Die Völkerschlacht bei Leipsig nach den Hauptzügen ihres Verlaufs und ihrer Bedeutung


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German Pages 177 Year 1864

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Table of contents :
Front Cover
Einleitung. ...
Die französ. Weltherrschaft und der Zug nach Rußland. ...
Erstes Kapitel. ...
Die Zeit der Vorbereitung. ...
Aufbruch der verbündeten Heere. ...
Stärke und Stellung der böhmischen Armee. ...
Stärke und Stellung der schlesischen Armee. ...
Verluste bei Mödern. Treffen bei Widderitsch. ...
Leipzig und das Schlachtfeld. Bedeutung der Schlachten. 67 ...
# ...
Napoleons Anordnungen. ...
Die Franzosen behaupten sich. Ursache davon. ...
Die Norbarmee greift endlich ein. Stimmung der Sachsen. ...
Versäumnisse bei der Schlacht und der Verfolgung. ...
Das Schlachtfeld und die Heere. ...
Der König von Sachsen und der Magistrat von Leipzig. ...
Aufmarsch der Verbündeten. Angriff auf die Stadt. 131 ...
Das Schicksal des Königs von Sachsen. ...
Der Siegeseinzug. ...
Napoleons Nückzug und die Zerstörung seiner Armee. 161 ...
Napoleons Rückzug und die Zerstörung seiner Armee. 163 ...
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Die Völkerschlacht bei Leipsig nach den Hauptzügen ihres Verlaufs und ihrer Bedeutung

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Die

Völkerschlacht

bei

Leipzig

nach den

Hauptzügen ihres Verlaufs und ihrer Bedeutung.

Für Deutschlands Schule und Haus

dargestellt von

Julius Königer Hauptmann im Gr. Heff. ditten Infanterieregiment. Fall in Lauffach 13thJuli 1866.

Mit einer Uebersichtskarte für die Schlacht und einem Plane für die Einnahme der Stadt.

Leipzig Verlag von S. Hirzel. 1864.

9.41.7.

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Vorwort.

Als im vorigen Jahre die fünfzigjährige Jubelfeier der Schlacht bei Leipzig herannahte , da waren viele Federn in Bewegung, um dem deutschen Volke den größten Tag seiner neueren Geschichte in würdigem Bilde zu vergegenwärtigen. Es ist damals manches Neue an den Tag gebracht, es ist Altes in beredter Sprache neu gesagt worden ; es ist auch in der Bewegung des Festes selbst, aus dem Munde der Redner an vielen Orten manches gute und treffende Wort hervorgegangen ; es hatte sich überdies schon vordem von dem Tage der Schlacht an die Erinnerung der Zeitgenossen, der Fleiß der Forscher, der Ernst der Geschichtschreiber mit gutem Grund und Erfolg an dem großen Gegenstande versucht. Aber wie groß der Reichthum an Schriften, der uns in Deutschland noch niemals gefehlt hat, auch in dieser Sache angewachsen ist, Eins fehlt doch noch und hat, so viel ich erfahren konnte, gerade an dem großen allgemeinen Gedächtnißtage gefehlt. Schon im ersten Jahre nach der Schlacht ist an den meisten Orten Deutschlands der 18. Oktober als der eigentliche Siegestag gefeiert worden, und seitdem hat dieser Tag sich in dieser Bedeutung im Herzen des deutschen Volkes eingelebt, ohne daß jemand recht sagen könnte , wie es geschehen ist. Neuerdings dagegen ist uns, zu Ehren der siegreichen Waffen, nachgewiesen worden , daß schon in den Schlachten des 16. Oktober der Ausgang des großen Kampfes angezeigt gewesen sei , und es hat sich von daher bei vielen die Ansicht verbreitet , als sei die Schlacht des 18. Oktober doch eigentlich nur ein Gefecht um den Rückzug gewesen. Ist diese Meinung wahr , oder hat die erste Meinung des Volkes Recht? War, als der Tag des 18. Oftober anbrach , der Kaiser von Frankreich mit seiner Macht wirklich schon überwunden , oder hat doch die blutige Arbeit dieses Tages noch dazu gehört, um uns frei zu machen von dem Feinde, der durch unsere Schuld diese Gewalt über uns hatte? Man könnte dieser Frage noch manche andere hinzufügen ; doch ist, wie

IV

Vorwort.

mir scheint, schon in ihr allein gesagt, was in den Beschreibungen der Schlacht , die wir bis jezt haben , noch fehlt. Ich meine die Auslegung des Glaubens , den das Volk von Anfang von der Schlacht gehabt hat ; eine solche Auslegung , die auf einer Prüfung der überlieferten Kunde beruht , wie sie die Wissenschaft vollzieht, und die dann doch, für viele im Volke verständlich, zu vereinigen sucht , was wir wissen können und was das Volk geglaubt hat. Es ist ein Zuſammenwirken vieler Ursachen, wodurch die Schlacht entschieden wurde , und soviel sie der menschliche Blick durchdringen kann , gebührt in der Beschreibung jeder ihre Stelle : der Kunst und dem Willen der Feldherren und der Könige , der Ordnung und Tapferkeit der Heere , den Verhältnissen der Staaten , die im Kampfe ſtanden, der Erhebung der Völker , die auf einander trafen. Eine Ursache aber war doch über allem menschlichen Thun und über allen menschlichen Verhältnissen mächtig, und in ihr liegt zugleich das Recht jenes ersten Glaubens an den 18. Oktober als den Siegestag : das ist die wunderbare Führung und das Gericht Gottes, die zuſammen unerbittlich dahin führten, daß dieser Streit an dieſem Tage mit der lezten Kraft ganz ausgeschlagen werden mußte. In diesem Sinne eine Darstellung der Schlacht von Leipzig zu geben , dazu wird ein Verſuch auch jezt , nach der Jubelfeier , nicht zu spät kommen ; denn gerade dieſe Feier mußte am meisten dazu auffordern. Sie hat aufs neue Zeugniß gegeben, mit welcher Macht dieser Tag in der Tiefe aller Gemüther fortlebt ; kein anderer unserer nationalen Festtage aus alter oder neuer Zeit kommt ihm darin gleich. Wie dieser Tag endlich aus Noth und Tod die Gewißheit des Sieges gebracht hat, so erkennt das deutsche Volk in ihm mit Recht den Mittelpunkt des ganzen Befreiungskrieges ; und wie in ihm die Erhebung zu einem neuen Dasein aus Verschuldung, Knechtschaft und Schmach wirklich wird , so nimmt ihn das Volk mit Recht auch heute noch zum Zeichen für die Zukunft des Vaterlandes. Darum kann es unserem Volke nicht einfach und klar genug gesagt werden : wie bei Leipzig geschlagen , wie und wodurch dort gefiegt wurde. Wird auch jedes menschliche Wort immer nur ein schwaches Abbild von der furchtbaren Größe und Wirklichkeit der Schlacht geben , so kann doch ein solches Bild ein Zeug-

Vorwort.

V

niß von bleibender Kraft für die Wahrheit werden , die wir am meisten zu Herzen nehmen müssen , wenn wir das Werk unserer Väter ehren und unser eigenes Werk hinausführen wollen. Was nämlich auf den Feldern von Leipzig unsere Väter doch mehr als alle Kunst des Krieges zum Siege geführt hat , das war der gewisse, starke, einige Wille , der nach langer verdienter Heimsuchung wie ein Rathschluß Gottes in den Herzen erwacht war. Es ist mir nicht zweifelhaft, daß ein Versuch, wie der vorliegende, sowohl nach unserer heutigen Kenntniß von der Schlacht, als nach unserer Stellung zu ihr erlaubt ist. Die Forschung wird von den ursprünglichen Ueberlieferungen aus sicherlich noch manchen Frrthum berichtigen , noch manches Neue an den Tag bringen, doch sind, namentlich seit den legten 15 Jahren, die wichtigsten Thatsachen so genau festgestellt , daß sich das Bild der Schlacht im Ganzen wahrscheinlich nicht mehr wesentlich verändern wird. Auch steht die zweite Generation selbst einem so großen Ereigniß fern genug , um Gerechtigkeit üben zu können , soweit sie Menschen möglich ist ; denn eine Geschichte, die ihren Standpunkt wirklich ohne lebendigen inneren Antheil über den Ereignissen nehmen könnte , gibt es nicht. Etwas anderes aber ist es , die wissenschaftliche Untersuchung für die allgemeine Bildung zu verwerthen , das Ergebniß so vieler kriegsgeschichtlicher Arbeiten in ein Bild zu verwandeln , das vielen im Volke verſtändlich ſei. Es wird dies doppelt schwer bei einem Ereigniß, wo die Fülle des Einzelnen beständig die Bedeutung des Ganzen zu verwirren und die Größe des Ganzen beständig die Geltung des Einzelnen zu beeinträchtigen droht. Doch haben wir in dem Geschichtswerk, welches unter den Darstellungen von Deutschlands Untergang und Erneuerung unbestritten den ersten Rang einnimmt , in Häuſſer's deutscher Geschichte, auch für die Leipziger Schlacht bereits ein bedeutendes Vorbild. Ich habe die Schwierigkeit der Aufgabe wohl gefühlt, noch einmal zum besonderen Bilde zu gestalten, was dort aus dem zusammenhängenden Lauf der Geschichte so groß und glücklich hervortritt. Warum mir dennoch der Versuch geboten schien, dieſes beſondere Bild als eine bleibende Mahnung und Erinnerung der deutschen Schule und dem deutschen Hause darzubieten , habe ich bereits gesagt ; wenn er nicht gelungen ist, so wird es an dem Verfasser und nicht an der Sache liegen.

VI

Vorwort.

Noch Eins spricht dafür , daß gerade jezt die Stunde ist, wo die Schlacht von Leipzig aufs neue zum deutschen Volke reden mag. Seit der Jubelfeier hat sich Deutschland nach langem Abfall zum erstenmal wieder als den Erben der Befreiungsfriege gezeigt : die deutschen Herzogthümer zwischen Nord- und Ostsee, lange Zeit das Zeichen unserer Schmach und Erniedri gung , find frei , find das Zeichen geworden , daß wir den Kampf um Deutschlands Ansehen und Stellung unter den Völkern wieder aufnehmen müſſen , zu dem unsere Väter einst die blutige Bahn gebrochen haben. Wir wissen, wie es zugegangen ist. Gott hat den Anfang gefügt und den Fortgang geleitet , über unser Werk und Verdienst ; er hat weit über die Kunst unserer Staatsmänner und über die Begeisterung des Volkes hinaus die gute Sache und die deutschen Waffen in ihr gesegnet. Aber wir wissen es auch, wir sind noch sehr fern vom Ziel. Wir sind es durch eigene Schuld. Es geht nicht , wie das Volk wähnt , wenn es unter der schweren Arbeit des Tages sich einmal den allgemeinen Angelegenheiten zuwendet ; es ist nicht mit der Einbildung von der Allmacht des Volkswillens gethan , womit so viele Schmeichler sich selbst und das Volk täuschen. Es geht auch nicht, wie die Jugend wähnt , welche nicht weiß , wie schwer sich in der wirklichen Welt der Wille durch das eigene und das allgemeine Verderben hindurchringt. Es geht noch jezt und wird immer gehen , wie es zur Zeit unserer Väter gegangen ist ; es kann über dem Vaterlande kein Recht , keine Macht und Ehre aufgehen , als die seine Bürger verdienen. Die Leipziger Schlacht spricht wie eine furchtbare Stimme Gottes zu uns, was es nach seiner Gerechtigkeit kostet , bis ein Volk sich wieder erhebt aus der Tiefe des Verfalls . Darum ist diese Schlacht wohl das Zeichen eines großen Sieges , einer hohen Hoffnung , aber auch des ernsten, mühevollen Kampfes , zu dem wir berufen sind. Darmstadt den 1. August 1864.

I. Königer.

Einleitung.

Wie es zur Schlacht bei Leipzig kam. 1. Auf der weiten Ebene , die sich im Herzen Deutschlands um die Stadt Leipzig ausbreitet , ist sechsmal um das Schicksal unseres Vaterlandes gefochten worden.

Die erste Schlacht war

bei Merseburg, 5 Stunden westlich von Leipzig : dort schlug am 15. März 933 , oder 880 Jahre vor der großen Völkerschlacht, der deutsche König Heinrich I. , der Städteerbauer , die wilden Ungarn , die ins Reich gefallen waren ; mit diesem Siege über den gefährlichsten seiner äußeren Feinde krönte der Held die mühevolle Arbeit einer langen Regierung, worin er Deutſchland aus tiefer Zerrüttung zur Eintracht, zur Ordnung, zu Macht und Ansehen emporgehoben hatte. 700 Jahre später , während des dreißigjährigen Religionskrieges , der unseres Vaterlandes Glück und Macht ganz vernichtete, maßen sich auf dieſen Feldern dreimal die Waffen der Kaiserlichen und der Schweden, und dreimal fiegte die Sache der Glaubensfreiheit.

Am 17. September 1631

brach der große König Gustav Adolf von Schweden mit ſeinem Siege über Tilly bei Breitenfeld, 2 Stunden nördlich von Leipzig , die Gewaltherrschaft , die über Deutſchland und der evangelischen Kirche lag ; am 6. November 1632 bezahlte er bei Lüßen, 1

2

Einleitung.

4 Stunden südwestlich von Leipzig , im blutigen Kampfe gegen Wallenstein mit seinem Leben die Rettung der Sache, für die er aus seiner Heimath ausgezogen war ;

und noch einmal am 2. November 1642 stellte Torstenson , ein Feldherr seiner Schule,

in der Nähe von Leipzig selbst , die schon halb verlorene Sache wieder her, für die ſein König gefallen war.

Der fünfte Kampf

wurde am Anfang des großen Befreiungskrieges bei Lüßen gefochten ; er umgab die Waffen des Eroberers noch einmal mit dem alten Schein der Unüberwindlichkeit.

Die sechste der Leip-

ziger Schlachten überragt an Größe , Furchtbarkeit und Bedeutung alle Kämpfe , die uns in den Büchern beglaubigter Geschichte aus alter und neuer Zeit überliefert sind.

Beinahe eine

halbe Million von Streitern , von allen Orten Europa's herbeigeführt, rangen miteinander ; das Ende war die Zertrümmerung einer Weltherrschaft, die blutige Besiegelung, daß für Deutschland eine neue Zeit heraufgekommen sei ; eines neuen deutschen Vaterlandes.

es war der Geburtstag

2. Was hat die Heere so vieler Völker zu dieſem Streit auf diesen Feldern zuſammengeführt? Unsere Väter , die dabei waren, wußten es wohl, welch ein Lauf der Weltbewegung vorhergegangen war , und uns geziemt es ihrer Zeugnisse zu gedenken. Zuerst das Aufkommen der französischen Weltherrschaft aus dem Zuſammensturz aller alten Ordnungen der Staaten und der Gesellschaft, ihr Ausbreiten und ihr Wachsthum, wie seit vielen Jahrhunderten vor den Augen der Menschen nichts Aehnliches geschehen war ; dann ihre höchſte Höhe und darin der Anfang ihres Unterganges. Als der Kaiser Napoleon, auf den dieſe Herrschaft gestellt war, die alten gebildeten Staaten des europäischen Festlandes unterworfen hatte, als ihm nur noch in Spanien das Volk einen verzweifelten Widerstand entgegenseßte, kam es dahin, daß

Die französ. Weltherrschaft und der Zug nach Rußland.

3

er auch das weite Rußland zum Gehorsam gegen seinen Willen zwingen wollte ; ja seine Gedanken flogen manchmal über die Grenzen Europas hinaus : in dem fernen Indien hoffte er noch das England zu demüthigen, das sein Arm bis dahin nicht hatte erreichen können.

Darüber ward es selbst den Genossen seiner

Größe und Macht unheimlich zu Muthe, nicht ungewarnt zog er nach Rußland ; er aber meinte , nur die Stimme der Trägheit und Genußsucht , der Schwäche und Furcht zu hören ; wie sollte er den Geiſt der Wahrheit und der Mäßigung aus solchem Munde vernehmen, wo er ihn bis dahin weder gesucht noch gefunden hatte? Er führte eine halbe Million Streiter gegen Rußland und durfte wohl glauben , es werde ihm nichts widerstehen , denn ein ſtolzeres Heer war noch nicht gesehen worden. war an ihren Grenzen .

Aber seine Macht

Die innere Zucht seines Heeres war

nicht wie seine Zahl und ſein Anblick ; es war aus zu verschiedenen Gliedern und Willen zusammengesezt, und die Mittel zur Unterhaltung eines so großen Kriegszuges hatte selbst der mächtige Wille des Kaisers nicht wie er dachte herbeischaffen können. Auf der anderen Seite hatten die Ruſſen den Muth gefaßt, dem Feinde, der gegen ihr heiliges Land und ſeine Kirche heranzog, nicht nachzugeben , und der Feldzug nahm , weniger durch ihren Plan und Willen, als durch die wunderbare Fügung Gottes, den Gang , daß sie der entscheidenden Schlacht so lange auswichen, als sie die Schwächeren waren .

So hatte , weit mehr als das

Schwert , der lange Zug und der heiße, trockene Sommer schon zwei Drittel von Napoleons Hauptheer dahingerafft, als er nach dem schwer errungenen Siege an der Moskwa in die alte Hauptstadt des Reiches einzog.

Noch hoffte er , das Ziel sei erreicht,

aber im Brande von Moskau mußte die Hoffnung untergehen, daß dieses Volk nachgeben und Frieden machen werde. Er mußte, 1*

4

Einleitung.

zum erstenmal in seinem Leben , den Krieg verloren geben ; am 18. und 19. Oktober 1812, ein Jahr vor der Schlacht von Leipzig, verließ er Moskau.

Auf dem Rückzuge brach mit der wach-

senden Noth an Nahrung und Pflege ein Winter über das Heer herein, wie ihn so früh und kalt selbst das Volk dieser Gegenden sich kaum erinnern konnte.

Die Schrecken und die Greuel die-

ſes Rückzuges sind uns getreulich überliefert, ſie gingen über das Maß menschlicher Kraft hinaus ; das Ende war der Untergang des stolzen Heeres , nur wenige Tausende kamen in den leßten Tagen des Jahres 1812 über die Grenze von Rußland zurück. 3. Gott hatte den unterdrückten Völkern und vor allen dem deutschen Volke die Stunde seiner Macht gezeigt, und das deutsche Volk erkannte die Stunde.

Der erste , der diese Erkenntniß

་ mit der That bewies , war der preußische General York.

Er,

ein Mann , der sonst den strengen Gehorsam des Soldaten über alles

hielt , schloß gegen die Bestimmung seines Königs am

30. Dezember 1812 in der Mühle von Poſcherun bei Tauroggen, unfern der russischen Grenze , mit dem General Diebitsch einen Vertrag ab , wonach das Hülfscorps ,

das Preußen den

Franzosen zu diesem Kriege hatte stellen müſſen , von dieſen getrennt und vorerst für neutral erklärt wurde.

Nun fand der

Rückzug der Franzosen bis zur Elbe keinen Halt mehr, und wie das Land vom Feinde frei wurde, erhob sich das preußische Volk. Allen voran war Ostpreußen.

Freiherr von Stein war als

russischer Bevollmächtigter nach der Hauptstadt gekommen ,

ſie

kannte ihn noch von der Erneuerung des Staates her , die er 1808 als des Königs Minister eingeleitet hatte.

Sein gewalti-

ger Eifer brachte alles in Bewegung ; als er aber im ungeduldigen Drängen den russischen Auftrag zu gebieteriſch einmischte, fand er an Männern wie General York , Präsident Schön,

20

5

Die Erhebung Preußens.

Minister v. Dohna den entschlossenen Widerstand, der alles in das Geleise einer rein vaterländischen Bewegung zurückbrachte. Die Stände wurden nach Königsberg zusammenberufen.

Lange

ehe sie den Willen des Königs und des übrigen Staates wissen konnten , sprachen sie in der denkwürdigen Verſammlung vom 7. Febr. 1813 in einmüthigem Beſchluß die Erhebung und Bewaffnung des Volkes aus .

Obschon durch den doppelten Heeres-

zug Napoleons erschöpft und jezt mit ruſſiſchen und preußischen Truppen erfüllt , stellte die Provinz , die damals wenig über 1 Mill. Seelen zählte, 30,000 M. an einerercierten Beurlaubten und Rekruten zum regelmäßigen Heere

und

brachte überdies

20,000 M. Landwehr und 10,000 M. Reserve auf.

Das große

Beiſpiel und der Zorn gegen die Unterdrücker, der überall derselbe war , wirkte fort ; die Bewegung des Volkes schlug an die Ohren des Königs in Berlin ,

der mit seinen Miniſtern noch

schwankte , wie er sich von dem aufgezwungenen Bündniß mit Frankreich losmachen könne. nen Schritt.

Endlich wagte er einen entſchloſſe-

Er war bisher in Potsdam , rings von franzöſi-

schen Truppen umgeben , halb wie ein Gefangener geweſen ; in der Frühe des 22. Januar verließ er die Stadt und begab sich nach Breslau , wo er am 25. eintraf.

Auf dem Wege dahin

hatte die Volkserhebung doch mit anderer Kraft zu ſeinem Herzen gesprochen , als er vordem , nur vom Hofe umgeben , ahnen konnte.

Er legte dort die Angelegenheiten der Armee wieder in

die Hände des Generals Scharnhorst , der vom Unglück von 1807 an bis zum franzöſiſchen Bündniß von 1811 ihre Erneuerung ruhmvoll geleitet hatte ; zugleich wurden Unterhandlungen mit dem Kaiſer von Rußland angeknüpft, während der Schein der Freundschaft mit Frankreich aufrecht erhalten blieb . Unterm 3. Februar erging als ein erstes Zeichen des kommenden Kampfes

CO

6

Einleitung.

der Aufruf des Königs an die „ Freiwilligen" zum Waffendienſt; das Volk wußte, gegen wen es gehen müſſe, obwohl nichts ausgesprochen war.

Dann vergingen noch Wochen des Schwankens

zwischen Furcht und Hoffnung.

König Friedrich Wilhelm III.

war ein Mann von gemessenem Wesen ; gegen die große Bewegung hatte er doch seine Scheu und seine Zweifel , auch konnte er sich im Gewissen nicht gleich in den Bruch mit dem bisherigen Bundesgenossen finden.

Dazu war noch eine französische

Partei am Hofe , und russischer Uebermuth erleichterte ihr mehr als einmal das Spiel.

So verstrich eine günstige Zeit, während

alles zur Entscheidung drängte , die Gährung im Volke wuchs und die preußischen Generale, mit ihren Truppen zwiſchen Ruſsen und Franzosen gestellt ,

oft den schwersten Stand hatten.

Endlich brach der Tag des 17. März alle Zweifel und alle Furcht.

Der König rief sein Volk zu den Waffen : dieser Auf-

ruf, die Errichtung der Landwehr , die Stiftung des eisernen Kreuzes sind die drei großen Zeichen , unter denen dieſer Tag in der Geschichte unvergeßlich überliefert werden wird.

Die Zeit

war erfüllt : woran Stein und Scharnhorst in Staat und Heer gearbeitet , worauf Fichte und Schleiermacher die Gemüther mit der Macht des prophetischen Wortes bearbeitet hatten , das ward jezt zum offenen gemeinſamen leßten Worte des Königs und des Volkes .

Und bald klang es aus den Liedern

wieder , die Körner , Schenkendorf , Arndt und Rückert ſangen, und bald klang es aus den Schlachten wieder, die Blücher, Gneisenau , York und Bülow schlugen. 4. Doch war es eine heiße Arbeit ; denn die Macht und der Geist des Feindes waren groß und im eigenen Lager war das russische Bündniß und noch mancher innere Schade.

Am

27. und 28. Febr. war dieſes Bündniß unter Steins und Scharn-

7

Der Feldzug im Frühjahr 1813.

horsts unablässigem Bemühen in Breslau und Kalisch zu Stande gekommen ; am 25. März erließ der russische Feldmarschall Kutusow von Kalisch aus im Namen der verbündeten Herrscher ein Manifest, das die Deutschen zum Kampf für die Freiheit aufrief. Es vergingen Wochen unter Schwanken und Zögern , getheilter Vortheil und Wille führte zu widersprechendem Rath.

Erst zu

Ende Aprils vereinigte sich das Hauptheer in der Ebene von Leipzig ; Napoleon rückte mit Uebermacht in Eilmärschen von der Saale heran.

Am 2. Mai kam es bei Lüßen zur Schlacht.

Die Russen und Preußen wagten den Angriff, aber sie hatten nur 70,000 gegen 110,000 ; nach blutigem Kampfe mußten sie dem Feinde das Schlachtfeld überlaſſen .

Unverfolgt nahmen sie

den Rückzug über die Elbe nach der Laufiß.

Bei Baußen boten

fie mit 90,000 M. dem Feinde zum zweitenmal die Schlacht, nachdem York bei Weißig einen feindlichen Heertheil , der zur Umgehung gesandt war , mit kaum halb so viel Mannschaft den ganzen 19. Mai hindurch aufgehalten hatte.

Napoleon führte

über 130,000 heran : am 20. griff er an ; am 21. , als er seine ganze Macht entwickelte, mußten die Verbündeten nach hartnäckigem Widerstand weichen.

Aber es war kein Sieg , wie er sie

sonst gewohnt war , sein Verlust war größer als der der Besiegten, und er hatte kaum einen größeren Nachdruck in der Verfolgung befohlen , als sein Vortrab durch Blüchers Reiterei bei Haynau (26. Mai) überfallen und völlig auseinander gesprengt wurde.

Der Kaiser sah sein Heer ohne Vortheil , in

mühevollem Marsch durch eine ausgesogene Gegend , langsam dem Feinde nachfolgen ; auch in seinem Rücken stand es nicht glänzend, Marschall Oudinot richtete nichts aus und verlor am 4. Juni gegen General Bülow bei Luckau ein Treffen.

Vor

allem erkannte Napoleon, daß in den Preußen ein anderer Geiſt

Einleitung.

8

war ; er mag gefühlt haben, daß er gegen diesen Geist mit dem eilfertig erneuerten Heere nicht durchdringen werde , er hat ſich wohl zugetraut, daß er keines Vierteljahres bedürfe , um aller Gährungen in seinem Rücken , aller Schäden in seinem Heere so weit Meister zu werden , daß er dann Sieg und Frieden in seiner Hand habe. Er suchte zuerst ein besonderes Abkommen mit dem Kaiſer Alexander ; als dieser ihn abwies , nahm er einen Waffenstillstand an, der die Vermittelung Desterreichs als Grundlage für alle Friedensunterhandlungen in Aussicht stellte.

Die

Uebereinkunft , welche auf diese Weise am 4. Juni zu Poiſchwig zu Stande kam, dauerte bis zum 17. Auguſt ; zwiſchen den Heeren wurde ein trennender Strich neutralen Landes gezogen , der von der sächsischen Grenze durch den nordwestlichen Theil von Schlesien lief. 5. Das preußische Volk verlor im Anfang fast Muth und Hoffnung über diesen Waffenstillstand ; die besten Männer fürchteten, daß alles Blut umsonst vergoſſen ſei, daß jezt ein halber, schmählicher Friede folgen werde, und sie sahen doch ein Volk, das einmüthig entschlossen war, lieber den äußersten Kampf, als eine neue Unterwerfung zu wählen. Auch war es wirklich schlimm und zum Theil noch schlimmer, als diese Männer wußten.

Daß

die schöne Erhebung an der Nordsee schnell ein unglückliches Ende genommen, daß Hamburg, von dem Kronprinzen von Schweden preisgegeben , den 30. Mai wieder in die Hände der Franzosen und der mit ihnen verbündeten Dänen gefallen sei , wurde bald bekannt ; die schlimmeren Zerwürfnisse zwischen den Preußen und Russen blieben den meisten verborgen.

Die letteren

hatten schon von Anfang des Krieges nicht wie für die eigene Sache gefochten ; man merkte es dem getheilten lassen Oberbefehl und der Schonung der ruſſiſchen Soldaten an, daß bei den

Der Waffenstillstand. meiſten kein Herz für diesen Krieg war, nach den zwei verlorenen Schlachten sprach sich die Stimmung des Heeres immer schärfer dagegen aus ; und dabei benahmen sich Offiziere und Soldaten roh und gewaltsam wie in Feindesland und die Preußen durften es nicht hindern.

Ohne den Waffenſtillstand würden, so sagt

man, die Ruſſen unfehlbar nach Polen zurückgegangen sein. Und bessere Bundesgenossen fand die Sache Preußens und Deutschlands auch an Desterreich und England nicht.

In Desterreich

regierten nicht mehr die Männer , welche den Aufschwung von 1809 hervorgerufen und geleitet hatten ; der Kaiser Franz und ſein Miniſter Metternich hatten nur die ausschließliche Herrschergewalt und den gesicherten Besitz der österreichischen Hausmacht im Sinne , die Wiederherstellung Deutschlands lag ihnen wenig am Herzen und eine Volkserhebung war ihnen so verhaßt , daß im Frühjahr die Vorbereitungen zu einer solchen, woran Erzherzog Johann und die alten treuen tyroler Führer sich betheiligten, mit großer Strenge unterdrückt wurden.

Sie hatten sich im

Vertrag zu Reichenbach am 27. Juni verpflichtet , daß sie am Krieg gegen Napoleon Theil nehmen wollten, wenn er ihre Friedensbedingungen nicht annähme ; aber ihr in eben diesem Vertrage verabredeter Friedensvorschlag hätte die Dreitheilung Deutſchlands und Napoleons Uebermacht aufrecht erhalten : der Rheinbund mit dem Königreich Westphalen hätten fortbestanden, Preußen hätte auch ferner die Elbe zur westlichen Grenze behalten. Freilich gibt es eine giltige Entschuldigung für Desterreich ; denn der preußische Staatskanzler selbst war bereit , diesem Frieden beizutreten.

Er hatte in der Zeit des Unglücks und der Erniedri-

gung den großen Sinn für den Beruf Preußens und den Glau ben an die Kraft des Volkes verloren ; er sah nicht, daß Preußen nach der Macht, über die es jeßt gebot, und den Thaten, die es

10

Einleitung.

schon aufzuweisen hatte , seinen Verbündeten nothwendig gewor den war und darum ganz andere Forderungen stellen durfte ; und wie er, so dachten noch andere Männer im Staate, am Hofe und selbst in der Armee. Bei diesem so schwachen Selbstvertrauen in den regierenden Kreiſen kam dann auch Preußen in den Verhandlungen mit England zu kurz ; dieses nämlich nahm die Gelegenheit wahr und ließ sich gegen seine Subsidien von kaum 8 Mill. Gulden das Versprechen bedeutender Landabtretungen zu Gunsten Hannovers geben ; ja es soll damals schon Fürſt Hardenberg gegen den ausdrücklichen Willen des Königs

die

Hingabe des Fürstenthums Ostfriesland , des alten preußischen Stammlandes an der Nordsee, insgeheim zugesagt haben. Gott aber hat das Unglück eines verderblichen Friedens, der damals drohte, von Deutschland gnädig abgewendet.

Der Sinn

des Kaisers Napoleon war von der eigenen Größe geblendet : auf dem Verderben der Völker , und am meisten des deutschen Volkes, war er emporgestiegen ; er selbst mußte auch die , welche es nicht wollten, herausfordern, dieſes Verderben zu brechen . Er betrieb seine Rüstungen und vernachlässigte die Friedensverhandlungen , die im Juli und August zu Prag stattfanden ; noch in der lezten Stunde versäumte er , taub gegen treue Warnung, den günstigen Friedensbedingungen, die ihm geboten waren, Gehör zu schenken.

Die Gesandten gingen ohne Erfolg auseinan-

der ; den deutschen Patrioten war die Angst von der Seele genommen, sie durften auf den Krieg ihre Hoffnung seßen.

Wie

gewaltig auch Napoleons Geist an der Verstärkung seines Heeres, seiner Festungen und Waffen gearbeitet hatte : die inneren Schäden seiner Herrschaft hatten ihn doch gehemmt, daß er in vielem nur den Schein erreichte.

Auf Seite seiner Feinde dagegen stand

jezt Deſterreich mit dem Gewicht ſeiner Macht, und Preußen hatte

8

Wiederausbruch des Krieges. seine Rüstungen über alle Erwartung durchgeführt. Subsidienvertrag mit England

11 Noch im

war nur von 80,000 M. die

Rede ; durch den Aufschwung des Volkes war es geschehen , daß der kleine Staat von kaum 5 Mill. Einwohner über 250,000 in's Feld stellen konnte ; mehr , als jeder seiner Verbündeten, wovon der eine doch die vierfache , der andere fast die zehnfache Volkszahl hatte.

Wie klug auch Napoleon seine Gegner geschäßt

hatte, das lag jedenfalls weit über seine Berechnung hinaus ; und der nämliche Geist , in dem er sich so zu seinem Schaden getäuscht hatte , sollte auch die Hoffnungen zu Schanden machen, die er auf die Lässigkeit, die Uneinigkeit, die getheilten Gedanken seiner Feinde seßte.

Die Verbündeten hatten zu Trachenberg in

Schlesien einen Kriegsplan verabredet, der ihrer Macht eine gute Vertheilung und ihren Bewegungen im allgemeinen die richtige Richtung gab ; sonst lag im Plane , und namentlich im Zuſammenwirken so vieler Theile, vieles Künstliche, aber der Geist, der in den Preußen und ihren Führern war, brach durch alle Schwierigkeiten hindurch den Weg zum Ziele. 6. Als der Krieg wieder ausbrach, standen von Böhmen bis zur Mündung der Elbe 493,000 M. der Verbündeten mit 1400 Geſchüßen gegen 440,000 M. Napoleons mit 1200 Kanonen in den Waffen ; ungerechnet bei den ersteren die Belagerungs- , bei den letteren die Besaßungstruppen .

Die Haupt-

macht war auf dem Raume zwischen der böhmischen Nordgrenze und der Gegend von Berlin vertheilt.

Am Südabhange des

Erzgebirges stand die Hauptarmee der Verbündeten unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls Fürsten Schwarzenberg, 237,000 M. mit 672 Geſchüßen, darunter 111,000 Desterreicher, 77,000 Ruſſen, 49,000 Preußen.

Da die Kaiſer von Rußland und Oefter-

reich, der König von Preußen, die Minister und Diplomaten bei

12

Einleitung .

dieſem Heere waren , so hatte der Feldherr beständig einen vielköpfigen Rath und Einfluß zur Seite ; doch verstand sich Fürst Schwarzenberg auf die Künfte der Diplomatie , und der besonders hervortretende Einfluß des Kaisers Alexander erwies sich mehr als einmal heilsam. In Schlesien, auf der Linie von Breslau bis Schweidnig, waren 61,000 Ruffen und 38,000 Preußen, zuſammen 99,000 M. mit 340 Geſchüßen unter dem Befehl des Generals Blücher vereinigt.

Es lag viel Grund zu Zerwürfniß

und Ungehorſam in der Zuſammenſeßung des Heeres und ſeiner höheren Führer ; aber Blücher und Gneisenau, der an der Spize seines Generalstabes stand, wurden durch ihre Thaten bald aller Spaltungen Herr.

Bei Berlin führte der Kronprinz von Schwe

den, der ehemalige französische Marschall Bernadotte, den Befehl über die Nordarmee, 132,000 M. mit 316 Geschüßen , worunter 30,000 Ruſſen, 78,000 Preußen, 24,000 Schweden ; doch waren Abtheilungen des Heeres nach der Elbe und Oder entsendet , so daß bei der Hauptstadt nur etwa 80,000 M. versammelt ſtanden.

Der Kronprinz hatte kein Herz für den Krieg ; deſto un-

gestümer trieb es die preußischen Generale , die den Haupttheil ſeines Heeres führten , zur Entscheidung.

Den Verbündeten ge-

genüber hielt Napoleon Dresden als den Stüßpunkt seiner Stellung ; was er theils bei der Stadt versammelt , theils gegen Schlesien und die Marken vorgeschoben hatte , zählte zuſammen etwa 380,000 M.

Er war der alleinige Herr aller seiner Plane

und Entſchlüſſe ; die Macht seiner Feinde mußte im Laufe des Feldzuges ungleich stärker anwachsen, als die ſeinige, es galt alſo den Augenblick zu benußen.

Er hat es gethan, aber troß seiner

Kunst und seinem Genie fiel das Loos gegen ihn. Napoleon dachte den ersten Schlag gegen Berlin zu führen, das am leichtesten zu erreichen und die Hauptstadt ſeines gefähr-

Die ersten Erfolge im Herbst 1813. lichsten Feindes war.

13

Marschall Dudinot erhielt 80,000 M. zu

diesem Zweck ; während dessen wollte Napoleon selbst die rusſiſch-preußische Hauptmacht, die er in Schlesien wähnte , zurücktreiben , der Marschall St. Cyr sollte die Päffe des Erzgebirges beobachten.

Zur selben Zeit ungefähr war im Hauptquartier

der Verbündeten ein Vormarsch auf Dresden beſchloſſen worden. Oudinots Angriff mißlang , er wurde von General Bülow bei Großbeeren geschlagen (23. August) ; General Girard , der den Marschall von Magdeburg her hatte unterstüßen sollen , erlitt 4 Tage danach von der kurmärkischen Landwehr unter General Hirschfeld bei Hagelberg (27. Aug.) eine völlige Niederlage. Napoleon selbst war inzwischen in Schlesien nur auf Blücher getroffen, der ihm auswich ; von der Verfolgung rief ihn die Nachricht ab , daß die verbündete Hauptarmee gegen Dresden im Anmarsch sei.

Dort gab ihm jezt das Zaudern , die Unent-

schlossenheit und Uneinigkeit der Verbündeten einen großen Sieg in die Hand.

Am 26. August, als der Feind noch schwach war,

hatten sie die Stadt ohne Nachdruck angegriffen ; am 27. war Napoleon mit der Hauptmacht da , sie wurden selbst angegriffen und geschlagen.

Der Rückzug durch das Erzgebirge wäre der

Masse des rechten Flügels beinahe verderblich geworden ; General Vandamme , von Napoleon zur Umgehung abgesandt , war nahe daran, den wichtigen Punkt , wo die Straße aus dem Gebirge tritt, zuerst zu beſeßen.

Durch eine wunderbare Fügung

gelang es dem besonnenen und ausdauernden Muth des Prinzen Eugen von Württemberg mit seinen Russen sich bei Kulm zu behaupten (29. Aug.) ; am folgenden Tage kehrte sich durch das rechtzeitige Eingreifen des Königs von Preußen , durch die Entschlossenheit des Generals Kleist und die Hülfe der Oesterreicher das Geschick um und Vandamme's Corps wurde zersprengt

14

Einleitung.

oder gefangen .

Inzwischen hatte am ersten Schlachttage von

Dresden (26. Aug.) General Blücher den Marschall Macdonald



an der Kazbach geschlagen und durch eine unablässige Verfolgung den Sieg zur vollkommenen Niederlage des Feindes gesteigert.

Schon jezt war die Summe der Kämpfe gegen Napo-

leon ausgefallen ;

dennoch ließ

er

den Versuch auf Berlin,

diesmal durch Marschall Ney , wiederholen.

Er hatte ein noch

schlimmeres Schicksal wie das erstemal ; die Befehle des Kronprinzen von Schweden zwar waren danach, dem Feinde den Weg zu bahnen , aber die Generale Bülow und Tauenzien erfochten troß ihres Obergenerals am 6. Septbr. bei Dennewit einen entscheidenden Sieg.

Auch der Marschall Davouſt, der von

der Niederelbe her gegen Berlin hatte mitwirken sollen, vermochte nichts auszurichten.

Der Gesammterfolg dieſer erſten 3 Wochen

war für Napoleon einer großen Niederlage gleich zu achten ; auf seiner Seite waren die weit überwiegenden Verluste an Siegen, Mannschaft und Land ; er , der mit der alten Kunst seine Gegner zu trennen und zu schlagen gehofft hatte , mußte jezt forgen, wie er sich von nun an nur vertheidigen werde. Das war der Anfang des großen Kampfes zur Befreiung von Napoleons Weltherrschaft.

Der Kaiser hätte wohl daran

erkennen mögen , daß die Welt um ihn anders geworden war und daß jezt ein anderer Geist gegen ihn kämpfte , als vordem. Wie der Sinn und Vortheil seiner Feinde getheilt war , hätte er vielleicht noch jezt durch weiſe Mäßigung den größten Theil seiner Macht retten können ; denn die Preußen allein waren gesonnen, ihn aufs äußerste zu bekämpfen , die anderen hätte schon die Furcht vor seinem Namen davon abgehalten.

Er sagte aber

zu denen, die ihn ermahnten, den Frieden zu suchen , oder doch in eine gesichertere Stellung zurückzugehen ,

vor jedem ſeiner

15

Die ersten Erfolge im Herbst 1813.

großen Siege, bei Marengo, Auſterlig, Friedland und Wagram, wäre seine Stellung nicht weniger gewagt gewesen.

Auch ſtand

er bis dahin ſelbst noch unbeſiegt , nur seine Marschälle waren geschlagen worden. Das war auch die Zuversicht seiner Soldaten, sie hielten ihn für unüberwindlich. Darum erkannte Napoleon seine Zeit nicht und ſeßte lieber alles auf's Spiel.

Ihn

führte der ungemeſſene Glaube an ſich ſelbſt in den Untergang ; seine Feinde aber mußten im leßten Kampfe die Schuld einlösen , daß sie ihn so groß hatten werden lassen.

Das hat die

Heere so vieler Völker nach Leipzig geführt , fast 900 Jahre nach der ersten Schlacht um Deutschlands Unabhängigkeit und beinahe 200 Jahre nach den Schlachten um die Glaubensfreiheit in derselben Gegend.

Erstes Kapitel. Der Anmarsch der Heere und ihre Schlachtordnungen. 1. Drei heiße Wochen voller Schlachten und Märsche hatten den Herbstfeldzug 1813 eröffnet ; die drei folgenden Wochen vergingen ohne entscheidende Thätigkeit.

Auf beiden Seiten for-

derte nach so großen Anstrengungen die Natur ihre Rechte und auf beiden Seiten brauchte es Zeit , um die Entschlüsse für die lezte Entscheidung zur Reife zu bringen. 9 Napoleon mußte nach den großen Verlusten und Niederlagen , die er erlitten , endlich erkennen, daß seine Stellung bei Dresden nicht mehr zu halten war ; denn das Land umher war vom Kriege ausgefogen, die Stellung der böhmischen Armee in seiner rechten Flanke und seinem Rücken drückte mit lähmendem Gewicht auf seine Verbindungen zum Rhein und nach Frankreich , woher er allein noch Nachschub erwarten durfte ; sein Heer begann bereits große Noth zu leiden und mit jedem Tage wurde rings um ihn alles unsicherer.

Noch täuschte er sich mit der Hoffnung auf einen großen

Sieg ; zweimal führte er gegen die böhmische Armee , einmal gegen Blücher seine Massen vor aber jedesmal hielt er mitten in der Unternehmung inne. daß es anders stand ,

Zweifel beherrschten ihn , er fühlte,

als beim Beginn des Feldzuges; sonst

hatten sich seine Feinde nach ihm richten müssen , jezt ſchrieben ihm ihre Bewegungen den Weg vor.

Die Verbündeten ihrer-

Die Zeit der Vorbereitung.

17

seits verhandelten über das , was zu thun sei , während ihre Heere sich sehr verschieden verhielten. tete bedeutende Verstärkungen Heertheilen;

Die Hauptarmee erwar-

an österreichischen und russischen

sie begnügte sich also den Feind abzuwehren und

warf indeffen Streifschaaren in seinen Rücken , die in Sachsen und Thüringen gute Ernte hielten. 3 Blücher blieb immer dicht am Feinde ; er hatte sein Heer in die Gegend zwiſchen Baußen und Bischofswerda vorgeführt und hielt sich dort, auch als Napoleon selbst einen Angriff gegen ihn versuchte.

Der Kronprinz

von Schweden hatte troß allen Drängens der preußischen Generale den Sieg von Dennewiß nicht benußt und gab seinem Heere lieber weitläufige Quartiere, als daß er den Feind beunruhigte.

Unterdeſſen wurde , was anfangs die Meinung Ein-

zelner war , bei den Verbündeten immer deutlicher und allgemeiner erkannt: daß sie nämlich , um eine Entscheidung herbeizuführen, ihre Heere vereinigen müßten und daß Leipzig der Ort ſei , auf den zu diesem Zwecke ihre eigenen und des Feindes Wege fie von selbst hinwiesen. Es ist unsere nächste Aufgabe zu sehen, wie das geschehen ist.

Der Leser wird

auf einer Karte , wie sie sich in jedem

guten Schulatlas findet , den Märschen der Heere zu folgen im Stande sein. 2. Die lezte bedeutende Verstärkung für die Verbündeten war die russische Reservearmee von 57,000 Mann und 198 Geschüßen, welche General Bennigsen durch Polen heranführte. Am 26. September traf die Spiße dieses Heeres im Thale von Teplig ein, während am nämlichen Tage der Nachtrab durch Zittau zog ; die große , wie die ſchlesische Armee entnahmen daraus das Zeichen zum Aufbruch.

Die Massen der Hauptarmee

schoben sich langsam über das Erzgebirge in der Richtung auf 2

18

Erstes Kapitel.

Marienberg und Annaberg, und weiterhin auf Chemniß, Zwickau und Altenburg vor ; die Linke war bis zur Saale hinüber durch die Streifcorps von Fürst Moriz Liechtenstein , General Thielmann , Oberst Mensdorf und Platows Kosaken gesichert, die Rechte und den Rücken deckte Bennigsen , der nebst zwei öſterreichischen Heertheilen unter Colloredo und Bubna zur Beobachtung von Dresden zurückblieb .

Ein bestimmter Entschluß ` lag

noch nicht in dieſer Bewegung : man hoffte nur allgemein , durch ſie, im Zusammenwirken mit dem schlesischen Heer und der Nordarmee, Napoleon zum Aufgeben von Dresden zu veranlaſſen ; über das Weitere waren die Meinungen getheilt.

Der Ober-

feldherr und mit ihm eine nicht kleine Zahl von Generalen und Staatsmännern dachten , Napoleon werde wohl schon vor der Bewegung , die ihn von Frankreich abzuschneiden drohe , den Rückzug antreten, und dann werde sich auch ohne einen lezten verzweifelten Kampf der Friede finden.

Bei dem Kaiser Ale-

rander und dem König Friedrich Wilhelm und ihren Rathgebern wog dagegen ein größerer Eifer für den Krieg und ein richtigeres Urtheil über Napoleon vor ; sie wollten die Schlacht , denn sie sahen wohl , daß sie unvermeidlich sein werde.

Noch weit ge-

wisser in ihrer Sache aber waren Blücher und Gneiſenau mit ihrem Hauptquartier .

Sie wollten

von keinem Ende dieses

Krieges wissen , ehe sie nicht Napoleon geschlagen und vollſtändig besiegt hätten ; darum gaben ſie , obwohl unter den verbündeten Armeen ihre die kleinste war, den Ausschlag.

Blücher hatte nicht

lange vorher die Weisung erhalten , zur Verstärkung des Hauptheeres nach Böhmen zu marſchiren ; er wußte sie rückgängig zu machen und dafür die Einwilligung des Kaisers Alexander und des Königs Friedrich Wilhelm III. zu einem anderen Plane zu erwirken, der vor allen, ſelbſt vor dem Oberfeldherrn Schwarzenberg,

19

Aufbruch der verbündeten Heere. bis zum Augenblick der Ausführung verborgen blieb.

Er ge-

dachte nämlich rechts abzumarſchiren und an der Elbe abwärts die Verbindung mit dem Kronprinzen von Schweden zu suchen ; dann war in den beiden Heeren die Hauptmaffe der Preußen vereinigt und der Kronprinz mußte wohl mit auf Leipzig gehen , wie sehr er sich auch dagegen wehrte.

Die Rechnung war recht ;

der Kronprinz konnte freilich erst nach vielen Verhandlungen zum Einverständniß vermocht werden , und auch dann noch hemmte und durchkreuzte er die Ausführung auf alle Weise.

Doch Blücher

und Gneisenau ließen sich nicht durch den Kronprinzen, nicht durch manchen Widerspruch im eigenen Heere , nicht durch die ganz abweichenden öffentlichen Weiſungen des Kaiſers Alexander irre machen. Aufbruch.

Am 26. September gaben sie den Befehl zum

Am 3. Oktober erzwang der eiserne York mit seinen

Preußen im heißen Treffen bei Wartenburg gegen General Bertrand, der sich in fester Stellung sicher wähnte, den Uebergang über die Elbe, und am 8. stand die schlesische Armee zwiſchen Düben an der Mulde und Dommißsch an der Elbe, zwei Märsche von Leipzig , die Nordarmee hinter ihr zwiſchen Deſſau und Jeßniß. 3. Bis dahin hatte Napoleon , über die Bewegungen der Verbündeten nur unvollkommen unterrichtet , zwischen verschiedenen Entschlüssen geschwankt. den böhmischen

Der nur sehr langsam vorrücken-

Armee war der König

Murat

von Neapel

mit einigen 40,000 Mann entgegengestellt ; Marschall Augereau, der mit dem neugebildeten 9. Armeecorps , der einzigen bedeutenderen Verstärkung , welche Napoleon zu erwarten hatte , von Würzburg heranzog , konnte die Macht des Königs auf 50 bis 60,000 bringen. Kronprinzen über

Der Marschall Ney war vor Blücher und dem Düben gegen Delißsch zurückgewichen ; dem

Marschall St. Cyr mit dem 1. und 14. Corps , etwa 30,000 2*

20

Erstes Kapitel.

Mann , blieb Dresden anvertraut ; der Kaiser selbst hatte die Hauptmasse seines Heeres zwischen Dresden , Leipzig und Eilenburg ; einmal hatte er den Plan gewählt , der seiner Lage am meiſten entsprach : er dachte den bisherigen Kriegsschauplaß mit Dresden aufzugeben und hinter der Saale zwischen Erfurt und Magdeburg Stellung zu nehmen.

Doch der Entschluß war nur

von kurzer Dauer ; er widerstrebte schon an sich der stolzen Seele des Kaisers , und als dieser die Nachricht vom Anmarsch des schlesischen und Nordheeres erhielt, schien ihm das Opfer nicht mehr nöthig . Die Hoffnung lebte in ihm auf, er werde die beiden Heere mit Uebermacht anfallen können , eine Schlacht werd , ihn & von diesen Gegnern auf lange Zeit befreien und dann werde er auch dem böhmischen Heere dasselbe Schicksal bereiten.

So ver-

anlaßte ihn das Vordringen Blüchers, den ersten Schritt zur Entscheidung zu thun.

Er gab den Hauptmassen seines Heeres

die Richtung auf Düben, und schon am 9. Oktober Nachmittags rückten seine Vortruppen dort ein. ihn getäuscht.

Doch seine Hoffnung hatte

Blücher , bei Zeiten gut unterrichtet, war mit

raschem Entſchluß der Schlacht ausgewichen.

Der Major Rühle

von Lilienstern , bisher schon in einer Reihe ähnlicher Sendungen bewährt , hatte den Kronprinzen , der durchaus über die Elbe zurück wollte, zum Ausweichen westwärts über die Saale zu bestimmen gewußt.

Die Bewegung wurde rasch und geschickt aus-

geführt ; am 12. Oktober stand Blücher bei Halle , der Kronprinz bei Rothenburg und Alsleben .

Es war damit der große Vortheil gewonnen , daß von hier aus die Möglichkeit blieb , der böhmischen Armee zum leßten entscheidenden Vorgehen die Hand zu reichen. Napoleon , als er in Düben erkannte , daß er in die Luft gestoßen , verweilte hier vier Tage unter wechselnden Entschlüssen.

Er war ungewiß , wohin sich seine Gegner mit

21

Bewegungen Napoleons.

der Hauptmaſſe ihrer Truppen gewendet hätten ; doch hoffte er, sie seien auf dem Rückzuge über die Elbe begriffen , und nun dachte er an den Plan , sie zu erreichen und zu schlagen , um dann , entweder von der Elbe her umkehrend , die verbündete Hauptarmee nach Böhmen

zurückzuwerfen und sich so

wieder

zum Herrn des bisherigen Kriegsſchauplaßes zu machen , oder vielleicht in Magdeburg einen neuen Mittelpunkt für seine Bewegungen zu wählen.

Die Erkundigungen und einleitenden Be-

wegungen, die er dafür anordnete,

verschafften ihm indessen

nicht die Gewißheit , die er wünschte ; und endlich schien es ihm sicherer , sich zuerst gegen die von Süden heranziehende böhmische Armee zu wenden , um diese vereinzelt anzugreifen und zu schlagen.

Er hatte einen Theil seines Heeres bis an und über die

Elbe vorgeschoben ; dieser hatte die Brücken des Nordheeres bei Roßlau und Aken zerstört und den dort zur Vertheidigung zurückgelassenen General Tauenzien veranlaßt , mit ſeinem und des Generals von Thümen Corps einen übereilten Rückzug zur Dedung Berlins anzutreten. heer bei Leipzig verloren.

Dieser Heertheil ging nun dem NordDas war aber auch der einzige

Vortheil , den Napoleon aus den Bewegungen dieser Tage davontrug.

Als er sich entschloß , nach Süden umzuwenden , waren

ſeine Truppen noch ziemlich weit auseinandergezogen , und es schien ihm nach Murats Berichten einen Augenblick , als könne dieser wohl von der böhmischen Armee ,

ehe ihm Hülfe käme,

zur Räumung von Leipzig gezwungen werden.

Der Kaiser dachte

für diesen Fall seine Schlacht an der Mulde zu liefern , Front gegen Westen , doch immer nur gegen die verbündete Hauptarmee. Er fand indessen das Feld bei Leipzig noch frei , aber er sollte erkennen , daß er es mit der ganzen versammelten Macht seiner Gegner zu thun habe,

22

Erstes Kapitel. 4. Fürst Schwarzenberg hatte bis zum 7. Oktober mit der

Spiße seines Heeres in zögerndem Vormarsch Altenburg erreicht ; die Hauptmaſſen ſtanden in verschiedenen Staffeln mehr zurück bis Chemniß und Kommotau.

Um diese Zeit traf ihn die Nach-

richt, daß der russische Parteigänger Czernyschew in Kaffel , der Hauptstadt des Königs von Westphalen, eingerückt ſei , und danach die wichtigere vom Sieg bei Wartenburg und dem Uebergang des schlesischen wie des Nordheeres über die Elbe ; etwas ſpäter , am 10. Oktober , erhielt er die weitere Mittheilung von Blüchers Vormarsch auf Düben , während er gleichzeitig aus den übrigen Meldungen schloß ,

daß der Feind

Macht bei Leipzig concentrire."

eine bedeutende

Um dieselbe Zeit kam auch

die Nachricht , daß Bayern am 8. Oktober zu Ried mit Deſterreich einen Vertrag geschloffen habe , wodurch es von Napoleon zu seinen

Gegnern

hinübergetreten

sei.

In

Folge

davon

wurde das österreichische Heer , welches bisher am Inn den Bayern gegenüber gestanden hatte, frei und sollte nun , mit den letteren vereinigt , zuſammen etwa 50,000 Mann , unter General Wrede nach dem Main vorrücken.

Der Oberfeldherr

der Verbündeten hätte aus diesen Nachrichten wohl den Muth finden dürfen , jezt kräftiger als bisher auf den Feind loszugehen ; und wenn er es gethan hätte ,

so

würde er

wahr-

scheinlich den viel schwächeren König Murat mit großem Verlust über Leipzig zurückgeworfen haben ,

noch ehe

Napoleon

von der Elbe und Mulde her hätte herankommen können. hatte aber andere Gedanken.

Er

Er ließ sein Heer- nicht gerade

auf Leipzig , sondern mehr links nach der Saale hinüber rücken und ordnete in einer Disposition vom 13. Oktober, die auch an Blücher abging, an, daß sich die Heere die Hand reichen und „ allmählich immer mehr Terrain zu gewinnen suchen sollten , " während

Die Heere rücken auf Leipzig.

23

General Wrede Würzburg nehmen und gegen die französischen Ersagmannschaften in Frankfurt vorgehen werde.

Fürst Schwar-

zenberg hoffte offenbar , Napoleon werde sich, ohne eine Hauptschlacht zu wagen, gegen die Elbe , nach Wittenberg und Magdeburg zurückziehen , und es werde dann der Eindruck von der Uebermacht der Verbündeten, der Zug Wrede's, der Abfall Südwestdeutschlands den Kaiser Napoleon schon zum Frieden bestimmen.

Zum Glück erhob sich im Hauptquartier eine einfluß-

reiche Stimme gegen diese Anordnung.

Der Kaiser Alexander

hatte schon vorher dem General Bennigsen die Weisung ertheilt, mit Colloredo's und dem größten Theil seines eigenen Corps von Dresden zur Hauptarmee abzurücken.

Zur Disposition des

Oberfeldherrn hatte er aber schon halb ſeine Zuſtimmung gegeben, da gelang es dem General Toll ihn zu überzeugen , daß sie nicht einen Feind vor sich hätten , den man in einem Neß von so künstlichen Bewegungen fangen könne.

Nach vielen Verhand-

lungen wurde die Disposition vom 13. Oktober zurückgenommen und eine andere verfügte ein langſames Vorrücken gerade auf Leipzig.

Zur nämlichen Zeit gelang es auch, ein anderes Un-

heil abzuwenden , wobei sich recht deutlich zeigte , daß in jenem künstlich berechneten Zusammenwirken des Oberfeldherrn für die Verbündeten vielmehr der Keim zum Auseinandergehen gelegen hätte.

Der Kronprinz von Schweden wollte aufs neue durchaus

über die Elbe zurück.

Er hatte auf die Nachricht von Napoleons

Entsendungen gegen dieſen Fluß ſein Heer am 13. Oktober , voll Bestürzung und Sorge , daß es vielleicht schon zu spät sei , bereits nach Köthen geführt ; an Blücher schrieb er , er möge sich ihm anschließen.

Die Antwort war , daß sich Blücher in diesem Falle

genöthigt sehen werde , mit der böhmischen Armee sich zu vereinigen.

Der Kronprinz wurde schwankend ; er wollte sich doch

B

24

Erstes Kapitel.

auch nicht der Möglichkeit ausseßen ,

auf dem rechten Elbufer

mit einem überlegenen Feinde zusammenzutreffen ; doch kam er immer wieder auf den Rückzugsgedanken zurück. Erst dem vereinten Andringen von Blüchers Abgesandten von sämmtlichen Militärbevollmächtigten der verbündeten Mächte und zulezt noch dem Ausſpruch eines von ihm selbst berufenen Kriegsrathes gelang es, ihn anderen Sinnes zu machen : er willigte ein, den 15. Oktober nicht zwar nach Leipzig, aber doch vorwärts, nach Halle, zu marſchiren. So ging aus widerstrebenden Meinungen und Absichten auf Seiten der Verbündeten, aus schwankenden Entschlüssen auf Seite Napoleons, endlich das Zusammentreffen der Heere bei Leipzig hervor. 5. Die Reihe der Schlachten um Leipzig wurde durch ein Treffen eröffnet , welches am 14. Oktober zwischen Markkleeberg und Liebertwolkwig stattfand , auf denselben Feldern, wo 2 Tage später die Schlacht von Wachau geschah.

Es wurde auf Seiten

der Verbündeten durch die Heertheile von Kleist , Wittgenstein und Klenau ,

auf Seiten der Franzosen von König Murats

Armee, die eben durch Augereau's Corps verstärkt war, gefochten. Fürst Schwarzenberg hatte den General Wittgenstein beauftragt, mit den genannten 3 Heertheilen eine große Recognoscirung auszuführen , was schon an sich in der Regel ein wenig fruchtbares Unternehmen ist.

Der General aber hoffte wohl einen

großen Vortheil davonzutragen und sein Generalquartiermeiſter Diebitsch, derselbe , der 1829 durch die Uebersteigung des Balkan` berühmt geworden ist , bestärkte ihn darin.

Beide ordneten

einen förmlichen Angriff an , während doch die Hauptmaſſen der Armee zu weit zurück waren , um sie unterstüßen zu können. Die Preußen unter Kleist und die Russen unter Pahlen , Prinz Eugen v. Württemberg und Helfreich sollten auf dem linken Flügel und in der Mitte über Gröbern und Güldengossa vorgehen ;



Erstes Aufeinandertreffen ( 14. Okt.).

25

die Oesterreicher unter Klenau sollten auf der Rechten Liebertwolkwig angreifen.

Der Kampf begann um Mittag und führte

nordwärts von Güldengoſſa zu einem glänzenden Reitertreffen . Der König Murat würde, wenn er das Ganze bedacht hätte, den Angriff in seiner Stellung abgewartet haben ; seine Luft , ſich im Kleinen herumzutummeln, verführte ihn aber, nach und nach alle Reiterei, die er zur Hand hatte, dem Feinde entgegen zu werfen.

Die Verbündeten ihrerseits mußten nun ihre vorderen

Schwadronen unterstüßen, und so kamen allmählich von jeder Seite wohl 5 bis 6000 Reiter ins Gefecht.

Es geschahen tapfere

Thaten : in geſchloſſenen Haufen trafen Mann und Roß aufeinander , um gleich danach in Schwärmen zerstreut über das Feld zu jagen; einmal erblickte das Auge nur eine weit ausgedehnte Linie von einzelnen Schwadronen , dann trabten von der einen oder anderen Seite dunkle Massen vor und alles ballte sich um sie rasch zu dichten Schaaren zusammen .

Lange wogte so der

Kampf hin und her , bald in hundert Gruppen aufgelöst , bald auf wenige Punkte versammelt ; den König Murat sah man im bunten Anzug mitten im Getümmel ; Lieutenant Guido von der Lippe von den neumärkischen Dragonern machte Jagd auf ihn und hatte ihn fast erreicht , als er von einem Begleiter des Königs durch einen Pistolenschuß vom Pferde gestürzt wurde. Zweimal wurden die russisch-preußischen Reiter zurückgetrieben, zweimal warfen sie , von frischen Regimentern unterſtüßt , den Andrang wieder zurück ; so groß wurde die Erschöpfung , daß oft Freund und Feind dicht bei einander minutenlang die Pferde verschnaufen ließen , um dann von neuem die Schwerter zu meſſen. Der Boden erbebte unter den Hufen der Roſſe und dem Donner der Geschüße ; Staub und Pulverdampf verhüllten das Bild, bis wieder hier und dort

das Blißen

der

Schwerter und der

26

Erstes Kapitel.

Helme hindurchdrang.

Wer eben noch Sieger war, ſah plöglich

einen neuen Feind aus der täuschenden Wolke hervortreten , sah sich in Flanke und Rücken gefaßt ; da waren schnelle Pferde und tapfere Arme vonnöthen.

Zuleßt warf König Murat die Dra-

goner und Kürassiere von Augereau , die kaum aus Spanien gekommen waren , ins Gefecht ; die versuchten Reiter drangen unaufhaltsam vor ; doch wie die Russen , Preußen

und Dester-

reicher ihre leßten Schwadronen daran seßten , mußten auch fie weichen ; bis gegen Wachau zurück wogte das Treffen , ja bis nach Probsthayda soll viele der Eifer der Verfolgung getragen haben.

Damit war hier der Kampf zu Ende ; man erkannte

von beiden Seiten , daß es ganz nuglos wäre, noch die Infanterie ins Gefecht zu führen.

Um so blutiger hatte sie um Liebert-

wolkwik gerungen ; in wiederholten Stürmen waren die Deſterreicher muthig ins Dorf gedrungen , auf dem Kirchhofe gab's blutige Arbeit mit Kolben und Bajonnet ; dazwischen flohen die Bewohner jammernd von ihrem Herd ,

viele Häuſer waren in

Brand geschossen und stürzten krachend zusammen.

Zulegt ge-

wann General Maiſon das Dorf vollständig zurück, die Deſterreicher mußten weichen, die hereinbrechende Dunkelheit ſeßte dem Kampfe ein Ziel.

Es war nur ein Vorspiel für viel gewaltigere Kämpfe.

Im Ringen um das Dorf hat wohl jeder Theil gegen 1000 Mann eingebüßt ; die Verluste im Reitertreffen sind im Ganzen nicht bekannt, beim schlesischen Küraſfierregiment haben sie 82 Mann, darunter

13 Offiziere betragen ;

hatten gegen 1000 Gefangene verloren.

die Franzosen aber

Wie Augenzeugen ver-

sichern, waren die Deutschen hauptsächlich durch ihre besseren Pferde überlegen ; um so mehr hätte König Murat Ursache gehabt , die Kräfte seiner Reiter für die Hauptschlacht zu schonen. Seine Aufgabe war nur , das Feld zu halten , bis Napoleon

27

Entscheidende Richtung der Bewegungen. herankam.

Auf der anderen Seite war man freilich mit nicht

viel beſſerer Ueberlegung in das Treffen gegangen , und Fürst Schwarzenberg hatte Recht , den Generalen Barclay und Wittgenstein auf eine ruhmredige Meldung, als hätten sie den Feind aufreiben können , halb ernst halb ungläubig die Antwort zu geben, daß sich ein rechter General von einer solchen Möglichkeit durch keinen höheren Befehl dürfe abhalten laſſen.

Dabei

ist aber nicht zu vergessen, daß General Wittgenstein schon am 13. Oktober in seiner Meldung über die Stärke des Königs Murat auf einen wirklichen großen Angriff gegen diesen

gedrungen

hatte. 6. Nach diesem ersten Aufeinandertreffen verging noch ein Tag über dem Anmarsch der Heere.

Wir wissen , daß dieser

Tag am meisten Napoleon zu gute kam, und wiſſen auch die Urfache.

Hätte der Fürst Schwarzenberg auch nur den vorleßten Tag

zu rascherem Vorgehen benußt , so konnte König Murat mit ganz anderem Nachdruck angegriffen werden.

Hätte nicht erst

am nämlichen Tage, wo gegen dieſen gekämpft wurde, der Kronprinz von Schweden von seiner zweideutigen Zögerung nachgelassen, so konnte Blücher schon am 14. Oktober bei Leipzig eintreffen.

Aber so pflegt es zu gehen , wenn eine Sache auf

so vielen Köpfen und Willen stehen muß, wie die der Verbündeten.

Es kann uns übrigens nichts helfen , zu fragen, was

geschehen wäre , wenn die Verbündeten mit versammelter Macht bei Leipzig standen , während Napoleon noch mit getrennten Heertheilen heranzog.

Dagegen müſſen wir jeßt ſehen , wie die

Heere wirklich eintrafen, wie sie sich aufstellten und welche Ziele fie fich für den Kampf seßten.

Ich betrachte zuerst die allgemeine

Bedeutung der Bewegungen vom 15. Oktober und verbinde damit einen Ueberblick über das Schlachtfeld ; dann führe ich die

28

Erstes Kapitel.

Anordnungen, die Stellungen und Zahlen der Heere im Einzelnen auf.

Der Leser wird sich auf der beigegebenen Karte

ohne Schwierigkeit über alles zurechtfinden. Wie in entscheidenden Tagen des Menschen allezeit offenbar wird , daß unter Gottes Führung vieles von seinem Entschluß und Willen abhängt, vieles auch durch seine eigenen Thaten vorher bestimmt ist , so geht es auch mit einer großen Schlacht. Bei Leipzig hatte sich's schon am 15. Oktober für Napoleon und die Verbündeten so geſtaltet, daß es zu einem verzweifelten Kampfe

+ kommen mußte, ob ihn auch manche im einen oder anderen Heer lieber gemieden hätten.

Napoleon nämlich zog mit ſeinen Maſ-

sen von Düben , Eilenburg und Wurzen , d . h . von Nordosten und Osten heran , während seine natürliche Rückzugsſtraße über Lüßen und Weißenfels , d . h. in südwestlicher Richtung lief; die böhmische Armee marschirte von Altenburg ,

also gerade von

Süden , das schlesische und Nordheer von Halle und Landsberg, d . h. von Nordwesten auf die Stadt.

Die Verbündeten trafen

also troz aller Verzögerung gerade auf dem Punkte mit Napoleon zusammen , daß sein Rückzug zwischen ihren Waffen hindurch gehen mußte ; es blieb ihm keine Wahl , er mußte ſiegen oder einer großen Niederlage gewärtig sein. Viele zwar im verbündeten wie im französischen Heere waren der Meinung, daß er sich noch nach der Elbe zurückwenden könne ; allein bei Napoleon hatten solche Gedanken keine Wirklichkeit, er hielt mit Recht dafür, ein Rückzug werde ihm die Schlacht nur später und in noch ſchlimmerer Lage bringen ; er wollte der Schlacht nicht ausweichen, obwohl auch die Gestalt des Schlachtfeldes die Gefahr seiner Stellung noch vermehrte.

Es fließen nämlich im Westen

der Stadt zwei kleine Flüsse , die Elster und die Pleiße , welche sich hier vereinigen und eine Aue von 1/2 bis 3/4 Stunden Breite

29

Gestalt des Schlachtfeldes.

zwischen sich bilden, die zu jener Zeit noch mehr als heute durch Wasserarme , Unterholz , nasse Wiesen und Sumpf für größere militärische Bewegungen unzugänglich war.

Dadurch wurde die

Gegend um Leipzig für die Schlacht in zwei Felder getrennt ; und Napoleon, der auf dem östlichen schlagen mußte, fand zwar eine Anlehnung an der Aue , zugleich aber mußte sie ihm im unglücklichen Falle ein großes Hinderniß seines Rückzuges werden, denn mit Brücken und Wegen zum Durchmarsch ließ sie sich selbst beim größten Eifer kaum mehr nothdürftig versehen.

Die

Hauptmasse des Heeres blieb also für diesen Fall auf die eine Straße über Lindenau nach Lüßen und Weißenfels beschränkt und diese Straße war überdies , weil sie hinter Lindenau aus westlicher in südwestliche Richtung umbiegt , von der Stellung der verbündeten Hauptarmee aus an vielen Punkten mit Leichtigkeit zu erreichen.

Das sind sehr nachtheilige Verhältnisse für

eine große Armee mit ihrem ungeheuren Troß , die nicht querfeldein gehen kann, sondern guter Straßen viel nöthiger bedarf, als man sich gewöhnlich vorstellt ; und dieser Nachtheil sollte auch zu verderblicher Wirkung kommen .

Napoleon dachte indessen

nicht an den Rückzug, sondern an die Schlacht, und hierfür war ihm das Feld nicht ungünstig. Es wird durch die Parthe, welche von Süden kommt , sich bei Taucha in weitem Bogen westwärts wendet und dicht nördlich der Stadt in die Pleiße mündet , in zwei Theile getrennt , da das Flüßchen , obwohl schmal und in der Regel seicht , wegen seiner nassen , bewachsenen und ſumpfigen Ufer nur an wenigen Stellen ohne Hülfsmittel überschritten werden kann.

Es hat am 18. Oktober wirklich den Angriff der

schlesischen und Nordarmee aufgehalten ; auch hat die Bodengestaltung , die es auf der Ostseite der Stadt in Verbindung mit dem Rietschkegraben , auf der Nordseite mit dem Rietschkebach

30

Erstes Kapitel.

bildet, am 18. und 19. die Vertheidigung der Franzosen begünDas weite Feld südlich der Parthe bis zur Pleiße hinüber ist eine wellenförmige Fläche, deren höchste Punkte, obwohl

ſtigt.

nur 160 bis 170 Fuß über dem Boden der Sternwarte von Leipzig , doch eine ziemlich gute Umsicht gewähren ; die Abdachungen sind im Durchschnitt sanft und dem Auge kaum bemerkbar ; in den Mulden waren damals mehr Teiche, kleine Gehölze und naſſe Wiesen , auch liefen derzeit die Landstraßen anders, als heute , die zahlreichen Dörfer waren nach Bauart und Umgebung zur Vertheidigung geeignet ; im Ganzen aber war weder ein bedeutendes Hinderniß , noch ein durch seine Lage entschei dender Punkt auf diesem Raume , also der Vortheil im Gefecht für beide Theile ziemlich gleich.

Aehnlich war es nordwärts der

Parthe; nur ist dort der Raum bis zur Elster hinüber enger und noch durch die naſſen Ufer des Rietschkebachs stellenweiſe in zwei Theile getrennt.

Von wirklichem Einfluß auf den Verlauf

und namentlich die Ergebnisse der Schlacht war hiernach zuerst die Lage der Straßen, auf welchen der Anmarsch und der Rückzug erfolgte , dann die Bodengestaltung zwischen Pleiße und Elster. Sonst trug die Gestalt des Schlachtfeldes wenig zur Entscheidung bei ; namentlich konnte Napoleon keinen großen Vortheil daraus ziehen , weil ihm gar keine Zeit zur Vorbereitung blieb. Ueberhaupt hat bei ſo großen Schlachten die Bodengeſtaltung allein in der Regel den Einfluß nicht , den man sich oft vorstellt, weil sich die Stärken und die Schwächen meistens von einer Stelle zur anderen ausgleichen.

Das Wichtigste bleiben

immer der Gedanke, die Anordnungen, der Wille der Feldherren, der Geist und die Tüchtigkeit der Truppen.

Wir müssen diese

noch im Einzelnen kurz kennen lernen. 7. Wir wissen , daß die Gedanken bei den Häuptern der

Streit um die Anordnung zur Schlacht bei der böhm . Armee.

31

böhmischen Armee schon vordem oft sehr auseinandergingen ; es war bei der Anordnung zur Schlacht nicht anders .

Der Ober-

feldherr hatte durch General Langenau, seinen General-Quartiermeiſter , in seinem Hauptquartier Altenburg in der Nacht zum 15. den Angriffsplan ausarbeiten lassen.

Dieser Plan war von

` demselben Lieblingsgedanken eingegeben , der auch in der kaum erst zurückgenommenen Disposition vom 13. Oktober geherrscht hatte; es war die Hoffnung , die Hauptschlacht könne vermieden, der Feind durch ein allmähliches Zusammenschieben der Maſſen ohne große Entscheidung zurückgedrängt werden.

Blücher mit

seiner Armee sollte von Merseburg her auf Leipzig rücken, General Gyulai mit seinem Corps , der in Markranstädt den äußerſten linken Flügel der Hauptarmee bildete, war zu diesem Zweck der schlesischen Armee noch zugewiesen.

Der Fürst selbst wollte

mit dem Corps von Merveldt, den österreichischen Reſerven und den russischen Garden , d. h. mit fast der Hälfte seines Heeres, von Zwenkau aus durch das Wald- und Sumpfland zwiſchen Pleiße und Elster vorgehen.

General Wittgenstein ſollte mit ſei-

nem , Kleiſts und Klenau's Corps rechts der Pleiße angreifen, wo er auch am 14. angegriffen hatte.

Wie wir jezt die Schlacht

kennen , ist es gewiß , daß Napoleon nach diesem Plane Sieger geblieben wäre ; denn Blücher sowohl, wie der Oberfeldherr ſelbſt würden an und in der Aue der Elster und Pleiße gegen eine geringe feindliche Macht einen fruchtlosen Kampf gekämpft haben, während Napoleons Uebermacht das Heer Wittgensteins vernichtend getroffen hätte.

Aber auch so , wie der Oberfeldherr die

Verhältnisse kannte und die Stellung des Feindes vermuthete, hätte er nie in dieſen Plan willigen dürfen , denn er konnte es leicht auf der Karte sehen und hat sich auch am 15. mit eignen Augen überzeugt , daß er sich der ganzen Maſſe ſeines Heeres,

32

Erstes Kapitel.

die im Sumpflande zwischen Elster und Pleiße vorgehen sollte, für die Schlacht begeben würde, weil eine solche Maſſe dort nur sehr langsam vorankommen , sich weder bewegen noch entwickeln konnte und vollends zum Vordringen über die Pleiße gegen die Stadt gar nicht im Stande war.

Soviel Urtheil hatte der Fürst

freilich ohne Zweifel auch, darum ist es um so deutlicher, daß er die Hauptschlacht nicht wollte.

In dieser Meinung ist der Plan

nicht geſchrieben ; er weist die Heertheile zum Marsch auf Leipzig an ,

er sagt ihnen aber nicht , daß sie zu diesem Zweck den

Feind schlagen müssen , wo sie ihm begegnen ; er beſtimmt vielmehr, daß sie für den Fall des Rückzuges ungefähr wieder dahin auseinandergehen sollen , woher sie gekommen sind .

Das war

nicht ein Plan , um einen Napoleon zu besiegen, er war nur wie die Plane, die ihm erst den Weg zu seinen Siegen und zu seiner Größe gebahnt haben. Zum Glück kam es anders.

Der General Toll , ein Eſth-

länder von deutscher Familie , wußte noch zu rechter Zeit den Kaiser Alexander zu überzeugen , wie verderblich der Plan des Oberfeldherrn sei ; er konnte das um so besser, als der Kaiſer selbst gesonnen war , den Kampf mit Napoleon auszukämpfen. Dieser ließ den Feldmarschall zu sich entbieten; es kam zwiſchen beiden zu einem heftigen Wortwechsel, keiner gab nach.

Endlich

ſagte der Kaiſer : „ Nun , mein Herr Feldmarschall, da Sie darauf bestehen, so können Sie mit der österreichischen Armee machen, was Sie wollen ; was aber die ruſſiſchen Truppen des Großfürften Constantin und Barclay's betrifft , so werden diese auf das rechte Ufer der Pleiße übergehen , wo sie sein sollen , und nirgends sonst."

Es war schlimm genug, daß auf diese Weise im-

mer noch die österreichischen Reserven zwischen Pleiße und Elſter blieben ; doch werden wir bei der Schlacht sehen, wie die Gefahr,

33

Stärke und Stellung der böhmischen Armee. `die dies hatte , glücklich abgewendet wurde.

Auch behielt jezt

Blücher die Freiheit , den kürzesten Weg auf Leipzig zu nehmen. 8. Die böhmische Armee darf für den 16. Oktober nach den wahrscheinlichsten Nachrichten zu 135,000 M. angenommen werden.

Sie nahm,

in Folge der eben erzählten Verhandlun-

gen , eine sehr ausgedehnte Stellung , theils westlich der Elster, theils zwischen Elster und Pleiße, theils östlich der Pleiße.

Auf

dem leßteren Raume hätte das versammelte Heer sein Schlachtfeld suchen sollen ; es war wenigstens der größere Theil dort. Wir begegnen da bekannten Namen.

Voran waren :

auf der

Linken , bei Gröbern an die Pleiße gelehnt , General Kleist von Nollendorf mit 10,000 M. , in der Mitte bei Güldengossa Prinz Eugen von Württemberg, der Sieger von Kulm, mit 10,000 M.; auf der Rechten bei Störmthal Fürſt Gortſchakow . mit 9000 M.; 3000 M. ruffiſcher und preußischer Reſervereiterei unter General Pahlen standen hinter Gortſchakow zwiſchen Güldengoſſa und dem Oberholze (Universitätswalde).

Diese 32,000 M. waren hier

zum ersten Angriff beſtimmt ; ihr nächster Rückhalt waren 10,000 russische Kürassiere und Grenadiere in der Gegend von Magdeborn ; weiter zurück bei Rötha , 2 Stunden südlich von Güldengossa, standen 19,000 M. russisch-preußische Garden .

Es waren

zusammen 61,000 Ruffen und Preußen ; sie bildeten in der Schlacht bei Wachau am 16. Oktober die Mitte der Schlachtordnung des verbündeten Hauptheeres und hatten die Hauptwucht des Kampfes zu tragen , bis ihnen am Nachmittag die Feldmarschalllieutenants Bianchi und Weißenwolf mit 15,000 M. österreichischer Reserven zu Hülfe kamen. Ein gemeinsamer Befehl, der hier in der Mitte die Schlacht auf Seiten der Verbündeten gelenkt hätte, war nicht vorhanden ; die vorderen Heertheile hätte eigentlich der russische General der Cavallerie Graf Wittgenstein, 3

34

Erstes Kapitel.

die Gesammtmasse der Truppen rechts der Pleiße der ruſſiſche General der Infanterie Barclay de Tolly commandiren sollen ; in Wirklichkeit aber war in Folge des Schwankens in den Anordnungen gar kein Befehl genau beſtimmt, und es geschah noch zum großen Glück, daß der Kaiser Alexander zur rechten Zeit selbst eingriff.

Den rechten Flügel der Schlachtordnung bei

Fuchshayn, Groß-Pößna und Thräna hielt der General der Caval lerie Graf Klenau mit 23,000 M.; es waren meist Desterreicher, unter ihnen die preußische Brigade Zieten.

Der linke Flügel

stand , dem Plane des Fürsten Schwarzenberg gemäß , auf dem linken Ufer der Pleiße zwischen Zwenkau und Gaußſch ; es waren 29,000 M. Desterreicher : 14,000 unter General Merveldt zum Angriff in erster Linie ; hinter ihnen die eben genannten 15,000 Reserven unter dem Erbprinzen von Heſſen - Homburg. Die Ausdehnung der Schlachtlinie zwischen Zwenkau und Thräna betrug 3 bis 4 Stunden, die Tiefe , von der vorderen Linie bis zu den Reserven, 2 bis 3 Stunden. Auf dem äußersten linken Flügel der Hauptarmee, westlich der Elster bei Markranstädt, stand Feldzeugmeister Gyulai, unter ihm auch Fürst Morig von Liechtenſtein mit seiner leichten Division , sowie der größere Theil der Streifcorps von Thielmann und Mensdorf, zusammen 22,000 Desterreicher. Ganz im Gegensatz zu jener ersten Anordnung des Oberfeldherrn , die hier einen Hauptangriff unter Blücher bestimmt hatte, wurde auf dieses Gefecht lange nicht der Nachdruck gelegt , den die Stärke der Truppen und die Wichtigkeit des Ortes verlangte ; Feldzeugmeister Gyulai faßte , wahrscheinlich im Einverständniß mit dem Oberbefehl, den Rückzug nach Zeit zu sehr in's Auge. 9. Wir haben die schlesische und die Nordarmee an der Saale verlassen ; die erstere bei Halle , die leßtere bei Kö-

35

Stärke und Stellung der schlesischen Armee. then.

Blücher hatte am 12. Oktober den General St. Priest

mit 10,000 M. nach Merseburg entsendet , um die Verbindung mit der Hauptarmee herzustellen ; am 15. , sowie er vom Kronprinzen das Versprechen der Mitwirkung hatte , führte er sein Heer auf der kürzesten Straße gegen Leipzig . Wäre er über Merseburg gegangen , so wußte er wohl, daß er dann die Elster zwischen sich und den Feind nahm , denn der Feind mußte aus der Gegend von Düben auf Leipzig gehen.

Aber Blücher wählte

den gefährlicheren Weg, weil er die Schlacht mit Napoleon wollte und weil er so auch dem Kronprinzen, dem er noch nicht traute, näher blieb.

Voran auf dem Marsche waren die Preußen unter

York, die Sieger von Wartenburg , noch 21,500 M. von den 38,000, womit vor 8 Wochen der Feldzug eröffnet worden war. York erreichte am Nachmittag des 15. Schkeudiß, 3½ Stunden nordwestlich von Leipzig , auf dem rechten Ufer der Elster , die hier schon die Pleiße aufgenommen hat.

Rückwärts zu seiner

Linken, bei Kursdorf, ſtand General Langeron mit 17,500, hinter beiden als Reserve General Sacken mit 9000 Russen.

Auch

General St. Priest war auf Blüchers Befehl von Merseburg her mit seinen 10,000 Russen im Anmarsch; er traf am Nachmittage des 16. ein und brachte die Armee auf 57,000 M.

Es wird

erzählt, daß sich die verbündeten Heere am Abend des 15. Oktober durch Feuerzeichen begrüßten ; zuerst wären 3 weiße Raketen aus der Gegend von Pegau aufgestiegen , gleich darauf hätten ihnen, 7 Stunden weiter nördlich bei Schkeudiß , 3 rothe geantwortet. 10. Der Kaiser Napoleon hatte , wie wir wiſſen , in Düben nach beinahe vier Tagen des Schwankens und Zweifelns den Entschluß gefaßt, sich gegen die böhmische Armee zu wenden. Es geschah dies am Nachmittag des 12. Oktober , und auch die Ur3*

36

Erstes Kapitel.

sache läßt sich aus seinen Schreiben und Befehlen erkennen : es war nicht der Widerwille seiner Generale, ihm über die Elbe zu folgen, oder der Abfall von Bayern, wie französische und deutsche Schriftsteller zur Vermehrung seines Ruhmes gedichtet haben ; sondern , wie er selbst sagt , weil

die ganze preußische Armee

auf das rechte Elbufer zurückgegangen“ sei . Es fehlte nicht viel und lag nicht am Kronprinzen von Schweden , so wäre es so gewesen.

Der Kaiser aber glaubte nach seinen Nachrichten, was er hoffte und wünschte, und gab jeßt seine Befehle, damit er die Uebermacht gegen die böhmische Armee noch zur rechten Zeit in der Gegend von Leipzig versammle. Schon am 14. Oktober kam er selbst nach der Stadt und nahm sein Quartier im Vetter'schen Landhause in Reudniß , wo er auch die beiden nächſten Nächte zubrachte.

Am nämlichen Tage kam auch der König von Sachſen

und blieb in der Stadt.

Die Armee traf in fast ununterbroche-

nem Zuge am 14. und größtentheils am 15. ein ; nur einige Heertheile, die vorher die Bewegung an oder über die Elbe hatten ausführen müſſen, waren noch zurück , namentlich der Marschall Macdonald , der General Delmas von Marschall Ney's Corps und der General Reynier.

Napoleon rechnete mit Zuversicht auf den Sieg über die böhmische Armee, die er im Süden der Stadt anzugreifen und gegen die Pleiße zu drängen dachte. Darum mußten seine Hauptmaſſen dorthin ziehen, wo schon König Murat stand .

Von Blücher und Bernadotte wußte

er freilich schon am 15. früh , daß sie nicht über die Elbe gegangen waren ; er meinte jezt eine Zeit lang , sie wären nach Merseburg marschirt ; doch war er nicht so sicher , um alle Vorsicht gegen sie zu unterlassen.

Die Marschälle Ney und Mar-

mont ſtanden im Norden von Leipzig ; sie erhielten verschiedene Befehle ; zuleßt dachte sie Napoleon mit zum Angriff im Süden

37

Anmarsch, Stärke und Stellung Napoleons.

zu verwenden, nur ein Theil von Ney's Corps sollte zur Beobachtung nördlich der Parthe stehen bleiben ; Marmont war schon im Abzuge begriffen , aber Blücher war zur rechten Stunde da und die Mitwirkung der Marschälle gegen die böhmische Armee unterblieb.

Jm Westen der Stadt , bei Lindenau , hatte Napo

leon anfangs nur eine schwache Abtheilung unter General Margaron ; als Gyulai's Angriff geschah , wurde sie schnell verſtärkt . In Leipzig selbst waren Badener und ein Theil der sächsischen Garden. Die Hauptstellung Napoleons, im Süden der Stadt, von Döliz bis gegen Klein-Pößna hinüber war demnach folgende. Auf dem rechten Flügel bei Döliß und Lößnig stand Fürst Poniatowski mit dem 8. Corps, 8000 Polen ; zu ſeiner Linken, bei Dösen , schloß sich Augereau mit dem 9. Corps an , 10,000 Franzosen , die zum Theil erst vor wenigen Wochen aus Spanien angekommen waren.

Die Mitte der Schlachtordnung

hielten Marschall Victor mit dem 2. und General Lauriston mit dem 5. Corps .

Der erstere, bei Wachau, zählte 20,000 M., die

Infanterie waren Franzosen , die Reiterei Westphalen ; der leztere führte 15,000 Franzosen und stand bei Liebertwolkwiß.

Auf

dem linken Flügel traf Marschall Macdonald mit dem gröBeren Theil seiner Truppen erst am Morgen des 16. zwischen Holzhausen und Seifertshayn ein ;

er führte das 11. Corps ,

15,000 M., französische, westphälische, italienische, neapolitanische Infanterie, italienische und würzburgiſche Cavallerie.

Außerdem

ſtieß zum linken Flügel noch die Diviſion Marchand vom 3. Corps, aus badischer , hessischer und Frankfurter Infanterie bestehend, etwa 3000 M.

Das war die erſte Linie der Franzoſen, zuſam-

men 71,000 M.; sie hatte im Ganzen den Vortheil der Stellung gegen die Verbündeten ,

da sie sich hinter sanft ansteigenden

A 38

Erstes Kapitel.

Höhen hinzog ; in großem Vortheil war insbesondere Fürst Poniatowski an der Pleiße gegen die Desterreicher , welche vom linken Ufer her den Uebergang erzwingen wollten.

In zwei-

ter Linie hatte Napoleon die Maſſen ſeiner Reſervereiterei aufgestellt.

General Kellermann mit dem 4. Cavalleriecorps , etwa

3000 Polen und Franzosen, stand bei Dösen hinter Poniatowski und Augereau.

Die Generale Latour-Maubourg und Milhaud

mit dem ersten und fünften Cavalleriecorps ,

etwa 9000 M.,

Franzosen, Italiener und 2 sächsische Küraſſierregimenter, hielten hinter Wachau, zur Unterstüßung der Mitte bereit.

General Se-

baſtiani mit dem 2. Corps , 5000 Franzosen , war dem Marschall Macdonald beigegeben. Als Reserve für die Schlachtlinie stand die alte und die junge Garde unter den Marschällen Oudinot und Mortier , sowie dem Reitergeneral Nansouty bei Probsthayda ; es waren wohl noch 33,000 M. , meist Franzosen, auch einzelne Bataillone Sachsen , Westphalen ,

Italiener und

Polen, sowie einige Schwadronen deutscher Lanciers aus dem Großherzogthum Berg.

Die Gesammtmasse , welche Napoleon

hier versammelte, betrug also 121,000 M., und diese Masse war nach Breite und Tiefe der Stellung mehr zusammengefaßt , als das gegenüberstehende Heer der Verbündeten; sie war dem einen Willen und Befehl Napoleons gewärtig da, wo er seine Schlacht zu schlagen gedachte ; nur das Eine fehlte, daß der linke Flügel nicht früh genug zur Stelle sein konnte. Die Macht, über welche Napoleon im Norden und Weſten von Leipzig verfügte , bestand aus dem 6. Corps unter Marschall Marmont, dem größeren Theil des 3. Corps unter General Souham, der Diviſion des Generals Dombrowski, dem 4. Corps unter General Bertrand , dem 3. Reitercorps unter General Arrighi, sowie aus einigen Besaßungs- und Ersaßtrup-

39

Stärke und Stellung Napoleons.

pen in Leipzig unter den Generalen Margaron und Lefol. Dieſe ganze Macht war unter den Befehl des Marschalls Ney gestellt, der die Stadt von dieser Seite wahren sollte , während ihn der Kaiser wiederholt anwies , was er irgend entbehren könne zur Mitwirkung bei der Hauptschlacht im Süden der Stadt abzuschicken.

In dieser Absicht traf der Marschall seine Anordnun-

gen, die sich indessen , nach den Nachrichten , welche am Morgen des 16. einliefen, anders geſtalteten , als er gedacht hatte.

Der

Marschall Marmont, welcher zuerst bei Lindenthal stand, zog von da ab , um gegen Liebertwolkwig hinüber zu rücken ; da zwang ihn das Vorrücken Blüchers bei Möckern Stellung zu nehmen. Er hatte dort 20,000 M., darunter 2 württembergische Reiterregimenter und 1 Regiment spanischer Infanterie, sonst Franzosen. Vom 3. Corps ging , wie vorhin angeführt , die Diviſion Marchand zum Marschall Macdonald ab ,

die Division Delmas,

4000 M., war, einen Wagenzug geleitend, noch von Düben her im Anmarsch ,

die anderen Divisionen , etwa 9000 M. , kamen

nach verſchiedenem Hin- und Herziehen zwischen Mockau und Widderitsch zur Verwendung, es waren meist Franzosen ; an sie schloß sich General Dombrowski mit 4000 Polen an. Die Reiterei Arrighi's , etwa 4000 Franzosen ,

kam nicht im Ganzen,

ſondern in einzelnen Regimentern oder Brigaden in Thätigkeit, und zwar hauptsächlich beim 6. und 3. Corps .

General Ber-

trand , mit 10,000 Franzosen , Württembergern und Italienern, zog am Morgen des 16. ,

als Gyulai's Angriff nahte, nach

Lindenau hinüber , wo sich General Margaron mit 5000 M. an ihn anschloß.

Im Norden von Leipzig hatte also Napoleon

im Ganzen 41,000, im Westen verwendete er 15,000 M. 11. Soviel ſich bis jezt urtheilen läßt, dürfen wir zu Ehren der Kämpfer von Leipzig sagen , daß es keine erhebliche Ueber-

40

Erstes Kapitel.

macht auf Seiten der Verbündeten war , welche in der großen Schlacht des 16. Oktober gegen den gewaltigsten Feldherrn seiner Zeit das Feld behauptete.

Die Zahlen genau so festzustellen ,

wie sie waren , wird keiner menschlichen Forschung gelingen ; es kann darin nur von einer Annäherung an die Wahrheit die Rede sein , und allerdings bleibt in diesem Punkt der gewissenhaften Untersuchung immer noch eine große Arbeit zu thun. Inzwischen sind die Zahlen , wie ich sie hier und im Nachfolgenden aufgenommen habe , aus der Vergleichung der neueren glaubwürdigen deutschen Schriften hervorgegangen ;

den Franzosen

darin mehr glauben zu wollen , die ihres Kaisers Heer , weil er nicht gesiegt hat, so klein wie möglich zu machen suchen, das ginge über die Gerechtigkeit.

Die Verbündeten führten hiernach

im Ganzen 192,000 Mann mit 750 Geschüßen zur Schlacht ; Napoleon hatte 177,000 Mann mit 700 Geſchüßen.

Auf dem

Hauptfelde aber war dieser der Stärkere : er führte bei Wachau 121,000 gegen 113,000 ; Blücher hatte 47,000 , und vom Nachmittag an 57,000 gegen die 41,000 unter Marmont und Ney ; Gyulai zählte 22,000 gegen 15,000 unter Bertrand . 12. Es war ein großes Werk , wozu von beiden Seiten die Heere schritten ,

und sie hatten nichts ,

konnte , als den Geist , der sie beseelte.

das sie dazu stärken

Es war schon die Jahres-

zeit , wo die Nächte länger sind als die Tage , und dieſer Herbst behielt auch jezt noch das trübe, rauhe Antlig bei, womit er die Bewegungen und Kämpfe der Heere von Anfang begleitet hatte. Fast Tag für Tag brach der Morgen unter Nebeln an, die oft bis gegen Mittag auf den Feldern lagen und sich häufig in Regen verwandelten ; nur selten drang die Sonne hindurch und sendete ein paar milde , warme Stunden.

Auch der 14. und 15.

Oktober waren Regentage und der 16. ging unter Nebeln auf ,



41

Zustand und Geist der Heere. die erst gegen 10 Uhr das Licht der Sonne durchließen.

Bei

weitem die Mehrzahl der Streiter , die an diesem Tage dem heißen Kampfe entgegen gingen , hatten die Nacht unter freiem Himmel auf dem kalten, feuchten Boden zubringen müſſen, kaum daß die Wachtfeuer eine sparsame Wärme gaben.

Von den

Franzosen hatten dazu die Heertheile, welche Napoleon herbeiführte , die letzten Tage auf schlechten Wegen ununterbrochene Märsche gemacht ; auf Seiten der Verbündeten namentlich bei der Hauptarmee ,

dagegen

der Aufbruch so früh,

war , daß

nicht mehr abgekocht werden konnte , obwohl die Weiſung dafür gegeben war.

Ueberhaupt sah es mit dem Unterhalt auf beiden

Seiten nothdürftig aus.

An Wein fehlte es nicht ,

namentlich

die Franzosen scheinen große Vorräthe aus der Stadt bezogen zu haben ;

dagegen

wurde der Mangel

an Brot bitter ge-

fühlt. Bei der Größe der Maſſen , die hier aufeinander trafen , war das nur zu natürlich.

Vor großen Entscheidungen im Kriege

pflegt sich auch sonst alles verwirrend zuſammenzudrängen ;

die

Gedanken und Entschlüsse der Feldherren werden so sehr von den eilenden Stunden in Anspruch genommen , die Bewegungen der Heere schieben sich so drängend durcheinander , daß die Sorge für das , was die Erhaltung der Truppen erfordert, nur unter den schwersten Hinderniſſen arbeitet.

Das alles war in dieſer

Schlacht , die so weit über alles Maß bisheriger Kriegserfahrung hinausging , dreifach ärger , als sonst.

Auch die große Stadt

und die fruchtbare Gegend konnten gegen

dieſe Noth troß der

reichen Ernte des Sommers keine ausreichende Hülfe schaffen. Der Krieg hatte die gesegneten Fluren Sachſens ſchon ſeit einem halben Jahre heimgesucht, er hatte auch dieſe Gegend in Schlachten und Truppenmärschen schon hart mitgenommen , und jetzt lag der Druck der Ereignisse zu schwer auf den Gemüthern, als daß

42

Erstes Kapitel.

im Großen eine geordnete Hülfe

hätte

aufkommen

können .

Seit drei Tagen hatten die Bewohner Leipzigs und der Umgegend die Durchzüge der Truppenmaſſen, das Stocken und Kreuzen der Colonnen gesehen , den Lärm des Fuhrwesens , das Schimpfen und Fluchen der Fuhrleute , das Antreiben der

abgematteten

Gäule vernommen ; es waren Tausende von Soldaten , viele mit den Spuren der Erschöpfung , an ihnen vorübergezogen , die Schrecken der bevorstehenden Schlacht waren immer näher vor ihre Seele getreten.

Auch wenn Napoleon nicht erst im leßten Augen-

blick seine Entscheidung getroffen hätte , auch wenn die Sorge um die Soldaten mehr in seiner und seiner Generale Art gewesen wäre , sie würden in der so rasch und übermäßig heimgesuchten Stadt und Gegend nur sehr schwer die nöthige Hülfe gefunden haben. Besser waren darin doch die Verbündeten daran. Bei der Hauptarmee konnte während der überaus langſamen Bewegung der

lezten Tage troß der Unsicherheit der Entschlüsse

wenigstens für das Nothwendigste gesorgt werden , obwohl das kaum Glaubliche feststeht , daß das Heer schon auf der Nordseite des Erzgebirges stand , ehe noch an eine geordnete Verpflegung im Großen ernstlich gedacht war.

Das Land war auf der

Strecke, durch welche der Vormarsch ging, noch weniger ausgesogen; die Ruffen nahmen , was sie bedurften ; vieles that auch die gute Gesinnung der Bewohner.

Das schlesische Heer feiner-

seits hatte bei Halle nach den harten Kämpfen und Märschen der letzten Wochen ein paar Tage der Erholung gefunden ; namentlich für die Preußen, die York führte, hatten die Bewohner ihr Bestes gethan.

Noch der Abend vor dem Abmarsch hatte

die Vereinigung vieler alten und jungen Offiziere , Studenten , Profefforen und Bürger gesehen.

Da waren die Alten wieder

jung geworden und die Jungen waren von männlichen Gedanken

43

Zustand und Geist der Heere. bewegt ; da hatten sie die ernste Weise des

Landesvater“ ge-

ſungen , da waren gute Worte ausgetauscht worden von dem großen Tag , der dem Heere bevorstand .

So ging's doch besser

zur Schlacht. Es waren auf beiden Seiten verschiedene Bestandtheile in den Heeren, und namentlich war die Zahl der jungen Soldaten sehr groß.

Dennoch haben die Heere bei Leipzig die größte

kriegerische Tugend gezeigt : die jungen Soldaten waren in der Schule eines harten Feldzuges schnell zu alten Soldaten geworden , und wer zu schwach für den Krieg war , den hatten die Märsche und Schlachten bis dahin schon mitgenommen.

Fm

französischen Heere hatte die Erfahrung von zwanzig Kriegsjahren einen Kern von Offizieren und Soldaten geschaffen, um den ſich die Rekruten schnell anschließen lernten ; und in der Jugend, obgleich bald keine mehr für die Fahnen übrig war , lebte doch etwas vom

kriegerischen Geifte dieses Volkes .

Sonst freilich mußte

vieles im Heere Napoleons den Muth niederdrücken.

Es hatte

in den zwei Monaten seit Beginn des Feldzuges Unglück gehabt und war in endlosen Märschen unter Noth und Entbehrung hin und hergezogen , ohne den Sieg zu sehen.

Die fremden

Offiziere und Soldaten sahen nicht mehr die Gewißheit des Ruhmes und Erfolges , der sie sonst gefolgt waren ; in den Gemüthern vieler Deutschen , die vordem nur diesen Ruhm gekannt hatten , kamen jezt auch andere Gedanken auf.

Die hohen Ge-

nerale des Kaisers waren des Krieges müde ; nur an ihm selbst erhob sich noch der Glaube seines Heeres.

Mit seinen Feinden

dagegen war das Glück gewesen , obwohl nicht in allen derselbe Geist war.

Am ungleichſten erschien das Heer der Oesterreicher.

Der Staat hatte Mühe nach so viel schweren Kriegsjahren, wieder die große Rüstung aufzubringen , denn das Volk sollte

44

Erstes Kapitel.

von sich aus nicht dazu mitwirken ; es waren neben den alten Bataillonen viele junge , zum Theil erst in den lezten Wochen, eingerückt ; die österreichischen Waffen hatten in den acht Wochen des Feldzuges mehr Mißgeschick als Erfolge aufzuweisen : so kam es , daß nicht in allen Reihen dieſes Heeres die alte unerschütterliche Ausdauer und Tapferkeit war. die Truppentheile verschieden ;

Auch bei den Ruſſen waren

der Krieg von 1812 hatte das

Heer zu sehr mitgenommen , ſeine Ordnungen waren noch nicht durch die ganze Maſſe gleichmäßig hergestellt ; bei den zuleßt angekommenen Verſtärkungen sah man noch Mannschaften ,

die

Piken trugen ; auch trieb die Ruſſen mehr der Befehl ihres Kaisers, als ihr Herz für die Sache, sie fochten nicht alle , wie sie 1812 gefochten haben.

Das war bei den Preußen anders.

Da stan-

den freilich neben der geschulten älteren Armee ebensoviele Landwehren , die erst seit dem Frühjahr und Sommer errichtet waren ; aber in dieſen Landwehren war ein Wille und ein Zorn für diesen Krieg, der sie wie erprobte Soldaten in die Schlacht trieb. Was Westdeutschland seit den neunziger Jahren fast nur

in

Erhebungen der Bauern gesehen , was in Desterreich 1809 Heer und Volk ruhmvoll, doch nicht glücklich bewegt hatte , in Preußen 1813

das war

ein mächtiges Wiederaufleben des ganzen

Staates auf seinem geschichtlichen Grunde , es war ein einziger Strom , der König , Heer und Volk miteinander forttrug.

Da-

rum machte die heiße Arbeit des Sieges so schnell die Landwehr fest; darum war unter den Preußen bei Leipzig kein Unterschied, in einem Geiste standen und schlugen sie. So lagen jezt die Würfel, nachdem sich die Feldherrn und die Heere acht Wochen lang in Märschen und Schlachten gemessen hatten.

War es schon jezt vor menſchlichen Augen ge-

wiß, wohin sich der Sieg neigen werde?

Durfte Napoleon nicht

45

Zustand und Geist der Heere.

auf sein Genie, seinen Namen , sein Glück , den getheilten Sinn seiner Gegner hoffen ? offenbar wird ,

Ich sagte , daß in so großen Stunden

wie vieles

durch des Menschen eigene Thaten

vorher bestimmt ist ; aber der ganze Zusammenhang ruht doch nur in Gottes Wissen und Gottes Hand.

Das kann niemand

sagen , warum und wie es hat kommen müssen , daß von so vielen Willen , die im verbündeten Heere dieſem leßten Kampfe entgegen waren , keiner die Sache verderben konnte , warum so viele Herzen und Sinne,

die von gar verschiedenen Gedanken

und Zielen erfüllt waren , dazu thun mußten , daß allemal zur rechten Stunde der rechte Entschluß durchdrang.

Wir wissen

wohl, in welchem Geiste das Beste geschah, und daß dieser Geist des Sieges , um den er alle anderen Güter dahin warf, nicht unwerth war.

Dennoch durfte er sich der Gewißheit des Sieges

nicht vermeſſen ; noch war er ihm erst vor dem Auge Gottes bestimmt.

Bweites Kapitel. Wachau und Möcker n. 1. Wir haben schon aus der Vertheilung der Streitkräfte im vorigen Kapitel gesehen , daß die Schlacht vom 16. Oktober aus zwei Schlachten bestand.

Die eine, von den Hauptmassen

geschlagen , führt ihren Namen von dem Dorfe Wachau in der Mitte der französischen Stellung.

Die Linie ,

auf welcher der

Kampf tobte, hatte von Dölig und Markkleeberg bis Seifertshayn eine Ausdehnung von 22 Stunden, fie lag in ihren Hauptpunkten auf 2½ bis 3 Stunden südlich von Leipzig.

Als

ein abgesonderter Theil gehört hierher noch das Treffen von

46

Zweites Kapitel.

Lindenau ,

eine Stunde westlich von Leipzig.

Die zweite

Schlacht wurde bei dem Dorfe Möckern , 1½ Stunden nordwestlich der Stadt gefochten ,

auf einer Frontlinie von etwa

1/2

Stunde ; im Zusammenhang damit standen die weniger heißen Kämpfe von Groß = und Klein - Widderitsch , 2 Stunden nördlich von Leipzig.

In dieser Ordnung will ich die

Schlachten jezt erzählen. 2. Die vorderen Heertheile der verbündeten Hauptarmee traten mit anbrechendem Tage , zum Theil selbst noch in der Dunkelheit unter die Waffen ; gegen 7 Uhr seßten sie sich zum Angriff in Bewegung ; um 29 etwa fielen von ruſſiſchen Schüßen, die den Colonnen Kleists voran auf Markkleeberg gingen , gegen französische Plänkler die erſten Schüſſe ; es ward bald ein Donner daraus , der bis tief in die Dunkelheit des Abends über das weite Schlachtfeld hinrollte. war glücklich.

Der erste Andrang der Verbündeten

Muthig warfen sich Kleist und der Prinz von

Württemberg auf die feindlichen Linien.

Kleist , durch Bianchi's

Desterreicher von der linken Seite der Pleiße her unterſtüßt , nahm Markkleeberg , drang gegen Döliz und Dösen vor , wurde zurückgeworfen und büßte das nördliche Ende des schon gewonnenen Dorfes ein , nahm es dann wieder und behauptete sich gegen den wiederholt anstürmenden Feind . der Prinz Eugen.

Gleichen Erfolg hatte

Seine Ruffen nahmen Wachau vom west-

lichen, seine Preußen vom östlichen Ende , dann wogte um die Höhen hinter dem Dorfe der Kampf hin und her , ohne daß ein Theil voran kam.

Schon mischte

das

Geschüß seine eherne

Stimme anhaltend ein ; einzelne Reitergeschwader jagten hervor; Kellermanns Polen hieben auf Kleists Plänkler mit Glück ein , sächsische Kürassiere dagegen wurden von russischen Reitern überrascht.

Gortschakow war rechts vom Prinzen Eugen gegen den

Vorrücken der böhmischen Armee.

47

Galgenberg und Liebertwolkwiß vorgerückt, während gleichzeitig mit größerer Macht Klenau's linker Flügel von Often ins Dorf eindrang.

Die Desterreicher nahmen das Dorf, nur im nördlichen

Ende behaupteten sich die Franzosen ; Gortschakows Ruſſen hatten nur geringen Antheil an diesem Kampfe , da er seine Maſſen mehr links hinüberzog.

Inzwischen

beseßte Klenau mit dem

Haupttheil seines Corps auch Seifertshayn und den Kolmberg, ohne noch auf Widerstand zu stoßen.

Nur die Desterreicher auf

dem linken Flügel der Angreifer, zwischen Pleiße und Elster, kamen nicht vorwärts.

Es zeigte sich hier gleich zu Anfang, wie

verkehrt der Plan war , den der Oberfeldherr so hartnäckig festgehalten hatte.

Der Fürst ließ vom Kirchthurm von Gaußſch

den Gang der Schlacht beobachten.

General Merveldt versuchte

zuerst bei Connewiß , dann bei Lößnig den Uebergang über die Pleiße zu gewinnen ; es war vergebens.

Bei Dölig wurde mit

hartnäckigem Muthe um Herrenhaus und Dorf gestritten ; das erstere , auf dem linken Ufer , gewannen die Desterreicher , das lettere, auf dem rechten , behaupteten die Franzosen.

Von Con-

newig bis über Markkleeberg hinauf knatterte ein ununterbrochenes Gewehrfeuer , kleinere Angriffe gingen über den Fluß hinüber und herüber : von ihrer Uebermacht an dieser Stelle vermochten die Desterreicher keinen Gebrauch zu machen ; für Aufſtellung von Geschüßen , für Entwickelung von Maſſen war kein Raum.

Rechnet man alles , was die Verbündeten auf dem bei

3 Stunden ausgedehnten Felde ins Gefecht führten, so waren es wohl 69,000 Mann gegen etwa 68,000 Franzosen.

Die leßteren

hatten beim Beginn des Angriffes ihre Truppen noch nicht alle in ihren Stellungen , allein ſie verſtärkten ſich mit jedem Augenblick und gewannen sehr bald an dem Hauptpunkte , bei Wachau, eine bedeutende Ueberlegenheit.

Bis dahin , um 10 Uhr Morgens

48

Zweites Kapitel.

etwa, war alles nur ein Vorspiel ; erst jeßt begann die eigentliche Schlacht.

Das ganze Gewicht der Entſcheidung drängte sich

in der Mitte zusammen . 3. Der Kaiser Napoleon war bald nach 9 Uhr auf dem Galgenberg eingetroffen , von wo der König von Neapel schon das Heranrücken der Verbündeten beobachtete.

Seine erste Ab-

ſicht , wie es scheint , war , die böhmische Armee mit Uebermacht auf ihrem rechten Flügel zu fassen ; jezt nöthigte ihn der Angriff seiner Gegner , zunächst die eigene Mitte zu unterſtüßen, und damit änderte sich sein Plan.

Er dachte nun seine Haupt-

macht in die Richtung auf Wachau zu werfen , denn die geringe Masse des feindlichen Angriffes Standpunkt erkennen.

konnte er wohl von seinem

Drang er hier durch , so trennte er ſeine

Gegner in 2 Theile und hatte Aussicht , den einen Theil rechts gegen die Pleiße zu werfen und in eine vollſtändige Niederlage zu verwickeln.

Auf seinem linken Flügel war Macdonald eben

im Vorgehen gegen den Kolmberg , während Lauriſton noch bei Liebertwolkwiß kämpfte ; Marschall Mortier mit 12,000 Mann junger Garde erhielt Befehl, zwischen beiden zur Unterſtüßung einzurücken.

In der Mitte hatte Marschall Victor ſeine Truppen

bei Wachau versammelt, Marschall Augereau die Gegend von Dösen erreicht.

Der Kaiser sendete in der legteren Richtung

noch den Marschall Oudinot mit 12,000 Mann der anderen Hälfte der jungen Garde vor, ließ einen Theil der alten Garde zur Unterſtüßung Poniatowski's abrücken und ordnete für den Hauptschlag die Sammlung gewaltiger Geſchüß- und Cavalleriemaſſen bei Wachau an.

Es mochte 11 Uhr geworden sein , bis diese Anord-

nungen sich zu entwickeln begannen ; es war ein furchtbares Wetter, das sich über der noch im fruchtlosen Angriff ringenden Mitte der Verbündeten zuſammenzog. Dochseine Gewalt ſollte sie nicht unvor-

3

Ankunft und Eingreifen der Kaiser Napoleon und Alexander. 49 bereitet treffen. Bald nachdem Napoleon auf dem Galgenberg anlangte, war auf der anderen Seite Kaiser Alexander erſchienen. Er nahm seinen Standpunkt auf einem Hügel südlich von Güldengossa , dem sogenannten Wachberg , wo um Mittag auch Kaiser Franz und König Friedrich Wilhelm sich einfanden .

Es war

nur 4 Stunden vom Standort Napoleons . Der Kaiser Alexander erkannte,

wie

dünn seine

Colonnen

waren ,

die

über den

weiten Raum zum Angriff vorrückten , er sah , wie der Angriff ins Stocken kam , wie sich die Massen der Franzosen bei Wachau verdichteten. Seine Zweifel und Sorgen fanden bei seinem Adjutanten , Oberst Wolzogen , aus der mit Schiller befreundeten thüringischen Familie , nachdrückliche Bestätigung.

Der Kaiser

ſandte dieſen zum Fürsten Schwarzenberg nach Gaußſch hinüber, er möge ſchleunig, was er habe , zur Hülfe heru er senden ; zugleich mußten andere Offiziere zu den russisch-preuß then Reserven eilen , um ihren Anmarsch zu betreiben .

Wolzogen fand

günstige Aufnahme beim Oberfeldherrn , der Fürst selbst hatte seinen Fehler erkannt, seine Umgebung ,

namentlich Radeßky,

der später als Sieger von Cuſtozza und Novara berühmt wurde, unterſtüßte Wolzogens Verlangen ; dieser konnte nach 12 Uhr dem Kaiſer kommen.

die Botschaft bringen ,

die

Desterreicher würden

Bianchi mit seinen 15,000 war bereits im Aufbruch,

um über Deuben , Groß- und Klein- Städteln heranzurücken . So “ war gegen die größte Gefahr die Abwehr gesichert.

Von dem

furchtbaren Angriffe Napoleons aber und dem muthigen Widerſtande der Verbündeten werden.

wird noch in späten Zeiten erzählt

4. Zuerst müssen Prinz Eugen und Kleist die wachsende Kraft der französischen Maſſen empfinden .

Victors Infanterie,

die Offiziere voran, den Hut auf dem Degen, will Wachau wieder

50

Zweites Kapitel .

nehmen; das Feuer der preußischen Jäger im östlichen , die Hartnäckigkeit der Ruſſen im westlichen Dorfe weist sie zurück ; fie kommen wieder , um noch einmal zu weichen.

So soll fünf-

mal um den Ort gerungen worden sein , bis ihn die Uebermacht der Franzosen behielt. Zugleich vermag sich Kleist nur mit Mühe in Markkleeberg zu behaupten und Gortschakow wird von Lauriston nach dem Univerſitätsholz zurückgedrängt. die Mittagszeit, als die Weichen kommt.

Und

Es ist um

Linie der Verbündeten langſam ins

jest brechen

muthigen Schaaren herein.

neue Schrecken über die

Napoleon hat seine Geſchüßmaſſe

bei Wachau versammelt , es sollen 300 gewesen sein.

Da bricht

ein Donner los , wie sich die ältesten Soldaten keines zweiten erinnern ; immer 10 , 20 Feuerstrahlen auf einmal zerreißen den Pulverdampf, die Luft erbebt , eisern erklingt es ringsum von den Boten der Verheerung und des Todes. Doch hier zeigt sich's, was der echte Soldatengeist vermag.

Wie ein Fels der Bran-

dung des Meeres trost , so trost Eugen mit seinen Russen und Preußen den Schrecken dieser Stunden.

Die

Batterien des

Prinzen liegen halb zerschossen , ihr Feuer wird schwächer und schwächer ; die Bataillone schmelzen zu kleinen Häuflein zuſammen, weiter und weiter reißen die Lücken ; es will sich keine Hülfe nahen.

Doch nur langsam weichen die Braven der andrängen-

den Flut.

Unter dem Prinzen stürzt getroffen ſein Pferd zu-

ſammen, im nämlichen Augenblick liegt ein theurer Freund vor ihm zerrissen im Blute.

,,Die Trauer nach der Schlacht ; ein

anderes Pferd !" ruft er und ermuntert die Seinen auf's neue zum Ausharren .

Doch die Zahl ist zu schwach; ob sich auch

Kleist noch immer behauptet , der Prinz muß gegen Güldengosfa zurück ;

einige seiner Bataillone haben sich in die

Schäferei

Auenhain geworfen , wo ihnen ein Verhau von Bäumen noth-

Der große franzöſiſche Angriff in der Mitte .

51

dürftigen Schuß gewährt ; sie wehren mit der leßten Anstrengung kaum noch die Angriffe von Oudinot ab , der eben jezt mit der jungen Garde hier ins Gefecht eingreift.

Zur nämlichen

Zeit drängt der Angriff auf Güldengoffa nach ; Victor rückt von der Nordwestſeite heran , often her.

Lauriston unterſtüßt ihn von Nord-

Gegen den letteren

beginnt auch Gortſchakow

auf

der Rechten im Oberholz schon an Boden zu verlieren ; auf der Linken müſſen Kleists erschöpfte Bataillone den neu anstürmenden Maſſen von Augereau und Dudinot allmählich den nördlichen Theil von Markkleeberg überlassen. Stunde nach Mittag.

Napoleon hat

Es war um die zweite die wachsenden Erfolge

seiner Generale vor Augen ; jezt denkt er den lezten Schlag zu führen ,

der

alles entscheiden soll.

Er hat die zerschossenen

Batterien seiner Artilleriemaſſe durch 80 frische Geschüße ersezt ; noch einmal rast das Feuer mit Macht auf, dann entladen sich die Donner in langsameren Schlägen.

Die Reitermassen sind

versammelt ; sie sollen den wankenden Feind durchbrechen und niederreiten.

Es sollen von Kellermanns Corps auf der Rechten

über 2000, von Latour Maubourgs Corps in der Mitte über 7000 Pferde gewesen sein.

Napoleons Zuversicht ist mächtig gehoben ; er

wendet sich zu seinem Minister Darü mit den Worten : ,,noch dreht sich die Welt um uns ;" als der Reiterangriff beginnt, müssen Boten nach Leipzig eilen , dem König von Sachsen die gewonnene Schlacht zu melden.

Gegen 4 Uhr reitet der erste

im schnellen Lauf seines Pferdes durch die Straßen , weithin wird sein Ruf ,, Sieg , Sieg" vernommen ; die Soldaten , die in der Stadt die Wache haben , antworten mit jubelndem „ Hoch“ auf den Kaiser ,

die Glocken

müſſen den Triumph des Er-

oberers verkünden ; viele wackere Herzen meinen das Grabgeläute Deutschlands zu hören.

52

Zweites Kapitel.

# Aber bei Gott war es anders beschlossen ; die Stunden der höchsten Gefahr waren auch die Stunden der Rettung.

Eben

jezt hat ein scharfer Wind die Pulverdecke , die über dem Felde dahinzog , zerrissen ;

die Sonne bricht durch die Wolken und

beleuchtet ein prächtiges Schauspiel.

Zuerst greift Kellermann

an : was sich ihm von Kleists Reitern noch entgegenzustellen vermag, wird geworfen ;

auch Kleists Infanterie verliert bis auf

einen kleinen Theil das lange rühmlich behauptete Markkleeberg und weicht in einzelnen kleinen Haufen zum Gösselbache zurück. Da erscheint bei Gröbern die Spiße der österreichischen Colonne , die über die Pleiße heranzieht.

Es ist Graf Noſtig mit

ſeinen Küraſſieren ; er erkennt die Gefahr : ging Gröbern verloren, so war den nachfolgenden Oesterreichern der Uebergang verwehrt.

Rasch wirft er sich mit den vorderen Schwadronen auf

den Feind, die anderen folgen , sowie sie herüber sind .

Einige

Zeit schwankt das Gefecht , herüber und hinüber jagen einander die Reiterschaaren, endlich gewinnen die Oesterreicher die Ober-

35

hand.

Franzosen , Polen und Sachsen werden über den Haufen

geworfen , bis Dösen und Wachau flutet der Strom zurück , dort weisen Vierecke der franzöſiſchen Garde die Verfolger ab .

Doch

ob diese auch, erschöpft und von neuem Angriffe bedroht , zurück müſſen, das Treffen ist an dieſem Punkte hergestellt.

Kleiſt hat

noch einmal angeseßt und Markkleeberg beinahe zurückgewonnen ; als er es endlich aufgeben muß , ist auch die österreichische Infanterie heran , das Gefecht aufzunehmen.

Furchtbarer tobt der

Reitersturm in der Mitte ; weithin, wie vom Rasseln tausend schwerer Ketten, dröhnt und zittert der Boden, es ist Hufschlag und Schwerterklang.

Die Schwadronen , die Prinz Eugen noch

zur Hand hat , die Pahlen sendet , werden geworfen , eben jezt geht auch die Schäferei Auenhain an Oudinots und Victors

Abwehr des Angriffes .

53

Infanterie verloren , Rajefsky mit Grenadieren der Reserve hat fie vergebens wieder zu nehmen gesucht.

Gegen die gelichteten

Bataillone der Russen und Preußen flutet die Reitermasse heran ; eins oder zwei werden gebrochen und niedergeritten, die anderen, wie sehr sie zusammengeschossen sind , stehen wie die Mauern . Die Reiterflut umwogt sie , um Güldengoffa , durch das Dorf dringen die vorderen Schwadronen ; noch wenige hundert Schritte, so haben sie die Stelle erreicht , von wo die drei Herrscher die Schlacht sehen.

Aber schon war an der Schwere der eigenen.

Maſſe, an der Ungunst des naſſen lehmigen Bodens die Gewalt des Anlaufes gebrochen.

Der Führer, Latour Maubourg , wird 1

mit zerschmettertem Beine aus dem Getümmel getragen ; die vorderen Schwadronen treffen , eben als ihr übereilter Lauf ermüdet, auf kräftigen Widerstand.

Fürſt Schwarzenberg, nicht lange

vorher bei den Herrschern angelangt, erkennt mit dem Blick des Reitergenerals das Erlahmen des Angriffes : „ ſie ſind athemlos,“ sagt er,,,wenn sie da sein werden, ist ihre beste Kraft verloren." Kaiser Alexander beschleunigt die Aufstellung seiner Reſervegeschüße, den Anmarſch der ruſſiſch-preußischen Reservereiterei ; der ersten Gefahr wirft er seine Leibwache , die Gardekoſaken , entgegen.

Diese greifen den Feind von vorn an , Pahlens wieder

gesammelte Schwadronen werfen sich von der Seite auf ihn ; die vorderen franzöſiſchen Regimenter weichen halb aufgelöſt zurück, die folgenden nehmen den Kampf auf.

Im wechselnden Gefecht

tummeln sich die Schaaren, die äußerste Erschöpfung gebietet hier und da Stillstand ; man sieht ein schlesisches Dragonerregiment, das, zum Angriff zu matt , ſtehenden Fußes in ruhiger Haltung dem Gegner Troß bietet.

Doch den Verbündeten eilen neue

Schwadronen zu Hülfe, die wachſende Zahl ihrer Geſchüße ſchleudert Verderben in die Feinde ; die Ordnung der französischen

54

Zweites Kapitel.

Reiter löst sich auf ,

erst in vereinzelten ,

dann in dichten

Schwärmen fliehen sie über die Höhen von Wachau zurück. Es war um dieselbe Zeit, als in Leipzig die Glocken den französi schen Sieg verkünden mußten. Die Gefahr war abgewendet, das Feld war behauptet.

Noch

tobte um Markkleeberg, um Auenhain, um Güldengossa und das Oberholz über eine Stunde lang der Kampf; doch seine lezte Wendung war zu Gunsten der Verbündeten.

Die Franzosen set-

ten mit rühmlicher Tapferkeit immer auf's neue an, um die Orte zu nehmen oder zu behaupten ;

es gelang ihnen nicht.

Die

legten österreichischen Reserven waren jezt, um 4 Uhr Nachmittags , über die Pleiße herüber ; auch die ersten Bataillone der russisch-preußischen Garden nahten bei Güldengossa dem Kampfe. So rasch die Desterreicher herangerückt waren , so muthvoll griffen sie an.

Auf der Linken nahmen und behaupteten sie Mark-

kleeberg, nach der Mitte hin Auenhain.

In Güldengoffa wehrte

Prinz Eugen mit dem Rest seiner Tapferen , von der ruſſiſchen Grenadierreserve und den nahenden Garden unterſtüßt , die leßten Stürme ab ; im Oberholz gelang es Gortschakow , den eingedrungenen Feind wieder hinaus zu werfen.

Die franzöſiſche

Linie wich allmählich gegen ihre erste Aufstellung zurück.

Einen

Augenblick dachte Napoleon , noch mit der alten Garde und den wiedergesammelten Reitermassen einen leßten Stoß zu versuchen : doch es lag nur noch eine Tagesstunde vor ihm ; und wären ihm auch noch viele Stunden geblieben , er mußte nach solchem Widerstande fühlen , daß der Versuch vergeblich sein würde.

Auch

die russisch-preußischen Garden waren so gut , wie die seinen, fast noch unberührt.

Er sendete nur einige Bataillone unter

General Curial dem Fürsten Poniatowski zu Hülfe. nicht der Sieg, den er gehofft hatte.

Das war

Kampf auf den Flügeln in der Wachauer Schlacht.

55

5. Auch auf den Flügeln war der Ausgang ein ähnlicher. Auf dem rechten

haben wir den General Klenau verlassen,

wie er etwa um 10 Uhr den größeren Theil von Liebertwolkwig genommen und den Kolmberg beseßt hatte.

Nach 11 Uhr

rückten , in Gemeinschaft mit der allgemeinen französischen Angriffsbewegung, Marschall Mortier gegen das Dorf, Macdonald gegen den Berg heran.

Der lettere, zu schwach besett, ging fast

ohne Widerstand verloren ; bei einem Versuche wieder vorzugehen gerieth die österreichische Infanterie in's Schwanken und Weichen, und Klenau, der sie ordnen und anfeuern wollte, wäre beinahe gefangen worden ; er hatte seine Reserven zu weit zurückgestellt und mußte nun in die Stellung zwischen Seifertshayn und Groß-Pößna zurückweichen.

Nun kam das Gefecht hier auf

einige Stunden zum Stehen. Weder Macdonald noch Sebastiani mit seiner Reitermasse zeigten Nachdruck ; der lettere tummelte sich mit der viel schwächeren, meist preußischen, Reiterei Klenau's herum und ließ sich zulezt durch die ruhige Haltung der leßteren , sowie durch Platows Kosaken, die in seiner Flanke erschienen , abschrecken. entschiedener an.

Erst Nachmittags griff Macdonald wieder

Es wurde hartnäckig um Seifertshayn ge-

kämpft, zuleßt behaupteten es die Oesterreicher.

Noch heißer war

der Kampf bei Liebertwolkwiß und dem Niederholz ; das Dorf ging um Mittag an Mortier verloren , Nachmittags auch der größere Theil des Waldes ; doch zuleßt gewannen ihn Zietens Preußen und die Oesterreicher wieder ; die Linie von hier bis Seifertshayn blieb in ihren Händen. sie der Kampf an der Pleiße.

Verluftvoller war für

Wir haben gesehen , wie er ge-

gen Mittag von Connewiß bis Markkleeberg hinauf entbrannt war, am heftigsten bei Dölig. daß ein Theil Boden gewann.

Er dauerte den Tag über, ohne Gegen Abend schien es den

8

56

Zweites Kapitel.

Desterreichern gelingen zu wollen ; General Merveldt drang mit einem Bataillon bei Dölig über den Fluß ; doch eben jest war dort alte Garde herangekommen, sie griff ihrerseits an ; der General mit dem größeren Theil seiner Truppe wurde gefangen. Mit hereinbrechender Nacht verstummte allmählich das furchtbare Tosen, nur hier und dort noch knatterte das Feuer des kleinen Gewehrs .

Um 8 Uhr versuchten

die Franzosen einen leßten

Angriff auf das Herrenhaus bei Döliz , um 9 Uhr ſchoß man sich noch bei Goffa herum ; Kleist dachte selbst auf einen nächtlichen Sturm gegen die Höhen zwischen Wachau und Goffa. Doch die Tapferen waren zu erschöpft; die Kraft und das Feuer waren in der blutigen Arbeit erstorben. 6. Vom Treffen bei Lindenau ist nur wenig zu erzählen. Feldzeugmeister Gyulai führte gegen 9 Uhr , als die Hauptarmee allgemein vorging , ſeine Truppen zum Angriff.

Er nahm

die Dörfer Leutsch und Klein-Zschocher ; bei größerem Nachdruck und Geschick wäre es ihm auch wohl bei Lindenau gelungen, denn die Besaßung war noch schwach.

Gegen einen zweiten kräf-

tigeren Angriff um 11 Uhr war schön Bertrand zur Stelle ; die Desterreicher drangen in das Dorf und wurden wieder herausgeworfen.

Nachmittags ging Bertrand selbst zum Angriff über,

doch sein Gegner war ihm zu überlegen.

Gegen 6 Uhr endete

das Treffen ; 15,000 Franzosen hatten sich gegen 22,000 Defterreicher behauptet.

Die Gegend war dem Vertheidiger günſtig,

und es war wohl an mancher Stelle tapfer gefochten worden ; doch war in Gyulai's Angriff nicht der Geist, der sonst durch diese Schlacht ging.

Er konnte Lindenau nehmen , und dann

mußte Napoleon einen weit größeren Theil seiner Truppen hieher senden, um sich die einzige Rückzugsstraße frei zu machen. 7. Die Heere lagerten dort, wo sie zulegt gekämpft hatten ;

Treffen bei Lindenau.

Ausgang und Verluste bei Wachau.

57

es war auf beiden Seiten faſt dieſelbe Stellung, in der die Heere am Morgen gefochten hatten ; nur die Mitte der Franzosen war um 8 bis 900 Schritte vorgeschoben.

Gegen 100,000 M. von

jeder Seite hatten den Kampf selbst durchgeführt ; der vierte Theil davon war aus den Reihen verschwunden ; die meisten lagen todt oder verwundet am Boden , nur wenige waren gefangen, wenige aus der Schlacht entwichen.

Der Verlust der Verbünde-

ten wird auf 25-28,000 M. berechnet , er war sehr ungleich vertheilt.

Während bei Gyulai nur der zehnte Mann außer

Gefecht gesezt wurde ,

hatte die preußische Brigade Klür von

4600 M. faſt 2800, diejenige des Prinzen August von 4800 M. 2900 verloren; überhaupt hatten Prinz Eugen und Kleist von den 10,000, die am Morgen jeder in's Gefecht führte, am Abend nicht mehr die Hälfte unter den Fahnen ; die Tapferen lagen in Ehren auf dem Felde, das sie mit Ehren behauptet hatten. Die Franzosen hatten nicht minder ihres alten Ruhmes würdig gestritten.

Ihr Verlust wird auf 22 bis 25,000 angegeben.

Theil hatte gesiegt ,

Kein

aber doch war etwas Großes entschieden.

Napoleon hatte den Sieg nicht, den er brauchte ; er hatte kaum den Angriff zurückgewiesen.

Bei seinen Feinden dagegen war

die Zuversicht mächtig gewachsen ; sie hatten den Gewaltigen mit gleicher Macht bestanden, das Selbstvertrauen , noch von Dresden her erschüttert, war wieder gewonnen ; die Häupter des Heeres waren nicht zweifelhaft , daß sie zu erneutem Angriffe schreiten wollten ; sie hatten gelernt , wie man mit diesem Gegner streiten mußte. 8.

Inzwischen hatten die Waffen der Verbündeten auf der

anderen Seite der Stadt einen blutigen Sieg erfochten.

In

harten Jahren der Unterdrückung und der Schmach hatten es die Preußen von anderen gelernt , wie man mit diesem Gegner

58

Zweites Kapitel.

streiten mußte ; der Tag von Möckern sollte es auf's neue be weisen.

Blücher vermuthete , Napoleons Massen seien noch auf

dem Heranmarſche von Eilenburg, Düben und Delißsch auf Leipzig ; er werde es also mit diesen zu thun haben, und zwar dort, wo das Land zwischen Elster und Parthe allmählich ansteigt, auf dem alten Schlachtfelde von Breitenfeld , oder noch weiter östlich.

Eine Recognoscirung ,

die er nach Tagesanbruch mit

der gesammten Cavallerie seines Heeres unternahm , führte zu Bald nach 9 Uhr gab er seine Anordnung : Langeron

nichts .

sollte von Kursdorf gerade auf Radefeld gehen ; York der Leipziger Straße bis Lüzſchena folgen und dann , links abbiegend, Lindenthal angreifen, während seine Avantgarde gerade aus über Stahmeln und Wahren vorrücken würde ; Sacken werde in Reserve folgen, St. Priest, wenn er ankomme , dem Corps von Langeron sich anschließen.

Nach 12 Uhr wurde der Feind ohne

viele Anstrengung aus Radefeld , gegen 1 Uhr aus Lindenthal vertrieben; er zog sich in südlicher Richtung zurück ; die Annahme Blüchers, die den Feind östlich suchte, schien sich nicht zu beſtätigen.

Inzwischen hatte Major Hiller , der Yorks Avantgarde

führte , Wahren genommen ; eine österreichische Jägerabtheilung von Gyulai's Heertheil, die über die Elster kam und Kunde von der Hauptarmee brachte, wurde von den Preußen mit herzlichem Hurrah empfangen; vernehmlich dröhnte der Donner der Kanonen von Süden und Westen herüber.

Bei Möckern stieß Hiller

auf stärkeren Widerstand ; zugleich mußte York bei Lindenthal die Ansicht gewinnen , daß er den Feind mehr in der rechten Flanke, als in der Front gegenüber habe.

Er ließ also sein

Corps eine große Rechtsschwenkung ausführen.

Hierdurch be-

kamen seine 5 Brigaden folgende Stellung : Hiller auf dem rechten Flügel war poran und schon im Kampfe um Möckern be-

Vorrücken der schlesischen Armee.

59

griffen , links rückwärts schloß sich Prinz Karl von Mecklenburg an ihn an , hinter diesem folgte Oberst Steinmeß ; weiter links, W an der Straße von Lindenthal nach Leipzig, rückten die Obersten Horn und Hünerbein vor.

York hatte es mit diesen Anord-

nungen, ohne die Stellung des Feindes genau übersehen zu können , doch richtig getroffen ; er rückte gerade auf Marmont los. Dieser stand zwischen Möckern und dem Rietschkebach, den linken Flügel an das Dorf, den rechten an das Wasser gelehnt ; die Front , hinter den flachen Höhen herziehend , war 3000 Schritte lang und von 84 Kanonen vertheidigt.

York führte 21,000

gegen 20,000 M. 9.

Die Preußen wußten vollkommen , worauf es ankam ;

schon an jenem Abend in Halle war viel von der Entscheidungsschlacht die Rede.

Am Morgen hatte Blücher in kräftigen Wor-

ten zu den Soldaten gesprochen.

York hatte die Offiziere ſeines

Stabes zum Frühstück um sich versammelt, als ihm Graf Brandenburg die Befehle Blüchers überbrachte.

Der General hatte

einen Lieblingsspruch aus dem schönen Morgenliede von Paul Gerhard :

Wach' auf, mein Herz, und finge"; es war der Vers :

,,den Anfang, Mitt' und Ende, Herr Gott, zum Besten wende". Jeßt , indem er das geleerte Glas niederseßte , sprach er die Worte; und der Gott des Friedens war mit dem Werke des Krieges.

Gleich einem Segen von oben hatte die feierliche ge

hobene Stimmung der Führer das ganze Heer bis zum unterſten Soldaten ergriffen.

Es mochte 2 Uhr sein , als Hiller den

ersten Angriff auf Möckern unternahm.

Das Dorf liegt lang-

gestreckt an der Elster, wo der lehmige Boden zum Flusse abfällt ; Hiller mußte von der schmalen Seite her eindringen , eine Umgehung am Fluſſe her war nur für Plänkler möglich ; die Arbeit an der langen Landseite, unter dem Feuer der feindlichen Batte-

60

Zweites Kapitel.

rien, fiel den nachfolgenden Brigaden zu .

Die beiden ersten An-

griffe , von den Jägern und der Infanterie der Vorhut ausgeführt, wurden abgeschlagen.

Hiller sammelte die Weichenden und

nahm ein Landwehrbataillon dazu ; er drang troß heftiger Gegenwehr bis in die Mitte des Dorfes , wo dieses von einer Querſtraße durchschnitten ist, die zum Fluffe hinab führt.

Hier aber

traf er auf eine neue feindliche Colonne und erhielt Artilleriefeuer in Front, Gewehrfeuer im Rücken ; er mußte weichen, das Dorf war schneller verloren als gewonnen.

Ein vierter Angriff,

durch das Leibgrenadierbataillon verstärkt , führte noch einmal bis zur Mitte des Dorfes ,

um wie der dritte zu enden ; dem

nachdringenden Feinde fiel sogar ein Geſchüß in die Hände.

Da

nahm Hiller vier neue Bataillone, 2 von der Landwehr , 2 von der Linie, hinzu , ordnete den Angriff gerade auf das Dorf und zugleich, so gut es gehen wollte , zu beiden Seiten an , stürzte unter dem Rufe der Soldaten : ,,es lebe der König" auf den Feind und drang diesmal durch.

Aber der steigende Muth des

Angriffes weckte nur steigenden Widerstand.

Ein verheerendes

Artilleriefeuer empfing die Stürmenden jenseit des Ortes , neue Bataillone warfen sich ihnen von vorn und von der Linken entgegen ; wieder ging die Flut der Kämpfenden durch das Dorf zurück.

Hiller warf auch das lezte Bataillon in's Gefecht, zum

sechstenmale gewann er den Ort , um ihn gleich darauf bis zu den lezten Häusern zum sechstenmale zu verlieren.

Er selbst,

vier seiner Bataillonscommandeure und die Mehrzahl der Offiziere fielen todt oder verwundet ; ,,Kinder, rettet das Vaterland, helf' uns Gott ! " rief Major Graf Wedell, als er zum Tode getroffen niedersank ; es war ein Augenblick großer Gefahr , alle heißen Anstrengungen schienen verloren. Da kam Hülfe.

Schon vorher hatte York zur Linken der

Erste Angriffe bei Möckern.

61

ſtürmenden Avantgarde , außerhalb des Dorfes , 3 reitende Batterien auffahren lassen , gedeckt von Cavallerie.

Sie konnten

gegen die schwere feindliche Artillerie auf den Höhen hinter Möckern nichts ausrichten , der Angriff ging nicht beſſer und die schüßende Cavallerie begann bedeutend zu leiden.

Die Kerls

sollen sich doch wundern ," rief York und ließ die schwere Artillerie herbeiholen.

Im Hurrah kam sie an , das Feuer wuchs

rasch zu mörderischer Heftigkeit , die Cavallerie mußte sich in ein Glied formiren, um nicht allzuviel Menschen und Pferde zu verlieren. Mitten in diesem Kugelregen rückte der Prinz von Mecklenburg links vom Dorfe gegen die feindliche Stellung auf den Höhen , um die Zeit , als Hillers Brigade an den sechsten Angriff ihre lezten Anstrengungen seßte.

Der Prinz mit seinen

Bataillonen schritt kühn in den Kartätschenhagel hinein ; eine Colonne Infanterie, vom Marschall Marmont selbst geführt, ging den Angreifern entgegen ; nach kurzem Ringen und Schwanken wurde sie zurückgeworfen, schon waren die Preußen zwischen den feindlichen Geschüßen.

Da rückten neue Bataillone gegen die Er-

schöpften an , in einem Augenblicke war ihnen der Sieg wieder entrissen ; die Infanterie mußte zurück , zusammt der Artillerie, die ihr gefolgt war , bis die Huſaren dem Strome der Weichenden Halt gaben.

Der Prinz war verwundet , alle ſeine Stabs-

offiziere verwundet oder todt, die Brigade war fast auf die Hälfte zuſammengeschmolzen ,

ein Bataillon hatte 428 M. verloren.

Wohl hatten Hillers Bataillone in Möckern durch den Angriff Luft bekommen , die Straßen waren jezt meist in ihrer Hand, doch in Häusern, Höfen , Ställen und Scheunen schlug man ſich noch in einzelnen Haufen herum.

Es war noch nichts gewonnen .

10. York hatte an dieser Stelle nur noch die Brigade Steinmeg ; auf dem linken Flügel rückten Horn und Hünerbein vor,

Zweites Kapitel.

62

bereits unter empfindlichem Verlust durch das feindliche Feuer. Die drei Brigaden erhielten ungefähr gleichzeitig Befehl zum

啦 Angriff, es war gegen 5 Uhr Abends.

Steinmeß warf drei Ba-

taillone ins Dorf , fünf führte er gegen die Höhen ; das Dorf wurde genommen , die Höhen wurden erreicht ; aber hier stockte der Angriff, die Stabsoffiziere , ein großer Theil der Hauptleute waren gefallen , und zu weichen.

die Bataillone begannen zu schwanken

York sah , daß er auch das Leßte daran sezen

müſſe , er eilte zum Befehlshaber der nächsten Schwadronen : „Major v. Sohr , attaquiren ! " rief er.

Der deutete auf die

andere Reiterei , die noch zu weit zurück war ; sie wurde herbeigeholt, und wie sie in Bewegung war , brach Sohr los . das Zeichen zum allgemeinen unaufhaltſamen Sturm. lichen Augenblick hatten

Es war Im näm-

auch die zwei Brigaden des linken

Flügels den ersten harten Strauß bestanden und der Feind begann ihrem Andrang zu erliegen.

Es wäre vergebens , in

eine Schilderung die Wirklichkeit des Kampfes zuſammendrängen zu wollen, der sich jezt begab. Ein einziger Zug unwiderstehlicher Begeisterung reißt Führer und Soldaten fort.

„ Vorwärts , vor-

wärts , es lebe der König , wir müssen siegen , " ertönt es von den Bataillonen des linken Flügels.

Die Stabsoffiziere fallen ;

,,laßt mich , geht und siegt !" ruft Major v. Krosigk seinen Soldaten zu , als sie ihn sterbend aus dem Feuer tragen wollen ; wie

Schanzen

werden

die

feindlichen Massen gestürmt;

die

Lieutenante Hübner und von Arnstädt geben sich das Wort, im nächsten feindlichen Viereck die ersten zu sein, und sind es ; ein Lieutenant von Eberhardt stürzt von einer Kartätschenkugel getroffen , das Bataillon marſchirt über ihn weg ; in der nächſten Minute ist er wieder an der Spiße mit dem Rufe : „ nein, Kinder, ich muß auch mit in den Feind."

Die reichste Ernte

63

Die Preußen siegen. aber fällt der Reiterei zu.

Sohr treibt im ersten Anlauf zwei

Bataillonsmassen auseinander und auf ihre

Geſchüße zurück,

erobert 4 Kanonen , wirft die nächsten Schwadronen , die ſich ihm entgegenstellen , über den Haufen , und wie ihn der Feind in der Flanke bedroht, sind auch die anderen preußischen Regimenter heran.

Es bedurfte nicht erst der Stimme des Generals ;

sein Ruf „ Marsch , Marsch ,

es lebe der König“

ist nur der

Wiederhall des heißen Muthes , der in den Herzen der braven Reiter lebt.

Von einem Flügel zum anderen werfen sich die

Schwadronen in den Feind : York selbst mit den brandenburgiſchen Ulanen, den Landwehrreitern Ozorowski's, den ſchwarzen und den Mecklenburger Huſaren und der ostpreußischen Nationalcavallerie; Oberst Jürgaß mit den westpreußischen Dragonern und der neumärkischen Landwehr ; Graf Henkel mit den Lithauern und der Landwehr unter dem jüngeren Sohr.

York selbst ist

mitten unter ihnen : „ dort blüht euer Weizen ," ruft er den einen , „ drauf, drauf, alte Lithauer , nur die noch und alles ist unser ," ruft er den anderen zu .

Vergebens wirft sich des

Feindes Reiterei der Flut entgegen ; über den Haufen geworfen, flieht sie in Auflösung zurück, ihre Infanterie ist den Säbeln und Lanzen der Preußen überliefert : auseinander gesprengt oder in verworrene Haufen zusammengeballt , muß sie das lange behauptete Feld preisgeben.

Mitten unter dem Reitergetümmel

werfen die Bataillone des linken Flügels die leßten feindlichen Massen über den Haufen , nehmen die Brigaden auf der Rechten, auf's neue gesammelt , Möckern und die heiß umstrittenen Höhen. Die hereinbrechende Nacht deckt ihren Schleier über den kühnen, wilden Streit , fie sieht keinen Widerstand mehr ; der lang ausharrende Muth des Feindes ist zusammengebrochen ; aufgelöft, kraftlos , verworren flieht er gegen Leipzig zurück.

64

Zweites Kapitel. 11.

Das Corps biwakirte die Nacht auf dem

Schlacht-

felde ; wie einst bei Leuthen , so hörte man zwischen den Wachtfeuern hervor die frommen Klänge : ,,Nun danket alle Gott." Am anderen Morgen rückte Sacken zur Ablösung vor .

Nun er-

kannte man, wie theuer der Sieg erkauft war ; das Corps hatte beinahe 6000 Mann , über ein Viertel seines Bestandes verLoren , darunter 172 Offiziere.

Zuerst schien der Verluſt noch

größer: das Corps zählte noch 13,000 Mann von 21,000 , mit denen es in die Schlacht gerückt war ; beim Fußvolk waren von 16,000 Mann kaum noch 9000 übrig ; 28 Commandeure und Stabsoffiziere, von den drei Brigaden des rechten Flügels faſt alle , waren todt oder verwundet, 7 davon waren an der Spiße ihrer Bataillone gefallen ; die Landwehr war im Auguſt mit 13,000 Mann ausgerückt, jezt hatte sie noch 2000 Mann unter den Waffen.

Das Corps mußte neu formirt werden ; aus den 5 Brigaden

wurden 3, je 2 bis 3 der zusammengeschmolzenen Bataillone gaben ein neues.

Aber der Feind war überwunden ; er hatte über

6000 Mann verloren ; es waren 2000 Gefangene gemacht, 1 Adler, 2 Fahnen, 53 Kanonen , eine Menge Wagen und Waffen erobert. Es war der einzige wirkliche und vollſtändige Sieg an dieſem blutigen Tage, und die preußischen , die deutschen Waffen allein hatten ihn erfochten. 12. Der Sieg hätte noch größer und weniger blutig

wer-

den können , wenn Langeron mit ſeinen 17,000 kräftiger angegriffen hätte.

Dombrowski behauptete gegen ihn mit nur 4000

Mann die Dörfer Groß- und Klein- Widderißsch stundenlang ; ja als er ſie verloren hatte , nahm er ſie , mit einer Verstärkung, die Ney gesendet hatte , wieder. Um dieselbe Zeit erschien auch Delmas von Düben her , mit 4000 Mann und dem großen Wagenzug , den er nach Leipzig bringen sollte.

Er

Verluste bei Mödern.

65

Treffen bei Widderitsch.

besezte den Birkenbusch dicht bei der alten Wahlstatt von Breitenfeld , und während um diesen gekämpft wurde , rettete er den größeren Theil seines Fuhrweſens über Seehauſen und die Parthe.

Das Ende war, daß die Franzosen den Busch und die.

Dörfer , daß sie auch Eutrißsch räumen und nach der Parthe zurückweichen mußten.

Langeron verlor 1500 Mann ; er hatte

die doppelte Uebermacht und konnte Eutrißſch wohl 2 Stunden früher haben; dann bedrohte er Marmont unmittelbar in der rechten Flanke und im Rücken.

Auch St. Priest war lässig ;

seine Zwölfpfündner , die von Blücher auf Yorks linken Flügel beordert waren , kamen nicht.

Blücher selbst hatte bis zuleßt

an seiner ersten Meinung festgehalten , die Stärke des Feindes sei weiter östlich; darum hatte er dem Kampfe der Ruſſen keinen Nachdruck gegeben und nichts weiter zur Unterstüßung Yorks gethan.

Nachher war es ihm leid ; er übernachtete in Möckern

und fuhr den Richter des Dorfes , der mit anderen geflohenen Einwohnern

aus

dem

Walde herbeigeholt

war ,

heftig

an

über den großen Verlust , den es gekostet hatte. 13. Der Abend des furchtbaren Tages sah die Wachtfeuer im Süden von Leipzig auf 3 bis 4 Stunden Entfernung im weiten Umkreise sich ausdehnen ; im Norden hatte sie Blücher doch auf 1 bis 1½Stunden der Stadt nahe gebracht.

Es war

gerade die Stunde des franzöfifchen Siegesgeläutes, als Yorks Kanonen gegen Möckern donnerten ; die Bewohner von Leipzig konnten am Abend doch ahnen , daß die Franzosen die Schlacht nicht gewonnen hatten.

Auch was sich sonst begab , deutete

nicht

auf Sieg ; immer erschütternder drängten sich mit den zunehmenden Stunden die Schrecken des Krieges in der Stadt zuſammen. Die Bewohner der umliegenden Dörfer waren schon vom frühen Morgen an in Schaaren zur Stadt geflohen und hatten Unter5

66

Zweites Kapitel.

kunft in den Höfen und Hintergebäuden der engen Straßen geſucht ; die öffentlichen Räume waren schon seit Wochen aus den vorhergehenden Treffen und Kriegszügen mit Kranken und Verwundeten angefüllt ; Schlacht lieferte.

kam die Menge

jezt

Die Sorge um

hinzu, welche die

die Verwundeten fand in

Napoleons Gemüth neben den Gedanken um den Ausgang des Kampfes nur wenig Raum , und seine Franzosen waren leichtEinige große Gebäude hatte man zu

fertig darin , wie immer . Lazarethen

eingerichtet ,

allein es fehlte an Aerzten , Kranken-

wärtern , Betten , Arzeneien, und dazu war der Raum viel zu enge für die Tausende , die sich bis tief in die Nacht hinein zu allen Thoren hereinschleppten.

Einzelne fanden hier und dort

bei Bewohnern mitleidige Aufnahme , allein im Ganzen ging von Leipzig keine große Hülfe aus . Die Menschen in der Stadt waren an

eine männliche geordnete Thätigkeit in großen öffentlichen

Dingen nicht gewöhnt , die Heeresmaſſen und der Kampf waren zu plößlich über sie gekommen , ihr Geist war unter ſo vielen erschütternden Erfahrungen und Eindrücken wie gelähmt.

Da

blieben Tausende von Verwundeten auf dem Pflaster der Straßen oder draußen vor der Stadt auf den Wegen und Feldern liegen, die meiſten nur mit dem dürftigen Verband , den sie sich aus Lappen ihrer Kleider bereitet hatten , ohne Erquickung , ohne einen Trunk Wasser in der nassen, scharfen Nachtluft des Oktober.

Glücklich noch die , welche der Tod von ihren Leiden er-

löste , die nicht erst noch unter Schmuß und Noth, von jeder menschlichen Hülfe verlassen , Nächte zubringen mußten.

die Qualen langer

Tage und

So war bei den Franzosen das

Schicksal der Männer , die im heißen Streit der Waffen erlegen waren ; und viel besser war es auch bei den Verbündeten nicht . Denn auch hier war wenig Sorge getragen , es fehlte überall

Leipzig und das Schlachtfeld.

Bedeutung der Schlachten.

67

an Aerzten und Anstalten, und die Masse der Verwundeten war so groß , daß die Kraft und der Wille der Hülfe schon fast am ungeheuren Anblicke des Elendes erlahmten.

Die Geſunden aber

waren von der Noth und Sorge des eigenen Daseins ganz hinweggenommen ; tief erschöpft von der heißen Blutarbeit suchten sie auf dem feuchten, kalten Boden neben den Feuern die Ruhe, welche die Natur gebieterisch verlangte ; eine rechte Erquickung durch Speise und Trank wurde nur Wenigen zu Theil.

In der

Stadt und meilenweit rings umher deckte die Nacht ein Gemälde des Jammers und der Schrecken , nur hier und dort vom dumpfen Getöse der Waffen durchbrochen ,

von Ort zu Ort vom

Scheine der Wachtfeuer matt erhellt oder von den Flammen brennender Dörfer beleuchtet. 14.

Das war die große Schlacht des 16. Oktober.

Es

hatten auf Seiten der Verbündeten wohl 155,000 , auf Setten Napoleons

145,000

wirklich im Kampfe

gefochten ;

der

Verlust war bei den ersteren im Ganzen 34-37,000 , beim leg teren 30-33,000 M. , bei jedem Theile etwa ein Fünftel der Kämpfer.

Noch war es nicht genug Blut , um das große Ge-

schick der Welt zu entscheiden , das hier auf dem Spiele der Waffen stand.

Es war kein Sieg der Verbündeten , denn der

glänzende Erfolg

von Yorks 21,000 bei Möckern konnte das

Mißlingen des Angriffs der 113,000 bei Wachau nicht ausgleichen.

Es war aber auch kein Sieg Napoleons, wie er ihn noch

in der Schlacht gehofft hatte ; die Welt drehte sich nicht mehr um ihn , die Herrschaft über sie begann schon seinen Händen zu entsinken.

Er fühlte es , seine Entschlüsse fingen an zu schwan-

ken , er ſuchte nach einem Auswege ; seine Feinde aber ſtanden rings um ihn fest in der Zuversicht auf die erneuerte Schlacht. Das war der Preis der blutigen Arbeit dieses Tages . .5 *

Nach

889

68

Zweites Kapitel.

menschlichem Ermessen konnte er noch anders sein. Wenn bei der Hauptarmee die Heertheile mitfochten, die erst am folgenden Tage eintrafen , so konnte vielleicht Napoleon selbst zum Weichen gezwungen werden.

Wenn Blücher den Kronprinzen von Schwe-

den zur Seite hatte , so hätte er Ney's und Marmonts Truppen zersprengt und am 16. Abends vor den Thoren von Leipzig gestanden. Es ist aber thöricht zu fragen , ob dann noch die Schlacht vom 18. Oktober geschlagen werden mußte ; denn sie war wohl noch nöthig um der eigenen Schuld von Deutſchland willen.

Nicht nach freier Wahl wurde die Sache Deutschlands

in dieſer Gemeinschaft durchgefochten , es war die Fortwirkung der vergangenen Zeiten.

Wir sollen uns nicht wundern , daß

bei der Hauptarmee der Oberfeldherr und mit ihm die meiſten Generale und Staatsmänner von Oesterreich und Rußland anders von diesem Kriege dachten, als die Männer im preußischen Lager, die nur von Zertrümmerung der Fremdherrschaft oder Untergang wußten.

Wir sollen uns nicht wundern , daß ein

früherer Marschall Napoleons ,

der den Thron von Schweden

besteigen sollte, viel mehr Sinn für den Vortheil dieses Thrones, viel mehr Herz für Frankreich und viel mehr Scheu vor seinem früheren Feldherrn , als Herz für Deutschland hatte.

Wir mö-

gen uns vielmehr wundern , wie es troß so vieler getheilten Sinne und Herzen durch viele Stunden der Verwirrung und Noth hindurch dennoch zur leßten klaren Entscheidung kam . Die Sühne war schwer für das Verderben einer Zeit, wo die Herzen der Männer aufgehört hatten für das öffentliche Wohl zu schlagen.

Gott hat sie ganz gefordert und ganz gegeben.

69

Drittes Kapitel. Die Feldherrn und die Heere vor dem Entscheidungskampf.

1. Der 17. Oktober brach trübe , grau und kalt an , fast den ganzen Tag fiel Regen vom Himmel. tag.

York vereinigte sein Corps

Es war ein Sonn-

zum Gottesdienst.

Da war

es ergreifend , wie sich die zusammengeschmolzenen Bataillone und Schwadronen unter ihre Fahnen stellten ,

es

war fast

keiner, der nicht einen Verwandten, einen Freund zu beklagen hatte; doch drang aus Wort , Gebet und Lied der tiefbewegte Dank zu Gott empor.

Auch sonst war hier und dort bei den

Verbündeten Gottesdienst.

Bei den Franzosen war die Stim-

mung gedrückt , die Gemüther fingen an zu verzagen.

Was sich

an diesem Tage noch begab und was angeordnet wurde, konnte wohl die Zuversicht auf der einen , die Niedergeschlagenheit auf der anderen Seite vermehren.

Doch gab sich Napoleon noch

nicht beſiegt , er ordnete noch einmal seine Schlacht ; aber auch seine Gegner , obwohl noch in verschiedenem Geiſte , ſtellten sich alle zur Schlacht ; in diesem Entschlusse hatte sie der Tag des 16. Oktober fest vereinigt. 2. Bei den Verbündeten dachten die Feldherren sowohl im Süden als im Norden von Leipzig, den Angriff am Morgen des 17. Oktober zu erneuern, selbst noch ehe der eine Theil wußte, was der andere am 16. ausgerichtet habe.

Fürst Schwarzenberg ließ

noch am Abend nach der Schlacht in seinem Hauptquartier zu Rötha die Disposition dazu ausarbeiten.

Inzwischen gingen im

Laufe der Nacht Nachrichten ein , daß die drei Heertheile, die erwartet wurden , nicht schon am Morgen , sondern erst einige

Drittes Kapitel.

70 Stunden später

eintreffen würden.

Der Angriff wurde daher

zuerst auf den Mittag verschoben und dann ganz aufgegeben. den Waffen.

für dieſen Tag

Blücher dagegen war früh am Morgen unter

Auch seine Verstärkung ,

der

Kronprinz

von

Schweden, konnte erst spät eintreffen ; aber Langeron mit ſeinem Heertheil hatte nicht sehr ernsthaft , Sacken und St. Priest hatten noch gar nicht gefochten. Sacken in Gohlis ,

Blücher ließ

durch St.

also

den Feind durch

Priest in Eutritsch angreifen.

Der erstere fand die Sache nicht leicht , er nahm das Dorf und verlor es wieder ; York mußte nachhelfen , erst da wurde der Ort zum zweitenmal genommen und behauptet. ten die Franzosen schneller.

Eutrißsch räum

Als sie zurückgingen , ließ Blücher

vier ruſſiſche Huſarenregimenter einhauen : sie warfen die feindliche Reiterei , verfolgten sie bis zur Stadt und nahmen 5 Geschüße ; die französische Infanterie dagegen, die über das offene Feld zurückging, wies die Angriffe der von ihrem Siege kühn gemachten Husaren in fester Haltung ab.

Gegen Mittag ,

als

sonst überall die Schlacht schwieg , brach Blücher das Gefecht ab; die Franzosen waren bis an die Vorstadt von Leipzig und über die Parthe zurückgeworfen. 3. Es waren die drei Heertheile von Bennigsen , Colloredo und Bubna , welche bei der böhmischen Armee erwartet wurden. Es ist oben berichtet , daß sie , als die Armee aus Böhmen aufbrach ,

zur Beobachtung von Dresden zurückblieben.

In den

ersten Tagen des Oktober waren fie unter einer Reihe von Gefechten

gegen die Stadt vorgegangen und hatten zuleßt den

Marschall St. Cyr darin eingeschlossen. armee zur Gewißheit wurde , Leipzig war ,

Als es bei der Haupt-

daß die Macht Napoleons bei

bedurfte es in ihrem Rücken keines so großen

Heeres mehr ; vielmehr war der größere Theil

desselben viel

Die Verstärkungen der Verbündeten treffen ein.

71

beſſer da am Plage, wo die Hauptschlacht bevorſtand . Der Entſchluß, die Heertheile herbeizurufen , wurde aber , obwohl er zuerst von Kaiser Alexander

ausging ,

nicht früh

nicht rasch genug durchgeführt.

Zulegt

genug ergriffen

und

wurden die Befehle

dringender und die Truppen leisteten auch zum Theil das Mögliche , um in angeſtrengten Märschen auf den schlechten Wegen vorwärts zu kommen, allein die Verzögerung war nicht völlig einzubringen.

Doch trafen die Heertheile zahlreich ein ; vor Dresden

blieb nur das Nothwendige zurück.

General Bennigſen führte

26,000 Ruffen mit 80 Geschüßen herbei ; die ersten 4000 Mann trafen spät Nachmittags bei Fuchshayn und Seifertshayn ein, die übrigen erst mit hereinbrechender Nacht.

Feldzeugmeister

Graf Colloredo kam mit 19,000 Mann und 60 Geschüßen bald nach 11 Uhr bei Magdeborn und Croſtewiß an ; General Graf Bubna rückte mit seinen

7500 Mann und 18 Geschüßen erst

am 18., zur Rechten von Bennigsen, in die Schlachtlinie ein. Es war zusammen für die Hauptarmee eine Verstärkung von 52,000 Mann mit 158 Geſchüßen. Nicht viel geringer war der Machtzuwachs für die Verbündeten auf der Nordseite von Leipzig.

1

Der Kronprinz von

Schweden zwar that alles Mögliche , um seine Ankunft zu verzögern.

Am 15. hatte er sein Versprechen nicht gehalten ; ſtatt

nach Halle zu marschiren, hatte er zwischen Wettin und dem Petersberge Halt gemacht.

Am 16. richteten die sämmtlichen be-

vollmächtigten Offiziere der verbündeten Armeen ein bewegliches Schreiben an ihn , damit er raſcher vorwärts gehe , es blieb umsonst; erst Nachmittags marschirte er ein paar Stunden weiter nach Landsberg.

Endlich am 17., als die Nachricht vom Siege

Blüchers eingetroffen war ,

vermochte Gneisenau den engliſchen

Bevollmächtigten, General Stewart , daß er dem Kronprinzen

21

72

Drittes Kapitel .

mit Entziehung der englischen Hülfsgelder drohte.

Dazu mochte

dieser mit Grund besorgen, daß er die Preußen , welche fast die Hälfte seines Heeres ausmachten , doch nicht mehr werde zurückhalten können.

Er brach also auf und erreichte bis zum Abend

des 17. mit 48,000 Mann und 120 Geſchüßen die Gegend von Breitenfeld , wurde.

wodurch das Heer

an dieser

Es war das Schlachtfeld

Kronprinz

Gustav

Stelle verdoppelt Adolfs ,

hatte keineswegs im Sinn, den alten

Schweden zu erneuern.

aber

der

Ruhm der

Er wollte jezt vielmehr an die Stelle

Blüchers rücken und dieser sollte links von ihm Stellung nehmen ; das hätte zwar ein mühevolles Hin- und Herziehen gegeben und es wären kostbare Stunden darüber verloren gegangen , 14 aber der Kronprinz hätte dann eher nach Belieben entweder sich dem Kampfe entziehen oder daran Theil nehmen

können.

Es

kostete noch Mühe genug , ihn davon zurückzubringen und endlich seine Mitwirkung zu gewinnen. Die Schlachtordnung der Verbündeten war auf diese Weise für den Entscheidungskampf um 100,000 Mann mit 278 Kanonen verstärkt ; sie konnten jest des Sieges sicher sein.

Es lag

aber nicht an des Kronprinzen bösem Willen noch an des OberfeldHerrn Unentschloffenheit , daß ein so großer Sieg noch möglich wurde.

Napoleon konnte am 17. den Rückzug antreten , und

dann kam die ganze Verſtärkung zu spät .

Er würde die Saale

erreicht, er würde im schlimmsten Falle statt einer geschlagenen, zerrütteten Armee von 70,000

eine ungebeugte Armee

120,000 Mann über den Rhein zurückgebracht haben.

von Nach

allem , was die nachfolgenden Ereignisse uns lehren , wäre dann dêr Sturz des Kaisers nicht erfolgt und Deutschland hätte froh ſein dürfen , wenn es noch den Rhein als Grenze erhalten hätte. Aber was sind menschliche Gedanken und Berechnungen gegen

Napoleons Lage; er sucht vergebens einen Waffenstillstand .

73

die Macht der Gefeße Gottes , unter der aus den Thaten der Menschen die Geschichte wird ?

Der ganze Wille der Preußen

und aller, die mit ihnen waren, hätte den 18. Oktober nicht herbeigeführt , wenn nicht gegen die widerstrebenden und hemmenden Willen im Lager der Verbündeten der Wille Napoleons stand, der im Zauber seiner vorigen Thaten und Macht gefangen war. 4. Napoleon hatte die Nacht zum 17. Oktober inmitten

seiner Schlachtordnung in einem Zelte zugebracht , das in der Nähe von Mensdorf für ihn aufgeschlagen war. Noch am Abend und in der Nacht liefen die Meldungen seiner Generale ein; fie lauteten fast alle ungünstig.

Die Stellungen wären

nur mit Mühe behauptet worden, die Soldaten seien erschöpft von der blutigen Arbeit , es fehle an Schießbedarf, der Feind ſtehe in sehr großer Zahl gegenüber ; Marschall Marmont wollte 60,000 Mann Infanterie und 12,000 Reiter vor sich haben, die sich stündlich vermehrten ; Ney berichtete , das 6. Corps habe sich mit Blücher, dem Kronprinzen und einer österreichischen Division geschlagen , und er könne wohl bei so unverhältnißmäßigen Kräften genöthigt werden , auf Liebertwolkwig zurückzugehen.

Solche Berichte hatte der Kaiser aus einer großen

Schlacht noch nicht gehört , und was er selbst sah , war nicht viel günstiger.

Er konnte nicht mehr auf Sieg hoffen , aber er

hoffte durch die Furcht seines Namens noch unbesiegt davon zu kommen.

Er ließ den gefangenen österreichischen General Mer-

veldt rufen und sandte ihn mit einem Briefe und Anträgen auf Waffenstillstand

an

seinen

Schwiegervater, den

Kaiser

von

Desterreich. Der Brief ist nicht bekannt geworden. In den Anträgen erkennt man, wie schwer es der stolzen Seele des Kaisers fiel, vor der Welt und am meisten vor Frankreich , dem er Ruhm und Herrschaft über menschliches Maß hinaus gegeben hatte,

74

Drittes Kapitel.

von seiner Macht herabzuſteigen ; nicht einmal die Auflöſung des Rheinbundes war unbedingt angeboten.

Er hatte noch nicht er-

kannt, daß andere Männer und ein anderer Geiſt wider ihn standen.

Die Verbündeten aber ertheilten nicht einmal eine Ant-

wort auf die Anträge. Den 17. hindurch behielt Napoleon seine Stellung unverändert bei ; er dachte so seine Vorschläge am besten zu unterſtüßen. Am Morgen ließ er sogar einige Scheinbewegungen ausführen, als wollte er angreifen.

Dabei hatte er den Anblick des Schlacht-

feldes an den Stellen ,

wo am furchtbarsten gekämpft worden

war.

Um Mittag lauteten die Meldungen der Heertheile be-

ruhigender , die Haltung war wieder fester , Ney glaubte Leipzig noch halten zu können ; er sagte, daß der Kronprinz noch nicht da sei.

Auch General Reynier mit dem 7. Corps , 13,500 M.,

worunter die Sachsen und 2 Bataillone Würzburger , traf um Mittag in der Gegend von Paunsdorf ein.

Er kam von Eilen-

burg über Taucha, wo ihm schon Reiterschwärme von der Nordarmee den Weg erschwerten ; die Kaſſe , die Papiere , das Gepäck des großen Hauptquartiers konnte er nicht mehr durchbringen, fie mußten nach Torgau gehen.

Es war die einzige Ver-

ſtärkung , die Napoleon erwarten durfte.

Noch brachte ihm der

Tag, ohne daß er es wußte, einen kurzen Sonnenblick des Glückes. Marschall St. Cyr brach mit 15,000 M. aus Dresden hervor und schlug die russischen Milizen unter Tolstoy , die Bennigsen zurückgelassen hatte.

Der Sieg war aber viel zu klein , um im

Kampfe der Hunderttausende etwas zu bedeuten ; und auch die Frage ist ganz überflüssig , ob Napoleon den Marschall noch zu rechter Zeit hätte herbeirufen können ?

Als der Abend herein-

brach , ohne daß die ersehnte Antwort von Merveldt kam , sah er wohl , wie spät es jezt zum Entſchluſſe ſei.

Um 7 Uhr gab

Allgemeine Verspätung in den Anordnungen. www er die ersten Befehle zum Rückzuge.

75

General Bertrand , durch

eine Division von Reyniers Corps verstärkt, sollte in der Frühe des 18. von Lindenau aufbrechen und die Straße nach Weißenfels frei machen , die Wagenzüge sollten noch in der Nacht bis Lindenau gehen.

Die Anordnungen gingen an den Marschall

Ney , der sie um 9 Uhr zur Ausführung brachte ; sie gingen gerade nur so weit, um für den unglücklichen Fall die Möglichkeit des Rückzuges zu sichern.

Was Napoleon weiter that , sah auch

jezt noch weit mehr nach einer großen Schlacht als nach einem Rückzugsgefechte aus.

Auf einen ernsthaften Kampf mußte er

ſich freilich, nachdem er einen ganzen Tag verloren hatte, gefaßt machen, denn eine so große Armee läßt sich nicht von dem Angesicht eines übermächtigen Feindes ohne Opfer hinwegführen ; aber bloß um den Rückzug zu vertheidigen , hätte Napoleon viel weniger auf's Spiel seßen dürfen , als er that.

Er hoffte auch

jezt noch auf die Zwietracht seiner Feinde , auf die Furcht vor ſeinem Namen ; er vermaß sich, auch im unglücklichen Falle trok der Menge seiner Feinde wenigstens mit dem Scheine des unbesiegten Feldherrn abzuziehen . 5.

Das waren die Gedanken und Plane , das war die

Macht der höheren Führungen , unter welchen die Feldherren und die Heere in den Entscheidungskampf gingen.

Wir müssen

jezt noch nach den Schlachtordnungen fragen , obwohl wir schon wissen können , daß sie auf keiner Seite fertig waren , als die Schlacht anfing.

So vorbereitet , wie man sich's wohl vorstellt

oder auch in Büchern findet , geht eine Schlacht überhaupt niemals aus den Schritten des Krieges hervor , aber hier ging die Macht der Ereignisse noch viel höher als sonst über den Gedanken der Feldherren her.

Bei der Hauptarmee der Verbündeten

fanden manche Heertheile erst am Morgen des 18. Oktober ihre

76

jay kumar Drittes Kapitel.

Stelle, bei der Nordarmee wurde sogar der Plan erst fertig, als der Kampf schon begonnen hatte ; bei Napoleon drängten sich die Maßregeln der Schlacht und des Rückzuges eilfertig ineinander.

Darum lassen sich die Schlachtordnungen nicht so darstel-

len, wie sie sich in Wirklichkeit gestaltet haben ; es ist nur ein Versuch, wenn ich jezt ein Bild davon gebe. 6. Bei der Hauptarmee der Verbündeten hatte der Oberfeldherr jenem ersten Plane , hauptsächlich durch die Bewegung seiner Heere den Feind zum Rückzug zu bringen , ſeit der Schlacht vom 16. Oktober entsagt .

Er folgte dem einfachen Ent-

schlusse, den Feind dort anzugreifen , wo seine Hauptmacht stand und wo auch die Massen seines eigenen Heeres waren , in der Ebene östlich der Pleiße.

Es ergab sich hieraus auch eine natür-

liche und beſtimmte Anordnung für den Angriff, die sich schon in der ersten, in der Nacht zum 17. entworfenen Disposition des Fürsten findet ; nämlich drei große Heersäulen, die sich da bildeten, wo die Truppen gerade ſtanden, ohne zeitraubende Hin- und Herzüge.

Den linken Flügel, lauter Desterreicher, führte der

Erbprinz von Hessen - Homburg : er bestand aus dem 1. Armeecorps , Colloredo , das , wie wir sahen , erst am 17. eingetroffen war ; dann aus den Divisionen Aloys Liechtenstein, Bianchi und Weißenwolf und der Reservereiterei unter Nostig , welche Truppen schon am 16. gefochten hatten ; zusammen 38,000 M.

Der

Angriff sollte von Markkleeberg , Croftewiß und Magdeborn her auf Dösen und Döliz gehen ; links der Pleiße, in der Aue, sollte ihn die vom 2. österreichischen Armeecorps seit Merveldts Gefangennahme allein dort zurückgebliebene leichte Diviſion des Feldmarschalllieutenant Lederer unterſtüßen ; es waren noch etwa 4000 , der ganze linke Flügel also 42,000 M.

Die Mitte,

Russen und Preußen unter dem Befehle des Generals Barclay

77

Schlachtordnung der verbündeten Hauptarmee.

de Tolly, bestand aus den zuſammengeschmolzenen tapferen Schaaren von Kleist, Prinz Eugen und Gortschakow , mit der Reiterei von Pahlen, aus den ruſſiſchen Grenadieren unter Rajefsky, die am 16. Nachmittags noch mit um Auenhain und Güldengoſſa gefochten hatten, und aus den russisch - preußischen Garden unter Großfürst Constantin , General Miloradowitsch und Oberstlieutenant v. Alvensleben : zusammen 46,000 M.

Die Richtung des

Angriffes war von Güldengoſſa und dem Oberholze auf Wachau, Liebertwolkwiß und dann auf Probsthayda.

An der Spiße des

rechten Flügels stand General Graf Bennigsen.

Es waren

die Desterreicher und Preußen unter Klenau , die wir schon vom 16. her kennen, dann die spät am 17. eingetroffene russische Reservearmee ; am 18. stieß vor Baalsdorf noch das österreichische Corps von Bubna dazu ; auch waren hier die Kosaken Platows ; im Ganzen 52,000 M.

Der Angriff ſollte aus der Gegend von

Seifertshayn und Pößna auf Holzhausen , Zuckelhausen , Zweinaundorf und Mölkau gerichtet werden . Die Verluste vom 16. Oktober berücksichtigt, zählte alſo die Hauptarmee auf dem Schlachtfelde 140,000 M. mit 450 Geschüßen.

Außerdem stand westlich

der Elster Feldzeugmeister Gyulai mit 20,000 M.

Bei der Be-

ſtimmung , die er erhielt, trat ein großes Schwanken hervor ; Fürst Schwarzenberg schickte ihm am 17. Nachmittags zwei Befehle: nach dem ersten sollte er sogleich mit seinem ganzen Corps über die Elster und Pleiße gehen und bei Gröbern Stellung nehmen ; nach dem zweiten sollte dies nur von einem Theile des Corps und nur in dem Falle geschehen, daß General St. Priest diesen Theil ablösen könne , was ganz unmöglich war.

Zulegt

blieb es für Gyulai bei der natürlichen Aufgabe, den Rückzug der Feinde zu erschweren, aber er war der Mann nicht dazu. Es war gut, daß sich fast alle diese Anordnungen ' ſchon

78

Drittes Kapitel.

ziemlich von selbst aus den Stellungen und Marschrichtungen der verbündeten Heertheile ergaben ; sonst wären ste , wie einmal die Leitung und Zuſammenſeßung des Heeres war , gewiß nicht zu rechter Zeit zu Stande gekommen.

Der Oberfeldherr hätte das

nicht ändern können , denn er hatte seine Heertheile durchaus nicht alle unbedingt in der Hand.

Am 17. wurde die Stunde

des Angriffes dreimal verändert, weil Fürst Schwarzenberg keine genaue Nachricht über das Eintreffen der Verstärkungen hatte und weil die nöthigen Mittheilungen an den Kaiſer von Rußland und den König von Preußen , die ihr Hauptquartier an verschiedenen Orten hatten, viel Zeit wegnahmen.

Als dann der

Fürst am Nachmittag die hohen Generale zu einem Kriegsrathe in Sestewiß berief, der , wie das bei Kriegsräthen meistens ist, beschloß ,

daß nichts geschehen , d. h. der Angriff aufgeschoben

werden sollte , so mußte doch wieder die Zustimmung der Herrscher eingeholt werden, ob auch ein anderer Wille derselben nichts mehr geändert hätte.

In der Schlacht selbst wiederholten sich

diese Erscheinungen natürlich noch störender.

Es brauchte zwar

nicht wie am 16. auf dem Schlachtfelde selbst der Plan geändert zu werden, aber es fehlte sehr am Zusammenwirken : die Heertheile schritten zu verschiedenen Stunden und mit ungleichem Nachdruck zum Kampfe , die Heerführer hatten nicht ihre beſtimmte Stelle und waren oft nicht zu finden.

Ein Mitkämpfer

jener Tage soll später auf die Frage, wer bei Leipzig den Befehl führte , geantwortet haben : ,,Gott der Vater."

Und die Solda-

ten fühlten recht ; denn ob auch Gott alle Schlachten lenkt , so war doch bei Leipzig besonders wenig von dem Gedanken und Willen des Feldherrn zu spüren, der über dem Gange der Schlacht sein soll.

Das lag nicht so sehr am Oberfeldherrn, als in der

Sache der Verbündeten.

Dem Fürsten Schwarzenberg darf der

Verwirrende Einflüsse bei der Hauptarmee.

79

Ruhm nicht verkürzt werden , daß er diesmal die Schlacht mit vollem Ernst wollte und durchführte ; hierin war er von dem Entschluß bewegt , der im Heere lebte.

Aber eine solche Schlacht

zu lenken , das hätte er nicht vermocht, auch wenn er die ganze Macht als wirklicher Oberfeldherr gehabt hätte. wo zum Schwanken keine Zeit mehr war.

Er schwankte,

Er gab nicht bloß an

Gyulai widersprechende Befehle ; er schichte auch noch in der Nacht zum 18. an Bennigsen , damit dieser einen Theil seines Heeres nach der Mitte abgebe, die der Fürst für zu schwach Bennigsen sagte mit Recht , daß zu solcher Veränderung feine Zeit mehr wäre und daß ihn der Kaiser Alexander ermächtigt

hielt.

habe, nach eigener Einsicht zu handeln ; die Sendung zeigt aber, daß Fürst Schwarzenberg keinen klaren Plan darüber hatte, wie er die Entscheidung herbeiführen wolle.

Am Nachmittag des

17. hatte er die Nachricht vom Siege bei Möckern erhalten ; er wußte , daß die Nordarmee kommen müſſe : wenn er also in seinen rechten Flügel den Hauptnachdruck des Angriffes legte, so mußte dieser

mit den beiden anderen verbündeten Heeren

den linken Flügel des Feindes zuleßt unwiderstehlich zuſammenwerfen.

Aber der Fürst faßte einen solchen Plan nicht , weil

er nicht das Vertrauen zu ſich und seiner Sache hatte , weil er an einen so großen Sieg nicht glaubte.

Das hat auch, als nach-

her die Schlacht doch diesen Lauf nahm, die rechte Benußung des Sieges verhindert. 7. Von allen Heeren , die um Leipzig standen , war allein beim schlesischen Heere der klare Wille , der die ganze Entscheidung wollte ; dieses Heer war aber für sich allein zu schwach, den Gang der Schlacht zu bestimmen , es hing von der Nordarmee ab.

Blücher zählte nach den Kämpfen vom 16. und

17. noch etwa 47,000 Mann mit 160 Geschüßen : nämlich das

80

Drittes Kapitel.

Corps von Sachen bei Gohlis mit 8000 Mann , hinter ihm York mit 14,000, links von beiden bei Eutrißsch Langeron mit 15,000 von

und St. Priest mit 10,000 Mann.

Schweden brachte das

3.

Der Kronprinz

preußische Armeecorps unter

Bülow , dem Sieger von Großbeeren und Dennewiß , mit , sodann zwei russische Corps von je 5000 Mann unter den Generalen Winzingerode und Woronzow , endlich 18,000 Schweden unter Stedingk.

Es waren also zusammen 95,000 Mann mit Blücher war vom Kron-

280 Geſchüßen nördlich der Parthe.

[ prinzen auf den 18. früh 7 Uhr zur Besprechung nach Breitenfeld eingeladen worden .

Erst wollte er nicht , dann dachte er

an die allgemeine Sache und kam , mit ihm der Bruder des Königs von Preußen , Prinz Wilhelm.

Dieser wollte, wenn der

Kronprinz nicht zum Angriff zu bewegen sei , die Verantwortung auf sich nehmen und wenigstens Schlacht führen.

das Corps von Bülow zur

Der Kronprinz brauchte zuerst die Ausflucht,

er müſſe durchaus „,en échelon" hinter der schlesischen Armee ſtehen bleiben , damit er , falls Napoleon nach der Elbe durchbreche, dieſem in die Flanke fallen und den Weg nach Berlin verlegen könne.

Blücher begann die Geduld zu verlieren ; un-

willig bestand er darauf, daß man den Feind zuerst angreifen und schlagen müſſe , ehe man sich auf seinen Rückzug bereite. Als der Kronprinz nicht mehr ausweichen konnte , erbot er sich auf einmal an der Spiße seiner Truppen dem Heldentode entgegen zu gehen ; aber sein Heer allein sei zu schwach, Blücher müſſe ihm 30,000 Mann dazu abtreten.

Es war nur eine neue Liſt,

denn er dachte , Blücher könne das gar nicht.

Doch dieser hielt

den Kronprinzen fest ; er sagte ihm Langerons Heertheil zu und nahm sich in der Stille vor , die 30,000 ſelbſt zum Angriff zu führen.

Zugleich verlangte er eine schriftliche Ausfertigung der .

#

Was durch Bernadotte aus dem Schlachtplan Blüchers wird . 81 Abrede vom Kronprinzen ; dann begab er sich zu ſeinem Heere, denn schon ließ sich der Donner der Kanonen vernehmen .

Als

die schriftliche Ausfertigung nachkam, lautete sie anders als die Abrede.

Nach dieser hätte Langeron bei Mockau , Bülow und

Winzingerode bei den nächsten Furten

oberhalb

die

Parthe

überschreiten sollen ; in der schriftlichen Anordnung waren sie alle auf den weiten Umweg über Taucha gewiesen.

Blücher konnte

das bezüglich der Nordarmee nicht ändern ; von Langeron aber ließ er dem Kronprinzen sagen , er werde ihn jenseit der Parthe erwarten.

So sollte also Sacken , mit York als Rückhalt,

von Gohlis aus die Vorstadt von Leipzig angreifen ; Langeron und St. Priest sollten bei Mockau die Parthe überschreiten und das Gefecht in der Richtung auf Abtnaundorf und Schönefeld einleiten ; zulegt beim Erscheinen Entscheidung erfolgen.

der Nordarmee würde die

Ein österreichischer Ulanenrittmeiſter, Graf

Stephan Szechenyi , war am Abend des 17. mitten durch die französische

Armee

hindurchgeritten ,

Schwarzenbergs an Blücher

zu

um

die

überbringen ,

Aufforderung daß er am 18 .

zum allgemeinen Angriff mitwirken möge ; er konnte das Versprechen in der Frühe des 18. auf demſelben Wege zurückbringen. 8. In Napoleons Anordnungen zur Schlacht haben nach den Franzosen auch viele Deutsche sich Mühe gegeben, den großen Feldherrn zu finden.

Aber der Mensch ist nur so lange

groß , als er seiner Sache im Inneren gewiß ist , und das hängt nicht von ihm allein ab.

Es war beim Kaiser nicht mehr wie

in den Tagen seines Glückes ; der getheilte Wille , der bei den Verbündeten in der zusammengesezten Gemeinschaft lag , bei ihm im eigenen Kopf und Herzen. Entschluß.

war

Er kam zu keinem festen

Wenn er nach seiner Weisung , die Lüßener Straße

frei zu machen, die weiteren Maßregeln zum Rückzug nur mit 6

3.

82

Drittes Kapitel.

einem Theil seiner alten Energie betrieb , so hätte er die völlige Niederlage wahrscheinlich vermieden .

Vom 18. Oktober Abends

bis zum 19. Mittags gingen nachher noch über zwei Drittel ſeines Heeres durch die Stadt zurück, und das war nach einer verLorenen Schlacht.

Dasselbe konnte Napoleon mit dem unbe-

siegten Heere vom 17. Abends bis zum 18. Mittags ausführen ; der Angriff der Verbündeten , der , wie wir sehen werden , erst am Nachmittag des 18. den rechten Nachdruck gewann , ihn daran nicht gehindert. daß Wege

hätte

Aber Napoleon sorgte nicht einmal,

und Brücken über die Niederung der

Elster und

Pleiße hergestellt wurden.

Ein Oberst vom Geniecorps machte

den Marschall Berthier ,

durch welchen Napoleon gewöhnlich

seine Anordnungen befördern ließ , darauf aufmerksam , und erhielt die Antwort , wollen.

man dürfe dem Kaiser nicht vorgreifen

Die Lobredner Napoleons haben das nachher als einen

unzeitigen Eifer des Marschalls auslegen wollen ; er hatte aber 1.

ſeine Umgebung daran gewöhnt, nur seinen Willen auszuführen ; dieser Wille kann also hier nicht ernstlich auf den Rückzug gerichtet gewesen sein.

In Wahrheit war bei Napoleon der Gedanke,

dem Feinde Troß zu bieten , noch stärker als der Gedanke , ihm zu weichen. Er konnte den weiten Raum vom 16. nicht mehr halten ; aber er that nur, was durchaus nothwendig war, er nahm sein Heer näher nach der Stadt , in einen engeren Kreis zurück.

Auch bei ihm war an diesem Tage nicht der Gedanke des

Feldherrn, der über der Schlacht sein soll.

Am 18. früh von

2. Uhr an gingen die Heertheile in ihre neuen Stellungen zurück.

Den rechten Flügel führte Murat ;

unter ihm die

Marschälle Poniatowski mit dem 8., Augereau mit dem 9. Corps, Dudinot, im Laufe der Schlacht hierher zur Hülfe gesendet, mit der 3. und 4. Division der jungen Garde , sowie

83

Napoleons Anordnungen. das 4.

Cavalleriecorps

unter

Kellermann ;

den Verlusten vom 16. noch etwa des Prinzen von Homburg.

25,000

zusammen

nach

gegen die 42,000

Diese Heertheile sollten die Pleiße

von Connewig bis Lößnig und Dölig , dann das Feld bis Dösen und zur Schäferei Meusdorf hinüber vertheidigen.

Die Mitte,

von Meusdorf über Probsthayda bis Zuckelhausen und weiter hinaus bis Mölkau, hielten die Marschälle Victor mit dem 2., Lauriston mit dem 5. und Macdonald mit dem 11. Corps , ſowie die Generale Latour Maubourg und Milhaud mit dem 1 . und 5. Cavalleriecorps . hayda und

Victor ſtand in erster Reihe bei Probſt-

westlich davon

rückwärts und östlich gegen

hinter ihm die Reiterei .

Weiter

Zuckelhausen hin stand Lauriston

und war auf diese Weise zugleich Reserve für Macdonald, welcher hatte.

die

Dörfer

Holzhausen ,

Zweinaundorf ,

Mölkau besezt

Als allgemeine Reserve zunächſt für die Mitte, doch zulezt

theilweise auch auf anderen Theilen des Schlachtfeldes verwendet, war die Infanterie und Reiterei der alten Garde , sowie das 2. Cavalleriecorps

unter Sebaſtiani bei Stötteriß aufgestellt ;

auch die 1. und 2. Division der jungen Garde unter Mortier war anfangs hier , mußte aber gegen Mittag größtentheils nach Lindenau aufbrechen , um dort an Bertrands Stelle zu treten. Victor mag noch 15,000, Lauriston

und Macdonald werden

24,000 , die drei Reitercorps zusammen 11,000, die alte Garde 13,000 und Mortier wird 8000 gezählt haben , wovon er 6000 nach Lindenau führte ; es waren alſo in allem 65,000 Mann gegen die 98,000, welche Barclay und Bennigsen zusammen in dieser Gegend zum Angriff führten. Paunsdorf über Schönefeld

an

Der linke Flügel , von

der Parthe her bis in die

Hallesche Vorstadt , war dem Marschall Ney übertragen .

Bei

Paunsdorf stand General Reynier mit dem 7. Corps, nach Ab6*

20 84

Drittes Kapitel.

gabe einer Division an Bertrand Schönefeld und

noch

Abtnaundorf Marmont

10,000 Mann ; bei mit dem 6. Corps,

14,000 Mann , die Vortruppen beider waren bis Heiter Blick vorgeschoben.

Die Hallesche Vorstadt wurde durch General Dombrowski mit seiner Diviſion und einem kleinen Theil des

3. Corps, etwa 5000 Mann, vertheidigt; bei der Vorstadt hielt die Masse des 3. Corps unter Souham , 15,000 Mann, sowie das 3. Cavalleriecorps unter Arrighi , 3000 Mann, zur Unterstüßung von Reynier, Marmont und Dombrowski bereit. Gegen die 95,000 Mann, welche Blücher und Bernadotte zuſammen heranführten, waren also hier nur 47,000 vereinigt. Napoleon hatte dem General Bertrand 20,000 Mann gegeben , um gegen Gyulai's 20,000 die Straße nach Lüßen frei zu machen, und damit genügte er nur der dringendſten Vorſorge. Er selbst behielt auf dem Hauptschlachtfelde gegen die 235,000 der Verbündeten nur 136,000 zur Verfügung.

So viel stärker

hat er freilich seine Feinde wohl nicht geglaubt.

Ein Feldherr

in der Schlacht hat es noch weit schwerer die Stärke des Feindes zu wissen , als es nachher die Geschichtschreibung hat ; an den Zahlen, die er annimmt, haben sein Entschluß, ſein Wunsch und Wille oft noch mehr Antheil , als seine Einsicht , seine Berechnung und seine Kenntniß des Krieges.

Napoleon wollte

über sein und seiner Gegner Machtverhältniß nicht zur klaren Erkenntniß kommen ; er hoffte wohl nicht mehr auf Sieg , aber er hoffte , daß seine Feinde vor der leßten und äußersten Anstrengung innehalten würden.

So dachte er seine ſtolze Stellung

noch retten zu können ; es war nicht sein Feldherrnurtheil, ſondern sein Herrscherübermuth , der ihn auf falsche Wege führte.

So

verwirrt Gott die , die er verderben will. 9. Beide Theile hatten zum Entscheidungskampf alle ihre

85

Die Heere und ihre Hoffnungen.

Kräfte vereinigt ; es waren nicht wie am 16. Oktober noch Heertheile zurück, die dabei ſein konnten.

Und doch führte Napoleon

noch nicht die Hälfte , führten die Verbündeten nur wenig über die Hälfte von der Heereszahl zur Schlacht , womit jeder Theil den Feldzug in dieser Gegend eröffnet hatte.

Es muß danach

angenommen werden , daß Napoleon seit dieser Zeit faſt 200,000, die Verbündeten über 160,000 Mann verloren hatten ; davon waren die wenigsten ausgerissen , die meiſten todt , verwundet, frank , gefangen.

Einen großen Krieg hatten die Männer schon

durchgefochten , die jest wider einander in den Waffen ſtanden. Jest drängte sich die Noth und Entbehrung des Feldzuges noch einmal an dieser Stelle zusammen ; ſie waren durch die Schlacht und die neuen Zuzüge noch größer geworden , als vor 2 Tagen. Auch der Muth und die Hoffnung des ganzen Streites drängten sich hier zusammen ; aber sie waren nur im einen Lager , im anderen hielt sich der wankende Glaube kaum noch am alten Soldatengeiste aufrecht.

Europa erwartete vom Ausgang die

Entscheidung über sein Schicksal ; fast alle seine Völker waren in den Reihen der Heere vertreten ; am meisten aber die Deutschen, danach die Franzosen und die Russen.

Und noch waren die

Deutschen in beiden feindlichen Lagern vertheilt ;

Söhne aller

Lande westlich der Elbe trugen noch die Waffen für den fremden Eroberer ,

nur Bayern war vor kurzem vom Bunde mit

ihm zurückgetreten.

>

Bann zu brechen.

Es gehörte noch ein Tag dazu ,

um den

86

Viertes Kapitel. Die Siege s s chlacht. 1. Durch die neue Heere gegeben hatte,

Stellung ,

welche Napoleon ſeinem

war am 18. Oktober der Kampf den

Mauern von Leipzig weit näher gerückt , als am 16 ; seine höchste Entfernung im Süden war noch nicht 2 Stunden , im Norden schlug er dicht an die Thore.

Auch ſchied sich die Schlacht nicht

mehr wie die erſte in zwei gesonderte Treffen ; sondern ſie_umfaßte die Stadt im Ringe eines einzigen ungeheueren Kampfes. Es stand diesmal nahezu eine halbe Million Krieger mit faſt anderthalbtausend Kanonen wider einander in den Waffen : wohl 255,000 Verbündete mit 800 Geschüßen gegen 160,000 Franzosen mit 550

Geschüßen.

Und so groß , wie die Maſſen der

Streiter , so groß war auch der Kampf, vor welchem langsam, unwiderstehlich

die französische Macht

zusammenbrach.

Das

Volk hat ihn von jeher recht verstanden : es war der Gerichtstag Gottes über Napoleons Weltherrschaft,

es war der große

Sieges- und Befreiungstag. 2. Von den zwei Aufgaben , die vor Napoleon lagen , die Schlacht zu schlagen und den Rückzug frei zu halten , löste sich die lettere leicht für ihn . Lindenau auf;

Bertrand brach früh am Tage von

er fand die Straße

nach Markranstädt offen.

Gyulai hatte nach den verschiedenen Befehlen vom

17. seine

Hauptmacht bei Knauthayn, ſeine Vortruppen bei Klein-Zschocher. General Beliard griff sie dort an, warf sie nachdrücklich zurück und machte sogar gegen 700 Gefangene.

Der österreichische Ge-

neral ließ sich das gefallen und machte weder jezt noch später

87

Napoleon läßt die Rückzugsstraße frei machen.

einen ernstlichen Versuch gegen die Rückzugsstraße der Franzosen, obwohl er mindestens ebenso stark als Bertrand und dem Marschall Mortier , der am Nachmittag Lindenau beſeßte, ſogar bedeutend überlegen war.

Seine Aufgabe war leicht und verstand

sich ganz von selbst , Befehle und Gegenbefehle können ihn nicht entschuldigen , daß er sie so versäumt hat.

Genug , Bertrand

zog ungehindert seine Straße : ein langer Zug , Bewaffnete an der Spize und zur Seite, auf der Straße Wagen , Leichtverwundete , Kranke in wirrem Durcheinander.

Abends

7

Uhr

erreichte er Lüßen ; seine Vorhut kam bis Weißenfels und beseßte dort die wichtige Brücke über die Saale ; eine schwache Abtheilung Desterreicher, die dort war, ging fast ohne Widerstand zurück. 3. Die Schlacht ſelbſt trägt nicht in dem großen Maßſtabe, wie die des 16. Oktober, das Gepräge des unmittelbaren Aufeinandertreffens gewaltiger Truppenmaſſen ,

die im Hin- und

Herwogen stets sich erneuernder Angriffe die Entſcheidung suchen. Es lag dies auf Seite der Verbündeten zum Theil im verspäteten Eingreifen ganzer Heertheile , zum Theil in dem geringeren Antrieb solcher Führer, wie der Kronprinz war ;

auf Seite der

Franzosen in ihrer Schwäche an Zahl . Es waltete aber dabei auch ein Naturgeseß ; man war auf keiner Seite der heißen unausgefeßten Anstrengung wie am 16. mehr fähig.

So gestaltete sich

die Schlacht vorherrschend zum Geſchüßkampf , der in ununterbrochenem Donner über das Feld dahinrollte.

Sie wurde da-

rum , nach dem Maße des Möglichen gemessen , tapfer und ausdauernd gefochten. die Nebel

nicht minder

Die Sonne, die gegen 10 Uhr

durchbrach und den Tag über heiter am Himmel

stand , beleuchtete ein großes Schauſpiel. maß der Halbkreis

Drei Stunden ungefähr

der franzöſiſchen Aufstellung; auf dieſem

Raume waren am Nachmittage von der einen Seite 130,000 ,

Biertes Kapitel .

88

von der anderen 170,000 Mann im wirklichen Gefecht ; über 1300 Kanonen ſendeten die eisernen Todesboten aus ; dazwischen jagten Reitermassen durch das Feld ,

rang das Fußvolk mit

Kugel und Bajonnet um die brennenden Dörfer. Die Feldherren griffen auf beiden Seiten nur wenig ein.

Ihre Standorte sind

auf dem Schlachtfelde durch Denkmale bezeichnet.

Napoleon hielt

sich den größten Theil des Tages hindurch auf dem Thonberg bei der Quandt'schen Tabaksmühle auf ; die verbündeten Fürsten mit dem Oberfeldherrn ſahen den Kampf von einem Hügel bei der Schäferei Meusdorf, nach ihnen jezt der Monarchenhügel genannt.

Außer ihnen waren Könige, Prinzen, hohe Generale,

in einer Menge

wie niemals

vorher

oder

nachher , in der

Schlacht ; es war wohl sichtbar , daß um Kronen und Völker gespielt wurde.

Die Schlacht aber folgte in furchtbarem Schritt

ihrem eigenen Geſetz.

Bei so großen Maſſen kann der Geiſt

des Feldherrn dem Kampfe nur die allgemeine Richtung geben ; plögliche Wendungen in demselben hervorzurufen , vermag er selten ; was er kann, ist nur das weise Verwalten und dann im rechten Augenblick das volle Daranseßen seiner Kraft.

Es mißt

sich da die ganze Arbeit an einander , welche Staaten und Völker gethan haben, es ringen die in den Heeren verkörperten Kräfte, die Zahlen, die Zucht, die Uebung und vor allem die bewegenden Geister mit einander. Um die Ehre des ersten Kanonenschusses in der Weltschlacht wird viel gestritten ; werden.

der Streit wird wohl nicht ausgemacht

Der eigentliche Kampf aber begann auf dem linken

Flügel der Verbündeten ,

die Entscheidung erfolgte

rechten Flügel.

die Franzosen seit 2 oder 3 Uhr

Während

auf dem

Morgens von den alten Stellungen zurück in die neuen gingen, waren einzelne entfernte Truppentheile der Verbündeten ebenfalls

89

Angriff des linken Flügels der Verbündeten .

von 3 Uhr an in Bewegung ; die Mehrzahl trat vor Tagesanbruch unter die Waffen. Dennoch kam über dem Aufeinandertreffen der Vordertruppen , über dem Hin- und Herschieben von Plänklerschwärmen und Reiterangriffen, über dem ernsten Dreinreden vorgezogener Batterien , um das Feld frei zu machen , 10 Uhr heran.

Dann erst waren die Massen auf dem größeren Theile

des Schlachtfeldes in ihren Stellungen an einander ; und auch von da an vergingen noch 4 Stunden über einer Reihe vereinzelter Angriffe.

Von der Mitte der Verbündeten nach ihrem

rechten Flügel hinüber begann erst nach 2 Uhr das entscheidende

zusammengreifende

Ringen ,

erst

nach 3 Uhr

erreichte die Schlacht allmählich ihren

Höhepunkt.

Ich schließe mich in der Darstellung an diesen

Gang der Schlacht an. 4. Der Erbprinz von Heſſen - Homburg ſezte sich um 8 Uhr in Bewegung, zuerst an der Pleiße her gegen Dölig ;

etwas

ſpäter trafen seine anderen Colonnen von Markkleeberg her bei Dösen auf den Feind .

Sie dehnten sich rechts bis Meusdorf

hinüber aus und ihre Spigen nahmen den Ort im ersten Anlauf,

um ihn gleich wieder gegen einen geschlossenen Angriff

von französischer Infanterie und Reiterei zu verlieren .

Wie die

Franzosen darüber hinaus vordringen wollten , wurden ſie ihrerseits zurückgeworfen ; züleßt , als Kleist von der Mitte heranrückte , gaben sie die Schäferei ohne Kampf auf.

Die Hauptmaſſe

der Desterreicher stritt inzwischen um Dösen und Dölik.

Den

Angriff auf letteres unterſtüßte Feldmarschalllieutenant Lederer von der Aue her ; Poniatowski's Truppen wurden hinausgeworfen , Augereau ließ das Dorf wiedernehmen , Weißenwolfs Grenadiere stürmten es zum zweitenmal.

Doch jenseits ſahen

fie jedes weitere Vordringen gehemmt ; zugleich ging Dösen, das

90

Biertes Kapitel.

schon halb erobert war , wieder mit Verlust verloren ; Dudinot war mit der jungen Garde Poniatowski und Augereau zu Hülfe gekommen ; zugleich versuchte eine Colonne Victors von Probfthayda her einen Angriff.

Auf kurze Zeit geriethen die Deſter-

reicher in Bedrängniß ; der Prinz von Homburg wurde verwundet, Graf Noſtig übernahm das Commando und behielt es , obwohl ihn bald danach ein Streifschuß traf.

Fürst Schwarzenberg selbst

eilte herbei ; das Gefecht schien ihm bedenklich zu stehen , èr schickte nach Gyulai und selbst nach der russischen Armeereserve um Verstärkung. Der Fürst durfte größeres Vertrauen haben ; die österreichischen Reserven , die zur Hand waren , stellten das Gefecht wieder her, und der Angriff Barclay's in der Mitte gewährte die beste Unterstügung ,

denn Victor bei Probsthayda

kam dadurch bald selbst in's Gedränge.

Um Mittag ungefähr

stand das Treffen ; längere Zeit kam kein Theil vorwärts .

Zu-

lezt gewannen die Oesterreicher den größeren Theil von Döſen und drangen über Döliz hinaus gegen Lößnig vor , das gegen 2 Uhr von der Aue her durch Lederers Geſchüß in Brand geschossen wurde.

Das Dorf blieb lange streitig ,

endlich mit

hereinbrechender Dunkelheit nahmen es die Desterreicher ; dagegen wurden alle weiteren Angriffe , die auf beiden Seiten der Pleiße auf Connewiß gingen, wiederholt abgewiesen.

Der Kampf scheint

hier allmählich wie ein erlöschendes Feuer in sich selbst zuſammengesunken zu ſein ; Connewißer Bauern erzählen , Desterreicher wie Franzosen wären zuleßt durch ihre Offiziere selbst mit der Klinge nicht mehr voran zu bringen geweſen ; sie hätten geſehen, wie ſich Soldaten die Finger abgeschossen hätten , um nur als Bleſfirte aus dem Kampfe zu kommen.

Das Ergebniß war für die Ueber-

macht der Desterreicher nicht glänzend ; die Ursachen lassen sich noch nicht genügend aufklären ; doch ist ein großer und bleibender

Erster Angriff der Mitte und des rechten Flügels.

91

Erfolg in solchen Kämpfen um Dertlichkeiten nur durch Infanterie zu erringen, und ein nicht kleiner Theil der österreichischen Infanterie war neu gebildet. Napoleon hat in jener Zeit sogar die österreichische Infanterie überhaupt die schlechteste genannt, die er kenne.

Das ist freilich jedenfalls ein absichtsvolles und unge-

rechtes Urtheil, doch zeigten die jungen österreichischen Bataillone nicht den Geist , wie die jungen preußischen , man erkannte in ihnen die Kämpfer von Aſpern und Wagram nicht wieder. 5. Als die Desterreicher schon im ernsten Kampfe standen, war auf den übrigen Theilen des Schlachtfeldes noch wenig geschehen.

Barclay de Tolly brach mit seiner Heersäule gegen 8

Uhr von Güldengosfa und dem Oberholz auf: links die Preußen unter Kleist, rechts die Russen unter Prinz Eugen und Gortſchakow; in zweiter Linie Pahlens Reiter und Rajefsky's Grenadiere ; die Garden in Reserve.

Der Vormarsch ging über das Feld,

wo die Schlacht vor 2 Tagen am furchtbarsten gewüthet hatte ; auch alten Soldaten ging der furchtbare Anblick, ging das Tönen der Menschengebeine unter den Rädern der Geschüße durch's Mark.

Die Franzosen leisteten keinen ernsten Widerstand , sie

gingen nach kurzem Artilleriefeuer und einigen Reiterangriffen gegen 11 Uhr in ihre Stellung bei Probsthayda zurück. Barclay erkannte die Stärke derselben und beschränkte sich in den nächsten Stunden darauf sie zu kanoniren. Bennigsen zu.

Etwas lebhafter ging es bei

Klenau nahm durch Zietens Brigade gegen

10 Uhr, durch Gortſchakows Artillerie von der Mitte her unterstüßt , nach kurzer Beschießung Liebertwolkwiß , fand den Kolm berg unbesezt und fuhr dort Artillerie gegen Holzhausen auf. Um dieselbe Zeit nahm Stroganoff von Bennigsens Reservearmee Baalsdorf , Paunsdorf auf.

und Bubna brach

von Engelsdorf gegen

Bald nach 11 Uhr griff Klenau Holzhausen

92

Viertes Kapitel .

an, Macdonald hielt standhaft aus ; das Dorf wurde gewonnen und verloren ; zulezt wurde Klenau von Bennigsens

Ruſſen

nachdrücklich unterſtüßt und der Ort blieb in seinen Händen. Es war gegen 2 Uhr ; die Franzosen räumten auch Zuckelhausen und wichen gegen Stötteriß und Probsthayda zurück.

Klenau ließ

ſofort auf dem Steinberg Batterien aufführen , um vor dem weiteren Angriffe die französische Stellung zu beschießen. Stroganoff ging gegen Zweinaundorf vor , Bubna nahm Paunsdorf. Von da bis Schönefeld hinüber war noch kein Gefecht. 6. Die Masse des Nordheeres überschritt erst um 12 Uhr die Parthe, die Preußen bei Taucha , die Ruſſen und Schweden bei Plaußig.

Auch Blücher war zurückgeblieben, die Abrede

mit dem Kronprinzen hatte ihn aufgehalten ; dann suchte er die Verſäumniß einzubringen .

Er ließ die Russen bei Mockau und

Neutsch durch und über die Parthe gehen und war um so rascher, als er die Hauptarmee bedroht glaubte , da Offiziere seines Stabes durch ihre Fernrohre feindliche Massen von Stötteriz nach Süden ziehen sahen.

36 Zwölfpfündner machten bald

das Feld frei , Abtnaundorf wurde ohne viel Kampf genommen, dann rückte Langeron gegen Schönefeld.

Der erste Angriff,

unterſtüßt von einer Batterie auf dem rechten Partheufer, führte bis in die Mitte des Dorfes ;

da schickte Marmont neue Ba-

taillone, die Ruſſen mußten zurück, eines ihrer Regimenter wurde fast vernichtet , mit Mühe behaupteten sie sich in den lezten Häusern.

Ein zweiter Angriff, mit neuen Kräften unternommen,

hatte keinen besseren Erfolg ; das Dorf gerieth darüber vom Gefchüßfeuer in Brand .

Es war 2 Uhr.

Auch gegen die

Halle'sche Vorstadt hatte Blücher keinen Erfolg.

Sacken griff

dort von Gohlis her an , aber Dombrowski konnte vom Rosenthal aus den Angriff in der rechten Flanke nehmen , während

Erster Angriff Blüchers.

Kampf um Probsthahda.

93

seine Truppen an dieser Stelle durch die Elster gesichert waren. Die Russen wurden mit Verlust zurückgeworfen ; York mußte 2 Jägerbataillone senden, damit nur Gohlis behauptet wurde. 7. Um 2 Uhr hatten also die Verbündeten noch nirgends wesentliche Vortheile davongetragen ;

es waren aber auch, vom

linken Flügel abgesehen , noch nirgends ihre eigentlichen Maſſen ins Gefecht gekommen. Jest änderte sich die Sache ; die Franzosen bekamen den wachsenden Druck der Uebermacht zu fühlen, bis ihr linker Flügel erlag.

Die Fortschritte, die sie gegen Mit-

tag auf ihrer Rechten gegen die Desterreicher gemacht hatten, waren zurückgewiesen , allmählich kamen ſie bei Dösen und Döliz selbst ins Gedränge.

Weit schwereren Andrang aber hatten

fie jezt in der Mitte bei Probsthayda und Stötteriß zu beſtehen. Das erstere Dorf lag_langhingestreckt der Frontlinie der Verbündeten gegenüber ; Infanterie hatte die Lehmmauern und die Häuser befeßt , geschlossene Bataillone standen gedeckt dahinter, Reitermassen, etwas weiter zurück, waren zum Einhauen bereit, Batterien hatten das Feld , auf dem der Angreifer heranrücken mußte, unter ihrem Kreuzfeuer.

Die preußische Artillerie beschoß

die Stellung schon seit Stunden ohne Erfolg ; bloßes Geſchüßfeuer entscheidet bei tüchtigen Truppen überhaupt kein Gefecht, und hier hemmten noch der Lehmboden und die Lehmwände ſeine Wirkung.

Endlich ward Kaiſer Alexander ungeduldig und

verlangte den Angriff ; General Barclay zögerte ; er hatte schon in hundert Schlachten gestanden , aber hier schien es ihm , der Feind werde doch zuletzt der Uebermacht weichen müſſen , auch ohne daß man so viel Blut daran seßte. Doch er mußte nachgeben ; es war bald nach 2 Uhr , als sich die Preußen in Bewegung ſeßten ; es war die Brigade Pirch und zu ihrer Unterſtüßung Prinz Auguſt von Preußen, bei Eröffnung des Feldzuges

94

Biertes Kapitel .

in 20 Bataillonen 16,000 Mann, jest kaum noch 7000.

Die

Artillerie spielt mit Macht auf, den Sturm zu unterſtüßen ; zur Seite folgen Reiterschaaren zum Schuße. Der feindlichen Geschosse nicht achtend, durchschreiten die braven Bataillone das Feld , die vorderen werfen sich auf das Dorf, übersteigen die Mauern, ein kurzes heißes Gefecht um Straßen und Häuser und das Dorf ist in ihren Händen.

Doch die Franzosen führen frische Truppen

herbei , die eben noch siegreichen Preußen weichen bis an die Grenze der schwer erkauften Eroberung zurück.

Da naht ihnen

Hülfe , mit erneutem Muthe werfen sich die ersten und die folgenden Schaaren auf den Feind und gewinnen das Dorf zum zweitenmal.

Viermal, wird erzählt, hat sich in dieser Weise An-

griff und Gegenangriff erneuert ; was von Infanterie zur Hand ist , wird von beiden Seiten in den Kampf geworfen ; zulet bleibt der Kampfpreis den Preußen .

Doch schon ist Napoleon

selbst zur Stelle ; er hat auf seinem linken Flügel die Standhaftigkeit und den guten Erfolg von Dombrowski's Polen gesehen ; wie er zurückkehrt ,

empfängt ihn schon von fern das

wilde Getöse des Kampfes um Probsthayda , bald sieht er weichende, fliehende Schaaren in seiner Nähe.

Doch seine Garden

find nicht weit ; die nächsten Bataillone müssen raschen Schrittes heranrücken , es bedarf kaum seiner ermunternden Worte ; sie werfen sich auf das verlorene Dorf, und in wenig Augenblicken ist es den erschöpften Preußen entrissen.

Die zwei leßten Ba-

taillone, Prinz Auguſt ſelbſt dabei , seßen an und gewinnen den größten Theil noch einmal zurück, um ihn gleich wieder an neue Feinde zu verlieren.

Prinz Eugen mit 2400 Ruſſen nimmt den

Sturm auf; durch Blut und über Leichen hinweg dringen die Braven ein , die Mauern , die ersten Häuser sind in ihren Händen , doch da wächst der Widerstand unwiderstehlich ;

auch die

Kampf um Probsthahda und Stötterig.

95

Russen müssen das Dorf räumen , 600 der Ihrigen hat sie der kurze Kampf gekostet. Die Preußen, inzwischen wieder gesammelt und geordnet, sind zu neuem Sturme bereit; doch die Monarchen und der Oberfeldherr wollen kein neues Blut mehr daran seßen ; sie meinen auch ohnedem des endlichen Sieges sicher zu sein. Die Infanterie wird vom heißumstrittenen Dorfe zurückgeführt. Die Reiterei hatte den Kampf mit wechselnden Angriffen , doch nicht mehr mit dem friſchen Anlauf wie vor zwei Tagen, begleitet ; auch sie suchte jezt gesicherte Aufstellung .

Dagegen wurde

an Geſchüßen , was noch vorhanden war , in die Schlachtlinie gebracht.

Napoleon war beim lezten Angriff der Verbündeten

zum zweitenmal bei Probsthayda erschienen und hatte neue Bataillone seiner Garde herangezogen .

Wie sie kamen , versuchte

er seinerseits den Angriff; es war umsonst : zweimal ſeßten die Tapferen an, zweimal mußten ſie vor dem Kartätſchenhagel weichen.

Zulegt antwortete das französische Geschüß nur in lang-

sameren Pausen dem lebhaften Feuer der Verbündeten, die Munition begann zu mangeln.

Doch behaupteten die Franzosen

hier ihre Stellung. Sie behaupteten sie auch bei Stötteriß.

Wie wir sahen,

waren die Russen etwa um 2 Uhr von Baalsdorf gegen Zweinaundorf vorgegangen. Der Angriff wollte zuerst nicht vorwärts, die Franzosen sezten ihm hartnäckigen Widerstand entgegen ; doch die Angreifer verstärkten sich ,

Stroganoff nahm das untere,

Klenau von Holzhausen her das obere Dorf. wann es Macdonald

zurück ;

Noch einmal ge-

doch Paskiewitsch drang zum

zweitenmal ein und durch, Dochtorof führte neue Bataillone herbei , die Franzosen vermochten nichts mehr auszurichten.

In-

zwischen hatte Macdonald Sebaſtiani's Reiterei von Stötteriß herbeigezogen, die Schwadronen entwickelten sich zum Angriff, zu

96

Viertes Kapitel.

ihrer Seite donnerten Geschüße ; doch auch die russischen Reiter mit ihrer Artillerie waren zur Stelle , nach kurzem Getümmel mußte Sebaſtiani zurückgehen ; es war nicht mehr der Ungeſtüm in den Cavalleriekämpfen, wie am 16. bei Wachau. Jezt bereitete Klenau den Angriff auf Stötteriß ; die Geſchüße vom Steinberg und von Zweinaundorf her mußten ihr Feuer verdoppeln , dann führte er selbst zwei Regimenter gegen das Dorf.

Es war um

die Zeit, als zum zweitenmal um Probsthayda geſtritten wurde ; wie

dort ,

so

seßten

hier

die

Franzosen

dem

des Angriffs verzweifelten Widerstand entgegen.

Ungestüm

Es kam zum

Kampf mit dem Bajonnet, Mann gegen Mann ; ein Gutsbeſizer und ein Soldat, welche die Stätte sahen , haben nachher erzählt, Stirn gegen Stirn hätten Soldaten da gelegen und gestanden, angespießt, wie sie das tödliche Bajonnet getroffen , starr und ſteif.

Zulegt mußten die Oesterreicher mit großem Verlust wei-

chen; der Angriff wurde nicht erneuert, nur der verſtärkte Donner der Geschüße gab Zeugniß von dem noch nicht ausgefochtenen Kampfe.

Als der Abend hereinbrach, nahmen die Ruſſen noch

Mölkau , Bubna unterſtüßte sie dabei von Paunsdorf her , das inzwiſchen verloren und wieder gewonnen war ; lezte Gefecht an dieser Stelle.

es war das

Die Franzosen waren hier aus

ihrer ersten Linie vollständig zurückgeworfen und hatten eine Stunde an Boden verloren ;

doch gegen ihre leßte Stellung,

gegen Stötteriß und Probsthayda, den starken Mittelpunkt ihrer ganzen Schlachtlinie, hatten die Verbündeten nichts vermocht. 8. An den Soldaten lag es nicht , wenn hier , wo Barclay und Bennigsen 98,000 gegen 65,000 führten , die Entscheidung nicht größer wurde.

Der Kampf um die Dörfer hat das ge-

zeigt ; es fochten hier meistens alte versuchte Regimenter ,

nur

ein Theil von Klenau's Infanterie und von Bennigsens Reserve-

Die Franzosen behaupten sich.

Ursache davon.

97

armee beſtand aus neugebildeten Truppen ; dagegen war namentlich das ganze Corps Barclay's den besten Soldaten Napoleons gleich.

Freilich hatte Napoleon gerade bei Probsthayda ſeine

Hauptmassen; es kamen hier das ganze zweite Corps , ein Theil des fünften und der Garde, 25-28,000 Mann nach und nach ins wirkliche Gefecht , und mehr hat Barclay auch nicht verwendet.

Aber daran gerade lag es .

Auch die Anordnung der An-

griffe hätte vielleicht anders sein können ; ſie mußten umfaſſender vorbereitet und dann auch mit Infanterie zu beiden Seiten des Dorses , nicht bloß auf dasselbe, durchgeführt werden .

Doch ist

darüber wegen der Unklarheit aller Beschreibungen schwer zu urtheilen; das aber stellt kein Bericht in Abrede , daß die 19,000 Mann russisch-preußische Garden gar nicht gebraucht wurden. Die Reserven aber sind dafür da, um die vollſtändige Niederlage abzuwehren oder den Sieg zum höchsten Punkt zu steigern. Gerade wenn der Rückzug des Feindes

auch

ohnedem sicher

schien, mußten noch 10-12,000 der Garden daran gesezt wer den, um seinen Rückzug in eine Niederlage zu verwandeln ; auch wenn es nicht gelang , war die Erschütterung und der Verlust, welche dadurch in die feindlichen Reihen getragen wurden, gewiß größer, als was man ſelbſt dabei auf's Spiel ſeßte. Warum entschloßsich ein Barclay nicht dazu, der ein Jahr früher in der furchtbaren Schlacht an der Moskwa den höchsten Grad von Ausdauer bewiesen hatte?

Es liegt ein Grund sehr nahe, wenn man sich

erinnert, wie schwer es dem Prinzen Eugen hielt , bei Kulm im Augenblick der höchsten Noth die Verwendung der rufſiſchen Garden zu erlangen, und wie sonst weder diese noch die preußiſchen Garden im ganzen Feldzug gefochten haben.

Es war bei

den Monarchen und ihren Generalen die Vorstellung , als seien die Garden ausschließlich für die Person des Herrschers da ; da7

Viertes Kapitel.

98

gegen trat der Gedanke mehr als billig zurück , daß es gerade für eine auserwählte Truppe keine höhere Ehre geben könne, als in großen Augenblicken allen voran den Ausschlag zu geben. Eine eingewohnte Vorstellung der Art kann nur überwunden werden , wo aus der Tiefe der Seele eine stärkere Ueberzeugung heraufsteigt ; allein daran gerade fehlte es hier . Alexander , Fürst Schwarzenberg ,

Der Kaiser

die Generale Barclay und

Wittgenstein fanden den Entschluß nicht, was nöthig war an die leßte Entscheidung zu sehen.

Es hätte ein gewaltiger Mann

sein müssen, der nach aller Blutarbeit und Anstrengung der Riesenschlacht auch das noch von den Soldaten gefordert hätte. 9. Noch später und unvollständiger als in der Mitte kamen die Verbündeten auf ihrem rechten Flügel zur vollen Entwickelung ihrer Macht. aus.

Der Kronprinz von Schweden blieb lange

Langeron war bereits bei Schönefeld blutig zurückgewiesen

worden , Bubna hatte das kaum gewonnene Paunsdorf wieder verloren, als sich endlich das Nordheer zwischen beide hineinzuschieben begann : voran die Preußen unter Bülow , rechts rückwärts von ihnen die Ruſſen unter Winzingerode und Woronzow.

Es war 3 Uhr vorüber.

Die französischen Vortruppen

wichen schnell zurück ; Bülow ließ Paunsdorf angreifen, das von einem Theile der Division Durutte von Reyniers Corps vertheidigt war.

Der Angriff, von Bubna mit einem Bataillon öfter-

reichischer Jäger unterſtüßt , führte rasch zum Ziele ; die Franzoſen flohen in Unordnung gegen Sellerhausen zurück. Dort stand der größte Theil der sächsischen Division des Generallieutenants v. Zeschau ; es hatte den Anschein , als werde das Gefecht einen Augenblick zum Stehen kommen , denn Bülow hatte noch nicht Truppen genug heran , um seinen Vortheil mit Nachdruck zu verfolgen.

Da trat in den Kampf der Waffen ein Ereigniß

Die Norbarmee greift endlich ein.

Stimmung der Sachsen.

99

hinein , das noch einmal die Zerrissenheit offenbarte, worin noch die Schlacht bei Leipzig das deutsche Vaterland fand. 10.

Sachsen , wie es zuleßt zum Rheinbunde getreten

war, lag von allen Staaten desselben der großen Bewegung dieſes Krieges am nächsten.

Es hatte im Frühjahr die Aufrufe der

preußischen und russischen Generale gehört ,

es hatte ſchon ein-

mal in den Ebenen von Leipzig die Heere gesehen , welche die Befreiung zu bringen verhießen ; der König selbst hatte geſchwankt, ob er sich nicht vom fremden Bündnisse losmachen solle.

Da

hatte Napoleon durch seine Siege ihm das Land wieder gegeben und ihn noch fester als vorher in blinder Ergebenheit an sich gefesselt.

Das Volk und das Heer aber fühlten etwas von der

neuen Zeit, die heraufkam.

War doch Fichte, der dieſe Zeit mit

gewaltigem Worte vorbereitet hatte , ein Sachse ; war doch Körner ein Sachse , der ihre ersten begeisterten Lieder sang .

Schon

im Frühjahr hatte General Thielmann in der Festung Torgau den Versuch gemacht , das sächsische Heer zu den Verbündeten hinüberzuführen und dadurch den König mit fortzureißen.

Der

Versuch mißlang ; aber die Sachsen kämpften nur mit halbem Herzen in den Reihen der Franzosen.

Bei diesen , die allezeit

ihre Niederlagen gern auf fremde Schultern abgeladen haben, erfuhren sie wegen der Schlachten von Großbeeren und Dennewiß Mißtrauen und Zurückseßung ; ihr Vaterland wurde vor ihren Augen vom Kriege verwüstet , es erlag unter den Laſten und Opfern , die ihm der Ehrgeiz des fremden Eroberers auflegte.

Da ward die Bedeutung der großen deutschen Sache auch

denen verständlich, die bisher ihr Vaterland nur im Befehl des Königs gekannt hatten.

Die Offiziere fingen an , zwischen dem

Willen des freien Königs und des Königs unter franzöſiſcher Gewalt zu unterscheiden ; der Soldat sah die wachsende Noth ſei7*

100

Biertes Kapitel.

ner Heimath, er mußte das schwere Mißgeschick des Krieges tragen , und auf der Seite , wo Deutschlands Sache war, war auch Glück und Sieg. Die Entfremdung , die Erbitterung gegen die fremde Sache wuchsen von Tag zu Tag.

General Reynier er-

kannte die Stimmung ; sie schien ihm ſo bedenklich, daß er ſchon am 16. Oktober von Düben aus dem König durch einen sächsischen Offizier sagen ließ : wenn er über seine Truppen verfügen wolle , so werde er dem Befehle folgen und sie entlassen ; vielleicht sei Torgau der geeignete Ort für sie.

Es war ein kluger

und würdiger Antrag vom französischen General ; doch der König war zu sehr in der Scheu vor Napoleons Unüberwindlichkeit gefangen, um Sinn für die verzweifelte Lage seiner braven Soldaten zu haben.

Als dann in der Nacht zum 18. Oktober von

Napoleon selbst der Befehl kam , die Sachsen nach Torgau zu ſchicken, war es zur Ausführung bereits zu spät.

Inzwiſchen_be-

sprachen sich die höheren sächsischen Offiziere unter einander, was zu thun sei ; einige bekamen Kunde von den eben angegebenen Vorgängen, und das beschleunigte ihr Vorhaben noch. Die Commandeure der beiden Infanteriebrigaden, Generalmajor v. Ryffel und Oberst v. Brause, standen an der Spize ; sie wollten in einem Geiste handeln , wie sie bisher immer ehrenvoll zuſammengestanden hatten ; ihre Absicht war Trennung von den Franzosen. Nicht von ihrem König wollten sie abfallen ; sie hatten ihm als Soldaten geschworen und er war sonst ein gütiger Fürst , dem fie anhingen.

Nur der Commandirende , General von Zeschau,

war für den Plan nicht zu gewinnen ; er hatte noch am 17. auf dem Marsche die Soldaten angesprochen, jezt müßten sie unmittelbar für ihren König fechten, der selbst in Leipzig wäre ; doch waren nur wenige seines Sinnes . Es war aber , als die Verbündeten am 18. heranrückten , zu spät , einen geordneten Plan

Uebergang der Sachsen und Württemberger.

101

durchzuführen ; es blieb den Sachsen keine Wahl : sie mußten entweder die französischen Reihen verlassen oder für die Franzosen kämpfen.

Zuerst ergriff ein Husarenregiment und ein Bataillon

leichter Infanterie die Gelegenheit.

Sie standen weit vorgescho-

ben auf dem linken Flügel , in der Richtung auf Schönefeld ; in der Nähe der Husaren hielten die zwei württembergischen Reiterregimenter von Marmonts Corps unter Oberst von Normann, noch 5-700 Pferde.

Es nahte eine dunkle Maſſe russischer Rei-

terei zum Angriff ; da war es Zeit.

Der Oberst wußte längst,

daß seine Reiter ihr Blut nicht mehr für Napoleon vergießen wollten ; er führte sie zum Feinde hinüber.

Kurz darauf folgten

die sächsischen Husaren , in vollem Galop , die Säbel in der Scheide, zum Theil durch die franzöſiſchen Reihen hindurch ; das Bataillon sah sie und schloß sich ihrem Beispiele an. schah um Mittag.

Das ge-

Sowie die Kunde davon zum Haupttheile der

Sachsen nach Sellerhausen kam , drangen die Commandeure in den General v. Zeschau , daß er vom König Trennung von den Franzosen erbitte ; nach 2 Uhr traf der Bescheid ein, der ſie auf die Erfüllung ihrer Pflicht verwies.

Da sagte Ryffel seinem

Vorgeſeßten geradezu , daß die Pflicht gegen das Vaterland eine Grenze ziehe für die Pflicht gegen den Souverän ; es erfolgte ein kurzer Wortwechsel, doch bald faßte sich Ryssel, schwieg und nahm seine Maßregeln. Er schickte einen Offizier zu den Verbündeten hinüber , fie vorzubereiten, und ließ den übrigen Commandeuren mittheilen , daß er mit der Infanterie übergehen werde; die meisten stimmten zu .

Als die Fran-

zosen in Schaaren von Paunsdorf gegen Sellerhausen flohen, schien der Augenblick gekommen.

General v. Ryffel ritt vor die

Front, winkte mit dem Taschentuche und rief: „ mir nach, Schüßen, mir nach ! "

Die Schüßen , die übrigen Bataillone und die Ar-

102

Biertes Kapitel.

tillerie seßen sich rasch in Bewegung ; die Franzosen rufen dem vermeintlichen Angriffe ihr ,,vive l'empereur" nach ; Zeschau eilt herbei und stellt Nyffel zur Rede ; auf deffen unumwundene Antwort sucht er den Strom zu hemmen, es ist vergebens ; Reynier, der in der Nähe ist , will die Artillerie zurückhalten , man hört nicht auf ihn .

Jezt geben die Franzosen auf die Uebergehenden

Feuer, und auch von den Verbündeten wird ihnen zuerst der gleiche Empfang zu Theil.

Doch rasch klärt sich die Absicht auf

und jenseits heißt man die neuen Brüder willkommen : die Rufsen herzen und küssen sie ; ein Bataillon Preußen stimmt auf den Zuruf seines Commandeurs tief bewegt das Lied an : „ Heil dir im Siegerkranz"; rasch verbreitet sich durch das verbündete Heer die frohe Kunde, überall wird sie mit Jubel aufgenommen. Die Monarchen ließen General v. Ryffel und Oberst v. Brauſe zu sich rufen und dankten ihnen für ihren Beweis deutscher Gesinnung ; Ryffel sprach dabei die Bitte aus , man möge nicht eher über Sachsen verfügen , bis der König , der noch gebunden sei , sich für die deutsche Sache erklärt habe.

Keines so

guten Willkomms hatten sich die Württemberger zu erfreuen ; Gneisenau sagte ihrem Führer :

„ der Oberst v. Normann hat

das Lüzow'sche Corps während des Waffenstillstandes überfallen und niederhauen laſſen, weder er noch ein Mann seiner Brigade soll die Ehre haben, in den Reihen preußischer Krieger zu fechten."

Die Reiter wurden von den Kosaken abgeführt und spä-

ter nach Hauſe entlassen. übergegangen.

Im Ganzen waren etwa 4000 M.

Von den Sachſen blieb nur ein kleiner Theil

zurück : etwa 600 M. beim General v . Zeſchau, sodann die Küraffierbrigade v. Lessing, die bei Stötterig stand, noch 5 bis 600 M. stark, und gegen 500 M., die beim König in Leipzig waren. Sie wurden am 19. mit gefangen ; wenige nur waren mit ihrem

3

103

Uebergang der Sachſen und Württemberger. Willen zurückgeblieben.

Eben dieselben Männer aber , die den

Uebergang wählten , hatten ihrem König in schwerer Zeit die Treue bewahrt ; sie hatten in den Reihen, die sie jeßt verließen, ihre Fahnen mit Ruhm und Ehre geschmückt ; sie haben wohl gefühlt , was sie thaten , sie wußten , was Soldatenpflicht ist. Wenn in einem solchen Widerstreite der Pflichten noch von Schuld die Rede sein kann , so fällt sie nicht auf diese Männer zuerst, sondern auf ganz Deutschland , denn durch Deutschlands Schuld kam es dahin, daß sie vor dieſe verzweifelte Wahl gestellt wurden.

Auch anderwärts war derselbe Streit der Pflichten .

Oder

was war es anders mit der That Yorks , über die Gott in der Geschichte Recht gesprochen hat?

Jenen Rheinbundstruppen war

es nicht vergönnt , in gleicher Höhe zu handeln ; es fehlte ihnen ein Mann wie York und eine Stunde wie die von Tauroggen. Um so erschütternder steht ihre That mitten in dem Bilde der großen Völkerschlacht.

Die deutschen Fürsten mit ihren Räthen

sollten darin die ernste Mahnung erkennen, daß es für sie allerdings eine Grenze ihres Rechtes und ihres Willens gibt , daß der Wille der Fürsten nicht über, nicht wider das Recht Deutschlands an seine Söhne gehen kann. sagen ,

Das deutsche Volk sollte sich

daß nie ein so schwerer Preis für die Rückkehr seiner

Söhne zum Vaterlande bezahlt wurde, als damals, wo selbst in die deutsche Treue der Zweifel drang, und daß alle verantwort



lich sind ohne Ausnahme, damit es nie wieder zu solchem Zweifel komme. 11. Bald nachdem der Uebergang erfolgt war , neigte sich die Schlacht der Entscheidung zu.

Die Franzosen sagen, dieſer

Uebergang hätte die Entscheidung erst herbeigeführt.

Daß aber

4000 Mann weniger unter 136,000 einen solchen Einfluß nicht haben können , versteht sich von selbst.

Die Lücke , welche der

104

Biertes Kapitel.

Abzug der Sachsen geriffen hatte , konnte rasch wieder ausgefüllt werden.

Napoleon hatte noch vor dem Uebergange den General

Nansouty mit einem Theile der Garde und 20 Geſchüßen von Stötteriß nach Crottendorf entsendet, um von da aus durch einen Gegenangriff dem bedrängten Reynier Luft zu machen.

Nan-

souty kam an , als Bülow ſein Corps zum Angriff ordnete. Zwei Bataillone der Brigade Hessen-Homburg waren von Paunsdorf im Siegesmuthe vereinzelt zu weit vorgegangen, in heftiges Kartätschenfeuer gerathen , von Reiterei angefallen und in Un ordnung nach Paunsdorf zurückgeworfen worden.

Jezt aber

hatte Bülow ſeine Kräfte beiſammen : 76 Geſchüße in der vorderen Linie , die Brigade Hessen - Homburg links , die Brigade Borstell rechts, die Brigade Kraft und die Reiterei unter Oppen in Reserve ; so geschah der Vormarsch gegen die feindliche Stellung.

Links schloß sich der größere Theil des Corps von Bubna

an ; die Corps von Winzingerode und Woronzow waren noch nicht vollständig beiſammen, sie folgten weiter rückwärts auf der Rechten.

Bei Bülows Corps war auch eine englische Batterie

congrevescher Raketen unter Capitain Bogue ; es war zum erstenmal, daß diese neu erfundene Geschoßart in einem großen Kampfe angewendet wurde ; zugleich ist damit der einzige Antheil bezeichnet, den die Engländer an der Schlacht nahmen. 5 Uhr.

Es war gegen

Die Franzosen waren dem Stoße nicht gewachsen ; Nan-

souty und Reynier zählten zuſammen vielleicht 10 bis 12,000, Bülow allein führte 20,000 heran und von Bubna werden 5000 mitgegangen sein.

Wie wir wissen , nahmen um dieselbe Zeit

Bennigsens Russen das Dorf Mölkau ; es geschah wohl im Zusammenhange mit dem Vorgehen Bülows, und Bubna hatte Antheil daran.

Während die Brigade Heffen-Homburg Sellerhausen

stürmte , nahm die Brigade Kraft unter Mitwirkung eines öfter-

105

Angriff auf den linken Flügel der Franzosen. reichischen Jägerbataillons Stünz. schahen Reiterangriffe.

Daneben im freien Felde ge-

Sellerhausen wurde den Preußen zwei-

mal wieder entrissen, die Division Delmas von Souhams Corps, 3-4000 M. , war von der Vorſtadt zur Hülfe herbeigeeilt und sette allmählich ihre ganze Kraft ein.

Es war umsonst ; wie die

Dunkelheit hereinbrach , mußten die Franzosen nach Crottendorf, Volkmarsdorf und Reudniß zurückweichen, den sogenannten Leipziger Kohlgärten, dicht vor den Vorstädten.

Die Brigade Borstell

war fast gar nicht zum Gefecht gekommen ; noch zulezt wollte ihr General einen Angriff unternehmen , da untersagte ihn der . Kronprinz mit der schmeichelhaften Bemerkung, er verlange diesmal den Gehorsam, den ihm die Preußen , wie er wiſſe , nicht gern zu leiſten liebten, wo es vorwärts gehen solle. Auch auf dem rechten Flügel des Nordheeres , wenn man die Corps von Langeron und St. Prieſt für dieſen Tag ſo nennen darf, wurden die Franzosen bis in die Kohlgärten , NeuSchönefeld , Volkmarsdorf und Reudnik , zurückgeworfen.

Wir

haben Langeron verlaſſen, wie ſeine ersten Versuche auf Schönefeld gescheitert waren.

Der Kronprinz war um Mittag selbst hier

eingetroffen, um sich über den Stand der Dinge zu unterrichten ; von da begab er sich nach seinem linken Flügel , um sich mit Bennigsen über das gemeinsame Vorgehen zu verſtändigen ; dann wohnte er dem Angriffe Bülows bei.

Die Besonnenheit, Umſicht

und Unerschrockenheit , welche er hier wie dort bewies , konnten doch die schwere Verſäumniß und Verzögerung nicht wieder gut machen , womit er seine Armee herangeführt hatte.

Langeron

und St. Priest mußten das verspätete Eingreifen derselben am schwersten bezahlen.

Nach 3 Uhr , als die Spizen des Nord-

heeres erschienen , ließ er den Sturm auf Schönefeld wieder be ginnen.

Es entbrannte hier ein Kampf, der dem vor 2 Tagen

Viertes Kapitel.

106

um Möckern gefochtenen an Heftigkeit und Dauer nur wenig nachgab. Die Russen zählten gegen 25,000 M., Langeron brachte sie nach und nach fast alle in's Gefecht. Marmont , ihm gegenüber , verwendete sein ganzes eigenes Corps und dann noch die Division Ricard von Souhams Corps, zusammen über 20,000 M. Die Franzosen hatten den Vortheil der Stellung , hinter Hecken, Zäunen, Mauern und Häusern.

Wie oft auch die Ruſſen durch

alle Hindernisse eindrangen , jedesmal , wenn sie das Dorf zu haben meinten , mußten sie es erschöpft an neue Feinde überlaſſen.

Während des Kampfes stürzte der brennende Kirchthurm

krachend zusammen.

Das Toben und Schreien der Soldaten,

der Lärm des Geschüß- und Gewehrfeuers, das Einschlagen und Springen der Granaten, das Gewinſel und der Hülferuf der Verwundeten und Verschütteten ,

das Geheul der Fliehenden

durchdrangen betäubend die Luft ; der Rauch, Dampf und Staub verwandelte oft den Tag, als wäre schon die Nacht hereingebrochen.

Vier- oder sechsmal soll das Dorf gewonnen und wieder

verloren worden sein ; zuleßt blieb es doch in den Händen der Russen. Sie folgten dem Feinde gegen Reudniß und griffen ihn auch dort noch an.

Als sie vor dem feindlichen Feuer zurück-

weichen mußten , brachte Oberst Cardell von den Schweden mit 20 Geſchüßen eine willkommene Hülfe ; er war ohne Befehl vorgegangen und rettete auf diese Weise doch den Schweden einen Antheil an der Schlacht .

Wären die Corps von Winzingerode

und Woronzow zu rechter Zeit gekommen, der Sieg wäre leichter und größer geworden. So waren Reynier , Unterſtüßung,

Souham ,

Marmont zusammt der

die Napoleon gesandt hatte , bis nahe an die

Mauern von Leipzig zurückgeworfen ; der linke französische Flügel war geschlagen , der Angriff des nächsten Tages mußte die .

Entscheidung ; der linke französische Flügel wird geschlagen.

107

Stadt selbst treffen , die für Napoleon der einzige Rückzugsweg war , der Sieg war damit entschieden.

Nur auf seiner

äußersten Linken , in der Halle'schen Vorstadt behauptete Ney seine Stellung.

Wir haben gesehen , wie Sackens erster Angriff

gescheitert war, wie er, gegen 1 Uhr in Gohlis selbst angegriffen, von York Unterſtüßung bedurfte. Nachdem die Franzosen zurückgeworfen waren, erneuerte er den Angriff.

Es war nach 2 Uhr.

Die Ruffen drangen in die äußersten Häuſer der Vorſtadt ein ; während des Kampfes gerieth das Vorwerk Pfaffendorf in Brand ; es war zum Lazareth eingerichtet , über 200 Verwundete lagen da, sie kamen fast alle elend in den Flammen um, ihr Jammergeschrei drang weithin durch das Getöse der Schlacht.

Zulegt

mußten die Ruſſen ablaſſen, die Stellung beider Theile war am Abend fast dieselbe wie am Morgen. Der Angriff hatte gegen 7000 Mann von Ney's Truppen hier festgehalten , doch nicht vorwärts geführt.

Blücher hatte heute nicht freie Hand ; es

standen ihm hier kaum 22,000 Mann zu Gebot.

Nachdem er

am Morgen Langerons Uebergang über die Parthe bei Mockau betrieben, harrte er auf dem rechten Ufer des Flüßchens auf den Fortgang des Angriffs , auf die Ankunft des Kronprinzen. So lange dieser nicht dort entscheidend eingriff, durfte er hier nicht seine leßte Reserve einsehen.

So kam der Abend heran ;

bis man den wirklichen Nachdruck des Angriffs drüben bemerkte, war es diesseits zu spät.

Blücher hatte sich zu einer untergeordneten Rolle in der großen Schlacht verstanden , um den ver-

bündeten Waffen die Mitwirkung des Nordheeres zu gewinnen . Der Mann , der es vor allen in den verbündeten Heeren verstanden hätte, den ganzen Sieg zu erkämpfen, mußte hier feiern, damit der Sieg überhaupt nur gesichert werde. 12. Als die Nacht hereinbrach , erkannte Napoleon den

108

Viertes Kapitel.

Ausgang der Schlacht. Während des Kampfes war er stark, ruhig , fest und klar , wie er so oft gewesen, wo sich's um das Schicksal von Staaten und Völkern gehandelt hatte .

Wo die

Gefahr drohte, war er da , um den Widerstand zu ordnen und zu stärken ; so bei Probsthayda ; dann , als dort der Kampf noch tobte , bei Reudniß , um Befehl und Hülfe an Ney und Reynier zu bringen ; dann wieder bei Probsthayda.

Der Gleich-

muth schien ihn nur zu verlaſſen , als man ihm die Nachricht vom Uebergang der Sachsen und Württemberger brachte ; er befahl , sie geheim zu halten , doch durchlief fie bald die Reihen. Noch seßte er die legten Reserven daran , um nur nicht völlig zu erliegen.

Sein rechter Flügel bis zur Mitte hin hatte sich

mühsam behauptet ; von da bis zur Parthe hinüber waren seine Soldaten geschlagen , drüben stand der Feind vor den Thoren von Leipzig .

All sein Genie ,

alle Tapferkeit seiner Truppen

hatten den Tag nicht wenden können , er sah seine Hoffnungen zusammenbrechen.

Am Wachtfeuer , wo heute der Napoleonstein

steht, gab er seine Befehle zum Rückzug.

König Murat und

seine Marschälle umſtanden ihn , der zusammengeſunkene Muth malte sich in den Gesichtern ; unfern im Schatten der Nacht bewegten sich die ersten Truppen im Rückzug vorüber. Uebermüdet von der Anstrengung sank der Kaiser auf seinem Schemel in unruhigen Schlaf;

nach einer Viertelstunde fuhr er auf und

schaute verwundert umher.

Doch schnell hatte er sich gefunden.

Noch ordnete er an , was augenblicklich geschehen mußte ; währenddem trafen zwei feindliche Granaten kurz nach einander in das Wachtfeuer, das an der Stelle brannte , und streute es weit auseinander.

Nach 8 Uhr ritt der Kaiser langsam zur Vorstadt

zurück ; dort auf dem Roßplaß bezog er ein Gaſthaus , das den Namen führte " zum Hof von Preußen ". 4: Von da aus gab er

109

Napoleon ordnet den Rückzug an.

2

seine weiteren Anordnungen.

Victor und Augereau , die Reſte

der fünf Reitercorps , die Garden , dann Marmont , Souham, Lauriston ; das war die Ordnung des Rückzuges .

Poniatowski,

Macdonald, Reynier und Dombrowski sollten Leipzig behaupten, wo möglich noch 24 Stunden oder doch bis zum Abend des 19. Die Anordnung brachte vor allen Dingen die französischen Truppen in Sicherheit.

Hauptsächlich Polen , Italiener und Rhein-

bundstruppen , Westphalen , Badener , Hessen , welche ohnedem alle für Napoleon verloren waren , sollten den nachdrängenden Feind aufhalten.

Daß das nicht bis zum Abend des 19. , wie

er doch befohlen hatte, möglich war, wußte Napoleon recht wohl. Er befahl daher zugleich , daß der Magistrat von Leipzig , doch so als geschehe es aus eigenem Antrieb , eine Sendung an die Verbündeten abordne , mit der Bitte , daß sie die Stadt schonen möchten.

Mit dem Befehl , die Vorstädte anzuzünden , um den

Feind aufzuhalten, will der Kaiser, wie er selbst in seinem Bülletin sagte, großmüthig zurückgehalten haben ; er wußte aber auch, daß sie noch mit seinen eigenen Truppen erfüllt waren und daß mit dem Abzug derselben in jedem Falle zugleich auch der Feind eindringen werde. Von wem die Anstalten herrührten, die dennoch zu diesem Zwecke getroffen wurden , weiß man nicht ; doch müssen sie nicht ernsthaft gemeint gewesen sein.

Noch mußte

Napoleon an die Besaßungen in Dresden, Torgau und Wittenberg denken , die sich unmöglich lange behaupten konnten.

Der

sächsische Minister Einsiedel übernahm es , die in Chiffern geschriebenen Briefe an den Marschall St. Cyr zu besorgen .

Sie

enthielten die Weisung, zu capituliren, unter der Bedingung, daß die ganze Besazung frei nach Frankreich zurückkehren dürfe ; würde dies nicht zugestanden , so sollten sie sich auf's äußerste vertheidigen.

Unter diesen Sorgen und Arbeiten brachte der

110

Viertes Kapitel.

Kaiser einen großen Theil der Nacht hin ; nach aller Erschütterung der lezten Tage vergaß er von den wichtigen Dingen , die der Augenblick verlangte, nur wenige.

Freilich vermochte selbst ein

Geist wie der seine das Versäumte nicht mehr auszugleichen ; die Anstalten für den Rückzug entsprachen nicht von fern der Noth dieser Stunden, und so vieles drängte sich jetzt auf einmal zur Entscheidung heran , daß der Kaiser nicht einmal die nothwendigsten Anordnungen für eine strenge Aufeinanderfolge der abziehenden Colonnen zu geben vermochte.

Bei alledem kam er

über die Täuschung und die Lüge , worin er die Welt und sich selbst über seine Größe und seinen Stern zu halten gewohnt war, auch nach dieser Zerstörung seiner Macht so wenig hinaus, wie er ihr ein Jahr früher nach der Zerstörung , die Gottes Arm in Rußland über sein Heer verhängt, entsagt hatte. Obwohl es von keinem Nußen mehr für ihn sein konnte ,

erhielt er den

König von Sachsen bis zuleßt in dem Glauben , daß er nicht besiegt sei , und dem Marschall St. Cyr ließ er mit jener Weiſung zum Capituliren zugleich schreiben , die Angriffe des Feindes auf Leipzig wären alle abgeſchlagen , die Heertheile , welche den Weg nach der Saale hätten verlegen wollen, vertrieben, der Kaiser weiche nur aus Mangel an Schießbedarf dem Feinde jezt aus, er gehe nach Erfurt, um die Vorräthe zu ergänzen. 13. Auch die Verbündeten erkannten am Abend den Ausgang der Schlacht .

Es war nicht wie am 16.

Oktober, wo sie an einer Stelle gesiegt , an der Hauptstelle dagegen sich mit Noth behauptet hatten.

Auch wo sie heute am

wenigsten glücklich gewesen waren , hatte ihr Angriff den Feind so'getroffen , daß er einen Gegenstoß nicht zu führen vermochte, und von der Mitte an waren sie am Nachmittag beständig im Vorschreiten geblieben, ihr rechter Flügel hatte zuleßt den Wider-

Verfäumnisse der Verbündeten bei der Verfolgung. stand des Feindes völlig überwältigt.

111

Dazu waren von Barclay's

Heersäule wenigstens 20,000 Mann, vom Nordheer 28,000 , von York 12,000 , von Bennigsen 16,000, vom Prinzen von Homburg 4000, zusammen gewiß 80,000 Mann noch gar nicht ins Gefecht gekommen.

Das alles konnte man am Abend im Hauptquartier

der Verbündeten wissen , und jeder mußte einsehen , daß die Franzosen , wie tapfer sie sich auch geschlagen hatten , unmöglich eine neue Schlacht liefern konnten. Ueberdies meldeten Gyulai von Knauthain, Wolzogen , Kaiser Alexanders Adjutant , vom Kirchthurm von Gaußsch her von den deutlichen Zeichen des Rückzuges , die sie auf der Straße über Markranstädt nach Weißenfels sahen.

Auch soll . Fürst Schwarzenberg schon vor Abend

dem Kaiser Alexander Glück gewünscht haben.

Was geſchah nun,

um den großen Sieg zu vervollständigen und zu benußen?

Um

6 Uhr etwa , zur selben Zeit als Napoleon auf dem Thonberge den Rückzug anordnete, waren die Heerführer der Verbündeten nach der Mitte der Stellung, zum Monarchenhügel in der Nähe von Meusdorf entboten.

Es waren der Kaiser von Rußland,

der König von Preußen , der Oberfeldherr zugegen ; wer ſonſt noch, wissen wir nicht ; Blücher war nicht da. Es kam wenig dabei heraus . Der Fürst Schwarzenberg verfügte , daß die Heertheile der Verbündeten den nächsten Tag jeder von seiner Stelle aus zum Angriff schreiten sollten , kulezt solle die Stadt mit Sturm genommen werden. geschah fast nichts.

Für die Verfolgung dagegen

Der Kaiser Mexander schlug vor , es sollten

ſofort die ruſſiſch-preußiſchen Garden zu dieſem Zweck nach Pegau aufbrechen.

Es hieß, sie seien zu ermüdet , auch fehle es an

Lebensmitteln ; die Garden aber hatten gar nicht geschlagen und waren nur sehr wenig marſchirt, auch war für ihre Verpflegung sicherlich am besten gesorgt worden.

Blücher verlangte in einem

112

Viertes Kapitel.

Briefe 20,000 Mann von der vortrefflichen zahlreichen Reiterei der Verbündeten , um an ihrer Spiße die Verfolgung zu übernehmen; man hat, wie es scheint , den Vorschlag nicht einmal ernstlich besprochen.

Der Fürst Schwarzenberg konnte zu keinem

Entschluß kommen, bald gab er Befehle für die Verfolgung, bald hob er sie wieder auf; er war besorgt , seine Maſſen auf dem östlichen Ufer der Pleiße zusammenzuhalten, und dachte nicht daran , daß sie nach seiner eignen Dispoſition , d . h. beim Vorrücken auf Leipzig zuleßt nicht einmal Raum zur Aufstellung, geschweige zum Schlagen finden würden . Alles was geschah war, daß Gyulai langsam nach Pegau marſchirte und daß Bubna mit ſeinem Corps sowie Platow mit seinen Kosaken , die beide auf dem rechten Flügel der Hauptarmee, d. h. so weit wie möglich von der Rückzugsstraße des Feindes entfernt standen , am Morgen des 19. in derselben Richtung folgen mußten .

Auf

diese Weise waren die Franzosen gar nicht mehr zu erreichen. Beim Nordheer soll der Kronprinz von Schweden sogar noch besondere Gefahren gesehen und von Bülow eine ganze Division aus der Schlachtlinie verlangt haben , weil sich am 18. in der Nähe von Taucha eine Brigade Bayern gezeigt hatte .

Diese

Bayern hatten von Napoleons Heer noch nicht völlig loskommen können , zogen sich aber schleunig zurück , wie sie auf die Verbündeten stießen ; überdies wußte der Kronprinz wohl, daß Bayern bereits zu den Verbündeten übergetreten war.

Blücher seiner-

seits ließ, um nur etwas zu thun, im Einverständniß mit ſeinem König das Corps von

York noch am Abend des 18. nach

Merseburg aufbrechen. Allein York konnte wegen der Niederungen der Elster und Pleiße nur auf weitem Umwege an den zurückgehenden Feind kommen und mit dem größten Eifer nicht viel ausrichten.

Versäumnisse bei der Schlacht und der Verfolgung.

113

Nach dem großen Kriegsrath begaben sich der Kaiser Alexander und der Oberfeldherr nach Rötha , der König von Preußen nach Gruna , d. h. 2 bis 3 Stunden vom Schlachtfeld zurück, statt daß wenigstens der Feldherr bei dem Heere geblieben wäre. 2 In allem, was in der Schlacht und nachher versäumt wurde, ward es wieder deutlich , daß bei den Verbündeten das Haupt fehlte.

Schon der Sieg selbst konnte viel größer sein.

die Massen der Verbündeten , wie es möglich war ,

Wenn

nur eine

Stunde früher zum Angriff schritten , wenn dann die 80,000, die gar nicht zum Gefecht kamen, nur zum Theil noch mit Nachdruck gebraucht wurden , so wäre wahrscheinlich auch der lezte Widerstand der Franzosen an mehr als einer Stelle gebrochen, es wäre ganz gewiß ihr linker Flügel vollständig über den Haufen geworfen worden.

Dann gab es am anderen Tage

keine Vertheidigung von Leipzig mehr , dann wurden auch die Zweifelhaftesten des Sieges völlig gewiß , dann gab es eine andere Verfolgung .

Es ist wenig gesagt , daß dann Napoleon

20-30,000 ſeiner Soldaten weniger gerettet hätte ; vielleicht gab es für ihn gar keinen Rückzug zum Rhein.

Aber auch wie die

Schlacht ausfiel , hätte die Verfolgung ganz anders ſein können, und es wäre dadurch vielleicht ein zweiter blutiger Feldzug erspart worden.

Anderthalb Jahre später gaben

wirklich die

Preußen den Ausschlag zu einer solchen Entſcheidung ; aber hier waren die Männer, die an der Spiße der größten Massen standen, nicht von dieſem Geiſte getrieben.

Darum braucht es auch

nicht der Auslegung, als hätte die Politik, womit Defterreich den Krieg hemmte , unmittelbar in und nach der Schlacht den Lauf des Sieges und der Verfolgung aufgehalten.

Denn es war bei

der Hauptarmee der Verbündeten kein Mann groß genug für beide.

Es war etwas Neues, einen Napoleon zu besiegen , und 8.

Biertes Kapitel.

114

wie der Oberfeldherr ein Mann war, und wie er den Krieg ansah , so kann man wohl sagen , daß er eine Scheu davor hatte und selbst nicht an die ganze Größe seines Sieges glaubte.

Es

gehört aber auch zu solchem Glauben nach einer so furchtbaren Schlacht mehr, als man sich nachher vorstellt ; darum fand auch im Kriegsrath keiner, selbst der Kaiser Alexander nicht, die Zuversicht, eine kräftige Maßregel durchzuſeßen. 14. Während auf beiden Seiten die Feldherren vom Ausgange des Tages und von dem, was der nächste Tag bringen werde , Rath hielten , verhallten allmählich die letten Donner der Schlacht.

Die volle Dunkelheit war schon hereingebrochen,

als hier und dort noch das Knattern und Aufleuchten der Gewehre, die dumpfen Schläge und die grellen Blize der Kanonen durch die Luft drangen ; es waren von diesen späten Kugeln, welche den franzöſiſchen Kaiser noch am Wachtfeuer heimsuchten. Endlich mußte das Getöse ersterben , aus Erschöpfung , wenn nicht um der Nacht willen.

Gegen 400,000 Menschen mit andert-

halbtauſend Geſchüßen hatten unmittelbar im Kampfe gestanden; zwischen den Millionen der Schüsse des kleinen Gewehrs hindurch waren über 200,000 Schläge der Kanonen erdröhnt ; in den letten Stunden der Schlacht müssen sich im Durchschnitt 10 bis 15 in jeder Sekunde entladen haben. Der Donner war so gewaltig , daß die Menschen wie betäubt wurden, daß die kampfgewohntesten Pferde am ganzen Leibe zitterten und Schaum vor den Nüſtern hatten ; rings in weitem Umkreise erbebte die Erde; es wird glaubwürdig erzählt ,

daß das dumpfe Rollen des

Schlachtgewitters auf 20 und 30 Stunden Weges vernommen worden sei. Die Nacht brach hell und klar herein , hoch vom Himmel sahen

in ernstem Glanze die Sterne funkelnd herab;

auf der Erde war weithin ein Feld der Verwüstung und des

Das Schlachtfeld und die Heere . Todes .

115

Auf's neue deckten über 20,000 Mann von jeder Seite

die blutige Wahlstatt ; alle Schrecken der Schlacht vom 16. waren wieder erwacht und schienen sich jest , auf engeren Raum zuſammengedrängt, zu verdoppeln.

Die Flammen von zwölf bren-

nenden Dörfern schlugen zum Himmel auf, die schwarzen Rauchwolken rangen sich, mit den schwankenden grauen Nebeln des Pulverdampfes vermischt , langsam vom Boden los ; dazwischen verbreiteten die bald aufstrebenden bald versinkenden Feuersäulen und

der ungewisse

Schein

unzähliger Wachtfeuer an vielen

Stellen ein grelles Licht über die lagernden Truppen , während rings die Nacht die Noth, den Jammer, das Grauſen des weiten Leichenfeldes den Blicken

verhüllte.

Die Dörfer standen ver-

laſſen und öde ; wer von den geängſteten Bewohnern noch am 16. Oktober ausharrte ,

der hatte jegt in der Stadt oder im

Freien Sicherheit gesucht ; viele , die vor zwei Tagen noch in den Feldern und Büschen der Umgegend , vielleicht die Rückkehr hoffend, gelagert hatten , waren jezt , Heimath und Habe verlaſſend, in die Weite gewandert, um das nackte Leben zu retten. Viele Tausende von Verwundeten lagen auf dem Felde umher oder in Höfen , Kirchen , Scheunen zuſammengedrängt , ohne daß sich eine menschliche Hand geregt hätte , ihnen auch nur einen Bissen oder Trank der Labe zu reichen ; nicht wenige fanden an den Orten , wo sie Schuß und Sicherheit gesucht hatten , einen qualvollen Tod in den Flammen.

Der Anstalten und Vorbe-

reitungen zur Hülfe waren wenige , und wenn es die dreifache Zahl gewesen wäre , so hätten sie für dies Uebermaß der Noth nicht ausgereicht.

Auch starken Männern begannen Kraft und

Wille zu versagen bei dem überwältigenden Anblick eines Elendes, vor dem jede einzelne That der Hülfe in Nichts zu versinken schien , und die große Menge war abgeſtumpft in der Sorge um 8*

:

116

Biertes Kapitel.

das eigene Leben und unter den Schrecken der lezten

Tage.

Viele Soldaten, die in schweren Kriegen mitgewesen waren, haben nachher erzählt, daß sie von dem Schlachtgetöse und der ununterbrochenen blutigen Arbeit wie in einer Betäubung gewesen seien, daß ihnen Gefecht , Biwak, Marsch nur noch wie ein Traum und Taumel in Erinnerung wären.

An Nahrung war für die

meisten Heertheile , wie schon am 16., nur das Nothdürftigſte vorhanden , denn die Gegend war ausgezehrt und die

Sorge

um den bevorstehenden Kampf hatte auch am 17. nur vereinzelte und unzureichende Beitreibungen aus weiterem Umkreiſe erlaubt ; bei vielen Heertheilen der Franzosen war sogar Mangel am Nothwendigsten.

Kein Wunder , daß bei dieſen jegt Zucht und

Zuſammenhalt auseinanderzuweichen begannen , daß hier und dort die Auflösung mit schnellen Schritten hereinbrach, daß kaum noch die alten erprobten Krieger ſich ſelbſt aufrecht, die schwankenden Reihen in nothdürftiger Ordnung hielten.

Waren sie doch nach

so viel heißen Kämpfen, nach so unerhörten Anstrengungen geschlagen, und zwar selbst.

diesmal unter der Führung des Kaiſers

Es war eine Täuschung nicht mehr möglich ; durften sie

doch nicht einmal auf dem schwer behaupteten Schlachtfelde Ruhe suchen.

Wo sie zuleßt gestanden hatten , loderten, den Feind zu

täuschen, die Wachtfeuer auf, während bereits die langen Colonnen eine nach der anderen auf dem schweren Wege des Rückzuges in den Schatten der Nacht verschwanden.

Auch im anderen Lager

war in diesen Stunden noch nicht die volle gehobene Stimmung des Sieges ; an vielen Stellen bestand nicht die Gewißheit, daß die Sache völlig gewonnen war ; ein solcher Kampf ſchien nur gekämpft , um am nächsten Tage wieder erneuert zu werden. Doch ging die Zuversicht durch das Heer , daß der Sieg kommen werde , und das brachte doch aller Orten Trost und Kraft und

4

44

:

117

Leipzig und der Rückzug. Leben in die Gemüther.

Es wird erzählt, daß zuerst bei einigen

russischen Regimentern ein frommer Gesang des Dankes gegen den Herrn der Heerschaaren sich

erhoben

habe ,

dann hätten

deutsche Soldaten eingeſtimmt, und mächtig anschwellend hätten sich zulegt in vielen Zungen über das weite Feld des Todes die Weisen aufgeschwungen ,

dem Gott

des Lebens Lob und Preis

für den Tag der Befreiung darzubringen.

15. Die Stadt Leipzig hatte gerade sieben Jahre vorher,

· am 18. Oktober 1806 , nach der unglücklichen Schlacht bei Jena, den Einzug der siegreichen Franzosen gesehen ; heute sah sie die Zertrümmerung ihrer Macht und den Anfang ihrer Flucht aus Deutschland.

Mancherlei Zeichen hatten schon in den lezten

Tagen darauf hingedeutet , daß es mit ihrer Macht zu Ende gehe : die Aeußerungen der Offiziere und Soldaten , die vom Heere herein kamen , bezeichneten die Verbündeten als sehr stark ' und wurden immer weniger zuversichtlich ; der Ton der französischen Angestellten aller Art wurde

auffallend bescheidener,

viele begannen die Uniform bei Seite zu legen und ihr Amt und ihre Würde unter bürgerlicher Kleidung zu verbergen .

Die

deutsche Sprache stieg auf einmal im Werthe ; viele, die sich ihrer bisher geschämt hatten , ſprachen sie jezt ganz geläufig, und selbst Stockfranzosen aus Flandern erinnerten sich , daß ihre Heimath einmal zum deutschen Reiche gehört habe.

Gar manche

hatten von den Thürmen herab den Gang der Schlacht beobachtet ; gegen Abend , als das Gedränge immer mehr anschwoll, die Menge der aus dem Gefecht zurückkehrenden Verwundeten und Gesunden immer größer ward , als das Getöse der Schlacht, namentlich von Nordosten, immer näher heranrückte, da waren wohl nur noch wenige in der Stadt , welche gleich dem in fortwährender Täuschung erhaltenen Könige von Sachsen noch am

118

Viertes Kapitel.

Ausgange zweifelten.

Die nächsten Stunden brachten die Geder zos

wißheit; gegen Mitternacht begann der Rückmarsch schen Colonnen durch die Straßen.

Wohl wurde dadurch das

Gefühl freudiger Zuversicht mächtig gehoben ; doch war es zu= gleich eine neue Steigerung der Verwirrung, der Sorge, der Schrecken.

Die Stadt war schon seit dem 16. mit Verwundeten,

Kranken, geflüchteten Bauern

angefüllt ,

den ganzen 18. über

waren neue Schaaren hereingeſtrömt ; dazu hatten sich schon seit der vorangegangenen Nacht die Züge des Fuhrwesens ununterbrochen durch die Straßen bewegt.

Jezt drängten sich in ftünd-

lich wachsendem Wirrwarr Fußgänger, Reiter, Geschüße , Wagen durch die Stadt.

Von drei Hauptthoren kamen die Colonnen

herein , nur ein einziges führte sie auf die Rückzugsstraße hinaus, in die

lange schmale Frankfurter Vorstadt ,

der

Ranstädter

Steinweg genannt, und dann den Damm entlang , der nach Lindenau führte.

Welche der Colonnen bei der dreifachen Kreuzung

vorangehen , welche warten sollten , war nicht bestimmt oder wurde in keiner Weise gehandhabt ; in wetteiferndem Drange schob sich alles nach dem einen Ausgangsthore hin , schreiend, klagend , fluchend ; viele Soldaten waren wie schlaftrunken und taumelten nur noch vorwärts, die Pferde waren zum Umsinken ermüdet , jede Ordnung des Marsches hörte auf; bald wälzte sich nur ein wirrer Knäuel nach dem Thore, wo auch der Kräftigste willenlos der Masse folgen mußte,

die ihn trug und schob.

Und was sollte nach alledem aus der Stadt werden ?

Schon

waren gegen Abend einzelne Kugeln in die Straßen eingeschlagen, rings umher standen die Dörfer in Flammen ; stand ihr ein gleiches Schicksal bevor? Fast schien es unvermeidlich. Drei Gemeindebeamten erhielten Befehl, Pechtonnen und Pechkränze herbeizuschaffen, um die Vorstädte anzuzünden.

Daß es damit den

1

119

Leipzig und der Rückzug.

Franzosen um ihrer eigenen Soldaten willen kein rechter Ernſt sein könne , vermochten diese Beamten natürlich nicht zu durchschauen , und überdies kann der Eifer eines Unterbefehlshabers auch den gegebenen Befehl weit überschritten haben.

Der Be-

amte Gruner verhütete durch seine Besonnenheit jedes Unglück, indem er die Brandstoffe bereitwillig sammeln , dann verstecken und sich selbst , als die Franzosen danach verlangten , nicht finden ließ.

Doch behaupteten nicht viele in gleichem Grade

den Gleichmuth und den klaren Blick.

Der Magistrat sowohl

wie die Bewohner der Stadt waren in der Zeit des allgemeinen Verfalls

und

unter der Franzosenherrschaft der ſelbſtändigen

Handhabung öffentlicher Dinge entwöhnt worden.

Wären sie

aber auch weit entschlossenere , im kräftigen Handeln geübtere Männer geweſen , ſie würden dieſes wachsenden Dranges, dieſer Noth und Verwirrung nicht mächtig geworden sein.

Unter den

Schrecken des Krieges waren die Franzosen einst als Sieger eingezogen, unter weit größeren Schrecken verließen sie jeßt die Stadt als Besiegte. Leipzig ſelbſt mußte es früh und mit der zunehmenden Gewißheit des Sieges immer erschütternder erfahren, wie ohnmächtig unter der Wucht der Geschicke , die hier zusammentrafen , der Arm und der Rath des Menschen waren. 16.

Das war die große Schlacht des 18. Oktober.

Jm

Glauben des deutschen Volkes hat sie von der ersten Ueberlieferung an als der große Tag des Sieges und der Befreiung und zugleich als ein großes Gottesgericht gelebt.

Und es war

ein Gottesgericht.

Gott hat an dem

Tage Gericht gehalten über Fürsten und Völker , über das Verderben und die Schuld eines ganzen Zeitalters , über die Macht des Gewaltigen ,

die aus der versunkenen Zeit vor den Blicken

der Menschen wie ein Wunder aufgewachsen war.

Wie furcht-

Biertes Kapitel.

120

bar stieg an diesem Tage die Sühne für die vergangene Verschuldung des deutschen Volkes, für die allgemeine Flucht vor jedem Kampf und Opfer, unter der das alte Reich dahingesunken war , aus heißem Streit , aus Strömen Blutes über unabsehbar umhergestreuten Trümmern von Menschenglück empor !

Warum

diese Sühne den einen gesucht hat und am anderen vorübergegangen ist, warum sie die nach unserem Urtheil Schuldigſten zum Theil verschont und die weniger Schuldigen getroffen hat, warum gerade in dem Geschlecht jener Tage die Miffethat der vorangegangenen Geschlechter so schwer heimgesucht wurde , das wird unsere menschliche Weisheit niemals ergründen.

Uns genüge,

was wir wissen und vor Augen haben : wie tief die Knechtschaft Deutschlands war und wie theuer unter Gottes gerechter Führung die Befreiung erkauft werden mußte.

Nicht wie ein Ge-

schenk konnte uns der Sturz des Gewaltigen gegeben werden, dessen Hand schwer

auf Deutschland

lag.

Gerade in seiner

stolzen Verblendung , die ihn durch den äußersten Widerstand gegen sein Geschick in den Untergang trieb, mußten wir erfahren, was es für eine Macht war , die unerbittlich

und vollständig

gebrochen werden mußte , wo wir ihr nicht für immer unterliegen wollten. Aber das deutsche Volk hat auch Recht,

wenn es den 18.

Oktober als den großen Befreiungs- und Siegestag feiert.

Es

war wirklich der Siegestag , der die Befreiung entschied . " Erst vom Ende des ganzen Kampfes aus werden wir die Größe und Bedeutung des Sieges überblicken können ; doch schon in der Art des Kampfes steht auch die Art des Sieges geschrieben. Nicht die Kunſt eines Feldherrn hat ihn erfochten ,

nicht in

einer plöglichen glücklichen Wendung der Schlacht ist er erschienen ; nur sehr langsam ,

nur im äußersten Widerstand gegen den

121

Was war die Schlacht des 18. Oktober ?

wachsenden Andrang brach die Macht des Feindes zuſammen. Von beiden Seiten wurde das ganze Aufgebot der Macht in den Kampf geführt und mit der Macht zugleich alles , was von bewegenden Antrieben vorhanden war ;

von der einen Seite

aller Zauber und alle Furcht , die an dem Namen Napoleons hingen, von der anderen Seite aller Aufschwung und aller Zorn der Völker ,

den

die Gewaltherrschaft wider

sich

heraufbe-

schworen hatte. Eine Völkerschlacht heißt sie mit Recht, denn es war das Ringen der Heere und in den Heeren der Völker ,

was diesen Sieg erftritt ;

es war nichts darin

von

dem täuschenden Glück eines günstigen Augenblicks , es war ein ausgekämpfter Streit.

So mußte der Streit sein , wo zwei

Wellen auf einander trafen : die eine zu übermenschlicher Größe erwachsen aus dem Verderben der anderen, und dieſe andere erstarkt unter der eisernen Zucht der ersten.

Eine Siegesschlacht

also und nicht eine Schlacht um den Rückzug war der 18. Oktober.

Es war die Natur Napoleons und seiner Herrschaft, nicht

um den Rückzug, sondern um den Sieg, um die wesentliche Behauptung der Herrschaft zu kämpfen ;

es war die Natur der

verbündeten Sache, daß sie sich nur erproben konnte , wie ſie die Und in dieser ganze Wucht dieses Widerstandes überwand. ihrer innersten Natur war sie eine deutsche Sache ,

war der

Sieg ein deutscher Sieg , ob auch eine halbe Welt von Fremden mit dabei sein mußte.

Denn war Deutschlands Zerfall und

Verderben die Hauptursache von Europas Unterjochung , so ist auch vor allen anderen aus seinem Leiden und Kampf die Wiedererhebung Europas hervorgegangen.

So im Innersten als die

Vernichtung des eigenen Wesens hat kein Volk die fremde Herrschaft empfunden und konnte sie kein Volk empfinden ; so konnte und mußte sie darum auch kein Volk bis zum lezten Streit bestreiten.

122

Fünftes Kapitel . Die Einnahme von Leipzig. 1. Wir haben die Kämpfe und den Sieg gesehen in der Schlacht ohne Gleichen ; wir stehen jezt vor dem Tage der Erfüllung.

Was den Siegern noch am Abend des 18. verborgen

war , was in seinem ganzen Umfange, tn seiner ganzen Größe auch die Kühnſten unter ihnen kaum zu erwarten wagten , am 19. Oktober ward es gewiß und offenbar.

Während die ver-

bündeten Heere gegen die Stadt heranrücken , drängen sich die legten Massen der französischen Armee in stündlich wachsender Verwirrung nach der anderen Seite hinaus.

Den Rückzug, man

muß jeßt ſagen die Auflöſung und die Flucht , zu decken , bieten die zurückgelassenen Heertheile noch den Rest der kriegerischen Tugend auf.

Die Sieger haben den Widerstand

im freien Felde bald überwältigt , Kampfe an.

erprobten

sie sehen zum lezten ernſten

Einen Augenblick , scheint es , will er verziehen :

während der besiegte Kaiser seinen Ausweg sucht ,

nahet den

siegreichen Herrschern die Bitte , den Lauf ihres Sieges zu hemmen, und seltsam beginnt sich eben jezt das Geschick des unglücklichen Königs , der in den Mauern der Stadt weilt , zu erfüllen. Noch einmal braucht es der Waffen

zur letzten Entſcheidung ;

viele, die den Aufgang des Tages geſehen , sollen seinen Niedergang nicht schauen.

Doch endlich ermattet der Widerstand, das

Gesez der Ordnung weicht aus den Reihen der Vertheidiger, und als die Sonne im Mittag steht, blickt sie auf den Siegeseinzug der Verbündeten herab.

Der Jubel des großen Tages

der Befreiung und alle Schrecken des Preises , den er gekostet

123

Ordnung und Stärke des Angriffes der Verbündeten. hat , erfüllen miteinander die Straßen der Stadt.

Das ist in

den Hauptzügen das Bild , dem wir jezt nahen müſſen. 2. Noch vor Tagesanbruch am 19. Oktober riefen die Hörner und die Trommeln die Schaaren der Verbündeten zu den Waffen ; um 6 Uhr sollten sie nach der Anordnung der Feldherren zum Angriff aufbrechen.

Es lag Nebel über dem Felde,

die Sonne hatte Mühe sich durchzuringen ; doch um 8 Uhr stand ſie glänzend am klaren Himmel und spiegelte ihre Strahlen in den Waffen der ſiegreichen Heereszüge , die von allen Seiten gegen die Stadt heranrückten.

Sie hatten im Ganzen die Ordnung

des vorigen Tages beibehalten ;

nur sammelten sich die Heer-

theile mehr nach den Völkern , denen sie angehörten. ken von Lößnig und Connewiß unter Colloredo vor , 36,000

her rückten die

Zur Lin-

Oesterreicher

Mann ; Feldmarschalllieutenant

Lederer mit seiner leichten Division , obwohl anfangs zur Verfolgung bestimmt , war aus der Aue auf das rechte Ufer der Pleiße herübergekommen und hatte sich dem Zuge angeschlossen ; Gyulai

mit ſeinen

19,000 Mann war in Pegau .

In der

Mitte , von Meusdorf und Liebertwolkwig bis Mölkau hinüber, waren die Heertheile von Barclay und Bennigsen.

Bei Barclay

waren in der vorderen Linie links Kleist mit den Preußen, nach dem Einrücken der Brigade Zieten 10,000 Mann, rechts Wittgenstein mit den Russen , 12,000 Mann ; in zweiter Linie die russisch-preußischen Garden, 19,000 Mann, zusammen 41,000. Bennigsen hatte heute nur die russische Reservearmee , noch 24,000 Mann , unter seinem Befehl.

Klenau mit seinen Dester-

reichern , anfangs nach dem linken Flügel bestimmt , erhielt bald Befehl, nach Dresden gegen St. Cyr aufzubrechen ; Bubna und Platom waren, um an der Verfolgung Theil zu nehmen , auf dem Marsche nach Zwenkau.

Zur Rechten , von

Stünz

und

124

Fünftes Kapitel.

Sellerhausen bis Schönefeld hinüber , war der Kronprinz von Schweden in Bewegung : voran die Preußen unter Bülow, noch 17,000 Mann , dann die Ruſſen unter Winzingerode und Woronzow , 10,000, die Schweden unter Stedingt 18,000 Mann, im Ganzen 45,000 .

Auf der äußersten Rechten sammelte Blücher

die Heertheile von Sacken , Langeron und St. Prieſt , indem er die beiden lezteren erst jest über die Parthe zurücknehmen konnte, zusammen , wohl 29,000 Mann ; York war auf dem Marsche nach Merseburg.

Die Heersäulen zusammen , die gegen Leipzig

aufbrachen, zählten 175,000 .

Sie wären auch zu einer neuen

Schlacht mehr als hinreichend gewesen ; sowie sich's zeigte, daß es nur der Stadt galt, fehlte es an Raum für sie, und es geschah ganz von selbst, daß sich die Heertheile, die der Stadt am nächſten ſtanden , den anderen vorschoben.

Auf diese Weise kamen

nur die Ruſſen unter Bennigsen , und zwar links von der Straße nach Grimma bis zur Pleiße hinüber , die Preußen unter Bülow in der Mitte und die Russen unter Blücher auf der Rechten in der Halle'schen Vorstadt zum Angriff auf Leipzig ; die Oesterreicher auf der Linken blieben zurück , so daß nur ein Theil ihrer Vortruppen neben Bennigsens Soldaten Antheil nahm. 3. Die Generale und Soldaten der Verbündeten hatten zum Theil noch außerhalb der Stadt hartnäckigen Widerstand erwartet ; zu ihrer Ueberraschung gab es nur leichte Kämpfe für Ein kurzes Plänklergefecht , ein paar Kanonen-

die Spizen.

schüsse genügten , die französische Nachhut überall zur Stadt zurückzutreiben ; nur in Connewig sollen sich die Polen gegen die Desterreicher bis beinahe 10 Uhr

behauptet haben.

Stadt war wohl zu längerer Vertheidigung geeignet.

Die

Rings

um die Vorstädte lagen Gärten mit Mauern , Zäunen , Gräben, im

Norden erschwerten die Parthe ,

im Süden

ausgedehnte

125

Bei den Vertheidigern beginnt die Auflösung.

Sandgruben die Annäherung ; bei gehöriger Vorbereitung und geordneter Leitung konnte das Gefecht schon hier an der Grenze auch gegen große Uebermacht einige Stunden hingehalten werden.

Auf dem weiten Anger zwischen Stadt und Vorstädten

fanden die geschlossenen Maſſen Raum , die den Feind , wenn er endlich die äußere Vertheidigungslinie durchbrochen hatte und vom Kampf erschöpft in den Straßen vordrang , mit kräftigem Gegenstoß noch

einmal

zurückwerfen

konnten.

Zulegt blieb

immer noch die innere Stadt mit Mauern und Graben.

Allein

nicht bloß die Vorbereitung , sondern gerade das fehlte , was jeder Vertheidigung erst Stärke und Dauer gibt , die Leitung, die Ordnung, der innere Geist und Zusammenhalt.

Napoleon

hatte alle seine Kraft in der Schlacht erschöpft , sein Heer war nicht mehr fähig zu einer solchen Vertheidigung, am wenigsten in der stündlich zunehmenden Verwirrung der allgemeinen Flucht. Der Zahl nach hätten die zurückgelaſſenen Truppen wohl zugereicht. Es waren : in der südlichen Vorstadt , von der Pleiße bis zum Petersthor, Poniatowski mit den Polen ;

im südöstlichen

und östlichen Theile, vom Petersthor bis über das Grimma'sche Thor hinaus, Lauriston und Macdonald mit Franzosen , Württembergern, Badenern, Hessen - Darmstädtern, Weſtphalen , Italienern ; im nordöstlichen und nördlichen Theile, in den Parkanlagen der sogenannten Milchinſel, der Halle'schen Vorstadt

und dem

Rosenthale , Marmont mit Franzosen , Würzburgern und Dombrowski's Polen.

Alles zuſammen mögen es noch 30-40,000

Mann gewesen sein ,

allein die wenigsten

hatten Luſt , noch

ernstlich zu kämpfen ; nicht der eigene Geist und Wille , nur ein Rest von Zucht und Gewöhnung hielt sie noch zuſammen.

Unter

den Rheinbundstruppen hatte man schon seit den lezten Tagen viele Stimmen gehört , die nicht mehr für Napoleon ſtreiten

126

Fünftes Kapitel.

wollten; seit dem Uebergange der Sachsen und Württemberger war die Abneigung gewachsen.

Die Italiener hatten kein Herz

für die französische Sache , und selbst ein Theil der Polen suchte sich durch eine Gesandtschaft an den König von Sachsen vom fremden Dienste frei zu machen.

Dazu wirkte die steigende

Flucht und Verwirrung , die sich durch die Stadt wälzte , ansteckend auf die zur Vertheidigung bestimmten Heertheile zurück. Viele verließen die Reihen und mischten sich in den allgemeinen Strom,

um mit ihm zu entkommen ;

in den Truppentheilen,

die gegen den herandringenden Feind an der Grenze der Vorstädte Stellung hatten , trat schon häufig völlige Ermattung und gebrochener Muth hervor ; es wurden derer immer mehr , die lieber jedes Schicksal über sich ergehen lassen mochten, ehe sie den Entschluß zur lezten Gegenwehr finden konnten ; es kam der Zustand ,

wo selbst die starken und festen Naturen unter

Offizieren und Soldaten darüber schwankend wurden , Widerstande noch Pflicht und Zweck liege.

ob im

So geschah es , daß

die Bemühungen der Marschälle und Generale, Ordnung, Zusammenhalt , Dauer in den Kampf zu bringen, nur vorübergehenden Erfolg hatten.

Noch gelang es ihnen an einzelnen

Stellen , den Widerstand zu stärken oder einen glücklichen Gegenstoß zu führen , noch sollten die folgenden Stunden bewähren, daß viele Tapfere unter den erschöpften Schaaren waren; doch zeigte sich

menschliche Macht immer ohnmächtiger

gegen die

zunehmende Herrschaft, von Zufall , Verwirrung und Auflöſung. 4. Während auf diese Weise die Aussicht verschwand , daß der Feind an den Grenzen der Stadt lange aufgehalten werden könne, nahm die Flucht, die Rathlosigkeit, die Zerrüttung in der Stadt mit jeder Minute mehr überhand .

Als der Morgen an-

brach, waren die auf dem Rückzug begriffenen Heertheile noch

Napoleon verläßt die Stadt.

127

faum zur Hälfte aus dem Ranstädter Thore hinaus . Sowie nun die ersten Schüsse das Herannahen des Feindes verkündigten, verdoppelten sich Eile und Angst ; Befehl und Ordnung , wo sie sich noch erhalten hatten , hörten jezt auf ; bald wälzte sich nur noch ein einziger ungeheurer Knäuel von Reitern , Fußgängern, Kanonen , Wagen, Schlachtvieh durch alle Straßen nach dem Lindenauer Damm hin.

An umgestürztem Fuhrwerk lenkte der

Strom vorbei ; wo Raum war , wie auf dem Damme, drängte er Wagen , Menschen , Thiere hinaus ; Verwundete , die in den Straßen zusammengebrochen waren , wurden erbarmungslos zertreten.

Mit Mühe vermochte Napoleon selbst den Ausgang zu

gewinnen.

Er hatte am Morgen noch einige Stunden Schlaf

gesucht ; nach 8 Uhr begab er sich nach dem Markte zum König von Sachſen, um Abschied zu nehmen.

Französische Schriftsteller

haben Wunder von der Rührung, der Treue und der Großmuth erzählt , die da zwischen dem Kaiser und dem König gespielt hätten ; in Wahrheit aber werden wir aus Aeußerungen, die der König kurz nachher gethan hat, erkennen, daß ihn der Kaiser auch bei dieſem leßten Zuſammenſein noch zu täuschen gewußt hat. Gleich nach der Unterredung suchte Napoleon , begleitet von Murat, Ney , Berthier und anderen , seinen Weg aus Leipzig. Auf der nächsten Straße war nicht durchzukommen ; auch seine Gegenwart und sein Wort vermochten nichts mehr über die nur von dem einen Drang nach Flucht beherrschten Maſſen ; als er an Badenern vorüberkam , mußte er sogar die erbitterten Worte hören : ,,Gottlob, jezt muß er auch auskraßen. “ Zweimal mußte er umkehren und neue Wege einſchlagen, endlich gewann er durch das Petersthor das Freie und dann um die Stadt her den Damm; seine Begleiter mußten ihm mit flachen Hieben Bahn machen , der Marschall Ney soll dabei

persönlich mißhandelt

128

Fünftes Kapitel .

worden sein. In Lindenau angelangt, gab Napoleon die nöthigften Befehle, um Ordnung in die ankommenden Haufen zu bringen ; dann sank er erschöpft in tiefen Schlaf.

An Macdonald

hatte er sogar von hier aus noch einmal die Weisung erlassen, daß er die Stadt noch 24 Stunden halten solle ; zugleich aber war alles vorbereitet , um die hohe Thorbrücke über die Elster auf dem Ranstädter Steinwege in die Luft zu sprengen und dadurch die Verfolgung zu hemmen. 5. Der unglückliche König von Sachsen war , nachdem ihn Napoleon verlassen hatte, völlig rathlos ; er hatte nichts als unthätige Ergebung in sein Geschick.

Seit dem Nachmittag des 18 .

hatte er mit seiner Familie Zuflucht in den Kellern des Hauſes gesucht, das er bewohnte ; hier hatte ihm General von Zeſchau den Abfall der großen Mehrzahl ſeiner Soldaten gemeldet ; nur ein Theil der Garde und der Kürassiere war noch da und diente jezt dem König zur Wache.

Sein Adjutant , v. Boſe , hatte die

Schlacht von der Sternwarte aus beobachtet und ihm am Abend mitgetheilt, wie schlimm es stand ; in der Nacht war an ihn von Napoleons Minister Maret die Aufforderung ergangen , er möge sich mit nach Erfurt begeben , dort werde der Kaiser für seine Sicherheit sorgen.

Doch der König zog es vor zu bleiben.

Am

Morgen, als schon rings um ihn die französische Macht zusammenbrach, empfing er den Besuch Napoleons, der wie gewöhnlich im grauen Ueberrock kam, in der vollen Galauniform des Hofes, die Königin an seiner Seite. Als der Kaiser weg war, riethen einige zu Unterhandlungen mit den Verbündeten ; doch der König kam zu keinem Entschluß ; halb mit ſeiner Zustimmung, halb aus eigenem Antrieb begab sich Oberst v. Ryssel , der Jüngere, hinaus zu den Siegern , um eine Vermittelung zu verſuchen. Um diese Zeit kam auch eine Gesandtschaft von den Polen an,

129

Der König von Sachsen und der Magistrat von Leipzig. deren Herrscher Friedrich Auguſt dem Namen nach war.

Gene-

ral Uminski , von Dombrowski gesendet , sagte dem König , daß die Polen bereit wären , seine Befehle zu vollziehen : sie wollten vom französischen Dienste erlöst sein. Allein der König erwiderte, er habe ihnen noch nie Befehle ertheilt ; sie sollten sich an die So wagte der König nirgends

Weisungen Napoleons halten.

einen Versuch, die zunehmende Verwirrung zu schlichten, es blieb alles sich selbst überlassen.

Auch der Magistrat der Stadt zeigte,

daß die Unterwürfigkeit und Unselbständigkeit keine Schule für große und schwere Stunden ist.

Die Herren vom Rathe hatten

zwar nach Napoleons Willen eine Gesandtschaft an die verbündete Hauptarmee und an den Kronprinzen von Schweden beschlossen ; bis sie aber ihr Hofkleid hervorgesucht hatten, war das Gefecht im Gange und Grenze der Stadt um.

da

kehrte die Gesandtschaft

an

der

Nur die zwei zur Anmeldung voraus-

geschickten Begleiter führten den Auftrag aus ; Landsteuereinnehmer Wichmann ging zu den verbündeten Fürsten, Rathsaufwärter Müller kam zu Blücher statt zum Kronprinzen. 6. Es war 9 Uhr vorbei , als die vorderen Heertheile der Verbündeten Leipzig gegenüber ihren Aufmarsch begannen . Seit länger als einer Stunde war zwischen den Spißen das Feuer des kleinen Gewehrs im Gange ; eine Reihe von Batterien waren aufgefahren und donnerten gegen die französischen Geschüße bei den Vorstädten.

Auch in der nächsten Stunde noch behielt das

Gefecht vorherrschend diese Geſtalt, denn es dauerte lange , bis die Maſſen aus der Tiefe der Marſchcolonnen hervor und nebeneinander zum Gefecht einrücken konnten.

Blücher mußte die

Corps von Langeron und St. Priest erst zur Stelle haben , ehe er dem Angriff Nachdruck geben konnte.

Der Kronprinz und

Bennigsen hatten wie am vorigen Tage ihre Stelle nebenein9

130

Fünftes Kapitel.

ander und dachten sich zu verſtändigen.

Der erstere soll vom

Feinde mit der Bitte um Unterhandlungen angesprochen worden sein und große Neigung dafür gezeigt haben ; Bennigsen aber hätte ihm geantwortet , er werde nur durch seine Zwölfpfündner mit dem Feinde sprechen.

Die Desterreicher waren noch bei

Connewiß zurück. Bennigsens Maſſen zogen eben auf der Grimma'schen Straße gegen die Vorstadt, als der Kaiser Alexander, der König von Preußen und Fürſt Schwarzenberg nach einander auf dem Thonberge eintrafen ; es war um dieselbe Zeit, als Napoleon Leipzig verließ , und nahe der Stelle , wo dieser am vorigen Tage die Schlacht geleitet hatte.

Der Oberfeldherr mußte hier

wohl an seinen Sieg glauben ; noch auf dem Wege hatte er dem Oberst v. Wolzogen, der ihm zufällig begegnete, auf seinen Glückwunsch geantwortet : „ so weit sind wir noch nicht , es wird erſt noch bei Probsthayda einen harten Kampf geben."

Oberst v.

Ryffel und Steuereinnehmer Wichmann kamen vor die Häupter des Heeres.

Der Offizier des Königs wurde kurz angelaſſen :

von einer Unterhandlung mit dem Monarchen, der alle früheren Anträge zurückgewieſen habe , könne keine Rede sein; eine Friſt zur Räumung der Stadt werde nicht gewährt , doch sollten die sächsischen Truppen , wofern sie keine Gegenwehr leisteten , nicht als Feinde behandelt werden .

Zugleich schickten der Kaiser

Alexander den General von Toll , der König Friedrich Wilhelm den Oberst von Nahmer ab , dem König von Sachsen ihre Antwort zu überbringen.

Dem Abgesandten der Stadt wurde die

Schonung zugesagt, um die er bat ; sie lag den Fürsten und Feldherren schon ohnedies am Herzen .

Der Kaiser sprach seine

vorüberziehenden Ruſſen mit edlen Worten an : sie hätten gekämpft als tapfere Männer , er werde ihnen ihre Thaten nie vergessen; jezt aber sollten sie sich im Siege großmüthig bewei-

Aufmarsch der Verbündeten.

Angriff auf die Stadt.

131

sen und in gerechter, strenger Mannszucht auch kommenden Zeiten ein Muster sein. Die Worte fanden Widerhall ; als die Truppen vorüber waren , erschallte ein lautes , langanhaltendes Hoch für den Kaiser.

Damit die Stadt nicht in Brand gerathe,

wurde Befehl gegeben, keine Granaten zu brauchen ; die unregelmäßigen Truppen , die nicht im Zaum zu halten waren , sollten zurückgehalten werden.

Der Angriff aber sollte ohne Verweilen

gegen die Vorstädte feinen Lauf nehmen. In gleicher Weise war Blücher verfahren.

Er hatte dem Abgesandten gesagt, daß Leip-

zig von seinen Soldaten keine Plünderung zu besorgen habe ; dann hatte er die Besaßung beim Halle'schen Thore förmlich zur Uebergabe auffordern lassen.

Als eine abschlägige Antwort er-

folgte, befahl er den Angriff. Es war etwa 10 Uhr, als er hier und ringsum gegen die Vorstädte erfolgte. 7. Bennigsen fand im Verhältniß die leichteste Aufgabe. Er hatte sich links gezogen und griff von Südosten und Süden her das Hospital- und das Petersthor an.

Seine Zwölf-

pfündner thaten keine Wirkung , die Kugeln schlugen durch die Mauern durch , ohne sie niederzuwerfen ; die russische Infanterie mußte vorgehen.

Sie fand geringen Widerstand ; nur an den

Sandgruben vor dem Petersthore kam es zu einem hartnäckigeren Kampfe, der vielen Franzosen das Leben kostete.

Zuerst ge-

wannen die Angreifer , wie es scheint , das Hospital- , dann das Petersthor ; nach ihnen erschienen Desterreicher von Colloredo's Heertheil an dieser Stelle und folgten durch die Vorstadt, indem sie sich links nach der Pleiße hin ausbreiteten. gingen vorsichtig

durch die

Straßen

vor ;

Die Russen

indeſſen Ponia-

towski hatte keine Truppen , diese zu vertheidigen ; auf dem Anger vor der inneren Stadt in der Nähe der Pleißenburg hatte er Stellung genommen. Als die Ruſſen hier erschienen, begrüßte 9*

132

Fünftes Kapitel.

fie Kartätschenfeuer ; ihr Geschüß rasselte vor und von beiden Seiten donnerten die Kanonen. Weit heißer war es um dieselbe Zeit im Osten der Stadt hergegangen , wo die Brigade Heſſen-Homburg das Grimma's che Thor, die Brigade Borstell die Milchinsel stürmten.

Das

Thor war stark verrammelt , feindliche Infanterie unterhielt von der Mauer und aus den umliegenden Häusern ein heftiges Feuer. Pommersche Schüßen , die zuerst beim Thore anlangten , wußten nicht vorwärts zu kommen, da es an Leitern, Brecheisen, Beilen vollständig fehlte. Ihnen folgte Major Friccius mit dem Königsberger Landwehrbataillon ; es entſtand ein verluſtvolles Gefecht ; die Preußen wollten nicht zurück ; an die Mauer gedrängt, gaben sie ein nußloses Feuer ,

während ihre Reihen gelichtet wurden.

Da fand der Major in der Nähe des Thores eine schwache Stelle , man brauchte die Kolben , die Mauer wich, der Major und zwei andere Offiziere waren rasch durch die Oeffnung ; den einen Offizier traf ein Bajonnetſtich , den anderen eine Kugel, doch die Mannschaft folgte ;

ein entschlossener Bajonnetangriff

trieb die Vertheidiger auseinander , die Einwohner der nächſten Häuser kamen jubelnd hervor und begrüßten die Preußen als Befreier.

Ohne Aufenthalt folgt Major Friccius mit 50 Mann,

die er um sich gesammelt hat , dem fliehenden Feinde durch die Johannisgaſſe bis zum Roßplag .

Hier sieht sein Auge Feinde,

soweit es blicken kann ; er weicht gegen das Thor zurück , die Franzosen folgen ; doch dem muthigen Führer hat ſich jezt ein großer Theil seiner Mannschaft angeſchloſſen, es entſteht ein blutiges Handgemenge , die Preußen halten Stand .

Von der Seite, aus

dem Johanniskirchhof stürzt eine neue Schaar Feinde hervor ; die Landwehr scheint verloren , doch die Offiziere der Schaar überreichen ihre Degen ; ein Theil der Preußen dringt in den

Kampf um das Grimma'sche Thor.

133

Kirchhof, während der andere in der Straße fortkämpft . Da foll ein Landwehrmann ſieben , ein anderer zwölf Feinde im Kampfe niedergestreckt haben ; die Franzosen müssen weichen, zum zweitenmal dringen die Preußen bis zum Roßplag vor.

Doch zum zweiten-

mal geht ihnen eine neue stärkere Colonne entgegen , ſie müſſen wieder zum Thore zurück .

Jezt aber ist dieses endlich erbrochen ,

die folgenden Bataillone der Brigade rücken nach, die Franzosen werden zum drittenmal nach dem Roßplag zurückgedrängt . Auch Schweden erschienen hier im Gefecht ; der Kronprinz hatte einige Bataillone hierher geschickt , damit bei dem jeßt sicheren Siege auch ihr Name genannt würde .

Er war aber nicht glücklich damit; es konnten nur 2 Compagnien ins Gefecht gebracht werden , und dieſe , zum erstenmal im Feuer , wichen troß des Scheltens ihres Generals Adlerkreuz und troß des Beispiels der Preußen wiederholt neben diesen zurück ; ein Glück für sie , daß die Geschichte wenigstens von ihrer Artillerie bei Dennewiß und Schönefeld Besseres zu berichten weiß . Der Verlust der Preußen war bedeutend ; auch der Prinz von Hessen-Homburg mußte schwer verwundet zurückgebracht werden . Wie am Grimma'schen Thore der lezte Versuch der Vertheidiger zurückgedrängt ward , gewann der Angriff auch zur Linken und zur Rechten in der Vorstadt Boden. sich Bennigsen weit weggezogen ; trag ließ

der Kronprinz

Nach links hin hatte

auf General Borstells An-

einige Bataillone

von Woronzows

Corps in die Lücke rücken , Borstell selbst mit dem pommerschen Grenadierbataillon folgte.

Kurz vorher war durch das Geſchüß

ein Theil der Mauer zusammengeworfen ; die Colonne drang ohne Widerstand ein.

Doch in der Nähe des Roßplates ſezte

ihr der Feind Geſchüß , Infanterie und selbst Reiterei entgegen ; die Russen wichen , das preußische Bataillon aber hielt auf den

134

Fünftes Kapitel.

Zuruf seines Generals unerschütterlich Stand , die Ruſſen ſchloſſen sich wieder an und der Feind mußte zurück. Rechts vom Grimma'schen Thore drang zur selben Zeit der Haupttheil von Borstells Brigade in die Vorstadt.

Sie hatte nach längerem Kampfe die

Milchinsel erstürmt ; die Franzosen hatten den Park ſtark beſeßt, jedes Gartenhaus mußte besonders genommen werden, mehrmals trieb ein kräftiger Gegenstoß die Eindringenden zurück.

Endlich

flohen die Franzosen , die Preußen erreichten die Mauern und nahmen ohne viel Widerstand das Hinterthor unter dem Beifallrufen der Einwohner , die ihnen hier wie überall mitten in der Kampfeshize Erfrischungen an Brot , Obst , Wein reichten. Dann ging's durch die Straßen nach dem Anger.

Marschall

Marmont warf, was er zur Hand hatte, den Eindringenden entgegen ; umsonst, ihre Zahl nahm mit jedem Augenblick zu ; nach kurzem Schwanken

mußte

der Marschall weichen ,

bald ent-

stand förmliche Flucht ; nach seinen eigenen Worten vermochte er nicht ein Bataillon ,

nicht eine Compagnie mehr zusammenzu-

bringen. Indem die Preußen an dieser Stelle siegreich vordrangen, bedrohten sie zugleich die Franzosen und Polen an der Gerberwiese und dem Eingange zur Halle'schen Vorstadt im Rücken und schafften dadurch Blüchers Ruſſen Luft , die beim Angriffe den härtesten Stand hatten .

Es war nämlich hier am Halle'ſchen

Thore nicht bloß die Oertlichkeit für die Vertheidiger beſonders günstig , sondern diese waren auch schon seit zwei Tagen bis in die Vorstadt zurückgedrängt und hatten sich darin weit besser, als es an jeder anderen Stelle geschehen konnte, zur Gegenwehr eingerichtet.

Nachdem die Aufforderung zur Uebergabe abgewiesen

war , vertrieben die Vortruppen den Feind sehr rasch von der Nordseite der Parthe , weiter aber kamen sie nicht. Der Haupt-

Kampf um das Halle'sche Thor.

135

angriff verzögerte sich, die Truppen von Langeron und St. Prieſt kamen erst nach 11 Uhr an.

Bis dahin ſpielten die Geſchüße,

die Stadt gerieth an einigen Stellen in Brand ; doch wurden die Bewohner troß der Verwirrung des Feuers glücklich Herr, da auch hier das Werfen von Granaten verboten wurde.

Der

Angriff, obwohl von vorn und von der Seite des Rosenthales her unternommen, wollte lange nicht von der Stelle ; die Russen sollen gegen 1000 Mann verloren haben.

Blücher war mitten

unter ihnen und rief ihnen beſtändig anfeuernd ſein „ Vorwärts, Vorwärts ! " zu.

Endlich, als die Preußen von Often her nah-

ten , brach der Widerstand zusammen ; das Thor blieb in den Händen der Ruſſen , die Vertheidiger flohen in Auflösung theils durch die Stadt , Thore.

theils um den Anger nach dem Ranstädter

Ein Theil von Sackens Jägern erreichte auf der Ver-

folgung vom Rosenthale aus durch Gärten und über Gräben den Ranstädter Steinweg , schoß unter den Strom der Fliehenden, der sich hier fortwälzte, und gab, wie wir gleich sehen werden, mit die Veranlaſſung zur frühzeitigen Sprengung der Elsterbrücke.

Die Hauptmaſſe ſeiner Ruſſen führte Blücher durch die

Vorstadt auf den Anger.

Dort gab's Stockung : soweit das Auge

reichte , war der Raum mit Geſchüßen , Munitions- und Gepäckwagen bedeckt, ein ineinandergefahrener Knäuel , durch den sich Menschen und Pferde vergebens hindurchzuarbeiten ſuchten. Blücher ließ halten ; ein weiterer Angriff ſchien nicht nöthig , er ſah Bülows Preußen schon jenseits an der inneren Stadt , er gab also Befehl , daß seine Corps mit dem Einrücken warten sollten ; er wollte übermäßige Truppenanhäufung, Verwirrung und Plünderung vermeiden. 8. Es war 12 Uhr vorüber , als die Preußen , den legten Widerstand in den Vorstädten überwältigend , von der ganzen

136

Fünftes Kapitel.

Nord- und Ostseite der Stadt her siegreich auf dem Anger erschienen. Auflösung.

Schon floh vor ihnen der Feind in Verwirrung und Um dieselbe Zeit drangen auch Bennigsens Ruſſen

am Petersthore durch; ihr Geschüß hatte Raum geschafft.

Wie

ſie weiter vordrangen , versuchten Macdonald und Poniatowski noch einen Angriff mit Polen und Italienern ; doch die Ruſſen hielten Stand, die Angreifer kehrten um, keine Stimme der Führer vermochte noch etwas über sie, die Soldaten kehrten hier und dort die Waffen gegen die eigenen Offiziere.

Jede Regel und

Ordnung des Gefechtes hörte jezt auf ; hinter den Bäumen des Angers , beim Wall und Graben der inneren Stadt ging noch eine Zeit lang ein verworrenes Schießen hin und her, das noch manchem Soldaten das Leben kostete.

Kleine Haufen und ein-

zelne von den Ueberwundenen blieben wie in einem Taumel bei der Gewohnheit des Kämpfens oder seßten sich in einem Anfalle von Verzweiflung zur Wehre ; und auch bei den Siegern war durch den langen Streit um Gärten , Häuser , Mauern Verwirrung eingerissen, so daß unter den zuerst Eingedrungenen viele das Gefecht auf eigene Hand fortführten.

Eine eigentliche

Vertheidigung aber fand nicht mehr statt ; die Einnahme der Stadt war vollständig entschieden .

Mit jeder Minute wuchsen

Verwirrung, Auflöſung und Schrecken unter den zurückgebliebenen Trümmern des französischen Heeres.

Kein Rang , kein Befehl

hatte mehr Geltung ; die höchsten Offiziere drängten sich mit der Aufbietung ihrer leßten Kraft in den Plaz neben den gemeinen Soldaten hinein , um von der allgemeinen Flut auf dem Wege nach dem Ausgange mit fortgetragen zu werden.

Der Marschall.

Marmont fand nur dadurch Raum , daß seine Umgebung mit scharfen Hieben in der stumpf sich fortschiebenden Maſſe eine Lücke öffnete, in die er dann sein Pferd hineintrieb.

Er erreichte

137

Eroberung der Vorstädte.

noch glücklich über die Brücken weg die Lindenauer Straße ; für die hohen Führer , die nach ihm kamen , war es zu spät.

Die

Masse schob sich langsam auf dem einen Ausgangswege fort ; hinter ihr drängten die Sieger näher und näher heran , ſchon sprengten sie Theile davon los und trieben sie nach allen Richtungen auseinander, schon schlugen einzelne Kugeln ihrer Schüßen auf dem Ranstädter Steinwege selbst in die Flüchtigen ein. entstand Stußen , Schwanken , Umkehren

Es

in der Maſſe , vor-

wärts und zurück strebte die Bewegung wider einander ;

der

Augenblick war nahe , wo sich alles von selbst den Händen der Sieger überliefern mußte.

Da erschütterte ein betäubender Schlag

weithin die Erde ; der Strom der Fliehenden stockte , und als ſie Auge und Besinnung wiederfanden , war der legte , der einzige Weg der Rettung zerstört. 9. Napoleon hatte die Weisung gegeben , daß die ſteinerne Thorbrücke, welche am Ranstädter Steinweg über die Elster führte, bevor sie in die Hände des Feindes fallen könne , gesprengt werde.

In dieser Absicht war ein Floß mit einigen Pulver-

fässern unter einem der Bogen an einem Pfeiler befeſtigt worden ; der Genieoberst Montfort , mit der Vollziehung beauftragt, harrte des Augenblickes.

Als

die Flucht immer wilder und

drängender sich ergoß, wurde er ungewiß, wie er die Zeit erkennen solle.

Auf seine Frage an den Marschall Marmont, welcher

Heertheil zuleßt kommen werde , erhielt er die Antwort , darüber könne bei der herrschenden Verwirrung nur der Zufall entscheiden.

Der Oberst , statt die Ausführung selbst in der Hand zu

behalten , ging mit seiner Mannschaft zurück und ließ nur einen Corporal, Namens Lafontaine, mit drei Sappeuren an der Stelle, mit dem Befehl , die Mine erst im Augenblick, wo der Feind nahe , zu zünden.

Wenige Minuten nachher erschienen auf der

138

Fünftes Kapitel.

anderen Seite jene russischen Jäger , die durch das Rosenthal herangekommen waren.

Ihre Kugeln schlugen in den Strom

der Fliehenden, mit gesteigerter Angſt trieb dieſer vorwärts ; ohne Haltung , ohne einen Gedanken der Gegenwehr eilten auch die höchsten Offiziere in der Maſſe fort, schon vernahm man einzelne Rufe: ,,legt Feuer an, legt Feuer an ! ". Der Unteroffizier mußte wähnen , in der nächsten Minute könne der Feind Herr der Brücke sein ; er legte die Lunte an.

Ein furchtbarer Schlag

warf den Strom der Fliehenden zu beiden Seiten des Flusses auseinander ; die Gewalt des Pulvers zerriß das Waſſer bis auf den Grund und warf Steine , Holz , Wagen , Waffen , zerrissene Gebeine von Menschen und Pferden thurmhoch in die Luft.

Als die Trümmerſäule zuſammenſank und das Licht des

Tages

aus der Verfinsterung hervorbrach ,

durften sich die

einen gerettet preisen , die anderen sahen sich dem Feinde überliefert. Die Franzosen sagen ,

die Brücke wäre zu früh in die

Luft geflogen und das hätte den Sieg der Verbündeten viel größer gemacht.

Man braucht nicht viel vom Kriege zu ver-

ſtehen , um zu erkennen , ringſten Grund hat.

daß diese Behauptung nicht den ge-

Es war etwa 21 Uhr, als die Sprengung

geschah , und wir wissen , wie es zu der Zeit in Leipzig ſtand. Die Vorstädte waren genommen , der Kampf hatte aufgehört ; der Schrecken ,

den schon jene wenigen russischen Jäger am

Ranstädter Steinwege verbreiteten , bezeugt , daß in den nächsten Minuten den Verbündeten alles

in die Hände fallen mußte.

Hätten die Franzosen noch im Kampfe gestanden , so konnte die Brücke vielleicht mehrere tausend waffenfähige Männer retten ; ob dagegen von jener fliehenden Masse 2 oder 3000 mehr oder weniger in die Hände der Sieger fielen, das machte damals gar

139

Sprengung der Elsterbrücke. keinen Unterschied .

Nichts mehr

auch nur von einem leßten

Versuch des Widerstandes ; nur von einer einzigen allgemeinen Flucht und Verzweiflung wird aus der Masse berichtet , als sie die Bedeutung des furchtbaren Schlages begriff.

Viele über-

lieferten sich freiwillig den nächsten Soldaten der Sieger , viele kehrten

um ,

einen anderen Ausweg zu finden ,

die meisten

warfen sich zu beiden Seiten des Dammes in die Niederung, um einen Weg über die Flüsse zu suchen.

Nicht weit vom Damm

war eine Bockbrücke über die Elster gebaut ; sie brach unter der Laſt der Flüchtenden zuſammen ; nicht bloß die den Fuß darauf gesezt hatten, auch viele der Nachfolgenden wurden durch den Druck der nachschiebenden Maſſe ins Wasser gestürzt.

Wohl

Hunderte fanden hier und an anderen Orten ihren Tod in den Wellen ; denn die Elster , die in trockener Jahreszeit kaum den Boden bedeckt, schoß , von den vielen Regengüſſen angeſchwollen, hoch und schäumend zwischen den Ufern dahin.

Am meisten

von den vielen Opfern , die der Fluß mit fortnahm , wurde Poniatowski beklagt.

Nicht lange vor ihm hatte den Marschall

Macdonald sein Pferd

glücklich durch die Wellen getragen ;

Poniatowski, im vorhergehenden Gefecht schwer verwundet und von feindlichen Schüßen verfolgt, ſezte ohne Wahl ins Wasser ; es war nicht breit , das Rettungsufer lag dicht vor seinen Augen , doch die Gewalt des tiefen reißenden Stromes trug ihn fort , er ward nicht wieder

gesehen.

Er war der Neffe des

legten Polenkönigs, durch seine Schönheit, seine Tapferkeit, ſeinen ritterlichen Sinn allgemein beliebt; noch am vorigen Tage hatte er von Napoleon den Marschallsſtab erhalten ; jezt ſank er dahin, an dem Tage , der das Geschick seines unglücklichen Vaterlandes zugleich mit demjenigen des ehrgeizigen Eroberers entſchied , an dessen Wege es gefesselt war. Mit Poniatowski fanden auch

140

Fünftes Kapitel .

General Dumoustier und noch manche hohe Offiziere ihren Tod in den Wellen.

Andere, darunter General Lauriſton , mußten

sich den verfolgenden Siegern ergeben .

Es war der ruſſiſche

General Emanuel , der sie gefangen nahm und mit ihnen eine zahlreiche Masse von Offizieren und Soldaten , die noch Waffen trugen.

Die Zahl seiner eigenen Mannschaft war viel geringer ;

aber der Schrecken unter den Franzosen , die bereits ihren General in den Händen des Feindes sahen , war so groß , daß ſie auf den

entschlossenen

Zuruf

Emanuels

ohne

weiteres die

Waffen streckten.

10. Inzwischen war auch die innere Stadt in die Gewalt Auch hier wie an der Elsterbrücke war

der Sieger gefallen .

fein geordneter Widerstand , kein Kampf mehr ; doch wogte innerhalb und außerhalb der Mauern das sich auflösende Gefecht noch lange in vielen Bildern des Drängens verworrener Soldatenmaſſen ,

des

Aufeinandertreffens

vereinzelter feindlicher

Waffen, der Flucht, des Schreckens, der Verfolgung, des Siegesrausches fort.

Zuerst drangen die Preußen am inneren Grim-

ma'ſchen Thore in die Stadt.

Ein Offizier mit einigen Freiwilligen

umging durch den Stadtgraben die vor dem Thore aufgestellten Geſchüße und öffnete

ohne Schwierigkeit ein Seitenpförtchen ;

Badener und Heſſen-Darmstädter, die im Inneren noch Widerſtand versuchen wollten , an Zahl gering , wurden überwältigt. Während einige die Verrammelung des Thores wegräumten, Bei dem Anblick der gingen andere nach dem Markte vor. dort aufgestellten Truppen zogen sie sich zuerst zurück ; doch bald kamen pommersche Bataillone zum geöffneten Thore herein, und nun ging's rasch vorwärts ; näher und näher zum Markte drang der helle Klang der Schüßenhörner und „Hurrah, Friedrich Wilhelm hoch!"

der brausende Ruf :

Dort standen Badener und

141

Einnahme der inneren Stadt.

Sachsen aufmarschirt ; zwiſchen ihre Reihen hatten sich fliehende Franzosen gedrängt , polnische Offiziere eilten hindurch nach der Wohnung des Königs von Sachsen.

Oben bei dem König war

noch der Abgesandte der Verbündeten ,

General v. Toll ; der

andere Abgesandte, Oberstlieutenant v. Nazmer, kehrte eben von der vergeblichen Aufsuchung des franzöſiſchen Gouverneurs_zurück ; unten spielte die Musik der vor des Königs Wohnung aufgestellten Truppen ihre Weisen. preußischen Hörner hörte ,

Sowie General Toll die

eilte er an's Fenster und rief den

Heranziehenden zu, daß sie nicht auf die Sachsen schießen sollten ; dann kam er rasch zu den Badenern herunter und forderte sie auf, sich nun Deutschlands Befreiern anzuſchließen.

Oberstlieu-

tenant v. Nazmer stellte schnell eine Compagnie Preußen zum Schuße des Königs auf , dann richtete er die gleiche Aufforderung an die Sachsen.

Währenddem

begrüßte das Tücherschwenken

aus den Fenstern und der wachsende Jubelruf der Einwohner die pommerschen Füsiliere.

Noch fielen aus dem Haufen der

Franzosen einzelne Schüffe auf die Preußen ; dieſe ftürzten auf die Unbesonnenen los , einer fiel von einer Kugel , die anderen waren nach kurzem Handgemenge gefangen ; es war auch der Stadtcommandant General Bertrand II. darunter ; er hatte sich die Achtung und Liebe der Leipziger erworben und sie legten fich jest bittend für ihn in's Mittel.

Die Badener und Sachsen

lösten sich auf oder schlossen sich den Preußen an.

Von den Sachſen

folgte ein Theil des Gardebataillons und ein Grenadierbataillon dem Oberstlieutenant v. Nazmer, während die Offiziere ſchweigend austraten und sich unter der Menge verloren .

Er führte

die Soldaten nach dem Ranstädter Thore, wo ein wirrer Haufe Franzosen sich von außen noch um den Rückzug wehrte ;

die

Sachsen schossen sich vom Thore und den Wällen her mit ihnen

142

Fünftes Kapitel.

herum , und es traten allmählich auch ihre Offiziere wieder ein, zuerst von ihnen der Oberst von Ryssel.

Inzwischen hatte auch

ein preußisches Bataillon ohne Widerstand das innere Petersthor genommen ,

russische Bataillone

von Bennigsens Armee

folgten nach ; die Verbündeten öffneten die nach Westen führenden Ausgänge von innen und

verfolgten von da die Flüchtlinge,

welche außerhalb auf dem Anger und in den Vorstädten den Weg nach der Elster oder der Ranstädter Straße zu gewinnen suchten.

Es wurde noch manche Kugel hin und hergesendet und

gab manches blutige Zusammentreffen. Stadt auf dem Anger

An der Nordseite der

drängte eine verworrene Masse von

einigen tausend Desterreichern , Ruffen und Preußen nach dem Ranstädter Thore ; der Angriff weniger französischer Küraſſiere trieb sie ein paar hundert Schritte zurück, dann beſannen ſie sich , schossen die Reiter von den Pferden und drückten wieder vorwärts ; drei Kartätſchenladungen vom Thore schlugen verheerend in den Haufen , doch wenige Augenblicke danach war er zur Stelle,

während von

Sachsen hervorbrachen.

innen zugleich

Preußen und Nazmers

Es scheint , daß hier auf dem Fleischer-

plaze gegen 2 Uhr die lezten Feinde überwältigt wurden , zur nämlichen Stunde ungefähr ,

als sich auch an der Elster der

leßte größere Haufe den Russen ergab.

Kleine

Trupps der

Verbündeten nahmen überall große Haufen von Franzosen gefangen ; manche von diesen hatten sich sächsische Uniformen verſchafft, die sie doch seit dem Uebergange der Sachsen auf's äußerste haßten , und zogen sie eilig an ; alte Soldaten , die schon manche Schlacht mitgemacht hatten, sah man wie die Kinder weinen oder bei jedem Kanonenschuß zuſammenfahren.

Die

Ueberlieferung

davon hat sich bei den Bürgern Leipzigs, welche die Schreckenstage gesehen hatten, noch lange erhalten.

Den Siegern dagegen

143

Einnahme der inneren Stadt. gaben sie das Zeugniß , daß

sie gute Mannszucht

gehalten

haben und daß namentlich die Stadt keinerlei Plünderung oder Gewalt zu leiden hatte.

Es wird von einem preußischen Jäger

erzählt , dem ein Brot

aus einem Fenster zugeworfen wurde,

als er eben mit einem halbverhungerten Franzosen anbinden wollte ; dieser rief „ Pardon , “ der Preuße sah ihn an und reichte ihm das Brot mit den Worten : ,,da iß , du hast es nöthiger als ich."

Am Markte öffnete, als die ersten Preußen herein-

drangen , ein wohlhabender Weinwirth den bisher verschlossenen Laden, um die Durstigen zu erquicken; er dachte nicht viel dafür einzunehmen , doch nachher erzählte er , daß wohl alle bezahlt hätten.

So mild aber ging es nicht überall zu , vielmehr wird

manches von Verwilderung und Lust am Tödten berichtet.

Eine

Anzahl preußischer Landwehrmänner verfolgte noch zuleßt einen Haufen Franzosen ,

die an Gegenwehr nicht mehr dachten, den

Ranstädter Steinweg entlang und brauchte abwechselnd Kugel, Bajonnet und Kolben , um unter den Fliehenden aufzuräumen . Ja es muß geradezu geſagt werden , daß die Mehrzahl der Gefechte , welche nach der Einnahme der Vorstädte noch vorfielen, auf unnöthiges Morden hinauslief ; und es müſſen dafür von der einen Seite Napoleon, von der anderen die ungenügenden höheren Anordnungen der Verbündeten verantwortlich gemacht werden.

Jener, der bei seinen Planen und Zwecken Menschen-

leben immer für nichts achtete , verschuldete durch seine unerhörte Versäumniß auch der allerdringendsten Maßregeln für den Rückzug jene heilloſe Verwirrung , die es den Siegern faſt unmöglich machte ,

den Kampf zu

einem

geordneten Ende zu

führen ; bei den Heertheilen der Verbündeten dagegen fehlte es an jeder

gemeinsamen Leitung und jedem Zusammenwirken .

Hätte man , statt die ganze Maſſe blind gegen Leipzig anstür-

144

Fünftes Kapitel.

men zu laſſen , einen Feldherrn mit der nöthigen Truppenzahl zur Einnahme der Stadt bestimmt , ſie wäre weniger blutig und mit größerem Erfolge geschehen , während zugleich die stärkere Hälfte des Heeres auf anderen Wegen rasch zur Verfolgung des geschlagenen Feindes abziehen konnte.

Immer freilich hätte auch

dann die Einnahme der Stadt nicht etwa bloß aus regelmäßigem Kampfe und darauf folgender Flucht und Waffenstreckung bestanden ; solche Greuel der Verwirrung , wie sie innerhalb und außerhalb der Mauern sich drängten , sind vielmehr von einem so großen Kampfe niemals ganz . zu trennen.

Haben doch selbst

Preußen daran Theil genommen , bei denen die begeisterte Mitwirkung der besten und gebildetſten Klaſſen des Volkes das überlieferte Soldatenhandwerk veredelt hatte ; wieviel weniger ist es zu verwundern , wenn bei den übrigen Heeren die Mannſchaft, vom Streit erhigt , der Stimme der Führer und den Fugen der gewohnten Ordnung auf eine Zeit lang entwich. Das eines so furchtbaren Kampfes pflegt immer über die Grenzen der menschlichen Macht hinauszugehen ; Gesez , Zucht und Ordnung verlieren eine Weile ihr Recht an die natürlichen Gewalten, die in der Menschenbrust ihren dunkeln Grund haben ; das Blut und die Schrecken solcher

Stunden

sind

wie

die Schlachten

ſelbſt der Preis , um welchen die Völker aus der Versunkenheit von Schuld und Sünde sich emporringen. 11. In den Stunden , wo Leipzig an die Sieger überging, entschied sich auch das Schicksal des Königs von Sachſen .

Wir

wissen , wie Napoleon von ihm Abschied genommen hatte , wie Oberst von Ryffel für ihn hinaus zu den Verbündeten geeilt war, wie diese den General v. Toll und Oberstlieutenant v . Nagmer zu ihm herein geschickt hatten.

Diese kamen ,

während in

den Vorstädten schon der Kampf los war, zuerst zu Poniatowski,

Das Schicksal des Königs von Sachsen.

145

Augereau und Victor, dann mit Mühe und Noth durch das Gedränge der Fliehenden hindurch nach dem Markt zur Wohnung des Königs.

Als sie dort nach ihm fragten , wurde ihnen

die verlegene Antwort , Se. Majestät ſei jezt nicht zu sprechen. Sie sagten dem Minister v . Einsiedel, daß ihr Auftrag Eile habe, und bald erſchien der König in der weißen Galauniform ſeines Heeres mit Orden und Stern, in Schuhen und seidenen Strümpfen , bleich , doch scheinbar ruhig.

Er hatte mit seiner Familie

in den gewölbten Kellern des Hauses Schuß gesucht ; die Gala hatte er nicht , wie die Abgesandten anfangs glaubten , in Erwartung der verbündeten Monarchen , sondern wegen Napoleons angelegt, wie er immer gewohnt war.

Es zeigte sich jeßt, wozu

der Kaiser diesen lezten Besuch benußt hatte.

Als die Abge-

sandten ihren Auftrag ausgerichtet hatten , gab der König zur Antwort : wegen der Schonung der Stadt möchten sie sich an den Gouverneur , den General Arrighi , wenden ; die sächsischen Truppen könne er nicht aus dem Kampfe zurückziehen , da er sie dem Kaiser Napoleon , ſeinem hohen Alliirten, überwieſen habe ; nur von dieſem oder seinen Marschällen hätten sie Befehle zu empfangen.

General Toll sagte verwundert : nach den Aeuße-

rungen, die Oberst v . Ryffel bei den verbündeten Monarchen gethan , dürfen.

hätten sie geglaubt, eine andere Antwort erwarten zu Der König erwiderte, er sei auch anfangs der Meinung

gewesen , der Kaiser habe die Sache aufgegeben ; vorhin aber habe er aus dem Munde seines hohen Alliirten vernommen, daß er Leipzig nur verlasse , um im freien Felde zu manövriren ; in einem oder zwei Tagen werde er wieder kommen und die Stadt entsezen.

Auf so grobe Weise ließ sich der König noch von der

Macht und Kunst Napoleons blenden , als dessen Weltherrschaft vor seinen Augen zusammenbrach, und keiner seiner Höflinge 10

146

Fünftes Kapitel.

hatte den Muth und den Geiſt, ihm die Stunde und seine Pflicht gegen sein Land und sich selbst und besonders gegen den Rest seiner treuen Soldaten klar zu machen. Wir wissen, wie die Abgesandten der Verbündeten , da sie so gar nichts beim König vermochten , noch mit Erfolg zu Gunsten der sächsischen und badischen Truppen thätig waren.

Der König sah nachher , an

der Thüre seines Hauses stehend , die verbündeten Monarchen einziehen und empfing auf seinen Gruß eine kalte Erwiderung ; nur der Kronprinz von Schweden kam zu ihm.

Am folgenden

Tage befann er sich und ließ beim Kaiſer Alexander fragen, wann er ihn besuchen dürfe.

Er erhielt zur Antwort , daß er

sich bereiten möge , in Begleitung eines russischen Geheimrathes nach Berlin zu reisen.

Er wurde von den Verbündeten als Ge-

fangener betrachtet und verlor nachher an Preußen die Hälfte seiner Staaten.

Friedrich August war sonst ein guter und red-

licher Fürst; sein Volk und sein Heer hing ihm vor und nachher mit Treue und Ergebenheit an.

Und doch erscheint er , ein

deutscher König, in diesen Tagen ganz wie ein willenloses Werkzeug des fremden Eroberers , er findet noch im lezten Augenblick den Muth nicht, sich seinen Banden zu entreißen; es stürzt um ihn im Kampfe eine Welt zuſammen und er hat nur die Worte und den abgewogenen Ton des Hofes. In seinem traurigen Geschick hat sich erfüllt, was anderen nach der Gerechtigkeit , wie sie sich auf Erden vollzieht , nur gedroht hat.

Dahin kann es auch mit den

besten Fürsten kommen , wo ihre und ihres Hauses Sache nicht in die große Sache des Volkes verflochten wird ; das Unglück der Könige war auch Friedrich Auguſts Unglück ; jene Klaſſe von hohen und niederen Dienern nämlich , die sich selbstsüchtig zwischen sie und ihr Volk drängen und sie aus sterblichen Menschen zu Göttern machen.

147

Der Siegeseinzug.

12. Noch war das Kämpfen nicht zu Ende, als Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm , von dem Gedanken bewegt, durch ihre Gegenwart dem Siege den Schmuck der Ordnung und der Milde zu sichern, mit vielen der verbündeten Feldherren in die Stadt kamen.

Es war ein Einzug ohne Gleichen ; vor seiner

Größe und ſeinem Jubel wurde das Schicksal des unglücklichen Königs von Sachsen , wurden alle die Schrecken , die Noth, der Jammer vergessen , welche die ungeheure Schlacht gekostet hatte, und die noch ringsum den Blicken sich aufdrängten . 1 Uhr Mittags ;

Es war

noch riefen die Hörner , noch wirbelten die

Trommeln zum Sturm , noch knatterten auf dem Fleischerplag die Gewehre, noch dröhnten vom Lindenauer Damm die dumpfen Schläge der Geschüße herüber, aus denen die Franzosen über die Elster gegen den nachdrängenden Feind ihre Granaten warfen. Der Einzug der Monarchen mit dem Oberfeldherrn geschah durch das äußere und innere Grimmä’ſche Thor ; Blücher, der Kronprinz von Schweden, Bennigsen kamen um dieselbe Zeit auf den Straßen, die ihre Soldaten eben frei gemacht hatten. Langsam, durch vieleHinderniſſe hindurch, die der Rückzug und das Gefecht zurückgelaſſen hatten , ging der Zug vorwärts ; voran die Fürsten und Generale, hinter ihnen lange Züge von Truppen, unter den Klängen der Musik.

Es war nichts von den glänzenden Vorbereitungen,

nichts von dem festlichen Gepränge dabei , das sonst den Einzug von Fürsten verherrlicht.

Die

Soldaten erschienen nicht im

Friedensschmuck , Waffen und Kleidung waren vom Blut geröthet , vom Pulver geschwärzt ; aber der männliche Stolz , daß ſie den größten Kampf ausgekämpft hatten, war in den Kriegern ; das Gefühl eines Sieges , der die Gestalt der Welt veränderte, war in den Häuptern des Heeres .

Den Bürgern der Stadt

war es wie ein Traum ; noch einen Tag vorher das Schwanken 10 *

148

Fünftes Kapitel.

und Schweben zwischen Hoffnung und Furcht, noch vor wenigen Stunden das schreckenvolle

Gewirr eines athemlos vorwärts

drängenden Rückzuges, dann die Donner eines rings herandrohenden Gefechtes , und jezt die Gewißheit des Sieges und der Befreiung.

Gott hatte wunderbar geholfen ; da war die Noth, da

war die Zerstörung ringsum vergessen, in einem einzigen Strome des Jubels brach hervor , was lange unter Zweifel und Angst in der Brust verschlossen war.

Von

Fenstern und Thüren

und selbst von den Dächern herab schallte den Siegern der tausendstimmige Jubelruf entgegen , winkten ihnen die wehenden Tücher den Gruß der Befreiten zu ; ſelbſt Kränze und Blumen waren unter Tod und Verwüstung noch geblieben , um ihren Weg zu schmücken. prinz ,

Bennigsen

Auf dem Markte trafen Blücher , der Kronmit

dem Zug der Monarchen zusammen ;

neben Preußen und Sachsen standen auch noch Franzosen da, die noch nicht entwaffnet waren ; sie alle traten ehrerbietig unter das Gewehr.

An der Wohnung des Königs von Sachſen vor-

über ging der Zug nach dem Ranstädter Thore.

Nur mühsam

kam er vorwärts ; es mochte 3 Uhr sein, als er die Grenze der inneren Stadt erreichte, das leßte Geräusch des Kampfes war rings verhallt.

Der Kaiser und der König nahmen Quarties in

Leipzig und übertrugen dem Kronprinzen den Befehl über die hier versammelten Truppen.

Dem Kaiser Franz hatte man die

Siegesnachricht nach Rötha gebracht ; ,, es will Friede werden," war seine Antwort ; nach 3 Uhr traf auch er in der Stadt ein, doch begab er sich gegen Abend wieder nach Rötha zurück.

Die

verbündeten Truppen richteten auf den Straßen und Pläßen der Stadt, auf dem Anger, in den Vorstädten ihre Biwaks ein ; die Dunkelheit brach herein , ehe das Gewühl nur nothdürftig geordnet war.

Doch war für viele , heute wenigstens , nicht mehr

.

Der Siegeseinzug.

Belohnungen.

149

der Mangel , wie in den leßten Tagen ; die Bewohner Leipzigs gaben, was Küche und Keller noch vermochten, um die Hungrigen zu speisen , die Durſtigen zu tränken ; gern vertheilten sie unter die Sieger die Vorräthe , die sie bisher für die Stunden der Noth in Sorge bewahrt hatten.

In vielen Erzählungen wird

berichtet , wie rührend sich Dank und Freude in der Thätigkeit und Bewegung des Volkes spiegelten ; es war das eine Gefühl in allen mächtig , was sie vordem verlernt und in den Jahren des Druckes neu erfahren hatten : es gab wieder ein deutsches Vaterland. 13. Gleich an dieſem und dem nächsten Tage theilten die Monarchen an Feldherren und Generale ihre Ehren und Belohnungen aus ; für die Menge der Offiziere und Soldaten folgten ſie ſpäter.

Aufzuzählen , was auch nur an den ersteren geschah,

würde viel zu weit führen. Fürst Schwarzenberg wurde mit den höchsten Stellen und Orden ausgezeichnet ; sein Kaiſer beſtimmte, daß er in sein Wappen das Wappen von Desterreich aufnehme. Er war ein Mann von ritterlicher Haltung , den Fürsten angenehm , wohl geeignet den Oberbefehl vermittelnd zu verwalten, doch nicht geeignet , diesem Kriege einen Zug seines Geistes aufzudrücken ; die Glückwünsche zu dem großen Siege lenkte er in edlem Sinne auf Gott und nächst diesem auf die Generale und Soldaten des verbündeten Heeres ab.

Daß auch der öster-

reichische Minister Metternich nach der Schlacht in den Fürsten-

7 ſtand erhoben wurde, mischt in den Glanz und die Freude dieser Tage die bittere Erinnerung ein an alles , was die Völker gelitten und erftritten hatten, was ihnen dafür verheißen und nicht gehalten wurde.

Daß auch ein Kronprinz von Schweden für

alle absichtlichen Säumniſſe und Hemmungen, die er dem Kriege bereitet, jegt dennoch den Grund für seine Zwecke gelegt fah, das

150

Fünftes Kapitel.

muß uns gerade heute wieder mahnen , wie schlimm es immer um Deutschland stand , wo fremde Ziele und Zwecke seine gute Sache verfälschen durften. Dagegen hat ein höherer Lohn , als ihn Fürsten geben können, es hat die Stimme der Geschichte die eigentlichen Männer dieses Krieges und dieses Sieges längst ausgezeichnet; die Namen Blücher, Gneisenau, Eugen von Württemberg , York , Bülow , Kleist haben längst ihre Stelle im Munde des Volkes . Blücher wurde nach der Schlacht zum Feldmarschall ernannt , sein König schrieb ihm : „ Ihre Siege mehren Ihre Verdienste schneller, als ich mit meinem Danke zu folgen vermag ;" später geschah für ihn die Erhebung zum Fürsten, für die Corpsgenerale des preußischen Heeres diejenige zum Grafen mit einer Ausstattung an Gütern , die der neuen Würde entsprach. Der König vollzog darin den Dank , den ihnen das Vaterlandzuerkannte.

Gewiß ist, daß unter den fürstlichen Siegern des

großen Tages Friedrich Wilhelm III. von Preußen die schönste Stelle hatte.

Wie er war keiner von dem Jubel seines Volkes

und seines Heeres getragen, so viel edles Blut wie für ihn war für keinen in freiem Opfer dahingegeben worden.

Er war kein

Mann von außerordentlichen Gaben , aber er hatte die Schmach und die Noth der Knechtschaft treu mit seinem Volke getragen ; seine gemessene Natur hatte lange nicht an die große Erhebung glauben wollen , doch endlich war aus ihrer Tiefe der Entschluß der freien Hingebung an ihre Gemeinschaft hervorgegangen . Doch erinnert gerade der Sieg zuerst an die Männer , die den Thaten von Volk und Heer den eigenthümlichen Zug gaben, worin das Wesen dieses Krieges liegt.

Es war ein York , der

durch den kühnen Entschluß über die allgemeine Regel der streng umschlossenen Pflicht hinaus dort an der russischen Grenze das Zeichen zu dieser Erhebung und zu diesem Kriege gegeben hatte ;

Die Fürsten und die Feldherren.

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es war ein Blücher , den jeßt seine Soldaten vom Sturme auf das Halle'sche Thor her mit dem Namen des „ Marschall Vorwärts" begrüßten, und keiner hatte wie er dem Kriege von Anfang den Namen ,,Vorwärts " gegeben ; es war ein Gneisenau , der beim Siegeseinzug auf dem Markte von Leipzig zuerst das Wort sprach ,

unter dem allein dieser Krieg auch zum letzten Siege

hinausgeführt werden konnte , das Wort, daß er nicht anders enden dürfe, als mit dem Sturze Napoleons.

Schluß. Die Opfer und die Größe des Sieges. 1. Mit dem Einzuge der Verbündeten in Leipzig waren die Wirkungen der großen Schlacht nicht erschöpft ; wir müssen auch auf die folgenden Tage sehen.

Aus ihnen hebt sich erst das Bild des

Sieges in allen seinen Opfern und Schrecken, aber auch in seiner ganzen Größe empor ; dem deutschen Vaterlande ein bleibendes Zeichen der Mahnung von oben. 2. Ueber die Verfolgung des geschlagenen Feindes hatten die Monarchen und die Feldherren schon vor dem Einzuge auf dem Felde noch einmal Rath gehalten.

Auch jezt , am Morgen

des 19. , wo der Sieg vor aller Augen lag , wurden nur langsame Maßregeln getroffen ; nur sehr wenige dachten daran , daß die Verwirklichung der kühnen Worte Gneisenau's gleich hier hätte beginnen sollen.

Freilich hätte es sehr großer Anstrengun-

gen bedurft , wenn jezt noch nachgeholt werden sollte , was am 18. versäumt war. Napoleon hatte schon einen weiten Vorsprung. Der größere Theil seines Heeres war bereits nahe bei Lüßen, als der Widerstand in Leipzig zu Ende ging ; der Kaiſer ſelbſt

152

Schluß.

wurde bald nach 2 Uhr in der Mühle bei Lindenau von Murat und Augereau aus dem Schlafe geweckt; es war die Stunde, wo seine Gegner drüben ihren Siegeseinzug hielten.

Bei Lin-

denau ließ er eine Nachhut von Reitern und Geſchüß zurück, an die sich die immer noch zahlreich ankommenden Flüchtlinge anschließen konnten ; er selbst eilte im Strome der Flucht weiter. Bei Markranstädt entließ er die letten Sachsen, 200 Kürassiere, die ihm bis hierher gefolgt waren, unter der Verpflichtung, über Jahr und Tag nicht gegen Frankreich zu dienen.

Hier blieb er

bis zur Frühe des anderen Morgens , dann seßte er den Weg nach Lüßen fort.

Von den Verbündeten kam Gyulai an diesem

Tage nur bis Dobergast , Platom konnte den Feind nicht erreichen und Bubna vermochte seinen Marsch nur bis Zwenkau auszudehnen ; außer Gyulai und York war kein Heertheil auf dem linken Ufer der Elster ; allein York war auf weitem Umwege über Merseburg. Unter dieſen Umständen ſah das, was in dem Kriegsrathe vor Leipzig bestimmt wurde, viel gewaltiger aus, als es war.

Die böhmische Hauptarmee sollte dem weichenden

Feinde links zur Seite bleiben, die schlesische Armee zur Rechten, Bennigsens Heer unmittelbar in seinem Rücken folgen.

Dem

Kronprinzen konnte man nicht geradezu befehlen ; es wurde ihm am 20. noch Bennigsen untergeordnet, und er verstand sich dazu, über Merseburg und Querfurt nach Sondershausen zu marschiren, um den Feind, wenn er sich bei Erfurt stellen sollte, in der linken Flanke zu umgehen. Am Abend des 20. Oktober , als Na= poleons Heer mit der Spiße bei Freiburg an der Unſtrut , mit dem Nachtrab bei Weißenfels an der Saale stand , war zwarGyulai in Naumburg, das übrige Heer Schwarzenbergs dagegen in mehreren Staffeln noch weit zurück , Wittgenstein und Kleiſt erst bei Pegau an der Elster.

Der Kronprinz hatte seinen Vor-

·

Die Verfolgung.

Das Schlachtfeld nach der Schlacht.

trab bis Lüßen gebracht , Blücher die Corps von Langeron und Sacken eben dahin geführt ; York war in der Nähe der Unstrut. Den Feind konnten die Hauptmaſſen nicht mehr erreichen ; aber vor ihnen lag als Frucht der heißen Kämpfe der Siegeszug zum Rhein. 3. Ein ganz anderes Bild als in den Stunden des Einzuges boten die Stadt und die Umgegend dar, als die Heere ſie jezt verließen.

Das Geräusch der Waffen , die ersten Jubel-

flänge der Freude verstummten und an ihre Stelle traten alle Schrecken der furchtbaren Wirklichkeit , welche die größte der Schlachten zurückließ, als sie mit eisernem Tritt über diesen Boden ging.

Noch erschütternder

als nach

den beiden

ersten

Schlachttagen naht uns dieſes Bild ; wir dürfen es nicht zurückweisen, wenn wir dem Siege und seinen Opfern ihr volles Recht geben wollen.

Auf Stunden weit rings um die Stadt war eine

öde Brandſtätte , ein ungeheures Leichenfeld ausgebreitet .

Wo

noch vor wenig Tagen Dörfer gestanden hatten , vom Geräusch friedlicher Arbeit und vom Segen menschlichen Fleißes erfüllt, da schaute aus leeren Fensterhöhlen die Verwüstung , da verkündeten rauchender Schutt und formloſe Trümmerhaufen, wie ſchnell von Menschenhänden zerstört ist , haben.

was Menschenhände gebaut

Durch die Felder umher waren die Spuren der Märsche,

der Lager, der Kämpfe zerstreut : der Boden von Geſchoffen aufgeriffen oder von Fußtritten und Hufen zerstampft ; der Anbau, die freundlichen Anlagen überall zerstört , an ihrer Stelle die Reste von Feuerbränden, zertretenes Stroh , abgeschälte Knochen, weggeworfene Kleider , zerbrochene Waffen , Kanonenläufe , zerschlagene Lafetten, umgestürzte Wagen und Karren.

Und wofür

diese Zerstörung geschehen war , das bezeugten , soweit das Auge reichte , bleichende , zerrissene Menschengebeine , Streifen , Flecken,



154

Schluß.

Lachen von Blut. Was in Tagen des Friedens leicht für Uebertreibung, für Phantasie der Dichter gehalten wird , das ist hier von Augenzeugen glaubwürdig bestätigt ; an vielen Stellen lagen die Todten Mann an Mann , neben- und übereinander geschichtet ; am furchtbarsten zusammengedrängt auf engem Raume redeten bei Möckern Roß und Mann von dem wilden heißen Streite, der dort geschlagen war.

Und glücklich noch, wem im ernſten

Männerkampfe der Tod den blutigen Lorbeer um die Stirne wand, wer im Vollgefühl der Kraft im guten Krieg für's Vaterland dahinſank.

Das Vaterland forderte noch schwerere Opfer :

Hunderte hauchten auf der Stätte des Todes und der Verwesung ohne Hülfe , ohne Erquickung ,

ohne einen Laut menschlichen

Trostes langsam, qualvoll ihr Leben aus ; in einer Scheune von Meusdorf fand man nach 10 Tagen 114 verblutete, verhungerte Soldaten , kein menschliches Wesen hatte bis dahin diese Stelle betreten ; die wenigen , deren unzerstörbare Natur den Wunden, den kalten Nächten, dem Hunger und Durst widerstand, schienen nur zu desto größeren Leiden aufbewahrt ; ihrer manche sind , so wird zuverläſſig berichtet, noch nach 7 Tagen auf elenden Schubkarren , die verwundeten Glieder zum Theil nebenher schleifend, zur Stadt gebracht worden.

Auf dem

öden Felde herrschte

ringsum Grabesstille ; wo vor wenig Tagen die eisernen Würfel, die über eine Welt entschieden, im Donner vorübergerollt waren, da schwangen jezt Raubvögel den einsamen , traurigen Flug. Mit militärischer Gewalt , oft von weither mußten die Männer und die Bursche herbeigebracht werden, um allmählich die Maſſen * der Todten einzuscharren.

Da wurden weite Gruben gegraben

und von gleichgültigen Händen Freund und Feind oft zu 100 , ja zu 300 und 400 ohne Ordnung, ohne die Uebung der leßten frommen Pflicht in die gemeinſame Gruft verſenkt. Das traurige

Das Schlachtfeld nach der Schlacht.

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Geschäft zog sich durch Wochen hindurch, ja einzelne Leichen und viele Gerippe von Pferden lagen noch bis tief in's nächste Jahr auf dem Felde umher.

Langsam kehrten in den Tagen nach der

Schlacht die Menschen zu den verlassenen Wohnungen zurück ; der Verkehr , vom Krieg erfordert, von den Bedürfniſſen der Stadt und vom Gewinn herbeigelockt , begann wieder auf den Hauptstraßen seine Bewegung, als sich in Dörfern noch kaum das Geräusch des vorigen Lebens regte und noch hier und dort einzelne Verwundete , die in Strohhütten ihr Dasein fristeten, die Barmherzigkeit der Vorüberziehenden in Anspruch nahmen. Selbst die Luft , die über der Stätte der Schlacht lag , trug in den Dünsten der Verwesung den Keim zu Krankheit und Tod in sich. Wie in dem Ausgange des gewaltigen deutschen Heldengedichtes , das uns aus alter Zeit überliefert ist, verbrannte, öde Mauern über dem Untergange eines ganzen Geschlechtes ragen, das zur Sühne für einen einzigen Frevel unerbittlich dahingerafft wird : so lag nach der großen Schlacht ihre Stätte da, ein furchtbarer Zeuge von den Gerichten Gottes, die über die Völker dahingegangen waren. 4.

Und die Gerichte Gottes gingen auch an den Lebenden

fort ; jezt erst , als die gewaltsame Aufregung der Schlachttage, das Schweben und Bangen zwischen Furcht und Hoffnung mit dem ersten Siegesrausche vorüber war , jezt erst erkannte die Stadt vollkommen, was das Ringen der Völker vor ihren Thoren zu bedeuten hatte.

Warf das weite Grab von draußen ſeine

schrecklichen Schatten in die Gemüther der Menschen , so waren fie innerhalb der Mauern von Bildern der Noth und des Jammers umgeben , welche die Seele mit nicht geringerem Gewicht herabzogen.

Auch Leipzig selbst und die Vorstädte trugen die

Spuren des Kampfes : auf und bei dem Johanniskirchhofe , am

156

Schluß.

äußeren Grimma'schen Thore, wo die Preußen eingedrungen waren, lagen noch am Tage nach dem Sturme die Todten in Haufen bei einander ; zur Seite des Ranstädter Steinweges waren die Erschlagenen über einander gestürzt ; die trägen Fluten der Elster drohten vor der Menge der Menschen und Pferde aus dem Bette zu treten, ja in den Straßen der inneren Stadt ging über einzelne Todte tagelang der Verkehr weg, ehe sie begraben wurden. Dazu stellte sich jest , nach dem Abzuge der großen Heere und bis von weiterher Zufuhren kamen , der Mangel ein ; viele Einwohner hatten nur noch das Nothwendige, die Kranken, die Gefangenen mußten darben .

Am übelſten waren die Franzosen

daran, die zum Theil schon wochenlang vorher nur elende Nahrung gehabt hatten ; hohläugig , mit kranken Wangen sah man fie unter den Düngerhaufen nach Knochen suchen ; an einer Stelle zehrten ihrer funfzehn von einem verendeten Pferde, bis sie nach einander todt dabei lagen.

Entseßlich über alle Beschreibung

war das Loos der Verwundeten und Kranken.

Der Minister

von Stein sagt, daß es ihrer 34,000 von allen Nationen gewesen seien , und der preußische Generalarzt Reil , der gleich nach der Schlacht in edlem Eifer von Berlin abgereist war , um die oberste Sorge für die Hospitäler zu übernehmen, gibt in ſeinem Berichte an den Miniſter ein herzzerreißendes Bild von dem unglaublichen Jammer , auf den er traf. Schon Halle fand er mit 7000 Kranken überladen. Er eilte nach Leipzig, deſsen ,,Lazarethe ihre Kranken wie ein Vulkan nach allen Richtungen ausspien und alle guten Anordnungen in der Umgebung immer wieder vernichteten."

Er fand die Wirklichkeit schrecklicher , als

fie die zügelloseste Phantasie sich auszumalen vermöchte.

Es

mangelte an öffentlichen Gebäuden ; nur langsam , unter viel Verwirrung und Willkür entstanden 49 Spitäler ; Bürgerhäuser

157

Leipzig nach der Schlacht. wurden nur wenige dafür eingerichtet.

Die Soldaten lagen in

dumpfen Winkeln und Gängen, in scheibenleeren Stuben, in gewölbten Kirchen und ſelbſt bis auf die Straße hinaus ; an dem einen Ende der nebeneinandergeschichteten Reihen tödtete der Frost , an dem anderen die verpestete Luft die Kranken.

Nicht

Einem von 20,000 Verwundeten hatte man ein Hemde , Decke, Strohsack oder Bettstelle gegeben ; ohne Lagerstroh , auf Häckerling , den man aus Biwaks zuſammengeleſen hatte , lagen ſie noch in den blutigen Gewändern, wie sie in der Schlacht niedergesunken waren.

Die Binden für die blutigen Glieder waren-

zum Theil aus Salzsäcken geſchnitten und riſſen die Haut auf ; an einer Stelle versuchte man zerbrochene Glieder mit rohen Dachschindeln einzurichten. Viele Amputationen wurden verſäumt oder von Unberufenen zur Unzeit mit ſtumpfen Meſſern ausgeführt; die Glieder lagen brandig und angelaufen wie von Vergiftungen neben den Rümpfen .

Die Kranken , welche nicht auf-

stehen konnten, blieben in ihrem Unrathe liegen ; für die anderen waren Bütten aufgestellt, die aber nicht entleert und weggebracht wurden , bis sie überliefen und den trägen Inhalt über Gänge und Treppen ergossen.

In einer Gemeinschaft des Ekels ; die

nur der grimmigſte Hunger überwinden konnte, wurde den Kranken die elende Nahrung gereicht, so karg und matt, daß die Lebenskraft darunter verkommen mußte.

Den gräßlichsten Anblick

hatte Reil auf dem Hofe der Bürgerschule ; unter einem Haufen von Kehricht sah er da halb nackt viele Leichname ſeiner Landsleute liegen , die von Hunden und Raben angefressen wurden, als wären sie Missethäter und Mordbrenner gewesen .

So wur-

den die Ueberreste der Männer entweiht , die für das Vaterland gefallen waren.

Reil, von gerechtem Zorn entbrannt, verlangte,

daß die Kranken den reichen Kaufleuten in die Häuser gelegt

3

158

Schluß.

würden , und erhob eine bittere Anklage gegen die Schlaffheit, die Trägheit und den bösen Willen , wodurch es dahin hätte kommen können.

Aber auch ein kräftigeres Volk , als es unter

dem alten Regiment und seinen verkommenen Zuständen aufgewachsen war , hätte dieſe ſtets sich häufenden Greuel nicht überwunden ; ja , von ihnen ausgehend und genährt , hielten Krankheit und Tod bald unter den Bewohnern Leipzigs selbst eine reiche schreckliche Ernte.

Die namenlosen Leiden der Verwunde

ten, der Hunger, welcher unter den Gefangenen wüthete, erzeug= ten in kurzer Zeit eine pestartige Seuche, die von Haus zu Haus ihre Opfer forderte und als eines der ersten den edlen Reil ſelbſt hinraffte.

Eine regelmäßige Bestattung war nicht möglich ; in

Spitälern und Häusern wurden die Todten an Stricken vor die Thüre geschleift , große vierspännige Wagen holten sie an jedem Morgen ab; einem solchen, mit allen Zeichen der Verweſung an den Leichen , zu begegnen , war ein Unglück ; manche sind durch den bloßen Anblick von der Seuche befallen und auf's Sterbelager gestreckt worden.

Um Weihnachten waren wenige Fami-

lien, die nicht Trauer hatten.

Mitten in dem unermeßlichen

Jammer nahmen freilich Kauf und Verkauf ihren Weg, Gewinnſucht hielt ihre niedrige Ernte, und Stumpfsinn erstickte in vielen jede edlere Regung ; aber größer war doch die Menge der Barmherzigen und die helfenden , rettenden Hände hörten nicht auf, sich zu rühren.

Arndt , der in diesen Tagen nach Leipzig kam

und hier seine Schrift ,,der Rhein Deutschlands Strom , aber nicht Deutschlands Grenze“ schrieb , fand hier auch „ Deutschland und das allerbeste Deutschland " wieder.

Was von einem Ge-

schlechte geschehen konnte , das in der Entwöhnung von jeder großen öffentlichen Thätigkeit aufgewachsen war , geschah ; aber es war auch für starke Männer oft des Entseßens zu viel ; manche

Die Trophäen des Sieges .

159

ſind über die Greuel , die sie sehen mußten , auf lange Jahre in tiefen Trübfinn verfallen. 5. Doch es ziemt sich, nachdem wir des ganzen Opfers gedacht haben , welches der Sieg gekostet hat , daß wir auch seiner ganzen Größe gedenken. Sie findet freilich zuerst wieder in der Zahl der Opfer ihren Ausdruck.

Auf jeder Seite mögen über

50,000 Todte und Verwundete gewesen sein , darunter vielleicht 8 bis 10,000 Todte auf dem Schlachtfelde, ohne die Maſſe derer, die an Noth , Elend , Verkümmerung und Seuche in und außer Mit einiger Genauigkeit sind die Ver-

den Lazarethen ſtarben.

luſte nur bei den Preußen ermittelt ; sie betrugen bei dieſen in runder Zahl 16,000 M., bei den Ruſſen werden sie auf 22,000, bei den Oesterreichern auf 15,000, bei den Schweden auf 200 M. geschäßt, im Ganzen also bei den Verbündeten auf 52 bis 53,000 Mann.

Daß , wie die meisten deutschen Schriftsteller berichten,

Napoleons Verlust auf dem Schlachtfelde wesentlich geringer gewesen sein soll , hat keinen Grund.

Die Vortheile der Stellung

und des Gefechtes waren an keinem Orte und zu keiner Stunde so entscheidend auf seiner Seite ; wo ein Gefecht in Angriff und Vertheidigung hin und her ſchwankt, wie es bei Leipzig war, da pflegt es von beiden Seiten mit gleichen Opfern bezahlt zu werden ; nur wo ein Theil eine verschanzte Stellung oder beſſere Truppen hat oder im Kampfe selbst entscheidend siegt , können ſeine Verluste bedeutend geringer sein .

Von alledem hatte Na-

poleon bei Leipzig nichts für sich , vielmehr muß er, namentlich am 18. , wo er von den Verbündeten umfaßt war , durch das Artilleriefeuer schwerere Verluste erlitten haben , als seine Gegner.

Es ſtimmt auch damit zuſammen , daß er in allem 180

bis 190,000 Mann zur Schlacht geführt und höchstens 90,000 über die Elster zurückgebracht hat ; was den Verbündeten an

1

160

Schluß.

Gefangenen und Uebergegangenen zufiel, waren zuſammen gegen 40,000 ; es hat also die Schlacht selbst den Franzosen 50 bis 60,000 an Todten und Verwundeten gekostet. ihr Verlust an hohen Offizieren.

Sehr groß war

Der Marschall Fürst Ponia-

towski und 6 Diviſionsgenerale waren todt, die Marschälle Ney, Marmont und Macdonald und 12 Corps- oder Divisionsgenerale waren verwundet ; die Corpsgenerale Reynier und Lauriston , 6 Diviſions- und etwa 20 Brigadegenerale , darunter die Führer der ſächſiſchen , württembergiſchen, badischen und heſſiſchen Truppen , fielen den Siegern als Gefangene in die Hände.

Auf

Seite der letteren waren 2 Divisions- und 8 Brigadegenerale todt , der commandirende General , Erbprinz von Heffen -Homburg, 7 Diviſions- und 5 Brigadegenerale verwundet und 1 General gefangen.

Die Trophäen , welche die Verbündeten unmit-

telbar aus der Schlacht davontrugen , bestanden in etwa 370 Geschüßen , 130,000 Gewehren , 900 Munitions- und anderen Wagen; die Fahnen und Standarten, die ihnen im Kampfe und nachher mit 30,000 Gefangenen in die Hände fielen , wurden nicht gezählt.

Unter den Gefangenen waren auch die deutschen

Truppen des Rheinbundes , zwei Prinzen an ihrer Spiße ; ſie hatten zum leztenmale die Waffen für Frankreich geführt.

Sie

hatten mit Ehren ihre Pflicht als Soldaten gethan, anders wuß ten sie es nicht ; ja es blieb die Erinnerung an den Kaiser noch Jahrzehnde in ihren Reihen mächtig.

Doch hat der Zauber ſei-

nes Namens vor der mächtigeren Wirkung, die von den Feldern von Leipzig ausging, erbleichen müſſen.

6. Wir würden aber die Größe des Sieges nicht würdigen, wie sich's gebührt , wenn wir ihn bloß nach dem Erfolg messen wollten , der auf den Feldern bei Leipzig lag .

Nicht die Flucht,

in die der Feind unmittelbar im Kampfe selbst geworfen wurde,

Napoleons Nückzug und die Zerstörung seiner Armee. macht das Wesen dieser Schlacht aus , sondern

161

daß sie von

beiden Seiten mit der äußersten Anstrengung bis zur Grenze des Angriffes

und

des

Widerstandes

gefochten wurde.

Darum

zeigte sich erst nach der Schlacht , was für ein Sieg erſtritten war , erst nach der Schlacht trat allmählich die Zerstörung der feindlichen Macht hervor, und alles , was bis zum Rhein, ja über den Rhein hinaus geschehen ist, muß dem Siege bei Leipzig hinzugerechnet werden.

Napoleons Heer war wie ein Kämpfer,

der niedergeworfen ist , nachdem er die leßte Kraft , sich zu halten, daran gesezt hat.

Wir wissen , wie wenig Fürst Schwarzenberg

die Größe seines Sieges erkannte und glaubte , wie klein und langsam die Anordnungen zur Verfolgung waren , wie weit die Maſſen der Verbündeten gleich von Anfang hinter dem Rückzuge der Franzosen zurückblieben ;

dennoch war dieser Rückzug

eine fortgesette Zerstörung der französischen Armee.

Was noch

in fester militärischer Ordnung zuſammenhielt , wird auf höchſtens 60,000 Mann geschäßt ; über ein Viertel des ganzen Heereszuges war dem festen Kern voran , zur Seite oder im Rücken, in vollkommener Auflösung .

Diese Banden waren nicht dem

Feinde, nicht dem Lande , sondern nur

der

eigenen

Armee

furchtbar ; sie zogen alle , in denen die Zucht und der Muth zusammenzubrechen begannen, mit unwiderstehlicher Gewalt an, und so lösten sich täglich neue Glieder aus den geordneten Schaaren los.

Der Soldatenmund fand für dieſe Herabgekom-

menen, die troß ihrer Noth für keine Gewaltthat, keine Plünderung mehr die Kraft hatten ,

den neuen Namen Fricoteur.

Viele warfen die Gewehre weg , um leichter davon zu kommen , dennoch blieben Hunderte vor Erschöpfung am Wege liegen ; nur die Streifschaaren der Verbündeten, welche das fliehende Heer bald nach der Schlacht wieder erreichten , hatten die Macht, die Er11

Schluß.

162

matteten zu neuer Flucht aufzujagen.

Doch ergaben sich auch

Tausende ohne allen Widerstand ; ja viele baten förmlich , sie gefangen zu nehmen , um nur dem Hunger zu entgehen ; viele verkamen in ihrem Elende am Wege, ohne daß sich jemand ihrer annahm . Napoleon besorgte den Saalepaß bei Kösen durch die Verbündeten besezt zu finden und nahm daher den Umweg über Freiburg an der Unstrut ; dort hätte er keinen Feind gefunden, hier traf er auf York, gegen den er dann ein scharfes und verlustvolles Gefecht zu bestehen hatte.

Am 23. Oktober war er in Erfurt,

wo er Verstärkungen und Vorräthe fand.

Fürst Schwarzenberg

glaubte sogar jezt noch, sein Gegner beabsichtige neuen Widerstand, und sammelte sein Heer vorsichtig bei Weimar.

Allein

Napoleon brach schon am 25. wieder von Erfurt auf , ſeine Nachhut wurde noch einmal, den 26. Oktober, am Hörfelberge bei Eisenach von York hart mitgenommen ; dann war er nicht mehr zu erreichen.

Dafür vertrat ihm

jezt das österreichisch-

bayerische Heer unter General Wrede bei Hanau den Weg. Es kam zu einer Reihe von Gefechten vom 29. bis 31. Oktober. General Wrede hatte seine Maßregel nicht glücklich genommen ; er wurde am 30. Oktober mit großem Verlust geschlagen; Napoleon brach durch, doch hatte sein Heer einen neuen Stoß empfangen, erschütternder für ihn als das verlorene Treffen für ſeine Gegner.

In den ersten Tagen des November überschritt er bei

Mainz mit den Trümmern seines Heeres den Rhein.

Was noch

von Deutschen bei ihm gewesen war, hatte sich unterwegs von ihm abgelöst , aber auch seine Franzosen waren wie der Schnee zuſammengeschmolzen.

Die Straße seiner Flucht war mit Heer-

geräth aller Art bedeckt, und ein entseßlicher Zeuge der furchtbaren Erschöpfung und Zerrüttung war überall zurückgeblieben,

Napoleons Rückzug und die Zerstörung seiner Armee.

163

der Typhus , welcher in die durchzogenen Städte und Dörfer seine bösartigen Keime trug und in den nächsten Monaten einen großen Theil der Bevölkerung Mann mit 1000 Geschüßen

dahinraffte.

Gegen 400,000

hatte Napoleon unter seiner un-

mittelbaren Leitung seit Eröffnung des Feldzuges im freien Felde zur Verwendung gebracht; jeßt nach 3 Monaten führte er kaum 70,000 Mann erschöpfter , entmuthigter , vom Keim der Krankheit angesteckter Heerestrümmer mit vielleicht 200 Geſchüßen über den Rhein.

Seine Armee war vernichtet ; auch sein Genie ver-

mochte keine neue zu schaffen , die nur zur Vertheidigung von Frankreich genügt hätte.

Das war durch die Schlacht bei Leip-

zig geschehen , in welche die Erfolge aller Schlachten dieses Feldzuges wie in ihren gemeinsamen ſammenliefen.

Ziel-

und Mittelpunkt

zu-

7. Noch weit herrlicher aber als in Napoleons Niederlage spiegelt sich die Größe des Sieges in den Erfolgen, die jezt gleich einer überreichen Ernte nach langer schwerer Arbeit den Verbündeten in den Schooß fielen.

Der Rheinbund war gesprengt.

Bayern hatte sich, wie wir wissen, schon am 8. Oktober im Vertrage von Ried davon losgesagt ; seinem Vorgange folgten jezt , zu Anfang November ,

Württemberg ,

Baden , Hessen-

Darmstadt , Nassau , indem sie zu den Verbündeten hinübertraten und damit ihr Dasein retteten.

Im Königreich Westphalen erhob

sich das Volk ; noch am 22. Oktober verkündete die Polizei in der Hauptstadt Kassel einen Sieg Napoleons, am 26. verließ ſein Bruder , König Jerome , in heimlicher Flucht die Stadt. Bremen und das ganze Gebiet der Elb- und Wesermündungen war schon in den nächsten Wochen nach der großen Schlacht von der fremden Herrschaft befreit ; nur im unglücklichen Hamburg hielt Davoust ,

der es zur Festung umgeschaffen hatte , 11 *

noch mit

Degen

Schluß.

164

eiserner Strenge die französische Gewalt aufrecht.

Die Heere

erreichten unaufgehalten im Siegeszug in den ersten Wochen des November den Rhein und breiteten sich an dem schönen Strome aus , der so lange die Schmach der Knechtschaft getragen, nachdem er Jahrhunderte hindurch von deutscher Macht und Herrlichkeit gezeugt hatte.

Am 4. November war Fürst Schwarzen-

berg in Frankfurt, am 5. hielt Kaiser Alexander , am 6. Kaiser Franz seinen Einzug ; von allen Seiten kamen jeßt die Fürsten, die Feldherren ,

die Staatsmänner hier zusammen ,

über die nächste Zukunft zu halten. zu sagen:

um Rath

Um alles mit einem Worte

Deutschland war frei.

Zwar herrschten die

französischen Waffen noch in den deutschen Festungen an der Weichsel, der Oder und der Elbe ; allein die Tage ihrer Herrschaft waren gezählt , sie bonnten nur noch dazu dienen , den Glanz und die Früchte des großen Sieges zu vermehren. alten Gliedern des deutschen Reiches ,

Selbst

die ihm schon anderthalb

Jahrhunderte vor der allgemeinen Fremdherrschaft entfremdet oder entriſſen waren , brachten jeßt deutſche Waffen die Freiheit; noch vor Ende des Jahres hatten die Oesterreicher die Schweiz beseßt , die Preußen unter Bülow die französische Herrschaft in Holland gestürzt.

Die ersten Monate des nächsten Jahres aber

sahen die Vollendung und Besiegelung der befreienden That. In der Neujahrsnacht ging Blücher über den Rhein , die anderen Heere folgten ; am 31. März 1814 war der Siegeszug in Paris . Auch bis in diesen legten Erfolg reichten die mächtigen Wirkungen der großen Leipziger Schlacht.

Denn im Feldzug von 1814

trat ein großer Zwiespalt der Gedanken und Absichten hervor; besonders Desterreich suchte Frieden und widerstrebte immer aufs neue dem entscheidenden Vordringen zum legten Ziele.

Es soll

darum diesem Feldzuge und seinen Streitern von ihrer Ehre

165

Die Befreiung Deutschlands.

nichts genommen werden, aber der Kampf wäre nicht gewonnen worden , wenn nicht bis zu dem Grade , wie es wirklich geschah, Napoleons Heeresmacht bei Leipzig zertrümmert war.

Nie, ſo-

weit die beglaubigte Geschichte zurückreicht , sind so große Opfer, ist ein so gewaltiger Streit an einen Sieg gesezt worden , aber alle Opfer , die der Sieg kostete ,

alle

furchtbaren

blutigen

Schatten , die sich ihm entrangen , waren doch nicht zu groß für seinen Preis . 8. Das war die Völkerschlacht von Leipzig , die Schlacht der Befreiung , die Schlacht der Sühne.

In sieben Jahren der

Knechtschaft, der Erniedrigung und der Schmach waren die tausend Jahre des deutschen Reiches und der deutschen Nation zum Traum geworden.

Aus einem Munde , der wie ein Propheten-

mund in jenen Tagen war , aus dem Munde des großen Predigers Schleiermacher ist es uns bezeugt , was dieſe ſieben Jahre waren.

,,Es hatte sich der Gemüther die trostlose Vorstellung

bemächtigt , die lebendige geistige Kraft des Volkes ſei ganz erschöpft und die Stunde des

völligen

Unterganges

da ;

die

Schlaffheit, die Entnervung, die Feigherzigkeit waren übermächtig geworden , viele erwarteten von einem Tage zum anderen die gänzliche Auflöſung unseres eigenthümlichen Daſeins und ſannen nur noch, wie man sich am bequemsten fügen könne dem fremden Joche." Da, als das Volk zu den Waffen griff, brach das blutige Morgenroth des neuen Tages herauf, und blutig hat sich's auf den Feldern von Leipzig erfüllt.

Was eben noch ein

Traum gewesen, stieg wieder als Wirklichkeit herauf: als die Bilder des wilden großen Streites vorüber waren , da war die fremde Herrschaft gebrochen , der Fuß des Eroberers aus der deutschen Grenze gewichen , da standen nicht mehr Deutsche gegen Deutsche in Waffen .

Was in jenen Tagen durch das Herz

.166

Schluß.

alles Volkes ging , das hat der Dichter in unvergeßliche Worte gegossen: ,,Nicht unser Arm , nicht unser Arm, Dein Schrecken schlug der Feinde Schwarm ; Wir fochten zwar mit frischem Muth, Wir gaben willig Fleisch und Blut ; Du aber hast die Christenheit Zur rechten Zeit und Stund' befreit. Des Drängers volle Schale fank, Als ihm ins Ohr dein Donner klang ; Nun liegen wir im Staube hier, Herr Gott , Herr Gott , wir danken dir ; Das ganze Deutſchland weint und lacht, Die Freiheit ist ihm wiederbracht. Wofür der Herr am Kreuze starb, Was uns der Väter Kraft erwarb, Das haben wir , das halten wir ; Herr Jesu Christ , wir danken dir, Wir wollen ewig dich erhöhn , Daß wir den großen Tag geſehn, Dich, Tag der Sühne , Tag des Herrn ; Wie feurig schien dein Morgenstern !” Es sind deutsche Worte , die auch heute noch mit dem Klang der Muttersprache zu unserem Herzen dringen , aber in der Fülle von Dank und Jubel , die sie ausströmen , sind sie uns heute dennoch unaussprechlich.

Man muß dabei gewesen sein, man

muß es erlebt haben : diese Jahre der Knechtschaft , diese Monate des Schwankens und Schwebens , ob nicht aller Streit und alle Opfer vergebens wären , und diesen Sieg.

Das Volk, und in

dem Volke jeder Einzelne, war sich selbst , seinem Recht und Besit, seiner Sprache, seinem Namen, seiner Ehre wiedergegeben ; wie vom Hauche Gottes waren die Geister von der Ahnung berührt , daß die Gedanken Gottes nach aller Mühe und Arbeit, die es ihm die Jahrhunderte hindurch gekostet , doch noch auf ein lebendes deutsches Volk gerichtet seien.

Was der Sieg war und was er heute für uns iſt.

167

Wohl war es ein Tag der Befreiung , aber es war auch ein Tag der Sühne : „ Du Tag der Sühne , Tag des Herrn, Wie feurig schien dein Morgenstern !" Niemals hat sich so gewaltig in einem einzigen Bilde das Zeichen der

Gottesgerichte ausgeprägt ,

Völker abbilden.

welche die Geschicke der

Die alte Schuld und Sünde kam nachwirkend

an dem großen Tage auf einmal zur Erscheinung. Das Schwert des Auslandes mußte im Kampfe mitwerben , damit Deutschland vom Auslande frei werde ;

deutsche Waffen mußten noch

einmal wider einander stehen ;

die volle Frucht des Kampfes

wurde nicht gewonnen , weil das eine der zwei großen deutſchen Heere , die ihn schlugen , nicht das volle Herz dazu mitbrachte ; die Macht, der Deutschland alles preisgegeben hatte bis zum Daſein, ſie konnte nur mit der leßten Einſeßung des Daseins selbst überwunden werden.

Es hat den schwankenden, unerschöpflichen

Streit gekostet , es hat alle Schrecken und alle Opfer gekostet, die ihn begleiteten und die ihm folgten, bis die Genugthuung erfüllt war.

Der Streit war die Sühne , eine Sühne von Gott,

zur Strafe und Züchtigung , zur Gerechtigkeit und zur Erhebung.

Wohl war es ein feuriger Aufgang des Morgensterns

über einem Tage des Herrn. Und heute?

Was haben wir von den Saaten des großen

Tages geerntet, was hat sich von seinen Verheißungen erfüllt? Noch waren kaum drei Jahre vorüber , da klagte aus dem Munde des Dichters die Stimme des Geistes :

,,Nicht rühmen kann ich, nicht verdammen, Untröstlich ist's noch allerwärts.“ Und Jahr um Jahr verhallte eine Glocke des Festgeläutes nach

168

Schluß.

der anderen , erlosch eine Flamme des Feuermeeres nach der anderen , sank eine Hoffnung des großen Tages nach der anderen dahin.

Sie sagen , das hätten die Fürsten gethan , die

ihr Wort dem Volke nicht gehalten haben; aber auch die Fürsten und ihre Räthe hätten es nicht thun können , wenn es nicht auch das Volk gethan hätte.

Oder was hätten uns alle zuſammen,

die sich zwischen die Throne und die Völker drängten, gethan, wenn wir die Freiheit und die Manneswürde , wenn wir das Recht und das gemeine Wesen so geliebt hätten , wie wir sollten ?

Was wollen wir unseren Vätern von unserem Streit und

unseren Opfern sagen, wenn sie von ihrem Streit und von ihren Opfern zu uns reden?

Konnte alle Arbeit um ein neues

Deutschland so unfruchtbar sein, wenn nicht in allem Volk und allen Stämmen der alte Geist der Eifersucht und der Selbstsucht umging, der das Recht und den Willen des Einzelnen über das Recht und den Willen des Ganzen sezt?

Aus der Tiefe

unſeres eigenen Wesens, aus der Tiefe unſerer Geſchichte ſind die bösen Geister wieder aufgestiegen.

Wir haben uns Jahr-

zehnde hindurch wieder dem Machtwort des Auslandes gebeugt, wir haben unsere beiden Großſtaaten wieder in jeden großen Handel mit ungleichem Herzen gehen ſehen , wir haben in jeder großen Frage reichlich wieder den Streit von Deutschen gegen Deutsche erfahren , wir haben auch daheim bei uns ſelbſt wieder den Geist bewiesen, der nur auf den nächsten kleinen eigenen Nußen sieht.

Nicht erst in jenen sieben Jahren der Fremdherr-

schaft sind die bösen Geiſter erwachſen ; sie haben in Deutſchland die Kraft eines weit höheren Alters .

Wir dachten und lebten,

als wäre es genug für alle Zeit mit der einen Sühne auf den Feldern von Leipzig ; und doch ist selbst die ewige Sühne , die Gott von seinem eingeborenen Sohne angenommen hat , nur



Was der Sieg war und was er heute für uns ist.

169

dem Menschen als die Erfahrung der Kraft Gottes verheißen, der den Willen Gottes thun will. Erst nach fünfzig Jahren war wieder wie einst das Festgeläute, das Flammenmeer, der Jubel des Volkes .

Es rauschte

und klang wie aus dem Worte des Dichters : „ Doch sah ich manches Auge flammen, Und klopfen hört' ich manches Herz." War es der flüchtige Rausch und Klang der Stunde oder war es echt und bleibend ? Wer weiß es ? Aber das Eine wissen wir : wie des Herrn Hand über den Propheten kam und ihn im Geist auf das Feld voll todter Gebeine führte , so ist sie auch über das deutsche Volk gekommen und hat es über das Feld von Leipzig geführt. Es ist wieder eine Zeit der Entscheidung gekommen. Wie dort an den Propheten , so geht an das deutsche Volk die Frage : „ meinst du auch , lebendig werden?"

daß diese Gebeine wieder

Und wo wie dort die Antwort allein auf

den Herrn vertraut , da wird es auch geschehen.

Es wird ſein,

als richteten sich die Streiter jener Tage wieder auf und als käme Odem in ſie und ,,ein sehr großes Heer.“

als stünden sie vor unseren Augen :

Druck von C. P. Melzer in Leipzig.

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1 Stunde.

Haynichen