeit an das Kreissekretariat... weitergeleitet werden." Anleitung für die Tätigkeit der Korrespondenzzirkel, 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 56/1. Merkblatt, in: ebenda. Vgl. Bericht über die Korrespondenzzirkel vom 7. Februar 1952 und Bericht über die gesamtdeutsche Arbeit im Land Sachsen vom 15. Oktober 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 56/2, 8/1.

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rechnet auf die fünf Länder der DDR (ohne Ost-Berlin), dann waren Anfang 1952 ca. 60.000 Ost-Deutsche in die Arbeit der Korrespondenzzirkel eingebunden. Über die Zahl der Antwortbriefe - d.h. die Rücklaufquote - können keine verallgemeinernden Aussagen getroffen werden. Einzelbeispiele lassen aber darauf schließen, daß sie nicht besonders groß war. So berichtete das Lehrerbildungsinstitut in Güstrow von einer konzentrierten achtwöchigen Korrespondenz-Aktion im Januar und Februar 1952. Die Lehrer-Studenten sandten in der ersten Woche 173 Briefe nach Westdeutschland und erhielten sechs Antworten, in der zweiten Woche wurden 297 Briefe abgeschickt, und elf Antworten gingen ein. Dies steigerte sich bis zur siebten Woche auf 612 geschriebene und 54 empfangene Briefe und in der achten Woche auf 895 in den Westen gesandte und 100 Antwort-Briefe.18 Die Steigerung der Rücklaufquote von 3,5 Prozentpunkte in der ersten Woche auf 11,2 Prozentpunkte in der achten Woche feierten die Studenten im Bericht nach Berlin als großen Erfolg. Anderenorts war die Resonanz gleich null. Eine Briefschreibeaktion der Einwohner der Gemeinde Neuenhagen, Kreis Niederbarnim, bei der 275 Briefe verschickt wurden, hatte für den ersten Absender eines Antwortbriefes eine Einladung nach Neuenhagen geboten. Aber auch nach fünf Wochen war keine einzige Antwort eingetroffen.19 In der Zentrale in Ost-Berlin gingen 1952 täglich ca. 40 bis 50 Antwortschreiben aus der Bundesrepublik ein. Jeden dieser Briefe werteten die Mitarbeiter der „Abteilung gesamtdeutsche Arbeit" statistisch aus, beantworteten sie und je nach Inhalt leiteten sie diese zu Propagandazwecken an die Presse weiter. Auch dienten Briefe aus der Bundesrepublik der Entwicklung der eigenen Argumentation und der Weiterbildung der Mitarbeiter. Die Beantwortung von kritischen Schreiben aus Westdeutschland forderte in den Reihen der Nationalen Front politisch kompetente Mitarbeiter. Das schien ein Problem gewesen zu sein, wenn in den Arbeitsplan-Berichten formuliert wurde: „Bei dem zeitweiligen Anschwellen dieser westdeutschen Briefe stehen oft nicht genügend geeignete Kräfte zur Beantwortung der immer komplizierter werdenden Briefe zur Verfügung."20 18

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Vgl. Korrespondenzarbeit, Institut für Lehrerbildung, Februar 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 56/2. Der Kreis-Konsum [Lebensmittelkette] Zwickau berichtete im September 1951 von 271 Briefen nach Westdeutschland und darauf erfolgten zwei Antwortbriefen. Vgl. Bericht über die gesamtdeutsche Arbeit in Sachsen vom 15. Oktober 1951, in: ebenda, DY 6 vorl. 8/1. Vgl. Siegfried Suckut, Innenpolitische Aspekte der DDR-Gründung, S. 100. Bericht über den gegenwärtigen Stand der Arbeiten des NR vom 14. Januar 1952, in: SAPMOBA NY 4074/207/B1. 44; vgl. Briefe aus Westdeutschland 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 0060. Auszug aus einem Brief, Neuwied, Januar 1951: „Glauben Sie wirklich ganz ehrlich und mit voller Oberzeugung, daß die ostdeutsche Regierung bereit wäre, freie Wahlen in der Ostzone zuzulassen? Warum sprach Grotewohl im Original seines Briefes an Adenauer [30. Oktober 1950] von freien Wahlen und später hieß es ... nur noch gesamtdeutsche Wahl? Da die kommunistische Partei Uberall dort, wo freie und geheime Wahlen stattfinden, nur von einer kleinen Minderheit gewählt wird, sind Sie davon überzeugt, daß die SED aus ... der deutschen Regierung nach einer gesamtdeutschen Wahl zurücktreten würde, wenn das Wahlergebnis eine große CDUund SPD-Mehrheit ergeben würde? ... Warum wurden in Ostdeutschland keine Wahlen durchgeführt, bei denen der Wähler in Ostdeutschland zwischen verschiedenen Parteien sich frei entscheiden konnte? Stimmt es, daß die ostdeutsche Bevölkerung Angst hatte, eine Wahlzelle zu

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Die Antwortbriefe mit auswertbarem Inhalt, abgesehen von den ausschließlich positiv bejubelnden Schreiben von kommunistischen Sympathisanten, beklagten Arbeitslosigkeit und Teuerungswellen in der Bundesrepublik oder machten ihre Vorbehalte gegen „Besatzungsmacht" und die Remilitarisierungspläne der Bundesregierung deutlich. Zugleich lehnten sie aber auch Entwicklungen in der DDR ab, bezogen kritische Haltung zur im Osten propagierten „deutsch-sowjetischen Freundschaft", zu „Grenzsicherungsmaßnahmen an der Demarkationslinie" oder äußerten ihre Bedrohungsängste, hervorgerufen durch die sowjetischen Truppen und die DDR-Volkspolizei.21 Die Briefschreibeaktionen im Rahmen der Nationalen Front in den Jahren 1949 bis 1952 waren insgesamt wenig erfolgreich. Offenbar antworteten oft KPD-Mitglieder und Sympathisanten, die man ohnehin nicht mehr zu überzeugen brauchte. Die kritischen und ablehnenden Antwortschreiber werden sich der Mühe einer ausfuhrlichen Erwiderung kaum mehr als ein Mal gestellt haben, und beide Seiten wußten wohl, daß sie sich mit ihren Argumenten gegenseitig nicht politisch überzeugen würden. Die meisten Briefe blieben aber ohne Antwort. Das war für die ostdeutschen Schreiber frustrierend und desillusionierend, und so wurden diese Schreibaktionen mit der Zeit als lästig empfunden. Die Motivation für die Mitarbeit in den Zirkeln schwand Zusehens. Die Korrespondenzzirkel-Arbeit wurde nach 1952 stark reduziert und dann eingestellt. Wenn man mit diesen von der SED gesteuerten Aktionen im Westen Deutschlands auch nichts ausrichten konnte, so hatten sie teilweise eine innenpolitisch festigende Funktion. Geht man davon aus, daß die Korrespondenzarbeit in erster Linie von jungen Leuten aus der FDJ, von Schülern, Studenten, Arbeiterinnen/Arbeitern und Angestellten ausgeführt wurde, erscheint es als wahrscheinlich, daß bei ihnen z.T. der Eindruck entstand, wir machen alles, um den deutsch-deutschen Zusammenhalt, die deutsche Wiedervereinigung zu fördern. Diesen Eindruck unterstützten die SED-Kampagnen, die Agitationen in der Presse und am Arbeitsplatz. Das kampagnenhafte und bestellte der Aktionen mag aber auch viele Ostdeutsche abgestoßen haben. Neben den Korrespondenzzirkeln war der Materialversand nach Westdeutschland Anfang der fünfziger Jahre ein weiteres Haupttätigkeitsfeld. In ununterbrochener Folge verschickten die Mitarbeiter der Nationalen Front alle „offiziellen und sonst für die Agitation geeigneten Materialien als Handzettel, Flugblätter, Klebestreifen, Traktätchen und Broschüren22,, in einer Auflage von durchschnittlich 50.000 bis 100.000 Stück. Dieser Versand erfolgte seit Ende 1951 direkt an ca. 50.000 Adressen in die Bundesre-

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benutzen und daß einzelne, die ihren Wahlzettel ungültig gemacht haben, abgeholt worden sind? ..." In: ebenda. Vgl. Berichte über die gesamtdeutsche Arbeit 1951 in Thüringen, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 56/2. Broschüren: „Wilhelm Pieck - ein Leben für Deutschland"; „Acht Vorschläge zur innerdeutschen Entspannung 1956"; Flugblätter: „Entscheidet Euch für Friedensvertrag und Freundschaft der Völker gegen Generalvertrag und Bruderkrieg", „Aufruf des Arbeitsausschusses der Nationalen Front des demokratischen Deutschland gegen Remilitarisierungsmaßnahmen und für gesamtdeutsche Beratungen zwischen der Volkskammer der DDR und dem Bundestag der Deutschen Bundesrepublik" usw. Vgl. das Propagandamaterial, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 57/1.

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publik.23 Bis dahin gingen die größten Mengen der Propagandabroschüren und Flugblätter über die KPD-Funktionäre, die aber mit der Verteilung nicht nachkamen. Für den direkten Versand an private Adressen nach Westdeutschland arbeiteten bei der Abteilung für Gesamtdeutsche Fragen in Ost-Berlin 50 jugendliche Adressenschreiberinnen (von der FDJ), 20 Mitarbeiterinnen in der Adressenkartei und 28 Kräfte aus dem Versand, die alle zum Teil ehrenamtlich dort halfen.24 Das nicht alle für die Leser in der Bundesrepublik gedachten Broschüren auch wirklich dort ankamen, machte eine Kontrollfahrt von Instrukteuren der Nationalen Front durch Thüringen und Sachsen im September 1951 deutlich: Broschüren vergilbten stapelweise in Kellern von Ortsausschüssen der Nationalen Front, und in Bad Salzungen fand sich „eine größere Zahl neuester Westliteratur" auf den Toiletten des Kreisausschusses wieder. Weitere Unternehmungen der Nationalen Front bestanden im Herstellen von Kontakten zwischen Prominenten und im Organisieren von „Veranstaltungen mit Westbesuchern, Aussprache- und Diskussionsabenden". Das Büro des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front initiierte 1951 und 1952 Aktionen wie „Oberbürgermeister schreiben an Oberbürgermeister", Rektoren der ostdeutschen Universitäten und Hochschulen schreiben an westdeutsche Rektoren oder Fachärzte medizinischer Einrichtungen schreiben an Fachkollegen in der Bundesrepublik. Auch hier war der Erfolg mehr als dürftig. Die westdeutschen Ansprechpartner wehrten sich auf diese Briefflut mit vorgefertigten Antwortschreiben. Der Oberbürgermeister von Jena beschwerte sich z.B. bei Wilhelm Koenen im Oktober 1951 darüber, daß er Amtskollegen in Westdeutschland, u. a. in Kiel und Düsseldorf, mit persönlichen Schreiben bedacht und von diesen bis in die einzelnen Formulierungen identische Antwortschreiben zurück erhalten hatte.26 Organisierte Veranstaltungen für Besucher aus Westdeutschland27 in Städten und Kreisen der DDR gehörten zum Veranstaltungsrepertoire der Nationalen Front genauso 23

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Die Bundesrepublik revanchierte sich mit ostwärts gerichteten Propagandaschriften mit gleichem Niveau. So verschickte das Ostbüro der SPD z. B. Denkschriften unter Titeln wie „Von der HJ zur FDJ", „Von der DAF zum FDGB", „Von der NSDAP zur KP/SED", ... „Von der NSWehrmacht zur sowjetischen Nationalen Volksarmee" in einer Auflage von jeweils 14.000 bis 20.000 Exemplaren. Vgl. Wolfgang Buschfort, S. 77 f. Vgl. Bericht über den gegenwärtigen Stand der Arbeiten des NR vom 14. Januar 1952, in: SAPMO-BA NY 4074/207/B1. 43-46. Sogenannte Sichtwerbung, Klebezettel, Plakate, Klebestreifen für die Bundesrepublik wurde jeweils in einer Auflage von 50.000 bis 250.000 Stück verbreitet. Vgl. Siegfried Suckut, Innenpolitische Aspekte der DDR-Gründung, S. 100. Vgl. verschiedene Schriftstücke von Juni und Oktober 1951 und Mai 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 5361. Eine Westbesucherveranstaltung im Kreis Hildburghausen (Mai 1951) kam nicht zustande, da von 63 Eingeladenen niemand erschien. In Zwickau fand ein Ost-West-Gespräch am 8. September 1951 statt. Von 50 „eingeladenen Freunden" waren 47 erschienen. Vgl. Berichte zur gesamtdeutschen Arbeit, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 58, 8/1 und 56/2; Aussprache einer Delegation sozialdemokratischer Arbeiter mit Ministerpräsident Grotewohl im Haus des Natio-

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wie das Auswerten von Fachtagungen im gesamtdeutschen Rahmen. So berichtete ein Mitarbeiter der Nationalen Front über einen Chirurgen-Kongreß in Ost-Berlin vom 18.20. Januar 1952, organisiert vom DDR-Ministerium für Gesundheitswesen. Von 250 angemeldeten Ärzten aus Westdeutschland seien letztlich nur 56 erschienen. Referate und Gespräche auf der Tagung hätten sich um rein fachliche Probleme gruppiert. Zu politischen Erörterungen, so der Berichterstatter, sei man nicht gekommen, und sie wären von westdeutscher Seite auch nicht erwünscht gewesen. Mit dem Vorhaben der Gründung eines „gesamtdeutschen Arbeitskreises Gesundheitswesen" sei die ostdeutsche Seite nicht weitergekommen.28 Die Kreissekretariate der Nationalen Front, die ihren Wirkungsbereich in den (Verwaltungs-)Kreisen entlang der innerdeutschen Grenze hatten, betrieben „Aufklärungslokale an den Interzonenkontrollpunkten". Hier verteilten die Mitarbeiter z. B. aktuelle Tageszeitungen der DDR und das ganze Sortiment der Propagandaschriften der Nationalen Front. Über Lautsprecheranlagen und in „Gemeinschaftsräumen zum Empfang von Radiosendungen" wurde die politische Werbetätigkeit unter den Ein- und Ausreisenden betrieben. Am Lnterzonenkontrollpunkt Sonneberg-Hönbach registrierten die Verantwortlichen im September 1951 beim Personenverkehr täglich 400 und am Wochenende 700 Ein- bzw. Ausreisende sowie täglich 30 vollbesetzte Autobusse. Mit jedem fünften Passanten konnte, nach Angaben der Nationalen-Front-Mitarbeiter in dem Aufklärungslokal, ein „politisches Gespräch" gefuhrt werden.29 Neben den Aufklärungslokalen wurde viel Wert auf die „Sichtwerbung entlang der Demarkationslinie" gelegt. Der Kreis Hildburghausen hatte im April 1951 60 Transparente mit Parolen für die Volksbefragung und gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands aufgestellt. Zum 1. Mai 1951 ließ man sich beim Kreissekretariat der Nationalen Front etwas besonderes einfallen. In zehn Gemeinden entlang der Grenze war mittels Lautsprecherwagen von 6 Uhr bis 9 Uhr „morgendliches Wecken" angesagt. Die Einwohner der Orte jenseits der Grenze in Hessen und Bayern wurden per Lautsprecherwagen drei Stunden lang über die Bedeutung des Feiertages 1. Mai und über den „Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands" agitatorisch aufgeklärt.30 Ob man sich damit Freunde auf der westdeutschen Seite machte, darf bezweifelt werden. Die Bandbreite der Aktivitäten und propagandistischen Maßnahmen unter dem Dach der Nationalen Front war erheblich und von immer neuem Aktionismus bestimmt. Die

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nalrates vom 29. Januar 1952, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 68; Messekundgebungen des NR der NF 1953, in: ebenda, DY 6 vorl. 57/1. Vgl. Bericht über den Chirurgen-Kongreß sowie Bericht Kammer der Technik vom 9. April 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 7/1; „Wir entsenden zur Schriftstellertagung nach München im März 1951: Johannes R. Becher, Stefan Hermlin, Bodo Uhse, Peter Hüchel und Willi Bredel." In: ebenda, DY 6 vorl. 59. Vgl. Interzonenpunkt Sonneberg-Hönbach, August 1951, Bericht über Interzonenpunkt Probstzella 1951, Landessekretariat Thüringen, Aufklärungslokale September 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 8/1. Vgl. Berichte der gesamtdeutschen Arbeit im Kreis Hildburghausen 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 56/2.

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Erfolge im Westen Deutschlands blieben aus. Eine Kampagne jagte die nächste und verhinderte ein allzu intensives Nachdenken über die Erfolglosigkeit der vorhergehenden Aktion. Die Mitarbeiter der Nationalen Front, verantwortlich für die Westarbeit oder die „gesamtdeutsche Arbeit", konnten sich noch so mühen, konnten ihren Arbeitseifer intensivieren und alle Kräfte mobilisieren, es gelang ihnen nicht, eine „Massenbewegung" in der Bundesrepublik für die nationalen Ziele der SED-Führung in Gang zu bringen. Da es keine positiven Resultate in der Westarbeit der Nationalen Front zu verzeichnen gab, sparte die SED-Führung nicht mit Kritik. Franz Dahlem, der für die Westarbeit Verantwortliche im SED-Politbüro, beschwerte sich bei Ulbricht über die Arbeit des Nationalrats der Nationalen Front. Besonders unzureichend befand er den Umgang und die Zusammenarbeit der DDR-Funktionäre mit den „Menschen aus Westdeutschland, die zu uns gefunden haben", d.h. er beanstandete die „Kaderarbeit" des Nationalrates.31 Gleiche Kritik mußte sich die westdeutsche KPD-Führung von Dahlem gefallen lassen. Auf dem Höhepunkt der SED-Aktivitäten mit Joseph Wirth-und schon den Mißerfolg absehend - warf Dahlem dem KPD-Vorsitzenden Max Reimann vor, die ganze „Angelegenheit der Aktion um Dr. Wirth" durch eine „unverständliche Passivität" und „Ignoranz" zu unterschätzen. Die „Genossen der KPD hätten es nämlich in den letzten Wochen und Monaten versäumt, einen geeigneten und vertrauenswürdigen Genossen als Kontaktperson zu Wirth" zu bestimmen.3 Während der Aktivitäten zur „Volksbefragung gegen Remilitarisierung und für gesamtdeutsche Gespräche" im Sommer 1951 gestand man vor dem SED-Parteivorstand selbstkritisch ein, daß die „bisherige Arbeit und die Ergebnisse bei der Entwicklung von Widerstandsbewegungen ... nicht der unmittelbar drohenden Kriegsgefahr und der Bereitschaft der Bevölkerung für den Kampf um die Erhaltung des Friedens und zur Abwehr der Kriegsvorbereitung auf deutschem Boden" entspräche. „Das liege zum wesentlichen darin begründet, daß wir [Nationale Front] es nicht verstanden haben, im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Auswirkungen der Kriegs- und Spaltungspolitik eine nationale Politik zu entwickeln und der Bevölkerung den Ausweg zu zeigen."33 Die Erfolglosigkeit der Arbeit der Nationalen Front spiegelte sich auch in der kläglichen Existenz der Ausschüsse der Nationalen Front in Westdeutschland wider. Nach der fehlgeschlagenen Volksbefragungsaktion im Sommer 1951 hatten sich viele west31

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Dahlem schrieb: „Die Erfahrungen, die ich bei der Besprechung mit den verantwortlichen Genossen im Nationalrat gemacht habe,... daß dieser Apparat des Nationalrats nicht imstande ist außer der Angabe von Papiersoldaten [hier im Sinne von Berichten] - zuverlässige Charakteristiken über die Menschen aus Westdeutschland zu machen, die im Verlaufe dieses ganzen Jahres irgendwie mit dem Nationalrat zu tun hatten oder in den westdeutschen Ausschüssen der Nationalen Front arbeiten. Es stellte sich heraus, daß keinerlei sorgfältige Betreuung und Weiterentwicklung wichtiger und wertvoller Menschen geschehen ist." Brief Franz Dahlems an Walter Ulbricht vom 31. Dezember 1951, in: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 27-28. Vgl. Brief Dahlems an Ulbricht vom 20. März 1952, in: ebenda, Bl. 97-98. Vorlage für das Sekretariat des PV über Aufgaben der Nationalen Front in Westdeutschland vom 13. Juli 1951, in: SAPMO-BA DY 6 vorl. 59.

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deutsche Ausschüsse der Nationalen Front aufgelöst.34 Wieder begann auf Initiative aus Ost-Berlin eine „Reaktivierung und Neubildung der Organe der Nationalen Front bei gleichzeitiger Qualifizierung und Verbreitung der Leitungen" vor Ort, d.h. die Ausschüsse der Nationalen Front im zentralen und Landesmaßstab im Westen Deutschlands mußten erneut arbeitsfähig gemacht werden. Wie sah die Situation 1951 aus: In Schleswig-Holstein bestand ein Landesausschuß mit 24 „einigermaßen arbeitenden Ortsausschüssen", in Hamburg arbeitete der Landesausschuß mit zehn Personen, in Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen muß es ebenfalls Landesausschüsse gegeben haben. In Niedersachsen, in Bremen, in Nordrhein-Westfalen existierten keine Landesausschüsse der Nationalen Front.35 Obwohl die ständige Anwesenheit von 18 hauptamtlichen Instrukteuren, gesandt aus dem Ost-Berliner Büro des Präsidiums des Nationalrates, sowie zwischen 50 und 80 ehrenamtlichen Instrukteuren oder anderen Persönlichkeiten aus der DDR garantiert war, konnte die Tätigkeit der westdeutschen Ausschüsse kaum verbessert werden.36 Liest man hingegen SED-interne Rechenschaftsberichte zur Entwicklung der Nationalen Front in Westdeutschland, nehmen sie sich als einzige Erfolgsberichte aus. Wilhelm Koenen, der Vorsitzende des Büros des Präsidiums des Nationalrats der Nationalen Front, scheute sich nicht, als Ergebnis der Arbeit seiner Organisation zu formulieren: „Die nationale Bewegung hat in Westdeutschland im Laufe des Jahres 1951 außerordentlich an Breite und Tiefe gewonnen."37 In der Realität muß die politisch-agitatorische Wirkung der westdeutschen Ausschüsse der Nationalen Front auf die Bevölkerung der Bundesrepublik noch geringer gewesen sein, als all die anderen Aktivitäten, die von Ostdeutschland aus auf den Weg gebracht wurden.38 34

In der Bundesrepublik wurde beantragt, die mit der Vorbereitung und Durchfuhrung der Volksbefragung befaßten Organisationen (VVN, FDJ, Gesamtdeutscher Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft, Deutsches Arbeitskomitee) zu verbieten. Die „Volksbefragung gegen Remilitarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahr 1951" fand in der Bundesrepublik kaum Unterstützung, in der DDR wurde sie durchgeführt vom 3.-5. Juni 1951. Vgl. 143. Kabinettsssitzung am 24. April 1951, Sondersitzung der Bundesregierung am 30. Mai 1951, in: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 4. 1951, S. 333 f., 403 f.; Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 176.

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Vgl. Bericht über die Arbeit der Nationalen Front vom 29. Oktober 1951, in: SAPMO-BA NY 4074/215/B1. 2-5. Vgl. Bericht über den Stand der Arbeit des Büros des Präsidiums des NR vom 14. Januar 1952, in: SAPMO-BA NY 4074/207/B1. 42. W. Koenen vom 10. Dezember 1951, in: SAPMO-BA NY 4074/69/B1. 244-250. Auch wenn heute eine Vielzahl der Aktionen der Nationalen Front z.T. grotesk erscheinen, darf nicht vergessen werden, daß die westdeutsche Seite sich sehr wohl von den nationalen Offensiven der ostdeutschen Kommunisten bedroht fühlte und sie z.T. wegen der generalstabsmäßig durchgeführten Propagandaaktionen auch beneideten. Interessant wären in diesem Zusammenhang, die Aktivitäten westdeutscher Gremien (z. B. der Gesamtdeutsche Ausschuß des Deutschen Bundestages oder das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen) zu untersuchen, um in Erfahrung zu bringen, welche Mühe sie darauf verwandten, ihre Propaganda gegenüber der DDR zu verbessern. Vgl. Andreas Biefang, S. 690 f.

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5. Dauerkrise in der Westarbeit: Versuche der Gegensteuerung durch das Politbüro A.

Organisations„wirrwarr"

Der Misere in der „gesamtdeutschen Arbeit" bei der Nationalen Front wie auch insgesamt versuchte das SED-Politbüro im Frühjahr 1953 durch die Bildung immer neuer Gremien beizukommen. Neben der Abteilung IV „Gesamtdeutsche Fragen" bei der Nationalen Front unter Leitung von Walter Vesper wurde ein „Büro für Gesamtdeutsche Fragen beim Nationalrat der Nationalen Front" eingerichtet, welches unter direkter Anleitung und Kontrolle durch das ZK der SED, jedoch nicht unter die Leitung des Nationalrates gestellt wurde. Die Schaffung des „Büros für Gesamtdeutsche Fragen" begründeten die Politbüro-Verantwortlichen mit den Worten: Ziel des Gremiums sei es, „... die Aufklärungsarbeit nach Westdeutschland wesentlich zu verstärken, den fortschrittlichen und patriotischen Kräften Orientierung und Unterstützung zu geben, sowie der Tätigkeit der Gegner stärker entgegenzuwirken".1 Die Aufgaben des Büros legten sie fest mit: a) einer unmittelbaren Einflußnahme auf die Entwicklung in Westdeutschland „durch eine verständliche und prinzipielle Darlegung unserer nationalen Politik" und „Zerschlagung der Hetzargumente" gegen die DDR, b) einer gründlichen Auseinandersetzung mit Politik und Theorie der Sozialdemokratie und rechter Gewerkschaftsführer und c) der Verbreitung von Stellungnahmen zu allen Ereignissen politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Natur. Die Bandbreite der Tätigkeitsfelder zeigte sich in den neun eingerichteten Arbeitsgruppen: 1. Arbeiterpolitik (SPD und Gewerkschaften), 2. Gegnerische Parteien (West-CDU, CSU oder FDP), 3. Wirtschaft und Handel, 4. Landwirtschaft, 5. Kommunalpolitik, 6. Kunst und Literatur, 7. Frauen, 8. Jugend und 9. Einwirkung auf Soldatenorganisationen. Die ideologische Arbeit in der Bundesrepublik sollte mit Hilfe von Rundfunksendungen erfolgen. Die Intensivierung der ostdeutschen Rundfunkpropaganda könnte als direkte Reaktion auf die aktivere Informationsarbeit in Presse und Rundfunk des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen gesehen werden.3 Die Anleitung und Kontrolle des Büros für Gesamtdeutsche Fragen erfolgte wie gefordert über das ZK der SED, speziell über den Kommunisten Paul Verner4, ZK1 2 3

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PB-Sitzung vom 26. Mai 1953, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/2/282/B1. 3,11. Vgl. ebenda, Bl. 11-12. Seit 1950 bemühte sich das BMG und insbesondere Jakob Kaiser persönlich, zunächst über die Medien Initiativen zur Abwehr von den „stark einsetzenden Agitations- und Infiltrationsaktionen der Nationalen Front" zu starten, um dann zu einer Information der DDR-Bevölkerung über Entwicklungen in der Bundesrepublik überzugehen. Vgl. Erich Kosthorst, S. 195 ff. P. Verner (1911-1986), 1929 KPD, Redakteur bei kommunistischen Jugendzeitungen, 1932-1934 in Moskau bei der „Komsomolskaja Prawda" (Eltern in Moskau verhaftet, 1956 rehabilitiert), 1934-1935 in Paris und Amsterdam, dann spanischer Bürgerkrieg, ab 1939 in Schweden, dort verhaftet, 1946 Rückkehr in die SBZ, PV der SED, seit 1950 ZK-Mitglied, 1953-1958 Leiter der

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Sekretär für gesamtdeutsche Fragen. Verner hatte neben Franz Dahlem seit 1950 Aufgaben der Westarbeit, Überwachung und Leitung der Westarbeit der Blockparteien und Massenorganisationen sowie der Nationalen Front durch den ZK-Apparat, mitübernommen. Im einzelnen gestaltet es sich schwierig, die Organisationen und Zuständigkeiten der für die Westarbeit verantwortlichen Gremien im Umfeld von Politbüro und ZK-Apparat Anfang der fünfziger Jahre genau zuzuordnen. Sie bestanden teilweise parallel oder folgten aufeinander, wurden innerhalb kurzer Zeit aufgelöst und wieder neu gegründet. Die Mitglieder der Gremien, vor allem die weniger bekannten, wechselten oft. Die „führenden Genossen in der Westarbeit" wie Dahlem, Verner, Glückauf, Schirdewan waren sowohl in dem einen wie in dem anderen Gremium mit ständig wechselnden Arbeitsgebieten vertreten. Im Januar 1951 wurde auf Sekretariatsbeschluß des SEDPolitbüros die „Westkommission" beim Politbüro aufgelöst und ein ,Arbeitsbüro der KPD" geschaffen.6 Das,Arbeitsbüro der KPD" befaßte sich in erster Linie mit der Anleitung der KPD in Westdeutschland. Als sekundäre Aufgabe verblieb die operative Arbeit in der Bundesrepublik, insbesondere die Einflußnahme auf SPD und DGB, und die Koordinierungsfunktion bei der Westarbeit der Blockparteien und Massenorganisationen in der DDR. Seit 1952 leitete Erich Glückauf das Arbeitsbüro, 1959 wurde er Politbüromitglied der illegalen KPD in der Bundesrepublik.7 1951 oder 1952 muß im ZK-Apparat auch eine „Abteilung für gesamtdeutsche Fragen (Westabteilung)" eingerichtet worden sein.8 Im November 1952 beschloß das Politbüro, „um die Arbeit... des eigenen Apparates wesentlich zu verbessern, der immer noch erhebliche Mängel zu verzeichnen hat", erneut „... für die Arbeit in Westdeutschland eine Kommission beim Politbüro" zu bilden.9 Dieser „Kommission für die Arbeit in Westdeutschland" gehörten hochrangige

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ZK-Abteilung für gesamtdeutsche Fragen, verantwortlich ftlr konspirative Arbeit in der BRD, ab 1958 Kandidat des PB, verantwortlich für Westpropaganda, seit 1963 Mitglied des PB, seit 1971 Mitglied des Staatsrates. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 755. Im nicht sehr umfangreichen Nachlaß Paul Verners (SAPMO-BA NY 4281) fanden sich keine Unterlagen über seine Tätigkeit als Leiter der Westabteilung beim ZK der SED. Franz Dahlem hatte am 31. Dezember 1951 an Walter Ulbricht geschrieben: „Ich empfehle Dir zu veranlassen, daß Paul [Verner] vollständig für die westdeutsche Arbeit frei gemacht wird, damit er auch die Massenarbeit von der DDR aus nicht nur am Rande, sondern in allen ihren Einzelheiten übersieht, damit jederzeit eine vollständige Abstimmung in allen Fragen des Einsatzes der Persönlichkeiten für die verschiedenen Bewegungen, Komitees usw.... erfolgen kann und keine Gefahr des Nebeneinanderarbeitens erfolgt". In: SAPMO-BA NY 4182/870/B1. 28. Vgl. Sekretariatssitzung vom 8. Januar 1951, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/165/B1. 1-2; Besprechung Pieck bei Tschuikow usw., in: Wilhelm Pieck - Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, S. 365; Michael Kubina, „Was in dem einen Teil...", S. 488. Vgl. Jochen Staadt, Westarbeit der SED, S. 686; Sekretariatssitzung vom 8. Januar 1951, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/165/B1. 2; „Kaderakte" E. Glückauf, in: ebenda, DY 30 IV 2/11 V 2525; Unterlagen zur Anleitung im Arbeitsbüro, in: SAPMO-BA NY 4200/14 und NY 4200/15. Vgl. PB-Sitzung vom 11. November 1952, in: SAPMO-BA DY 3 0 I V 2/2/244. Vgl. ebenda.

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Funktionäre an: Walter Ulbricht, Franz Dahlem, Rudolf Herrnstadt (alle Mitglieder des Politbüros), Paul Verner (Sekretariats- und ZK-Mitglied, im Sekretariat verantwortlich für Fragen Westdeutschlands), Hermann Axen (ZK-Sekretär und Leiter der ZKAbteilung Agitation), Erich Glückauf (Leiter des Arbeitsbüros der KPD) und zwei nicht benannte Vertreter des KPD-Parteivorstands aus Westdeutschland. Für die Durchführung der Beschlüsse der „Kommission für die Arbeit in Westdeutschland" beim Politbüro erging die Anweisung, die „Westabteilung"10 auszubauen. Das ZK-Sekretariatsmitglied für Fragen Westdeutschlands Paul Verner übernahm die Anleitung und Kontrolle der Westarbeit der DDR-Massenorganisationen.11 Zehn Monate später, im August 1953, nach den für die SED-Spitze dramatischen Ereignissen vom 17. Juni, organisierten sie wieder um. Die SED löste die Westkommission des Politbüros auf und nahm die Gründung eines „Ausschusses für Deutsche Einheit" in Aussicht. Für die Arbeit des Ausschusses zeichneten Walter Ulbricht und Friedrich Ebert gegenüber dem Politbüro verantwortlich. Als Mitglieder im Ausschuß waren vorgesehen: Albert Norden als Leiter des Ausschusses, Paul Verner als Sekretär des Ausschusses (gleichzeitig war er zu diesem Zeitpunkt nach der Ablösung Franz Dahlems Leiter der Westabteilung im ZK) sowie die SED-Funktionäre Arne Rehahn12, Wilhelm Girnus13, Willy Perk14 und Erich Glückauf. Zugleich erging der Beschluß, jenes im Mai 1953 geschaffene „Büro für gesamtdeutsche Fragen beim Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland" wieder aufzulösen, da der „Ausschuß für Deutsche Einheit" in Zukunft das Aufgabenfeld des Büros mit abdecken würde.15 Unter den 15 Abteilungen im SED-ZK-Apparat im Sommer 1953 behauptete die „Westabteilung", Leiter Paul Verner, ihren Platz. 6

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Aus der Notiz im Politbüroprotokoll vom 11. November 1952 wird geschlossen, daß es Ende 1952 eine „Westabteilung" als ZK-Abteilung unter Leitung Dahlems gab. Vgl. PB-Sitzung vom 11. November 1952, in: SAPMO-BA DY 30IV 2/2/244. A. Rehahn (1924-1975), 1942 freiwillig zur Luftwaffe, 1945 Antifa-Lager Ascot bei London, dann Einsatz beim NWDR Hamburg, Übersiedlung in die SBZ, 1946 KPD/SED, Redakteur beim ND, 1953-1959 Ausschuß für Deutsche Einheit, dann Mitglied der neugebildeten Westkommission beim PB, 1966-1971 im Staatssekretariat für westdeutsche Fragen, danach Mitarbeiter im IPW. Vgl. Wer war Wer in der DDR, S. 592. W. Girnus (1906-1985), Studium der Malerei, Kunstgeschichte, Literatur in Breslau, an der Sorbonne in Paris, 1929 KPD, 1933-1945 illegale Arbeit, Verhaftung, u. a. im KZ Sachsenhausen, nach 1945 Rundfunkintendant und Redakteur beim ND, 1953-1957 Sekretär des Ausschusses für Deutsche Einheit, dann StS für Hoch- und Fachschulwesen, später Professor an der HumboldtUniversität Berlin. Vgl. ebenda, S. 222 f. W. Perk (1905-1983), SED-Funktionär. Vgl. Sekretariatssitzung vom 12. August 1953 und PB-Sitzung vom 18. August 1953, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/3/394 und DY 30 JIV 2/2/316. Vgl. Sekretariatssitzung vom 12. August 1953, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/3/394.

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B. Die Spitzen der Blockparteien im Visier Die politische und ökonomische Krise des SED-Staates, die sich seit dem Spätherbst 1952 abzuzeichnen begann, hatte ihre primären Ursachen in dem ohne Rücksicht auf die realen Interessen und die Stimmungslage der Bevölkerung durchgedrückten Kurs des „planmäßigen Aufbaus des Sozialismus" in der DDR. Verschärfte Kollektivierungsversuche auf dem Land, bei den Handwerkern und anderen gewerblichen Mittelständlern, ideologischer Druck auf die Kirchen (z. B. Verbot des Religionsunterrichts in der Schule), auf Künstler (Förderung des „sozialistischen Realismus" in der Kunst), Wissenschaftler und andere Intellektuelle forcierten die Flucht der Menschen von Ost nach West17; Produktionslücken und Mängel in der täglichen Versorgung der Bevölkerung nahmen dramatische Ausmaße an. Der SED-Apparat reagierte mit noch stärkeren Repressionen, mit einer wachsenden Zahl von Strafprozessen gegen „Agenten und Saboteure". Nachdem substantielle finanzielle Unterstützung für Ost-Berlin von der neuen Sowjetfuhrung Anfang April 1953 abgelehnt wurde - Stalin war am 5. März 1953 gestorben - führten die von der SED-Spitze angeordneten rigorosen Sparmaßnahmen (u. a. die 10-prozentige Arbeitsnormerhöhung und die damit verbundene empfindliche Reallohnsenkung für Industriearbeiter) zu einer Verschärfung der innenpolitischen Lage im Land.18 In dieser Situation, genau am 26. Mai 1953, beschloß das SED-Politbüro ein striktes Verbot eigenständiger Westarbeit der Blockparteien LDPD und CDU.19 Beiden Parteien wurde untersagt, „eigene Westarbeit" durchzuführen. Ihre jeweiligen Westabteilungen, so lautete die Politbüro-Anordung, seien aufzulösen. Grund für diese Maßnahme sahen die Spitzenfunktionäre darin, daß ihnen der Überblick über die Westarbeit von CDU und LDPD fehlte. Unumwunden hielt das Politbüroprotokoll fest: „Über die Westarbeit der CDU bestand bisher keine Kontrolle, und es besteht der begründete Verdacht, daß illegale Arbeit geleistet wird. Darüber hinaus ist die Monopolstellung der CDU auf die 17

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In den streng geheimen Aufzeichnungen des Politbüros vom 5. Juni 1953 (vier Tage vor der öffentlichen Einleitung des „Neuen Kurses") hieß es dazu: „Unter den breiten Massen der Bevölkerung ... ist eine ernste Unzufriedenheit zu verzeichnen in bezug auf die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen ... Das kommt am deutlichsten in der massenhaften Flucht der Einwohner der DDR nach Westdeutschland zum Ausdruck. So sind vom Januar 1951 bis April 1953 447.000 Personen nach Westdeutschland geflüchtet, darunter über 120.000 lediglich während der vier Monate des Jahres 1953. ... Unter den 1953 Geflüchteten befinden sich: Arbeiter etwa 18.000, mittlere und Kleinbauern, Handwerker und Rentner - etwa 9.000, Angestellte und Angehörige der Intelligenz - etwa 17.000, Hausfrauen über 24.000. Von den Einheiten der kasernierten Polizei sind nach Westdeutschland 8.000 Mann geflüchtet. Es fällt auf, daß sich unter den innerhalb der vier Monate 1953 nach Westdeutschland Geflüchteten, 2.718 Mitglieder und Kandidaten der SED und 2.610 Mitglieder der FDJ befinden." PB-Sitzung, in: SAPMO-BA DY 30 J I V 2/2/286/B1. 4. Vgl. Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 193 ff. Vgl. zur Westarbeit der CDU Anfang der fünfziger Jahre bei Michael Richter, Die Ost-CDU 1948-1952, S. 341-345 und für den Zeitraum 1950-1971 bei Martin Rißmann, „Die Differenzierung fördern...", S. 183-200.

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Bearbeitung der christlichen Kreise gemäß der Direktive des Politbüros auch in Westdeutschland zu brechen." Und über die Westarbeit der LDPD hieß es: „Wir haben der LDP vor einem halben Jahr, unter Hinweis auf die Gefahr von Agentenarbeit, empfohlen, ihre Westarbeit einzustellen. Es hat sich gezeigt, daß eine Reihe von LDPFunktionären, die auf Weisung ihrer Partei Westverbindung aufnahmen, vom Gegner geworben und entweder verhaftet oder republikflüchtig wurden. Die in den vergangenen Jahren durch die LDP angeknüpften Verbindungen nach Westdeutschland waren nur bis zu einem bestimmten Grad zweckmäßig. Die LDP ist auf Grund ihres Charakters gar nicht in der Lage, eine in unserem Sinne liegende Westarbeit zu leisten. ... Angesichts der offenen und versteckten Feindarbeit in der LDP ist es notwendig, dieser ... keine Westarbeit zuzugestehen."20 Die Ängste der SED-Führung um die ihrer Meinung nach außer Kontrolle geratenen Westarbeit bei den Liberalen und den Christdemokraten mag mit den Gründen und Umständen der im Dezember 1952 bzw. Januar 1953 erfolgten Verhaftungen des LDPDMinisters Karl Hamann und des CDU-Ministers Georg Dertinger zu tun gehabt haben.21 Daß die beiden anderen Blockparteien, NDPD und DBD, von diesem Verbot der Westarbeit mehr oder minder ausgenommen wurden, entsprach einfach der Tatsache, daß Umfang und Wirkung ihrer Westarbeit gering und unter Kontrolle waren. Der Westarbeit der NDPD wurde besonders die Zielgruppe „ehemaliger Mitglieder der Nazipartei sowie ehemalige Offiziere und Berufssoldaten der Hitlerarmee" in der Bundesrepublik ans Herz gelegt. Nach dem 17. Juni 1953 hob die SED die Entscheidung des Verbotes der Westarbeit der Blockparteien stillschweigend wieder auf. CDU und LDPD behielten ihre Westabteilungen, bemühten sich weiter, mit eher noch weniger Erfolg, um Kontakte in der Bundesrepublik. Dafür nahm die geheimdienstliche Überwachung der Blockparteien an Intensität zu.22 Spitzenpolitiker der Blockparteien standen wegen ihrer Kontakte (bzw. vermeindlichen Kontakte) in die Bundesrepublik unter ständiger Beobachtung und Kontrolle durch das Ministerium für Staatssicherheit. Das betraf zum Beispiel die NDPDPolitiker Lothar Bolz23 und Vincenz Müller sowie den CDU-Vorsitzenden Otto Nuschke und den CDU-Generalsekretär Gerald Gotting.24 20

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Sekretariatsprotokoll vom 21. Mai 1953 und PB-Sitzung vom 26. Mai 1953, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/3/383 und DY 30 J IV 2/2/282. Vollständiger Abdruck des Beschlusses bei Karl-Heinz Schmidt, S. 2185-2189. Dazu im Abschnitt III.6. Ulbricht kritisierte im September 1953: „Der Informationsapparat der Staatssicherheitsorgane ist außerordentlich schwach. ... Es fehlen wertvolle Agenturen innerhalb der bürgerlichen Parteien der DDR. Bis jetzt werden die sozialdemokratischen Organisationen ... sowie die feindlichen Elemente in den Gewerkschaftsorganisationen ungenügend bearbeitet. Es gibt keine Agentur in kirchlichen Kreisen ..." In: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/202/62. Vgl. Akte Bolz, in: BStU MfS AP 6732/89/B1. 3-22. Völlig unbegründet waren die SED-Befürchtungen nicht. So lieferte Hermann Kastner (LDPD), 1949/50 Vorsitzender der LDPD und Stellvertretender Ministerpräsident, bis zu seiner Flucht aus der DDR 1956 jahrelang Informationen an den Geheimdienst der Bundesrepublik (GehlenApparat). Vgl. Karl Wilhelm Fricke, „Konzentrierte Schläge", S. 71.

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Vincenz Müller, Jahrgang 1894, von 1913 bis 1944 Berufssoldat und Offizier, nach der Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1948 führend am Aufbau der Kasernierten Volkspolizei, dann der Nationalen Volksarmee beteiligt, war selbst Mitarbeiter des MfS, Deckname „Heinrich". Trotzdem wurden seine von DDR-Seite in Auftrag gegebenen Verbindungen nach Westdeutschland überwacht. Über einen Mittelsmann soll Vincenz Müller z. B. im Jahr 1952 zu „ehemaligen Offizieren der faschistischen Wehrmacht" in München, Ulm und Hamburg Kontakt aufgenommen haben, mit dem Ziel, „ihre politische Einstellung festzustellen und diese eventuell für uns [MfS/DDR] zu gewinnen". Die in der Bundesrepublik angesprochenen ehemaligen Militärs sollen sich nicht unwillig gezeigt haben.25 Die Überwachung der CDU-Funktionäre Nuschke und Gotting erfolgte durch die Staatssicherheit unter dem Aktenvorgang „Tarnmanöver" von 1950 bis ca. 1959. Ein offizieller, auch von Erich Mielke - damals noch Stellvertreter des Staatssekretärs für Staatssicherheit - unterzeichneter Beschluß zum Anlegen eines „Überprüfungsvorganges" lag erst seit Februar bzw. November 1954 vor, doch der Akteninhalt verweist auf eine Observation seit 1950. In beiden Fällen fand sich der Grund einer Überwachung in Verbindungen zu Personen aus West-Berlin bzw. Westdeutschland.26 Der CDUGeneralsekretär kontaktierte Mitarbeiter der Staatssicherheit seit mindestens Anfang 1952. 27 Er berichtete über Interna und über Mitarbeiter aus der CDU-Parteileitung so-

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Vgl. Treff-Bericht mit Gl [G.A.] vom 6. Juli 1955 und Vorschlag, Müller, Vincenz vom 25. September 1950, in: BStU AGI167/51, Bd. 2, Bl. 36-37 und Bd. 1, Bl. 9, 17. An die deutschdeutschen Kontakte zwischen V. Müller und dem CSU-Politiker Fritz Schäffer 1956 wird erinnert. Vgl. Hanns Jürgen Küsters, S. 107-153. „Gründe für das Anlegen des Vorganges: N.[uschke] hat Verbindung nach Westberlin zu Freiherr von Richthofen und Journalist [Name von der Gauck-Behörde geschwärzt] ... Bei seiner Verschleppung nach Westberlin am 17. Juni hat er mit dem Pressechef Brammer gesprochen, der ihm anbot, in Westberlin zu bleiben. Außerdem ist N.[uschke] ein Feind der SED und des stellvertretenden Ministerpräsidenten W. Ulbricht." „Gründe für das Anlegen des Vorganges: G. [Otting] steht im Verdacht, unter Ausnutzung seiner Funktion eine Zersetzungstätigkeit innerhalb der CDU zu betreiben mit dem Ziel, die Einheit Deutschlands auf bürgerlich-kapitalistischer Grundlage wiederherzustellen." Der Vorgang um Götting wurde im September 1957 eingestellt, aber mit dem Hinweis: „Die Personen stehen weiter durch gute, überprüfte inoffizielle Mitarbeiter unter Kontrolle." Der Vorgang Nuschke endete mit seinem Tod 1957. Vgl. Staatssekretariat für Staatssicherheit, Beschluß vom 23. Februar 1954 und vom 15. November 1954, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 3, Bl. 75-76 und Bd. 1, Bl. 3-4, 10-11; Beschluß für das Ablegen eines Operativ-Vorganges vom 5. September 1957, in: ebenda, Bd. 2, Bl. 105; Abschrift vom 6. November 1951 und CDU und Nationale Streitkräfte vom 4. Juni 1952, in: ebenda, Bd. 1, Bl. 15, 31. Wörtlich im Auskunftsbericht über Götting vom 24. März 1961: „Seit Anfang 1952 besteht zu Götting von Seiten des MfS offizielle Verbindung. Mit ihm wurden politische und organisatorische Fragen betr. der CDU abgesprochen." In: BStU MfS AP 11730/92/B1. 176,179.

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Gespräch

wie über Gespräche zwischen Gustav Heinemann, Probst Heinrich Grüber, Otto Nuschke u. a. Ost-CDU-Funktionären im März 1952.28 In der ersten Hälfte des Jahres 1953 hatten die MfS-Aktivitäten stark zugenommen. Dem Generalsekretär der CDU Gerald Götting, Jahrgang 1923, schrieben die Staatssicherheitsmitarbeiter in bezug auf seine Stellung zur nationale Frage und zur Konzeption für die „Herbeiführung eines einheitlichen Deutschlands", folgende Äußerungen zu: Kein Land sei imstande, die Grundlagen des Sozialismus aufzubauen, wenn es gespalten ist. Die Frage der Einheit Deutschlands müsse vor der Frage des Aufbaus der Grundlagen des Sozialismus gelöst werden. 29 Damit vertrat Götting in den Tagen um den 17. Juni kaum eine andere Meinung, als sie auch die SED-Spitze vertreten mußte, die von sowjetischer Seite Ende Mai/Anfang Juni darauf verwiesen worden war, den Kurs zum Aufbau des Sozialismus zu revidieren und wieder eine intensivere Politik zur Herstellung eines neutralen demokratischen Deutschland zu betreiben. 30 Den SEDFunktionären warf Götting vor, die religiöse Frage beim Kampf um die Einheit Deutschlands zu ignorieren. Der SED würde es nie gelingen, „ganz Deutschland zu sich herüberzuziehen", denn die SED hätte nicht begriffen, „daß sie die Einheit Deutschlands nur erringen kann durch die Gewinnung der christlichen Menschen und mit Hilfe der Kirche. Dazu brauche sie als 'Transmission' die CDU. Aber im ZK wäre man borniert und beschränkt und sähe das nicht." 31 Vor den Ereignissen um den 17. Juni muß Götting sich wiederholt ganz anders zur deutschen Wiedervereinigung geäußert haben: „Westdeutschland erobern wir entweder durch Krieg oder durch Revolution" - so Götting. Die ostdeutschen (bzw. sowjetischen) Verhandlungsangebote und Noten sowie eine Beteiligung der Ost-CDU an gesamtdeutschen Gesprächen tat er als Propaganda ab. Größte Sorge bereitete Götting im Jahr 1952 und Anfang 1953 seine Vermutung über ein zukünftiges „Einparteiensystem" (Wegfallen der Blockparteien) in der DDR, und wie man „den rechten Termin abpassen müsse, um zur SED überzuwechseln". 32 28

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Vgl. Rücksprache mit Götting, 24. Januar 1952; Rücksprache mit Götting, 11. Juni 1952; Gespräch mit Heinemann am 12. März 1952; Treffbericht mit Götting vom 27. November 1952, in: BStU MfS AP 11730/92/B1. 4-13. G. Götting am 9. Juli 1953 bei einer CDU-Bezirksverbands-Besprechung in Karl-Marx-Stadt: „Die Regierung der DDR hat von Anfang an die Konzeption vertreten, das einheitliche Deutschland auf friedlichem Wege herzustellen. Die Regierung hat trotz großer Schwierigkeiten diese Bemühungen laufend fortgesetzt. Als aber die Widerstände seitens Westdeutschlands immer größer wurden, entwickelte man bei uns eine Konzeption, solche ökonomischen Verhältnisse zu schaffen, daß diese wie ein Magnet auf die westdeutsche Bevölkerung wirken sollten, um uns somit in die Lage zu versetzen, durch unser Übergewicht diese Frage friedlich zu lösen. Dieser Plan verdichtete sich in dem Begriff, 'die Grundlagen des Sozialismus in unserer DDR aufzubauen'. ... Es hat sich aber gezeigt, daß kein Land imstande ist, die Grundlagen des Sozialismus aufzubauen, das gespalten ist." In: BStU AOP 1194/57, Bd. 1, Bl. 49-50, 84. Vgl. Über die Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der Deutschen Demokratischen Republik, PB-Sitzung vom 5. Juni 1953, in: SAPMO-BA DY 30 J IV 2/2/286; Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind, S. 198 ff. Bericht des Gl „Anton" vom 16. Oktober 1954, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 1, Bl. 142. Über Gerald Götting, Anfang 1953, in: BStU MfS AP 11730/92/B1. 32-35.

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Gerald Gotting stand fest auf der „SED-Seite". Verbal grenzte er sich deutlich gegen die „Adenauer-CDU" ab, und Forderungen nach freien Wahlen in der DDR aus dem Kreis seiner CDU-Parteifreunde entgegnete er zweideutig: Die geforderten freien Wahlen in der DDR seien zurückzustellen in Hinblick auf gesamtdeutsche Wahlen; auch hätte die CDU nicht die Mittel, um einen Wahlkampf jetzt durchzuführen.33 Im weiteren Verlauf zeigte sich aber, daß die SED-Spitze Gotting die auch noch Mitte Juli 1953, als SED-offiziell das Erklärungsmuster für die Ereignisse um den 17. Juni schon auf einen „faschistischen Putsch" hinauslief, öffentlich geäußerte Meinung - "es werden keine Grundlagen des Sozialismus weiterentwickelt, ersteinmal die deutsche Einheit herbeiführen und dann sieht es sowieso anders aus [Hervh. H.A.]"34 - ankreidete.35 Die wechselnden Meinungsäußerungen, immer der gerade herrschenden politischen Situation angepaßt, führten zu entsprechenden MfS-Beurteilungen. Die Stasioffiziere sahen in Göttings seit Sommer 1953 öffentlich zur Schau gestellten „fortschrittliche Haltung" nur Fassade: „Gotting ist raffiniert und bemüht sich, in der Öffentlichkeit keinen Anstoß zu erregen. Er versucht, jedem Menschen nach dem Mund zu reden, um es mit keinem zu verderben." Als Reaktion legte die Staatssicherheit einen „Überwachungsvorgang" über den CDU-Generalsekretär an.36 Im Fall des CDU-Vorsitzenden und Stellvertretenden DDR-Ministerpräsidenten Otto Nuschke schien die Überwachung seitens der DDR-Führung noch gebotener. Hier wie auch im Fall Gerald Göttings ging es nicht nur um divergierende Auffassungen in der deutsch-deutschen Politik und um Kontakte in die Bundesrepublik, sondern um Nuschkes öffentlich gemachte Angriffe auf die SED, ihre Politik und insbesondere auf die Person Walter Ulbrichts.37 In den MfS-Berichten zu Nuschke in den Jahren zwi33 34 35

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Vgl. Außerordentliche Sitzung aller CDU-Kreisverbandsvorsitzenden vom 10. Juli 1953 und CDU-Funktionärstagung am 9. Juli 1953, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 1, Bl. 65-66, 85. Außerordentliche Sitzung im Bezirksmaßstab vom 10. Juli 1953, in: ebenda, Bl. 67. Vgl. Betr.: Generalsekretär der CDU, 12. November 1953, in: ebenda, Bl. 98-102. Mehr noch als die Bemerkung zur nationalen Frage mißbilligte die SED Göttings Kritik an dem Vorgehen der SED-Machthaber gegen die Kirchen (insbesondere gegen die „Junge Gemeinde"), an der SEDBürokratie, der Rechtsunsicherheit in der DDR und der Problematik der „politischen Gefangenen" sowie seine Kritik an den „Organen der Staatssicherheit". Vgl. auch den Bericht des MfS über die Lage in der CDU vom 8. Juli 1953 und die Einschätzung G. Göttings durch das MfS vom 15. Oktober 1954, beide abgedruckt bei: Siegfried Suckut, Die DDR-Blockparteien im Lichte neuer Quellen, S. 134-151. Vgl. Charakteristik über G. Gotting, 15. Oktober 1954; Auskunftsbericht über Gotting, 24. März 1961, in: BStU MfS AOP 1194/57, Bd. 1, Bl. 54-56,176-182. In den MfS-Berichten wurden Nuschkes Aussagen über Ulbricht festgehalten, u. a.: „So rechnete er [Nuschke] nach dem Putsch [17. Juni 1953] stark damit, eine Regierung unter seiner Leitung bilden zu können, ohne jedoch solche Leute wie Ulbricht', wie er sich ausdrückte, mit hineinzunehmen." Und: „Für den [Ulbricht] besteht die Welt nur aus Kommunisten und Saboteuren. Ein großer Westmann hätte ihm [Nuschke] gesagt, der Westen könne Adenauer nicht den Laufpaß geben, ebenso könne man 'den folgsamen Ulbricht nicht laufen lassen'." Oder: „Es kommt die Zeit, wo wir uns von der Pflege der SED befreien und zur selbständigen Politik übergehen werden. Wir wollen freie Wahlen, aber frei vom Einfluß seitens der SED." (beide Zitate Anfang

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sehen 1953 bis 1955 fand eine seiner Aussagen zur Frage der „Einheit Deutschlands" wiederholt Erwähnung: Im Kreis von Volkskammerabgeordneten hätte Nuschke am 2. Oktober 1953 geäußert, „Walter Ulbricht habe den Westen längst abgeschrieben und arbeite jetzt an der Wiederfestmachung der DDR ähnlich einer Rüstung". Er, Nuschke sei froh, nicht das Amt des DDR-Außenministers übernommen zu haben, denn „ein CDU-Außenminister kann derartige Wege, wie sie jetzt die Politik Ulbrichts geht [das Aufgeben der deutschen Einheit als Nahziel der Politik, (H.A.)] niemals gutheißen." Verdächtig schienen vor allem Nuschkes Kontakte in die Bundesrepublik. Die SEDGenossen besaßen darüber vermutlich keine lückenlose Kontrolle. Nuschke war 1953 70 Jahre alt, und seine politische Karriere hatte ihn als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei 1919 in die Weimarer Nationalversammlung und von 1921 bis 1933 als Abgeordneter in den Reichstag und den Preußischen Landtag geführt. Sein Bekanntenkreis unter den deutschen Parlamentariern war groß. In den MfS-Berichten fand wiederholt Erwähnung, daß Nuschke über vielfältige Beziehungen nach Westdeutschland verfuge. Konkret genannt werden für den Zeitraum zwischen 1950 und 1954 regelmäßige Verbindungen persönlicher und schriftlicher Art zu seinem ehemaligen Parteikollegen Ernst Lemmer3 , zum früheren Zentrumsmitglied Erwin Respondek4 und zum früheren Reichstagsabgeordneten und DDP-Mitglied Freiherr von Richthofen41, die beiden letzteren Anfang der fünfziger Jahre in West-Berlin ansässig. Über von Richthofen sollen weitere Beziehungen in journalistische Kreise, zu westdeutschen und ausländischen Journalisten42, geknüpft worden sein. Konkret genannt wurden ein Hamburger Korrespondent der Zeitschrift „Der Spiegel" und ein Mitarbeiter der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Außerdem gab es Kontakte zu evangelischen Kirchenkreisen in Darmstadt und in Süddeutschland. 3

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1954), Bericht zu Nuschke vom 9. Juli 1956, Charakteristik Nuschkes vom 23. Februar 1954, in: ebenda, Bd. 2, Bl. 60,139. Charakteristik des Parteivorsitzenden der CDU Nuschke, Otto vom 23. Februar 1954 und Bericht vom 29. Juni 1956, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 2, Bl. 61, 140. Vgl. Aktenvermerk vom 15. September 1961, in: BStU MfS AP 11730/92/B1. 216. Erwin Respondek wird nachgesagt, er habe von West-Berlin aus Verbindungen zur Sowjetischen Kontroll-Kommission nach Berlin-Karlshorst unterhalten und von dort interne Informationen bekommen. Vgl. Erhard Eppler, S. 33; John V. H. Dippel, S. 129-143 (hier der Bezug zu westlichen Geheimdiensten, nicht zum sowjetischen). Hartmann Freiherr von Richthofen (1878-1953), seit 1902 im Diplomatischen Dienst des Reiches, seit 1912 Mitglied der Nationalliberalen und im Reichstag, seit 1919 DDP-Mitglied, nach 1945 publizistisches Wirken bei westdeutschen Zeitungen, seit 1950 in West-Berlin, um „das von ihm und seinen politischen Freunden gewünschte gesamtdeutsche Gespräch in Gang zu bringen". Vgl. Munzinger Archiv, Lieferung 5/1951; Bericht über den Besuch des Baron von Richthofen am 14. Oktober 1953, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 3, Bl. 66-67. Genannte Namen in den MfS-Berichten wurden aus Datenschutzgründen z.T. von der GauckBehörde geschwärzt. Vgl. Bericht über Otto Nuschke vom 21. Juni 1955, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 2, Bl. 25, 35. Dieser Bericht lag auch in russischer Sprache vor, ein Indiz dafür, daß diese Art von Überwachungsberichten immer auch an sowjetische Geheimdienst- bzw. Parteikreise ging.

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Weiter hätte Nuschke in Gesprächen angedeutet, so ein MfS-Informant, daß über seine früheren Parteikollegen der DDP Verbindung zum Bundespräsidenten Heuss bestünden. Überhaupt wären nach Aussage Nuschkes, infolge „seiner Vergangenheit in der Demokratischen Partei mehr Kontakte zur FDP als zur CDU"-West vorhanden. Einschränkend fugte der Informant hinzu, daß man Nuschke in den genannten westdeutschen Kreisen nicht mehr ernst nähme. Denn wenn man mit Nuschke spreche, könne man gleich mit der SED verhandeln, so ungenannte westdeutsche Abgeordnete vermutlich aus FDP- bzw. CDU-Kreisen.44 Am 17. Juni 1953 geriet Otto Nuschke auf seiner Fahrt durch Ost-Berlin in eine demonstrierende Menschenmenge, wurde von ihr nach West-Berlin abgedrängt und rettete sich in eine West-Berliner Polizeistation. Am Abend des 17. Juni gab er im RIAS ein DDR-treues, leicht chaotisches Interview und konnte erst zwei Tage später nach OstBerlin zurückkehren.45 In diesem Zusammenhang hatten die Staatssicherheitsfunktionäre in Erfahrung gebracht, daß Nuschke während „seiner Verschleppung nach Westberlin" von einem Herrn „Prammer", gemeint war Karl Brammer46, dem „Pressechef des Bundestagsabgeordneten Dr. Vockel (CDU)", aufgesucht worden war. Karl Brammer habe Nuschke angeboten, in West-Berlin zu bleiben, um dort die Aufgaben zu übernehmen, „die eigentlich hätte Dertinger47 übernehmen sollen" (Was immer damit auch gemeint gewesen ist!) 48 Nuschkes Gespräche bzw. Kontakte während seines unfreiwilligen Aufenthalts in West-Berlin vom 17. bis 19. Juni 1953 schienen die SED-Spitze besonders nervös gemacht zu haben. In bezug auf „gesamtdeutsche Initiativen" kam es zu Konfrontationen zwischen den Blockparteien, so im Januar 1954 zwischen Otto Nuschke (CDU) und Hans Loch (LDPD). Nuschke wollte für sich in Anspruch nehmen, beim DDR-Ministerpräsidenten 44

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Vgl. Charakteristik des Parteivorsitzenden der CDU Nuschke, Otto vom 23. Februar 1954, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 2, Bl. 139-140, 149-150; Bericht über Otto Nuschke vom 13. September 1955, in: ebenda, Bd. 2, Bl. 38, 45; Bericht über Nuschke, 9. Juli 1956, in: ebenda, Bd. 2, Bl. 54-58,61. Vgl. Bericht über die Verschleppung von Otto Nuschke vom 18. Juni 1953 und Wortlaut des RIAS-Interviews, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 3, Bl. 54-58. Nuschke behauptete später, die West-Berliner Polizei habe ihn den „Amerikanern ausgeliefert". Für ein Verbleiben im Westen hätten sie ihm Geld geboten und Nuschke aufgefordert, eine Exilregierung unter seiner Führung zu bilden, was er mit Empörung abgelehnt habe. Vgl. Bericht über Nuschke vom 9. Juli 1956, in: ebenda, Bd. 2, Bl. 58. K. Brammer (Jahrgang 1891), 1950-1959 Leiter der Presse- und Informationsstelle in der WestBerliner Abteilung des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen unter Dr. Heinrich Vokkel, dem Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland in West-Berlin. Karl Brammer war vor 1933 Mitglied der DDP und Redakteur bzw. Herausgeber verschiedener Zeitungen. Nach 1945 trat er in Berlin der CDU bei, war zeitweise Vorsitzender des Landesverbandes Berlin. Brammer betätigte sich in der Berliner Presse („Neue Zeit", „Tag", „Demokratischer Zeitungsdienst", alle West-Berlin). Vgl. Munzinger-Archiv, Lieferung Dezember 1955; Wer ist wer?, S. 153. Außenminister Georg Dertinger befand sich zu diesem Zeitpunkt seit fünf Monaten in Haft. Untersuchungs-Vorgang Dertinger vom 23. Juli 1953, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 3, Bl. 65.

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Otto Grotewohl die Bildung eines „ständigen Regierungsausschusses für gesamtdeutsche Fragen nach dem Muster des in Bonn geschaffenen Ausschusses49,, im Vorfeld der Berliner Außenministerkonferenz angeregt zu haben, und beanspruchte deshalb dessen Vorsitz. Der „Ausschuß für Deutsche Einheit" als Institution der DDR-Regierung für die Deutschlandpolitik konstituierte sich zwar am 7. Januar 1954, aber unter Leitung des LDPD-Vorsitzenden und Stellvertretenden Ministerpräsidenten Hans Loch. Mit den Politbüroprotokollen ist nachzuweisen, daß die Gründung des Ausschusses seit August 1953 beschlossen war.50 Weder Otto Nuschke noch Hans Loch kamen als Initiatoren des „Ausschusses für Deutsche Einheit" in Frage. Auch hier hatte einzig das SEDPolitbüro beschlossen. In seinem Ärger über die Berufung von Hans Loch als Ausschußvorsitzenden lehnte Otto Nuschke jegliche Mitarbeit in diesem Gremium ab und verbreitete: „Leider gäbe es nur drei, die über die Außenpolitik sprechen könnten und dürften:... Pieck, Grotewohl und Ulbricht."51 Damit dürfte Nuschke ohne Zweifel recht gehabt haben.

C. Der 17. Juni 1953 - und seine Folgen Die sich dramatisch zuspitzende politische, ökonomische und soziale Situation in der DDR im Frühjahr 1953 registrierten auch die Offiziere der SKK (am 28. Mai wurde Wladimir Semjonow Hoher Kommissar der Sowjetunion in Deutschland) und berichteten darüber nach Moskau. Vermutlich am 27. oder 28. Mai 1953 tagte das Präsidium des Ministerrats der UdSSR in Moskau und nahm Stellung zur „deutschen Frage". Am 2. Juni 1953 verabschiedete der Ministerrat der UdSSR eine Anordnung „Über Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR". Am selben Tag trafen Otto Grotewohl, Walter Ulbricht und Fred Oelßner in Moskau ein. Die sowjetische Führung forderte von den SED-Spitzenfunktionären eine radikale Kurskorrektur in ihrer Politik, auch in ihrer Deutschlandpolitik. Die Entstehung und der Inhalt des sowjetischen Dokuments und die Diskussionen im SED-Politbüro in Ost-Berlin am 6. Juni 1953 lassen bis heute die Frage offen, ob und inwieweit in der DDR die Sozialismusentwicklung zurückgenommen werden sollte.52 49

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Gemeint ist damit das „Kuratorium Unteilbares Deutschland", welches sich im Juni 1954 in der Bundesrepublik konstituiert hatte. Gespräche um eine über Parteigrenzen hinweggreifende Volksbewegung für die deutsche Wiedervereinigung in der Bundesrepublik hatte es verstärkt seit Ende 1953 und insbesondere nach dem offensichtlichen Scheitern der Berliner Außenministerkonferenz im Januar 1954 gegeben. Vgl. Erich Kosthorst, S. 279-298. Vgl. PB-Sitzung vom 18. August 1953, in: SAPMO-BA DY 30 JIV 2/2/316. Bericht über Otto Nuschke vom 21. Juni 1955 und Bericht vom 9. Juli 1956, in: BStU AOP 1194/57, Bd. 2, Bl. 32, 62; So funktionierte die DDR, Bd. 1, S. 83. So wird behauptet, daß der sowjetische Geheimdienstchef Berija und der SU-Ministerpräsident Malenkow im Präsidium des ZK der KPdSU forderten, vom Aufbau des Sozialismus in der DDR abzusehen und somit die Möglichkeit der Schaffung eines einheitlichen bürgerlichen Deutschland als „neutralen" Staat auf den Weg zu bringen. Berija soll, so weiter, für eine Wirtschaftshilfe von zehn Milliarden US-Dollar für die Sowjetunion, bereit gewesen sein, den SED-Staat

Dauerkrise in der Westarbeit: Versuche der Gegensteuerung durch das Politbüro

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Am 6. Juni 1953 diskutierte das SED-Politbüro in Ost-Berlin die sowjetischen Vorgaben und nahm das sowjetische Dokument „einstimmig" an. Auf „Empfehlung der sowjetischen Genossen" leitete das Politbüro wesentliche Korrekturen in der Kirchen-, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik, die sofortige Rücknahme von Repressalien gegen Bauern und Gewerbetreibende ein. Es schloß sich eine ausgiebige Kritik an der Arbeitsweise des Politbüros bzw. des Sekretariats und die Tatsache der Machtkonzentration bei Walter Ulbricht an. Begründet wurden diese Maßnahmen als Beitrag zur „Gesundung der politischen Lage in der DDR und ... [der] Stärkung unserer Position sowohl in Deutschland selbst, als auch in der Deutschlandfrage auf der internationalen Ebene und zur Sicherstellung und Ausbreitung der Basis einer Massenbewegung für die Schaffung eines einheitlichen, demokratischen, friedliebenden, unabhängigen Deutschlands [Hervh. H.A.] ...". In eindringlichen Worten rückten die Funktionäre den „Kampf für die Vereinigung Deutschlands" als Hauptaufgabe in den Mittelpunkt der Tagespolitik. Im „Dokument über die Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der Deutschen Demokratischen Republik"53 ist nachzulesen: „Da zur Zeit die Hauptaufgabe der Kampf für die Vereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage ist, müssen die SED und die KPD als Bannerträger im Kampf für die Nationalen Bestrebungen und für die Interessen des ganzen deutschen Volkes die Durchfuhrung einer elastischen, auf maximale Splitterung der Kräfte ihres Gegners und Ausnutzung jeglicher oppositionellen Strömungen gegen die käufliche Clique Adenauers gerichtete Taktik gewährleisten. [Hervh. H.A.] ...