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German Pages 950 Year 1975
HERIBERT FRANZ KÖCK
Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls
Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls Dargestellt an seinen Beziehungen zu Staaten und internationalen Organisationen
Von
Herihert Franz Köck
DUNCKER & HUMBLOT I
BERLIN
Der Verfasser, Heribert Franz Köck, Dr. iur. (Wien), M. C. L. (University of Michigan, Ann Arbor), ist Dozent am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Universität Wien.
Alle Rechte vorbehalten
@ 1975 Dunelter & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1975 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03855 8
Stephan Verosta zugeeignet
Vorwort
Die kirchliche Präsenz im internationalen Bereich ist ein Phänomen, das sich je nach dem Vor-Urteil des Betrachters prima facie als entweder merkwürdig oder aber doch bemerkenswert darstellt. Der institutionalisierte Einbruch des Religiösen in den profanen Bereich zwischenstaatlicher Beziehungen hat schon seit jeher, seit sich die Wissenschaft des Problems der Beziehungen zwischen Kirche und Staat bewußt geworden ist, Anlaß zu Untersuchungen gegeben, deren Ergebnisse sich nicht selten in zu politischen Zwecken tauglichen Stellungnahmen niedergeschlagen haben. Viele dieser Untersuchungen haben darunter gelitten, daß sie das Phänomen der internationalen Stellung des ID. Stuhls isoliert, ohne tieferes Verständnis für- und damit ohne ausreichenden Bezug aufden im ursprünglichen Sinn des Wortes eigentümlichen Charakter der katholischen Kirche betrachtet haben. Die spezifische internationale Präsenz der Kirche ist aber nicht zu Unrecht mit der aus dem Wasser ragenden Spitze des Eisbergs verglichen worden, während die Fülle der Präsenz der Kirche in der Welt den Eisberg in seiner Gesamtheit ausmacht. Wer daher nur die Spitze des Eisbergs betrachtet, dabei aber nicht den ganzen Eisberg in Betracht zieht, wird leicht zu Schlüssen verleitet sein, deren Ergebnisse mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Der Verfasser der vorliegenden Untersuchung war daher bemüht, die internationale Stellung des Hl. Stuhls unter ständigem Hinblick auf Wesen und Aufgabe der Kirche in der Welt schlechthin zu erarbeiten. Da es sich bei der vorliegenden Untersuchung aber um eine völkerrechtliche handelt, war dem Verfasser als Ausgangspunkt ebenso ein völkerrechtlich relevanter Sachverhalt vorgegeben wie als Ziel eine völkerrechtlich relevante Aussage. Die völkerrechtliche Stellung des Hl. Stuhls ist ein Problem, das zwar auch den Theologen und Kirchenpolitiker, das aber in erster Linie den Völkerrechtler angeht. Und er kann diese Priorität um so eher beanspruchen, je mehr er bereit ist, für einschlägige Vorfragen die Auskunft des fachgeschulten Theologen und Kanonistensei es auf dem Gebiet der Fundamentaltheologie, der Kirchengeschichte oder des Kirchenrechts - einzuholen und dessen Aussagen in die eigene Untersuchung einzubeziehen.
VIII
Vorwort
Der Verfasser war bei der vorliegenden Untersuchung bestrebt, eine möglichst umfassende Darstellung der die völkerrechtliche Stellung des Hl. Stuhls berührenden Aspekte zu geben. Die Arbeitsweise mußte sich aus Gründen der Verschiedenartigkeit des dem Verfasser vorliegenden Materials in beträchtlichem Maße hinsichtlich des Ersten und Zweiten von jener hinsichtlich des Dritten Teiles unterscheiden. Während sich der Verfasser bei der Behandlung der Beziehungen des Hl. Stuhls zu den internationalen Organisationen (Dritter Teil) nämlich in weitem Umfang auf nicht-ediertes, von ihm selbst zustandegebrachtes Dokumentenmaterial stützen mußte, lag ihm für die Darstellung der Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten (Zweiter Teil) und für jenen Abschnitt des Ersten Teiles, der sich mit der Abgrenzung des geistlichen vom weltlichen Aspekt des Hl. Stuhls befaßt, nicht nur eine beträchtliche Zahl bereits edierter Dokumente vor, sondern auch eine geradezu unübersehbare Flut einschlägigen Schrifttums, dessen Bogen sich von der wissenschaftlichen Untersuchung bis zur polemischen Streitschrift spannt, so daß er sich hier mit einigen ergänzenden Archivstudien (im HHStA, Wien) begnügen konnte. Zur Erfassung des Schrifttums dienten dem Verfasser neben den Bibliotheken in Wien hauptsächlich die Bibliothek im Palais des Nations in Genf, jene des Raager Friedenspalastes und vor allem die Biblioteca Apostolica Vaticana in Rom, denen noch die Bibliothek der Universität Genf und - für bestimmte Vorarbeiten - die hervorragende International Law Library der Law School der University of Michigan, Ann Arbor, anzufügen sind. Die Privatbibliothek von Prof. Msgr. Giuseppe Damizia, Konsultor der Sakramentenkongregation, Mitglied der Apostolischen Signatur und der Päpstlichen Kommission für die Codexrevision, ermöglichte dem Verfasser vor allem eine rasche und weitgehend komplette Einsicht in die Literatur des ius publicum ecclesiasticum. Trotz der sich auf diese Weise erschließenden Fülle an Literatur hat der Verfasser es einerseits nicht für seine Aufgabe gehalten, eine vollständige Bibliographie der die völkerrechtliche Stellung des Hl. Stuhls berührenden Arbeiten zu erstellen, noch wäre ihm dieses möglich gewesen, weil eine Reihe von in der Literatur genannten Schriften auch in den genannten Bibliotheken nicht zustandegebracht werden konnten. Andererseits war der Verfasser aber doch bemüht, dem Charakter der Arbeit als einer möglichst umfassenden Darstellung des behandelten Problems entsprechend jene Literatur anzugeben, die einen raschen und fundierten Einstieg in die jeweilige Frage erlaubt. Zu diesem Zweck hat der Verfasser zu wesentlichen Punkten Literaturanmerkungen gegeben, in denen mit der Formel "Lit. (hiezu)" auf das einschlägige Schrifttum bzw. auf bestimmte Bibliographien verwiesen ist. Soweit sich der Verfasser dieses Schrifttum nicht selbst zugänglich machen konnte, wurde die betreffende Arbeit in dem der Untersuchung angeschlossenen Literaturverzeichnis mit einem Asteriskus (*) versehen. Das gleiche gilt
Vorwort
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für Schriften, auf die sonst in der Arbeit verwiesen ist, ohne daß sie der Verfasser aus technischen Gründen einsehen konnte. In diesem Fall ist stets jenes Werk genannt, dem der Verfasser den entsprechenden Hinweis entnommen hat. Auf diese Weise ist dem Leser, der sich u. U. nach seinen lokalen Gegebenheiten anderer als der vom Verfasser benützten Bibliotheken bedienen kann, der Hinweis auf Literatur, die letzterem nicht zugänglich war, durchaus aber nicht bedeutungslos sein muß, nicht vorenthalten. Gleichzeitig erhielt das der vorliegenden Untersuchung angeschlossene Literaturverzeichnis dadurch den Charakter einer ausgewählten Bibliographie, wobei die Auswahl neben dem Ermessen des Verfassers allerdings auch - und zwar bei dem dem Verfasser nicht zugänglichen Schrifttum- von der Einschätzung desselben und seiner Heranziehung durch andere Autoren abhängig war. Die vorliegende Untersuchung ist von der rechts- und staatswissenschaftliehen Fakultät der Universität Wien im Wintersemester 1974/75 als Habilitationsschrift für das Fach "Völkerrecht" angenommen worden. Die nunmehrige Drucklegung der Arbeit bietet mir willkommenen Anlaß, allen jenen zu danken, die zu ihrem Zustandekommen direkt oder indirekt beigetragen haben. Hier drängt es mich vor allem, meiner Ehrerbietung für den Altmeister der Wiener Schule des Völkerrechts und der Rechtsphilosophie, Herrn emer. o. Univ.Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Alfred Verdroß, Ausdruck zu verleihen; seiner Vorlesung aus Rechtsphilosophie, die ich als Student noch hören zu dürfen das Glück hatte, und seinem richtungsweisenden völkerrechtlichen Schrifttum bin ich in allen meinen Aussagen zu rechtswissenschaftliehen Grundsatzfragen zutiefst verpflichtet. Besonderen und sehr herzlichen Dank schulde ich Herrn o. Univ.Prof. Dr. Karl Zemanek, Vorstand am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Universität Wien, der nicht nur dem Thema der vorliegenden Untersuchung von Anfang an großes Interesse entgegengebracht und mir stets gerne Gelegenheit gegeben hat, im fachlichen Gespräch mit ihm verschiedene in Zusammenhang mit der Arbeit aufgetauchte Probleme zu erörtern, sondern der mir durch seine Empfehlung auch die Möglichkeit eröffnet hat, in praktischer Tätigkeit für den Hl. Stuhl auf internationalem Parkett unschätzbare Erfahrungen für meine Untersuchung zu sammeln. Die Teilnahme an zahlreichen internationalen Konferenzen und Tagungen als Mitglied der Delegationen des Hl. Stuhls hat mir Gelegenheit gegeben, mit hervorragenden Vertretern der päpstlichen Diplomatie in Kontakt zu treten. Hier darf ich in erster Linie den langjährigen Apostolischen Nuntius in Österreich, Erzbischof Opilio Rossi, nennen, der meine Forschungen über die völkerrechtliche Stellung des Hl. Stuhls stets mit Interesse verfolgt und durch Empfehlungen an hohe Persönlichkeiten des
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Vorwort
vatikanischen Staatssekretariats wesentlich erleichtert hat. Nach Kräften unterstützt hat meine Arbeit auch der frühere Nuntiaturrat in Wien und gegenwärtige Apostolische Pro-Nuntius in Thailand, Erzbischof Giovanni Moretti. In besonderer Weise muß ich aber in diesem Zusammenhang meiner Dankesschuld gegenüber dem derzeitigen Ständigen Vertreter des Hl. Stuhls bei IAEA und UNIDO, Msgr. Oriano Quilici, gedenken, der nicht nur meinen Forschungen in Rom in wirkungsvoller Weise den Weg ebnen geholfen und mir in vielen ernsten wie heiteren Gesprächen Einblick in die verschiedensten Aspekte der Tätigkeit des Hl. Stuhls im internationalen Bereich gegeben, sondern mich auch durch seine in mehrjähriger verantwortungsvoller gemeinsamer Tätigkeit gewachsene Freundschaft ausgezeichnet hat. Dem Substituten im vatikanischen Staatssekretariat, Erzbischof Giovanni Benelli, und dem Sekretär des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche, Erzbischof Agastino Casaroli, danke ich für die Förderung meiner Forschungen im Rahmen ihres Amtsbereiches; in unmittelbarer Weise wurde ich dabei von den Monsignori Renato Martino und AchiHe Silvestrini unterstützt. Ersterem habe ich auch dafür zu danken, daß er mir Eingang bei Professor Damizia verschafft hat, dem ich für die Benützung seiner Privatbibliothek verpflichtet bin. Für wertvolle Hinweise danke ich auch dem früheren Ständigen Beobachter des Hl. Stuhls beim Büro der Vereinten Nationen und den Spezialorganisationen in Genf und gegenwärtigen Generalsekretär des päpstlichen Rates Cor unum, P. Henri de Riedmatten OP. Durch die Erlaubnis, die Biblioteca Apostolica Vaticana auch außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten benützen zu dürfen, hat ihr Präfekt, Prof. P. Alfons M. StickZer SDB, meine Arbeit in Rom wesentlich erleichtert. Schließlich gilt mein besonderer Dank auch jenen Ständigen Vertretern des Hl. Stuhls bei den verschiedenen internationalen Organisationen, die mir im Korrespondenzwege wertvolle Auskünfte im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit gegeben haben, und den Beamten bei diesen internationalen Organisationen, die mir bei der Durchsicht der Archive beigestanden und meine Forschungstätigkeit auch sonst auf jede erdenkliche Weise gefördert haben. Sie alle im einzelnen zu nennen, erlaubt der mir hier zur Verfügung stehende Raum leider nicht. Was Anregungen für meine wissenschaftliche Arbeit- auch über den Bereich der vorliegenden Untersuchung hinaus - anlangt, so ist es mir Bedürfnis, meinem lieben Freund und Kollegen, Herrn Univ.Doz. Dr. Peter Fischer, zu danken, mit dem mich neben einer langjährigen Tätigkeit am Wiener Völkerrechtsinstitut auch die Überzeugung verbindet, daß die Arbeit auf selbst sehr verschiedenen Forschungsgebieten eine gemeinsame Auffassung in Grundfragen nicht ausschließt, sondern vielmehr durch ein fortdauerndes Bemühen um eine solche stets nur bereichert werden kann.
Vorwort
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Herr Dr. Peter ReichZ, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Völkerrecht, hat sich in aufopferungsvoller Weise um die Zustandebringung der reichhaltigen einschlägigen Literatur bemüht, wofür ich ihm auf das herzlichste danke. Dank schulde ich schließlich auch Frau Professor Ruth Dawson von der University of Hawaii für die freundliche Durchsicht des der vorliegenden Untersuchung beigegebenen English Summary. Andere Personen, die sich um die Durchführung und Fertigstellung der vorliegenden Arbeit verdient gemacht haben, müssen leider ungenannt bleiben. Mein Dank gilt ihnen aber ebenso wie meinen Eltern, die in jeder Weise, nicht zuletzt auch finanziell, die Fertigstellung meiner Untersuchung unterstützt haben. Hier danke ich auch dem Theodor KörnerStiftungsfonds für die Zuerkennung eines Förderungspreises für diese Arbeit, und dem Verein der Freunde der rechts- und staatswissenschaftliehen Fakultät der Unversität Wien für einen Beitrag zu den Herstellungskosten 'der mehrfachen Ausfertigung des Manuskripts zur Vorlage an die Habilitationskommission. In diesem Zusammenhang darf ich deren Vorsitzenden, Herrn o. Univ.Prof. Dr. Herbert Hausmaninger, Dekan der rechts- und staatswissenschaftliehen Fakultät der Universität Wien im Studienjahr 1974175, und ihren Mitgliedern, den Damen und Herren Universitätsprofessoren Dr. Ingeborg Gampl, DDr. Rudolf Hoke, Dr. Stephan Verosta und Dr. KarZ Zemanek, meinen schuldigen Dank zum Ausdruck bringen, soweit dies nicht in diesem Rahmen auch noch anderweitig geschieht. Herrn Senator h. c. Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann, Inhaber des Verlages Duncker & Humblot, bin ich dafür zu besonderem Dank verpflichtet, daß er sichtrotz des großen Umfanges der vorliegenden Arbeit gerne bereitgefunden hat, sie in sein Verlagsprogramm aufzunehmen. In diesem Zusammenhang habe ich den Herren Universitätsprofessoren Bundesrat Dr. Herbert Schambeck von der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz und Dr. Bruno Simma von der Universität München für ihre freundliche Vermittlung zu danken. Schließlich danke ich auch Herrn D. H. Kuchta von der Abt. Herstellung des Verlages Duncker & Humblot für die in Zusammenhang mit der Drucklegung aufgewendete vielfältige Mühe.
Die vorliegende Arbeit ist Herrn o. Univ.Prof. Dr. Stephan Verosta gewidmet. Als er 1962 das Amt eines Österreichischen Botschafters in Warschau mit dem eines Professors für Völkerrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Wien vertauschte, war ich unter den ersten Hörern seiner völkerrechtlichen Vorlesungen und später Teilnehmer an
XII
Vorwort
den von ihm abgehaltenen Seminaren. Als Vorstand am Institut für Völkerrecht und internationale Beziehungen holte er mich 1965 an dieses als seinen Assistenten. Als Lehrer und väterlicher Freund hat er seither meinen wissenschaftlichen Weg mit Wohlwollen verfolgt. Die Anregung zur vorliegenden Arbeit stammt von ihm. Sie ihm zu widmen, ist daher nicht mehr als ein bescheidener Ausdruck meines Dankes. Wien, im Frühjahr 1975
Heribert Franz Köck
Inhaltsverzeichnis ERSTER TEIL Grundlagen
1
Erstes Kapitel: Fragestellung und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Zweites Kapitel: Gegenstandsabgrenzung in institutioneller und historischer Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
I. Begriffsabgrenzung
11
II. Allgemeine Betrachtungen zur Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
III. Die Abgrenzung des Hl. Stuhls von anderen nichtstaatlichen Völkerrechtssubjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
IV. Die Abgrenzung der geistlichen von der weltlichen Souveränität des Hl. Stuhls in historischer Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
A. Die römische Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
1. Die römische Frage bis zum Ende des Kirchenstaates . . . . 2. Das Ende des Kirchenstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Haltung der beteiligten Staaten und die Position der übrigen Mächte (die Staatenpraxis) . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Ende des Kirchenstaates in der Völkerrechtslehre
53 63
3. Einzelfälle aus den völkerrechtlichen Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten zwischen 1870 und 1929 . . . . . . . . a) Aus der italienischen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus der französischen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Nuncius-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Lösung der römischen Frage. Die Schaffung des Staates der Vatikanstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 84 89 89 121 134 136
B. Der Staat der Vatikanstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
C. Das Staatssekretariat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
D. Das päpstliche Paßwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
Inhaltsverzeichnis
XIV
ZWEITER TEIL
Völkerredltlidle Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten
171 ....
173
I. Von den Anfängen bis zum Endes des Kirchenstaates (1870) . . . .
173
11. Das "doppelte" diplomatische Korps in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207
Ill. Das Gesandtschaftsrecht des Hl. Stuhls und das italienische Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
250
Drittes Kapitel: Der Hl. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechts
IV. Das Gesandtschaftsrecht des Hl. Stuhls nach dem Lateranvertrag 261 V. Die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen des Hl. Stuhls seit 1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
B. Sonderfragen im Zusammenhang mit den diplomatischen Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. 2. 3. 4. 5.
Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Die Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Die Sowjetunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
C. Die Wiener Konferenz über diplomatische Beziehungen von 1961 und das Gesandtschaftswesen des Hl. Stuhls . . . . . . . . . . 285 D. Die heutige Organisation des Gesandtschaftswesens des Hl. Stuhls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
308
Viertes Kapitel: Der HZ. Stuhl als Subjekt des Vertragsrechts . . . . . . . . . . .
311
I. Die nicht-konkordatären Verträge des Hl. Stuhls . . . . . . . . . . . . .
312
II. Diekonkordatären Verträge des Hl. Stuhls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
316
A. Das Institut des Konkordats in seiner geschichtlichen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
318
B. Der Rechtscharakter der Konkordate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
332
1. Die Konkordate als Verträge unter Gleichen . . . . . . . . . . . .
340
Inhaltsverzeichnis
XV
2. Die Konkordate als völkerrechtliche Verträge in der Rechtsüberzeugung der beiden Vertragspartner . . . . . . . . . 343 3. Die Registrierung von Konkordaten als völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 4. Die Konkordate in der Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389
C. Der Vertragspartner der Staaten bei Konkordaten . . . . . . . . .
395
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
403
Fünftes Kapitel: Die Wahrung der Rechtsposition des HZ. Stuhls im Spannungsfeld zwischen Staat und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
405
I. Versuche zur Entinternationalisierung der Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Hl. Stuhl................................. 405 A. Der Gallikanismus
405
B. Der Josephinismus
408
C. Die Frage des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat in der febronianischen und nachfebronianischen Diskussion . . . . . . . 411 1. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
411
2. Die innerkirchliche Krise: der Febronianismus . . . . . . . . . .
414
3. Die Bewältigung der febronianischen Krise durch die neue Wissenschaft vom Ius Publicum Ecclesiasticum . . . . . . . . 417 D. Das gegen den Hl. Stuhl eingesetzte staatskirchenrechtliche Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 1. Das Plazet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
423
2. Der Appel comme d'abus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
424
E. Der Liberalismus ("illiberalismo giuridico") . . . . . . . . . . . . . . . .
426
F. Die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . .
429
1. Der Faschismus in Italien und Deutschland . . . . . . . . . . . . . .
429
2. Der Kommunismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
431
II. Der internationale Schutz der Menschenrechte als Faktor der Wahrung der Unabhängigkeit der Kirche (des Hl. Stuhls) . . . . . 438 111. Die Sanktionen der Kirche (bzw. des Hl. Stuhls) . . . . . . . . . . . . . . .
449
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
454
Sechstes Kapitel: Die besondere Friedensfunktion des HZ. Stuhls . . . . . . . .
459
XVI
Inhaltsverzeichnis DRITTER TEIL
Völkerrechtliche Beziehungen des Hl. Stuhls zu den internationalen Organisationen
479
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
479
Siebentes Kapitel: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Konferenzen als Vorstufe institutionalisierter Zusammenarbeit . . . . . . . . . .
483
Achtes Kapitel: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an technischen Organisa-
tionen..............................................................
487
I. Der Hl. Stuhl und das internationale Telegraphenwesen . . . . . . .
488
Il. Der Hl. Stuhl und das internationale Postwesen . . . . . . . . . . . . . .
495
III. Der Hl. Stuhl und der Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . .
499
IV. Der Hl. Stuhl und der internationale Tourismus . . . . . . . . . . . . . .
507
Neuntes Kapitel: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen, humanitären und wissenschaftlichen Organisationen und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
511
I. Der Hl. Stuhl und der Internationale Weizenrat . . . . . . . . . . . . . . .
511
II. Der Hl. Stuhl und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 III. Der Hl. Stuhl und der Fortschritt der Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517
A. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 B. Das Internationale Handelszentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
522
C. Die Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
524
D. Populorum progressio und die innerkirchlichen Bemühungen um die Entwicklungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 IV. Der Hl. Stuhl und die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
535
V. Der Hl. Stuhl und die Internationale Arbeits-Organisation . . . .
552
VI. Der Hl. Stuhl und das Flüchtlingswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
572
Inhaltsverzeichnis VII. Der Hl. Stuhl und die Weltgesundheitsorganisation
XVII 585
VIII. Der Hl. Stuhl und das Internationale Komitee für Militärmedizin und -pharmazie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 IX. Der Hl. Stuhl und das Rote Kreuz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
595
X. Der Hl. Stuhl und das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
613
Zehntes Kapitel: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisa-
tionen.............................................................
615
I. Die Raager Friedenskonferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
616
II. Der Hl. Stuhl und der Völkerbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
620
A. Der erste Weltkrieg und die Gründung des Völkerbunds . . .
620
B. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und dem Völkerbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 646 C. Die einzelnen Fälle von Kontakten zwischen dem Hl. Stuhl und dem Völkerbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 1. Die Intervention Benedikts XV. bei der Völkerbundver-
sammlung zugunsten des notleidenden russischen Volkes 2. Das Problem der Kleinasien-Flüchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Schutz der religiösen Minderheiten in Rumänien und Jugoslawien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Palästina-Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Frage der Kalenderreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Anti-Sklaverei-Abkommen 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Straßenverkehrskonvention 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Der Kampf gegen den Frauen- und Kinderhandel . . . . . . . 9. Sonstiger Schriftverkehr zwischen dem Hl. Stuhl und dem Völkerbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
652 654
680
III. Der Hl. Stuhl und die Organisation der Vereinten Nationen . . . .
686
656 657 659 667 672 673
A. Die vom Hl. Stuhl während des zweiten Weltkriegs zum Problem der institutionellen Friedenssicherung eingenommene Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686 B. Die Gründung der OVN und die Haltung des Hl. Stuhls . . . .
698
C. Die OVN und der Hl. Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
704
1. Die Beurteilung der OVN in kirchlichen Enunziationen . .
704 719
2. Der Hl. Stuhl und die Internationalisierung Jerusalems .
XVIII
Inhaltsverzeichnis 3. Der Ständige Beobachter des Hl. Stuhls bei der OVN . . . . 4. Die Terminologie der Präsenz des Hl. Stuhls . . . . . . . . . . .
729 732
IV. Der Hl. Stuhl und die Internationale Atomenergie-Organisation 733 Elftes Kapitel: Der Hl. Stuhl und die europäische Einigung . . . . . . . . . . . . .
740
I. Der Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
741
II. Die Europäischen Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
744
Zwölftes Kapitel: Der Hl. Stuhl und die internationalen Organisationen - Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
750
I. Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
753
II. Teilnahme durch Ständige Beobachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
757
III. Teilnahme durch Ständige Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
762
IV. Die Teilnahme an internationalen Organisationen in Form freier Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
763
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
764
Ergebnis
773
Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
777
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
791
Verzeichnis der zitierten Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
845
Verzeichnis der kirchlichen Dokumente und Außerungen . . . . . . . . . . . . . .
847
Personenverzeichnis
849
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
867
Abkürzungsverzeichnis AAS ABAJ
Acta Apostolicae Sedis American Bar Association Journal
Abs. ADPILC AELE
Absatz Annual Digest of Public International Law Cases Association europeenne de libre echange Annuaire fran!;ais de droit international American Journal of Comparative Law American Journal of International Law Archiv für katholisches Kirchenrecht Anmerkung(en)
AFDI
AJCL AJIL AkKR Anm. AnnaliDI AöG APh Arch. Art., art.
ASS Aufl. Ausg. AV(R) Bd(e). BDGVR bes. betr. bez. BGBl. BIT BIRPI BRD B.-VG. BYIL bzw. c. can(s).
Annali di diritto internazianale Archiv für Österreichische Geschichte Archiv für Philosophie Archiv(e) Artikel, article(s) Acta Sanctae Sedis Auflage(n) Ausgabe Archiv des Völkerrechts Band, Bände Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht besonders betreffend bezüglich(e, er) Bundesgesetzblatt Bureau International du Travail Bureaux internationaux reunis pour la protection de la propriete industrielle, litteraire et artistique Bundesrepublik Deutschland Bundesverfassungsgesetz British Yearbook of International Law beziehungsweise chapter canon(es)
XX CanßR CanYIL CCIC CEE CENTO CIC CISC CIDSE CNUCED CornelliLJ CornellLQ
Abkürzungsverzeichnis Canadian Bar Review, The Canadian Yearbook of International Law Comite catholique international de coordination aupres de l'Unesco Communaute economique europeenne Central Treaty Organization Codex Iuris Canonici Confederation internationale des Syndicats chretiens Cooperation internationale pour le developpement socioeconomique Conference des Nations Unies pour le commerce et le developpement Cornell International Law Journal
CTS
Cornell Law Quarterly der, die, das, etc. Consolidated Treaty Series
DDR dens. ders. dgl.
Deutsche Demokratische Republik denselben derselbe dergleichen
d.h. DJZ Doc(s). DocCath
dasheißt Deutsche Juristenzeitung Dokument(e) Documentation Catholique
Doss. EA EB ECA ECAFE ECE ECLA EG
Dossier Europa-Archiv Encyclopaedia Britannica Economic Commission for Africa Economic Commission for Asia and the Far East Economic Commission for Europe Economic Commission for Latin America Europäische Gemeinschaft(en)
d.
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
ERP
European Recovery Program
EURATOM
Europäische Atomgemeinschaft
FAO f., ff.
folgende
Food and Agriculture Organization
FW
Friedens-Warte
GA
General Assembly
GAOR
General Assembly Official Records
Abkürzungsverzeichnis GATT gern.
gemäß
General Agreement on Tariffs and Trade
GJICL
Georgia Journal of Internationaland Comparative Law
GS
Generalsekretär
HCR HHStA
High Commissioner for Refugees Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien
HKG HI., hl.
Handbuch der Kirchengeschichte
Hrg., hrg. Hvhbg.
Herausgeber, herausgegeben
H(h)eilig(e, er) Hervorhebung
IAEA
International Atomic Energy Agency
ibid.
eben da
IC.T
International Court of Justice
IDB
Industrial Development Board
i. e. S.
im engeren Sinn
i. K. g.
in Kraft getreten
IKRK
Internationales Komitee vom Roten Kreuz
ILC
International Law Commission
ILM
International Legal Materials
ILO
International Labor Organization
IG
Internationaler Gerichtshof
Ind. syst. IntOrg
Index systematicus International Organizations
i.
im Sinn International Telecommunications Union
s.
ITU i. w.
s.
im weiteren Sinn
IUOTO
International Union of Official Travel Organizations
JAIL
Japanese Annual of International Law, The
JB
Juristische Blätter Journal de droit international prive
JDIP
JOSN Kap.
Journal officiel de la Societe des Nations
lat.
lateinisch(e, er)
lit.
Buchstabe am angegebenen Ort
loc. cit. LN
Kapitel
LNTS
League of Nations League of Nations Treaty Series
LTK
Lexikon für Theologie und Kirche
MichLRev MinnLRev
Michigan Law Review Minnesota Law Review
XXI
XXII
Abkürzungsverzeichnis
Msgr. NATO NCE NdsGVBl. NF No(s)., n. NRGdT
Monsignor(e) North Atlantic Treaty Organization New Catholic Encyclopaedia Niedersächsisches Gesetzes- und Verordnungsblatt NeueFolge Nummer(n) Nouveau Recueil General de Traites
NRT ÖAKR OCIPE OIR ÖJZ op. cit. Orig. Oss. Rom. OVN ÖVP ÖZA ÖZöR
Nouvelle Revue Theologique österreichisches Archiv für Kirchenrecht Office catholique d'information pour l'Europe Organisation internationale pour les refugies Österreichische Juristen-Zeitung im angegebenen Werk Original L'Osservatore Romano Organisation der Vereinten Nationen Österreichische Volkspartei Österreichische Zeitschrift für Außenpolitik Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Punkt Permanent Court of International Justice Patrologia latina Patrologia graeca Pontifex Maximus Protestantsand Other Americans United Preußische Jahrbücher Propyläen W el tgeschich te quaestio Recueil des Cours de l'Academie de droit international de LaHaye Revue de droit international Revue de droit international et de lE~gislation comparee Revista Espafiola del Derecho Internadonai Resolution Reichsgesetzblatt Revuegenerale de droit international public Die Religion in Geschichte und Gegenwart Römische Historische Mitteilungen Revista internazianale di scienze sociali e discipline ausiliarie Rivista di diritto internazianale Revue politique et parlementaire Seite(n) South East Asia Treaty Organization
P.
PCIJ PL PG Pont. Max. POAU PrJB PropWG qu. RdC RDI RDILC REDI Res. RGBl. RGDIP RGG RHM RISS DA RivDI RPP
s.
SEATO
Abkürzungsverzeichnis Sect. Ser.
Section
sog.
sogenannt(e, er)
Sp.
Spalte
SPÖ
Sozialistische Partei Österreichs Sicherheitsrat
SR StiG
XXIII
Serie(s)
Ständiger Internationaler Gerichtshof Süddeutsche JZ = Süddeutsche Juristen-Zeitung Suppl. Supplement SVN
Satzung der Vereinten Nationen
TransactGrS
Transactions of the Grotius Society
u.a.
unter anderem und andere(s) mehr
u.a.m. UN UNCIO
United Nations
UNCTAD
UNIDO
United Nations Conference on Trade and Development United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United Nations Industrial Development Organization
UNTS
United Nations Treaty Series
UNRIAA UNSCOP
United Nations Reports on International Arbitral Awards
UPU
Universal Postal Union United States
UNESCO
u.s.
United Nations Conference on International Organization
United Nations Special Committee on Palestine
usf.
und so fort
VB VBP
Völkerbund Völkerbundpakt
VBR
Völkerbundrat
VBV
Völkerbundversammlung
Verf. vgl.
Verfasser
VK
vergleiche Vereinigtes Königreich
VR
Völkerrecht
VRÜ
Verfassung und Recht in Übersee
VSt
Vereinigte Staaten
WDK
Wiener Diplomatenkonvention
WHO
World Health Organization
WIPO
World Intellectual Property Organization
WKK
Wiener Konsularkonvention
WSR
Wirtschafts- und Sozialrat
XXIV
wv
WVK
YBILC YBintO(rg) ZaöRV z.B. z.b.V. ZevKR Zif. ZIR Zit., zit. ZKT
zv
ZöR
Abkürzungsverzeichnis Wörterbuch des Völkerrechts Wiener Vertragsrechtskonvention Yearbook of the International Law Commission Yearbook of International Organizations Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel zur besonderen Verwendung Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Ziffer Zeitschrift für internationales Recht Zitat, zitiert Zeitschrift für katholische Theologie Zeitschrift für Völkerrecht Zeitschrift für öffentliches Recht
ERSTER TEIL
Grundlagen Erstes Kapitel
Fragestellung und Methode Die vorliegende Untersuchung ist der internationalen Stellung des
In. Stuhls, des obersten Organs der katholischen Kirche 1 , gewidmet. Daß die katholische Kirche durch den In. Stuhl jedenfalls faktisch
auf der internationalen Ebene eine gewisse Rolle spielt, darf wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Wie diese Rolle aber rechtlich zu bewerten ist, darüber gehen bis heute die Meinungen weit auseinander2• Im Zusammenhang mit der auf reiner Beobachtung gegründeten Feststellung eines internationalen Aufscheinens der Kirche erhebt sich die grundlegende Frage nach der Legitimation des In. Stuhles, gleich den Staaten und in unmittelbarem Zusammenwirken oder in Konfrontation mit ihnen eine internationale Rolle zu spielen. Zur Beantwortung dieser Frage wird sowohl historisch als auch dogmatisch vorzugehen sein. Die Tradition des päpstlichen Gesandtschaftsrechts und der Konkordate wie auch die Geschichte der Teilnahme des In. Stuhls an internationalen Organisationen wird das Material liefern müssen, alll welchem die dogmatischen ÜberlE>gungen über die völkerrechtliche Stellung des In. Stuhls aufbauen können. Es handelt sich demnach hier um eine Untersuchung auf dem Gebiet des Rechts, im besonderen des VölkerrechtS. Der in Frage kommende RechtsbE'griff soll aber weder zu eng noch isoliert erfaßt werden. Nicht zu eng, weil er neben dem völkerrechtlichen Vertragsrecht und dem 1 Zur Begräfsbestimmung und der Frage des Verhältnisses von Kirche und Hl. Stuhl vgl. unten, Zweites Kapitel, I. 2 Kunz, .,The Status of the Holy See in International Law", 30 RDISPD (1952), S. 243, spricht von "an astanishing lack of knowledge and understanding of the legal problern of the status of the Holy See in internationallaw. Even in the professional literature on international law in English this problern is either neglected or very briefly and sornetimes inaccurately handled; the sarne is true in sorne German treatises. On the other hand, there are full and correct discussions in French, Italian and German studies written before 1929 or after".
1 Kllck
2
1. Kap.: Fragestellung und Methode
Völkergewohnheitsrecht auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze 3 mit-
umfaßt4; nicht isoliert, weil er nicht nur auf das Völkerrecht, sondern auch auf andere Rechtsordnungen anwendbar sein muß. Anderes wäre beim vorliegenden Gegenstand, der neben völkerrechtlichen auch kirchenrechtliche und staatsrechtliche Aussagen notwendig macht, nicht sinnvoll, ja nicht möglich, wollte man sich nicht von vornherein dem Versuch versagen, die verschiedenen genannten Rechtsordnungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, und zwar nicht bloß materiell in Form einer inhaltlichen Harmonisierung, sondern auch formell im Sinne einer rechtlichen Integration5 • Der Rechtsbegriff, der dies leisten soll, darf daher nicht a priori so eingeengt sein, daß er definitionsgemäß eine der drei genannten Rechtsordnungen ausschließt. Er hat vielmehr in dieser Hinsicht offen zu sein. Die Auseinandersetzung zwischen Dualismus und Monismus, um die Trennung oder Verbindung von staatlichem Recht und Völkerrecht, hat Juristengenerationen (zum Teil leidenschaftlich) bewegt6 • Die Entartung einzelstaatlicher Rechtsordnungen und ihre Sühne auf über8 Im Sinne des Art. 39, Zif. 1, lit. c, Statut des IG. ' Auf das Verdienst von Verdroß, die große Bedeutung der allgemeinen Rechtsgrundsätze als einer der Völkerrechtsordnung immanenten, unbedingt zugehörigen besonderen Rechtsquelle gegenüber dem Positivismus verteidigt, dessen doktrinäre Haltung in der völkerrechtlichen Rechtsquellenlehre überwunden und damit die realistische Rechtsquellenlehre des positiven Völkerrechts erneuert zu haben, weist Verosta, "Die allgemeinen Rechtsgrundsätze in der Staatenpraxis", 5 ÖJZ (1950), S. 101-105, hin. ZumProblem der allgemeinen Rechtsgrundsätze vgl. weiters noch Zemanek, Staatslexikon I (6. Aufl. 1957), Sp. 255 ff., und Jaenicke, "Völkerrechtsquellen", WV III (2. Aufl. 1962), S. 766 - 775, bes. 770 - 771. Die Einbeziehung der allgemeinen Rechtsgrundsätze unter die Völkerrechtsquellen macht es möglich, auch in der vorliegenden Untersuchung empirisch vorzugehen, in Unterordnung unter ein Postulat Winklers, nach welchem "Rechtswissenschaft, vor allem als Rechtsdogmatik und Rechtstheorie ... eine empirische Wissenschaft" zu sein hat (Wertbetrachtung im Recht und ihre Grenzen [1969], S. 8); eben weil das geltende Völkerrecht sich nicht im (notwendig lückenhaften) Vertrags- und GewohnheitsrEcht erschöpft, sondern die von den einzelnen Staaten weltweit positivierten Rechtsgrundsätze mitumgreift. So auch Fischer, Die internationale Konzession (1974), s. 357 ff. 5 " ••• wenn man beide [Völkerrecht und staatliches Recht] als gleichzeitig geltende Ordnungen verbindlicher Normen ansieht, so kann man das gar nicht anders als indem man beide, auf die eine oder die andere Weise, in einem, in widerspruchslosen Rechtssätzen beschreibbaren System begreift." Kelsen, "Die Einheit von Völkerrecht und staatlichem Recht", 19 ZaöRV (1958), S. 234. 6 Als die klassischen Darstellungen des Dualismus in der Völkerrechtslehre können Triepel, Völkerrecht und Landesrecht (1899) und Anzilotti, Il diritto internazianale nei giudizi interni (1905) angesehen werden. Vgl. dazu Walz, Völkerrecht und staatliches Recht (1933), und Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht (1967). Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Dualismus u. a. bei Verdroß, Völkerrecht, 5. Aufl. 1964 (mit zahlreichen Literaturhinweisen), S. 111 bis 115. Vgl. jüngst auch dessen Auseinandersetzung mit der neodualistischen Position Rudolfs in "Die normative Verknüpfung von Völkerrecht und Staatsrecht", Festschrift Merk! (1970), S. 425 ff.
1. Kap.: Fragestellung und Methode
3
staatlicher Rechtsgrundlage während und nach dem zweiten Weltkrieg7 sowie der rasche Ausbau der internationalen Zusammenarbeit in der Folgezeit hat hier einen gewissen Wandel geschaffen; besonders dort, wo diese Zusammenarbeit institutionalisiert und zur Supranationalität8 integriert wurde, hat es die Praxis der Regierungen° wenn nicht für notwendig, so doch für praktiscll erachtet, einen streng dualistischen Standpunkt und einen gewissen Vorrang des Völkerrechts vor dem staatlichen Recht zuzugestehen10 • Ein solcher ist auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz 1968/69 sogar feierlich erklärt worden11 • 7 Vgl. das Londoner Viermächteabkommen vom 8. August 1945 und The Charterand Judgment of the Nürnberg Tribunal, History and Analyses. Memorandum submitted by the Secretary General to the UN General Assembly, International Law Commission, 1949. 8 Zur Frage der Supranationalität vgl. statt vieler Zemanek, "Supranationale Institutionen", Staatslexikon VII (6. Aufl. 1962), Sp. 894 ff., und Jaenicke, "Supranationale Organisation", WV III (2. Auft.1962), S. 423-428. 8 Nicht immer haben andere Staatsorgane, denen ein gleichermaßen unmittelbarer Kontakt mit der innerstaatlichen und der internationalen Wirklichkeit versagt ist, hier mit den Regierungen Schirtt gehalten. Dies gilt vor allem für die Gerichte. Als cause celebre kann in diesem Zusammenhang auf Costa v. ENEL, Sentenze e Ordinanze della Corte Costituzionale (1964), S. 64 ff., 87 Foro Italiano I (1964), S. 465 ff., und 116 Giurisprudenza Italiana I (1964), S. 516 ff., verwiesen werden, wo der italienische Verfassungsgerichtshof den Vorrang späteren innerstaatlichen vor europäischem Gemeinschaftsrecht aussprach. Die herangezogene Begründung, die Verletzung eines Vertrages, auch wenn sie die staatliche Verantwortlichkeit auf völkerrechtlichem Gebiet nach sich ziehe, könne nicht der innerstaatlichen Gültigkeit eines widersprechenden Gesetzes Abbruch tun, ist insofern typisch dualistisch, als der italienische VerfassungsgeriChtshof hierzu nicht durch den eindeutigen Wortlaut der italienischen Verfassung gezwungen war, sondern aus zwei diskutablen Möglichkeiten die völkerrechtsunfreundlichere, d. h. jene auswählte, die das innerstaatliche Recht eine sich selbst genügsame Ordnung sein läßt. (Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften verwarf in der Folge die Auffassung des italienischen Verfassungsgerichtshofs und sprach den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem innerstaatlichen [vor- und nachgehenden] Recht der Mitgliedstaaten aus. Vgl. Fall 6/64 [Costa v. ENEL], 10 Recueil [1964], S. 1141 ff.) Vgl. Stein-Hay, Law and Institutions in the Atlantic Area (1967), S. 200- 211. Ermacora, Allgemeine Staatslehre (1970), S. 196, hält ganz allgemein in diesem Zusammenhang die noch fortbestehende Praxis, die von der dualistischen Theorie ausgehe und die anderen Rechtsordnungen nur als Faktum ansehe, für "den Tribut, den die Theorie an die Wirklichkeit zu leisten hat". 10 Vgl. Ermacora, Allgemeine Staatslehre (1970), S. 355: " ... Die Lehren vom Primat des Völkerrechts und dem des staatlichen Rechts konkurrieren. Welcher Grundanschauung auch immer man sich anschließen möge, so wird man sich nicht der Einsicht verschließen können, daß die Staatengemeinschaft im gesamten mit immer steigenden Vollmachten auftritt und daß immer mehr ursprünglich staatliche Angelegenheiten im Rahmen von Staatengemeinschaften besprochen werden, daß vor allem jene Staaten, in denen klassische Souveränitätsvorstellungen geboren wurden- die Mitgliedstaaten des Europaratesin zunehmendem Maße bereit sind, Souveränitätsrechte aufzugeben ... Dem Souveränitätsbegriff ist die Begrenzung durch das Völkerrecht immanent geworden." Vgl. in diesem Zusammenhang auch Art. 46 (2) WVK, der die Zulässigkeit selbst verfassungsrechtlicher Einreden gegen das Zustandekommen eines Vertrages letztlich am Völkerrecht mißt.
1*
4
1. Kap.: Fragestellung und Methode
Gemessen an diesem praktischen Fortschritt zeigt sich die Rechtswissenschaft konservativer; die traditionellen Untersuchungsbereiche
"Völkerrecht" einerseits und "Landesrecht" andererseits bleiben in den überwiegenden Fällen noch getrennt, ein Punkt in welchem sich die kontinentaleuropäische Rechtsauffassung12 von der anglo-amerikanischen nicht unwesentlich unterscheidet13• Ist ein solcher "Betrachtungs-Dualismus" schon an und für sich nicht unbedenklich, so ist er ganz ungeeignet für die Erkenntnis einer Institution, die, wie der Kirche, nicht bloß zufällig, sondern notwendig in enger Beziehung sowohl zum Völkerrecht als auch zum staatlichen Recht steht. Wer die "vom Standpunkt des Völkerrechts aus" dargestellten Analysen dieser Institution (bzw. des ID. Stuhls) mit jenen vergleicht, die eineru Art. 27, 1. Satz: "A party may not involke the provisions of its internallaw as justification for its failure to perform a treaty." 12 Vgl. dazu Winkler, "Der Verfassungsrang von Staatsverträgen", 10 (NF) öZöR (1959/60), S. 534: "Dualismus und Monismus, Primat des innerstaatlichen oder des Völkerrechts, sind theoretische Grundkonzeptionen, die vor dem ausdrücklichen Wortlaut einer geltenden und wirksamen Verfassung für innerstaaaiche Belange keinen Aussagewert haben. Vom staatsrechtlichen Standpunkt gesehen, ist der Staatsvertrag nur eine abgeleitete Rechtsquelle. Er gilt nur in den verfassungsgesetzlich vorgeschriebenen Formen und nur kraft ausdrücklicher Zulassung durch die Verfassung." (Hervorhebung vom Verf.) Zum Problem der Schulverschiedenheiten allgemein vgl. Lauterpacht, "The So-called Anglo-American and Continental Schools of Thought in International Law" 12 BYIL (1931), S. 31 - 62. 13 Vgl. schon Blackstone, Commentaries on the Law of England IV (1765), Kap. V: "The law of nations .•• is here adopted, in its full extent, by the common law, and is heldtobeapart of the law of the land." Dazu Holdsworth, "Relation of English Law to International Law", 26 MinnLRev (1942), S. 141 ff., und Lauterpacht, "Is International Law a Part of the Law of England?" 26 TransactGrS (1939), S. 51 ff. Für die Vereinigten Staaten vgl. u. a. Dickinson, "The Doctrine of lncorporation of International Law into the Law of the Land", 26 AJIL (1932), S. 239 ff., sowie ders., "The Law of Nations as Part of the National Law of the United States", 101 UPaLRev (1952), S. 26 ff. Die früheste gerichtliche Bezugnahme auf diese Frage im Dictum des Lordkanzlers Talbot in Barbuit's Case (1735), Cases t.Talb. (1735), S. 280: "The Law of nations ... in its fullest extent was and formed part of the law of England." Vgl. aber für eine Annäherung der englischen an die kontinentale Auffassung Commercial and Estate Co. of Egypt v. Board of Trade (1925), 1. K.B.S. 271, S. 295, sowie Chung Chi Cheung v. The King (1939), A.C.S. 160, auf S. 167 - 168. Für die Vereinigten Staaten vgl. Richter Grays Dictum in The Paquete Habana, The Lola, 175 U.S. U900), S. 677 ff.: "Internationallaw is part of our law, and must be ascertained and administered by the courts of justice of appropriate jurisdiction, as often as questions of right depending upon it are duly presented for their determination." Von "our own law, I mean, the common law, of which the law of nations is a part" hatte schon Richter Iredeli in Talbot v. Janson, 3 Dall. S. 133 ff., auf S. 161 (U.S. 1795), gesprochen. Für die im 20. Jahrhundert sich auch in den Vereinigten Staaten bemerkbar machende Unsicherheit über die Rechtsgrundlage einer Anwendung von Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich vgl. Sprout, "Theories as to the Applicability of International Law in the Federal Courts of the United States", 26 AJIL (1932), S. 280 ff., der fünf verschiedene diesbezügliche Theorien erwähnt. Zum Vorstehenden ausführlich Bishop, International Law (3. Aufl. 1971), S. 78 ff.
1. Kap.: Fragestellung und Methode
5
seits "vom Standpunkt des innerstaatlichen Rechts", andererseits "vom Standpunkt des Kirchenrechts aus" eingenommen werden, wäre ohne ein ihm zu Hilfe kommendes entsprechendes Vorverständnis kaum in der Lage, den gleichen Gegenstand im Lichte der verschiedenen Betrachtungsweisen wiederzuerkennen. Tatsächlich mag es kaum eine andere Institution geben, die von den jeweiligen Standorten aus gesehen so verschiedene Züge aufweist. Kirchenrechtlich eine vollkommene Gemeinschaft und Rechtssubjekt iure divino 14 , wird sie völkerrechtlich vielfach als ein Phänomen sui generis betrachtet, um sich schließlich nicht selten im staatlichen Bereich zu einem (bestenfalls privilegierten) Verein degradiert zu sehent 5• So hat die Kirche im internationalen Bereich keine Ähnlichkeit mit der im innerstaatlichen Bereich und umgekehrt. Dies ist, angesichtsder Einheit der Institution, ein Unding. Die Erkenntnis der grundsätzlichen Unabhängigkeit der Kirche vom Staat macht sie zum potentiellen Rechtssubjekt der internationalen als einer erweiterten zwischenstaatlichen Ordnung, das diesen Charakter durch die typischen völkerrechtlichen Beziehungente zu den Staaten17 und den internationalen Organisationente aktualisiert und damit seine Rechtssubjektivität als Völkerrechtssubjekt demonstriert. Ohne eine zufriedenstellende Grundlegung der im Spannungsfeld der Beziehungen zwischen Kirche und Staat auftretenden Probleme bleibt der völkerrechtliche Niederschlag einer Rechtssubjektivität der Kirche (des Hl. Stuhles) merkwürdig, ja unverständlich, und ist derart auch von nicht wenigen völkerrechtlichen Autoren charakterisiert wordent 9 , nicht selten mit dem Hinweis, hier handle es sich um eine pietätvoll bewahrte, aber sonst ganz und gar ungereimte historische Reminiszenz an das Mittelalter. Umgekehrt ist aber auch eine Untersuchung der positiv-völkerrechtlichen Beziehungen der Kirche (des Hl. Stuhls) unentbehrlich, und zwar nicht nur als Ausgangspunkt einer vollen theoretischen Erfassung ihres rechtlichen Status. Die volle internationale Wirklichkeit der kirchli14 Can. 100 § 1 CIC: "Catholica Ecclesia et Apostolica Sedes moralis personae rationem habent ex ipsa ordinatlone divina; ..." 15 So anerkennt Kelsen, Allgemeine Staatslehre (1925), S. 136, zwar einerseits "die sog. völkerrechtliche Persönlichkeit des Papstes" - wenngleich nur "[a]ls ein[enl historischernJ Rest des ehemaligen katholfschen Kirchenstaates" -, weshalb "die Möglichkeit von völkerrechtlichen Verträgen zwischen dem Papst und Einzelstaaten anerkannt werden [müsse]", doch habe "[i]m übrigen ... die katholische Kirche nach geltendem positiven Rechte nur jene Stellung, die ihr innerhalb der einzelstaatlichen Rechtsordnung gemäß dem System der Trennung von Staat und Kirche oder jenem der Privilegierung der religiösen Vereine zukommt." (Hervorhebung im Original.) 1e Vgl. unten, Zweiter Teil, Einleitung. 17 Vgl. unten, Zweiter Teil. 1e Vgl. unten, Dritter Tell. 11 Vgl. unten, Zweites Kapitel, III, Anm. 57.
1. Kap.: Fragestellung und Methode
6
chen Beziehungen zeigt sich ja erst in den eigentlich-positiv-völkerrechtlichen. Auch ist dies der Bereich, in dem sich die Kirche gerade in unserem Jahrhundert- denken wir an den Bereich der internationalen Organisationen - ein neues Betätigungsfeld multilateraler Beziehungen neben den traditionellen bilateralen eröffnet hat. Es ist in wissenschaftlichen Werken fast allgemein üblich geworden, eingangs etwas über die angewandte Methode zu sagen. Allerdings spielen Methodenfragen in der Völkerrechtswissenschaft bisher nur eine be~cheidene Rolle - aus welchen Gründen, bleibe dahingestellt20 • Soweit dies als Mangel empfunden wird, kann diesem auch in der vorliegenden Untersuchung nicht abgeholfen werden. Was die hier angewandten Methoden anlangt, so geht der Verfasser davon aus, daß der Gegenstand dem Untersuchenden vorgegeben ist, nicht etwa erst von ihm erzeugt werden muß 21 • Er tut dies, weil er keinen anderen Weg 20
Eine der wenigen dieses Thema behandelnden Arbeiten ist jene von
Schüle über die "Methoden der Völkerrechtswissenschaft", 8 AVR (1959/60), S. 129- 150. Der Autor bekennt, daß "[ü)ber Methoden der Völkerrechtswissen-
schaft zu sprechen, ... einen schwachen Punkt dieser Wissenschaft aufzugreifen [bedeutet]. Denn die heutige Völkerrechtswissem:chaft verfügt nicht, leider noch immer nicht, über wohlbegründete, ausgereifte und gesicherte Erkenntnisverfahren, die bei Anlegen strenger Maßstäbe als ,Methoden im eigentlichen Sinn' angesehen werden können. Noch weniger besitzt sie eine Methodenlehre, deren Sache es wäre, die etwa in Frage kommenden Erkenntnisverfahren als Ganzes zu erfassen sowie sie untereinander in bezug zu setzen, voneinander abzugrenzen, ihre Anwendungsmöglichkeiten zu prüfen, und was dergleichen mehr ist ... [Es] herrscht in dieser Hinsicht innerhalb der Völkerrechtswissenschaft eine ziemliche Stille, oder, wenn man härter urteilen will, so etwas wie eine Grabesstille." (Ibid. S. 129). Vgl. daneben noch dens., "Völkerrechtswissenschaft, Methoden der", WV III (2. Auft. 1962), S. 775 -781; Castberg, "La methodologie du droit international public", 43 RdC (1933), S. 313 ff., und Sauer, "Zur völkerrechtlichen Methode", Mensch und Staat in Recht und Geschichte, Festschrift für Kraus (1954), S. 163 ff. Neben verschiedenen Hinweisen auf Methodenfragen in einzelnen Gesamtdarstellungen des Völkerrechts finden sich solche auch etwa bei Truyol y Serra, "Doctrines contemporaines du droit des gens", 54 RGDIP (1950), S. 369-416, und 55 RGDIP (1951), S. 199-236, und bei Kunz, "Die nordamerikanische Völkerrechtswissenschaft seit dem Weltkrieg", 14 ZöR (1934), S. 318-351, sowie "Der heutige Stand der Wissenschaft und des Unterrichts des Völkerrechts in den Vereinigten Staaten", 7 (NF) ÖZöR (1956), S. 401-427. Vgl. auch den methodischen Teil in Ginthers Die Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen gegenüber Drittstaaten (1969), S. 26 ff. Zur Methodenproblematik der dem Völkerrecht nahestehenden internationalen Beziehungen vgl. jüngst Neuhold, "Moderne Methoden in der Wissenschaft der internationalen Beziehungen", 10 ÖZA (1970), S. 287-314. Im übrigen darf füglieh bezweifelt werden, ob es eine besondere "völkerrechtliche" Methode oder Methoden neben den allgemeinen juristischen gibt; eher wohl völkerrechtliche Akzentuierungen derselben. Auch für den Völkerrechtler kann daher verwiesen werden auf Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (2. Auft. 1969), sowie Zippelius, Einführung in die juristische Methodenlehre (1971).
21 In diesem Zusammenhang weist Hippel, Allgemeine Staatslehre (2. Auft. 1967), S. 130, darauf hin, daß die "Möglichkeit" eines Gegenstandes nicht davon
abhänge, ob dieser in das vom Autor zu seiner Erfassung zurechtgelegte rationale Schema passe. "Vielmehr zeigt sich hier die im Positivismus so häufige ...
1. Kap.: Fragestellung und Methode
7
sieht, die von ihm untersuchten Phänomene sinnvoll zu erklären, sinnvoll nämlich nicht unter diesem oder jenem hypothetisch angenommenen Gesichtspunkt, sondern sinnvoll unter dem Gesichtspunkt der Wirk-
lichkeit22.
Ist es aber Aufgabe der Wissenschaft, den Gegenstand in seiner Wahrheit zum Sprechen kommen zu lassen 23 , d. h., erklärend zum Verständnis der Wirklichkeit, nicht bloß irgendeiner gedanklich vorgestellten Möglichkeit beizutragen, ist also von der Wirklichkeit auszugehen, so ist es klar, daß nicht die Methode den Gegenstand, sondern der Gegenstand die Methode bestimmt, mit der Sanktion, daß bei Anwendung einer inadäquaten Methode keine Aussagen über die Wirklichkeit getroffen werden können. Erschließt sich der Gegenstand aber nur bei Anwendung der adäquaten Methode, so wirkt er insoweit als Korrektiv, den Untersuchungen stets zu dieser adäquaten Methode zwingend durch den Umstand, daß andernfalls die getroffenen Aussagen gar nicht zum untersuchten Gegenstand, sondern zu einem Phantom gemacht sind, das allenfalls entfernte Ahnlichkeit mit der Wirklichkeit aufweist, ihr aber nicht entspricht24 • Prüfstein dafür, ob die angewandte Methode adäquat war oder nicht, ist daher nicht ihre übereinstimmung mit einem bestimmten aprioristischen Postulat21, sondern lediglich die TatVerwechslung des ontologischen mit dem noetischen Bereich und also des Gegenstandes mit der Vorstellung von diesem. Offenbar aber muß sich für ein Verfahren, das von Tatsachen auszugehen meint, die Vorstellung nach dem Gegenstand richten." 22 Vgl. Herzog, Allgemeine Staatslehre (1971), S. 92: "Um ein Bild des [Gegenstandes] zu erhalten, das annähernd den Anspruch auf Realitätsbezogenheit erheben kann, ... muß [einerseits] eine möglichst präzise Beschreibung des Gegenstandes, vor allem aber seiner wesentlichen Eigenschaften und Funktionsweisen, angestrebt werden, und auf der anderen Seite muß nach dem Zweck gefragt werden, den der Gegenstand ... erfüllt." (Hervorhebung im Original.) 23 Vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode (2. Aufl. 1960), S. XXVII. 24 Vgl. Herzog, Allgemeine Staatslehre (1971), S. 91: "[Die] Art der Fragestellung ist es, die eigentlich der Kritik unterzogen werden muß, und nlcht sosehr die Art der Antwort ... Sie ist, überspitzt formuliert, jener ... Fragestellung ebenbürtig, die das 19. und beginnende 20. Jahrhundert vielfach kennzeichnete und die es, um nur dieses eine Beispiel zu nennen, der Anthropologie ermöglichte, den Begriff des Menschen jahrzehntelang aus irgendwelchen Besonderheiten seines Knochenbaues zu definieren, statt auf die Art seiner Lebensführung, vor allem aber seine kulturellen und zivilisatorischen Leistungen abzustellen. Aus dieser Art der Fragestellung können für den, der nicht nur irgendwelche Systeme aufstellen, sondern hinter das Wesen der Dinge zu kommen wünscht, nur Scheinantworten erwachsen." (Hervorhebung im Original.) 25 und sei es jenes nach Methodenreinheit. Zur Forderung der Methodenreinheit in der Rechtswissenschaft vgl. vor allem Kelsens Reine Rechtslehre (2. Aufl. 1960), S. 1 und passim; deren Hauptniederschlag in seinen Hauptproblemen der Staatsrechtslehre (Ausg. 1960), S. XVII, und in seiner Allgemeinen Staatslehre (1. Aufl. 1925), aber auch in völkerrechtlichen Arbeiten, so den Principles of International Law (2. Aufi. 1967) und selbst in seinem Kommentar zur Sat-
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1. Kap.: Fragestellung und Methode
sache, ob das gewonnene Resultat in der Lage ist, die Wirklichkeit, so wie sie sich darbietet, zu erklären. Wenn daher alle untersuchten Phänomene eines bestimmten Gegenstandes widerspruchslos erklärt werden konnten, war die angewandte Methode adäquat; sind dagegen solche Phänomene mit dem gewonnenen Resultat nicht entsprechend erklärt, war die Methode unzureichend. Der Gegenstand ist nicht dann umfassend beschrieben, wenn er unter Anlegen einer bestimmten Methode vollkommen ausgeschöpft ist - denn dann ist er immer nur unter einem einzelnen Aspekt ausge~chöpft - , sondern wenn er keine Seite mehr zeigt, die noch nicht erkannt ist und in ein einheitliches Erklärungssystem gebracht wurde!8 • Damit wird die Wirklichkeit zum eigentzung der Vereinten Nationen, The Law of the United Nations (1951). Vgl. dort das ,.Preface on Interpretation", S. XIII- XVII. Kelsen wurde, weil seine Methode, ,.[dlie von ihm auf seine Weise genflegte transzendentale Logik in der Rechtstheorie ... nicht voll gegenstanrlsadäquat fist]" (Wink7er. Wertbetrachtung im R~"cht und ihre Grenzen [19671, S. 16), Immer wieder kritisiert. u. a. jün~>st f'usführlich von Leiminger, Dte Problematik c'ler Reinen Rechtslehre (1!lfl7\. Er hat sich dageJ!en bis kurze Zeit vor seinem Tod stets literari!'ch zur \Vehr ~eset7t: vgl. u. a. ,.Eine ,Realistil'che' und eine R 1ne Rr.ht!'lehre. Bemerkungen 7U Alf Ro!'s: On Law and Justke". 10 fNFl ÖZöR (1968). S. 1-35. wo er dar?uf re!'tf•ht, die Reine Rechtslehre sähe den Be!ITiff des Rechts nicht als einen .. flktiven Denkbehelf" an. sondern als eine ,.existente Zwan~sordnung mf'n!'chHchen Verhaltens". Eine Kritik an der mf'+honolol!:ischen Seite c'ler Reinen Rechtslehre von zivllistl!'cher Sf'ite her hat Bydlinski. ,.Gesetzeslücke, § 7 ABGB nnd die .Reine Rf'chtslehre"'. Fest!"C'hrift Franz Gschnit?er, herausg. von Faistenberger und Mayrhofer (1969), S. 101 -116 gegeben. Vgl. in diesem Zus?mmenh?ng auch das Schlußwort Schwinds auf dem ÖRterreichischen Juristentag 1973, Verhandlungen des -, Bd. II, Referate (1974), VI. Vgl. dazu den zusammenfassenden Bericht bei Machold in 29 JZ (1974), S. 67 ff., auf S. 70. ~ Einen Überblick über die Auseinandersetzungen mit und um Kelsen gibt Walter, "Kelsens Rechtstheorie im Spiegel rechtsphilosophischer Diskussion in Österreich", 18 (NF) ÖZöR (1968), S. 331 ff. Vgl. auch Schild, "Die zwei Systeme der Reinen Rechtslehre", Wiener Jahrbuch für Philosophie 1971, S. 150 ff. Ein Sonderproblem behandelt Verosta, "Rechtsgeschichte und Reine Rechtslehre: zugleich ein Beitrag zum Problem der Beziehungen zwischen Faktizität und Normativität", Law, State and Intern. Legal Order, Essays in Honor of Hans Kelsen (1964), S. 348 ff. Vgl. schließlich nochmals Schild, "Geschichtlichkeit der Rechtsgesetze und Rechtswissenschaft", Geschichte und System (Erich Heintel-FS, 1972, S. 144 ff.). 28 Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen Zemaneks, "Was kann die Vergleichung staatlichen öffentlichen Rechts für das Recht der internationalen Organisationen leisten?", 24 ZaöRV (1964), S. 453-471, zur Methodenfrage (auf S. 460): "Die letzte Frage, die es in diesem Zusammenhang noch zu beantworten gilt, ist die nach der anzuwendenden Methode ... Verzeihen Sie es einem rechtsvergleichenden Völkerrechtler, wenn er sich auf den pragmatischen Standpunkt stellt, daß alle Methoden brauchbar .sind, solange man durch sie nur neue Erkenntnisse gewinnt: Auf unseren Gegenstand bezogen, meine ich, daß jede der rechtsvergleichenden Methoden, die historische, die institutionelle und die funktionelle, uns neue und andere Aspekte des Gegenstandes zu erschließen vermag. Ich werde zu zeigen versuchen, daß der Zweck und die untersuchte Figur die anzuwendende Methode bestimmen." Methodenpluralismus bejahen auch Winkler, Wertbetrachtung im Recht und ihre Grenzen (1969), S. 8 und 35, und Ermacora, Allgemeine Staatslehre (1970), S. X - XI, wo er seine Methode der "normativen Dialektik" gegen den Methodensynkretismus als den "kritiklosen Gebrauch verschiedener Methoden" abgrenzt. ·
1. Kap.: Fragestellung und Methode
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liehen Maßstab jeder Untersuchung, ein Vergleich mit ihr zur eigentlichen überprüfung. Beim Aufsuchen. und Bewerten des für seine Untersuchung wichtigen Materials wird der Verfasser daher empirisch-induktiv vorzugehen haben27• Dies bedeutet nicht, daß er sich nicht bewußt wäre, daß eine bloß induktive Methode nicht möglich ist, weil ihr das Kriterium zur Bestimmung ihres Gegenstandes abgeht: wenn nicht schon zumindest ein gewisses Vorverständnis desselben da ist, können auch induktiv keine Hinweise auf ihn gewonnen werden. Die Auswahl des zur Hand seienden Materials bedingt vielmehr, daß der Gegenstand ausreichend bekannt ist28 • Das bedeutet aber nicht, daß der Gegenstand aprioristisch erzeugt wird; er wird vielmehr der Wirklichkeit entnommen. Letztlich liegt aber, weil keine übereinstimmung über Wirklichkeit besteht, allen methodelogischen Streitigkeiten Uneinigkeit über Grundfragen der Erkenntnistheorie zugrunde. Schon die im Folgenden getroffene Entscheidung des Verfassers für eine Untersuchung auf der Grundlage einer Einheit des rechtlichen Weltbildes ist in diesem Sinn ein Vor-Urteil, weil es aus dem positiven Recht allein zwar als zweckmäßig, durchaus aber nicht als notwendig zu folgern ist; und steht es - isoliert betrachtet - nicht jedermann frei, sich auch einen unzweckmäßigen Rechtsbegriff zu bilden? Allein: solche Vor-Urteile sind in der Wissenschaft unvermeidbar, wann immer eine Untersuchung nicht bei den "ersten Dingen der Erkenntnis" begonnen werden kann. In diesem Sinn gibt es keine "voraussetzungslose Wissenschaft" 29• Dies zugeben, n Zur induktiven Methode vgl. allgemein Seiffert, Einführung in die Wissenschaftstheorie I (5. Auft. 1972), S. 133 ff., bes. 187 - 246. Für ihre Anwendung in der Völkerrechtswissenschaft vgl. bes. Schwarzenberger, "Die induktive Methode im Völkerrecht", 2 JBIR (1949), S. 676 ff., und The Inductive Approach to International Law (1965). zs Das gilt auch für die Völkerrechtswissenschaft. Hätte sie nicht ein Vorverständnis von "Recht" im allgemeinen und "internationaler Gemeinschaft", sie wäre nicht in der Lage, aus den Erscheinungen der Staatenpraxis das Innerstaatliche vom Zwischenstaatlichen, das rechtlich Erhebliche vom rechtlich Unerheblichen zu trennen und so auf durchaus empirisch-induktivem Weg positives Völkerrecht zu erarbeiten. n über die "Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft", die "zum Fundament der klassischen deutschen Universität" gehörte, vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 IV (1969), S. 961 ff. Nach Kempski, "Voraussetzungslosigkeit", 4 APh (1952), S. 157 ff., hat das Wort seinen Ursprung bei Hegel. Treitschke, Der Entwurf des preußischen Volksschulgesetzes (1892), bekannte sich ebenso dazu (d. h. zur "Welt der völlig voraussetzungslosen freien Forschung") wie Paulsen, "Die akademische Lehrfreiheit und ihre Grenzen", 91 PrJB (1898), S. 515 ("Wissenschaftliches Denken ist voraussetzungsloses Denken; sein einziges Ziel und Maß ist die Wahrheit.") und Mommsen, "Universitätsunterricht und Konfession", Münchener Neueste Nachrichten vom 15. November 1901 und Reden und Aufsätze (2. Auft. 1905), S. 432. Das Schlagwort von der "voraussetzungslosen Wissenschaft" wurde gegen die religiös "gebundenen" Wissenschaftler, vor allem katholische, verwendet, denen man, weil "voraussetzungslose Forschung", das "Palladium des Universitätsunterrichts", "Ehr-
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1. Kap.: Fragestellung und Methode
heißt nicht, die Rechtswissenschaft zu "ideologisieren"; es bedeutet vielmehr, sich und dem Diskussionspartner in intellektueller Redlichkeit die eigenen Voraussetzungen bewußt zu machen. Ideologie wäre es vielmehr, die eigene Position als "voraussetzungslos" und ideologiefrei auszugeben. Nur Diskussionen auf hypothetischer Grundlage können voraussetzungslos geführt werden; dafür aber auch nicht den Anspruch erheben, Bezug auf Wirklichkeit zu haben. Der Verfasser geht von der Einheit des rechtlichen Weltbildes aus, weil deren Ordnung allein den Frieden zu gewährleisten in der Lage ist30• Friede aber, und zwar gerechter l!'riede, ist das Ziel, auf das die Idee des Rechts hinweist31 • Zu dieser Rechtsidee glaubt sich der Verfasser bekennen zu müssen, weil sie in der sozialen Natur des Menschen, die er teilt, ihre normative Grundlage 32 hat. Damit weiß sich der Verfasser der Wiener naturrechtliehen Schule der Rechtsphilosophie und des Völkerrechtes verpfiichtet33• Daß diese Schule ihrerseits in der Tradition jener philosophischen Richtung steht, die den Beinamen philosophia perennis erhalten hat34, glaubt sich der Verfasser nicht zum Nachteil anrechnen zu müssen.
lichkeit und Wahrhaftigkeit des Forschens" heiße, diese Attribute damit absprach. (Vgl. Mommsen, loc cit.) (Die Zitate bei Huber, op. cit., S. 961 und Anm.
58.)
So schon Augustinus, De civitate Dei, XIX: "pax est ordinata concordia." Vgl. zur Rechtsidee den gleichnamigen Abschnitt bei Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl.1964), S.13- 17. 3 z Dazu Verdroß, "Die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Völkerrecht", Festschrift f. Kelsen z. 50. Geburtstag (1931), S. 368 ff. 33 Vgl. Mock, "Rechtsphilosophie und Rechtsphilosophen an der Wiener Juristenfakultät", 20 ÖZöR (1970), S. 373-399, bes. S. 397 ff. Den dort genannten möchte der Verfasser Meßner, ehemals Professor an der kath.-theol. Fakultät der Universität Wien, zur Seite stellen, dessen "Naturrecht" (4. Aufl. 1960, 5. Aufl. 1966) ihn früh beeindruckt hat. Von den Mock noch nicht vorgelegenen Arbeiten dieser Schule ist noch besonders Verdroß' Statisches und dynamisches Naturrecht (1971) zu nennen. 34 So genannt, weil sich ihr Bogen von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit spannt. Der Terminus wurde schon von Leibniz gebraucht. Vgl. Verdroß, Abendländische Rechtsphilosophie (2. Aufl. 1963), S. 211 und 173. 10 31
Zweites Kapitel
Gegenstandsabgrenzung in institutioneller und historischer Betrachtungsweise I. Begriffsabgrenzung Die völkerre~tliche Terminologie ist, was die Bezeichnung jener Institution anlangt, in der die katholische Kirche international in Erschejnung trjtt, unsicher1 • Es wird vom Papst oder vom Hl. bzw. Apostolischen Stuhl, vielfach auch aber einfach von der katholischen Kirche, fehließlieh vom Vatikan gesprochen2 • Diese terminologische Vielfalt ist einerseits dogmatisch bestjmmt3 , andererseits- und zwar zum überwiegenden Teil- einfach auf Nachlässigkeit in der Begriffsbildung zurückzuführen. Es scheint daher geboten, an dieser Stelle unserer Untersuchung eine Begriffsklärung vorzunehmen. Wir haben dabei mit Bedacht von einer Begriffsklärung und nicht von einer Begriffsbestimmung gesprochen, weil es nicht Aufgabe der Völkerrechtswissenschaft ist, den Begriff einer Institution zu bestimmen, die ihre rechtliche Existenz nicht vom Völkerrecht, sondern einer anderen, von djesem verfchiedenen Rechtsordnung, in diesem Fall dem Kirchenrecht i. w. S.', herleitet. Wenn die völkerrechtliche Stellung der t Das hat schon Strupp, tlements du droit international public I (2. Aufl. 1930), S. 45, Anm. 1, ausgesprochen: "La terminologiedes auteurs du droit des gens, dans cette matiere n'est, au point du vue juridique, pas de tout exacte. On parle de la nature juridique soit du Saint-Siege, soft du Pape ..." 2 Um dies zu demonstrieren, genügt es, auf die Titel jener Untersuchungen hinzuweisen, die sich irgendwie mit dem hier behandelten Gegenstand beschäftigt haben. Vgl. unten passim. 3 So hat Verdroß in den früheren Auflagen seines Völkerrechts unter die Völkerrechtssubjekte die katholische Kirche gezählt (1. Aufl. 1937, S. 60- 61; 2. Aufl. 1950, S. 89-91; 3. Aufl. 1955, S. 98- 100; 4. Aufl. 1959, S. 142- 145), während er diese Eigenschaft in der 5. Aufl. (1964) dem HZ. Stuhl zuschreibt. Diesem Wechsel liegt aber eine ausdrückliche Änderung der wissenschaftlichen Ansicht des Autors in diesem Punkte zugrunde. Vgl. S. 203-205, bes. S. 203, Anm.l. 4 Wir sprechen hier von Kirchenrecht i. w. S., weil wir damit nicht nur auf das von der Kirche gesetzte Recht (kirchliches Recht, Kirchenrecht i. e. S.), sondern auch (und vor allem) auf das der Kirche von Gott vorgegebene Recht (ius divinum) verweisen wollen, welchen Charakter alle für die Konstituierung der Kirche wesentlichen Normen besitzen. Vgl. die Declaratio collectiva episcoporum Germaniae (1875), Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum (33.
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
katholischen Kirche (bzw. des ID. Stuhls) untersucht werden soll, dann ist damit nicht jene Kirche (bzw. jener m. Stuhl) gemeint, wie sie im Verständnis einer bestimmten Wissenschaft - sei es eine staatsrechtliche, sei es eine völkerrechtliche-, die ihrem Wesen nach keinen Anspruch auf unmittelbaren Zugang zum Verständnis dieser Institution erheben kann, existiert, sondern jene Kirche (bzw. jener m. Stuhl), wie sie (er) sich nach dem Selbstverständnis dieser Institution darstellt und von der in ihrem Schoße betriebenen Wirtschaft erhellt wird. Denn gerade die völkerrechtliche Stellung dieser Kirche (bzw. dieses m. Stuhls) ist es, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist. Die Völkerrechtswissenschaft hat daher ihre diesbezüglichen Begriffe (den der Kirche und des ID. Stuhls) als ihr vorgegeben dem Kirchenrecht, allenfalls in der Auslegung der Kirchenrechtswissenschaft, zu entnehmen. Die katholische Kirche als solche ist im kirchlichen Gesetzbuch, dem Codex Iuris Canonici5 , nicht definiert11 • Für ihren Begriff sind wir damit auf andere kirchliche (Lehr-) Äußerungen und auf die Begriffsbestimmung der Kirchenrechtswissenschaft verwiesen. An einschlägigen Äußerungen des kirchlichen Lehramtes kommen vor allem7 die Enzyklika Pius' XII. Mystici Corporis vom 29. Juni 19438 und die Dogmatische Konstitution über die Kirchen Lumen gentium vom 21. November 1964 des Zweiten Vatikanischen ökumenischen KonAufl. 1965), "Responsa ad Ep. circularem cancellarii Bismarck Decretum Conc. Vaticani de Rom. Pontifice interpretantem", No. 3114 (S. 606): "Die Kirchenverfassung beruht in allen wesentlichen Punkten auf göttlicher Anordnung und ist jeder menschlichen Willkür entzogen." 5 Kundgemacht mit der Apostolfschen Konstitution Benedikts XV. Providentfssima Mater Ecclesia vom 27. Mai 1917, AAS (1917), Pars Il. Erwähnenswert ist, daß de·r Codex sich, soweit slch aus der Natur der Bestimmungen nichts anderes ergibt, auf die lateinische Kirche bezieht; daneben besteht ein Gesetzbuch für die Orientalischen Kirchen, der CIC orient., der in Teilgebieten promulgiert wurde. -Daß die Ostkirchen schon früh eigene Kodifikationen hatten, zeigt Selb, "Kodifikationen im älteren orientalischen Kirchenrecht- Prolegomena zu einer Rechtsgeschichte des christlichen Ostens", Österreichische Landesreferate zum VIII. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Peseara 1970, S. 17 ff. Vgl. auch ders., "Die Kanonessammlungen der orientalischen Kirchen und das griechische Corpus Canonum der Reichskirche", Speculum Iuris et Ecclesiarum (Plöchl-Festschrift zum 60. Geburtstag) (1967), S. 371 ff. 8 Das bedeutet nicht, daß sie durch den Codex nicht in vielfältiger Weise umschrieben ist, nehmen doch zahlreiche Canones auf sie Bezug. Vgl. bes. cans. 100 § 1, 196, 911, 1322 § 2, 1352, 1495, 1533 und 2214. 7 Daneben gibt es sehr zahlreiche Hinweise in Kirchenväter-, päpstlichen und konziliaren Äußerungen aus allen christlichen Jahrhunderten. Fundstellen zusammengestellt bei Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum (33. Aufi. 1965), Ind. syst. G. "Deus congregans Ecclesiam salutis", S. 885 - 891, bes. 4. "Constitutio iuridica Ecclesiae", S. 887 - 889. Besonders in Betracht kommt noch die Enzyklika Leos XIII. Sapientiae christianae vom 10. Jänner 1890, 22 ASS (1889/90), S. 385 ff. & 35 AAS (1943), S. 200 ff.
I. l3egri1fsabgremung
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zils' in Frage. Danach ist unter katholischer Kirche die in der Welt als Gesellschaft verfaßte und geordnete (von Christus gestiftete 10) Gemeinschaft der Getauften und den rechten Glauben Bekennenden, die unter der Leitung des Nachfolgers Petri (und der Bischöfe in Verbindung mit ihm) stehen11 , zu begreifen. Dieser Definition schließt sich auch in allem Wesentlichen- wenngleich im Detail verschieden formulierend - die katholische Kirchenrechtswissenschaft an12• Das gleiche gilt für die Entwürfe einer Lex fundamentalis Ecdesiae 13 • Für den Begriff des Hl. Stuhles findet sich eine Legaldefinition in can. 7 CIC 14• Ihr ist zu entnehmen, daß- was den Codex anlangtdarunter entweder der römische Bischof (Papst) oder die römische Kurie mit allen Ämtern zu verstehen ist, durch die ersterer die Leitung15 1 57 AAS (1965), S. 5 - 75. Lateinischer und deutscher Text findet sich auch in der kommentierten Ausgabe Herders LTK (2. Aufl..), Das Zweite Vatikanische Konzil I (1966), S. 156 - 359. 10 " ••• Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt und trägt sie als solches unablässig; ... "; ibid., No. 8, u. a. mit Berufung auf Sapientiae christianae, 22 ASS (1889/90), S. 392, und Mystici Corporis, 35 AAS (1843), S. 199 ff. Daß wir diesen Teil der Definition in Klammern gesetzt haben, will andeuten, daß es sich dabei um einen explikativen, nicht um einen operativen Teil handelt. 11 " ••• die einzige Kirche Christi ... , in der Welt als Gesellschaft [der lat. Text gibt: societas] verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft [der lat. Text gibt: communione] mit ihm geleitet wird." Ibid. in Zusammenhang mit No. 202 von Mystici Corporis: "In Ecclesiae autem membris reapse ii soli annumerandi sunt, qui regenerationis lavacrum receperunt veramque ftdem profitentur, neque a Corporis compage semet ipsos misere separarunt, vel ob gravissima admissa a legetima auctoritate seiuncti sunt." Zit. nach DenzingeTSchönmetzeT, Enchiridion Symbolorum (33. Aufl.. 1965), No. 3802. 12 Vgl. u. a. Ottaviani-Damizia, Institutiones iuris publici ecclesiastici I (4. Aufl.. 1958), S. 141: "[Ecclesia est c]oetus hominum viatorum, eiusdem fidel christianae professione, et eorundem sacramentorum communione adunatus, sub regimine legitimorum pastorum, ac praecipue Romani Pontiftcis." Diese Definition geht im wesentlichen zurück auf Bellarmin, Disputationes de controversiis christianae ftdei adversus huius temporis haereticos III, 2. Vgl. MÖTSdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts I (11. Aufl. 1964), S. 8. 13 Zur Problematik der Lex fundamentalis Ecclesiae vgl. allgemein 25 Herder-Korrespondenz (1971), S. 273 ff. 14 "Nomine Sedis Apostolicae vel Sanctae Sedis in hoc Codice veniunt non solum Romanus Pontifex, sed etiam, nisi ex rei naturae vel sermonis contextu aliud appareat, Congregationes, Tribunalia, Officia, per quae idem Romanus Pontifex negotia Ecclesiae universae expedire solet." 11 über die Leitungsgewalt des römischen Bischofs über die Universalkirche vgl. u. a. das zweite Konzil von Lyon, Sessio IV vom 6. Juli 1274 (DenzingerSchönmetzeT, Enchiridion Symbolorum (33. Aufl.. 1965/No. 861), das Konzil von Florenz, Unionsbulle LaetentuT caeli vom 6. Juli 1439 (ibid. No. 1307), und das Erste Vatikanum, Sessio IV vom 18. Juli 1870, Constitutio dogmatica I PastoT aeternus de Ecclesia Christi (ibid. No. 3053- 3075). Diese Lehraussagen wurden in can. 218 CIC zusammengefaßt: "§ 1. Romanus Pontifex, Beati Petri in primatu Successor, habet non solum primaturn honoris, sed supremam et plenam potestatem iurisdictionis in universam Ecclesiam turn in rebus quae ad fidem
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2. Kap.: Gegehstandsabgrenzung
der Universalkirche ausübt16 • Da sich aber die Rechtsmacht der römischen Kurie ihrerseits vom Papst herleitet 17, ist es immer letzterer, sei es ohne, sei es mit seinem gesamtkirchlichen Verwaltungsapparat, der mit dem Terminus "Hl. Stuhl" gemeint ist1s. Daneben zeigt die genannte Definition, daß kirchenrechtlich kein Unterschied zwischen "Hl. Stuhl" und "Apostolischer Stuhl" 1g besteht20, beide Termini vielmehr beliebig vertauschbar sind. Da in der völkerrechtlichen Literatur der Ausdruck "Hl. Stuhl" aber der gebräuchlichere ist, und sich der Hl. Stuhl selbst desselben im internationalen Verkehr mit den Staaten21 und internationalen Organisationen22 bedient, wird auch in der vorliegenden Untersuchung grundsätzlich dieser Terminus verwendet werden. Daß ihm die Termini Papst bzw. römischer Bischof gleichzuhalten sind, hat schon die Begriffsbestimmung des Hl. Stuhles gezeigt, die letzteren durch ersteren definiert23 • Da aber sowohl "Papst" als auch et mores, turn in iis quae ad disciplinam et regimen Ecclesiae per totum orbem diffusae pertinent. - § 2. Haec potestas est vere episcopalis, ordinaria et immediata turn in omnes et singulas ecclesias, turn in omnes et singulos pastores et fideles, a quavis humana auctoritate independens." Zum Verhältnis von Papst und Bischofskollegium vgl. die Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium des Zweiten Vatikanums, Kapitel III und Nota explicativa praevia (letztere ebenfalls deutsch-lateinisch samt Kommentar in LTK [2. Aufl.], Das Zweite Vatikanische Konzil! (1966], S. 348- 359). 1s Dies darf nicht zu eng verstanden werden. Es geht hiebei nicht nur um innerkirchliches Handeln des Papstes, sondern oft auch um ein nach außen gerichtetes, etwa gegenüber den Staaten und den internationalen Organisationen. Die Definition sagt daher zutreffend "negotia Ecclesiae universae expedire", "die Angelegenheiten der Gesamtkirche erledigen". 17 Dies zeigt schon der Umstand, daß sie im Codex als (vierter) Unterabschnitt des s1ebenten Titels "De suprema potestate deque iis qui e1usdem sunt ecclesiastico iure participes" geführt wird. 18 So schon Köck, "Papsttum, Weltfriede und Völkerbund", 15 RHM (1973),
S. 143, Anm. 1.
1t Besser noch als "Heiliger Stuhl" bringt "Apostolischer Stuhl" den Umstand zum Ausdruck, daß es sich beim römischen Stuhl um die Cathedra Petri, beim römischen Bischof um den Nachfolger des Apostel Petrus handelt. Zwar gab und gibt es auch noch andere apostolische Stühle, nämlich überall dort, wo die Bischofsliste sich bis auf einen Apostel als Leiter d1eser Gernemde zurückverfolgen läßt, doch wurde der rönnsche Stuhl, weil mit ihm der Primat verbunden ist, zum "Apostolischen Stuhl" schlechthin. 20 "Domine Sedis Apostolicae vel Sanctae Sedis"; oben Anm. 14. (Hervorhebung vom Verf.) Daß die Termini auch innerkirchlich durchaus gleichwertig sind, zeigt u. a. der Umstand, daß das von Pius IX. geschaffene (ab 1904 offizielle) Promulgationsorgan von 1865 -1908 den Namen Acta Sanctae Sedis führte, ehe Pius X. ihn 1908 in Acta Apostolicae Sedis umwandelte. Vgl. die Konstitution Sapienti consilio vom 29. Juni 1908, 1 AAS (1908), S. 7 ff. 21 Vgl. Teil II sowie das Annuario Pontificio, das von "Rappresentanze della Santa Sede" bei den Staaten und vom "Eccelentissimo Corpo diplomatico presso la Santa Sede" spricht. 22 Vgl. Teillll sowie das Annuario Pontificio, das von "Rappresentanze della Santa Sede presso Organizzazioni internazionali governative" spricht. 23 Oben Anm. 14. Es ist dabei zwischen dem Papst als Organ der katholischen Kirche und dem einzelnen Papst als Organwalter zu unterscheiden. Formulie-
l. Begriffsabgrenzung
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"römischer Bischof" im völkerrechtlichen Sprachgebrauch ungebräuchlich sind, werden wir uns bemühen, sie möglichst zu vermeiden. Ausgenommen davon sind die Fälle, wo von einem bestimmten Papst die Rede ist, oder wo eine Bezugnahme auf ein bestimmtes Dokument oder eine bestimmte Doktrin die Verwendung dieses Terminus notwendig macht. Schließlich bedarf auch noch der Begriff Vatikan einer Klärung. Ursprünglich der Name eines der sieben Hügel Roms, trat er in christlicher Zeit in enge Beziehung zum Papsttum, weil dort das Gräberfeld lag, auf welchem der Apostel Petrus nach seinem Martyrium bestattet wurde. Konstantin ließ über dem Grab seine Peters-Basilika errichten (326/348), die erst 1452 dem heutigen Bau weichen mußte. Der ab dem 13. Jahrhundert bei St. Peter aufgeführte und oftmals veränderte päpstliche Palast wurde als Palazzo Vaticano bezeichnet und diente den Päpsten erst vorübergehend, seit dem Untergang des Kirchenstaates2• aber ständig als Residenz26. Während daher bis 1870 häufig vom "römischen Hof" gesprochen wurde, wenn man den Sitz des Papsttums meinte, hat sich seither hiefür der Terminus "Vatikan" eingelebt, der zur Bezeichnung des Papstes und der kurialen Dikasterien dient und in der Umgangssprache, häufig aber auch in der Presse und den anderen Massenmedien, also überall da, wo es um eine leicht verständliche Berichterstattung geht, anstelle des offiziellen Terminus "Hl. Stuhl" verwendet wird, den man offenbar für nicht ausreichend verständlich hält26 • In diesem Sinne verwendet, findet der "Vatikan", ein Ortsname zur Bezeichnung einer Institution, seine Entsprechung im "Quirinal", "Ballhausplatz", "Downingstreet", usf. In der völkerrechtlichen Literatur wird der Ausdruck "Vatikan" statt "Hl. Stuhl" seltener verwendet. Eine Ausnahme machen jedoch Arbeiten in englischer Sprache27 sowie solche aus dem Ostblock, wo man rungen wie "Der Papst ist tot - es lebe der Papst!" oder "Der Papst stirbt nicht" (vgl. "Le roi ne meurt pas") beziehen sich selbstverständlich stets auf das Organ, nicht dem Organwalter. Vgl. dazu Genet, Traite de Diplomatie et de Droit Diplomatique I (1931), S. 63 ff., wo über die kirchlichen und internationalen Titel des Paptes gehandelt wird. u Dazu vgl. unten IV, A, 2. 25 1870 -1929 als "Gefangene des Vatikans", ab 1929 als Souveräne des neugeschaffenen Staates der Vatikanstadt. Vgl. dazu unten in diesem Kapitel, IV, A,4.
26 So ist in diesem Zusammenhang immer wieder von der "Politik des Vatikans", den "Beziehungen des Vatikans", dem "Außenminister des Vatikans", usf. die Rede. 27 Der Grund für diesen Umstand mag in der Tatsache zu suchen sein, daß der -anglo-amerikanische Rechtskreis soziologisch ganz überwiegend im Protestantismus verwurzelt ist. Vgl. dazu Verosta, "Die Geschichte des Völkerrechts" (bes. V. "Das Europäische Staatensystem und das ,Klassische Völkerrecht"' und
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
schon aus ideologischen Gründen einen Terminus, zu dessen Bestandteil das Wort "heilig" gehört, lieber vermeidet28• Es ist gegen die Substitution jedoch grundsatzlieh nichts einzuwenden, solange nur ausreichend klar gestellt wird, was mit dem Terminus "Vatikan" bezeichnet werden soll. Der im eben vorgestellten Sinn verwendete Begriff des Vatikans darf nicht mit jenem des 1929 geschaffenen Staates der Vatikanstadt vermengt werden, der manchmal ebenfalls (wenngleich selten) kurz als "Vatikan" bezeichnet wird. Wenngleich auch dies durchaus zulässig ist, soweit jedermann erkennbar ist, was damit gemeint ist, wird doch in der vorliegenden Untersuchung von einer diesbezüglichen Verwendung des Terminus ganz Abstand genommen, um die Gefahr jedes Mißverständnisses zu vermeiden.
II. Allgemeine Betrachtungen zur Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls Ist die katholische Kirche (bzw. der Hl. Stuhl) 1 Völkerrechtssubjekt, d. h. Subjekt jener Rechtsordnung, die wir (welche Quelle[n] 2, welchen VI. "Das Völkerrecht nach der amerikanischen, französischen und der industriellen Revolution"), in Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 63 ff. und 68 ff. Im angle-protestantischen Bereich - wo z. B. in England jede positive Referenz auf "Papst" oder "Hl. Stuhl" als "popery" gesetzlich verboten war (sodaß selbst auf dem Wiener Kongress 1815 die britische Delegation die größten Schwierigkeiten mit jenem Teil der Akte hatte, in dem Ldem sog. Wiener RegLement] die Präzedenz der Nuntien in herkömmlicher Weise aufrechterhalten wurde- eben weil darin auf den Papst Bezug genommen war; vgl. unten, Drittes Kapitel, I.) - ist der Fachterminus "Hl. Stuhl" ("Holy See") weniger geläufig; daher verwenden auch katholische völkerrechtliche Autoren lieber den Ausdruck "Vatikan". Vgl. z. B. das führende englischsprachige Werk über die Diplomatie des Hl. Stuhls von Graham, Vatican D1plomacy (1959).
28 Vgl. dazu KarLov, "Die gegenwärtige völkerrechtliche Stellung des Vatikans", unten, Zweites Kapitel, III, Anm. 56. 1 Inwieweit eine etwaige Völkerrechtspersönlichkeit der katholischen Kirche als solcher oder einem ihrer Organe, im speziellen Fall dem Hl. Stuhl, zusteht, kann erst später geklärt werden. Um Mißverständnissen vorzubeugen, die im Laufe der Untersuchung auf Grund des Umstandes auftreten könnten, daß (notwendigerweise) einmal von der Kirche, dann wiederum vom Hl. Stuhl die Rede ist, hat sich der Verfasser der Möglichkeit entschlagen, nur vom Hl. Stuhl - dem unmittelbaren Gegenstand der Untersuchung - zu sprechen und es vorgezogen, die (zugegebenermaßen etwas schwerfällige) Formel "die katholische Kirche (bzw. der Hl. Stuhl)" in für Mißverständnisse anfälligen Zusammenhängen zu verwenden. 2 Darunter versteht der Verfasser zum einen die völkerrechtlichen Rechtsquellen im traditionellen Sinn. Vgl. dazu jüngst Verdroß, Die Quellen des universellen Völkerrechts (1973); auch Parry, The Sources and Evidences of International Law (1965). Vgl. weiters Berber, Völkerrecht I (1960), S. 37 ff.; Dahm, Völkerrecht I (1958), S. 7 ff.; Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 137
II. Allgemeines zur Völkerrechtssubjektivität
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Umfang' und welchen Inhalt sie haben mag, im einzelnen dahingestellt sein lassend) als Völkerrechtsordnung zu bezeichnen gewohnt sind? Und wenn d€m so wäre, ist sie (er) ein vom positiven Völkerrecht (d. h. aber: grundsätzlich von den Staaten als internationale Gemeinschaft zwischenstaatlichen Charakters) mit dieser R€chtssubjektivität beliehenes Rechtssubjekt4 , oder ist sie (er) ein originäres Völkerrechtssubjekt, d. h. Völkerrechtssubjekt iure proprio? 5 bis 155; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht (1969), S. 35 ff.; Oppenheim-Lauterpacht, International Law I (8. Aufl. 1955), S. 24 ff.; Rousseau, Droit international public (4. Aufl. 1968), S. 15 ff.; Bishop, International Law (3. Aufl. 1971), S. 25 bis 61. Als authentische Interpretation der Arten völkerrechtlicher Rechtsquellen wird vielfach Art. 38 Zif. 1 IG-Statut angesehen, der Vertrags- und Gewohnheitsrecht sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze (daneben als HUfsquellen noch Judikatur und Doktrin) nennt. Manche nehmen auch die sog. internationale Satzung als völkerrechtliche Rechtsquelle eigener Art an (vgl. Jaenicke, "Völkerrechtsquellen", P. 5. und 6., WV III [2. Aufl. 1962], aufS. 772 bis 773), sie ist jedoch sekundärer Natur und vom Völkervertragsrecht delegiert. Über den Fortschritt dieser Rechtsquelle zum Nachteil des Gewohnheitsrechtes vgl. u. a. Zemanek, "Die Bedeutung der Kodifizierung des Völkerrechts für seine Anwendung", Internationale Festschrift für Alfred Verdroß zum 80. Geburtstag (1971), S. 565-596. Zum Gewohnheitsrecht vgl. noch Verdroß, "Das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht", 7 JAIL (1963), S. 1- 7, und Verosta, Katholisches Soziallexikon (1964), S. 367 f., sowie dessen für die Rechtsquellenlehre ganz allg€mein von Bedeutung seiendes "Richterliches Gewohnheitsrecht in Österreich", 22 ZöR (1942), S. 89 ff.- Im Singular und in übertragener Bedeutung genommen möchte der Verfasser auch den Geltungsgrund des Völkerrechts darin mitbegriffen wissen. Vgl. dazu Salvioli, "Contenuto e fondamento del diritto internazionale", 2 RISGiu (1948), S. 93- 102, über das Verhältnis von Natur- und Völkerrecht; vgl. dazu Meßner, Naturrecht (4. Aufl. 1960), S. 407 und 585; ders., "Das Naturr€cht im positiven Recht", 9 (NF), ÖZöR (1958/ 59), S. 129 -150; und, ganz allgemein, Schambeck, "Der Begriff der ,Natur der Sache"', 10 (NF) ÖZöR (1960), S. 452 ff. sowie Der Begriff der "Natur der Sache". Ein Beitrag zur rechtsphilosophischen Grundlagenforschung (1964). Zur hier involvierten Frage des Rechtsbegriffes vgl. die von Maihafer bzw. Kaufmann herausgegebenen Sammelbände Begriff und Wesen des Rechts (1973) und Die ontologische Begründung des Rechts (1965), sowie Zippelius, Das Wesen des Rechts (2. Aufl. 1969). Zur damit verbundenen Diskussion über die Frage "Naturrecht oder Rechtspositivismus?" vgl. den gleichnamigen, von Maihafer 1966 herausgegebenen Sammelband. 3 d. h., welchen Geltungsbereich in persönlicher und sachlicher Hinsicht. 4 Ein solches stellt z. B. das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) dar. Grundsätzlich eine private Vereinigung nach schweizerischem Recht, wurde ihm durch die Genfer Konventionen zum Schutze der Kriegsopfer vom 12. August 1949, 75 UNTS S. 31 ff., 85 ff., 135 ff. und 287 ff., gewisse völkerrechtliche Rechte übertragen. Vgl. u. a. Art. 9 und 10 des Ersten, des Zweiten und des Dritten sowie 10 und 11 des Vierten Genfer Abkommens. Da eine solche verliehene (partielle) Völkerrechtspersönlichkeit widerrufen werden kann, ist die Stellung dieser Völkerrechtssubjektive insoweit eine prekäre. 5 Zur Unterscheidung von personnes normales und artificielles im Völkerrecht vgl. Gidel, "Quelques idees sur la condition internationale de la Papaute", 18 RGDIP (1911), auf. S. 604 ff. Verdroß, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926), S. 117 - 118, hat ursprünglich diese Unterscheidung abgelehnt, sie aber später selbst übernommen. Vgl. Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 189, wo er von "ursprünglich und später aufgenommenen Völkerrechtssubjekten" spricht. 2 Köck
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Es besteht keine Diskussion darüber, ob Staaten Völkerrechtssubjekte seien. Sie sind die Völkerrechtssubjekte par exceUence; auf sie vor allem stellt das Völkerrecht als internationale (d. h. i. e. S. zwischenstaatZiche)6 Ordnung ab. Die Kirche ihrerseits (bzw. der Hl. Stuhl) ist nun aber, das zeigt schon der erste Augenschein, kein Staat - jedenfalls kein "Staat" im Sinne der anderen Staaten7 • Daher muß hinsichtlich ihrer ein zweifacher Nachweis geführt werden: daß die Völkerrechtsordnung so geartet ist, daß sie die eigenständige Existenz anderer Völkerrechtssubjekte neben den Staaten überhaupt zuläßt, und daß die Beziehungen zwischen der Kirche (dem Hl. Stuhl) und den Staaten solcher Art sind, daß sie wenigstens zum Teil in ihrer rechtlichen Erscheinungsform8 den völkerrechtlichen Beziehungen der Staaten untereinander entsprechen. Ein positives Ergebnis im ersten Fall wird die katholische Kirche (den Hl. Stuhl) als potentielles Völkerrechtssubjekt ausweisen; im zweiten Fall wird ein solches Ergebnis darüber hinaus dartun, daß die katholische Kirche (der Hl. Stuhl) tatsächlich Subjekt des positiven Völkerrechts ist. Im ersten Fall stehen zwei Fragen zur Beantwortung an: einmal, was das Kriterium der Völkerrechtssubjektivität ausmacht; zum anderen, ob dieses Kriterium der Völkerrechtssubjektivität außer von Staaten at:ch von anderen Gemeinschaften bzw. Einheiten oder Institutionen besessen werden kann, oder ob es den Staaten exklusiv zukommt. Um die katholische Kirche (den Hl. Stuhl) als mögliches Völkerrechtssubjekt zu zeigen, muß daher der Nachweis erbracht werden, daß sie entweder in allem Wesentlichen einem Staat gleichzuhalten ist- was wir aber schon oben prima facie ausgeschlossen haben -, oder aber s Vom ursprünglichen Wortsinn "inter-national", also als Rechtsordnung zwischen den staatlich organisierten Völkern (Verdroß, Völkerrecht [5. Aufl. 1964], S. 1), den "Nationen". Zum Begriff der "Staatsnation" historisch Mancini, Della nazionalita ccme fondamento del diritto delle genti, Turin 1851; dazu Batiffol, Droit international prive (4. Aufi. 1967), S. 266 - 270, und Makarov, "Nationalitätenstaat", WV II (2. Aufi. 1961), S. 570- 572. Zum Begriff der "Nation" in Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich heute vgl. Ermacora, Allgemeine Staatslehre (1970), S. 60 - 67. 7 über den Versuch in der Geschichte des Ius publicum ecclesiasticum, die Kirche als Staat zu begreifen, und inwieweit er als geglückt anzusehen ist, vgl. unten, Fünftes Kapitel, I, C, 3. 8 n'cht :m Inhalt. Nicht selten ist den Beziehungen der Kirche (bzw. des Hl. Stuh!es) zu den Staaten jeder völkerrechtliche Charakter schon deswegen abgesprochen worden, weil die davon umfaßten Angelegenheiten von denen staat-staatlicher Beziehungen verschieden seien. Von der Kirche (dem Hl. Stuhl) jedoch für die Qualifizierung als Völkerrechtssubjekt Beziehungen gleichen Inhalts wle jener zwischen Staaten zu fordern, heißt n:cht, das Problem lösen, sondern es umbringen. Die Kirche (der Hl. Stuhl) ist nun einmal kein Staat, und kann daher auch keine inhaltlich staatsgleichen internationalen Beziehungen haben. Darum ist es ja gerade die hier zu untersuchende Frage, ob die Kirche (der Hl. Stuhl) als solche neben den Staaten Völkerrechtssubjekt sein kann.
II. Allgemeines zur Völkerrechtssubjektivität
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doch das auch den Staaten eigene Kriterium der Völkerrechtspersönlichkeit besitzt. In jedem Fall muß sich die Beweisführung in jenem Punkt treffen, wo der für die Völkerrechtspersönlichkeit (bzw. die Möglichkeit einer solchen) entscheidende Aspekt zutage tritt. Mit anderen Worten: Staat und Kirche müssen sich in dem, was sie zum- aktuellen oder potentiellen- Völkerrechtssubjekt macht, gleichen. Eine Prüfung der internationalen Praxis der Kirche (bzw. des ID. Stuhls) ist - nach einer schon in diesem Kapitel vorzunehmenden allgemeinen Vbersicht- den folgenden Teilen9 vorbehalten. Gehen wir vom Völkerrecht als dem Recht der Staatengemeinschaft 10 aus 11, so sehen wir als seine Voraussetzung eine Mehrheit von Staaten an12• Diese Staaten müssen, um einander nebengeordnet (koordiniert) 13 zu sein, in Unabhängigkeit nebeneinanderstehen, also souverän sein14 • Der Begriff der Souveränität hat zwei Aspekte, einen "inneren" und einen "äußeren"; was darunter zu verstehen ist, macht eine Gegene Vgl. unten, Zweiter und Dritter Teil. 10 Vgl. Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 3: "[Es] kann ... bei der Begriffsbestimmung des Völkerrechts ... nur von einer konkreten Gemeinschaft, nämlich von der Staatengemeinschaft ausgegangen werden, die sich im Laufe
der Geschichte als eine soziologische und normative Einheit herausgebildet hat." (Hvhbg. im Orig.) 11 Daß wir von der Staatengemeinschaft zur Bestimmung des Völkerrechts ausgehen, zeigt schon, daß wir diese Gemeinschaft für erweiterungsfähig und damit den endgültigen Begriff des Völkerrechts offen halten. 12 Über die soziologischen Grundlagen des Völkerrechts vgl. Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 5 ff., sowie die dort angegebene Literatur; bes. Truyol, "Genese et structure de la societe internationale", 96 RdC (1959), S. 557 bis 634; de Visscher, Theorie et realite en droit international public (2. Aufl. 1960); Schwarzenberger, The Frontiers of International Law (1962). 13 Damit darf nicht die Tatsache verwechselt werden, daß das Völkerrecht ein Koordinations- oder genossenschaftliches Recht ist; dies ist vielmehr auf den relativen Mangel zentraler Organe, vor allem auf das Fehlen einer internationalen institutionalisierten, mit Mehrheit beschließenden Rechtssetzungsinstanz zurückzuführen. Auch die Bürger eines Staates sind- wo die Gleichheit vor dem Gesetz durchgeführt ist (vgl. Art. 7 des österr. B.-VG. 1929) einander als solche nicht über- und unter-, sondern nebengeordnet (koordiniert); trotzdem ist, weil im Staat eine über dem einzelnen Bürger stehende Rechtssetzungsinstanz existiert, die staatliche Rechtsordnung eine des Subordinations- oder Herrschaftsrechtes. 14 "Die vom Völkerrecht vorausgesetzten Staaten nennt man selbständige (unabhängige) oder souveräne Staaten." Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 6. Im übrigen erscheint der Begriff des "souveränen Staates" als Pleonasmus; der Begriff des Staates schließt nämlich, will man ihn nicht auf abhängige Gemeinschaften ausdehnen und damit in seiner Aussagekraft entwerten, die Unabhängigkeit in sich. Insoweit ist sie notwendiges Element, nicht bloß mögliches Attribut des Staatsbegriffes. Sowohl im VBP als auch in der SVN ist lediglich vom Staat schlechthin die Rede (vgl. etwa VBP Art. 1; SVN Art. 3 und 4); seine Souveränität ist dabei notwendigerweise inkludiert. Ausdrücklich der Bekräftigung der Souveränität jedes Staates und der Ablehnung des Konzeptes seitens anderer beschränkter Souveränität gilt auch WVK Art. 6: "Every State possesses capacity to conclude treaties."
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Überstellung der Badinsehen und der Vattelschen Souveränitätsdefinition deutlich. Bodin definiert die Souveränität als "summa in cives ac subditos legibusque soluta potestas" 15 - die Souveränität "nach innen". Vattel dagegen spricht davon, ein "etat souverain" sei "[t]oute nation qui se gorverne elle-meme sous quelque forme que ce soit sans dependance d'aucun etranger" 18 - die Souveränität "nach außen". Nur mit letzterer befassen wir uns in diesem Abschnitt. Der "äußere" Aspekt der Souveränität, d. h. deren "völkerrechtliche Seite", wirft mehrere Probleme auf. So die Frage nach der Vereinbarkeit von Souveränität und (Völker-) Rechtsunterworfenheit bzw. nach der Beschränkbarkeit der Souveränität "nach außen" (im Gegensatz zu jener "nach innen") überhaupt; dann die grundlegende Frage nach dem Wesen dieser "äußeren" Souveränität17 ; die Frage nach der Möglichkeit einer Nebenordnung souveräner Gemeinschaften; schließlich damit verbunden- die Frage der Möglichkeit "völkerrechtlicher" Souveränität anderer (d. h. nichtstaatlicher Gemeinschaften). Es leuchtet ein, daß alle diese Fragen miteinander in engem Zusammenhang stehen, sodaß eine bestimmte Antwort auf eine von ihnen die Antwort auf die anderen (zumindest teilweise) präjudiziert. Schon die Wahl der Reihenfolge für die Beantwortung erfordert eine ordnende Stellungnahme. Wenn etwa oben bei Aufzählung der verschiedenen Probleme im Zusammenhang mit der Souveränität zuerst die Frage nach deren Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht und erst dann die Frage nach ihrem völkerrechtlichen Wesen gestellt wurde, so ist dies an sich sinnwidrig, historisch jedoch gestützt von der Tatsache, daß ein solcher Vorgang für die Untersuchung des Verhältnisses von Völkerrecht und Souveränität lange Zeit typisch war und vereinzelt auch heute noch ist1 8 ; man ging von einem aprioristischen oder doch nur scheinempirischen Souveränitätsbegriff aus, den man zumeist aus der Anwendung eines falschverstandenen "innerstaatlichen" Souveränitätsbegriffes auf die rechtlichen Beziehungen in der internationalen Gemeinschaft bezog, und maß dann das Völkerrecht und seine Ver15 De Republica (lat. Übersetzung Bodins seines französischen Hauptwerkes Les six livres de la Republique [1576] vom Jahre 1586) I, Kap. VIII, 1. Satz. Im Französischen heißt es einfach, die "souverainete" sei "la puissance absolue et perpetuelle d'une Republique". Vgl. Hancke, Bodin (1894), S. 8. 18 Le droit des gens (1785) I, Kap. I, § 4. 17 Grundsätzlich die Vorfrage zur Lösung der übrigen. Vgl. aber unten im folgenden. 18 Vgl. z. B. Krüger, "Souveränität und Staatengemeinschaft" 1 BDGVR (1957), S. 1 ff., der schon einen fertigen Souveränitätsbegriff in seine Untersuchung einbringt. Auch die großangelegte Untersuchung über Staat und Souveränität I (Die Grundlagen) von Quaritsch (1970) geht, obgleich sie eine historische Erarbeitung des Souveränitätsbegriffes sein will, von einem vorgefaßten Verständnis aus, was auf Schritt und Tritt bei der Lektüre zutage tritt. Vgl. S. 20 - 43 und passim.
II. Allgemeines zur Völkerrechtssubjektivität
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bindlichkeit an diesem Begriff, anstatt die Souveränität im Völkerrecht am Völkerrecht zu messen. Diese Art des Vergehens wurde hauptsächlich von verschiedenen Staatsrechtslehrern des späteren 19. Jahrhunderts in die Völkerrechtswissenschaft eingeführt, die sich veranlaßt sahen, einen im Rahmen der Staatsrechtslehre entworfenen Souveränitätsbegriff auch am Völkerrecht zu erproben, anstatt ihren Souveränitätsbegriff auf seine Brauchbarkeit vom Standpunkt des Völkerrechts und damit den im Rahmen des engeren (und damit untergeordneten19 ) Rechtskreises gewonnenen Begriff im Rahmen des umfassenderen (und damit übergeordneten20) Rechtskreises auf seine Angemessenheit zu überprüfen. Theoretische Grundlage dieses Irrweges war entweder die völlige Leugnung des Völkerrechts 21 oder seiner Rückführung auf den Willen des einzelnen Staates und seine Verankerung im Staatsrecht22 • 19 • 20 Vgl. dazu Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts (1920), Teil li "Die Theorie des Völkerrechts und das Souveränitätsdogma", § 28 "Das Verhältnis einer ,höheren' zu einer ,niederen' Ordnung: die Delegation oder Verweisung", S. 111: "Von den möglichen Beziehungen zweier Normensysteme kommt mit Rücksicht auf das Verhältnis des Völkerrechts zur staatlichen Rechtsordnung zunächst nur das der 'Ober- und Unterordnung in Betracht. Die Nebenordnung zweier Normensysteme ist nur mit Hilfe einer über den beiden koordinierten Systemen stehenden, sie gegenseitig abgrenzenden und so koordinierenden Ordnung denkbar. Auch dieses Verhältnis stellt sich somit als ein solches der über- und Unterordnung dar. Von unmittelbarer Bedeutung wird dieser spezielle Fall für das Verhältnis der einzelstaatlichen Rechtsordnungen zueinander mit Beziehung auf das ihnen gemeinsame Völkerrecht." (Hvhbg. im Orig.) Vgl. auch oben, Erstes Kapitel. 21 In der Neuzeit zuerst Robbes (Leviathan I, Kap. XIII und II, Kap. XVII und XXVI) und Spinoza (vor allem Tractatus theologico-politicus, Kap. XVI; vgl. dazu Verdroß, Aben!lländische Rechtsphilosophie [2. Auf!. 1963], S. 122); für unsere Periode aber vor allem der Neuhegelianismus mit Lasson, System der Rechtsphilosophie (1882), und Binder, Philosophie des Rechts (1925), weil er nicht nur dem gegenwärtigen Völkerrecht den Rechtscharakter abspricht, sondern darüberhinaus sogar die Möglichkeit einer zukünftigen Einbindung des Staates als der vollkommensten Organisationsform des Menschen in einer Völkerrechtsordnung in Abrede stellte. Es ist in diesem Zusammenhang von wenig praktischer Bedeutung, ob diese Richtung Regel richtig oder falsch interpretiert hat; seine Grundlegung des Völkerrechts im Staatswillen (vgl. die folgende Anmerkung) läßt nach Auffassung des Verfassers ohnedies kein echtes Völkerrecht zu. 22 Diese Auffassung, die ihre theoretische Grundlage bei Regel hat (vgl. Grundlinien der Philosophie des Rechts [1821], §§ 333 und 336), hat zuerst Verdroß, Einheit (1923), S. 4-8, untersucht, wobei er der Auffassung Ausdruck verlieh, "[d]ie Souveränitätsauffassung der Völkerrechtswissenschaft des letzten Jahrhunderts wurz[le] in Hegel", mit dem "diese Lehre zur Reife [gelangt) und mächtig genug [sei], die Völkerrechtswissenschaft in ihren Bann zu zwingen. Es ist daher vor allem nötig, die Regelsehe Souveränitätstheorie in Betracht zu ziehen, die meistens nur nebenbei gestreift wird, obgleich sie als Grundpfeiler der herrschenden Völkerrechtslehre besondere Beachtung verdient." Neben den beiden genannten Stellen aus Regels Grundlinien vgl. noch § 4, wo der Wille als Boden des Rechts erklärt, § 258, wo der Staat als "die Wirklichkeit des substanziellen Willens" aufgefaßt und damit der Staatswille zu Grundlage und Träger des Rechts gemacht wird; dann § 278, wonach Souveränität als die "Idealität aller.besonderen Berechtigungen", also als die Berechtigung des Staates schlechthin dargestellt ist, woraus im Zusammen-
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Der auf diese Weise ins Völkerrecht eingebrachte Souveränitätsbegriff23 , wie ihn vor allem G. Jellinek popularisiert hat, bekam damit den Schein solcher Allgemeingültigkeit, daß selbst ein solcher Gegner wie Kelsen ihn seiner ablehnenden Polemik zugrundelegte und auf Grund der sich aufdrängenden Einsicht, daß ein solcher Souveränitätsbegriff, wie ihn vor allem die deutsche Staatslehre des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts geschaffen hatte, den Keim unlösbaren Widerspruches zu einer Völkerrechtsgemeinschaft in sich trug - nichtmehr ernstlich die Frage nach dem richtig verstandenen Souveränitätsbegriff vom Standpunkt des Völkerrechts aus stellte, sondern sich in die Alternativposition: wenn Völkerrecht: ja, dann Souveränität: nein- und umgekehrt- drängen ließ 24 • Daß hier zuletzt ein verfehlter aprioristisch-innerstaatlicher, sich allenfalls völkerrechtlich-positiv gebender Souveränitätsbegriff zugrundelag, zeigen neben einer Übersicht über die Praxis 25 ein Überblick hang mit dem Vorgesagten logisch folgt, daß der Staatswille kein anderes Gesetz kennt, als den Zweck seines Ganzen (SeZbstbindung). Ibid. HegeZ sieht daher (Zusätze, P. 191, zu § 330) das Verhältnis der Staaten untereinander als das von "Selbständigkeiten" an, "die zwischen sich stipulieren, aber zugleich über diese Stipulationen stehen". In diesem Sinn hat nach G. JeZZinek, Die rechtliche Natur der Staatsverträge (1880), S. 2 f., 45 u. 57, das Völkerrecht "dieselbe Quelle wie alles objektive Recht", nämlich den Willen des Staates. Vgl. auch Bergbohm, Staatsverträge und Gesetze als Quellen des Völkerrechts (1877), S. 39 und passim. 23 Verdroß, Einheit (1923), S. 5, hat darauf hingewiesen, daß "[d]ie Hegelsche Lehre ... bald von der Völkerrechtswissenschaft aufgegriffen" wurde. 24 Ke'.sen kennt zwar die Souveränität auch als Rechtsinhaltsbegriff, verwirft ihn jedoch als einen Bedeutungswandel, der zwar der Theorie erlaube, die Souveränität des Staates auch bei Annahme einer über diesem stehenden Völkerrechtsordnung behaupten zu können, "ja womöglich die Souveränität des Staates aus dem übergeordneten Völkerrecht abzuleiten", jedoch mit dem ursprünglichen Begriff der Souveränität "kaum mehr als das Wort gemein hat". Staatslehre (1925), S. 109. Kelsen ist auf den Formalbegriff der Souveränität fixiert, nach welchem die staatliche Rechtsordnung die "von keiner höheren Ordnung bestimmte, einige und - weil alle anderen Ordnungen ausschließende - einzige Ordnung ist. In diesem Sinne ist Souveränität ein formaler, ein Rechts-Wesen-Begriff. Und dieser Formalbegriff muß auch als der primäre, muß als der Grundbegriff der Souveränität angesehen werden." Ibid. (Hvhbg. im Orig.) Daß man tatsächlich aber weder die Souveränität formal sehen muß, wie schon der von ihm selbst angeführte Inhaltsbegriff der Souveränität zeigt, noch immer so gesehen hat, beweist die Geschichte des Souveränitätsbegriffes. Vgl. dazu das Folgende. Der formale Souveränitätsbegriff ist vielmehr Ausfluß eines absoluten Souveränitätsdenkens, wie es erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jhds. in verstärktem Maße einsetzt. 25 Dem Verfasser ist kein Fall bekannt, in dem ein Staat sich einer internationalen Verpflichtung mit der Begründung entzogen hätte, er stehe über dem Völkerrecht und entscheide daher selbst über dessen Verbindlichkeit. Dagegen haben die Staaten in ungezählten Fällen ihre Anerkennung des Völkerrechts als einer sie bindenden Rechtsordnung beteuert und zuletzt wieder auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz 1968/69 proklamiert. Vgl. WVK Art. 27, 1. Satz (oben, Erstes Kapitel, Anm. 11), und Art. 26: "Every treaty in force is binding upon the parties to it and must be performed in good faith."
II. Allgemeines zur Völkerrechtssubjektivität
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über die Lehre von ihren mittelalterlichen Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, wie ihn zuerst Verdroß 26 , nach dem zweiten Weltkrieg u. a. Sauer 21 gegeben hat. Dabei zeigt sich deutlich, daß nicht nur in der Praxis die angebliche Unvereinbarkeit zwü:chen Souveränität und Völkerrecht nicht zum Ausdruck gekommen ist28 , sondern daß auch bis weit ins 19. Jh. hinein und selbst unter jenen Völkerrechtswissenschaftlern, die sich in Nachfolge Johann Jacob Mosers 29 oder unabhängig von ihm als Vertreter einer "positiven" Wissenschaft vorn Völkerrecht verstanden haben, sich der Gedanke vorn inneren Widerspruch zwischen Souveränität und Völkerrecht nicht finden läßt. Erst mit Hegel tritt die Idee vorn Vorrang des souveränen Staates voll ins Bewußtsein, wird aber auch dann zumeist nur verschämt in die Völkerrechtswissenschaft eingebracht30 - ein Zeichen, wie unerhört sie war. Mosert, Manning 32 , UN Doc. A/CONF. 39/ 27.- Desgleichen haben auch internationale Gerichte und Schiedsgerichte eine Vmitierung der Souveränität, ja sogar elne Zumessung des Umfangs souveräner Rechte durch das Völkerrecht anerkannt. Vgl. etwa das Rechtsgutachten des StiG im Falle der Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, PCIJ Reports, Ser. B, No. 4 (1923), wo die Frage der Begrenzung staatlicher Souveränität ("sovereignty ... upon wh!ch international relations are based", wie es im französischen Vorbringen geheißen hatte) durch das Völkerrecht bejaht wurde (dazu Köck, "Ist Art. 2 Zif. 7 SVN tot?", 22 [NF] ÖZöR f1972], S. 325 ff., aufS. 331 f., Anm. 17); oder The Island of Palmas Case (United States and the Netherlands), UNRIAA II (1949), S. 829 ff., wo der namens des Ständ;gen Haager Schiedshofs tätige Schiedsrichter Max Huber u. a. ausführte: "Sovereignty in the relation between States signifies independence. lndependence in regard to a portion of the globe is the right to exercise therein, to the exclusion of any other State, the functions of a State. The development of the national organizations of States during the last few centuries and, as a corollary, the development of internationallaw, have established th's principle of the exclusive competence of the State in regard to its own territory in such a way as to make it the point of departure in settling most questions that concern international relations."Hvhbg. vom Verf.) Hier wird also ein Souveränitätsrecht klar als völkerrechtliches Recht angesprochen! Eine quasi-universelle Anerkennung der Verbindlichkeit des Völkerrechts durch die Staaten stellt schließlich Art. 38 Zif. 1 IG-Statut dar. 2e Einheit (1923), S. 13 - 31. 27 Souveränität und Solidarität (1954), S. 18 - 42. 28 Deshalb wirft Verdroß, Einheit, S. VIII, dem Positivismus seiner Zeit vor, auf dem Gebiet des Verhä1tnisses von Völkerrecht und Landesrecht und des Charakters der staatlichen Souveränität die "Erfahrung des Rechts verlassen" zu haben. 19 Vgl. Verdroß, "J. J. Mosers Programm einer Völkerrechtswissenschaft der Erfahrung", 3 ZöR (1923), S. 96- 102. Vgl. auch ders., "J. J. Mosers Programm einer Völkerrechtswissenschaft der Erfahrung", Wengier-Festschrift I (1973), s. 685 ff. 30 Daher sagt Verdroß, Einheit (1923), S. 6, daß zwar die Regelsehe Theorie zum Zentraldogma der modernen Völkerrechtswissenschaft geworden sei und von deutschen, italienischen, englischen und französischen Völkerrechtsjuristen vertreten werde; aber "[t]rotzdem gelangte die Regelsehe Lehre nicht zum vollen Durchbruche, da sich die meisten Autoren scheuten, die Folgerungen zu ziehen, die sich aus ihr für das völkerrechtliche Vertragsrecht ergeben ... ". 31 Versuch des neuesten europäischen Völkerrechts in Friedens- und Kriegszeiten I (1777), II. Vorrede,§ 5, wo er amBestand einer objektiven Völkerrechts-
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Oppenheim8 8 , Klüber34, Heffter3 5 , Bluntschli36 , Calvo 31 , F. von Martens 38 , Ferguson 39 , Pradier-Fodere40 und Gareis 41 -um nur einige zu nennen
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waren von der grundsätzlichen Vereinbarkeit der Souveränität mit
ordnung festhält, weil sich die Staaten herkömmlich zu diesem als einer verbindlichen Regel bekannt haben. Unter einem souveränen Staat versteht Moser einen solchen, "dem kein anderer Staat oder Herr in weltlichen Sachen etwas zu befeh'en hat ... Ich sage: in weltlichen Sachen, weil die der römisch-katholischen Religion zugetanen Staaten dem Papst zu Rom in Glaubens- und Kirchensachen eine gewisse Art der Oberherrschaft zugestehen". Ibid. S. 2 f. Damit ist positiv-rechtlich eine Ausnahme kirchlicher Angelegenheiten von der staatlichen Kompetenz nach Völkerrecht anerkannt. - Soweit die Zitate in den folgenden Anm. vom Verfasser nicht überprüft werden konnten, stützt sich dieser ausschließlich auf den in den in Anm. 26 und 27 genannten Fundstellen gegeber:en Text. (Vgl. auch oben, Vorwort, und unten, Hinweis zum Literaturverzeichnis.) 32 Commentaries on the Law of Nations (1. Aufl. 1839, 2. Aufl.. 1875, hrgg. von Amos), S. 92, wo zwar als Staatsmerkmale Souveränität und Unabhängigkeit genannt, gleichzeitig aber auch "allen Menschen gemeinsame Solidargüter" anerkannt werden, für deren Schutz das Völkerrecht Sorge trägt. Vgl. Sauer, Souveränität und Solidarität (1954), S. 33, mit Verweisung auf Kraus, Staatsinteressen im internationalen Leben (1951), S. 12 und 24. 33 System des Völkerrechts (2. Aufl.. 1886), S. 86, bei dem die "absolute Souveränität" allerdings nur dadurch gemildert ist, daß der Fürst Gott Rechenschaft schulde. Dies bedeutet jedoch nach Ansicht des Verfassers, daß auch Oppenheim den Staat (Fürst) nicht völlig ungebunden erachtet; andernfalls wäre der Gedanke einer Verantwortlichkeit widersprüchlich. 34 Europäisches Völkerrecht (1851), S. 23, wo die Souveränität lediglich als die politische Unabhängigkeit gegenüber anderen Staaten ("dem Auslande") und zwar als Kompetenz angesehen wird. Sie sei "Gewalt zum Zwecke des Staates", mit anderen Worten: eine durch den Staatszweck beschränkte Gewalt. 35 Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart (1861), S. 4: "Denn es gibt Grundsätze, die kein ... Staatverleugnen darf, wenn er dauernd und mit Sicherheit an dem gemeinsamen Staatenverkehr teilnehmen will, deren Anerkennung also auch jeder bei dem anderen voraussetzt, weil er sonst alle Verbindung mit demselben vermeiden und aufheben würde." Dies zeigt deutlich, daß Heffter das Völkerrecht in seinen Grundsätzen zumindest hypothetisch als notwendige Grundlage des zwischenstaatlichen Zusammenlebens - d. h., wenn und soweit ein solches Zusammenleben wünschenswert ist (was aber von Heffter stillschweigend angenommen wird)- voraussetzt. 38 Das moderne Völkerrecht (2. Aufl. 1872), S. 1- 2: "Wenn es aber eine unbestreitbare Wahrheit ist, daß der Mensch von Natur ein Rechtswesen und mit der Anlage zur Rechtsbildung ausgestattet ist, dann muß auch das Völkerrecht in der Menschennatur seine unzerstörbare Wurzel und seine sichere Begründung haben. Völkerrecht heißt die rechtlich-notwendig anerkannte Ordnung, welche die Beziehungen der Staaten zueinander regelt." (Hvhbg. im Orig.) Vgl. auch ibid. S. 63: "Die Übereinstimmung der Völker (consensus gentium) wirkt mehr noch als Ausdruck des gemeinsamen Rechtsbewußtseins der Menschheit denn als Willensäußerung der einzelnen Staaten. Der Widerspruch eines einzelnen Staates genügt daher ebenso wenig, ihn von den offenbaren Pflichten des Völkerrechts zu entbinden, als die Nichtbeachtung einer Rechtsregel in einzelnen Fällen die Übereinstimmung der Völker zu entkräften vermag." Und S. 87: "Souveränität heißt nicht absolute Unabhängigkeit noch absolute Freiheit eines Staates, denn die Staaten sind keie absoluten Wesen, sondern rechtlich beschränkte Personen." 37 Le droit international (5. Aufl. Paris 1896), wo Souveränität ebenfalls als facutte des Staates "a se donner une constitution, de fixer. ses lois, d'etablir son
II. Allgemeines zur Völkerrechtssubjektivität
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dem Völkerrecht ebenso überzeugt wie die spanischen Moraltheologen42 , Ayala43 und Gentilis 44 , Grotius 45 , Pufendorf 46 , Wolff 41 , Leibniz48 , Zouch 49 und Rachel 50 vor ihnen. gouvernement", etc. verstanden wird, die durch die wechselnden völkerrechtlichen Pflichten des Staates berührt ist. 38 Völkerrecht (deutsche Ausgabe hrg. von Bergbohm 1883), S. 286: "Im Gebiet des Internationalen hat die Souveränität nicht den gleichen Umfang wie in der inneren Verwaltung. Der Unterschied tritt sogleich zutage, sobald nur der Staat mit anderen Völkern Beziehungen anknüpft, mit ihnen Pflichtverhältnisse einzugehen und internationale Rechte zu genießen wünscht: dann wird er durch die bloße Gewalt der Dinge genötigt sein, Zugeständnisse zu machen, die legitimen Interessen und Rechte anderer Nationen zu achten - also der bedingungslosen Geltendmachung seiner Machtvollkommenheit zu entsagen. Das im staatsrechtlichen Sinne absolute Souveränitätsprinzip wird in der internationalen Gemeinschaft durch die Wechselbeziehungen der Völker einigermaßen eingegrenzt und eingeschränkt." Also auch hier wieder die Versöhnung von Souveränität und Völkerrecht auf hypothetisch-praktischer Grundlage der Notwendigkeit. 39 A Manual of International Law (1884), S. 88, wo die souveräne Gleichheit der Staaten und die Beschränkung ihrer Souveränität durch das Natur- und positive Völkerrecht anerkannt wird. 40 Traite de droit international public I (1885), S. 16, wo er die Möglichkeit einer Beschränkung der Staaten durch das Völkerrecht anerkennt, gleichzeitig aber betont, daß die Souveränität dadurch nicht Schaden nehme. 41 Institutionen des Völkerrechts (2. Aufl. 1901), spricht zwar auf S. 13 von der absoluten rechtlichen Unabhängigkeit des Staates, anerkennt aber gleichzeitig ein alle Staaten bindendes völkerrechtliches ius necessarium, das allerdings nicht mit dem verwechselt werden darf, was man heute unter dem völkerrechtlichen ius cogens versteht (vgl. WVK Art. 53). Das Gareis'sche ius necessarium umfaßt vielmehr die Grundnormen des Völkerrechts, wie pacta sunt servanda, Pflicht zur bona fides, usf. (Vgl. ibd., S. 34.) 42 Vitoria, Relectio de Indis 2, Sectio II, untersucht die Frage der Beschränkbarkeit der staatlichen Gewalt (und zwar im Spezifischen durch die geistliche); er bejaht diese Möglichkeit. Bei Suarez wird das Problem der Souveränität (iurisdictio suprema) im Zusammenhang mit der Frage behandelt, wer das ius ad beUum besäße. Da nun, wer eine mit Entscheidungsgewalt ausgestattete Instanz über sich hat, diese anrufen muß und nicht von der Gewalt zur Rechtsdurchsetzung Gebrauch machen darf, ist nur der Souverän, der keinen superior temporalis über sich hat. (De triplici virtute theologali III [De caritate], De Bello, § 2.) Vgl. auch De legibus ac Deo legislatore, Kap. XIX, wonach der Staat (Fürst) an das Naturrecht- und positive Völkerrecht, insbesondere das Gewohnheitsrecht, gebunden ist. Daher sagt Verdroß, Einheit (1923), S. 22: "Soviel ist siCher, daß die ganze scholastische Lehre unverrückbar daran festgehalten hat, daß einerseits das vom Staate (Fürsten) gesetzte Recht keineswegs die höchste, nicht weiter ableitbare Ordnung ist, und andererseits aber den .Staaten dennoch, auch im internationalen Verkehre, Souveränität zukommt. Ja im Sinne der Scholastik sind die Staaten in dieser Hinsicht gerade auf Grund und zufolge des Völkerrechts ,souverän'." (Hvhbg. im Original.) Die Schule der spanischen Moraltheologie, die von Salamanca aus den ganzen katholischen Raum befruchtet hat, kann als die Keimzelle moderner Völkerrechtswissenschaft angesehen werden. Vgl. Hentschel, "Franciscus de Victoria und seine Stellung im übergang von mittelalterlichen zum neuzeitlichen Völkerrecht. Ein Beitrag zur Geschichte der Völkerrechtswissenschaft", 17 ·zöR (1937), S. 319 - 391, sowie Schuster, "Was versteht Franz Suarez unter ius gentium?", 16 ZöR (1936), S. 487-495, auf 495: "Suarez bedeutet einen Wendepunkt in [der] Entwicklung. Mag er noch in manchen Stücken der Tradition undihrer
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Mit dieser verfehlten Fragestellung aufgeräumt zu haben, ist das Verdienst von Verdroß, der in seiner Darlegung der Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung (1923) aufzeigt, daß die staatliche Souveränität nichts anderes darstellt als eine Unklarheit verhaftet sein, so darf er doch mit einem Franz von Vittoria auch in formeller Hinsicht zu den Bahnbrechern des modernen Völkerrechtsgedankens gezählt werden." Wegen ihrer Bedeutung (sie haben auch die protestantische Völkerrechtslehre über Grotius stark beeinflußt; vgl. unten, Anm. 45) gibt es über sie ein umfangreiches Schrifttum. Vgl. bes. noch Nys, "Les publicistes espagnols du XVIe siecles et les droits des Indiens", 21 RDILC (1889), S. 532 bis 560 (behandelt u. a. Las Casas, Quevedo, Ramirez, Sepulveda, Vitoria, Can.o und Soto); Scott, "La decouverte de l'Amerique et le droit des gens", 5 RDI (1930), S. 33 -58 (behandelt Vitoria und dessen Vorläufer); ders., The Catholic Conception of the Law of Nations. Francisco de Vitoria, Faunder of the Modern Law of Nations; Francisco Suarez, Faunder of the Modern Philosophy of Law in Generaland in Particular of the Law of Nations (1934). Nennt deren Arbeiten spanisch im Ursprung, weltlich in der Form, aber katholisch in der Substanz und einer universalen Ausbreitung fähig. Von der Heydte, "Franciscus de Vitoria und sein Völkerrecht. Zum 400. Geburtstag der Völkerrechtswissenschaft", 13 ZöR (1933), S. 239- 268; Verosta, "Das Völkerrecht des Abendlandes und die spanischen Theologen Vitoria und Suarez", 9 Schönere Zukunft (1936), S. 1163 ff. und 1200 ff.; Reibstein, Die Anfänge des neueren Natur- und Völkerrechts. Studien zu den "Controversiae illustres" des Fernandus Vasquius (1559), 1949; Arboyela et al., "La conquista de America y el descubrimiento del moderne derecho internacional", Vitoria-Festschrift 1951. 43 Auch dieser betrachtet die Souveränität primär. als eine "Kompetenz zum Kriegführen", De iure et officiis bellicis et disciplina militari libri III (1582), I, Kap. II, § 7. 44 Nach de iure belli libri tres I, Kap. III, gibt es ein umfassendes Menschheits- bzw. Völkerrecht, das auch jene Gemeinschaften bindet, die nicht zugestimmt haben: "Imo ut rectio civitatis et legislatio est penes civitates partem maiorem; ita orbis rectio est penes congregationem maioris partis orbis." 45 Auch Grotius versteht unter summa potestas lediglich, daß das staatliche Urteil keiner höheren menschlichen Instanz unterliegt, somit durch "arbitrium alterius voluntatis humanae" nicht aufgehoben werden könne (De iure belli ac pacis I, Kap. 111, § 7, 1). Souveränität ist ihm eine bestimmte Kompetenzsphäre, die er ibid. I, Kap. 3 § 6, 1 und 2 analysiert. Auf die Abhängigkeit des Grotius von der Scholastik der Neuzeit wurde oben schon hingewiesen. Scott, "La decouverte de l'Amerique et le droit des gens", betont die Abhängigkeit von Vitoria, während del Vecchio, "Grozio e la fondazione del diritto internazionale", 43 RivDI (1960), S. 197-202, aufS. 199 die Auffassung vertritt, der Gedanke der Vernunft als Grundlage des Völkerrechts sei ihm von Gregor von Rimini durch die Diskussion bei Sudrez (De legibus ac Deo legislatore li, Kap. VI, § 3) überkommen. Damit ist widerlegt, was von protestantischer Seite, die in Grotius gerne "ihren" Stammvater des Völkerrechts sieht (zum "protestantischen Völkerrecht" überhaupt vgl. Boegner, "L'influence de la Reforme sur le developpement du droit international", 6 RdC [1925], S. 241- 324), früher behauptet wurde: "Die Wissenschaft vom Völkerrecht ist aber ... eine protestantische zu nennen ... es folgt dies aus der eigentümlichen Natur(!; der Verf.) des Völkerrechts ... " Kaltenborn von. Stachau, Kritik des Völkerrechts (1847), S. 24. Seine Abhängigkeit von der spanischen Scholastik hat übrigens nicht verhindert, daß Grotius' 1. Aufl. des De iure belli ac pacis indiziert wurde. Vgl. Reeves, "The First Edition of Grotius' DeIure Belli ac Pacis", 19 AJIL (1925), S. 12- 22, aufS. 21 - 22. 46 Vgl. seine den Eiementa iurisprudentiae, § 24, entnommene Völkerrechtsdefinition: ,,lus gentium nihil aliud est quam ius naturae, quatenus illud inter se summo imperio non connexae gentes diversae observant."
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den Staaten vom Völkerrecht zugewiesene Kompetenz 51 • Als theoretischen Grund für die wissenschaftliche Verwirrung in diesem Punkt erkennt Verdroß einen Bedeutungswandel (Begriffsinhaltswandel), den die Souveränität im Laufe des 19. Jahrhunderts durchgemacht hat. Ursprünglich bedeutete "Souveränität" eine bestimmte rechtliche KompetenzfüUe, danach aber die oberste rechtliche Gesetzlichkeit52 • 47 Auch dieser sieht zwischen Souveränität und Völkerrecht kein Hindemis; einerseits spricht er den Staaten ein summum imperium zu (lus gentium [1749], § 607, und Institutiones iures naturae et gentium[1750], § 1169), andererseits vertritt er sogar die Auffassung von einem Gesetzgebungsrecht der Völkerrechtsgemeinschaft als civitas maxima auf Mehrheitsbasis (lus gentium, § 11). 48 Er definiert die summae potestates als "quae aliarum gentium potestatem legislatorium in se non agnoscunt" (Observationes de principio iuris IV, Opera omnia IV, Pars III [1768], S. 270), womit er aber nicht das Völkerrecht, sondem nur die Oberhoheit eines anderen Staatsrechts ausgeschlossen wissen will. 48 Iuris et iudicii fecialis, sive iuris inter gentes et quaestionum de eodem explicatio (1650), Pars I, Sect. I, wo die Souveränität als Entscheidungskompetenz verstanden wird. 50 "Dissertatio altera de iure gentium", De iure naturae et gentium dissertationes (1676), XCI: " ... gens libera una altera non est superior ... si tarnen ipsis placet pactis se obstringere, utique vero inter se continentur ... " 51 S. 13 ff., bes. S. 31. Vgl. auch seine Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926), S. 118: "Die ausschließlich dem Völkerrecht untergeordneten Staaten nennt man auch ,souveräne' Staaten. ,Souveränität' ist also nur ein anderer Ausdruck für die völkerrechtliche Zuständigkeit der völlig völkerrechtsunmittelbaren Staaten. Ist aber die völkerrechtliche Souveränität nur die Bezeichnung einer bestimmten völkerrechtlichen Zuständigkeit, dann kann sie niemals mit dem Völkerrecht in Widerspruch geraten, da ja diese Zuständigkeit aus dem Völkerrecht abgeleitet ist, somit nur in dem vom Völkerrecht abgesteckten Au~maße zu Recht besteht, sich daher mit dem Inhalt des Völkerrechts verändert." (Hvhbg. im Orig.) Vgl. dazu das Sondervotum des Richters Anzilotti zum Rechtsgutachten des StiG betreffend die Ordnung des Zollwesens zwischen Deutschland und Osterreich vom 5. September 1931, PCIJ Reports Ser. A/B No. 41, S. 57: "Independence as thus understood is really no more than the normal condition of States according to international law; it may also be decribed as sovereignty (suprema potestas), or external sovereignty, by wh'ch is meant that the State has over it no other authority than that of intemationallaw." (Hvhbg. vom Verf.) (Zum Zollunionsfall vgl. u. a. Verosta, "Les avis consultatifs de la Cour permanente de Justice internationale et le Regime douanierentre 1'Allemagne et 1' Autriche", 6 RDI [1932], S. 234 ff.) 52 Während gerade jener Teil der Völkerrechtswissenschaft, der den Gedanken der Überordnung des Völkerrechts über die Staaten weiterentwickelte, gleichzeitig auch deren Souveränität verkündet habe (vgl. dazu oben, Anm. 31 bis 50), sei "[d]ieser Zusammenhang ... dann allerdings der Völkerrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts verlorengegangen; ja sie ist soweit gekommen zu behaupten, daß ein überstaatliches Völkerrecht und souveräne Staaten unvereinbare Größen seien, sodaß entweder die überstaatlichkeit des Völkerrechts oder aber die Souveränität der Staaten geleugnet wurde. Diese Schlußfolgerung ergibt sich aber nur daraus, daß diese Lehre unter ,staatlicher Souveränität' etwas ganz anderes versteht als jene." Verdroß, Einheit (1923), S. 32. Vgl. dazu noch Sukiennicki, La souverainete des etats en droit intemationa1 moderne (1927), S. 7: "Deux conceptions fondamentales, etant en meme temps diametralerneut opposees, sont, d'apres nous, possibles dans cette question: ou la puissance etatique est synonyme de l'omnipotence juridique, ou elle n'est que la competence limitee dans les cadres du droit preexistant." Vgl. auch Po-
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Da dieser Begriffswandel offenbar zuerst unbewußt erfolgte, weil man nicht erkannte, daß derselbe Terminus für zwei grundverschiedene Konzeptionen herangezogen wurde, übernahm man die alte Souveränitätslehre unbesehen mit einem neuen Inhalt und folgerte aus der Tatsache, daß der Staat nunmehr selbst höchste rechtliche Instanz darstellte, daß es über ihm keine noch höhere geben könne, womit das Völkerrecht als eine verbindliche rechtliche Ordnung entweder ganz in Wegfall kam oder doch nur auf dem Umweg über verschiedene schiefe Konstruktionen scheinbar gerettet werden konnte 53 • Zwar haben schon vor Verdroß andere völkerrechtliche Autorenu das Völkerrecht als überstaatliches Recht anerkannt und sind damit der zu ihrer Zeit herrschenden Theorie von der staatlichen Souveränität entgegentreten, aber erst bei Verdroß hat das Problem in der Erkenntnis einer Einheit des rechtlichen Weltbildes auf der Grundlage der Völkerrechtsverfassung seine klassische Lösung gefunden; eine Lösung, die derselbe Autor später in seiner Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926) weiter ausgebaut und vertieft hat. Im übrigen bedeutet dieser Umstand nicht, daß die auf HegeL rückführbare Souveränitätstheorie damit schlagartig verschwunden wäre; sie hielt (und hält sich in gewissem Sinne) vielmehr weiter, und zwar sowohl bei Autoren, die auf eine Praxisnähe zugunsten "klarerer" rechtlicher Erfassung des Problems weniger Wert legen 55 , als auch bei jenen, die litis, "i:..es limitations de Ia souveraineU~", Revue de Paris vom 1. März 1926, S. 18, auf den Sukiennicki verweist. 53 So durch die (an Hand des Vertragsrechts entwickelte, aber für die Frage nach dem Geltungsgrund des Völkerrechts ganz allgemein bedeutsame) Selbstbindungstheorie G. Jellineks, Staatslehre, S. 387: "Alle völkerrechtlichen Handlungen sind nämlich nur durch Akte des Imperiums möglich. So liegt z. B. in jedem Staatsvertrag, der zur Leistung verpflichtet, eine Verpflichtung der Herrschergewalt selbst, die nur durch einen Akt des Herrschers vorgenommen werden kann." Diese Auffassung G. Jellineks gründet in seiner Ansicht, das Völkerrecht sei das anarchische Recht einer anarchischen Staatengemeinschaft ohne Autorität mit Herrschermacht. (Ibid., S. 379.) Uber G. Jellineks Selbstverpflichtungslehre des Staates ganz allgemein vgl. ibid., 367 ff. - Hieher zählt auch die Vereinbarungstheorie Triepels. Da er als einzige Quelle des Rechts den Willen annahm (vgl. Völkerrecht und Landesrecht [1899], S. 27 -' 31), konnte für ihn nur "[e]in zu einer Willenseinigung zusammengeflossener Gemeinwille mehrerer oder vieler Staaten ... die Quelle von Völkerrecht sein." (Ibid., S. 32.) Da dieser Gemeinwille fortbestehen soll, auch wenn die ihn einmal gebildet habenden Staaten ihren Willen ändern - das ist ja gerade der "objektive" Verpflichtungsgrund des Völkerrechts nach Triepel -, muß man, in Abwandlung eines Wortes von L. Feuerbach über Hegels absoluten Geist, sagen, daß der objektivierte Gemeinwille in Triepels Vereinbarungstheorie umgeht wie ein Gespenst. 54 So neben Le Fur, "Guerre juste .et juste paix", 2ß RGDIP. (1919), S. 9 ff., 268 ff. und 349 ff., sowie "Philosophie du droit international", 28 RGDIP (1922), S. 565 ff., wo von der "l'existence d'un droit superieur aux caprices de !'Etat souvrain" die Rede ist, u. a. von Krabbe, Die moderne Staatsidee (1919), und Duguit, Traite de droit constitutionnel I (1911). (Bei Verdroß, ibid., passim.) 65 So behauptet Quaritsch, Staat und Souveränität I (1970), S. 380 - 381, kurz und. bündig, daß "die Verbindlichkeit staatsrechtlich gültigen, aber völker,.
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Praxisnähe und Erfassung der Wirklichkeit aprioristisch mit Machtstaatsdenken gleichsetzen und zu einer "realistischen" Einschätzung des Souveränitätsproblems im Völkerrecht aufrufen58 . Da nun gerade die - zumindest relative - Unübersichtlichkeit des völkerrechtlichen Materials57 und die damit verbundene erschwerte vergleichende Überprüfbarkeit desselben, vor allem auf Vollständigkeit oder Repräsentativität, hinsichtlich der Staatenpraxis58 eine willkürliche Auswertung des Materials erleichtert, und jeder "sein" Material zur Stützung seiner Thesen entnehmen kann, dazu bei der relativen Spärlichkeit der Völkerrechtssubjekte59 ein abweichendes, u. U. auch rechtswidriges Verhalten nicht selten zur Deutung einlädt, das als rechtmäßig Behauptete sei in Wahrheit überhaupt nicht verpflichtend, weil sich die Staaten, sollte es für sie eine Belastung darstellen, ohnedies nicht danach verhielten, ist es gerade im völkerrechtlichen Bereich besonders schwierig, aus der Praxis allein verbindliche Aussagen zu machen. Schließlich kann die Praxis immer nur indikativ sein; erst im Rahmen eines wertenden Ordnungssystems gelangen die ihr entnommenen Daten zu einer Eindeutigkeit80. Das vielfache Festhalten an einem mit dem Völkerrecht unvereinbaren Souveränitätsbegriff hat dazu geführt, daß auch die extreme Gegenposition - nämlich Verwerfung der Souveränität als Element des Staatsbegriffes überhaupt - sich bis heute erhalten hat61 • Damit rechtswidrigen Landesrechts ... - sieht man ab von den bislang Ausnahme gebliebenen ,Nürnberger Prozessen' - von der völkerrechtlichen Praxis überhaupt nicht, von der Doktrin nur selten bestritten" wird. Der souveräne Staat sei mit jenem identisch geblieben, den Bodin gezeichnet habe, von dessen Werk "zwei Entwicklungslinien ihren Ausgang nehmen: Die Leugnung des Völkerrechts ... und die dualistische Konzeption der herrschenden Praxis und Lehre der Gegenwart." (Ibid. S. 381- 382 in Verbindung mit 383.) 5& So meint Krüger, "Souveränität und Staatengemeinschaft", 1 BDGVR (1957), S. 1, man könnte u. U. sagen, "daß nur der Staat souverän ist, der über Atombomben verfügt". 57 Die leichtere Zugänglichkeit des Völkerrechts, vor allem auch für die sog. Neustaaten in Übersee, ist mit ein Argument für den heute zu beobachtenden Trend zur Kodifikation des Völkerrechts. Vgl. dazu Kägi, "Kodifikation", WV li (2. Auft. 1961), S. 228-237, sowie Zemanek, "Die Bedeutung der Kodifizierung des Völkerrechts für seine Anwendung", Verdroß-Festschrift 1971, S. 565- 596. 58 Bisher sind nur für wenige Staaten Darstellungen ihrer völkerrechtlichen Praxis erschienen, wobei die Amerikaner hier den Anfang machten. Vgl. bes. Moore, Digest of International Law, 8 Bde. (1906); Hackworth, Digest of International Law, 7 Bde. (1940 -1943); Whiteman, Digest of International Law; bisher 14 Bde. (1960 ff.). Vgl. auch Parry, A British Digest of International Law, bisher 8 Bde. (1967 ff.); für Frankreich Kiss, Repertoire de la pratique fran!;aise, 7 Bde. (1962 - 1972). 58 Von V erdroß zu den Eigenarten des Völkerrechts gezählt (vgl. Völkerrecht, 5. Auft. 1964, S. 129). 80 Vgl. dazu oben, Erstes Kapitel. 61 Siehe dazu das klassische Beispiel Kelsens "Souveränität" im WV 111 (2. Auft. 1962), S. 278- 285, auf S. 280: "[Der] Primat des staatlichen Rechts ist das, was im Rahmen einer Rechtslehre als Souveränität des Staates bezeichnet
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aber kennt die Lehre von der völkerrechtlichen Seite der Souveränität (der Souveränität "nach außen") gegenwärtig drei Grundpositionen: die Theorie der absoluten Souveränität, die Leugnung der Souveränität des Staates überhaupt, und die Lehre von der relativen Souveränität bzw. von der Souveränität als völkerrechtlichem Tatbestand. Von diesen drei Auffassungen kann sich jedoch nur die letzte auf eine ausreichende Stützung durch die Praxis und die Überzeungungskraft eines zusammenhängenden, widerspruchslosen rechtlichen Weltbildes verlassen 62 • Zwar wird man in der heutigen internationalen Gemeim:chaft, die als solche ideologisch eine ähnlich pluralistische Struktur aufweist wie die meisten der einzelnen Staaten im internen Bereich, positiv-rechtlich kaum zu einer anderen als zu einer hypothetischen Begründung einer gemeinsamen ideologischen Mindestbasis vorstoßen können, indem die Staaten, unabhängig davon, was sie tatsächlich ihrer eigenen Ideologie nach als internationale Werte erkennen, doch bestimmte Werte allgemein anerkennen und sich damit auch zur Auffassung bekennen, daß jeder Staat, der gegen diese Werte und die sie verwirklichenden Grundsätze des internationalen (Rechts-)Lebens verstößt, nicht als Glied der internationalen Gemeinschaft in good standing, sondern als Aggressor gegen die internationale Ordnung angesehen und gegen ihn kollektiv vorgegangen werden soll. Schon die (früher) im VBP'3 und (gegenwärtig) in der SVN84 niedergelegten Grundsätze der Weltorganisation sind Ausdruck der Suche nach solchen wird. Souveränität in diesem Sinn stellt keine wahrnehmbare oder sonst objektiv erkennbare Qualität eines realen Gegenstandes, sondern eine Voraussetzung dar- die Voraussetzung einer normativen Ordnung als einer höchsten, in ihrer Geltung von keiner höheren Ordnung ableitbaren Ordnung. Die Frage, ob der Staat souverän ist, kann nicht durch eine Untersuchung der natürlichen oder sozialen Wirklichkeit beantwortet werden ... Die Frage, ob ein Staat souverän ist, ist die Frage, ob die staatliche Rechtsordnung als höchste Rechtsordnung vorauszusetzen ist. Dies ist der Fall, wenn man das Völkerrecht für den Staat nur dann als gültig betrachtet, wenn es von dem Staat anerkannt, wenn als der Geltungsgrund des Völkerrechts der ,Wille' des Staates angesehen wird." Und S. 278: .,Diese Souveränität des Staates wird problematisch, wenn das Völkerrecht als eine den Staat verpflichtende und berechtigende Rechtsordnung mit in Betracht gezogen wird." 62 So sagt Jessup, A Modern Law of Nations (1949) (deutsch: Modernes Völkerrecht [1950]), S. 12, daß die absolute Staatssouveränität die Erzfiktion des Völkerrechts sei. 63 Vgl. VBP Präambel und die Artikel!, 11, 12, 13, 15, 16 und 17. 6 ' Vgl. SVN Präambel und bes. die Kapitel I (Ziele und Grundsätze), II (Mitgliedschaft), VI (Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten) und VII (Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen); vgl. auch Art. 24, Abs. 1 (.,Um ein schnelles und wirksames Handeln der Vereinten Nationen zu gewährleisten, übertragen ihre Mitglieder dem Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und erkennen an, daß der Sicherheitsrat bei der Wahrnehmung der sich aus dieser Verantwortung ergebenden Pflichten in ihrem Namen handelt.").
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gemeinsamen internationalen Werten. Wie wichtig man es gerade in einer ideologisch zerrissenen Welt erachtet, den anderen auf eine bestimmte Wertgrundsatzerklärung festzulegen, beweist die von der Jubiläums- (der 25.) GV der VN angenommene DecZaration on Principles
of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations65 , in der sich die Mitglieder der VN in detaillierter Ausführung zu den in der SVN niedergelegten Grundsätzen bekennen. Die in der Theorie nur hypothetisch begründete Basis der internationalen (Rechts-)Gemeinschaft wird damit in der Praxis durch den Zwang zum ideologischen Kompromiß bei der Absicherung einer Mindestgrundlage zum wenigstens notdürftig geordneten Bestand der internationalen Gemeinschaft und damit zum Oberleben erzwungen; sie ist solange eine tragfähige Basis, als das internationale Sanktionssystem (wiederum: wenigstens notdürftig) funktioniert, und jeder Störer internationaler Ordnung daher entscheidende Nachteile aus seinem Verhalten zu erwarten hat. Einer dieser von der internationalen Gemeinschaft proklamierten Grundsätze internationalen Zusammenlebens ist aber jener der Souveränität unter dem Völkerrecht. Dies ergibt sich sowohl aus Art. 2 Zif. 1 SVN68 in Verbindung mit der Präambel67 und Art. 1 Zif. 168 , als auch aus P. 6 der oben genannten Declaration on Principles of Friendly Relations among States69 • Es widerspricht damit der völkerrechtlichen Wirklichkeit, die Souveränität absolut zu setzen oder sie aber zu leugnen. Ist "Souveränität" aber einmal als völkerrechtlicher Tatbestand erkannt, dann zeigt sich, daß die Frage nach der Beschränkbarkeit der Souveränität "nach außen" ein Scheinproblem darstellt. Von Beschränkbarkeit zu sprechen, ist nur bei einer vorgegebenen Größe sinnvoll, die als solche in Relation zu einer anderen gesetzt werden soll. Souveränität aber ist keine (rechtliche) Größe, die "als solche" besteht und daher als solche in Relation zum Völkerrecht gebracht werden müßte. Sie ist vielmehr nur der dem Staat vom Völkerrecht zur selbständigen Erledigung zugewiesene (delegierte) Wirkungsbereich70 • Dieser Umstand GV-Res. 2625 (XXV). "Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Mitglieder." 67 " ••• Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können ..." 68 " ••• und internationale Streitigkeiten ... durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen ... des Völkerrechts zu bereinigen ..." 6 g "The principle of sovereign equality of States." 70 Vgl. in diesem Zusammenhang nochmals das Rechtsgutachten des StiG im Falle der Nationatity Decrees Issued in Tunis and Morocco (oben, Zweites Kapitel, II, Anm. 25): "From one point of view, it might weil be said that the jurisd:ction of a State is exclusive within the limits fixed by international law ... (S. 23)." 65 66
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
und damit das Völkerrecht ist daher mit dem Begriff der Souveränität stets mitzudenken. Das zeigt aber, daß die Fragestellung nach der "Beschränkbarkeit" der staatlichen Souveränität "nach außen" falsch gewählt ist: als Tatbestand des Völkerrechts ist diese Souveränität vielmehr das per definitionem der Fremdabgrenzung Unterliegende und damit Beschränkte. Schließlich ist abschließend noch anzumerken, daß zwischen der Souveränität als Rechtsmacht und als Kompetenztatbestand des Völkerrechts kein Widerspruch bestehen muß, solange nicht ersteres in absoluter Form vom Staat ausgesagt wird 71 • Will man auf den Terminus "Macht" im Zusammenhang mit der Effektivität der staatlichen Rechtsordnung und auch wegen der staatlichen Autorität72 nicht verzichten, so erscheint es durchaus möglich, Souveränität als gemessene (d. h. vom Völkerrecht zugemessene und damit beschränkte) Rechtsmacht zu betrachten, eine Definition, die u. U. geeignet sein mag, psychologische Schranken gegen eine Annahme der relativen Souveränitätsauffassung überwinden zu helfen, wo traditionelles Denken noch zusehr in Machtvorstellungen befangen ist. Wird Souveränität aber nicht mehr als eigenständige, absolute (unbeschränkbare) und damit ausschließliche (Rechts-)Macht eines Staates betrachtet73 , dann besteht keine Schwierigkeit, eine beliebige Zahl derartiger souveräner staatlicher Gemeinschaften und damit deren Nebenordnung anzunehmen. Dann kann aber auch nicht a priori ausgeschlossen werden, daß es neben den Staaten auch noch andere souveräne 71 Vgl. Verdroß, Verfassung (1926), S. 4: "[J]ede Rechtsgemeinschaft ist eine durch Rechtsnormen begründete Gemeinschaft. Rechtsgemeinschaft ist nur jene Gemeinschaft, die durch einen Kreis von Rechtsnormen als Einheit erfaßt und dadurch von anderen abgegrenzt wird . . . Noch für Kant ist ein Staat ,die Vereinigung von Menschen unter Rechtsgesetzen'. Erst die Machtstaatstheorie hat dieses Erbe schmählich vertan, sodaß es im 20. Jahrhundert ... neu entdeckt werden mußte." Vgl. auch Sukiennicki, La souverainete des etats (1927), S. 55: "[1]1 semble que tous les essais afin de concilier la notion d'un droit international avec la notion intacte de la souverainete des Etats peuvent etre assimiles a des tentatives de solution de la quadrature du cercle." Vgl. auch Krabbe, Die moderne Staatsidee (1919), S. 265: "Auf der irrealen Grundlage der Staatssouveränität kann kein internationales Recht gebaut werden." Auch Jessup, A Modern Law of Nations (1949), deutsch: Modernes Völkerrecht (1950), S. 12, nennt den absoluten Souveränitätsbegriff die Erzfiktion des Völkerrechts. Vgl. oben, Anm. 62. 72 Ermacora spricht (Staatslehre [1970], S. 345), von der Autorität, "ohne die kein Staat sein kann". Autorität sei eine geistige Macht; "[w]er sie hat, ist der Souverän". Autorität ist aber auch die Kraft, auf die die Existenz einer Verfassung (und damit des Staates) rückzuführen ist, wobei dies eine traditionelle, eine revolutionäre, schließlich die nackte Gewalt sein kann. (Ibid.) 73 Vgl. Kelsen, Staatslehre (1925), S. 103 f. und 141 ("Mit ... der Souveränität des Staates ... ist auch die volle Ausschließlichkeit der Geltung oder der Existenz des Staates nach innen wie nach außen ... gegeben) sowie passim; ders., Souveränität (1920), S. 39: "Denn Souveränität ist ihrem Wesen nach ein Superlativ, und zwar ein Absolutum."
li. Allgemeines zur Völkerrechtssubjektivität
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Gemeinschaften geben könne. Dies wäre vielmehr völlig mit der staatlichen Souveränität vereinbar, soweit die diesen Gemeinschaften zugewiesenen Kompetenzen sich nicht mit den staatlichen überschneiden und daher diese anderen Gemeinschaften mit den Staaten in eine Kompetenz- (d. h. aber: eine sachliche) Konkurrenz treten. Im Rahmen des einheitlichen rechtlichen Weltbildes darf es nämlich keinen Widerspruch dergestalt geben, daß zwei verschiedenen Gemeinschaften dieselben Kompetenzen zugewiesen werden, weil dies eine (letztlich denkunmögliche) Antinomie im Recht bedeuten würde; solche Widersprüche können vielmehr nur scheinbar oder vorübergehend sein und müssen ihre Auflösung im Rahmen des sie umfassenden rechtlichen Weltbildes finden 74• Damit ist die Frage grundsätzlich beantwortet, ob es neben den Staaten noch andere souveräne Gemeinschaften geben kann. Ob es sie in der Tat gibt, muß die Wirklichkeit zeigen, kann also nur empirisch festgestellt werden. Eine solche Prüfung wird in Betracht ziehen müssen, ob zum einen Gemeinschaften existieren, die eine sie der Souveränität der Staaten entziehende eigene Souveränität tatsächlich in Anspruch nehmen, ihrem Wesen nach in Anspruch nehmen könnten, oder denen doch eine gewisse vom Staat unabhängige Stellung in der wissenschaftlichen Literatur bereits zugesprochen worden ist; zum anderen, ob diese(r) Anspruch bzw. Bewertung zu Recht besteht. Bevor wir jedoch in diese Prüfung eintreten, legen wir uns die Frage vor, ob die die Staaten und allfällige andere souveräne Gemeinschaft koordinierende Rechtsordnung die Völkerrechtsordnung oder eine andere Rechtsordnung ist, und wie sich im letzteren Fall diese zur Völkerrechtsordnung verhält. Um dieses Problem einer generellen Lösung zuzuführen, muß zuerst die Vorfrage beantwortet werden, was diese souveränen Gemeinschaften, um überhaupt solche zu sein, mit dem Staat gemeinsam haben müssen, bzw. was sie vom Staat unterscheiden muß, um ihre Sonderung von ihm überhaupt sinnvoll zu machen75• Von den drei Staatselementen ist es das Element der Staatsgewalt, das dem Staat Souveränität verleiht; die unabhängige Staatsgewalt macht den Staat souverän. Soll daher auch bestimmten nichtstaatlichen 74 Also in analoger Weise zu Konflikten zwischen der innerstaatlichen und der Völkerrechtsordnung, die ebenfalls "nicht endgültiger Natur sind, sondern in der Einheit des Rechtssystems ihre Auflösung finden". Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964, S. 113). Es gehört zum Wesen der höheren (detegierenden) Ordnung, Widersprüche zwischen sich und einer delegierten wie auch Widersprüche zwischen zwei solchen (die ja wiederum ihre Ursache in einem Widerspruch zwischen einer von ihnen und der delegierenden Ordnung haben muß) aufzulösen. 75 Wären sie nämlich in aHem dem Staat gleich, dann wären sie selber Staaten und wir der Mühe enthoben, sie, von letzteren sondernd, in eine beide Kategorien umfassende Rechtsordnung einfügen zu müssen.
3 Köck
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Gemeinrchaften Souveränität zukommen, so müssen sie in diesem Punkt dem Staat gleichen: ihre Gewalt, d. h. aber: ihre Rechtsordnung, muß unabhängig sein, darf sich also von keiner anderen, insbesondere auch nicht der staatlichen, herleiten (von dieser delegiert sein). In welchem der beiden anderen Elemente sind dann Staat und nichtstaatliche souveräne Gemeinschaft verschieden? Es kann nicht das Element der Leute sein, das letztere von ersterem unterscheidet, denn keine Gemeinrchaft ist ohne ihr persönliches Substrat, ihre Mitglieder, denkbar. Damit bleibt aber als differentia specifica zwischen dem Staat und einer nichtstaatlichen souveränen Gemeinschaft das Element des Gebietes, das ersterer besitzt und letzterer (jedenfalls in der für das Verhältnis eines Staates zu seinem Gebiet spezifischen Weise) abgeht. Das bedeutet nicht, daß nicht auch die nichtstaatliche souveräne Gemeinrchaft im Raum existierte; sie übt aber in demselben weder territoriale Souveränität noch Gebietshoheit aus. 111. Die Abgrenzung des Hl. Stuhls von anderen nichtstaatlichen Völkerrechtssubjekten Damit können wir die oben1 gestellte Frage nach dem Wesen der die Staaten und nichtstaatlichen souveränen Gemeinschaften umfassenden Rechtsordnung dahingehend präzisieren, ob das Völkerrecht ein bloßes interterritoriales Recht und welches unter diesen Umständen die Staaten und nichtstaatlichen Gemeinschaften koordinierende Rechtsordnung ist, oder ob der Begriff des Völkerrechts soweit gefaßt werden kann bzw. muß, daß auch die Beziehungen der nichtstaatlichen souveränen Gemeinrchaften von ihm erfaßt werden könne.
Taube hat, davon ausgehend, daß es tatsächlich solche nichtstaatlichen souveränen Gemeinschaften gibt2 , die er als "Mächte" bezeichnet, die für die Regelung deren Beziehungen in Frage kommende Rechtsordnung als Zwischenmächterecht (ius inter potestates) bezeichnet3 • Darunter ist der Inbegriff jener Normen zu verstehen, die die Beziehungen von Gemeinschaften regeln, die weder unmittelbar (wie nach Taube allein die Staaten) noch mittelbar (wie die innerstaatlichen Gebietskörperrchaften) dem Völkerrecht unterworfen sind. Dazu müssen noch Zweites Kapitel, II, Ende. Welche er im Detail angenommen hat, dazu vgl. unten. 3 Taube, "La situation internationale actuelle du Pape et l'idee d'un 'droit entre pouvoirs' (ius inter potestates)", 1 ARWPh (1907/08), S. 360 ff. und 510 ff. Vgl. auch Baikoff, La capacite internationale actuelle du Saint-Siege (1904): "Ce sont les Pouvoirs Souverains et non les Etats souverains, qui constituent les vraies personnes du droit internaional", dessen Idee Taube hier aufgreift. Vgl. dazu Verdroß, Einheit, passim, und ders., Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926), S. 116 f. 1
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III. Der Hl. Stuhl und andere Nicht-Staaten
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jene Normen kommen, die die Beziehungen zwischen diesen Gemeinschaften und den Staaten regeln. Daraus ergibt sich, daß das Zwischenmächterecht ein weiterer Rechtskreis wäre als das Völkerrecht, Staaten (für die das Völkerrecht ihr Sonderrecht darstellte) und Mächte koordinierend. Grund für die Einführung des neuen Begriffes war, daß Taube das moderne Völkerrecht als strikt interterritorial betrachtet hat; es konnte daher für ihn hinsichtlich solcher Gemeinschaften, die keine territorialen im Sinne der Staaten sind, nicht in Frage kommen. Um aber Klarheit darüber zu erlangen, ob die Taubesche Unterscheidung sachlich gerechtfertigt oder ein bloßes ungerechtfertigtes Vorurteil ist, sind einige Überlegungen zum Begriff des Völkerrechts notwendig. Bekanntlich kann man Recht bestimmter Art an sich nach verschiedenen Gesichtspunkten definieren, womit man vorgegebene Normen in verschiedener, engerer oder weiterer Form zusammenfaßt. Als derartige Gesichtspunkte kommen in Betracht: die Quelle, aus der die betreffenden Normen entspringen4 ; der Rechtsinhalt, d. h. die durch die betreffenden Normen geregelten Lebensverhältnisse 5 ; die Art der für Verletzung der betreffenden Normen angedrohten Sanktionen6 ; die Rechtsadressaten, d. h. jene Rechtssubjekte, deren Beziehungen durch die betreffenden Normen geregelt werden7 ; schließlich die Träger einer bestimmten Rechtsordnung, d. h. jene Rechtssubjekte, von denen die betreffenden Normen direkt oder indirekt ausgehen8 • Wenngleich nun aber eine Definition nach jedem der genannten Gesichtspunkte möglich ist, so ist eine beliebige Definition für sich allein noch nicht Garant dafür, daß sie auch zweckmäßig ist, d. h., den in der Wirklichkeit vorgegebenen Stoff auch in adäquater Weise erfaßt. So liefert nur jene Definition einer Rechtsordnung ein Abbild der rechtlichen Realität, die die formelle Einheit dieser Rechtsordnung wahrt, also Rechtsordnungsträger, Rechtsadressaten, Rechtsquelle und Sanktion in einem widerspruchslosen System vereinigt9 • z. B. Vertragsrecht oder Gewohnheitsrecht. z. B. Diplomaten- und Konsularrecht, Fremdenrecht, usf. e z. B. Individual- oder Kollektivhaftung. 7 z. B. physische oder juristische Personen. 8 So etwa das innerstaatliche Recht, das von einem, das zwischenstaatliche Recht, das von mehreren Staaten (in Zusammenwirken) geschaffen wird. Vgl. Kelsen, "Zur Grundlegung der Völkerrechtslehre. Eine Auseinandersetzung mit Heinrich Drost", 1 (NF) OZöR (1948), S. 20 - 83, der Völkerrecht als zwischenstaatlich erzeugtes Recht qualifiziert. • Daß eine Definition nach inhaltlichen Gesichtspunkten diesen Dienst nicht tut, möge ein Beispiel verdeutlichen. Paßfragen (etwa Visagebühren) können sowohl ausschließlich innerstaatlich als auch durch ein zwischenstaatliches Abkommen geregelt sein. Versucht man nun alle Paßfragen (Visagebühren betreffend) nach dem inhaltlichen Kriterium als "Paßrecht (Visafragen)" zusam4
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Welches der verschiedenen normativ faßbaren Kriterien kommt nun als Grundlage für eine solche die Einheit der Rechtsordnung wahrende Definition in Frage? Eine Überlegung über das Wesen einer solchen Rechtsordnung kann hier helfen. Als einheitliche, in sich geschlossene Ordnung ist nur eine solche anzusehen, deren Normen miteinander widerspruchslos bestehen können. Eine solche Widerspruchslosigkeit ist aber nur dort gegeben, wo sich alle in Frage kommenden Normen (nach dem Prinzip des Stufenbaues der Rechtsordnung) auf eine gemeinsame Grundnorm zurückführen lassen10, wobei in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben kann, ob es sich hiebei um eine bloß logisch postulierbare - im Kelsenschen Sinn: transzendentallogisch vorausgesetzte 11 - oder um eine reale (d. h. tatsächlich existierende) Grundnorm handelt. Eine solche Grundnorm kann aber die Normen der in Rede stehenden Rechtsordnung nur so delegieren, d. h., zu einem widerspruchslosen Ganzen einigen, daß sie an die Träger der Rechtsordnung anknüpft, also an jene, die zur Rechtssetzung legitimiert werden. Indem die Grundnorm Einzelpersonen oder Gemeinschaften zur Rechtssetzung legitimiert, schafft sie die Voraussetzung für die Bildung einer einheitlichen Rechtsordnung. Die -und nur die -von einer so legitimierten Rechtssetzungsinstanz ausgehenden Rechtsmenzufassen, so erkennt man sofort, daß es sich hier um eine Abstraktion handelt, der keine Realität entspricht. Die innerstaatlichen Normen wenden sich an die innerstaatlichen Organe und an die Visawerber, die völkerrechtlichen Normen an die betreffenden Staaten (Verschiedenheit der Adressaten). Die einen sind im innerstaatlichen, die anderen im zwischenstaatlichen Verfahren erzeugt (Verschiedenheit der Quelle). Bei Verstößen gegen die innerstaatlichen No1men kommt es zu Sanktionen gegen Einzelpersonen (Organwalter, Visawerber), bei Verstößen gegen die zwischenstaatlichen Normen (allenfalls) zu Kollektivhaftung (Verschiedenheit der Sanktion). Träger der innerstaatlichen Normen ist der betreffende Staat, jener der zwischenstaatlichen Normen aber die betreffende Staatenmehrheit (Trägerverschiedenheit). Dies zeigt, daß eine Definition nach inhaltlichen Kriterien eine reale Rechtsordnung nicht wiederzugeben vermag. 10 Vgl. dazu Kelsen, Reine Rechtslehre (2. Aufl. 1960), S. 228-282 und (bes. für das Völkerrecht) S. 324- 325; Merkl, Die Lehre von der Rechtskraft (1923), S. 275 ff. Die Lehre vom Stufenbau des Rechts ist im übrigen keine "Erfindung" der Wiener Schule (vgl. dazu allgemein Ermacora, ,.Die Bedeutung und die Aufgabe der Wiener Schule für die Wissenschaft vom öffentlichen Recht der Gegenwart", 10 [NF] ÖZöR [1959/60] S. 347- 367), sondern schon in der augustinisch-thomasischen Rechtsphilosophie mit ihrem Stufenbau des Rechts lex aeterna-lex naturalis-lex humana vorgebildet, wobei zwischen lex naturaUs und lex humana ein strikter Delegationszusammenhang mit Nichtigkeitsfolge im Abweichungsfall angenommen wurde. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theol., Prima Secundae, qu. 95, art. 2. Dazu Verdroß, Rechtsphilosophie (2. Aufl. 1963), S. 71 - 83 (,.Das dreistufige Gesetz im System des hl. Thomas"). Dabei wird keineswegs vom Verf. übersehen, daß es sich hier um einen über das positive Recht hinausgreifenden Stufenbau handelt, während die Theorie vom Stufenbau des Rechts im modernen Sinn der Wiener Schule innerhalb des positiven Rechts bleibt. 11 Vgl. Reine Rechtslehre (1960), S. 205.
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normen sind denknotwendig widerspruchslos, sind daher als eine einheitliche reale Rechtsordnung zu betrachten12• Damit gilt für das zwischenstaatliche Recht (als das wir das Völkerrecht vorläufig betrachten), die Definition: Zwischenstaatliches Recht (also Völkerrecht im vorläufigen Sinn) ist der Inbegriff der Normen, die von den Staaten in ihrem Zusammenwirken (also in völkerrechtlichen Verfahren) erzeugt werden 13 • Hier erhebt sich nun eine scheinbare Schwierigkeit. Wird Völkerrecht, wie es die Definition zu tun scheint, als im spezifisch zwischenstaatlichen Verfahren erzeugtes Recht aufgefaßt, so wäre schon ipsa definitione seine Erweiterung auf Recht, das zwischen Staaten und nichtstaatlichen souveränen Gemeinschaften erzeugt würde, unmöglich. Soll daher die Formel Völkerrecht = Recht, erzeugt im zwisdlenstaatlichen Verfahren durch die Formel Völkerrecht = Recht, erzeugt im Verfahren zwischen Staat und nichtstaatlicher souveräner Gemeinschaft bzw. Völkerrecht= Recht, erzeugt im Verfahren nichtstaatlicher souveräner Gemeinschaften untereinander ersetzt und damit die Definition gewonnen werden können, Völkerrecht sei der Inbegriff der Normen, die von den Staaten und nichtstaatlichen souveränen Gemeinschaften im Zusammenwirken (also in völkerrechtlichen Verfahren) erzeugt werden, so muß aus dieser Formel jenes Element ausgesondert werden, das eine formelle Gleichstellung des zwischenstaatlichen Rechts mit jenem rechtfertigt, an dessen Bildung nichtstaatliche souveräne Gemeinschaften beteiligt waren. Dieses Element ist das entsprechende zwischenstaatliche bzw. zwischen den in Frage kommenden nichtstaatlichen Gemeinschaften untereinander oder mit den Staaten angewendete Verfahren. Nur wenn feststeht, daß diese Verfahren rechtlich (formell) gleichwertig sind, ist auch das durch sie erzeugte Recht als (formell) gleichwertig, d. h. als Teil derselben Rechtsordnung anzusehen; in unserem Fall: als Völkerrecht. Eine Gleichwertigkeit der Verfahren kann aber nur dann vorliegen, wenn dieselbe Grundnorm sowohl das zwischenstaatliche Rechtserzeugungsverfahren als auch jenes, an welchem nichtstaatliche souveräne Gemeinschaften beteiligt sind, legitimiert. Um festzustellen, ob dies im vorliegenden Falle tatsächlich so sein könnte, ist es notwendig, zuerst den Inhalt der Vgl. Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 3. Vgl. ibid., S. 2; dann S. 24-25, wo die völkerrechtliche Grundnorm als die Völkerrechtssubjekte delegierend aufgefaßt wird, auf der Grundlage der "fundamentalen Rechtsgrundsätze, die sidl aus der sozialen Natur der menschlichen Verbände ergeben ... Normen des Vertragsrechts und des Gewohnheitsrechts" zu erzeugen. tz
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
außer Streit stehenden, d. h. der zwischenstaatlichen Rechtsordnung (der Völkerrechtsordnung i. e. oder vorläufigen Sinn) zu betrachten, und dann festzustellen, inwieweit diese Grundnorm auch Grundnorm einer die nichtstaatlichen souveränen Gemeinschaften umfassenden, als Völkerrechtsordnung i. w. S. anzusehenden Rechtsordnung ist. Nur bei Identität der Grundnorm kann auch eine Identität der Rechtsordnungen angenommen, das Völkerrecht i. e. S. in nicht willkürlicher, sondern logisch zwingender Weise zum Völkerrecht i. w. S. erweitert werden. Über den Inhalt der sog. völkerrechtlichen Grundnorm ist bis heute keine volle Einigung erzielt worden. Manche Autoren erachten den Satz pacta sunt servanda als eine solche Grundnorm 14 ; andere eine angenommene Norm, die zur Beobachtung des durch internationale Übung festgelegten Verhaltens verpflichten soll15 ; zwischen beiden Auffassungen18 vermittelt jene Richtung, nach der die völkerrechtliche Grundnorm zur Einhaltung von Vertrags- und Gewohnheitsrecht im Rahmen fundamentaler völkerrechtlicher Rechtsgrundsätze verpflichtet17 • Eine Analyse dieser verschiedenen Theorien zeigt aber, daß die Vertreter aller Richtungen die Mitglieder der internationalen Gemein~chaft durch die Grundnorm jedenfalls auf die Einhaltung des positiven Völkerrechts, d. h. des Vertrags- und Gewohnheitsrechts sowie der allgemeinen Rechtsgrundsätze, festlegen wollen. Damit ist aber klar, daß die Grundnorm jener Rechtsbeziehungen, die zwi~chen nichtstaatlichen souveränen Gemeinschaften untereinander und mit den Staaten bestehen, mit der Grundnorm des Völkerrechts i. e. S. identisch ist. Denn sollen die Beziehungen von nichtstaatlichen souveränen Gemeinschaften überhaupt als Rechtsbeziehungen angesehen werden, so muß auch für sie gelten, daß die an ihnen Beteiligten sich hinfort so verhalten sollen, wie es ihnen die überVgl. Anzilotti, Corso di dlritto lnternazlonale (1923), S. 47 ff. Vgl. Kelsen, Principles of International Law (1967, hrg. von Tucker), S. 446: "The binding force of customary international law rests in the last resort on a fundamental assumption: or. the hypothesis that international custom is a law-creating fact. This hypothesis may be called the basic norm." Vgl. auch dens., General Theory of Law and State (1946), S. 369, und Guggenheim, Lehrbuch des Völkerrechts I (1947), S. 6 ff. 18 Die voneinander übrigens gar nicht soweit entfernt sind, wie es beim ersten Eindruck ~cheinen mag. Einerseits wird nämlich pacta sunt servanda n'cht selten als eine gewohnheitsrechtliche Norm aufgefaßt (Kelsen, Principles [2. Aufl. 1967], S. 446: "That a treaty is a law-creating fact ... is due to a rule of custcmary international law which is usually expressed in the formula pacta sunt servanda."), andererseits existiert schon lange jene Auffassung vom Völkergewohnheitsrecht, die es als pactum tacitum begreift (vgl. Grotius, De iure belli ac pacis [1625], I, Kap. 14, I; später Triepel, Völkerrecht und Landesrecht [1899], S. 30; auch Tunkin, "Remarks on the Juridical Nature of Customary Norms of International Law", 49 California Law Review [1961], S. 419 ff.); dazu Verdroß, Quellen (1973), S. 96. 17 Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 24- 25. 14
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III. Der Hl. Stuhl und andere Nicht-Staaten
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nommene Verpflichtung (Vertragsrecht) oder die als Recht anerkannte 18 Übung (Gewohnheitsrecht) vorschreibt. Für Staaten wie nichtstaatliche souveräne GemeinEcharten gilt daher dieselbe Grundnorm, die sie an das positive Recht, an dessen Bildung sie beteiligt waren 18 , bindet. Ist aber die Grundnorm der zwiEchenstaatlichen und jener Gemeinschaft, an der nichtstaatliche souveräne Gemeinschaften beteiligt sind, dieselbe, so handelt es sich auch um dieselbe Gemeinschaft, bei der sie betreffenden Rechtsordnung um dieselbe Rechtsordnung. Daher können wir unseren vorläufigen Völkerrechtsbegriff dahingehend erweitern, daß er auch noch jene (allfälligen) Rechtsbeziehungen erfaßt, an denen nichtstaatliche souveräne Gemeinschaften beteiligt sind. Dies bedeutet nun nicht, daß es irgendjemandem nunmehr benommen wäre, weiterhin von einem Völkerrecht i. e. S. als einem zwischenstaatlichen Recht, von einem Zwischenmächte- und von einem Völkerrecht i. w. S. zu sprechen. Da aber, wie Verdroß zu Recht auch für die VölkerrechtswissenEchaft reklamiert hat20 , nach der Maxime: entia praeter necessitatem non sunt multiplicanda die Begriffe nur dann vermehrt werden sollen, wenn die bereits bestehenden nicht ausreichen, neu auftauchenden bzw. neu in Untersuchung genommenen Stoff zu erfassen, ist es zweckmäßiger, sich mit dem Völkerrecht i. w. S. unter der traditionellen Bezeichnung "Völkerrecht" (Echlechthin und ohne besonderen Zusatz) zu begnügen21 • 18 Vgl. Art. 38 Zif. llit. b IG-Statut; WVK Art. 38 ("recognized as such"). Zur Bedeutung letzteren Zusatzes vgl. Fischer-Köck, "Das Recht der völkerrechtlichen Verträge nach der zweiten Session der Wiener Vertragsrechtskonferenz derVereinten Nationen", 9 ÖZA (1969), S. 288 und Anm. 94. 18 Dies bedeutet nicht, daß jeder Staat an der Bildung von allem Gewohnheitsrecht beteiligt sein muß; es kommt auf die Staaten in der entsprechenden Lage an. über die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht vgl. bes. das Urteil des IG im Fisheries Case (United Kingdom v. Norway), ICJ Reports (1952), S. 138 -139. Gewissen Aufschluß über die Bildung nicht-vertraglichen Völkerrechts gibt auch WVK Art. 53, der zur Bildung einer Norm iuris cogentis die Annahme und Anerkennung "by the international community ... as a whole" fordert, nicht aber durch jeden einzelnen Staat. 20 Völkerrecht (1. Auft. 1937), S. 43. 21 Dies entspricht auch der Realität, die keinen die Staaten von den anderen Völkerrechtssubjekten separierenden Rechtskreis, sondern eine in diesem Sinn ungegliederte Nebenordnung der je versch;edenen, aber jeweils souveränen Gemeinschaften kennt und auch den Begriff des Völkerrechts i. e. S. n;cht aus einer umbefangenen Betrachtung der Wirklichkeit entnommen sieht, sondern nur aus einer alles Nicht-Staatliche auf Grund eines Vorurteils - daß Völkerrecht nämlich nur interterritoriales Recht sei- aussondernden Betrachtungs~ weise. Daß "Gebiet" aber kein Element der Völkerrechtssubjektivität ist, hat der Italienische Kassationshof schon 1931 im Fall International Institute of Agriculture v. Profili, 5 APDILC (1929/30), Fall No. 254, ausgesprochen, das er als "international person ... free ... from lnterference by the sovereign power of the States ... " ansah. Damit wurde dac; Urteil des Römischen Appellationshofes aufgehoben, der dem Institut die Völkerrechtspersönlichkeit u. a. mit der Begründung abgesprochen hatte, es besitze kein Territorium.
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Ob also neben den Staaten (als den unbestrittenen Völkerrechtssubjekten22) auch noch andere - nichtstaatliche - souveräne Gemeinschaften Völkerrechtspersönlichkeit genießen, wird demnach letztlich davon abhängen, ob sie neben und mit den Staaten in spezifisch völkerrechtlichen Verfahren 23 , also solchen Erzeugungsverfahren des Rechts, auf die die oben dargestellte völkerrechtliche Grundnorm delegierend abstellt, auftreten. Ob und inwieweit dies im bes. für die katholische Kirche (den Hl. Stuhl) zutrifft, wird daher empirisch zu untersuchen sein. Was die Frage anlangt, ob neben den Staaten auch andere (d. h. nichtstaatliche) Gemeinschaften Völkerrechtssubjektivität in Anspruch genommen haben bzw. ihnen eine solche zugeschrieben worden ist, so genügt zu ihrer affirmativen Beantwortung ein kurzer Blick in eine der vielen Gesamtdarstellungen des Völkerrechts24 oder der zahlreichen Monographien zum Thema "Völkerrechtssbujekte" 25 • Stets wird dort eine gewisse Zahl solcher Gemeinschaften bzw. Institutionen genannt, wobei mit ziemlicher Regelmäßigkeit die Aufständischen und der Hl. Stuhl darunter sind; daneben wird in diesem Zusammenhang auch der souveräne Malteser-Ritterorden aufgeführt26 • Brandweiner hat n Vgl. oben, Zweites Kapitel, Einleitung zu II. u Vgl. Verdroß, Einheit (1923), S. 141. 14 Vgl. etwa Dahm, Völkerrecht I (1958), S. 178 ff.; Berber, Völkerrecht I (1960), S. 163 ff.; Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 203- 215; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht (1969), S. 135 f.; Oppenheim-Lauterpacht, International Law I (8. Auß. 1955), S. 250 ff.; Bishop, International Law (3. Auß. 1971), S. 304 und 338 ff. 15 Vgl. hiezu Lauterpacht, International Law I (1970), S. 137: "International practice has recognized that bodies other than States may on occasion be endowed by internationallaw with rights and made subject to its duties." 18 Es wird auffallen, daß in unserer Aufzählung die Nennung sowohl der internationalen Organisationen wie des Einzelnen unterblieben ist. Da es sich bei den hier in Frage kommenden intergovernmental organizations aber um keine Personengemeinschaften, sondern um Staatengemeinschaften handelt, können sie und die Frage nach ihrer Völkerrechtspersönlichkeit hier außer betracht bleiben. Vgl. aber dazu Lauterpacht, International Law I (1970), S. 136: "Organizations of States, having a different juridical personality from the States composing may and have become subjects of international law. This is hardly startling seeing that it is difflcult to deny to States acting in association the unchallenged legal personality which they possess when acting in isolation." Dies ist eine zutreffende Begründung für die von Zemanek, Vertragsrecht (1957), S. 18 f., geprägte klassische Formel "Wer faktisch Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ist, ist danach Völkerrechtssubjekt." Mit dieser Frage nach der objektiven Völkerrechtspersönlichkeit internationaler Organisationen befaßte sich ein Gutachten des IG betreffend Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Report 1949, S. 174 ff. Was den Einzelnen anlangt, so scheidet er - weil keine souveräne Gemeinschaft ebenfalls aus dem Kreis unserer UnterSUchung von vornherein aus. Vgl. jedoch Partsch, "Individuum im Völkerrecht", WV II (2. Aufi. 1961), S. 12-17, und die dort angegeb. Lit. Dann auch (bist. interess.) Remec, The Position of the Individual in· International Law (1960); weiters Hallier, Völkerrechtliche Seiliedsinstanzen für Einzelpersonen (1961); Dahm, Die Stellung des Menschen
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sämtliche christliche Kirchen zu Völkerrechtssubjekten erklärt27 ; Taube darüber hinaus auch andere selbständige geistliche Gewalten, wie den Dalai Lama28 • Versuchen wir, in diese inhomogene Gruppe eine gewisse Systematik zu bringen, so bietet sich folgende Zusammenstellung an: die Aufständischen- die Religionsgemeinschaften (im Spez.: die katholische Kirche bzw. der Hl. Stuhl) - der Malteserorden. Was die Aufständischen anlangt29 , so ist bei ihnen eine so große Ähnlichkeit mit einem Staat gegeben, daß es bei isolierter Betrachtung der auch ihnen eigentümlichen Staatselemente gar nicht möglich wäre, im Völkerrecht unserer Zeit (1961); Nergaard, The Position of the Individual in International Law (1962); vgl. auch Lauterpacht, International Law I (1970), S. 141 f. und 136: "Individuals possess in a limited sphere international legal personality, not always accompanied by corresponding procedural capacity ..." Vgl. auch die Ents of international law in its relations with other States, the Executive Branch speaks not only as an interpreter of genf'rally accepted and traditional rules, as would the courts, but also as an advocate of standards it believes desirable for the community of nations and protective of national concerns. In short, whatever way the matter is cut, the possibility of conflict between the Judicial and Executive Branches could hardly be avoided." 359 Vgl. oben, Anm. 353. 3so Vgl. 38 Journal du droit international prive (1911), S. 1212 ff., bes. s. 1232. 381 Vgl. etwa Fauchille. Traite de droit international public 111 (1922), S. 751. 382 Der portugiesische Supreme Court of Justice entschied Bm 13. Jänner 1928 im Fall The Holy See v. Engracio Supardo and His Wife, daß der Hl. Stuhl als
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung Ergebnis
Blickt man auf die Beziehungen zwischen dem ID. Stuhl und Frankreich in den Jahrzehnten nach 1870 zurück, Beziehungen, die 1904/05 auf einem Tiefpunkt angelangt waren, auf dem sie bis zum ersten Weltkrieg blieben, der auch Frankreich zwang, seine Haltung zum m. Stuhl erneut zu überdenken, und eine Entwicklung des rapprochement einleitete, die 1921 zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwifchen beiden Mächten führte 383 , so geht man wohl nicht fehl in der Al:lffassung, daß es im Laufe dieser Zeit mehrmals Situationen gegeben hat, in denen die internationale Rechtsstellung des ID. Stuhls auf dem Prüfstand war. Sowohl bald nach dem Abbruch der internationalen Beziehungen, vor allem im Zusammenhang mit der Abwendung vom Konkordatsregime aus 1801, aber auch in dem von uns dargestellten Flaggenfall, hätten Regierung und Gerichte Frankreichs die Möglichkeit gehabt, offen eine internationale Stellung der Kirche bzw. des ID. Stuhls zu leugnen und klar auszusprechen, daß der "Schein der Souveränität" 364, der letzterem noch geblieben sei, eine Konzession der verschiedenen Staaten in ihren bilateralen Beziehungen zu ihm wäre, die jederzeit einseitig widerrufen werden könne. Daß ein solcher Schritt unterlassen wurde, zei~ die Verankerung der Position des ID. Stuhls als Glied der internationalen Gemeinschaft unabhängig von einem Territorium, gestützt auf seine geistliche Funktion und das in ihr begründete Interesse der übrigen Mächte, die Unabhängigkeit des ID. Stuhls gewahrt zu sehen. Wie jeder Eingriff in die internationalen Rechte des Hl. Stuhls das Interesse dieser Mächte berührt und sie auf den Plan ruft, zeigt die Intervention, die der österreichisch-ungarische Botschafter sofort nach Bekanntwerden des französischen Vorgehens im Nuntiatur-Fall unternommen hat. Auch im Spiegel der französischen Praxis stellt sich die Stellung des ID. Stuhls - trotz der sie belastenden politischen Krisen als eine völkerrechtlich grundgelegte und abgesicherte dar.
c) Der Nuncius-Fall Diese Darstellung von Sonderfällen aus der Staatenpraxis gegenüber dem m. Stuhl zwischen 1870 und 1929 soll mit einem Fall abgeschlossen "foreign state" zu betrachten sei. Vgl. 4 ADPILC (1927 - 1928), S. 97 - 98. Desgleichen sprach der Supreme Court der Vereinigten Staaten 1908 aus, die internationale Rechtspersönlichkeit des Hl. Stuhls sei "stets anerkannt" gewesen (vgl. Jarrige, La condition internationale du Saint-Siege [1930], S. 249, Anm. 8, nach Le Fur, "Le Saint-Siege et la Cour de cassation", S. 79, Anm. 2), wenngleich auch die USA - wie Frankreich - die Beziehungen zum Hl. Stuhl abgebrochen hatten. Dazu Pernot, Le Saint-Siege, l'Eglise catholique et Ia politique mondiale (1924), S. 121. 383 Vgl. de Marchi, Le nunziature apostoliche dal1800 al1956 (1957), S. 130. 384 Vgl. oben, Anm. 353.
IV. Geistliche und weltliche Souveränität des Hl. Stuhls
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werden, der sich einerseits materiell an den zuletzt besprochenen Päpstliche Flagge-FalZ anschließt, andererseits formell über ihn insoweit hinausgeht, als er von vornherein nicht im Verhältnis zwischen bloß einem Staat und dem Hl. Stuhl aufgetreten ist, wobei allenfalls Interessen anderer Mächte berührt wurden, sondern unmittelbar in das Spannungsfeld der internationalen Gemeinschaft hineingestellt war. Im Frühjahr 1916 hatte der Hl. Stuhl neue Nuntien für Belgien, Kolumbien und Argentinien ernannt und war nun bestrebt, sie per Schiff an ihre Amtssitze bringen zu lassen. Dem stand der vom Deutschen Reich geführte U-Boot-Krieg entgegen, bei dem nicht nur alliierte Handelsschiffe, sondern - wegen des Mißbrauches neutraler Flaggen durch solche - auch Handelsschiffe neutraler Staaten innerhalb gewisser Sperrgebiete der Gefahr des Angriffes und der Versenkung ausgesetzt waren 365 • Um seine Vertreter einem derartigen Risiko zu entziehen, begann der Hl. Stuhl mit der Deutschen Reichsregierung Unterhandlungen mit dem Ziel, einen gefahrlosen und für alle Seiten akzeptablen Weg zu finden. Im Laufe dieser Verhandlungen wies die Deutsche Reichsregierung darauf hin, daß sie - für den Fall der Benutzung neutraler Schiffe durch die genannten Nuntien - keine Garantie für deren Sicherheit abgeben könne. Sollte der Hl. Stuhl jedoch Wege finden, das betreffende Schiff unter päpstlicher Flagge fahren zu lassen, so werde es unter allen Umständen unbehelligt bleiben366 • Unter diesen Umständen trat der ID. Stuhl an Spanien mit dem Ersuchen heran, für den Transport der Gesandten des ID. Stuhls unter päpstlicher Flagge ein Schiff zur Verfügung zu stellen. Die spanische Regierung kam diesem Ersuchen nach; im Juni 1916 konnte der ID. Stuhl den Kriegführenden mitteilen, daß die Beförderung der drei Nuntien durch den spanischen Dampfer Nuncius unter päpstlicher Flagge erfolgen werde 367 • Der Transport ging auch tatsächlich ohne Zwischenfälle vonstatten. Der Nuncius-Fall erregte zu seiner Zeit einiges Aufsehen; war es doch das erste Mal nach 1870, daß wieder ein Schiff unter den Farben. Gelb und Weiß das Meer befuhr. Ein Kommentator unterlegte in diesem Zusammenhang der Deutschen Reichsregierung die Absicht, durch diese von Italien möglicherweise als Herausforderung zu wertende Aktion einen Keil in das sich langsam bessernde Verhältnis zwischen dem Königreich und dem ID. Stuhl zu treiben3 68 • Tatsächlich betrachteten allerdings weder Italien noch die anderen Alliierten den 385 Vgl. Fauchille, La guerre de 1914. ReC"ueil de doC'uments interessant Je droit international II (1916), S. 20- 21. Die Erklärung des Deutschen Marine-Kommandos vom 4. Februar 1915 in 23 RGDIP (1916), S. 52 des Dokumententeils. 388 Vgl. "Chronique des faits internationaux", 23 RGDIP (1916), S. 606-607. 38 7 Vgl. ibid., S. 607, nach dem Journal de Geneve vom 21. Juni 1916. 388 Vgl. ibid., S. 607.
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Fall als eine Provokation; darüber hinaus schätzten sie, wie derselbe Kommentator unterstreicht, ein gutes Verhältnis zum Hl. Stuhl, dem "defenseur du droit et de la justice" mit seiner "attitude de reserve et d'impartialite vis-a-vis des belligerants qu'il avait jusqu'alors observee", zu sehr369 , um es in diesem Zusammenhang wegen der davon tatsächlich überhaupt nicht berührten römischen Frage aufs Spiel zu setzen. Ist der Nuncius-Fall schon wegen der von den Kriegführenden anerkannten Fähigkeit der päpstlichen Flagge, einem Schiff den Status qualifizierten Neutralitätsschutzes zu gewähren, äußerst bemerkenswert, so ist es auch lohnend, die Begründung zu lesen, die in einer französischen Völkerrechtszeitschrift nur fünf Jahre nach der Entscheidung der Cour de cassations im Päpstliche Flagge-Fall für die Hechtmäßigkeit des Vorgehens im Nuncius-Fall gegeben wurde: "L'existence d'un drapeau pontifical se con!;oit parfaitement en l'absence d'un pouvoir temporeUe reconnu a la Papaute. Le drapeau est un des symboles de la souverainete; or le Saint-Siege, s'il n'est pas un Etat dans le sens qu'on donne generalement a ce terme puisque depuis 1870 il n'a plus ni territoire ni sujets, n'en forme pas moins une souverainete d'un caractere special: il constitue, non pas, comme les Etats, une souverainete materielle et realiste, mais une · souverainete immaterielle et spirituelle; le Pape est le chef de l'Eglise catholique et, comme tel, il est investi des prerogatives qui appartiennent aux Souverains370." Über diese unzweideutige Anerkennung der Souveränität des Hl. Stuhls hinaus demonstriert der Nuncius-Fall aber auch, daß das Papsttum bis zur Mitte des ersten Weltkriegs bereits bedeutenden moralischen und politischen Kredit hinzugewonnen hatte. Er bildete nicht nur die Grundlage für die von Benedikt XV. im folgenden Jahr (wenn auch leider fruchtlos) unternommene große Friedensaktion371 , sondern war auch ein entscheidender Faktor für das neue Verhältnis, das der Hl. Stuhl in der Folge zur internationalen Gemeinschaft im allgemeinen und Italien im besonderen unterhielt. Das Wiedererscheinen der päpstlichen Flagge auf dem Meer war symbolisch für die aktive internationale Rolle, die der Hl. Stuhl hinfort zu spielen gesonnen war3 72 • 4. D i e L ö s u n g d e r r ö m i s c h e n F r a g e Die Schaffung des Staates der Vatikanstadt Während in der römischen Frage die Fronten während der Pontifikate Pius' IX. (bis 1878) und Leos XIII. (1878- 1903) starr verlaufen waren373 , 3&9
Ibid.
Ibid., S. 608. (Hvhbg. vom Verf.) 371 Vgl. dazu unten, Sechstes und Zehntes Kapitel, II, A. 372 Ein dem Nuncius-Fall ähnliches Ereignis begab sich drei Jahre später. Als im Oktober 1919 Kardinal Giustini sich an Bord eines italienischen Kriegsschiffes ins Hl. Land begab, wurde auf diesem neben der italienischen auch die päpstliche Flagge gehißt. Vgl. zu dieser Reise Köck, Der Vatikan und Palästina 370
(1973), s. 46- 47.
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begannen sie unter Pius X. (1903- 1914) 37 4, mehr noch aber unter Benedikt XV. (1914 -1922), in Bewegung zu geraten375 • Daß sie, solange nicht eine für beide Teile - Italien und den Hl. Stuhl - akzeptable Lösung gegeben war, eine politische Hypothek darstellte, mit der (anders als in der Rechtsfrage) wiederum beide Teile belastet waren, hatte zuerst das erzwungene Fernbleiben des Hl. Stuhls von den Raager Friedenskonferenzen376, jetzt der erste Weltkrieg bewiesen, der den Gegnern Italiens die Möglichkeit gab, die unbefriedigende Lage des Papsttums propagandistisch auszuwerten377 , und gleichzeitig das Ansehen des Hl. Stuhls als einer neutralen, moralischen und Friedens-Macht hob 378 • 373 Bastgen, Dokumente III/1 (1919), gibt allein 29 Schreiben oder Allokutionen Leos zwischen 1878 und 1898, die auf die römische Frage bezugnehmen und die bezüglichen Rechte des Hl. Stuhls vindizieren. Vgl. S. 106 - 128. 374 Auch Pius hatte in seiner Allokution vom 9. November 1903 noch Folgendes ausgeführt: "Da es aber notwendig ist, ... daß der Papst in der Regierung der Kirche frei erscheine und frei sei und der Gewalt niemandes untertan, so beklagen Wir das sehr schwere in dieser Beziehung der Kirche zugefügte Unrecht. Hierzu fühlen Wir Uns sowohl durch Unser Pflichtbewußtsein gedrungen wie durch die heiligen Bande des Uns bindenden Eides." Bastgen, ibid., S. 128. Seine Haltung zum Quirinal war jedoch von der seiner Vorgänger deutlich verschieden (vgl. Engel-Janosi, Österreich und der Vatikan II [1960], S. 250), wenngleich der heilige Papst Hilfe "allein von der göttlichen Vorsehung" erhoffte; "[d]a aber die göttliche Vorsehung nicht eingriff, blieb alles am toten Punkt stehen". Zit. aus einem Bericht des Stellvertreters des österreichischungarischen Boh:chafters beim Hl. Stuhl, des Grafen Pälffy, aus Bern nach Wien (1916); bei Engel-Janosi, op. cit., S. 261. Ibid., Anm. 33, auch die Mitteilung Graf Hertlings zum Österreichischen Gesandten in München, Pius sei zu Anfang seines Pontifikats bemüht gewesen, die Stellung des m. Stuhls zu Italien zu regeln. "Erst später, nach dem völligen Scheitern seiner Hoffnungen, habe [er] sich widerwillig zu jener passiv-abwartenden Politik bekannt, welche in der resignationsvollen Losung ,Deus providebit' ihr Charakteristikon fand." 375 "Seit dem Jahr 1870 ist noch kein Papst so gut mit den italienischen Regierungskreisen gestanden wie der jetzige, selbst mit dem König ... " Botschafter Fürst Schönburg-Hartenstein im März 1915 nach Wien. (Ibid., S. 250.) Und im Oktober hieß es in einem Bericht aus Bern: "Wenn man alle Fäden sammeln und vereinigen wollte, die im Laufe des letzten Jahres vom Petersplatz über den Tiber hinübergesponnen wurden, so würde daraus ein Seit entstehen, dem zur Tragfähigkeit nicht mehr viel fehlt." (Ibid., S. 252.) 371 "Italien wünschte nicht, daß dem Hl. Stuhl, mit dem es seit den Ereignissen vom Herbst 1870, wo es den Kirchenstaat an sich gerissen hatte, im Zustand fortdauernden Zerwürfnisses lebte, ein Zugang zu einem so bedeutsamen internationalen Forum geboten würde, weil dies nicht bloß eine Aufwertung des Papsttums bedeutet hätte, sondern auch zu befürchten stand, der Hl. Stuhl werde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Römische Frage in der einen oder anderen Weise zumindest indirekt in die Verhandlung zu ziehen." Köck, "Papsttum, Weltfriede und Völkerbund - 1899-1919: Der Kampf um eine institutionelle Sicherung des Friedens", 15 RHM (1973), S. 147. Vgl. dazu ausführlich unten. 377 "Dieses Gesetz", das Garantiegesetz, sagt Wehberg, Das Papsttum und der Weltfriede (1915), S. 34, "das so völlig versagt hat, wird man bereits heute als der Vergangenheit angehörig betrachten und die Erwartung aussprechen müssen, daß der Hl. Stuhl nach dem Krieg durch eine internationale Garantie aller Staaten die ihm zukommende Stellung erhält . . . Es wäre Illusion zu glauben, daß die Gefährdung der Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhles ein
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Es ist verständlich, daß die Mittelmächte bemüht waren, aus der gespannten Lage zwischen dem ID. Stuhl und Italien diplomatisches Kapital zu schlagen. Schon im November 1914 war Benedikt XV. von deut~cher Seite die vertrauliche Mitteilung zugegangen, daß, "was immer von der österreichisch-ungarischen Regierung nach Abschluß des Kriegs unternommen werden wird, um die Stellung des Hl. Stuhls in Italien zu verbessern, ... von der deutschen Regierung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Machtmitteln unterstützt werden" würde 379 • Dieser Vorstoß zielte offensichtlich darauf hin, über den Papst Einfluß auf die italienischen Katholiken zu nehmen und so u. U. einen Kriegseintritt Italiens hintanzuhalten. Eine entsprechende Zusicherung, sich der römischen Frage nach Kriegsende wohlwollend annehmen zu wollen, wurde auch von der k. u. k. Regierung durch Botschafter Fürst Schönburg-Hartenstein wiederholt38°. Nach dem Kriegseintritt Italiens auf Seiten der Entente begannen sich im Deutschen Reich und iri Osterreich Untersuchungen zur römischen Frage zu mehren3B1 , und die führende Persönlichkeit des politischen deutschen Katholizismus, der Abgeordnete Erzherger von der Zentrumspartei, interessierte sich lebhaft für Pläne, die eine Verbesserung der Lage des Hl. Stuhls nach Kriegsende zum Gegenstand hatten 8B2. Ausnahmefall sei. Es ist keine Gewähr dafür vorhanden, daß nicht revolutionäre oder kirchenfeindliche Elemente eines Tages in Rom die Oberhand gewinnen und die Stellung des Papsttums und der Kirche noch schwerer gefährden, als das gegenwärtig geschieht. Eine vorurteilslose Betrachtung der Lage des Heiligen Stuhls muß zu der Feststellung führen, daß es jetzt endlich Zeit ist, die Verhältnisse des päpstlichen Stuhles neu zu regeln und besser zu gestalten. Auch wird man dem Wunsche Ausdruck verleihen dürfen, daß die deutsche
vnd Österreichische Regierung am Schlusse des gegenwärtigen Krieges für diese Reform nach Kräften eintreten, nicht etwa, um den Katholiken einen
Gefallen zu tun, sondern um der Gerechtigkeit willen." Die Reihe solcher Stimmen ließe sich beliebig fortsetzen. a1s Bornhak, ,.Die völkerrechtliche Stellung des Papstes", Der Grenzbote (1915), S. 321, gibt einen kurzen Abriß der völkerrechtlichen Stellung des Hl. Stuhls, in der sich durch den Weltkrieg eine neue Entwicklung vorzubereiten scheine, und die jedenfalls schon während des Krieges eine bedeutende Stärkung erfahren habe: England hat sich beim Vatikan eine Vertretung geschaffen, Frankreich, die ungehorsame Tochter der Kirche, kehrt reumütig zurück, die Türkei hat sich von der Bevormundung Frankreichs beim Hl. Stuhl befreit, und selbst Serbien umwirbt den Vatikan. 378 Vgl. Hudal, Die Österreichische Vatikanbotschaft (1952), S. 292- 293. 380 Auf Anraten Erzhergers (unten Anm. 382). Hudal, ibid., S. 292, weist aber darauf hin, daß die Auffassungen Schönburg-Hartensteins über die Möglichkeit, den Hl. Stuhl im Interesse der Mittelmächte zu beeinflussen, viel realistischer waren als die reichsdeutscher Kreise. 381 ,.Journalisten, Theologen, Professoren, Juristen, Politiker, mit einem Worte Vertreter der verschiedensten Berufe und Richtungen, haben sich in der Öffentlichkeit mit der ,Römischen Frage' beschäftigt und sie dadurch zu einem der umstrittensten Probleme der Tagespolitik gemacht." Pälffy nach Wien (März 1916); oben Anm. 374. 382 Einer davon war, die weltliche Herrschaft des Hl. Stuhls im Fürstentum Liechtenstein wiederherzustellen. Vgl. Eppstein, Mattbias Erzherger and the
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Solchen Bestrebungen gegenüber ließ sich Benedikt XV. allerdings nicht zum politischen Spielball irgendeiner Mächtegruppe machen. In seiner Konsistorialallokution vom 6. Dezember 1915 383 bezeichnete er zwar die Abwesenheit der diplomatischen Vertreter einer kriegsführenden Seite als eine schwerwiegende Beschränkung seiner Unabhängigkeit und verwies darauf, daß dieser unsinnige Zustand unmittelbar mit den Ereignissen von 1870 in Zusammenhang stünde, gegen den zu protestieren er und seine Vorgänger nicht aufgehört hätten384 , gleichzeitig schloß aber der Hl. Stuhl in verschiedenen Erklärungen gegenüber Gewährsleuten der Mittelmächte385 , vor allem aber in der berühmten Erklärung Kardinal-Staatssekretärs Gasparri vom 27. Mai 1915386 , aus, daß eine der kriegführenden Seiten für sich beanspruchen könne, das Schwert auch zugunsten des Papsttums erhoben zu haben. Diese Erklärung, die im Rapprochement zwischen dem Hl. Stuhl und Italien einen entscheidenden Durchbruch seitens des ersteren darstellt, weil dieser darin in einer so bedeutsamen Stunde sein Vertrauen auf den guten Willen der anderen Seite gesetzt hatte, lautete: "La Santa Sede, per rispetto alla neutralita, non intende punto creare imbarazzi al Governo italiano e mette la sua fiducia in Dio, aspettando la sistemazione conveniente della sua situazione non dalle armi straniere, ma dal trionfo di quei sentimenti di giustizia, ehe augura si diffondano sempre piu nel popolo italiano in corformita del suo verace interesse387," Dilemma of German Democrary (1959), S. 145 ff. Orlando, Su aleuni miei rapporti di governo con la Santa Sede (1930), S. 42 ff., spricht von einem Plan, wie Deutf'chland nach siegreicher Beendigung des Krieges Italien strafen könnte: "... di rifare, a beneficio della Germania, una specie di Papato avignonese." 383 Nobis praefecto; Auszüge aus dem lateinischen Originaltext und einer deutschen Übersetzung bei Bastgen, Dokumente III/2 (1919), S. 22 - 23. 384 Der Papst bescheinigte den italienischen Staatsmännern allerdings auch den "gute[n] Wille[n], um diese Mißstände zu beseitigen ... " (Ibid., S. 22.) 385 So erwiderte Benedikt XV. auf die Annäherung Berlins (vgl. oben), der Vatikan könne nur jene Verbesserungen annehmen, die ihm selbst als wünschenswert erschienen. Alle anderen müßte er ablehnen, auch wenn sie noch so ~t p:emeint seien. Auch auf die durch Schönburg-Hartenstein bekanntgemachte Wiener Initiative erteilte der Papst nur eine ausweichende Antwort. Vgl. Hudal, Die Österreichische Vatikanbotschaft (1952), S. 293. 3111 Abgegeben in einer dem Redakteur des Corriere d'ltalia gewährten Unterhaltung zur Beseitigung gewisser Mißverständnisse, die über die Haltung des Stuhls im laufenden Konflikt aufgetreten waren. 387 Italienischer Text bei Hudal, Die Österreichische Vatikanbotschaft (1952), S. 293, nach Corriere d'ltalia vom 28. Mai 1915. Französischer Text in Develle, La question romaine sous Pie XI et Mussolini (1923), S. 21, und DocCath (1929), Sp. 474 ff. Der deutsche Text bei Bastgen. Dokumente 11112 (1919), S. 112 bis 113. (" ... wenn es dem Hl. Stuhl auch mit Rücksicht auf seine Neutralität fernliege, der Regierung irgendwelche Schwierigkeiten bereiten zu wollen, er vie1mehr all sein Vertrauen auf Gott setze und eine angemessene Regelung nicht von den fremden Waffen, sondern vom Sieg der Gerechtigkeit erwarte, welche, wie er hoffe, sich im italienischen Volke, seinen wahren Interessen entsprechend, mehr und mehr durchsetzen werde.")
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Aus dieser Erklärung sind allerdings vielfach zu weit gehende und damit falsche Schlüsse gezogen worden. So meinte Jarrige 38s, daß darin eine grundlegende Änderung der päpstlichen Haltung zur römischen Frage und damit gegenüber Italien zum Ausdruck komme. Für den Hl. Stuhl handle es sich fortan nur mehr um ein "supranationales" Problem insoweit, als die Stellung des römischen Bischofs die Kirche als Ganzes angehe und folglich alle christlichen Völker, aber nicht mehr um ein "internationales", insofern dies eine Einmischung dritter Staaten in Beziehungen bedeute, deren Regelung dem Hl. Stuhl und Italien allein zukomme. Diese Auffassung war übertrieben. Aus der Erklärung Gasparris ging keineswegs hervor, daß der Hl. Stuhl aufgehört habe, die römische Frage als eine internationale zu betrachten. Tatsächlich rückt die vom Kardinalstaatssekretär gebrauchte Formulierung nur insoweit vom früheren päpstlichen Standpunkt ab, als dritte Staaten nun nicht mehr zur Intervention aufgefordert werden und die Bereinigung des Konfliktes im Wege friedlicher Vereinbarungen zwischen dem Hl. Stuhl und Italien angestrebt wird. Es hatte sich daher nicht der Inhalt des päpstlichen Standpunktes389 verändert, sondern lediglich die Auffassung über die Mittel, mit denen dieser Standpunkt durchgesetzt werden sollte. Richtig ist jedoch, daß ein späteres Einlenken auch Italiens durch die Gasparri-Erklärung erleichtert wurde, weil sich der Hl. Stuhl darin bereit erklärt hatte, die römische Frage (zwar nicht als eine innerstaatlich-italienische, aber doch) als eine solche, die primär nur ihn und Italien berühre, und bei der (jedenfalls vorderhand) eine Einmischung dritter Staaten weder notwendig noch erwünscht sei, zu betrachten. Es war allerdings für jede italienische Regierung schwierig, in der römischen Frage einzulenken und von jenem Standpunkt abzugehen, der seit 1870/71 verfochten worden war: daß die römische Frage gar keine Frage mehr, sondern durch das Garantiegesetz endgültig aus der Welt geschafft worden sei. Daß die Position des Hl. Stuhls während des ersten Weltkriegs aber auch in italienischen Regierungskreisen ein gewisses Umdenken nach sich gezogen hatte, zeigt der Umstand, daß die Regierung Orlando zur Zeit ihres Sturzes im Jahre 1919 bereit gewesen wäre, dem Vatikan große Konzessionen zu machen. TatsächLa condition internationale (1930), S. 113 f. Eine Kardinalskommission, die Ende 1915 zum Zwecke der Formulierung des päpstlichen Standpunktes eingesetzt wurde, wie er auf einer künftigen Friedenskonferenz - an der teilzunehmen der Hl. Stuhl damals noch für möglich hielt - vertreten werden sollte, hielt im Großen und Ganzen nicht bloß an der bisherigen rechtlichen Position des Hl. Stuhls fest, sondern es gab unter den Kardinälen sogar Stimmen, welche praktisch eine Wiederherstellung des Kirchenstaates in den Grenzen von 1870, ja selbst in den Grenzen von 1860 forderten. Vgl. hiezu Ausset, Le question vaticane (1928), S. ·122 ff. Vgl. allerdings auch den Oss. Rom. vom 11. Dezember 1923. (Ibid.) 388
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lieh forderte der Hl. Stuhl zu jener Zeit ein päpstliches Territorium bis zum Tiber und eine internationale Garantie durch Eintritt des Papstes in den Völkerbund. Über den ersten Punkt kam am 1. Juni 1919 eine grundsätzliche Einigung zustande, wiewohl Italien die territoriale Souveränität des Hl. Stuhls auf den Vatikan beschränkt wissen wollte. Der Plan scheiterte an dem bald darauf erfolgten Sturz der Regierung Orlando390 • Dennoch bedurfte es eines besonderen psychologischen Anstoßes, um einen entsprechenden Meinungsumschwung der italienischen Öffentlichkeit herbeizuführen. Dieser Anstoß war - nach einer vor allem im französischen und italienischen Schrifttum vertretenen Auffassung jener Zeit- die im Jahre 1921 zustande gekommene Wiederaufnahme der 1904 abgebrochenen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Hl. Stuhl391 • Nachdem der französische Vertreter an den Hl. Stuhl zurückgekehrt war, fühlte man in Italien, daß der italienische Platz im Vatikan "doppelt leer" sei392 • Von jenem Zeitpunkt an glaubte niemand in Italien so recht daran, daß das Garantiegesetz tatsächlich der unveränderliche Schlußstein hinter die römische Frage gewesen sei393 • Es ist möglich, daß der damals sich ergebende Führungswechsel sowohl an der Spitze der katholischen Kirche als auch auf der politischen Bühne Italiens eine endgültige Bereinigung der römischen Frage beschleunigt hat. Der nach dem Hinscheiden Benedikts XV. am 6. Februar gewählte Pius XI. setzte gleich zu Beginn seines Pontifikats eine versöhnliche Geste, als er - zum ersten Mal seit dem gewaltsamen aso Vgl. SchmidUn, Papstgeschichte III (1937), S. 261. Vgl. auch Jarrige, La condition internationale (1930), S. 115, Anm. 77: "Orlando ... etait le premier a repondre, en 1919, aux avences de Mgr. Kelley et a engager avec Mgr. Ceretti des echanges de vues assez pousses, que seul arreta sa chute du pouvoir. Ce projet, qui comportait essentiellerneut le retablissement d'une souverainete territoriale au profit du Saint-Siege, demeura secret a l'epoque et ne saurait des lors apparaitre comme un exemple de l'evolution de l'opinion italienne: il n'en marque pas moins avec force que les memes gouvernants qui au nom de la these de la Rome inbmgible et de la loi des garanties naient l'existence d'une question romaine, ne s'illusionnaient aucunement sur la realite objective de cette position." Vgl. dazu die Warnung Orlandos an Ceretti: "St>ien Sie vorsichtig, wenn die geringste Indiskretion stattfindet, werde ich alles in Abrede stellen und erklären, niemals mit Ihnen zusammengetroffen zu sein." Orlando, Su aleuni miei rapporti di governo con la Santa Sede (1930), S. 95. (Deutsch bei Engel-Janosi, Osterreich und der Vatikan II [1960], S. 258, Anm. 25.) an Vgl. u. a. Devoghel, La question romaine sous Pie XI et Mussolini (1929), S. 26 ff.; Ausset, La question vaticane (1928), S. 97; Pernot, Le Saint-Siege, l'Eglise catholique et la politique mondiale (1924), S. 88- 89; Jarrige, La condition internationale (1930), S. 115 - 116. Vgl. auch Delahaye, La reprise des relations diplomatiques avec le Vatican (1921). 392 So di Cossato, La papaute en droit international, le point de vue italien actuel (1923), S. 80. 393 Unter diesen Umständen konnte es sich die Regierung leisten, selbst ein Grünbuch herauszugeben, in dem verschiedene Lösungsvarianten für die römische Frage enthalten waren.
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Ende des Kirchenstaates im Gefolge der Ereignisse vom Jahre 1870den Segen urbi et orbi wiederum von der äußeren Loggia des Petersdomes aus erteilte394 , auch wenn er in seiner Antrittsenzyklika Ubi Arcano Dei vom 23. Dezember 1922385 erklärte, prinzipiell zum Festhalten an den päpstlichen Souveränitätsansprüchen hinsichtlich des Kirchenstaates entschlossen zu sein und von .den Protesten seiner Vorgänger nicht abgehen zu wollen396 • Auf der anderen Seite wußte der am 30. Oktober 1922 (dem Tage des "Mars:ches auf Rom") zur Macht gelangte Faschistenführer Mussolini den innen- und außenpolitischen Wert eines Ausgleichs mit dem Hl. Stuhl realistischer zu veranschlagen als die italienischen Regierungen vor ihm387 • Zwar gab es schon zu Beginn der faschistischen Ära auch schwere Ausschreitungen gegen Kirche und Klerus 398 ; aber das neue System dokumentierte doch seine Versöhnlichkeit und Bereitschaft zu einem Ausgleich mit der Kirche durch die Wiederherstellung der christlichen Volksschule, der Einführung des obligatorischen Religionsunterrichtes auf allen Stufen, der Anerkennung der Unauflöslichkeit der Ehe, der Befreiung des Klerus vom Militärdienst und der Herbeiführung eines Modus vivendi betreffend die Besetzung der Bistümer388 • Der Hl. Stuhl war geneigt, auf solche Zeichen guten Willens einzugehen; so lobte der Papst die neue Entwicklung in seiner Konsistorialallokution vom 24. März 1924400 • Als weitere kirchenfreundliche Maßnahmen könVgl. Schmidlin, Papstgeschichte IV (1939), S. 102. 14 AAS (1922), s. 673- 700. aoe Hier wird zum letzten Mal ohne unmittelbaren Anlaß, zur bloßen WaP.rung des Rechtsanspruches des Hl. Stuhls, der päpstliche Standpunkt zusammengefaßt: Der Statthalter Christi müsse frei und unabhängig sein; so verlange es die göttliche Herkunft seines Amtes und das Recht der ganzen Christenheit. Daher dürfe er keiner fremden Macht und keinen "Garantiegesetzen" unterstehen. Daher müsse er, so betonte der Papst, pflichtgemäß die Forderungen der früheren Päpste wiederholen und seine unerträgliche Lage beklagen, die ihm durch die Wegnahme des Kirchenstaates- "einer so segensreichen und unersetzlichen Schutzwehr" (vgl. Schmidlin, Papstgeschichte IV [1939], S. 103)- entstanden sei, wenn er auch hoffe, Gott werde den Freudentag herbeiführen, an dem die Düferenzen beigelegt und die gerechte Ordnung wiederhergestellt würden, was zum Wohle Italiens und der ganzen Welt ausschlagen werde. Vgl. 14 AAS (1922), S. 696 ff., auch von Lama, Papst und Kurie (1925), S. 432 ff. über weitere Anlässe, bei denen Pius XI. Rechtsverwahrung betreffs des Patrimonium Petri einlegte, vgl. ibid., S.103. 387 Vgl. Heathcote, "Mussolini and the Roman Question", Fortnightly Review (1929), s. 489 - 499. 398 So wurden die geistlichen Stiftungen verstaatlicht, ein Erzpriester ermordet, andere Priester verprügelt oder in ihrer Amtsausübung behindert. Vgl. von Lama, Papst und Kurie (1925), S. 553 ff., bes. 559. 39 9 Vgl. den Oss. Rom. vom 25. März 1924. 40o Vgl. 16 AAS (1924), S. 24 ff., wie schon Kardinalstaatssekretär Gasparri 1922 anerkennende Worte für die faschistische Bewegung gefunden und Kardinal Vannutelli die Taten und Verdienste des Führers Mussolini überschwenglich gepriesen hatte. Vgl. Schmidlin, Papstgeschichte IV (1939), S. 104. 384 SD5
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nen die Anerkennung freier Universitäten, die Anhebung der Gehälter der Priester, die Rückgabe der Kirchengüter und die staatliche Anerkennung der kirchlichen Festtage gelten. Schließlich setzte die Regierung 1925 eine Kommission von je drei Juristen und Prälaten ein, mit der Aufgabe, eine Reform der staatlichen Kirchengesetze zu erarbeiten. Pius XI. stand einem solchen Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber, versäumte es aber nicht, persönlich und durch das offiziöse Organ des Hl. Stuhls, den Osservatore Romano, darauf hinzuweisen, "daß eine solche Regelung kirchlicher Materien nicht ohne Abmachungen mit dem Hl. Stuhl erfolgen könnte und letztere unmöglich sei, solange die ungerechte Behandlung des Papstes andauere" 401 • In der Folge gab Mussolini dem Vatikan zu verstehen, daß es sein Wunsch sei, mit dem Hl. Stuhl zu einem die römische Frage endgültig bereinigenden Abkommen zu gelangen. Pius holte die Ansicht der Kardinäle ein, die sich einhellig für ein solches Projekt aussprachen, und betraute dann den päpstlichen Justitiar Pacelli mit der Aufgabe, private und vertrauliche Besprechungen mit den staatlichen Autoritäten über dieses Problem zu beginnen. Allerdings machte der Papst eine zukünftige Vereinbarung über die römische Frage von vornherein davon abhängig, daß gleichzeitig das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Italien geregelt und darüber ein Konkordat zwischen dem Hl. Stuhl und dem Königreich abgeschlossen werde 402 • Obwohl von Anfang an zwischen den Parteien grundsätzlich Einigkeit darüber bestand, daß der Hl. Stuhl den Status quo sanktionieren und die im Herbst 1870 geschaffenen Verhältnisse nachträglich anerkennen, zum Ausgleich dafür aber einen, wenn auch kleinen Teil des Kirchenstaates restituiert erhalten und die Beziehungen zwischen Kirche und Staat auf eine neue, positive Grundlage gestellt werden sollten, zogen sich die Verhandlungen - die von Seiten des Hl. Stuhls durch den schon genannten Justitiar Pacelli und Msgr. Borgongini-Duca geführt wurden, wobei der Kardinalstaatssekretär Gasparri die Oberleitung behielt und die endgültige Billigung des Ausgehandelten bei Pius XI. selbst lag, während auf italienischer Seite zuerst der Staatsrat Barone, nach dessen Tod dann Mussolini selbst verhandelte- bis zum Ende des Winters 1928/29 hin4oa. Vgl. ibid., S. 105. Vgl. ibid., wo auf Mollat, La question romaine de Pie VI a Pie XI (1932), S. 417 ff., verwiesen ist. 403 Der Urtext des Vertrages in 16 Artikeln lag schon am 24. November 1926 vor; im Februar 1927 war man sich über das Konkordat sachlich und im April desselben Jahres über seinen Wortlaut einig geworden, während die Finanzkonvention am 20. August 1928 fertiggestellt war. In allen diesen Fällen handelte es sich allerdings erst um Vorarbeiten. Die offiziellen Verhandlungen begannen erst im Herbst 1928, nachdem sowohl Gasparri (am 5. September) als ~uch Mussolini (am 9. November) diese endgültig autorisiert hatten. Vgl. Mollat, 401
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Am 7. Februar 1929 konnte Kardinalstaatssekretär Gasparri der ganzen Welt durch die beim Hl. Stuhl beglaubigten Vertreter der Staaten die Einigung des Hl. Stuhls mit Italien auf ein politisches Abkommen über die römische Frage und ein Konkordat bekanntgeben404 • Diese Verträge und die Finanzkonvention zwischen dem Hl. Stuhl und Italien wurden am 11. Februar 1929 im Lateranpalast unterzeichnet405 • Sie wurden am 14. Mai von der italienischen Deputiertenkammer und dann auch vom Senat gebilligt406 , am 27. Mai von König Viktor Emanuel III. unterzeichnet und am 5. Juni im italienischen Amtsblatt promulgiert407 • ibid., S. 417 f.; de la Briere, L'organisation internationale du monde contemporain et la papaute souveraine III (1930), S. 30 ff.; Schmidlin, Papstgeschichte IV (1939), S. 106 und Anm. 21. 404 Die Literatur zu den Lateranverträgen ist äußerst umfangreich und damit unübersichtlich. Ein früher Versuch einer Bibliographie ist Giannini, Saggio di una bibliografia sugli accordi del Laterano (1930). Lit. u. a. Cochaux, Le Pape et l'Italie - Les accords du Latran (1929); Claar, "Die Lösung der römischen Frage nach den Lateranverträgen", Europäische Gespräche (März 1929), S. 1051f.; Falco, "La natura giuridica degli accordi lateranensi e le loro relazioni", 8 Temi Emiliani (1929); Hearley, "Italy's Agreement with the Vatican", Current History (1929), S. 18-24. Dieser Autor gehört zu den wenigen, die aus politischen Motiven die Verträge scharf kritisieren. "To all outward appearances the Church and State of Italy have merged. Does this mean that the Papacy will follow Fascism in its Balkan and Hungarian adventures, and anti-French and anti-Yugoslav intrigues?" Ähnliche Befürchtungen hatte Baron Musulin, seit 1910 kulturpolitischer Referent im k.u.k. Außenministerium, geäußert; er sah die Gefahr "in der ausschließlichen Italienität der päpstlichen Institution, da ein italienischer Papst und eine völlig italienisierte Kurie den Einwirkungen des römischen Milieus einen weit geringeren Widerstand entgegenzusetzen vermögen, als es die Interessen der ,katholischen', d. h. allgemeinen Kirche erheischen würden." Von Musulin, Das Haus am Ballhausplatz (1924), S. 148. Über deutsche Pläne einer "Internationalisierung bzw. richtiger Entnationalisierung des Papsttums" vgl. Engel-Janosi, Osterreich und der Vatikan II (1960), S. 257 - 258. -Zu den Lateranverträgen vgl. weiter Angelini, "Le caractere indivisible des accords du Latran", 39 RGDlP (1932), S. 512- 521; Dresel, Die Lateranverträge zwischen dem Hl. Stuhl und dem Königreich Italien in Recht und Politik (1!:133); Hackworth, Digest of International Law I (1940), S. 66 und 73- 74; Tripodi, I patti lateranensi eil fascismo (1959). 405 Und zwar auf Seiten des Hl. Stuhls von Kardinalstaatssekretär Gasparri, auf Seiten des Königreiches Italien durch Mussolini. Vgl. den Oss. Rom. vom 12. Februar 1929; dann Delos, "Le traite du Latran (11 Fevrier 1929) et la situation juridique nouvelle de la papaute", 36 RGDIP (1929), S. 452-478: " ... Les paroles de M. Mussolini a la Chambre italienne ne s'appliquent pas seulement aux negotiations qui ont prepare la signature des Accords, mais a toute cette periode: 'Il n'y a eu aucune improvisation, aucune precipitation, aucun miracle. Tout a ete le resultat logique de premisses historiques, morales et politiques bien determinees'. (Ch. des Dep., seance du 13 mai 1929, 21 DocCath. [1929], No. 478- 479). La question romaine, que le Traite du 11 fevrier 1929 declare 'definitivement et irrevocablement resolue', est un problerne complexe; mais ses donnees juridiques, politiques ou morales tournent en derniere analyse autour d'une notion centrale: celle de la souverainete pontijicale." (Hvhbg. vom Verf.) 406 Vgl. darüber zusammenfassend SchmidUn, Papstgeschichte IV (1939), S. 107 bis 108, sowie Jarrige, La condition internationale (1930), S. 122- 123. Strupp, "Die Regelung der römischen Frage durch die Lateranverträge vom 11. Februar 1929", 15 ZV (1930), S. 531- 622, gibt S. 593- 622 die Rede Mussolinis in der Kammer vom 13. Mai 1929 im Wortlaut.
IV. Geistliche und weltliche Souveränität des Hl. Stuhls
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Am 7. Juni 1929 wurden schließlich die Ratifikationsurkunden im Vati-
kan ausgetauscht408 • Zur Befestigung des neuen Verhältnisses und gemäß Art. 12 des Lateranvertrages errichtete der Hl. Stuhl am 24. Juni 1929 eine apostolische Nuntiatur beim Königreich ltalien408 , während der erste italienische Botschafter beim Vatikan am 26. Juni 1929 sein Amt antrat410 • Damit konnte die römische Frage als einvernehmlich beigelegt und ein normales Verhältnis zwischen dem Hl. Stuhl und Italien als wiederhergestellt angesehen werden411 • Der Lateranvertrag4 12 brachte dem Hl. Stuhl, was diesem im 20. Jahrhundert noch immer nötig schien und zugleich genügte: die territoriale 407 Der (politische) Lateranvertrag ist im Originaltext abgedruckt in 21 RivDI (1929), S. 284- 291. Italienische Texte auch in 15 ZV (1930), S. 123- 141 (davon politischer Vertrag S. 123 -129, Konkordat S. 130- 141, Finanzkonvention S. 130). Französischer Text des Lateranvertrages in 3 RDI (1929), S. 505 ff. Die Ratifikationsurkunden abgebildet bei Cardinate, op. cit., nach S. 224. Das Protokoll über den Austausch der Ratifikationsurkunden ist abgedruckt in 21 AAS (1929), S. 295. Es hat folgenden Wortlaut: "Processo-Verbale. - I sottoscritti,
debitamente autorizzati, si sono riuniti oggi per procedere allo scambio delle Ratifiche di Sua Santita il Sommo Pontefice e di Sua Maesta Re d'ltalia relative ai seguenti Atti stipulati fra Ia Santa Sede e l'Italia 1' 11 Febbraio 1929: (a) Trattato con quattro allegati: (1. Territorio dello Stato della Citta del Vaticano. 2. Immobili con privilegio di extraterritorialita e con esenzione da espropriazioni e da tributi. 3. Immobili esenti da espropriazioni e da tributi. 4. Convenzione finanziaria); (b) Concordato. - Gli istrumenti di questo Ratifiche, essendo stati trovati esatti e concordanti, lo scambia e stato eseguito. Le Alte Parte contraenti, nell'atto di procedere allo scambio delle Ratifiche dei patti lateranensi, hanno riaffermato Ia loro volonta di osservare lealmente, nella parola e nello spirito, non solo il Trattato, negli irrevocabili reciproci riconoscimenti di sovranita, e nella definitiva eliminazione della questione romana, ma anche il Concordato, nelle sue alte finalita tendenti a regolare le condizioni della Religione e della Chiesa in Italia.- In fede di ehe, i sottoscritti hanno redatto il presente Processo-Verbale e vi hanno apposto il loro sigillo. Fatto in doppio originale, nel Palazzo Apostolico Vaticano il sette Giugno millenovecentoventinove.- Pietro Cardinale Gasparri- Benito Mussolini." •os Vgl. vorstehende Anmerkung. 408 Deren erster Titular Msgr. Borgongini-Duca wurde. Vgl. 21 AAS (1929), S. 441 ff. und 743 ff. 410 In der Person des Grafen de Vecchi de Val Cismon. Vgl. Schmidlin, Papstgeschichte IV (1939), S. 111, und de la Briere, L'organisation internationale III (1930), s. 93. 411 Salvatorelli, "De Ia breche de Porta Pia aux accords du Latran", 3 L'esprit international (1929), S. 350 ff. 412 Man verwendet sowohl die Mehrzahl "Lateranverträge" (die dann immer den politischen Lateranvertrag und das Konkordat, manchmal auch die Fi-
nanzkonvention meint), als auch die Einzahl "Lateranvertrag" (was dann immer
nur den politischen Lateranvertrag bezeichnet). - Zu den Lateranverträgen Lit. u. a. Niboyet, "Les accords du Latran et droit international", 7 RDISDP (1929), S. 99 -111; Stropp, "Die Regelung der römischen Frage ... ", S. 531-622, der auf die reziproken Vorteile der Lateranverträge für Italien und den Hl. Stuhl hinweist; Sentex, "Les accords du Latran", Revue politique et parlamentaire (1929), S. 50-69, der den offiziellen kurialen Standpunkt wiedergibt; BucaiUe et aZ., Les accords du Latran (1929); Volpe, "11 patto di San Giovanni in Laterano", Gerarchia (Februar 1929), S. 92- 101; Bernus, "Le traite du Latran", Revue de Paris vom 15. März 1929; de la BTiere et aZ., Les accords du 10 Köclc
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Souveränität über ein - wenngleich winziges - Gebiet413 , und damit die mit einer solchen Stellung verbundenen politischen und rechtlichen Vorteile414 • Es ist in diesem Zusammenhang müßig, sich in Überlegungen zu ergehen, ob der Lateranvertrag primär als Sieg des Papsttums oder als Sieg Italiens zu betrachten ist415 • Richtig ist, daß der In. Stuhl zwar mehr erhalten hat, als ihm Italien im einseitigen Akt des Garantiegesetzes zugesichert hatte, andererseits aber weniger- jedenfalls, was die territoriale Ausdehnung des neuen "Kirchenstaates" betraf - als ihm noch unmittelbar vor der Einnahme Roms im September 1870 angeboten worden war416 • Man darf allerdings nicht vergessen, daß sich die Struktur der internationalen Gemeinschaft zwischen 1870 und 1929 grundlegend gewandelt hatte; war es noch möglich, zu Beginn des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts einen Staat im Ausmaße des Patrimonium Petri als eine relativ sichere Basis für die territoriale Latran (1930); Tostain, Le traite politique du Latran et la papaute en droit international public (1930); Checchini, "La natura guiridica della Citta del Vaticano e del ,Trattato' Lateranense", 22 RivDI (1930), S. 196- 211; Rivet, La question romaine et le traite du Latran (1931), eine der wenigen pess~mistischen Stimmen, die die römische Frage mit der Regelung vom 11. Februar nicht geschlossen ansahen; Schoen, "Die rechtliche Natur der Vatikanstadt und des politischen Lateranvertrages", 14 ZöR (1934), S. 1- 25; DeZ Giudice et al., I Patti lateranensi. Scritti giuridici per il trentennale della Conciliazione (1960). Einen Sonderaspekt behandelt Wiggert, Die Lateranverträge vom 11. Februar 1929 in ihrer Bedeutung für das Deutsche Reich (1932). 4ta Vgl. Toynbee-Boulter (Hrg.), Survey of International Affaires 1929 (1930), Teil V (i) "The Settlement of the Conflict between the Papacy and the Kingdom of Italy", S. 422- 478; Le Fur, "Le Saint-Siege et le droit international", 3 RDI (1929 I), S. 25 ff.; de la Briere, "La question romaine et le traite du Latran", ibid., S. 13 ff.; Baldassari, Il Trattato del Laterano (1930), welcher leugnet, daß das Gebiet der Vatikanstadt von Italien "dis-annektiert" worden sei; Vanneufville, "La souverainete pontificale et l'unite italienne", Les accords du Latran, hrg. von de Za Briereet aZ. (1930); sowie MieZe, Santa Sede e Citta del Vaticano (1933). 414 Vgl. de la Briere, "Le traite du Latran et le nouvel Etat pontifical", 10 RDILC (1929), S. 123 -158; Delos, "Le Traite du Latran ... ", S. 477-478, mit der Unterscheidung zwischen den juristischen Garantien, die die neue Regelung mit sich bringe, und den moralischen Garantien, die der Hl. Stuhl als solcher in der Welt besitze: "Cette garantie morale donnee a une societe spirituelle et mondiale est en eclatant accord avec la 'spiritualisation' progressive dont ont beneficie, dans !'ordre international, le Saint-Siege et l'Eglise, societe qui a un corps juridique et externe, mais qui est d'essence spirituelle et qui veut exercer dans le monde international auquel elle appartient par nature l'action directrice de l'esprit." (Hvhbg. vom Verf.) Weiters Stock, "Italy's Agreement with the Vatican", Current History (1929), S. 12-18, der Befriedigung über die Beilegung der römischen Frage zum Ausdruck bringt: "With the settlement of any national or political dispute of sixty years standing, the world at !arge is never unconcerned." (S. 12.) Schließlich Bracci, Italia, Santa Sede e Citta del Vaticano (1931).
m Solche Betrachtungen wurden in der Zeit unmittelbar nach dem 11. Februar 1929 zahlreich angestellt. Vgl. Jarrige, La condition internationale (1930), S. 118, und die dort gegebenen Hinweise. m Vgl. bei Bastgen, Dokumente II (1918), S. 59 ff., 148 ff., 578 ff., 643 ff.
IV. Geistliche und weltliche Souveränität des Hl. Stuhls
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Souveränität des ID. Stuhls und dessen geistliche Aufgaben zu betrachten, so begann mit dem Fortschreiten der industriellen Revolution auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus eine Entwicklung, die darauf hinauslief, daß in der modernen internationalen Gemeinschaft große Staaten vermöge ihrer gesteigerten technischen Kapazität den kleinen nicht bloß im Verhältnis ihrer Einwohnerzahl, also quantitativ, sondern auch qualitativ, also in einem Verhältnis, bei dem die Einwohnerzahl eine nur untergeordnete Rolle spielt, überlegen sind. Dementsprechend wäre der Kirchenstaat von 1870 im Jahre 1929 für den Hl. Stuhl auf keinen Fall von derselben materiellen Bedeutung gewesen, wie siebzig Jahre zuvor. Was dagegen seinen formellen Wert im Hinblick auf die Vermittlung einer unbestrittenen- weil territorialen - völkerrechtlichen Grundlage betrifft417 , so vermittelte sie der neue Mini-Staat der Vatikanstadt in gleicher Weise, wie dies ein größeres Territorium getan hätte 418 • Während daher dem Papste 1870 nicht das angeboten wurde, was er damals für die Absicherung seiner Unabhängigkeit für nötig hielt, erhielt er 1929 das, was er auch unter den geänderten Zeitumständen noch glaubte in Anspruch nehmen zu müssen419 • In diesem Punkt muß daher der Lateranvertrag von 1929 als für den Hl. Stuhl befriedigend bezeichnet werden. Der politische Lateranvertrag errichtet den Staat der Vatikanstadt, erklärt die Person des Papstes als geheiligt und unverletzlich, anerkennt die Souveränität und das Gesandtschaftsrecht des Hl. Stuhles, regelt die Eigentumsverhältnisse an gewissen kirchlichen Liegenschaften und Gebäuden und enthält die Verpflichtung des Hl. Stuhls zur dauernden Neutralität42 o. Das Konkordat, welches nach Auffassung des 417 Vgl. in diesem Sinn die Präambel des Lateranvertrages: " ... garantirle una sovramta indiscutibile pur nel campo internazianale ..." 418 Schon 1916 hatte der österreichisch-ungarische Botschafter beim Vatikan, Schönburg-Hartenstein, zur Frage einer territorialen Absicherung des Hl. Stuhls gemeint: "lm Frieden braucht man's nicht, im Krieg nützt es nichts" (nämlich das Gebiet). Bei EngeL-Janosi, Osterreich und der Vatikan II (1960), S.260. 419 Pius XI. war sogar bemüht, zur Demonstration des formellen Charakters der Vatikanstadt - jenes "Fußbreit Erde", von dem schon Pius IX. 1871 zum französischen Botschafter gesprochen hatte; vgl. Graham, Vatican Diplomacy (1959), S. 182 - deren Territorium so klein wie möglich zu halten. Dies hat in der Folge gewisse Nachteile gezeigt. So steht etwa die große, 1971 eröffnete Audienzhalle halb auf vatikanischem, halb auf italienischem Gebiet; kuriale Kreise würden heute etwa auch vorziehen, über einen Teil der Leo-Stadt disponieren zu können, um die Gesandtschaften beim Hl. Stuhl auf eigenem Gebiet zu beherbergen. 420 Delos, "Le Traite du Latran (11 fevrier 1929) et la situation juridique nouvelle de la Papaute", 36 RGDIP (1929), S. 452-478. Der Verfasser betont, daß der Lateranvertrag die Souveränität des Papstes nicht geschaffen, sondern bloß anerkannt und garantiert habe. Diena, "La Santa Sede e il diritto internazionale dopo gli accordi del Laterano", ibid., S. 177 -187; Anzilotti, "La condizione giuridica internazionale della Santa Sede in seguito agli accordi del
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
ID. Stuhls mit dem politischen Vertrag eine untrennbare Einheit bildet421, sichert die freie Ausübung der geistlichen Gewalt, stellt Klerus und Ordensleute vom Militärdienst und bestimmten anderen staatsbürgerlichen Pflichten (z. B. vom Geschworenenamt) frei, anerkennt staatlicherseits den Sonntag und bestimmte andere kirchliche Feiertage, legt programmatisch die möglichste Übereinstimmung der Diözesanmit den italienischen Provinzgrenzen fest, formuliert den staatlichen Treueid der Bischöfe, unterdrückt die von Italien bis dahin formell in Anspruch genommenen iura circa sacra des Exequatur und des Plazet, verpflichtet den Staat zur Reform seines Staatskirchenrechts im Geiste der Lateranverträge, regelt Güter-, Ehe- und Schulfragen und anerkennt das Recht des Papstes, Orden- und Adelstitel mit Wirkung für Italien zu verleihen 422. In der Finanzkonvention, durch die der Hl. Stuhl für den durch den Verlust des Patrimonium Petri entstandenen Schaden abgefunden werden soll, ist festgehalten, daß Italien billiger wegkommt als selbst unter den finanziellen Verpflichtungen des Garantiegesetzes; auf eine höhere Abfindung verzichtet der m. Stuhl jedoch "in Anbetracht der Finanzsituation des Staates und der wirtschaftlichen Lage des italienischen Volkes ... nach dem Krieg" 423 . B. Der Staat der Vatikanstadt
Der Staat der Vatikanstadt (Stato della Cittd del Vaticano) 424 ist das Ergebnis des fast sechs Jahrzehnte währenden Kampfes des ID. Stuhls um eine Wiederherstellung des Kirchenstaates, wenn auch in äußerst Laterano", 21 RivDI (1929), S. 165- 176; ders., Corso di diritto internazianale I, Padua 1955 (enthält einen bereits 1929 in der Rivista di diritto internazianale erschienenen Aufsatz über die Rechtsstellung des Hl. Stuhles auf Grund der Lateranverträge im Kapitel über die VRsPerscinlichkeit); Falco, The Legal Position of the Holy See Before and After the Lateran Agreements. Oxford-London 1935.
421 Vgl. dazu und zur diesbezüglichen Polemik zwischen dem Hl. Stuhl und Italien jüngst Lajolo, I concordati moderni (1968), S. 297 ff. 422 Geffcken, "Die völkerrechtliche Stellung des Papstes", S. 183, hatte für die Zeit nach 1870 die Frage untersucht, inwieweit der Papst noch Orden und Adelstitel verleihen könne. Das erstere hatte er mit der Feststellung bejaht, "da die Befugnis dazu nicht unbedingt den Souveränen allein zusteht, sondern manche Ritterorden sich durch Wahl der Kapitel ergänzen"; das letztere hingegen verneinte er mit der Begründung, dies stehe allein Staatsoberhäuptern zu. ' 23 Convenzione finanziaria, Präambel. 424 Die amtliche Bezeichnung schwankt zwischen "Citta del Vaticano" (Lateranvertrag, Titel des Grundgesetzes) und "Stato della Cittä del Vaticano" (Grundgesetz, Art. 1, wo der Papst als "Sovrano dello Stato della Cittä del Vaticano" bezeichnet wird; das den AAS beigegebene Amtsblatt des Staates, das den Titel "Supplemente per le leggi e disposizioni dello Stato della Cittä del Vaticano" trägt). Vgl. auch Oeschey, "Lo Stato della Citta del Vaticano",
15 zv (1929), s. 665.
IV. Geistliche und weltliche Souveränität des Hl. Stuhls
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beschränktem Umfang425 • Die Grundlage für seine Bildung zu schaffen, was zweifellos das Kernstück des (politischen) Lateranvertrages426 • In Art. 3 dieses Vertrages erkennt Italien dem ffi. Stuhl Eigentum, Gebietshoheit und Souveränität über den Vatikan zu, der auf diese Weise zur Cittd del Vaticano wird427 • Ein Teil derselben, nämlich der Petersplatz, bleibt aber für gewöhnlich der Öffentlichkeit zugänglich und steht soweit unter italienischer Polizeiverwaltung428 • Sonst aber ist das Gebiet der Vatikanstadt der italienischen Hoheitsgewalt völlig entzogen4211. Nicht zur Vatikanstadt gehören verschiedene außerhalb derselben in Rom und Castel Gandolfo gelegene Grundstücke und Gebäude, wie etwa die Patriarchalbasiliken (außer St. Peter); doch sind sie dem m Nämlich 44 ha. Vgl. Faber. Der Vatikan (1968), S. 18. Mussolini selbst hat in seiner großen Rede vor der Kammer am 13. Mai 1929 darauf hingewiesen, daß im Vergleich dazu Andorra mit 452 und San Marino mit 59 Quadratkilometern riesig wären: " ... nessuno, neanche i1 piu fanatico dell'integrita territoriale, potra sentirsi diminuito per 1 44 ettari ehe formano la Citta del Vaticano." Zit. aus 15 ZV (1929), S. 616. 428 Vgl. die Präambel des Lateranvertrages. Dafür erklärt der Hl. Stuhl die röm:sche Frage für beigelegt. Vgl. ibid.: " ... assicurando alla Santa Sede ... una condizione ... la quale ... consenta alla Santa Sede stessa di roconoscere come composta in modo definitivo ed irrevocabile la Questione Romana ..."; und Art. 26: "La Santa Sede ... dichiara definitivamente ed irrevocabilmente composta e quindi eliminata la ,Questione Romana' e riconsce il Regno d'Italia sotto Ja dinastia di Casa Savoia con Roma capitale della Stato italiano." Papst Paul VI. nahm den ersten offiziellen Besuch des italienischen Staatspräsidenten Segni im Vatikan am 24. Juli 1963 zum Anlaß, auf das "friedliche Gleichgewicht" hinzuweisen, das die Lateranverträge von 1929 zwischen Italien und dem Hl. Stuhl hergestellt hätten. Den Vatikanstaat nannte der Papst "den winzigen Sitz Unserer irdischen Souveränität", das Zeichen und Instrument der Unabhängigkeit der geistlichen universalen Mission des Hl. Stuhls. Vgl. Oss. Rom. vom 25. Juli 1963; deutscher Text zitiert nach 17 Herder-Korrespondenz (1962/63), S. 555. 427 "L'Italia riconsce alla Santa Sede la piena proprieta e la esclusiva potest.a e giurisdizione sovrana sul Vaticano come e attualmente costituito con tutte le sue pertinenze e dotazioni, creando per tal modo la Citta del Vaticano ..." Lateranvertrag, Art. 3. 428 IMd., Art. 3: "Resta peraltro inteso ehe la piazza di S. Pietro, pur facendo parte della Citta del Vaticano, continuera ad essere normalmente aperta al pubblico e soggetta ai poteri di polizia delle autorita italiane." Der Hl. Stuhl kann den Petersplatz jedoch aus besonderen Anlässen sperren, wobei sich die italienische Polizei hinter die Kollonaden Berninis zurückzuziehen hat. Vgl. ibid. Vgl. auch Levantesi v. Governor of Rome, Römischer Appellationsgerichtshof, 15. Jänner 1940, 10 ADPILC (1941 - 1942), S. 106 - 108. In diesem Schadenersatzfall hielt der Kläger den Gouverneur von Rom für die Instandhaltung des Petersplatzes verantwortlich. Der Gerichtshof führte aus, daß der Platz, abgesehen von der italienischen Polizeiverwaltung, "in jeder Hins:cht" Teil der Vatikanstadt sei, für den daher eine Verantwortung der römischen Behörden nicht bestünde. 428 Art. 4: "La sovranita e la guirisdizione esclusiva ehe l'Italia riconsce alla Santa Sede sulla Citta del Vaticano importa ehe nella medesima non possa esplicarsi alcuna ingerenza da parte del Governo italiano e ehe non vi sia altra autorita ehe quella della Santa Sede."
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2. Kap.: Gegenstandsabgrenzung
Hl. Stuhl ins Eigentum übertragen und genießen zum Teil eine jener den diplomatischen Residenzen nach Völkerrecht zukommenden entsprechende lmmunität430 • Die Vatikanstadt ist ein dauernd neutraler Staat431 • Dies ergibt sich als vom Vertrag selbst in Art. 24, Satz 2, gezogene Folgerung aus der 430 Vgl. Art. 13 und 14 sowie Art. 15: "Gli immobili indicati ... e gli altri edifici, nei quali la Santa Sede in avvenire credera di sistemare altri suoi dicasteri, benehe facenti parte del territorio dello Stato italiano, godranno delle immunita riconsciute dal diritto internazianale alle sedi degli agenti diplomatici di Stati esteri." Vgl. dazu MieZe, "Immunita delle sedi dei dicasteri pontifici in territorio italiano e immunita dei funzionari ecclesiastici ad essi addetti", 33 RivDI (1941), S. 122 -125; ders., "Diritto d'asilo negli immobili pontifici extraterritoriali e nella Citta del Vaticano", 1 Rassegna di diritto pubblico (1948), S. 15 - 24. Der Autor verneint ein solches Recht in den in Art. 15 genannten Liegenschaften als unvereinbar mit der Verpflichtung des Hl. Stuhls, flüchtige Verbrecher an Italien zu übergeben, soweit das Delikt in beiden Staaten strafbar ist. (Art. 22.) Weiters Trenta v. Ragonesi, Römischer Gerichtshof, 3. Mai 1935, 8 ADPILC (1935- 1937), S. 235-237, wo sich das Gericht für den Nachlaß des Kardinals Ragonesi zuständig erklärte, weil dieser zwar im Palazzo di S. Ufflzio gestorben war, dieser aber, obzwar immun nach Art. 15 Laterantertrag, weiter italienisches Territorium darstellt. Diese Entscheidung wurde vom Römischen Appellationsgerichtshof am 31. Mai 1938 bestätigt, 9 ADPILC (1938 - 1940), S. 437 - 439. Baronci v. Ospedale del Bambino Gesu, Tribunal von Rom, 17. Dezember 1956,24 ILR (1957), S. 215-217, wonach die Arbeitsverträge in einem dem Hl. Stuhl gehörigen Spital dem italienischen Recht und der italienischen Gerichtsbarkeit unterliegen. Ebenso Pianca v. Ospedale del Bambino Gesu, Consiglio di Stato (Sez. V), 20. Februar 1968, n. 115, 51 RivDI (1968), S. 711 - 714, wonach sich die Immunität der in Art. 15 genannten Gebäude nur auf solche Tätigkeiten erstreckt, die zum eigentlichen und wesentlichen Zweck des Hl. Stuhls gehören, nicht aber z. B. auf arbeitsrechtliche Beziehungen zwischen derartigen Einrichtungen und ihren Angestellten. 431 Vgl. Art. 24, Satz 2: " ... la Citta del Vaticano sara sempre ed in ogni caso considerata territorio neutrale ed inviolabile." Daraus ergibt sich auch die Verpflichtung Italiens, die vatikanische Neutralität zu respektieren; doch hat es keine Garantie derselben gegenüber Angriffen dritter Staaten übernommen. Vgl. Diena, "La Santa Sede eil diritto internazianale dopo gli accordi Lateranensi dell' 11 febbr. 1929", 21 RivDI (1929), S. 186; Morelli, "Il trattato fra l'Italia e la Santa Sede", ibid., S. 223; Delos, "Le traite du Latran (11 fevrier 1929) et la situation juridique nouvelle de droit international public", 36 RGDIP (1929), S. 465. Dagegen ist herrschend, daß auch dritte Staaten eine Pflicht zur Respektierung des neutralen Status der Vatikanstadt hätten, soweit sie dieselbe als neutralen Staat nach ihrer Gründung anerkannt haben. Vgl. Anzilotti, "La condizione giuridica internazianale della Santa Sede in seguito agli accordi del Laterano", 21 RivDI (1929), S. 175. (Andere Auffassung: Hagen, Die Rechtsstellung des Hl. Stuhls nach den Lateranverträgen [1930], S. 49, Anm. 53.) Damit wäre das Verhältnis zwischen dem Hl. Stuhl und den die Vatikanstadt anerkennenden Staaten - das sind jedenfalls jene, die 1929 und danach mit dem Hl. Stuhl diplomatische Beziehungen unterhielten - hinsichtlich dieser ein quasi-vertragliches, das den einen zu einem neutralen Verhalten, die anderen zur Respektierung dieser dauernden Neutralität verpflichtet, analog zu dem 1955 begründeten dauernd neutralen Status Österreichs. Vgl. dazu Verosta, Die dauernde Neutralität. Ein Grundriß (1967). In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage, ob und inwieweit die Vatikanstadt in der Lage ist, die sich aus der dauernden Neutralität ergebenden Pflichten, vor allem jene, dieselbe zu verteidigen (vgl. dazu Zemanek, "Gutachten zu den von dem Volksbegehren zur Abschaffung des Bundesheeres [Bundesheervolksbegehren] aufgeworfenen
IV. Geistliche und weltliche Souveränität des
m. Stuhls
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in Satz 1 enthaltenen Erklärung des ID. Stuhls, den weltlichen Streitigkeiten der Staaten untereinander fernbleiben zu wollen - ausgenommen nur die Geltendmachung seines moralischen und geistlichen Ansehens - , es sei denn, daß sich die Streitparteien gemeinsam an ihn wenden432 • neutralitätsrechtlichen und neutralitätspolitischen Fragen", 10 ÖZA [1970], 115 - 137), zu erfüllen. (Zu den Pflichten aus der dauernden Neutralität vgl. auch Kaminski, Bewaffnete Neutralität [1971]; auch Hafner, "Die permanente Neutralität in der sowjetischen Völkerrechtslehre; eine Analyse", 19 [NF] ÖZöR [1969], S. 215 ff.) Der Hl. Stuhl verfügte für die Vatikanstadt bis 1970 außer über die Schweizergarde noch über eine bewaffnete Macht von 150 päpstlichen Gendarmen, 500 Palatingarden und ca. 60 Ehren- (früher: Nobel-) garden. Diese kleine bewaffnete Macht wurde durch Schreiben Papst Pauls VI. an Kardinalstaatssekretär Viilot vom 15. September 1970 aufgelöst: " ... anfin que tout ce qui concerne le successeur de Pierre puisse manifester clairement le caractere religieux de sa mission, dont l'inspiration doit suivre toujours plus sincerement la ligne de la simplicite evangelique." Nur die aus dem Jahre 1505 stammende Schweizergarde (Cohors pedestris Helvetorum a sacra custodia Pontificis) wurde zu Dekorationszwecken beibehalten. Vgl. Rousseau, "Chronique des faits internationaux", 75 RGDIP (1971), S. 869. Kann es dahingestellt bleiben, ob die Schweizergarde ausreicht, die Neutralität der Vatikanstadt "nach Kräften" zu verteidigen, so muß andererseits festgehalten werden, daß bei diesem Mini-Staat eine doppelte Ausnahmesituation besteht: einmal wegen seines primär religiösen Zwecks, und dann wegen des Umstandes, daß die Vatikanstadt als ganze nach Art. 8 des Haager Abkommens für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 in das "Internationale Register für Kulturgut unter Sonderschutz" eingetragen wurde. (Vgl. dazu unten.) Sie ist damit grundsätzlich militärischen Kampfhandlungen entzogen. Unter diesen Umständen erübrigt sich nach Auffassung des Hl. Stuhls die Unterhaltung eigener Streitkräfte. (Zur Wirkung des Lateranvertrages und der Begründung der Vatikanstadt erga omnes vgl. auch unten.) 432 "La Santa Sede, in relazione alla sovranita ehe le compete anche nel campo internazionale, dichiara ehe essa vuole rlmanere e rimanera estranea alle competizioni temporaU tra gli altri Stati ed ai congressi internazionali indetti per tale oggetto, a meno ehe le parti contendenti facciano concorde appello all sua missione di pace, riservandosi in ogni caso di far valere la sua podesta morale e spirituale." Art. 24, Satz 1. In diesem Zusammenhang sind überlegungen angestellt worden, ob die Vatikanstadt Mitglied der Weltorganisation werden könnte. Nach Auffassung verschiedener Autoren ist dies ausgeschlossen; so de la Briere für den Völkerbund ("Le Traite du Latran et le nouvel f:tat pontifical", L'organisation international du monde contemporain III f1930]. S. 63 - 64); vgl. auch Morelli, "Il Trattato fra l'Italia e la Santa Sede", S. 224: "Sia la situazione di stato neutt>alizzato in cui la Citta del Vaticano e posta, sia l'obbligio da essa assunto di rimanere es_tranea alle competizioni internazionali. importano il divieto per la Citta stessa dientrare a far oarte della Sodeta delle Nazioni." Ehrhardt, Der Begriff des Mikrostaates Im Völkerrecht und in der internationalen Ordnung (1970), schließt die Vatikanstadt ebenfalls von der Mitgliedschaft (diesmal) der Vereinten Nationen aus, allerdings nicht wegen seiner dauernden Neutralität, sondern weil nach Ansicht des Autors ein solcher Staat "die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten von Staaten nicht hlnre~chend wahrnehmen kann". (S. 102.) Vgl. in diesem Zusammenhang das Beispiel Liechtensteins, dessen Aufnahmeantrag vom Völkerbund mit dem Hinweis abgelehnt wurde, es könne die Pflichten des VBP nicht auf sich nehmen. Vgl. Schind! er, "Liechtenstein", WV II (2. Auft. 1961), S. 419-420. Daß dauernde Neutralität allein kein Hindernis für Mitgliedschaft in der Weltorganisation ist, zeigt das Beispiel Österreichs. Vgl. ZemaneTs et doruments du Saint-Siege relatifs a la seconde guerre mondiale VII (1973), S~ 121- 122: " ... il sig. Ove C. L. Vangensten, Consigliere della Legazione di Norvegia, e venuto ieri in Nunziatura per avere alcune inform~>zioni circa ... le voci corse parecchi mesi fa in merito al desiderio ehe il sig. Stalin avrebbe espresso d'inviare un suo rappresentante in Vaticano, aggiungendo ehe queste questioni interessano molto il suo governo."
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Hl. Stuhls: wenigstens in den von der Roten Armee besetzten osteuropäischen Staaten vom Vatikan entsandte Priester als Seelsorger zuzulassen; der Wiedereröffnung der kirchlichen Institutionen in jenen Gebieten zuzustimmen; und schließlich eine Garantie für das Los der italienischen Gefangenen in der Sowjetunion abzugeben62 • Das Verhältnis des HL Stuhls zur Sowjetunion verschlechterte sich in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg weiter durch die Politik der letzteren, die unierten Ostkirchen in der Sowjetunion zwangsweise in die Orthodoxie zu überführen63 • Trotzdem schlug der Vatikan die Türe zur Sowjetunion auch zur Zeit des Kalten Krieges nie völlig zu. 1956, im Jahr, in dem Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU die Entstalinisierung einleitete, und die sowjetische Außenpolitik propagandistisch auf die Linie der "friedlichen Koexistenz" 64 einschwenkte, legte Pius XII. in seiner Botschaft an den Deutschen Katholikentag in Köln vom 2. SeptEmber 1956 die Grundzüge einer Regelung dar, die der katholischen Kirche eine "Koexistenz in der Wahrheit" mit den kommunistischen Staaten ermöglichen würde: "Die katholische Kirche nötigt niemand, ihr anzugehören. Sie verlangt jedoch für sich die Freiheit, nach ihrer Verfassung und ihrem Gesetz im Lande
zu leben, ihre Gläubigen zu betreuen und die Botschaft Jesu Christi offen verkündigen zu können. Dies freilich ist ihr unabdingbare Basis für jede ehrliche
Koexistenz85." Diese Mindestforderung wird vom Hl. Stuhl auch heute noch aufrecht erhalten. Daß ihr bis heute sowjetischerseits nicht entsprochen worden ist, ist die Ursache dafür, daß es nach wie vor an offiziellen, geschweige denn diplomatischen Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der Sowjetunion mangelt.
Dies bedeutet aber nicht, daß es nicht unter den Nachfolgern Pius' XII., den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI., zu gewissen Kontakten gekommen wäre 68 • Ob und wann sie zu einer "Koexistenz in der Wahrheit" n Vgl. Graham, Vatican Diplomacy (1959), S. 380-381. Die Forderungen wurden dem Kreml durch einen Berater Präsident Roosevelts, Edward J. Flynn, üLerbracht. 03 Vgl. Stasiewski, "Sowjetunion", LTK IX (2. Aufl. 1964), Sp. 904; Lacko, "Ruthenen", ibfd., Sp. 125 f. 64 Unter "friedlicher Koexistenz" versteht man sowjetischerseits ein "friedliches Nebeneinanderbestehen von Staaten unterschiedlicher gesellschaftlicher und staat:icher Ordnung ... Dabei verwirklichen die sozialistischen Staaten zwei Grundaufgaben: (a) Kampf gegen die Kriegspolitik des Imperialismus, für die Erhaltung und Festigung des Friedens; (b) Schaffung von günstigen internationalen Bedingungen für den Kampf des internationalen Proletariats zur Beseitigung des Imperialismus, für den revolutionären Kampf zur Umgestaltung der Gesellschaft ... " Wörterbuch der Außenpolitik (Auf der Grundlage des dreibdg. Diplomatischen Wörterbuchs [Moskau 1960 - 1964] ; 1965), S. 263. 85 Vgl. 11 Herder-Korrespondenz (1956), S. 39-41, aufS. 40. 68 So das Zusammentreffen zwischen Balzan-Friedenspreisträger Johannes XXIII. und Chruschtschows Schwiegersohn Adschubej am 7. März 1963
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zwischen dem Vatikan und dem Kreml führen werden, läßt sich zur Zeit nicht abschätzen. Für den Hl. Stuhl gilt jedoch, was Johannes_XXIII. zum "privaten" Botschafter Chruschtschows, dessen Schwiegersohn Alexej Adschubej, gesagt hat, als ihn dieser auf das Problem der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Mächten ansprach: "Sie sind Journalist, und so kennen Sie die Bibel und die Schöpfungsgeschichte. Sie wissen, daß der Herr fünf Tage für den Schöpfungsakt benötigte, bevor er am sechsten den Menschen schuf. Doch wie Sie wissen, sind die Tage der Bibel keine Tage, sondern Epochen, und die Epochen der Bibel dauern sehr lange. Wir befinden uns am ersten Tag. Wir blicken uns hier gegenseitig in die Augen und entdecken Licht. Dies ist der erste Tag, der Tag des Lichts, der Tag des ,fiat lux'. Dieses Licht ist in Ihren Augen und in Unseren. Der Herr wird, wenn er es wünscht, einen Weg weisen, um hierauf aufzubauen. Aber das braucht Zeit, es braucht viel Zeit87." Aus der Geschichte der vatikanisch-sowjetischen Beziehungen lassen sich zwei grundsätzliche Feststellungen ableiten. Zum einen hat sich gezeigt, daß der Hl. Stuhl selbst für einen Staat, dessen Ideologie materialistisch-atheistisch fundiert ist, eine Macht darstellt68 , mit der Kontakte zu suchen und Beziehungen aufzunehmen als zureichend wichtig erscheinen würde, und sei es nur zur Hebung des eigenen internationalen Prestiges in einer Staatengemeinschaft, die nach dem pragmatischen Grundsatz einer friedlichen Koexistenz zu leben versucht, und damit letztlich zu Propagandazwecken. Nun kann kein Zweifel bestehen, daß der HZ. Stuhl bereit war und ist, solche Beziehungen aufzunehmen, auch wenn sie von der Gegenseite nur als ein Mittel des Klassenkampfes und damit als vorübergehend angesehen würden89, doch hält er sie nur unter im Vatikan; das Beileidtelegramm Chruschtschows zum Tode Johannes' XXIII. am 3. Juni 1963; die Privataudienz des sowjetischen Außenministers Gromyko bei Papst Paul VI. am 27. April 1966 und der Besuch des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets, Podgorny, bei Paul VI. am 29. Jänner 1967. Vgl. Oss. Rom. vom 8. März 1963, 28. April 1966 und 30. Jänner 1967; weiters Mourin, Der Vatikan und die Sowjetunion (1967), S. 273 - 362. 87 Nach den vom ehern. Privatsekretär Johannes XXIII., Msgr. Capovillia, auf einer Studientagung christlicher Laien in Assisi gegebenen Einzelheiten; vgl. Riemeck, Moskau und der Vatikan II (1965), S. 160. ss Litwinow, Mitglied der sowjet-russischen Delegation zur Konferenz von Genua 1922, hatte schon damals gesagt: "Die Regierung der Sowjets anerkennt das große sittliche Ansehen des Papstes und es sind Verhandlungen im Gange, ... um verschiedene Fragen rein religiösen Charakters zu lösen." Zit. nach von Lama, Papst und Kurie (1925), S. 385. Die Bedeutung, die man im Kreml auch noch zu Ende des zweiten Weltkriegs dem Hl. Stuhl beimaß, beweist ein Artikel des früheren sowjetischen Botschafters in Italien, Morris Stein, im Bolschewik vom April 1945. Er erklärte darin, der Vatikan sei, trotz des Fehlens eines Territoriums, eine Weltmacht. 18 Daß solche Beziehungen für die Sowjetunion nur vorübergehender Natur sein können, ergibt sich aus ihrem Wesen als Teil der Politik der friedlichen Koexistenz. Diese ist aber erklärtermaßen nur "eine spezifische Form des Klassenkampfes". Vgl. Wörterbuch der Außenpolitik (1965), S. 263. Mit dem Sieg der Arbeiterklasse in allen Staaten geht die Politik der friedlichen
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3. Kap.: Der m. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
Bedingungen für sinnvoll, die sie nicht als leere Form erscheinen lassen müßten, sondern ihnen einen tragfähigen politischen und rechtlichen Hintergrund gäben. Diese Bedingungen sind ausreichende Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten für die katholische Kirche in der Sowjetunion. Solange solche nicht gegeben sind, solange ist mit der Herstellung normaler, der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Kreml und dem Vatikan nicht zu rechnen. Das wiederum beweist aber erneut - und dies ist die zweite in diesem Zusammenhang zu machende Feststellung - daß das Schicksal der diplomatischen Beziehungen des ID. Stuhls untrennbar verknüpft ist mit der Haltung, die der betreffende Staat gegenüber der Kirche einnimmt. Wo die Kirche in unerträglichem Maße Unterdrückung, ja Verfolgung leidet, stellt dies eine unübersteigbare Barriere gegen die Herstellung auch nur korrekter, geschweige denn zufriedenstellender oder gar freundlicher Beziehungen zum m. Stuhl dar. 5. Ergebnis Die hier dargestellten Sonderfragen des päpstlichen Gesandtschaftswesens hatten eines gemeinsam: Schwierigkeiten für die diplomatischen Beziehungen zwischen dem ID. Stuhl und dem betreffenden Staat, die sich aus dessen innerstaatlichen politischen wie Rechts-Lage ergaben. Nicht zufällig zeigt sich dabei, daß es nicht einer Epoche oder einer Ideologie vorbehalten war, die Grundlage für Beziehungen zum ID. Stuhl: ein gedeihliches Verhältnis zwischen Kirche und Staat, in Frage zu stellen. Die dargestellten Beispiele lassen sich vielmehr in ihren Wurzeln in die verschiedensten Perioden der Neuzeit zurückverfolgen. Daß in Großbritannien bis heute keine diplomatische Vertretung des Stuhls errichtet werden konnte, geht auf die Überspannung regalistischer Ansprüche zur Zeit Heinrichs VIII. (1509- 1547) zurück, in der das weltliche Haupt des Staates für sich auch die Würde des geistlichen Hauptes der Kirche in Anspruch nahm70 , was einen Bruch mit Rom bedeutete und bewirkte, daß erst 1848 das Parlament in einem eigenen Gesetz die Zulassung päpstlicher Gesandter grundsätzlich gestattete71 , jedoch mit solchen Einschränkungen, daß an die Errichtung einer Nuntiatur tatsächlich nicht zu denken war72•
m.
Koexistenz, die ihre Grundlage verloren hat, zuende; damit enden auch die Beziehungen der sozialistischen Staaten zum m. Stuhl, soweit sie bestehen. 70 Zum Royal Supremacy Act von 1534, 26 Henry VIII., c. 1, vgl. oben, Zweites Kapitel, IV, A, 2, a. Schon 24 Henry VIII., c. 12, das die Appellation nach Rom verbot, hatte England "an empire ... governed by one supreme head and king" genannt, "unto whom a body politic, compact of spirituality and temporality, be bounden and owe to bear next to God a natural and humble obedience". 71 11 et 12 Victoria, c. 108.
V. Diplomatische Beziehungen des Hl. Stuhls seit 1929
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Das Prinzip der strikten Trennung zwischen Kirche und Staat, das zu der Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787 als First Amendment hinzugekommen ist73, hat seine Wurzeln in gleicher Weise in der skeptischen Toleranz der späten Aufklärung74 wie in der auf das Zeitalter der Religionskriege und der Unterdrückung zurückgehenden krankhaften Abneigung der verschiedenen Freikirchen und Sekten vor staatlicher Befassung mit dem Religiösen71, wobei jede der beiden Richtungen von je ihrem (durchaus verschiedenen) Standpunkt aus die Auffassung vertrat, der Mensch könne mit anderen in staatlicher Gemeinschaft zusammenleben, ohne daß diese - weit davon entfernt, in seine religiöse Sphäre einzugreifen - auf jene Rücksicht zu nehmen hätte. Daher keine Koordination des Menschen als Staatsbürger mit dem Menschen als Angehörigem einer religiösen Gemeinschaft in den USA und - als logische Folge - keine Koordination von Kirche und Staat, keine offiziellen diplomatischen Beziehungen der Vereinigten Staaten zum ID. Stuhl. Was die Schweiz anlangt, so war es der antiklerikale politische Liberalismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der 1874 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu ID. Stuhl führte 78 • Erst in allerjüngster Zeit ist es gelungen, in der Schweizer Verfassung enthaltene Kulturkampfreste zu eliminieren, sodaß es möglicherweise wiederum zur Herstellung reziproker diplomatischer Beziehungen kommen wird. Im Falle der Sowjetunion schließlich ist es der atheistische Materialismus als Teil der offiziellen Statsideologie des Marxismus-Leninismus, wie er seit 1917 in die Praxis umgesetzt wird77 • Eine Ideologie, die in der 11 "That it shall not be lawful for Her Majesty, her heirs or successors, to receive at the Court of London. as ambassador, envoy extraordinary, minister plenipotentiary, or other diplomatic agent accredited by the Sovereign of the Roman States, any person who shall be in holy orders of the Church of Rome, or a Jesuit, or a member of any religious order, community or society of the Church of Rome, bound by monastic or religious vows."
73
1791.
1c über den Hintergrund der amerikanischen Verfassung von 1787 und das First Amendment vgl. u. a. Brant, James Madison, Father of the Constitution,
1787- 1800 (1950), S. 268- 273; über das Vorbild, die Religionsfreiheit in Virginia, Plöchl, "Thomas Jefferson, Author of the Statute of Virginia for Religious Freedom", 3 The Jurist (1943), S. 182- 230. 71 Vgl. u. a. Wilson (Hrg.), Church and State in American History (1965), Teil I: The Language of Colonial Establishment, Teil II: Ethnic Diversity and Evangelical Differentiation, S. 3-51. Für das 17. Jahrhundert vgl. auch Taswell-Langmead, English Constitutional History (11. Aufl. 1960), Kap. 11 bis 16.
78 Zuvor war der politische Liberalismus schon eidgenössisch-intern, im Sonderbundskrieg von 1848, siegreich geblieben und hatte dann seine Vorstellungen während des Kulturkampfes 1873- 1883 auch in der Verfassung untergebracht (Jesuiten- und Ordensartikel). Vgl. Glauser, "Schweiz", LTK (2. Auf!. 1964), Sp. 543 - 544. 77 Die Quellen des Marxismus-Leninismus, die Schriften Marx', Engels' und Lenins, sind zuletzt deutsch herausgegeben vom Institut für Marxismus-
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3. Kap.: Der m. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
Religion eine wirklichkeitsferne lllusion sieht78, die dem Betrug am arbeitenden Menschen dient79 , kann religiösen Einrichtungen keinen Wert beimessen und keine Toleranz erweisen, sondern ihnen allenfalls eine eingeschränkte Duldung auf Zeit gewähren80 • In einer solchen Haltung aber liegt kein Anknüpfungspunkt für diplomatische Beziehungen zu einer religiösen Institution wie dem Hl. Stuhl. Allen diesen Systemen, so unterschiedlich sie sonst in ihrem philosophischen Ausgangspunkt und in der Anwendung ihrer Ergebnisse auf die Praxis sein mögen, haben eines gemeinsam: die Einstufung des Religiösen als etwas Zweitrangigem, das den Staat entweder überhaupt Lenini~mus beim ZK der SED, und zwar: Kar! Marx- Friedrich Engels, Werke, Bd. I ff., nach der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU besorgten zweiten russischen Ausgabe. Lenin, Werke, Bd. I ff., nach der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU besorgten 4. russischen Ausgabe. Einen Überblick und eine Einführung in den heutigen Stand des Marxismus-Leninismus geben Wetter, Sowjetideologie heute I (Dialektischer und historischer Materialismus), 1962, und Leonhard, Sowjetideologie II (Die politischen Lehren), 1962. 78 "In der Darstellung der bisher behandelten Formen des gesellschaftlichen Bewußtseins (Wissenschaft, Philosophie, Kunst, Moral) konnten wir immer wieder sehen, daß sie - nach kommunistischer Auffassung - in der Klassengesellschaft nur in entstellter Form existieren; erst in der klassenlosen Gesellschaft werden sie in reiner Gestalt auftreten. Aber auch in der Klassengesellschaft enthielten sie schon bei all ihrer Entstellung manche unvergänglichen allgemeinmenschlichen Werte. Anders steht es für den Marxismus-Leninismus mit der Religion. Sie ist eine ideologische Form, die ihrem Wesen nach eine phantastische, illusorische und verkehrte Widerspiegelung im Bewußtsein der Menschen darstellt." Wetter, ibid., S. 264. (Hvhbg. im Orig.) Nach Lenin, Werke XV, S. 374 ist der Kampf gegen die Religion daher "das ABC jeglichen Materialismus und folglich auch des Marxismus". (Vgl. ibid.) 71 Vgl. Marx, "Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie", Marx-Engels, Werke I (1961), S. 378: "Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist; Sie ist das Opium des Volkes ... [Die Religion], ein verkehrtes Wertbewußtsein, ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens ... Der Kampf gegen die Religion ist also unmittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist." (Hvhbg. im Orig.) so Dies zeigt sich deutlich im wechselnden Schicksal der russisch-orthodoxen Kirche seit 1917. Gewisse Erleichterungen wurden ihr nur dann gewährt, wenn der Sowjetstaat daraus Vorteile zu ziehen hoffte: während des polnisch-sowjetischen Kriegs 1920121, dann - nach einer zwei Jahrzehnte langen Periode der Unterdrückung, in der die Zahl der Kirchen von 54 000 auf 4 000 und die der Priester von 57 000 auf 6 000 reduziert worden war (vgl. Riemeck, Moskau und der Vatikan II [1965], S. 141) - während des Zweiten Weltkriegs, schließlich auch seither, soweit es die Gleichschaltung der katholischen Orientalen in der vergrößerten Sowjetunion durch Zwangsorthodoxisierung mit ihrer politischen und kulturellen Bedeutung und die Kollaboration auf international-propagandisti5chem Gebiet durch "totale Unterstützung der Friedensbestrebungen unseres Volkes" (Patriarch Alexej auf einer öffentlichen Kundgebung in Moskau 1960) betrifft, für die durch den Beitritt der russisch-orthodoxen Kirche zum Weltkirchenrat am 11. April 1961 eine gesicherte Plattform geschaffen wurde. (Von der dritten Vollversammlung des Weltkirchenrates [Neu-Delhi] mit großer Mehrheit gebilligt.)
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nicht interessiert oder in das er, die spirituelle Sphäre der temporalen unterwerfend, nach Gutdünken in Anwendung der Staatsraison eingreift. In jedem Fall - ob er den religiösen Bereich nun ignoriert oder reglementiert - wirft sich der Staat zum Richter über denselben auf, der ihm den in der Gesellschaft zukommenden Platz anweist. Und in jedem Fall sind damit dem Staat geordnete Beziehungen zum Hl. Stuhl, jener Institution, die sich als Anwalt der staatsfreien Sphäre des Menschen versteht, verschlossens1• C. Die Wiener Konferenz über diplomatische Beziehungen von 1961 und das Gesandtschaftswesen des m. Stuhls Während bis zum zweiten Weltkrieg Versuche, einzelne Teile des Völkerrechts zu kodifizieren, praktisch gescheitert waren 82 , wurde eine solche Kodifikation in der SVN programmatisch vorgesehen83 und durch die Schaffung eines eigenen Organs, der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen8 4, beschleunigt. 81 Der Umfang dieser Untersuchung verbietet es, noch weitere derartige Beispiele zu besprechen. Einschlägig wäre vor allem der Fall der Volksrepublik China, der bei allen Eigenarten in den wesentlichen Punkten ein Analogon des sowjetischen ist. Da ich diesen Fall jedoch an anderer Stelle ausführlicher behandelt habe, darf ich auf meine dortigen Ausführungen verweisen. Vgl. Köck, "Das Verhältnis Chinas zum Hl. Stuhl", China-Report (1972 III), S. 13-26. Vgl. auch Wei-Tsing-Sing, Le Saint-Siege et Ia Chine (1971).- Was die diplomatischen Beziehungen des Hl. Stuhls zu Japan anlangt, vgl. CavaHi, "Le relazioni diplomatiche tra Ia S. Sede e il Giappone", 90 La Civilta Cattolica
(1959), s. 393 - 408.
82 Die erste vom Völkerbund veranstaltete Kodifikationskonferenz tagte im Frühjahr 1930 im Haag. Ihr Mißerfolg war so eklatant, daß man von der Abhaltung weiterer, ursprünglich vorgesehener, Abstand nahm. Nationale und SchulGegensätze (kontinentale v. anglo-amerikanische Rechtsauffassung) hatten sich als noch zu stark erwiesen. Vgl. zur Übersicht Kägi, "Kodifikation", WV II (2. Aufl. 1961), S. 228-237. sa Vgl. Art. 13, Zif. 1: "Die Generalversammlung veranlaßt Untersuchungen und gibt Empfehlungen ab, (a) um die internationale Zusammenarbeit auf politischem Gebiet zu fördern und die fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts sowie seine Kodifizierung zu begünstigen; ..." 84 Die International Law Commission (ILC) wurde von der GV der VN mit Res. 174 (li) vom 21. November 1947 geschaffen. Aufgabe dieses Unterorgans der Generalversammlung, das ursprünglich aus 15, heute aus 25 ad personam gewählten Völkerrechtlern von anerkannter Autorität zusammengesetzt ist, ist es, für die Weiterentwicklung (propressive development) des Völkerrechts und seine Kodifikation sowie für die bessere Zugänglichmachung der Quellen des Völkergewohnheitsrechtes zu sorgen. Vgl. Parry, "The International Law Commission", 26 BYIL (1949), S. 508 ff.; Cheng, "The International Law Commission", 5 Current Legal Problems (1952), S. 251 ff.; Stone, "On the Vocation of the International Law Commission", 57 Columbia Law Review (1957), S. 16 ff.; Schindler, "Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen", WV III (2. Auf!. 1962), S. 761-766; Briggs, The International Law Commission (1965); Lee, "The International Law Commission Re-Examined", 59 AJIL (1965), S. 545 ff.; und GotHeb, "International Law Commission", 4 CanYIL (1966), S. 64 ff. Zu den
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Daß sich das Diplomatenrecht zu einer vertraglichen Regelung unter den verschiedenen völkerrechtlichen Materien zumindest nicht am wenigsten eigne, hatte schon seine Teilkodifikation auf dem Wr. Kongreß bewiesen86 • Auch der GS der VN bezeichnete 1949 in einem Bericht an die ILC das Diplomatenrecht als eine der völkerrechtlichen Rechtsmaterien, die sich für eine Kodifikation besonders empfahlen88• Die GV griff diesen Gedanken 1952 auf und forderte eine Kodifikation des Diplomatenrechts87. Nachdem die ILC einen Entwurf verfaßt hatte, berief die GV über Einladung Österreichs eine Staatenkonferenz nach Wien ein, die vom 2. März- 14. April 1961 tagte88 und das Wiener tlbereinkommen über diplomatische Beziehungen8' nebst zwei Fakultativprotokollen erarbeitete. 1. Der lll. Stuhl stand einer Kodifikation des Diplomatenrechts grundsätzlich positiv gegenüber, war sich andererseits aber auch der besonderen Wichtigkeit der auf der Konferenz zu fällenden Entscheidungen bewußt, die das traditionelle Gesandtschaftswesen des lll. Stuhls berühren mußten.
Für den lll. Stuhl galt es, dafür zu sorgen, daß jene Regelung, die das Wr. Reglement von 1815 in bezug auf seine Gesandten getroffen hatte90 , zumindest nicht zu seinem Ungunsten abgeändert würde. Das bedeutete:
prinzipielle Gleichstellung der päpstlichen Gesandten mit jenen der Staaten und Sicherstellung des Ehrenvorranges des päpstlichen Vertreters in der herkömmlichen Art. Was den ersten Punkt anbelangt, waren keine Schwierigkeiten zu erwarten. Art. 13 des Konventionsentwurfs reihte in Zif. 1lit. a die Nuntien neben die Botschafter und in lit. b die Internuntien neben die Gesandwichtigsten Ergebnissen ihrer Arbeit zählen die Entwürfe für das Seerecht (Genfer Konferenzen 1958 und 1960), das Diplomaten- und Konsularrecht (Wiener Konferenzen 1961 und 1963), sowie das Vertragsrecht (Vertragsrechtskonferenz Wien 1968/69). 85 Wr. Reglement vom 19. März 1815; vgl. oben I. ae Vgl. UN Doc. A/CN. 4/1/Rev. 1. Dazu Zemanek, "Wiener Diplomatische Konferenz von 1961", WV III (2. Aufl. 1962), S. 845. 87 GV -Res. 685 (VII). Vgl. Zemanek, ibid. 8 & Zur United Nations Conference on Diplomatie Intercourse and Immunities 1961 und ihrem Ergebnis vgl. Colliard, "La Convention de Vienne sur les relations diplomatiques", 7 AFDI (1961), S. 3- 42; Maresca, "La convenzione di Vienna sulle relazioni diplomatiche", 16 La Communita internazianale (1961), S. 245- 273; MieZe, "La convenzione di Vienna sulle relazioni diplomatiche", 44 RivDI (1961), S. 263 - 269; Zemanek, "Die Wiener diplomatische Konferenz 1961", 9 AV (1961/62), S. 398 - 427; ders., oben Anm. 86; sowie Suy, "La Convention de Vienne sur les relations diplomatiques", 12 (NF) ÖZöR (1962/63), S. 86 bis 114; und Kerley, "Some Aspects of the Vienna Conference on Diplomatie Intercourse and Immunities", 56 AJIL (1962), S. 88 ff. 88 UNTS D, S. 95 ff.; deutscher Text bei Berber, Dokumente I (1967), S. 865 ff. 80 Vgl. oben, I.
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ten91 • Damit ging der Entwurf noch über das Wr. Reglement hinaus, indem er auf die zwischenzeitig entwickelte Praxis des Hl. Stuhls, Internuntien zu entsenden, Rücksicht nahm und diese in der zweiten Rangklasse ausdrücklich anführte 92 • Nicht erwähnt waren - im Gegensatz zum Wr. Reglement- lediglich die Legaten, weil die ILC diese als Sondergesandte ansah und sich der Entwurf nicht auf special missions bezog83. Für die Delegation des Hl. Stuhles04 wies ihr Chef, Msgr. Casaroli, darauf hin, daß "the Holy See had not expressly relinquished [the title of legate] and indeed the head of a special mission was often sent as legate" 95 • Um dem Hl. Stuhl die Möglichkeit offen zu halten, diese Bezeichnungen auch für ständige Missionschefs zu benützen, unterstützte er den Vorschlag Ghanas, in Zif. 1 lit. a die Worte "and other heads of mission of equivalent rank" 81 hinzuzufügen. Art. 13 des Entwurfes wurde 11 Vgl. Draft Articles on Diplomatie Intercourse and Immunities Adopted by the International Law Commission at Its Tenth Session, UN Doc. A/CONF. 20/4. uz Die zweite Rangklasse war allerdings überhaupt in Gefahr, ebenso wie die früher dritte, durch das Aachener Protokoll vom 21. November 1818 geschaffene Rangklasse der Ministerresidenten, die schon der ILC-Entwurf nicht mehr berücksichtigt hatte, ganz unterdrückt zu werden. Eine Reihe von Staaten, so Mexiko, Schweden, die Schweiz, Ungarn, Jugoslawien und Finnland sprachen sich nacheinander für ein Fallenlassen dieser Kategorie aus, weil sie in einer Zeit, in der die Staaten fast allgemein dazu übergingen, nurmehr Botschafter zu akkreditieren, keine Zukunft hätte. Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 16 und 17. Allerdings konzedierten sowohl Schweden als die Schweiz, daß ein solcher Schritt für den Hl. Stuhl Schwierigkeiten in sich bergen könnte, weil dieser bis dahin überall dort, wo seinem Vertreter kein Ehrenvorrang eingeräumt wurde, nur einen Internuntius im Rang eines Gesandten beglaubigte. Der Delegierte des Iran führte diesen Umstand als Argument für die Zweckdienlichkeit der Beibehaltung der zweiten Rangklasse an. Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 17. Der Hl. Stuhl selbst behielt sich durch Mons. Casaroli eine endgültige Stellungnahme in dieser Frage vor. (Ibid.) Die zweite Rangktasse wurde schließlich mit 45 gegen 12 Stimmen bei 15 Enthaltungen beibehalten. Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 23. ea Für sie lag ein eigener Entwurf vor, die Draft Articles on Special Missions, die die Konferenz jedoch nicht behandeln konnte. Sie wurden vielmehr zurückgestellt. Vgl. Resolution I im Anhang zur Schlußakte der Konferenz, UN Doc. A/CONF. 20/10/Add. 1. 8 ' Der Hl. Stuhl war zur Teilnahme an der Konferenz gem. GV-Res. 1450 (XIV), Zif. 3, als Mitglied von Spezialorganisationen der Vereinten Nationen eingeladen worden. Die Delegation setzte sich wie folgt zusammen: Msgr. Casaroli (Delegationschef), Msgr. Borettini, Msgr. De Liva und die Professoren Dr. Kipp von der Universität Innsbruck und Dr. Zemanek von der Universität Wien. Vgl. List of Detegations in UN Doc. A/CONF. 20/14, S, XIII. Herrn Professor Zemanek ist der Verfasser für die Überlassung verschiedener, das gegenständliche Problem berührender Unterlagen zu besonderem Dank verpflichtet. 95 Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 19. " Ibid. Der ghananesische Vorschlag, den sich Casaroli auf diese Weise zunutze machte, hatte allerdings einen anderen Hintergrund: er sollte es den Commonwealth-Ländern ermöglichen, ihre Praxis, untereinander High Commissioners im Botschafterrang auszutauschen, beizubehalten. Diese ausdrücklich zu erwähnen, schien einigen Staaten als nicht angängig. So unterstrich der
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tatsächlich in dieser Weise abgeändert97 ; er hat nunmehr- als Art. 14 der Konvention - folgenden Wortlaut: "(1) Die Missionschefs sind in folgende drei Klassen eingeteilt: (a) die Klasse der Botschafter oder Nuntien, die bei Staatsoberhäuptern beglaubigt sind, und sonstiger, in gleichem Rang stehender Missionschefs; (b) die Klasse der Gesandten, Minister und Internuntien, die bei Staatsoberhäuptern beglaubigt sind; (c) die Klasse der Geschäftsträger, die bei Außenministern beglaubigt sind. (2) Abgesehen von Fragen der Rangfolge und der Etikette wird zwischen den Missionschefs kein Unterschied auf Grund ihrer Klasse gemacht88." Anders stand es mit der Sicherstellung des herkömmlichen Ehrenvorranges des päpstlichen Vertreters. Hier ließ schon der Konventionsentwurf der ILC einiges zu wünschen übrig, weil er in Zusammenhang mit der Regelung vorsah, daß "[t]he present article is without prejudice to any existing practice accepted by the receiving State regarding the precedence of the representative of the Pope""· An diesen Wortlaut hatten sich schon innerhalb der ILC Meinungsverschiedenheiten geknüpft. Während der Urentwurf100 die Formulierung des Wr. Reglements in diesem Punkt übernommen hatte, entschied sich die ILC schließlich für den obzitierten Text101 • Innerhalb der Kommission war allerdings ~chon die Frage umstritten gewesen, ob Art. 4 Abs. 2 des Wr. Reglements lediglich den Status quo sanktionieren oder auch für die Zukunft den Staaten das Recht gewähren wollte, dem päpstlichen Vertreter einen Ehrenvorrang einzuräumen 102 • Die letztere Auffassung setzte sich schließlich ohne förmliche Abstimmung durch. Dennoch blieb die Angelegenheit unklar. Der Text des Entwurfes schien eine einschränkende Interpretation zu begünstigen; der Kommentar der ILC war zweideutig: während er einleitend darauf hinwies, es sei die Absicht Vertreter der VAR, daß "the convention should be based on principles of general application and should not contain provisions applying only to one power or to one group of powers. The case of the representative of the Holy See rested on ancient tradition. He therefore saw no exact parallel between it and the case of [the Commonwealth and the French Community countries]." Vgl. UNDoc. AICONF. 20/C. 1/SR.17. 87 Und zwar mit 71 Stimmen bei 5 Enthaltungen ohne Gegenstimme. Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 23. 88 Deutscher Text zit. nach Berber, Dokumente I (1967), S. 869. 88 Draft Article 15 (3). (Hvhbg. vom Verf.) 1oo UN Doc. A/CN. 4/91, Art. 9 (3). 101 ILC 424th and 425th meetings, 24. und 25. Juni 1957; YILC 1957 I, s. 204-205. 1 02 Eine restriktive Auffassung vertraten Pal, ILC 392nd meeting, 7. Mai 1957, YILC 1957 I, S. 43 ff., Paragraph 54, und Fran~ois, ibid., Paragraph 55; eine extensive u. a. Matine-Daftary, ibid., Paragraph 46, Garcia Amador, ibid., Paragraph 50, Ago, ibid., Paragraph 51 und 61, und Verdroß, ibid., Paragraph 56.
V. Diplomatische Beziehungen des Hl. Stuhls seit 1929
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der Kommission gewesen, in diesem Artikel die Substanz der im Wr. Reglement getroffenen Regelung niederzulegen 103 , heißt es weiter unten, daß "the rules of precedence laid down in the draft will not affect the practice of those countries in which the Pope's representative always has precedence over all other heads of mission" 104 , damit offenlassend, ob es sich hiebei um die vergangene oder auch um die zukünftig erst zu begründende Praxis handelte. Hier auf eine Verbesserung des Textes im Sinne einer klaren Regelung zugunsten des päpstlichen Präzedenzrechtes zu dringen, mußte vorrangiges Anliegen der Delegation des Hl. Stuhls sein. Sie unterbreitete daher im Committee of the Whole -wohl nicht ohne diplomatische Vorarbeit von Seiten des Staatssekretariats bei den beim Hl. Stuhl vertretenen Staaten - ein Amendment 105, das auf eine entsprechende Abänderung des Artikels gerichtet war. Dazu führte Msgr. Casaroli aus, es sei Aufgabe der Konferenz, die herrschende Praxis zu kodifizieren, anstatt Neuerungen einzuführen. Ohne irgendeinem Staat eine positive Verpflichtung aufzuerlegen, habe das Amendment den Zweck, den Gleichheitsgrundsatz zwischen den "alten" Staaten, die bereits die Möglichkeit gehabt hätten, zu wählen, ob sie dem päpstlichen Vertreter einen Vorrang einräumen wollten oder nicht, und den "neuen" Staaten, die noch keine Wahlmöglichkeit besessen hätten, zum Durchbruch zu bringentoe, Die Delegation des Hl. Stuhls hatte allerdings nicht nur gegen die unglückliche Formulierung des ILC-Drafts anzukämpfen sondern auch gegen die Front jener (vom Ostblock geführten) Staaten, die dem Grundsatz einer Ausnahmeregelung zugunsten eines Ehrenvorranges des Vertreters des Hl. Stuhls überhaupt ablehnend gegenüberstanden. Ihre Argumentation ging dahin, daß ein solcher Vorrang veraltet1°7 und in einer Zeit, wo es neben den katholischen viele nicht-katholische, ja atheistische Commentary to Draft Articles 10 - 13, Paragraph 1; YILC 1957 II, S. 135. Ibid., S. 136, Paragraph 9. 1os UN Doc. A/CONF. 20/C.l/L. 120. 1os Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 18. 107 Der Vertreter der Sowjetunion, Tunkin, wies darauf hin, daß "[a]n old rule of international law could be considered from two points of view: it was of long standing and conformed to a venerable tradition; or it was out of date and obsolete. Tbe Conference bad met because tbe regulation adopted at Vienna in 1815 bad become out-dated. [Anm. d. Verf.: Das ist unrichtig. Tatsächlich tagte die Wiener diplomatische Konferenz zur Kodifikation des gesamten Diplomatenrechts, wobei sie die Teilregelung von 1815 im wesentlichen übernahm.] In 150 years the situation bad changed considerably. Tbe law conceived at Vienna bad been European law; tbe present aim was to draft universallaw". Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 18. Entsprechend auch der bulgarische Delegierte: "... the principle giving precedence to tbe Pope's representative conflicted with tbe fundamental rules of international law and was an anachronism •. ," 103
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3. Kap.: Der Hl. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
Staaten gäbe, nicht am Platze wäre 108 ; die Konvention solle allgemein gehalten sein und keine Ausnahmeregelungen enthalten109 • Auch verstoße Art. 15 Zif. 3 mit oder ohne der vom Hl. Stuhl vorgeschlagenen Änderung gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil er jedem Staat die Möglichkeit gebe, die anderen zum Vorteil des Hl. Stuhls zurückzusetzen11o. Die Mehrheit der auf der Konferenz anwesenden Staaten sprach sich jedcch in der Debatte für die Beibehaltung der umstrittenen Bestimmung und die Annahme des vatikanischen Amendments aus 111 • Unter diesen Umständen mußte die Delegation des Hl. Stuhls danach trachten, jedenfalls die zur Annahme des Amendments und von Art. 15, Zif. 3 überhaupt erforderliche Unterstützung einer Zweidrittelmehrheit der an der Konferenz teilnehmenden Staaten zu gewinnen; darüber hinaus war es wünschenswert, die Mehrheit möglichst eindrucksvoll 112 und die Zahl etwaiger Gegenstimmen möglichst gering zu halten, damit nicht etwa der Vorrang der päpstlichen Vertreter zu einem Stein des Anstoßes für eine größere Zahl von Staaten würde und diese zum Abstandnehmen von einer späteren Ratifikation veranlaßte. Eine solche Aussicht hätte zweifellos auf der Konferenz eine Reihe von Staaten, die grundsätzlich nichts gegen die Ausnahmeregelung zugunsten des Hl. Stuhls einzuwenden hatten, gegen dieselbe eingenommen. 1os Vgl. nochmals Tunkin, ibid.: "... of the eight countries taking part in the Congress of Vienna, four bad been Catholic, and at that time religious freedcm bad not been at all secure. The document which the Committee was instructed to prepare should be acceptable to all countries, whatever their political or religious convictions." Vgl. auch ibid. die Ausführungen des ukrainischen, dann des ungarischen Delegierten: "Hungary granted religious freedom and respected the heads of all churches, but could not accept a principle tantamount to discrimination in favor of the head of one church." 101 So der Vertreter der Tschechoslowakei, ibid., und Rumäniens, ibid. 110 Der ungarische Vertreter meinte, "[t]he Conference was endeavouring to draft an international convention, which as such should not contain any provision affecting only a minority of States and contradicting the principles of equality and nondiscrimination among States". Ibid. auch der Delegierte Jugoslawiens: "... it was wrong to believe that the application of such a rule would only affect relations between the State in question and the receiving State because the latter's acception was optional, for the precedence thus established would affect all States represented in the State recognizing or observing that precedence." 111 Und zwar: Argentinien, Äthiopien, Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Brasilien, Burma, Chile, die Dominikanische Republik, Ekuador, Frankreich, Griechenland, Guatemala, Haiti, Honduras, Irland, Israel, Italien, Kolumbien, der Libanon, Liberia, Liechtenstein, Luxemburg, Nigeria, Österreich, Panama, die Philippinen, Portugal, Schweden, Spanien, die Türkei, Venezuela und das Vereinigte Königreich. 112 Zwar kam es bei der Abstimmung zuletzt nur auf zwei Drittel der anwesenden und abstimmenden Staaten an, doch wäre das Prinzip des Ehrenvorranges päpstlicher Gesandter faktisch in Frage gestellt gewesen, wenn sich nur eine Handvoll Staaten dafür ausgesprochen, gleich viele oder mehr sich aber durch Stimmenthaltung desinteressiert gezeigt hätten.
V. Diplomatische Beziehungen des Hl. Stuhls seit 1929
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Die entscheidende Abstimmung fand· im Committee of the Whole in der 18. Sitzung am Nachmittag des 16. März 1961 statt. Zwar bedurfte das Amendmend des lll. Stuhls im Committee nur der einfachen Mehrheit, doch mußte es sich hier zeigen, auf welche Unterstützung der Gedanke eines besonderen, auf den geistlichen Charakter des Papsttums gegründeten Vorrangs seiner Vertreter in der internationalen Gemeinschaft noch rechnen konnte. Von den 77 anwesenden Mächten sprachen sich 59 für die Beibehaltung von Art. 15 Zif. 3 des Entwurfes aus113 ; nur eine stimmte dagegen114• 17 Staaten enthielten sich der Stimme 116 • Damit war es gelungen, für das Prinzip des Vorranges der päpstlichen Vertreter einen durchschlagenden Erfolg in Form eindrucksvoller Unterstützung von Seiten der Staatengemeinschaft zu erzielen. Die Abstimmung im Plenary der Konferenz 118 verlief insoweit noch eindrucksvoller, als es diesmal keine Gegenstimme gab. 52 Staaten und der Hl. Stuhl unterstützten Art. 15 Zif. 3117 , wie er vom Committee of the Whole angenommen worden war118 ; 18 Staaten enthielten sich der 113 Nämlich Argentinien, Athiopien, Australien, Belgien, Brasilien, die Bundesrepublik Deutschland, Burma, Ceylon, Chile, China, Dänemark, die Dominikauische Republik, Ekuador, Finnland, Frankreich, Griechenland, Guatemala, Haiti, der Hl. Stuhl, Honduras, Indien, Indonesien, der Iran, der Irak, Irland, Israel, Italien, Japan, Kambodscha, Kanada, Kolumbien, der Kongo (Leopoldville), Korea, der Libanon, Liberia, Liechtenstein, Luxemburg, Mali, Mexiko, die Niederlande, Nigeria, Norwegen, Österreich, Pakistan, Panama, Peru, die Philippinen, Portugal, Spanien, die Südafrikanische Union, Schweden, die Schweiz, Thailand, die Türkei, Uruguay, Venezuela, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten und Vietnam. Es ist bemerkenswert, daß nicht nur zahlreiche nicht-katholische Staaten den Vortritt der päpstlichen Vertreter unterstützten, sondern daß auch die Delegierten Landans und Washingtonstrotz der oben dargestellten grundsätzlichen Einstellung dieser Staaten zum Empfang von Nuntien (vgl. oben, B)- eine positive Stimme abgaben. 114 Nämlich Jugoslawien, dessen Vertreter, Bartos, in einer "explanation of vote" darauf hinweisen zu müssen glaubte, "the Yugoslav delegation had voted against draft article 15, paragraph 3, because the provision was contrary to the principle of non-discrimination in the matter of religion ... ". 116 Stimmenthaltung übten: Albanien, Bulgarien, die Föderation von Malaya, Ghana, Libyen, Marokko, Polen, Rumänien, Saudi-Arabien, der Senegal, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei, Tunesien, die Ukraine, Ungarn, die VAR und Weißrußland. 118 UN Doc. A/CONF. 20/SR. 5, 11. April1961 vormittags. 117 Die geringere Zahl der Pro-Stimmen erklärt sich aus dem Umstand, daß gegen Ende der Konferenz nicht mehr alle Delegationen anwesend waren. Daß dies keine Sinnesänderung in merito bedeutete, beweist ein vom Präsidenten der Konferenz, Verdroß, tags darauf verlesenes Schreiben des Libanon, "that bis delegation approved of article 15, paragraph 3, in the vote on which ... he bad been unable to take part for reasons beyond bis control". UN Doc. Al CONF. 20/SR.17. 118 Im Committee war es noch zu einer auf eine Anregung Tunesiens zurückgehende terminologische Verbesserung der Bestimmung gekommen: "Papst" war durch den völkerrechtlich geläufigeren Ausdruck "Hl. Stuhl" ersetzt worden, was Msgr. Casaroli namens der vatikanischen Delegation akzeptiert hatte. Vgl. UN Doc. A!CONF. 20/C.l/SR. 18.
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3. Kap.: Der Hl. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
Stimme119• Art. 15 als ganzer wurde dann von der Konferenz einstimmig angenommen. Damit hat der Artikel, der nunmehr als 16. der Konvention aufscheint, folgenden Wortlaut: "(1) Innerhalb jeder Klasse richtet sich die Rangfolge der Missionschefs nach Tag und Zeit ihres Amtsantritts gemäß Artikel13. (2) Änderungen im Beglaubigungsschreiben des Missionschefs, die keine Änderung der Klasse bewirken, lassen die Rangfolge unberührt. (3) Dieser Artikel läßt die Übung unberührt, die ein Empfangsstaat hinsichtlich des Vorrangs des Vertreters des Hl. Stuhls angenommen hat oder künftig annimmt120." Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Wr. diplomatische Konferenz und ihr Ergebnis, die WDK, insoweit einen Erfolg für den Hl. Stuhl darstellte. Sein Gesandtschaftsrecht war nie in Frage gestellt, sein Anspruch auf Ehrenvorrang hat sich uneingeschränkt durchgesetzt. Dennoch besteht kein Anlaß für den Hl. Stuhl, mit dieser Konvention121 vollständig zufrieden zu sein. Sie ist nämlich, was die internationale Stellung des Hl. Stuhls anlangt, durchaus nicht eindeutig. Hat der Hl. Stuhl an ihr als solcher oder als Souverän der Vatikanstadt teilgenommen? Es kann kein Zweifel bestehen, daß die Kurie und die Regierungen der meisten Staaten eine Teilnahme im ersteren Sinn angenommen haben. Verschiedene Äußerungen von Delegierten legen hievon Zeugnis ab; so, wenn der Vertreter Kolumbiens die Auffassung vertrat, "[n]o objection could be raised to a provision which accorded precedence to the representative of the Holy See, for he represented a wholly spiritual and not a temporal power" 122, oder wenn der Delegierte Honduras' darauf hinwies, "[t]he principle [of giving precedence to the Pope's representatives] was observed in all Latin American States and acknowledged the supremacy of the world's highest spiritual authority" 123 • Selbst die Ostblockstaaten gingen grundsätzlich davon aus, daß - wenn den Vertretern des Hl. StuhlseinVorrang gewährt würde- dies mit Rücksicht 119 Dieses günstige Ergebnis ist einerseits der Aktivität der vatikanischen Diplomatie und dem Wirken der Delegation des Hl. Stuhls auf der Konferenz, dann aber auch den Vermittlungsbemühungen ihres Präsidenten, des Österreichischen Völkerrechtlers und Mitglieds des ILC, Professor Alfred Verdroß, zu danken. Vgl. Plöchl, "Die Macht der Nuntien", Die Furche vom 18. Oktober 1969. 120 Deutscher Text zit. nach Berber. Dokumente I (1967), S. 869. 121 Dies gilt auch für andere Konventionen Jüngerer Zeit, an deren Erarbeitung der Hl. Stuhl teilgenommen hat; so et•va die Konsularkonvention 1963. Eine besondere Stellung nimmt hier die WVK 1969 ein, weil sie ausdrücklich nur auf Verträge zwischen Staaten anwendbar ist (Art. 1), während für Verträge, an denen andere Völkerrechtssubjekte beteiligt sind, das Völkergewohnheitsrecht weiter gilt (Art. 3). Sie find~::t daher mit lokrafttreten unmittelbar nur auf jene Verträge des Hl. Stuhls Anwendung, aie dieser als oberstes Organ des Staates der Vatikanstadt schließt; nicht dagegen auf Konkordate. 12z Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 18. 123 Vgl. ibid.
V. Diplomatische Beziehungen des Hl. Stuhls seit 1929
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auf die religiöse Position des Papstes wäre, nicht etwa wegen der Vatikanstadt; die von ihnen angeführten Argumente gegen einen solchen Vorrang beweisen dies hinreichend124. Trotzdem hat zumindest ein Staat, nämlich Jugoslawien, davon gesprochen, Art. 15 Zif. 3 des Entwurfes "granted a privilege to a certain state whose head was also the head of a religious community" 125. Und die Konvention als solche spricht ebenfalls, wenn sie die Vertragsparteien zusammen nennt, undifferenziert von Staaten, nicht etwa von Mächten, wie dies z. B. das jeweils erste Haager Abkommen von 1899 und 1907 getan hatte, um einen etwaigen späteren Beitritt des ID. Stuhls zu ermöglichen 128. Damit befindet sich der Hl. Stuhl aber hinsichtlich seiner Stellung als solcher nach der Diplomatenkonvention auf jenem Punkt, auf dem er sich hinsichtlich seines Vorranges vor derselben befunden hat: einer nicht eindeutigen Textierung gegenüber, die zwar nach Absicht der ILC und der weit überwiegenden Mehrheit der Teilnehmerstaaten der Konferenz korrigierend ausgelegt werden kann, aber auch ausgelegt werden muß; eine Position, die zu ändern, der ID. Stuhl hinsichtlich der Vorrangfrage auf der Konferenz äußerst bemüht war. Nun darf dieses Problem zweifellos nicht überbewertet werden; es ist unwahrschemlich, daß es jemals zu einem Konflikt Anlaß gibt, es sei denn, in einer allgemeinen internationalen Krisensituation, bei der eine Seite auch nicht vor der Beeinträchtigung der Stellung einer geistlichen und moralischen Macht, wie sie der ID. Stuhl darstellt, zurückschreckt- und in diesem Fall ist es zweifelhaft, ob eine bessere Textierung der WDK für das Papsttum wirklich einen erhöhten Schutz bieten würde: "im Frieden braucht man's nicht, im Kriege nützt es nichts" 127. Auch ist es nicht sicher, ob auf der Wr. Konferenz von 1961 das Problem überhaupt hätte erfolgreicher zur Sprache gebracht werden können. Es zeigt sich in diesem Zusammenhang jedoch neuerlich, was wir Echon weiter oben festgestellt haben: die internationale Stellung des ID. Stuhls hat sich durch das Arrangement von 1929 praktisch verbessert, theoretisch aber ist sie in ihrer Erscheinung unschärfer geworden. 2. Was die ad hoc-Gesandtschaften (special missions) anlangt, die wir hier kurz miterwähnen wollen, so wurde eine sie betreffende Konvention von der GV der VN am 8. Dezember 1969 beschlossen und für alle Mitglieder der VN, ihrer Spezialorganisationen, der IAEA und des Statuts des IG und alle anderen von der GV eingeladenen Staaten zur Unterzeichnung mit nachfolgender Ratifikation bzw. zum Beitritt aufgelegt1!8. Vgl. oben, Anm.107 -110 und 114. Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 18. 128 Vgl. dazu unten, Dritter Teil, Zehntes Kapitel, I. 127 Frei nach Schönburg-Hartensteins Stellungnahme zur Kirchenstaatsfrage von 1916; vgl. oben. 1 24
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3. Kap.: Der Hl. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
Unter einer "special mission" versteht die Konvention "a temporary mission, representing the State, which is sent by one State to another State with the consent of the latter for the purpose of dealing with it on specific questions or of performing in relation to it a specific task" 128 • Schon aus dieser Definition zeigt sich, daß die Konvention auf Staaten schlechthin abstellt und der besonderen Stellung des ID. Stuhls keine Rechnung trägt. In diesem Sinn wird der Leiter einer ad hoc-Gesandtschaft auch nur ganz allgemein "head of a special mission" genanntl 30 , Sonderbezeichnungen wie "Legat" und dergleichen, auf die namens des ID. Stuhls Msgr. Casaroli auf der Wr. diplomatischen Konferenz noch so großen Wert gelegt hatte 131 , kommen nicht mehr vor. Das bedeutet nicht, daß die Konvention nicht auch auf ad hoc-Gesandtschaften des HZ. Stuhls anwendbar wäre. Daß der Umstand, daß die Konvention allgemein nur von Staaten spricht, dies nicht ausschließt, haben wir schon oben bei der WDK gesehen; auch ergibt sich aus den travau:r preparatoires nicht, daß die Teilnahme des Hl. Stuhls ausgeschlossen sein sollte. Darüber hinaus enthält die Konvention in den Artikeln 16 und 21 Bestimmungen, die es gestatten, auch einem päpstlichen ad hocGesandten den Ehrenvorrang einzuräumen. Die Präzedenz bestimmt sich nämlich zwar grundsätzlich nach dem Alphabet, jedoch nur "in the absence of a special agreement" 132 , sodaß dem Gesandten des ID. Stuhls vertraglich der Vorrang eingeräumt werden kann, wie dies viele Staaten für die ständigen Vertreter des Hl. Stuhls schon getan haben133 • Überdies richtet sich bei formellen Anlässen der Vorrang von ad hoc- Gesandten nach dem im Empfangsstaat üblichen Protokoll, sodaß auch aus dieser Bestimmung die Möglichkeit eines Ehrenvortritts des Legaten in Analogie zum Nuntius abgeleitet werden kann134 • Und schließlich bestimmt Art. 21. Zif. 2, daß us Annex zur GV-Res. 2530 (XXIV). ut Art. 1, lit. a. Zit. nach 9 ILM (1970), S. 129 - 130. 1ao Art. 1, lit. d, ibid., S .130. 131 Vgl. UN Doc. A/CONF. 20/C. 1/SR. 17: "The International Law Commission bad dropped the term, used in the Regulation of Vienna, ... but the Holy See bad not expressly relinguished it and indeed the head of a special mission was often sent as a Iegate." 132 Art. 16, Zif. 1. 133 Die Bestimmung ist nicht völlig klar, weil damit eine Abmachung zwischen dem Empfangsstaat und nur einem der Sendestaaten, aber auch eine Abmachung zwischen allen beteiligten Staaten gemeint sein könnte. In diesem Zusammenhang könnte auf Art. 49, Zif. 1, verwiesen werden, nach welchem "[i]n the application of the provisions of the present Convention, no discrimination shall be made as between States". Daß dies jedoch auf die Frage des Vorranges päpstlicher Vertreter nicht anwendbar sein dürfte, ergibt sich aus Art. 16, Zif. 2, der protokollarische Sonderregelungen im Empfangsstaat ausdrücklich zuläßt. 134 Art. 16, Zif. 2: "Precedence among two or more special missions which meet on a ceremonial or formal occasion shall be governed by the protocol · in force in the receiving State."
V. Diplomatische Beziehungen des Hl. Stuhls seit 1929
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"[t]he Head of the Government, the Minister of Foreign Affairs and other persans of high rank, when taking part in a special mission of the sending
State, shall enjoy in the receiving State or in a third State, in addition to what is granted in the present Convention, the ... privileges ... accorded by international law"tu.
Da nun die päpstlichen Legaten häufig Kardinäle sind138, genießt der Chef einer ad hoc-Gesandtschaft des Hl. Stuhls, soweit er den Charakter eines Kardinals hat, die Vorrechte der Prinzen von Geblüt137 und damit den Vortritt vor allen Gesandten, denen diese Eigenschaft nicht zukommt. Damit scheint den Präzedenzansprüchen päpstlicher Vertreter in der Konvention ausreichend Genüge getan zu sein. D. Die heutige Organisation des Gesandtschaftswesens des Hl. Stuhls
Die Quellen des päpstlichen Legationsrechtes waren bis zum Codex verstreut; die einzelnen Ämter hatten - wie sie nach und nach sich heraus- und umgebildet hatten- ihre (Neu-)Regelung erfahren 138 • Erst der Codex Iuris Canonici von 1917 brachte hier eine Änderung, als er das päpstliche Legationsrecht im 2. Buch, Kapitel V ("De Legatis Romani Pontificis"), zusammenfaßte 139 • Die internationale Entwicklung des Diplom Hvhbg. vom Verf. ~as Vgl. CIC can. 266: "Dicitur Legatus a latere Cardinalis qui a Summo Pontiftce tanquam alter ego cum hoc titulo mittitur, et tantum potest, quantum ei a Summo Pontiftce demandatum est." Daneben gibt es noch die (einfachen) Kardinal-Legaten. Selbstverständlich kann der Hl. Stuhl aber auch sonstige Legaten entsenden; vgl. CIC can. 265: "Romano Pontifici ius est, a civili potestate independens, in quamlibet mundi partem Legatos cum vel sine ecclesiastica iurisdictione mittendi." Vgl. dazu unten. m Für Italien ist diese - auch sonst anerkannte - Regel ausdrücklich in Art. 21 des Lateranvertrages niedergelegt: "Tutti i cardinali godono ... degli onori dovuti ai principi del sangue ..." 13 8 An Literatur über das päpstliche Gesandtschaftswesen aus der Zeit vor dem Codex u. a. de Luise, De iure publico seu diplomatico Ecclesiae Catholicae (1877); Wibaux, La question du Vatican au point de vue du droit a Ia representation diplomatique (1879); Giobbio, Lezioni, 3 Bde. (1899 - 1901); Bettanini, "Il fondamento giuridico della diplomazia pontificia", 48 RISSDA (1908), S. 1113 bis 232; vgl. auch Plöchl, Geschichte III (2. Aufl. 1970), S. 182 ff. 139 Canones 265 - 270. An Literatur aus der Zeit nach 1917 findet sich u. a. Wynen, Die päpstliche Diplomatie. Geschichtlich und rechtlich dargestellt (1922); Bastgen, "Gesandtschaftsrecht, päpstliches", LTK IV (1933), Sp. 448- 450; Benson, Vatican Diplomatie Practice as Affected by the Lateran Agreements (1936); de la Briere, "La diplomatie vaticane et sa legende", 239 l!:tude (1939), S. 674- 694; Glasgow, Diplomacy and God (1941); Brezzi, La diplomazia pontificia (1942); Binchy, "The Vatican and International Diplomacy", 22 International Affairs (1946), S. 47- 56; Paro, The Right of Papal Legation (1947); Graham, "The Vatican in World Diplomacy: France", America (1951), S. 149 bis 150; ders., "The Papacy in the Diplomatie World", America (1952), S. 252 bis 254; Savino, Diplomazia ecclesiastica (1952); Hollos, "Die katholische Weltkirche und ihre Diplomatie", Verfassung und Verwaltung in Theorie und Wirklichkeit, Festschrift für W. Laforet (1952), S. 193 ff.; Lucien-Brun, "Les relations non-concordataires du Saint-Siege depuis 1945", 2 AFDI (1956), S. 367- 376;
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3. Kap.: Der Hl. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
matenwesens, die nicht ohne Rückwirkung auf jenes des ID. Stuhls blieb 140 , und der Wunsch der Konzilsväter des II. Vatikanums, daß unter Berücksichtigung des den Bischöfen eigenen Hirtenamtes das Amt der päpstlichen Legaten genauer abgegrenzt werde 141, führten dazu, daß das Gesandtschaftswesen des Hl. Stuhls von Papst Paul VI. im Motuproprio Sollicitudo omnium ecclesiarum vom 24. Juni 1969 teilweise neu geregelt wurde 142 • 1. Die Normen dieses Motuproprio beziehen sich auf die ständigen Vertreter des Hl. Stuhls bei den Ortskirchen und den Staaten143, teil-
weise auch auf die (ständigen und nichtständigen) Vertreter des ID. Stuhls bei internationalen Organisationen und Konferenzen144 • Für die ad hoc-Gesandtschaften im klassischen Sinn (die Legaten) gelten mangels einer Regelung im Motuproprio hingegen weiterhin die einschlägigen Normen des Codex. Grundlage des Gesandtschaftsrechts des ID. Stuhls im kanonischen Recht ist der Satz, daß es dem römischen Bischof als solchem zusteht, GeMikat, "Die päpstlichen Gesandten", 8 Außenpolitik (1957), S. 103 -112; Giannini, "Il diritto di legazione ed i rapporti diplomatici della Santa Sede", 70 DE (1959), S. 42- 64; Cardinale, Diplomatie (1962); Berg, "Den Heilige Stols
,udenrigs'-tjeneste" ("Der ,auswärtige' Dienst des Hl. Stuhles"), 35 Nordisk Tidsskrift for International Ret (1965), S. 22- 32; Zizola, "La diplomazia vaticana", Studium (1966), S. 153- 168; Barston, "The External Relations of Small States", Small States in International Relations (hrg. von Schou-Brundtland, 1971), bes. S. 45. 140 Vgl. über die Entstehung der Pro-Nuntien "neuen Typs" u. a. Plöchl, "Das neue päpstliche Gesandtschaftsrecht", 21 ÖAKR (1970), S.122 f. 141 Vgl. das Dekret Christus Dominus über die Hirtenaufgabe der Bischöfe, 58 AAS (1966), S. 673 - 696, n. 9. Diese Ziffer handelt grundsätzlich von der Kurienreform; der auf die päpstlichen Vertretungen bezügliche letzte Satz wurde erst in die Schlußredaktion eingefügt. Vgl. den Kommentar von Mörsdorf in LTK (2. Aufl.), Das Zweite Vatikanische Konzil II (1967), S. 161. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies seinen Grund in dem Umstand hatte, daß die Konzilsväter am päpstlichen Gesandtschaftswesen weniger auszusetzen hatten als an der Kurie als solcher, oder ob bloß Unklarheit darüber herrschte, ob und wie man es entscheidend verändern könne. Tatsächlich sollte es in der Folge auch zu keinen einschneidenden Änderungen kommen, was schon daraus zu erklären ist, daß das päpstliche Gesandtschaftswesen im Grenzbereich von kanonischem und Völkerrecht siedelt und daher einer einseitigen umwälzenden Änderung wenig zugänglich ist. 142 61 AAS (1969), S. 473- 489; lateinischer Originaltext und italienische übersetzung auch im Oss. Rom. vom 23./24. Juni 1969; italienischer Text auch im Sonderdruck der Tipografia Poliglotta Vaticana (1969). Vgl. Cavalli, "Il motu proprio ,Sollicitudo omnium ecclesiarum' sull'ufficio dei rappresentanti pontifici", 120 La Civilta Cattolica (1969), S. 34-43, und Plöchl, "Die Macht der Nuntien. Ein Gespenst geht um", Die Furche vom 18. Oktober 1969. 143 Vgl. Art. 1, Zif. 1: "Mit dem Namen von päpstlichen Vertretern werden [jene] bezeichnet, die vom römischen Papst den Auftrag erhalten, ihn auf ständige Weise in den verschiedenen Nationen oder Gebieten zu vertreten." Deutscher Text zit. nach der in 10 Römische Warte (1969), S. 191 - 192, gegebenen übersetzung.
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sandte überall dorthin zu entsenden, wo er es für nötig erachtet145 • Damit ist in Hinblick auf die Kirche {"nach innen") das päpstliche Gesandtschaftsrecht als Ausfluß des Primates reklamiert, "nach außen", d. h. gegenüber den Staaten, jede Abhängigkeit von der Staatsmacht - sei es im Ursprung, sei es in der Ausübung des Gesandtschaftswesens- zurückgewiesen148. Die unbeschränkte Freiheit des Hl. Stuhls besteht jedoch nur für das innerkirchliche Gesandtschaftswesen; im internationalen Bereich ist es in der Ausübung an die einschlägigen Normen des
Völkerrechts 141 gebunden.
Der Umstand, daß die päpstlichen Gesandten nicht nur im innerkirchlichen, sondern sehr oft auch im internationalen Bereich tätig sind, und daß sich in letzterem in den Jahrzehnten seit dem ersten Weltkrieg neben der traditionellen bilateralen Diplomatie eine - immer bedeutsamere - multilaterale Diplomatie entwickelt hat, bringt es mit sich, daß auch das päpstliche Gesandtschaftswesen mannigfaltiger geworden ist. Demgemäß lassen sich sechs Kategorien päpstlicher Vertreter bilden, je nach der Institution, zu der sie entsandt sind, und je nachdem, ob sie permanenten Charakter haben oder ad hoc tätig werden. Man kann daher systematisch unterscheiden: (a) ständige Vertreter des Hl. Stuhls bei den Ortskirchen, (b) ständige Vertreter des Hl. Stuhls bei den Staaten, (c) ständige Vertreter des Hl. Stuhls bei internationalen Organisa-
tionen,
Vgl. Art. II, Zif. 1: "Den Heiligen Stuhl vertreten auch jene Geistlichen und Laien, die als Leiter oder Mitglieder zu einer päpstlichen Mission bei internationalen Organisationen gehören oder an Konferenzen oder Kongressen teilnehmen." Daneben ist Art. XI auf diese päpstlichen Vertreter in analoger Weise anwendbar, als er allgemein zutreffende Richtlinien enthält. 145 Art. III, Zif. 1: "Dem Hl. Vater steht das angeborene und unabhängige Recht zu, seine Vertreter frei zu ernennen, zu entsenden, zu versetzen und abzuberufen ..." Daß hier der Ausdruck "Hl. Vater" verwendet wird, weist auf eine ziemlich oberflächliche Übersetzung des in Rede stehenden Dokuments hin; die Verwendung eines derartigen Epitheton alsverbumlegale ist aber unangebracht. Der Originaltext gibt "Romano pontifici"; schon die ital. Übersetzung ungenau "sommo pontefice". 148 Vgl. auch CIC can. 265: "Romano Pontifici ius est, a ctvilf potestate independens, in quamlibet mundi partem Legatos cum vel sine ecclesiastica iurisdictione mittendi." (Hvhbg. vom Verf.) 147 Vgl. Art. III, Zif. 1: " ... in Übereinstimmung mit den Normen des internationalen Rechts, insoweit es die Entsendung und Abberufung der diplomatischen Agenten betrifft." Tatsächlich ist jedoch die Einholung des Agr~ment auch für die päpstlichen diplomatischen Vertreter nur einer von vielen Punkten, in denen das Gesandtschaftswesen des Hl. Stuhls der völkerrechtlichen Normierung unterworfen ist. Daß hierauf besonders angespielt ist, erklärt sich aus dem Umstand, daß der Hl. Stuhl sich in früheren Jahrhunderten wegen des auch geistlichen Charakters seiner Gesandtschaften der Regel der Einholung des Agr~ments nicht beugen wollte. Vgl. Cardinale, Diplomatie (1962), S. 106, der in diesem Zusammenhang von einer "prudente hesitation du Saint-Siege a s'adapter aun tel usage" spricht. 144
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3. Kap.: Der ffi. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
(d) nicht-ständige Vertreter des Hl. Stuhls bei den Ortskirchen, (e) nicht-ständige Vertreter des Hl. Stuhls bei den Staaten, und (f) nicht-ständige Vertreter des Hl. Stuhls bei internationalen Tagungen und Konferenzent4s. Die Kategorien (a)- (c) und (f) spielen in der Praxis des päpstlichen GesandtEchaftswesens die Hauptrolle. Dies ist wohl auch der Grund dafür, daß sie im Motuproprio von 1969 Behandlung gefunden haben, während man eine Neuregelung für die Kategorien (d) und (e) offenbar entbehrlich hielt14'. Wir befassen uns in diesem Zusammenhang grundsätzlirh nur mit den für die bilaterale Diplomatie des Hl. Stuhls bedeutsamen Kategorien päpstlicher Vertreter; jene der multilateralen Diplomatie werden in anderem Zusammenhang behandelt1 50• Päpstliche Gesandtschaften, die überhaupt keinen Bezug zur internationalen Stellung des Hl. Stuhls haben, werden übergangen. 2. Zur Kategorie (b), ständige Vertreter des Hl. Stuhls bei den Staaten, gehören die Nuntien, Pro-Nuntien, Internuntien sowie die ständigen Geschäftsträger 1s1 • Daneben gibt es noch die Regenten und die Geschäftsträger ad interim, die eine diplomatische Vertretung des Hl. Stuhls auf Zeit versehen152 • Schließlich hat sich der Hl. Stuhl das Recht vorbehalten, seinen ständigen diplomatischen Vertretern nach Bedarf auch andere Bezeichnungen beizulegent53,
Nuntius ist ein diplomatischer Vertreter des Hl. Stuhls der ersten Rangklasse154. Nuntien werden nur bei solchen Staaten akkreditiert, die us Da diese intE•rnationalen Tagungen und Konferenzen heute zumeist im Rahmen oder in Verbindung mit einer internationalen Organisation abgehalten werden, entspricht (f) in gewisser Weise und mutatis mutandis (c). 141 Vgl. Motuproprio Art. I und II. 1so Vgl. unten, Dritter Teil. m Art. I, Zif. 2 und 3. m Art. II, Zif. 2, und Cardinale, Diplomatie (1962), S. 99. 1113 Vgl. Art. I, Zif. 3: "Der päpstliche Vertreter im eigentlichen Sinn verstanden kann auf Grund besonderer Umstände des Ortes und der Zeit mit anderen Namen bezeichnet werden, wie z. B. ,Apostolischer Delegat und Gesandter des Hl. Stuhls bei einer Regierung'." Tatsächlich trug nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und Jugoslawien 1966 der Vertreter des ersteren diesen Titel, bis 1970 eine Nuntiatur errichtet wurde. Die ausdrückliche Nennung dieses Titels im Motuproprio erklärt sich aus dem Umstand, daß dieses aus 1969 stammt, einer Zeit also, wo der genannte Titel noch in Gebrauch war. 154 Vgl. WDK Art. 14, Zif. 1, lit. a. Literatur hiezu Dietze, Die päpstlichen Nuntien (1944); Naseimento e Silva, "As enviaturas pontificias e o direito inter;.. nacional", 4 Boletim da Sociedade Brasilefra de Direito Internadonai (1948), S. 24- 37; Me;an, "La röle des Nonces Apostoliques", 7 La Revue Administrative (1954), S. 14 - 33; March, La potestad de los legados pontificios (1964) ; schließlich Cardinale, Diplomatie (1962), S. 92 - 95.
V. Diplomatische Beziehungen des Hl. Stuhls seit 1929
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dem päpstlichen Vertreter den Ehrenvorrang einräumen1&5 • Der Nuntius ist daher stets Dekan (Doyen) des diplomatischen Korps im Empfangsstaat150. Früher galten die Nuntiaturen in Wien, Paris, Madrid und Lissabon als "erstklassig"; dies bedeutete, daß die dort akkreditierten Nuntien nach Beendigung ihrer Mission zu Kardinälen kreiert wurden157. Nach dem ersten Weltkrieg kamen die Nuntiaturen in den wichtigsten Hauptstädten hinzu 158. Heute ist jedoch mit keiner Nuntiatur mehr die Anwartschaft auf den Kardinalat verbunden15&.
Pro-Nuntius ist ebenfalls ein Vertreter des ID. Stuhls der ersten Rangklasse180. Früher verstand man darunter den Nuntius einer Nuntiatur erster Klasse, dessen Erhebung zum Purpur vom Papst im Geheimen Konsistorium bekannt gemacht worden war; er blieb bis zur Zeremonie des Aufsetzens des roten Hutes durch den katholischen Souverän, bei dem er beglaubigt war 161, als "Pro-Nuntius" im Amt102. Heute - nach Fortfall der Nuntiaturen erster Klasse und Abschaffung der genannten Zeremonie - hat der Titel eines Pro-Nuntius eine andere Bedeutung. Er ist die Bezeichnung für einen päpstlichen Vertreter der ersten Rangklasse in einem Land, das ihm den Ehrenvorrang vor den Botschaftern 11 5 Gern. WDK Art. 16, Zif. 3. Es steht im Belieben des Empfangsstaates, ob er dem Vertreter des Hl. Stuhls diesen Vortritt einräumt oder nicht. 15' Rechte und Pflichten des Dekanats, das mit dem Vortritt unmittelbar verbunden ist, sind gewohnheitsrechtlicher Natur. Der Doyen des diplomatischen Korps ist funktionell das Bindeglied zwischen dem diplomatischen Korps und dem Empfangsstaat für alle.Angelegenheiten, die die Mitglieder des ersteren gemeinsam betreffen. In dieser Funktion wird er vom Vize-Dekan - dem rangältesten Botschafter, wo der Nuntius Doyen ist- unterstützt. Vgl. Cardinale, Diplomatie (1962), S. 116 - 118. 157 Vgl. ibid., S. 94. 158 Vgl. ibid. 159 überhaupt ist zu beachten, daß im päpstlichen diplomatischen Dienst größte Flexibilität herrscht; daher kann es durchaus vorkommen, daß ein Nuntius von einem "wichtigen" auf einen "weniger wichtigen" Posten, selbst auf eine Internuntiatur oder eine Apostolische Delegatur, versetzt wird. "Ces transferts sont determines uniquement par les necessites particulieres de l':t::glise et ne signifient point une diminution de dignite ou d'estime." Cardinale, ibid., s. 95. 180 Vgl. Art. I, Zif. 2, des Motuproprio von 1969. 181 Vgl. Cardinale, Diplomatie (1962), S. 94- 95. Papst Pius IV. hatte im Jahre 1564 allen katholischen Monarchen das Recht verliehen, als Delegierte des Hl. Stuhls den bei ihnen akkreditierten Nuntien das rote Birett zu überreichen. Nach dem ersten Weltkrieg hatten nur noch die Staatsoberhäupter Frankreichs, Spaniens, Portugals und Italiens dieses Recht bewahrt. In Spanien hatte darüber hinaus das Staatsoberhaupt dieses Recht für alle spanischen Kardinäle. Nach dem Zweiten Vatikanum setzte sich die Auffassung durch, daß ein solches Privileg sich schlecht mit dem ausschließlich geistlichen Charakter des Kardinalats vertrüge. Daher trat Papst Paul VI. 1969 an die genannten Staaten mit dem Ersuchen heran, darauf zu verzichten. Diesem Ersuchen wurde, wie der Vatikan bekanntgab, "courtoisement rapide et remarquablement unanime" Folge gegeben. (Nach Le Monde vom 17. April1969.) Vgl. Rousseau, "Chronique des faits internationaux", 74 RGDIP (1970), S. 185-186. m Vgl. Cardinale, Diplomatie (1962), S. 94.
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3. Kap.: Der m. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
der Staaten nicht gewährt, sondern ihn nach seiner Anciennität einstuft163. Bis zur Mitte der sechziger Jahre hatte der Hl. Stuhl in solchen Fällen lediglich Internuntien, also Vertreter der zweiten Rangklasse 164, entsandt. Dies war jedoch mit Nachteilen verbunden gewesen. In einer Zeit, in der Vertreter der zweiten Rangklasse mehr und mehr außer Gebrauch kamen165, bedeutete es, daß der Vertreter des Hl. Stuhls protokollarisch ganz hinten, nach den Botschaftern und - nachdem fast nurmehr Botschafter entsandt wurden- damit hinter den Vertretern fast aller Staaten rangierte. Lästiger war noch, daß dasselbe Schicksal auch den Vertreter des betreffenden Empfangsstaates beim ID. Stuhl traf, soweit jener nicht auf reziproke Vertretung verzichten und seinerseits, obwohl bei ihm nur ein Internutius akkreditiert wurde, einen Botschafter entsenden wollte. Dies lief auf eine Diskriminierung jener Staaten von Seiten des Hl. Stuhls hinaus, die den Ehrenvorrang des päpstlichen Vertreters nicht gewährten. War die mit einer solchen Diskriminierung verbundene indirekte Pression u. U. noch zu rechtfertigen, solange es sich um europäisch-amerikanischeund damit um Staaten des christlich-abendländischen Rechtsund Kulturkreises handelte, so war sie bei den überwiegend nicht-christliehen Staaten Afrikas und Asiens nicht angebracht und mußte schließlich zu Schwierigkeiten bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen führen 166. Daher begann man 1965, in Fällen, wo der Vorrang nicht gewährt wurde, an Stelle von Internuntien Pro-Nuntien zu entsenden 167 , was einerseits die grundsätzliche Wahrung des Anspruches des ID. Stuhls auf Ehrenvortritt der Nuntien, andererseits aber auch die Ernennung eines Botschafters durch den betreffenden Staat ermöglichte, ohne daß das diplomatische equilibre gestört gewesen wäre. Der Pro-Nuntius hat heute den Internuntius so gut wie völlig verdrängt168. Es ergibt sich aus us Vgl. Art. I, Zif. 2, des Motuproprio von 1969: "... den Rang von Botschaftern ... ohne .. Doyen-Recht ..." tu Vgl. WDK Art. 14, Zif. 1, lit. b. 185 Weshalb man schon auf der Wr. diplomatischen Konferenz von 1961 über ihre Abschaffung diskutierte. Vgl. oben, C. 188 Da das Recht, Botschafter zu entsenden und zu empfangen, früher gewohnheitrmäßig nur Großmächten zustand (vgl. Nüsslein, "Gesandtschaftsrecht", WV I [2. Aufl. 1960], S. 668), haben nach dem zweiten Weltkrieg aus Prestigegründen auch kleine und junge Staaten begonnen, Botschafter auszutauschen. Unter diesen Umständen mußte es dem Hl. Stuhl immer schwerer fallen, gerade in der Dritten Welt Staaten zur Hinnahme von diplomatischen Vertretern der zweiten Rangklasse zu bewegen. 187 Die ersten Pro-Nuntien "neuer Art" wurden 1965 für Kenya, Zambia, Indonesien und Pakistan ernannt. Vgl. ~ousseau, "Chronique des faits internationaux", 70 RGDIP (1966), S. 784- 785. Vgl. auch Gallina, "Les ,Pro-nonces Apostoliques"', Oss. Rom. vom 5. November 1965 (franz. Ausgabe); Plöchl, "Das neue päpstliche Gesandtschaftsrecht", 21 ÖAKR (1970), S. 115 ff., auf S.122 -123. 188 Vgl. unten, Anm.170.
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der Natur der Sache, daß der Pro-Nuntius nur dann die Dekanschaft des diplomatischen Korps innehat, wenn er der Tangälteste Vertreter der ersten Rangklasse im Empfangsstaat ist.
Internuntius ist ein päpstlicher Vertreter der zweiten Rangklasse189• Früher von großer Bedeutung, sind sie heute so gut wie ganz in Wegfall gekommen170 • Damit hat auch die Frage an Wichtigkeit eingebüßt, inwieweit auch dem Internuntius das Ehrenrecht des Vortritts in jenen Staaten, wo es überhaupt eingeräumt wird, zusteht. Ursprünglich unabhängig von der Rangklasse in Anspruch genommen171 und später doch innerhalb der zweiten Rangklasse reklamiert172 , hatte es sich ohnehin nicht durchsetzen können und war daher zuletzt praktisch aufgegeben worden173 • Nuntien, Pro-Nuntien und Internuntien sind beim Staatsoberhaupt beglaubigtm. Ständige Geschäftsträger sind päpstliche Vertreter der dritten Rangklasse. Sie wurden früher dann entsandt, wenn eine Beglaubigung von Nuntien oder Internuntien nicht angemessen erschien176 • Sie waren beim Außenminister akkreditiert. Daß sie heute als solche keine Bedeutung mehr haben, zeigt sich u. a. darin, daß sie das Motuproprio von 1969 den Regenten angleicht176, obwohl sie mit diesen ursprünglich nichts zu tun hatten. 1ee Vgl. WDK Art. 14, Zif. 1, lit. b, und Motuproprio 1969, Art. I, Zif. 2: ". . . Internuntius . . . nur den Rang von außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministern ..." 110 Gern. Annuario Pontificio von 1974 unterhält der Hl. Stuhl derzeit keintInternuntiatur mehr. 171 Cardinale, Diplomatie (1962), S. 115, weist darauf hin, daß der Vorrang auch der päpstlichen Vertreter der zweiten Rangklasse zwischen 1815 und 1848 anerkannt gewesen sei, wie die Beispiele der lnternuntien Capaccini in den Niederlanden (1829 - 1831), Gizzi (1835 - 1837) und Fornari (1838 - 1841) in Belgien, sowie Garibaldi in Frankreich (1836 - 1843) beweisen. 17 2 Der Österreichische Internuntius in Konstantinopel zwischen 1678 und 1856 nahm seinen Platz unmittelbar nach den Botschaftern und damit vor allen Gesandten ein. Ein entsprechendes Vorrecht hätte auch der Apostolische Internuntius für sich in Anspruch nehmen können, nachdem ihm der absolute Vorrang durch den britischen Gesandten in den Niederlanden, Connvell, mit Unterstützung Lord Palmerstones zum erstenmal 1849 mit der Begründung, die Salvationsklausel des Wr. Reglements beziehe sich nicht auf Internuntien, erfolgreich streitig gemacht worden war. ("A cause de circonstances locales particulieres, le Saint-Siege n'a crut pas a propos de trop insister pour le respect de cette prerogative en faveur de son internonce." Cardinate, ibid.) m Vgl. ibid., S. 116. m Vgl. WDK Art. 14, Zif. 1, lit. a und b. 175 Vgl. Cardinale, Diplomatie (1962), S. 98. Der letzte derartige päpstliche Vertreter residierte in Liberia; er wurde 1951 zum Rang eines Internuntius erhoben. (Ibid.) 178 Vgl. Art. I, Zif. 3, des Moturpropio von 1969: "Es gibt außerdem den Fall einer päpstlichen Vertretung, die in ständiger Weise, aber stellvertretend und ergänzend einem ,Regenten' oder einem ,Geschäftsträger mit Beglaubigungsschreiben' anvertraut ist." Ursprünglich war der incariacato liaffari con lettere
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3. Kap.: Der m. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
Regent ist ein Verweser einer päpstlichen Vertretung (Nuntiatur oder Internuntiatur) für längere Zeit. Er wird ernannt, wenn sich der Titular nicht an seinem Amtssitz befindet und mit seiner Rückkehr bzw. mit der Ernennung eines neuen in absehbarer Frist nicht zu rechnen ist. Die Bestellung eines Regenten zeigt daher an, daß in den Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und dem Empfangsstaat Schwierigkeiten bestehen177• Da der Hl. Stuhl diplomatische Beziehungen aus pastoralen Gründen von sich aus im allgemeinen nicht abbricht, ist die Bestellung eines Regenten ein Weg, zum Ausdruck zu bringen, daß unter den gegebenen Umständen die Weiterführung der ordentlichen diplomatischen Beziehungen als nicht möglich erscheint17s. Geschäftsträger ad interim ist jenes Mitglied einer diplomatischen Vertretung des Hl. Stuhls, das bei vorübergehender Abwesenheit des Missionschefs (Dienstreise, Urlaub, etc.) einstweilen die Geschäfte führt 170 • Die Bestellung eines Geschäftsträgers a. i. bedeutet selbstverständlich keine wie immer geartete Mißhelligkeit zwischen dem Hl. Stuhl und dem Empfangsstaat. 3. Im Gegensatz zu den bisher behandelten päpstlichen Vertretern, jenen der Kategorie (b), haben die Vertreter der Kategorie (a), die Apostolischen Delegaten, keinen diplomatischen Status, da sie nicht (auch) zu einem Staat, sondern (nur) zu einer oder mehreren Ortskirchen entsandt sind180• Trotzdem sind sie in diesem Zusammenhang nicht unerheblich, weil auch die Apostolischen Delegaten vielfach eine quasi-diplomatische Stellung genießen, und zwar auf Grund der Beziehungen offiziöser Natur, die sie mit dem Empfangsstaat unterhalten181 • Diese Stellung kann ver(charge l!affaires ,avec lettres') ein eigenständiger, kein stellvertretender päpstlicher Vertreter. Im übrigen sind auch die in WDK Art. 14, Zü. 1, lit. c, genann-
ten Geschäftsträger eine eigenständige Gesandtenkategorie. 177 Manchmal wird in solchen Fällen allerdings auch ein Ständiger Geschäftsträger "neuen Stils" (vgl. die vorstehende Anmerkung) ernannt, wie das Beispiel Kubas zeigt, wo das Annuario Pontüico 1971 Msgr. Zacchi, einen Titularbischof (nicht -erzbischof, wie bei den Nuntiaturen, etc.), als incaricato l!affari ausweist. 178 So war Msgr. Hurley Regent der Apostolischen Nuntiatur in Belgrad von 1945 -1950.
Vgl. Motuproprio 1969, Art. II, Zif. 2. Vgl. ibid., Art. I, Zü. 2: "Wenn ihre Legation einzig für die Ortskirchen erfolgt, erhalten sie den Namen von Apostolischen Delegaten; ..." Über ihre Enstehung vgl. oben, I. Endgültig getrennt von den diplomatischen Vertretern des Hl. Stuhls wurden sie durch Benedikt XV. 8. Mai 1916, 8 AAS (1916), S. 213. Damit war die bis dahin übliche - wenngleich nur in Lateinamerika gebräuchliche - Kombination "Apostolischer Delegat und dO. Gesandter" abgeschafft. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß sie in Art. I, Zif. 3, des Motuproprio von 1969 eine Art Auferstehung gefeiert hat. Vgl. oben, Anm.l53. 181 Solche Beziehuneen werden ihnen vom Motuproprio 1969 zur Pflicht gemacht: "Dem päpstlichen Vertreter obliegt ... die Pflicht, ... bei den zivilen 179 180
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schiedene Ursachen haben, sei es, daß die Delegatur überhaupt nur als Vorstufe zu einer diplomatischen Vertretung gedacht ist und der Apostolische Delegat die bezüglichen Vorbereitungen in Zusammenwirken mit den staatlichen Behörden zu treffen hat182 , sei es, daß irgendwelche Gründe zwar die Eröffnung einer offiziellen diplomatischen Vertretung des Hl. Stuhls derzeit unmöglich machen183, sowohl dieser als auch die Regierung des betreffenden Staates jedoch gerne die Gelegenheit ergreifen, auf dem offiziösen Weg einer Delegatur Beziehungen zu unterhalten. Daß der Hl. Stuhl grundsätzlich keine Unterschiede zwischen Mitgliedern seiner diplomatischen Missionen und Mitgliedern Apostolischer Delegaturen macht, zeigt sich u. a. darin, daß eine wechselweise Versetzung des Personals in eine Vertretung der anderen Kategorie nicht unüblich und durchaus nicht mit einer Rang- oder Ansehensminderung verbunden ist184 • Diese Flexibilität ist dadurch erleichtert, daß ja auch die diplomatischen Vertreter des Hl. Stuhls diesen bei den Ortskirchen, also in Doppelfunktion, repräsentieren185 • Schließlich hängen sowohl die Nuntien etc. als auch die Apostolischen Delegaten von den gleichen Behörden, dem Staatssekretariat und dem Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche186, ab. Behörden des Gebiets, in dem er sein Amt ausübt, die Sendung der Kirche und des Heiligen Stuhls zu schützen und wahrzunehmen. Diese Aufgabe teilen auch jene päpstlichen Ve1 treter, die ohne diplomatischen Charakter sind; diese werden deshalb Sorge tragen, freundschaftliche Beziehungen mit diesen zivilen Autoritäten zu unterhalten." Art. IV, Zü. 3. (Hvhbg. vom Verf.) Zu den Apostolischen Delegaten vgl. auch allgemein Staffa, Le Delegazioni Apostobehe (1958). 182 Dies war u. a. der Fall in Japan (umgewandelt in eine diplomatische Vertretung 1952), China (1946), im Libanon (1947), in Ägypten (1947), im Iran (1953), in Indonesien (1950), Indien (1948), Syrien (1953), den Philippinen (1951), der Türkei (1960), in Senegal (1961). 183 So gewährte Senegal schon vor Errichtung einer vatikanischen diplomatischen Mission dem Apostolischen Delegaten eine .,preseance speciale ,hors rang'" vor den in diesem Land akkreditierten diplomatischen Vertretern. Vgl. Cardinale, Diplomatie (1962), S. 101, Anm. 2. Eine offiziöse Stellung genießen auch die Apostolischen Delegaten in Washington und London.- lm übrigen war im 20. Jhd. sogar einmal ein päpstlicher diplomatischer Vertreter beim Hof von St. James akkreditiert, und zwar ab 1929 Erzbischof Robinson, Apostolischer Nuntius in Dublin, bei König Georg V. in desse Eigenschaft als Staatsoberhaupt des Irish Free State. Vgl. Smith, Great Britain and the Law of Nations I (1932), S. 288. Vgl. auch de Marchi, Le nunziature apostoliche da11800 al1956 (1957), s. 155. 184 Vgl. oben, Anm.159. 185 Vgl. Motuprorio 1969, Art. I, Zü. 2: .,[Die päpstlichen Vertreter] üben die päpstliche Sendung oder Legation entweder nur bei den Ortskirchen oder, damit verbunden, zugleich bei Ortskirchen und den Staaten sowie den jeweiligen Regierungen aus ... [W]enn zu dieser Sendung, dieser von Natur aus religiösen und kirchlichen Sendung, auch die diplomatische Sendung bei den Staaten und den Regierungen dazukommt, erhalten sie den Titel eines Nuntius [etc.]." 1111 Vgl. ibid., Art. IV, Zif. 5: .,Die vielfältige Mission des päpstlichen Vertreters wird unter Leitung und nach den Weisungen des Kardinalstaatssekretärs
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4. Zu den Aufgaben aller Vertreter des HZ. Stuhls- ob mit oder ohne diplomatischen Charakter - gehört es, ,.sich mit Eifer [zu] interessieren für die Probleme des Friedens, des Fortschritts und der Zusammenarbeit der Völker hinsichtlich des geistigen, sittlichen und materiellen Wohls der gesamten Menschheitsfamilie" 187 • Die Aufgaben der päpstlichen Vertreter bei den Staaten sind noch besonders in Art. X des Motuproprio von 1969 aufgeführt. Was dort wie eine Aufzählung verschiedener Pflichten aussieht, ist in Wahrheit eine Darstellung von Sinn, Zweck und Mittel der päpstlichen Diplomatie, wobei die Mittel allerdings nur demonstrativ, nicht taxativ angeführt sind.
Sinn der päpstlichen Diplomatie ist die Pflege und Förderung der Beziehungen zum Empfangsstaat188 • Zweck der päpstlichen Diplomatie ist die Regelung von Fragen des Verhältnisses von Kirche und Staat188 • Mittel zu einer solchen Regelung ist insbesondere der Abschluß von Verträgen (Konkordat, Modus vivendi, etc.)1 90 • Das zeigt, daß auch die diplomatischen Vertreter in ihrem Verhältnis zu den Staaten letztlich stets einer religiösen Aufgabe dienen. Dieser gehen sie entweder unmittelbar nach, indem sie für die Lage der Kirche im Empfangsstaat Sorge tragen, oder sie verfolgen sie mittelbar, indem sie an der Herstellung von Verhältnissen in der Welt mitarbeiten, die das Wohl des Menschen fördern und ihn für die Annahme des Evangeliums aufgeschlossener machen. In diesem Sinn gilt für das Gesandtschaftswesen191 des Hl. Stuhls, was Papst Paul VI. 1951, als er noch Substitut im Staatssekretariat war, aus Anlaß der 250-Jahr-Feier der Bildungsstätte der päpstlichen Diplomaten, der Pontificia Academia Ecclesiastica, als Motto seiner Festansprache genommen hat: "La diplomatie pontificale- representation du Christ102." 5. Neben den bisher behandelten ständigen päpstlichen Vertretern können auch ad hoc-Gesandtschaften des Hl. Stuhls zu (kirchlichen und) staatlichen Anlässen entsandt werden. Für sie gilt nach wie vor die Regelung des Codex193, die allerdings nur allgemein gehalten ist, ausgenommen die Bestimmungen für die vornehmste Legation194 • Aus der Praxis des Hl. Stuhls ergibt sich jedoch folgendes: und Präfekten des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche entfaltet und durchgeführt, gegenüber dem er unmittelbar verantwortlich ist in der Ausführung des ihm vom römischen Papst anvertrauten Auftrags." 187 SoZlicitudo omnium ecclesiarum, Art. IV, Zif. 2. 188 Ibid., Art. X, Zif. 1, lit. a. 1 8 9 Ibid., Art. X, Zif. 1, lit. b. 190 lbid., Art. X, Zif. 1,lit. c. 191 Dessen aktiver Seite dieser Teil der Untersuchung allein gewidmet war. 192 Französischer Text abgedruckt bei Cardinale, Diplomatie (1962), S. 183 bis 197. Vgl. auch Peterfi, "The Meaning of Papal Diplomacy. Pope Paul VI anc1 His Universal Concept of Peace", Oss. Rom. vom 27. April1972 (Englische Ausgabe). 1V3 CIC Kap. V, cans. 265 fl.
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Päpstliche Sondergesandte tragen den traditionellen Titel Legat. Je nach dem Träger der Legation wird aber zwischen kardinalizischen und nicht-kardinalizischen Gesandten unterschieden. Kardinalizischer Gesandter des höchsten Ranges ist der legatus a latere. Er ist für gewöhnlich 195 aus der nächsten Umgebung des Papstes genommen und vertritt denselben als dessen alter ego 100 • Daher kommen ihm die Ehrenrechte eines Souveräns zu, und zwar sowohl im Empfangsstaat als auch in den Transitstaaten, soweit diese davon rechtzeitig und offiziell informiert werden107 • Die potestas des legatus a latere bestimmt sich jedoch ausschließlich nach den ihm vom Hl. Stuhl gegebenen Vollmachten108. Der einfache Kardinal-Legat - der Rang, der für gewöhnlich Kardinälen verliehen wird, die nicht der Kurie angehören, den Hl. Stuhl aber bei besonderen Anlässen vertreten - genießt die Privilegien und Immunitäten, die einem Prinzen von Geblüt zukommen190 • Nicht kardinalizischen ad hoc-Gesandten des Hl. Stuhls zu besonderen Anlässen kann der Titel eines päpstlichen Legaten verliehen werden200• Sie genießen wie die kardinalizischen Gesandten alle jene völkerrechtlichen Vorrechte, die in der Konvention über die special missions von 1969 niedergelegt sind; den Vortritt vor den Botschaftern der Staaten in Durchbrechung der alphabetischen Reihenfolge jedoch nur dann, wenn dies mit dem Empfangsstaat (irgendwie) vereinbart ist oder dessen Protokoll entspricht. 6. Konsulate. Obzwar die Institution des Konsuls von jener des diplomatischen Vertreters wohl zu unterscheiden ist, erscheint dennoch eine kurze Betrachtung des Hl. Stuhls als Subjekt auch des völkerrechtlichen Konsularrechts an dieser Stelle angebracht. Der Doppelfunktion des Hl. Stuhls entsprechend gab es in der Zeit vor dem Ende des Kirchenstaates 1870 selbstverständlich auch Konsuln, die in anderen Staaten in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben CIC can. 266. So Cardinale, Diplomatie (1962), S. 103. Der Codex weiß nichts davon. m CIC can. 266: "Dicitur Legatus a latere Cardinalis qui a Summo Pontifice tanquam alter ego cum hoc titulo mittitur •.." 19 7 Nach Cardinale, Diplomatie (1962), S. 103. Vgl. auch Art. 42 der Convention on Special Missions von 1970, dessen Zif. 1 den Mitgliedern von ad hoc-Missionen und ihren Angehörigen die notwendigen Privilegien und Immunitäten im Durchreiseland gewährt. Zu diesem auch die ständigen diplomatischen Vertreter berührenden Problem vgl. Zemanek, "Der durchreisende Gesandte", 4 ÖZöR (1952), s. 530 - 541. m Vgl. CIC can. 266: " ... et tantum potest, quantum ei a Sum.mo Pontifice demandantum est." 199 Vgl. Cardinale, Diplomatie (1962), S.104; vgl. auch oben, C. 20° Vgl. Cardinale, ibid., S .104. 194
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3. Kap.: :Der In. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
für den Kirchenstaat tätig waren. Während die Funktion der meisten von ihnen bald nach 1870 ein Ende nahm, weigerten sich einzelne Staaten- so die Vereinigten Staaten201 -,dem Wunsche Italiens nach unmittelbarer Schließung der Konsulate Folge zu leisten und ließen dieselben vielmehr bis zum Tod oder sonstigen Amtsendigungsgründen ihrer Titulare weiterbestehen202 • Trotzdem kann gesagt werden, daß das alte Konsularwesen des Hl. Stuhles im allgemeinen mit dem Ende des Kirchenstaates sein Ende fand. Während der ID. Stuhl es bisher unterlassen hat, für den Staat der Vatikanstadt Konsulate einzurichten, schien sich zu Beginn der sechziger Jahre auf diesem Gebiet eine neue Entwicklung anzubahnen. Nach der Konsularkonferenz von 1963 in Wien 203 , an der auch der Hl. Stuhl teilnahm20', und dem Abschluß der WKK 1963205 war verschiedentlich davon die Rede, der ID. Stuhl könnte erwägen, in einzelnen Staaten Konsulate einzurichten, zumindest in jenen, mit denen er keine diplomatischen Beziehungen unterhalten kann206 • Anlaß für derartige Spekulationen waren die Ausführungen des vatikanischen Delegationsleiters, Msgr. Casaroli, in der letzten Sitzung der Konferenz207 , wo er auf die mögliche Bedeutung konsularischer Beziehungen für den ID. Stuhl in der Zukunft hingewiesen hatte, wobei er an die besondere Stellung anknüpfte, die seine nicht-diplomatischen Vertreter, die Apostolischen Delegaten, in verschiedenen Staaten einnähmen, wo ihnen quasikonsularische Funktionen zukämen208 : 2ot Vgl. Stock (Hrg.), Consular Relations between the United States and the Papal States. Instructions and Dispatches (1945), S. 431-437. Vgl. auch Ago, La Prassi italiana di diritto internazionale, Prima Serie (1861 - 1887), I (1970), s. 320 ff. 2°2 Vgl. Graham, Diplomatie Corps (1952), S. 69 f., und S. 80, Anm. 1. 203 United Nations Conference on Consular Relations, Vienna, 4 March- 22 April 1963. Vgl. dazu insbesondere Miele, "La Convenzione di Vienna sulle relazioni consulari", 46 RivDI (1963), S. 391- 396; Torres Bernardez, "La Conference des Nations Unies sur les relations consulaires, Vienne, 4 mars- 22 avril 1963. La Convention de Vienne sur les relations consulaires", 9 AFDI (1963), S. 78- 118; Verosta, "Zur Kodifikation des Rechtes der konsularischen Beziehungen auf der Staatenkonferenz in Wien 1963", 12/3 Die Vereinten Nationen und Osterreich (1963), S. 4 ff.; ders., "Die Wiener Konvention über konsularische Beziehungen", 12/5 Die Vereinten Nationen und Osterreich (1963), S. 1 ff. 204 Die Delegation setzte sich aus Msgr. Casaroli, Untersekretär der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, als Leiter, sowie Msgr. Prigione und Professor Zemanek von der Universität Wien zusammen. Vgl. List of Delegations, UN Doc. A/CONF. 25/16, S. XIX. zos Wiener übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963, Eng!. Urtext 57 AJIL (1963), S. 995 ff.; deutscher Text in Berber, Dokumente I (1967), S. 884 ff. 201 Vgl. Riemeck, Moskau und der Vatikan II (1965), S.164. 20 7 Twenty-Second Plenary Meeting am 22. April1963, nachmittags. 208 "Receiving States already recognized the competence of the Apostolle delegates of the Holy See to perform protective functions similar to those of
V. Diplomatische :Beziehungen des Hl. Stuhls seit 1929
307
"The Holy See had gladly agreed to take part in the work of the Conference as an indication of the importance it attached to the establishment of friedly relations between the peoples and the nations of the world. But the Holy See had a more direct interest in the question of consular relations: it had institut-
ions and Catholic communities in all countTies of the world and therefore could not keep aloof from one of the most important consular functions - to protect the interests of the sending State and its nationals in the receiving State. It was true that the Holy See was in a special position; but it wastobe noted
that the development of the consular institution and its part in the growing importance of cultural and friendly relations in a way brought the range of consular activity closer to the activities of the Holy See201."
Obwohl man sich aber auch an der Kurie selbst mit dem Gedanken getragen haben dürfte, im Gefolge der Konvention in bestimmten Staaten Konsulate zu errichten210 - immerhin könnte, die Zustimmung des Empfangsstaates vorausgesetzt, ein solches Konsulat oder eine mit konsularischen Agenden betraute sonstige Institution (z. B. eine Apostolische Delegatur), nach Art. 17 WKK auch dipLomatische Funktionen übernehmen211 -, ist es doch bisher nicht zu einer solchen Einrichtung päpstlicher Konsulate (in der einen oder anderen Form) gekommen. Grund hiefür ist wohl, daß man einerseits mit den Apostolischen Delegaturen traditionellen Stils sein Auslangen gefunden hat, andererseits aber auch für die Herstellung konsularischer Beziehungen Willenseinigung der beteiligten Mächte und damit eine gewisse gemeinsame Interessenbasis gegeben sein muß 212 , die offensichtlich im Verhältnis zu jenen Staaten, in denen der Hl. Stuhl weder diplomatische Vertretungen noch Apostolische Delegaturen unterhält, bis heute nicht ausreichend vorhanden ist. 7. Seit dem Motuproprio Sollicitudo omnium ecclesiarum von 1969 sind im (aktiven) päpstlichen Gesandtschaftswesen einige Neuerscheinungen zu verzeichnen, deren hier ebenfalls kurz Erwähnung getan sein soll, obwohl sich derzeit noch nicht abschätzen läßt, welche Bedeutung ihnen künftig zukommen wird. consuls. In 1938, for instance, the Holy See had planned to open a consulate at Vienna, and although that project had not materialized it was evidence of the Holy See's interest in the consular institution." UN Doc. A/CONF. 25/SR. 22. 209 Vgl. ibid. 210 Vgl. Cardinale, .,Le Saint-Siege et le droit consulaire", Oss. Rom. vom 22. März 1963 (französische Ausgabe). Einen Hinweis auf die Frage als solche verdanke ich u. a. dem Präsidenten der Konsularkonferenz, Professor Verosta. 211 Zif. 1 : .,In einem Staat, wo der Entsendestaat weder eine diplomatische Mission unterhält noch durch die diplomatische Mission eines dritten Staates vertreten ist, kann mit Zustimmung des Empfangsstaats ein Konsul beauftragt werden, diplomatische Amtshandlungen vorzunehmen, ohne daß dies seine Stellung als Konsul berührt. Die Vornahme solcher Amtshandlungen durch einen Konsul verleiht diesem keinen Anspruch auf diplomatische Vorrechte und Immunitäten." 211 WKK Art. 4, Zif. 1: .,Eine konsularische Vertretung kann im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats nur mit dessen Zustimmung errichtet werden." 20*
308
3. Kap.: Der Hl. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
Das Jahr 1970 sah das erste Auftreten eines Stellvertretenden Nuntius213. Aufgabe eines solchen ist es, den Apostolischen Nuntius, dem er beigegeben ist, zu unterstützen; u. U. kann er ihm im Amt nachfolgen214 • Im Sommer 1973 wurde das Amt eines Delegaten für die päpstlichen Vertretungen geschaffen215 • Aufgabe dieses Delegaten ist es, die Tätigkeit der Vertretungen des Hl. Stuhls auf ihre Effizienz zu prüfen und ihre Zusammenarbeit mit den römischen Zentralstellen zu fördern 216 • In päpstlichen diplomatischen Kreisen wird er als eine Art Apostolischer Visitator für die Vertretungen des Hl. Stuhls angesehen. Ebenfalls im Sommer 1973 wurde das Amt eines Nuntius zur besonderen Verwendung geschaffen217 • Im Gegensatz zur Bekanntmachung des vorgenannten Delegaten unterblieb in diesem Fall jede öffentliche Umschreibung der Aufgaben, die mit diesem Amt verbunden sind218 • Es ist möglich, daß dieser Nuntius z. b. V. als Unterstützung des Sekretärs des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche vorgesehen ist, und vor allem dessen bisher persönlich gepflogenen Auslandskontakte übernehmen wird.
VI. Zusammenfassung Zu Eingang dieses Abschnittes haben wir das Gesandtschaftswesen als eine typische Grundform völkerrechtlicher Beziehungen bezeichnet. In diesem Zusammenhang war es Ziel der Untersuchung festzustellen, ob und in welchem Ausmaße der Hl. Stuhl ein Gesandtschaftswesen besitzt. Aus dem Dargestellten ergibt sich, daß der Hl. Stuhl schon früh und von jener Periode an, in der er als oberstes Organ der katholischen Kirche in offizielle Beziehungen mit der weltlichen Macht - und hier (durch die historischen Umstände bedingt) zuvorderst mit dem römischen 213 Papst Paul VI. ernannte am 7. Juli 1970 Msgr. Petti zum Stellvertretenden Nuntius in Paris und gab ihn dem dortigen Nuntius, Msgr. Righi-Lambertini, bei. Vgl. Le Monde vom 8. Juli 1970. Der erste Stellvertretende Nuntius war einige Monate zuvor für Brasilien ernannt worden. m Vgl. Rousseau, "Chronique des faits internationaux", 75 RGDIP (1971), S.871. 215 Zum ersten Delegato per le Rappresentanze Pontificie wurde am 15. Juli 1973 Msgr. Enrici ernannt. Vgl. Oss. Rom. vom 16./17. Juli 1973. 210 Vgl. ibid. "Tale ,delegato' avra l'incarico di seguire piu da vicino, mediante opportune visite, l'attivita delle varie Rappresentanze della Santa Sede ..." 217 Zum ersten Titular des neuen Amtes ernannte Papst Paul VI. Msgr. Poggi, früher Nuntius in Peru. Die Bestellung eines Nunzio Apostolico con incarichi speciali wurde im Oss. Rom. vom 2. August 1973 bekannt gemacht. 118 Der Oss. Rom. (vgl. vorstehende Anm.) brachte lediglich die Notiz über die Ernennung, ohne jede weitere Erklärung.
VI. Zusammenfassung
809
Staat- trat, bemüht war, diese Beziehungen auf eine (relativ) dauernde institutionelle Grundlage zu stellen, wobei er an ein in der Praxis vorgegebenes Institut, das der Apokrisiare, anknüpfen konnte. Wenn dann auch von der Mitte des 8. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts keine ständigen päpstlichen Vertreter existierten - auf kirchlichem Gebiet eine Folge der Entfremdung, dann Spaltung zwischen Orient und Okzident, auf weltlichem Gebiet erst eine Konsequenz der "Barbarisierung" der internationalen Beziehungen im Gefolge der Völkerwanderung, später ein Ausfluß der eigenartigen Struktur des Corpus Christianum "universale"-, so war doch der Hl. Stuhl unter den ersten Mächten, die an der Ausbildung des modernen ständigen Diplomatenwesens beteiligt waren. Diese Stellung als einer Gesandte entsendenden und empfangenden Macht behielt der Hl. Stuhl auch nach der Glaubensspaltung bei, wobei anerkannt war, daß er dieses Gesandtschaftsrecht in erster Linie als oberstes Organ der katholischen Kirche, erst in zweiter Linie als Souverän des Kirchenstaates ausübte. Als folgerichtige Konsequenz daraus ergab sich, daß das Gesandtschaftsrecht des Hl. Stuhls auch nach dem Untergang des Kirchenstaates im Jahre 1870 in der internationalen Praxis - unheselladet der von Seiten eines Teiles der Doktrin angemeldeten Bedenken - anerkannt blieb und unverändert weiter ausgeübt wurde. Die Periode zwischen 1870 und 1929 wurde so für das Gesandt~chaftswesen des Hl. Stuhls zu einer Zeit der Probe, die es bestand, und in der sich in eindeutiger Weise dartat, daß dieses Gesandtschaftsrecht dem Hl. Stuhl als solchem, unabhängig von jeder etwaigen territorialen Souveränität, zukommt. Dieser En:cheinung konnte die Neubegründung eines Mini-Kirchenstaates im Jahre 1929 nichts Entscheidendes hinzufügen, wenngleich sie die internationale Handlungsfähigkeit politisch verbesserte. Es kann jedoch als sicher angenommen werden, daß die nach dem zweiten Weltkrieg festzustellende Ausweitung des Gesandtschaftswesens des Hl. Stuhls auch ohne Bestehen der Vatikanstadt erfolgt wäre, weil sie nicht auf diese, sondern auf die rasche Zunahme der Zahl der Völkerrechtssubjekte in Afrika und Asien zurückzuführen ist. Entspricht das päpstliche Gesandtschaftswesen so im Grundsätzlichen der traditionellen internationalen Form, so bestehen doch in diesem Zusammenhang gewisse, wenngleich das Wesen der Institution unberührt lassende Modifikationen. Was das aktive Gesandtschaftsrecht des Hl. Stuhls anlangt, besteht die Abweichung von der zwischenstaatlichen Form darin, daß die ständigen Gesandten des Hl. Stuhls bei den Staaten diesen auch bei den Ortskirchen vertreten und damit eine Doppelfunktion besitzen, die weltlichen diplomatischen Vertretern nicht eignet. Hinsichtlich des passiven Gesandtschaftsrechts des Hl. Stuhls besteht die Besonderheit darin, daß die Staatenvertreter beim Hl. Stuhl für gewöhn-
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3. Kap.: Der m. Stuhl als Subjekt des Gesandtschaftsrechtes
lieh auf dem Territorium nicht dieses, sondern einer anderen Macht, im
konkreten Fall: Italiens, residieren, grundsätzlich deshalb, weil weder dem Hl. Stuhl noch der katholischen Kirche als solchen territoriale Souveränität zukommt, akzidentiell aber auch deshalb, weil die Kleinheit der Vatikanstadt es dem lll. Stuhl unter normalen Umständen nicht gestattet, die bei ihm akkreditierten Missionen auf deren Territorium aufzunehmen!111. Als Ergebnis des vorstehenden Teiles der Untersuchung läßt sich somit feststellen, daß dem lll. Stuhl ein Gesandtschaftswesen eignet, das zwar in einzelnen Punkten seine vom traditionellen Typus abweichenden Besonderheiten besitzt, im Wesentlichen aber der Grundform internationaler Beziehungen, die mit "Gesandtschaftsrecht" bezeichnet wird, entspricht.
m Eine nicht der Natur des m. Stuhls, sondern der konservativen Haltung der Kurie entspringende Besonderheit des passiven päpstlichen Gesandtschaftsrechtes ist es, daß der Hl. Stuhl nur ungern weibliche Diplomaten in höherer Position empfängt. So erklärte noch am 25. Jänner 1970 ein Sprecher des Staatssekretariats, daß der Vatikan gegen die Ernennung der vierundvierzigjährigen Elisabeth Müller, bis dahin Leiter der deutschen Handelsdelegation in Prag, zum Botschaftsrat 2. Klasse bei der deutschen Botschaft beim Hl. Stuhl Einspruch erhoben habe. Er begründete dies mit der Tradition, die es vatikanischen Beamten verbiete, mit Damen geschäftlichen Umgang zu haben. Vgl. Rousseau, "Chronique des faits internationaux", 74 RGDIP (1970), S.1043 -1045. Der Autor kritisiert ibid. die Haltung der Kurie und hält folgendes dagegen: (1) Weibliche Diplomaten, selbst im Rang von Missionschefs, gibt es seit der Zwischenkriegszeit; (2) ein solcher Fall habe sich beim Hl. Stuhl noch nicht zugetragen, daher könne man auf keine Präzedenz im technischen Sinn zurückgreifen und auch nicht mit einer entsprechenden Tradition operieren; (3) der Hl. Stuhl habe die WDK (1961) unterzeichnet, die keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern mache; (4) Cardinale, Diplomatie (1962), S. 147, nenne als einzige Voraussetzung für eine Akkreditierung beim Hl. Stuhl eine "conduite irreprehensible"; (5) der Hl. Stuhl habe früher gegen die Ernennung eines Frl. Barteids als Mitglied des diplomatischen Personals der niederländischen Botschaft beim Hl. Stuhl keine Einwendungen erhoben (allerdings stand sie nicht in einem Alter, das sie als präsumtiven charge d'affaires erwarten ließ); (6) der Einspruch widerspreche dem aggiornamento sowie der Tatsache, daß Frl. Rosemary Goidie als Stellvertretender Sekretär des Laienrates ebenso wie verschiedene Frauen als Konsultoren vatikanischer Organe ebenfalls mit hohen Kurialprälaten in Berührung kommen. - Das Deutsche Auswärtige Amt erklärte am gleichen Tag, daß es von der Nominierung Frau Müllers Abstand nehme. Da der Hl. Stuhl das Recht hatte, die Bestellung Frau Müllers als nicht genehm zu erklären (Art. 9, Zif. 1 WDK), und für einen solchen Schritt keinerlei Gründe angegeben werden müßten, blieb dem Deutschen Auswärtigen Amt auch gar keine andere Wahl.- Dem Staatschef eines Landes der Dritten Welt, Amin von Uganda, war es vorbehalten, zu Beginn des Jahres 1975 die Akzeptierung des ersten weiblichen Missionschefs beim Hl. Stuhl durch die Kurie durchzusetzen.
Viertes Kapitel
Der Hl. Stuhl als Subjekt des Vertragsrechts Entsprechend der Doppelfunktion des m. Stuhls als obersten Organs der katholischen Kirche und Souveräns der Vatikanstadt, dann aber auch durch die Teilnahme des m. Stuhls an internationalen Organisationen oder sonstigen internationalen Initiativen lassen sich auch die Verträge, an denen er beteiligt ist, in zwei große Kategorien einteilen. Die eine Gruppe stellen jene Verträge dar, die der m. Stuhl in direktem Bezug auf die katholische Kirche bzw. einen Teil derselben abschließt; sie werden für gewöhnlich als Konkordate bezeichnet. Die andere Gruppe bilden jene Verträge, die der Hl. Stuhl für die Vatikanstadt abschließt oder an denen er als Glied der internationalen Gemeinschaft im Sinne einer Förderung des Friedens und des Fortschritts bzw. einer Verbesserung deren rechtlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen teilnimmt. Die Interessen der Kirche werden hier nur indirekt berührt, insofern nämlich die Mission derselben durch das Bestehen normaler- d. h. nicht gestörter- internationaler und intersozialert Verhältnisse erleichtert und gleichzeitig des Ziel dieser Mission, die integrale Entwicklung des Menschen2 , gefördert wird. Wenngleich diese nicht-konkordatären Verträge des ID. Stuhls für die Frage nach dessen internationaler Rechtsstellung nicht ohne Bedeutung sind, treten sie doch traditionell in der Diskussion gegenüber den Konkordaten zurück. Dies ist einmal historisch dadurch erklärbar, daß die nicht-konkordatären Verträge des Hl. Stuhls - ausgenommen die auf den alten (so wie jetzt auf den neuen) Kirchenstaat Bezug habenden -eine relativ junge Erscheinung sind und erst in Zusammenhang mit der durch die moderne internationale Interdependenz3 hervorgerufenen verstärkten Kommunikation der internationalen Gemeinschaft auftret Unter milieu fntersocial versteht Scelle, Manuel ~l~mentaire du droit international public (1943), die Gesamtheit der zwischen den Völkern bestehenden Beziehungen, insbesondere auch der privaten (neben den öffentlichen). 1 Vgl. die Stellungnahme des Chefdelegierten der vatikanischen Delegation, Hermann J. Abs, auf der 17. Generalkonferenz der Internationalen Atomenergie-Organisation am 21. September 1973, Oss. Rom. vom 23. September 1973. ' Vgl. Zemanek, "Zwischenabhängigkeit", WV III (2. Aufl. 1962), S. 896 bis897.
312
4. Kap.: Der Hl. Stuhl als Subjekt des Vertragsrechts
ten. Damit haben sie aber auch theoretische Erörterungen über das Wesen der vom Hl. Stuhl geschlossenen Verträge bisher nur wenig beeinflußt; ein Faktum, das auch dadurch hervorgerufen wird, daß es der einschlägigen wissenschaftlichen Diskussion hauptsächlich darum zu tun ist, die Natur der typischen, d. h. konkordatären Verträge des Hl. Stuhls zu ergründen. Der Verfasser glaubt, dieser traditionellen Einstufung der nicht-konkordatären Verträge des Hl. Stuhls als sekundär, d. h. für dessen internationale Stellung als von minderer Wichtigkeit, nicht folgen zu dürfen, sondern im Vorliegenden diese Verträge vorweg, wenn auch nur kurz, behandeln zu müssen.
I. Die nicht-konkordatären Verträge des Hl. Stuhls Unter den nicht-konkordatären Verträgen des Hl. Stuhls stehen nach dessen eigener Einschätzung zweifellos jene gemäß ihrer Wichtigkeit obenan, die auf die 1929 geschaffene territoriale Grundlage der spirituellen Unabhängigkeit des Hl. Stuhls, den Staat der Vatikanstadt, Bezug haben. Das Hauptaugenmerk des Hl. Stuhls mußte sich in diesem Zusammenhang darauf richten, die Lebensbedingungen für diesen Mini-Staat herzustellen und damit seine fortdauernde Existenz zu sichern. Hiefür bedurfte es zahlreicher Abkommen mit Italien, jenem Staat, hinsichtlich dessen sich die Vatikanstadt als eine territoriale Enklave darstellt, die von ihm in der Versorgung mit den wichtigsten Bedarfsgütern und der Verbindung mit der übrigen Welt abhängig ist. Italien hat in diesem Zusammenhang eine Grundsatzverpflichtung in Art. 6 des Lateranvertrages übernommen1 ; in ihrem Gefolge wurden zahlreiche Verträge mit dem Hl. Stuhl abgeschlossen. Erwähnt seien hier nur - beispielshalber die Postkonvention2, die Telegraphenkonvention3 , die Verkehrskonvention4, die Zollkonventions und die Münzkonvention8 • Diese Abkommen t Betreffend die Versorgung der Vatikanstadt mit Wasser; deren Anschluß an das italienische Eisenbahnnetz; an die internationalen Post- und Telegrapheneinrichtungen sowie an andere öffentliche Einrichtungen. Vgl. auch oben, Zweites Kapitel, IV, A u. B. z Convenzione per la esecuzione dei servizi pstali tra lo Stato della Citta del Vaticano e il Regno d'Italia vom 29. Juli 1929. 3 Convenzione per la esecuzione dei servizi telegrafici e telefonici tra lo Stato della Citta del Vaticano eil Regno cl'Italia vom 18. November 1929. 4 Convenzione per disciplinare la circolazione degli autoveicoli nei territorl dello Stato della Citta del Vaticano e del Regno d'Italia vom 28. November 1929. 1 Convenzione doganale tra lo Stato della Citta del Vaticano e il Regno d'Italia vom 30. Juni 1930. 8 Convenzione monetaria tra lo Stato della Citta del Vaticano e il Regno d'Italia vorri 2. August 1930. Die Gesamtzahl der nichtkonkordatären Verträge zwischen dem Hl. Stuhl und Italien beläuft sich derzeit auf etwa 40.
I. Die nicht-konkordatären Verträge des Hl. Stuhls
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wurden in der Folge auch verschiedentlich modifiziert, zumeist durch Verträge in Form von Notenwechseln7 oder Zusatzprotokollen8 • Der internationale Charakter von Verträgen dieser Art, der bisher nicht ernstlich bestritten worden ist, wird durch den Umstand erhärtet, daß sie einer internationalen Registrierung zugänglich sind9 • Daß ihre Registrierung dennoch grundsätzlich nicht erfolgt ist, erklärt sich aus dem Umstand, daß das faschistische Italien alle auf die Vatikanstadt Bezug habenden Regelungen politisch als eine "Familienangelegenheit" zwi~chen dem Hl. Stuhl und Italien betrachtete 10 und den Vatikan eifersüchtig vor allem von offiziellen Berührungen mit den Einrichtungen des Völkerbundes fernzuhalten bestrebt war11 • Eine Registrierung der Lateranverträge beim Generalsekretär des Völkerbundes wäre ebenso wie die Registrierung nachfolgender Abkommen von Italien wie eine "Internationalisierung" der Regelung der "römischen Frage" angesehen worden. Fundstellen für diese Verträge sind daher vor allem das offizielle Promulgationsorgan Italiens, die Gazetta Ufficiale del Regno d'Italia (heute: della Repubblica Italiana), immer Parte Prima; daneben eine im Vatikan veranstaltete, aber nicht vollständige Vertragssammlung, Patti Lateranensi, Convenzioni e Accordi successivi fra iZ Vaticano e l'Italia fino al 31 dicembre 1945 (1946) und ibid. Bd, II, dal 1° gennaio 1946 al 31 dicembre 1954 (1955). Einzelne Abkommen sind auch in den AAS veröffentlicht. Daneben kommt noch das Werk von Schöppe, Konkordate seit 1800 (1964), und Neue Konkordate und konkordatäre Vereinbarungen (1970), das- im Gegensatz zu der von seinem Titel geweckten Vermutung12- auch nicht-konkordatäre Verträge des Hl. Stuhls wiedergibt13, in Betracht. Die genannten Verträge zwischen dem Hl. Stuhl und Italien unterscheiden sich in ihrer Form in nichts von völkerrechtlichen Verträgen schlechthin 14• Es ist wichtig festzuhalten, daß Vertragspartner immer 7 Vgl. Scambio di note concementi la cittadinanza vaticana dei membri delle Rappresentanze della Santa Sede vom 23. Juli/17. August 1940. 8 Vgl. Accordo addizionale tra la Santa Sede e l'Italia in materia di servizi radiofonici vom 5. April1939. ' So wurde der Notenwechsel zwischen Österreich und der Vatikanstadt vom 23. März 1935 betreffend die Abschaffung der Visapflicht unter No. 3879 in LNTS CLVII, S. 385 ff., registriert. 10 Vgl. Mussolinis Rede in der Kammer vom 13. Mai 1929,"15 ZV (1929), S. 616: "" .. la soluzione e italiana e nessun'altra potenza vi ha messo verbo." · 11 Vgl. ibid. 11 und auch zum Konkordatsverständnis des Autors selbst, der nur Konkordate über res spirituales und res mixtae kennt. Vgl. Konkordate seit 1800 (1964), S.XXII. 13 Vereinzelt auch Mercati, Raccolta di Concordati su materie ecclesiastiche tra la Santa Sede e le Autorita Civili, 2 Bde. (2. Auft. 1954).
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4. Kap.: Der In. Stuhl als Subjekt des Vertragsrechts
der HZ. Stuhl ist, der für die Vatikanstadt handelt, obgleich in den ersten Jahren die Terminologie in dieser Hinsicht schwankend war15 • Die ersten Abkommen stellen sich nämlich der äußeren Form nach als Verträge zwischen der Vatikanstadt und Italien dar 111• Diese Form wurde jedoch schon 1932 mit der Convenzione fra la Santa Sede e l'Italia per la notificazione degli atti in materia civile e commerciale e Dichiarazione annessa
vom 6. September 1932 aufgegeben17 • Hinfort tritt der ID. Stuhl auch formell als Vertragspartei auf. Die Vertragspraxis zwischen dem ID. Stuhl und Italien18 weist ersteren damit als eine dem italienischen Staat auf gleicher Stufe begegnende, im internationalen Bereich typisch (d. h.: vertragsverfahrensmäßig) handelnde, vertraglicher Rechte und Pflichten fähige Institution aus, wobei die von ihm abgeschlossenen Verträge sich nicht nur formell, sondern - im Gegensatz zu den Konkordaten - auch materiell in nichts von zwischenstaatlichen Verträgen unterscheiden. Den eben behandelten Verträgen mit Italien stehen jene am nächsten, durch die der ID. Stuhl für die Vatikanstadt an internationalen Organisationen technischer Natur- etwa am Weltpostverein oder an der Intert4 Sie sind daher insbesondere auch soweit ratifikationsbedürftig - ratifikationsflihig. Vgl. dazu die entsprechenden Hinweise in Patti Lateranensi,
Convenzioni e Accordi I (1946) und II (1955). 11 Offenbar hielt man es Im Vatikan ursprünglich für systemgerechter, die Vatikanstadt nach ihrer Gründung durch Vertrag zwischen dem Hl. Stuhl und Italien für sich selbst handeln zu lassen und die formelle Parteistellung des Hl. Stuhls auf konkondatäre Verträge zu beschränken, um so die Trennung von weltlichem und geistlichem Bereich besser darzutun. Dieses Konzept wurde aber bald wieder aufgegeben, nicht nur, weil auch für die Vatikanstadt immer der Hl. Stuhl handelt, sondern auch deshalb, weil man es Im Vatikan nunmehr vorzog, die - ohnehin mehr theoretische - separate Rechtspersönlichkeit der Vatikanstadt neben dem HI. Stuhl zurücktreten zu lassen. 1e Vgl. oben, Anm. 2 - 6. 17 Obwohl es sich auch hier um einen die Vatikanstadt betreffenden Bereich handelte. Vgl. Art. 1: "In materia civile e commerciale Ja notificazione degli atti da eseguirsi nello Stato della Cittä del Vaticano su istanza di persone, enti o autoritä, ehe sl trovino riel Regno cfitalia, si farä in seguito a domanda del Procuratore del Re diretta al Promotore di giustizia presso il tribunale di prima istanza dello Stato della Cittä del Vaticano e Ja notificazione degli atti da eseguirsi nel Regno cfitalia su istanza di persone, enti o autoritä, ehe si trovino nello Stato della Cittä del Vaticano, si farä in seguito a domanda dell'anzidetto Promotore di giustizia diretta al Procuratore del Re presso il tribunale nel cui territorio l'atto deve essere notificato ..." 13 Diese Praxis ist von der völkerrechtlichen Literatur wenig beachtet worden. Nur ganz vereinzelt finden sich dazu Abhandlungen, öfter in Journalen nicht primär völkerrechtlichen Charakters. Vgl. z. B. Soccorsi, "L'accordo supplementare fra Ja Santa Sede e l'Jtalia in materia di radiocommunicazione", 102 La Civiltä Cattolica (1951), ·S. 129 - 140, der den Vertrag vom 8. Oktober 1951 behandelt. Schöppe. Konkordate seit 1800 (1964), S. 553-558, gibt 104 Titel zur Lösung der römischen Frage, 44 zum (politischen) Lateranvertrag und 82 zum Konkordat bzw. zu konkordatären Materien, nicht einen aber zu den technischen Verträgen zwischen dem Hl. Stuhl und Italien.
I. Die nicht-konkordatären Verträge des Hl. Stuhls
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nationalen Fernmeldeunion- und ihrer Tätigkeit teilnimmt18 • Das gleiche gilt für die Teilnahme des ID. Stuhls an Organisationen mit deutlich politischer Funktion20 ; hier tritt allerdings der ID. Stuhl weniger für die Vatikanstadt als in Erfüllung seiner Friedensmission als Vertragspartei auP1• Nicht-konkordatärer Natur sind schließlich auch jene Verträge multilateraler Art, die - ob sie unter den Auspizien einer internationalen Organisation geschlossen werden oder nicht - einen Kreis an teilnehmenden Mächten haben, der weiter ist als der der einen oder anderen Organisation. Auch hier können die technischen von den politischen Verträgen geschieden werden; zu den ersteren gehören die Konventionen zur Kodifikation und Fortbildung des Völkerrechts 22 , zu den letzteren z. B. der Atomwaffensperrvertrag23 • Die Teilnahme des ID. Stuhls an einer Kodifikationskonvention und ihrer Erarbeitung hat den doppelten Zweck, die für das eigene Wirken notwendige rechtliche Grundlage zu sichern und zur Klärung umstrittener völkerrechtlicher Fragen im Geiste internationaler Solidarität beizutragen. Die Teilnahme des Stuhls an einem Abkommen wie jenem zur Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen dient dagegen dem Friedensziel, das durch die damit verbundene moralische Unterstützung von Seiten einer religiösen Autorität von anerkanntem Ansehen gefördert werden soll24 •
m.
18
Vgl. unten, Dritter Teil, Achtes Kapitel.
zo So die Internationale Atomenergie-Organisation; vgl. unten, Zehntes
Kapitel, IV. 21 Vgl. dazu u. a. Verosta, International Organizations and the Holy See", OZöR (1972), S. 205- 212; Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Institutionen", 25 OAKR (1974), S. 156 ff. 22 Vgl. dazu die Teilnahme des Hl. Stuhls an der Wr. diplomatischen Konferenz 1961 und der Wr. Konsularkonferenz 1963; oben, Drittes Kapitel, V, C. Der m. Stuhl hat auch an der Wr. Konferenz zur Kodifikation des völkerrechtlichen Vertragsrechtes teilgenommen. Der m. Stuhl war aber nicht nur an solchen primär juristischen Unternehmungen beteiligt, sondern auch an anderen, vornehmlich naturwissenschaftlich-technischen, wie z. B. an der Wr. Konferenz über psychotrope Substanzen 1971. Vgl. dazu Köck, "Die Wiener Suchtgiftkonferenz 1971 und ihre Ergebnisse", 11 ÖZA (1971), S. 100 - 113. 23 Vgl. dazu ur.ten und Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Institutionen", S. 156 ff. 24 Vgl. die Erklärung des Residierenden Delegierten des Hl. Stuhls bei der Internationalen Atomenergie-Organisation, Msgr. Oriano Quilici, vom 26. Juni 1972: "Le 25 fevrier 1971, en donnant son adhesion au Traite sur la nonproliferation des armes nucleaires, le Saint-Siege a declare ... que cette adhesion 'est l'expression du desir qui l'inspire constamment ..• d'apporter sa propre contribution aux initiatives qui, A cote du desarmement, tendent ä promouvoir la securite, la confiance mutuelle et la cooperation pacifique dans les rapports entre les peuples'." Französischer Originaltext aus besonderer Quelle. Vgl. die italienische übersetzung im Oss. Rom. vom 27. Juni 1972. Dem Friedensziel diente auch die Teilnahme des Hl. Stuhls am London Treaty for the Limitation and Reduction of Naval Armament vom 22. April 1930, der in Part V den U-Boot-Krieg gegen Handelsschiffe ausschloß (2 Hudson, International Legislation [1931), S. 795 - 796), durch Beitritt zum Protokoll vom 6. November 1936,
816
4. Kap.: Der m. Stuhl als Subjekt des Vertragsrechts
Da es sich bei dieser Kategorie von Verträgen um solche multilateralen Charakters handelt25 - das Statut einer internationalen Organisation, eine kodifikatorische Vereinbarung etc. -, steht ihre völkerrechtliche Natur von vornherein außer Streit. Daß die Teilnahme des Hl. Stuhls an diesen Verträgen dabei gleichwertig mit der Teilnahme eines Staates angesehen wird, beweist schon der Umstand, daß sie regelmäßig eine Art förmlicher internationaler Anerkennung in Form der Registrierung beim Generalsekretär (früher: des Völkerbundes, jetzt:) der Vereinten Nationen erfahren hat26 • Daher kann festgehalten werden, daß auch die multilaterale Vertragspraxis des Hl. Stuhls diesen als eine hinsichtlich dieser Verträge den Staaten gleichberechtigt gegenübertretende Institution darstellt. Damit läßt sich für das nicht-konkordatäre Vertragsrecht des Hl. Stuhls zusammenfassend feststellen, daß es ihn in einer typisch völkerrechtlichen Verwaltensweise erscheinen läßt. Ob dies auch für das konkordatäre Vertragsrecht des Hl. Stuhls zutrifft, soll im folgenden untersucht werden. II. Diekonkordatären Verträge des Hl. Stuhls Zu Eingang des Abschnittes über das Vertragsrecht des Hl. Stuhls haben wir von Konkordaten als von jenen Verträgen gesprochen, die mit direktem Bezug auf die katholische Kirche vom Hl. Stuhl abgeschlossen werden. Diesen Begriff präzisierend, verstehen wir im folgenden unter einem Konkordat einen zwischen dem Hl. Stuhl und einem Staat abgeschlossenen Vertrag, mit dem Fragen, die für Kirche und Staat gleicherweise von Interesse sind, einvernehmlich geregelt werden1 • das die elnschlägif!en Re!!eln des Lonrloner Vertrages über den U-Boot-Krieg enthielt. Vgl. 33 AJIL (1939 Suppl.), S. 550. H Dies bedeutet nicht, daß im Zusammenhang mit ihnen der m. Stuhl nicht auch veranlaßt sein kann, bilaterale Abkommen abzuschließen, wie das Safeguard Agreement vom 16. Juni 1972 mit der Internationalen AtomenergieOrganisation im Gefolge des Atomwaffensperrvertrages. Vgl. unten, Dritter Teil, Zehntes Kapitel, IV. te Indem etwa Beitritte des ffi. Stuhls {der Vatikanstadt) in der UNTS ausgewiesen werden. 1 Vgl. Ebers, Grundriß des katholischen Kirchenrechts (1950), S. 236: "Das Konkordat {concordatum, conventio) ist die Vereinbarung zwischen Staat und Kirche über gemeinsame Angelegenheiten, sei es zur grundsätzlichen und um.. fassenden Ordnung des gegenseitigen Verhältnisses, sei es zur Regelung nur einzelner strittiger Gegenstände ... "; dann Ottaviani-Damizia, Institutiones iuris publici ecclesiastici II (4. Aufl. 1969), S. 253: "Concordata [sunt) [c)onventiones inter S. Sedem et civitatum moderatores supremos initae, quibus reipublicae offlcia et privilegia Ecclesiaeque ·iura circa determlnatas res, in bonum utriusque societatis deflniuntur et pactorum sollemnitatibus flrmantur." Zu den Konkordaten gibt es eine kaum überschaubare Literatur. Hiezu zählen Azevedo, Natura e carattere essenziale dei concordati (1850); Turinaz, Les
II. Diekonkordatären Verträge des
m. Stuhls
317
Diese Definition zeigt, daß "Konkordat" terminologisch ein Gattungsbegriff ist, unter den sich Verträge der verschiedensten Bezeichnung subsumieren lassen 2• Ähnlich wie bei der Terminologie der WVK 1969, wo man unter Vertrag jedes internationale Übereinkommen- welcher Bezeichnung auch immer- versteht3, kommt es zur Qualifizierung eines Abkommens als "Konkordat" nur auf dessen Ziel und Zweck, nicht hingegen auf seinen Namen oder seine äußere Form an4 • Der Terminus "Konkordat" als Fachausdruck zur Bezeichnung der in Rede stehenden Verträge hat sich erst allmählich herausgebildet. Urconcordats (1888); Giobbio, I Concordati (1900); RousseZ, Les concordats en droit canonique (1904); Bierbaum, Das Konkordat in Kultur, Politik und Recht (1928); Stutz, "Konkordat und Codex", 32 Sitzungsberichte der Preußischen Akaaemie der W1ssenschaften, phil.-hist. Kl. (1930), S. 688 ff.; Gawin, Die Rechtsnatur der Konkordate im Gegensatz zu den evangelischen Staatskirchenverträgen. Nach dem Stand vor dem 7. April1933 (1935); Wagnon, Concordats en drmt international. Fondement, elaboration, valeur et cessat10n du droit concordataire (1935); Hackworth, Digest of International Law V (1943), S. 4- 5; Plöchl, "Reflections on the Nature and Status of Concordats", 7 The Jurist (1947), S. 10- 44; Kleyntjens, "Les concordats avec les Pays allemands (Efforts du Saint-Siege en faveur de Ja paix)", 27 RDISDP (1949), S. 47-53, 349-356, und ibid. 28 (1950), S. 416- 422; Conci, La Chiesa e i vari stati. Rapporti- concordati - trattati - per una storia del diritto concordatario (HJ54); Stickler, "Der Konkordatsgedanke in rechtsgeschichtlicher Schau", 8 ÖAKR (1957), S. 25 bis 38; Grundmann, "Das Verhältms von Staat und Kirche auf der Grundlage des Vertragskirchenrechts", 13 OAKR (1962), S. 281- 300; CataZano, Problematica giurid1ca dei concordati (1963); Rust, Die Rechtsnatur von Konkordaten und K1rchenverträgen unter besonderer Berücksichtigung der bayerischen Verträge von 1924 (1964); Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der BR.U (1965); Obermayer, "Staatskirchenrechtliche Grundvorstellungen in den Konkordatstheorien des 19. Jahrhunderts", 20 Die öffentliche Verwaltung (1967), S. 505- 515; Condorelli, "Concordati e liberta della chiesa", 79 DE (1968), S. 226- 287; de Jong, "Konkordate und internationales Recht- Wert und Einfluß", 8 Concilium (1970), S. 575- 579; vgl. auch Ridder, "Konkordat", WV II (2. Aufi.1961), S. 274-278. Weitere umfangreiche Literaturhmweise bei Schöppe, Konkordate seit 1800 (1964), S. 529 - 540. 2 Der Codex verwendet neben dem Terminus concordatum (CIC can. 1471) auch conventio (CIC can. 3) und pactum[conventum] (CIC can. 255). Daß man an der Kurie jedoch auf den erstgenannten besonderen Wert legt, beweist der Umstand, daß bei Promulgationen in den AAS den Abkommenstiteln manchmal - und zwar abweichend vom Original - die Bezeichnung "Konkordat" beigesetzt wird, wohl um den Charakter des Vertrages besonders sinnfällig zu machen. Vgl. den Vertrag (Solenne Convenzione) mit Preußen von 1929, bei dessen Veröffentlichung in 21 AAS (1929), S. 521, man folgende Überschrift wählte: Solemnis Conventio seu Concordatum. 3 Vgl. Art. 2, Zif. 1,lit. a: "'treaty' means an international agreement concluded between States in written form and governed by internationallaw, whether embodied in a single instrument or in two or more related instruments and whatever its particular designation." (Hvhbg. vom Verf.) 4 Vgl. auch Schöppe, Konkordate seit 1800 (1964), S. XXI: "Die Konkordate ..• werden ... bei weitem nicht immer unter dem Titel ,Konkordat' abgeschlossen. Vielmehr tragen sie verschiedene Bezeichnungen, z. B. ,Konkordat', ,Konvention', ,Vertrag', ,Akkord', ,Abkommen', ,Vereinbarung' und ,Modus vivendi'. Rechtlich spielt es keine Rolle, welche Bezeichnung für ein Übereinkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und einem Staat gewählt wird. Alle Übereinkommen dieser Art sind dem Begriff nach Konkordate."
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4. Kap.: :ber Hl. stuh1 aisSubjektdes Vertragsrechts
sprünglich war er nicht auf den Bereich der Abkommen zwischen Kirche und Staat beschränkt, andererseits wurden in diesem Zusammenhang auch andere Ausdrücke - wie conventio, tractatus, pactum etc. - verwendet6. Erst ab dem 15. Jahrhundert tritt eine gewisse Stabilität der Terminologie ein, die sich jedoch in der Theorie stärker als in der Praxis durchgesetzt hat. Während demnach Konkordate auch heute noch die verschiedensten Bezeichnungen tragen können, wird allerdings für Verträge, an denen die Kirche nicht beteiligt ist, der Terminus "Konkordat" heute offiziell nurmehr für die Übereinkommen zwischen einzelnen Schweizer Kantonen verwendet'. A. Das Institut des Konkordats in seiner gescblcbtllcben Entwicklung
1. Zur Ausbildung des Instituts des Konkordats haben mehrere Faktoren beigetragen: die Herausbildung des Kirchenstaates, die päpstliche Reformbewegung des 11. Jahrhunderts und vor allem in deren Gefolge der Investiturstreit7 , dessen Beilegung auch der unmittelbare Anlaß zum Abschluß des ersten als solches betrachteten Konkordates wurde. Formell ist das Konkordat von Worms von 1122- das als der erste Vertrag dieser Art betrachtet werden darf, weil sein Vorläufer, der Vertrag von Sutri zwischen Papst Paschalis II. und Heinrich V. aus 1111, nie in Kraft getreten ist8 -in zwei getrennten Urkunden abgefaßt0 • Dies gilt auch für andere frühe Konkordate 10• Doch handelt es sich hiebei um einen Vertrag, bei dem sich geistliche und weltliche Macht gleichberechtigt zum Zweck gegenübertreten, eine bestimmte, beide Gewalten interessierende Angelegenheiten zu regeln, wobei durch den Vertrag für das betreffende Staatsgebiet staatliches und partikuläres kirchliches Recht geschaffen wird11 • ' Vgl. Plöchl, "Reflections on the Nature and Status of Concordats", S. 12; Ottaviani-Damizia, Institutiones II (4. Aufl. 1960), S. 254 - 255. ' Und zwar gern. Art. 11 Zif. 3 der Schweizerischen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874. Vgl. dazu Vetsch, Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verlet-
zung von Konkordaten (1970). 7 Vgl. dazu SchiefjeT, "Investiturstreit", LTKV (1960), Sp. 742-746. Es muß festgehalten werden, daß nicht bloß das Hl. röm. Reich, sondern auch andere Staaten "ihren" Investiturstreit hatten. s Manche sehen im Abkommen zwischen Urban II. und dem Grafen Roger von Sizilien von 1098 einen Vorläufer der Konkordate; andere wiederum nehmen aber in diesem Zusammenhang nur einen einseitigen Akt des Papstes (Verleihung eines Legationsprivilegs) an, der kaum als Konkordat bewertet werden könne. Vgl. MöTsdorf, "Konkordat", LTK VI (2. Aufl. 1961), Sp. 454. Nach anderer Auffassung war das erste Konkordat das auf Vermittlung Anseims von Canterbury 1107 zustandegekommene mit Heinrich I. von England. Vgl. HemmeT et al., "Concordat", EB VI (1967), S. 262. • Vgl. MeTcati, Raccolta di Concordati I (1954), S. 18 f. 10 Vgl.ibid. 11 Vgl. Plöchl, Geschichte II (2. Auft.1962), S.l12 f.
lt. !>ie konkordatärenVertrage des in. Stuhls
8i9
Es muß nochmals festgehalten werden, daß der Terminus "Konkordat" erst später- seit dem Konstanzer Konkordat (1418 von Papst Martin V. auf dem Konzil zu Konstanz mit der spanischen, französischen, deutschen und englischen Konzilsnation geschlossen) - seine heutige technische Bedeutung erwirbt, während die mittelalterliche Rechtssprache damit Verträge der verschiedensten Art bezeichnete 12 • Neben der Form getrennter Urkunden konnten Konkordate auch durch eine päpstliche Bulle in Verbindung mit einem die staatliche Willenserklärung dokumentierenden internen Gesetzgebungsakt abgeschlossen werden, der das Vereinbarte innerhalb des betreffenden Landes in Kraft setzte13• Nach der (historisch älteren) Privilegientheorie14 wurden die vom ID. Stuhl in den Konkordaten gemachten Zugeständnisse häufig als päpstliche Privilegien betrachtet, was etwa im Wormser Konkordat klar daraus hervorgeht, daß die Urkunde Kalixtus' II. als Privilegium Pontificis bezeichnet wird, dem das Praeceptum Henrici V Imperatoris gegenübersteht. Soweit man ursprünglich in der Theorie die Konkordate als eine Einigung zwischen der obersten geistlichen und der obersten weltlichen Gewalt der Christenheit betrachtete, waren die gegebenen Paziszenten der Papst und der Kaiser. Mit der Entwicklung der Landeshoheit und der Durchsetzung des Prinzips rex in regno suo imperator15 kam es in der Praxis aber auch zu Konkordaten mit den Landesfürsten, so mit dem englischen König Johann ohne Land (1213) 18, dem portugiesischen König Sancho li. (1238) 17 und Karl I. von Anjou (1265), wobei der Landesepiskopat teiweise am Abschluß mitwirkte 18 • Bis zum Ausgang des Mittelalters wurden insgesamt 33 Konkordate abgeschlossen19 • Von großer Wichtigkeit waren die schon genannten Konstanzer Konkordate, die der endgültigen Überwindung des abendländischen Schismas dienten, wenn sie auch unter dem Einfluß der konziliaren Theorie standen und befristet waren. Nach dem Scheitern konziliarer Bestrebungen auf der 11 Während andererseits Abkommen, die ihrem Wesen nach unter den Begriff des Konkordats zu subsumieren wären, ursprünglich auch als concordia, tractatus oderpaxbezeichnet wurden. Vgl. Mörsdorj, "Konkordat", Sp. 454. So wurde auch das Wormser Konkordat von 1122 verschiedentlich als Pactum Calixtinum bezeichnet. 1' Ein ähnliches Prinzip liegt dem System der Zirkumskriptionsbullen des 19. Jahrhunderts zugrunde. Vgl. unten. 14 Vgl. dazu unten, B. 15 Vgl. dazu von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates (1952), s. 82 ff. 11 Vgl. Taswell-Langmead, English Constitutional History (11. Aufl. 1960), s. 68-69. 17 Vgl. Brazil.o, Colleccäo de Concordatas estabelicidas entre Portugal e a Santa Se de 1238 a 1940 (1941). 1s Vgl. Mörsdorf, ,.Konkordat", Sp. 454. 18 Vgl. Plöchl, Geschichte II (2. Aufl. 1962), S.113.
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4. Kap.: :ber in. Stuhl als Subjekt des Vertragsrechts
Synode von Basel und dem päpstlichen Prestigezuwachs durch die Griechenunion von 1439 auf dem Konzil von Florenz20 kam es 1447 zu den sog. Fürstenkonkordaten mit den Reichsfürsten und schließlich 1448 zum Wiener Konkordat 21 , das, wie Plöchl sagt, "bis 1803 das kirchenpolitische Grundgesetz des alten Reiches bleiben sollte" 22 • Ähnlich bedeutend und gleichzeitig das letzte vor der Glaubensspaltung war das 1516 -nur ein Jahr vor Ausbruch der Reformation- zwischen Leo X. und Franz I. von Frankreich geschlossene französische Konkordat, das für mehr als zweieinhalb Jahrhunderte, bis zur französischen Revolution, die rechtliche Grundlage für die Beziehungen der französischen Kirche zum Staat bildete2s. 2. Die Periode von der Reformation bis zur französischen Revolution war, im Ganzen gesehen, den Konkordaten nicht günstig. Durch die Glaubensspaltung fiel für lange Zeit- auch nach Beendigung der Religionskriege und dem Beginn eines toleranteren Zeitalters- der staatliche Vertragspartner dort weg, wo man die Trennung vom römischen Stuhl und damit von der katholischen Kirche vollzogen hatte. Aber auch im katholischen Bereich waren Absolutismus, Staatskirchenturn und Aufklärung dem Konkordatsgedanken gegenüber eher verschlossen und im allgemeinen daher nicht geneigt, mit einer "ausländischen Macht" 24 über eine "innere Angelegenheit", nämlich das staatliche Kirchenregiment, einen Vertrag abzuschließen. Im 18. Jahrhundert nehmen zwar die Konkordate rein zahlenmäßig wieder zu, erheben sich aber, rückschauend betrachtet, zu keiner besonderen inhaltlichen oder geschichtlichen Größe. Man kann sie vielmehr als die Wegzeichen des erzwungenen kirchlichen Rückzugs aus einer sich fortschreitend säkularisierenden Welt ansehen25 • Tatsächlich wurden sie, wie das Konkordat mit Spanien von 175328 oder jenes mit Neapel von 174127 , als eine Waffe zur Abwehr staatlicher Herrschaftsansprüche in kirchlichen Angelegenheiten angesehen28. 20 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste I (12. Aufl. 1955), S. 323 ff.; Hefele, Conciliengeschichte VII (1867), S. 650 ff. 21 Dazu Bäumer, "Fürstenkonkordate", LTK IV (1960), Sp. 472- 473; ders., "Wiener Konkordat", LTK X (1965), Sp. 117. Vgl. auch Raab, Die Concordata Nationis Germanicae in der kanonischen Diskussion des 17. bis 19. Jahrhunderts (1956). 22 Vgl. Plöchl, Geschichte II (2. Aufl.1962), S.113. 23 Vgl. Lemonon, "Le Concordat de 1516", 39 RDILC (1907), S. 422 ff.; die Auseinandersetzung um dieses Konkordat verdeutlicht eine Schrift aus jener Zeit, du Perray, Observations sur le concordat fait entre Leon X et Fran!,;ois I (1722). u Vgl. dazu oben, Drittes Kapitel, I. 25 Vgl. dazu etwa Pastor, Geschichte der Päpste XVI/1 (8. Aufl.1961), S. 34-54. 28 Ibid., S. 50 ff. 27 Ibid., S. 38 ff. 28 Vgl. Mörsdorf, "Konkordate", LTK VI (2. Aufl. 1961), Sp. 455.
II. Die konkordatären Verträge des Hl. Stuhls
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3. Mit dem 19. Jahrhundert tritt das Institut des Konkordats in eine Periode der Bewährung ein. Der erste konkordatäre Vertrag derselben - von großer Bedeutung schon wegen seiner relativ langen Dauer war die Übereinkunft zwischen Papst Pius VII. und Napoleon von 180129 • Es ist nicht bloß deswegen ein Markstein in der Geschichte der Konkordate, weil es durch die Zustimmung des ID. Stuhls zur Umgestaltung der französischen Kirche wesentlich zur Liquidierung des Gallikanismus beitrug, sondern auch deswegen, weil hier zum ersten Mal von der katholischen Kirche ein feierlicher Vertrag mit einem "modernen", d. h. mit einem offiziell säkularisierten Staat, wie er aus der französischen Revolution hervorgegangen war, abgeschlossen wurde. Die Neuregelung der deutschen Kirche nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Ära wurde - nachdem der deutscherseits betriebene Plan eines Konkordates mit dem Deutschen Bund als solchem gescheitert war-3° - durch eine Reihe konkordatärer Abmachungen durchgeführt, unter denen das bayerische Konkordat von 181731 den Anfang machte. Neben dem Konkordat mit Spanien von 1851 ist vor allem das Österreichische von 1855 von Interesse, das die Forderungen der Kirche nach Freiheit vom josephinisch-franziszäischen Kirchenregiment erfüllte und darüber hinaus der Kirche weitere Rechte, vor allem im Schulwesen, einräumte32 • 29 Vgl. oben, Zweites Kapitel, IV, Eingang; dann de Bonald, Deux question sur le conrordat de 1801 (2. Aufi. 1878); Mathieu, Le concordat de 1801, ses origines, son histoire (1903); Lemonon, "Le concordat de 1801", 39 RDILC (1907), S. 429 ff. Das Konkordat von 1801 wurde samt den organischen Artikeln durch Gesetz vom 18. Germinal des Jahres X republikanischer Zeitrechnung durchgeführt; dieses Gesetz blieb grundsätzlich bis 1904, dem Jahr der Durchführung der Trennung von Kirche und Staat in Frankreich, in Kraft. In Elsaß-Lothringen, das 1871 an das Deutsche Reich abgetreten worden war, wurden die Bestimmungen dieses Gesetzes über Einverständnis zwischen dem Hl. Stuhl und dem Deutschen Reich weiter angewendet; nach der Reinkorporation dieses Gebietes nach dem ersten Weltkrieg stimmte die französische Regierung einer fortgesetzten Anwendung zu. Die Departements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle hatten daher als einzige, nach einem Gutachten des Conseil 1
se erste Phase päpstlicher Friedenstätigkeit (die bis 1713 reicht) nach der Zusammenstellung bei Müller9 gar nur einen Fall der Schiedsgerichtsbarkeit10, die zweite Phase (die mit der Anrufung Leos XIII. durch Bismarck um Beilegung des Karolinenstreites einsetzt) 11 kennt drei Fälle, in denen der Hl. Stuhl bzw. seine unmittelbaren Vertreter in einem konkreten Konflikt oder allgemein für die Zukunft als Schiedsrichter angegangen wurden. Dieser schiedsgerichtlichen Tätigkeit steht eine Vermittlungstätigkeit zur Seite, die jene zahlenmäßig um ein Vielfaches übertrifft. Dieses gewaltige Übergewicht der bloßen Vermittlertätigkeit hat seinen Grund darin, daß man die Vermittlung für internationale Konflikte, vor allem jene politischer Natur, als geeigneter ansah denn die Schiedsgerichtsbarkeitl2 : Ze mediateur conseiZZe, l'arbitre decide, sodaß im ersteren Fall die letzte Entscheidung bei den Parteien selbst verbleibt, was einem bestimmten internationalen Ehren- und Souveränitätsdenken entgegenkommt. Es ist daher gerechtfertigt, zuerst auf die päpstliche Vermittlungstätigkeit einzugehen. 3. "Der Heilige Stuhl ist die erste ständige Vermittlungsinstanz der Völker, welche die Weltgeschichte kennt' 3." Der historische Bogen spannt sich von der Friedensvermittlung zwischen Rom und dem Hunnenkönig Attila im Jahre 452 durch Papst Leo I. bis zum Vermittlungsangebot Papst Benedikts XV. in seiner Friedensbotschaft vom 1. August 1917 14 und den Vermittlungsversuchen Papst Pauls VI. im Vietnamkonflikt15. Dabei sind aber zwei Phasen zu unterscheiden. Bis ins 17. Jahrhundert erscheint der Apostolische Nuntius fast regelmäßig auf den Friedenskongressen unter den vermittelnden, neutralen Mächten. Dann aber tritt eine Unterbrechung von fast zweihundert Jahren ein. Nach dem Vermittlungsangebot Klemens' XI. an Kaiser denswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), S. 44 ff. 1697 wird der Papst durch Art. 8 und den Separatartikel zum Ryswicker Friedensvertrag zum Schiedsrichter im pfälzischen Erbschaftsstreit bestimmt. Der Schiedsspruch wird am 17. Februar 1702 durch die päpstliche Schiedsgerichtskommissionnamens Papst Klemens XI. gefällt. Vgl. ibid. 0
s. 44 ff.
Vgl. oben, Anm. 8. Vgl. dazu unten, Anm. 26. 12 So noch heute, vgl. den Annex zur WVK 1969, wo selbst für Streitigkeiten aus Verträgen, also Rechtsstreitigkeitenkatexochen (vgl. das Rechtsgutachten des IG im ersten Aufnahmefall, ICJ-Reports 1947/48, S. 57 ff., wo es heißt: "... an essentially judicial task, the interpretation of a treaty provision"), kein (Schieds-)Gerichtsverfahren, sondern ein Vergleichsverfahren vorgesehen ist. Zu diesem Problem allgemein Neuhold, Internationale Konflikte- Erlaubte und verbotene Mittel ihrer Austragung, Kap. XII (in Vorbereitung). 13 Vgl. Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), S. 35. 14 Vgl. dazu unten, Dritter Teil, Zehntes Kapitel, II, A. 15 Vgl. dazu u. a. 22 Herder-Korrespondenz (1968), S. 74. 10
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6. Kap.: Die besondere Friedensfunktion des Hl. Stuhls
Karl VI. und König Ludwig XIV. im spanischen Erbfolgekrieg läßt der Aufstieg des Fürstenabsolutismus- der "Fanatismus der Staatssouveränität", wie Niemeyer dieses Phänomen genannt hat1 8 - eine Einmischung des Hl. Stuhls nicht mehr zu. Erst 1870, nach der Stärkung des päpstlichen Ansehens durch die Außerstreitstellung der Unfehlbarkeit des römischen Bischofs ex cathedra11 , wohl aber auch gedrängt durch die verschiedenen Vorstöße auf dem Ersten Vatikanischen Konzil zugunsten einer Erneuerung des Völkerrechts durch die Kirche und den Hl. StuhP 8 , bietet wieder ein Papst in einem großen internationalen Konflikt seine Vermittlung an: Pius IX. schreibt- allerdings vergeblich- am 22. Juli 1870 an Kaiser Napoleon 111. und König Wilhelm I. von Preußen, um den Ausbruch des deutsch-französischen Kriegs zu verhindern11 • Die zweite Phase setzt dann tatsächlich mit der Betrauung Leos XIII. zur Beilegung der Karolinenfrage zwischen dem Deutschen Reich und Spanien 1895 ein; sie dauert heute noch fort. Die erste Phase ist dadurch gekennzeichnet, daß der Papst grundsätzlich als Vermittlerkraft seiner geistlichen Autorität tätig wird. Dadurch ist auch, vor allem im Mittelalter, häufig verfahrensmäßig ein Übergang von der Vermittlung zur Schiedsgerichtsbarkeit gegeben. Denn es wird in der kirchlichen Doktrin allgemein anerkannt, daß der Hl. Stuhl, wenn seinem Vermittlungsvorschlag nicht Folge geleistet wird, seine Entscheidung auch autoritativ auferlegen kann. Eine gute Zusammenfassung dieser Lehre findet sich in der spanischen Scholastik der Neuzeit. Vitoria sagt in seiner Darstellung De Potestate Ecclesiae2°, daß der Papst jeder18 Bei Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), s. 39. 17 Vgl. die Dogmatische Konstitution über die Kirche Pastor aeternus vom 18. Juli 1870, Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum (33. Aufl. 1965), Nos. 3050 ff., S. 595 ff. 18 Kreise innerhalb und außerhalb der Kirche suchten vom Konzil eine Darlegung der völkerrechtlichen Grundsätze zu erlangen. Hieher zählt vor allem Urquharts Protestant's Appeal to the Pope, das Postulatum der armenischen Hierarchie und die Postulata von vierzig Konzilsvätern vom 10. Februar 1870, in denen von einer "äußersten Notwendigkeit, jene Teile des kanonischen Rechts, welche die Rechte der Völker betreffen, und alle jene Grundsätze, welche bestimmen, ob Krieg eine Pflicht oder ein Verbrechen ist, autoritativ zu verkünden", gesprochen wird. Vgl. dazu Eppstein, The Catholic Tradition of the Law of Nations (1935), S. 130 und 132; vgl. auch Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), S. 299 ff.; und ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung. Bd. II, 1789 - 1899, Erstes Stück 1789 - 1870 (1929), der das I. Vatikanum ausführlich behandelt. 19 Vgl. den Text des Schreibens an Wilhelm I. bei Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), S. 319, wo auch eine deutsche Übersetzung (S. 319 - 320); ibid., S. 320- 321, auch das Antwortschreiben Wilhelms vom 30. Juli 1870. 20 V,13.
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zeit einschreiten könne, wenn Fürsten gegeneinander Krieg zu führen beabsichtigen (und zwar wegen des damit verbundenen Schadens für die Religion)21 ; sollte es ihnen dann unmöglich sein, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, so stehe es dem Papst zu, den Fall kraft eigener Autorität zu beurteilen und verbindlich zu entscheiden. Und Sutirez anerkennt zwar, daß ein unabhängiger Fürst nicht verpflichtet ist, sich dem Urteil anderer (Schiedsrichter) zu unterwerfen als jener, die er selbst gewählt habe, weshalb ein Schiedsgericht von den Parteien einvernehmlich bestellt werden müsse22 , nimmt von dieser Regel die christlichen Fürsten aber insoweit aus, als er dem Papst das Recht zuspricht, kraftseiner direkten Gewalt in weltlichen Dingen den Kriegsgrund zu prüfen und den Fall für die Parteien verbindlich zu entscheiden23 •
Sutirez, der im Zeitalter der Gegenreformation lebte, war sich allerdings bewußt, daß es die Glaubensspaltung den Päpsten nicht immer möglich oder tunlieh sein ließ, in weltliche Streitigkeiten einzugreifen24 • Sutirez antizipierte mit diesem Hinweis bereits jene hundert Jahre später Wirklichkeit gewordene Entwicklung, in der die Spaltung der Christenheit im 16. Jahrhundert "die Desorganisation Europas, das führerlose politische Gleichgewicht der Mächte" 25 herbeigeführt hatte. Diese erste Phase päpstlicher Friedenstätigkeit geht zu Ende, als sich mit der Erschöpfung in den Religionskriegen die Glaubensspaltung im Abendland vorläufig (und bisher endgültig) durchsetzt und gleichzeitig durch das Anbrechen des Zeitalters der Aufklärung die religiöse Substanz überhaupt gerade in den führenden Schichten beeinträchtigt wird. Besonders das 18. Jahrhundert, dessen Philosophie das Christentum mehr und mehr als einen bloßen Appendix der Moral betrachtet, die herrschende Kreise es als nützlich als Ordnungsfaktor im Inneren, aber ohne Bedeutung für das internationale Geschehen ansetzen ließ, hatte keinen Platz mehr für eine Friedensfunktion des Hl. Stuhls, die sich auf die Stellung des römischen Bischofs als Oberhaupt der (katholischen) Christenheit stützte. In der zweiten Phase päpstlicher Friedenstätigkeit gründet diese daher nicht mehr ausschließlich oder überwiegend in dieser spezifisch religiösen 21 Vgl. auch die Relectio de Indis li, 16. Eine Zusammenstellung der einschlägigen Stellen bei Eppstein, The Catholic Tradition of the Law of Nations
(1935), s. 161 ff., 164 ff.
De Caritate: De Bello, Sect. VI, 6. Ibid., Sect. li, 5. 24 Manchmal, so sagt er ibid., stehen die Päpste davon ab, ihre Autorität geltend zu machen, damit daraus nicht noch größeres Unheil erwachse. 25 Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), S. 40, nach Lammasch, Die Lehre von der Schiedsgerichtsbarkeit (1914) ("Der große Kulturrückschlag zeigt sich auch auf diesem Gebiet, immer seltener wird das Schiedsgericht, bis es endlich fast ganz aus der Praxis der Staaten verschwindet"), und Schücking, Die Organisation der Welt (1909), S. 51. 22
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Qualität des Papsttums. Das Europa von 1885, jenes Jahres, in dem Bismarck Leo XIII. um Beilegung des Karolinenstreites20 ersuchte, war bereits weltanschaulich pluralistisch, politisch liberal, mit starken laizistischen Tendenzen. Der - vergleichsweise sanfte - Konflikt zwischen Kirche und Staat in Österreich, der deutsche und der Schweizer Kulturkampf, vor allem auch das Ende des Kirchenstaates, waren diesem Ersuchen vorausgegangen, der französische Kirchenkampf kündigte sich bereits an. Wenn der Kanzler des Deutschen Reiches dennoch nicht zögerte, sich an den Papst um Vermittlung zu wenden, dann nicht, weil er ihm ein Recht zugestanden hätte, in die internationalen wie in die internen Fragen eines Staates einzugreifen, stammt doch von Bismarck die Idee, die Rechtmäßigkeit eines zum Papst Gewählten von der Zustimmung der Mächte abhängig zu machen27 • Es war vielmehr das große moralische Ansehen, welches das Papsttum auch bei den Nichtkatholiken genoß, das moralische Gewicht, das eine religiöse Macht auch dann besitzt, wenn sie mit religiös Andersdenkenden oder Indifferenten konfrontiert wird, die Idee einer uneigennützig und damit international unparteiisch wirkenden Kraft, welche Grundlage der Friedenstätigkeit des ID. Stuhls seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert geworden ist. Der Papst- nicht als oberster Herr, aber - als einvernehmlich zum internationalen Schiedsrichter Eingesetzter, war das nicht eine Lösung für die verschiedenen Pläne zur Verwirklichung der Idee einer organisierten Staatengemeinschaft28? Kein Geringerer als William Pitt hatte diesen Gedanken bereits 1794 gegenüber dem Bischof de Conzie von Arras ausgesprochen: "I believe that a common bond should hold us all together. The Pope alone can hold this central position. His authority, temporarily weakened by unfortunate circumstances, can very easily recover the prestige it has lost. Rome alone is able to speak with complete impartiality 18." n In diesem Streitfall ging es um die territoriale Souveränität der Karolinen, die von Spanien beansprucht, aber vom Deutschen Reich und von Großbritannien 1875 bestritten wurde. Durch einen Vertrag vom 22. Oktober 1885 zwischen Spanien und dem Deutschen Reich wurde um die Vermittlung Papst Leos XIII. in diesem Streitfall gebeten. Der Vermittlungsvorschlag des Papstes vom 25. Oktober 1885, der Spanien die territoriale Souveränität zusprach, aber dem Deutschen Reich weitgehende wirtschaftliche Rechte einräumte, wurde von beiden Streitparteien durch das Römer Protokoll vom 17. Dezember 1885 angenommen. Vgl. Götz, "Karolinen-Streit", WV II (2. Aufl. 1961), S. 203 ff. Weitere Hinweise hinsichtlich der einschlägigen Dokumente bei Stuyt, Survey of International Arbitrations 1794 - 1970 (1972), No. 141 (S. 146). 27 Vgl. dazu oben, Erster Teil, Zweites Kapitel, IV, A, 3, a. 28 Zur Idee der zwischenstaatlichen Organisation und ihrer Geschichte, vgl. den Überblick bei Verdroß, Völkerrecht (5. Aufi. 1964), S. 25 ff. Vgl. auch für frühere christliche Überlegungen hiezu DeZos, "Le problerne de l'autorite internationale d'apres les principes du Droit public chretien et les publicistes espagnols du XVIe siecle", 34 RGDIP (1927), S. 505-519. 28 Bei Eppstein, The Catholic Tradition of the Law of Nations (1935), S. 192.
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Diese Auffassung kommt auch in dem Dankschreiben des Fürsten Bismarck an Papst Leo XIII. vom 13. Jänner 188630 - nach glücklicher Beilegung des Karolinenstreites- zum Ausdruck. Darin heißt es: "... Votre Saintete a dit dans sa lettre[31] que rien ne repond mieux d la nature du Pontificat que la pratique des oeuvres de paix. C'est par cette meme pense
que j'ai ete guide en priant Votre Saintete cfaccepter le noble emploi cfarbitre du differend pendantentre l'Allemagne et l'Espagne, et en proposant au gouvernment espagnol de nous en remettre de part et d'autre a la decision de Votre Saintete. La consideration du fait que les deux nations ne se trouvent pas dans
une situation analogue par rapport d l'Eglise, qui vem!re en Votre Saintete son chef supreme, n'a jamais affaibli ma ferme confiance dans l'elevation des vues de Votre Saintete qui m'assurait la plus juste impartialite de son verdict ...82"
Ist so zum Ausdruck gebracht, daß die Konfessionsverschiedenheit keine Ursache ist, die Unparteilichkeit des Hl. Stuhls anzuzweifeln, so wird dies noch dadurch unterstrichen, daß Großbritannien, also ein weiteres- und zwar überwiegend- protestantisches Land, das seit zwei Jahrhunderten keinen direkten offiziellen Kontakt mit dem ID. Stuhl mehr unterhalten hatte 33 , sich nicht bloß bereit fand, die vom Papst vorgeschlagene Regelung im Karolinenfall auch sich selbst gegenüber gelten zu lassen, sondern selbst auf eine solche Einbeziehung drängte34 • Sie kam schließlich auch durch ein zwischen Großbritannien und Spanien am 8. Jänner 1886 abgeschlossenes Protokoll zur Ausführung36 • Die Bedeutung des ID. Stuhls als Institution zur Aufrechterhaltung des Friedens zeigte sich auch 1894 im Grenzstreit zwischen Ekuador und Peru, wo der ID. Stuhl gemeinsam mit Kolumbien eine erfolgreiche Vermittlertätigkeit ausüben und wahrscheinlich einen Krieg zwischen den beiden Staaten verhindern konnte38 • 30 Bei Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), S. 334. 31 Leo XIII. hatte Bismarck nach der Regelung der Karolinenfrage für dessen Förderung einer päpstlichen Streitbeilegung ein Anerkennungsschreiben übersandt und ihm den Christusorden verliehen. 32 Hvhbg. vom Verf. 33 d. h., seit der Zeit Jakob II.; vgl. Taswell-Langmead, English Constitutional History (11. Auft. 1960), S. 438 ff. Dies bedeutet nicht, daß es nicht zumindest während des 19. Jahrhunderts bereits inoffizielle Kontakte gegeben hätte. Vgl. oben, Drittes Kapitel, V, 1. 34 Vgl. das Schreiben Minister Eldnayens an den englischen Geschäftsträger in Madrid über die Ausdehnung der Abmachungen des Suluprotokolls auf die Karolinen- und Pelew-Inseln vom 24. November 1885: " ... in consequence of the acceptance of the propositions formulated by His Holiness the Pope as mediator, you state that you have received instructions from your Government to declare that they are disposed to extend the same recognition as the German Government to the sovereignty of Spain over the archipelago in question ..." Bei Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten
(1927), s. 326- 327. 35 Vgl. ibid., S. 333. 30 Vgl. Stuyt, Survey of International Arbitration (1972), No. 149 (S. 154), mit
weiteren Literatur- und Quellenhinweis dortselbst. 30 Köck
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Die Auffassung von Wert und Gewicht päpstlicher Vermittlungs-bzw. schiedsgerichtlicher Tätigkeit läßt sich gut am Beispiel des Kubakonflikts von 1898 zeigen, wenngleich es dort schließlich zu überhaupt keinem päpstlichen Eingreifen kam. Kuba war des letzte bedeutende Stück des spanisch-amerikanischen Kolonialreiches, das sonst schon zwischen 1811 und 1823 verlorengegangen war3 7• Mehrfache Aufstände konnten im Laufe des 19. Jahrhunderts nur mühsam niedergeschlagen werden. Mit dem 1895 neuerlich ausgebrochenen Aufstand sah sich Spanien aber einer besonderen Situation gegenüber, weil die expansionistisch ausgreifenden VSt danach trachteten, Spanien ganz aus Kuba zu verdrängen und sich dort selbst einen entscheidenden wirtschaftlichen und politischen Einfluß zu verschaffen. Es war klar, daß Spanien nicht in der Lage sein würde, sich in einem Krieg gegen die USA zu halten, andererseits stand aber zu befürchten, daß eine freiwillige Aufgabe Kubas einen Umsturz in Spanien selbst nach sich ziehen würdeas. In dieser Situation ergriff die Deutsche Reichsregierung die Initiative und regte einen päpstlichen Schiedsspruch an39 • Dabei geht der deutsche Staatssekretär im Auswärtigen Amt, von Bülow, einerseits von der hohen "Autorität des Schiedsrichters" aus, "welche nirgends in der Welt widerspruchsloser anerkannt wird als in Spanien", andererseits weist er auf den politischen Vorteil einer derartigen päpstlichen Aktion hin: sie "würde dann die Verantwortung der Regentin decken und die der Monarchie drohenden Gefahren auf ein Minimum reduzieren" 40 • Diese hohe Autorität des Hl. Stuhls geht auch aus folgendem Passus des soeben mehrfach zitierten Schreibens hervor: "Der wesentliche Vorteil eines päpstlichen Schiedsspruches würde weniger in dem Inhalte der Entscheidung als in dem Umstand zu sehen sein, daß jene Entscheidung, wie schon bemerkt, im Hinblick auf die Autorität des Richters für das monarchische System Spaniens nicht die bedenklichen Folgen haben dürfte, welche sonst von einer weitgehenden spanischen Konzession kaum zu trennen wären41 ." Vgl. Verosta, "Die Geschichte des Völkerrechts", S. 71. Vgl. das Telegramm des Staatssekretärs im deutschen Auswärtigen Amt, Bernhard von Bülows, an den preußischen Gesandten beim Hl. Stuhl, Otto von Bülow, Die Große Politik XV (1924), S. 14- 16, No. 4128. Bei Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), S. 35 ff. 38 Vgl. die Mitteilung Staatssekretär von Bülows an den deutschen Botschafter in Wien, zu Eulenburg, über die Möglichkeit eines päpstlichen Schiedsspruches im Kuba-Streit, Die Große Politik XV (1924), S. 10- 12, No. 4125: "Das Wiener Kabinett ist jedenfalls bei seinen intimen Beziehungen zur spanischen Regierung wie zur Kurie besser als wir in der Lage, den Wert und Nutzen des Schiedsspruchgedankens zu beurteilen. Ein anderes Mittel, Spanien zu Hilfe zu kommen, sehen wir nicht, insbesondere halten wir mit Rücksicht auf die Politik von Frankreich, Rußland und England eine außerordentliche Sonderaktion des Dreibundes für undurchführbar." Bei Müller, ibid., S. 349 f. 40 Vgl. ibid. 41 Ibid.; Hvhbg. vom Verf. 37 38
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In diesem Sinne beauftragte von Bülow wenig später den preußischen Gesandten beim Vatikan, über den damals zufällig in Rom weilenden Fürstbischof von Breslau, Kardinal Kopp, beim Hl. Stuhl bekanntzugeben, "daß vor etwa vierzehn Tagen, als die Beziehungen zwischen Spanien und Amerika sich zuspitzten, von hier aus nach verschiedenen Richtungen hin der Gedanke des päpstlichen Schiedsspruches angeregt und als diejenige Lösung empfohlen worden ist, welche die Verantwortung der Krone Spaniensam meisten decken würde. Der Vorteil dieses Schiedsspruches würde nach diesseitiger Ansicht nicht in dem Inhalt desselben, sondern in der Person des Schiedsrichters liegen, gegen dessen Entscheidung niemand in Spanien, abgesehen vielleicht von den Sozialisten, sich auflehnen würde"4 2• Hatte Bülow die Friedensautorität des ID. Stuhls als in der Welt widerspruchslos anerkannt bezeichnet, so war dies eine ihm selbst bewußte Übertreibung; einer Zustimmung der VSt zu einem entsprechenden päpstlichen Schritt war er sich nämlich nicht sicher. "Ob Amerika den Schiedsrichter annehmen würde, ist freilich zweüelhaft, die amerikanischen Bischöfe würden dabei mitzuwirken haben[43 ], das katholische Element ist im amerikanischen Kongreß sehr mächtig. Vielleicht wäre es auch möglich, durch die amerikanischen Bischöfe vor formeller Annahme des päpstlichen Schiedsrichters eine Fühlung zwischen Rom und Washington herzustellen, hinsichtlich des Inhalts des Schiedsspruchs"." Tatsächlich ging es der Deutschen Reichsregierung gar nicht um eine echt schiedsgerichtliche Beilegung der Kuba-Krise, sondern um eine päpstliche Vermittlung, die lediglich die äußere Form eines Schiedsspruches haben sollte, wie sich aus weiteren Instruktionen für den preußischen Gesandten beim Hl. Stuhl ergibt45 • Der Gesandte konnte 42 Aus dem Telegramm des deutschen Staatssekretärs an den preußischen Gesandten beim Vatikan über die Frage eines päpstlichen Schiedsspruches, vom 26. März 1898, Die große Politik XV (1924), S. 14, No. 4227. (Hvhbg. im Orig.) Bei Mii.Uer, ibid., S. 351. 43 Tatsächlich kam es zu einem Friedensappell durch den Erzbischof von Baltimore, Kardinal Gibbons, anläßlich seiner Predigt am Palmsonntag 1898. Vgl. im Oss. Rom. vom 22. April 1898 unter dem Titel "L'E.mo Gibbons e la pace". (Bei Mii.Her, ibid., S. 351, Anm. 3.) 44 Vgl. das in Anm. 42 genannte Telegramm.- Damit mutete der deutsche Außenstaatssekretär dem Hl. Stuhl allerdings eine besondere diplomatische Wendigkeit zu, wenn man in Rechnung stellt, daß er zuvor (vgl. das Anm. 39 zit. Schreiben an Eulenburg) davon ausgegangen war, daß, "soviel hier bekannt, ... jedoch sowohl der Heilige Vater wie der Kardinalstaatssekretär Ihrer Majestät der Königin-Regentin wohlgewogen [ist]. Man darf annehmen, daß die päpstliche Entscheidung zwar nicht ohne Berücksichtigung der gegenwärtigen tatsächlichen Lage, immerhin aber in einem für Spanien möglichst günstigen Sinn erfolgen würde". Das heißt doch nicht mehr und nicht weniger, als dem Hl. Stuhl eine Aufgabe zuzuschanzen, die er unmöglich erfüllen konnte, nämlich zwei unversöhnliche Streitparteien mit seinem Vorschlag zu befriedigen. Letztlich ist eine päpstliche Vermittlung ja auch an der Unvereinbarkeit dieser Lösungen gescheitert. 45 Vgl. das Telegramm des deutschen Staatssekretärs im Auswärtigen Amt an den preußischen Gesandten beim Hl. Stuhl vom 27. März 1898, Die Große
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schon zwei Tage später mitteilen48 , daß der ID. Stuhl wegen der Zuspitzung der Lage zwischen Spanien und den VSt bereits durch einen hohen kirchlichen Würdenträger in Washington interveniert habe. Was die Frage einer offiziellen päpstlichen Aktion anlange, so habe Kardinalstaatssekretär Rampolla angefragt, welche Aufnahme die deutsche Anregung bei den Streitparteien gefunden hätte. Bereits am darauffolgenden Tag konnte der Gesandte dann nach Berlin melden, Rampolla habe ihm mitgeteilt, Papst Leo XIII. nehme zwar "auch seinerseits lebhaftes Interesse an der Erhaltung des Friedens und der spanischen Monarchie", halte es jedoch nicht für möglich, daß die spanische Regierung in die Abtretung Kubas einwillige. Man werde jedoch den Nuntius in Madrid anweisen, in dieser Richtung zu sondieren, um gegebenenfalls "dem, wie [man] glaubt, von anderen Mächten geteilten diesseitigen Wunsch [nach Vermittlung bzw. Schiedsspruch] zu entsprechen" 47 • Der Hl. Stuhl war also grundsätzlich bereit, zur Erhaltung des Friedens die Vermittlungsfunktion zu übernehmen, gleichzeitig bestand er aber auf "strenger Geheimhaltung" 48 • Der Gedanke, die Kubakrise durch Eingreifen des ID. Stuhls beizulegen, mußte aber alsbald fallengelassen werden, weil die spanische Regierung nicht bereit war, in eine Abtretung Kubas zu willigen49 • Darüber hinaus war auch die amerikanische Regierung wenig geneigt, eine solche Vermittlung des Hl. Stuhls anzunehmen50 ; vielmehr war sie sich bewußt, aus einer Politik der Überlegenheit heraus den Kubakonflikt entscheiden zu können. Erwägt man die Gründe für das Scheitern der Idee einer päpstlichen Friedensaktion im Kuba-Fall, so drängen sich vor allem zwei Punkte Politik XV (1924), S. 14 - 16, No. 4128. Bei Müller, Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten (1927), S. 351 ff. 48 Telegramm des preußischen Gesandten beim Hl. Stuhl an das Auswärtige Amt über die Unterredung mit Kardinalstaatssekretär Rampolla vom 29. März 1898, Die Große Politik XV (1924), S. 17, No. 4131. Bei Müller, ibid., S. 353. 47 Telegramm des preußischen Gesandten beim Hl. Stuhl an das Auswärtige Amt über die Friedensbemühungen des Papstes, Die Große Politik XV (1924), S. 17 - 18, No. 4232. Bei Müller, ibid., S. 354. 48 Vgl. ibid. 49 Vgl. das Telegramm des deutschen Staatssekretärs im Auswärtigen Amt an Kaiser Wilhelm II. in Hornburg über die Friedensbemühungen des Madrider Nuntius Francisca-Nava di Bontife vom 4. April 1898, Die Große Politik XV (1924), S. 19, No. 4134. Bei Müller, ibid., S. 355. 50 Vgl. das Telegramm des deutschen Botschafters in Washington, von Holleben, an das Auswärtige Amt über die Aussichten der päpstlichen Vermittlung vom 7. April1898, Die Große Politik XV (1924), S .21, No. 4138: .,Auf Mediation des Papstes wird hier nicht viel gegeben, eine direkte Vorstellung desselben bei der heisigen Regierung hat auch nicht stattgefunden und würde vermutlich eine üble Wirkung ausgeübt haben, dagegen wird man dem Papst dankbar sein, wenn er die spanische Regierung zur Nachgiebigkeit und die Insurgenten zur Annahme eines Waffenstillstandes veranlassen wollte."
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auf. Zum einen stellen die Vereinigten Staaten hinsichtlich ihrer offiziellen Beziehungen zur katholischen Kirche und dem ID. Stuhl einen Sonderfall dar 51 • Ein päpstliches Eingreifen wäre damals weder der Regierung noch großen Teilen der amerikanischen öffentlichen Meinung erwünscht gekommen, es hätte vielmehr als Einmischung betrachtet werden können. Zum anderen darf eine politische internationale Situation zu Ende des vorigen Jahrhunderts nicht mit den Augen einer Generation betrachtet werden, die in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und in der Angst vor einem dritten lebt. Der Friede wurde damals zwar als ein Gut angesehen, aber keineswegs als ein so hohes Gut wie heute. Kriege wurden in gewissen Kreisen - auch ideologisch und selbst moraliEch - als für einen Fortschritt der Menschheit notwendig betrachtet. Nicht von ungefähr scheiterte 1899 und 1907 der Versuch, auf den Raager Friedenskonferenzen zu einer allgemeinen Abrüstung mit obligatorischer (Schieds-)Gerichtsbarkeit zu kommen5!, Das Scheitern des Plans päpstlicher Friedensbemühungen in der KubaKrise um 1898 hat daher nur wenig mit dem Umstand zu tun, daß es gerade der ID. Stuhl gewesen wäre, dem die Vermittler- (bzw. Schiedsrichter-)Tätigkeit zufallen sollte. Keineswegs hing es aber mit der Auffassung zusammen, daß der ID. Stuhl, weil er 1870 seiner territorialen Basis beraubt worden war, kein geeignetes Subjekt zur Ausübung einer solchen Friedenstätigkeit im internationalen Bereich sei. Ein solches Argument ist im Zusammenhang mit dem gesamten Fall- wie auch mit anderen Fällen jener Zeit- überhaupt nicht vorgebracht worden. Bevor wir die weitere Entwicklung der päpstlichen Friedensfunktion darstellen53 , wenden wir unsihrer zweiten Ausformung, der Schiedsgerichtsbarkeit, zu. 4. Die kirchliche Tradition der Beilegung von Streitigkeiten im friedlichen Weg ist in der Bibel54 grundgelegt. Die Kirchenväter haben hiefür ebenfalls zahlreiche Stellen anzubieten, von denen jene des hl. Augusti-
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"magis est gloriae ipsa bella occidere verbo quam homines ferro" 55 Bei Müller, ibfd., S. 355 f. Vgl. dazu unten, Dritter Teil, Zehntes Kapitel, I. 53 Zur Friedenstätigkeit des Hl. Stuhls vor dem ersten Weltkrieg vgl. auch Jarrige, La condition internationale du Saint-Siege (1930), S. 270. u Jaeger, 11 diritto nella Bibbia. Giustizia individuale e sociale nel'Antico e nel Nuovo Testamento (1960). Daneben mag die römische Tradition einen Einfluß auf die späteren kirchlichen Theorien des Westens bzgl. des bellum iustum gehabt haben. Ältere Ausprägungen dieser Wurzel bei Hausmaninger, " ,Bellum iustum' und ,iusta belli causa' im älteren römischen Recht", 11 (NF) ÖZöR (1961), s. 335 ff. 55 Bei Eppstein, S. 149. st
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6. Kap.: Die besondere Fried;ensfunktion des Hl. Stuhls
die wohl bekannteste ist. Augustinus wird auch als Vater der Lehre vom belZum iustum angesehen5e - der Kehrseite der Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung; er stellte hiefür drei Voraussetzungen auf, die später in der Scholastik aufgegriffen57 und schließlich auf sieben vermehrt wurden58. Diese Lehre vom gerechten Krieg fand ihren Ausbau in der Scholastik der Neuzeit und ist von da an Gemeingut der katholischen Doktrin geblieben59 • Während aber das Mittelalter mit der relativ verbreiteten Anerkennung der Autorität des ID. Stuhls als Schiedsrichter eben mehr an diesen Fragen des bellum iustum interessiert war - das Zeitalter der Kreuzzüge forderte deren juristische Rechtfertigung60 - , bringt es gerade die verminderte Autorität des ID. Stuhls, die sich im Gefolge des großen abendländischen Schismas61 und im Nachwehen der Konziliaris58 Vgl. De Civitate Dei I, 21: (Fälle, in denen die Tötung von Menschen nicht das Verbrechen des Mords in sich schließt), (vgl. Augustinus I, Bibi. KV. 1911). 57 Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theolog., Secunda Secundae, qu. 40 (De bello), bes. Art. 1 (Utrum bellare semper sit peccatum). 58 Nämlich (1) iusta causa: Abwehr eines rechtswidrigen Angriffes oder Durchsetzung eines rechtmäßigen Anspruchs, (2) necessitas: Krieg als einziges Mittel zur Erreichung des genannten Zieles; (3) vorangehende Androhung und Kriegserklärung; (4) auctoritas suprema: nur die souveräne Gewalt ("qui in terris superiorem non recognoscit") ist zur Kriegsführung berechtigt; geht es um die Verteidigung religiöser Rechte, muß auch die Zustimmung der Kirche vorliegen; (5) Gilterabwägung: Oberwiegen der durch den Krieg zu erwartenden Vorteile über die durch ihn notwendig hervorgerufenen Schäden; (6) intentio recta: der Krieg muß auf die Herstellung eines gerechten Friedens gerichtet sein; (7) Verhältnismäßigkeit von anzuwendender Gewalt und angestrebtem Ziel. Vgl. die Zusammenstellung bei Eppstein, The Catholic Tradition of the Law of Nations (1935), S. 93, und die dort angegebenen Stellen. 59 Regout, La doctrine de la Guerre Juste de Saint Augustin a nos jours d'apres les Theologiens et les Canonistes Catholiques (Paris 1935). Hervorragend dokumentiert; nennt vier Perioden: Augustin - 12. Jhd., Decretum Gratiani - 16. Jhd., Vitoria und Molina, 17. Jhd. bis heute. Weist darauf hin, daß die ersten Laienvölkerrechtler (darunter Grotius) sich von den Theologen und Moralisten haben inspilieren lassen, welche so in hervorragender Weise zum modernen VR beigetragen haben. Vgl. auch Scheuner, "Naturrechtliche Strömungen im heutigen VR", 13 ZaöRV (1950/51), S. 556- 614, aufS. 592- 593: "Die Bedeutung der neuthomistischen Naturrechtslehre, die auch in Deutschland heute eine starke Vertretung besitzt, für die Völkerrechtsentwicklung darf nicht unterschätzt werden. Ihr Beitrag zur Lehre vom gerechten Krieg, ihre Tradition des Eintretens für die Gleichheit aller Menschen und Völker auch im kolonialen Bereich, vor allem ihr klares Bekenntnis zu über den Staaten stehenden höheren Geboten und zu der Einheit der Völkergemeinschaft in der Gemeinsamkeit des Rechts üben einen stillen aber. nachhaltigen Einfluß aus. Er wird verstärkt durch dje Tatsache, daß die diplomatische Aktivität der römischen Kurie ebenso wie 3. Die kurz darauf stattgefundene Wahl PaceHis zum neuen Papst (Pius XII.) war dann erneuter Anlaß für den GS des VB, an den Apostolischen Nuntius in Bern ein Telegramm zu richten und ihn zu bitten, den neuen Oberhirten der katholischen Kirche - "aux pieds duquel je depose tres respectueux hommage" - seine aufrichtigen und lebhaften Glückwünsche zu übermitteln254 • Am darauffolgenden Tag antwortete Bernardini in einem Danktelegramm255 und konnte dann in einem Schreiben vom 14. März 1929 256 auch noch den Text eines weiteren Danktelegramms übermitteln, das Msgr. Montini vom Staatssekretariatnamens des neugewählten Papstes an den GS des VB weitergeleitet haben wollte 257 • Schließlich sei noch der Telegrammaustausch berichtet, der zwischen dem Sekretariat des VB und der Apostolischen Nuntiatur in Bern aus Anlaß des Hinscheidens Kardinal Magliones erfolgte. Maglione war von 1920-1926 Nuntius in Bern, später dann in Paris gewesen und von Pius XI. zum Kardinal kreiert worden258 • Pius XII. berief ihn 1939 zu seinem ersten (und einzigen) 259 Staatssekretär26°. Da er als Nuntius in Bern die ersten offiziellen Fäden zwischen dem HL Stuhl und dem VB angeknüpft hatte, nahm der GS per interim des VB sein Hinscheiden zum Anlaß, um Msgr. Bernardini sein tiefempfundenes Beileid auszudrücken und ihn zu bitten, dies auch an das Staatssekretariat weiterzuVgl. ibid. SVAT CITTA DEL VATICANO 1791 3413 1700. 253 LN Arch. 1933- 1946: 50/3'7112/1831 (R 5699) II. 254 Vgl. LN Arch. 1933- 1946: 50/37448/37448 (R 5805) I. 255 Vgl. LN Arch.1933 -1946: 50/37448/37448 (R 5805) II. 256 No. 5679; ibid., No. III. 257 "Sa Saitete Pie XII tres touche de l'hommage de profonde veneration exprime par Secretaire General Societe des Nations le remerde tres sincerement. (Signe) Montini." 25 8 Vgl. de Marchi, Le nunziature apostoliche dal 1800 al 1956 (1957), S. 248; auch Wuestenberg, "Luigi Kardinal Maglione, Staatssekretär Pius XII. 1939 bis 1944", Die Außenminister der Päpste (hrsg. von Sandfuchs, 1962), S. 124 ff., undS.127. 259 Pius XII. amtete in der Folge als sein eigener Staatssekretär. mit zwei Pro-Staatssekretären. 260 Vgl. Wuestenberg, "Luigi Kardinal Maglione", S. 128. 251
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684 10. Kap.: Die Teilnahme des HI. Stuhls an den Friedensorganisationen
leiten261 • Bemardini dankte mit einem Telegramm vom 24. August 1944262 und konnte am 14. September 1944 in einem weiteren Schreiben an den interimistischen GS263 den Dank Pius' XII. für die Sympathiebezeugungen in Zusammenhang mit dem Hinscheiden Magliones aussprechen. Aus dem dargestellten Schriftwechsel geht hervor, daß sich zwischen dem Hl. Stuhl und dem VB spätestens ab dem Amtsantritt des zweiten GS, Avenols, jene Beziehungen formaler Natur entwickelten, wie sie grundsätzlich zwischen intemationalen Organisationen und solchen Mächten, mit denen auch sonst Beziehungen sachlicher Art üblich sind, entstehen. Diese von der Courtoisie diktierten Beziehungen haben, wie gezeigt wurde, bis in die allerletzte Zeit des VB gedauert. Es muß allerdings in Betracht gezogen werden, daß nicht sicher ist, inwieweit nicht der Niederschlag solcher Beziehungen auch schon für die Zeit des ersten GS nur deswegen nicht im Archiv des VB zu finden ist, weil die entsprechenden Papiere aus dem Besitz Drummonds verlorengegangen sind. Sollten solche Beziehungen aber zu dieser Zeit nicht bestanden haben, so bedeutet dies nicht, daß der erste GS den Hl. Stuhl (oder die Apostolische Nuntiatur in Bern als jene Stelle, über die die Traktanden zwischen dem Staatssekretariat und dem Sekretariat des VB fallweise abgewickelt wurden) im Vergleich zu den Staaten unbedingt diskriminieren wollte. Aus der von Ghebali angestellten Studie "Les delE~gations permanentes aupres de la Societe des Nations" 264 geht nämlich hervor, daß Drummond als Berufsdiplomat geradezu eine Abneigung dagegen besaß, sich am Sitz des VB eine Art diplomatischen Korps entwickeln zu lassen oder mit den Staatenvertretern in Beziehungen ähnlicher Natur zu treten, wie sie in Staaten, wo sie sonst akkreditiert sind, zwischen ihnen und den Außenämtem bestehen265 • Aus diesem Grund hat er ganz bewußt unterlassen, mit den für den Verkehr mit ihm zuständigen Delegationen jene Kontakte zu unterhalten, die sonst im Verhältnis zu diplomatischen Vertretern üblich sind. Dies hat unter den gegebenen Umständen natürlich auch für die Nuntiatur in Bern gegolten, im besonderen, wenn man in Rechnung stellt, daß dieselbe ja nicht als eine offizielle Vertretung des Hl. Stuhls zum VB zu betrachten war, sondern nur als eine Art Clearing-Stelle für den Verkehr zwischen den beiden Institutionen. Aus dem Fehlen entsprechender Aktenstücke im Archiv kann daher noch nicht beschlossen werden, daß sich das Sekretariat des VB unter 281 282 263
Vgl. LN Arch. 1933- 1946: 50/42534/1831 (R 5700) I. Vgl. ibid., No. II. No. 24116; ibid., III.
264 Les missions permanentes aupres des organisations internationales I (hrg. von Viratly, 1971), S. 24 ff. 265 Ghebali spricht geradezu von einer "hostilite du Secretariat vis-a-vis des delegations permanentes"; ibid., S. 96.
II. Der Hl. Stuhl und der Völkerbund
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dem ersten GS dem ID. Stuhl bzw. seinem Vertreter in Bern gegenüber besonders abweisend verhalten hätte. 2. Relativ spät, nämlich zu Beginn der dreißiger Jahre, entschloß man sich im Vatikan auch zum Ankauf von VB-Dokumenten, und die Amministrazione speciale della Santa Sede richtete ein entsprechendes Ansuchen an den Service des publications des VB 266 • Das Comite des publications teilte dem genannten Service mit267 , daß es in seiner Sitzung vom 28. Mai 1931 das Ersuchen der vatikanischen Behörde in Erwägung gezogen und beschlossen habe, dieser eine Ermäßigung von 25 Prozent über den für Käufe in Italien gewöhnlichen Diskont hinaus zu gewähren268 • Aus dem Dossier ergibt sich nicht, inwieweit das Geschäft zustande gekommen ist. Daß der Vatikan aber auch weiterhin Interesse für Publikationen des VB nährte, geht aus einem anderen Dossier269 hervor. So muß u. a. das Staatssekretariat die Vertragssammlung des VB, die LNTS, laufend angeschafft haben, denn mit einem vom 5. August 1936 datierten Schreiben an den Directeur desservicesdes distributions de la Societe des Nations in Genf dankte Msgr. Montini für die Übersendung von Band CLVIII dieser Reihe und ersuchte gleichzeitig, weitere Sendungen an Msgr. Tardini zu adressieren, der kürzlich an Stelle von Msgr. Ottaviani zum Substituten des Staatssekretariats ernannt worden sei270 • Darüber hinaus bestand seit dem Jahr 1934 auch eine regelmäßige Korrespondenz zwischen der Bibliothek des VB und der Biblioteca Apostolica V aticana, welche auch während des Krieges nicht abriß und in der man sich gegenseitig um Unterstützung bei der Auftindung bestimmter Werke oder um Übersendung einzelner Exemplare ersuchte271. Das letzte Schreiben, welches in dieser Angelegenheit die VB-Bibliothek verließ, ist mit 11. November 1946 datiert und zeigt an, 288 Vgl. ein unter LN Arch. 1928 - 1932 zu 19/28622/28622 (R 3522) einliegendes Schreiben vom 1. Mai 1931, das das Ansuchen an das Comite des publications weiterleitete. 287 Durch eine vom 29. Mai 1939 datierte Mitteilung. 288 Der Service des publications teilte seinerseits in einem Schreiben vom 5. Juni 1931, gezeichnet mit van der Vekene, den Inhalt des genannten Beschlusses der Amministrazione speciale della Santa Sede mit und schlug gleichzeitig vor, dieser Behörde weitere einschlägige Dokumente und Periodika zum Preis von 800 Schweizer Franken für die Zeit von 1919- 1930 abzulassen. Vgl. ibid. 268 LN Arch. 1933- 1946: 19/25111/25111 (R 5561). 27 0 Vgl. ibid. Die Kenntnisnahme der Anschriftenänderung wurde in einem Antwortschreiben bestätigt. 271 Für den VB führte der Stellvertretende Leiter der Bibliothek, BreychaVauthier, für die Biblioteca Apostolica Vaticana deren Präfekt, Msgr. Albaredo, die Korrespondenz. Vgl. LN Arch. 1933 - 1946: 19/12123/12123 (R 5541).
686 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
daß es noch Monate über die offizielle Auflösung der Organisation hinaus dauerte, bis diese alle Agenden an die entsprechenden Einrichtungen der VN übergeben hatte, und daß die Beziehungen zwischen den beiden genannten Bibliotheken so ausgezeichnet waren, daß man bis zuletzt bestrebt war, den Kontakt aufrechtzuerhalten. 111. Der Hl. Stuhl und die OVN A. Die vom BI. Stuhl während des zweiten Weltkriegs zum Problem der institutionellen Friedenssicherung eingenommene Position
1. Es war Pius XI. nicht vergönnt, die Welt unter seinem Anruf zum Frieden1 sich eines Besseren besinnen zu sehen, aber es blieb ihm erspart, selbst den endgültigen Ausbruch des zweiten Weltkriegs mitzuerleben. Sein Staatssekretär seit 1930, Eugenio Pacelli2 , war als Papst Pius XII. noch keine sechs Monate im Amte, als mit dem deutschen überfall auf Polen am 1. September 1939 der Krieg in Europa ausbrach. Von da an galten alle Bemühungen des HL Stuhls auf internationaler Ebene der baldigen Herbeiführung einer Beendigung des Kriegs und der Erzielung eines gerechten und dauerhaften Friedens3 •
Schon das erste große Rundschreiben während des Krieges, die am 24. Oktober 1939 erschienene Enzyklika Summi pontificatus4, begnügte sich aber nicht damit, die Völker zum Frieden und zu einem Leben in Eintracht aufzurufen, sondern unterstrich, daß neben der inneren Umkehr der Menschen und Völker auch eine stabile internationale Friedensordnung geschaffen werden müsse, damit die Einhaltung des Völkerrechts und das Wohlverhalten in der internationalen Gemeinschaft nicht von der Willkür der einzelnen Staaten abhänge, sondern durch eine festgelegte Ordnung mit entsprechenden Vorschriften für internationale Verfahren, sei es zur Umgestaltung der RechtsVgl. oben II, C, Anm. 130 - 132. Vgl. Leiber, "Eugenio Kardinal Pacelli, Staatssekretär Pius' XI. 1930 - 1939", Die Außenminister der Päpste (hrg. von Sandfuchs, 1962), S. 109 ff. 3 Alle Anstrengungen müßten nun gerichtet sein, führte Pius XII. in seiner Ansprache an den neuen belgiseben Botschafter am 14. September 1939 aus, "vers la conclusion d'une paix honorable pour tous, en conformite avec la conscience humaine et chretienne, une paix qui protege les droits vitaux de chacun et qui sauvegarde la securite et la tranquillite des nations". Off. franz. Text in 31 AAS (1939), S. 367 ff.- "Ober die Friedenstätigkeit des Hl. Stuhls im zweiten Weltkrieg vgl. die von Blet, Martini und Schneider hrg. Reihe Actes et Documents du Saint-Siege relatifs a la Seconde Guerre Mondiale (1965 ff.), bisher 8 Bde. Dazu Verosta, "Weltpolitik und WeltpastoraL Bemerkungen zur vatikanischen Aktenpublikation März 1939 bis August 1940", Festschrift für Hans Schmitz I (1967), S. 382 - 395. 4 31 AAS (1939), S. 481 - 509. 1
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III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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lage, sei es zum Vorgehen gegen einen Angreifer, gesichert werde5 • Diese Organisation sollte nach den Auffassungen Pius' XII. negativ auf den Gedanken des Gewaltverzichts, positiv aber auf das göttliche und natürliche Recht gegründet sein, die Unabhängigkeit der großen und kleinen Staaten gewährleisten, die Einhaltung frei geschlossener Verträge erzwingen und die Freiheit und Würde der menschlichen Person schützen'. Es ist darauf hingewiesen worden7 , daß der Hl. Stuhl damit schon wenige Wochen nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges in klarer Weise seine eigene Haltung zur künftigen Weltorganisation umriß. Tatsächlich ist auch in den genannten päpstlichen Äußerungen alles Notwendige über den Zweck, den Geist und die Mittel einer solchen zukünftigen Organisation ausgesagt8 • Ihr Ziel sollte die Sicherung einer gedeihlichen 5 Die Enzyklika dient der Darlegung der Vorstellungen des Hl. Stuhls von einer zukünftigen Friedensordnung, wie sie später in der traditionellen Lehre des Hl. Stuhls niedergelegt ist, ist aber gleichzeitig auch Ausgangspunkt für immer konkretere Formulierungen dieser Lehre, wie sie in den in der Folge zu besprechenden Dokumenten ihren Niederschlag finden wird. Vgl. Ares, L'Eglise catholique et l'organisation de la societe internationale contemporaine (1949), s. 29. 8 Vgl. dazu die Ansprache Pius' XII. an den neuen Gesandten Haitis vom 10. November 1939, 31 AAS (1939), S. 675. Ibid., S. 29 f. 7 So von Ares, L'Eglise catholique et l'organisation de la societe internationale contemporaine (1939 - 1949) (1949), S. 30. 8 "Le troisit~me paragraphe", schreibt de la Briere, "Le programme pontifical de la pacification des peuples", Etudes vom 5. Februar 1940, S. 326-327, "nous met en presence de l'organisation elle-meme de la communaute internationale. Les institutions de cet ordre sont devenues pratiquement et moralment indispensables pour bonnir un individualisme anarchique de la vie internationale, pour proeurer la collaboration au bien commun que requiert, entre les nations, l'interdependance de la civilisation contemporaine et pour parer au peril de conceptions abusives, arbitraires, unilaterales dans la confection et l'interpretation des contrats internationaux. De telles institutions, remarque Pie XII, faisant allusion a la Societe des Nationset aux organismes connexes, ne sont pas des nouveautes encore inedites dans notre univers d'aujourd'hui. Sans pouvoir contester l'utilite multiple de leur objet, beaucoup sont frappes des deceptions resultant de l'inefficacite de leurs efforts dans leurs tentatives les plus importantes. Pie XII estime que, dans les demarches qui ne manqueront pas d'etre accomplies au retour de la paix, pour un meilleur et plus solide amenagement des institutions internationales, on devra tirer judicieusement parti des lacunes et des defectuosites qui se sont revelees a cet egard dans les experiences anteneures de la vie internationale. Relevons que le langage de Pie XII tend a favoriser une reforme serieuse et desiderable de la Societe des Nations, mais en pouvant conferer a cet organisme une physionomie nouvelle, maniere a ne pas susciter de prime abord une opposition irreductible de la part des Etats qui, comme l'Italie, professe une animosite persistante contre les actuelles institutions de Geneve. L'allocution pontificale, tout en recommendant ainsi la reorganisation de la Societe des Nations dans un esprit facile a discerner, se garde bien de prendre position des maintenant sur aucun article defini de la deliberation internationale a envisager ... Attitude d'autant plus sage que la Puissance pontificale, repudiant aucune opportunite concevable de cooperation (par le dehors) avec l'organisme de Geneve, demeure fermement resolue a ne point figurer elle-meme au nombre des participants de la Societe
688 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen Entwicklung der Menschheit in einem stabilen Frieden, das Mittel hiezu die Wahrung und Durchsetzung des Rechts gegen jeden Staatmächtig oder unbedeutend- sein; und die ihr zugrundeliegende Weltanschauung sollte vom Bild eines Menschen ausgehen, der seine eigene und die gemeine Wohlfahrt in Freiheit unter den natürlichen Gesetzen Gottes wirkt9 • 2. Mit dem ersten Kriegsjahr (1939) begann Pius XII. auch eine neue Tradition, nämlich die der großen W eihnachtsansprachen, die fortan Jahr für Jahr den periodischen Anlaß boten, die Auffassungen des Oberhaupts der katholischen Christenheit zu wichtigen Fragen zum Ausdruck zu bringen. In der Ansprache vom 24. Dezember 1939 10 stellte Pius XII. ein Fünfpunkteprogramm für einen zukünftigen Frieden auf. Ein solcher, so führte der Papst aus, erfordere stets erstens die Anerkennung des Rechts auf Existenz und auf Unabhängigkeit jedes Volkes, zweitens schrittweise Abrüstung auf der Basis gemeinsamer Vereinbarungen11 und drittens die Schaffung einer internationalen Organisation, die sich auf das Völkerrecht gründet und in der Lage ist, eine Einhaltung, aber nötigenfalls auch eine Revision der internationalen Verträge zu garantieren; dann viertens eine umfassende Prüfung der bestehenden Lage unter dem Gesichtspunkt der wahren Bedürfnisse und der gerechten Anliegen der Völker und Minderheiten; schließlich das Bewußtsein, daß es zu dieser internationalen Erneuerung auch eines neuen Geistes bedürfe, eines Sinnes für Gerechtigkeit, Verantwortlichkeit und Liebe. Was die unter drittens genannte völkerrechtliche Organisation anlangt, so legte sich der Papst in diesem Zusammenhang insofern nicht des Nations. Cette abstention est fondee sur de justes raisons, dont la plus connue demeure l'article 24 du traite du Latran." 9 Hier wird zum ersten Mal angedeutet, daß das Menschenbild, das den einzelnen staatlichen Rechtsordnungen zugrundeliegt, wesentlichen Einfluß auch auf die Entwicklung der internationalen Gemeinschaft besitzt. Pius XII. ist bald auf diesen Gedanken zurückgekommen, der zumindest formal später auch von den VN insoweit anerkannt wurde, als dieselben eine Allgemeine Erklärung der Menschenrechte proklamierten und Konventionen zwischen den Mitgliedsstaaten zum Schutze dieser Rechte erarbeiteten. Vgl. oben, Fünftes Kapitel, II. - Die Beziehungen der Staaten mit denen der Menschen untereinander vergleicht Lauterpacht, Private Law Sources and Analogies of International Law (1927), S. 81 f. 10 Italienischer Originaltext in 32 AAS (1940), S. 5- 15. 11 Wenn Pius XII. hier von "organischer" Abrüstung spricht, so ist darunter wohl zu verstehen, daß kein Staat durch Schritte zur Abrüstung und während des Prozesses derselben bis zur Erreichung der vollkommenen und allgemeinen Abrüstung gegenüber einem anderen in Nachteil geraten soll, sodaß die schrittweise Abrüstung von allen Seiten ein entsprechendes Opfer an militärischer Selbstversicherung bedeuten müsse. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, daß Pius XII. in diesem Zusammenhang die Abrüstung nicht nur für den materiellen Bereich, sondern auch für den geistigen ("dans l'ordre spirituel") fordert. Franz. Text in 41 DocCath (1940), Sp. 99 - 100. (Bei Ares, op. cit., S. 30 f.)
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fest, als er sowohl eine Erneuerung (reconstruction) des VB als auch die Schaffung (creation) einerneuen Organisation für geeignet hält, den Anforderungen zu entsprechen, wenn nur die mit dem VB gemachten Erfahrungen dem zukünftigen Neuanfang zugrundegelegt und die mangelnde Effektivität und das schlechte Funktionieren desselben vermieden würden 12 • Es verdient besonderer Hervorhebung, daß das Völkerrecht nicht als eine statische Größe und die künftige Weltfriedensorganisation nicht nur als ein bewahrender Faktor im internationalen Leben betrachtet wird, sondern daß nach dieser Auffassung die Einhaltung von Verträgen Hand in Hand gehen soll mit einer Überprüfung der gerechten Aspirationen aller Staaten, sodaß die Heiligkeit der Verträge nicht deren Unabänderlichkeit bedeutet, sondern vielmehr die Verpflichtung in sich schließt, dieselben den jeweils gegebenen Umständen anzupassen. Damit ist die zukünftige Friedensorganisation nicht als retardierendes Element konzipiert, welches trotz mühsamer Anstrengungen den Ausbruch internationaler Konflikte bei einem Zugroßwerden zwischenstaatlicher Spannungen nicht verhindern kann, sondern als Instrument einer bewußten und verantwortlichen Weiterentwicklung des Völkerrechts bzw. der völkerrechtlichen Rechte und Pflichten der Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft13 • Den Fünf Punkten von Weihnachten 1939 stellte Pius XII. in seiner Weihnachtsansprache vom Jahr 1940 14 "vier Siege" gegenüber, die die Völker über sich selbst davontragen müßten, um eine wirklich neue und menschlichere Weltordnung zu begründen: den Sieg über den Haß, den Sieg über das Mißtrauen, den Sieg über das blinde Vertrauen auf die Gewalt und den Sieg über den Egoismus. Wenn diese Siege errungen seien, dann sei der Weg frei für eine brüderliche Zusammenarbeit zwischen den Völkern, die ihren Ausdruck in rechtlicher und wirtschaftlicher Solidarität finden werde. Dann folgt ein Aufruf des Papstes, der 12 Die Fünf Punkte der Weihnachtsansprache Pius' XII. von 1939 haben eine ausführliche Kommentierung erfahren bei de la Briere in den Etudes vom 5. Februar 1940; vgl. oben, Anm. 8. Dieses Programm Pius' XII. wurde von den Spitzen der großen christlichen Bekenntnisse des VK in einem von der Times am 21. Dezember 1940 veröffentlichten Brief, in dem sie bestimmte Prinzipien religiöser und moralischer Natur als Grundlage für ein soziales und internationales Leben aufstellten, ausdrücklich als Kumulierung dieser ihrer Prinzipien gewertet. Der Brief ist von den anglikanischen Erzbischöfen von Canterbury und York, sowie vom katholischen Erzbischof von Westminister und vom Moderator des Rates der Freikirchen gezeichnet. Vgl. Ares, op. cit., S. 32, Anm. 1. 13 Die Funktion der zukünftigen Weltorganisation im Prozeß des progressive development of intemational law geht daher ihrer Idee nach weder auf den Einfluß eines marxistischen Geschichtsbildes auf die SVN noch auf das praktische Drängen von Staaten der Dritten Welt auf Verwirklichung ihrer Aspirationen zurück, sondern ist schon in der christlichen Völkerrechtslehre von der organischen Entwicklung der internationalen Gesellschaft enthalten und findet in der genannten Weihnachtsansprache Pius' XII. ihren aktuellen Ausdruck. 14 Vom 24. Dezember, 33 AAS (1941), S. 5 - 14.
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690 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen als indirekte Aufforderung an die Kriegführenden angesehen werden kann, zu erklären, daß sie bereit seien, für die Wiederherstellung der grundlegenden Rechte des Menschen und der Staaten zu sorgen, welche moralisch und rechtlich als unveränderlich angesehen werden müßten15 • In diesem Zusammenhang ist die Erklärung von Bedeutung, die der Präsident der VSt, Roosevelt, fünfzehn Tage später, am 6. Jänner 1941, abgab und für die Zukunft eine Welt forderte, die auf vier wesentlichen menschlichen Freiheiten gegründet sei: der Meinungsfreiheit, der Religionsfreiheit, der Freiheit von Mangel und der Freiheit von Furcht. Noch bedeutsamer war, daß diese vier Freiheiten zur Grundlage eines Dokuments wurden, welches selbst wiederum als ideologisches Fundament der künftigen Weltorganisation betrachtet werden kann: der Atlantic Charter vom 14. August 194116 • Darin proklamierten der amerikanische Präsident und der britisChe Premier Churchill unter Zif. 8 das Streben nach der Schaffung eines umfassenden und dauerhaften Systems allgemeiner Sicherheit unter Verzicht auf Gewaltanwendung und Bereitschaft zur Abrüstung17• Wenn daneben die Zusammenarbeit aller Natiotionen auf wirtschaftlichem Gebiet18 und ein Friede, der allen Nationen die Möglichkeit gibt, innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu leben, und die Gewähr dafür bietet, daß alle Menschen in allen Ländern frei von Furcht und Mangel leben können19 , gefordert wird, so erfüllt das darin entworfene Modell einer künftigen Gemeinschaft die wesentlichen Bedingungen, die der ID. Stuhl in den Weihnachtsansprachen von 1939 und 1940 im Zusammenhang mit der künftigen Friedensordnung gestellt hat20 • Pius XII., dessen allgemeine Vorstellungen über einen zukünftigen Frieden und die einzurichtende internationale Ordnung ihre Entsprechung in einer so grundlegenden Erklärung zweier Hauptkriegsführender-mit dem japanischen Überfall auf Pearl Rarbor am 7. Dezember 1941 traten auch die VSt in den Weltkrieg ein- gefunden hatte, ging schon in seiner Weihnachtsansprache von 194121 daran, seine Auffassung über die zukünftige Ordnung zu präzisieren, indem er sie von verschiedenen mit ihr unvereinbaren Verhaltensweisen abgrenzte: unvereinbar mit der neuen Ordnung sei die Verletzung der Freiheit, der Bei Ares, op. cit., s. 32 ff. Vgl. dazu oben, Fünftes Kapitel, Il.- Der Text in 35 AJIL (1941), Supplement, Dokumententeil S. 191. 17 Vgl. ibid. 1 & Vgl. ibid., Zif. 5. n Vgl. ibid., Zif. 6. 20 Vgl. Ares, op. cit., s. 33 f. 21 Vgl. den italienischen Originaltext in 34 AAS (1942), S. 10- 21. Diese Weihnachtsansprache war die erste, die nicht vor dem Kardinalskollegium gehalten, sondern via Radio an alle Welt gerichtet wurde. 16
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Integrität und der Sicherheit anderer, auch schwacher Nationen, die Unterdrückung nationaler Minderheiten, das egoistische Anhäufen wirtschaftlichen Reichtums, die Ausrüstung für und die Vorbereitung eines neuen totalen Krieges, und schließlich die religiöse Verfolgung. Darüber hinaus nahm Pius XII. die Gelegenheit zum Anlaß, um abermals die Einrichtung einer internationalen Institution zu fordern, welche die treue Einhaltung von Verträgen bzw. deren Überprüfung und Abänderung "nach den Grundsätzen des Rechts und der Billigkeit" zu garantieren habe22 • Solange allerdings der Krieg währte und ein Ende desselben nicht abzusehen war, bestand auch keine Hoffnung darauf, daß sich die Auffassungen des Hl. Stuhls bezgl. einer künftigen gerechten Friedensordnung bald in die Wirklichkeit umsetzen lassen würden. Auch Pius XII. kam erst in seiner Weihnachtsansprache von 1943 wiederum auf das Problem der Friedensorganisation zurück, zu einer Zeit also, als am allüerten Sieg nicht mehr zu zweifeln war. Inzwischen allerdings hatten bereits am 7. Oktober 1943 die obersten katholischen, protestantischen und jüdischen Würdenträger der VSt eine gemeinsame Erklärung über den Weltfrieden- Statement on a Just Peace- herausgegeben, in welchem u. a. eine internationale Organisation zur Weiterentwicklung des Völkerrechts, zur Wahrung und wenn nötig Revision internationaler Verpflichtungen und zur Sanktionierung von Verstößen gegen die internationale Ordnung gefordert wird 23 • Auch die katholische Bischofskonferenz der VSt legte im November 1943 ein Dokument vor, das den Titel Essentials of a Good Peace trägt und sich weitgehend auf die vom Hl. Stuhl in der Enzyklika Pius' XII. Summi Pontificatus2 4 dargelegten Grundsätze stützt. Ausdrücklich wird darin die Auffassung unterstrichen, daß eine internationale Organisation zur Wahrung des Weltfriedens und zum Zwecke gegenseitiger Unterstützung "in full harmony with the divine plan of human solidarity" sei25 • Indem Pius XII. in seiner Weihnachtsansprache 1943 wiederum auf dieses Thema, auf die internationale Organisation, die notwendig sein werde, um den internationalen Frieden zu erhalten und eine sinnvolle Vgl. Ares, op. cit., S. 34 f. "An enduring peace requires the organization of international institutions which will (a) develop a body of internationallaw, (b) guarantee the faithful fulfilment of international Obligations, and revise them when necessary; (c) assure collective security by drastic limitation and continuing control of armaments, compulsory arbitration and adjudication of controversies, and the use when necessary of adequate sanctions to enforce law." America (1943), S.14- 15. Bei Ares, op. cit., S. 37, Anm. 3. 24 Vgl. oben, Anm. 4. 25 Vgl. Catholic Action vom Dezember 1943, S. 3-5. (Nach Ares, L'eglise catholique et l'organisation de la societe internationale contemporaine [1949], S. 37, Anm. 3.) 22 23
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692 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu erreichen, zurückkommt, verbindet er damit eine Warnung an die präsumtiven Siegermächte. Der wahre Friede, so führt der Papst aus, ist nicht das mathematische Ergebnis eines entsprechenden Kräfteverhältnisses, sondern eine moraIlsche und rechtliche Tat. Daher müsse der zukünftige Friede das Recht schützen und verteidigen und dürfe es nicht beschränken oder unterdrücken. Dies bedeute aber, daß das zukünftige Friedenswerk eine Gemeinschaftsarbeit und ein Ausdruck der Eintracht zwischen jenen Völkern sein müßte, die jetzt im Krieg miteinander lägen, ein Werk, das jedem Volk, welches sich seiner notwendigen Verbindung mit der Gemeinschaft aller anderen Staaten bewußt sei, die Möglichkeit biete, sich in würdiger Weise am zukünftigen Werk des Wiederaufbaus der Organisation zu beteiligen, ohne sich selbst zu verleugnen oder zu zerstören26 • Letztlich spielt hier der Papst auf die Erfahrungen mit der Pariser Friedenskonferenz und dem VB an, weil letzterer u. a. deswegen nicht in der Lage war, sich das Vertrauen aller Staaten und des Hl. Stuhls zu erwerben, da er in Verbindung mit einem Friedenswerk stand, das nicht bloß von Seiten der besiegten Staaten, sondern auch vom Hl. Stuhl als ein Diktat und ein Verstoß gegen die Grundsätze eines wahren Friedens bezeichnet worden war. Wiederum spricht der Papst die Ansicht aus, daß man - wenn man den Krieg durch einen dauerhaften Frieden beenden wolle - nicht ein Friedenswerk schaffen dürfe, das primär dazu bestimmt sei, die besiegten Staaten auf lange Sicht wehrlos zu halten, sondern danach trachten müsse, ihnen in der zukünftigen Ordnung einen solchen Platz einzuräumen, daß sie dieselbe gerne annähmen und weder einen sachlichen noch einen psychologischen Grund hätten, auf Revanche zu sinnen. Voraussetzung hiefür ist aber, daß man die Frage, wer in dem durch den Frieden zu beendenden Kriege Sieger, wer Besiegter ist, als Kriterium für die Teilnahme und die Rolle bei der künftigen Friedensorganisation ausscheide27 • 3. Mittlerweile nahm der Plan dieser Organisation mehr und mehr Gestalt an. Schon am 29. Dezember 1943 hatte das US-State Department unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem VB Präsident Roosevelt einen Possible Plan for a General International Organization vorgelegt, der in der Folge durch die Postulates, Principles and Proposals for the International Law of the Future2 8 ergänzt wurde; diese auf Anregung Hudsons 29 unternommene fast zweijährige, von zweihundert 20
Radioansprache an die Welt vom 24. Dezember 1943; ital. Originaltext in
26 AAS (1944), S. 11 - 24. Vgl. ibid., S. 39.
27 Vgl. Ares, ibid.- Tatsächlich haben die VN diesen Rat des Hl. Stuhls nicht angenommen; Art. 107 SVN macht vielmehr ausdrücklich Vorbehalte gegenüber Feindstaaten des zweiten Weltkriegs, die sich bei gegen sie ergriffenen Maßnahmen nicht auf die Satzung berufen können. 28 Text in 38 AJIL (1944 Suppl.), Dokumententeil, S. 41 f.
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auf dem amerikanischen Kontinent ansässigen Juristen und Publizisten durchgeführte Arbeit wurde in abgeänderter Form den Vorverhandlungen zwischen den Regierungen der Alliierten zugrundegelegt30 • In diesen Grundsätzen für ein Völkerrecht der Zukunft wird die Existenz einer zwischenstaatlichen Gemeinschaft und die Notwendigkeit, sie zu organisieren, bejaht; für eine solche Organisation wird die Superiorität des Völkerrechts, die Beschränkung der staatlichen Souveränität und die Solidarität aller Staaten bei der Durchsetzung ihrer Ziele reklamiert. Vom 21. August bis zum 28. September/7. Oktober 1944 tagte inl Dumbarton Oaks die Konferenz der Bevollmächtigten der Hauptkriegführenden (der VSt, Großbritanniens und der Sowjetunion bzw. Chinas) und entschied, daß eine internationale Organisation gegründet werden solle, welche neben der Friedenssicherung auch weitere Zuständigkeiten auf wirtschaftlichem sowie sozialem Gebiet erhalten sollte. Die am 9. Oktober 1944 veröffentlichten Dumbarton Oaks Proposals31 wurden nach Genehmigung durch die Regierungen der Hauptkriegführenden jenen Staaten, die die Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Jänner 194232 unterzeichnet hatten, als Viermächtevorschlag zur Gestaltung einer Weltorganisation zugeleitet. Auf diese Besprechungen in Dumbarton Oaks nahm Pius XII. in seiner Radioansprache an die Welt vom 1. September 194433 zum fünften Jahrestag des Ausbruchs des Krieges in Europa unmittelbar Bezug. Alle Völker, so führte der Papst aus, sehnten sich nach Frieden; es sei aber zu hoffen, daß die Architekten, welche nun den Plan für das künftige Gebäude einer Weltorganisation entwürfen, die bedauerlichen Fehler der Vergangenheit vermieden und Lösungen fänden, die nicht dem göttlichen Recht, dem menschlichen Gewissen und der christlichen Moral widersprächen. Der Papst drückte seine besten Wünsche für ein gutes Gelingen des in Angriff genommenen Werkes aus und gab der Hoffnung Ausdruck, daß eine neue Ära anbrechen werde, in welcher jede Nation, die den Frieden liebe- möge sie groß oder klein sein-, ihren entsprechenden Anteil an den Rechten und Pflichten habe und so an den Wohltaten einer wahren Zivilisation teilnehme. Pius XII. 29 Amerikanischer Völkerrechtler, Hrg. der Sammlung multilateraler Verträge International Legislation, 9 Bde. (1931 - 1950). 30 Vgl. dazu Wehberg, "Die Vorschläge der 200 amerikanischen Juristen und Publizisten und die Empfehlungen von Dumbarton Oaks", 44 Die Friedenswarte (1944), S. 369 ff. 31 Vgl. dazu Hudson, "An Approach to the Dumbarton Oaks Proposals", 39 AJIL (1945), S. 95 ff.; Kelsen, "The Old and the New League: The Convenant and the Dumbarton Oaks Proposals Viewed Against Recent Experience in International Organization", 39 AJIL (1945), S. 103 ff. Der Text der Dumbarton Oaks Proposals in UNCIO III (1945}, S. 1 ff. 32 Vgl. 36 AJIL (1942), S. 191 (Dokumententeil). 33 Vgl. den ital. Originaltext in 36 AAS (1944), S. 249 - 258.
694 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen sprach in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch von künftigen Siegerstaatenund jenen, die zu den Besiegten gehören würden, und forderte auch für letztere den gleichen Anteil am zukünftigen Friedenswerk, der den ersteren zufallen sollte3 4 • Im Lichte der Erfahrungen von über einem Vierteljahrhundert Praxis der OVN gesehen ist es nicht schwer zu erkennen, daß die Vorschläge von Dumbarton Oaks nicht in jeder Beziehung den Vorstellungen des Hl. Stuhls von der künftigen internationalen Friedensorganisation entsprochen haben. Ohne diese Erfahrungen und in Anbetracht der Tatsache, daß verschiedene Fragen, die später eine für das reibungslose Funktionieren nachteilige Lösung finden sollten35 , in Dumbarton Oaks noch nicht gelöst, sondern auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden waren, war es durchaus möglich, diese Vorschläge als einen Fortschritt auf internationaler Ebene zu begrüßen. So ist es auch erklärlich, daß Papst Pius XII. in seiner Weihnachtsansprache 194436 denselben eine Würdigung widerfahren ließ, die im Lichte der nachfolgenden Ereignisse als zu optimistisch erachtet werden muß37 • Daß die Auffassung des Hl. Stuhls von der Form der zukünftigen Friedensorganisation ungewandelt war, zeigen alle jene Teile der Ansprache, die sich auf die Anwendung des demokratischen Prinzips in der internationalen Gemeinschaft und auf die Rechte dieser Gemeinschaft gegenüber den Einzelstaaten beziehen. Dieser neue Staatenbund müsse danach trachten, die Fehler und Mängel früherer Lösungsversuche zu vermeiden, und der Geist einer gesunden internationalen Demo34 Vgl. Ares, L'eglise catholique et l'organisation de Ia societe internationale contemporaine (1949), S. 41. Alles in allem scheint man beim Hl. Stuhl mit den Dumbarton Oaks Proposals zufrieden gewesen zu sein, wie sich aus folgender Passage der Papstansprache ergibt: "Noi volontieri esprimiamo il Nostro compiacimento e formuliamo l'augurio ehe Ia sua concreta attuazione corrisponda veramente nella piu larga misura all'altezza del fine ehe e il mantenimento a vantaggio di tutti, della tranquilita e della sicurezza del mondo." 35 Wie etwa das Abstimmungsverfahren im SR. Die Yalta Voting Formula band, von der politischen Vorstellung einer kollektiven Führung der Welt durch die Großmächte ausgehend, das Zustandekommen eines (nicht eine bloße Verfahrensfrage betreffenden) Beschlusses an deren Zustimmung. Vgl. statt vieler Schlochauer, "Jalta-Konferenz von 1945", WV II (2. Aufl. 1961), S. 164. 36 Vom 24. Dezember; ital. Originaltext in 37 AAS (1945), S. 10 - 23. 37 Der Krieg, so führte Pius XII. in seiner Ansprache aus, sei noch nicht beendet, aber schon hätten sich die Regierenden auf verschiedenen Konferenzen getroffen, um die fundamentalen Rechte und Pflichten festzulegen, auf deren Grundlage die zukünftige Gemeinschaft der Staaten errichtet werden solle, und einen Weg zu finden in eine bessere, sicherere und der Würde der Menschheit angemessenere Zukunft. Als besonders erfreulich bezeichnete er den bemerkenswerten Fortschritt der Projekte, die auf einen soliden und dauerhaften Frieden hindeuteten. Ohne Zweifel könne man über den Wert, die Anwendbarkeit und die Wirksamkeit dieses odere jenes Vorschlages diskutieren; aber im großen und ganzen müsse festgestellt werden, daß die internationale Gemeinschaft auf dem Weg in eine bessere Zukunft sei. Vgl. Ares, op. cit., S. 49.
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kratie fordere, daß der neuzugründende Bund eine wirklich effektive Autorität gegenüber den Mitgliedstaaten besitze, damit tatsächlich der Krieg als Mittel zur Konfliktlösung auf internationaler Ebene ausgeschlossen und die Aggression gebannt werden könne38 • Aus den ihm zur Kenntnis gelangten Dokumenten der Konferenz von Dumbarton Oaks entnähme er, daß die künftige Organisation ein Organ besitzen solle, dessen Hauptaufgabe die Wahrung des internationalen Friedens und welches mit entsprechender Autorität ausgerüstet sein werde. Der HL Stuhl begrüße eine solche Entwicklung auf das wärmste39 • Abschließend forderte der Papst nochmals, die künftige Organisation müsse so beschaffen sein, daß sie wirtschaftliche und selbst militärische Sanktionen gegen jeden Aggressorstaat erlaube 40 • 4. Bevor wir uns den Ereignissen des Jahres 1945 zuwenden und damit in die Endphase der kriegerischen Auseinandersetzung wie des Ringens um die zukünftige Friedensorganisation eintreten, mag es von Interesse sein, ein Dokument darzustellen, welches - ohne von der höchsten kirchlichen Autorität zu stammen, so doch- seinen Urheber in einem sehr bedeutenden Kreis kirchlicher Würdenträger hat und vor allem wegen seiner Ausführlichkeit im Hinblick auf die Ausgestaltung der zukünftigen Friedensorganisation eine solche Darstellung verdient. Es ist dies das Statement of International Order des katholischen 38 Hier herrscht ein klarer Anklang an die Formulierung von Art. I des Kriegsächtungspaketes vom 27. August 1928, wo es heißt: "Die Hohen Vertragsschließenden Parteien erklären feierlich im Namen ihrer Völker, daß sie den Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen und auf ihn als Werkzeug nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichten." Nach Berber, DokumenteIl (1957), S. 1676. Pius XII. dürfte diese Formulierung mit Absicht gewählt haben, um einerseits nochmals die ausdrückliche Billigung entsprechender Bestrebungen namens des Hl. Stuhls zu unterstreichen, und anderseits darauf hinzuweisen, daß selbst die feierliche Verpflichtung des nach seinen Initiatoren auch Briand-Kellogg-Pakt genannten Vertrages ohne ausreichende Garantien bzw. Kollektivsanktionen nicht in der Lage war, der Welt den Frieden zu erhalten. 39 "Le risoluzioni finora note delle comm.issioni internazionali permettono di concludere ehe un punto essenziale di ogni futuro assetto mondiale sarebbe la formazione di un organo per il mantenimento della pace, organo investito per comune consenso di suprema autorita e il cui ufficio dovrebbe essere anche quello di soffocare in germe qualsiasi minaccia di aggressione isolata e colletiva. Nessuno potrebbe salutare questa evoluzione con maggiore gaudio di chi gia da lungo tempo ha difeso il principio ehe la teoria della guerra, come mezzo adatto e proporzionato per risolvere i conflitti internazionali, e ormai sorpassata." Vgl. bei Gallina, Le organizzazioni internazionali e la chiesa cattolica (1967),
S.98.
40 Vgl. Ares, op. cit., S. 50. In der Mahnung, dies dürfe jedoch nicht bedeuten, daß damit der Fortbestand von Unrecht auf Dauer geduldet oder ein Staat in seinem Recht gekränkt werde, kommt aber auch zum Ausdruck, daß der Hl. Stuhl von der zukünftigen Organisation nicht die starre Wahrung des überkommenen, sondern die flexible Anpassung an die neu auftretenden Bedürfnisse erwartet.
696 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen Episkopats der VSt vom 16. November 194441 • Dieses Dokument setzt sich eingehend mit dem Wesen und der Funktion der zukünftigen Weltorganisation auseinander. Grundlage jeder zukünftigen Organisation müsse die Konzeption der universellen Staatengemeinschaft als einer schon bestehenden natürlichen sein, die nurmehr den neuen, komplizierteren Bedingungen der modernen Welt angepaßt werden müsse 42 • Schon nach dem ersten Weltkrieg habe man versucht, eine solche Organisation zu schaffen, doch sei diese gescheitert. Der Grund für dieses Scheitern liege aber keineswegs in den vom VB angestrebten Zielsetzungen. Der VB habe einen doppelten Mangel aufgewiesen: einerseits seien die Mitgliedstaaten nicht bereit gewesen, ihre Pflichten hinsichtlich einer Mitarbeit am Gemeinwohl zu erfüllen, anderseits habe der VB-Pakt selbst Mängel enthalten, die ihn als Instrument zur Friedenswahrung untauglich gemacht hätten. Künftighin müsse das Völkerrecht allein die internationalen Beziehungen beherrschen und die Macht dem Recht unterworfen bleiben. Das Dokument zählt dann einige "falsche Grundsätze" auf, die bei der Gestaltung der künftigen Organisation ausgeschlossen bleiben müßten: genannt wird der Grundsatz der Politik der Stärke, der Grundsatz des Gleichgewichts der Mächte, der Grundsatz der Schaffung von Einflußsphären und der Grundsatz, daß der Krieg das einzige Mittel zur Beilegung internationaler Konflikte sei. Im Gegensatz hiezu müsse die zukünftige universelle Organisation die Gleichheit aller Staaten im Rechtssinn anerkennen und auf dem Prinzip der Demokratie aufgebaut sein43 • Dies bedeute, daß auch der zukünftige Sicherheitsrat nicht zu einem Instrument imperialistischer Herrschaft der mächtigen Staaten werden dürfe. Auch vor diesem Rat müsse jede Nation in der Lage sein, ihre Ansprüche auf Grund des Rechtes und nicht auf Grund ihrer Macht durchzusetzen. Schließlich müsse auch und gerade für den Sicherheitsrat gelten, daß kein Staat Richter in eigener Sache sein dürfe. Sich von den Grundlagen zu den Funktionen der zukünftigen Organisation wendend, umreißt das Dokument deren Aufgabe als die Sicherung des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit durch die Annahme einer gemeinsamen Politik mit Rücksicht auf die Lösung gemeinsamer wirtschaftlicher, sozialer und humanitärer Probleme. 41 Engl. Text in Catholic Action (Dezember 1944), S. 3 - 5. Abgedruckt bei Ares, op. cit., S. 43 ff. 42 "There is an international community of nations. God Hirnself made the nations interdependent for their full life and growth. It is not therefore a question of creating an international community but of organizing it." Vgl. ibid., s. 44, Anm. 1. 43 "The international institution must be universal. It must seek to include, with due regard to basic equality of rights, all the nations, !arge and small, strong and weak. Its constitution must be democratic." Ibid., S. 45, Anm. 1.
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Neben der Sorge für die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen müsse die Organisation auch mit der Revision von Verträgen und damit beschäftigt sein, Völker auf einer noch wenig entwickelten Kulturstufe auf das Niveau von Vollmitgliedern der Völkergemeinschaft heranzuführen. Von der Funktion zu den Mitteln ihrer Erfüllung zu sprechen kommend, widmet ihnen das Dokument einen beträchtlichen Abschnitt. Dabei fordert es einen Weltgerichtshof44 mit obligatorischer Zuständigkeit und die Möglichkeit, gegen outlaw nations - das sind solche Staaten, die sich weigern, sich diesem internationalen Tribunal zu unterwerfen- selbst mit bewaffneter Hand vorzugehen45 • Schließlich widmet das Dokument auch dem Begriff der nationalen Souveränität noch ausführlichere Betrachtungen, und zwar im Zusammenhang mit der Zif. 7 von Kap. VIII der Dumbarton Oaks Proposals, wo von den inneren Angelegenheiten der Staaten die Rede ist46 • Dabei unterstreichen die amerikanischen Bischöfe nicht nur die traditionelle kirchliche Lehre, daß die Souveränität eines Staates in zweifacher Weise limitiert sei- nämlich durch die Pflichten gegenüber der internationalen Gemeinschaft (d. h. nach außen) und durch die Freiheit des Individuums, in die der Staat nicht eingreifen dürfe (d. h. nach innen) 47 - , sondern spricht mit bemerkenswerter Klarheit aus, daß die Regelung der inneren Angelegenheiten eines Staates eine Sache sei, die alle anderen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft in gleicher Weise angehe, weil die Ansicht falsch wäre, jeder Staat könne in beliebiger Weise die Menschenrechte seiner eigenen Bürger verletzen, ohne daß dies einen Bezug auf den internationalen Frieden hätte 48 • u "In the international organization there should be a World Court to which justiciable ddsputes among nations must be submitted. Its authority should not be merely advisory but strictly judicial." Ibid., S. 46, Anm. 1. über den Begriff des "justiciable dispute" im amerikanischen Recht im Zusammenhang mit "political questions" vgl. Baker v. Carr, 369 U. S. 186 (1962). Vgl. dazu die bei Kauper, Constitutional Law (1966), S. 44, gegebene Literatur. 45 "In the maintenance of peace it is reasonable that the organization have at its disposal resources for coercing outlaw nations even by military measures." Vgl. Ares, op. cit., s. 45, Anm. 2. 46 Vgl. dazu Preuss, "Article 2, Paragraph 7, of the Charter of the United Nations and Matters of Domestic Jurisdiction", 74 RdC (1949), S. 547 ff.; Verdroß, "Les affaires qui relevent essentiellerneut de la competence nationale d'un Etat d'apres laCharte des Nations Unies", Akrothinia Petros G. Vallindas (1966), S. 45 ff.; Köck, "Ist Art. 2 Zif. 7 SVN tot?", 22 (NF) ÖZöR (1971), S. 327 ff. 47 "The international organization must never violate the rightful sovereignty of nations ... However, national sovereignty may not be interpreted as absolving a nation from its obligations in the international community. Moreover, even within the state, national sovereignty is limited by the innate rights of men and families. Since civil authority does not confer these God-given rights is may not violate them." Vgl. ibid. 48 "The ideology of a nation in its internal life is a concern of the international community ... We hold that if there is to be a genuine and lasting world
698 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen Daher müsse jeder Staat vor allem die natürlichen Menschen-, Familienund Minderheitenrechte in bezug auf das bürgerliche und religiöse Leben respektieren. Ein Staat, dessen nationales System den eigenen Bürgern die unabdingbaren Grundfreiheiten vorenthalte, verliere auch auf der internationalen Ebene jede Glaubwürdigkeit, was die Zusammenarbeit und die Aufrechterhaltung des Weltfriedens angehe 49 • B. Die Gründung der OVN und die Haltung des m. Stuhls
Nachdem im Februar 1945 auf der Krim die letzten Uneinigkeiten zwischen der Sowjetunion und den Westmächten hinsichtlich der Gestaltung der zukünftigen Organisation ausgeräumt worden waren60 , entschlossen sich die Großmächte, für den 25. April1945 eine Konferenz nach San Francisco zu berufen, um die Satzung der neuzuschaffenden Organisation fertigzustellen 51 • In der Folge und noch vor Zusammentritt der Konferenz von San Francisco werden die ersten Stimmen bemerkbar, die sich mit dem Konzept der zukünftigen Friedensorganisation kritisch auseinanderzusetzen beginnen52 • Schon am 18. März 1945 hatte auch Pius XII. in seiner Ansprache an das Volk von Rom53 die Siegermächte davor gewarnt, die gegenwärtige Lage zu ihrem alleinigen Vorteil, aber zum Schaden der Gerechtigkeit und der der zukünftigen Friedensorganisation auszuwerten. Noch früher, nämlich schon am 23. Februar 1945, hatte die peace, the international organization should demand as a condition of membership that every nation guarantee in law and respect in fact the innate rights of men ..." Ibid. 49 "A nation which refuses to accord to its own people the full enjoyment of innate human rights cannot be relied upon to cooperate in the international community for the maintenance of a peace which is based on the recognition of national freedom. Such a nation will persue its own selfish international policies, while paying lip service to international cooperation." Ibid. 50 Vgl. Briggs, "The Leaders' Agreement of Yalta", 40 AJIL (1946), S. 376 ff.; Schlochauer, "Jalta-Konferenz von 1945", VW II (2. Aufl. 1961), S. 162 ff. 51 Vgl. ibid., S. 164. 52 Von staatlicher Seite wäre hier vor allem die Erklärung der in Mexiko versammelten lateinamerikanischen Republiken vom März 1945 zu erwähnen, die die Dumbarton Oaks Proposals für bedeutend verbesserungswürdig hält (vgl. den Text in Pour !'Organisation du Monde I [1945], S. 49- 52; nach Ares, L'eglise catholique et l'organisation de la Societe internationale contemporaine [1949], S. 52), sowie die Note der französischen Regierung vom 21. März 1945 (Text in Pour !'Organisation du Monde I [1945], S. 95), die der amerikanischen Botschaft in Paris übermittelt wurde und in der die französischen Ansichten zu den Dumbarton Oaks Proposals zusammengefaßt sind. Hierin fordert die französische Regierung eine internationale Autorität, die derjenigen der Einzelstaaten übergeordnet sein müsse, und erklärt sich um einer wirkungsvollen internationalen Weltorganisation willen bereit, selbst große Beschränkungen der staatlichen Souveränität zuzugestehen. Vgl. Ares, ibid. 53 Ital. Originaltext in 37 AAS (1945), S. 111- 115. Vgl. ibid., S. 52.
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britische Bischofskonferenz auf die Gefahr hingewiesen, daß eine Fehlkonstruktion der zukünftigen Weltorganisation den Frieden nicht zu einem dauerhaften, sondern nur zu einer Periode der Vorbereitung eines weiteren, noch viel schlimmeren Krieges machen würde 54 • Hatte sich diese Kritik mehr oder weniger auf das in Jalta geschlossene Abkommen über das Verfahren im SR55 bezogen, ohne daß Pius XII. oder die britischen Bischöfe dies deutlicher zum Ausdruck gebracht hätten, so übt das von der amerikanischen Bischofskonferenz am 15. April 1945 veröffentlichte Statement on World Peace58 , dem sich die kanadische Hierarchie am 24. April 1945 anschloß 57 , an den konkreten Plänen, wie sie den Beratungen von San Francisco zugrundegelegt werden sollten, scharfe Kritik. Dabei legt der Text schon zu einer Zeit, da die Beratungen in San Francisco noch nicht einmal begonnen hatten, den Finger auf die wunden Punkte der Vorschläge, die der Konferenz vorliegen sollten, und spricht Erwartungen bzw. Befürchtungen aus, deren Berechtigung durch die nachfolgenden Ereignisse eindringlich aufgezeigt wurde. In seinem Sinn für die Realität des internationalen Lebens und der Konkretheit seiner Vorschläge, die darauf verzichten, sich auf die Darlegung allgemeiner Grundsätze zu beschränken, ist dieses Dokument ein eindrucksvolles Zeugnis von der Fähigkeit der Kirche, durch ihre Amtsträger einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung der internationalen Gemeinschaft zu leisten. Die Kritik richtet sich insbesondere gegen den vorgesehenen Abstimmungsmodus im SR68 , die Tatsache, daß der SR gegenüber der GV eine unabhängige und damit bevorzugte Stellung hat59 , und die Existenz eines domaine reserve des The Catholic Times vom 23. Februar 1945. Vgl. ibid. Vgl. dazu oben, A, Anm. 35; dann Goodrich-Hambro-Simons, Charter of the United Nations - Commentary and Documents (3. Aufl. 1969), S. 216 f.; Kelsen, The Law of the United Nations- A Critical Analysis of Its Fundamental Problems (1951), S. 239 ff. 56 Text in Catholic Action (Mai 1945), S. 3- 5. Vgl. Ares, op. cit., S. 53 ff. 57 Erklärung des Exekutivkomitees des kanadischen Episkopats vom 24. April 1945, Le Devoir vom 3. Mai 1945, DocCath (1945), Sp. 439- 442. Vgl. ibid., Anm. 1. 58 "We fail to see that the voting procedure in the Security Council agreed upon at Yalta is consistent with the sovereign equality of peace-loving nations recognized as basic in the Dumbarton Oaks Proposals. Whatever concession may, under existing conditions, have to be made to certain nations in view of their power and corresponding responsibility, it seems inequitable and dangerous to give any nation in perpetuity a virtual veto on parity of treatment for all ... This makes the Charter give a preferred status not only to the powerful aggressor, but even to any aggressor with a powerful patron." (Quelle wie Anm. 57; zit. bei Ares, L'eglise catholique et l'organisation de la socü~te internationale contemporaine [1949], S. 54 f.) 59 Diese sei mit dem Gedanken der souveränen Gleichheit der Mitgliedstaaten nicht vereinbar. In dieser Form würde die künftige Organisation zu einer Allianz der Großmächte, die es selbst ablehnten, sich jener Autorität zu unterwerf·en, deren Anwendung sie sonst empfehlen, um andere Staaten zur Aufrechterhaltung des Friedens zu zwingen. Wenn die Bischöfe dann die Hoffnung aussprechen "that the Security Council will be made more responsible to 54
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700 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen einzelnen Staates, in den einzugreifen die Organisation nicht das Recht haben soll80 • Auf die Konferenz von San Francisco61 ist hier nicht weiter einzugehen; es muß genügen, auf die über sie bestehende umfangreiche Literatur62 und auf die edierten Dokumente63 hinzuweisen. Schon während der Konferenz zeigten sich große Bedenken unter den Teilnehmerstaaten, weil die Mängel der zu gründenden Organisation vielen Delegierten, allen voran denen aus Lateinamerika, nicht verborgen bleiben konnten64 • Neben den Stimmen, die ein Scheitern der Konferenz prophezeiten, gab es auch welche, die eine Stellungnahme des Hl. Stuhls zur Unterstützung dieses großen internationalen Unterfangens erhofften115 • the GA and, at least in time, will become merely its Executive Committee" (ibid.), so haben sie auch hier die Fähigkeit zur realistischen Einschätzung der Lage besser demonstriert als viele politische Kreise jener Zeit, was mit einem Hinweis auf die allgemeine allmähliche Verlagerung des Schwergewichts vom SR auf die GV und die wachsende Bedeutung dieses letzteren Organes leicht zu demonstrieren ist, wenn man nur beispielshalber an die Resolution Uniting for Peace von 1950 (dazu Sohn, Cases on United Nations Law [2. Aufl. 1967], S. 491 ff.) oder die wachsende Bedeutung der GV vor allem seit der Zunahme der Zahl der Staaten der Dritten Welt denkt. Vgl. dazu Köck, "Die Revision der Verfassungsinstrumente der Vereinten Nationen im Lichte der Bestrebungen der Staaten in Übersee", 4 VRÜ (1971), S. 269 ff. Diese Staaten, von der Geltendmachung ihres Einflusses im SR weitgehend ausgeschlossen, haben die GV und deren Unterorgane (UNCTAD, UNIDO) zu jenem Forum gemacht, in dem sie ihren Wünschen in machtvoller Weise Ausdruck geben können. 60 "Sovereign equality among the nations ... does not mean that a nation is exempt from its obligations in the international community. Even in national government, sovereignty does not include the authority to violate the inalienable rights of subjects. In all history, and particulary in modern history, dangers to world peace have come from the unjust treatment of minorities, the denial of civil and religious liberties, and other infringements on the inborn rights of men. To remove these dangers, the nations should adopt an International Bill of Rights, in which men and groups everywhere would be guaranteed the full enjoyment of their human rights." Ibid. 61 Vom 25. April bis 26. Juni 1945. 62 Vgl. Münch, "Vereinte Nationen", WV III (2. Aufl. 1962), S. 494-507 und die dort angegebene Literatur. 63 Documents of the United Nations Conference on International Organization -San Francisco 1945, 22 Bde. (1945). 64 Man vergleiche nur die lange Liste von Amendments zu den Dumbarton Oaks Proposals, die allein zum Abstimmungsmodus im SR eingebracht wurden; UNCIO XXI, S. 97. Ähnlich auch die Vorstöße zur Unterdrückung oder Beschränkung des sog. domaine reserve der Einzelstaaten (Art. 2 Zif. 7 SVN). Vgl. dazu UNCIO-Doc. 2 G/7 (n) (1), Documents of the United Nations Conference on International Organization IV (1945); UNCIO-Doc. 2 G/14 (r), ibid.; UNCIO-Doc. 1019, I/1/42, ibid., Bd. VI. 65 Vgl. dazu Cardinale, "The Contribution of the Holy See to World Peace in the Areas of Diplomacy, Development and Ecumenism", The Vatican and World Peace (hrg. von Sweeney, 1970), S. 98, wo darauf hingewiesen ist, daß "Pius XII had shown deep interest in the United Nations Organization at its very outset in 1945".
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Als eine solche Unterstützung ist die Allokution zu betrachten, die Pius XII. am 2. Juni 1945 an das Kardinalskollegium richtete66 • Die ganze Menschheit, so führte der Papst aus, folge mit höchster Aufmerksamkeit dem Fortschritt der Konferenz. Welche Enttäuschung wäre es für sie, diese Konferenz scheitern zu sehen, was bedeuten würde, daß so viele Jahre des Duldens und der Entbehrung umsonst gewesen seien, daß von neuem der Geist der Unterdrückung triumphiere, von dem die Welt geglaubt habe, sie sei ein für alle Mal von ihm befreit. Er, der Papst, wolle aber nicht den Mut verlieren und hoffe weiterhin auf einen dauerhaften Frieden. An die Sponsoren der Konferenz wandte sich Pius XII. zugunsten der kleinen Nationen mit der Mahnung, jenen nicht ein System aufzuerlegen, das sie mißbilligten, und selbst eine Hegemonie der Macht aufzurichten67 • Vergleicht man die Ergebnisse der Konferenz von San Francisco mit den Forderungen, daß die Päpste traditionellerweise und Pius XII. im besonderen an die zukünftige Friedensordnung gestellt haben, so wird man zugeben müssen, daß diese Ergebnisse hinter den Erwartungen bzw. Forderungen zurückgeblieben sind. Gab es auch 1945 noch Stimmen, die die SVN als einen großen Sprung vorwärts in der Entwicklung des internationalen Friedensorganisations-Wesens betrachteten68 , so war die Ernüchterung schon wenige Jahre später deutlich eingetreten69 • In Wahrheit besteht zwischen dem VB und der OVN kaum mehr als ein quantitativer Unterschied, sowohl, was die Zahl der Mitglieder und damit die Verwirklichung des Universalitätsgrundsatzes, als auch was die Erweiterung der Kompetenzen auf wirtschaftlichem, kulturellem und sozialem Gebiet anlangt7°. Vor allem zwei Forderungen, die immer wieder aufgetaucht sind, hat die SVN nicht erfüllt: die OVN besitzt keinerlei Kompetenz, einen Staat bei der Durchsetzung seines Rechtsanspruches zu unterstützen - es herrscht vielmehr ein undifferenziertes Gewaltverbot, das den Aggressor wie jenen, der bei Wirkungslosigkeit der in 37 AAS (1945), S. 159 - 168. Bei Ares, op. cit., S. 56. 68 Vgl. etwa Eagleton, "Convenant of the League of Nationsand the Charter of the United Nations. Points of Difference", Department of State Bulletin (19. August 1945), S. 263 ff., bei Falk-Mendlovitz, The Strategy of World Order III (1966), S. 10 ff. 89 Vgl. etwa Goodrich, "From League of Nations to United Nations", 1 International Organization (1947), S. 3 ff. 70 Nur der SR ist gegenüber dem VBR insoweit mit einer qualitativ veränderten Kompetenz ausgestattet, als letzterer lediglich Empfehlungen für Maßnahmen gegen einen Aggressorstaat erlassen konnte (vgl. Art. 16, Abs. 2 VBP), während der SR solche Sanktionen beschließen kann. (Vgl. Art. 41 und 42 SVN.) Die Praxis der OVN hat allerdings gelehrt, daß diese Kompetenz des SR durch das sog. Vetorecht nicht zum Tragen gekommen ist.- Zum SR vgl. jüngst Marschik-Neuhold, Der Sicherheitsrat. Konzept und Verwirklichung (Wien 1973). 68
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702 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen Art. 33 SVN genannten Mitteln der friedlichen Streitbeilegung zur Selbstdurchsetzung seines Rechts schreitet, trifft7 1 - , und der neugeschaffene IG ist - ebenso wie sein Vorgänger, der StiG, - nicht mit obligatorischer Zuständigkeit ausgestattet, sondern nur dann berufen, eine Entscheidung zu fällen, wenn sich ihm die Streitteile-sei es allgemein, sei es im besonderen FalF2 - ausdrücklich unterworfen haben. Die Grundforderungen des Hl. Stuhls, nämlich Herrschaft des Rechts und wirksame Sanktionen gegen den Rechtsbrecher, blieben damit (letzteres wegen des Abstimmungsmodus im SR)13 unberücksichtigt. Es ist daher nicht zu verwundern, daß die durch die Ergebnisse der Konferenz von San Francisco hervorgerufene Enttäuschung bald ihren Niederschlag in kirchlichen Dokumenten gefunden hat. Schon am 27. August hielt Pius XII. einer Gruppe amerikanischer Parlamentarier vor74, daß noch zahlreiche Siege zu erringen sein würden, bevor der Friede ernstlich gerettet sei. U. a. gelte es, den Sieg über den Haß, über das Mißtrauen, über die Vorstellung, daß Macht vor Recht gehe, über den Atheismus, über den Materialismus zu erringen 75 • In seiner Radioansprache vom 24. Dezember 194570 geht Pius XII. wiederum auf das Problem des Friedens ein, der mit der Beendigung des Krieges noch nicht eingekehrt sei; man könne zur Zeit lediglich von einem apres-guerre sprechen77 • Obwohl die Kirche davon Abstand nehme, praktische Lösungen für die gegenwärtige Malaise vorzuschlagen, könne er doch nicht umhin, drei Leitsätze vorzulegen, in denen grundsätzliche moralische Vorbedingungen eines gerechten und dauerhaften Friedens enthalten seien. Ein solcher erfordere erstens die Zusammenarbeit, den guten Willen und das gegenseitige Vertrauen aller Völker, zweitens eine Beendigung des Versuches, die öffentliche Meinung zum Spielball willkürlicher und gezielter Einflüsse zu machen, 71 Verdroß spricht in diesem Zusammenhang geradezu von einer Rechtslücke; Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 649/650. 72 Vgl. Art. 36 IG-Statut. 73 Vgl. dazu oben, Anm. 35 und 70. 74 Engl. Originaltext im Oss. Rom. vom 30. August 1945. 75 Vgl. Ares, op. cit., S. 59.- Daß es hauptsächlich die einflußreiche Rolle war, die man der Sowjetunion im SR zugestanden hatte, die den Hl. Stuhl gegenüber der neuen Organisation kritisch werden ließ, könnte sich aus der Tatsache ergeben, daß man noch um die Jahreswende 1944/45 versucht zu haben scheint, von vatikanischer Seite mit dem Kreml ins Gespräch zu kommen, was aber erfolglos geblieben war. Vgl. dazu die von Sturzo, "The Vatican's Position in Europe", 23 Foreign Affairs (1944/1945), S. 211- 221, auf S. 212- 217 angestellten Überlegungen, die er allerdings als "a personal contribution in no way authorized" verstanden haben will. 76 Ital. Originaltext in 38 AAS (1946), S. 15 - 25. 77 Schon in der für die Gläubigen Argentiniens bestimmten Radioansprache vom 28. Otkober 1945 hatte der Papst darauf hingewiesen, daß der Graben, welcher die Welt in zwei Lager teile, täglich breiter und tiefer werde. Vgl. DocCath (1946), Sp. 100. (Bei Ares, op. cit., s. 59.)
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und drittens eine Aufgabe jenes Konzeptes totalitärer Staatsauffassung, das den Menschen zu einer Figur des politischen Brettspiels und zu einer Ziffer ökonomischer Kalkulation degradiere. Vor allem die letztere Auffassung sei mit einer wahren und gesunden Demokratie unvereinbar und infiziere wie ein gefährlicher Bazillus die Völkergemeinschaft, die damit unfähig werde, die Sicherheit des einzelnen Staates zu garantieren. Um daher die dauernde Gefahr eines Krieges zu bannen, muß jede Unterdrückung und jede Willkür im nationalen wie im internationalen Bereich gebannt und die Welt zu Gott und der von ihm eingesetzten Ordnung zurückgeführt werden78 • Auch die amerikanische Hierarchie meldete sich gegen Jahresende mit einer Erklärung Between War and Peace nochmals zu Wort79 • Die Erklärung kann als Fortsetzung jener vom April 80 betrachtet werden. Nachdem darin unterstrichen ist, daß der Friede nicht mit Hilfe fauler Kompromisse erkauft werden dürfe 81 , wird scharfe Kritik an der neuen OVN geübt, die in der in San Francisco geschaffenen Form nicht die von den Umständen geforderte Organisierung der internationalen Gesellschaft, sondern bloß eine Allianz der großen Mächte darstelle, die sich selbst als über dem Völkerrecht stehend betrachten könne 82 • Trotz dieser Mängel riefen die amerikanischen Bischöfe aber nicht zum Boykott der neuen Organisation auf. Nicht sich ihr fernzuhalten, sondern an ihr teilzunehmen und sie umzugestalten, müsse das Ziel sein83 • Diese ambivalente Haltung der neuen Weltorganisation gegenüber demonstriert eine gewisse Resignation in den Kreisen des amerkanischen Episkopats vor der Tatsache, daß die Ergebnisse der militärischen Vgl. ibid., S. 61 f. Vgl. Catholic Action (Dez. 1945), Sp. 27- 28. Bei Ares, S. 59 ff. 8o Vgl. oben, Anm. 57. 81 "We must indeed aim at collaborating with all our allies in the making of a good peace. There are, however, concessions which we dare not make because they are immoral and destructive of genuine peace." Vgl. bei Ares, L'eglise catholique et l'organisation de la societe internationale contemporaine 78
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(1949), s. 60, Anm. 1.
82 " ••• The Charter which emerged from the San Francisco Conference, while undoubtedly an improvement on the Dumbarton Oaks Proposals, does not provide for a sound, institutional organization of the international society. The Security Council provisions make it no more than a virtual alliance of the great powers for the maintenance of peace. These nations are given a status above the law." Ibid., Anm. 2. 83 Dabei wird besonders auf Art. 109 SVN Bezug genommen, in welchem die Möglichkeit gegeben ist, eine Revisionskonferenz zur Änderung der Satzung einzuberufen. Vgl. dazu Köck, "Die gegenwärtigen Bestrebungen zur Änderung der SVN", 24 (NF) ÖZöR (1973), S. 271. " ... to participate in this world organization ... is better than world chaos ..." Bei Ares, L'eglise catholique et l'organisation de la societe internationale contemporaine (1949), S. 60-61, Anm.3.
704 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen Anstrengungen des zweiten Weltkriegs zur Wiederherstellung einer gerechten intemationalen Friedensordnung keinen- in vielen Augenentsprechenden Niederschlag im Abschlußdokument der Konferenz von San Francisco gefunden hatten. C. Die OVN und der BI. Stuhl
1. Die Beurteilung der OVN in kirchlichen Enunziationen 1. Anläßlich der am 10. Jänner 1946 in London beginnenden ersten Session der GV der VN hielt der Erzbischof von Westminster, Kardinal Griffin, in seiner Kathedrale einen Gottesdienst für die katholischen Delegierten, wobei er in seiner Predigt auf die Grundsätze eines wahren internationalen Friedens einging und davor warnte, die neue Organisation vom Geiste politischen Egoismus' oder einer Politik der Stärke beherrschen zu lassen. Bei einem anschließenden Empfang in seiner Residenz kam Griffin nochmals auf dasselbe Thema zurück und sprach dabei die Hoffnung aus, daß die Tatsache, daß alle Nationen den Gedanken eines weiteren Krieges verabscheuten, und darüber hinaus der Geist des Christentums unter den Delegierten zur GV stark genug sein würden, um die neue Organisation zu einem Mittel des Friedens, gleichzeitig aber auch des Kampfes gegen Neuheidentum und Totalitarismus zu machen84 •
Das Jahr 1946 war durch eine Reihe von Konferenzen zwischen den Großmächten zur Bereinigung der zwischen ihnen schwebenden Fragen, die sich aus der Beendigung des Krieges, der Gründung der OVN und der Notwendigkeit, Europa endgültig zu befrieden, ergaben, gekennzeichnet. Diese Verhandlungsrunden hatten bereits mit der Potsdamer Konferenz und dem Abkommen vom 2. August 1945 begonnen, wo dem Rat der Außenminister die Vorbereitung der F'riedensverträge mit den mit Deutschland verbündeten Staaten übertragen worden war8 5 • Auf den Konferenzen in London (September 1945) und Paris (Juli 1946) waren die Vertragsentwürfe in ihren Grundzügen erarbeitet worden, wobei sich in den Verhandlungen mehr und mehr der Ost-West-Gegensatz kundzutun begann. Da man bei den Großmächten den Anschein vermeiden wollte, Bulgarien, Finnland, Italien, Rumänien und Ungarn Verträge namens der VN aufzuerlegen, ohne auch anderen Alliierten ein Mitspracherecht gewährt zu haben, fand vom 29. Juli bis 15. Oktober 1946 8 ' Ansprache vom 27. Jänner 1946, DocCath (1946), Sp. 105 (Bei Ares, op. cit., s. 62). 85 Vgl. die Amtliche Verlautbarung über die Konferenz von Potsdam vom 2. August 1945, II (3) (I); Berber, Dokumente II (1967), S. 2291. Dazu Klafkowski, The Potsdam Agreement (1963).
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in Paris eine Friedenskonferenz86 unter Teilnahme von 21 Staaten statt, auf welcher der von den Außenministern der Großmächte festgelegte Entwurf nochmals durchberaten wurde und schließlich dann auf der New Yorker Außenministerkonferenz im Dezember 1946 seine endgültige Fassung bekam87 • Auf die Verträge, die am 10. Februar 1947 in Paris feierlich unterzeichnet wurden, kann hier nicht wertend eingegangen werden; es genügt, darauf hinzuweisen, daß sie nicht das gehalten haben, was man sich von ihnen versprach. Das gegenseitige Mißtrauen zwischen Ost und West, das schon bei den Verhandlungen deutlich zum Ausdruck gekommen war und so die Verträge von vornherein mit einer Atmosphäre umgab, die dem Geist und den Grundsätzen der VN durchaus widersprach, welche man in ihnen zu kodifizieren versuchte, hat sich ja in der Folge als nicht unberechtigt erwiesen; nach der kommunistischen Machtübernahme in Bulgarien, Rumänien und Ungarn wurden diese Verträge vielfach einseitig verletzt, ohne daß die Möglichkeit bestanden hätte, gegenüber diesen Staaten Geist und Buchstaben des Vertrages durchzusetzen88 • Angesichts dieser Entwicklung erhoben sowohl der Papst als auch die amerikanischen und die französischen Bischöfe wiederum ihre warnende Stimme. Pius XII. nahm bei jeder öffentlichen Audienz die Gelegenheit wahr, daran zu erinnern, wie notwendig die moralischen Kräfte und die Achtung des Rechtes seien89 • In seiner Weihnachtsansprache vom 24. Dezember 194690 klagte der Papst darüber, daß wiewohl der Krieg nun beinahe vorüber sei - die Hindernisse für einen Frieden sich täglich vergrößerten. Er kritisierte dann die gigantischen Anstrengungen auf dem Rüstungssektor und verglich sie mit 8 6 Lit.: Nicolson, "Peace Making at Paris", 25 Foreign Affairs (1947), S. 191 ff.; Paris Peace Conference 1946, Selected Documents (hrg. vom US State Department, 1948); von Puttkamer, "Friedensverträge von 1947", WV I (2. Aufl. 1960), s. 598-599. 87 Vgl. ibid. 88 Vgl. dazu das Rechtsgutachten des IG vom 18. Juni 1950 im Falle Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, ICJ Reports (1950), S. 221 ff. (Second Phase). 89 So legte er am 1. Juni den Kardinälen in einer Allokution die Frage vor, ob man sich nicht von einem endgültigen Frieden eher entferne, anstatt sich ihm zu nähern; je mehr sich das Papier auf den Konferenztischen anhäufe, desto mehr müssen dies auch die Hindernisse für moralisch zu rechtfertigende Lösungen. Der Papst wies dann auf die Erfahrungen des zweiten Weltkriegs hin, von denen man hätte annehmen müssen, daß sie den verantwortlichen Staatsmännern die notwendige Abscheu gegen jede Art von Gewaltherrschaft eingeprägt hätten. Dies sei jedoch eine Illusion gewesen, denn von neuem zeigte sich d'ie Gefahr, daß man seine Zuflucht zur Gewalt, zu politischem oder wirtschaftlichem Druck, kurz: zu solchen Mitteln nehme, die die Stimme des Rechts zum Verstummen bringen und die Alternative der Wiederherstellung eines gerechten Friedens vernichten würden. Vgl. 38 AAS (1946), S. 253- 260. (Bei Ares, op. cit., S. 63 f.) 90 Ital. Originaltext in 39 AAS (194'1), S. 7 - 17.
45 Köck
706 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen dem langsamen Voranschreiten auf dem Weg zum Frieden. Dann folgt ein bitterer Vergleich zwischen den in der Atlantic Charter formulierten Prinzipien91 mit jener traurigen Wirklichkeit, mit der man sich fünf Jahre später konfrontiert sehe92 • Viel von dem, was die Staatsmänner unternommen hätten, sei von zweifelhaftem Wert geblieben. Daher richte er, der Papst, an die Regierungen der Staaten eine dreifache Einladung: erstens zu einer schleunigen Rückkehr zu normalen Beziehungen zwischen den Völkern auf wirtschaftlichem, rechtlichem und geistigem Gebiet, weil die Widerstandsfähigkeit der Menschheit beschränkt sei und man andernfalls mit dem Verfall der Welt in ein Chaos rechnen müsse; zweitens zur Herbeiführung eines Friedens unter dem Siegel wahrer Gerechtigkeit, vorausschauender Weisheit und ernsthafter Hingabe an die gemeinsamen Interessen der Menschheitsfamilie als solcher93 ; und schließlich - und dies ist von besonderer Bedeutung für die Darsteilung der Haltung des ID. Stuhls gegenüber der OVN zu Anfang ihres Bestehens - hinsichtlich dieser Organisation zur baldmöglichen Revision, damit sie die ihr zugedachte Aufgabe auch tatsächlich wahrnehmen könne 94 • Während der Tagung der Pariser Konferenz gaben die französischen Kardinäle und Erzbischöfe ein Kommunique heraus96 , in welchem sie der sich in der Öffentlichkeit breitmachenden Resignation und dem wachsenden Skeptizismus gegenüber der Zukunft der internationalen Gemeinschaft entgegentraten, eine solche Haltung verurteilten und die Katholiken aufriefen, sich dafür zu verwenden, ein Klima des Vertrauens und des gegenseitigen Verständnisses zu erzeugen. Auch Kardinal Griffin ergriff im Rahmen einer "Woche der VN" wiederum das Wort, um darauf hinzuweisen, daß der Hauptfehler der neuen Organisation der Mangel an gutem Willen sei, der in den Reihen der Teilnehmerstaaten herrsche. Die Notwendigkeit, die Satzung der OVN zu verbessern, zeige sich schon darin, daß zuviele Staaten von ihr ausgeschlossen wären, und viele von jenen, die ihr angehörten, sich dort kein Gehör verschaffen könnten. Vielmehr werde diese Organisation als Plattform für mißgünstige oder haßerfüllte Propaganda benützt. Der Hauptmangel allerdings - und mit diesem Vorwurf schließt Griffin Vgl. dazu oben, A, Anm. 16. les Quatre Libertes, naguere saluees par beaucoup avec enthousiasme, ne semblent quasi plus qu'une ombre, ou une contrefa~on de ce qu'elles etaient dans l'esprit et les intentions des plus loyales parmi leurs promulgateurs." Franz. Text nach 44 DocCath (1947), Sp. 1 ff., bei Ares, L'eglise catholique et l'organisation de la societe internationale contemporaine (1949), S. 67 - 68. 88 Auf die langwierigen Konferenzen des Jahres 1946 bezugnehmend spricht Pius XII. die Hoffnung aus, daß aus ihren Verhandlungen ein klarer und vernünftiger Plan hervorgehen möge, der geeignet sei, bei allen Völkern das Vertrauen auf eine Zukunft in Ruhe und Gerechtigkeit zu erwecken. Vgl. ibid. 94 Vgl. ibid. u5 DocCath (1946), Sp. 1255 ff. 91
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an die ursprüngliche Haltung katholischer Kreise zur ersten Weltorganisation, dem VB, an - sei, daß man im Rahmen der OVN Gott nicht den Platz gegeben habe, der ihm zukomme, d. h., daß man die großen Grundsätze der Gerechtigkeit und der Liebe nicht habe entsprechend zum Tragen kommen lassen. Dazu müsse man zurückkehren, wenn man sich tatsächliche Verbesserungen erhoffe 96 • Der amerikanische Episkopat nahm die Zweite Session der GV der VN, die in New York abgehalten wurde, zum Anlaß, um mit einer Deklaration vom 15. November 1946 über den gegenwärtigen Stand der Friedensorganisation an die Öffentlichkeit zu treten97 • Zentralthema dieser Erklärung sind die Menschenrechte. Solange sich die Lenker der Staaten auf weltweiter Ebene nicht über ein gemeinsames Konzept solcher Rechte einigen könnten, werde der Weg zu einem dauerhaften Frieden verschlossen bleiben. Aus diesem Grunde fordern die amerikanischen Bischöfe, daß im Rahmen der OVN in Erfüllung der in der Satzung niedergelegten Verpflichtung zur Zusammenarbeit auch auf dem Gebiet der Förderung der Achtung der Menschenrechte feierliche Verträge geschlossen würden, um allen Menschen den Genuß dieser ihrer natürlichen Rechte zu garantieren. Hätten sich erst die Staaten untereinander zur Achtung dieser Rechte verpflichtet, so würde dies den Beginn des Friedens bedeuten, und die Furcht vor einem neuen Krieg könnte damit unter den Menschen gebannt werden98 • Nachdem Pius XII. schon in seiner Allokution an das Kardinalskollegium vom 2. Juni 1947 99 nochmals zur Verwirklichung von Bedingungen, die zur Erreichung wahrer Sicherheit und allgemeiner Prosperität und Freiheit notwendig seien, aufgerufen und alle Katholiken ermahnt hatte, sich die Mitarbeit an diesem großen Ziel der Menschheit zur Pflicht zu machen, nahm der Papst die Überreichung des Beglaubigungsschreibens durch den neuen Gesandten EI Salvadors am 28. Oktober 1947 zum Anlaß 100, um unter Bezugnahme auf die Krise, die die Vgl. ibid., Sp.1257, bei Ares, op. cit., s. 65, Anm.l. Diese, die vierte große Deklaration im Laufezweier Jahre zu den grundlegenden Problemen der Friedensorganisation, trägt den Titel Man and the Peace; vgl. CatholicAction (Dezember 1946), S. 23- 24. Text auszugsweise bei Ares, op. cit., s. 66 f. 98 Die vom amerikanischen Episkopat geforderten feierlichen Verträge der Mitglieder der OVN untereinander zum Schutze der Menschenrechte sind zwar mittlerweile von der GV der VN angenommen worden (vgl. oben, Zweiter Teil, Fünftes Kapitel), doch scheint derzeit noch immer keine Aussicht zu bestehen, daß sie in nächster Zukunft die für das Inkrafttreten notwendige Zahl von Ratifikationen erreichen werden. - Über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten der Europaratstaaten vom 4. November 1950- eine teilweise Verwirklichung der genannten Forderungen- vgl. oben, 96 97
ibid. 99
100
Vgl. 39 AAS (1947), S. 258-267. Bei Ares, op. cit., S. 69 f. Vgl. den spanischen Originaltext in 39 AAS (1947), S. 491-493. (Ibid.,
s. 71 f.) 45.
708 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
OVN wegen des anglo-ägyptischen10t, des indonesischen102 und des palästinensischen103 Konfliktes sowie der Lage in Griechenland 104 gerade durchmachte, und in der sich gezeigt hatte, daß mangels einer Einigkeit der Großmächte und der Möglichkeit eines Vetorechts im SR ein effektives Eingreifen der Organisation nicht möglich war, zu einem "geistigen Kreuzzug für den Frieden" aufzurufen. Die Situation im Rahmen der OVN analysierend, drückte Pius XII. die Auffassung aus, daß man sich keiner Illusion über die wahren Möglichkeiten dieser Organisation hingeben dürfe. Trotzdem gäbe es gewisse Anzeichen, daß diese Organisation schon durch ihre bloße Existenz von Nutzen sei. Immerhin sei die OVN ein Weltareopag, wo neben den Großmächten auch die kleinen Nationen die Chance hätten, gehört zu werden, und ihren Ansichten eine über die eigene unmittelbare staatliche Bedeutung hinausgehende große Resonanz verschaffen könnten, wenn sie sich für einen gerechten und würdigen Frieden einsetzten. Es sei daher nicht umsonst, wenn die Kleinstaaten im Rahmen der Organisation ihre Stimme erheben könnten105. 2. Während Pius XII. in der Folge immer wieder auf das Problem des gerechten Friedens zurückkommt106 , tritt die Betrachtung der OVN mit ihren Schwächen nunmehr in den Hintergrund, was wohl auf den Umstand zurückzuführen ist, daß man beim Hl. Stuhl zur Kenntnis zu nehmen begann, daß die Weltorganisation in ihren Möglichkeiten begrenzt und gleichzeitig die Chance gering sei, den institutionellen Schwächen in naher Zukunft abzuhelfen. Wir können uns daher darauf beschränken, auf jene begrenzte Zahl von offiziellen Äußerungen bzw. Dokumenten einzugehen, in denen die Päpste in der Folge ausführlicher 101 Dargestellt bei BergeT, "Zur Klausel ,rebus sie statibus"', 4 (NF), öZöR
(1952), s. 27 ff.
102 Vgl. dazu Leyser, "Indonesien", WV II (2. Aufl. 1961), S. 17; über die Debatten im SR siehe Sohn, Cases on International Law (2. Aufl. 1967), S. 352 ff. 103 Vgl. dazu Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 100 ff. und 104 ff. 10• Vgl. dazu Sohn, Cases on United Nations Law (2. Aufl. 1967), S. 321 ff. 105 Dies sei von Bedeutung, auch wenn es manchmal scheine - und hier flicht der Papst ein biblisches Bild ein -, es handle sich um die "Stimme eines Rufenden in der Wüste". (Is. 40,3 und Matth. 3,3; Mark. 1,3; Job. 1,23.) 106 Vgl. u. a. die Enzyklika vom 18. Dezember 1947, die schon in ihren Initialworten, Optatissima Pax, ihr Thema, den Weltfrieden, verkündet. Vgl. 39 AAS (1947), S. 601- 604. Weiters die Weihnachtsansprache von 1947, 40 AAS (1948), S. 7 - 17; die Ansprachen aus Anlaß der Akkreditierung eines neuen Missionschefs beim Hl. Stuhl (so an den neuen Botschafter von Ekuador vom 13. Juli 1948, span. Originaltext in 40 AAS [1948], S. 338- 340; an den neuen Botschafter Brasiliens vom 3. Mai 1948·, span. Originaltext ibid., S. 108 - 182); die Weihnachtsansprache von 1948, in der Pius XII. betont, Grundlage der internationalen Gemeinschaft müsse die von der katholischen Doktrin stets vertretene Auffassung sein, daß die Völker in ihrer Gesamtheit eine Gemeinschaft bilden, die von Natur aus ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Aufgabe hätten, weshalb von der irrigen Auffassung einer absoluten Souveränität abzurücken sei (46 AAS [1949], S. 5 ff.); usf.
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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zur OVN oder zum Problem der internationalen Friedensorganisation im allgemeinen Stellung bezogen haben. Von Bedeutung ist auch die Ansprache Pius' XII. an das Kardinalskollegium vom 2. Juni 1948, weil darin in klarer Weise das Selbstverständnis des Hl. Stuhls über seinen Sendungsauftrag auf internationaler Ebene enthalten ist. Die Kirche, so führt der Papst aus, fürchte nichts, aber es sei notwendig, daß sie ein heilsames Erwachen bei jenen bewerkstellige, die sich im Grunde ihrer Seele noch einen Rest christlichen Geistes bewahrt hätten. Es sei notwendig, daß dieses Erwachen begleitet sei von Gefühlen, Entschlüssen und Handlungen, die darauf gerichtet sind, die Sache Gottes und der Religion auf dem Gebiet der internationalen Politik zu verteidigen, wenn dies notwendig wäre. Die Kirche und die Katholiken müßten daher dort präsent sein 107 • 3. Wenngleich die Annäherung zwischen dem Hl. Stuhl und der OVN unter seinen Nachfolgern im Pontifikat spektakulärer gewesen sein mag, so darf doch nicht übersehen werden, daß der Grund für das heutige gute Verhältnis zu den internationalen Organisationen im allgemeinen schon unter Pius XII. gelegt wurde. Unter ihm hat der Hl. Stuhl die Teilnahme an den internationalen Organisationen stark intensiviertsei es durch Mitgliedschaft, wie bei der IAEA108 , sei es durch Beobachter, wie bei der FA0 109 oder der UNESC0110 • Auch die Klärung des Umstandes, daß es tatsächlich der Hl. Stuhl sei, der als solcher im internationalen Leben erscheint1 11 , geht auf das Pontifikat Pius' XII. zurück112• Beide Nachfolger Pius' XII., Papst Johannes XXIII. und Papst Paul VI., haben in Enzykliken zu Fragen der internationalen Organisation und ihrer Bedeutung für die Welt von heute Stellung genommen113 • Hier ist dabei in erster Linie die Enzyklika Pacem in terris Johannes' XXIII. vom 11. April 1963 114 zu nennen, wo der Papst im Abschnitt 107 Vgl. 40 AAS (1948), S. 247-254.- Am 11. November nahm Pius XII. dann Gelegenheit, vor den Delegierten des Zweiten internationalen Kongresses der Europäischen Föderalistischen Union diesen Faden wieder aufzunehmen, indem er darauf hinwies, daß er sich seit Beginn seines Pontifikats stets um eine Annäherung zwischen den Völkern bemüht hätte. Alle Anstrengungen müßten unternommen werden, um den Haß zwischen den Völkern ab- und eine Einheit unter ihnen im christlichen Geiste aufzubauen. Vgl. 45 DocCath (1948), Sp. 1537 bis 1540.- Bei Ares, op. cit., S. 761. Vgl. auch "The United Nations- A Catholic Appraisal", 16 Catholic International Outlook (1955), Nr. 177 - August, Edited by "The Sword of Spirit". 1os Vgl. dazu unten, IV. 109 Vgl. oben, Neuntes Kapitel, III. 110 Vgl. ibid., IV. 111 Vgl. dazu unten. 112 Vgl. allgemein zusammenfassend auch "Papst Pius XII. (1939 - 1958) Eine Dokumentation seines Pontifikats", 13 Herder-Korrespondenz (1958/59), S. 57 ff., aufS. 71. 113 Vgl. auch Schaeffer, "UN",14 NCE (1967), S. 417 ff.
710 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen über die Völkergemeinschaft auch auf die internationalen Organisationen zu sprechen kommt. Die Tatsache, daß die einzelnen Staaten, wenn sie von den übrigen getrennt seien, keineswegs in der Lage wären, ihre Interessen wahrzunehmen und sich entsprechend zu entwickeln, da der Wohlstand und Fortschritt des einen Staates im Wohlstand und Fortschritt des anderen teils die Ursache habe, teils ihn verursache, führe dazu, daß die Menschen der ganzen Erde zu immer größerer Zusammenarbeit und innerer Verbundenheit fänden. Während jedoch in vergangeneo Zeiten die Staaten, wie es scheine, hinreichend für das universale Gemeinwohl sorgten, indem sie durch diplomatische Zusammenkünfte und Gespräche auf höchster Ebene, durch den Abschluß von Konventionen und Verträgen, durch Mittel und Wege also, die sich im Rahmen des Naturrechts und des Völkerrechts hielten, dieses zu verwirklichen trachteten, hätten die gegenseitigen Beziehungen der Staaten in unseren Tagen große Veränderungen erfahren, sodaß das gemeinsame Wohl aller Völker einerseits immer schwierigere Fragen von immer größerer Tragweite aufwerfe- besonders, was die Wahrung der Sicherheit und des Friedens in der ganzen Welt anlange-, anderseits die Staatenlenker trotz vieler Kongresse und vervielfältigter Anstrengungen nicht in der Lage wären, die Dinge ausreichend in den Griff zu bekommen, weil sie untereinander in Koordination als Gleichberechtigte stünden, denen es zwar nicht an gutem Willen oder Unternehmungsgeist fehle, wohl aber an der nötigen Macht, um ihre gemeinsamen Wünsche auch ausreichend verwirklichen zu können. Daher müßten beim heutigen Stand der menschlichen Gesellschaft sowohl die isolierte einzelstaatliche Ordung als auch der Einfluß, über den der einzelne Staat gegenüber allen anderen verfüge, als ungenügend angesehen werden, um das gemeinsame Wohl aller Völker zu fördern 116 • Da nun in der heutigen Zeit das allgemeine Wohl der Völker Fragen aufwerfe, die alle Menschen angehe, und da diese Fragen nur durch eine politische Gewalt einer Lösung zugeführt werden könnten, deren Macht einen entsprechenden Umfang habe, deren Wirksamkeit sich somit über den ganzen Erdkreis erstrecken müsse, so folge um der Sittlichen Ordnung willen zwingend, daß eine universale politische Autorität eingesetzt werden müsse 1 u1• Diese universale politische Autorität, die überall auf Erden wirksam werden und die Menschheit in geeigneter Weise zu einem universalen Gemeinwohl führen solle, müsse freilich durch die Übereinkunft aller Völker begründet und nicht mit Zwang auferlegt werden117 • 114 Vgl. 55 AAS (1963), S. 257-304. Deutscher Text in 17 Herder-Korrespondenz (1962/63), S. 476- 492. us Vgl. ibid., S. 487. ue Vgl. ibid. m Ibid., S. 488.
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Die Enzyklika kommt in der Folge auf die derzeitige Weltorganisation zu sprechen, wenn sie ausführt: "Wie allen bekannt ist, wurde am 26. Juni 1945 die Organisation der Vereinten Nationen gegründet ... Ih[r] sind große in allen Teilen der Welt zu erfüllende Aufgaben auf wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und erzieherischen Gebieten, sowie auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens übertragen. Ferner stellen sich die Vereinten Nationen als Hauptaufgabe, den Frieden unter den Völkern zu schützen und zu festigen, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen zu pflegen und zu entwickeln, die auf den Grundsätzen der Gleichheit, der gegenseitigen Hochachtung und der vielfältigen Zusammenarbeit auf allen Gebieten menschlicher Aktivität gründen ... Es ist daher zu wünschen, die Vereinten Nationen möchten ihre Organisation und ihre Mittel immer mehr erweitern und dem hohen Rang ihrer Aufgaben anzupassen imstande sein, damit bald die Zeit komme, in der diese Vereinigung die Rechte der menschlichen Person wirksam schützen kann; Rechte, die deswegen allgemein unersetzlich und unveränderlich sind, weil sie unmittelbar aus der Würde der menschlichen Person entspringen, und das um so mehr, weil die Menschen gegenwärtig in ihrer Nation mehr an der Gestaltung des öffentlichen Lebens teilhaben, mit lebhafterem Interesse die Anliegen aller Völker ununterbrochen verfolgen und sich immer mehr bewußt sind, daß sie als lebendige Glieder zur allgemeinen Menschheitsfamilie gehören11s." Wie von selbst fügt sich hier an die Betrachtung über die OVN ein Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948119 an, die der Papst "einen Akt von höchster Bedeutung" nennt. Er verkenne nicht, so führt er in der Enzyklika weiter aus, daß gegenüber einigen Kapiteln dieser Erklärung mit Recht von manchen Einwände geäußert worden seien. Nichtsdestoweniger sei diese Erklärung gleichsam als Stufe und als Zugang zu der zu schaffenden rechtlichen und politischen Ordnung der Völker der Welt zu betrachten. Durch sie werde die Würde der Person für alle Menschen feierlich anerkannt, und es werde jedem Menschen das Recht zugesprochen, die Wahrheit in Freiheit zu suchen, die Normen der Sittlichkeit zu befolgen, die Pflichten mit Gerechtigkeit auszuüben, kurz: ein menschwürdiges Dasein zu führent 2o. Aus diesen Ausführungen der Enzyklika geht klar hervor, daß der Hl. Stuhl eine organisierte Staatengemeinschaft und eine vervollkommnete Organisierung der Staatengemeinschaft nicht aus einem perfektionistischen Denken heraus befürwortet, sondern aus der christlichen Schau von der Einheit der menschlichen Gemeinschaft, die in allen Bereichen verwirklicht werden soll. Die Verbindung der Gedanken von der Weltorganisation und den Menschenrechten zeigt an, daß Johannes XXIII. eine funktionsfähige Organisation auch um der Würde des Menschen willen fordert, weil ihr Fehlen dieser Würde widerus Zit. nach ibid. 118
120
Zu dieser vgl. oben, Zweiter Teil, Fünftes Kapitel, II. Vgl. ibid.
712 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen spricht, ja sie gefährdet121 • Überhaupt kann für das weltpolitische Denken Papst Johannes' gesagt werden, daß der Gedanke weltweiter Organisation in den Vordergrund tritt. Den Zusammenschluß der Staaten auf Weltebene sah er nicht nur als im Prinzip realisierbar, sondern auch als vom Gemeinwohl gefordert an 122 • Mit Papst Paul VI. bestieg ein Mann den römischen Bischofsstuhl, der schon zur Zeit seiner Tätigkeit im Staatssekretariat und als Erzbischof von Mailand Interesse für das Wirken der internationalen Organisationen gezeigt hattet 23. Mit besonderem Interesse wurde daher die Ansprache aufgenommen, die Paul VI. kurz nach seiner Thronbesteigung an den GS der VN, U Thant, richtete, als er denselben am 11. Juli 1963 in Privataudienz empfing124 • Der Papst brachte dabei seine Sympathien für den schon von seinen Vorgängern so erwünschten baldigen Zusammenschluß aller Völker zum Ausdruck und unterstrich das Ansehen, das die OVN beim Hl. Stuhl genösse: "Der Hl. Stuhl ... hat eine sehr hohe Meinung von dieser internationalen Organisation. Er betrachtet sie als eine Frucht der Kultur, der die katholische Kirche und ihr lebendiger Mittelpunkt, der Hl. Stuhl, ihre Lebensgrundsätze gegeben haben. Er betrachtet sie als ein Mittel der Brüderlichkeit unter den Völkern, die der Hl. Stuhl immer gewünscht und gefördert hat, und deshalb zugleich als Instrument, um brüderlicherweise den Fortschritt unter den Menschen zu fördern. Er betrachtet die Vereinten Nationen als die Form beständiger Verbesserung und Entwicklung das ausgeglichenen und gemeinschaftlichen Lebens der ganzen Menschheit in ihrer geschichtlichen, irdischen Ordnung. Die Neutralität der katholischen Kirche, deren Herz in Rom schlägt, strahlt auf der geistlichen Ebene gewissermaßen bei den Vereinten Nationen in die irdische Tätigkeit hinüber. Die Ideologien der Mitglieder der VN sind zwar gewiß vielgestaltig und verschieden, was die katholische Kirche mit gebührender Aufmerksamkeit beobachtet; aber die Annäherung so vieler Völker, Rassen und Staaten in einer einzigen Organisation mit dem Zweck, die Leiden des Krieges fernzuhalten und die gute Sache des Friedens zu fördern, ist ein Faktum, das der Hl. Stuhl als übereinstimmung mit seiner Idee der Menschheit und als ein Bestandteil seiner geistigen Sendung in der Welt empfindet. In den letzten Jahren war die Stimme Unserer Vorgänger unter den ersten, die 121 Vgl. in diesem Sinn auch "Papst Johannes XXIII.- Eine Dokumentation seines Pontifikats", 17 Herder Korrespondenz (1962/63), S. 473, näher behandelt wurde, während sie für J ohannes XXIII. 122 Der sachliche und geistige Wandel der Welt in einem Vierteljahrhundert wird am besten dadurch dokumentiert, daß die Frage des wirtschaftlichen Ausgleichs zwischen den Entwicklungsländern und den Industriestaaten von Pius XI. kaum erwähnt und von seinem Nachfolger, Pius XII., erst zu Ende seines Pontifikats näher behandelt wurde, während er für Johannes XXIII. bereits eine der größten sozial-internationalen Fragen darstellte. Auch zur Lösung dieses Problems hat der Papst neben der rechten sittlichen Haltung auf Seiten der Unterstützenden und der Unterstützten eine zweckmäßige Organisation gefordert. Vgl. ibid. 123 Vgl. dazu Cansacchi, "Il Papa e l'Organizzazione delle Nazioni Unite", 19 Diritto Internazionale (1965), S. 197 ff. 124 Vgl. Oss. Rom. vom 12. Juli 1963.
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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die Bildung einer solchen Körperschaft, wie es diejenige ist, deren Geschäfte Sie, Herr U Thant führen, gewünscht haben. Schon Benedikt XV. hat sie seinerzeit herbeigesehnt. Ihre Grundsätze waren sehr weitsichtig in der Weibnachtsbotschaft Pius' XII. von 1939 und in der Botschaft vom September 1944 umrissen. Dann wurde ihre Bedeutung von neuemunterstrichen und zur Vervollkommnung ihrer Tätigkeit ermutigt durch Johannes XXIII. in seiner letzten Enzyklika Pacem in terris, deren Text mit der eigenhändigen Unterschrift des Papstes Ihnen, Herr Generalsekretär, durch Kardinal Suenens überreicht wurde ...125." Am Schluß der Rede, in der Paul VI. nochmals die Wertschätzung des Hl. Stuhls für die Weltorganisation zum Ausdruck brachte, sprach er seine Hoffnung aus für das Gedeihen des grundlegenden Programms der OVN, besonders im Hinblick auf die Ausrottung des Kriegs, der Unterstützung für die Entwicklungsländer und die Völker, die der Verteidigung und Hilfe bedürften, und in Hinsicht auf die gesetzlichen Freiheiten des Einzelnen und der Gruppe und die Sicherung der Rechte und der Würde der menschlichen Person126 •
In seiner Weihnachtsansprache vom 22. Dezember 1964127 sagte Paul VI., auf die internationalen Organisationen und ihre fruchtbare Tätigkeit anspielend, wörtlich: "Wir haben den Wunsch, daß von allen die Arbeit der Organisationen unterstützt und geachtet werde, die geschaffen sind, um die Nationen in Treue und gegenseitiger Zusammenarbeit zu einen, um Kriege zu verhindern und Konflikten vorzubeugen, um die Gegensätze in geduldigen Verhandlungen und Abmachungen zu lösen, um das Bewußtsein und die Geltung des internationalen Rechts zu fördern und schließlich, um dem Frieden seine feste Sicherheit, sein dynamisches Gleichgewicht zu geben128." Am 17. April 1964 hatte Papst Paul VI. eine Abordnung von Vertretern der OVN empfangen und sich dabei in seiner Ansprache mit dem Problem der Religionsfreiheit auseinandergesetzt. Bezugnehmend auf die damals in Vorbereitung stehende Erklärung über die Religionsfreiheit, die später vom Zweiten Vatikanum verabschiedet wurde 129 , wies der Papst darauf hin, daß es sich hier um ein Problem handle, das über den Raum der Kirche hinaus auch für die Mitglieder der OVN von Bedeutung sei: "Man darf zu diesem Punkt mit Recht die Promulgierung eines Textes erwarten, der nicht nur für die Kirche von großer Tragweite sein wird, sondern für alle jene- und sie sind zahllos-, die sich von einer autorisierten Erklärung dieser Materie betroffen fühlen werden130 ." Deutscher Text zit. nach 17 Herder-Korrespondenz (1962/63), S. 555. Vgl. ibid. 127 Oss. Rom. vom 24. Dezember 1964. 128 Deutscher Text zit. nach 19 Herder-Korrespondenz (1964/65), S. 202. 129 Vgl. dazu oben, Zweiter Teil, Fünftes Kapitel, Il. 130 Vgl. Oss. Rom. vom 18. April 1964; deutscher Text zit. nach 19 HerderKorrespondenz (1964/65), S. 85. 125 126
714 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen Von besonderer Bedeutung für die Haltung des ID. Stuhls zur OVN ist schließlich noch die Enzyklika Pauls VI. Populorum progressio. Darin kommt der Papst auf den Gedanken einer wirksamen Weltautorität zu sprechen und unterstreicht neuerlich die Wertschätzung, die der Hl. Stuhl der OVN entgegenbringt: "Die [...] internationale Zusammenarbeit auf Weltebenen braucht Institutionen, die sie vorbereiten, aufeinander abstimmen, leiten, bis hin zur Schaffung einer Rechtsordnung, die allgemein anerkannt wird. Von ganzem Herzen ermutigen wir die Organisationen, die die Zusammenarbeit ... in die Hand genommen haben, und wir wünschen es, daß ihre Autorität wachse131 ." Abschließend enthält die Enzyklika Appelle vor allem an die Katholiken, dann aber an alle Christen, alle Gläubigen und alle Menschen guten Willens. Ein besonderer Aufruf ergeht auch an die Staatsmänner, sich ihrer Aufgabe, die Völker zu einer wirksamen weltweiten Solidarität zu mobilisieren, bewußt zu werden und damit die Entwicklung zu fördern und den Frieden zu retten. An die Delegierten bei den internationalen Organisationen ergeht der Aufruf, sich der Tatsache bewußt zu sein, daß es weitgehend von ihnen abhänge, ob die gefährlichen und unfruchtbaren Blockbildungen einer freundschaftlichen, friedlichen und selbstlosen Zusammenarbeit Platz machen, also eine solidarische Entwicklung der Menschheit, die allen Menschen ihre Entfaltung gestatte, ermöglichen 132 • 4. Einen besonderen Platz in der Darstellung der Einschätzung der OVN durch den Hl. Stuhl muß die Reise Papst Pauls VI. zur Weltorganisation im Jahre 1965 einnehmen, einerseits, weil sie ein besonderes Zeichen für die Bedeutung war, die der Hl. Stuhl und - wenn man die Reise auf dem Hintergrund des zur gleichen Zeit tagenden Konzils betrachtet- die ganze katholische Kirche der OVN zumißt, andererseits wegen der vom Papst in diesem Zusammenhang vor der GV gemachten Ausführungen, die als hochoffizielle Darlegung der Auffassung des Hl. Stuhls von der Weltorganisation angesehen werden kann. Die Reise Papst Pauls VI. zur OVN am 4./5. Oktober 1965 kam insoweit nicht unerwartet, als schon länger darüber Vermutungen angestellt worden waren; in offizieller Form wurde die Reise jedoch erst von Paul VI. selbst bei der Eröffnung der Vierten Session des Zweiten Vatikanischen Konzils bekanntgegeben. Die die Reise unmittelbar vorbe131 Off. lateinischer Text im Oss. Rom. vom 28. März 1967; deutscher Text in 21 Herder-Korrespondenz (1967), S. 218 ff. Vgl. ibid., S. 229, wo der Papst nochmals auf einen Passus seiner vor der GV der VN in New York gehaltenen Rede (vgl. dazu unten, im folg.) zu sprechen kommt, wo es geheißen habe: "Ihre Aufgabe ist es, nicht einige, sondern alle Völker einander näherzubringen ... Wer sieht nicht die Notwendigkeit, Schritt für Schritt zur Erreichung einer alle Welt umfassenden Autorität zu kommen, die in Rechtsfragen und der Politik wirksam handeln kann?" (Vgl. 57 AAS [1965], S. 180.) 132 Vgl. ibid.
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reitenden Kontakte zwischen dem Vatikan und dem Sitz der Weltorganisation in New York gingen auf eine Botschaft des Papstes zurück, die er im Jänner 1965 während der Feiern der OVN zum Gedenken an die Enzyklika Johannes' XXIII. Pacem in terris durch den Ständigen Beobachter des Hl. Stuhls bei der OVN an deren GS U Thant hatte übermitteln lassen, und in der es hieß, daß die Nationen ihren Rüstungswettlauf beenden und ihre Hilfsmittel und Energien lieber dem brüderlichen Beistand zur Entwicklung der hilfsbedürftigen Staaten widmen mögen. Wenigstens ein Teil der Ausgaben für die Rüstung sollte einem großen Weltfonds zugewiesen werden, um die vielen Aufgaben der Ernährung, Bekleidung und Unterbringung sowie der medizinischen Versorgung der Völker zu lösen133 • Aus der Begrüßungsansprache, die der GS der VN, U Thant, beim Empfang des Papstes in der GV der VN am 4. Oktober 1965 hielt, geht hervor, daß es eben diese Botschaft gewesen war, die U Thant bewogen hatte, schon kurz nach ihrer Übermittlung, nämlich am 20. Jänner 1965, eine Einladung an Paul VI. zu richten. Die von verschiedenen diplomatischen Rücksichten erschwerten Verhandlungen kamen erst nach dem Ausbruch des Krieges zwischen Indien und Pakistan zum Abschluß, da es der Papst in diesem Augenblick für seine Pflicht hielt, ein sichtbares Opfer für den Frieden zu bringen und die Autorität der OVN zu stützen, deren Notwendigkeit Johannes XXIII. in der oben 134 besprochenen Enzyklika Pacem in terris ausdrücklich unterstrichen hatte135 • Die Sondersitzung der GV fand am 4. Oktober 1964 um 15.30 Uhr statt, nachdem der Papst zuvor das Negerviertel von Haarlern besucht, der Kathedrale des Hl. Patrick und Kardinal Speilman eine kurze Visite abgestattet und sich im Waldorf-Astoria-Hotel mit Präsident Johnson getroffen hatte. Auf einem noch vom Empfang des Präsidenten Kennedy stammenden Stuhle sitzend, nahm Paul VI. die Begrüßungsworte des GS der VN, U Thant, und des Präsidenten der GV, des italienischen Außenministers Fanfani, entgegen und hielt dann selbst in französischer Sprache eine längere Rede13il. Dabei führte er, nachdem er dem GS für die Einladung seinen tiefempfundenen Dank ausgesprochen und sich unter den Anwesenden als Bruder - "und sogar einen der kleinsten unter ihnen", die sie souveräne Staaten verträten, während 133 Als Inhalt einer Rede, die Paul VI. am 4. Dezember 1964 vor seiner Abreise aus Bombay zu Ende seines Indienbesuches an die dort anwesenden Journalisten verlas, war diese Erklärung schon im Oss. Rom. vom 5. Dezember 1964 abgedruckt. 134 Vgl. oben, Anm. 114. 135 Vgl. 19 Herder-Korrespondenz (1965/66), S. 647. 138 Franz. Originaltext im Oss. Rom. vom 6. Oktober 1965; engl. Übersetzung u. a. in Never Again War!- The Visit of His Holiness Pope Paul VI to the United Nations, 4 October 1965 (1965), S. 29 ff.
716 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
er (wenn man es unter diesem Gesichtspunkt betrachten wolle) lediglich mit einer winzigen symbolischen zeitlichen Macht ausgestattet sei vorgestellt hatte, aus, er habe keinerlei Ehrgeiz, mit den Staaten in Wettbewerb zu treten, sondern lediglich den Wunsch, seine geistliche Funktion auszuüben. Er habe nichts zu verlangen, sondern wolle vielmehr allen anbieten, ihnen uneigennützig, bescheiden und in Liebe in dem dienen zu können, was in seinen Zuständigkeitsbereich falle. Im einzelnen sagte der Papst: "Unsere Botschaft muß zunächst eine moralische und feierliche Bestätigung dieser hohen Institution sein. Diese Botschaft kommt aus Unserer geschichtlichen Erfahrung. Gewissermaßen als Experte für Menschlichkeit überbringen Wir dieser Organisation nun die Unterstützung Unserer letzten Vorgänger, des ganze katholischen Episkopats und Unsere eigene, überzeugt davon, daß diese
Organisation der gebotene Weg für die moderne Zivilisation und den Weltfrieden ist .. . [' 37]. Die Völker wenden sich zu den Vereinten Nationen als der
letzten Hoffnung auf Eintracht und Frieden: Wir überbringen hier mit dem Unseren ihren Tribut an Ehre und Hoffnung ... Hören Sie daher weiter Unsere Botschaft! Sie ist ganz auf die Zukunft ausgerichtet. Das Gebäude, das Sie erbaut haben, darf niemals mehr in Trümmer gehen. Es muß vervollkommnet werden, aber den Erfordernissen der Weltgeschichte angepaßt. Sie repräsentieren eine Stufe in der Entwicklung der Menschheit. Von nun an ist es unmöglich zurückzuweichen; man muß voranschreiten138!" Der Papst wies dann darauf hin, daß die OVN den Staaten zwar nicht ihre Existenz verleihe, aber ihnen ermögliche, in der geordneten Versammlung der Völker einen Platz einzunelunen. Darüber hinaus sorge die Organisation für ein geordnetes und stabiles System internationalen Lebens. Damit werde das große Prinzip sanktioniert, daß die Beziehungen unter den Völkern in Vernuft und Gerechtigkeit, Recht und Verhandlungen und nicht durch Gewalt, Stärke, Krieg und auch nicht durch Furcht und Täuschung geregelt werden müssen. Auf die neuen Staaten zu sprechen kommend, sagte der Papst, die VN seien dafür zu beglückwünschen, "daß sie den Zugang zu dieser Versammlung auch den jungen Völkern freigaben, den Staaten, die erst vor kurzem zur Unabhängigkeit und nationalen Freiheit gelangt sind. Deren Anwesenheit hier ist der Beweis der Universalität und der Großherzigkeit, die die Prinzipien dieser Institution beseelen" 139 • Paul VI. verglich dann die OVN insofern mit der katholischen Kirche, als sie in der zeitlichen Ordnung gewissermaßen das widerspiegle, was letztere in der geistlichen Ordnung sein wolle: einzig und universal. "Ihre Berufung ist, nicht nur einige, sondern alle Völker zu verbrüdern. Ein schwieriges Unterfangen? Ganz sicher; das ist aber ihre Sache, ihr edles Bemühen. Wer sähe nicht die Notwendigkeit, allmählich dazu zu kommen, eine Weltautorität einzusetzen, die in der Lage ist, im rechtlichen und politischen Bereich wirksam tätig zu seinH 0 ?" 137 Hvhbg. vom Verf. 138 Zit. nach 19 Herder-Korrespondenz (1965/66), S. 649. 139 Vgl. ibid. 140 Ibid., S. 650. In diesem Zusammenhang machte der Papst eine Bemerkung, die später wohl nicht zu Unrecht als eine Anregung angesehen wurde, der
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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Der Papst kam dann auf das Prinzip der souveränen Gleichheit zu sprechen, das in der SVN verankert ist, und nannte diese Gleichheit einen "Akt großer Tugend". Darauf wandte er sich der Frage des Friedens zu, mit welcher - wie er selbst sagte - seine Botschaft ihren Höhepunkt erreichte: "Es handelt sich um das Wort, das Sie von Uns erwarten und das Wir nicht aussprechen können, ohne Uns seiner Schwere und Feierlichkeit bewußt zu sein: niemals mehr die einen gegen die anderen, niemals, niemals mehr! Ist nicht die Organisation der Vereinten Nationen gerade aus dieser Zielsetzung entstanden: gegen den Krieg und für d.en Frieden? Hören Sie die klaren Worte des großen Verstorbenen, John F. Kennedy, der vor vier Jahren erklärte: ,Die Menschheit muß dem Krieg ein Ende setzen, sonst setzt der Krieg der Menschheit ein Ende.' Es bedarf keiner weiteren Worte, um die erhabene Zielsetzung ihrer Organisation zu verkünden. Man muß daran erinnern, daß das Blut von Millionen Menschen ... den Pakt, der Sie eint, heili[gt] in einem Eide, der die zukünftige Geschichte verändern muß: niemals Krieg, niemals mehr Krieg. Der Friede, der Friede muß das Geschick der Völker und der ganzen Menschheit leiten!- Dank Ihnen und Ehre, die Sie seit zwanzig Jahren für den Frieden arbeiten und die Sie diesem heiligen Anliegen sogar berühmte Opfer gebracht haben! Dank Ihnen und Ruhm für die Konflikte, die Sie verhindert und beigelegt haben. Ihre Ergebnisse der Anstrengungen zugunsten des Friedens bis in die allerletzten Tage verdienen, wenn sie auch noch nicht endgültig sind, daß Wir uns zum Sprecher der ganzen Welt machen und Ihnen in ihrem Namen Glückwunsch und Dank abstatten141 !" Paul VI. nannte dann die OVN eine große Schule, wo man die Erziehung zum Frieden erhalte, die GV die aula magna dieser Schule. Wer hier Platz nehme, werde Schüler und Lehrer in der Kunst, den Frieden zu bauen, und wer diesen Saal verlasse, auf den schaue die Welt als den Architekten, den Erbauer des Friedens. Dieser Friede sei jedoch mehr als ein künstliches Gebilde, das nur durch Politik und durch ein Gleichgewicht der Kräfte und Interessen aufgebaut werde. Der Friede werde mit Geist, mit Ideen, mit Friedenswerken errichtet. Die Wege dazu seien vorgezeichnet: der erste sei der der Abrüstung. Die allgemeine Bewaffnung erheische Riesenausgaben, unterbreche Planen und Solidarität in nützlicher Arbeit und verfälsche die Psychologie der Völker. Kein Zweifel: solange der Mensch schwach, unbeständig und sogar böse sei, wie es sich oft zeige, solange werden Defensivwaffen leider nötig sein. Aber gerade darum sei es die Aufgabe der OVN, die Mittel zu studieren, um die Sicherheit des internationalen Lebens ohne Zuflucht zu den Waffen zu gewährleisten. Volksrepublik China den ihr gebührenden Platz im Rahmen der VN einzuräumen. "Überlegen Sie", hatte der Papst gesagt, "wie jene, die Ihnen noch nicht angehören, in Ehre und Loyalität zu Ihrem Pakt der Brüderlichkeit gerufen werden können. Macht, daß die Außenstehenden das gemeinsame Vertrauen wünschen und verdienen, und seid edelmütig, es ihnen zu gewähren." Vgl. auch Köck, "Die Beziehungen Chinas zum Hl. Stuhl", China-Report (1972, No. 3), aufS. 21. ut Zit. nach 19 Herder-Korrespondenz (1965/66), S. 650.
718 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen "Darum muß das einhellige Vertrauen in diese Institution wachsen, darum muß ihre Autorität wachsen, und dann wird - so kann man hoffen - endlich das Ziel erreicht werden. Sie werden sich den Dank der Völker verdienen, die von den drückenden Rüstungsausgaben erleichtert werden und vom Alpdruck des ständig drohenden Krieges befreit wären142." Ein weiteres Grundprinzip der OVN nannte der Papst Humanität und Edelmut. In der Organisation werde die brüderliche Zusammenarbeit unter den Völkern organisiert, ein System der Solidarität errichtet. Auf diese Art erhielten hohe Zielsetzungen die einmütige und geordnete Unterstützung der ganzen Völkerfamilie zum Wohle aller. Dies sei das schönste an der OVN: ihr authentisch menschliches Antlitz. Ja, er wolle sogar noch mehr zu sagen wagen: das sei der Abglanz des Planes Gottes - eines alles übersteigenden Planes voller Liebe - für den Fortschritt der menschlichen Gemeinschaft auf Erden, ein Abglanz, wo die himmlische evangelische Botschaft irdisch werde. Paul VI. begrüßte in der Folge die wachsende Intensität mit der die OVN und die mit ihr verbundenen Institutionen arbeiteten, um den Regierungen, die es nötig hätten, zu helfen, ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu beschleunigen. Zuletzt sagte der Papst allen Bestrebungen der OVN Hilfe zu und bemerkte, er wolle den katholischen karitativen Institutionen eine neue Ausrichtung gegen den Hunger in der Welt und für deren hauptsächlichste Bedürfnisse geben. Denn so und nicht anders schaffe man den Frieden.
Am Schluß verwies der Papst darauf, daß der Bau der OVN nicht auf einer rein materiell-irdischen Grundlage ruhen könne, denn dann wäre er ein Haus auf Sand gebaut. Der Bau müsse vor allem auf dem menschlichen Gewissen ruhen. "Der Bau der modernen Zivilisation muß auf geistigen Prinzipien errichtet werden, die allein fähig sind, ihn nicht nur zu stützen, sondern ihn auch zu erleuchten und zu beleben. Und diese unerläßlichen Prinzipien höherer Weisheit können nur, das ist Unsere Überzeugung, Sie wissen es, in dem Glauben an Gott gründen. Der unbekannte Gott, von dem der hl. Paulus den Athenern auf dem Areopag sprach? Unbekannt jenen, die doch, ohne es zu ahnen, ihn suchten und ihn nahe bei sich hatten, wie das bei so vielen Menschen unseres Jahrhunderts der Fall ist? Für Uns auf jeden Fall und für alle jene, die die unaussprechliche Offenbarung annehmen, die Christus uns von ihm gemacht hat, ist es der lebendige Gott, der Vater aller Menschen1u." Nachdem sich Papst Paul in der Folge mit den Delegierten, voran den Außenministern der vier Großmächte, unterhalten hatte, stattete er GS U Thant in dessen Diensträumen einen Besuch ab, und überreichte dem GS dabei als persönliche Gabe ein mit Diamanten besetztes Kruzifix und einen Ring mit der Bitte, diese kostbaren Gegenstände zu verkaufen und den Erlös für Hilfsmaßnahmen zu verwenden144 • Vgl. ibid., s. 650-651. us Vgl. ibid., S. 651 - 652.
142
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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Nach mehreren Zusammentreffen mit verschiedenen katholischen und nicht-katholischen Vertretemund einer abends im Yankee-Stadion zelebrierten Messe reiste der Papst noch am späten Abend Ortszeit aus New York wieder ab und war am Mittag des 5. Oktober wieder in Rom. Darauf begab er sich vom Flugplatz stehenden Fußes zur Konzilsaula, um den Konzilvätem über die Ergebnisse seiner Reise zu berichten. Dabei führte u. a. aus: "Wir müssen vor allem auch Diener des Friedens sein ... Sicher ist es nicht Unser Amt noch kann es Unsere Absicht sein, in den politischen Bereich einzutreten [oder] in den der Wirtschaft, wo unmittelbar die weltliche Ordnung geschaffen wird, die den bürgerlichen Frieden konstituiert. Aber Wir können und müssen beim Bau des Friedens helfen durch unsere moralische Unterstützung und auf gewisse Weise durch die Caritas auch materiell und reaP 45."
2. D e r H 1. S t u h 1 u n d d i e Internationalisierung Jerusalems Ein Gebiet, auf dem es zwischen dem ID. Stuhl und der OVN nicht nur gleichgerichtete Bestrebungen gegeben hat, sondem es auch zu Kontakten zwischen den beiden Institutionen- dem führenden Organ der 144 über das weitere Schicksal dieser Kleinodien vgl. oben den Abschnitt über das Flüchtlingshochkommissariat, Neuntes Kapitel, VI. 146 Vgl. 19 Herder-Korrespondenz (1965/66), S. 652. Am 7. Oktober 1965 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Artikel von N. Benckiser unter dem Titel: "Kann der Papst Weltpolitik machen?" Dabei wird darauf hingewiesen, daß dem von Paul VI. mit dieser Reise unternommenen Vorstoß die Vorstellung zugrundeliege, daß sich qualitativ an den Grundlagen der Weltpolitik etwas verändert habe, was einem Eintreten des winzigen, symbolischen Staates der Vatikanstadt in die Weltpolitik eine neue Möglichkeit gäbe. Es gehe nun darum, diese Veränderungen heute wahrzunehmen und endlich anzuerkennen, daß der Krieg kein Mittel der Politik mehr sei, vielmehr moralischen Gewichten immer größere Bedeutung zukomme. Ein solches moralisches Gewicht ist aber vor allem die katholische Kirche.- Vgl. dazu die Ausführungen des Substituten im päpstlichen Staatssekretariat, Msgr. Benelli, über das Verhältnis der Kirche zu den internationalen Organisationen: Oss. Rom. (Engl. Ausgabe) vom 30. November 1972: "... Inviting her sons to commit themselves in earthly affairs, the Church does not intend in any way to identify herself with this or that international organization engaged in regulating the social relations of men and peoples. Her mission should not be confused with that of a temporal power. The Church is not a duplicate of the U.N., or of the Society for the Defence of the Rights of Men. Her mission is quite different. Living in the world and sharing its history, she certainly wishes to listen to what is being born,ist growing, actioning and suffering in this changingworld; she intends to share completely the destiny of human community and assume as her own all its struggles and all its sufferings. But at the same time the Curch knows she is heir to the spiritual message of the One who said: 'My kingdom is not of this world.' Leaving to the competent institutions the technical organization of socio-economic or political relations, the Church intervenes only in orderthat these relations may be animated with humanity and fairness, and, finally, with that love that the Lord entrusted to her in the twofold and inseparable commandment: 'Thou shalt love the Lord thy God and thy neighbour as thyself.'"
720 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
Weltkirche und der Weltorganisation- gekommen ist, ist das Palästinaproblem. Schon im Zusammenhang mit den Beziehungen des Hl. Stuhl zum Völkerbund ist diese Frage aufgetaucht und hat oben148 eine kurze Behandlung erfahren. In diesem Zusammenhang interessiert aber die Entwicklung nach 1945 14 7. Die Frage Palästinas148 brach nach dem zweiten Weltkrieg mit vermehrter Heftigkeit auf. Die offene Feindseligkeit zwischen Arabern und Juden und die Terrortätigkeit jüdischer Kampforganisationen149 ließen es der Mandatsmacht Großbritannien bald als aussichtslos erscheinen, der Entwicklung allein erfolgreich zu steuern. Die britische Regierung entschloß sich daher, die Palästinafrage vor das Forum der OVN zu bringen150 • Nachdem im Februar 1947 über das Land der Belagerungszustand verhängt worden war, forderte Großbritannien durch ein Schreiben vom 2. April 1947 151 den Zusammentritt einer Sondersession der GV zur Behandlung der Palästinafrage. In der Folge verlangten die arabischen Staaten die Beendigung des Palästina-Mandats und die Gewährung der Unabhängigkeit an dieses Land 152 • Die am 28. April 1947 zusammengetretene GV setzte am 15. Mai ein United Nations Special Committee on Palestine (UNSCOP) ein, um u. a. die mohammedanischen, jüdischen und christlichen Interessen in Palästina zu überprüfen. Das Committee legte am 31. August 1947 mit der Empfehlung, das Mandat aufzuheben, zwei verschiedene Lösungsvorschläge vor153 • Eine Minderheit befürwortete einen palästinensischen Bundesstaat, dessen Hauptstadt Jerusalem sein sollte, während die Mehrheit - die einen starken Akzent auf die religiöse Bedeutung Palästinas im allgemeinen und J erusalems im besonderen legte - eine Teilung des Landes in einen arabischen und einen jüdischen Staat, für Jerusalem aber einen internationalen Status unter der Verwaltung der Vereinten Nationen forderte. Die GV der VN trat Vgl. Il, C, 4. Zum Folgenden vgl. vor allem Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), Kap. XII ff., S. 98 ff. 14 B d. h. für den Hl. Stuhl aber vor allem: nach der Sicherung der Präsenz des christlichen, besonders des katholischen Elements an jenen Stätten, die durch das Leben und Wirken Jesu für alle Christen eine besondere Bedeutung haben. 149 Höhepunkt der Attentatsserie war die Sprengung des King-David-Hotels, in dem das Hauptquartier der Zivil- und Militärverwaltung der Mandatsregierung untergebracht war, am 22. Juli 1946. Vgl. ibid., S. 99. 150 Vgl. die Erklärung der britischen Regierung vom 18. Februar 1947, ibid., S.101. 151 UN Doc. A/286. Für das Folgende vgl. außer der in Anm. 2 genannten Schrift Liang, "The Palestine Commission", 42 AJIL (1948), S. 644 ff., und Vallat, "The General Assembly and the Security Council of the United Nations", 29 BYIL (1952), S. 63- 104, aufS. 87- 89; besonders Berger, "The Internationalization of Jerusalem", 10 The Jurist (1950), S. 354 ff. m Vgl. UN Doc. A/287. 153 Vgl. UN Doc. A/364. 146 147
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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dem zweiten (dem Mehrheits-)Plan am 29. November 1947 mit Res. 181 (II) bei 154 • Im dritten Teil dieser Resolution wird von der GV der Gedanke einer Internationalisierung Jerusalems offiziell sanktioniert. Die Resolution anerkennt in feierlicher Weise die besondere Bedeutung der Stadt als einer drei Weltreligionen heiligen, die daher nicht den Juden oder Arabern allein gehören könne, sondern als Corpus separatum unter einem besonderen internationalen Regime und der Verwaltung der OVN konstituiert werden müsse 155 • Die Organisation sollte durch den Treuhandschaftsrat vertreten werden, dem auch die Ausarbeitung des Statuts nach den Richtlinien der GV zukommen sollte. Dieses Statut sollte spätestens am 1. Oktober 1948 in Kraft treten. Tatsächlich konnte der Treuhandschaftsrat das fertige Statut bereits am 21. April1948 vorlegen156 • Die Entwicklung in Palästina nahm aber eine ganz andere als die von der OVN vorgesehene Richtung. Nachdem am 15. Mai 1948 das britische Palästinamandat im Zeichen von Gewalt und Unordnung auslief und schon am Vortag unter Berufung auf das "natürliche und historische Recht" des jüdischen Volkes der Staat Israel ausgerufen worden war, brach der Krieg zwischen dem neuen Staatswesen und den arabischen Nachbarstaaten aus 157 • Eine Durchführung des Plans der OVN für Palästina wurde damit unmöglich. Der Hl. Stuhl hatte diese Entwicklung mit Sorge verfolgt. Papst Pius XII. wies während einer Audienz für eine Reihe arabischer Würdenträger darauf hin, daß nur durch eine Regelung auf dem Boden der Gerechtigkeit eine Verbesserung der Situation in Palästina eintreten könne, was vor allem anderen die Respektierung der Rechte der religiösen Gemeinschaften in diesem Lande in sich schließen müsse 158 • In die gleiche Richtung weist die Enzyklika Auspicia quaedam 159 , in welcher 154 Eine Zusamm1:mstellung aller einschlägigen Resolutionen aus jener Periode in Resolutions Adopted by the Different Organs of the U.N. on the Palestine Question 1947- 1953 (hrg. von der Republic of Syria, Palestine Arab Refugees Institution, 1953). Für die Zurverfügungstellung dieser und anderer Unterlagen zu diesem Problem bin ich Herrn Professor Ermacora zu besonderem Dank verpflichtet. 155 Aufgabe dieser Verwaltung, an deren Spitze ein vom Treuhandschaftsrat zu ernennender Gouverneur, der nicht Palästinenser wäre, stehen sollte, wäre gewesen: "... proteger et preserver les interets spirituels et religieux sans pareils qu'abrite la Ville des trois grandes croyances monotheistes repandues dans le monde entier: Christianisme, Juda1sme et Islamisme; a cette fin, faire en sorte que !'ordre et la paix, et la paix religieuse surtout, regnent a Jerusalem." 15& Vgl. UN Doc. T/118/Rev. 2. 157 Vgl. Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 111. 158 Vgl. Messineo, "La questione palestinense e la tutela dei luoghi santi", 100 La Civilta Cattolica (1949), S. 14. 1sv Vgl. 40 AAS (1948), S. 171 ff.
46 Köck
722 10. Kap.: Die Teilnahme des
m. Stuhls an den Friedensorganisationen
der Papst alle Christen zum Gebet für ein besseres Verständnis unter den Völkern und für den Frieden in Palästina aufrief 160 • Was das Projekt der OVN für die Zukunft Palästinas und J erusalems anlangt, so war die Haltung des Hl. Stuhls dazu ambivalent. Das Projekt eines Sonderstatuts für Jerusalem, d. h. seine Internationalisierung, wurde begrüßt; gleichzeitig wandte sich der Hl. Stuhl gegen die Teilung Palästinas in zwei präsumtiv feindliche Staaten, weil dies nicht nur fortdauernden Unfrieden, sondern auch eine Gefährdung der hl. Stätten und des ungehinderten Zuganges zu ihnen bedeuten mußte. Der Hl. Stuhl setzte daher eine seine Überzeugung von der Einheit Palästinas demonstrierende Geste: wenige Monate nach der Annahme des Teilungsplanes durch die GV errichtete er eine autonome Apostolische Delegatur für Gesamtpalästina1111 • Am 24. Oktober 1948 schließlich - der Krieg in Palästina dauerte noch fort- trat Pius XII. mit einer weiteren das Hl. Land betreffenden Enzyklika hervor. In multiplicibus curis ist ein Aufruf an die christlichen Staaten, sich für die Rechte der christlichen Gemeinschaften in Palästina einzusetzen1112 • Sie enthält aber auch einen Aufruf an die Vereinten Nationen, endlich die Internationalisierung Jerusalems durchzuführen. Damit setzte sich der Hl. Stuhl auch in dieser hochoffiziellen Weise für die Institutionalisierung Jerusalems ein, nachdem diese Forderung schon zuvor mehrmals im offiziösen Organ des Hl. Stuhls, dem Osservatore Romano, erschienen war183 •
Tatsächlich kam es jedoch, nachdem der Sicherheitsrat am 16. November einen Aufruf an die kämpfenden Parteien erlassen hatte, Waffenstillstandsverhandlungen einzuleiten, zwischen Februar und Juli 1949 zu Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und seinen arabischen Gegnern, die materiell als dauernde Nichtangriffspakte zu betrachten waren164 • Die zwischen den Parteien festgelegte Demarkationslinie durchschnitt auch Jerusalem, wobei die Altstadt arabisch, die Neustadt aber jüdisch blieb 166 • Vgl. auch Oss. Rom. vom 3./4. Mai 1948. Vgl. Oss. Rom. vom 23./24. Februar 1948. U2 Vgl. 40 AAS (1948), s. 433 ff. 183 Vgl. Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 112. über die in der Enzyklika enthaltene Forderung des Papstes nach einer zufriedenstellenden Lösung der Frage der palästinensischen Flüchtlinge, die im Gefolge der Auseinandersetzung aufgetreten waren, vgl. ibid. 184 Vgl. Klinghoffer, "Israel", WV II (2. Aufl.1961), S.157. m Dle Einnahme der Jerusalemer Altstadt durch transjordanische Truppen im Mai 1948 war tatsächlich der einzige größere Erfolg der arabischen Waffen gewesen. Bemerkenswert ist, daß der transjordanische König Abdallah nach seinem Einzug in die Stadt am 28. Mai 1948 sich beeilte, Papst Pius XII. in einem Telegramm den Schutz der hl. Stätten zuzusagen. Vgl. Collin, Le problerne juridique des Lieux saints (1956), S. 130. 160
101
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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Dieser so geschaffenen Lage paßte sich die GV an, die auf der April/ Mai 1949 in Lake Success tagenden Session die Frage der Internationalisierung Jerusalems gar nicht mehr auf ihrer Tagesordnung hatte. Zwar nahm sie auf Initiative Australiens am 9. Dezember 1949 eine Resolution166 an, welche auf die Resolution der GV vom 20. November 1947 zurückgriff und damit erneut das Projekt eines Sonderstatuts für Jerusalem ins Spiel brachte; da aber die VSt und Großbritannien, bald auch der Ostblock gegen eine solche Internationalisierung waren, hatte dieses Projekt keinerlei Aussicht auf Verwirklichung. Tatsächlich gliederte sich Jordanien zusammen mit dem ihm zugefallenen Westjordansgebiet auch Altjerusalem am 24. April 1950 staatsrechtlich ein 167 . Israel, das einen entsprechenden Schritt bereits am 16. September 1948 unternommen hatte, rief Jerusalem am 23. Jänner 1950 zur Hauptstadt ausH18 • Die Mächte protestierten zwar verschiedentlich gegen dieses Vorgehen, tolerierten es jedoch in der Praxis, indem etwa neuernannte Missionschefs ihr Beglaubigungschreiben in Jerusalem überreichten169. Das Palästinaproblem trat in der Folge durch den Ausbruch des Koreakonfliktes im Sommer 1950 zurück; es erhielt erst durch die Auseinandersetzungen von 1956, 1967 und 1973, die das Land als latenten Kriegsherd mit Gefahr für den Weltfrieden kennzeichneten, wiederum höchste Aktualität.Unter diesen Umständen unternahm es der Hl. Stuhl, wenngleich vergeblich, durch eine diplomatische Offensive bei den traditionell katholischen Staaten einen Druck auf Israel auszuüben, um die Internationalisierung J erusalems doch noch zu erzwingen: "Im Mai 1949 kam es zu einer vom Vatikan inspirierten Opposition mehrerer katholischer Staaten gegen die Mitgliedschaft Israels in den UN, ,weil das Land den vollen Internationalisierungsplan nicht durchgeführt hat't7o," Dem entsprach es, daß Pius XII. in der Enzyklika Redemptoris nostri vom 15. April1949 171, die sich mit einer friedlichen Lösung des Palästinaproblems befaßte, für J erusalem einen internationalen, für die übrigen hl. Stätten aber ebenfalls einen rechtlichen Sonderstatus forderte, der ue GV-Res. 303 (IV). Vgl. Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 114. tes Vgl. Collin (oben, Anm. 165), S. 154. 16 9 Vgl. ibid., Anm. 89.- Der arabische Standpunkt für jene Zeit dargelegt in Tension, Terror and Blood in the Holy Land. The True Facts of the Palestine Question (hrg. von der Palestine Arab Refugees Institution, 1955), und bei Zua'iter, The Palestine Question (1958), der historisch bis zum Jahr 2500 v. Chr. zurückgeht und S. 28 ff. auch eine ausführliche Darstellung der Geschichte Palästinas im letzten halben Jahrhundert gibt. 170 So Lapide, "Die Bedenken des Vatikans- Anmerkungen zur päpstlichen Israelpolitik", 27 Dokumente- Zeitschrift für übernationale Zusammenarbeit (1971), S. 99 - 101, aufS. 99. 171 Vgl. 41 AAS (1949), S. 161 ff. 16 7
46•
724 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen die Freiheit des Kultus bei den religiösen Heiligtümem sowie den ungehinderten Zugang zu diesen für Einheimische wie für ausländische Pilger forderte 172 • Im übrigen schien dem Hl. Stuhl eine unter Kontrolle der OVN durchgeführte lntemationalisierung das Minimum an erforderlicher Garantie zu sein; offenbar hätte er es lieber gesehen, wenn eine Anzahl traditionell katholischer Staaten, wie Italien, Spanien, Portugal und Irland, an der geplanten intemationalen Verwaltung einen Anteil erhalten hätten, obwohl sie damals der OVN noch nicht angehörten173 • Emeut die Internationalisierung Jerusalems forderte Radio Vatikan am 1. September 1949. Gleichzeitig übte der Osservatore Romano an der nunmehr auch von der OVN angenommenen Teilung Jerusalems als einem großen Rückschritt gegenüber dem ursprünglichen Plan eines Corpus Separatum mit intemationaler Verwaltung heftige Kritik, weil eine vernünftige Wahrung der Gesamtinteressen der Stadt bei geteilter Verwaltung nicht gewährleistet wäre 174 • Schließlich sprach sich die einflußreiche römische Jesuitenzeitschrift La Civilta Cattolica gegen einen israelischen Vorschlag, durch Abkommen zwischen den Vereinten Nationen und Israel bzw. Jordanien sollte für die hl. Stätten eine intemationale Kontrolle außerhalb des Corpus separatum gesichert werden, mit der Begründung, damit wäre das Regime der heiligen Stätten lediglich vom fortgesetzten guten Willen der beiden palästinensischen Staaten abhängig175, aus. Am 8. November 1949 rief Pius XII. in Sollemnibus documentis 116 noch einmal die katholische Welt zu eindringlichem Gebet für eine gerechte Ordnung in Palästina auf, die auch den hl. Stätten einen angemessenen Status sichem sollte 177 • Schließlich erschien, nachdem der ID. Stuhl auf die Erklärung des Palästinakommissars der VN, das Land befinde sich bereits auf dem Weg der Normalisierung, und die Proklamation Jerusalems zur Hauptstadt Israels im Frühjahr 1950 mit einer Artikelserie im Osservatore Romano unter dem bezeichnenden Titel "Presenza Cattolica in Palestina" geantwortet hatte 178 , eine vorläufig abschließende Stellungnahme im Osservatore Romano vom 15. September 1950, wo darauf hingewiesen wurde, Jerusalem und seine Umgebung müßten als Ganzes einem internationalen Regime unterstellt und vor allem die historischen Rechte der Katholiken, die Freiheit ihrer EinVgl. ibid., undKöck, DerVatikan und Palästina (1973), S.117. Vgl. ibid., und Messineo, "La questione palestinense e 1a tutela dei luoghi santi", S. 4 ff. 174 In diesem Zusammenhang sprach die Zeitung (22. September 1949) von einer "frontiera assurda". 17 5 Vgl. Messineo, "La sicurezza dei Luoghi Santi tra gli scogli della politica", 102 La Civilta Cattolica (1951), S. 20 ff. 11s 41 AAS (1949), S. 530 f. 1 77 Vgl. Berger, "The Internationalization of Jerusalem", S. 387 f. 178 Vgl. Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 119, und ibid., Anm. 238. 17 2 173
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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richtungen sowie der freie Zugang zu den Heiligtümern gesichert werden. Da sowohl die israelische wie die arabische Seite wegen der starken Betonung der katholischen Rechte in Palästina auf den Artikel scharf reagierte, betonte der Osservatore Romano, daß es in Palästina neben den materiellen und politischen Interessen auch moralische und religiöse Rechte gäbe, die den gleichen, wenn nicht vordringlichen Anspruch auf Berücksichtigung erheben könnten179 • Trotzdem war es auch für die Kurie klar, daß der geeignete Zeitpunkt für eine zufriedenstellende Lösung der Palästinafrage bereits ungenützt verstrichen war. Tatsächlich trat in und um den Nahen Osten in den folgenden Jahren eine gewisse politische und diplomatische Erstarrung ein, die weniger durch den Krieg von 1956 als den von 1967 und schließlich durch den Konflikt vom Herbst 1973 soweit beseitigt wurde, daß eine Möglichkeit zur Bereinigung des Palästinaproblems wiederum gegeben war. Das bedeutsamste Ereignis der katholischen Kirche in der Zeit bis 1967, das Zweite Vatikanische Konzil, hat- wiewohl es das Klima zwischen Christen und Juden zweifellos verbessern konnte 180 - keine Änderung der Haltung des Hl. Stuhls in der Palästinafrage nach sich gezogen, weil dieselbe schon von Anfang an nicht von Ressentiments, sondern vom Streben nach einer gerechten, alle Teile zufriedenstellenden Lösung bestimmt war. Papst Paul VI. konnte daher die- ohnehin niP beendeten - diplomatischen Beziehungen dort wieder aufnehmen, bis wohin Pius XII. sie mit seiner im Einklang mit der OVN erhobenen Forderung nach Internationalisierung Jerusalems vorangetrieben hatte 181 • Bereits kurz nach Ende des Sechstagekrieges, am 23. Juni 1967, leitete der Ständige Beobachter des Hl. Stuhls bei der OVN in New York, Msgr. Giovanetti, eine Note des Staatssekretariats an die Organisation weiter, in der die Forderung des Hl. Stuhls nach einem internationalen Status für ganz Jerusalem in Form eines Corpusseparatum erneuert wurde 182 • m Vgl. Oss. Rom. vom 20./21. November 1950. Das Konzil hat auf seiner Vierten Session am 28. Oktober 1965 die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristliehen Religionen erlassen. Vgl. 58 AAS (1966), S. 740- 744. Der deutsche Text in LTK (2. Aufl.), Das Zweite Vatikanische Konzil II (1967), S. 489 ff. Zif. 4 dieser Erklärung ist dem auserwählten Volk des Alten Bundes gewidmet und nimmt insbesondere von den Juden den bisweilen erhobenen Vorwurf, sie seien allesamt als "gottesmörderisch" zu betrachten. Gleichzeitig verwirft das Konzil in der Erklärung "alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus" und will "die gegenseitige Kenntnis und Achtung" von Christen und Juden "fördern". Vgl. ibid., S. 493. Auf die Vorgeschichte und die langen Auseinandersetzungen um dieses "Judenschema" kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), Kap. XV ("Das Palästinaproblem auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil"), S. 129 ff., sowie ausführlich die Kommentierende Einleitung von Oe sterreicher in LTK, S. 406 ff. 181 Vgl. Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 124 und passim. 182 Vgl. ibid. und 21 Herder-Korrespondenz (1967), S. 453. 180
726 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
Drei Tage später, am 26. Juni 1967, wiederholte der Papst dieselbe Forderung in einer Allokution an das Kardinalskollegium 183. Damit .zeigte sich, daß der ID. Stuhl nicht gewillt war, den Vorgängen im Nahen Osten untätig zuzusehen, sondern entschlossen, durch diplomatische Aktivität soviel wie möglich dazu beizutragen, daß jener Plan verwirklicht werde, den zwanzig Jahre zuvor Weltorganisation und Weltkirche propagiert hatten: die Internationalisierung Jerusalems. Tatsächlich deutete gerade in der Periode zwischen den beiden Kriegen von 1967 und 1973 nichts darauf hin, daß Israel, das im Sechstage-Krieg u. a. Jerusalem zur Gänze erobert hatte, eine Sonderstellung dieser Stadt auch nur in Erwägung zu ziehen gedachte. Durch Gesetz vom 27. Juni 1967 wurde vielmehr die endgültige Wiedervereinigung der Hl. Stadt unter israelischer Souveränität ausgesprochen. Zwei von der GV der VN in diesem Zusammenhang gefaßte Resolutionen, von denen die eine 184 das israelische Vereinigungsgesetz als ungültig bezeichnete, die andere 185 die Forderung wiederholte, keine Änderung des rechtlichen Status von Jerusalem vorzunehmen, wurden von Israel als Einmischung zurückgewiesen1811 , das es auch ablehnte, künftig auch nur einen internationalen Status für die hl. Stätten allein zuzulassen, wie es dies früher selbst vorgeschlagen hatte 187 . Der ID. Stuhl hat in diesem Zusammenhang nicht davon abgelassen, in offiziöser und offizieller Weise die katholischen Interessen in Palästina zu verteidigen. Zahlreiche, im Osservatore Romano und in der Civilta Cattolica erschienene Artikel beweisen, daß der Hl. Stuhl nach wie vor einen internationalen Sonderstatus für die hl. Stätten, der möglichst ganz Jerusalem umfassen soll, als unabdingbare Voraussetzung für eine endgültige Beilegung des in Palästina existierenden Konfliktes ansieht188. Auch gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten, Frau 183 Vgl. Oss. Rom. vom 27. Juni 1967. 184
Vgl. GV-Res. 2253 (ES-V), vom 4. Juli 1967.
185 Vgl. GV-Res. 2254 (ES-V), vom 14. Juli 1967.
Vgl. Collin, Les Lieux-Saints (1969), S. 92. Vgl. Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 118. 188 Vgl. u. a. "Gerusalemme e Ia pace" im Oss. Rom. vom 22./23. März 1971; den Bericht "11 problema arabo-israeliano all'Assemblea generale", 121 La Civiltä Cattolica (1970), S. 606 ff.; Rulli, "Antichi e nuovi problemi in Terra Santa", 122 La Civiltä Cattolica (1971), S. 429 ff.; ders., "Proposti per i Luoghi Santi", ibid., S. 110 ff. Zu diesem Zweck unterhält der Hl. Stuhl Kontakte auch zu Israel. Vgl. "Chronique des faits int.", 74 RGDIP (1970), S. 737. Israel et Saint-Siege. Reception officielle d'un representant d'Israel par le Pape (6 octobre 1969). Zum ersten Mal in der Geschichte des Vatikans empfing Papst Paul VI. am 6. 10. 1969 einen israelischen Minister (den des Äußeren, Abba Eban), begleitet vom israelischen Botschafter in Rom, Amiel Najar. Während ein Kommunique berichtete, der Papst habe seine Hilfe zur Lösung des NahostKonflikts angeboten, erklärte ein Sprecher der Apostolischen Nuntiatur in Beirut am Nachmittag, diese Audienz "ne signüiait nullement une reconnaissance de l'll:tat d'Israel par le Vatican, ni un changement de l'attitude du Saint-Siege 18&
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111. Der Hl. Stuhl und die OVN
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Golda Meir, die er über deren eigenen Wunsch am 15. Jänner 1973 in Audienz empfing189 , erklärte Papst Paul VI., daß er hinsichtlich Palästinas kein Fremder sei, der sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen suche: als oberstes Organ der Gesamtkirche habe der ID. Stuhl die Pflicht so gut wie das Recht, über die hl. Stätten in J erusalem und im Heiligen Lande überhaupt zu wachen, wobei sich seine Obsorge natürlicherweise auch auf die christliche Bevölkerung, ja auf die Gesamtbevölkerung Palästinas erstrecke 190 • Ausdrücklich unterstrich der vatikanische Pressesprecher, Prof. Alessandrini, daß die Begegnung zwischen dem Papst und der israelischen Regierungschefin keine Änderung in der Haltung des Hl. Stuhls in der Palästinafrage bedeute, eine Haltung, die Papst Paul VI. noch in seiner Allokution an das Kardinalskollegium vom 22. Dezember 1972 nachdrücklich herausgestellt habe 191 • Nach den Kriegsereignissen vom Herbst 1973, die den Israelis zum erstenmal in der Geschichte ihres jungen Staates auch beträchtliche militärische Rückschläge beschert haben, ist die Palästinafrage offener denn je geworden. In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, daß in den Massenmedien häufig die Nachricht von Kontakten auftaucht, die arabische Staaten mit dem Hl. Stuhl in Zusammenhang mit der zukünftigen Lösung des Nahostproblems und der in Genf tagenden Konferenz, die den Schlüssel zu dieser Lösung finden soll, suchen. Es kann als sicher angenommen werden, daß der ID. Stuhl dabei auf seine alte Forderung nach dem ausreichenden Schutz der hl. Stätten, besonders in Form einer Internationalisierung Jerusalems, zurückkommen wird. Allerdings bleibt abzuwarten, inwieweit für diese Forderung internationale Unterstützung zu finden, d. h. das Interesse einer ausreichenden Zahl in Frage kommender Staaten zu wecken ist. Auch darf nicht übersehen werden, daß der Hl. Stuhl nicht wünscht, die Verhandlungen, die zum Frieden in Nahost führen sollen, seinerseits mehr als notwendig zu belasten. Die Frage einer künftigen Internationalisierung Jerusalems ist daher offener denn je.
a l'egard de
la question de Jerusalem et des Lieux-Saints". Der Apostolische Nuntius, ibid., Msgr. Bruniera, bestätigte, die Audienz sei "a la suite d'une demande directe et urgente formulee par [M. Abba Eban]" gewährt worden. lbid., S. 738, gestützt auf Le Figaro und Journal de Geneve vom 7. 10., Le Monde vom 7. und8.10.1969. 189 Vgl. die Erklärung des Vatikanischen Presseamtes über den Meir-Besuch im Vatikan in der Neuen Zürcher Zeitung vom 17. Jänner 1972; dazu Oss. Rom. vom 15./16. Jänner 1973. 190 Vgl. dazu auch schon die Ansprache Pauls VI. an das Kardinalskollegium vom 24. Juni 1971, aus der klar hervorgeht, daß der Hl. Stuhl eine Sicherung der hl. Stätten und des Zugangs zu ihnen, sowie eine Garantie der nationalen und religiösen Rechte der Minderheiten wünscht, wobei ersteres am besten durch einen internationalen Sonderstatus zu bewerkstelligen sei. Vgl. Oss. Rom. vom 25. Juni 1971. m Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 17. Jänner 1973; Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 128, Anm. 261 a.
728 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
Blickt man auf die Haltung des Hl. Stuhls zur Palästinafrage seit dem Ende des zweiten Weltkriegs zurück, so kann man dabei ein zweifaches feststellen: der Hl. Stuhl hat materiell abgelehnt, Unrecht zu sanktionieren; und er hat formell versucht, eine Lösung in Einklang und in übereinstimmung mit der OVN zu erreichen, derart zum Ausdruck bringend, daß er das Wirken dieser Organisation für wesentlich und fruchtbringend ansieht. Ausdruck für ersteres ist der Umstand, daß der Hl. Stuhl Israel bis heute nicht anerkannt hat192 • Während die Mehrzahl der Mitglieder der OVN die Anerkennung schon in der ersten Zeit des Bestehens des neuen Staates vollzogen hat, und lediglich die arabischen Staaten davon aus leicht einsichtigen Gründen bisher Abstand genommen haben 193 , steht der Hl. Stuhl nach wie vor auf dem Standpunkt, daß eine solche Anerkennung seinerseits erst nach einer allgemeinen Bereinigung der dortigen brennenden Probleme, also des Schutzes der hl. Stätten, aber auch einer gerechten Behandlung und möglichst einer Rückführung der Palästinaflüchtlinge erfolgen könne. Damit zeigt sich, daß es der Hl. Stuhl ablehnt, durch den wichtigen politischen Schritt der Anerkennung bestehender Tatsachen in eine rechtlich noch nicht gelöste Frage einzugreifen, und es eher vorzieht, einen jahrzehntelangen Schwebezustand hinzunehmen, als eine Situation zu sanktionieren, die durch Gewalt geschaffen ist, und in die sich noch nicht alle Beteiligten durch Anerkennung in irgendeiner Form, etwa durch die Aufnahme normaler Beziehungen, gefunden haben. Die zweite zu konstatierende Besonderheit, das Bemühen des Hl. Stuhls, in der Palästinafrage mit der OVN konform zu gehen, wird durch die Ansprache Papst Pauls VI. an die Kardinäle vom 22. Dezember 1967 194 dokumentiert, wo er hinsichtlich der vom Hl. Stuhl zur Lösung des Nahostkonflikts ergriffenen Initiativen darauf verweist, daß "nous avons tenu au courant de ces intentions la hilf!rarchie orthodoxe et la hierarchie anglicane, et on a cru bon d'en informer egalement les gouvernements qui ont des relations diplomatiques avec le Saint-Siege, ainsi que le secretariat generaldes Nations Unies"185 • Der zitierte Passus ist zweifellos Ausdruck jenes neuen, organisationszuwendenden Bewußtseins, das in der Kirche und vor allem beim Hl. Stuhl durch das Pontifikat Johannes' XXIII. belebt und durch Papst Paul VI. so gefördert worden ist. Wenn daher heute auch ein abschließendes Urteil über die Palästinapolitik des Hl. Stuhls und ihre Ergebnisse verfrüht ist, so kann man doch schon diesen Zug zur engeren Zusammenarbeit mit der OVN als ein positives by-product dieser Politik werten. Vgl. Köck, ibid., S. 12. Vgl. dazu Brown, "The Recognition of Israel", 42 AJIL (1948), S. 620 ff. Vgl. Köck, Der Vatikan und Palästina (1973), S. 145, Anm. 284. 195 Zit. nach der französischen Version bei Collin, Les Lieux-Saints (1969), S. 103 (Hvhbg. vom Verf.). 192 193 194
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
729
3. D e r S t ä n d i g e B e o b a c h t e r des Hl. Stuhls bei der OVN Bei allem Vorbehalt, den der Hl. Stuhl- besonders zur Zeit Papst Pius' XII. - der OVN gegenüber hatte, wurde es doch notwendig, die Arbeit der Organisation aus der Nähe zu verfolgen, und sei es nur um der Informationen willen, die auf diese Weise aus New York ins vatikanische Staatssekretariat gelangten 196 • Zu diesem Zweck wählte dieses von Zeit zu Zeit eine geeignete Person aus, um als Beobachter an einzelnen Sitzungen von Organen der OVN teilzunehmen, die für den Hl. Stuhl von besonderem Interesse waren. Vor allem ab dem Beginn der sechziger Jahre war es der Weihbischof von New York, James H. Griffith, der häufig zu dieser Aufgabe herangezogen wurde 197 und in der Herstellung von Kontakten zur Organisation und der Unterhaltung von Beziehungen zum Sekretariat Hervorragendes leistetelos. Daneben führten im Gefolge der Konferenz über die friedliche Nutzung von Atomenergie von 1955 die Verhandlungen zwischen dem päpstlichen Staatssekretariat und dem Generalsekretariat der VN zum Entschluß des Hl. Stuhls, sich vom Sommer 1956 an in Genf durch einen Beobachter bei den Sessionen des WSR - jenes Organs, das durch seine wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Aufgaben für den Hl. Stuhl von besonderem Interesse ist- vertreten zu lassen199 • 1. Mit dem Pontifikatsbeginn Pauls VI. (1963) begann jedoch eine neue Periode des Verhältnisses des Hl. Stuhls zu den internationalen Organisationen im allgemeinen und zur OVN im besonderen. Sondierungen fanden statt, inwieweit es wünschenswert wäre, der positiven Haltung des Hl. Stuhls zu dieser Organisation dadurch Ausdruck zu verleihen, daß bei ihr die Einrichtung eines Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls geschaffen würde200 • Diese Sondierungen führten zu einem positiven 196 Vgl. auch Mac Eoin, "Catholic Voices at the UN", 97 America (1957), S. 619 - 621; Nucitelli, Le fondement juridique des rapports diplomatiques entre le Saint-Siege et les Nations Unies. Contribution a l'etude de la souverainete et de l'independance (1956). 197 Vgl. das Schreiben des einst. Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den VN, Msgr. Giovanetti, vom 15. Juni 1972 an den Verfasser, Annex No. 9. 198 Vgl. de Riedmatten, "Die Präsenz des Hl. Stuhls in den internationalen Organismen", S. 570, Anm.19. 199 Erster Beobachter des Hl. Stuhls bei den Sessionen des WSR in Genf war Msgr. Brini. Vgl. de Riedmatten, "Die Präsenz des Hl. Stuhls in den internationalen Organismen", S. 570, Anm. 15. Vgl. auch Verosta, "International Organizations and the Holy See", S. 209. 200 Vgl. Cardinale, "The Contribution of the Holy See to World Peace in the Areas of Diplomacy, Development and Ecumenism", The Vatican and World Peace (hrg. von Sweeney, 1970), S. 97: "Paul was quick to substantiate his desire to place the services of the Church at the disposal of the community of nations
730 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen Ergebnis. Mit Notenwechsel vom 21. März 201 und 6. April 1964202 wurde daher einvernehmlich die Stelle eines Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen geschaffen und das Amt Msgr. Giovanetti übertragen, nachdem der für die Leitung der Delegation zuerst ausersehene New Yorker Weihbischof Griffith vor dem Notenaustausch verstorben war203 • Seit Herbst 1973 hat Msgr. Cheli das Amt des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen inne 204 • 2. Die rechtliche Stellung der Beobachter bei der OVN205 in New York im allgemeinen und die des Beobachters des Hl. Stuhls im besonderen hatte ursprünglich keine Grundlage und beruht auch heute noch auf der sich allmählich im Rahmen der OVN und im Verhältnis zum Sitzstaat, den VSt, herausgebildet habenden Praxis. Was die Stellung der Ständigen Beobachter im Rahmen der Organisation anlangt, so muß hiebei auf einen Bericht zurückgegriffen werden, den GS Trygve Lie der GV auf deren Vierter Session vorlegte. Obzwar es zu dieser Zeit noch keinen offiziellen Beobachter des Hl. Stuhls gab, ist das dort Gesagte mutatis mutandis heute auch auf ihn anwendbar: in its work for peace ... [The appointment of] a permanent observer of the Holy See to the United Nations Organization ... was the realization of a cherished dream of bis, which went back to the days when he was Substitute Secretary of State. It represented a great step forward in the policy of the HolySee." 201 Schreiben Kardinalstaatssekretär Cicognanis an GS U Thant, Staatssekretariats-No. 1450/64: "... Since the Holy See has decided to establish more permanent contact with the Offices of the United Nations Organization, I have the honor to inform Your Excellency that the Holy See will have a Permanent Observer to the United Nations in the person of the Right Reverend Monsignor Alberto Giovanetti, with residence at 3339 Massachusetts Avenue N.W., Washington 8, D.C., and at the Holy Family Rectory, 323 East Street, New York 17, N.Y. In asking Your Excellency to take note of the abovementioned data, I have the pleasure ..." 202 Schreiben GS U Thants an Kardinalstaatssekretär Cicognani: " ... I have the honor to aknowledge receipt of the Ietter No. 1450/64 of 21 March 1964 by which Your Eminence informs me that the Holy See has decided to establish a Permanent Observer's Office at the United Nations Headquarters ... The establishment if this Office shows once more the interest which the Holy See takes in the activities of the Organization. I can but rejoice in the decision and wish to assure Your Eminence that the Secretariat will extend to Monsignor Giovanetti all the facilities which are provided, as a matter of practice, to Permanent Observers. May I take this opportunity ..." Beide Schreiben bei GaZZina, Le organizzazioni internazionali e la chiesa cattolica (1967), S. 75 f. 203 Vgl. de Riedmatten, "Die Präsenz des Hl. Stuhls in den internationalen Organismen", S. 570, Anm.19. 204 Vgl. Annuario Pontificio 1974, S.1097. Vgl. allgem. Lucien-Brun, "Le SaintSiege et les Institutions Internationales", 10 AFDI (1964), S. 536 - 542. Anläßlich der Entsendung eines Beobachters des Hl. Stuhls zu den UN gibt der Verfasser eine übersieht über den Stand der offiziellen Beziehungen auch zu anderen Institutionen. 205 Zur Stellung der Missionen bei der OVN überhaupt vgl. Grass, "Immunities and Privileges of Delegations to the United Nations", 16 Int. Org. (1962), S. 483 - 520, und Leriche, "Les Missions Permanentes aupres de !'Organisation des Nations Unies", 31 RDISDP (1953), S. 406-411.
III. Der Hl. Stuhl und die OVN
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"It should be noted that, apart from the permanent missions to the United Nations, several non-Member States - Austria, Italy, the Republic of Korea, and Switzerland - have appointed observers to follow the work of the United Nations at the Organization's headquarters. The Secretary-General has welcomed these observers and facilitated their task to the greatest possible extent, though their formal status has not be decided upon206 ." In diesem Zusammenhang werden den Beobachtern folgende Arbeitserleichterungen eingeräumt: Sie erhalten ein Laissez-passer, das ihnen gestattet, an allen öffentlichen Sitzungen der verschiedenen Organe der VN teilzunehmen207 ; sie erhalten alle Dokumente wie die Vertreter der Mitgliedstaaten; und sie haben freien Zutritt zu allen Arbeits- und Erholungsräumen, die bei der OVN für den Gebrauch der Ständigen Delegationen eingerichtet sind208 • Was das Verhältnis zum Sitzstaat, den VSt, anlangt, so ist festzuhalten, daß "Ständige Beobachter" weder in der SVN noch im Amtssitzabkommen vom 26. Juni 1947 209 genannt sind, das u. a. (in Art. V) die Privilegien und Immunitäten der Mitglieder der Ständigen Vertretungen bei der OVN regelt. Die Regierung der VSt hat jedoch - "out of liberality" - diese Privilegien und Immunitäten auch den Ständigen Beobachtern jener Staaten gewährt, die diplomatische Beziehungen mit Washington unterhalten. Da der Hl. Stuhl dort jedoch nur eine Apostolische Delegatur und keine Nuntiatur besitzt, kommen seinem Ständigen Beobachter derartige Privilegien und Immunitäten auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu. Tatsächlich- und per modum facti- ist es dem Ständigen Beobachter des ID. Stuhls gestattet, verschlüsselte Telegramme zu senden und zu empfangen und sich des diplomatischen Kuriers zu bedienen21 o. Was die Stellung des Ständigen Beobachters im Rahmen der diplomatischen Hierarchie des Hl. Stuhls anlangt, so ist diese bis heute nicht endgültig festgelegt. Wiewohl er nicht den Charakter eines Nuntius bekleidet, hebt ihn seine Position doch über die Stellung eines schlichten Nuntiaturrats hinaus 211 • UN-Doc. A/939 Rev.l. Sie haben jedoch nicht das Recht, unmittelbar am Sitzungstisch Platz zu nehmen oder ohne Einladung von zuständiger Seite und in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen das Wort zu ergreifen. Vgl. UNESCODoc. 26 EX/22, S. 3. 208 Vgl. ibid. 209 UNTS XI, S. 11 ff. Es darf in diesem Zusammenhang auf die im Schoße der ILC ausgearbeitete Konvention über "Relations Between States and International Organizations" hingewiesen werden. Vgl. UN Doc. A/CN. 4/241 und Add. 1 - 6, YBILC 1971 II, S. 1 ff. Ibid., S. 84 ff. auch über den künftigen Status der "Permanent Observer Missions to International Organizations". Vgl. dazu die Diskussion in der 6. Kommission der GV der VN, GAOR, Twenty-fifth Session, Annexes, Agenda item 84, UN Doc. A/8147, Chap. III, B.- Der Konventionsentwurf in YBILC 1971 II, S. 284 ff. (UN Doc. A/8410/Rev. 1). 210 Vgl. das in Anm. 197 genannte Schreiben Msgr. Giovanettis; Annex, No. 13. 211 Vgl. ibid., No. 4. 2os 207
732 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
Derzeit besteht das Amt des Ständigen Beobachters aus diesem und einem weiteren vatikanischen Diplomaten im Rang eines Nuntiaturrats. Dazu kommen alljährlich zur Zeit der Session der GV der VN ad hoc ernannte Vertreter, um dem Hl. Stuhl Gelegenheit zu geben, der Arbeit der GV und ihrer sieben Kommissionen möglichst vollständig zu folgen2t2. 4. D i e T e r m i n o l o g i e d e r P r ä s e n z d e s H l. S t u h l s
Die nach dem zweiten Weltkrieg wegen des zunehmenden Engagements des Hl. Stuhls im Bereich internationaler Organisationen häufiger auftretende Frage, ob es formell der Hl. Stuhl oder der Staat der Vatikanstadt (der "Vatikan") sei, der an den Organisationen teilnehme, wurde im Verhältnis zur OVN im Jahre 1957 akut. Dabei ging es um die Klarstellung, ob es sich hier um Beziehungen des "kleinsten Zwergstaat[es] der Welt" 213 oder um solche der einzigartigen moralischen Macht der katholischen Kirche zur Organisation handelte. Da die OVN in ihren Dokumenten den Terminus "Vatikan" verwendet hatte, bestand die Gefahr, es könnte der Eindruck erweckt werden, als ginge es hier tatsächlich nur oder doch hauptsächlich um Beziehungen eines Nicht-Mitgliedstaates eigenen Charakters (nämlich winziges Territorium, dauernde Neutralität und - vor allem - Abhängigkeit vom Hl. Stuhl) zur Weltorganisation. Dieser Eindruck hätte aber den Wünschen des Hl. Stuhls nicht entsprochen, weil diesem daran gelegen sein mußte, die religiöse Autorität der katholischen Kirche in diesem Forum präsent zu machen. Erleichtert wurde dabei die Position des Hl. Stuhls durch den Umstand, daß der GS der VN, Dag Hammarskjöld, während eines Aufenthaltes in Genf im Sommer 1957, der Anlaß zu diesbezüglicher Fühlungnahme gab, den bemerkenswerten Ausspruch tat: "Wenn ich im Vatikan um eine Audienz nachsuche, so will ich nicht den König des Vatikanstaates sehen, sondern das Haupt der katholischen Kirche214." Unter diesen Umständen war es nicht allzu schwierig, die Verhandlungen zu einem befriedigenden Ergebnis zu bringen. Dieses ist in einem Notenwechsel vom 16./28. Oktober 1957 niedergelegt. Darin wird von Seiten des Staatssekretariats ausdrücklich festgestellt und vom Generalsekretariat der VN anerkannt, daß die zwischen New York und dem Vati212 Vgl. ibid., No. 10. - Zum Ständigen Beobachter des Hl. Stuhls beim Büro der OVN in Genf vgl. unten, Zwölftes Kapitel, II. - Das Leben eines Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei der OVN in New York schildert in humorvoller Weise der erste Inhaber dieses Amtes, Msgr. Giovanetti, in seinem Buch Il palazzo e di vetro (Rom 1971). 213 Vgl. de Riedmatten, "Die Präsenz des Hl. Stuhls in den internationalen Organismen", S. 565. 214 Vgl. ibid.; vgl. auch Verosta, "International Organizations and the Holy See", S. 209 f.
IV. Der Hl. S.tuhl und die Internationale Atomenergie-Organisation 733 kan bestehenden Beziehungen solche der OVN mit dem Hl. Stuhl seien 215 • Gleichzeitig versprach der GS der VN, daß hinfort in den VNDokumenten die korrekte Bezeichnung ,.Hl. Stuhl" verwendet würde216 • Dieser Notenaustausch ist zurecht als "fatt[o] di enorme importanza giuridica" bezeichnet worden217 • Ist doch darin durch ein Organ der OVN ausdrücklich anerkannt, daß es der Hl. Stuhl als solcher, nicht etwa bloß der Staat der Vatikanstadt ist, der im Forum der Weltorganisation präsent ist. Wiewohl daher zwar in jedem einzelnen Fall geprüft werden muß, ob die konkrete Beziehung dem Hl. Stuhl als dem obersten Organ der katholischen Kirche oder als dem Souverän der Vatikanstadt zuzurechnen ist218 , so ist erstere wegen der untrennbaren institutionellen Verbindung beider Aspekte - des kirchlichen und des staatlichen im Hl. Stuhl219 stets in diese Beziehungen mit hereingenommen. Damit hat die Organisation die Präsenz des Hl. Stuhls für ihren Bereich außer Streit gestellt und sein international standing im Rahmen der organisierten Staatengemeinschaft ausdrücklich anerkannt.
IV. Der Hl. Stuhl und die Internationale Atomenergie-Organisation Die intemationale Atomenergie-Organisation ist das Ergebnis einer langen Auseinandersetzung um den rechten Gebrauch der Atomenergie und die Kontrolle atomarer Rüstung im Rahmen der VN. 21s Vgl. das Schreiben des päpstlichen Staatssekretariats an GS Dag Hammarskjöld vom 16. Oktober 1957, Staatssekretariats-No. 6752/57: "... Au vu de certaines incertitudes qui se sont manifestees au sujet des relations que le Secretariat General des Nations Unies entretient avec la Secretairerie d'Etat, celle-ci tient a preciser que ces relations s'entendent etablies entre les Nations Unies et le Saint-Siege. De meme le Saint-Siege qui est represente par les delegations que la Secretairerie d'Etat accredite aux sessions des differents organes des Nations Unies ..." Entsprechend heißt es im Antwortschreiben Dag Hammarskjölds vom 29. Oktober 1957, Generalsekretariats-No. LEG 241/01: "Le Secretaire General des Nations Unies ... a l'honneur d'accuser reception de la note N. 6752/57 du 16 octrobre 1957 par laquelle la Secretairerie d'Etat de Sa Saintete a bien voulu preciser que les relations de celle-ci entretient avec le Secretariat des Nations Unies s'entendent etablies entre le Saint-Siege et les Nations Unies et que les delegations que la Secretairerie d'Etat peut etre amenee a accrediter aupres des organesdes Nations Unies sont des delegations du Saint-Siege et doivent des lors etre designees comme telles ... " Beide Dokumente abgedruckt bei GalZina, Le organizzazioni internazionali e la chiesa cattolica (1967), S. 73 f. und 74. 218 "Bonne note a ete prise de cette communication dont les services competents du Secretariat ne manquerout pas de tenir compte dans la redaction des documents de !'Organisation et la preparation d'instruments internationaux dont les organesdes Nations Unies peuvent assumer l'elaboration." Ibid. 217 Von Gallina, Le organizzazioni internazionali e la chiesa cattolica (1967), s. 72. 21 8 Vgl. zu dieser Frage ausführlicher unten, Zwölftes Kapitel. 219 Vgl. Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Institutionen", S. 175 f.
734 10. Kap.: Die Teilnahme des ffi. Stuhls an den Friedensorganisationen 1. Nachdem sich die VSt gegenüber der Sowjetunion - welche auf einer sofortigen vollständigen Vernichtung aller Kernwaffen insistierte - mit dem sogenannten Baruch-Plan nicht durchgesetzt hatten1 , beschloß die GV der VN im Gefolge der vom amerikanischen Präsidenten Eisenhower vor diesem Forum am 8. Dezember 1953 gehaltenen Rede, in welcher er vorgeschlagen hatte, die Regierungen mögen spaltbares Material an eine zu gründende Organisation übergeben, die unter den Auspizien der VN für die friedliche Nutzung der Kernenergie arbeiten sollte 2 , nach Genf eine Konferenz über die friedliche Nutzung der Atomenergie einzuberufen3 • Diese tagte vom 8. bis 20. August 1955. Als Folge der positiven Ergebnisse dieser Konferenz trat in New York im Oktober 1956 eine Staatenkonferenz zusammen, welche am 26. Oktober das Statut der damit neu gegründeten International Atomic Energy Agency (IAEA) annahm4 • Dieses trat am 29. Juli 1957 in Kraft. Sitz der Organisation ist Wien5 • 2. Als ein Mitglied der "Familie der VN" -er war für die Vatikanstadt Mitglied der Spezialorganisationen UPU und ITU - wurde der ID. Stuhl eingeladen, an der Genfer Konferenz zur friedlichen Nutzung der Atomenergie teilzunehmen. Damit stand der Hl. Stuhl vor einer schweren Entscheidung: sollte er sich - wie bisher - darauf beschränken, an solchen internationalen Unternehmungen teilzunehmen, die völlig unpolitischen Charakter trugen, und - wie seine Teilnahme bei UPU und ITU -lediglich auf die technischen Notwendigkeiten zurückzuführen waren, die der Bestand der Vatikanstadt bedingte? Hieß eine Teilnahme an der Genfer Konferenz nicht, "die Leitung der Kirche von ihrer apolitischen Haltung wegzubringen und sie in eine zwiespältige Haltung zu engagieren, die sie schließlich kompromittieren mußte" 0 ?
Es war der Generalsekretär der OVN, Dag Hammarskjöld, selbst, der es unternahm, diese Bedenken des m. Stuhls auszuräumen. Er nahm über seinen Stellvertreter, Ralph Bunche, Kontakte mit dem Erzbischof von New York und engem Vertrauten Pius' XII., Kardinal Spellman, auf, um diesen zu veranlassen, sich im Vatikan für eine Teilnahme des Hl. Stuhls an der Konferenz in Genf zu verwenden7 • Speilman sollte ver1 Danach sollte das Eigentum an allem spaltbaren Material vom Abbau bis zur Endverarbeitung einer InternationaL Atomic Development Agency übertragen werden. Vgl. Hahn, "Internationale Atomenergie-Organisation", WV II (2. Auft. 1961), S. 44. 2 Vgl. Bechoefer-Stein, "Atoms for Peace: The New International Atomic Energy Agency", 55 Michigan Law Review (1956/57), S. 747 f. 3 Vgl. GV-Res. 810 (IX) vom 4. Dezember 1954. 4 Vgl. UNTS CCLXXVI, S. 3 ff.; Berber, Dokumente I (1967), S. 238 ff. 5 Das Amtssitzabkommen mit der Republik Österreich vom 13. April 1967; vgl. in (österr.) BGBI. 245/1967. 8 Vgl. de Riedmatten, "Die Präsenz des Hl. Stuhls in den internationalen Organismen", S. 564. 7 Vgl. dazu Gannon, The Cardinal Speilman Story (1962), S. 358.
IV. Der Hl. Stuhl und die Internationale Atomenergie-Organisation 735 anlaßt werden, dem m. Stuhl gegenüber darauf hinzuweisen, daß der GS der OVN gerade auf seine Teilnahme besonderen Wert lege, weil eine solche besonders gut geeignet sei, die ausschließlich friedlichen Ziele des Unternehmens zu demonstrieren. Der ID. Stuhl beugte sich diesen Gründen und entsandte eine Zweierdelegation, bestehend aus Professor Medi, einem Schüler des berühmten Physikers Enrico Fermi, und dem Schweizer Dominikaner de Riedmatten, dem späteren ersten Ständigen Beobachter des Hl. Stuhls beim Büro der VN in Genf8 • In der Tat betrachteten es die Delegationen der an der Konferenz teilnehmenden Staaten als sehr bedeutungsvoll, daß sich unter ihnen mit der Delegation des ID. Stuhls auch die Vertreter einer so bedeutenden moralischen Macht, wie sie die katholische Kirche bzw. der Hl. Stuhl darstellt, befanden'. Wegen dieses psychologischen Erfolges und einem erneuten Drängen Dag Hammarskjölds entschloß sich der Hl. Stuhl, auch zur Gründungskonferenz der IAEA in New York 1956 eine Delegation zu entsenden. Damit wurde der Hl. Stuhl veranlaßt, von Anfang an als Gründungsmitglied an der am 26. Oktober 1956 gegründeten Internationalen Atomenergie-Organisation teilzunehmen10 • Auch im Rahmen der IAEA gab es am Anfang Schwierigkeiten hinsichtlich der Bezeichnung, unter der der Hl. Stuhl auftreten sollte. Die Delegierten zur New Yorker Konferenz, die US-Amerikaner Frank Folsom und P. Theodor Hesburgh, waren zwar instruiert worden, unter der Bezeichnung "Hl. Stuhl" zu agieren, gaben sich jedoch - wohl in Unkenntnis der möglichen Implikationen dieses Formfehlers - damit zufrieden, auf der Konferenz als "Vatikan" geführt zu werden. Aus diesem Grund erschien auch in der Liste der Mitglieder der IAEA ursprünglich nicht der Heilige Stuhl, sondern der "Vatikan". Erst auf eine Intervention des Staatssekretariats hin informierte der Generaldirektor der Organisation die Mitgliedstaaten in einem Zirkularschreiben vom 7. Jänner 1960, daß es der Hl. Stuhl sei, der Mitglied der IAEA wäre 11 • Der ID. Stuhl war bei der internationalen Atomenergie-Organisation zuerst durch nichtresidierende Ständige Vertreter repräsentiert12 , und 8
Vgl. Verosta, "International Organizations and the Holy See",
23
öZöR
(1972), s. 209. 9 Vgl. De Riedmatten, "Die Präsenz des Hl. Stuhls in den internationalen
Organismen", S. 564. Zahlreiche Delegationen- auch aus den Staaten des Ostblocks- und Vertreter des Sekretariats waren bei dem von der Delegation des Hl. Stuhls veranstalteten Gottesdienst vertreten. 10 Vgl. de Riedmatten, "Die Präsenz des Hl. Stuhls in den internationalen Organismen", S. 564; Verosta, "International Organizations and the Holy See", S.209.
11 Vgl. den Text dieses Schreibens (auszugsweise) bei Gallina, Le organizzazioni internazionali e Ia chiesa cattolica (1967), S. 77. 12 Die Vertreter bei der IAEA tragen die offizielle Bezeichnung "Ständige Delegierte".
736 10. Kap.: Die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Friedensorganisationen
zwar durch die schon genannten Amerikaner Folsom und P. Hesburgh. Ihnen wurde aber schon 1959 als erster residierender Vertreter Msgr. Zacchi beigegeben, der am 19. März jenes Jahres emannt wurde 13 • Ihm folgten in dieser Eigenschaft Msgr. De Liva 14 , Msgr. Prigione 15 , Msgr. LemaitreH1, Msgr. Moretti1 7 und- seit Dezember 1971 - Msgr. Quilici 18 • Nichtresidierender Ständiger Vertreter des Hl. Stuhls bei der IAEA wurde nach dem Tod Folsoms und nach dem Rücktritt P. Hesburghs am 26. Juni 1970 der bundesdeutsche Bankier Dr. Hermann J. Abs 19 • Der Hl. Stuhl beteiligt sich an den Auslagen der IAEA durch ordentliche und außerordentliche Beiträge. Die katholische Welt ist außer durch diese ständige offizielle Vertretung des Hl. Stuhls bei der Intemationalen Atomenergie-Organisation auch durch die Confederation internationale des syndicats chretiens repräsentiert, eine jener 19 nichtstaatlichen internationalen Organisationen, die bei der IAEA Konsultativstatus genießen.
3. Zu den wichtigsten Aufgaben der IAEA gehört es heute, einen Beitrag zur nuklearen und allgemeinen Abrüstung dadurch zu leisten, daß sie an einschlägigen intemationalen Kontrollen teilnimmt. Schon 1961 billigte der Gouvemeursrat grundsätzlich ein entsprechendes Kontrollsystem, das für die Kemreaktoren der kleinen (d. h. der NichtAtomwaffen-Staaten) bestimmt war; dieses System wurde in der Folge derart umgearbeitet, daß es auch für die Kontrolle der Kemenergieerzeugung der Großmächte tauglich war20 • Nachdem dieser Erfolg auf wissenschaftlich-technischem Gebiet errungen war, konnte man darangehen, ihn auf einen solchen im politischen Bereich umzusetzen, an dem ebenfalls schon geraume Zeit gearbeitet wurde. Das Ergebnis war der Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kemwaffen vom 1. Juli 19682 1, der am 1. März 1970 in Kraft trat22 • In diesem Vertrag verpflichten sich die Atomwaffen-Staaten, die NichtAtomwaffen-Staaten bei der friedlichen Nutzung der Atomkraft zu Vgl. Annuario Pontificio 1960, S. 1012. Von 1960 - 1962. 15 Von 1962- 1968. 1e Von 1968 - 1969. 17 Von 1969 - 1971. 18 Seit 1971. Dieüberreichung des Beglaubigungsschreibens beim Generaldirektor der IAEA, Dr. Eklund, fand am 13. Dezember 1971 statt. 19 Vgl. Annuario Pontificio 1971, S. 1049. 20 Vgl. hiezu allgemein Nuclear Proliferation: Prospects for Control (hrg. von Boskey und Willrich, 1970), passim. 21 Durch GV-Res. 2373 (XXII) angenommen. Text im Annex; dann 7 ILM (1968), S. 811- 817; 62 AJIL (1968), S. 308 ff. 22 Nach Ratifikation durch die Depositarmächte Sowjetunion, VK und VSt sowie weitere vierzig Staaten; vgl. Art. IX, Ziff. 3, Atomwaffensperrvertrag. 13
14
IV. Der ßl. Stuhl und die Internationale Atomenergie-Organisation 737 unterstützen23 , gleichzeitig aber auch, ihnen keinerlei Atomwaffen oder nukleare Sprengköpfe zu liefern24 . Die Nicht-Atomwaffen-Staaten ihrerseits verpflichten sich, keinerlei Atomwaffen herzustellen oder sich sonst zu beschaffen25. Darüber hinaus haben sie nach Art. III des Vertrages die Verpflichtung, mit der IAEA sog. Safeguard-Agreements abzuschließen, auf deren Grundlage die Organisation die Einhaltung der von den Nicht-Atomwaffen-Staaten im Atomwaffensperrvertrag übernommenen Pflichten überprüft26 . Der Hl. Stuhl trat dem Atomwaffensperrvertrag am 25. Februar 1971 bei27 . In Anbetracht der geringen Möglichkeiten des Hl. Stuhls, auf dem Gebiet der Vatikanstadt Atomwaffen herzustellen oder sonstwie Atommacht zu werden, handelte es sich bei diesem Schritt des Hl. Stuhls ausschließlich um eine Geste zugunsten der vom Atomwaffensperrvertrag als Fernziel ins Auge gefaßten allgemeinen Abrüstung28 und des Friedens29 . Das hinderte jedoch nicht, daß der Hl. Stuhl auch seiner durch den Beitritt erwachsenen Pflicht nachkam, durch den Abschluß eines Safeguard-Agreement die Art und Weise der Überwachung der friedlichen Nutzung der Atomenergie von seiner Seite zu regeln30 . Nachdem der Generaldirektor der IAEA in einer Note an das päpstliche Staatssekretariat31 die Einladung zur Eröffnung entsprechender Verhandlungen ausgesprochen hatte und am 4. November 1971 auch der Entwurf für bestimmte Zusatzmaßnahmen (Supplementary Arrangements) an den Hl. Stuhl übermittelt worden war, kam durch Verhandlungen zwischen der Rechtsabteilung der IAEA und dem Ständigen Vertreter des Hl. Stuhls bei der Organisation, Msgr. Quilici, an denen vorübergehend auch der juridische Konsulent des Staatssekretariats, Prof. Ciprotti, teilnahm, bis zum Sommer 1972 der Entwurf eines Safeguard-Agreement zwischen dem Hl. Stuhl und der IAEA zustande32, der am 21. Juni 1972 vom Gouverneursrat der Organisation Art. V Atomwaffensperrvertrag. Art. I Atomwaffensperrvertrag. 25 Ibid., Art. II. 26 Diese Verträge müssen spätestens zwei Jahre nach Ratifikation (Beitritt) zum Vertag in Kraft getreten sein. 27 Durch die gleichzeitige Hinterlegung von Beitrittsurkunden bei den Depositaren in London, Moskau und Washington. 28 Vgl. Art. VI Atomwaffensperrvertrag. 29 Vgl. Oss. Rom. vom 26. Februar 1971: "Nel fare questo gesto, la Santa Sede intendeva dare il suo appogio morale ai principi ehe stanno alla base del Trattato ed allo sforzo ehe esso rappresenta per cominciare a porli in atto." 30 Vgl. Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Institutionen. (Am Beispiel des Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968 dargestellt.)", 25 ÖAKR (1974), S. 166 ff. 31 Vom 15. Juli 1971; vgl. ibid. 32 Über den näheren Gang der Verhandlungen ausführlich Köck, ibid., S.l66 f. 23 24
47 Köck
738 10. Kap.: bie Teilnahme des IIL Stuhls an den Friedensorganisationeh
einstimmig gebilligt wurde 33 . Daraufhin konnte am 26. Juni 1972 am Sitz der Intemationalen Atomenergie-Organisation in Wien die feierliche Unterzeichnung des Safeguard-Agreement mit dem Hl. Stuhl stattfinden, die auf dessen Seite von Msgr. Quilici, auf Seiten der IAEA von deren Generaldirektor, Dr. Eklund, vollzogen wurde. Das Abkommen samt Zusatzprotokoll ist nach Erfüllung der in Art. 24 vorgeschriebenen Voraussetzungen34 am 1. August 1972 in Kraft getreten35. Damit hatte der Hl. Stuhl den Schlußstein in einem Akt zugunsten des Friedens gesetzt, wie Msgr. Quilici anläßlich der Unterzeichnung betonte: "Gerade weil der Hl. Stuhl seiner Natur nach über den weltlichen Konflikten zwischen den Völkern steht, gerade weil er keine Waffen oder sonstiges Kriegsgerät irgendwelcher Art hat oder haben kann, ist er sich bewußt, daß sein Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag eine ganz besondere Bedeutung hat; dieser Beitritt stellt die Bekräftigung eines Grundsatzes dar, das sichtbare Zeichen der Ermutigung und Unterstützung der Sache der Abrüstung und der internationalen Entspannung ...ae." Gerade die Teilnahme des Hl. Stuhls an der IAEA und an dem mit ihr verbundenen Safeguard-System im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages zeigt, daß sich diese Teilnahme selbst bei einer und derselben Organisation nicht von vomherein der staatlichen oder der kirchlichen "Seite" des Hl. Stuhls zuordnen läßt. Während sich aus der Genesis der Teilnahme des Hl. Stuhls an der IAEA und am Atomwaffensperrvertrag ergibt, daß sie in Erfüllung seiner Friedensmission erfolgt und daher dem Hl. Stuhl als jener religiösen Institution zuzurechnen ist, die sich selbst als vom Friedensfürsten37 gestiftet unter dem Anruf "beati pacifici- selig die Friedensstifter"38 stehend betrachtet, hat die Teilnahme des Hl. Stuhls am Safeguard-Agreement im Rahmen des Systems des Atomwaffensperrvertrages rein technischen Charakter, da Vgl. IAEA-Doc. GOV/OR. 449. D. h., nach Billigung durch den Papst als Souverän der Vatikanstadt. as Der Generaldirektor der IAEA hat die Mitglieder der Organisation bzw. Parteien des Atomwaffensperrvertrages durch Zirkularschreiben vom 10. August 1972 (No. 4/364) davon in Kenntnis gesetzt. a& Zit. nach der bei Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Institutionen", S. 178, Anm. 71 gegebenen Übersetzung des im Oss. Rom. vom 26./27. Juni 1972 abgedruckten Textes der Ansprache.- Generaldirektor Dr. Eklund betonte ebenfalls die "symbolische Bedeutung, die über den eigentlichen Umfang dieses Dokuments weit hinausgeht. Wir wissen alle, daß der Hl. Stuhl keine Absicht hat, Kernwaffen zu erwerben; diese feierliche Verpflichtung stellt vielmehr auch eine Anerkennung der Grundsätze für die internationale Sicherheit, die Abrüstung und den Frieden, die die Grundlage des Atomwaffensperrvertrages bilden, von höchster Seite dar." Zit. nach ibid., S. 177, Anm. 70. 37 Vgl. Is. 9, 5. 38 Vgl. Mt. 5, 9. 33 34
IV. Der lli. Stuhl und die Internationale Atomenergie-Organisation 'ia9 sie lediglich der Ermöglichung der Kontrolle dienen soll, daß auf dem Gebiet des Staates der Vatikanstadt keine die Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages betreffend die Nicht-Atomwaffenstaaten verletzenden Handlungen gesetzt werden. Insoweit ist diese Teilnahme dem ID. Stuhl als dem Souverän der Vatikanstadt zuzurechnen38 •
39 Vgl. Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Institutionen", S.172.
47°
Elftes Kapitel
Der Hl. Stuhl und die europäische Einigung Das Interesse des Hl. Stuhls an dem, was man unter "europäischer Einigung" zu verstehen gewohnt ist, geht weit zurück1 • Es reicht in der Tat bis zum Ausgang des ersten Weltkriegs, wo Benedikt XV. in Mißbilligung der in Paris geschaffenen europäischen Friedensordnung2 die Völker Europas in seiner Enzyklika Pacem, Dei munus pulcherrimum vom 23. Mai 19203 aufrief, die bestehenden Rivalitäten und gegenseitigen Beleidigungen zu vergessen und sich in jener christlichen Liebe zu vereinigen, für die es keine Ausländer gäbe. Pius XI. nahm diesen Gedanken in seiner Sozialenzyklika Quadragesima anno von 1931 4 auf und gab ihm gleichzeitig eine nähere Bestimmung: "11 convient aussi que les diverses nations, si etroitement solidaires et interdependantes dans !'ordre economique, mettent en commun leur reflexions et leurs efforts pour häter, a la faveur d'engagements et d'institutions sagement con!;us, l'av€mement d'une bienfaisante et hereuse collaboration economique internationale5."
Und Pius XII. nahm die erste Kriegsweihnachtsansprache zum Anlaß, um warnend seine Stimme zu erheben und auf die furchtbaren Folgen hinzuweisen, die eine Fortsetzung des Krieges für Europa mit sich bringen mußte 6• t Vgl. Müller, Die Kirche und die Einigung Europas (1955); Casaroli, "La Santa Sede e l'Europa", 103 La Civilta Cattolica (1972), S. 367 ff. 2 "Friedenstaten", so sagt der Papst bereits in seiner Weihnachtsansprache von 1918, "sind die Maßnahmen, welche die besiegten Völker zwar zu einer billigen Buße, nicht aber zur Vernichtung verurteilen." Zit. nach Bielmeier, "Die Friedensverlautbarungen Benedikts XV.", Das Wort der Päpste (hrg. von Sandfuchs, 1965), S. 75 - 81, aufS. 81. 3 12 AAS (1920), S. 209 ff. 4 23 AAS (1931), S. 190 ff. 5 Französischer Text in 25 DocCath (1931), Sp. 1430. Zit. nach Bernucci, Les initiatives du Saint-Siege en faveur de l'unification europeenne (1971), S. 7. 6 Vgl. Oss. Rom. vom 25./26. Dezember 1939; französischer Text in 41 DocCath (1940), Sp. 103: "Comment une economie epuisee ou extenuee pourra-t-elle trouver, apres la guerre, les moyens necessaires a la reconstruction economique et sociale, au milieu de difficultes qui seront enormement accrues de toutes parts et dont les forces et !es artifices des ennemis de !'ordre, toujours aux aguets, essayeront de profiter dans l'espoir d'assener a l'Europe chretienne le coup decisif?" (Bei Bernucci, loc. cit.)
I. Der Europarat
741
Daß es - zumindest in jenem Teil Europas, der gewöhnlich als der "freie" bezeichnet wird - nicht zum Schlimmsten gekommen ist und ein Wiederaufbau ermöglicht wurde, geht vor allem auf das European Recovery Program zurück, das mit dem Namen des amerikanischen Politikers George Marshall untrennbar verbunden ist7 • Während noch der von ihm am 5. Juni 1947 vorgelegte Plan auf der Pariser Außenministerkonferenz8 beraten wurde, erschien im offiziösen Organ des Hl. Stuhls, dem Oss. Rom., am 27. Juli 1947 ein Beitrag unter dem Titel "Der Ill. Stuhl und der europäische Wiederaufbau", in welchem die Sympathien des Hl. Stuhls für das ERP klar zum Ausdruck kamen9 • Auch die Weihnachtsansprache Pius' XII. von 1947 läßt die Hoffnung erkennen, die der Papst in ein Gelingen dieses Planes setzte 10 •
I. Der Europarat 1. Als im Mai 1948 im Haag ein Kongreß von Vertretern aus neunzehn Staaten1 zur Förderung der Einigung Europas zusammentrat, der eine Einladung an die Regierungen aussprach, eine aus Parlamentariern der verschiedenen europäischen Staaten gebildete Europäische Versammlung einzuberufen und sogleich einen Europarat zu schaffen, lieh der Hl. Stuhl diesem Unternehmen seine volle moralische Unterstützung. In seiner Konsistorialallokution vom 2. Juni 1948 2 auf den Raager Kongreß Bezug nehmend, sagte Pius XII.: "Des esprits clairvoyants et courageux cherchent incessamment de nouvelles voies vers un passage de salut. Au moyen de tentatives repetees de reconciliation, de rapprochement entre nations naguere encore en lutte les unes contre les autres, ils s'appliquent a remettre sur pied une Europe ebranlee jusque dans ses fondements, et a faire de ce foyer d'agitation chronique un boulevard de la paix et la promotrice providentielle d'une detente generale sur toute la face de la terre. A cause de cela, sans vouloir faire entrer l':Eglise dans l'enche7 Vgl. Erler, "Marshall-Plan", WV II (2. Aufl.. 1961), S. 480-484, und die dort angegebene reichhaltige Literatur. 8 Vom 27. Juni- 2. Juli 1947; an ihr nahmen die Außenminister der drei westlichen Großmächte und jener der Sowjetunion teil, die sich aber in der Folge nicht am ERP-Programm beteiligte. Vgl. ibid., S. 480. 9 Vgl. Bernucci, Les initiatives du Saint-Siege en faveur de l'unification europeenne (1971), S. 8. 1° Franz. Text in 45 DocCath (1948), Sp. 74 ff. Eine weitere Ansprache Pius' XII. vom 11. Jänner 1948, Oss. Rom. vom 12. Jänner 1948, zeigt dabei, daß der Papst unter der Einigung Europas immer noch die Einigung des christlichen Abendlandes auch mit dem Blick auf eine Verteidigung seiner Werte gegenüber dem kommunistischen und kapitalistischen Materialismus vor Augen hatte. 1 Im Rahmen der sog. Europäischen Bewegung, die später durch ihre Beschlüsse auch die Satzung des Europarats beeinfl.ußt hat. Vgl. von Puttkamer, "Europäische Einigung", WV I (2. Aufl.. 1960), S. 454. 2 Vgl. Oss. Rom. vom 3. Juni 1958.
742
11. Kap.: Der m. Stuhl und die europäische Einigung
vetrement clinterets purement terrestres, Nous avons estime opportun de nommer un Representant personnet special au 'Congres de l'Europe' qui s'est tenu tout recemment d la Haye, afin de montrer la sollicitude et de porter Z'encouragement du Saint-Siege pour Z'union des peuples 3 ." Tatsächlich konnte als Ergehens der verschiedenen Bemühungen die Satzung des Europaratesam 5. Mai 1949 unterzeichnet werden4 • Sie trat am 9. August 1949 in Kraft5. 2. Der ID. Stuhl und andere hohe Organe der katholischen Kirche brachten in der Folge zu verschiedenen Malen ihre Sympathien für die im Europarat niedergelegten Ideen zum Ausdruck, vor allem auch für dessen Sorge um einen Schutz der Menschenrechte8 • Schließlich ergab sich für beide Seiten das Bedürfnis nach engerer Zusammenarbeit, und zwar vor allem auf kulturellem Gebiet. Das am 19. Dezember 1954 abgeschlossene Europäische Kulturabkommen7 sieht in Art. 9, Zif. 4, vor, daß das Ministerkomitee des Europarats auch Nichtmitglieder desselben unter gewissen Bedingungen zur Teilnahme am Abkommen einladen kann. Einer solchen Einladung Folge leistend, hat der ID. Stuhl seine Beitrittsurkunde am 10. Dezember 1962 beim Generalsekretär des Europarates hinterlegt8 • Damit ist er Mitglied des Rates für kulturelle Zusammenarbeit des Europarates (Council of Cultural Co-operation of the Council of Europe) geworden. Als solches arbeitet er mit allen Mitgliedemdes Rates in allen Fragen, die Kultur und Erziehung in Europa betreffen, zusammen. Dabei bedient er sich eines Ständigen Delegierten, dessen Funktion allerdings mit jener des Gesandten beim Europarat verbunden ist9 • Dieser wird vom Office catholique d'information pour l'Europe (OCIPE) unterstützt10 • 3 Bei Bernucci, Les initiatives du Saint-Siege (1971), S. 5; nach dem franz. Text in 45 DocCath (1948) (Hvhbg. vom Verf.), Sp. 775.- Der Papst rief dann die Katholiken auf, sich an diesem Werk einer friedlichen Vereinigung Europas zu beteiligen. Vgl. 2 (1 österr. Ausg.) Herder-Korrespondenz (1947/48), S. 401. 4 UNTS LXXXVII, S. 103 ff.; Berber, Dokumente I (1967), S. 357 ff. 5 Vgl. Carstens, "Europarat", WV I (2. Aufl.1960), S. 494. 8 Zur Europäischen Menschenrechtskonvention vgl. u. a. Vasak, La Convention europeenne de droit de l'homme (1964). 7 UNTS CCXVIII, S.139 ff.; Berber, Dokumente I (1967), S.1330 ff. 8 Vgl. das Schreiben des Gesandten des Hl. Stuhls beim Europarat an den Verfasser (ohne Datum) (Herbst 1972), Annex I, No. 7. Vgl. auch "Int. Org.: Summary of Activities- III: Political and Regional Organizations- Council of Europe", 17 Int. Org (1963), S. 288 ff., auf S. 292: "On December 10, 1962, the Secretary-General of the Council of Europe received from the Papal Nuncio in Brussels a document accepting the invitation which bad been addressed to the Holy See to adhere to the European Cultural Convention. (Council of Europe Press Release C/62/17 revised, Dec. 10, 1962). Concluded in Paris on December 19, 1954, the convention henceforth would group fifteen of the member states of the Council of Europe and three non-rnernher States." 9 Bis vor kurzem war dies der Nuntius in Brüssel und daher Delegierter Msgr. Carclinale, vgl. noch Annuario Pontificio 1974, S. 1097. Sein Beglaubigungsschreiben für den Rat für kulturelle Zusammenarbeit datiert vom 30. Mai
I. Der Europarat
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Nachdem auf diese Weise der Boden für eine noch engere Zusammenarbeit zwischen dem lll. Stuhl und dem Europarat bereitet worden war11 , ernannte Papst Paul VI. im November 1970 den Apostolischen Nuntius in Brüssel, Msgr. Cardinale, zum Gesandten beim Europarat mit der Stellung eines Ständigen Beobachters 12 • Als solcher erhält er die Europaratsdokumente und nimmt an den Sitzungen der Organisation teil. Darüber hinaus entsendet der Hl. Stuhl über Einladung des Europarates Experten zu einzelnen Tagungen, die für den Hl. Stuhl von besonderem Interesse sind13 • Der Hl. Stuhl leistet keine finanziellen Beiträge zu den Ausgaben des Europaratest4.
1969, No. 7707. Am 7. Februar 1974 brachte der Oss. Rom. jedoch eine amtliche Verlautbarung, nach welcher das Amt des Verteters des Hl. Stuhls beim Europarat (und bei dessen Rat für kulturelle Zusammenarbeit) von dem des Brüsseler Nuntius getrennt und eine selbständige Vertretung in Straßburg errichtet wurde. Zu ihrem Titular wurde der Apostolische Nuntius in Paris, Msgr. Righi Lambertini ernannt; tatsächlich werden die Amtsgeschäfte jedoch von einem Pariser Nuntiaturrat mit dem Titel "Delegierter des Sondergesandten (!) des Hl. Stuhls beim Europarat" wahrgenommen. 10 Vgl. die in Anm. 8 gegebene Quelle, Annex I, No. 18. 11 Seit dem Eucharistischen Weltkongreß in München (1960), aus dessen Anlaß eine Tagung unter dem Motto "Die Kirche als Formkraft im neuen Europa" abgehalten (vgl. 14 Herder-Korrespondenz [1959/60], S. 538) und aus einer Gruppe von Vertretern nationaler katholischer Verbände ein eigenes InitiativKomitee gebildet worden war, finden auch alljährlich Rencontres europeennes statt, an denen Vertreter verschiedener katholischer Vereinigungen und Institutionen teilnehmen. Vgl. u. a.18 Herder-Korrespondenz (1963/64), S. 9. 12 Das von Kardinalstaatssekretär Viilot unterzeichnete Akkreditierungsschreiben datiert vom 10. November 1970, und ist an den damaligen Vorsitzenden des Ministerkomitees des Europarates, Thorn, gerichtet. Vgl. unten II, Anm.25. 13 Vgl. das Schreiben Msgr. Cardinales an den Verfasser (ohne Datum, Herbst 1972), Annex II, No. 15. Vgl. auch Oss. Rom. vom 11. November 1970, wo darauf hingewiesen wird, daß der Hl. Stuhl, im Wunsche, mit dem Europarat herzliche Beziehungen zu entwickeln, nach vorherigem einvernehmlich hergestellten Einverständnis beschlossen habe, beim Europarat einen Gesandten mit dem Titel "Ständiger Beobachter" zu ernennen. Bemerkenswert ist, daß es sich hiebei um einen Sondergesandten - "inviato speciale" - handelt, ohne daß hervorginge, in welcher Weise hier tatsächlich eine Besonderheit vorläge. Es muß daher angenommen werden, daß diese sonst vom Hl. Stuhl im Zusammenhang mit internationalen Organisationen nicht verwendete Bezeichnung (vgl. aber im Zusammenhang mit den Staaten, oben, Drittes Kapitel, V, D) wegen der besonderen Stellung Msgr. Cardinales, der bereits Titularerzbischof und Nuntius in Brüssel war, gewählt wurde, weil man ihn nicht zu einem gewöhnlichen Beobachter machen wollte. Andereseits hat auch der dzt. Ständige Beobachter bei der FOA bischöflichen Rang.- Vgl. in diesem Zusammenhang allgemein auch Saitta, "La Santa Sede e le organizzazioni europee", Oss. Rom. vom 17. März 1974. 14 Vgl. ibid., No. 16.
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11. Kap.: Der Hl. Stuhl und die europäische Einigung
II. Die Europäischen Gemeinschaften 1. Der ID. Stuhl hat das im Rahmen des Europarates geleistete Werk niemals als ausreichend angesehen, eine rasche Einigung Europas zustandezubringen. Er hat daher nicht gesäumt, auch jenen Bemühungen, die außerhalb dieser Organisation sichtbar wurden, seine moralische Unterstützung zu leihen. Als am 8. November 1948 der Zweite Kongreß der Union europeenne des federalistes in Rom zusammentrat und in seiner Arbeit zum Schluß
kam, daß "le problerne du transfert partiel de la souverainete nationale a des organismes federaux" bisher noch keine ausreichende Lösung gefunden habe 1 , nahm Papst Pius XII. dies zum Anlaß, um in einer den Teilnehmern dieses Kongresses in Castel Gandolfo gewährten Audienz darauf hinzuweisen2 , daß für die Schaffung eines Vereinten Europas keine Zeit mehr zu verlieren sei: "Si l'on tient a ce que cette union atteigne son but, si l'on veut qu'elle serve utilement la cause de la liberte et de la concorde europeenne, la cause de la paix economique et politique intercontinentale, i1 est grand temps qu'elle se fasse ... Certains se demandent meme s'il n'est pas deja trop tard3 ." Der Papst wies in seiner Ansprache darauf hin, es werde notwendig sein, daß die europäischen Nationen, auch jene mit einer großen Vergangenheit, vom Podeste nationaler Ehre herabstiegen, um zu einer höheren- eben übernationalen, europäischen- Einigung zu gelangen4 • Tatsächlich ging eine solche Einigung nur schleppend vor sich. Es ist hier nicht der Platz, die Geschichte der Versuche nachzuzeichnen, die zu Beginn der fünfziger Jahre einerseits zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führten 5, andererseits aber ein Scheitern der Pläne auf Errichtung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und einer Europäischen Politischen Gemeinschaft 1 Zit. nach Bernucci, Les initiatives du Saint-Siege en faveur de l'unification europeenne (1971), S. 9. 2 Vgl. Oss. Rom. vom 12. November 1948; ibid., S. 9- 10. 3 Franz. Text in 45 DocCath (1948), Sp.1538; ibid., S.10. 4 "Les grandes nations du continent, a la longue histoire toute chargee de souvernirs de gloire de puissance, peuvent aussi faire echec a la constitution d'une union europeenne, exposees qu'elles sont, sans y prendre garde, a se mesurer elles-meme a l'echelle de leur propre passe plutöt qu'a celle des realites du present et des previsions de l'avenir. C'est justement pourquoi l'attend d'elles qu'elles sachent faire abstraction de leur grandeur d'autrefois pour s'aligner sur une unite politique et economique superieure ... Elles le feront d'autant plus volontiers qu'on ne les astreindra pas, par souci excessif d'uniformite, a un nivellement force, alors que le respect des caracteres culturels de chacun des peuples provoquerait, par leur harmonieuse variete, une union plus facile et plus stable." Vgl. 45 DocCath (1948), Sp. 1538 - 1539. (Ibid.) 5 Vertrag vom 18. Apri11951, UNTS CCLXI, S. 140 ff.; Berber, Dokumente I (1967), s. 391 ff.
II. Die Europäischen Gemeinschaften
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brachten6 • Bemerkenswert ist jedoch, was Pius XII. in diesem Zusammenhang7 in einer Ansprache vor Teilnehmern der Pax-Christi-Bewegung am 13. September 1952 ausführte 8• Die Kirche, so sagte der Papst, könne gegenüber den gegenwärtig unternommenen Anstrengungen für eine Einigung Europas nicht indifferent bleiben: "Elle les soutient plutöt de toute la force de ses sacrifices et de ses prieres" 9• Gleichzeitig sprach Pius XII. allerdings die Befürchtung aus, das für eine politische Einigung Europas als Grundlage nötige Gemeinschaftsbewußtsein der europäischen Völker sei noch nicht ausreichend gediehen. Man müsse daher alles daran setzen, um ein für so ein bedeutendes politisches Unterfangen notwendiges günstiges Klima zu schaffen. Zwischen 1952 und 1957 ließ Pius XII. keine passende Gelegenheit vorübergehen, ohne seine Stimme zugunsten einer Einigung Europas zu erheben10 . Dieses Anliegen kehrt auch in den Weihnachtsansprachen von 1953- 1956 regelmäßig wieder11 •
2. Tatsächlich brachte gerade das Jahr 1957 eine Neubesinnung auf diesem Gebiet und den Versuch, das, was im ersten Anlauf gescheitert war, durch den allmählichen Aufbau einer entsprechenden wirtschaftlichen Grundlage zu erreichen. Am 25. März 1957 wurden in Rom Verträge zur Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaftl2 und zur Gründung einer Europäischen Atomgemeinschaft13 unterzeichnet14. 6
Lit. dazu Volle, "Die Agonie der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft",
9 EA (1954), S. 715 ff.; Haedrich, "Europäische Verteidigungsgemeinschaft", WV I (2. Aufl.. 1960), S. 477- 479; CiaLda, "La Communaute Politique Europeenne - Hier et Demain", 1 Annuaire Europeen (1955), S. 104 ff.; Ridder,
"Zur Problematik der Europäischen Politischen Gemeinschaft", 1 Jahrbuch der Politik (1954), S. 52 ff.; ders., "Europäische Politische Gemeinschaft", WV I (2. Aufl.. 1960), S. 474-477. 7 Bernucci, Les initiatives du Saint-Siege en faveur de l'unification europeenne (1971), S. 11, weist darauf hin, daß "[d]evant une constatation aussi evidente, le Saint-Siege ne pouvait demeurer dans une position purement passive. Il faut plutöt supposer que, devant la complexite des evenements, les une etrangers a l'Eglise par nature, les autres charges de polemiques reciproques, le Saint-Siege cherchait a agir au mieux des possibilites, d'apres les principes et les fins pour lesquelles Pie XII avait envoye son Representant special au 'Congres de l'Europe' et qu'il avait rappele dans son discours aux congressistes de l'UEF en novembre 1948." 8 Vgl. Oss. Rom. vom 14. September 1952. 9 Franz. Text in 49 DocCath (1952), Sp. 1411. (Bei Bernucci, ibid.) 10 Vgl. Bernucci, Les initiatives du Saint-Siege en faveur de l'unification europeenne (1971), S. 12. 11 Vgl. etwa 62 AAS (1954), S. 5 ff. 12 UNTS XCCCV, S. 23 ff.; Berber, Dokumente I (1967), S. 441 ff. 13 UNTS XCCCV, S. 263 ff.; Berber, Dokumente I (1967), S. 519 ff. 14 Die Literatur zu den Europäischen Gemeinschaften ist Legion. Vgl. zur Übersicht Steindorff, "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft", WV I (2. Aufl. 1960), S. 479- 484; ders., "Europäische Atomgemeinschaft", ibid., S. 448- 451;
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11. Kap.: Der Hl. Stuhl und die europäische Einigung
Pius XII. nahm noch 1957 Gelegenheit, in einer Ansprache an Parlamentarier der Versammlung der EGKS zu dieser Entwicklung Stellung zu nehmen15 • Der Papst wies dabei darauf hin, daß "[u]ne necessite economique vitale impose aux Etats modernes de moyenne puissance de s'associer etroitement, s'ils veulent poursuivre les activites scientifiques, industrielles et commerciales, qui conditionnent leur prosperite, leur veritable liberte et leur rayonnement cultureP 6 ." Der Papst begrüßte dann die Gründung supranationaler Gemeinschaften als Mittel zur Erreichung dieses Zieles: "Les pays d'Europe, qui ont admis le principe de deleguer une partie de leur souverainte a un organisme supranational, entrent, croyons-Nous, dans une voie salutaire, d'ou peut sortir pour eux-memes et pour l'Europe une vie nouvelle dans tous les domaines, un enrichessement non seulement economique et culturel, mais aussi spirituel et religieux17 ." Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Hl. Stuhl sein Interesse für Europa in der Folge ausschließlich auf die Sechsergemeinschaft beschränkt oder den dort beschrittenen Weg für den allein gangbaren gehalten hätte. Daß dem nicht so ist, geht unzweideutig aus der Botschaft hervor, die der Substitut im Staatssekretariat, Msgr. Dell'Acqua, namens Papst Johannes' XXIII. an den Präsidenten der 49. Semaine sociale de France übersandte, die im Juli 1962 in Straßburg unter dem Motto .,L'Europe des personnes et des peuples" tagte18 • Der dort angesprochene ,.sain pluralisme" gilt wohl auch für die politischen Formen europäischer Einigung, was auch in der Ansprache Papst Johannes' XXIII. an das Comite executif international de la journee europeenne des ecoles vom 11. Februar 1963 unterstrichen ist: "L'Eglise, vous le savez, n'entend pas se prononcer sur les formes d'association que doit prendre teile ou teile entite politique. Ce n'est pas son röle. Mais elle ne cesse d'agir en vue de la comprehension mutuelle, du bon accord et de la vie en commun, paisible et sereine, de toute la grande famille humaine19."
ders., ,.Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl", ibid., S. 458-466. Daselbst finden sich zahlreiche weitere Literaturhinweise. Grundlegend für das Gemeinschaftsrecht und seine Problematik die Darlegung in Stein-Hay, Law and Institutions in the Atlantic Area (1967). Vgl. auch Clauder (Hrsg.), Einführung in die Rechtsfragen der europäischen Integration (1969). Zur Ausweitung der Gemeinschaft auf nunmehr neun Mitglieder vgl. Legal Problems of an Enlarged European Community (hrg. von Badhurst 1972). 15 Vom 4. November 1957; vgl. Oss. Rom. vom 5. November 1957. 16 Franz. Text in 54 DocCath (1957), Sp. 1497. (Bei Bernucci, S. 13.) 17 Ibid., Sp. 1500. (Ibid.) 18 Vgl. 59 DocCath (1962), Sp. 1076. (Ibid., S. 17.) u Franz. Text in 60 DocCath (1963), Sp. 309-310. (Ibid., S. 15.) Vgl. die von Faul VI. kurz nach seinem Regierungsantritt am 2. September 1963 vor der Federazione universitaria cattolica italiana gehaltene Ansprache, nach welcher es nicht Sache des Papstes sei, konkrete Schritte zur Lösung der Frage der europäischen Einigung vorzuschlagen. Vgl. Oss. Rom. vom 3. September 1963.
II. Die Europäischen Gemeinschaften
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Dagegen gilt für den Hl. Stuhl, was Papst Paul VI. am 9. November 1963 vor Teilnehmern an der Conjerence du Mouvement europeen gesagt hat20 : "Nous aussi, Nous sommes pour l'Europe unie!" 21 Diesen positiven Standpunkt zu einer europäischen Einigung hat Paul VI. in der Folge noch zu verschiedenen Malen zum Ausdruck gebracht22 • Von besonderer Bedeutung sind dabei jene Äußerungen, die von der Rolle der Kirche bei der Einigung Europas sprechen. Diese Rolle stellt sich im kirchlichen Selbstverständnis vor allem als eine mahnende und befeuernde dar. "[L]a creation d'une Europe unie et pacifiee", sagte der Papst am 8. September 1965 vor Mitgliedern des Informations- und Studienzentrums Giovane Europa, "[est] un ideal extremement beau et important ... Il est pleinement conforme a la conception chretienne de la societe humaine, qui tend a faire du monde une seul famille de peuples freres. C'est pourquoi l'l:glise vous encourage volontiers dans votre travail. Certes, votre but est ardu, mais il est d'une necessite vitale pour l'Europe de demain, et peut-etre aussi pour le monde entier23." Dabei geht der Hl. Stuhl davon aus, daß eine möglichst umfassende und gleichzeitig möglichst enge Verbindung in Europa herbeigeführt werden sollte24. 3. Das besondere Interesse des Hl. Stuhls für den von der Sechser(seit dem 1. Jänner 1973: Neuner-)Gemeinschaft beschrittenen Weg, Europa dadurch zu einigen, daß zuvor die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen für eine spätere politische Union geschaffen werden, wurde schließlich im November 1970 dadurch demonstriert, daß der Hl. Stuhl nach gepflogenem gegenseitigen Einvernehmen mit den EuroVgl. Oss. Rom. vom 10. November 1963. Franz. Text in 60 DocCath (1963), Sp. 1553. (Bei Bernucci, S. 15.) 22 So vor dem Comite directeur de l'Executif europeen de l'Union internationale des jeunes democrates-chretiens am 31. Jänner 1964; vgl. Oss. Rom. vom 1. Februar 1964 und 61 DocCath (1964), Sp. 294; am 24. Oktober 1964, als der Papst die Basilika der Abtei von Monte Cassino weihte und aus diesem Anlaß den hl. Benedikt von Nursia zum Schutzpatron Europas proklamiert; vgl. Oss. Rom. vom 25. Oktober 1964 und 61 DocCath (1964), Sp. 1445; am 3. April 1965 vor Mitgliedern der Agrarsektion des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EWG; vgl. Oss. Rom. vom 4. April 1965 und 62 DocCath (1965), Sp. 771. (Ibid., passim.) 23 62 DocCath (1965), Sp. 1667 -1668. (Ibid., S. 17.) Vgl. die Worte Pauls VI. vor der Conference pour la fonction publique europeenne vom 6. April 1965, 62 DocCath (1965), Sp. 771. Vgl. schließlich Paul VI., "I grandi ideali di giustizia, carita e pace sociale nel progresso comunitario dell'Europa", 8 Insegnamenti di Paolo VI (1970), S. 322 - 325. 24 Vgl. die Ausführungen Papst Pauls VI. vor einer Arbeitsgruppe der Konsultativversammlung des Europarates: "Non pas, certes, que l'l:glise ait competence pour decider des meilleurs solutions politiques a adopter pour atteindre le but poursuivi. Mais c'est ce but qui l'interesse." Vgl. 62 DocCath 1965), Sp. 772. (Bei Bernucci, S. 18 - 19.) 20
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11. Kap.: Der m. Stuhl und die europäische Einigung
päischen Gemeinschaften in diplomatische Beziehungen trat25 . Es wurde eine Ständige Vertretung des Hl. Stuhls bei den Europäischen Gemeinschaften in der Rechtsform einer Apostolischen Nuntiatur geschaffen und der Brüsseler Nuntius auch zum Apostolischen Nuntius bei den Europäischen Gemeinschaften ernannt26 . Msgr. Cardinale überreichte im Rahmen einer feierlichen Zeremonie am 24. November 1970 sein Akkreditierungsschreiben27 an den Amtsführenden Präsidenten des Ministerrates der Europäischen Gemeinschaften, den Außenminister der BRD, Walter Scheel; desgleichen am 26. November 1970 im Rahmen einer weiteren Zeremonie an den Präsidenten der Kommission der Gemeinschaft, Fran!;ois Marie Malfatti28. Aufgabe der Nuntiatur bei den Europäischen Gemeinschaften ist es, zwischen dem Hl. Stuhl und den Europäischen Gemeinschaften gute Beziehungen aufrechtzuerhalten und in jeder möglichen Weise zur Verbesserung der Aussichten für den Frieden, die allgemeine Wohlfahrt und vor allem den Fortschritt der Entwicklungsländer beizutragen29 . Als diplomatischer Vertreter i. e. S. nimmt der Nuntius 30 bei den Europäischen Gemeinschaften aber nicht unmittelbar (auch nicht als Beobachter) an der Arbeit derselben teil31 • Es mag Erstaunen erregen, daß der Ständige Vertreter des ID. Stuhls bei den Europäischen Gemeinschaften die Position eines Nuntius be25 Vgl. auch 75 RGDIP (1971), S. 1175, "Saint-Siege. Etablissement de relations diplomatiques [avec] les Communautes europeennes (9 novembre 1970)". (Gleichzeitig wurde auch die Ernennung desselben Nuntius Cardinale zum "envoye special du Saint-Siege avec les fonctions d'observateur permanent" beim Europarat bekanntgegeben: "Le Saint-Siege cooperait deja avec le Conseil de l'Europa depuis 1962. Le nonce a Bruxelles siegait comme delegue au Conseil pour la cooperation culturelle. Il assurait d'autre part de fa!;on officieuse une mission d'observation aupres des Communautes europeennes.") Die Entsendung ist einseitig, die Gemeinschaft unterhält ihrerseits keine diplomatischen Vertreter. 28 Vgl. Oss. Rom. vom 11. November 1970, wo es heißt, daß der Hl. Stuhl und die Europäischen Gemeinschaften, im Bestreben, freundschaftliche und gegenseitige Beziehungen zu fördern, beschlossen haben, diplomatische Beziehungen herzustellen, und zwar mit der Akkreditierung eines Apostolischen Nuntius bei diesen Gemeinschaften von Seiten des Hl. Stuhls. Vgl. auch Verosta, "International Organizations and the Holy See", S. 211. 27 Das Beglaubigungsschreiben ist von Kardinalstaatssekretär Viilot gezeichnet und datiert vom 10. November 1971. 28 über die Eigentümlichkeiten der überreichungszeremonien und ihren politischen Hintergrund vgl. Salmon, "Les representations et missions permanentes aupres de la CEE et de !'EURATOM", Les Missions Permanentes aupres des Organisations internationales I (1971), S. 561 ff., aufS. 728 ff. 29 Vgl. das Schreiben des Apostolischen Nuntius bei den Europäischen Gemeinschaften an den Verf. (ohne Datum, Herbst 1972), Annex III, No. 14. 30 Der das traditionelle Präzedenzrecht vor den übrigen Mitgliedern des bei den Gemeinschaften akkreditierten diplomatischen Korps genießt; vgl. ibid.,
No.17.
31 Auch der Apostolische Nuntius bei den Europäischen Gemeinschaften erfreut sich der Unterstützung durch OCIPE. Vgl. ibid., No. 18.
1!. Die Europäischen Gemeinschaften
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kleidet, während dies für den Hl. Stuhl sonst bei internationalen Organisationen nicht üblich ist. Hiefür können aber mehrere Erklärungen angeboten werden. Die eine geht dahin, daß - weil die Funktion dem Nuntius in Brüssel übertragen wurde - man denselben mit keinem niedrigeren Rang bekleiden wollte als jenen, den er schon innehatte. Dagegen spricht aber, daß Msgr. Cardinale als Brüsseler Nuntius beim Europarat lediglich als Inviato Speciale con funzioni di Osservatore Permanente akkreditiert wurde 32 • Eine weitere Erklärung wäre, daß man beim Hl. Stuhl sich ganz einfach der für Vertreter bei den Europäischen Gemeinschaften herausgebildeten Nomenklatur bedienen wollte; und das diplomatische Korps bei den Gemeinschaften kennt eben Botschafter, Gesandte, etc.33 • Schließlich könnte die Ernennung eines Nuntius in diesem Fall auch damit begründet werden, sie sei Ausdruck der Zuversicht des Hl. Stuhls, daß sich in den Europäischen Gerneinschaften der harte Kern einer zukünftigen Europäischen Politischen Gerneinschaft herausbildet, die in verschiedenen Bereichen, etwa eben bei den diplomatischen Beziehungen, bereits Konturen anzunehmen beginnt34 • Der Verfasser neigt der zweitgenannten Erklärung zu, glaubt jedoch gleichzeitig, daß Überlegungen unter Punkt eins und drei nicht ohne Einfluß gewesen sein mögen. Insoferne nehmen die Europäischen Gemeinschaften tatsächlich eine Sonderstellung in den diplomatischen Beziehungen des Hl. Stuhls ein.
Vgl. oben I, und ibid., Anm. 12 und 13. über die Rechtsgrundlage des Gesandtschaftsrechts der Europäischen Gemeinschaften und die Funktion der dort beglaubigten Gesandten vgl. SaLmon (oben, Anm. 28, bes. S. 566 ff.). 34 Über das ursprüngliche Bestreben der Kommission, dieser Entwicklung gerade in Zusammenhang mit den diplomatischen Beziehungen der Gemeinschaften sinnfälligen Ausdruck zu geben, vgl. ibid., S. 728 ff. 32
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Zwölftes Kapitel
Der Hl. Stuhl und die internationalen Organisationen - Bewertung In den vorangegangenen Abschnitten haben wir im einzelnen die Beziehungen des Hl. Stuhls zu den internationalen Organisationen1 dargestellt. Dabei hat sich gezeigt, daß zwischen dem Hl. Stuhl und den internationalen Organisationen rechtliche Verbindungen verschiedener Art bestehen, die wir zu Eingang dieses Teils programmatisch alle unter dem Begriff der "Teilnahme" zusammengeiaßt haben2 • Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, den Versuch einer Systematisierung dieser Beziehungen zu unternehmen und gleichzeitig zu zeigen, daß es sich hiebei um typisch völkerrechtliche Beziehungen handelt. 1. Am Beginn dieser Untersuchung sind wir von den Staaten als den typischen Völkerrechtssubjekten ausgegangen8, mit der Absicht, von ihren, den typischen völkerrechtlichen Beziehungen wertend auf die entsprechenden Beziehungen des Hl. Stuhls zu schließen. Dieser Ausgangspunkt empfiehlt sich auch in diesem Zusammenhang. Denn die Staatenund vor allem sie - nehmen, als die typischen Völkerrechtssubjekte, an den internationalen Organisationen durch Mitgliedschaft oder sonstwie teil. Internationale Organisationen haben eine solche Mitgliedschaft bzw. sonstige Teilnahme zur Grundlage ihrer Existenz bzw. ihrer (spezifischen) Tätigkeit. Außer den Staaten nehmen aber auch andere Rechtssubjekte an den internationalen Organisationen teil, sei es in Form der Mitgliedschaft, des Konsultativstatus, durch Zusammenarbeit mittels Ständiger Vertreter oder Beobachter, etc. Darunter ist unzweifelhaft eine große Zahl von privaten internationalen Vereinigungen, wie z. B. die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerassoziationen bei der ILO oder die verschiedenen mit Erziehung, Wissenschaft und Kultur befaßten Vereinigungen, die bei der UNESCO Konsultativstatus genießen. Der Souveräne Malteser-Ritterorden nimmt als Beobachter an den Sitzungen der WHO 1 Daß wir in diesem Zusammenhang unter "internationaler Organisation" nur die zwischenstaatlichen ("öffentlichen") internationalen Organisationen verstehen, haben wir bereits oben, Vorbemerkung zum Dritten Teil, dargelegt. 2 Vgl. oben, ibid. 1 Vgl. oben, Einleitung zum Zweiten Teil.
12. Kap.: Der IIl. Stuhl und die internaHonaien Örganisationeft
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teil4• Es zeigt sich also, daß die Teilnahme an internationalen Organisationen nicht allein typischen Völkerrechtssubjekten, sondern auch anderen Gemeinschaften und Institutionen offensteht. Soll daher aus der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Organisationen etwas über seine Völkerrechtsqualität abgeleitet werden, so genügt nicht zu zeigen, daß der Hl. Stuhl an diesen Organisationen schlechthin (irgendwie) teilnimmt; es ist vielmehr darzutun, daß der Hl. Stuhl dies in typisch völkerrechtlicher, d. h. aber, in einer der Teilnahme der Staaten entsprechenden Weise tut. 2. Als Form der Teilnahme an einer internationalen Organisation, die allein geeignet ist, diese in Existenz zu halten, erscheint die Mitgliedschaft. Staaten, die eine internationale Organisation ins Leben rufen5 , werden durch diesen Akt zu deren Mitgliedern; Entsprechendes gilt für den Beitritt zu einer internationalen Organisation. Die anderen Formen der Teilnahme an internationalen Organisationen (etwa durch Zusammenarbeit), sind dagegen nicht geeignet, die Organisation zu begründen oder zu erhalten. Besteht die Organisation allerdings bereits, so ermöglicht eine solche Art der Teilnahme eine gewisse, wenngleich von der Mitgliedschaft verschiedene Ausdehnung des Tätigkeitsbereichs der Organisation in persönlicher Hinsicht. Auf diese Formen wird später zurückzukommen sein. Vor allem wird bei der Art der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Organisationen die Rechtsgrundlage einer solchen Teilnahme in Erwägung zu ziehen sein. Zwar ist zweifellos die unmittelbare Rechtsgrundlage für eine solche Teilnahme der Gründungsvertrag der Organisation, der gleichzeitig ihre Verfassung darstellt6, bzw. ein auf Grund dieses Vertrages ergangener Beschluß eines Organs der Organisation oder eine im Rahmen der Organisation herausgebildete Praxis. Insoweit ist also die Rechtsgrundlage für eine Teilnahme an internationalen Organisationen bei allen Teilnehmenden gleich. Neben dieser, der speziellen Rechtsgrundlage für die Teilnahme an einer internationalen Organisation, bedarf ein Rechtssubjekt aber auch noch der allgemeinen Grundlage, 4 Vgl. oben, Neuntes Kapitel, VII. Internationale Organisationen stellen daher Treffpunkt und Verbindung verschiedener rechtlicher Erscheinungen dar, die sie integrieren oder in anderer Weise an ihre Tätigkeit binden. Selbst internationale Organisationen können wiederum Mitglied einer internationalen Organisation sein, wie etwa die Weltbank beim Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. Vgl. dazu Fischer, "Die schiedsgerichtliche Beilegung von privaten Investitionsstreitigkeiten- Zur Weltbankkonvention vom 18. März 1965", 1 VRÜ (1968), S. 262 ff., aufS. 276. 6 Materiell betrachtet ist auch der Beitritt zu einer internationalen Organisation (vgl. oben im folgenden) ein solcher Akt des "Ins-Leben-Rufens", weil damit eine Organisation geschaffen wird, die so (d. h., mit diesem persönlichen Geltungsbereich) vorher nicht bestanden hat. 8 In Anlehnung an Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 136.
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12. K:ap.: Der Hl. Stuhl und die internationalen Organisationen
die stets mitzudenken und mitgedacht ist, nämlich der Völkerrechtssubjektivität, um gleichberechtigt1 mit den anderen, besonders den Staaten, an dieser Organisation teilnehmen zu können. Denn nur den Völkerrechtssubjekten eignet eine solche Fähigkeit als solchen; den Nichtvölkerrechtssubjekten hingegen muß sie erst verliehen werden. Dies kann ausdrücklich geschehen, sei es im Gründungsvertrag8 , in einem besonderen Vertrag 9 oder auch im Beschluß, die Teilnahme zu gewähren10 ; es kann (theoretisch) auch bloß konkludent geschehen. Daher muß in jedem einzelnen Fall geprüft werden, von welcher Voraussetzung die an der betreffenden Organisation teilnehmenden unstreitigen Völkerrechtssubjekte - die Staaten - ausgegangen sind, ob sie die teilnehmende Gemeinschaft (bzw. Institution) als Völkerrechtssubjekt oder bloß als Privatrechtssubjekt betrachtet haben. Diese Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten wird aber indiziert durch die Form der Teilnahme des in Untersuchung stehenden Rechtssubjektes an der Organisation. Es ist daher zu zeigen, daß der Hl. Stuhl an internationalen Organisationen nicht nur in irgendeiner, sondern in einer spezifisch völkerrechtlichen Weise teilnimmt, d. h. in einer solchen, die von der Art und Weise 7 Es handelt sich um die Gleichberechtigung vor dem Völkerrecht, die jedem Völkerrechtssubjekt die allgemeine Fähigkeit verleiht, an internationalen Organisationen teilzunehmen. Diese Gleichheit, die grundsätzlicher Art ist, wird weder durch die Tatsache, daß die Teilnahme an einer bestimmten Organisation etwa noch zusätzlich von der Zustimmung deren Mitglieder (eines Organs, etc.) abhängt, oder daß innerhalb der Organisation nicht alle Mitglieder die gleichen Rechte genießen, beeinträchtigt (vgl. Art. 2, Zif. 1, SVN, wo der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Mitglieder proklamiert ist, und die Sonderstellung der ständigen Mitglieder des SR, Art. 24 und passim.) Vgl. Goodrich-HambroSimons, Charter of the United Nations (3. Aufl. 1969), S. 37: "The principle of state equality ... has been commonly interpreted to mean equality before the law. Thus defined, it is consistent with substantial inequality of participation and influence in international organizations ..." Anderer Auffassung Kel.sen, The Law of the United Nations (2. Aufl. 1951), S. 51: "As to the 'equality' of the states, the privileges conferred in Articles 27, 108 and 109, upon the states which are permanent members of the Security Council are incompatible ... with the principle of 'sovereign equality' of the Members." Eine frühere allgemeine Studie zu diesem Problem ist Dickinson, The Equality of States in International Law (1920). 8 Vgl. Art. 28 ff. und 36 ff. der Weltbankkonvention 1965, in der internationalen Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu dem unter dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten geschaffenen Vergleichs- und Schiedsgerichtssystem gewährt wird. Dazu siehe Fischer, der in seiner grundlegenden Untersuchung über Die internationale Konzession (1974) der Frage, unter welchen Voraussetzungen solche Gesellschaften völkerrechtliche Rechte und Pflichten (und welche) haben, eine eingehende Betrachtung widmet. Vgl. ibid., Kap. VIII. 9 Vgl. Art. 71 SVN: "Der Wirtschafts- und Sozialrat kann geeignete Abmachungen zwecks Konsultationen mit nichtstaatlichen Organisationen treffen, die sich mit Angelegenheiten seiner Zuständigkeit befassen ..." 10 Hieher fallen alle jene Beschlüsse, mit denen einer privaten (internationalen) Organisation bei einer öffentlichen Konsultativstatus gewährt wird; vgl. oben, Neuntes Kapitel (z. B. IV).
1. Mitgliedschalt
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der Teilnahme der typischen Völkerrechtssubjekte, der Staaten, nicht (wesentlich) verschieden ist. 3. Die Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Organisationen geschieht in vierfacher Weise, und zwar- in der Reihenfolge abnehmender institutioneller Intensität- durch (I) Mitgliedschaft, (II) Teilnahme mit Beobachterstatus, (III) Zusammenarbeit durch ständige Vertretungen und (IV) gelegentliche Zusammenarbeit.
I. Mitgliedschaft 1. Mitgliedschaft genießt der ffi. Stuhl erstens bei zwei Organisationen, die als Unterorgane (mit der Aufgabe einer executive agency) der GV1 im Rahmen der OVN selbst stehen, nämlich bei UNCTAD 2 und UNID0 3 • Der ffi. Stuhl ist darüber hinaus Mitgliedzweier Spezialorganisationen der VN, nämlich von ITU 4 und UPU5 • Er ist auch Mitglied der IAEA6 , die zwar nicht zu den Spezialorganisationen der VN zählt, aber doch ein Naheverhältnis zur "Familie der VN" aufweisF. Schließlich ist der Hl. Stuhl noch Mitglied bei BIRPI8 , beim Internationalen Weizenrat9 , beim Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts10 sowie beim Internationalen Komitee für Militärmedizin und -pharmazie11 • Das gleiche gilt für den Vorläufer der International Tourism Organization, die IUOT012 • Nur bei der IAEA, bei UNCTAD und UNIDOnahm der Hl. Stuhl vom Anfang der Organisation an teil und ist daher Gründungsmitglied; bei allen anderen genannten Organisationen ist der Hl. Stuhl erst nachträglich Mitglied geworden.
In allen diesen Fällen hat der Hl. Stuhl die Mitgliedschaft in jener Weise erlangt, die auch für die Staaten vorgesehen ist. In keinem einzigen Vgl. Bowett, The Law of International Institutions (2. Aufi. 1970), S. 65. Vgl. oben, Neuntes Kapitel, II, A. 3 Vgl. oben, ibid., II, C. 4 Vgl. oben, Achtes Kapitel, I. s Vgl. oben, ibid., II. e Vgl. oben, Zehntes Kapitel, IV. 7 Vgl. in diesem Zusammenhang die Erweiterung der sog. Wiener Formel, die - bei den Wiener Konventionen 1961 und 1963 verwendet - ursprünglich von dieser "Familie der VN" ausging, in der Folge aber um "States Members ... of the International Atomic Energy Agency" erweitert wurde. Vgl. Art. 81 WVK1969. 8 D. h., bei den entsprechenden Unionen. Vgl. oben, Achtes Kapitel, III. 8 Vgl. oben, Neuntes Kapitel, I. 10 Vgl. oben, Neuntes Kapitel, X. 11 Vgl. oben, ibid., VIII. 12 Vgl. oben, Achtes Kapitel, IV. 1
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12. Kap.: ber Hl. Stuhl und die internationaien Örganisationert
Fall haben es die Organisationen bzw. deren Mitgliedstaaten für notwendig erachtet, dem Hl. Stuhl, weil er kein Staat ist, eine Sonderbewilligung für die Teilnahme zu gewähren oder eine besondere rechtliche Konstruktion zu schaffen, um die Teilnahme des ID. Stuhls an der Organisation zu ermöglichen13 • Der Hl. Stuhl nahm vielmehr genauso wie die Staaten an der Gründungskonferenz teil, wurde auf Antrag zugelassen oder trat der betreffenden Organisation durch Annahme des ihr zugrundeliegenden Vertrages bei. Diese Gleichbehandlung mit den Staaten ist aber nicht darauf zurückzuführen, daß der ID. Stuhl bei allen den genannten Organisationen in seiner Eigenschaft als souveränes Organ des Staates der Vatikanstadt Mitglied wäre. Zwar läßt sich - da der ID. Stuhl als oberstes Organ der katholischen Kirche und als Souverän der Vatikanstadt eine Doppelfunktion besitzt- aus der Tatsache, daß bei einer internationalen Organisation der Hl. Stuhl als Teilnehmer aufscheint, allein noch nicht entnehmen, ob der ID. Stuhl daran in erster oder zweiter Funktion teilnimmt. Vielmehr muß es sich - seit der allgemeinen Annahme der Bezeichnung "ID. Stuhl" im internationalen Bereich14 - grundsätzlich nach inhaltlichen Gesichtspunkten bestimmen, ob die Teilnahme des Hl. Stuhls für die Kirche oder ob sie für den Staat der Vatikanstadt erfolgt. Hat diese Teilnahme einen primär religiösen oder moralischen Zweck, dient sie also unmittelbar der Missions- bzw. der damit verbundenen Friedensaufgabe des Hl. Stuhls, so muß angenommen werden, daß er in seiner Funktion als oberstes Organ der katholischen Kirche erscheint; tritt der religiöse oder moralische Zweck jedoch so in den Hintergrund, daß die Teilnahme an der betreffenden Institution offenbar primär technischen Zwecken dient, so wird man eine Teilnahme des Hl. Stuhls für die Vatikanstadt annehmen können15 • Im allgemeinen kann jedoch die Teilnahme des Hl. Stuhls an einer internationalen Organisation nicht streng auf eine Funktion hin gedeutet werden, weil fast immer technische und moralische 13 Einzige scheinbare Ausnahme hievon stellt jenes Manöver dar, durch das im I. Haager Abkommen 1899 (und damit auch 1907) in der Beitrittsbestimmung das Wort "Staaten" durch das Wort "Mächte" ersetzt wurde, um dem Hl. Stuhl eine eventuelle spätere Teilnahme zu ermöglichen. Vgl. oben, Zehntes Kapitel, I. Tatsächlich wurde dadurch jedoch nur eine künstliche Verengung der Kategorie präsumtiver Mitglieder auf Staaten hintangehalten, ohne daß die ursprünglich vorgeschlagene Formulierung eine rechtliche Wertung dahingehend beinhaltet hätte, Nicht-Staaten seien abso~ut unfähig, Mitglieder des Abkommens zu werden. - Darüber hinaus ist selbstverständlich festzuhalten, daß der Hl. Stuhl in der Zwischenkriegszeit den Verwaltungsunionen nicht als solcher, sondern als Staat der Vatikanstadt beigetreten ist. Als er nach dem zweiten Weltkrieg aber seine Mitgliedschaft zu der des Hl. Stuhls wandelte, haben die betreffenden Organisationen bzw. deren Mitgliedsstaaten nichts dagegen eingewendet. 14 Vgl. dazu oben, Zehntes Kapitel, III, C, 4. 1& Vgl. in diesem Sinne auch Ciprotti, "Sovranita del Vaticano. Santa Sede e Trattato di non-proliferazione", Gli Stati (1972 VI), S. 35 ff., aufS. 36. Vgl. aper unten.
t Mitgliedschaft
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Elemente zusammentreffen16 und sich der ID. Stuhl es auch dort, wo der technische Aspekt stark im Vordergrund steht, nicht nehmen läßt, gegebenenfalls seine moralische Autorität geltend zu machen. Der ID. Stuhl ist daher als oberstes Organ der katholischen Kirche so gut Mitglied internationaler Organisationen wie als Souverän der Vatikanstadt; und bei einzelnen von ihnen - wie etwa bei der IAEA - steht der religiöse Zweck derart im Vordergrund, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, daß es um seinetwillen ist, daß der Hl. Stuhl an dieser Organisation teilnimmt17. Dazu kommt, daß der ID. Stuhl, weil er die Stellung als oberstes Organ der katholischen Kirche und als Souverän der Vatikanstadt nicht nur (zufällig in Personalunion) in sich vereint, sondern als solcher, d. h. als ID. Stuhl, beides notwendig ist18 , auch als Teilnehmer an internationalen Organisationen nicht in seine zwei Aspekte- den religiösen und den staatlichen - zerlegt werden kann. Er bringt vielmehr durch seine Teilnahme an einer internationalen Organisation notwendigerweise stets sowohl den religiösen als auch den staatlichen Aspekt ein, ist immer als (ganzer) Hl. Stuhl, d. h. als oberstes Organ der katholischen Kirche so gut wie als Souverän der Vatikanstadt anwesend19 • Das hindert selbstverständlich nicht, bestimmte Akte dem einen, andere dem anderen Aspekt des Hl. Stuhls zuzuordnen; man muß sich nur dessen bewußt bleiben, daß der jeweils zweite Aspekt nicht völlig außer Betracht bleiben kann. Wenn der Hl. Stuhl daher Mitglied verschiedener internationaler Organisationen ist, dann ist er dies jedenfalls auch, und in einzelnen Fällen ganz überwiegend, als oberstes Organ der katholischen Kirche. 2. Der ID. Stuhl übt seine Mitgliedschaft in den genannten Organisationen durch Vertreter aus, die die Bezeichnung Delegierte tragen. Diese Delegierten sind materiell gesehen grundsätzlich gleichzeitig auch Ständige Vertreter bei der betreffenden Organisation, die den dauernden Kontakt mit deren Sekretariat aufrechtzuerhalten haben20 • In Einzelfäl16 Vgl. dazu Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Institutionen", ÖAKR (1974), S.l70 ff. 17 Vgl. dazu übereinstimmend de Riedmatten, "Die Präsenz des H. Stuhls in den internationalen Organismen", S. 564; und Verosta, "International Organizations and the Holy See". S. 209. 18 Vgl. dazu nochmals Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an Internationalen Institutionen", S.l76. 19 Dieses Phänomen ist auf die beim Hl. Stuhl gegebene "Organsouveränität" zurückzuführen. Vgl. dazu oben, Viertes Kapitel, C, II. 20 So bei der UNIDO, wo der Delegierte des Hl. Stuhls gleichzeitig der Resident Representative ist. Manchmal kann die Delegation insoweit gemischten Charakter tragen, als sie sich aus ständigen und ad hoc ernannten Delegierten zusammensetzt. Die Delegation zur jährlichen Generalkonferenz der IAEA be-
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12. Kap.: Der Hl. Stuhl und die internationaien Organisationen
len handelt es sich jedoch lediglich um ad hoc ernannte Delegierte, die keinerlei Dauercharakter besitzen 21 • Die Delegierten und Vertreter des Hl. Stuhls zu einer bestimmten Organisation nehmen an jenen Privilegien und Immunitäten teil, die den entsprechenden Staatenvertretern bei der betreffenden Organisation auf Grund deren Satzung bzw. des Amtssitzabkommens zustehen22 • Als Mitglied einer Organisation entrichtet der Hl. Stuhl den auf ihn entfallenden Beitrag, soweit ein solcher eingehoben wird. Das ist bei UNCTAD und UNIDO nicht der Fall, weil deren Mittel aus dem ordentlichen Budget der OVN bereitgestellt werden 23 • Da es aber sinnwidrig wäre, wenn Mitglieder von Unterorganisationen, die nicht Mitglieder der Mutterorganisation sind, von Beiträgen zu den Ausgaben dieser Unterorganisation befreit blieben, bestimmen die Financial Regulations of the United Nations 24 in ihrem Art. V unter 5.9: "States which are not Mernbers of the United Nations but which becorne parties to the Statute of the International Court of Justice or treaty bodies financed frorn United Nations appropriations shall contribute to the estirnated expenses of such bodies at rates to be deterrnined by the General Assernbly. Such contributions shall be taken into account as rniscellaneous incorne 25 ." Aus dem UN Repertory of Practice of UN Organs ergibt sich, daß Nichtmitglieder tatsächlich zu Beitragsleistungen in Zusammenhang mit den verschiedensten Tätigkeiten der OVN und ihrer (Unter-)Organe herangezogen werden26. steht so traditionellerweise aus einem nichtresidierenden und einem residierenden ständigen Delegierten und zwei nichtständigen Delegierten. Sie zeigt gleichzeitig auch das Bemühen des Hl. Stuhls, sich der Mitarbeit von Fachleuten aus verschiedenen Bereichen zu versichern. Mitglieder der Delegation zur Generalkonferenz 1974 waren etwa neben dem vatikanischen Berufsdiplomaten Msgr. Oriano Quilici zwei Wirtschaftsfachleute, der Präsident des Aufsichtsrates der Deutschen Bank, Dr. Hermann J. Abs, Generaldirektor Dr. Rudolf Gruber von NEWAG/NIOGAS, und zwei Rechtswissenschaftler, der Österreichische Bundesrat Professor Dr. Herbert Schamheck und der Verfasser. - Zur Terminologie betreffend die Vertreter in und bei internationalen Organisationen vgl. Satmon, "Introduction g{merale", Les rnissions permanentes aupres des organisations internationales I (hrg. von Viratty et at., 1971), S. 19 f. 21 So etwa beim Internationalen Weizenrat; vgl. oben, Neuntes Kapitel, I. 22 Vgl. dazu allgernein Viratty et at. (Hrg.), Les rnissions permanentes aupres des organisations internationales I (1971), S. 66 ff., 114 f., 137, 153 ff., 285 ff., 332 ff., 572 ff. und 721 f. 23 Vgl. dazu oben, Neuntes Kapitel, II, A und C. 2 4 Annex zu GV-Res. 456 (V) vorn 16. November 1950. 25 Vgl. GAOR, Fifth Session (1950), S. 60. 26 Vgl. Bd. I (Art. 1- 22) (1955), S. 538-539: [Zu Art. 17 (2) der SVN] "The expenses of the Organization have been borne not only by Mernber States but, to a lirnited degree, by a nurnber of non-rnernher States which participate in various UN activities, and which have been called upon to contribute towards the expenses of the Organization resulting frorn thern ... The percentage rates at which these non-rnernher States were called upon to contribute were estab-
II. Teilnahme durch Ständige Beobachter
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Tatsächlich ergibt sich aus den periodischen Umlagen der Ausgaben der Organisation auf die Mitglieder, daß der Hl. Stuhl in Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft bei UNCTAD und UNIDO mit einem aliquoten Beitragsanteil belegt wird27 • Auf diese Weise trägt er unmittelbar zum Budget der OVN und mittelbar zu den Aufwendungen für die beiden genannten Organisationen bei.
II. Teilnahme durch Ständige Beobachter 1. Eine besondere Form der Teilnahme an internationalen Organisationen ist jene durch einen Ständigen Beobachter. Sie kommt bei jenen Organisationen in Frage, die keine diplomatischen Beziehungen mit NichtMitgliedstaaten unterhalten und bei denen die bei ihnen akkreditierten Missionen als Missionen der Mitgliedstaaten hauptsächlich die Aufgabe haben, im Rahmen der Organisation, d. h. als Vertreter in deren verschiedenen Repräsentativorganen und -unterorganen mitzuarbeiten; mit anderen Worten: wo die Vertretungen bei diesen Organisationen materiell die Organisation darstellen, die ihnen lediglich formell, vor allem in der Form des Sekretariats (Büros, etc.), also durch ihren höchsten Verwaltungsbeamtenund die ihm untergeordneten Dienststellen, gegenübertrittl. lished by the Committee on Contribution according to the same principles as governed the rates of assessment for Member States. These rates were subject to consultation with the respective Governments and to approval by the General Assembly. [Vgl. GA (IX, Suppl. No. 10 (A/2716), Para, 22] ... There has been no established procedure for the adjustment of differences between the UN and the Governments of Member States and non-rnernher States with respect to the UN contribution account. Cases involving such differences, which have remained unsettled for a period of years, have been brought to the attention of the General Assembly by the Board of Auditors. [Vgl. GA (VIII), Suppl. No. 6 (A/2392), Para. 24; GA (IX), Suppl. No. 6 (A/2649), Para. 21]." Vgl. auch UN Repertory of Practice of UN Organs, Suppl. No. 3, Bd. I (Art. 1- 22; covering the period 1 September 1959 to 31 August 1966) (1972), S. 374: "... Nonrnernher States continued to contribute to the UN activities listed in the Repertory ... In addition, during the period under review, non-rnernher States contributed to the expenses of ... UNCTAD [Vgl. GA Res. 1995 (XIX)]. Other aspects of practice under the present heading remained unchanged ..." 27 Vgl. auch "International Organizations: Summary of Activities- I. UN: [GA, S. 363 ff. Economic and Financial Questions, S. 417 ff.] Contribution by Non-Members of the UN participating in certain of its activities: FRG, Holy See, Liechtenstein, Monaco, Switzerland, Western Samoa", 23 IntOrg (1969), S.536. 1 Vgl. dazu auch Gerbet, "Les dtHegations permanentes aupres de !'UNESCO", Les missionspermanentes aupres desorganisationsinternationales I (hrg. von Virally et al., 1971), S. 350 ff.; Virally, "Les missions pemanentes aupres de !'Office des Nations Unies a Geneve, des Institutions specialisees et de 1'AELE", ibid., S. 135 und passim.
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12. Kap.: Der Hl. Stuhl und die internationalen Organisationen
Ist so die Form ständiger Vertretungen bei (und in) diesen Organisationen auf die Missionen der Mitglieder beschränkt, so bleibt den Nichtmitgliedern die Möglichkeit, sich dort in Form eines Ständigen Beobachters vertreten zu lassen. Ihr Vorbild hat diese Regelung nach dem zweiten Weltkrieg bei der OVN gefunden 2 , wo sich schon bald nach der Gründung die Notwendigkeit ergeben hat, für die Vertreter jener Staaten, die - ohne Mitglieder zu sein - den Wunsch hegten, der Arbeit der Organisation aus der Nähe zu folgen 3, einen adäquaten Status zu finden. Die Grundsätze der Behandlung dieser Ständigen Beobachter sind in dem vom GS der VN vorgelegten Report on the Permanent Missions", der der Vierten Session der GV vorlag, enthalten und wurden von jenen Organisationen, bei denen sich die Institution eines Ständigen Beobachters herausgebildet hat, ausdrücklich oder stillschweigend übernommen5• Sie sind schon in anderem Zusammenhang dargestellt worden und bedürfen daher hier keiner neuerlichen Ausführung. Tatsächlich haben mehrere Staaten von der Möglichkeit der Nominierung Ständiger Beobachter Gebrauch gemacht. Die Einrichtung des Ständigen Beobachters hat aber vor allem dem Hl. Stuhl Gelegenheit gegeben, mit verschiedenen Organisationen, an deren Tätigkeit er ein großes Interesse besaß, an denen als Mitglied teilzunehmen er aber für unzweckmäßig oder doch verfrüht ansah (bzw. ansieht), in einen engen, dauerhaften und offiziellen Kontakt zu treten und auf diese Weise an der Arbeit der betreffenden Organisation teilzunehmen6 • Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem 1967 geschaffenen Amt eines Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls beim Büro der VN und den Spezialorganisationen in Genf zu7 , weil es nicht nur ein zentraler Umschlagplatz für Informationen zwischen den einzelnen Sekretariaten und Büros und dem Staatssekretariat in Rom ist, sondern weil der Ständige Beobachter auch die Funktion eines Delegierten beim Flüchtlingshochkommissariat8 , bei UNCTAD9 , sowie Delegier2 Für die Praxis der Völkerbundzeit vgl. Ghebali, "Les delegations permanentes aupres de la Societe des Nations", ibid., S. 58 f. 3 So die Schweiz, später auch die geteilten Staaten, darüber hinaus jene Staaten, die auf eine Zulassung zur OVN längere Zeit warten mußten (so z. B. Italien, Österreich). 4 UN-Doc. N939, Rev. 1. 5 Ausdrücklich etwa UNESCO; vgl. Doc. 26 EX/Decisions, No. 8.3.2. 8 Der Hl. Stuhl unterhält Ständige Beobachter bei der OVN (in New York und Genf), bei der ILO, bei der FAO, bei der UNESCO und beim Europarat. 7 Vgl. "Chronique des faits internationaux", 71 RGDIP (1967), S. 790: Nomination d'une mission permanente du Saint-Siege aupres de !'Office des Nations Unies a Geneve (27 fevrier 1967). 8 Vgl. oben, Neuntes Kapitel, VI. 8 Vgl. oben, ibid., II, A.
II. Teilnahme durch Ständige Beobachter
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ten- bzw. Kontaktaufgaben bei jenen Organisationen oder Institutionen erfüllt, die nicht zur "Familie der VN" gehören, aber ebenfalls in Genf ansässig sind (WIP0 10, IKRK11). In diesem Zusammenhang ist der Weg bemerkenswert, den die Beglaubigung eines solchen Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls in Genf nimmt. 2. Der Ständige Beobachter erhält vorn Kardinalstaatssekretär ein Beglaubigungsschreiben12, das an den Generaldirektor des Büros der VN in Genf gerichtet ist13 • Das Beglaubigungsschreiben gilt nicht nur für die OVN im engeren Sinn, also für die dort stattfindenden Tagungen des WSR, etc., sondern auch für die Unterorgane der OVN, wie das Flüchtlingshochkommissariat und UNCTAD. Dem entspricht es, daß der Generaldirektor des Büros der VN in Genf eine Kopie des ihm übermittelten Beglaubigungsschreibens an die administrativen Chefs der genannten Institutionen, also an den Hochkommissar für das Flüchtlingswesen oder an den Generaldirektor der UNCTAD, weiterleitet. Ferner hat sich aber die übung herausgebildet, daß auch die übrigen in Genf ansässigen und zur "Familie der VN" gehörigen Organisationen von der Ankunft eines neuen Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls durch den Generaldirektor des Büros der VN verständigt werden; auch dieser Verständigung ist eine Kopie des Beglaubigungsschreibens angeschlossen. Da gleichzeitig jeder neue Ständige Beobachter des Hl. Stuhls in Genf aber auch separate Beglaubigungsschreiben für diese Spezialorganisationen besitzt, wird er bei ihnen sozusagen doppelt eingeführt14. In Gegensatz zu dem Beglaubigungsschreiben, das ein diplomatischer Missionschef (beim Hl. Stuhl also ein Nuntius, etc.) dem Staatsoberhaupt feierlich überreicht, wird die lettre de presentation im allgerneinen nicht in einer feierlichen Antrittsaudienz beim obersten Verwaltungsbeamten derbetreffenden Organisation (Generaldirektor, etc.) übermittelt, sondern 10 Vgl. oben, Achtes Kapitel, IV. 11 Vgl. oben, Neuntes Kapitel, IX. u Hier offiziell lettre de presentation genannt; der übliche interne Sprachgebrauch sagt aber "Beglaubigungsschreiben" (lettre de creance; credentials). Die Draft Articles on Representation of States in Their Relations with International Organizations (YBILC 1971 II, S. 284 ff.) sprechen übrigens {Art. 8 ff.) ebenfalls von "accreditation", "credentials", etc. {Vgl. ibid., S. 291 ff.) 1a Vgl. das Beglaubigungsschreiben für Msgr. Luoni vom 13. September 1971. Staatssekretariats-No. 189401/SI, Kopie im WHO-Archiv N/52/180/2 Holy See/23. 14 Daher findet sich in den Archiven dieser Organisationen neben den für sie bestimmten Beglaubigungsschreiben stets auch noch die Kopie des an den Generaldirektor des Büros der VN gerichteten Beglaubigungsschreibens. Aus diesem Faktum kann geschlossen werden, daß ursprünglich die Beglaubigung beim Generaldirektor des Büros der VN in Genf für ausreichend angesehen wurde, während man später aus Gründen der Courtoisie auch den Spezialorganisationen entsprechende lettres de presentation übermittelte. Sie sind daher geradezu ein Gradmesser für das zunehmend gute Verständnis zwischen diesen Organisationen und dem Hl. Stuhl.
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12. Kap.: Der Hl. Stuhl und die internationalen Organisationen
schon vorher, entweder noch durch den scheidenden Ständigen Beobachter, übergeben, oder durch formlose Vorlage durch den neuen Amtsinhaber im Büro des administrativen Chefs der Organisation aus Anlaß der Vereinbarung eines Antrittsbesuchs übermittelt bzw. hinterlassen15 • In entsprechender Weise richtet der Generaldirektor des Büros der VN in Genf an den Kardinalstaatssekretär ein Antwortschreiben, mit dem er den Empfang des Beglaubigungsschreibens für den Ständigen Beobachter bestätigt und versichert, daß alles getan werden würde, um dessen Arbeit zu erleichtern18 • Auch von diesem Antwortschreiben werden Kopien an die Unterorganisationen bzw. an die in Genf ihren Sitz habenden Spezialorganisationen übermittelt, sodaß diese einen vollen Einblick in die aus Anlaß der Ernennung eines neuen Ständigen Beobachters geführte Korrespondenz zwischen dem Staatssekretariat in Rom und dem Generaldirektor des Büros der VN in Genf haben17 • Die Ständigen Beobachter haben die Möglichkeit, der Arbeit der Organisation aus unmittelbarer Nahe zu folgen, insbesondere an allen (öffentlichen) Sitzungen teilzunehmen. In der Praxis können sie dort auch grundsätzlich jederzeit das Wort ergreifen, weil es der Courtoisie entspricht, dieses den Beobachtern auf ihr Ersuchen zu erteilen. Damit mangelt den Ständigen Beobachtern grundsätzlich (als allerdings wesentliches Recht) nur das Stimmrecht und damit die Möglichkeit, im Prozeß der Stimmenwerbung auf die zu treffende Entscheidung einen mittelbaren, bei der Abstimmung einen unmittelbaren Einfluß auszuüben. Ein größeres Handikap für ihre Arbeit teilen die Ständigen Beobachter im allgemeinen mit den Delegierten der Mitgliedstaaten: den Mangel an diplomatischem Personal, der bei den meisten Delegationen spürbar ist1 8 • Da der Ständige Beobachter zumeist allein ist oder höchstens einen19 zugeteilten Diplomaten hat20 , ist es ihm nicht möglich, mehr als einen geringen Bruchteil jener Sitzungen zu besuchen, an denen teilzunehmen er an und für sich das Recht hätte. Es hängt daher u. a. vom Geschick des Ständigen 15 Vgl. das Memorandum des Chefs der Abteilung für die relations exterieures der WHO, Fedele, vom 16. September 1971, worin er Generaldirektor Candau mitteilt, daß Msgr. Luoni unter Hinterlassung seiner lettre cfintroduction um den Termin eines offiziellen Besuches ersucht habe. Vgl. oben, Neuntes Kapitel, VI. 18 Vgl. das Schreiben Winspear-Guicciardis an Kardinalstaatssekretär Villot vom 28. September 1971, No. GI/8/66-22304-DG. 102. 17 Aus diesem Grund finden sich also Kopien auch bei allen dortigen Spezialorganisationen; vgl. etwa WHO-Arch. N 52/180/2 Holy See/Anlage zu No. 23. 18 Vgl. dazu Gerbet, "Conclusions generales", Les missions permanentes aupres des organisations internationales I (hrg. von Virally et al., 1971), S. 846 19 So vorübergehend in Genf; vgl. Annuario Pontificio 1972. 20 New York bildet hier insofern eine Ausnahme, als zur Session der GV eine Aufstockung der Delegation des Hl. Stuhls erfolgt. Vgl. oben, Zehntes Kapitel, 111, C, 3.
II. Teilnahme durch Ständige Beobachter
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Beobachters ab, bis zu welchem Grad er über das Geschehen "seiner" Organisation informiert ist und das Staatsekretariat davon unterrichtet halten kann. Da die Beobachter bei internationalen Organisationen eine Kategorie diplomatischer Vertreter darstellen, die immer noch als Ausnahme angesehen wird21 und für die ursprünglich weder die Gründungsverträge der internationalen Organisationen noch die Amtssitzabkommen Vorsorge getroffen haben 22 , ist ihre Situation im Verhältnis zu den Mitgliedern jener Missionen, die Delegationen von Mitgliedstaaten zur betreffenden Organisation darstellen, hinsichtlich der ihnen zustehenden Privilegien und Immunitäten prekärer. In der Praxis genießen sie aber Rechte, die denen der Vertreter der Mitgliedstaaten entweder entsprechen oder doch angenähert sind 23. Wie wir oben erwähnt haben, hat die Praxis, Ständige Beobachter bei internationalen Organisationen zu ernennen, nach dem zweiten Weltkrieg von Staaten ihren Ausgang genommen, die in offizieller Form bei einer Organisation, der sie nicht angehörten, vertreten sein wollten. Ständige Beobachter sind daher keine für die Beziehungen des Hl. Stuhls zu den internationalen Organisationen typischen Erscheinungen, wenngleich es richtig ist, daß der Hl. Stuhl sich in der Folge dieses Instituts mit Vorliebe bedient hat24 • Die Ernennung und die Unterhaltung Ständiger Beobachter durch den Hl. Stuhl sind demnach staatsanaloge und daher typisch völkerrechtliche Verhaltensweisen, die den Hl. Stuhl in einer der Position der Staaten entsprechenden Stellung zu einer bestimmten internationalen Organisation zeigen25. 21 Dies hat sich durch den Abschluß (auf der Wiener Konferenz vom Februar/ März 1975) der Vienna Convention on the Representation of States in Their Relations with International Organizations vom 14. März 1975, UN Doc. Al CONF./67/16, geändert, weil diese (Art. 7 und passim) ausdrücklich "permanent observer missions" vorsieht. 22 Vgl. etwa für die Stellung der Beobachter bei der OVN in New York oben, Zehntes Kapitel, III, C, 3, für die Stellung der Beobachter in Genf Virally, "Les missions permanentes aupres de !'Office des Nations Unies a Geneve, des Institutions specialisees et de l'AELE", S. 157 ff. 23 Vgl. oben, Zehntes Kapitel, III, C, 3. 24 Darüber hinaus ist unbestritten, daß gerade bei der UNESCO der Beobachterstatus ausschließlich mit Blickrichtung auf den Wunsch des Hl. Stuhls, mit der Organisation in einen näheren Kontakt zu treten, geschaffen wurde, wenngleich sich vorübergehend auch Portugal bei dieser Organisation eines Ständigen Beobachters bedient hat. Vgl. Gerbet, "Les deiegations permanentes aupres de !'UNESCO", s. 351. 25 Ist der Beobachterstatus für die Staaten oft nur der erste Schritt zum Beitritt zu einer bestimmten Organisation, so ist der Hl. Stuhl hier aus theoretischen wie praktischen Gründen zurückhaltender; die Ständigen Beobachter des Hl. Stuhls können daher grundsätzlich als Dauereinrichtung angesehen werden. Dies schließt nicht aus, daß früher oder später die eine oder andere Beobachterstelle jener eines Delegierten weichen muß, weil der Hl. Stuhl sich
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12. Kap.: Der Hl. Stuhl und die internationalen Organisationen
111. Teilnahme durch Ständige Vertreter Ständige Vertreter in Form herkömmlicher diplomatischer Missionen unterhält der ID. Stuhl beim Europarat1 und bei den Europäischen Gemeinschaften2. Da es sich bei diesen Organisationen nicht um universelle Institutionen3, sondern um regionale handelt, ist die Einrichtung von Vertretungen von Nichtmitgliedern keine Ausnahme, sondern natürliche Konsequenz des Bestrebens von Seiten dieser Organisationen, mit Nichtmitgliedern in direkten offiziellen Kontakt zu treten 4 • Es besteht daher am Sitz des Europarates in Straßburg und am Sitz der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel neben dem Kreis der Missionen der Mitgliedstaaten, die eine Doppelfunktion entsprechend jener der Missionen der Mitgliedstaaten bei anderen Organisationen erfüllen - nämlich den Sendestaat gleichzeitig in und bei der betreffenden Organisation zu vertreten-, der Kreis der Missionen der Nicht-Mitgliedstaaten, deren Aufgabe grundsätzlich die Aufrechterhaltung dauernden Kontaktes zwischen ihren Regierungen und den Organen der Gemeinschaft ist. Diese Missionen unterscheiden sich je nach ihrer Zugehörigkeit zu einem der beiden Kreise schon in ihrer BezeichnungS. Der Hl. Stuhl unterhält sowohl zum Europarat als auch zu den Europäischen Gemeinschaften diplomatische Beziehungen in der Form Ständiger Vertreter, von denen der eine die Bezeichnung "Sondergesandter" 6 und der andere die traditionelle Bezeichnung "Nuntius" 7 trägt. Auch hier nimmt der Hl. Stuhl also in einer zu jener der Staaten analogen Weise an der Tätigkeit dieser Organisation teil8 • zur Mitgliedschaft entschlossen haben sollte. Derartige Bestrebungen sollen vor allem von Seiten der UNESCO sehr gefördert werden. 1 Vgl. oben, Elftes Kapitel, I. Der Gesandte beim Europarat hat allerdings die Funktion eines Ständigen Beobachters. Schließlich ist er auch Delegierter des Hl. Stuhls im Rat für kulturelle Zusammenarbeit des Europarates. Vgl. ibid. 2 Vgl. oben, ibid., II. 3 Wie früher der VB, heute die OVN, aber auch die mit einem Zweck von weltweitem Interesse ausgestatteten Spezialorganisationen. ' Dies gilt auch für die Beziehungen zu einer Institution wie dem Hl. Stuhl, die zwar wegen der geographischen Lage ihrer territorialen Basis, der Vatikanstadt, für eine Mitgliedschaft bei einer europäischen Organisation grundsätzlich in Frage käme, aus besonderen, in ihr selbst begründeten überlegungen aber fern bleibt. 5 Vgl. dazu eingehend Salmon, "Les representations et missionspermanentes aupres de la CEE et de !'EURATOM", Les missionspermanentes aupres des Organisations internationales I (hrg. von ViraHy et at, 1971), S. 563. 8 Vgl. oben, Elftes Kapitel, I. 1 Vgl. oben, ibid., II. 8 Dies gilt auch für die Mitgliedschaft des Hl. Stuhls im Rat für kulturelle Zusammenarbeit des Europarates; ibid., I.
IV. Teilnahme in Form freier Zusammenarbeit
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IV. Die Teilnahme an internationalen Organisationen in Form freier Zusammenarbeit
Was jene internationalen Organisationen bzw. Institutionen anlangt, zu denen der Ill. Stuhl keine ständigen offiziellen Beziehungen unterhält, so ist es schwierig, das Maß an Zusammenarbeit festzustellen, das zwischen ihm und diesen Organisationen besteht. Daß dieses Maß sehr variiert und vom Charakter der Organisation abhängt, ist leicht einsichtig. Wo die gemeinsamen Interessen größer sind - wie etwa beim IKRK -, sind die Kontakte zahlreicher, die Teilnahme des Ill. Stuhls an den Tätigkeiten dieser Institution intensiver 1 • Wo dies nicht oder kaum der Fall ist, sind die Kontakte gering. So bestehen keine feststellbaren Kontakte zum Pendant der ehern. Sechsergemeinschaft, zur Europäischen Freihandelszone. Das Gleiche gilt für die universelle Organisation2 des GATT, wenn man vom Verhältnis des Hl. Stuhls zum UNCTAD/GATT-Internationalen Handelszentrum3 absieht. Der Mangel an Kontakten zwischen GATT und dem Hl. Stuhl wurde vom Leiter des GATT-Information Office dem Verfasser in einem Gespräch dahingehend begründet, daß "GATT is a place where to work, not where to register opinions" 4 • Mag dieses Statement den Nagel auch nicht völlig auf den Kopf treffen, weil es eine allzu negative Auffassung von der Tätigkeit des Ill. Stuhls im Rahmen internationaler Organisationen als eines bloßen Mahnens und Tadelns zum Ausdruck bringt, so ist es doch geeignet, einen Hinweis darauf zu geben, warum die Kontakte des Ill. Stuhls zu einzelnen Organisationen äußerst dünn sind oder praktisch überhaupt nicht existieren. Der Grund liegt in der Materie; ist diese so beschaffen, daß sie für den Ill. Stuhl keine Möglichkeit zur Ausübung seiner Mission des Friedens und der Verkündigung der Gerechtigkeit gibt und auch unter dem Aspekt des Staates der Vatikanstadt für ihn nicht interessant ist, so ist es verständlich, wenn der Ill. Stuhl zu dieser Organisation keine Beziehungen sucht. In diesen Fällen bleiben sie daher notwendigerweise zufällig und punktuell5.
Vgl. oben, Neuntes Kapitel, IX. GATT kann allerdings nur als rudimentäre Organisation angesehen werden, weil es nicht alle typischen Organe einer solchen aufweist. 3 Zu diesem siehe oben, Neuntes Kapitel, III, B. ' Vgl. auch oben, ibid., Anm. 32. 5 Wie das bereits mehrfach genannte Beispiel des von UNCTAD und GATT gemeinsam betriebenen Internationalen Handelszentrums zeigt, über das eine periphere Beziehung des Hl. Stuhls selbst zum GATT besteht. Vgl. oben im Vorstehenden. 1
2
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12. Kap.: Der Hl. Stuhl und die internationalen Organisationen
V. Zusammenfassung Was zeigt nun die Analyse des vorgelegten Materials? Es erscheint zweckmäßig, auch hier wieder die verschiedenen Formen der Teilnahme1 einzeln zu untersuchen. 1. Was die Mitgliedschaft des Hl. Stuhls bei den verschiedenen internationalen Organisationen anlangt, so ist es zweckmäßig, sich nochmals den Unterschied in der Teilnahme dahingehend zu vergegenwärtigen, daß es einmal der Hl. Stuhl als oberstes Organ der katholischen Kirche, einmal als Souverän der Vatikanstadt ist, der an den genannten Organisationen teilnimmt. Ursprünglich ist sogar der Hl. Stuhl bei verschiedenen Organisationen- ITU2 , UPU3 - nicht selbst, sondern unmittelbar der Staat der Vatikanstadt als Mitglied aufgetreten. Die Praxis des vatikanischen Staatssekretariats selbst hat in dieser Hinsicht geschwankt. Während man dort anfänglich- also in den unmittelbar auf den Abschluß des Lateranvertrages folgenden Jahren der Zwischenkriegszeit- davon ausging, der Staat der Vatikanstadt sei grundsätzlich ein Völkerrechtssubjekt für sich4 und solle daher auch als solches bei den in Frage kommenden internationalen Organisationen selbst auftreten, hat man sich nach dem zweiten Weltkrieg mehr und mehr von dieser Auffassung insoweit abgewandt, als nun das Bestreben besteht, möglichst immer als "Hl. Stuhl" aufzutreten. Daß der Grund hierfür die Sicherung einer möglichst breiten internationalen Plattform für die moralisch-friedensfördernde Tätigkeit des Hl. Stuhls ist, wurde schon weiter oben5 dargetan. Die diesbezügliche terminologische Klärung wurde in der Korrespondenz mit dem Generalsekretariat der VN 1957 erzielt6 ; die Schwierigkeiten einzelner Organisationen, sich der neuen und für sie ungewohnteren Nomenklatur anzupassen, haben ihren Niederschlag in Anfragen beim Staatssekretariat gefunden, wer denn nun eigentlich Mitglied sei- der Staat der Vatikanstadt oder der Hl. StuhF. 1 Wie schon oben festgestellt, wird hier unter "Teilnahme" an einer internationalen Organisation bzw. Institution die Beteiligung im weitesten Sinn an den Aktivitäten derselben verstanden, sofern sie nur auf einer rechtlichen Verbindung zwischen dem "Teilnehmer" und der betreffenden Organisation beruht, d. h., auf der Grundlage irgendeines rechtlichen Bandes zwischen ihnen erfolgt und - was den Hl. Stuhl anlangt - völkerrechtlichen Charakter trägt. 2 Vgl. oben, Achtes Kapitel, I. s Vgl. oben, ibid., II. 4 Dies wird auch heute nicht bestritten. Vgl. Cardinale, La diplomatie (1962), S. 73 ff.; Verdroß, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 202, der von der "eigenen völkerrechtlichen Persönlichkeit" des Staates der Vatikanstadt spricht, "weil er nach außen hin handelnd auftreten kann". 5 Vgl. oben, Zehntes Kapitel, III, C, 3. 6 Vgl. ibid. 7 Vgl. bei BRPI, oben, Achtes Kapitel, III.
V. Zusammenfassung Da der Hl. Stuhl unmittelbar nach 1929 den ersten internationalen Organisationen (UPU, ITU) unter dem Titel der Vatikanstadt beigetreten ist, ergaben sich dabei keinerlei Komplikationen. Aber auch der Umstand, daß der Hl. Stuhl nach dem zweiten Weltkrieg dazu überging, bei den internationalen Organisationen mehr und mehr nur mehr als solcher (d. h. als Hl. Stuhl) und nicht mehr als "Vatikan" aufzutreten - und zwar auch bei Organisationen, wo er dies früher getan hatte -, hat dort keine grundsätzlichen Fragen betreffend das Ob und Wie der Mitgliedschaft aufgeworfen. Dies mag allerdings weniger auf die klare Einsicht in die Zusammenhänge des Verhältnisses des Hl. Stuhls zum Staat der Vatikanstadt, als eher auf einen mehr oder minder großen Mangel an solcher Einsicht zurückzuführen sein, der es den in den betreffenden Organisationen mit der einschlägigen Rechtsfrage befaßten Stellen erleichterte, ein so kniffliges Problem einfach zu übersehen, es allenfalls mit Staunen zu registrieren, aber letztlich als terminologische Frage abzutun8. Dabei handelt es sich in diesem Fall keinesfalls um eine bloße Namensänderung; mit dem Terminus "Hl. Stuhl" ist die Einbringung des religiös-moralischen Bereichs untrennbar verbunden. Von Interesse ist auch die Frage nach der Teilnahmegrundlage für die Mitgliedschaft des Hl. Stuhls bei UNCTAD und UNIDO, autonomen Unterorganen der OVN. Die sie errichtenden Resolutionen der GV der VN gehen davon aus, daß alle Staaten, die zur "Familie der VN" gehören, das Recht hätten, Mitglieder dieser Organisationen zu werden9 • Da der Hl. Stuhl- wenngleich ursprünglich als Staat der Vatikanstadt- Mitglied von UPU und ITU war, konnte er von der Möglichkeit, Mitglied dieser Organisationen zu werden, Gebrauch machen10 • Hier zeigt sich wieder, daß zwischen dem Hl. Stuhl als religiöser Institution und demselben in seiner Funktion als Souverän des Staates der Vatikanstadt formell kein Unterschied gemacht wird, sonst hätte nicht die Mitgliedschaft bei den genannten Spezialorganisationen (die vorwiegend auf einen den Staat der Vatikanstadt betreffenden Zweck ausgerichtet ist) eine Rechtsgrundlage für eine gleichsam automatische Mitgliedschaft des Hl. Stuhls bei UNCTAD und UNIDO bieten können, an denen der Hl. Stuhl unzweifelhaft nicht für die Vatikanstadt, sondern als moralisch-religiöse Macht im Dienst der Entwicklung der Menschheit teilnimmt. s Der Verfasser hat im Zuge von Gesprächen mit den mit der Materie befaßten Beamten feststellen können, daß dort hinsichtlich der Bedeutung von "Hl. Stuhl", "Vatikan(stadt)", etc., weithin Unklarheit herrscht. Tatsächlich ist es schwierig, dort theoretisch abzugrenzen, wo der Hl. Stuhl selbst in der Praxis diese Abgrenzung nicht klar vornimmt. s Vgl. oben, Neuntes Kapitel, II, A und C. 10 Vgl. de Riedmatten, "Die Präsenz des Hl. Stuhls in den internationalen Organismen", S. 561; Verosta, "International Organizations and the Holy See",
s. 211.
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12. Kap.: ber Hl. Stuhl und die internationaien Organisationen
Daher muß festgehalten werden, daß der Hl. Stuhl im Rahmen internationaler Organisationen undifferenziert als Völkerrechtssubjekt behandelt wird, ob er nun materiell für die katholische Kirche oder für den Staat der Vatikanstadt tätig wird11 • In keinem Fall wird dem Hl. Stuhl die allgemeine Fähigkeit, an internationalen Organisationen als Mitglied teilzunehmen, erst von der Organisation bzw. den Mitgliedstaaten verliehen; diese Fähigkeit wird vielmehr vorausgesetzt. 2. Weiter oben konnten wir hinsichtlich der Frage, in welcher Funktion- in religiöser oder in staatlicher - der Hl. Stuhl an einer bestimmten internationalen Organisation teilnimmt, als erstes Ergebnis der empirischen Analyse ein materielles Kriterium entwickeln: ob der Hl. Stuhl an einer internationalen Organisation (oder an einem internationalen Akt, etc.) als oberstes Organ der katholischen Kirche oder als Souverän des Staates der Vatikanstadt teilnimmt, bestimmt sich nach diesem Test nach dem Wesen der betreffenden Organisation oder nach dem Inhalt des betreffenden Aktes. Hier erhebt sich die Frage, ob nicht ein über diesen Test hinausgehendes Kriterium heute bereits angeboten werden könnte. Dabei ist allerdings darauf zu achten, daß dieses allfällige Kriterium nicht im Widerspruch zu dem vorerwähnten Test stehen kann, sondern sich nur als organische Weiterentwicklung desselben verstehen darf. Mit anderen Worten: kann auf Grund der formellen Seite eines Rechtsverhältnisses (Aktes, etc.), an dem der Hl. Stuhl im Rahmen seiner Teilnahme an internationalen Organisationen beteiligt ist, schon eine bestimmte materielle Beziehung präsumiert werden, und ist derart eine bestimmte Bewertung bereits indiziert?
In der Tat schließt das analysierte Materie! einen derartigen Schluß zumindest nicht aus. Es zeigt sich nämlich, daß es dem Hl. Stuhl nicht verwehrt werden kann, im Rahmen seiner Teilnahme an internationalen Organisationen - welcher Art immer - zu Fragen des Friedens, der Entwicklung und der internationalen Zusammenarbeit Stellung zu nehmen. Daraus ergibt sich aber, daß - sobald der Hl. Stuhl an einer internationalen Organisation teilnimmt - in seiner Person jedenfalls grundsätzlich immer auch das oberste Organ der katholischen Kirche präsent ist. Dieser Grundsatz kommt auch darin zum Ausdruck, daß der Hl. Stuhl seit 1957 Wert darauf legt, im internationalen Bereich nur mehr unter dieser Bezeichnung aufzutreten. Dies stimmt überdies mit der internationalen Praxis, wie sie etwa das Safeguard Agreement im Zusammenhang mit dem Atomwaffensperrvertrag im Rahmen der IAEA zeigt, überein, wo der Hl. Stuhl Verpflichtungen ausdrücklich für die Vatikanstadt übernommen hat. Ohne daher allfälligen andersläufigen Entwicklungen vorgreifen zu wollen, kann man heute fast schon von einer Rechtsvermutung 11
Vgl. dazu oben, bei Anm. 8 und 9.
V. Zusatnfueniassung
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etwa des Inhalts sprechen, daß dort, wo die Rechte des ID. Stuhls im Rahmen der Teilnahme an einer internationalen Organisation (Akt, etc.) nicht ausdrücklich auf die Vatikanstadt eingeschränkt sind, diese Rechte und Pflichten jedenfalls auch dem Hl. Stuhl als oberstem Organ der katholischen Kirche zuzurechnen sind, es im Zweifel daher immer der Hl. Stuhl (auch) als oberstes Organ der katholischen Kirche ist, der an der Organisation (dem Akt, etc.) teilnimmt12 • 3. Was für die Mitgliedschaft des ID. Stuhles in internationalen Organisationen im Vorstehenden gesagt worden ist, gilt auch für die anderen Formen der Teilnahme (durch Ständige Beobachter, Ständige Vertreter und in Form bloß fallweiser Zusammenarbeit). Auch in diesen Fällen hängt die Fähigkeit zur Teilnahme in keiner Weise davon ab, ob der Hl. Stuhl als Souverän der Vatikanstadt oder als oberstes Organ der katholischen Kirche auftritt. Gerade bei den Ständigen Beobachtern des Hl. Stuhls ergibt sich vielmehr, daß die betreffenden Organisationen mit dem Hl. Stuhl in dieser Weise verkehren, weil aus sachlichen Gründen eine Teilnahme für die Vatikanstadt - die im allgemeinen Mitgliedschaft bedeutetl 3 - nicht in Frage kommt. Man geht wohl nicht fehl, wenn man sagt, die Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Organisationen durch Ständige Beobachter ist die ursprünglich typische Ausdrucksweise dafür, daß es sich hier um eine Teilnahme für die katholische Kirche, d. h. als oberste religiös-moralische Autorität, handeJt1 4 • Bei den genannten Fällen von Ständigen Vertretern 15 ist die Angelegenheit weniger eindeutig; daß der Hl. Stuhl nicht Mitglied dieser Organisationen ist, kann nicht allein auf sachliche, eine Teilnahme für die Vatikanstadt ausschließende Gründe zurückgeführt werden; vielmehr spielen 12 Diese Rechtsvermutung muß jedoch als widerlegbar angesehen werden. Der Hl. Stuhl wird sich nämlich das Recht nicht nehmen lassen, in ihm notwendig erscheinenden Fällen sich hinsichtlich eines internationalen Aktes oder im Rahmen einer internationalen Organisation auf seine Funktion als Souverän der Vatkanstadt zurückzuziehen, um seine Stellung als religiöse Institution nicht zu kompromittieren. Nimmt der Hl. Stuhl aber für sich dieses Recht in Anspruch, so muß Gleiches auch den Staaten, die gemeinsam mit ihm an dem betreffenden internationalen Akt oder der betreffenden internationalen Organisation teilnehmen, zugebilligt werden, nämlich, die Stellung des Hl. Stuhls im Einzelfall näher zu qualifizieren. 13 Die Bedürfnisse der Vatikanstadt auf internationale Zusammenarbeit sind technischer Natur und daher auf einen gegenseitigen Leistungsaustausch gerichtet (etwa in Post- und Telegraphenangelegenheiten); sie können daher sinnvoll nur durch Vollmitgliedschaft bei der betreffenden Organisation befriedigt werden. 14 Ursprünglich deshalb, weil- wie die Beispiele von UNCTAD und UNIDO, mehr noch der IAEA zeigen- der Hl. Stuhl dazu übergeht, auch in diesen Fällen eine Mitgliedschaft auf sich zu nehmen, wenn ihm dies im Interesse seiner Mission als zweckdienlich erscheint. 15 Nämlich beim Europarat und bei den Europäischen Gemeinschaften; vgl. oben, Elftes Kapitel.
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12. Kap.: Der Hl. Stuhl und die internationalen Örganl.sationert
hier auch politische und regionale Momente eine Rolle. Dies bedeutet aber nicht, daß der Hl. Stuhl die genannten Ständigen Vertretungen nicht- ähnlich wie die von ihm unterhaltenen Ständigen Beobachterauch und in erster Linie als religiös-moralische und Friedensmacht errichtet habe. Jedenfalls bleibt seine Stellung in diesen Fällen zumindest undifferenziert; aus ihr ist die Fähigkeit des Hl. Stuhls, als oberstes Organ der katholischen Kirche an internationalen Organisationen teilzunehmen, so gut ableitbar wie diese Fähigkeit für den Staat der Vatikanstadt. Was schließlich die fallweise Teilnahme in Form von bloßer Zusammenarbeit ad hoc anlangt, so gilt das Gleiche; sie kann sich sowohl auf die Stellung des Hl. Stuhls als Souverän der Vatikanstadt als auch auf jene als oberstes Organ der katholischen Kirche beziehen. Es ist daher in jedem einzelnen Fall nach inhaltlichen Kriterien zu prüfen, in welcher Eigenschaft der Hl. Stuhl hier tätig wird16 • Es steht jedoch fest, daß ein Auftreten in letzterer Funktion die Kontaktaufnahme mit internationalen Organisationen und eine Teilnahme an ihrer Tätigkeit nicht gehindert hat17 • Damit kann zusammenfassend festgestellt werden, daß der Hl. Stuhl in jeder Form der Teilnahme an internationalen Organisationen in beiden ihm eignenden Funktionen, vorzüglich aber auch in der religiösmoralischen, in einer jener der Staaten analogen, typisch völkerrechtlichen Weise tätig wird. 4. Abschließend mag es sich empfehlen, dieses Ergebnis durch eine Gegenüberstellung noch zu verdeutlichen. Nach der schon genannten Weltbankkonvention vom 18. März 19·6518 steht Investoren im Ausland, also Rechtssubjekten, die auf der Grundlage einer innerstaatlichen Rechtsordnung existieren und damit in unserem Sinn als Privatrechtssubjekte 19 anzusehen sind, das Recht zu, gegen Staaten ein völkerrechtliches Verfahren20 durchzuführen. Dieses Recht wird ihnen durch die Konvention allgemein für den Kreis der Mitglieder des Internationalen Zentrums für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten eingeräumt und diese 16 Vgl. dazu nochmals Ciprotti, "Sovranita del Vaticano. Santa Sede e Trattato di non proliferazione", S. 36; und Köck, "Rechtsfragen der Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Institution", S. 169. Vgl. aber oben, im Vorstehenden, über die Präsumtion zugunsten einer Teilnahme des Hl. Stuhls als religiöser Institution. 17 Vgl. etwa den Abschnitt über das IKRK; oben, Neuntes Kapitel, IX. 1s Vgl. oben, Eingang von Kapitel XII, Anm. 8. 19 Unter einem Privatrechtssubjekt verstehen wir hier ein Rechtssubjekt, das vom Völkerrecht weder vorausgesetzt (originäres Völkerrechtssubjekt) noch in einem völkerrechtlichen Verfahren geschaffen wird (derivatives Völkerrechtssubjekt), unabhängig davon, ob es innerstaatlich privates oder öffentliches Recht zur Grundlage seiner Existenz hat. 20 Und zwar ein Schieds- oder Vergleichsverfahren über Streitigkeiten aus einem Investitionsverhältnis; vgl. Art. 36 ff. und 28 ff.
V. Zusammenfassung
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gleichzeitig verpflichtet, in den etwaig sich ergebenden Verfahren nach den Grundsätzen völkerrechtlicher Beilegung von Streitigkeiten vorzugehen21. Ähnelt nun die Stellung der Investoren insoweit der Stellung der Nichtmitglieder der OVN bei einem Verfahren vor dem SR nach Kapitel VI, als der Nicht-Mitgliedsstaat insofern auch an der Organisation partiell teilnimmt22 , so besteht der grundsätzliche Unterschied zwischen beiden Fällen- Verfahren des Nichtmitglieds der OVN vor dem SR einerseits, Verfahren des Investors im Rahmen des genannten Zentrums andererseits- darin, daß das Nichtmitglied der OVN gegebenenfalls auch außerhalb der Organisation ein völkerrechtliches Verfahren mit jedem Mitglied derselben durchführen kann, während die Weltbankkonvention davon ausgeht, daß die Investoren solches von sich aus und wegen ihrer ursprünglichen Verankerung im staatlichen Recht nicht können, und eben aus diesem Grund das Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten schafft. Das Zentrum bietet daher nicht bloß ein besonderes und- wie man annimmt- effektives Verfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, sondern schafft für das Nicht-Völkerrechtssubjekt überhaupt erst die Möglichkeit, ein völkerrechtliches Verfahren durchzuführen, verleiht ihm erst international standing 23 • Dieser doppelte Aspekt darf nicht übersehen werden, wenngleich er dadurch weniger augenfällig ist, als die Befähigung eines Nicht-Völkerrechtssubjekts zur Teilnahme an einem völkerrechtlichen Verfahren nicht an sich und allgemein, sondern durch die Schaffung des genannten Zentrums geschah, Hebung des Nicht-Völkerrechtssubjekts auf die völkerrechtliche Ebene und Gewährung eines besonders zielführenden Verfahrens daher uno actu erfolgte, und so der erste Aspekt bei nicht ausreichend sorgfältiger Betrachtung leicht verloren gehen kann. Betrachtet man die völkerrechtliche Stellung von Privatrechtssubjekten innerhalb des Internationalen Zentrums für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten auf diese Weise, so wird der fundamentale Unterschied klar, der zwischen der Teilnahme eines solchen Privatrechtssub21 So Fischer, "Die schiedsgerichtliche Beilegung von privaten Investitionsstreitigkeiten im Lichte der Weltbankkonvention vom 18. März 1965", 1 VRÜ (1968), S. 262 ff.; vgl. auch die dort angegebene Literatur. Die Konvention abgedruckt dortselbst, S. 303 ff. 22 Vgl. Art. 35 (2) SVN in Verbindung mit Art. 31 und 32. 23 Es ist festzuhalten, daß eine solche (beschränkte und funktionale) Völkerrechtssubjektivität des Individuums in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen der Gegenwart nicht nur durch die genannte Konvention, sondern auch durch einen individuellen Verleihungsakt im Wege eines Konzessionsvertrages seitens des staatlichen Partners zuerkannt werden kann. Zu den verschiedenen Typen heutiger Konzessionsverträge und zur Problematik der Völkerrechtssubjektivität des Konzessionärs eingehend Fischer, Die internationale Konzession (1974), insbes. das Achte Kapitel.
49 Köck
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12. Kap.: Der ltl. Stuhl und die internationalen Organisationen
jekts und der Teilnahme des HZ. Stuhls an einer internationalen Institution (Organisation) besteht. Die Privatrechtsperson bedarf der Bekleidung mit völkerrechtlichen Rechten (und damit der Verleihung der völkerrechtlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit), d. h. mit (partieller) Völkerrechtssubjektivität24 ; der ID. Stuhl dagegen nimmt an internationalen Organisationen ohne weiteres wie ein Staat teil, d. h., ohne daß ihm dafür noch irgendeine (partielle) Völkerrechtssubjektivität verliehen werden müßte. Eine solche wird vielmehr, wie sich aus den einhelligen Zeugnissen der Staatenpraxis im Rahmen der internationalen Organisationen ergibt, vorausgesetzt1&. 5. Was schließlich eine politische Bewertung der Teilnahme des ID. Stuhls an internationalen Organisationen anlangt, so sind vereinzelt Stimmen laut geworden, die darauf hinweisen, daß die konkreten Ergebnisse sowohl für den ID. Stuhl als auch für die Organisationen hinter dem zurückbleiben, was man auf Grund der von beiden Seiten aufgewendeten Bemühungen eigentlich an positiven Ergebnissen erwarten könne. Daran hat Barbier28 den Schluß geknüpft, daß die demonstrative Kooperation zwischen den internationalen Organisationen und dem ID. Stuhl der angestrengte, aber untaugliche Versuch sei, das Ansehen beider zu verbessern. Von der Situation bei der UNESCO ausgehend, schreibt er: "Les deux institutions cooperent ... etroitement pour promouvoir des idees semblables et atteindre des objectifs communs ... Mais, en fait, si elles se donnent ainsi la main, c'est pour se renforcer mutuellement, alors que toutes deux, pour des raisons düferentes, sont plus ou moins menacees a l'interieur et discreditees a l'exterieur. Cette alliance defensive peut apparaitre comme une sorte de collusion entre l'll:glise et l'Unesco. Cette collusion aiderait deux institutions bureaucratiques a surmonter leurs difficultes internes et externes et aurait un effet conservateur pour l'une et pour l'autre, en depit des objectifs apparement nobles qu'elles se donnent ... 11 y a donc un risque reel de collusion ideologique et politique entre l'll:glise et l'Unesco. Cette situation, qui comporte de serieux inconvenients pour l'Unesco, est particulierement dangereuse pour l'll:glise, qui risque de perdre ainsi sa capacite de critique a l'egard de !'Organisation et de torober dans une sorte de neo-clericalisme ...27 ." 24 Vgl. dazu Zemanek, Das Vertragsrecht der internationalen Organisationen (1957), S. 18-19: "Wer faktisch Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten
ist, ist danach Völkerrechtssubjekt." Mit Verweisung auf die schriftliche Stellungnahme der britischen Regierung im Fall Ersatz für im Dienste der Vereinten Nationen erlittene Schäden, Pleadings, Oral Arguments, Documents, S. 27 f.: "... any entity which has rights and obligations is a person, and ü the rights and obligations concerned are essentially international in character, the personality must be international also." 25 Die Völkerrechtssubjektivität des Hl. Stuhls findet sich im Rahmen der internationalen Organisationen auch ausdrücklich anerkannt. Vgl. oben, Neuntes Kapitel, V, Anm. 78 und Zehntes Kapitel, II, C, 6. za L'll:glise catholique et l'Unesco (1971), S. 98 f. 11
Ibid.
V. Zusammenfassung
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Diese Analyse scheint jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt berechtigt zu sein. Es steht zwar wohl außer Zweifel, daß die Zusammenarbeit zwischen dem Hl. Stuhl und den internationalen Organisationen für beide eine Hebung ihres internationalen Ansehens bewirkt, was für den Hl. Stuhl vor allem unter dem Aspekt seines Missionsauftrages, für die internationalen Organisationen aber unter dem Aspekt größerer Durchschlagskraft gegenüber den (Mitglied-)Staaten und damit für beide wegen der Erleichterung der Erreichung des von ihnen angestrebten Zieles von Interesse ist. Dies aber negativ werten zu wollen, wäre nicht gerechtfertigt, es sei denn, man spräche dem Hl. Stuhl oder den internationalen Organisationen oder beiden ihre Daseinsberechtigung (zumindest in ihrer gegenwärtigen Form) ab. Tatsächlich aber ist die gegenseitige Unterstützung und der gegenseitige Gewinn, die der Hl. Stuhl und die internationalen Organisationen leisten und ziehen, nicht die faule Frucht einer - wie Barbier sagt - coUusion, sondern das Ergebnis gemeinsamen Bemühens im Dienste einer Sache, die beide Institutionen als eine gute ansehen. Was insbesondere die ebenfalls genannte Gefahr anlangt, der Hl. Stuhl könne sich derart vor den Wagen der Interessen internationaler Organisationen spannen lassen, daß er diesen einerseits unkritisch gegenüberstehen, andererseits innerhalb derselben eine Rolle neoklerikaler Domination zu spielen versuchen würde, so wäre eine diesbezügliche Besorgnis nur dann gerechtfertigt, wenn der Hl. Stuhl daranginge, sein Los auf absehbare Zeit untrennbar mit jenem der internationalen Organisationen zu verbinden. Daß dies aber nicht der Fall ist, hat der derzeitige Substitut im päpstlichen Staatssekretariat, Msgr. Benelli, erst kürzlich festgestellt, als er in einer im Oss. Rom. abgedruckten28 Rede ausführte: "Inviting her sons to commit themselves in earthly affairs, the Church does not intend in any way to indentify herself with this or that international organization engaged in regulating the social relations of men and peoples .•."
So betrachtet, und in steter Beobachtung jenes inneren Abstandes von den internationalen Organisationen, der die Gewähr dafür bietet, daß der Hl. Stuhl sich seine Urteils- und Handlungsfreiheit gegenüber denselben wahrt, ist die Teilnahme des Hl. Stuhls an den internationalen Organisationen durchaus geeignet, einen Beitrag zum konkreten Ziel der betreffenden Institution unddarüber hinaus zum aUgemeinenZiel der internationalen Gerechtigkeit und des Friedens zu leisten. Dies anerkennt schließlich auch Barbier, wenn er schreibt: "Nous constaterons que ... les resultats concrets sont appreciables ...29." 28
29
Engl. Ausg. vom 30. November 1972. L'Eglise catholique et l'Unesco (1971), S. 96.
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12. Kap.: ber in. Stuhl und die :i.nternationaien Organisationen
Die Frage nach der Zukunft der Beziehungen des m. Stuhls ZU den internationalen Organisationen wird sich demgemäß nicht nach dem Ob dieser Beziehungen, sondern danach stellen müssen, wie die Teilnahme des Hl. Stuhls noch effektiver gestaltet werden kann.
Ergebnis 1. Anliegen des Verfassers war es, in der vorliegenden Untersuchung unter Beachtung historischer und normativer Gesichtspunkte das Phänomen des Hl. Stuhls in seiner völkerrechtlichen Stellung zu erschließen. Dabei wurde normativ-empirisch vorgegangen. Nach einer Abklärung der Bedingungen für eine völkerrechtliche Stellung des Hl. Stuhls wurde zur Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnis die rechtlich relevante Praxis der Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten und den internationalen Organisationen (Institutionen) genommen. Der Verfasser war dabei in der glücklichen Lage, primäres Quellenmaterial zu einem nicht unerheblichen Teil aus eigener Forschung einbringen und damit dem Leser Einblick in bislang unveröffentlichte Dokumente geben zu können. Ausgangspunkt aller Überlegungen mußte es sein, unter Berücksichtigung der historischen Umstände, die den Hl. Stuhl im internationalen Bereich als spirituelle und temporale Macht erscheinen lassen, diese beiden Aspekte voneinander klar abzuheben. Der Erste Teil der Untersuchung war überwiegend auf dieses Ziel ausgerichtet. Zur Beantwortung der Frage nach dem völkerrechtlichen Status des Hl. Stuhls mußte mangels einer ausdrücklichen diesbezüglichen positivrechtlichen Regelung der Weg der Induktion aus dem vorliegenden völkerrechtlichen Material beschritten werden. Grundlage hiefür waren zunächst die in allen zwischenstaatlichen Beziehungen zu beobachtenden und daher hier als völkerrechtliche Archetypen betrachteten Institute des Gesandtschafts- und Vertragswesens. Sie wurden im Zusammenhang mit den Beziehungen des Hl. Stuhls zu den Staaten im Zweiten Teil behandelt. Darüber hinaus zeigt die neuere Entwicklung der internationalen Beziehungen eine intensivierte Teilnahme des Hl. Stuhls an internationalen Organisationen(Institutionen).Damit wareine weitere Induktionsbasis für die Erkenntnis des Untersuchungsgegenstandes gegeben, die in der hier dargestellten Problematik einen - wie der Verfasser glaubt - ausreichenden Schluß auf die völkerrechtliche Stellung des Hl. Stuhls in der heutigen internationalen Gemeinschaft zuließ. Diesen Beziehungen des Hl. Stuhls zu internationalen Organisationen (Institutionen) war der Dritte Teil der Arbeit gewidmet.
2. Wird nun abschließend versucht, die in der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassend darzustellen, so können diese in folgenden Leitsätzen unterbreitet werden:
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1. Der HZ. Stuhl ist Völkerrechtssubjekt. Er besitzt eine ursprüngliche, d. h. ihm schon mit seiner Existenz zukommende, von Staaten oder sonstigen Völkerrechtssubjekten nicht abgeleitete Fähigkeit, Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein. Diese völkerrechtlichen Rechte und Pflichten korrespondieren seinem Wesen und sind daher teilweise jenen der Staaten analog, teilweise unterscheiden sie sich von ihnen. Es wäre aber unrichtig, aus diesem Grund vorn Ill. Stuhl als einem beschränkten Völkerrechtssubjekt zu sprechen, weil von einem Völkerrechtssubjekt füglieh kein anderer Umfang der Rechtsfähigkeit erwartet werden kann, als seinem Wesen entspricht. Den Ausdruck beschränktes Völkerrechtssubjekt in diesem Zusammenhang zu verwenden, würde bedeuten, daß man von einer ganz bestimmten Vorstellung eines solchen, nämlich (gewöhnlich) der des Staates, ausgeht und diesen nicht bloß- wie auch der Verfasser in der vorliegenden Untersuchung- als typisches, sondern darüber hinaus als einziges vollkommenes Völkerrechtssubjekt betrachtet. Aus diesem Grunde erscheint auch die gelegentlich im Schriftturn vorkommende Qualifizierung des Ill. Stuhls als Völkerrechtssubjekt sui generis als dogmatisch unzutreffend, weil jedes Völkerrechtssubjekt seinem Wesen nach sui generis ist. Zu diesem Ergebnis gelangte auch der IG 1949 im Fall Ersatz für im Dienst der VN erlittene Schäden, wo er in seinem Gutachten feststellte: "The subjects of law in any legal system are not necessarily indentical in their nature or the extent of their rights, and their nature depends upon the needs of the communityl." Auf Grund seiner Völkerrechtssubjektivität verkehrt der Hl. Stuhl auf gleicher Stufe mit den einzelnen Staaten und unterhält in Analogie zu ihnen Beziehungen zu internationalen Organisationen (Institutionen). Die Teilnahme an diesen ist - wie auch bei den Staaten nicht einheitlich, sondern vollzieht sich in Formen verschiedener institutioneller Intensität. 2. Die Völkerrechtssubjektivität des HZ. Stuhls besteht unabhängig von (s)einem Territorium. Die völkerrechtliche Praxis aus den Jahren 1870 -1929 zeigt in ihren eingehend erörterten Präzedenzfällen, daß sich auch dann, wenn der Ill. Stuhl seiner territorialen Grundlage entkleidet war, an der Kontinuität seiner völkerrechtlichen Rechtsfähigkeit nichts geändert hat. Eine derartige kontinuierliche Rechtsüberzeugung konnte auch auf Seiten der Staaten festgestellt werden und fand ihre ausdrückliche Anerkennung im Rahmen der Praxis des VB. 3. Der HZ. Stuhl besitzt (derzeit) im internationalen Bereich eine Doppelrolle: er ist gleichzeitig geistlicher und weltlicher Souverän. Unab1
ICJ -Reports (1949), S. 178.
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hängig davon, daß der Hl. Stuhl im Sinne des vorhergehenden Leitsatzes Völkerrechtssubjektivität auch ohne territoriale Grundlage besitzt, ist seine derzeitige Position so beschaffen, daß er durch den Staat der Vatikanstadt über ein Territorium verfügt. Aus diesem Grund erscheint der Hl. Stuhl im internationalen Bereich in einer doppelten Rolle: einerseits wird er als oberstes Organ der katholischen Kirche tätig, andererseits übt er Funktionen als Souverän des Staates der Vatikanstadt aus. Diese wichtige Unterscheidung kommt vor allem im Vertragsrecht gegenüber den Staaten dadurch deutlich zum Ausdruck, daß jene Verträge, die der Hl. Stuhl für die Kirche abschließt, grundsätzlich als Konkordate bezeichnet werden, während die übrigen Verträge als "gewöhnliche" Staatsverträge erscheinen, da sie dem Staat der Vatikanstadt zuzurechnen sind. Nur diese fallen in den persönlichen Geltungsbereich der WVK 19692 • Hinsichtlich der vom Hl. Stuhl mit oder im Rahmen von internationalen Organisationen abgeschlossenen Verträge gibt es hingegen keine derartige formelle Unterscheidung. Da darüber hinaus der Hl. Stuhl grundsätzlich die jeweilige Funktion formell nicht zum Ausdruck bringt, bedarf es in jedem Falle, in welchem der Hl. Stuhl auf der internationalen Ebene erscheint, ohne sich ausdrücklich zu deklarieren, einer sorgfältigen materiellen Prüfung aller Umstände zur Feststellung der konkret ausgeübten Funktion, wobei u. U. eine {widerlegbare) Rechtsvermutung zugunsten des religiösen Aspekts als bestehend angenommen werden kann.
4. Der HZ. Stuhl erfüllt - unabhängig von seiner Teilnahme an internationalen Organisationen (Institutionen) - selbst die Funktion einer internationalen Friedensinstitution. Obwohl der Hl. Stuhl in allen seinen internationalen Funktionen für die Sicherung des Weltfriedens wirkt, kommt diese Zielsetzung in seiner Eigenschaft als Institution zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle besonders zum Ausdruck. Hier ist es die Tätigkeit als internationales Vermittlungsund Rechtsprechungsorgan, die den Parteien eines internationalen Streitfalles zu dessen Beilegung angeboten wird und auch in der Tat zur Erledigung einer Reihe von Streitigkeiten geführt hat. Es darf aber nicht übersehen werden, daß mit dem seit dem Ende des ersten Weltkriegs zu beobachtenden Ausbau der internationalen Streitbeilegungsverfahren die Bedeutung dieser spezifischen Funktion des Hl. Stuhls im Rückgang begriffen ist. Heute beschränkt sich diese Funktion neben der diplomatischen Friedenstätigkeit des Hl. Stuhls daher weitgehend auf doktrineile und exhortative Aussagen. 2 Art. 1: "The present Convention applies to treaties between States." UN Doc. A/CONF. 39/27.
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Ergebnis
3. Der Verfasser war in der vorliegenden Untersuchung bemüht, das Phänomen "lll. Stuhl" im selbstgesteckten Rahmen in seinen völkerrechtlich relevanten Aspekten möglichst vollständig zu erfassen. Gerne gesteht er jedoch zu, daß in einzelnen Fragen neu hervorkommende Quellen die eine oder andere Korrektur in Details der Aussage erforderlich machen könnten. Sollte der Verfasser mit der vorliegenden Untersuchung die Anregung für weitere Forschungen auf diesem Gebiete geben, so würde er glauben, einen über den unmittelbaren Zweck der Arbeit hinausgehenden Beitrag zur Lehre von den Völkerrechtssubjekten geleistet zu haben.
Summary The Status of the Holy See under International Law A Study of its Relations to States and International Organizations 1. The presence of the Catholic Church in the international arena is a phenomenon which rouses interest, astonishment, or even amazement, depending upon, as the case may be, the pre-judgment or the prejudice of the observer. Ever since legal doctrine became aware of the problern of the relationship between church and state, the institutionalized existence of a religious entity within the secular sphere has been occasion for scholarly studies, the results of which were, however, not infrequently used for political rather than for scientific purposes.
Many of these studies have suffered from a miscomprehension of this phenomenon, viewing the international position of the Holy See in isolation and without any real understanding of, and thus without sufficient regard to, the special character of the Catholic Church. The specific international presence of the Church was, however, not incorrectly compared by an observer to the top of an iceberg protruding above the sea, while the total of the presence of the Church in the world is formed by the iceberg aß a whole. Thus, whoever Iooks only at the top without considering the iceberg as a whole will be easily induced to conclusions which do not accord to reality. It has therefore been the endeavour of the author in this book to elaborate the international position of the Holy See in constant regard to the nature and the task of the Church in the world in generat Since, however, the international legal position of the Holy See is a problern which - while of interest also to theologians and canonists- concerns primarily the internationallawyer, the author had to start from a legal evaluation of the subject, working with a method adequate to deal with internationallegal questions, and aiming at a result relevant for the field of internationallaw. The author has attempted a fairly comprehensive presentation of all aspects of the position of the Holy See in international law. Because, however, of the accessibility of the material, the method of work had to differ in the First and Second Parts of the book compared with the Third. While in dealing with the relationship of the Holy See with international organizations the author had to rely mainly on unedited documents pro-
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cured from the archives of these organizations, he was able to draw, for the presentation of the relations of the Holy See to states (Second Part), and for that section of the First Part, which is devoted to the distinction between the spiritual and the temporal aspect of the Holy See, not only upon a considerable amount of already published documents but also upon an immense mass of literature reaching from scholarly studies to polemic controversial writings, so that he could limit hirnself to some additional research in the archives of the Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Vienna. 2. International legal terminology concerning the Holy See being quite uncertain, it might be useful to give some clarification as to the use of the terms church, pope, Holy or Apostolic See, and Vatican. While the Catholic Church is the community, instituted by Jesus Christ, of those confessing the right faith under the guidance of the bishops and in particular of the Roman Pontiff as the successor of St. Peter, the Holy or Apostolic See is defined in canon 7 of the CIC (Code of Canon Law) as denoting the pope, either alone or with the Roman curia employed in the government of the universal church. The term Vatican is used mainly in Anglo-American legal doctrine; the name is derived from the Palazzo Vaticano bunt near the basilica of St. Peter on the Vaticano, one of the seven hills of ancient Rome, where the apostle Peter was buried. It is applied both to the Holy See and the Vatican City State, the former meaning being the more common one. The correct term is, however, Holy See, being constantly employed in the latter's own international practice, while Vatican should only be used where no misunderstanding is likely to occur. (Second Chapter, I.) 3. The presence of the Holy See in the international field being indisputable, the question arises whether the Holy See makes its appearance as a subject of public internationallaw, and if so, whether it can be regarded as an original subject ofthat law, acting iure proprio, or whether it merely belongs to the dass of derivative subjects of internationallaw (as e. g. the Sovereign Military Order of Malta or the International Committee of the Red Cross [ICRC]) endowed with certain international rights and duties by positive international law only, i. e. by the states through the means of treaty or international customary law. Since there can be no doubt that states are certainly to be regarded as subjects of international law iure proprio, qualification of the Holy See as a like subject equalling the states requires the demonstration of its international presence as one in all essential matters strictly analogous, and thus equivalent, to that of the states. Since international law (public) is not necessarily limited in its application to states but may apply to other legal subjects as well (whether it might then · be called ius inter
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potestates, as by Taube, "La situation internationale actuelle du Pape et l'idee d'un 'droit entre pouvoirs' [ius inter potestates]", 1 ARWPh [1907/08], p. 360 seq. and 510 seq.; or just internationallaw in a broader sense of the word, as by Verdross, Völkerrecht [1st ed. 1937], p. 43, being of no decisive importance), the Holy See can correctly be called a subject of international law if shown to be engaged in international acts quite of the same character and in the same way as the states. Though this could also perhaps be true for other religious institutions (e. g. the Dalai Lama; cf. again Taube) or religious communities (cf. Brandweiner, Die christlichen Kirchen als Völkerrechtssubjekte [1948]), it can fairly be said that no such religious institution or community, apart from the Holy See or the Catholic Church, has ever constantly claimed or successfully exercised any rights under internationallaw. Despite whatever potential international legal personality they may have, they cannot be regarded in fact as subjects of the public international law of our times. (Second Chapter, II and III.) 4. Before, however, entering into the discussion of the Holy See's relationship to states, the author has attempted to give a delimitation of the spiritual from the temporal sovereignty of the Holy See in historical perspective. A survey of state practice regarding the Holy See and the "Court of Rome" before 1870 gives clear evidence that the states have always been weil aware of the fact that, when entering into relations with them, the pope was not only a temporal sovereign but also the supreme organ of the universal church. This is marle sufficiently plain in particular by the instructions foreign envoys received from their governments when going on a mission to Rome. In these is stressed the difference between the spiritual and the temporal position of the pope, and recognized what the Holy See itself has claimed through Cardinal Secretary of State Consalvi: "La souverainete temporeUe de Sa Saintete n'est que secondaire, ä cöte de son apostolat supreme." The time of trial for the independent status of the Holy See as a spiritual sovereign under internationallaw was the period between 1870 and 1929. When Italy solved the so-called Roman question by annexing what had remained of the papal states, and thereby stripperl the Holy See of all temporal power, most of the European and American states marle it quite clear that they could and would not tolerate any restriction of the spiritual independence of the Holy See, its liberty in the ruling of the Church andin the intercourse with the various governments thus being considered an international question. The pope continued to send nuncios and legates and to receive the envoys of the states, to conclude treaties with these states (the so-called concordats), and to exercise his peaceful mission by acting as mediator and arbitrator in international disputes.
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While the period between 1870 and 1929 had many inconveniences for the Holy See- in particular as regards the status of those resrepentatives accredited to it whose states became, during World War I, enemy countries of Italy- it proved clearly that the powers continued to regard the Holy See as a full-fledged member of the international community quite independently from any territory, and was helpful in creating a special practice for the Holy See in various matters (as e. g. for the diplomatic corps accredited to the pope), a practice the rules of which could- to a great extent - be taken over into the period after 1929 when the Holy See enjoyed again a territory of its own however small, the State of the City of the Vatican. Created by the Lateran Agreement(s) of 11 February 1929, this state comprises that part of Rome which is called the Vatican, and includes the Vatican Palace and the Vatican Gardens proper tagether with the Archbasilica of St. Peter and St. Peter's Square. It is a permanently neutral state which was in its entirety registered under the Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict of 14 May 1954 (UNTS CCXLIX, p. 240 seq.), thereby protecting it for all future from being made an object of military actions in a possible war. There exists a legallink between the Holy See and the Vatican City State insofar as the pope is the sovereign head of the latter. The Vatican City, while being a state under internationallaw- fulfilling all requirements for that qualification (i. e. the "classic" three elements of people, territory and sovereignpower independent from any other state) - , has a particular character since it was created for the special purpose of guaranteeing to the Holy See "una sovranita indiscutibile pur nel campo internazionale". (Lateran Treaty, Preamble.)An examination of international practice between 1870 and 1929 offers abundant proofthat the Holy See, as a spiritual power, was perfectly able to exist as a subject of public international law independently of any territorial basis. It is not too much to state that, in order to ascertain the true legal status of the Holy See within the international community, it is necessary to distinguish neatly between its spiritual and its temporal functions. Only by such a distinction is it possible fully to grasp the problern and to understand the special position of the Holy See vis-a-vis states and international organizations. (Second Chapter, IV.) 5. States being the subjects of international law par excellence, their relations with each other are to be regarded as of a typical international legal character. Already in an early period of international relations certain basic forms developed; here the institutes of international diplomacy and of international treaties primarily belang. The author considered it therefore important to show that the Holy See takes part in
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these forms of international intercourse and entertains diplomatic and treaty relations with states, in order to prove the stateanalogous position of the Holy See under internationallaw. Since, on the other hand, the Church is not a state in the proper meaning of the word, not all its (or rather the Holy See's) internationallegal relations can correspond to inter-state relations. This is because the method of delimiting the church from state differs from that applied to delimiting states from each other, since the former has not territorial but jurisdictional character, according to the particular subject matter. This special method of delimitation and the problems resulting from it for the relationship between church and state had to be taken into account in the present work in order to convey a correct impression of the legal position of the Church (and the Holy See) in the international field. The first part of the presentation of the relationship between the Holy See and states aimed at examining whether the Holy See had any diplomatic relations with them, and if so to what extent. It was possible to show that the Holy See from a very early time, and in fact since the first period in which it entered into official contacts with the temporal power (for historic reasons primarily with the Roman Empire), entertained such relations on a (relatively) permanent and institutionalized basis, making use of an institute already existing in practice, the apokrisiars. Even though there did not exist permanent papal representatives from (about) the eighth to the fourteenth century (because of the alienation and separation between the East and the West, as weil as the special structure of the medieval corpus christianum universale), the Holy See was among the first powers to partake in the development of modern diplomacy. This position as a power sending and receiving diplomatic missions the Holy See retained even after the Reformation, always with the recognition that the pope exercised this right primarily as the supreme organ of the Catholic Church and only subsidiarily as sovereign of the Papal States. As a logical consequence of this situation, the diplomatic relations of the Holy See continued after the end of the temporal power in 1870 to be - while being partly attacked by legal doctrine from certain quarters- recognized and exercised without change. The time between 1870 and 1929 was thus in particular a period of trial for the diplomatic relations of the Holy See. These relations stood the test, and demonstrated in an unequivocal manner that the right of legation pertained to the Holy See as such, independently from any territorial sovereignty. The re-establishment of a (mini-)papal state in 1929 could, therefore, add nothing decisive to this fact, although it improved politically the capability of the Holy See to act on the inter-
782 national Ievel. It may, however, be taken for granted that the expansion of the papal diplomatic service, to be ·noted after W orld War II, would have taken place even without the existence of the Vatican City State, for it was not due to the latter's existence but rather to the speedy increase of the number of subjects of international law in Africa and Asia. While papal diplomatic relations correspond in every substantial way to the traditional international forms of diplomacy, there do exist, on the other hand, certain modifications which however leave intact the essence of these relations. As regards the Holy See's right of active legation, it differs from the inter-state form insofar as the permanent representatives of the Holy See respresent the pope not only at the states but also at the local churches, and have therefore a double function which does not pertain to representatives of states. As the right of passive legation is concerned, its particularities are related to the fact that the missions accredited to the Holy See do not reside on the territory of the Vatican City State but on that of another power, i. e. Italy. This incurs certain complications, especially in time of war. It is submitted, as result of this part of the work, that the Holy See exercises the right of Iegation in a manner analogous to states, thereby being shown as an entity involved in activities of a genuine international legal character. (Third Chapter.) 6. In accordance with the double function of the Holy See as the supreme head of the Catholic Church and as the sovereign of the Vatican City State, the treaties to which the Holy Seeisaparty can be grouped into two categories. The first group is formed by those treaties which the Holy See concludes with direct regard to the Church as a whole or a particular section of it; these are commonly called concordats. To the second group belong those treaties which the Holy See concludes for the Vatican City State; or in which it takes part as a member of the international community for the purpose of promoting peace and development or of improving the legal, cultural, economic, and social conditions thereof. In this case, the interests of the Church are only indirectly affected, insofar as its mission is facilitated by the existence of normal- i. e. not disturbed - international and intersocial conditions, and insofar the object of this mission, the integral development of man, is thereby fostered. Among the non-concordatarian treaties of the Holy See those which are related to the territorial basis of the spiritual independence of the Holy See, the Vatican City State, rank first according to the Holy See's own judgment. For the main effort of the Holy See had to be directed to the establishment of the necessary conditions for, and thus the securing
183 of, the existence of this state. Here numerous agreements with ltaly became necessary, the state in whose territory the Vatican appears as an enclave dependent upon ltaly for the supply of the most important goods of every day life (water, electricity, etc.) and for the unhamperßd connection with the rest of the world. Forthis purpose, ltaly bad undertaken a basic obligation in article 6 of the Lateran Treaty; in consequence of this obligation numerous agreements were concluded with the Holy See. These agreements do not differ in any respect from international treaties proper (i. e., in particular, inter-state treaties). Party to these agreements is always the Holy See as such, although terminology has varied in this respect during the first years after 1929. Corresponding to these treaties with ltaly, the Holy See has concluded agreements with other states on various temporal questions (e. g. the abolition of visas, etc.). While most of these treaties have not been registered with the Secretary General of the League of Nations, others have been so, thus proving that these treaties were principally eligible for this typical international procedure. Treaties of the Holy See in temporal matters arealso those by which it becomes a member of an international organization, or the multilateral treaties in which it takes part, whether or not concluded under the auspices of an international organization and whether or not the parties are restricted to the members of any such organization. Participation by the Holy See in these agreements serves a double purpose: to secure the legal basis for the Holy See's own mission, and to contribute to international co-operation or to the clarification of questions of international law (e. g. codificatory conventions) in the spirit of international solidarity. Participation in certain agreements, as e. g. in the Treaty on the NonProliferation of Nuclear Weapons of 1 July 1968, serves, on the other hand, primarily the object of peace which is to be promoted through the moral support by a religious authority of recognized high reputation. A concordat is a treaty between the Holy See and a state on subject matters of immediate relevance for the Church, whatever its particular designation. While a minority of legal writers denies the international legal character of concordats, the majority and especially international practice treat themasgenuine international treaties. Actually, concordats are concluded in such a form and under such circumstances as to indicate the equality of the parties; both the Church and the states are aware that obligations arising out of concordats are international obligations, i. e. obligations of international treaties; concordats are eligible for a specialinternational procedure reserved for international treaties: namly registration; finally, concordats are treated by courts as international treaties binding both the Holy See and the state concerned.
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Thus the treaty practice of the Holy See reveals it involved in typical international procedures, the agreements concluded by the Holy See corresponding in all essential matters to the typical basic form of internationallaw: international treaties. (Fourth Chapter.) 7. The exercise of the right of Iegation and of the capacity to conclude treaties shows the Holy See in activities of typical international legal character. There do exist, however, besides these typical international relations of the Holy See, others, atypical ones, which are usually comprised within the field of church-state relations. It can be shown, in this connection, that the opinion regarding the international status of the Holy See as completely unaffected by the problems of church-state relations does not correspond to reality. These questions have on the contrary always - directly or indirectly - exercised an influence upon the position of the Holy See and upon the fulfilment of its specific religous mission. It can be noted that the main weight of disputes in the field of churchstate relations has switched, since the beginning of modern times, from the Ievel of inter-community relations to that of the individual in its relations to the state. The reason for this phenomenon might primarily be found in the fact that there took place in Europe, in the dawn of modern times, a transition from religious unity to a pluralism of confessions. As a consequence, no church and no other religious community was any more able to claim, vis-a-vis the state, the spiritual sphere with the same exclusiveness as the state could claim its own temporal sphere. As a result, all churches and religious communities suffered a deterioration in their position vis-a-vis the state- some (as the protestant communities) earlier, others (as the Catholic Church) later, but all did.
As a further consequence of this, the position of the individual vis-a-vis the state regarding religious freedom was equally worsened, since he no Ionger enjoyed in this field the same protection of his church (or religious community) as before. Religious dissenters might have drawn, in the beginning, some benefits from this fact insofar as the state now granted civil tolerance in religious matters; however, in the long run those regimes multiplied in theory and practice which attempted to subject the things spiritual to the things temporal, in conscious or unconscious reference to antique state models which did not know of an independent religious sphere besides the temporal one. While in modern times this tendency towards the totalitarian state has resulted during different periods in different measures taken by the state, it has always been in existence and is, in the twentieth century, still increasing. We are thus confronted with the paradox that- while the international status of the Holy See in its typical forms (diplomacy, treaties) has been
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strengthened in recent times- the Holy See and the Church as such, in their internationally atypical forms of church-state relations, still have to fight practical difficulties which are yet expanding with the progressing process of secularization. Since the Church can no Ionger control this process by special means (as e. g. through concordats concluded with the state), it is more and more interested in the promotion of religious freedom within the framework of a general protection of human rights through positive law, domestic and international. Finally, the field of church-state relations is the arena where the Holy See is in a position to inflict against states the kind of sanctions typical of the Church and differing from those applied by states among themselves. On the other hand, this proves that the Holy See, too, disposes of sanctions in its relations to states, although these are to a great extent different from those applied in inter-state relations. A survey of church-state relations proves that states are quite ready to recognize the spiritual sovereignty as equal to the temporal one, but only as far as the international status proper of the Holy See is concerned. They are much more reluctant to recognize this spiritual sovereignty where it would limit the sovereignty of the state in favor of a "state-free" sphere. Thus we find here a far-reaching antinomy between international and domestic law, an antinomy which has yet hardly come to be recognized by legal writers. Although it might be expected that this antinomy will finally find its solution on the basis of internationallaw as the legal order superior to the domestic one (most probably in practice in connection with the international protection of human rights), it is not possible to tell today, in a world of immense ideological differences, when this task will be accomplished. (Fifth Chapter.) 8. The Holy See is not only a member of the international community but fulfils also a special function therein as an institution of international mediation and arbitration. It can be said that the Christian-occidental tradition of mediation and arbitration is deeply rooted in the international peace activities of the Holy See in the Middle Ages and even in modern times. The Holy See has played a leading role in the development of the peaceful settlement of international disputes, not only co-operating in the employment of mediation and arbitration but actually taking part in their formation to the present shape. While this development demonstrates the Holy See as a creative member of the international community, the fact that the Holy See has entered the second phase of its specific peace function with the settlement of the dispute about the Caroline Islands (Germany v. Spain) in 1885, i. e. in a time when the Holy See no Ionger possessed any territorial basis, acting exclusively as the supreme organ of the Catholic Church and such in its 50 Köck
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religious position, proves that this situation has not in any way impaired this peace function exercised in the forms of international law. lt can therefore be concluded that the Holy See's actions in the fulfilment of its peace function have, without regard to any temporal power, internationallegal character. While this peace function of the Holy See is exercised in principle in the unorganized international community and thus under the same conditions as its diplomatic and treaty relations, it shows the Holy See on the other hand as a forerunner of institutionalized international peace activity, in a function today primarily exercised by the organized community of states. The activities of the Holy See in favor of the peaceful settlement of international disputes thus Iead directly to the Third Part of the present work. (Sixth Chapter.) 9. The Third Part of the present work deals with the relations of the Holy See to international organizations (intergovernmental organizations). It aims, similar insofar to the previous parts, at demonstrating the Holy See to be, in the framework of international organizations, in a position analogaus to that of states, in order to prove that in this context, too, the Holy See has status under internationallaw. The First and Second Parts were based mainly on material already published and on a vast amount of literature. For the Third Part, on the other hand, the description of the Holy See within, or in relation to, international organizations, the author was faced with the situation that the unpublished material exceeded by far that already printed, and with an almost complete Iack of pertinent literature. The overwhelming part, therefore, of what is presented here is based on documents brought to light by the author hirnself during research in the archives of the various organizations and, to a certain extent, in the archives of the Vatican. Since, as far as the author is aware, this is the first attempt to present the relations of the Holy See to international organizations in such a comprehensive manner, future research might make necessary some amendments in details. The author is, however, confident that he has been able to present an overall correct picture of the subject. 10. While participation of the Holy See in international conferences does not, strictly speaking, belong to the Part dealing with international organizations, it is, on the other hand, also different from the bilateral relations of the Holy See, and international conferences do in fact represent a first step in the development towards international institutionalized co-operation. Furthermore, international conferences today very often take place under the auspices of international organizations, so that it seems justified to deal with them in this connection.
Sutrtmacy
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The Yearbook of the Activities of the Holy Seeshows that the latter is represented every year at numerous world and regional conferences, congresses, and meetings. This is due not only to the attempt to demonstrate its own international presence but also to the effort to contribute - as far as possible - to the substance matter of the conference itself, whether this contribution may be, in the actual case, a substantive one or remain more general in character, restricted to throwing into the scales the moral authority of the Church in favor of the conference's purpose as such. Whether and to what extent it is possible for the Holy See to contribute actively to the progress of a conference, depends to a great extent upon the composition of the delegation in question and thus upon the capability of those responsible for recruiting the papal representatives. A review of the list of delegations annually published indicates that the Secretariat of State makes some efforts in this, direction which are generally successful. On the other hand, the Holy See still follows the policy in principle that the delegations of the various states, catholic, non-catholic, and even anti-religous, expect the Holy See not so much to make technical contributions to the subject matter of the conference but to represent there a higher authority "not of this world". For this reason, the leading role within the delegations of the Holy See is still played by priests, a phenomenon equally true for its missions to international organizations. (Seventh Chapter.) 11. Contacts of the Holy See to international organized co-operation date back to the nineteenth century. It was not, however (as might be presumed), the forerunner of the international peace organizations, the Holy Alliance, or rather the European Concert, in which the Holy Seefirst participated; it kept away from them for confessional reasons. First participation was, rather, in a technical institution, the product of the increasing interdependence of the world after the industrial revolution, the International Telegraphie Union, constituted in 1865, and joined by the Holy See for the Papal States in 1866. Membership in what became 1932 the International Telecommunications Union was revived by the Holy See after the establishment of the Vatican City State in 1929. In the same year, the latter became a member to the Universal Postal Union. Copyright problems connected with works edited by the Tipografia Poliglotta Vaticana induced the Holy See to adhere to the Union of Berne for the Protection of Works of Literature and Art in 1935; in 1960 there followed adherence to the Paris Convention for the Protedion of Industrial Property. The Holy See is expected to become a member of WIPO before 1975, which by then will have taken over the activities of the BIRPI, the latter serving as the secretariat of WIPO. The Holy See, until now co-operating within IUOTO, 50*
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will also become a member of the new World Tourism Organization, created in 1969. (Eighth Chapter.) As regards participation of the Holy See in economic, cultural, social, humanitarian, and scientific organizations and institutions, the Holy See is a member of the International Wheat Council, of UNCTAD ,and UNIDO, of the International Committee of Military Medicine and Pharmacy, and of the International Institute for the Unification of Private Law. Observers represent the Holy See in the FAO, UNESCO, ILO, and WHO. Furthermore, the Holy See co-operates with the ICRC. (Ninth Chapter.) 12. From the beginning, the Holy See has taken great interest in all international efforts aiming at the establishment of institutions for the preservation of peace and the settlement of international disputes without war. Although excluded from participation in the Hague Peace Conferences by ltalian objection, the Holy See not only worked in favor of all initiatives to bring about a speedy peace and undertook itself various well-known steps in this direction but came out on several occasions in favor of a future international organization for the preservation of peace, developing and announcing concrete ideas about such an organization's necessary function and structure. Unfortunately, the Holy See was alienated from the League of Nations because it disapproved the terms of peace of which the new World Organization was a part, and in addition suspected the League to be primarily an instrument of international socialism and freemasonry. Nevertheless, the League was supported by various quarters of European catholicism; and the Holy See itself came actively to co-operate with the Organization at several occasions. (Tenth Chapter, I and 11.) During World War II, Pope Pius XII worked and spoke unremittingly not only for peace but also for the reform of the World Organization, in order to make it a more adequate instrument for the preservation of world order. lt must be noted, however, that ecclesiastical circles, including the Vatican, were rather disappointed by the outcome of the San Francisco Conference and the structure of the new United Nations Organization. This resulted in a cooling off in the attitude of the Holy See towards the idea that peace could really be preserved through this instrument. The successors of Pius XII, however, John XXIII, and, in particular, Paul VI, have openly taken a stand of strong support for the UN. This accounts for the fact that, starting with 1964, the Holy See has been represented in New York by a Permanent Observer. (Tenth Chapter, III.) The Holy See has also formed a member of IAEA from the beginning of this organization in 1956. (Tenth Chapte·r, IV.)
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13. As regards regional organizations, the Holy See demonstrates its interest in, and approval of, all efforts for a united Europe by the fact that it is permanently represented at the Council of Europe and the European Communities, and co-operates actively in the former's Council of Cultural Co-operation. (Eleventh Chapter.) 14. While, for the participation of the Holy See in the work of international organizations, it is certainly true that - as was stated by the papal Under Secretary of State, Msgr. Benelli - "the Church does not intend in any way to identify herself with this or that international organization engaged in regulating the social relations of men and peoples", one certainly must agree, on the other hand, with what was noted by an expert observer: "Nous constaterons que ... les resultats concrets sont appreciables" in the co-operation between the Holy See and international institutions. (Twelfth Chapter.) 15. Summarizing the results gained during the presentation of the international status of the Holy See in Part I, II, and III, the author submits the following conclusions:
1. The Holy See has international legal personality iure proprio. The Holy See cannot even - while differing in many respects from a state - be regarded as a limited or atypical subject of international law; for, as was stated by the ICJ in the Reparation for Injuries Case (ICJ-Reports [1949], p. 178): "The subjects of law of any legal system are not necessarily identical in their nature or the extent of their rights ... " 2. The international legal personality of the Holy See does not depend upon the possession of any territorial basis. 3. The Holy See has, however, presently a double function within the international community: the pope is, at the same time, a spiritual and a temporal sovereign, head of the Catholic Church and of the Vatican City State respectively. 4. The Holy See fulfils the specific function of an international institution for the preservation of peace.
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