Die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen aus dem In- und Ausland im deutschen Strafprozess [1 ed.] 9783428536399, 9783428136391

Ein Thema im Spannungsfeld zwischen effektiver Strafverfolgung und Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien.Nachrichtendiens

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Die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen aus dem In- und Ausland im deutschen Strafprozess [1 ed.]
 9783428536399, 9783428136391

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 232

Die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen aus dem Inund Ausland im deutschen Strafprozess Von

Mareike Rehbein

Duncker & Humblot  ·  Berlin

MAREIKE REHBEIN

Die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen aus dem In- und Ausland im deutschen Strafprozess

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 232

Die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen aus dem In- und Ausland im deutschen Strafprozess

Von

Mareike Rehbein

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Volker Erb, Mainz Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-13639-1 (Print) ISBN 978-3-428-53639-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83639-0 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2010/2011 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes GutenbergUniversität Mainz als Dissertation angenommen und im Sommersemester 2011 mit dem Dissertationspreis der Peregrinus-Stiftung ausgezeichnet. Besonderen Dank schulde ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Volker Erb, an dessen Lehrstuhl in Mainz ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war. Er hat mich nicht nur für das Projekt Dissertation begeistert, sondern gab mir auch stets die notwendigen Freiräume dieses erfolgreich voranzubringen. Ebenfalls danken möchte ich Herrn Professor Dr. Jan Zopfs für die trotz hohen Arbeitsaufkommens rasche Anfertigung des Zweitgutachtens. Weiterhin gilt mein Dank dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort GmbH für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Des Weiteren danke ich meinen damaligen Kollegen, insbesondere Frau Rechtsreferendarin Alexandra Zorn, Prof. Dr. Frank Schuster sowie Frau Richterin Bettina Grengel, deren Türen stets für mich offen standen. Schließlich danke ich noch besonders herzlich meinen Eltern Regina und Hans Rehbein, die immer für mich da sind und mich stets in jeder Hinsicht unterstützt haben, meinem Freund Dipl.-Ing. Christian Nessel, der mir wie stets eine besondere Hilfe war, sowie Herrn Richter Raphael Walz und all meinen weiteren Freunden. Mainz, im Herbst 2011

Mareike Rehbein

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 1 Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste . . . I. Nachrichtendienste oder Geheimdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesbehörden. . . . . . . . . . 1. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) § 3 Abs. 2 BVerfSchG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Datenerhebungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Offene Erhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachrichtendienstliche Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die einzelnen nachrichtendienstlichen Mittel . . . . . . . . . . . . bb) Die Überwachung des Funkverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Zulässigkeit des „Nachrichtenkaufs“ und Anwendung von StPO-Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auskunftsrechte nach § 8 a BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besondere Befugnisse nach § 9 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lauschangriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) IMSI-Catcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Exkurs: Online-Durchsuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Registerauskunftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) G10-Gesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bundesnachrichtendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Datenerhebungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) BNDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) G10. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Militärischer Abschirmdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 24 24 27 29 30 33 34 34 35 35 36 38 39 42 43 45 47 47 49 49 50 52 54 54 57 57 58 61 61

10

Inhaltsverzeichnis 2. Datenerhebungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) MADG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) G10-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Besondere Datenerhebungsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtlicher Schutz von Vertrauensbeziehungen . . . . . aa) Verwandtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Seelsorger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verteidiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Journalist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abgeordneter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Parteien und sonstige Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Versammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Versammlungen unter freiem Himmel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versammlungen in geschlossenen Räumen . . . . . . . . . . . . . . . e) Extraterritoriale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Erkenntnisse aus Kooperationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mit anderen deutschen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mit ausländischen Partnerdiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeiner Informationsaustausch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Institutionelle Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62 62 63 63 63 64 65 66 67 67 69 70 71 72 73 76 78 81 82 82 82 84 86

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorfeldermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen die Unschuldsvermutung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheit der Dienste? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zoll- und Bundeskriminalamt als weitere Nachrichtendienste? . . . . II. Nachrichtendienstliche Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organisatorisches Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befugnisrechtliches Trennungsgebot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Polizeiliche Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reichweite der zulässigen Amtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Informationelles Trennungsgebot?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tätigkeitsfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aufklärungsrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Opportunitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Handlungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 87 87 89 91 92 93 94 94 95 96 96 97 98 100 104 105 106 107

Inhaltsverzeichnis

11

VIII. Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 IX. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Datenübermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übermittlung als Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten von Übermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spontanübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 19 BVerfSchG (analog), § 9 Abs. 1 S. 1 BNDG . . . . . . . bb) § 4 Abs. 4 G10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §§ 7 Abs. 4, 8 Abs. 6 G10. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) § 9 Abs. 2 S. 7 BVerfSchG i. V. m. § 4 Abs. 4 G10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) § 15 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übermittlungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §§ 20, 21 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 161 Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) § 138 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen der Übermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übermittlungsverbote aus § 23 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesperrte Daten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wegen Rechtswidrigkeit der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wegen Unsicherheit der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Datenverarbeitung bei den Nachrichtendiensten . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aus § 7 Abs. 3 G10 a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einführung der Erkenntnisse in das Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .

112 112 112 114 114 114 117 117 117 118 118 118 119 120 121 121 123 124 129 130 132 133 134 135

D. Ergebnis des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Teil 2 Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste A. Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweisverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlage für Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertung als Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwendungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ratio der Verwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 139 139 140 142 142 144 145 149

12

Inhaltsverzeichnis a) Disziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wahrheitsfindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Spezialprävention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Legitimation zum Strafen oder Generalprävention . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatik der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote. . . . . . . . . . 1. Ermittlung des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots . . . . . . . a) Revisionsrechtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzzwecklehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Informationsrechtlicher Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fehlerfolgenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abwägung als praktizierte Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwägung als geeignete Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kriterien gegen eine Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beweiswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzzweck der Norm und Gewicht des Verfahrensverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewusster Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kriterien für eine Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einzigartigkeit des Beweismittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schwere der Tat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlende Kausalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Hypothetische Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatik der selbstständigen Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . 1. Ermittlung des Vorliegens eines Beweisverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwägungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fernwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 150 151 152 152 155 155 156 156 157 157 158 159 160 163 164 164 164

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen . . . . . . I. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt: Datenerhebung oder -übermittlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überprüfungsmaßstab für die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überprüfbarkeit oder Beurteilungsspielraum?. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reduktion des Prüfungsumfangs wegen nachrichtendienstlicher Besonderheiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182 183

II.

III.

IV.

165 165 166 166 166 168 168 171 171 171 172 173 178 179 179

183 185 185 188

Inhaltsverzeichnis

II.

aa) Unbestimmter Rechtsbegriff im Nachrichtendienstrecht. . . bb) Geheimhaltungspflichtige Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Doppelte Kontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gremienentscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehler bei der originären Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen einer (vermeintlich) verfassungswidrigen Rechtsgrundlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formelle Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verstoß gegen präventive Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Mitteilung nach Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG . . . (3) Verstoß gegen die Hinweispflicht aus § 8 Abs. 4 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Materielle Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen G10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Voraussetzungen BNDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Voraussetzungen MADG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Besondere Grundrechtseingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fehler bei der Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Übermittlungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Materielle Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine materielle Übermittlungsvoraussetzungen . . . . bb) Verwendungsregel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausdrückliche Verwendungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Indirektes Verwendungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Übermittlungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderfall strafbares Handeln der Ermittler? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf die Verwertbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Parallele: Auswirkungen der Strafbarkeit von Privatpersonen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen der Strafbarkeit von Amtsträgern . . . . . . . . . b) Exkurs: Die Liechtenstein-Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit der einzelnen Handlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strafbarkeit der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgen für die Verwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstständige Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 189 190 190 191 191 192 192 193 194 194 195 195 196 197 201 201 201 202 203 203 203 204 204 204 205 205 206 206 210 210 211 211 212 215 218 219 221 228 229

14

Inhaltsverzeichnis

III.

1. Verwendungsregel der StPO: § 161 Abs. 2 StPO. . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwertbarkeit von Vorfelderkenntnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine grundsätzliche Unverwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine unbeschränkte Verwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkte Verwertbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein hypothetischer Ersatzeingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der hypothetische Ersatzeingriff am Beispiel der strafprozessualen Zufallsfunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übertragbarkeit auf Vorfelderkenntnisse? . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Befugnisse der Empfangsbehörde als Übermittlungsschranke? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschränkung durch die Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . (1) Verhältnismäßigkeitsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nachrichtendienstliche Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Selektivität der Erhebung beziehungsweise Weitergabe . . . . . . . . . . . a) Änderung der Beweisrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Pflicht zur Ermittlung entlastender Beweismomente aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) G10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlende Pflicht zur Übermittlung aller Informationen . . . . . . . . aa) Zulässigkeit einer unvollständigen Datenübermittlung. . . . . bb) Prozessuale Folge der Unvollständigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verstoß gegen Art. 92 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umgehung von strafprozessualen Rechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeugnisverweigerungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Menschenwürdeverstoß wegen fehlender richterlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nemo-tenetur-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbotene Täuschung durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fernwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230 230 234 237 239 240 243 244 245 248 250 250 252 253 255 258 259 259 260 260 261 262 264 264 265 267 272 272 275 275 277 278 278 279 281 281

C. Ergebnis des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Inhaltsverzeichnis

15

Teil 3 Verwertbarkeit von Erkenntnissen von Nachrichtendiensten aus dem Ausland

287

A. Erkenntnisse aus dem Ausland im deutschen Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatsächliche und rechtliche Grundlagen der Rechtshilfe. . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Rechtshilfevoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenseitigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beiderseitige Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschluss der Rechtshilfe bei politischen Delikten . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

287 288 290 291 292 292 293 295

B. Erkenntnisse deutscher Dienste im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eigene Datenerhebung mit Einwilligung des betroffenen Staates. . . . . 1. Zulässigkeit einer Tätigkeit im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsbindung bei Handeln im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechtsgeltung gegenüber Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtsgeltung gegenüber Ausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Personalitätshoheit als ungenügender Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gebietsbezug als maßgebliches Kriterium? . . . . . . . . . . . . . . cc) Auswirkungen auf G10? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen auf die Beweisverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß gegen inländisches Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befugnisse wie im Inland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besondere Auslandskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Relevanz des Vorverhaltens ausländischer Organe?. . . . . . . b) Verstoß gegen ausländisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigene Datenerhebung im Ausland ohne Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . 1. Erforderlichkeit einer Einwilligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß gegen die Territorialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nachrichtendienstliche Tätigkeit als Hoheitsakt . . . . . . . . . . bb) Zurechenbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Verstoß gegen die Personalhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweisverwertungsverbot aus fehlender Einwilligung? . . . . . . . . . . . a) Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Völkerrechtliches Verwertungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beweisverwertungsverbot als Folge der Restitutionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

296 296 296 298 299 301 302 304 307 308 308 309 309 309 309 312 313 313 316 317 320 321 322 323 323 324 326 327

16

Inhaltsverzeichnis bb) Voraussetzungen der Restitutionspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einschränkungen der Restitutionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fernwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

327 328 329 330

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auslandsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die einzelnen Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die einzelnen Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die einzelnen Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die einzelnen Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die einzelnen Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Datenerhebung ohne vorangegangenes Ersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwertbarkeit von Auslandsbeweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatik der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote. . . . . . . a) Keine hypothetische Anwendung des deutschen Rechts . . . . . . . aa) Bedeutungsgehalt des deutschen Rechts als Abwägungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Internationales Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zurechenbarkeit des ausländischen Handelns. . . . . . . . . . . . . dd) Zwingende Einheitlichkeit der Beurteilung. . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländisches Recht als maßgeblicher Anknüpfungspunkt. . . . . aa) Keine zwingende Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Völkerrechtlicher Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Umgehungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Keine Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

330 330 331 332 332 333 334 338 338 338 339 340 340 341 342 343 343 343 344 346 346 346 347 348 349 349 350 351

III.

351 352 353 354 355 356 358 358 359 360

Inhaltsverzeichnis

III.

IV.

3. Dogmatik der selbstständigen Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . a) Bewertungsmaßstab: ordre public. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt des deutschen ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstoß gegen ausländische Vorschrift mit Entsprechung in der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstoß gegen ausländische Vorschrift ohne Entsprechung in der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstoß gegen ausländisches Recht durch Erhebung . . . . . . . . . . aa) Verstöße gegen formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstoß gegen das materielle Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verstoß gegen ausländisches Recht durch Weiterleitung. . . . . . . 5. Selbstständige Beweisverwertungsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vom deutschen Recht abweichende Maßstäbe. . . . . . . . . . . . . . . . aa) Folter und unmenschliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Drittwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sonstige unmenschliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlende oder ungenügende Rechtsgrundlagen. . . . . . . . . . . dd) Fehlende Erhebungsbeschränkungen, insbesondere tatsächliche Anhaltspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Fehlen von Belehrungspflichten über Freiwilligkeit oder Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zwangsbefugnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Zwangsweise Mitwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Covert actions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Abweichung von strafprozessualen Standards . . . . . . . . . . . . jj) Fehlende Kontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . kk) Allgemeiner Rechtsstaatsvorbehalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenerhebung aufgrund von Ersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehler im Rahmen des Ersuchens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehler bei der Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehler bei der Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstständige Beweisverwertungsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtslage bei gemeinschaftlicher Datenerhebung? . . . . . . . . . . . . . . Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 360 361 362 364 364 364 364 365 366 366 366 367 367 368 369 371 371 372 374 376 377 378 378 379 380 384 385 385 386 388 388 389 389 390 391 392 392 393

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Inhaltsverzeichnis

D. Nachweis des Verfahrensverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voller Nachweis oder Zweifel?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmöglichkeit des vollen Nachweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In dubio pro reo als Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausreichen von Zweifeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geltung einer Vermutung der Justizförmigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertungsverbot bei Vorliegen von Zweifeln . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Erforderlichkeit einer Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Streng- oder Freibeweisverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kriterien für die Erweckung von Zweifeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gründe aus der Sphäre der Justiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interesse des ausländischen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung von Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Indizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

394 395 395 397 398 398 399 403 403 404 404 405 406 406 406 407

E. Ergebnis des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454

Einleitung Es „gibt wohl kaum ein Rechtsgebiet, das in der Rechtsprechung so wenig behandelt und in der Literatur auffällig vernachlässigt worden ist, wie das des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes“.1 Dieser Satz von 1974 hat seither wenig von seiner Richtigkeit eingebüßt. Speziell das Thema der Beweisverwertung von Informationen der Nachrichtendienste wurde bislang kaum behandelt.2 Sofern Nachrichtendienste in der rechtswissenschaftlichen Betrachtung vorkommen, werden beinahe ausschließlich Probleme des Datenschutzes und Kompetenzfragen thematisiert.3 Daher sind auch die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der Informationsgewinnung durch Nachrichtendienste seit der Neufassung des BVerfSchG von 19904 und der erstmaligen Schaffung von Rechtsgrundlagen für die beiden anderen Dienste5 nicht mehr zusammenhängend erörtert worden.6 Dass die Debatte um die Reichweite der Befugnisse der Nachrichtendienste damit jedoch keinesfalls abgeschlossen ist, hat jüngst die Diskussion um die Online-Durchsuchung wieder belegt.7 1

Schwagerl, DÖV 1974, 109; siehe auch Weßlau, FG Hilger, 57 (59). So auch Weßlau, FG Hilger, 57 (59); außer zwei sehr umstrittenen Entscheidungen des OVG Berlin von 1978 im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen bei Einstellungen in den öffentlichen Dienst; vergleiche OVG Berlin, NJW 1978, 1644; NJW 1978, 1648, neuerdings steigt das Interesse durch die sogenannte „Liechtensteinaffäre“ wieder etwas, siehe dazu S. 211 ff. 3 Paeffgen, StV 1999, 668; Staff, KJ 1999, 586; zur Informationsübermittlung und Amtshilfe immerhin Simitis, NJW 1986, 2795; Riegel, NJW 1979, 952; Lisken, NJW 1982, 1488; Bull, JZ 1984, 740; Kalkbrenner, FS Samper, 69; Denninger, ZRP 1981, 231. 4 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, S. 2954 (2970)). 5 Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, S. 2954 (2979)); Gesetz über den militärischen Abschirmdienst (MADG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, S. 2954 (2977)). 6 Rühmliche Ausnahme ist dabei das Werk von Droste zum Verfassungsschutz; zur alten Fassung siehe die Werke von Borgs/Ebert, Roewer Nachrichtendienstrecht, Evers, Privatsphäre, Salzwedel, GS Peters, Schatzschneider, Schwagerl Verfassungsschutz. 7 Vgl. nur Huber, NVwZ 2007, 880; Kutscha, NJW 2008, 1042; BVerfG MMR 2008, 315. 2

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Einleitung

Zudem ist der Begriff des Nachrichtendiensts selbst in Abgrenzung zum Begriff des Geheimdienstes klärungsbedürftiger als man aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs meinen mag.8 Diese geringe rechtswissenschaftliche Aufmerksamkeit steht aber im Widerspruch zu der tatsächlichen Bedeutung der Zusammenarbeit von Strafverfolgungsorganen und Nachrichtendiensten. Der Datenaustausch zwischen letzteren und den Strafverfolgungsorganen ist durch technische Neuerungen immer schneller, umfassender und effektiver möglich. Gerade im Bereich des Terrorismus und der Organisierten Kriminalität kommt dieser informationellen Zusammenarbeit hohe Bedeutung zu.9 So ist die konkrete Unterstützung der Polizei- und Justizbehörden inzwischen von so großer Wichtigkeit10, dass sogar behauptet wird, die Strafverfolgungsbehörden seien zu einer „sachgerechten und effektiven Aufgabenerfüllung“ auf die Daten des Bundesamtes für Verfassungsschutz angewiesen.11 Zugleich wird die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz aber auch als „eines der brisantesten rechtlichen Themen unserer Zeit“ bezeichnet.12 Die Beurteilung der Verwertbarkeit von nachrichtendienstlich erlangten Erkenntnissen dient zudem der Bestimmung der operativen13 Nutzbarkeit der nachrichtendienstlichen Informationen und ist angesichts dieser informationellen Kooperation für das Strafverfahren auch künftig von einer besonderen Relevanz.14 8

Siehe S. 24 f. Soiné, NStZ 2007, 247. So gab es bereits Fälle, in denen aufgrund der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, BGHSt 17, 382; BVerfGE 57, 250 ff. Laut Bußmer in: Lange, WB „Stichwort Verdachtsunabhängige Ermittlungen/Initiativermittlungen“, S. 344 (347) sollen Verdachtsmeldungen der Geheimdienste meistens zu keinem Strafverfahren führen oder diese keinen bedeutenden Anteil an der Verurteilung des Angeklagten haben, BGHSt 33, 70. 10 Albert in: Korte/Zoller, 88 (106); Taschke, S. 45 f. Grünwald, JZ 1966, 489 (497) hat schon 1966 darauf hingewiesen, dass in erheblichen Umfang auch andere Behörden als Staatsanwaltschaft und Polizei mit der Aufdeckung und Aufklärung von Straftaten befasst seinen und nennt hierbei explizit die Nachrichtendienste. 11 Droste, S. 474. Im Gegensatz dazu sollen laut Huber zwischen März 1996 und August 1998 im Bereich internationaler Terrorismus und internationaler Drogenhandel keine Daten an andere Behörden weitergegeben worden sein, Huber, NVwZ 2000, 393 (395). 12 Ostheimer, S. 86; ähnlich Schwagerl, DÖV 1974, 109. 13 Operativ = die nachrichtendienstliche Operation betreffend, wobei Operation jede zielgerichtete Maßnahme ist, bei der nachrichtendienstliche Mittel angewendet werden, zum Beispiel Observation, Einsatz von Agenten usw., siehe Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Operation bzw. operativ S. 329; operatives Vorgehen umschreibt eine Informationsgewinnung unabhängig von einem konkreten Verdacht oder einer konkreten Gefahrenlage, Lindner, S. 53; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 25 ff., 110. 9

Einleitung

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Das besondere Interesse seitens der Strafverfolgung an der Verwertung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen ergibt sich hauptsächlich daraus, dass den Nachrichtendiensten besondere Datenerhebungsbefugnisse zustehen. Durch den Einsatz der sogenannten nachrichtendienstlichen Mittel haben die Nachrichtendienste nicht nur ein großes Instrumentenspektrum, sondern sind auch bei deren Anwendung besonders flexibel. Weiter verfügen sie über große Erfahrung im Bereich der heimlichen Datenerhebung, was sich insbesondere beim Einsatz sogenannter Under-Cover-Agenten zeigen soll.15 Die quellengestützte Informationsbeschaffung ist darüber hinaus ein großer Vorteil, da die Dienste so Informationen von Straftätern und Opfern erlangen, die diese jenen bereitwilliger überlassen als der Polizei, da sie aufgrund der Nichtgeltung des Legalitätsprinzips für die Nachrichtendienste auf größere Geheimhaltungsmöglichkeiten bezüglich der Person des Informanten vertrauen. Hinweise auf Straftaten ergeben sich in allen Tätigkeitsfeldern des Nachrichtendienstes.16 Erkenntnisse können dabei neben Informationen selbstverständlich auch Materialien sein.17 Für das Strafverfahren sind vor allem personenbezogene Daten relevant.18 Der untechnische Begriff der Erkenntnisse wurde deswegen für die vorliegende Arbeit ausgewählt, weil er sowohl direkte Informationen als auch aus diesen abgeleitete Schlussfolgerungen, also die Auswertungen, umfasst und so eine umfassende Einschätzung der Verwertungsmöglichkeiten der gesamten Informationen ermöglicht. Hinzu kommt, dass sich die zunehmende Vernetzung und Globalisierung der Welt auch auf die Kooperation von Strafverfolgungsorganen und Nachrichtendiensten auswirkt und so auch immer häufiger auf ausländische Erkenntnisse zugegriffen wird. Auch in soweit stellen sich Fragen nach den Besonderheiten der Methoden der ausländischen Dienste und deren Auswirkungen auf die Beweisverwertung. Außerdem ist zu beachten, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Thematik zugleich eine Form der demokratischen Kontrolle der Nachrichtendienste darstellt, die in anderen Staaten, zum Beispiel im angelsächsischen Raum, Frankreich und Israel bereits eine wichtige19, 14

Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 276. Droste, S. 300. 16 Droste, S. 301 (ausdrücklich nur für den Verfassungsschutz). 17 Droste, S. 527. 18 Nach § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). 19 Vgl. Krieger, Die historische Entwicklung der Kontrolle von Geheimdiensten, 15 (25) in: Krieger/Poppe/Smidt/Müller-Ensberg (Hrsg.), Die demokratische Kontrolle von Geheimdiensten: ein internationaler Vergleich. 15

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Einleitung

in Deutschland bislang aber keine oder nur eine geringe Rolle spielt. Manche sprechen sogar bildlich von dem Verdacht, dass „sich normale deutsche Wissenschaftler nicht mit dem Handeln der Geheimdienste besudeln möchten“.20 Spezielle Regelungen für die strafprozessuale Nutzung nachrichtendienstlicher Informationen existieren nur wenige. So wird teilweise ausdrücklich ein Regelungsdefizit gerügt.21 Mit § 161 Abs. 2 n. F. StPO22 hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung einer Verwertungsbefugnis geschaffen, die dem offenen Wortlaut nach auch auf Nachrichtendienste anwendbar ist und dies laut Gesetzesmaterialien auch sein soll. Es wird daher auch zu untersuchen sein, wie sich diese Norm auf die vorliegende Problemstellung auswirkt. Insgesamt ist herauszufinden, ob ein solches Regelungsdefizit tatsächlich besteht und wenn ja, wie dieses zu lösen ist. Im Gegensatz zu dem Nachrichtendienstrecht hat die allgemeine Dogmatik der Beweisverwertungsverbote schon bislang eine große Aufmerksamkeit erfahren. Seit Belings Vortrag von 190323 haben sich nicht nur viele rechtswissenschaftliche Arbeiten mit der Frage der Beweisverwertung beschäftigt, sondern mittlerweile auch zwei Juristentage, der 46. Juristentag von 1966 sowie der 67. Juristentag von 2008. Dennoch müssen einige Streitfragen immer noch als offen gewertet werden; endgültige Lösungen wurden bislang nicht gefunden. Auch die Verwertung von ausländischen Beweismitteln wirft noch zusätzliche Fragen auf. Es ist daher nicht zu erwarten, dass diese Arbeit die Problematik der Beweisverwertung allgemein erschöpfend löst. Eine solide dogmatische Grundlage ist aber notwendig, um darauf Lösungen für bislang unbekannte Problemstellungen, wie die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, aufzubauen. Eine Weiterentwicklung der Dogmatik ist daher unentbehrlich. Dies gilt umso mehr, als bereits diese kurze Einleitung zeigt, dass die Besonderheit der vorliegenden Fragestellung darin liegt, dass Fragen der 20 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Wissenschaft, S. 499; Schünemann, NStZ 2008, 305 spricht bezüglich der Reaktionen auf die Liechtensteiner Steueraffäre von „pionierartigen Beiträgen“; ähnlich Lacoste in: Lacoste, 1 (2) sowie Forcade in: Lacoste, 49 (55) für die französische Wissenschaft, allerdings sei dies seit 1995 angestiegen. 21 Lisken/Denninger, C, Rn. 123. 22 Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21.12.2007, BGBl. 2007, 3198 (3204). 23 Beling, Die Beweisverbote.

Einleitung

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allgemeinen Beweisverbotslehre, der Reichweite und der Grenzen nachrichtendienstlicher Erkenntnismöglichkeiten sowie des Völker- und Europarechts kombiniert auftreten. Ziel der Arbeit ist es daher herauszufinden, inwieweit nachrichtendienstliche Erkenntnisse aus dem In- und Ausland im deutschen Strafverfahren verwertet werden können. Sollte insoweit noch Regelungsbedarf bestehen, soll dieser zugleich durch entsprechende Vorschläge gedeckt werden. Gerade auch im Hinblick auf Entwicklungen auf europäischer Ebene ist es wichtig zu wissen, was das eigene Strafverfahrensrecht und seine Beweisverbotslehre zu leisten vermögen, um die Vorschläge zu einer Europäisierung des Beweismitteltransfers besser einschätzen zu können.24 Die nachfolgende Untersuchung gliedert sich in drei Teile: Im ersten Teil werden die deutschen Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten analysiert. Der zweite Teil dient der Untersuchung der Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen aus dem Inland, während sich der dritte Teil mit Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland beschäftigt.

24 Siehe auch das „Grünbuch zur Verkehrsfähigkeit von Beweisen innerhalb der europäischen Union“, nach dem sämtliche Beweismittel, die nach dem Recht des Mitgliedstaates, in welches die Beweiserhebung stattfand, rechtmäßig erhoben wurden, sind in anderen Mitgliedstaaten zugelassen, Grünbuch 6.3.4.1, S. 64. Kritisch hierzu Gless, ZStW 115 (2003), 131 ff.; Schünemann, ZRP 2003, 185 ff. Zum Grundsatz der Verfügbarkeit von Daten innerhalb der EU allgemein, siehe F. Meyer, NStZ 2008, 188 ff.

Teil 1

Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten Zur Beurteilung der Verwertbarkeit der durch deutsche Nachrichtendienste erlangten Erkenntnisse ist es zunächst unabdingbar, sich mit der Erlangung eben dieser Erkenntnisse zu beschäftigen. Erst so können mögliche Problemfelder erkannt werden und eine umfassende Antwort auf die Frage nach der Verwertbarkeit jener geliefert werden. Daher werden zunächst die deutschen Behörden mit ihren Erkenntnismöglichkeiten, deren Umfang und Grenzen, zu betrachten sein (A.). Hierzu wird auch auf die Erkenntnismöglichkeiten im Wege der Kooperation mit anderen Stellen eingegangen. Danach werden die Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste (B.) beleuchtet, um Unterschiede zu anderen Behörden, insbesondere den Strafverfolgungsorganen, aufzuzeigen. Sodann wird geprüft, ob und wie die erlangten Erkenntnisse Teil des Strafverfahrens werden können (C.).

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste Unter Nachrichtendienst fallen in der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene drei Behörden: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD). Daneben finden sich in den Bundesländern die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV).

I. Nachrichtendienste oder Geheimdienste Während die Begriffe Nachrichtendienst und Geheimdienst umgangssprachlich häufig synonym verwendet werden1 und insbesondere durch Romane und Filme gewisse Assoziationen hervorrufen – sei es nun Ian Flemings James Bond oder andere Geheimagenten – so ist es für die vorliegende Arbeit entscheidend, diese eindeutig zu definieren. 1

So auch Rose-Stahl, S. 17.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 25

Dabei sind die Begriffe Geheimdienst und Nachrichtendienst weder legaldefiniert, noch sind sie im Gesetz häufig zu finden. Das Grundgesetz spricht von „Verfassungsschutz“2, jüngst auch in Art. 45 d GG von der Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes3. Weiter ist der Begriff Nachrichtendienst Namensbestandteils des deutschen Bundesnachrichtendienst und er ist im Titel des Gesetzes „über die parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit“ (PKGrG)4 zu finden, welches sich jedoch in seinen Vorschriften wiederum auf eine Aufzählung der einzelnen Dienste, nämlich Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst, beschränkt.5 Darüber hinaus findet sich der Begriff Nachrichtendienst in keinem der Gesetze, welche die drei6 deutschen Nachrichtendienste regeln.7 Der Begriff Geheimdienst dagegen taucht im BVerfSchG auf, wenn es um die Abwehr fremder Dienste geht.8 Ferner dient er auch der Straftat2

Art. 73 Nr. 10; 87 Abs. 1 GG. Interessant ist, dass das Grundgesetz die einzige Verfassung weltweit ist, die Normen bezüglich eines Nachrichtendienstes enthält. Die britische Regierung hat dagegen erstmals 1989 offiziell ihren Nachrichtendienst Security Service (besser bekannt als MI5, vergleiche dazu S. 338 ff.) anerkannt, Droste, S. 11. 3 Eingeführt durch das Gesetz vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1977). 4 Gesetz vom 11. April 1978 (BGBl. I, S. 453), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26. Juni 2001 (BGBl. I, S. 1254). 5 Im ursprünglichen Entwurf war eine entsprechende Bezeichnung vorgesehen. Diese wurde aber wieder verworfen, da der „Tätigkeitsbereich der drei Behörden nicht vollständig abgedeckt“ werde; Rechtsausschuss BT-Drs. 8/1599, S. 6. Dieses Argument erscheint merkwürdig, da, wie noch gezeigt wird, die Bezeichnung „Nachrichtendienst“ den Tätigkeitsrahmen der deutschen Dienste kennzeichnet, siehe S. 54 ff. 6 Zeitweise wurde diskutiert, ob das Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr, abgekürzt ZnBw, nicht einen vierten Nachrichtendienst darstelle. Es wurde bekannt durch sein Datenverarbeitungssystem „Jasmin“ (Joint Analysis System Military Intelligence) und einige Pannen im Zusammenhang mit der Aufklärung im Untersuchungsausschuss mit dem Fall „Kurnaz“. Daher wurde das Zentrum, dessen Rechtsgrundlage fraglich blieb, zum 31. Dezember 2007 aufgelöst. Eine Diskussion über seine Qualität als vierter Nachrichtendienst erübrigt sich damit. 7 Der Begriff taucht ferner im Wortpaar „nachrichtendienstliches Mittel“ im BVerfSchG i. d. F. vom 07. August 1972 auf, welches jedoch mit der Änderung von 1990 (BGBl. I, S. 2954) wieder aufgehoben wurde. Dieser Norm war heftige Kritik bezüglich ihrer Bestimmtheit und damit der Verfassungsmäßigkeit entgegengebracht worden, vergleiche hierzu Schatzschneider, S. 86 ff., der sich im Ergebnis dennoch für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung ausspricht. Interessant an der Formulierung ist aber, dass es ein nachrichtendienstliches Mittel und kein geheimdienstliches war. 8 § 3 Nr. 2 BVerfSchG. Art. 83 Abs. 3 S. 1 der Verfassung von Sachsen spricht dagegen in Bezug auf ihre eigene Landesverfassungsschutzbehörde von Geheimdienst.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

beschreibung in § 99 StGB, Geheimdienstliche Agententätigkeit. Unter Geheimdienst in diesem Sinne „ist eine ständige Einrichtung im staatlichen Bereich zu verstehen, deren Aufgabe es ist, Nachrichten beliebiger Art in fremden Machtbereichen unter Geheimhaltung vor den fremden Behörden und unter Anwendung konspirativer Methoden zu sammeln“.9 Diese Definition verlangt als konstitutives Merkmal das Tätigwerden im Bereich einer fremden Macht, also im Ausland.10 Im Nachrichtendienstrecht wird zumeist eine andere Definition der Geheimdienste verwendet.11 Dies erklärt sich schon daraus, dass Ziel der strafrechtlichen Definition keine umfassende Beschreibung des Phänomens Geheimdienst ist, sondern lediglich eine Straftatumschreibung. Geheimdienste12 im nachrichtendienstrechtlichen Sinne werden allgemein definiert als „staatliche Organisationen, die – regelmäßig organisatorisch eng an die politische Führung eines Landes gebunden – politisch bedeutsame Nachrichten beschaffen, auswerten und weitergeben sowie zur Störung oder Beeinflussung politischer Gegner im In- und Ausland Maßnahmen vornehmen, wobei sie grundsätzlich ein Höchstmaß der Geheimhaltung ihrer Aktivitäten beachten, da sonst ihr Zweck, die Beobachtung und Beeinflussung politischer Gegner von vorn herein in Frage gestellt wäre.“13 Der Begriff Nachrichtendienst (im engeren Sinne) umfasst dagegen eine solche staatliche Organisation, die – regelmäßig organisatorisch eng an die politische Führung eines Landes gebunden – sich auf das Beschaffen, Auswerten und die Weitergabe von Informationen beschränkt.14 Daher wird der Begriff Nachrichtendienst auch als Oberbegriff für alle Dienste verwendet. Der Unterschied liegt also in der Durchführung von sogenannten „aktiven Maßnahmen“, welche ihrerseits ein weites Tätigkeitsspektrum beinhalten können und neben Sabotage15 und Beeinflussung16 begrifflich auch Gewalt 9 SK/Rudolphi, StPO, § 99 Rn. 3; NK/Paeffgen § 99 Rn. 13; Fischer § 99 Rn. 6; LK/Schmidt § 99 Rn. 5; Lackner/Kühl § 99 Rn. 2; Schönke/Schröder/SternbergLieben § 99 Rn. 5. 10 Roewer § 3 Rn. 62; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben § 93 Rn. 16; Lackner/Kühl § 93 Rn. 3. Zu der Diskussion vor 1990 bezüglich der DDR, vergleiche zum Beispiel Roewer § 3 Rn. 56. 11 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Geheimdienst, S. 160; Rose-Stahl, S. 18. 12 Auch Nachrichtendienst im weiteren Sinne genannt. 13 Roewer § 3 Rn. 4; Soiné, DÖV 2006, 204 (209 f. Fn. 60); Gröpl, S. 36 ff.; Droste, S. 27 Fn. 79; Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Nachrichtendienst, S. 310; Müller-Terpitz, Jura 2000, 296. 14 Idem. 15 Sabotage „ist die Beschädigung oder Zerstörung von Sachen mit dem Ziel die Funktionsfähigkeit des Staates, zum Beispiel seine Verteidigungsfähigkeit, zu beeinträchtigen.“, Roewer § 3 Rn. 49.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 27

gegen Menschen, politischen Mord, Entführungen und Freiheitsberaubung umfassen.17 Das bedeutet aber nicht, dass alle Dienste, die als Geheimdienste zu qualifizieren sind, weil ihnen solche aktiven Maßnahmen zugestanden werden, auch zum Beispiel Ermordungen durchführen. In den USA, deren Geheimdienste bekannt für ihre aktiven Maßnahmen, die sogenannten „covert actions“ sind, sind beispielsweise Ermordungen ausdrücklich verboten.18 Im Folgenden soll diese Unterscheidung zwischen Nachrichtendienst und Geheimdienst beibehalten werden und von Geheimdienst nur dann gesprochen werden, wenn dieser legal irgendwelche aktiven Maßnahmen vornehmen darf. Als Vorgriff soll bereits gesagt sein, dass es sich bei den deutschen Diensten um Nachrichtendienste handelt.

II. Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesbehörden Das Bundesamt für Verfassungsschutz, auch kurz Verfassungsschutz genannt, ist wegen seiner Medienpräsenz neben dem BND der wohl bekannteste deutsche Nachrichtendienst. In die Öffentlichkeit tritt es insbesondere wegen des von ihm verfassten jährlichen Bundesverfassungsschutzberichts und seiner Mitwirkung in den meist spektakulären Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.19 Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist Bundesoberbehörde und zugleich Zentralstelle.20 Seine Rechtsgrundlage bildet das 1950 geschaffene „Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angele16 Unter Beeinflussung „sind diejenigen Maßnahmen zu verstehen, die dem Zweck dienen, heimlich in die Willensbildung von Organen eines andern Landes einzugreifen und die öffentliche Meinung zu lenken“, Roewer § 3 Rn. 51. „Diese erfolgt typischerweise durch Desinformation. Dabei werden zumeist falsche Informationen durch den Auslandsdienst in ein anderes Land verbracht, um dort entweder die dortige Regierung falsche Schlüsse ziehen zu lassen oder um mit Hilfe der öffentlichen Meinung einen Handlungszwang zu kreieren. Desinformation war eine typische Erscheinungsweise des Kalten Krieges“; Walde S. 48. 17 In Amerika spricht man insoweit auch von „covert action“, „special activities“ oder „executive action“ für Extremfälle; in Großbritannien lieber abgemildert (Richelson spricht sogar von einem Euphemismus) von „secret political action“ und in Russland von „nassen Sachen“, insbesondere für Mord; vergleiche nur Richelson, Century of Spies, S. 244. 18 Zuletzt durch die executive order 12333; siehe hierzu Teil 3, S. 334 ff. 19 Siehe BVerfGE 2, 1 (13) (SRP); 5, 85 (140) (KPD). Zum gescheiterten Versuch eines Verbots der NPD siehe BVerfGE 107, 339 ff. 20 Zur Vereinbarkeit dieser beiden Eigenschaften in einer Behörde siehe ausführlich Gröpl, S. 133 ff.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

genheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BVerfSchG).21 Der Verfassungsschutz auf Landesebene wird in den einzelnen Bundesländern entweder durch Landesoberbehörden22 oder separate Abteilungen der Landesinnenministerien23 wahrgenommen.24 Diese sind auch grundsätzlich zur Datenerhebung zuständig. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann jedoch im Benehmen mit den Landesbehörden zur Aufgabenerfüllung nach § 3 BVerfSchG Daten erheben, wenn sich die Bestrebungen ganz oder teilweise gegen den Bund richten, über den Bereich eines Landes hinausgehen, auswärtige Belange der BRD berühren oder wenn eine Landesbehörde das Bundesamt hierum ersucht. Benehmen bedeutet dabei, dass den Ländern vor Beginn der Tätigkeit Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wird, ohne dass eine Zustimmung erforderlich wäre.25 Die Kompetenzabgrenzung von BfV und den Landesämtern ist in § 5 BVerfSchG detailliert geregelt.26 Zwischen dem BfV und den Landesämtern ist eine enge Zusammenarbeit gefordert.27 Um diese nicht zu beeinträchtigen, dür21

Zur Geschichte des Dienstes und der übrigen vergleiche Gröpl, S. 39 ff. Landesoberbehörden in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Thüringen. 23 So in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. 24 Zu den einzelnen Gesetzen, siehe Droste, S. 12 f. Fn. 19. Laut Evers, Privatsphäre, S. 101 wurden die LfV in Rheinland-Pfalz, Bremen und Hamburg sowie die besonderen Abteilungen in den Innenministerien in NRW und Niedersachsen zunächst ohne gesetzliche Grundlage errichtet und leiteten ihre Befugnisse aus der allgemeinen polizeirechtlichen Generalklausel ab. 25 Droste, S. 71 f. Ausführlich zur Verfassungsmäßigkeit einer Datenerhebungskompetenz für eine Zentralstelle, Gusy, DVBl. 1993, 1177 (1122 ff.), der die Regelung als vorbildlich einstuft. 26 Konkretisiert wird die Zusammenarbeit durch die Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Landesbehörden für Verfassungsschutz (Koordinierungsrichtlinie – KR) von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren, beschlossen vom 24. Juli 2003, nicht veröffentlicht. Siehe auch Richtlinien für die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden, des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der Polizei und der Strafverfolgungsorgane in Staatsschutzangelegenheiten (= Zusammenarbeitsrichtlinien) vom 18. September 1970 in der Fassung vom 23. Juli 1973, abgedruckt bei Droste, S. 665 ff. (Anhang 4). Obwohl diese teilweise wegen der Gesetzesänderungen überholt sind, scheinen sie immer noch in Kraft zu sein, da von Droste, S. 544 erwähnt. Dies hat in der Praxis vor allem im Bereich der Spionageabwehr Bedeutung, vergleiche a. a. O. 27 Zusammenarbeit ist dabei umfassender als Amtshilfe und erfasst auch die gegenseitige Information, Abstimmung und Unterstützung sowie die Unterhaltung gemeinsamer Informationssysteme. Das bekannteste von ihnen ist NADIS (Nachrichtendienstliches Informationssystem). Hierbei handelt es sich um ein Schlagwort22

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 29

fen die Länder die Befugnisse ihrer Landesverfassungsschutzbehörden gegenüber dem BfV nicht verengen, jedoch erweitern.28 Betrachtet wird im Folgenden allein das Bundesamt für Verfassungsschutz, wobei die Ausführungen aufgrund der parallelen Regelungen regelmäßig auf die Landesämter übertragbar sein werden. 1. Aufgaben Gemäß § 1 Abs. 1 BVerfSchG dient der Verfassungsschutz dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung29, des Bestandes30 und der Sicherheit der Länder. Er wird auch gerne als „Frühwarnsystem“ des Staates vor Gefahren bezeichnet und ist Teil des Konzeptes der abwehrbereiten Demokratie.31 Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes (und der Länder) ist nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, register zum Auffinden von Vorgängen, nicht um eine Sachdatei, Schwagerl, S. 145, 201; allgemein Droste, S. 74 ff. Zur Zusammenarbeit v. Mangoldt/Klein/Starck/ Heintzen Art. 73 Rn. 89; v. Münch/Kunig/Kunig Art. 73 Rn. 37; Dreier/Stettner Art. 73 Rn. 42. 28 Droste, S. 52 ff., zum Beispiel die Aufklärung der organisierten Kriminalität in Bayern, Thüringen und Hessen, fortwirkende Strukturen der Aufklärungs- und Abwehrdienste in der ehemaligen DDR in Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 29 Welche mit dem Begriff „Verfassungsmäßige Ordnung“ gleichzusetzen ist, siehe Droste, S. 413 Fn. 1354. 30 Die Einführung des Wortes Bestand in Art. 73 Nr. 10 GG (Gesetz vom 07. August 1972, BGBl. I, 1382) hat zu einigen Kontroversen geführt, da dadurch die herkömmliche Abgrenzung von Staatsschutz und Verfassungsschutz unmöglich wurde, vergleiche hierzu Brenner, S. 19 f.; Gröpl, S. 303 ff.; Schafranek, S. 15 (Fn. 48); BK/Werthebach/Droste, Art. 73 Rn. 160. Verfassungsschutz umfasst in der vorliegenden Verwendung alle von Art. 73 Nr. 10 GG umfassten Bereiche. 31 Zum Frühwarnsystem siehe zum Beispiel Droste, S. 200; Albert in: Korte/Zoller, 88 (105); zum Konzept der abwehrbereiten Demokratie: BK/Werthebach/Droste, Art. 73 Rn. 153, wonach diese Vorverlagerung des Verfassungsschutzes neben der Wertgebundenheit und der Abwehrbereitschaft eines der drei Merkmale der sogenannte wehrhaften oder streitbaren Demokratie ist.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. Da den Aufgaben der Nachrichtendienste im weiteren Verlauf der Arbeit eine bedeutende Rolle zukommt, sollen jene an dieser Stelle kurz genauer betrachtet werden. Dabei geht es mehr darum, einen Überblick über die gesamten Aufgaben zu geben, als einzelne Fallgruppen darzustellen. Ziel dieser Gesamtschau ist es, die Bedeutung der Aufgabe des Verfassungsschutzes herauszustellen. Nach der Aufgabenbeschreibung geht es um das Sammeln und Auswerten von Informationen. Sammeln ist dabei das bewusste Festhalten32 und Auswerten sowie das zielgerichtete und geordnete Bearbeiten von Informationen, wobei gleichzeitig eine Verifizierung, also eine Überprüfung auf die Richtigkeit der Daten, erfolgt.33 Beobachtungsobjekt sind regelmäßig Bestrebungen. Bestrebungen sind nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 a BVerfSchG solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen. „Politisch“ meint dabei alle für die Gesellschaft erheblichen Verhaltensweisen.34 a) § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG Bestrebungen sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG dann Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, wenn sie sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder die Beeinträchtigung der Amtsführung von Verfassungsorganen des Bundes oder des Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben. 32

Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 11. Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Auswerten, S. 40; Roewer, S. 56 ff., 66; Droste, S. 474. 34 Droste, S. 165 f. 33

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 31

Obwohl der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung an verschiedenen Stellen im GG und außerhalb verwendet wird35, fehlt es an einer einheitlichen Legaldefinition. § 4 Abs. 2 BVerfSchG enthält daher eine solche für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes.36 Kurzgefasst umschreibt der Begriff diejenigen Werte, die das Grundgesetz innerhalb der staatlichen Gesamtordnung – also der „verfassungsmäßigen Ordnung“ – als fundamental ansieht.37 Der Begriff Bestand umfasst die territoriale Integrität und staatliche Unabhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland.38 Der Begriff der Sicherheit meint, in Abgrenzung zu dem polizeilichen Sicherheitsbegriff, nur Sicherheitsbelange von besonderem Gewicht39, mithin nur die Sicherheit des Staatsganzen.40 Dies ergibt auch die systematische Auslegung, da den in Art. 73 Nr. 10 GG aufgezählten Belangen ein vergleichbares Gewicht zukommen muss und nur ein so verstandener Sicherheitsbegriff dem Schutz der demokratischen Grundordnung gleichsteht.41 Der Begriff der Sicherheit 35 Beziehungsweise das Synonym verfassungsmäßige Ordnung; vergleiche nur Art. 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG, § 54 Nr. 7 AufenthG, § 86 Nr. 2 StGB. 36 Dies stimmt mit den durch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 2, 1 (13); 5, 85 (140) entwickelten Prinzipien überein, mit der Besonderheit, dass dort die Rolle der Partei noch deutlicher hervortritt, da jeweils Parteien Anlass zu den jeweiligen Entscheidungen gaben; BVerfGE 2, 1 (13); 5, 85 (140). Diese sind das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen; die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht; das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition; die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung; die Unabhängigkeit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. 37 BVerfGE 2, 1 (12). 38 Schmidt/Bleibtreu/Sannwald Art. 73 Rn. 129; v. Mangoldt/Klein/Starck/Heintzen Art. 73 Nr. 10 Rn. 95; Sachs/Degenhardt Art. 73 Rn. 43; Roewer § 3 Rn. 3; nicht hierzu soll dagegen der Verfassungsbestand zählen, da dieser bereits unter die freiheitlich demokratische Grundordnung fällt, so auch Brenner, S. 23. Dies gilt insbesondere wegen Art. 79 Abs. 3 GG. A. A. Roewer § 3 Rn. 30; Roewer/Schäfer/ Uhl, Lexikon, Stichwort Bestand des Bundes, S. 60; Droste, S. 191, wonach von Bestand auch die föderative Ordnung, sowie der inhaltliche Grundbestand der Bundesrepublik Deutschland umfasst sein soll. 39 Jarass/Pieroth/Pieroth Art. 73 Rn. 33; Sachs/Degenhardt Art. 73 Rn. 43. 40 Roewer § 3 Rn. 31; genaue Ausführungen bei Brenner, S. 24 ff.; Dreier/Stettner GG, Art. 73 Rn. 44; Herzog in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1 (8). 41 Droste, S. 192. Nicht zu folgen ist dagegen der Auffassung, dass Bestrebungen in diesem Sinne erst dann vorliegen, wenn zugleich ein Verstoß gegen die freiheit-

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

umfasst folglich die innere und äußere Sicherheit des Bundes und der Länder und deren Institutionen, das friedliche und freie Zusammenleben der Bürger sowie die Sicherheit lebenswichtiger Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen.42 Entscheidend dafür, ob ein Angriff sicherheitsgefährdend ist, ist der jeweilige Erfolgsunwert; so kann auch der Angriff auf ein privates Unternehmen, welches – in einer Marktwirtschaft typisch – lebens- und verteidigungswichtige Funktionen erfüllt wie das Energie-, Nachrichten- und Verkehrswesen beziehungsweise die Rüstungsindustrie, sicherheitsgefährdend sein.43 Eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung liegt dann vor, wenn die Einflussnahme rechtlich missbilligt ist und kein zulässiges Instrument der demokratischen Meinungsbildung darstellt. Dies ist jedenfalls in den Fällen der §§ 105, 106 StGB gegeben.44 Schutzzweck ist jeweils die Funktionsfähigkeit und -freiheit der Verfassungsorgane.45 Schlagwortartig beschrieben bezieht sich § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG auf den politischen Extremismus.46 Extremistisch ist dabei gleichbedeutend mit verfassungsfeindlich, jedoch zu unterscheiden von der Bezeichnung radikal, welche den äußersten Randbereich bezeichnet, der sich gerade noch innerhalb des demokratischen Spektrums befindet.47 § 3 Abs. 1 Nr. 1 lich-demokratische Grundordnung vorliegt, so aber Herzog in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1 (7); Brenner, S. 29. Folgte man dieser Auffassung, fehlte es an einer eigenständigen Bedeutung der Begriffe, wogegen die Tatsache ihrer Neueinfügung spricht. Diesen sollte eine Auffangfunktion zukommen; siehe v. Mangoldt/ Klein/Starck/Heintzen Art. 73 Rn. 95. 42 Schmidt-Bleibtreu/Sannwald Art. 73 Rn. 130; v. Münch/Kunig/Kunig Art. 73 Rn. 40; Ostheimer, S. 11. 43 Droste, S. 194; Roewer § 3 Rn. 101 ff. 44 § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 BVerfSchG. Diese Alternative hat Droste, S. 125 zufolge bislang praktisch keine besondere Bedeutung erlangt. 45 Droste, S. 124 f. 46 Roewer § 3 Rn. 36 weist aber zu Recht mahnend daraufhin, dass ausschlaggebend für die Beobachtung die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen sein müssen und dies nur als Einordnungshilfe dienen könne. Auch verschieben sich die Aufklärungsschwerpunkte des Verfassungsschutzes mit der Zeit. Während in den 70er Jahren eine Abteilung geschaffen wurde, die sich speziell mit Linksextremismus beschäftigte, gibt es seit 2003 eine eigene Abteilung zur Bekämpfung des Islamismus, insbesondere in seiner terroristischen Ausprägung, Fromm, Aufgaben und Organisation des Verfassungsschutzes in: Sicherheitsdienste des Bundes, 41 (44). 47 Wertebach/Droste, BK Art. 73 Rn. 174. Der Begriff des politischen Extremismus wurde durch den Verfassungsschutzbericht von 1974 eingeführt und sollte dazu dienen, den vorher verwendeten Begriff „radikal“ abzulösen, da dieser seinem Wortsinn nach nicht deutlich mache, dass es dabei um etwas außerhalb des demokratischen Spektrums handele, Roewer § 3 Rn. 33.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 33

BVerfSchG dient unter anderem als Rechtsgrundlage für die Beobachtung islamistischer Organisationen im Bundesgebiet, welche bislang unter der Schwelle der Gewaltanwendung agiert haben.48

b) § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG regelt die Spionageaufklärung und -abwehr.49 Dabei erscheint diese Alternative auf den ersten Blick weiter als Nr. 1, da ihr das einschränkende Korrektiv der freiheitlich-demokratischen Grundordnung beziehungsweise Sicherheit oder Bestand von Bund und Ländern fehlt. Jedoch ergibt sich aus der verfassungskonformen Auslegung, dass dies gemäß Art. 73 Nr. 10 b GG erforderlich ist. Jedoch stellen die genannten Tätigkeiten einer fremden Macht auf dem Bundesgebiet ohne entsprechende Absprachen mit den deutschen Behörden stets eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Bundes beziehungsweise des Landes dar, da sie die staatliche Souveränität verletzen.50 Die Beobachtung umfasst auch illegale Waffentransporte sowie die Übermittlung (waffenfähiger) Technologie und militärischen Wissens, da dies regelmäßig unter der Regie fremder Nachrichtendienste stattfindet.51 Prak48 Droste, S. 122. Umstritten ist, ob die Beobachtung der Organisierten Kriminalität (OK) von den Aufgaben des BfV umfasst ist beziehungsweise umfasst sein darf, siehe hierzu Soiné, ZRP 2008, S. 108 ff.; ausführlich Zöller, Informationssysteme, S. 329 ff. Gröpl, S. 355 f. sieht de lege lata unter Berücksichtigung des derzeitigen Ausmaßes der OK in Deutschland die Zuständigkeit des BfV für die OK als solche nicht gegeben. Zur Regelung im BayVerfSchG siehe Teil 1 Fn. 28. 49 Schwagerl, DÖV 1974, 109 (112). Interessant ist auch, dass in der nachrichtendienstlichen Sprache zwar von Spionageabwehr, nicht jedoch von eigener Spionage gesprochen wird, da dieser eine abwertende Bedeutung zugemessen wird, so auch Cécile, S. 8; für den Begriff des Spions auch Wieck, S. 11, der darauf verweist, dass als amtlich die Begriffe Quelle, Informant oder Gesprächspartner benutzt würden; für spektakuläre durch BfV aufgedeckte Fälle, siehe Droste, Anhang 12 und weitere Nachweise auf S. 131. Gegen den Begriff „Abwehr“ wendet sich Roewer § 3 Rn. 63, da dieser verwische, dass den Nachrichtendiensten selbst keine eigenen Abwehrbefugnisse, wie Festnahmen, Durchsuchungen und Ausweisungen zustünden, sondern die „Abwehr“ ausschließlich durch Informationssammlung durchzuführen sei. Zu Schwierigkeiten der Subsumtion der Spionageabwehr unter Art. 73 Nr. 10 GG sowie Ausführungen zu einer Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhang, siehe Gröpl, S. 94 ff. 50 BT-Drs. VI/1179, S. 4; VI/3535, S. 4; Droste, S. 128, 190 f.; Roewer/Höhn, ThürVBl. 1997, 193 (197), siehe hierzu ausführlich Teil 3, S. 313 ff. 51 Droste, S. 137; Roewer § 3 Rn. 67. Der Abwehr von Wirtschaftsspionage kommt dagegen keine große Bedeutung zu, da sie auf den Schutz „geheimschutzbetreuter Unternehmen“ begrenzt ist, Droste, S. 140.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

tisch erfolgt die Spionageabwehr heute hauptsächlich durch Aufspüren undichter Stellen.52 c) § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG Eine Gefährdung der auswärtigen Belange nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG ist dann gegeben, wenn das friedliche Zusammenleben der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Völkern oder deren Beziehungen zu anderen Regierungen beeinträchtigt wird.53 Entscheidend ist nicht die Wahrnehmung der Vorgänge im Ausland, sondern für die Beurteilung ist allein die deutsche Sicht maßgeblich.54 Es genügen dabei wiederum lediglich Auswirkungen im Inland, die Gewalthandlung selbst muss dort nicht stattfinden oder stattgefunden haben.55 Hierzu zählen beispielsweise „Gewalthandlungen bei Staatsbesuchen, gegen ausländische Einrichtungen wie Botschaften, Firmen, Schulen, Kultureinrichtungen, aber auch ausländische Bevölkerungsgruppen, Religionsgemeinschaften oder Gruppierungen einer bestimmten Rasse.“56 Dies wird auch als „Ausländerextremismus“ bezeichnet.57 d) § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG, eingeführt durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz von 200258, soll dazu dienen, die von der Nr. 3 gelassene Lücke hinsichtlich von Bestrebungen, die sich gegen politische Gegner im Ausland richten und denen Gewaltanwendungen oder derartige Vorbereitungshandlungen, die zugleich Auswirkungen auf die hiesige innere Sicherheit haben, nicht oder nur schwer nachgewiesen werden können.59 52 Wegen des (insbesondere auch finanziellen) Aufwandes von Spionage und Gegenspionage insoweit teilweise kritisch Roewer § 3 Rn. 66 mit Verweis auf spektakuläre Spionagefälle in der BRD, wie Dombrowski/Heim, Felfe, Stiller und Tiedge. 53 Droste, S. 121. 54 Roewer § 3 Rn. 74. 55 Droste, S. 121. 56 Roewer § 3 Rn. 74. Zum Streit, ob verbotener Export von Kriegswaffen ebenfalls vom Beobachtungsrahmen von Nr. 3 erfasst ist, siehe Roewer § 3 Rn. 80. 57 Siehe hierzu den Verfassungsschutzbericht 2008, S. 228 ff. 58 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 36, 38 (Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9. Januar 2002 (BGBl. I, S. 361, 3142)). 59 Zur Kritik siehe Droste, S. 122 Fn. 342; Baldus, ZRP 2002, 400 ff.; Denninger, StV 2002, 96 ff.; Paeffgen, StV 2002, 336 ff. Insbesondere sind die Kompetenz des Bundes sowie die Bestimmtheit der Norm bezweifelt worden, siehe hierzu auch König, S. 244 ff.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 35

e) § 3 Abs. 2 BVerfSchG Weiter wirken die Verfassungsschutzbehörden nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG bei Sicherheitsüberprüfungen mit.60 Details hierzu sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SiÜG) geregelt. § 3 Abs. 2 BVerfSchG dient dem Geheimschutz, also Schutz von Informationen, die im staatlichen Interesse der Geheimhaltung unterliegen.61 Umfasst wird der personelle und materielle Geheimschutz.62 Bei letzterem ist wiederum zwischen formell und materiell geheimhaltungsbedürftigem Material zu unterscheiden. Formell geheimhaltungsbedürftig sind alle Erkenntnisse, Tatsachen und Gegenstände, die als Verschlusssache (VS) gekennzeichnet sind.63 Materiell geheimhaltungsbedürftig sind Informationen dagegen dann, wenn sie, würden sie bekannt, dem Wohl des Staates oder der Allgemeinheit schadeten.64 Ohne weiter auf die Aufgaben im Detail einzugehen, wird schon aufgrund dieses Überblicks die Bedeutung der einzelnen Aufgaben des Verfassungsschutzes deutlich. Hierauf wird später noch zurückgekommen werden.65 2. Datenerhebungsbefugnisse Neben den Aufgaben des Verfassungsschutzes ist seinen Datenerhebungsbefugnissen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Diese richten sich nach dem BVerfSchG und dem G10. Zur Erfüllung seiner Aufgaben, also wie gezeigt der Beobachtung extremistischer (einschließlich terroristischer) Bestrebungen, der Spionageabwehr und der Mitwirkung an der Sicherheitsüberprüfung, darf das Bundesamt für Verfassungsschutz nach § 8 Abs. 1 BVerfSchG Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die 60

Einzelheiten hierzu finden sich laut Schütte in: Lange, WB Stichwort „Militärischer Abschirmdienst“, S. 202 (204) im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 in Verbindung mit Teil C der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 2/30 vom 29. April 1994. 61 Droste, S. 142, wobei sie rügt, dass dieser Bereich häufig unzureichend als präventive Sabotageabwehr bezeichnet wird. 62 Schwagerl, DÖV 1974, 109 (112). 63 Droste, S. 142; Walde, S. 36 f.; Roewer § 3 Rn. 96 (mit Beispielen für die einzelnen Stufen): hierzu zählen VS-NfD (Nur für den Dienstgebrauch), VS-V (Vertraulich), VS-Geheim und VS-Streng Geheim sowie die entsprechenden NATO-Geheimhaltungsgrade. Diese Umschreibung der berechtigten Stellen wird auch als „need-to-know-Regel“ bezeichnet, Walde, S. 36 f.; Droste, S. 160. 64 Droste, S. 142. 65 Siehe S. 237 ff.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen entgegenstehen.66 Voraussetzung für die Datenerhebung ist nach § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte hinsichtlich einer Bestrebung. Hierfür bedarf es objektiver Anhaltspunkte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit; weder eine subjektive Komponente ist erforderlich67 noch das Vorliegen einer Gefahr. Diese objektiven Anhaltspunkte werden „weniger durch Fakten des Einzelfalles als vielmehr durch Rasterung, Generalisierungen und Berechnungen anhand früherer Fälle“ gewonnen.68 Eine Informationssammlung „ins Blaue“ hinein ist dem Verfassungsschutz aber nicht erlaubt.69 Von den durch den Verfassungsschutz erhobenen Daten sind solche abzugrenzen, die er durch unaufgefordert eingegangene Meldungen erlangt. Diese Informationen darf er dann nutzen, wenn sie die Aufgaben des Verfassungsschutzes berühren70 oder weitergeben, wenn sie seiner Ansicht nach für andere Behörden relevant sind. Für die nachfolgende Darstellung sind sie indes nicht relevant, da es sich mangels eigener Erhebung nicht um nachrichtendienstliche Erkenntnisse im behandelten Sinne handelt.71 a) Offene Erhebung Hierzu zählen sowohl die Erhebung aus öffentlichen Quellen als auch das offene Vorgehen der Dienste selbst. Rechtsgrundlage ist jeweils § 8 Abs. 2 BVerfSchG. Offen gewonnene Informationen werden häufig dazu eingesetzt, den vorhandenen Informationsbedarf genauer zu analysieren und um bei der Auswahl der einzusetzenden nachrichtendienstlichen Mittel als Entscheidungshilfe zu dienen.72 Dies ist von besonderer Relevanz für den Verfassungs66 Zur Frage eines Eingriffs bei Kenntnisnahme von Daten in der Öffentlichkeit siehe BVerfG NJW 2008, 822 (836); anders BVerfG NJW 2008, 1505 (1506); NVwZ 2007, 688 (690 f.). Einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bejahend, Salzwedel, GS Peters, 756 (766 ff.); Schwan, VerwA 1966, 120 (132); Evers, Privatsphäre, S. 45; Schatzschneider, S. 137. Zur Überlegung zur Verneinung eines Eingriffs bei heimlicher Erhebung vergleiche Lindner, S. 169 f., die letztlich den Eingriff doch bejaht. 67 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 6; Droste, S. 177. 68 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (476). 69 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (475). 70 Droste, S. 229. 71 Dennoch wird hierzu später aus Anlass der Liechtenstein-Affäre nochmals Stellung bezogen, Teil 2, S. 211 ff. 72 M. Albrecht, OSINT-Management in: Verstehen, dass die Welt, 44 (52).

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 37

schutz im Vergleich zu den übrigen Diensten, da die von ihm beobachteten Bestrebungen selten vollständig verdeckt vorgehen werden, sondern lediglich ihre verfassungsfeindlichen Absichten verbergen.73 Laut Statistiken beziehen die Nachrichtendienste rund 80% ihrer Informationen aus solch offenen Quellen.74 Als öffentliche Quellen kommen vor allem die Medien, also Radio- oder Fernsehsendungen, Zeitungen und Zeitschriften in Betracht; darüber hinaus wissenschaftliche Veröffentlichungen, Leserbriefe oder Wahllisten.75 Zudem zählt hierzu die Datenerhebung im Internet, auch sofern diese unter legendiertem Zugang, wie zum Beispiel in Internetforen, durchgeführt wird.76 Offene Befragungen der Betroffenen sind nach § 8 Abs. 4 BVerfSchG (i. V. m. MADG und BNDG) möglich.77 Die Nachrichtendienstmitarbeiter müssen sich dabei also solche zu erkennen geben und die Befragten ausdrücklich darüber belehren, dass ihnen die Mitwirkung frei steht.78 73

Rundel, S. 13. Frisch in: Schreckenberger, 67 (72) gibt nur rund 60% an (wobei er als weitere 20% freiwillige Auskünfte von Privatleuten und Behörden zählt; ebenso Droste, S. 228; Daun in: Jäger/Höse/Oppermann, 141 (146) für 80–90% offen; Albert in: Korte/Zoller, 88 (98) ist kritisch gegenüber solchen Zahlen: er hält 40–50% nd-Mittel für realistisch und führt sogar gestützt auf eigene Erfahrungen an, dass in manchen Bereichen fast alle Informationen heimlich erlangt sind. Ulfkotte, Geheimdienste, S. 288 geht von 85% offenen Quellen, 10% technischer Aufklärung und 5% menschlichen Quellen aus. 75 Vgl. Schatzschneider, S. 151; Richelson, S. 2. 76 Droste, S. 228. Die reine Internetaufklärung soll laut BVerfG NJW 2008, 822 (836) schon gar keinen Grundrechtseingriff darstellen. 77 Im englischen Sprachgebrauch finden sich hierfür insbesondere die Bezeichnungen HUMINT (Human Intelligence) für Informationen, die von Menschen stammen und durch Spionage, Observation, Befragungen, Erkenntnisse von Spezialeinheiten und Dokumentenauswertungen stammen und vielfach offen gewonnen werden können, und daher auch als OSINT (open sources intelligence) bezeichnet werden. Davon unterschieden werden Informationen, die durch technische Hilfsmittel erlangt worden sind, die sogenannte TECHINT (Technical Intelligence). Weiter differenzieren kann man in IMINT (Imaginary Intelligence, d.h. jede Art von Bild, ob optisch, fotographisch, im Fernsehen und Video) und in SIGNIT (Signals intelligence), welche auf dem Abfangen von Signalen basiert ebenso wie in allgemeine Kommunikation (COMINT), elektronische Daten (ELINT), ausländische instrumentalisierte Signalerkenntnisse (FISINT) und GEOINT (Geospatial Intelligence). 78 Droste, S. 231; Korte in: Korte/Zoller, 35 (61). Insofern ist zu beachten, dass die Mitarbeiter auch unter einer Legende ermitteln dürfen, diese dem Betroffenen aber nicht vorspiegeln darf, er wäre zur Mitarbeit verpflichtet, Roewer/Höhn, ThürVBl. 1997, 193 (199); Droste, S. 284; Korte in: Korte/Zoller, 35 (65). Ebenso gilt bei Amtshilfe durch die Polizei bei einer zulässigen Befragung, dass diese ebenfalls darauf hinweisen müssen, dass der Befragte auf freiwilliger Basis antwortet; Droste, S. 571; siehe hierzu auch S. 98 ff. 74

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Vorherrschende (offene) Ermittlungsform des Verfassungsschutzes ist die Befragung Dritter.79 Die befragten Personen offenbaren hierbei ihr Wissen aus den verschiedensten Motiven, wie zum Beispiel „Gefälligkeit, Patriotismus, Staatsbewusstsein oder ähnlichen politisch-ideellen Motiven“ oder gegen ein Entgelt.80 b) Nachrichtendienstliche Mittel Obwohl grundsätzlich ein Gebot zu offenen Ermittlungen für staatliches Handeln besteht81, welches sich, ohne ausdrücklich in der Verfassung verankert zu sein, aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 19 Abs. 4 GG sowie aus der Menschenwürde ergibt82, sind Ausnahmen hiervon für Strafverfolgung, Polizei und insbesondere Nachrichtendienste anerkannt.83 Würde man einem Nachrichtendienst heimliche Vorgehensweisen versagen, so könnte dieser nicht wirksam arbeiten.84 Der Begriff des nachrichtendienstlichen Mittels ist im aktuellen BVerfSchG nicht mehr enthalten.85 Es spricht von „Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung“ und listet im Anschluss davon beispielhaft86 die wichtigsten87 auf. Ausdrücklich erwähnt 79

Rottmann, AöR 88, 227 (235). Langkau, S. 201. Da deren Sammlung auch die Manipulation eines anderen Menschen mit einschließt, beschreibt Lowenthal, Intelligence, S. 260 die Fähigkeiten eines darauf ausgebildeten Geheimdienstlers folgendermaßen: Er muss Vertrauen gewinnen können, durch Empathie, Schmeichelei und Mitgefühl; direktere Methoden sind Bestechung, Erpressung und Sex. 81 EGMR NJW 1979, 1755 (1756); Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 204 ff.; Evers, Privatsphäre S. 171; Hassemer, KritJ 1992, 64 (66); vergleiche hierzu ausführlich Deutsch, S. 13 ff. mit zulässigen Ausnahmen. Der BGH bestreitet im Rahmen der viel kritisierten Entscheidung BGHSt 42, 139 (150) schon das Bestehen eines solch grundsätzlichen Gebotes. 82 Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 206 f.; Ernst, S. 113 f. 83 BVerfG NJW 2007, 2464 (2469 ff.); BVerfGE 30, 1 (26 f.); Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (70); Ernst, S. 113 f.; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 204 ff. Auch strafprozessuale und polizeirechtliche Ermittlungen können in den gesetzlich normierten Fällen heimlich erfolgen; siehe Nehm, NJW 2004, 3298 (3293); Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (479); Gröpl, S. 311 f. 84 Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 207; BVerfGE 30, 1 (18 f.). 85 Siehe auch S. 93 ff. Im Gegensatz dazu findet sich in Art. 6 BayVSG: „Nachrichtendienstliche Mittel sind Maßnahmen zur Tarnung, der Einsatz geheimer Mitarbeiter und andere Maßnahmen, die verbergen sollen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen erhebt.“ 86 Dagegen finden sich zum Beispiel in § 8 Abs. 2 VSG Bln, § 5 Abs. 2 VSG NRW, § 6 Abs. 3 VSG Brandenburg abschließende Aufzählungen. Die Offenheit 80

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werden der Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen88, Bild- und Tonaufzeichnungen sowie Tarnpapiere und Tarnkennzeichen. § 8 Abs. 2 BVerfSchG umreißt somit den Inhalt der sogenannten nachrichtendienstlichen Mittel ohne diesen Begriff ausdrücklich zu erwähnen.89 Ungeschriebene „nachrichtendienstliche Mittel“ sind möglich und müssen von ihrer Eingriffstiefe den geschriebenen entsprechen.90 Entscheidungen über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel werden aktenkundig gemacht und die auf diesem Weg erhobenen Daten entsprechend der Art der Beschaffung in den Akten gekennzeichnet.91 aa) Die einzelnen nachrichtendienstlichen Mittel Die verdeckt arbeitenden Mitarbeiter führen Observationen92 durch oder befragen unter einer Legende. Zur Legendenbildung werden nachrichtendienstliche Hilfsmittel, wie Tarnpapiere und Tarnkennzeichen, verwendet, zum Beispiel Kraftfahrzeugkennzeichen, Dienstausweise sowie Urkunden zur Legendierung erfundener Lebensläufe oder auch die Anmietung einer der Aufzählung ist gewollt und wird mit dem praktischen Bedürfnis begründet, die jeweiligen Methoden schnell den jeweiligen Gegebenheiten beziehungsweise technischen Möglichkeiten flexibel anzupassen, da es anderenfalls den Gegnern leicht möglich wäre, der Überwachung dadurch zu entgehen, dass sie Informationen auf nicht kontrollierbarem Wege austauschten, BT-Drs. 10/4737, S. 52. Um dennoch den Demokratieanforderungen gerecht zu werden, werden die jeweiligen Methoden in einer (geheimen) Dienstanweisung festgelegt, die jedoch der Kontrolle des Nachrichtendienstkontrollgremiums unterliegt. 87 Laut Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 156 ff.; Korte in: Korte/Zoller, 35 (62 ff.). 88 Dabei wird diese in der Praxis selten gewählt, da Vorbereitung und Durchführung hierfür sehr kostenträchtig sind, Droste, S. 283. 89 Im Vergleich zu der umstrittenen Vorgängerregelung wird die aktuelle Fassung wegen der Konkretisierung gelobt, Droste, S. 259. Zur Vorgängerregelung, die den Begriff des nachrichtendienstlichen Mittels ausdrücklich enthielt und deren Verfassungsmäßigkeit deswegen bezweifelt wurde, siehe Schatzschneider, S. 86 ff., der die Generalklausel von 1972 für noch verfassungsgemäß hält. 90 Da der Begriff „Nachrichtendienstliches Mittel“ im Gesetz nicht mehr verwendet wird und zudem das ursprüngliche Bedürfnis der Eindämmung der Unbestimmtheit durch die relativ genauen Befugnisregelungen der §§ 8 ff. BVerfSchG, insbesondere auch der besonderen Eingriffsbefugnisse des § 9 BVerfSchG, gestillt ist, bedarf es im Folgenden keiner weiteren Definition. Zu den verschiedenen zu § 3 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG a. F. vertretenen Auffassungen, siehe Schlink, NJW 1980, 552 (554); Herzog, Der Auftrag der Verfassungsschutzbehörden in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1 (13 f.); Korte in: Korte/Zoller, 35 (49 f.); Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 145. 91 Droste, S. 89. 92 Laut Roewer § 3 Rn. 141 erhalten sie zur Observation im Straßenverkehr eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Wohnung.93 Die Legende darf dabei keinesfalls den Anschein erwecken, der Betroffene müsse kooperieren, also sind Polizeilegenden regelmäßig untersagt.94 Wird ein längerfristiger Einsatz unter einer Legende anvisiert, wird ein sogenannter UCA, ein Under-Cover-Agent, eingesetzt. Dieser bleibt Beamter des BfV, wird aber von den starren Regeln des Dienstrechtes suspendiert.95 Im Unterschied zum verdeckten Ermittler der Polizei (VE), dessen Einsatzvoraussetzungen in den §§ 110 a–e StPO ausführlich geregelt sind, ist der Einsatz eines UCA in den Nachrichtendienstgesetzen nicht ausdrücklich erwähnt. Dieser stellt aber nach h. M. ein zulässiges nachrichtendienstliches Mittel dar.96 Während der Einsatz eines VE von zahlreichen formellen und materiellen Voraussetzungen abhängig ist, bedarf der Einsatz eines UCA nur einer behördeninternen Genehmigung.97 Auch zeitliche Beschränkungen liegen für den UCA nicht vor, vielmehr ist seine Tätigkeit regelmäßig als langfristiger Einsatz vorgesehen.98 93 Nicht hierzu zählen Vorbereitungsmaßnahmen, wie das Anwerben eines V-Mannes oder der Start eines Überwachungssatelliten, BT-Drs. 10/4737, S. 52; Droste, S. 264 f. 94 Siehe Roewer § 3 Rn. 142, 200 sowie bereits oben S. 36 f. 95 Roewer § 3 Rn. 144. Im Innenverhältnis hat er sich jedoch an die Weisungen zu halten. Streit tritt häufig insbesondere über die Reisespesen auf, a. a. O. Rn. 145. 96 Droste, S. 264, 266, 277 ff.; Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 164. 97 Gegebenenfalls mit politischer Rückabsicherung, Droste, S. 277. 98 Albert in: Korte/Zoller, 88 (99). Problematisch kann in diesen Fällen werden, dass sich ggfs. Legende und Wirklichkeit derart vermischen, dass es zu Persönlichkeitsveränderungen des UCA kommt, insoweit trifft die Dienstherren eine Fürsorgepflicht, Roewer § 3 Rn. 145. Umstritten ist darüber hinaus, ob ein verdeckter Ermittler (beziehungsweise UCA), welcher mit Zustimmung des Betroffenen dessen Wohnung betritt, in Art. 13 GG eingreift. Eine mit § 110 c StPO vergleichbare Spezialermächtigung existiert im Nachrichtendienstrecht nicht. Jedoch ist dies insofern unbeachtlich, als, sofern man einen Eingriff in Art. 13 GG verneint, die Generalklausel der Nachrichtendienste auch diese Tätigkeit abdecken könnte, bei Bejahung eines Eingriffes hingegen auch die Spezialvorschrift der StPO zumindest wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot verfassungswidrig wäre. Der BGH hat die Frage in NJW 1997, 1516 (1517 f.) offengelassen. Auch der Gesetzgeber hat sich anlässlich der Einführung des § 110 c StPO nicht klar geäußert, da er die Regelung zwar tatsächlich durch den Richtervorbehalt des § 100 b Abs. 2 Nr. 2 StPO den Voraussetzungen eines Eingriffs in Art. 13 GG anpasst, hingegen dem Zitiergebot nicht entspricht und in den Materialien ausführt, dass mit Blick auf den hohen Rang der zu schützenden Rechtsgüter und wegen der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die neue Vorschrift bestünden, BT-Drs 12/989, S. 43. Zu den verschiedenen in der Literatur vertretenen Argumenten über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Grundrechtseingriffes (häufig diskutiert im Rahmen des § 110 c StPO, dies ist aber vorliegend unschädlich, da allein auf die Qualität der Täuschung abgestellt wird und dies auch für die Dienste gilt), siehe LR/Schäfer, 25. Aufl., § 110 c Rn. 11 ff.; Krey, Verdeckte Ermittler, Rn. 226 ff.; Deutsch, S. 117 ff.

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Weiterhin sind für die Dienste tätig, ohne Mitarbeiter zu sein, die sogenannten V-Männer, Counter-Man (CM), Gewährspersonen und Informanten.99 Diese Personen werden von Nachrichtendienstmitarbeitern regelmäßig „angeworben und geführt“. Effektivstes nachrichtendienstliches Mittel soll die Vertrauensperson (V-Person) sein.100 Insbesondere im Bereich des Terrorismus und des Drogenhandels sind menschliche Quellen für die Erlangung verlässlicher Informationen entscheidend.101 Der Counter-Man ist ein (ehemaliger) Mitarbeiter eines ausländischen Nachrichtendienstes, der, in nachrichtendienstlicher Sprache gesprochen, „umgedreht“ wurde, und künftig für den eigenen Nachrichtendienst arbeitet, häufig im Bereich der Spionageabwehr oder Gegenspionage.102 Vorher wird er „abgeschöpft“, das heißt, sein Wissen wird zugunsten des deutschen Dienstes verwertet. Er wird auch, soweit dies der Nachrichtengewinnung dient, zur Steuerung gegnerischer Dienste eingesetzt.103 Weiteres nachrichtendienstliches Mittel ist die Observation. Ausdrücklich zulässig sind auch Eingriffe in die Rechte der Betroffenen an Wort und Bild.104 Alle Maßnahmen stehen selbstverständlich unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit nach § 9 Abs. 1 BVerfSchG. 99 Gewährspersonen und Informanten liefern nur gelegentlich Informationen, Roewer § 3 Rn. 160. 100 Albert in: Korte/Zoller, 88 (99). Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387 (392) sprechen nur von einem wichtigen Mittel. 101 Lowenthal, Intelligence, S. 261; Betts, S. 7 mit Beispielen, etwa kleine, mobile Al-Quaida-inspirierte Zellen. 102 Roewer § 3 Rn. 157. Angeworben werden diese Personen durch verschiedene „Anreize“: insbesondere haben diese sich in der Bundesrepublik regelmäßig nach § 99 StGB strafbar gemacht und eine entsprechende Androhung von Strafverfolgung ist nicht rechtswidrig nach § 240 StGB, Roewer § 3 Rn. 158. Brenner, S. 99 sieht Druck oder Erpressung als unwahrscheinlich an, da der Agent so bei nächster Gelegenheit überlaufen würde oder den Dienst sonst hintergehen würde. Ansonsten sieht er Überläufer als eher selten an. Evers behauptet: „die nachrichtendienstliche Tätigkeit übt auf zwielichtige Charaktere eine erhöhte Anziehungskraft aus“. Andererseits zum „Spion wider willen“ siehe Fallbeschreibung Evers, Privatsphäre, S. 88 f. So enthalten verschiedene Landesgesetze dies ausdrücklich: zum Beispiel § 8 Abs. 2 Nr. 1 VSG Bln, § 6 Abs. 3 Abs. 1 Nr. 1 Bbg VerfSchG, § 5 Abs. 2 VSG NRW („zum Zwecke der Spionageabwehr überworbene Agenten“), § 10 Abs. 1 S. 2 LVerfSchG RP und § 8 Abs. 1 S. 2 SVerfSchG („Das Anwerben und führen gegnerischer Agenten und Agentinnen“). „Die Führung eines solchen CounterMan (CM) gilt meist als hohe Schule geheim-nachrichtendienstlicher Führung, die Operation wird als Gegenspiel bezeichnet, der zuständige Bearbeiter als Spielfallführer“, Walde, S. 83. 103 Roewer § 3 Rn. 159. 104 Rogall, Informationseingriff, S. 90 vertritt dagegen, dass damit ein Grundrechtseingriff vorläge, der angesichts seiner Intensität nicht mehr generalklauseladä-

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bb) Die Überwachung des Funkverkehrs Zulässig ist auch die Überwachung des Funkverkehrs, soweit dieser nicht von Art. 10 GG besonders geschützt ist und sich dann ausschließlich nach dem G10 richtet.105 Diese Überwachung ist deswegen besonders interessant, weil sie Einblicke in die Infrastruktur und Strukturveränderungen ausländischer Nachrichtendienste bietet106, da die meisten Nachrichtendienste Funk beispielsweise für die Führung ihrer Agenten benutzen.107 Die Funkbeobachtung nimmt das Zentrum für Information und Kommunikation der Bundespolizei zentral für das BfV wahr, also die Erfassung, Ortung und funkbetriebliche Auswertung des Funkverkehrs fremder Nachrichtendienste sowie extremistischer und terroristischer Gruppierung und die Auswertung von Technik und technischen Unterlagen, die im Rahmen von nachrichtendienstlichen Ermittlungen erlangt wurden.108 Geregelt ist dies in § 10 BPolG seit 1994109, wenn auch die Aufgaben bereits vorher ohne gesetzliche Grundlage wahrgenommen wurden.110 Verfassungsrechtlich verlangt die dauerhafte Inanspruchnahme einer anderen Einrichtung als Ausnahme des Grundsatzes der „eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung“ einen sachlichen Grund.111 Dieser ist vorliegend gegeben, da die Funkbeobachtung einen hohen Spezialisierungsgrad und einen großen technischen Aufwand erfordert, der so von dem BfV nicht zu gewährleisten wäre.112 quat ist, so dass § 8 Abs. 2 BVerfSchG daher trotz der ergänzenden Bestimmungen in § 9 BVerfSchG Bedenken erwecken müsse. Hierbei ist zu beachten, dass derartige Eingriffe in neueren Gesetzen, zum Beispiel § 100 h StPO, teilweise spezialgesetzlich geregelt werden. Im BKA-Gesetz hingegen sind in § 20 g Abs. 2 BKAG Bildaufnahmen im Rahmen der „Generalklausel“ aufgezählt. Ob die Bildaufnahme als bildliches Fixieren der Beobachtung ein stärkerer Eingriff als diese selbst ist, erscheint fraglich. Jedoch ist anzumerken, dass die Befugnisse der Nachrichtendienste in der Generalklausel Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht abdecken. Dieses wird, wie von Rogall richtig erkannt, durch das in § 9 Abs. 1 BVerfSchG ausdrücklich erwähnte Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt. Dieses ist bei stärkerer Eingriffsintensität besonders wichtig. Ferner umfasst die nachrichtendienstliche Generalklausel viele Eingriffe von besonderer Intensität, die im Rahmen der StPO spezialgesetzlich geregelt sind, vergleiche nur § 110 a StPO. Daher sind die Bedenken Rogalls nicht durchgreifend. 105 BT-Drs. 12/5762, S. 42. 106 BT-Drs. 12/5762, S. 42. 107 BT-Drs. 12/5762, S. 42. 108 Siehe hierzu Zöller, Informationssysteme, S. 383 ff. 109 Gesetz über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz – BPolG) vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I, S. 2978). 110 Droste, S. 572 f. 111 BVerfGE 63, 1 (33 ff.). 112 Droste, S. 573.

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cc) Die Zulässigkeit des „Nachrichtenkaufs“ und Anwendung von StPO-Normen In der Vergangenheit wurde schon mehrfach darüber diskutiert, ob der Ankauf von Nachrichten ein zulässiges Mittel der Dienste sei, jüngst in der sogenannten Liechtensteinaffäre.113 Dabei wird der Nachrichtenkauf teilweise als eine „unerfreuliche[n] Sitte aller Nachrichtendienste“ bezeichnet, als „ein unfeines, aber wohl rechtlich noch zulässiges Mittel“.114 Bildlich lässt sich dies so umschreiben: „Der heutige Spion ist nicht der JamesBond-Verschnitt, der nächtens katzenhaft gewandt glatte Fassaden emporklimmt, sich ihm entgegenstellende Wächter mit gekonnten Karateschlägen zu Boden befördert, zielsicher den Tresor mit den Staatgeheimnissen hinter dem Ölgemälde an der Wand entdeckt [. . .] – der heutige Spion versucht den Mann zu kaufen, der den Schlüssel zum Panzerschrank besitzt“.115 Dabei soll die Entgegennahme auch von illegalem Material unproblematisch sein, solange dieses ohne vorheriges Zutun der Dienste durch eine Privatperson beschafft wurde.116 Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn die Voraussetzungen einer Hehlerei oder einer sonstigen Anschlusstat nicht erfüllt sind. Letztlich geht es bei der Frage um den Nachrichtenkauf um die Zulässigkeit von V-Männern, Informanten und Gewährspersonen. Denn das Interesse an einer Belohnung ist eine wichtige Motivation für ein Tätigwerden der jeweiligen Personen.117 Interessant ist, dass in der Kommentarliteratur Geldzahlungen an V-Personen nicht problematisiert werden. Eine gesetzliche Grundlage für diese existiert nicht, sie werden lediglich durch Verwaltungsvorschriften oder interne Erlasse118 geregelt. Diskussionen findet man hingegen bisweilen über den Typus des mit dem V-Mann geschlossenen 113

Siehe hierzu ausführlich S. 211 ff. Rottmann, AöR 88, 227 (235); für die Zulässigkeit auch Evers, Privatsphäre, S. 129. 115 Frisch in: BMI, 7 (10). 116 Salzwedel, GS Peters, 756 (786); Evers, Privatsphäre, S. 230. 117 Roewer § 3 Rn. 149. Der V-Mann ist kein Mitarbeiter. Er wird nur von Zeit zu Zeit bezahlt. Da die Bezahlung geheim gehalten werden muss, zahlt der Nachrichtendienst zur Vermeidung von Steuerstraftaten eine Steuerpauschale an die Finanzbehörden; siehe hierzu Roewer § 3 Rn. 150, ebenso Droste, S. 266 Fn. 855 sowie zur Kontrollmitteilungsverordnung und ihren Ausnahmen, Carl, NVwZ 1997, 243 ff. 118 Siehe zum Beispiel Sieber, NJW 2008, 881 (884). Es soll intern sogar fixe Entgelttabellen geben, siehe Mathes, Was verdienen Polizeispitzel, Stern vom 22.01.2007, abrufbar unter http://www.stern.de/politik/deutschland/geheime-bkatarifordnung-was-verdienen-polizei-spitzel-580838.html, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. 114

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Vertrages, dessen grundsätzliche Zulässigkeit ebenso wenig bezweifelt wird wie das Entgelt des V-Mannes.119 Wie stets gilt jedoch, dass die Dienste keine Straftaten begehen dürfen. Bei der Kooperation mit V-Leuten sind sie gehalten, jene hierzu schriftlich zu verpflichten und sie in regelmäßigen Abständen darüber zu belehren.120 In der Annahme der Information gegen Geld darf daher keine Straftat der Nachrichtendienste liegen. Dagegen ist ihnen das Versprechen von geldwerten Vorteilen zur Erlangung von Informationen nicht verboten. Ein Verbot wie für Strafverfolgungsorgane nach § 136 a StPO greift nicht.121 Teilweise wird erwogen, ob StPO-Regelungen auf die Dienste analog anwendbar seien, insbesondere in Bezug auf § 136 a StPO.122 Argumente werden hierfür nicht angeführt. Schon nach dem Wortlaut gilt § 136 a StPO nur für Strafverfolgungsorgane und ist auch vom Telos her repressiv ausgerichtet. § 136 a StPO gilt daher unmittelbar nur für mit der Strafverfolgung beauftragte staatliche Organe und entfaltet auch keine Drittwirkung.123 So ist für eine Analogie schon eine planwidrige Regelungslücke zweifelhaft, jedenfalls fehlt aber die vergleichbare Interessensituation. Eine Regelungslücke liegt dann nicht vor, wenn die vom Verbot des § 136 a StPO erfassten Verhaltensweisen ohnehin schon verfassungsrechtlich verboten sind.124 Da beinahe alle dort genannten Methoden die Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder den Anspruch auf ein faires Verfahren verletzen125, ist deren Anwendung selbstverständlich auch den Nachrichtendiensten verboten. Eine Ausnahme bildet insoweit nur das Verbot von Täuschungen, welche dem Verfassungsrecht zumindest nicht umfassend entnommen werden kann. Jedoch wird der Täuschungsbegriff auch im Rahmen des § 136 a StPO restriktiv ausgelegt126, so dass nicht nur Nachrichtendiensten Täuschungen, wie solche über die Identität durch V-Mann-Legen119 Friedrichs, V-Leute, S. 20 f.; Evers, Privatsphäre, S. 157 (jeweils Arbeitsvertrag); Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 159 (Werkvertrag mit Kaufvertragselementen); Schwagerl, S. 185 (Merkmale des Auftrags-, Dienst-, Werk- und Arbeitsvertrages, also wohl Vertrag sui generis gemeint). 120 Droste, S. 274. 121 Evers, Privatsphäre, S. 129. 122 Ausdrücklich für Verfassungsschutz: Evers, Privatsphäre, S. 128; Rottmann, AöR 88, 227 (234, 237). 123 HK/Lemke, § 136 a StPO Rn. 4; Meyer-Goßner § 136 a Rn. 2; SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 7; Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1542); BGHSt 17, 14 (19); 34, 365 (369); 42, 139 (148); 44, 129 (134). 124 LR/Hanack, 25. Aufl. § 136 a Rn. 2; Bosch, Aspekte, S. 169. 125 BGHSt 44, 308 (317); so auch SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 3 m. w. N. 126 KK/Diemer, § 136 a Rn. 19; Meyer-Goßner § 136 a Rn. 12; Pfeiffer, § 136 a Rn. 8; LR/Gleß § 136 a Rn. 39; Beulke, StPO, Rn. 135; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 25 Rn. 22.

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den, ausdrücklich zugestanden werden, sondern solche auch den Strafverfolgungsorganen nicht verboten sind.127 Aber auch die Vergleichbarkeit der Interessenlage als zweite Analogievoraussetzung fehlt. § 136 a StPO schützt die Willensfreiheit des Beschuldigten im Rahmen von Ermittlungen.128 Die Tätigkeit der Nachrichtendienste findet hingegen im Vorfeld statt.129 Es handelt sich bei ihnen weder um Strafverfolgungsorgane noch führen sie Vernehmungen von Beschuldigten durch. Nachrichtendienste befragen Personen unabhängig von einem Strafverfahren zum Zwecke der Informationserlangung. Ein bestimmter Status, vergleichbar mit einem Beschuldigten oder Zeugen, kommt den Befragten dabei nicht zu; sie wirken freiwillig mit. Auf Nachrichtendienste ist § 136 a StPO folglich nicht anwendbar.130 Aus den gleichen Gründen ist die pauschale Anwendung von weiteren Normen der StPO abzulehnen.131 Es kommen insoweit allenfalls selbstständige Beweisverwertungsverbote in Betracht.132 Der käufliche Erwerb von Informationen ist damit zulässig. c) Auskunftsrechte nach § 8 a BVerfSchG Ferner bestehen Informationserhebungsbefugnisse nach § 8 a BVerfSchG. Hiernach darf das BfV Verkehrs- und Bestandsdaten erfragen.133 Adressat der Anordnung dürfen nach § 8 a Abs. 2 BVerfSchG im genau bezeichneten Umfang Luftfahrtunternehmen, Kreditinstitute, Finanzdienst127 Vgl. zu den verdeckten Ermittlern im Rahmen der StPO: SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 57; Krey, Rechtsprobleme des verdeckten Ermittlers, Rn. 166, ebenso Evers, Privatsphäre, S. 154. 128 SK/Rogall, § 136 a Rn. 4; LR/Gleß, § 136 a Rn. 2 f., 10. 129 Friedrichs, V-Mann, S. 59 (ausdrücklich nur für Verfassungsschutz). Zu den Vorfeldermittlungen sogleich noch, S. 87 ff. 130 Evers, Privatsphäre, S. 153. Dem widerspricht auch nicht, dass in den Polizeigesetzen eine analoge Anwendung des § 136 a StPO normiert ist, da dies stets in Zusammenhang mit Auskunftspflichten im Rahmen von polizeilichen Befragungen steht, siehe z. B. § 12 Abs. 4 NdsSOG; § 12 Abs. 4 HSOG; § 9 a Abs. 5 RPPOG; 18 Abs. 4 SächsPolG. 131 Zu Ausnahmen für Regelungen, die sich speziell auf externe Erkenntnisse beziehen, siehe zum Beispiel §§ 160 a, 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO. 132 Siehe hierzu S. 87 ff., 371 ff. 133 Da der Wortlaut nicht eindeutig von einer Verpflichtung der Anbieter spricht, erscheint es möglich, dass die privaten Anbieter eine Auskunft unter Hinweis auf eine fehlende Pflicht, insbesondere Kreditinstitute, die einen erheblichen Aufwand betreiben müssten, ablehnen, Droste, S. 256 f. Sinn und Zweck sprechen allerdings für eine Verpflichtung, siehe König, S. 247. Der Gesetzgeber hat eine Klarstellung abgelehnt, da bislang keine derartige Probleme aufgetreten seien, BT-Drs. 16/2921, S. 14. Eine Durchsetzung durch Verwaltungszwang ist jedenfalls nicht möglich, so auch BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 39.

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leistungsinstitute und Finanzunternehmen, Post- und Telekommunikationsdienste sowie Teledienste sein. Die Befugnis gilt im Falle des § 3 Abs. 1 Nr. 1, d.h. bei einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, nur für bestimmte Bestrebungen.134 Diese Befugnisse sollen nach dem Gesetzgeber zur „Aufklärung von internationalen Verflechtungen (Kommunikationsbeziehungen und Reisebewegungen der führenden Protagonisten), Finanzflüssen, Produktions- und Vertriebsstrukturen der arbeitsteilig, konspirativ und international organisierten extremistischen Vertriebsszene für Hasspropaganda beitragen, ferner zur Aufklärung von Waffenbeschaffungen und Geldgebern militanter Rechtsextremisten und rechtsterroristischer Gruppierungen“.135 Die Anordnung ist dabei nach § 8 a Abs. 3 BVerfSchG nicht nur gegen Personen zu richten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie die schwerwiegenden Gefahren nachdrücklich fördern, sondern ist auch gegen Dritte zulässig, die mit diesen in Verbindung stehen, also zum Beispiel Leistungen von Luftfahrtunternehmen, Kreditinstitute oder Teledienste für diese in Anspruch nehmen oder Nachrichtenmittler sind oder wenn der Betroffene deren Anschluss nutzt. Person im Sinne des § 8 a Abs. 3 BVerfSchG meint sowohl natürliche Personen als auch Personenvereinigungen und juristische Personen.136 Dadurch ergibt sich auch bereits aus dem Gesetz, dass es ein gegenüber den Diensten geschütztes Bankgeheimnis nicht gibt.137 Die jeweiligen Eingriffsvoraussetzungen unterscheiden sich einerseits danach, ob es sich um Verkehrs- oder Bestandsdaten handelt und andererseits danach, ob es sich um einen Eingriff in Art. 10 GG handelt oder nicht. Für Bestandsdaten existiert eine niedrigere Eingriffsschwelle. Verkehrsdatenauskünfte im Bereich des Art. 10 GG werden dagegen durch ein „G10-mäßiges“ Verfahren abgesichert. Die materiellen Eingriffsvoraussetzungen bleiben hingegen hinter dem G10 zurück, da die Überwachung der Kommunikationsinhalte im Vergleich den stärkeren Eingriff darstellt.138 Diese 134 Nämlich solche, die geeignet sind oder bezwecken, 1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder 2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung. 135 BT-Drs. 16/2921, S. 13. 136 BT-Drs. 16/2921, S. 15. 137 Siehe hierzu und zum Bankgeheimnis im Übrigen, Kretschmer, wistra 2009, 180 ff. (insbesondere 183). 138 BT-Drs. 16/2921, S. 13.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 47

Absenkung der Voraussetzung für genannte Stammdaten führt jedoch nur zu einer Anpassung an diejenigen Voraussetzungen, die schon bislang nach § 113 TKG galten.139 Die Bezugnahme auf das G10 für die übrigen Daten soll dazu führen, dass die Anspruchsvoraussetzungen so hoch gesteckt sind, dass in der Praxis kaum Anwendungsfälle vorkommen dürften.140 Jedenfalls liegen mit „tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Gefahr/einen Verdacht“ Anforderungen vor, die dem Erfordernis eines Anfangsverdachts nach der StPO beziehungsweise dem Gefahrenbegriff im Polizeirecht nahe kommen.141 Dies stellt eine Einengung gegenüber den für die Nachrichtendienste üblichen Eingriffsvoraussetzungen dar.142 Unter den Voraussetzungen des § 8 a Abs. 2 BVerfSchG darf das BfV nach § 8 a Abs. 4 S. 1, 2 BVerfSchG auch technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes oder zur Ermittlung der Geräte- oder Kartennummer einsetzen. Die Auskunft soll sich hierbei, anders als bei §§ 100 g, h StPO, auch auf die Teledienstnutzdaten beziehen.143 Über die Verbindungsdaten aktiv geschalteter Mobiltelefone ist es möglich, ohne Observation den Aufenthalt einer Person in Realzeit nachzuvollziehen.144 § 8 a Abs. 2 Nr. 4 BVerfSchG erlaubt durch den Wortlaut „sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung“ darüber hinaus die Datenerfassung und damit die Standorterfassung im Stand-ByModus.145 d) Besondere Befugnisse nach § 9 BVerfSchG Daneben besitzt der Verfassungsschutz auch noch die Befugnis zur Anwendung besonderer nachrichtendienstlicher Mittel. aa) Lauschangriff Nach § 9 Abs. 2 S. 1, 2 BVerfSchG darf das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln nur heimlich mitgehört 139

Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (880). Droste, S. 241. 141 So auch König, S. 249. 142 König, S. 249 sowie S. 35 und S. 87 ff. 143 Droste, S. 245. 144 Droste, S. 247; umstritten soll laut Weßlau, ZStW 113 (2001), 681 (688) sein, ob de lege lata bei einer strafprozessualen Telekommunikationsüberwachung gesprächsunabhängige Daten mitgeteilt werden müssen/sollen, siehe hierzu auch BGH (Ermittlungsrichter), StV 2001, 214. 145 BT-Drs. 16/2921, S. 13, 15. 140

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oder aufgezeichnet werden beziehungsweise heimliche Bildaufnahmen und -aufzeichnungen gemacht werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerlässlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann.146 Damit erlaubt § 9 Abs. 2 BVerfSchG den akustischen und den optischen Lauschangriff.147 Auch beim heimlichen Beobachten ist der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung zu wahren.148 Insgesamt ist die Schwelle für einen Lauschangriff, insbesondere durch die Subsidiarität gegenüber der Polizei, derart hoch, dass sie de facto einem Verbot gleichkommt.149 Umstritten ist, ob die strengen Anforderungen auch für die Überwachung einer Wohnung von außen mit Hilfe von technischen Geräten, wie Richtfunkmikrophonen, gelten. Während die h. M.150 ausdrücklich von der Unbeachtlichkeit der Einwirkung von innen oder außen ausgeht und damit allein auf die Beeinträchtigung der Persönlichkeit abstellt, gehen Droste151 und Evers152 davon aus, dass der Schutzbereich des Art. 13 GG sich auf den räumlichen Schutz der Wohnung beschränke. Eine extensive Auslegung sei nicht möglich: wer den Schutzbereich verlasse, trete wieder in stärkerem Maße in das Gemeinschaftsleben ein.153 Richtigerweise ist hingegen auf den Standort des Sprechers selbst abzustellen, nicht den des technischen Gerätes, da nur dies dem Schutzgedanken des Art. 13 GG gerecht wird.154 Anders als Evers argumentiert, verlässt der 146 Zur Rechtslage vor Erlass des § 9 BVerfSchG siehe de Lazzer/Rohlf, JZ 1977, 207 ff.; zur verfassungsrechtlichen Grundlage, siehe Droste, S. 311 Fn. 1021. 147 Dies unterscheidet diesen Lauschangriff von dem nach der StPO zulässigen. Dies stimmt mit Art. 13 GG überein, der nach Gefahrenabwehr und Strafverfolgung differenziert und nur für erstere jegliche verdeckten Maßnahmen zulässt und für letztere auf akustische Überwachung beschränkt. Dagegen ist dem BKA auch die Bildüberwachung gestattet, siehe § 22 g Abs. 2 Nr. 2 a BKAG, zu den Grenzen der zulässigen Observationsmaßnahmen bezüglich einer Wohnung, siehe Eisenberg, NStZ 2002, 638 ff. 148 BVerfGE 109, 279 (313); ausdrücklich für den Verfassungsschutz SK/Wolter, StPO, § 100c Rn. 19 unter unmittelbaren Rückgriff auf Art. 13 Abs. 4 GG. 149 Droste, S. 316; ebenso Rose-Stahl, Nachrichtendienste, S. 95. 150 SK/Wolter, StPO, § 100 c Rn. 40; KK/Nack § 100 c Rn. 4; § 100 f Rn. 3; AnwK/Löffelmann § 100 c Rn. 3; BGH NJW 1997, 2189 (2190); Guttenberg, NJW 1993, 567 (568); Roewer § 3 Rn. 171; Salzwedel, GS Peters, 756 (781); Rundel, S. 81; König, S. 215. 151 Droste, S. 326 f. 152 Evers, Privatsphäre, S. 202. 153 Evers, Privatsphäre, S. 202. 154 BGH NJW 1997, 2189 (2190); an diesen Grundsätzen hat sich durch die Änderung von Art. 13 GG und den entsprechenden StPO-Vorschriften nichts geändert.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 49

Betroffene seinen Schutzbereich in der vorliegenden Konstellation gerade nicht; er befindet sich immer noch in seinen Räumen. Dort soll er in seiner Privatsphäre geschützt werden. Die Beeinträchtigung bei Maßnahmen von innen liegt schwerpunktmäßig auch nicht darin, dass zur Installation der betreffenden Mittel die Wohnung einmal betreten werden muss, sondern in der Überwachung der Vorgänge innerhalb der Wohnung, die sich im Anschluss abspielen. Art. 13 GG schützt daher auch gegen eine Überwachung mit Hilfe von technischen Geräten von außerhalb. bb) IMSI-Catcher Nach § 9 Abs. 4 BVerfSchG ist auch der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers zulässig.155 Dieser ist nicht nur zur Vorbereitung von G10-Maßnahmen notwendig, sondern auch für Verbindungsdatenauskünfte.156 Die Norm erlaubt die Feststellung der Karten- und Gerätenummer eines Mobiltelefons sowie die Standortfeststellung. Ferner kann die IMSI-Nummer ermittelt werden, sofern sich das Gerät im Stand-By-Betrieb befindet. Wegen der besonderen Grundrechtsbedeutung gelten hier die materiellen und formellen Voraussetzungen des G10. cc) Exkurs: Online-Durchsuchung Ein besonderes Problem in diesem Rahmen stellt die Zulässigkeit der sogenannten „Online-Durchsuchung“ dar.157 Bei dieser Methode gelangen die Ermittler mittels technischer Hilfsmittel in die Datenspeicherung eines ComEbenso BVerfGE 109, 279 (309) (Großer Lauschangriff) „Im Zeitpunkt der Schaffung des Grundgesetzes diente das Grundrecht des Art. 13 Abs. 1 GG primär dem Schutz des Wohnungsinhabers vor unerwünschter physischer Anwesenheit eines Vertreters der Staatsgewalt. Seitdem sind neue Möglichkeiten für Gefährdungen des Grundrechts hinzu gekommen. Die heutigen technischen Gegebenheiten erlauben es, in die räumliche Sphäre auch auf andere Weise einzudringen. Der Schutzzweck der Grundrechtsnorm würde vereitelt, wenn der Schutz vor einer Überwachung der Wohnung durch technische Hilfsmittel, auch wenn sie von außerhalb der Wohnung eingesetzt werden, nicht von der Gewährleistung des Absatzes 1 umfasst wären.“ Dieses Urteil übersieht Droste, S. 325 f. Fn. 1069, wenn sie die vorherigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts nachvollzieht und der Gegenauffassung mangelnde Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung vorwirft. 155 Ebenfalls eingefügt durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz, siehe BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 40; zur Funktionsweise siehe zum Beispiel König, S. 250 f. 156 BT-Drs. 16/2921, S. 15 f. 157 Zur Regelung im Rahmen des BKA-Gesetzes (Novelle vom 27.5.2008 – BTDrs. 16/9588) sowie verfassungsrechtlichen Bedenken hierzu, siehe Baum/Schantz, ZRP 2008, 137 ff.

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puters und durchsuchen die Festplatte des jeweiligen PC ohne Wissen des Nutzers, sobald der Rechner mit dem Internet verbunden ist.158 Es wurde bekannt, dass diese von den Nachrichtendiensten aufgrund einer Dienstanweisung des damaligen Innenministers Otto Schily praktiziert wurde.159 In seinem Urteil vom 27. Februar 2008 erklärt das Bundesverfassungsgericht eine bestehende Regelung aus Nordrhein-Westfalen, welche die Online-Durchsuchung als zulässiges nachrichtendienstliches Mittel ausdrücklich normiert hatte, für verfassungswidrig und damit nichtig.160 Die Richter legen allerdings dar, dass es durchaus möglich sei, einen entsprechenden Eingriff in zulässiger Weise auszugestalten. Hieran seien jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Wegen des Eingriffes in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form der Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, seien ein Richtervorbehalt und tatsächliche Anhaltspunkte für die Gefährdung eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes, wie Leben einer Person oder Bestand des Staates zu verlangen.161 Der besondere Eingriffscharakters mache eine Spezialermächtigung erforderlich.162 Da diese bislang fehlt, ist die sogenannte Online-Durchsuchung de lege lata kein zulässiges nachrichtendienstliches Mittel.163 e) Registerauskunftsrecht Ferner besteht das Auskunftsrecht aus amtlichen Registern nach § 18 Abs. 4, 5 BVerfSchG, welches in Verbindung mit den jeweiligen Spezialvorschriften zu weiteren Erkenntnissen des Verfassungsschutzes führen kann. Eine Überprüfung der wichtigsten Register zeigt, dass diese Auskunftsmöglichkeiten für die Strafverfolgungsorgane und die Nachrichtendienste 158

Kaufmann, MMR 2007, Heft 2, XII; Kutscha, NJW 2007, 1169. Das BMI soll im April 2007 die Online-Durchsuchungen vorerst gestoppt haben, Dahlkamp/Rosenberg/Stark, Der Spiegel 20/2007 S. 62. Zu Online-Durchsuchungen des BND im Ausland, siehe Focus vom 22. März 2009, abrufbar unter http://www.focus.de/politik/deutschland/focus-bnd-raeumt-online-durchsuchung-imausland-ein_aid_382899.html, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. 160 BVerfG NJW 2008, 822 ff. Auch aus den Vorschriften der StPO kann die Befugnis für eine solche Maßnahme nicht abgeleitet werden, siehe hierzu BGH NJW 2007, 930 ff. 161 BVerfG NJW 2008, 822 (824 f., 831 f.). 162 BVerfG NJW 2008, 822 (832 ff.). 163 Allerdings erscheint das Schaffen einer entsprechenden Regelung nur eine Frage der Zeit. Zur Regelung im BKA-Gesetz siehe § 22 k BKAG, eingefügt durch das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 3083). 159

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häufig parallel oder gar identisch beschaffen sind. Dies gilt insbesondere für das Verkehrszentral-164 und das Bundeszentralregister165, die Melde-166, Pass-167 und Personalausweisregister168, das Ausländerzentralregister169 und die Steuer170- und Sozialdaten171, welche für beide nur sehr beschränkt zugänglich sind. Bei den Nachrichtendiensten ist in den Akten die Tatsache der Datenübermittlung sowie deren Herkunft kenntlich zu machen; nach Jahresablauf sind die Daten, sofern sie nicht genutzt wurden, zu löschen.172 Für die vorliegende Betrachtung sind diese Übermittlungswege nicht relevant, da die entsprechenden Daten auch auf direktem Weg an die Polizeiund Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden beziehungsweise von diesen erfragt werden können und es des „Umweges“ über die Verfassungsschutzbehörden daher nicht bedarf. Nicht ausgeschlossen erscheint jedoch, dass aufgrund der unterschiedlichen Reichweite der Übermittlungsbefugnisse die Nachrichtendienste mehr Daten als die Strafverfolgungsorgane erlangen können, so dass eine Übermittlung aus Sicht der Strafverfolgungsorgane interessant sein könnte. In einem solchen Fall müsste ein Beweisverwertungsverbot schon deswegen greifen, da eine weitere Abwägung aufgrund der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung, nämlich dass diese Daten den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung stehen sollen, ausscheidet. Etwaig übermittelte Daten unterlägen damit einem Verwendungsverbot.173

164 § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 1 c, Abs. 6 StVG (§ 35 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 a StVG für die Strafverfolgung), welche für beide gemäß § 36 Abs. 2 StVG auch im automatisierten Abrufverfahren zulässig ist. 165 § 41 Abs. 1 Nr. 3 BZRG (Nr. 1 für Polizei und Staatsanwaltschaft). 166 § 18 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1, 2 MRRG (nach § 18 Abs. 3 S. 4 MRRG gelten die Vorschriften entsprechend für Strafverfolgungs- und Polizeibehörden der Länder; BKA und GBA sind schon von Abs. 3 S. 1 MRRG erfasst. 167 § 22 Abs. 3 S. 4 PaßG für die Dienste, wobei die Staatsanwaltschaft regelmäßig § 22 Abs. 2 PaßG erfüllen wird. 168 § 2 b Abs. 2, 3 S. 4 PersAuswG für die Dienste, wobei die Staatsanwaltschaft regelmäßig § 2 Abs. 2 PersAuswG erfüllen wird. 169 §§ 15, 16 AZRG für Staatsanwaltschaft und Gericht sowie § 20 AZRG für Nachrichtendienste sowie Möglichkeit der Übermittlung seitens der Ausländerbehörden nach § 64 a AuslG. 170 § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO für Verbrechen und schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder Staat und Einrichtungen. 171 §§ 72, 73 SGB X i. V. m. § 35 Abs. 1 SGB I. 172 Siehe zum Beispiel § 22 Abs. 3 S. 4 PaßG, § 35 Abs. 3 S. 2, 3, 4 StVG, § 20 Abs. 2 AZRG. 173 Zum Begriff siehe ausführlich S. 145 ff.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

f) G10-Gesetz Weitere Befugnisse zur Datenerhebung stehen dem BfV nach dem G10174 zu.175 Die Datenerhebungsbefugnisse nach dem G10-Gesetz unterteilen sich in die sogenannten Individualmaßnahmen und die strategischen Beschränkungen.176 Dem Bundesamt für Verfassungsschutz sind nur erstere gestattet. Nach §§ 1, 3 G10 gilt, dass das BfV sowie die Verfassungsschutzbehörden der Länder zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages berechtigt sind, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen und die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen, sofern im Sinne des § 3 Abs. 1 G10 tatsächliche Anhaltspunkte für die Planung, Begehung oder das Vorliegen einer dort aufgezählten Straftat vorliegen und sich die Maßnahme gegen eine in § 3 Abs. 2 G10 aufgezählte Person richtet.177 Ebenso dürfen 174 Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I, S. 1254, 2298). Dieses Gesetz stellt gegenüber den Vorgängerregelungen eine völlige Neuregelung dar. Zu den Ursprüngen des G10-Gesetzes sowie seiner zeitgeschichtlichen Bedeutung, siehe Arndt, Das G-10-Verfahren in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 43 ff. 175 Das erste G10-Gesetz wurde im Zuge der Notstandsverfassung, also dem 17. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, welches auch Art. 10 Abs. 2 GG änderte, verabschiedet und trat am 01. November 1968 in Kraft; zur besonderen Lage in Berlin (West) siehe Hochreiter, S. 19 Fn. 55. 176 Siehe hierzu S. 58 ff. 177 Straftaten nach § 3 Abs. 1 G10 sind 1. Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats (§§ 80 bis 83 des Strafgesetzbuches), 2. Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84 bis 86, 87 bis 89 des Strafgesetzbuches, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes), 3. Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 96, 97a bis 100a des Strafgesetzbuches), 4. Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109e bis 109g des Strafgesetzbuches), 5. Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages (§§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g des Strafgesetzbuches in Verbindung mit § 1 des NATO-Truppen-Schutzgesetzes), 6. Straftaten nach a) den §§ 129a bis 130 des Strafgesetzbuches sowie b) den §§ 211, 212, 239a, 239b, 306 bis 306c, 308 Abs. 1 bis 3, § 315 Abs. 3, § 316b Abs. 3 und § 316c Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuches, soweit diese sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten, oder

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nach dem neu eingefügten § 3 Abs. 1 a G10 Beschränkungen für den BND nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 für Telekommunikationsanschlüsse, die sich an Bord deutscher Schiffe außerhalb deutscher Hoheitsgewässer befinden, angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass jemand eine der in § 23 a Abs. 1 und 3 des Zollfahndungsdienstgesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Durchgeführt werden darf eine Brief-, Post- und Fernmeldekontrolle. Ungeachtet möglicher Abgrenzungsschwierigkeiten der einzelnen Bereiche178 dürfen die Dienste Briefe und Postsendungen heimlich öffnen, Kenntnis nehmen, kopieren und wieder in den Verkehr bringen sowie den Inhalt von per Telefon, Fernschreiber und Telekopierer übermittelten Informationen und Teilnehmern zur Kenntnis nehmen und aufzeichnen; eine Unterbrechung oder Störung des Verkehrs ist dagegen nicht gerechtfertigt.179 Personen nach § 3 Abs. 2 G10 sind sowohl der Verdächtige als auch Personen, die für diesen Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, oder deren Telefonanschluss genutzt wird. Bei der Kontrolle von Sendungen muss der Verdächtige Empfänger oder Sender derselben sein (§ 3 Abs. 2 S. 3 G10).180 Abgeordnetenpost darf dagegen nicht kontrolliert werden, wenn sich die Maßnahme gegen einen Dritten richtet (§ 3 Abs. 2 S. 4 G10). Da die G10-Maßnahmen grundrechtsintensivste Eingriffe ermöglichen, unterliegen sie auch besonderen Restriktionen. So darf eine Überwachung im Regelfall maximal 3 Monate dauern, und bevor die Daten für die allgemeine Auswertung zur Verfügung gestellt werden, muss ein Jurist mit Befähigung zum Richteramt überprüfen, ob die Daten für die Aufgabenerfüllung erforderlich sind, §§ 10, 11 G10. Auf durchschnittlich 100 Telefon- und Postkontrollen der Strafverfolgungsbehörden kommt eine Maßnahme des Verfassungsschutzes.181 Ins7. Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes, sowie die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. 178 So soll diese Abgrenzung weder möglich noch sinnvoll sein, v. Münch, GG, Art. 10 Rn. 11; Roewer § 1 G10 Rn. 8. 179 Roewer § 1 G10 Rn. 9 ff. Zur Mitwirkung verpflichtet ist nach § 2 Abs. 1 G10 jeder, der „geschäftsmäßig Postdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt“, zur Definition der Telekommunikation siehe § 3 Nr. 16 TKG. Laut Hochreiter, S. 24 kann wegen zeitlicher Parallelität auf dem Willen des Gesetzgebers zur Anwendung dieses Begriffes geschlossen werden. 180 Ausgenommen von der Kontrolle ist nach Satz 3 die Abgeordnetenpost von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder. 181 Droste, S. 350.

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gesamt ist in Deutschland die Zahl der Telefonüberwachungen in den letzten Jahren stetig gestiegen, und auch im europäischen Vergleich werden viele Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ) durchführt.182

III. Bundesnachrichtendienst Der Bundesnachrichtendienst stellt den ältesten existierenden deutschen Nachrichtendienst dar. Auch wenn er in seiner heutigen Form erst durch Kabinettsbeschluss vom 11. Juli 1955 mit Wirkung zum 1. April 1956 besteht183, lassen sich seine Ursprünge bis vor die Gründung der Bundesrepublik zurückverfolgen.184 Ein Gesetz über den Bundesnachrichtendienst existiert erst seit 1990; vorher wurde seine Tätigkeit ausschließlich durch Dienstanweisungen geregelt.185 1. Aufgaben Der Bundesnachrichtendienst sammelt gemäß § 1 Abs. 2 BNDG Informationen und wertet diese zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, aus. Dieser Aufklärungsauftrag ist umfassend 182 Zu den aktuellen Zahlen siehe die Übersicht zu Maßnahmen nach § 100 a StPO vom Bundesamt für Justiz vom 28. Oktober 2010, abrufbar unter http://www.bundesjustizamt.de/cln_115/nn_1635504/DE/Themen/Justizstatistik/Tele kommunikationsueberwachung/downloads/Uebersicht__TKUE__2009,templateId=raw, property=publicationFile.pdf/Uebersicht_TKUE_2009.pdf, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. Zdun in: Lange, WB Stichwort Telekommunikationsüberwachung, S. 325 (328) verweist darauf, dass in den USA deutlich weniger Überwachungen stattfinden, was er darauf zurückführt, dass dem genehmigenden Richter eine umfangreiche Berichtspflicht obliegt; ebenso Pfeiffer, Zur Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendienste, 55 (57 f.) in: ND, Polizei und Verbrechensbekämpfung im Rechtsstaat. Zur Effizienz der durchgeführten Telekommunikationsüberwachungen, siehe Albrecht/Dorsch/Krüpe, S. 355 ff. 183 Walde, S. 67, 79; BT-Drs. 7/3246, S. 48. 184 Da die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des BND beziehungsweise der Vorläuferorganisation „Gehlen“ für die nachfolgende Darstellung irrelevant ist, sei hierzu verwiesen auf Brenner, S. 3 ff. m. w. N. sowie die ausführlichen Darstellung bei Müller/Müller, Gegen Freund und Feind, passim. 185 Dieser klare Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt hat schließlich zum Gesetz über den Bundesnachrichtendienst geführt (zur Kritik zur vorherigen Gesetzeslage siehe Brenner, Bundesnachrichtendienst im Rechtsstaat, passim, Zusammenfassung S. 157). Entstanden durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes von 1990, welches das BDSG sowie das BVerfSchG wesentlichen Änderungen unterwarf, sowie BND und MAD erstmals auf eine gesetzliche Grundlage stellte, siehe Art. 1–4 des Gesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, S. 2954).

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und bezieht sich sowohl auf die Gewinnung von zivilen als auch militärischen Informationen. Der BND ist der Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik. Dies bedeutet, dass seine Aufklärungsrichtung das Ausland ist. Dennoch darf er nach § 1 Abs. 2 S. 2 BNDG zur Aufgabenerfüllung „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ Daten erheben, mithin in Deutschland.186 Damit ist er auch zu Tätigkeit im Inland berechtigt.187 Bei seiner Aufgabenbeschreibung fällt der unbestimmte Rechtsbegriff „außen- und sicherheitspolitische Bedeutung“ auf. Dieser spiegelt die Notwendigkeit wider, die Aufklärung von neuen beziehungsweise sich entwickelnden Sachverhalten im Ausland sowie von Gefahren aus dem Ausland, die eine Bedrohung für Deutschland darstellen, erfassen zu können.188 Seine derzeitigen Aufklärungsschwerpunkte sind der internationale islamistisch motivierte Terrorismus, die Proliferation sowie regionale Konflikte mit transregionalen Implikationen, wie zum Beispiel in Afghanistan und Irak.189 Die einzelnen Aufgabenbereiche legt die Bundesregierung anhand eines von ihr erstellten Auftrags- und Leistungsprofil fest.190 Dieses Profil ist nicht öffentlich zugänglich. In einer Dienstanweisung vom 4. Dezember 1968191 stellten sich die Aufgaben des BND folgendermaßen dar: nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung durch Beschaffung und Auswertung von Informationen auf außenpolitischem, wirtschaftlichem, rüstungstechnischem und militärischem Gebiet, die Aufklärung der gegnerischen Nachrichtendienste (Gegenspionage), die Erledigung sonstiger nachrichtendienstlicher Aufträge des Bundeskanzlers und der Bundesregierung im Ausland und die Spionageabwehr innerhalb des Bundesnachrichtendienstes, sofern der Chef des Bundeskanzleramtes nicht im Einzelfall eine andere Regelung trifft.192 186

Gröpl, ZRP 1995, 13 (15). Gröpl, S. 227 f.; Schafranek S. 141; Lange/Krevert in: Lange, WB zur Inneren Sicherheit, Stichwort Bundesnachrichtendienst, 30 (31); Riegel, NJW 1979, 952 (955); Walde, S. 84. 188 Soiné, DÖV 2006, 204 Fn. 1. 189 Uhrlau, Neue Herausforderungen in: Sicherheitsdienste des Bundes, 52 (53 ff.); ähnlich Lange/Krevert in: Lange, WB zur inneren Sicherheit, Stichwort Bundesnachrichtendienst, 30 (32). 190 Soiné, DÖV 2006, 204. Insbesondere die vage gesetzliche Aufgabenstellung kann ohne weitergehende Definition seitens der Bundesregierung als Rahmen nicht genügen, Lange/Krevert in: Lange, WB zur Inneren Sicherheit, Stichwort Bundesnachrichtendienst, 30 (35). 191 Abgedruckt zum Beispiel bei Roewer § 1 PKKG Rn. 16. 192 Wieck, S. 48 f. leitet aus den internationalen Entwicklungen folgendes Aufgabenprofil für Auslandsdienste ab: Nukleare Potentiale, ihre Kontrolle sowie Kon187

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Dass diese Aufzählung immer noch Aktualität besitzt, mit gewissen Änderungen, erscheint wahrscheinlich, da sie zahlreiche Aufgabenvarianten umreißt. Während die Gegenspionage im aktuellen BNDG keine ausdrückliche Erwähnung findet193, kann man sie doch unter Gewinnung von Erkenntnissen subsumieren, da gerade bei ausländischen Nachrichtendiensten ein großer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist.194 Derzeit verliert die militärische Gegenspionage an Bedeutung und die wirtschaftliche und wissenschaftlichtechnische tritt an ihre Stelle.195 Man könnte annehmen, dass durch die Nr. 3, Erledigung sonstiger Aufträge der Bundesregierung, der BND auch zur Durchführung von sogenannten aktiven Maßnahmen berechtigt ist.196 Dabei ist zu erwähnen, dass das BNDG, anders als die anderen beiden Nachrichtendienstgesetze197, keinen expliziten Verweis auf Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) enthält. Dies soll nach Riegel kein Zufall sein und sei daher sehr bedenklich.198 Allerdings käme einem solchen Verweis ohnehin nur Symbolwirkung zu. Art. 20 Abs. 3 GG gilt als Verfassungsrecht auch für den BND als Teil der Exekutive, ohne zusätzliche Bekräftigung durch einfaches Recht.199 trolle der vereinbarten oder angekündigten Reduktionen, Potentiale auf den Gebieten der bakteriologischen, biologischen oder chemischen Waffen sowie Weltraum- und Raketentechnologie, Operationsplanungen in Krisengebieten, Politische Krisengebiete sowie regionale Krisen, internationaler illegaler Drogenhandel und ReaktorSicherheit, Rüstungskontrolle sowie Gegenspionage, darunter Abwehr Internationaler Wirtschaftsspionage. 193 Bei Spionageabwehr und Gegenspionage können sich Überschneidungen zwischen BfV und BND ergeben; Gegenspionage grundsätzlich nur Aufgabe des BND; während BfV grundsätzlich Spionageabwehr betreibt, jedoch ist auch der BND zur eigensichernden Spionageabwehr befugt und zumindest der absolute Ausschluss des BfV von Gegenspionage ist zweifelhaft, siehe hierzu Gröpl, S. 251. Jedoch sollen hier die Dienste grundsätzlich ihrer Aufgabenbeschreibung entsprechen, Gröpl, S. 251 f., zustimmend Haedge, S. 188. Der Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages zur Guillaume-Affäre (siehe hierzu näher S. 108 f.) geht von einem „engen Zusammenwirken“ von BfV und BND aus, ebenso § 2 Abs. 1 2 Zusammenarbeitsrichtlinien vom 23. Juli 1973 erforderlich, BT-Drs. 3246, S. 48 (ZAR dort abgedruckt), zustimmend Brenner, S. 102. 194 So auch Gröpl, S. 224; Rieger, ZRP 1985, 3 (4). 195 Lange/Krevert in: Lange, WB Stichwort Bundesnachrichtendienst, S. 30 (32). 196 Roewer § 1 PKKG Rn. 10, 17; Rieger, ZRP 1985, 3 (4 f.), ebenfalls trotz offizieller Dementi zweifelnd, ob dem BND nicht doch „operative Funktionen wie Subversion, Diversion und Sabotage zugewiesen sind oder ob er sie wahrnimmt“, Walde, S. 85. 197 Siehe § 3 Abs. 3 BVerfSchG, § 1 Abs. 5 MADG. 198 Riegel (1992), S. 121; hervorgehoben auch durch Gröpl, S. 225. 199 Zum Problem der Grundrechtsbindung im Ausland, siehe S. 298 ff.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 57

Daher muss auch die Nachrichtengewinnung im Ausland immer mit „rechtsstaatlich einwandfreien nachrichtendienstlichen Mitteln und Methoden betrieben werden“.200 Daher muss es sich, soweit man „sonstige“ noch für anwendbar hält, jedenfalls um rechtmäßige Aktionen handeln. Bei den erwähnten aktiven Maßnahmen handelt es sich aber um Aktionen, die zumeist schon völkerrechtlich verboten sind201, zudem im Ausland mit Strafe belegt sind, so dass diese im Ergebnis nicht zulässig sind. Insgesamt ergibt sich keine Befugnis zu aktiven Maßnahmen der deutschen Dienste.202 2. Datenerhebungsbefugnisse Auch die Befugnisse des BND werden durch zwei Gesetze geregelt.203 a) BNDG Zur Erfüllung seiner Aufgaben darf der Bundesnachrichtendienst gemäß § 2 Abs. 1 BNDG die erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen, 1. zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten, 2. für die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die für ihn tätig sind oder tätig werden sollen, 3. für die Überprüfung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Nachrichtenzugänge und 4. über Vorgänge im Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, wenn sie nur auf diese Weise zu erlangen sind und für ihre Erhebung keine andere Behörde zuständig ist. 200

Langkau, S. 183. Siehe hierzu ausführlich S. 313 ff. 202 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Aktive Maßnahmen (in Bezug auf westdeutsche Dienste), S. 20. 203 Die Befugnisse sind auch abschließend geregelt. Nicht zuzustimmen ist insoweit Gröpl, S. 227, der davon ausgeht, nur die Datenerhebung im Inland sei befugnisrechtlich abschließend geklärt; entscheidend ist vielmehr die Grundrechtsgebundenheit des Handelns des BND. Das BNDG ist abschließend. Soweit Gröpl, a. a. O. Ausnahmen nennt, fallen diese ggfs. schlicht nicht unter den Gesetzesvorbehalt, der wiederum nur im sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Grundrechte gilt, siehe hierzu S. 298 ff. 201

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Ferner darf der BND nach § 2 a BNDG Auskünfte entsprechend § 8 a BVerfSchG einholen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Gefahr für die in § 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis 4 und 6 G10 genannten Gefahrenbereiche auftreten. Die Maßnahmen dürfen sich nur gegen Beteiligte oder die in § 8 a Abs. 3 Nr. 2 BVerfSchG bezeichneten Personen richten. Anordnungsbefugt ist hier das Bundeskanzleramt nach § 2 a S. 4 BNDG. Bezüglich der besonderen Form der Datenerhebung gilt § 9 BVerfSchG nach § 3 BNDG analog. Demnach ist auch der BND zur optischen und akustischen Wohnraumüberwachung und zur Mobilfunkortung befugt. b) G10 Darüber hinaus stehen dem BND nach dem G10 gegenüber den beiden anderen Nachrichtendiensten erweiterte Befugnisse zu. Zusätzlich zu den Befugnissen, die auch dem BfV und dem MAD aufgrund des G10 zustehen, stehen dem BND nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 a G10 Befugnisse zu. Außerdem ist er nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–7, 8 Abs. 1 S. 1 G10 auch zu Beschränkungen der internationalen Kommunikationsbeziehungen befugt. Diese sogenannte strategische Kontrolle204 nimmt nicht auf einen bestimmten Kommunikationsteilnehmer Bezug, sondern der gesamte Inhalt der Kommunikationsbeziehungen wird mithilfe von Suchbegriffen durch einen Computer nach „Treffern“ durchforstet. Untersucht werden dabei die Daten beim „downlink“, das heißt im Datenstrom vom Satelliten auf die auf der Erdoberfläche befindliche Empfangsstation.205 Diese Datensuche wird auch als der „Staubsauger im Äther“ bezeichnet.206 Erforderlich ist hierfür das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 S. 3 G10. Danach darf der BND zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 1 G10 Beschränkungen der internationalen Telekommunikation, soweit eine gebündelte Übertragung207 erfolgt, anwenden, wenn es der Sammlung von 204 Auch der Begriff der Strategischen Kontrolle stellt keinen Rechtsbegriff dar. Er wird regelmäßig für die in § 5 G10 gebrauchte Tätigkeit benutzt, auch Strategische Fernmeldeüberwachung oder Strategische Rasterfahndung genannt, vergleiche hierzu Riegel, G10, Vorbem. Rn. 21. Der Begriff der Strategie soll nach Hochreiter, S. 21 auf die ursprüngliche Fassung des G10 von 1968 zurückzuführen sein, wo die Sammlung nur zur Abwehr eines bewaffneten Angriffkrieges auf die BRD zulässig war. 205 BVerfGE 100, 313 (377). 206 Die Bezeichnung stammt aus einem Gespräch des Spiegels mit dem BND-Abteilungsleiter Gerhard Güllich, Der Spiegel 15/1993, 65 (66). 207 Das umfasst neben der Übertragung durch Satellit auch die Übertragung mittels Lichtwellen- und Koaxialkabel (neuerdings auch vermehrt Glasfaserkabel), Paeffgen, StV 2002, 336 (337); Huber, NJW 2001, 3296 (3297). Gebündelt wird diese

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 59

Informationen über Sachverhalte dient, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr 1. eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland, 2. der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland, 3. der internationalen Verbreitung von Kriegswaffen im Sinne des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen sowie des unerlaubten Außenwirtschaftsverkehrs mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien in Fällen von erheblicher Bedeutung, 4. der unbefugten Verbringung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in die Bundesrepublik Deutschland, 5. der Beeinträchtigung der Geldwertstabilität im Euro-Währungsraum durch im Ausland begangene Geldfälschungen oder 6. der international organisierten Geldwäsche in Fällen von erheblicher Bedeutung208 7. des gewerbs- oder bandenmäßig organisierten Einschleusens von ausländischen Personen in das Gebiet der Europäischen Union in Fällen von erheblicher Bedeutung mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland a) bei unmittelbarem Bezug zu den Gefahrenbereichen nach Nr. 1 bis 3 oder b) in Fällen, in denen eine erhebliche Anzahl geschleuster Personen betroffen ist, insbesondere wenn durch die Art der Schleusung von einer Gefahr für ihr Leib oder Leben auszugehen ist, oder c) in Fällen von unmittelbarer oder mittelbarer Unterstützung oder Duldung durch ausländische öffentliche Stellen rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. Übertragungsart genannt, da die jeweiligen Daten an den Kommunikationsknotenpunkt der Welt jeweils gesammelt, also „gebündelt“ werden, um dann gemeinsam und damit möglichst kostengünstig, weitertransferiert zu werden. Dies stellt gegenüber der Vorgängerfassung von 1994 (Gesetz vom 28. Oktober 1994, BGBl. I, S. 3186) eine deutliche Erweiterung der Eingriffsbefugnis dar, da dort nur die nicht leitungsgebundene Kommunikation (Satellitenverkehr, Richtfunkverkehr) erfasst war. Diese Erweiterung wurde bewusst eingefügt, um den technischen Entwicklungen gerecht zu werden; siehe BT-Drs. 14/5655, S. 17 f. 208 Bezüglich des § 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 3–6 G10 bestehen trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 100, 313 ff. weiterhin Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit, sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht fort: Zöller, Informationssysteme, S. 363 ff.; Köhler, StV 1994, 386 (388); Möstl, DVBl. 1999, 1394 (1395 ff.); Staff, KJ 1999, 586 ff. Zur fehlenden Auswirkung der Verfassungswidrigkeit auf die Verwertbarkeit, siehe S. 192 ff.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Bei Gefahr eines bewaffneten Angriffs dürfen auch Beschränkungen des Postverkehrs angeordnet werden (§ 5 Abs. 1 S. 4 G10). Die Bedeutung der strategischen Kontrolle wird besonders deutlich, wenn man sich die zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens aktuellen Kommunikationsdaten ansieht209: Weltweit fallen täglich mehrere Milliarden Telekommunikationen an. Davon werden circa 50 Millionen von und nach Deutschland geführt. Die Empfangsanlangen des BND sind so ausgelegt, dass sie täglich etwa 100.000 Telekommunikationen erfassen und in die Wortbank einleiten können.210 Unter diesen 100.000 befinden sich ungefähr 750, die von oder nach Deutschland geführt werden. Hiervon enthalten circa. 40 die gesuchten Begriffe. Sie werden inhaltlich und rechtlich überprüft. Erfahrungsgemäß werden davon wiederum drei der weiteren Auswertung zugeführt, der Rest vernichtet. Weitergehende Maßnahmen sind nach § 5 Abs. 2 S. 3 G10 zulässig. Danach dürfen im Ausland Anschlüsse gezielt überwacht werden, sofern weder ein deutscher Staatsangehöriger noch eine deutsche Gesellschaft erfasst ist.211 Ferner darf der BND nach § 8 Abs. 1 G10 Beschränkungen der internationalen Telekommunikation, soweit eine gebündelte Übertragung erfolgt, durchführen, wenn dies erforderlich ist, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für Leib oder Leben einer Person im Ausland rechtzeitig zu erkennen oder ihr zu begegnen und dadurch Belange der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar in besonderer Weise berührt sind.212 Dies bezieht auch Personen mit ein, die ständig in der Bundesrepublik Deutschland leben, jedoch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sowie Fälle, in denen sich die Forderungen der Geiselnehmer gegen Deutsche richten.213 Begrenzt werden die Überwachungsmöglichkeiten tatsächlich aufgrund der vorhandenen technischen Möglichkeiten und rechtlich durch § 10 Abs. 4 S. 4 G10, wonach die Überwachungen nicht mehr als 20% der technisch möglichen Übertragungen betragen dürfen.

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BT-Drs. 14/5655, S. 18. Die Angaben stammen von 1999 aus dem Verfahren BVerfGE 100, 313 (337), da der BND sonst, anders als die Strafverfolgungsbehörden, keine regelmäßigen Zahlen veröffentlicht. 211 Vgl. hierzu S. 301 ff. Kritik wird der Regelung deswegen entgegen gebracht, da sie partiell den Weg zur Individualkontrolle eröffne, Huber, NVwZ 2000, 393 (394) (zur a. F.). 212 Zum politischen Hintergrund siehe Zöller, Informationssysteme, S. 379 f. 213 BT-Drs. 14/5655, S. 22. 210

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 61

IV. Militärischer Abschirmdienst Obwohl der Militärische Abschirmdienst (MAD) bereits 1956214 gegründet wurde, trat das erste MAD-Gesetz erst 1990, zeitgleich mit dem ersten BNDG, in Kraft.215 Der MAD ist Teil der Bundeswehr.216 Er ist untergliedert in das Amt für den militärischen Abschirmdienst (kurz MAD-Amt) und 14 nachgeordnete MAD-Stellen.217 1. Aufgaben Ihm obliegen die Aufgaben des Verfassungsschutzes im Bereich der Bundeswehr, vor allem Extremismusbeobachtung, Spionageabwehr und Geheimschutz.218 Zudem ist der MAD verantwortlich für die Beurteilung der Sicherheitslage bei der Bundeswehr. Deswegen wird er auch als „Nachrichtendienst (oder Verfassungsschutz) der Bundeswehr“ und das MADG als lex specialis zum BVerfSchG bezeichnet.219 214 Durch Organisationsakt des Bundesministeriums für Verteidigung nach Art. 65 a GG, Hansalek, S. 26. Laut König, S. 96 wurde mit den „entsprechenden Vorarbeiten“ bereits 1954 begonnen, zu Ausführungen zu dem Vorgänger „Amt Blank“ siehe dort. Ein Jahr später wurde das „Amt für die Sicherheit der Bundeswehr“ gegründet, dass seit 1984 Amt für den Militärischen Nachrichtendienst heißt. Als Nachfolger des früheren Amtes für Sicherheit der Bundeswehr (ASBw), dessen Umbenennung im Zuge der Aufarbeitung der „Kießling-Affäre“ (siehe BT-Drs. 10/1604) und einer allgemeinen Umstrukturierung erfolgte, siehe Hansalek, S. 27 f. 215 Schütte in: Lange, WB zur Inneren Sicherheit, Stichwort Militärischer Abschirmdienst, S. 202; vorher waren Aufgaben und Organisation in unveröffentlichten (!) Erlassen des Bundesministeriums für Verteidigung geregelt, Hansalek, S. 28. 216 Schütte in: Lange, WB zur Inneren Sicherheit, Stichwort Militärischer Abschirmdienst, S. 202; Alff, Der MAD in: Sicherheitsdienste des Bundes, 99 (111); Hansalek, S. 26. Truppendienstlich ist der MAD dem Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis unterstellt, Alff, Der MAD in: Sicherheitsdienste des Bundes, 99 (111). 217 Haedge, S. 173; Droste, S. 647. 218 Schwerpunkte der Inlandsabschirmung des MAD liegen auf dem internationalen Extremismus und Terrorismus, wobei der MAD darauf zielt, frühzeitig Bestrebungen von „Innentätern“ zu erkennen. Zum anderen spielt auch die Spionageabwehr eine wichtige Rolle, da durch die intensive Zusammenarbeit mit ehemals verfeindeten Diensten einerseits und dem internationalen auch militärischen Engagement der Bundesrepublik andererseits die militärischen Fähigkeiten der Bundesrepublik von Interesse sind. Rechtsextremismus und Linksextremismus spielen in der Bundeswehr dagegen keine Rolle, da derartige Vorfälle meistens auf Einzeltätern beruhen und keine Bestrebungen darstellen, siehe Alff, Der MAD in: Sicherheitsdienste des Bundes, 99 (114 ff.). 219 Vgl. nur Gröpl, S. 242 ff.; Brenner, S. 12. Weitere Aufgaben werden dem MAD in Zentralen Dienstvorschriften, Erlassen und Weisungen des BMVg übertragen, zum Beispiel Beratungen der Dienststellen der Bundeswehr, Unterstützung der

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

2. Datenerhebungsbefugnisse Der MAD stützt seine Befugnisse wiederum auf zwei Gesetze. a) MADG Zur Erfüllung seiner Aufgaben darf der MAD nach § 4 MADG die erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten nach § 8 Abs. 2, 4 und 5 BVerfSchG erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen entgegenstehen. Nach § 4 a MADG i. V. m. § 8 a BVerfSchG gelten die Bestimmungen über die besonderen Auskunftsverlangen entsprechend unter der Voraussetzung, dass Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Gefährdung der in § 1 Abs. 1 MADG genannten Schutzgüter vorliegen und die Erhebung erforderlich ist. Nach § 5 HS 2 MADG gelten die Bestimmungen bezüglich des Lauschangriffes und der Mobilfunkortung für den MAD entsprechend (§ 9 Abs. 2–4 BVerfSchG). Damit kann an dieser Stelle auf die Ausführungen zum Bundesamt für Verfassungsschutz verwiesen werden.220 Zur Erfüllung der Aufgabe der Beurteilung der Sicherheitslage nach § 1 Abs. 2 MADG stehen ihm keine Datenerhebungsbefugnisse zu. Ferner sind seine Befugnisse durch seine Aufgaben zweifach beschränkt. Zum einen ist er sachlich nur zuständig für Tätigkeiten im Geltungsbereich des MADG, zum anderen ist er auch personell grundsätzlich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung (BMVg) beschränkt. „Täter“ und „Opfer“ müssen zu diesem Geschäftsbereich gehören. Ausnahmen werden lediglich durch § 2 und § 3 Abs. 2 MADG gemacht.221 Adressaten der Datenerhebung dürfen daher grundsätzlich nur die Angehörigen des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung sowie Personen, die in ihm tätig sind oder in ihm tätig sein sollen (siehe § 1 Abs. 1 MADG), sein.222 Lehreinrichtungen und Untersuchungen der eingehenden Post auf gefährliche Inhalte, wobei Befugnisse nach dem MADG hierfür nicht eingesetzt werden dürfen, Alff, Der MAD in: Sicherheitsdienste des Bundes, 99 (103). 220 Siehe S. 35 ff. 221 Droste, S. 650. 222 Personen gehören dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung an, wenn sie in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu der Bundesrepublik Deutschland stehen und aus dem Einzelplan 14 des Bundeshaushalts ausgebrachten Haushaltsmitteln bezahlt werden. Dies gilt

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 63

Zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten kann der MAD, soweit es im Einzelfall zwingend erforderlich ist, seine Befugnisse aber auch gegenüber Personen ausüben, die dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nicht angehören oder nicht in ihm tätig sind (§ 2 Abs. 2 MADG). Zudem wirkt der MAD an Sicherheitsüberprüfungen für das Bundesministerium für Verteidigung sowie bei den notwendigen technischen Sicherheitsmaßnahmen mit. Alle Datenerhebungen stehen nach § 5 MADG ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. b) G10-Gesetz Dem MAD stehen aus dem G10-Gesetz die gleichen Befugnisse zu wie dem BfV. Daher kann auch an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.223

V. Besondere Datenerhebungsverbote Nachdem nun umfassend die Datenerhebungsbefugnisse dargelegt wurden, soll noch auf die Grenzen derselben eingegangen werden. Neben den Grenzen, die sich aus den geschriebenen Befugnissen ergeben, sind auch solche aus der Verfassung selbst zu beachten. a) Menschenwürde Unabwägbar ist stets der unantastbare Kern der Persönlichkeit.224 Dieser setzt jeder Datenerhebung von vornherein Grenzen, wobei im Einzelfall Schwierigkeiten bestehen können, a priori festzustellen, dass eine entsprechende Datenerhebung zu einem solchen Eingriff führen wird.225 auch für die Dauer ihrer Beurlaubung, Entsendung, Kommandierung oder Abordnung, sofern nicht im Einzelfall aufgrund gesonderter Reglung eine andere Stelle zuständig ist. Im Geschäftsbereich tätig sind Personen dann, wenn sie dort, ohne ihm anzugehören, überwiegend aufgrund anderer Rechtsverhältnisse Dienst- oder Werkleistungen erbringen. Hierunter fallen nicht Personen, die Leistungen aufgrund von Wartungs- oder Lieferungsverträgen erbringen; BT-Drs. 11/4306, S. 67. 223 Vgl. oben unter S. 52 f. 224 Zur Existenz eines solchen Kernbereiches siehe BVerfGE 6, 32 (41); 32, 373 (378 f.); 34, 238 (245); 80, 367 (373). 225 Siehe hierzu auch Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 206.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Auch eine Observation kann so ausgestaltet sein, dass sie grundrechtswidrig ist. Dies kann sich insbesondere aus Aspekten der Dauer, Intensität, Finalität und Systematik der Überwachung ergeben.226 Eine räumliche und zeitliche Rundumüberwachung, die geeignet wäre, ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen, ist jedenfalls unzulässig.227 Für Maßnahmen nach dem G10 ist der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nun ausdrücklich in §§ 3 a, 5 a G10 geregelt.228 Eine vergleichbare ausdrückliche Regelung in den übrigen Nachrichtendienstgesetzen fehlt bislang. Schon hier sei angemerkt, dass sich aus Gründen der Klarstellung eine solch deklaratorische Regelung empfiehlt, da durch eine fehlende Regelung im Gegensatz zu den ausdrücklichen Regelungen im Rahmen des G10 und der StPO eine falsche Signalwirkung gesetzt wird. b) Verfassungsrechtlicher Schutz von Vertrauensbeziehungen Als besonders schutzwürdig gelten auch verschiedene Vertrauensbeziehungen. Dies spiegelt sich in der Strafprozessordnung vor allem in den §§ 52, 53, 53 a StPO wider. Auch für das G10 hat der Gesetzgeber mittlerweile eine parallele Regelung getroffen. Nach § 3 b Abs. 1 G10 sind Individual-Maßnahmen gegen von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 4 StPO geschützte Personen, also den Geistlichen, den Strafverteidiger und den Abgeordneten, unzulässig und dennoch erlangte Erkenntnisse unterliegen einem Verwertungsverbot. Gleiches gilt nach § 3 b Abs. 1 S. 4 G10, wenn Erkenntnisse zufällig erlangt wurden. Die in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 bis 3b oder Nr. 5 StPO genannten Personen sind dagegen gemäß § 3 b Abs. 2 G10 nur bei Unverhältnismäßigkeit geschützt. Absatz 3 erweitert den Schutz der beiden vorherigen Absätze noch um die in § 53 a StPO genannten Personen. Der Schutz nach den vorhergehenden Absätzen greift allerdings laut § 3b Abs. 4 G10 dann nicht, wenn die zeugnisverweigerungsberechtigte Person Verdächtiger im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 2 G10 ist oder tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass es sich bei dieser um einen Nachrichtenmittler für eine in § 3 Abs. 1 G10 bezeichnete Bestrebung handelt. Auch in den Landesverfassungsschutzgesetzen finden sich entsprechende Vorschriften. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Vorschriftstypen. Einmal darf der jeweilige Landesverfassungsschutz Personen, die unter die §§ 53, 53 a StPO fallen, nicht von sich aus zur Beschaffung von Informationen in 226 227 228

Deutsch, S. 144. BVerfGE 109, 279 (323); König, S. 217. BGBl. 2009, I, S. 2499.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 65

Anspruch nehmen, auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht bezieht.229 Nach anderer Regelung230 ist in den Fällen des § 53 StPO die Informationsbeschaffung unter Einsatz von V-Leuten oder sonstigen geheimen Informanten oder Gewährspersonen, durch Verdeckte Ermittler oder heimliches Mithören oder Aufzeichnen des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes unzulässig; wird dies erst bei oder nach der Maßnahme bemerkt, unterliegen die Erkenntnisse einem Verwendungsverbot. Für die in § 53 a StPO aufgezählten Personen ist eine Abwägung zu treffen. Gleiches gilt auch für Daten aus Wohnraumüberwachungen. Damit besteht einzig für die Datenerhebungen nach dem BVerfSchG, dem MADG und dem BNDG keine gesetzliche Regelung der Zeugnisverweigerung. Es stellt sich daher die Frage, ob die entsprechenden Normen eine verfassungsrechtliche Grundlage dergestalt haben, dass ihr Inhalt ungeschrieben auch für (bundes-)nachrichtendienstliche Datenerhebung gilt.231 Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Zeugnisverweigerungsrechte finden sich in der strafprozessualen Literatur wenig Hinweise.232 Dies erklärt sich aufgrund der ausdrücklichen Aufzählung der zulässigen Rechte sowie der Tatsache, dass weitere Verweigerungsrechte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht ausgeschlossen sind, hierfür aber hohe Hürden bestehen.233 Auch in der Neufassung des G10 findet sich keine Begründung zur neu eingeführten Norm des § 3 b G10. aa) Verwandtschaft Gegen einen aus § 52 StPO abgeleiteten absoluten Schutz von Verwandtschaftsbeziehungen bei Befragungen spricht schon, dass bei verdeckten 229 § 8 Abs. 2 S. 2 VSG Bln, § 10 Abs. 1 S. 3 LVerfSchG M-V, § 6 Abs. 1 S. 2 NVerfSchG. 230 §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 4 BremVerfSchG, § 5a Abs. 7 SächsVSG. 231 Betrachtet man das Polizeirecht der Länder, so existieren dort verschiedene Modelle zur Berücksichtigung von Vertrauensbeziehungen: Entweder wird auf einen besonderen Schutz gänzlich verzichtet, auf die strafprozessualen Rechte verwiesen oder aber der Schutz sowohl bei offener als auch bei verdeckter Erhebung ausdrücklich angeordnet. Sie gehen davon aus, dass im Rahmen der Gefahrenabwehr eine bedingungslose Abschottung wohl kaum zu rechtfertigen sei. Argumentiert wird damit, dass eine heimliche Durchbrechung nicht so schwerwiegend sei, da dem Betroffenem keine offene Durchbrechung des Vertrauensverhältnisses zugemutet wird, siehe hierzu Würtenberger/Schenke, Vertrauensverhältnisse in: StPO-E, 303 ff. (insbesondere 314 ff.). 232 Gärditz/Stuckenberg, Funktion und ratio in: StPO-E, 99 (129 f.) bezeichnen die verfassungsrechtliche Rückanbindung der Zeugnisverweigerungsrechte als ungeklärt. 233 BVerfGE 33, 367 (382 ff.).

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Maßnahmen im Strafprozess weder § 52 StPO noch § 252 StPO Anwendung finden sollen. Die für deren Anwendungsbereich typische Konfliktlage besteht bei heimlichen Maßnahmen nicht, da der Zeuge nicht weiß, dass er mit Strafverfolgungsbehörden konfrontiert wird; eine Ausnahme solle nur dann gelten, wenn V-Leute gezielt zur Umgehung von Zeugnisverweigerungsrechten eingesetzt werden.234 Ferner ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch nicht stets mit dem des § 52 StPO identisch, da nicht an das tatsächlich bestehende Vertrauenskriterium angeknüpft wird, sondern allein an das formale Verwandtschaftsverhältnis.235 Soweit daher nicht schon der Kernbereich berührt ist, ist ein Ausgleich nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu finden.236 Ein absolutes, verfassungsrechtliches Erhebungsverbot lässt sich hieraus nicht ableiten. § 53 StPO schützt dagegen in einigen Fällen Vertrauensverhältnisse, die Ausdruck der Menschenwürde des Beschuldigten oder seines Gesprächspartners sind.237 Es ist daher zu überprüfen, auf welche der dort genannten Beziehungen dies zutrifft. bb) Seelsorger Dies gilt jedenfalls für den geistlichen Seelsorger, da der Schutz der Beichte oder der Gespräche mit Beichtcharakter zu dem verfassungsrechtlichen Menschenwürdegehalt der Religionsausübung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG gehört. Dieses forum internum ist dem staatlichen Eingriff unzugänglich (Beichtgeheimnis), so dass selbst ein Eingriff zur Gefahrenabwehr stets unzulässig ist.238 Das Beichtgeheimnis wird verfassungsrechtlich absolut geschützt.239 Die Besonderheit ist hierbei, dass sowohl der Beichtende als auch der geistliche Seelsorger sich auf diesen Schutz berufen können.240

234 v. Stetten, S. 149 in Bezug auf den Verdeckten Ermittler; BGHSt 40, 211 (214 f.); Beulke, StPO, Rn. 481 f. 235 BVerfGE 109, 279 (322). 236 So auch Bludovsky, S. 102, der jedoch übersieht, dass bei dem Verteidiger zum Beispiel Art. 1 GG einschlägig wäre; Deutsch, S. 152. 237 BVerfGE 109, 279 (322 f.). 238 Evers, Privatsphäre, S. 136, 172. 239 BVerfGE 109, 279 (322 f.); Deutsch, S. 90, so jedenfalls auch Paeffgen, Zeugnisverweigerungsrechte in: StPO-E, 215 (226) in Bezug auf eine akustische oder optische Überwachung des Beichtstuhls. 240 So ist wohl BVerfGE 109, 279 (322 f.) zu verstehen, da ansonsten die erwähnte Alternative der Menschenwürde des Gesprächspartners nie einschlägig wäre.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 67

cc) Verteidiger Im Strafverfahren sind Überwachungen bei dem Verteidiger241 verboten.242 Dem Gespräch mit dem Verteidiger kommt menschenwürdewahrende Funktion zu, da der Beschuldigte dadurch darauf hinwirken kann, nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens zu werden.243 Dieses Überwachungsverbot gilt auch, anders als bei der Beschlagnahme, in Fällen des Kollusionsverdachts, da mündliche Mitteilungen in der StPO stärker geschützt sind und auch sonst für die entsprechende Anwendung kein Raum verbleibt.244 Ob sich daraus jedoch Folgerungen für ein Verbot nachrichtendienstlicher Überwachung ableiten lassen, ist fraglich. Zwar dürfen sicherlich so erlangte Erkenntnisse im Strafverfahren keine Verwendung finden. Jedoch widerspricht dies der Erhebung zu präventiven Zwecken nicht. Die Sphäre zwischen Verteidiger und Beschuldigten ist nicht per se schutzwürdig, sondern nur im Zusammenhang mit einem Strafverfahren. Die Offenbarung von begangenen Straftaten selbst gehört nicht zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung.245 Werden die so erlangten Daten nicht gegen ihn im Rahmen eines Strafverfahrens verwendet, so wird der Beschuldigte auch nicht zum Objekt eben dieses Verfahrens. Damit scheiden auch Verstöße gegen die verfassungsrechtlich garantierte Selbstbelastungsfreiheit aus. dd) Journalist Obwohl auch Journalisten besondere Vertrauensbeziehungen zu ihren Informanten unterhalten, zeigen sowohl die Regelungen der §§ 53, 160 a StPO als auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts246 deut241

Umstritten ist dagegen, ob dies auf (Straf-)Verteidiger beschränkt ist oder nicht vielmehr jeder Anwalt hierunter fallen müsste, siehe hierzu Kühne, StV 1998, 685 f. (Anmerkung zum Fall Kopp (Schweiz) vor dem EGMR StV 1998, S. 683 ff.). Ausdrücklich für Strafverteidiger, König, S. 215. Siehe hierzu auch LR/ Schäfer, 25. Aufl., § 100 a Rn. 73. 242 BVerfGE 109, 279 (322); Evers, Privatsphäre, S. 218; SK/Rogall, StPO, § 100 a Rn. 17 ff., 28; Wolter, Zeugnisverweigerungsrechte in: StPO-E, 45 (47). Wolter fordert außerdem eine gesetzliche Verankerung, da die Art. 1 Abs. 1, 19 Abs. 2 GG sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip hierzu nicht ausreichten, a. a. O., 45 (52); gegen eine Regelungspflicht wiederum Würtenberger/Schenke, JZ 1999, 548 (554). 243 BVerfGE 109, 279 (322). 244 BGHSt 33, 347 (351 f.) mit Nachweisen zur Gegenauffassung. 245 BVerfGE 80, 367 (375) zur Verwertbarkeit von Tagebüchern. 246 BVerfGE 109, 279 (323); 107, 299 (332); gleiches ergibt sich nach Würtenberger/Schenke in: Zeugnisverweigerungsrechte, 303 (309) aus der Tatsache, dass

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lich, dass damit kein Kernbereich der Persönlichkeit des Informanten, aber auch nicht der Medienfreiheit betroffen ist. So legt das Gericht dar, dass zwar der Medienfreiheit ein erhebliches Gewicht zukomme, gerade im öffentlichen Interesse, aber auch die Strafverfolgungstätigkeit für den Rechtsstaat hohe Bedeutung habe, so dass es verfassungsrechtlich nicht begründbar sei, das Strafverfolgungsinteresse grundsätzlich hinter dem Rechercheinteresse der Medien zurücktreten zu lassen.247 Gleiches gilt für das nachrichtendienstliche Aufklärungsinteresse. Aufgrund der hohen Bedeutung der Medienfreiheit als konstituierendes Element der Demokratie, darf eine Interessenabwägung aber nicht leichtfertig zugunsten der nachrichtendienstlichen Überwachung ausfallen. Dass das Gewicht der Medienfreiheit und des Informantenschutzes der Journalisten in der Vergangenheit bereits verkannt wurde, zeigt ein Bericht aus dem Jahr 2006 des Sachverständigen des Parlamentarischen Kontrollgremiums „zu den in der Presse erhobenen Vorwürfen, der Bundesnachrichtendienst habe über längere Zeiträume im Inland Journalisten rechtswidrig mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht, um so deren Informanten zu enttarnen“.248 Dabei war eine Überwachung in Einzelfällen rechtswidrig gewesen, da die Maßnahmen nicht erforderlich waren.249 Der Bericht hielt darüber hinaus fest, dass die Nutzung von Journalisten als Quellen, die dem BND ebenfalls vorgeworfen wurde, keine rechtliche, sondern allein eine sich für den sich beteiligenden Journalisten stellende ethische Frage sei.250 Als Folge des Skandals wurden die Überwachungen von Journalisten auf Weisung des Präsidenten des BND vollständig eingestellt.251 Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies angesichts der fehlenden verfassungsrechtlichen Notwendigkeit weiterhin gilt. Ein absolutes Überwachungsverbot greift daher für Journalisten nicht.252

das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 100, 313 (365) Art. 5 Abs. 1 2 GG lediglich inzident prüft. 247 BVerfGE 107, 299 (332). 248 Gutachten des vom Parlamentarischen Kontrollgremiums beauftragten Sachverständigen Dr. Gerhard Schäfer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a. D. vom 26. Mai 2006 (Für die Veröffentlichung bestimmte Fassung), abrufbar unter http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=1284&id=1134, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. 249 Siehe Gutachten, S. 172 ff. 250 Siehe Gutachten, S. 177. 251 Siehe Gutachten, S. 176. 252 Paeffgen, Zeugnisverweigerungsrechte in: StPO-E, 215 (227) betont, dass eine Regelung nach Muster des § 53 StPO nicht zwingend ist.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 69

ee) Abgeordneter Auch bei Abgeordneten wird, hauptsächlich in der strafprozessualen Literatur, vertreten, dass aus Art. 47 GG ein absolutes Beweiserhebungsverbot folge.253 Die Neuregelung des § 3 b G10 lässt ähnliches vermuten. Eine Übertragung auf die nachrichtendienstliche Überwachung insgesamt scheitert jedoch daran, dass die Überwachung weder die Immunität der Abgeordneten254, da es nicht um Strafverfolgung255 geht, noch deren Indemnität verletzt. Für die richtige Beurteilung von möglichen Beweiserhebungsverboten muss zwischen einer gegen den Abgeordneten selbst gerichteten Überwachung und einer gegen einen Dritten gerichteten Überwachung unterschieden werden. Bei der Überwachung eines Dritten, von der der Abgeordnete betroffen ist, darf nach § 3 Abs. 2 S. 4 G10 die Abgeordnetenpost nicht überwacht werden.256 Insoweit bleibt kein Raum für einen Verstoß gegen Art. 47 S. 2 GG. Aus der Regelung kann im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass alle übrigen Maßnahmen verfassungsrechtlich zulässig sind. Richtet sich die Überwachung gegen den Abgeordneten selbst, scheidet ein Verstoß gegen Art. 46 Abs. 2 GG schon deswegen aus, weil die Nachrichtendienste zur Gefahrenabwehr und nicht zur Strafverfolgung tätig werden. Teilweise wird vertreten, dass in der Überwachung eine Beschränkung der persönlichen Freiheit nach Art. 46 Abs. 3 GG läge, so dass eine Genehmigung für die Überwachung erforderlich wäre. Versteht man hingegen Art. 46 Abs. 3 GG richtiger Weise als Schutznorm für einen räumlich-gegenständlichen Bereich, entfällt auch dieser Argumentationsstrang.257 Einen Bezug zum Kernbereich privater Lebensgestaltung weist das Zeugnisverweigerungsrecht nicht auf, geschützt werden soll allein die Funktionsfähigkeit der Institution.258 Aber auch die Gegenauffassung, die eine Genehmigung grundsätzlich für erforderlich hält, sieht diese durch die Anordnungs253 Wolter, Zeugnisverweigerungsrechte in: StPO-E, 45 (47); SK/Rudolphi, StPO, § 100 a Rn. 20; LR/Schäfer § 100 a, 25. Aufl., Rn. 70. 254 Wiefelspütz, NVwZ 2003, 38 (43). 255 A. A. wohl Evers, Privatsphäre, S. 207 ff., der angeblich zwischen verschiedenen Aufgaben differenziert, sich aber letztlich doch ausschließlich mit der Strafverfolgung beschäftigt. „Da die ÄfV polizeiliche Erkundungsaufgaben in eigener Zuständigkeit zu lösen haben, gilt für sie das Verbot des Art. 46 Abs. 2 GG [. . .]“; Evers, Privatsphäre, S. 209. 256 Siehe hierzu auch Dach, ZRP 1992, 1 ff. Es handelt sich um die einfachgesetzliche Konkretisierung des Beschlagnahmeverbots aus Art. 47 S. 2 GG. 257 Siehe hierzu BK/Magiera Art. 46 Rn. 78; AK/Schneider Art. 46 Rn. 15; a. A. Borchert, DÖV 1992, 58 (59). 258 BVerfGE 109, 279 (323); a. A. Evers, Privatsphäre, S. 210.

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entscheidung der G10-Kommission als ersetzt.259 Eine (zusätzliche) Genehmigung ist damit in keinem Fall erforderlich.260 Jedoch muss aber der unverzichtbare Kern des Abgeordnetenschutzes, der Schutz der Funktionsfähigkeit der Institution, gewahrt bleiben.261 Einen verfassungsschutzfreien Bereich parlamentarischer Tätigkeit gibt es darüber hinaus nicht.262 Hierfür spricht auch ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der darauf hinweist, dass die nachrichtendienstliche Beobachtung von Abgeordneten erhebliche Gefahren für deren Unabhängigkeit (Art. 30 Abs. 1 S. 2 GG) sowie die Mitwirkung der betroffenen Parteien bei der demokratischen Willensbildung (Art. 21 GG) birgt, jedoch eine solche Beobachtung nicht als absolut unzulässig einstuft.263 Daher ist ein Abgeordneter gegen nachrichtendienstliche Überwachung außerhalb dieses Kernbereiches nur bei Unverhältnismäßigkeit geschützt. ff) Ergebnis Damit besteht ein absolutes und umfassendes Erhebungsverbot aus verfassungsrechtlichen Gründen nur hinsichtlich des Geistlichen. Für die anderen Berufsträger wird nur von einer Beschränkung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgegangen.264 Diesem Ergebnis widersprechen auch nicht die abweichenden Regelungen in den Landesverfassungsschutzgesetzen und dem neuen G10. Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, über das verfassungsrechtliche Minimum hinaus Regelungen zu treffen. Dies ist auch angesichts der Kooperation von Polizei und Nachrichtendiensten durchaus sinnvoll, da in den beiden nicht erfassten Fallgruppen ein Verwertungsverbot notwendig wird, sobald ein Bezug zum Strafverfahren hergestellt wird. Die Wertungen sind auch auf die Berufshelfer nach § 53 a StPO zu übertragen, da insoweit ein abgeleiteter Schutz besteht, wie sich aus der Verzichtsmöglichkeit für den Träger des Verweigerungsrechtes aus § 53 StPO ergibt. Daher bietet es sich an, dass der Gesetzgeber auch für die übrigen drei Nachrichtendienste eine explizite Regelung hinsichtlich der Erhebungsverbote trifft. Zwar ist verfassungsrechtlich nur das Beichtgeheimnis zwingend 259 Riegel, § 2 Rn. 25; a. A. Borchert, DÖV 1992, 58 (60), der die Rolle der G10-Kommission offensichtlich übersieht. 260 Dazu, dass der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschaftsordnung dies schon anders gesehen hat, Wiefelspütz, NVwZ 2003, 38 (43). 261 BVerfGE 109, 279 (323); ebenso Droste, S. 367. 262 Droste, S. 366 f. 263 BVerfG DVBl. 2009, 1103 ff. 264 LR/Schäfer, 25. Aufl., § 100 a Rn. 71; SK/Rudolphi, StPO, § 100 a Rn. 21 (wobei hier der Verteidiger mit eingeschlossen ist).

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 71

absolut zu schützen, jedoch ist erwägenswert, ob nicht eine zu den übrigen Regelungen parallele Vorschrift sinnvoll wäre. Dass dies mit dem Informationsinteresse der Nachrichtendienste unvereinbar sei, scheint der Gesetzgeber bei der Schaffung der Neuregelung des G10 nicht angenommen zu haben. Daher muss dies auch nicht zwingend für die übrigen Datenerhebungen gelten, so dass eine parallele Regelung möglich erscheint. Praktisch stellt sich das Problem, dass bei strategischen G10-Maßnahmen durch den BND a priori selten eindeutig ist, welche Anschlüsse in den Bereich der Überwachung fallen werden und so mangels praktischer Realisierbarkeit der Echtzeit-Überwachung ein solcher Eingriff nicht zu verhindern ist.265 Für Individualmaßnahmen nach § 3 b Abs. 1 S. 2 G10 löst der Gesetzgeber dieses Problem durch ein nachträgliches Verwertungsverbot. Dies muss jedoch auch für die in § 3 b Abs. 2, 3 G10 Konstellationen sowie für die strategische Überwachung aus verfassungsrechtlichen Gründen gelten. Sofern also die Überwachung im Einzelfall die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschreitet oder im Falle der strategischen Überwachung ein absolutes Beweiserhebungsverbot bestand266, muss dies auch durch ein nachträgliches Verwertungsverbot bestärkt werden. Dies gilt stets, wenn Daten erlangt werden, die aus den oben aufgezählten verfassungsrechtlichen Gründen nicht hätten erlangt werden können.267 c) Parteien und sonstige Vereinigungen Bei der Überwachung von nach Art. 9, 21 GG geschützten Vereinigungen oder Parteien268 ist die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen anerkannt, deren möglicher Umfang hingegen umstritten.269 Rechtsgrundlage ist in beiden Fällen die nachrichtendienstliche Generalklausel.270 265 Darauf weist auch Jahn, Gutachten, C 88 zu Recht hin; ebenso Welp, Strafprozessuale Überwachung, S. 203. 266 BGHSt 33, 347 (352). 267 Siehe hierzu S. 124 ff. 268 Unproblematisch sind dagegen diejenigen Vereinigungen, die die Voraussetzungen von Art. 9 beziehungsweise Art. 21 GG nicht erfüllen, wie zum Beispiel reine Ausländervereine, solange der Eingriff, dann in Art. 2 Abs. 1 GG, verhältnismäßig ist. Zur Problematik von EU-Ausländern und Grundrechten siehe Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art. 2 Abs. 1 Rn. 35; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 19 Rn. 12, 21. Zu Protesten von Staaten beim Einbau von Wanzen, siehe Nachweise Polakiewicz, ZaÖRV 50 (1990), 761 (780). 269 Vergleiche Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 71. Insbesondere ist kein gerichtlicher Ausspruch der Verfassungsfeindlichkeit Voraussetzung für eine Beobachtung; vielmehr dienen die Beobachtungen zur Beurteilung des in Frage stehenden Verhaltens als verfassungsgemäß beziehungsweise -widrig.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Im Rahmen des NPD-Verbotsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass, soweit keine besonderen Rechtfertigungsgründe vorliegen, jedenfalls im Parteiverbotsverfahren strikte Staatsfreiheit erforderlich ist, so dass V-Leute rechtzeitig vor Eingang des Verbotsantrages beim Bundesverfassungsgericht, spätestens bei öffentlicher Bekanntgabe der Absicht der Antragsstellung, aus den Führungsgremien der Partei vor Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens zu entfernen sind.271 Weiteres ließ das Gericht ausdrücklich offen.272 Daraus lässt sich im Umkehrschluss aber ableiten, dass zwar in der Führungsebene grundsätzlich V-Leute verboten sind, in der Partei selbst aber nicht.273 Die Grenze sieht das Bundesverfassungsgericht irgendwo zwischen der unbedenklichen Beobachtung öffentlicher Quellen der Parteien und einer Beobachtung durch eine V-Person, welche „gezielt und wirkungsvoll Einfluss auf die Willensbildung der Vorstände einer politischen Partei auf Bundes- oder Landesebene nehmen, so dass der Sache nach von einer Veranstaltung des Staates gesprochen und der Partei demgemäß ihr Status als Partei abgesprochen werden müsste“.274 Während also sich der durch bloße Mitgliedschaft bewirkte Eingriff mit den hochrangigen Zielen des Verfassungsschutzes bei Verhältnismäßigkeit im Einzelfall rechtfertigen lässt275, so muss eine aktive Betätigung und Einflussnahme auf die Vereinigung stets ausscheiden.276 d) Versammlungen Besonders problematisch ist die Zulässigkeit des Beobachtens von Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG.

270 Zwar enthält Art. 9 GG nur das Vereinigungsverbot als ausdrücklichen Schrankenvorbehalt, jedoch sollen auch mildere Maßnahmen von diesem Vorbehalt erfasst sein, Jarass/Pieroth/Jarass Art. 9 Rn. 22. Hierzu zählt auch die nachrichtendienstliche Beobachtung, ähnlich Friedrichs, V-Leute, S. 104 f. Insbesondere gilt mangels ausdrücklichem Schrankenvorbehalt das Zitiergebot nicht, siehe hierzu BVerfGE 21, 92 (93); 24, 367 (396 f.); 64, 72 (79 f.); 83, 130 (154). 271 BVerfGE 107, 339 (365 ff.). 272 BVerfGE 107, 339 (370). 273 Darauf, dass ab einem bestimmten Grad der Beeinflussung schon nicht mehr von Partei gesprochen werden könnte, weist das Minderheitsvotum hin, BVerfGE 107, 339 (381). 274 BVerfGE 107, 339 (366). 275 So auch Friedrichs, V-Mann, S. 101 ff. (insbesondere 104 f.). Schon nicht in den Schutzbereich fällt es, wenn Mitglieder sich entscheiden, dem Verfassungsschutz gelegentlich oder regelmäßig Informationen zukommen zu lassen, Deutsch, S. 108. 276 Friedrichs, V-Mann, S. 105 ff.; ihm ausdrücklich folgend Deutsch, S. 109.

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 73

aa) Versammlungen unter freiem Himmel Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen. Nur erstere unterliegen einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. Damit ist eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für Beschränkungen solcher Versammlungen erforderlich. Diese muss unter anderem dem Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG genügen. Als Rechtsgrundlage könnte somit zwar grundsätzlich die Generalklausel des Verfassungsschutzgesetzes in Betracht kommen, jedoch genügt diese dem Zitiergebot nicht, da sich im gesamten BVerfSchG kein ausdrücklicher Hinweis darauf findet, dass durch jene Art. 8 GG eingeschränkt würde.277 Bei Versammlungen unter freiem Himmel ist die entscheidende Frage daher, ob in der gezielten Beobachtung der Versammlung oder eines Teilnehmers durch den Verfassungsschutz überhaupt ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit liegt.278 Bejaht man nämlich einen solchen, wäre ein solcher zugleich stets verfassungswidrig, da eine Rechtfertigung wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot ausscheiden müsste.279 Gegen einen Eingriff wird angeführt, dass die Kenntnisnahme von einer öffentlichen Versammlung von den Veranstaltern gerade gewünscht sei.280 277

Auch in den Landesverfassungsschutzgesetzen ist eine derartige Klausel nicht zu finden. Bei ungezielten Eingriffen greift das Zitiergebot dagegen nicht, BVerfG NJW 1999, 3399 (3400); bereits gegen Gesetzesvorbehalt bei ungezielten Eingriffen, Dreier/Schultze-Fielitz Art. 8 Rn. 66. Für eine Anwendbarkeit des Versammlungsgesetzes und der sich daraus ergebenen Pflichten führt Evers aus, dass die Ämter für Verfassungsschutz politisch-polizeiliche Aufgaben wahrnähmen, wobei ihnen nicht mehr Befugnisse zustünden als der Polizei und deswegen die Pflicht aus § 12 VersG greife. Wegen dieser Meldepflicht müsste eine heimliche Beobachtung a priori ausscheiden; Evers, Privatsphäre, S. 172 ff., insbesondere S. 176. Dies überzeugt nicht, da dem Verfassungsschutz gerade keine polizeilichen Befugnisse zustehen und das Versammlungsgesetz nur für die Polizei anwendbar ist. 278 Der Schutzbereich ist auch nicht wegen einer vermeintlichen Unfriedlichkeit zu verneinen, da alleine strafrechtlich relevante Äußerungen und auch rechtsextremistische Gesinnungen noch nicht zur Unfriedlichkeit führen. Hierfür sind vielmehr Gewalttätigkeiten erforderlich, BK/Benda Art. 8 Rn. 48; v. Mangoldt/Klein/Starck/ Gusy Art. 8 GG Rn. 23; Dreier/Schultze-Fielitz Art. 8 Rn. 40. 279 Zu diesem Ergebnis kommt letztlich auch Bäumler, JZ 1986, 469 (472 f.), wobei er allerdings nicht zwischen Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen differenziert; ebenso auch v. Mangoldt/Klein/Starck/Gusy Art. 8 Rn. 56 Fn. 270, Rn. 71. Die Verfassungsmäßigkeit der Generalklausel im Übrigen würde hingegen nicht berührt, da eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist, so auch Bäumler, JZ 1986, 469 (473); zur verfassungskonformen Auslegung siehe BVerfGE 48, 40 (45); 49, 148 (157); 64, 229 (242); 68, 337 (344); 85, 69 (74 ff.); 88, 145 (166 ff.); 90, 263 (274 f.); 97, 186 (193 ff.); 99, 129 (143); 100, 1 (39). Allein Droste, S. 412 ff. kommt insoweit zu einem abweichenden Ergebnis.

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Hierbei ist jedoch die Kenntnisnahme der Versammlung von der gezielten Beobachtung und einer Aufzeichnung mit Bild und Ton der Versammlung und ihrer einzelnen Teilnehmer durch den Verfassungsschutz zu unterscheiden. Insoweit kann der Staat nicht schlicht mit Journalisten gleichgesetzt werden; allenfalls kann eine Entgegennahme im Rahmen „öffentlicher demokratischer Diskussion“ gewollt sein, nicht hingegen durch heimliche Beobachtung.281 Eine derartige Auslegung würde einen konkludenten Grundrechtsverzicht implizieren. Dies würde dem Schutzgehalt des Art. 8 GG diametral widersprechen. Ein verdeckt arbeitender Beamter gehört auch nicht zum Publikum wie jeder andere.282 Der Staat kann sich durch heimliches Vorgehen nicht seiner Grundrechtsbindung entledigen.283 Der Prozess der demokratischen Willensbildung hat „grundsätzlich staatsfrei“ zu erfolgen.284 Dies gilt vor allem deshalb, weil die Versammlungsfreiheit ein grundlegendes und unentbehrliches Funktionselement der Demokratie ist.285 Auch das Argument, dass die Informationsbeschaffung auch und gerade für Parteien- und Vereinigungsverbote notwendig und geeignet ist286, hilft nicht über das Fehlen der Eingriffsgrundlage hinweg.287 Weiter wird argumentiert, dass das Zitiergebot nicht gelte, weil durch das neue Verfassungsschutzgesetz nur die ursprünglichen Beschränkungen wiederholt würden.288 Während diese Einschränkung des Zitiergebotes schon ohnehin kritisch betrachtet wird289, kann diese Ausnahme jedenfalls dann nicht gelten, wenn, wie hier, schon die vorherige Praxis den gleichen Zweifeln an ihrer Verfassungsmäßigkeit unterlag. Jedenfalls unzulässig ist die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen von Versammlungsteilnehmern als solche. Dies ergibt sich schon da280 Friedrichs, V-Leute, S. 97; ähnlich Evers, Privatsphäre, S. 176 f. für öffentliche Versammlungen, die sich Lautsprecher- oder Rundfunkübertragung bedienen; a. A. Bäumler, JZ 1986, 469 (472), dass dies den Staat nicht von seiner Grundrechtsbindung entbinde; ebenso Schatzschneider, S. 289 f.; Salzwedel, GS Peters, 765 (761). 281 So auch deutlich Kübler, JuS 1966, 319 (320) (Hervorhebung im Original), der zusätzlich darauf hinweist, dass der Verfassungsschutz schon kein potentieller Partner einer solchen Diskussion sei; ähnlich Hartlieb, KJ 1976, 287 (289). 282 So aber Salzwedel, GS Peters, 756 (785). 283 So auch Bäumler, JZ 1986, 469 (472). 284 BVerfGE 20, 56 (97 f., 99), bestätigt durch BVerfGE 69, 315 (346). 285 BVerfGE 69, 315 (346). 286 BVerfGE 107, 339 (365 f.). 287 v. Münch, JuS 1965, 404 (405) lehnt einen Eingriff in Art. 8 GG deswegen ab, da das Beobachten keiner Anmeldepflicht gleichkommt. Diese Sichtverweise verkennt aber deutlich die eigentliche Problematik. 288 Droste, S. 414 f. 289 Siehe nur v. Mangoldt/Klein/Starck/Huber Art. 19 Rn. 82 f.; Sachs/Krüger/ Sachs Art. 19 Rn. 28.

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raus, dass schon eine Bild- oder Tonaufzeichnung einen einer Rechtsgrundlage bedürfenden Grundrechtseingriff darstellt.290 Dieser Eingriff wird nicht deswegen aufgehoben, weil sich der Betroffene in einer Versammlung findet. Vielmehr verlagert sich der Schutz von Art. 2 GG auf das Spezialgrundrecht.291 Daher ist der einzelne im Rahmen der Versammlung umso mehr geschützt. Damit liegt insoweit unproblematisch ein Eingriff vor. Aber auch eine sonstige Beobachtung beeinträchtigt die Versammlungsfreiheit und stellt daher einen Eingriff dar.292 Denn die Kenntnis, möglicherweise beobachtet zu werden, kann die Beteiligung an einer Versammlung beeinträchtigen.293 Art. 8 GG verlangt als politisches Freiheitsrecht, dass der Entschluss zur Teilnahme an der Versammlung frei gefasst werden kann, was nicht mehr der Fall ist, wenn mit einer Registrierung der Teilnahme gerechnet werden muss.294 Insoweit liegt ein faktischer Grundrechtseingriff vor.295 Die abschreckende Wirkung des Wissens, gerade anlässlich und wegen einer Versammlung überwacht zu werden, ist auch versammlungsbezogen. „Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten.“296 Bild- und Tonaufnahmen vertiefen den Eingriff, der jedoch bereits in der einfachen Beobachtung liegt. Daher kann einer vereinzelt vorgeschlagenen Differenzierung zwischen beiden Maßnahmen, entweder nach Maßgabe der jeweiligen Intensität der Beobachtung297 oder zwischen bloßer Beobachtung und Bildund Tonaufnahmen298, nicht gefolgt werden. 290 Siehe nur §§ 19 a, 12 a VersG; §§ 100 f, 100 h StPO sowie die ausdrückliche Erwähnung im Rahmen der Generalklausel nach § 8 Abs. 2 BVerfSchG. An der Zulässigkeit der Regelung im Rahmen einer Generalklausel zweifelnd, Rogall, Informationseingriffe, S. 90. 291 Dietel/Gintzel/Kniesel, § 1 Rn. 81, 121. Vgl. hierzu eine Wohnungsüberwachung, die unter den speziellen Schutz von Art. 13 GG fällt, siehe BVerfGE 109, 279; a. A. Götz, NVwZ 1990, 112 (116), der alleine Art. 2 Abs. 1 GG als einschlägig ansieht. 292 Schatzschneider, S. 287 ff.; Sachs/Höfling Art. 8 Rn. 51; v. Münch/Kunig/ Kunig Art. 8 Rn. 19. 293 Kübler, JuS 1966, 319; Hartlieb, KJ 1976, 287 (289 ff.); zum mittelbaren Grundrechtseingriff wegen Furcht vor Überwachung, siehe auch BVerfGE 100, 348 (383) bezüglich Art. 10 GG. 294 Hartlieb, KJ 1976, 287 (291); Dietel/Gintzel/Kniesel, § 1 Rn. 80 ff. 295 So auch Dietel/Gintzel/Kniesel, § 1 Rn. 77. Rundel, S. 53, der bezweifelt, dass dies jemand abschrecken könnte, kann nicht gefolgt werden. 296 BVerfGE 65, 1 (43), wobei das Gericht allerdings den Schluss, dass insoweit ein Eingriff in Art. 8 GG vorliegt, mangels Relevanz im zu entscheidenden Fall, nicht zieht. 297 BVerfGE 65, 1 (43); Dreier/Schulze/Fielitz Art. 8 Rn. 62.

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Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich entschieden, dass eine exzessive Beobachtung nicht mehr zu rechtfertigen wäre.299 Daraus ist nicht abzuleiten, dass eine Beobachtung eine gewisse Intensität aufweisen muss, sondern vielmehr, dass eine Beobachtung prinzipiell rechtfertigungsbedürftig ist. Ein Eingriff liegt mithin dann vor, wenn es gezielt um die Beobachtung und Registrierung gerade der Versammlung geht.300 Dieses finale Eingriffsmerkmal ist deswegen wichtig, da eine zulässige Observation selbstverständlich nicht deswegen abzubrechen ist, weil der Observierte in einer Versammlungsmenge verschwindet.301 Die gezielte Überwachung von Versammlungen unter freiem Himmel ist somit ein Eingriff in Art. 8 GG und den Nachrichtendiensten folglich verfassungsrechtlich derzeit untersagt, da der Eingriff nicht gerechtfertigt werden kann, weil keine der Vorschriften der Nachrichtendienstgesetze das Zitiergebot wahrt.302 bb) Versammlungen in geschlossenen Räumen Versammlungen in geschlossenen Räumen unterliegen keinem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt, so dass die verfassungsrechtliche Garantie hierzu nur durch kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar ist.303 Mangels ausdrücklichem Gesetzesvorbehalt gilt das Zitiergebot nicht.304 Daher kann § 8 Abs. 2 BVerfSchG als Rechtsgrundlage für Eingriffe dienen. Als kollidierendes Verfassungsgut kommt für die nachrichtendienstliche Überwachung die freiheitlich demokratische Grundordnung, welche durch das BfV geschützt wird, in Betracht.305 Im Einzelfall ist die Aufgabe des 298

Deutsch, S. 99 f. BVerfGE 69, 315 (349). 300 Kniesel/Poscher in: Lisken/Denninger J 88; Pieroth/Schlink Rn. 706; Jarass/ Pieroth/Jarass Art. 8 Rn. 13. 301 Bäumler, JZ 1986, 469 (471). Insoweit liegt lediglich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, welcher über die Generalklausel gerechtfertigt sein kann. Nicht hingegen überzeugt Götz, NVwZ 1990, 112 (116), der einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit stets verneinen will und lediglich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht abstellt. 302 Und dabei handelt es sich nicht um das Schlagwort „verfassungsschutzfreie Zone“, wie Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 72 kritisiert, sondern um eine zwingende Subsumtion unter das geltende Verfassungsrecht. 303 BVerfGE 28, 243 (261); Deutsch, S. 99; zu Versuchen der Übertragung von anderen Grundrechtsschranken, siehe Bäumler, JZ 1986, 469 (474 f.). 304 BVerfGE 21, 92 (93); 24, 367 (396 f.); 64, 72 (79 f.); 83, 130 (154). 305 Friedrichs, V-Mann, S. 100 f.; Droste, S. 413; zur Einschränkung eines Grundrechts durch den verfassungsrechtlichen Rang der „Einrichtung und Funktionsfähigkeit“ [der Bundeswehr] siehe BVerfGE 28, 243 (261); a. A. Bäumler, JZ 299

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Verfassungsschutzes gegen die hohe Bedeutung der Versammlungsfreiheit abzuwägen. Ein Einsatz eines V-Mannes im Rahmen einer Versammlung in einem geschlossenen Raum ist daher nicht ausgeschlossen. Dieser könnte sich auch gar nicht einer solchen Versammlung entziehen, ohne Argwohn zu erregen.306 Für dieses Ergebnis spricht auch, dass das Bundesverfassungsgericht keine grundsätzlichen Bedenken gegen einen V-Mann-Einsatz in einer Partei hat, die durch ihre Sitzungen und Besprechungen regelmäßig auch Versammlungen in geschlossenen Räumen durchführt. Eine komplette Staatsfreiheit verlangt das Gericht selbst für die Partei als eine der Grundfesten der mittelbaren Demokratie nur für die Führungsebenen und das Parteienverbotsverfahren, und selbst dies steht noch unter dem Vorbehalt möglicher Ausnahmen in Fällen akuter Gefahren, „etwa, wenn unter dem Deckmantel der Organisation als politische Partei Gewalttaten oder andere schwerwiegende Straftaten vorbereitet oder geplant werden“.307 Daher ist eine Überwachung von Versammlungen in geschlossenen Räumen im Einzelfall zulässig. Dies führt zu dem scheinbar absurden Ergebnis, dass der Eingriff in das stärker geschützte Recht, nämlich das ohne ausdrücklich gewährte Schrankenvorbehalt gewährte Grundrecht, zulässig ist, aber in das „schwächer geschützte Recht“, nämlich das Grundrecht mit Schrankenvorbehalt, nicht. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn man den Schutzzweck der differenzierten Regelung des Art. 8 GG betrachtet. Dieser sieht die Möglichkeit zu Beschränkungen deswegen vor, da von Versammlungen unter freiem Himmel regelmäßig ein erhöhtes Gefahrenpotential für die Allgemeinheit ausgeht.308 Dies ergibt sich aus deren Unabgeschiedenheit.309 In geschlossenen Räumen sollen dagegen keine nachteiligen Folgen für Dritte entstehen.310 Verfassungsfeindliche Bewegungen werden ihre Treffen dagegen regelmäßig im Verborgen abhalten. Folglich sind geschlossene Räume hierzu geradezu prädestiniert, unabhängig davon, ob es sich um öffentliche oder nicht-öffentliche Versammlungen handelt, da nur gewillte Zuschauer empfangen werden sollen. Daher greift die sonst zutreffende Prämisse von dem unterschiedlichen Gefahrenpotential bei der Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht. Es besteht damit kein Widerspruch. Ferner darf 1986, 469 (474), der eine Einschränkung nur aufgrund kollidierender Grundrechte für möglich erachtet. 306 Friedrichs, V-Mann, S. 101 ff. 307 BVerfGE 107, 339 (370). 308 Sachs/Höfling Art. 8 Rn. 55, zustimmend Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Kannengießer Art. 8 Rn. 9; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 8 Rn. 17; BK/Benda, Art. 8 Rn. 65; Dreier/Schultze-Fielitz Art. 8 Rn. 37, der jedoch zugleich auch auf den erhöhten Schutz der Privatsphäre in geschlossenen Räumen hinweist. 309 Sachs/Höfling Art. 8 Rn. 55. 310 BK/Benda Art. 8 Rn. 65; Dietel/Gintzel/Kniesel, Abschnitt II, Rn. 8.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

nicht übersehen werden, dass die Überwachung von offenen Versammlungen letztlich an dem formalen Erfordernis des Zitiergebotes scheitert, nicht hingegen an grundlegenden materiellen Bedenken gegen ein derartiges Vorgehen des Verfassungsschutzes. Der V-Mann-Einsatz ist somit in geschlossenen Räumen zulässig. e) Extraterritoriale Typisch für Nachrichtendienste ist die Unterhaltung von Legalresidenturen im Ausland.311 Unter einer Legalresidentur versteht man nachrichtendienstliche Stützpunkte an ausländischen Vertretungen, wobei im Heimatland ausgebildete Nachrichtendienstoffiziere als Angehörige der diplomatischen und konsularischen Vertretungen deklariert und für einen längeren Zeitraum im jeweiligen Gastland eingesetzt werden.312 Hierzu zählen sowohl Botschaften als auch geheime Residenturen.313 Der BND soll beispielsweise Residenturen in 90 Staaten unterhalten.314 Daher besteht im Rahmen der Spionageabwehr sowie der Auslandsaufklärung ein besonderes Interesse an einer Überwachung. Es überrascht somit nicht, wenn die Überwachung des Telefonverkehrs von ausländischen Botschaften und Konsulaten kein Einzelfall sein soll.315 Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit eines solchen Vorgehens ist also besonders bedeutsam. Unstrittig verboten sind Durchsuchungen bei und Verhaftungen von Extraterritorialen.316 Der Bundesgerichtshof hat ein Verbot von Telefonüberwachungen bei Taten im Zusammenhang mit der konsularischen Tätigkeit angenommen, hingegen ausdrücklich offen gelassen, ob dies dann gilt, wenn ein Zusammenhang mit dieser Tätigkeit fehlt.317 Dabei stützt er seine Argumentation auf eine Gesamtschau des Art. 31 Abs. 2, 3 WÜK318. Wenn schon Durchsuchungen und Beschlagnahmen der Diensträume verboten seien, liege es 311

Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Auslandstätigkeit, S. 37. Definition nach Droste, S. 131 Fn. 385. 313 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 291. 314 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 291. 315 Zur Staatenpraxis siehe Polakiewicz, ZaÖRV 50 (1990), 761 (775 ff.). 316 Art. 31 WÜK, Art. 22 Abs. 1, 3, 30 WÜD (Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (BGBl. II (1964), S. 959 ff.)). 317 BGHSt 36, 396 (400). Das Überwachungsverbot entfaltet jedenfalls keine Drittwirkung, so dass sich ein Nichtkonsul auf das Verwertungsverbot nicht berufen kann, BGHSt 37, 30 (31). 318 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (BGBl. II (1969), S. 1589). 312

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 79

nahe, auch die Überwachung von Telefongesprächen als unzulässig anzusehen. Dieses Eingriffsverbot entspräche der Verpflichtung des Empfangsstaates aus Abs. 3 zur Wahrung der Würde der konsularischen Vertretung.319 Verstärkend greift der Bundesgerichtshof außerdem auf die in Art. 43 WÜK statuierte Immunität zurück, da sich die Überwachung auf Handlungen beziehe, die im Zusammenhang mit der konsularischen Tätigkeit stünden.320 Obwohl dem Ergebnis des Bundesgerichtshofs zuzustimmen ist, kann seine Begründung nicht überzeugen.321 Für die Herleitung eines Überwachungsverbots können Art. 35 oder 43 WÜK herangezogen werden, nicht hingegen Art. 31 WÜK.322 Dass Art. 31 Abs. 2 WÜK, der die Räumlichkeiten gegen Betreten und Durchsuchungen schützt, auch die Telefonüberwachungen erfassen soll, widerspricht nicht nur seinem Wortlaut. Auch die Systematik passt nicht. Art. 31 WÜK erklärt selbst, er gelte nur in seinem vorgegebenen Umfang. Die folgenden Artikel knüpfen ebenfalls an die Räumlichkeiten als physisch-bauliche Konstrukte an.323 Der Erst-RechtSchluss des Bundesgerichtshofs kann somit nicht überzeugen. Art. 31 Abs. 2 WÜK wird durch eine Telefonüberwachung nicht verletzt.324 Dadurch kann Absatz 3 als Anknüpfungspunkt nicht überzeugen. Dies kann ebenfalls nicht weitergehen als der Anwendungsbereich, der von der Norm selbst vorgegeben wird. Auch hier sprechen Wortlaut und Systematik dagegen, dass der Begriff der Würde über die Räumlichkeiten hinausgehen könnte.325 319

BGHSt 36, 396 (400). BGHSt 36, 396 (401). Der BGH folgt damit dem weiten Amtshandlungsbegriff, siehe Seidenberger, S. 111 ff. 321 Ebenso Schroeder, JZ 1990, 1034; Seidenberger, S. 326. 322 Polakiewicz, ZaÖRV 50 (1990), 761 (772 f.) bespricht zusätzlich Art. 40 WÜK, den Schutz von Konsularbeamten, fügt aber selbst hinzu, dass dies bislang in der Staatenpraxis nie Erwähnung gefunden hat. 323 Schroeder, JZ 1990, 1034 merkt zudem an, dass Art. 31 Abs. 2 WÜK eben nur Eingriffe in Art. 13 GG meine und nicht Art. 10 GG. Dieses Argument kann allerdings lediglich zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Schutzrichtung dienen, nicht jedoch zu eigentlichen Interpretation, da es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt. 324 Schroeder, JZ 1990, 1034; Polakiewicz, ZaÖRV 50 (1990), 761 (771 f.); a. A. Beier S. 91 ff., der zum Verhältnis Art. 22 WÜD (Betretungsverbot) und Art. 27 WÜD (Freier Verkehr) ausführt, dass Art. 22 WÜD notwendig alle Überwachungen ausschließen müsste, da ansonsten Art. 27 WÜD keine Geltung haben könnte. Dagegen führt Beier nicht aus, warum sich dieses Verbot nicht direkt aus Art. 27 WÜD ergeben sollte. Zu beachten ist allerdings, dass die vorstehende Wertung davon ausgeht, dass zur Vornahme einer Telefonüberwachung keine Maßnahmen notwendig sind, die ein vorhergehendes Betreten der Räumlichkeit, die das zu überwachende Telefon enthält, erfordern. 325 A. A. Eisenberg, S. 328, der als Schutzzweck der Norm die Vertraulichkeit der Räumlichkeiten ansieht. 320

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Als Grundlage für ein Überwachungsverbot greifen aber Art. 35 WÜK und Art. 43 Abs. 1 WÜK. Ohne näher auf das Verhältnis beider Vorschriften eingehen zu wollen326, ist festzuhalten, dass beide inhaltlich auf die Telefonüberwachung passen. Art. 43 Abs. 1 Alt. 2 WÜK untersagt nicht nur Eingriffe der Strafverfolgungs-, sondern auch der Verwaltungsbehörden und ist daher im Umfang weiter als die Reichweite der Immunität der Abgeordneten nach dem GG. Jedoch differenzieren die Rechtsvorschriften hinsichtlich des Schutzes von Konsularbeamten zwischen deren Dienst- und Privattätigkeiten. Daher ist es auch sinnvoll, diese Differenzierungen auf die Zulässigkeit von G10-Maßnahmen zu übertragen. Der Bundesgerichtshof differenziert danach, ob die Handlung noch in einem inneren Zusammenhang mit der konsularischen Tätigkeit steht.327 Also berührt die Telefonüberwachung die Immunität des Konsularbeamten nach Art. 43 Abs. 1 Alt. 2 WÜK. Art. 35 WÜK garantiert die Verkehrsfreiheit. Darunter fällt auch die Unverletzlichkeit der amtlichen Korrespondenz, wobei amtlich „die gesamte Korrespondenz, welche die konsularische Vertretung und ihre Aufgaben betrifft“ umfasst.328 Auch hieraus kann man nun ein Überwachungsverbot für die Kommunikation mit Dienstbezug ableiten.329 Zu beachten ist aber, dass die genannten Schutzprivilegien aufgrund des Missbrauchsverbots wegen der besonderen konsularischen Stellung nur für rechtmäßige Tätigkeiten der Betroffenen gelten.330 Soweit also ein Telefongespräch überwacht wird, welches nachrichtendienstlichen Aktivitäten eines anderen Staates dient, stellt dies keinen Verstoß gegen die Konvention dar.331 Verboten ist allerdings wiederum eine (Inhalts-)Kontrolle der Gespräche darauf, ob es sich um rechtmäßige oder eine unrechtmäßige oder eine private Handlung handelt.332 Somit kann eine Überwachung nur dann zulässig sein, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich bei dem zu überwachenden Gespräch um ein unrechtmäßiges oder privates handelt. Bestätigen sich diese Anhaltspunkte nicht, so ist die Überwachung umgehend zu beenden. 326

Vgl. hierzu Polakiewicz ZaÖRV 50 (1990), 761 (768). BGHSt 36, 396 (401). 328 Schroeder, JZ 1990, 1034 (1035). Zu beachten ist aber insoweit, dass auch die Kontrolle über die Einhaltung der Vorschrift wieder einen Verstoß darstellt, ebenda. 329 Ebenso Seidenberger, S. 338. 330 Schroeder, JZ 1990, 1034. 331 Seidenberger, S. 339; ähnlich Schroeder, JZ 1990, 1034 (1035), der eine Überwachung als zulässig ansieht, wenn bekannt ist, dass ein Telefonanschluss für eine bestimmte Zeit ausschließlich für illegale Gespräche oder Mitteilungen bereit gestellt wird. 332 Beier, S. 92 (in Bezug auf die inhaltsgleiche Vorschrift des WÜD). 327

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 81

Damit ist eine Überwachung eines Konsulats, unabhängig, ob man der einen oder der anderen Vorschrift den Vorzug gibt, dann unzulässig, wenn und soweit es sich um Fälle des amtlichen Verkehrs beziehungsweise einer dienstlichen Wahrnehmung handelt. Diplomaten verfügen ebenfalls über die oben aufgeführten Vorrechte und besitzen dazu noch, im Gegensatz zu den Konsularbeamten, einen umfassenden Schutz ihrer Person; ihnen wird nämlich neben der funktionellen Immunität auch persönliche Unverletzlichkeit garantiert.333 Daher ergibt sich ein umfassendes Überwachungsverbot für Diplomaten, welches sowohl ihren dienstlichen als auch ihren privaten Bereich umfasst. Eine Überwachung ist jedoch ausnahmsweise möglich, wenn ein Fall der Selbstverteidigung vorliegt, welche auch im Rahmen eines sogenannten self-contained-regime, wie es die Konventionen des WÜD und des WÜK darstellen, zulässig bleibt.334 Daher ist eine Überwachung auch von Konsuln und Diplomaten zulässig, sofern als Voraussetzungen der Selbsthilfe ein hinreichender Anlass besteht und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt ist.335

VI. Erkenntnisse aus Kooperationen Grundlage für jede Kooperation der deutschen Dienste sind die §§ 18 ff. BVerfSchG (i. V. m. § 19 Abs. 3 BVerfSchG für die Kooperation mit dem Ausland, der nach § 9 Abs. 2 BNDG, § 11 MADG entsprechend gilt).336 In der Praxis spielt die Zusammenarbeit eine sehr wichtige Rolle.337 Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit ergibt sich daraus, dass als Folge der Gewaltenteilung jede Behörde über spezielle, für sich relevante Informationen 333

Art. 22 Abs. 1, 27, 29–31 WÜD, siehe hierzu auch Seidenberger, S. 107 ff.,

371 f. 334

Beier, S. 94 ff., 101, 107. Die Behörden sind bei einem entsprechenden Verstoß nicht zum strafprozessualen Handeln befugt, sondern sie können lediglich die völkerrechtlichen Folgen durch das Erklären einer Person zur persona non grata erreichen, BGHSt 36, 396 (402). 335 Beier, S. 107. Zur diplomatischen Immunität führt Polakiewicz, ZaÖRV 50 (1990), 761 (769) zwar aus, dass diese umfassend sei, und somit auch eine persönliche Immunität enthalte, dies jedoch nicht bedeute, dass der Empfangsstaat präventiven Schutzmaßnahmen für unmittelbare Gefahren für die öffentliche Ordnung vornehme. 336 Zur ausführlichen Darlegung des Datenflusses der Nachrichtendiensten an Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte, siehe S. 112 ff. 337 Zu beachten ist, dass es sich hierbei nicht um spezielle Möglichkeiten des Verfassungsschutzes handelt. Alle Nachrichtendienste unterhalten diverse Kooperationen; zu diversen Auslandskontakten, Droste, S. 64 mit Aufzählung der Partnerdienste in Fn. 138.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

verfügt und diese aber gegebenenfalls nur ein unvollständiges Bild der Lage ergeben, zu einer erfolgreichen Gefahrenabwehr jedoch eine umfassende Sachkenntnis erforderlich sein kann.338 1. Mit anderen deutschen Behörden Zwischen den einzelnen deutschen Diensten herrscht eine enge Zusammenarbeit. Die Verpflichtung hierzu ist in den jeweiligen Gesetzen ausdrücklich normiert.339 Wie in der Einleitung herausgestellt, ist das Verhältnis der Dienste zu anderen Sicherheitsbehörden, insbesondere zur Polizei sowie den übrigen Strafverfolgungsbehörden, besonders intensiv.340 2. Mit ausländischen Partnerdiensten a) Allgemeiner Informationsaustausch Laut Daun341 bestanden gegen Ende der 1990er Jahre mehr als 100 nachrichtendienstliche Partnerschaften weltweit.342 Dabei soll es sowohl solche 338

Siehe hierzu sogleich ausführlich, S. 94 ff. §§ 5 und 6 BVerfSchG für Kooperation BfV und Länder, siehe bereits S. 24 f.; sowie dritter Abschnitt des BVerfSchG für MAD und BND sowie deren Gesetze; zu den Vorgängern in Form von Richtlinien und Dienstanweisungen, siehe Walde, S. 198 f., 216 ff. 340 Zu den Registerauskünften, siehe bereits S. 47; zu den Übermittlungen siehe S. 112 ff. 341 Zum Ganzen siehe Daun in: Jäger/Höse/Oppermann, 141 (163). 342 Betrachtet werden hierbei ausdrücklich nur solche Kooperationen, bei denen Nachrichtendienste ausschließlich oder zumindest mit einigem Gewicht beteiligt sind; nicht erwähnt werden daher die bekannten polizeilichen Kooperationsformen wie zum Beispiel Europol, Eurojust, TREVI, Schengen, EJN und OLAF. Gleiches gilt für die geplanten Erweiterungen des SIS II, welches eventuell auch Nachrichtendienste umfassen soll, siehe hierzu Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 2004, 97 (99). Für die vorliegende Untersuchung könnte es allenfalls insoweit relevant sein, dass man Daten, die von einer der genannten oder auch anderen Organisation kommen, eventuell größere Wachsamkeit entgegen bringen müsste, soweit dort derartige Erkenntnisse verwendet werden und diese Arbeit zu dem Ergebnis käme, dass die Verwertbarkeit solcher Erkenntnisse besondere Anforderungen beziehungsweise Schwierigkeiten birgt. Dies soll jedoch wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten vorliegend ausgelassen werden – es sei nur kurz auf das Problem aufmerksam gemacht. Eine Mitwirkung wäre jedenfalls denkbar, sofern Nachrichtendienste von Titel VI des EU-Vertrages (Art. 29 ff. EUV) – Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres – erfasst würden. Droste führt insoweit einige Argumente an, wieso die Inlandsnachrichtendienste unter die dort erwähnten „anderen zuständigen Behörden“ fallen. Hauptargument ist, dass es sich bei dem dort verwendeten Begriff Polizei um einen funktionalen Polizeibegriff handele, es mithin um 339

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 83

geben, die der gemeinsamen Informationsbeschaffung dienen, und solche, die nur auf Informationsaustausch angelegt sind. Die gemeinsame Beschaffung soll hierbei insbesondere im Rahmen von engen und dauerhaften Kooperationen stattfinden, wie zum Beispiel bei den USA, Frankreich, Großbritannien und Israel.343 Während der Anteil der Informationen von Partnerdiensten Ende der 90er Jahre noch ein Drittel der bei den Nachrichtendiensten vorhandenen Informationen ausmachte, war es 2006 schon die Hälfte.344 Zu beachten ist vorab, dass die internationale Zusammenarbeit der Nachrichtendienste unter einer Prämisse steht, die die genaue Detailkenntnis erheblich erschwert: Es besteht nämlich Einvernehmen darüber, dass sowohl über das Bestehen der Zusammenarbeit, insbesondere über deren Art und Weise, Intensität und Methodik als auch über die Inhalte nichts an die Öffentlichkeit dringen darf, soweit dadurch einzelne Dienste individualisiert werden könnten.345 Dies basiert im Wesentlichen auf folgenden Gründen346: Zunächst muss geheim bleiben, wie die Dienste ihre Nachrichten beschaffen. Ein Bekanntwerden würde regelmäßig die Quelle beeinträchtigen beziehungsweise ihre Arbeit unmöglich machen. Außerdem ermöglichen solche Informationen eventuell Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und den Informationsstand des anderen Dienstes. Dies hängt auch von der juristischen Kontrolle der Dienste ab.347 Je nachdem, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Informationen an die Öffentlichkeit gelangen können, zum Beispiel im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, desto mehr oder weniger gern werden Informationen weitergegeben.348 Die Bundesregierung informiert zu diesem Thema nach eigener Aussage „grundsätzlich nur die zur Kontrolle der Nachrichtendienste berufenen Gremien des Deutschen Bundestags“349 Es wird jedoch angenommen, dass allein das Netzwerk des BND Kontakte zu 300 Organisationen wie ausländischen Diensten oder anderen Sicherheitsbehörden umfasst.350 Die Zusammenarbeit der Dienste untereinander wächst ständig.351 die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit ginge, so dass auch die Inlandsnachrichtendienste hierunter fielen, siehe Droste, S. 303 f. 343 Siehe hierzu auch Teil 3, S. 330 ff. 344 Daun in: Jäger/Höse/Oppermann, 141 (163). 345 Droste, S. 527 f. 346 Vgl. hierzu Adam, Wenn Grenzen fallen, in: Verstehen, dass die Welt, 19 ff. 347 In Deutschland unterliegen ausländische Daten nicht der Kontrollbefugnis des Parlamentarischen Kontrollgremiums, siehe hierzu S. 108 f. 348 Siehe hierzu BVerwG DVBl. 2003, 869 ff. 349 BT-Drs. 14/6665, S. 4. 350 Lange/Krevert in: Lange, WB zur Inneren Sicherheit, Stichwort Bundesnachrichtendienst, S. 30 (32).

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

International gilt die do ut des-Regel, d.h. ein Nachrichtendienst bekommt nur Informationen, wenn er auch selbst welche gibt. Damit dient die Hingabe von Informationen auch der nationalen Sicherheit Deutschlands, da der Staat nur auf diese Weise Informationen zurückbekommt.352 Droste geht so weit, die Funktionsfähigkeit des BfV angesichts der Globalisierung von Extremismus und Terrorismus zu bezweifeln, falls es nicht an diesem Informationsaustausch teilnehmen könnte.353 § 19 Abs. 3 BVerfSchG versucht den Austausch auf Nachrichtendienste beziehungsweise Geheimdienste in Staaten zu begrenzen, die in „rechtsstaatlich geordneten Verhältnissen“ arbeiten. Möglich erscheint allerdings eine Übermittlung über Drittstaaten.354 Somit erscheint es nicht ausgeschlossen, dass deutsche Nachrichtendienste auch Informationen von totalitären Staaten erlangen können. Dies ist zu beachten, wenn es später um die Frage geht, mit welchen Methoden nachrichtendienstliche Erkenntnisse möglicherweise erlangt wurden.355 Zu beachten ist insbesondere, dass dieser Datenaustausch zwischen „befreundeten Nachrichtendiensten“ weitgehend der Kontrolle entzogen ist356, da schon die Treffen an sich kaum bekannt sind, von den dort ausgetauschten Informationen ganz zu schweigen. b) Institutionelle Kooperation Neben der allgemeinen Kooperation existieren auch bestimmte Formen institutioneller Kooperation. Bereits angesprochen wurden die Legalresidenturen. Daneben existiert noch eine Vielzahl weiterer Kooperationen, von denen nachfolgend die wichtigsten Erwähnungen finden sollen. Der 1972 gegründete Berner Klub stellt wohl die bekannteste aller nachrichtendienstlichen Organisationen dar und umfasst Inlandsnachrichtendienste aus 25 Ländern, darunter hauptsächlich EU-Mitgliedsstaaten.357 Er 351 Pankratz/Benczur-Juris, Notwendigkeit, Möglichkeit, in: Verstehen, dass die Welt, 97 (109). BT-Drs. 16/800, S. 12 f. bezeichnet den bi- und multipolaren Austausch von Nachrichtendiensten als unverzichtbar. 352 Roewer § 3 Rn. 221. 353 Droste, S. 528. 354 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Do ut des, S. 114 f. 355 Siehe hierzu Teil 3, S. 388 ff. 356 Gärditz, FG Hilger, 91 (115). 357 Scheren in: Jäger/Daun, 175; Vorbeck in: Jäger/Daun, 301. Neben dem Berner Klub existiert zum Beispiel auch die G5, welche einen Zusammenschluss der fünf EU-Staaten mit den größten nachrichtendienstlichen Kapazitäten in Europa darstellt: Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Ferner existiert die sogenannte Kilowattgruppe, eine Gruppe von Ländern, die regelmäßig Informatio-

A. Reichweite der Datenerhebungsbefugnisse deutscher Nachrichtendienste 85

beschäftigt sich mit Spionageabwehr, Unterbindung des illegalen Technologietransfers ebenso wie mit der Terrorismusbekämpfung und dient der Zusammenarbeit von Geheimdiensten und den mit Staatsschutzaufgaben befassten Polizeien.358 Ursprünglich 2001 als Arbeitsgruppe innerhalb des Berner Klubs gegründet, wurde die Counter Terrorist Group (CTG) 2004 ein eigenständiges Gremium zur Zusammenarbeit zum Thema Terrorismus.359 Die Zusammenarbeit der Auslandsnachrichtendienste innerhalb der EU findet im Rahmen des Joint Situation Centers (SITCEN) statt.360 Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle auch der Hinweis auf das System Echelon.361 Dieses streng geheime Abhörsystem soll auf einem Abkommen der USA, von Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland von 1947 zurückzuführen sein.362 Abschließende Hinweise auf seine Existenz gibt es nicht; jedoch ist auch der nichtständige Ausschuss des Europäischen Parlamentes, der sich wohl als erstes offizielles Organ mit der Frage nen über den internationalen Terrorismus austauscht: Deutschland, Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Irland, Israel, Italien, Großbritannien, Luxemburg, Norwegen, Niederlande, Schweden, Schweiz und USA, Baud, Encyclopédie, Stichwort Kilowatt, S. 297. Im NATO Office of Security wirken nicht nur die militärischen Nachrichtendienste mit, sondern es koordinieren sich auch Inlands- und Auslandsnachrichtendienste, Lange, Innere Sicherheit im Politischen System der Bundesrepublik Deutschland, S. 142. Seit 2002 besteht das gemeinsame Anti-Terror-Zentrum in Paris, der sogenannten Alliance Base des amerikanischen Geheimdienstes CIA und der französischen DGSE unter Beteiligung Kanada, Australien, Großbritannien und Deutschland, Ulfkotte, Geheimdienste, S. 240. Zu Details über die ausländischen Nachrichtendienste siehe S. 330 ff. 358 Lange, Innere Sicherheit im Politischen System der Bundesrepublik Deutschland, S. 145. 359 Scheren in: Jäger/Daun, 176. Laut Droste, S. 532 erfolgte die Unabhängigkeit erst 2005; Fromm, Aufgaben und Organisation des Verfassungsschutzes in: Sicherheitsdienste des Bundes, 41 (51). Daneben existiert mit dem Joint Situation Center der Europäischen Union (EU-SitCen) ein Lagezentrum der EU, in welchem mit Hilfe der CTG und der nationalen Sicherheitsbehörden die Sicherheitslage „unter den Interessenparametern der EU“ analysiert wird, Droste, S. 533; Pankratz/Benczur-Juris: Notwendigkeit, Möglichkeit, in: Verstehen, dass die Welt, 97 (110 f.). 360 Vorbeck in: Jäger/Daun, 301. 361 Auch bekannt als UKUSA, also United Kingdom – United-States-Agreement (Richelson, US. Intelligence S. 276 ff.) oder auch „Quadrapatite“ (Hochreiter, S. 5 Fn. 8). Hier soll es sich um das größte und bekannteste Abhörsystem der Welt handeln. Mit dem System kann man nicht nur Telefongespräche abhören, sondern auch die Nummern und die Positionsbestimmungen durchführen, ferner werden die Intelsat-Kommunikationssatelliten angezapft, über welchen der „Großteil der internationalen Telefongespräche“ läuft „ebenso wie der internationale Fax- und Datenaustausch aus großen Netzwerken (zum Beispiel Internet)“, siehe hierzu Ulfkotte, Geheimdienste, S. 166 ff. 362 Hochreiter, S. 5.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

der Existenz des betreffenden Systems befasste, zu dem Ergebnis gekommen, dass ein solches existiert.363 Entfernt soll auch Deutschland hieran beteiligt sein.364 Das System durchsucht nichtverschlüsselte Emails, Telefongespräche und Faxe weltweit auf bestimmte Schlüsselbegriffe.365

VII. Ergebnis Ein Vergleich der Befugnisse der Dienste hat zeigt, dass die Datenerhebungsbefugnisse von BfV und MAD sehr ähnlich sind, was der Aufgabe des MAD als Verfassungsschutz innerhalb der Bundeswehr entspricht. Auch die bestehenden Befugnisabweichungen erklären sich so. Dem BND stehen wegen seiner Aufklärungsrichtung Ausland und der Aufgabe Gegenspionage im Rahmen des G10 weitere Befugnisse zu. Tätig werden kann er hierzu sowohl im In- als auch im Ausland. Die Befugnisse nach dem BNDG entsprechen wiederum denjenigen des BVerfSchG, da diese durch Verweisungen auf dieses Gesetz entstehen.366 Ferner spielt die internationale Kooperation eine große Rolle. Im Folgenden wird auf eine differenzierte Darstellung der drei Nachrichtendienste so weit verzichtet, wie sich die gleichen Problematiken bei allen drei „Diensten“ stellen. Sofern es sich, zum Beispiel wegen der spezifischen Aufgabenstellung beziehungsweise unterschiedlichen Befugnissen, nur um einen der Dienste handeln kann, wird dies gesondert erwähnt. Die Darstellung hat auch gezeigt, dass es sich bei den deutschen Behörden um Nachrichtendienste und nicht um Geheimdienste handelt, da ihnen aktive Maßnahmen untersagt sind.367 Der Begriff des Geheimdienstes wird daher 363 Bulletin EU-9-2001 Nr. 1.3.27: Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Existenz eines globalen Abhörsystems für private und wirtschaftliche Kommunikation (Abhörsystem Echelon): „Das Parlament betont [. . .], dass es [. . .] keinen Zweifel mehr daran gibt, dass ein globales Abhörsystem existiert, das unter Beteiligung der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands betrieben wird. Es weist darauf hin, dass das System nicht zum Abhören militärischer, sondern privater und wirtschaftlicher Kommunikation dient.“ 364 Richelson, U.S. Intelligence, S. 277. 365 Todd/Bloch, Globale Spionage, S. 85. 366 Außer in Bezug auf G10 unterscheiden sich die Befugnisse im Hinblick auf den Minderjährigenschutz, § 11 BVerfSchG. 367 Wenig hilfreich ist auch die Definition, wonach der Begriff „Nachrichtendienst“ eine Sammelbezeichnung für diejenigen Behörden darstellt, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln vorgehen, da nachrichtendienstliche Mittel wiederum als Sammelbegriff für heimliche Maßnahmen zur Beschaffung personenbezogener Daten durch Nachrichtendienste sind, Droste, S. 27; Riegel (1992), S. 47, 110. Der Zirkelschluss hierbei ist offensichtlich, zumal noch gezeigt werden wird, dass „nachrichtendienstliche Mittel“ keine Besonderheit der Nachrichtendienste sind.

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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nachfolgend auch ausschließlich für diejenigen Dienste verwendet, die durchaus auch legal aktive Tätigkeiten im obigen Sinne vornehmen.368

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste Um Anknüpfungspunkte für mögliche Beweisverwertungsverbote herauszufinden, werden nun die Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste analysiert. Dabei wird auf Unterschiede zu anderen Behörden, insbesondere der Strafverfolgungsorgane, geachtet und sowohl bereits erwähnte Aspekte vertieft als auch gänzlich neue Aspekte betrachtet. Die Auswirkungen dieser Besonderheiten auf die Beweisverwertung werden sodann in den folgenden Teilen erörtert.

I. Vorfeldermittlungen 1. Begriffsbestimmung Unter Vorfeldermittlung versteht man die Informationsgewinnung außerhalb eines strafrechtlichen Anfangsverdachts.369 Das Vorfeld umfasst damit den „praktisch unüberschaubare[n] Zeitraum vor dem Eintritt einer konkreten Gefahr beziehungsweise eines konkreten Tatverdachts“.370 Ziel ist dabei 368

1978 verübten Beamte des Verfassungsschutzes jedoch einen Sprengstoffanschlag auf eine Gefängnismauer. Zu diesem spektakulären Fall (nach Schimpff, S. 75, der spektakulärste überhaupt) zur Reichweite der nachrichtendienstlichen Befugnisse, siehe „Celler-Loch-Fall“, vergleiche hierzu ausführlich Velten, StV 1987, 544 ff.; dies., Befugnisse, S. 45 ff.; Evers, NJW 1987, 153 ff.; Schimpff, S. 76 ff. Die andersartige Definition im deutschen Strafrecht des Begriffes Geheimdienst erklärt sich daraus, dass deren Ziel die Festlegung einer strafrechtlichen Relevanz ist, was durch den fragmentarischen Charakter des Strafrechts bedingt ist, wonach nur bestimmte Verhaltensweisen mit Strafe bedroht werden sollen, Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 9. 369 Hilger, FG Hilger, 11 (14 f.); ähnlich Lisken, ZRP 1994, 264 (265); Möstl, DVBl. 1999, 1394 (1398). Teilweise werden diese Ermittlungen auch verdachtsunabhängige Ermittlungen, Initiativermittlungen, verdachtsschöpfende Ermittlungen, Suche nach Ermittlungsansätzen oder präventive Kriminalitätsbekämpfung genannt, siehe Bußmer in: Lange, WB zur inneren Sicherheit, Stichwort Verdachtsunabhängig Ermittlungen/Initiativermittlungen, S. 344; anderes Begriffsverständnis bei Lohner, Tatverdacht, S. 126 f., der den Begriff auf Strafverfolgungsmaßnahmen anwenden möchte. 370 Ostheimer, S. 129; Lisken in: Lisken/Denninger, C Rn. 11, Schafranek S. 76; König, S. 19. Seine genaue Bestimmung bereitet hingegen Schwierigkeiten, Ostheimer, S. 81; Hund, ZRP 1991, 463 stellt fest, dass der Begriff dem Duden und der Enzyklopädie von Brockhaus zufolge dem militärischen Sprachgebrauch zuzuordnen

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

die Aufspürung „möglicher Krisenherde in der Gesellschaft“.371 Schlagwortartig lässt sich die relevante Tätigkeit mit dem Begriff der Vorsorge beschreiben.372 Die Befugnis zu solchen Vorfeldermittlungen steht den Nachrichtendiensten zu und ist nach § 9 Abs. 1 BVerfSchG (analog) dadurch begrenzt, dass tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Bestrebung nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG gegeben sein müssen oder aber dass die Daten zum Schutz von Mitarbeitern erforderlich sind.373 Da also im Nachrichtendienstrecht die Zulässigkeit eines Tätigwerdens der Behörde weder vom Vorliegen eines Störers noch eines Verdächtigen abhängt374, sagt die Tatsache, dass Daten über eine Person gesammelt worden sind, nichts über diese Person aus.375 Für einen Nachrichtendienst relevante Erkenntnisse können auch durch Beobachtung von Personen gewonnen werden, deren Verfassungstreue unzweifelhaft ist.376 Abzugrenzen ist der Begriff der Vorfeldermittlungen377 der Nachrichtendienste von den sogenannten Vorermittlungen.378 Vorermittlungen dienen im Gegensatz zu den Vorfeldermittlungen der Verdachts- beziehungsweise der Gefahrerforschung durch Polizei und Staatsanwaltschaft.379 Zwar setzen sie ebenfalls an, bevor ein konkreter Tatverdacht beziehungsweise eine konist, und „das Gelände vor der eigenen Verteidigungslinie“ bezeichnet (Hervorhebung im Original). 371 SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 156. 372 König, S. 19. 373 Siehe § 2 BVerfSchG sowie S. 35 ff.; ebenso Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 17; Evers, Privatsphäre, S. 67; Gusy, Die Verwaltung (1991), 467 (475). 374 Droste, S. 226; Evers, Privatsphäre, S. 124. 375 Droste, S. 427. 376 Evers, Privatsphäre, S. 124. Kritisch wird angemerkt, dass es so dem unverdächtigen Einzelnen nicht mehr möglich ist, den „Staat durch legales Verhalten auf Distanz zu halten“; SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 56 e. Dagegen betont Roewer, NJW 1985, 773 (774) dass die Verfassungsschutzbehörde weder gegenüber jedermann tätig werden noch eine Gesamtschau im Sinne einer Volkszählung erstellen, sondern dass die Untersuchungen sich nur gegen Verfassungsfeinde und Personen, die sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssen, richten. 377 Zu weiteren Begriffen dieser Art siehe Jäger, Kriminalistik 1995, 189; Lohner, Tatverdacht, S. 126; Lange, Vorermittlungen, S. 17 ff. 378 Hilger, FG Hilger, 11 (12); Diemer, NStZ 2005, 666; missverständlich insoweit Rogall, ZStW 103 (1991), 907 (945). 379 SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 156 a; ebenso AK/Schöch § 152 Rn. 13; KK/Griesbaum § 163 Rn. 8; LR/Beulke, § 152 Rn. 33 ff.; Pfeiffer StPO § 163 Rn. 4; SK/Rogall, StPO, Vor § 133 Rn. 42; Beulke, StPO, Rn. 111; Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416 (417); Lange, Vorermittlungen, S. 21. Ausnahmen sind abschließend geregelt: § 108 StPO (Zufallsfunde), § 81 b 2. Alt StPO (Erkennungsdienstliche Sammlungen), § 158 StPO (Entgegennahmepflicht von Strafanzeigen

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krete Gefahr besteht, denn sie werden in der Praxis häufig aufgrund von Brandmeldungen, Vermisstenanzeigen oder aufgrund von Mitteilungen der Amtsgerichte in Zivilsachen (MiZi) eingeleitet.380 In § 159 StPO (i. V. m. § 152 Abs. 2 StPO) wird teilweise eine Rechtsgrundlage hierfür gesehen.381 Ihre Zulässigkeit ist jedoch umstritten.382 Allenfalls können insoweit Ermittlungen ohne Grundrechtsrelevanz zulässig sein.383 2. Verstoß gegen die Unschuldsvermutung? Die Unschuldsvermutung ist eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips384 und ausdrücklich in Art. 6 Abs. 2 EMRK aufgeführt.385 Ihr kommt daher unstrittig Verfassungsrang zu.386 Sie besagt, dass ein Beschuldigter bis zum und -anträgen) und § 159 StPO (Leichenfund, nicht natürlicher Todesfall); so laut Jäger, Kriminalistik 1995, 189 (190). 380 Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416 (417). 381 Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416; a. A. Haas, Anfangsverdacht, S. 47 f., 61, der darlegt, dass § 159 StPO weder die Vorermittlung in der StPO verankere noch dass es typische Fallgestaltungen hierfür gebe, insbesondere nicht die informatorischen Befragungen. Kritisch insoweit auch Labe, S. 225. 382 Vgl. hierzu ausführlich, Lange, Vorermittlungen, S. 34 ff. 383 Droste, S. 297; so auch Wolter, ZStW 107 (1995), 793 (824 f.) „Diese Vorermittlungen sind jenseits der eingriffsfreien Anfangsverdachts- oder Gefahrenerforschung unzulässig.“ Daneben findet sich der Begriff Initiativermittlung, der allerdings auch teilweise als Synonym für Vorermittlung oder Vorfeldermittlung auftaucht, siehe zum Beispiel Rogall, ZStW 103 (1991), 907 (945). Initiativermittlung meint in der Begriffsverwendung im Rahmen der Nr. 6.2 der Anl. E der RiStBV, dass „Staatsanwaltschaft und Polizei von sich aus im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse Informationen gewinnen oder bereits erhobenen Informationen zusammenführen, um Ansätze zu weiteren Ermittlungen erhalten“, abgedruckt in Meyer-Goßner, Anhang 12, S. 2151. In Betracht kommen also Maßnahmen nach §§ 152, 161, 163 StPO oder Vorermittlungen, Hilger, FG Hilger, 11 (15). Meistens werden Initiativermittlungen auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität angenommen, da hier häufig die Anzeigen fehlen, unter anderem weil Zeugen Angst haben, siehe Nr. 6.1. Anl. E RiStBV. Dabei wird wiederum verlangt, dass keine reinen Strukturermittlungen von den Strafverfolgungsorganen vorgenommen werden dürfen, LR/Beulke, § 152 Rn. 22; Zöller, Informationssysteme, S. 132. Unter Strukturermittlungen in diesem Sinne versteht man alle über die Aufklärung von Einzeltaten hinausgehenden Maßnahmen, welche Strukturen von Organisationen, Hintermänner, Systematik von Tatplanung beziehungsweise -vorbereitung und Organisation der Beuteverwertung offenlegen sollen, um ein gezieltes Vorgehen gegen den oder die Täter zu ermöglichen. 384 Vgl. BVerfGE 19, 342 (347); 22, 254 (265); 74, 358 (369 f.); 82, 106 (114 f.). 385 BVerfGE 19, 342 (347); BVerfGE 74, 358 (369 f.); 82, 106 (114). 386 BVerfGE 74, 358 (370); 82, 106 (114 f.), KK/Pfeiffer/Hannich, Einl. Rn. 32 a.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

gesetzlichen Nachweis seiner Schuld als unschuldig zu gelten hat.387 Sie bezieht sich ausschließlich auf die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat und schließt aus, gegen ihn im Vorgriff auf die Strafe Maßregeln zu verhängen, die in ihrer Wirkung der Freiheitsstrafe gleichkommen.388 Dagegen verbietet sie den Strafverfolgungsorganen nicht, „verfahrensbezogen den Grad des Verdachts einer strafbaren Handlung eines Beschuldigten zu beurteilen und – im Urteil – Festlegungen zur Schuld des Angeklagten zu treffen, Schuld auszusprechen und Strafe zuzumessen“.389 Gegen eine so verstandene Unschuldsvermutung verstoßen Vorfeldermittlungen nicht. Damit verdachtslose Maßnahmen gegen die Unschuldsvermutung verstoßen könnten, müsste man diese dergestalt auslegen, dass allein die Tatsache, dass jemandem ein strafbares Tun zugetraut würde, gegen die „Vermutung der Redlichkeit von jedermann“ verstieße.390 Jedoch wäre näher zu begründen, woraus sich diese ergeben soll, da eine solche allgemeine Vermutung der Rechtsordnung jedenfalls nicht offensichtlich zu entnehmen ist.391 Sie wäre auch unsinnig, da die Straftaten tatsächlich begangen werden, so dass eine Vermutung, dass jedermann stets redlich handelt, geradezu absurd wäre.392 Vorfeldermittlungen unterstellen nicht einer beliebigen Person Straftaten, sondern unterstellen vielmehr das Vorliegen solcher Straftaten und zielen auf die Ermittlung derselben. Ermittlungsmaßnahmen knüpfen zudem zunächst an einen Verdacht an, nicht an die Schuld des Betroffenen. Würde man nämlich davon ausgehen, dass die Unschuldsvermutung es verbiete, überhaupt Ermittlungen gegen den Beschuldigten durchzuführen, wäre keine Strafverfolgung mehr möglich und der Staat könnte seiner Pflicht zur Gewährleistung eines friedlichen Zusammenlebens nicht mehr nachkommen.393 Die Ermittlungen stellen gerade keine Vorverurteilung dar und ihnen wohnt auch sonst kein Sanktionscharakter inne und können daher nicht gegen die Unschuldsvermutung verstoßen.394 Da sogar die einschneidende Maßnahme der Untersuchungshaft, unter den engen, normierten Voraussetzungen, verfassungsrechtlich zulässig ist395, müssen erst recht weniger einschneidende Ermittlungen zulässig sein. Auch wird 387 BVerfGE 35, 311 (320). Zum teilweise noch ungeklärten Bedeutungsgehalt, siehe Gropp, JZ 1991, 804 (805). 388 BVerfGE 19, 342 (347); 35, 311 (320); 74, 358 (371). 389 BVerfGE 74, 358 (372). 390 So Lisken, NVwZ 1998, 22 (24); ders., ZRP 1994, 264 (268). 391 Schwabe, NVwZ 1998, 709 (710); LVerfG MV DVBl. 2000, 262 (265); Zöller, Informationssysteme, S. 271. 392 Ähnlich die Kritik von Schwabe, NVwZ 1998, 709 (710). 393 Lindner, S. 160. 394 Lindner, S. 160; Rohe S. 136. So auch Meyer-Goßner, Art. 6 EMRK Rn. 14. 395 Siehe nur BVerfGE 19, 342 (347).

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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durch die Nutzung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen im Strafverfahren die Unschuldsvermutung nicht berührt. Daher führt weder die verdachtlose Kontrolle noch die anschließende Nutzung dieser Daten zu einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.396 3. Besonderheit der Dienste? Vorfeldermittlungen waren ursprünglich ausschließlich den Nachrichtendiensten vorbehalten.397 Diese klare Einteilung hat sich inzwischen geändert398, da dem Bundeskriminalamt weitreichende Vorfeldbefugnisse eingeräumt wurden399 und Änderungen der Polizeigesetze der Länder400 zur Erweiterung der polizeilichen Befugnisse auf Vorfeldermittlungen führten. Beispiel hierfür sind insbesondere die verdachtsunabhängigen Personenkontrollen401, Abnahme und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen oder die Observation von Personen. Für die Zulässigkeit dieser Maßnahmen ist keine konkrete Gefahr, sondern allein „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ erforderlich. Ausreichend ist die nicht einzelfallbezogene, sondern abstrakte Annahme von tatsächlichen Anhaltspunkten.402 So wird durch die Gefahrenvorsorge sowie die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten403 die zeitliche Grenze nach vorne ins „Vorfeld“ verschoben.404 Eine Grenzziehung zur Polizei ist nur durch Hinzuziehung der Aufgabenbestimmung mög396

Im Übrigen siehe zu Vorfeldermittlungen, S. 87 ff. So noch Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 122 (1986); anders bereits Hund, ZRP 1991, 463 (467). 398 Korte in: Korte/Zoller, 35 (57). 399 Zuletzt Art. 1 Terrorismusabwehr-Gesetz vom 25. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 3083). 400 Vgl nur Schleierfahndung und verdachts- und anlassunabhänigige Kontrollen im grenznahen Gebiet; Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen, U-Bahnen und Bussen; automatische KfZ-Kennzeichenerfassung. Eine präventive verdachtsunabhänige Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) wurde durch BVerfGE 113, 348 ff. wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz der Länder für nichtig erklärt. 401 Riegel, Datenschutz (1992), S. 63. 402 Jäger, Kriminalistik 1995, 189 (191); Rohe S. 150 f.; Gusy, StV 1993, 269 (273 f.); daran ändert zwar im Ergebnis auch die Tatsache nichts, dass bereits der Gefahrenbegriff selbst Abstufungen kennt, wie konkret, abstrakt und Gefahrenverdacht; auf diese Abstufungen aber zurecht hinweisend Evers, Verfassungsschutz und Polizei, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (67 f.), der hierfür BVerwGE 49, 36 (43) anführt, wonach an die Wahrscheinlichkeit der Gefahr bei höherem bedrohten Schutzgut geringere Anforderungen zu stellen seien. 403 Zur umstrittenen Verfolgungsvorsorge siehe Rohe, S. 147. 404 Gusy, StV 1993, 269 (270); Möstl, DVBl. 1999, 1394 spricht insoweit von einer allgemeinen Tendenz der Verlagerung staatlichen Tätigwerdens in das Vorfeld von Verdacht und Gefahr. 397

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

lich.405 Eine Besonderheit der Nachrichtendienste liegt aber in der weit reichenden und flächendeckenden Analyse von Daten im Vorfeld.406 Den Strafverfolgungsbehörden sind Vorfeldermittlungen dagegen wegen der „limitierenden Funktion des Anfangsverdachtes (§§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO) als conditio sine qua non rechtsstaatlichen Prozedierens“ versagt.407 Ein Verdacht im Sinne der StPO setzt zumindest konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall voraus408, wobei zwar Indizien genügen, nicht aber bloße Vermutungen.409 Die Angleichung strafprozessualer und polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen schreitet aber immer weiter voran.410 Hinsichtlich der umfassenden Befugnisse der Nachrichtendienste zu Vorfeldermittlungen kann insoweit immer noch von einer Besonderheit der Nachrichtendienste gesprochen werden. 4. Zoll- und Bundeskriminalamt als weitere Nachrichtendienste? Während des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze wurden Bedenken geäußert, dass durch die Zuerkennung von „geheimdienstähnlichen Methoden“ das neue Zollkriminalamt (ZKA) „möglicherweise zu einem ‚vierten Nachrichtendienst‘ “ würde.411 Eine ähnliche Diskussion gab es auch in Bezug auf das Bundeskriminalamt (BKA).412 Auch hier wurde angeführt, durch die geplanten Be405

Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 224. Nach Gusy kann diese „Kompetenzkonkurrenz“ zwischen Verfassungsschutz und Polizei sogar die Existenzberechtigung des Verfassungsschutzes tangieren, Gusy, StV 1993, 269 (272). 406 Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (71); Droste, S. 299. 407 Rogall, Informationseingriff, S. 87. Welp, DÖV 1970, 267 (271) diskutiert noch, ob umgekehrt die Befugnisse der Dienste auf den Vorfeldbereich derart beschränkt sein sollen, dass mit Erhebung einer Beschuldigung das Vorfeld verlassen werde und die Ermittlungsbefugnis der Dienste entfalle. Dies lehnt er zugleich selbst wieder ab, da eine solche Beschränkung schon an dem fehlenden vollständigen Informationsaustausch zwischen Strafverfolgungsorganen und Diensten scheitere. 408 BVerfG NStZ 1992, 430; Meyer-Goßner § 152 Rn. 4; AK/Schöch § 160 Rn. 5; KK/Schoreit § 152 Rn. 28; Kühne, StPO, Rn. 322; Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 36. 409 Hund, ZRP 1991, 463 (464), der deswegen die Schwelle zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als nicht besonders hoch bewertet, ebenso Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416. 410 Weßlau, ZStW 113 (2001), 681 (685); ebenso Nehm, NJW 2004, 3289 (3293); Roggan, Handbuch zur inneren Sicherheit, S. 90. 411 BT-Drs. 12/1460, S. 10. 412 Vgl. hierzu ausführlich Stock, FG Hilger, 247 (252 ff.).

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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fugniserweiterungen im Bereich der Initiativermittlungen würde dieses zu einem Nachrichtendienst.413 Wie bereits gesehen, ist die Vorfeldermittlung allein nicht hinreichend zur Charakterisierung als Nachrichtendienst, da diese Befugnisse inzwischen auch anderen Behörden zustehen. So führt allein die Zuerkennung der Kompetenz zur Initiativermittlung nicht dazu, dass das Zollkriminalamt zum Nachrichtendienst wird.414 Damit handelt es sich auch bei dem Bundeskriminalamt um keinen Nachrichtendienst.415

II. Nachrichtendienstliche Mittel Von einem Monopol der Nachrichtendienste416 kann angesichts der „besonderen Mittel der Datenerhebung“ in den Polizeigesetzen, wie die verdeckte Erhebung von Personendaten, dem Einsatz technischer Mittel, Observationen, Verdeckte Ermittler sowie dem sogenannten großen Lauschangriff, nicht mehr gesprochen werden. Gröpl spricht insoweit von einem Einzug der nachrichtendienstlichen Mittel ins Polizeirecht, der „nahezu lückenlos“ sei.417 Als Besonderheit verbleiben daher den Nachrichtendiensten diejenigen Methoden, die über die existierenden Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden und der Präventivpolizei hinausgehen. Dies sind nach dem aktuellen Gesetzesstand lediglich die Bildeingriffe in Wohnungen418 und, wenn man dies gesondert anführen will, die Möglichkeit des Einsatzes eines UnderCover-Agenten auf Grundlage der Generalklausel.419 Daher besteht ein Un413 Vgl. zum Beispiel die gemeinsame Presseerklärung des Deutschen Richterbundes, der Bundesrechtsanwaltskammer, des Deutschen Anwaltvereins und der Strafverteidigervereinigungen vom 24. Oktober 2001, abgedruckt in DRiZ 2001, 479; vergleiche auch Paeffgen, StV 2002, 336. 414 Ebenso Gröpl, S. 295 f.; Hansalek, S. 125 f. 415 Missverständlich insoweit Dittler/Klöckner, Der Einfluss, in: Verstehen, dass die Welt, 126 (127). 416 Korte in: Korte/Zoller, 35 (58); Gusy, StV 1993, 269 (272). 417 Gröpl, S. 313; ebenso Gusy, Polizei und Nachrichtendienste, 91 (98). Dies wird auch als Vergeheimdienstlichung bezeichnet, so zum Beispiel Möstl, DVBl. 1999, 1394; Paeffgen, StV 2002, 336; Zöller, Informationssysteme, S. 325 ff. (327) (Vernachrichtendienstlichung). Auch die Tatsache, dass die Polizei ihre Vorfeldbefugnisse nur hinsichtlich Straftaten von erheblicher Bedeutung und nur subsidiär zu ihren übrigen Befugnissen anwenden darf, führt nicht dazu, dass das Kriterium der Befugnis weiterhin zur Abgrenzung von Polizei und Nachrichtendiensten geeignet ist, so zu Recht Schafranek, S. 158 ff., ebenso Riegel, Datenschutz (1992), S. 112. 418 Siehe aber § 20 h BKAG, eingefügt durch Art. 1 des Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 3083). 419 Siehe hierzu S. 38 ff.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

terschied lediglich dahingehend, dass die Dienste bezüglich dieser besonderen Erhebungsformen über eine Generalklausel verfügen und die Polizei trotz der allgemeinen Generalklausel bezüglich der besonderen Mittel nur über Einzelermächtigungen.420 Insgesamt stellt die Benutzung der sogenannten nachrichtendienstlichen Mittel keine Besonderheit der Nachrichtendienste dar.421

III. Trennungsgebot Ein unumgängliches, aber wichtiges Thema für die Beschäftigung mit der Thematik Nachrichtendienst ist das sogenannte Trennungsgebot. Es dient dem Verständnis des Verhältnisses von Polizei und Nachrichtendiensten und hat somit besondere Relevanz für die Informationsübermittlung und Beweisverwertung. Das Gebot besagt, dass Polizei und Nachrichtendienste getrennt sein sollen. Auf welche Aspekte sich diese Trennung jedoch bezieht, ist umstritten und daher näher zu betrachten. 1. Herkunft Historisch ergibt sich das Trennungsgebot aus dem „Letter to the parlamentary council defining the powers of the Federal Government in the police field“, dem sogenannten Polizeibrief vom 14. April 1949.422 Damit erlaubten die drei alliierten Militärgouverneure der Bundesrepublik die Errichtung einer zentralen Informationssammelstelle, die keiner Polizeistelle angegliedert sein durfte.423 Dieses wurde nochmals in Nr. 3 des Genehmi420 So auch Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (70); der allerdings darauf hinweist, dass insbesondere in den Bereichen der Aufgabenüberschneidung auch die Polizei sehr häufig ein heimliches Vorgehen wählen muss/wird. 421 Auch die Diskussion über die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die sogenannte Online-Durchsuchung kann hieran nichts ändern, da eine derartige Befugnis bereits dem BKA zusteht; vergleiche S. 49. Bäumlers These NVwZ 1991, 643 (644), das nachrichtendienstliche Mittel sei das, was den Geheimdienst zu einem solchen mache, trifft daher heute nicht mehr zu. 422 Es handelt sich dabei um ein Schreiben, welches die drei westlichen Militärgouverneure einer Delegation des Parlamentarischen Rates an jenem Tag übergaben, und welches die Polizeikompetenzen des Bundes betraf, woher der Name rührt. Unter Nr. 2 dieses Schreibens hieß es: „Der Bundesregierung wird es ebenfalls gestattet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse haben“, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat, 1948–1949, Band 8, S. 230 f. (deutsche und englische Version).

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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gungsschreibens zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 bekräftigt.424 Das Trennungsgebot sollte es nach den Erfahrungen des sogenannten Dritten Reiches425 verhindern, dass jemals wieder eine geheime politische Polizei, wie sie für totalitäre Regimes typisch ist, entstehen kann.426 Unklar ist, ob dies wirklich der maßgebliche Grund war, oder aber ob nicht vielmehr die Eigeninteressen der Besatzungsmächte an der Vermeidung einer zentralen Exekutiveinrichtung und der damit verbundenen erschwerten Kontrollmöglichkeit bestand oder dem Interesse der britischen Besatzungsmacht an einem Verbot von Exekutivbefugnissen des Nachrichtendienstes gedient wurde.427 Als Vorbild diente jedenfalls der britische Security Service.428 2. Umfang Umstritten ist nun der konkrete Inhalt dieses Trennungsgebotes. Zusammenfassend kann man den Inhalt wie folgt umschreiben: „Wer (fast) alles weiß, soll nicht alles dürfen; wer (fast) alles darf, soll nicht alles wissen“.429 Dabei lässt sich „das“ Trennungsgebot unter drei unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten.

423 Dieser hob damit das aus Kontrollratsgesetz Nr. 31 vom 01. Juli 1946, Amtsblatt Kontrollrat, S. 163 folgende Verbot jeder Tätigkeit, „die die Überwachung oder Kontrolle der politischen Betätigung von Personen zum Zweck“ hat, auf. 424 „Zweitens ist klarzustellen, dass die in Artikel 91 (2) enthaltene Polizeigewalt nicht ausgeübt werden kann, bis sie durch die Besatzungsbehörden ausdrücklich genehmigt ist. In gleicher Weise werden sich sonstigen Polizeifunktionen nach unserem am 14. April 1949 in dieser Angelegenheit an Sie gerichteten Schreiben zu richten haben.“, abgedruckt in: Der parlamentarische Rat, 1948–1949, Bd. 8, S. 273 ff. (deutsche, englische und französische Version). 425 1939 wurden die Gestapo, die Sicherheitspolizei und der parteieigene Sicherheitsdienst (SD) im Reichssicherheitshauptamt zusammengefasst, Kutscha in: Lange, WB, Stichwort Trennungsgebot, S. 227 (338). 426 Schäfer, NJW 1999, 2572; Bull, DÖV 1979, 689 (695); Brenner, S. 45 f.; Ostheimer, S. 63 Fn. 282; Schafranek, S. 177 Fn. 374; Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 128; Gröpl, S. 302; Evers BK Art. 73 Nr. 10 Rn. 48; Denninger, ZRP 1981, 231; kritisch gegenüber diesem Argument Gusy, GA 1999, 323 (324). 427 Vgl. Gusy, ZRP 1987, 45 (46); Droste, S. 17; Nehm, NJW 2004, 3298 (3290), der es auch als fernliegend ansieht, dass die Alliierten das Trennungsgebot überhaupt als Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats in der Verfassung verankern wollten, ebenso Droste, S. 18, die vom „temporären Besatzungsrecht“ spricht, vergleiche hierzu später S. 380 ff. 428 Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (81); Droste, S. 13; Schütte in: Lange, WB zur Inneren Sicherheit, Stichwort Bundesamt für Verfassungsschutz, S. 22 (23); Details zum Security Service, siehe S. 338 ff. 429 Gusy, Polizei und Nachrichtendienste, 91 (93).

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

a) Organisatorisches Trennungsgebot Gesetzlich verankert ist das organisatorische Trennungsgebot, siehe § 2 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG, § 1 Abs. 1 S. 2 BNDG, § 1 Abs. 4 MADG. Dieses besagt, dass die Nachrichtendienste keiner Polizeidienststelle angegliedert werden dürfen. Ergänzend sind auch Weisungs- und Kontrollbefugnisse der Nachrichtendienste gegenüber den Polizeibehörden ausgeschlossen.430 Dieser Aspekt ist auch unumstritten.431 Auch die Praxis der Länder, keine gesonderten Verfassungsschutzbehörden zu schaffen, sondern lediglich eine Abteilung des Innenministeriums als Verfassungsschutzbehörde einzurichten, verstößt hiergegen nicht.432 b) Befugnisrechtliches Trennungsgebot Schwieriger stellt sich der Aspekt der befugnisrechtlichen Trennung dar.433 Damit ist gemeint, dass dem Nachrichtendienst polizeiliche Befugnisse nicht zustehen und er die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen darf, zu denen er selbst nicht befugt ist. Dies wird auch das „Exekutivverbot“ genannt.434 Dieser Bestandteil ist einfachgesetzlich niedergelegt in § 8 Abs. 3 BVerfSchG, § 4 Abs. 2 MADG, § 2 Abs. 3 BNDG435 und entspricht dem Wortlaut des ursprünglichen Polizeibriefes.436 Daher ist zur Befugnisabgrenzung entscheidend, was unter diesen polizeilichen Befugnissen, welche den Nachrichtendiensten untersagt sind, zu verstehen ist.

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§ 8 Abs. 3 BVerfSchG, § 4 Abs. 2 MADG, § 2 Abs. 3 S. 1 BNDG. Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 130. Zwar war die organisatorische Trennung im Polizeibrief so nicht enthalten, jedoch sichert sie die befugnisrechtliche Trennung nochmals ab, Gusy, ZRP 1987, 45 (46). 432 König, S. 34. 433 Laut Albert, ZRP 1995, 105 (106) ist dieser Aspekt nicht auf den Polizeibrief, sondern auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts zurückzuführen. 434 König, S. 226. 435 Manche Länder haben dieses Verbot nicht nur einfachgesetzlich aufgenommen, sondern auch in ihre Landesverfassungen (Verfassungen von Brandenburg (Art. 11 Abs. 3 S. 2) und Sachsen (Art. 83 Abs. 3 S. 1), Thüringen (Art. 97 S. 2)); vergleiche Droste, S. 47, König, S. 227. Falls man für den Bund ein verfassungsrechtliches Trennungsgebot ablehnt, können die Ländern einfachgesetzliche Regeln hierzu nach Belieben erlassen, sofern die Zusammenarbeit dadurch nicht beeinträchtigt wird. 436 Polizeibrief Nr. 2 Satz 2: „This agency shall have no police authority.“ 431

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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aa) Polizeiliche Befugnisse Die Definition der polizeilichen Befugnisse ist strittig. Einigkeit besteht dahingehend, dass hierunter zumindest alle rechtlichen und faktischen Zwangsmaßnahmen zu fassen sind437 sowie Polizeiverfügungen als von Zwangsmitteln begleitete Maßnahmen.438 Unklar ist hingegen, ob darüber hinaus die Dienste von jeglichen Maßnahmen, die der Polizei zustehen, ausgeschlossen sein sollen, mithin auch von allen polizeilichen Standardmaßnahmen sowie Maßnahmen auf Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel.439 Nach der wohl herrschenden und auch zutreffenden Meinung sind „polizeiliche Befugnisse“ im Sinne des § 8 Abs. 3 BVerfSchG440 mit Zwangsbefugnissen gleichzusetzen.441 Erfasst werden daher diejenigen Befugnisse, für welche „charakteristisch ist, dass sie zum offenen Eingriff in Freiheit, körperliche Integrität oder Eigentum des Körpers berechtigen“.442 Rundel betont, dass man polizeiliche Befugnisse nicht derart verstehen dürfe, dass jegliche der Polizei zustehenden Maßnahmen verboten wären, da sonst Abs. 2 verbiete, was das Gesetz in Abs. 1 anordne (heute Abs. 3 und 2 von § 8 BVerfSchG).443 Anderenfalls würden aufgrund der Befugniserweiterung der Polizei den Nachrichtendiensten viele ihrer Mittel verboten.444 Nach Wolter sollen unter polizeiliche Befugnisse im vorliegenden Sinne alle Zwangsmaßnahmen sowie alle heimlichen Informationseingriffe, die nicht von § 8 Abs. 2 BVerfSchG gedeckt sind, fallen.445 Andere wiederum wollen hierunter (mindestens) die Standardmaßnahmen verstehen.446 Rottmann spricht über die „typischen polizeilichen Hoheitsbefugnisse“.447 Diese Definition ist allerdings insoweit unzureichend, da sie bei § 8 BVerfSchG 437 Denninger, Amtshilfe im Bereich der Verfassungsschutzbehörden in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 19 (37); Evers, Privatsphäre, S. 98. 438 Evers, Privatsphäre, S. 98; Droste, S. 294. 439 So auch Soiné, NStZ 2007, 247 (248); König, S. 35. 440 Beziehungsweise nach § 4 Abs. 2 MADG; § 3 Abs. 2 BNDG. 441 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Polizeiliche Befugnisse, S. 353 f., ebenso Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 137; Evers in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat S. 65 (69); ders. Privatsphäre, S. 98; Roewer § 3 Rn. 200; Salzwedel, GS Peters, 756 (757); Rundel, S. 8. 442 König, S. 34 f., 227. 443 Rundel, S. 8. 444 Siehe hierzu S. 89 ff. 445 SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 103. 446 Denninger, ZRP 1981, 231; Roll, JuS 1979, 241; Gusy, ZRP 1987, 50; Kalkbrenner, FS Samper, 69 (91); Ostheimer, S. 105; Gröpl, S. 311. 447 Rottmann, AöR 88, 227 (232).

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

auch erfüllt sein kann. Letztlich führt dies zu einer Festschreibung des aktuellen Stands des § 8 Abs. 2 BVerfSchG, der bekanntlich nicht abschließend sein soll. Eine Erweiterung der Befugnisse würde dann immer gegen das Trennungsgebot verstoßen. Für den weiten Begriff könnte sprechen, dass polizeiliche Befugnisse nicht unterteilbar sind.448 Dagegen spricht jedoch schon der Entwurf zum BVerfSchG von 1986, welcher in § 5 eine solche Aufspaltung vorsah.449 Sinn und Zweck des Ausschlusses von polizeilichen Befugnissen war zumindest auch die Verhinderung einer übermächtigen Behörde. Bei der Auslegung ist ebenfalls zu beachten, dass der Begriff „polizeiliche Befugnisse“ in der vorliegenden Konstellation nicht dem Polizeirecht entstammt, sondern dem Verfassungsschutzrecht.450 Dass polizeiliche und nachrichtendienstliche Befugnisse nicht zwingend im Ausschlussverhältnis stehen können, zeigt sich insbesondere durch die gesetzlichen Neuerungen, welche die Befugnisse der Polizei um eher typisch nachrichtendienstliche Befugnisse erweitern. Dass dies nicht dazu führen kann, dass eine entsprechende Befugnis den Nachrichtendiensten entzogen wird, ist offensichtlich, da eine solche Interpretation die Aufgabe der Nachrichtendienste ad absurdum führte. Den Nachrichtendiensten würden zahlreiche Befugnisse genommen, weil ihnen quasi jede verdeckte Tätigkeit untersagt wäre. Allerdings verschwimmt durch diese neuen Regelungen im polizeilichen Bereich die funktionale Trennung.451 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Differenzierung je nach Charakter überzeugt und demnach die deutschen Nachrichtendienste keine (rechtlichen oder faktischen) Zwangsmaßnahmen vornehmen dürfen.452 bb) Reichweite der zulässigen Amtshilfe Zur Stärkung des Trennungsgebotes regelt § 8 Abs. 3 BVerfSchG, dass auch nicht um Amtshilfe bei der Polizei für Maßnahmen ersucht werden 448 Riegel, NJW 1979, 953 f.; ders. (1992), S. 38; Bull, DÖV 1979, 695; ders. Datenschutz und Ämter für Verfassungsschutz in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 133 (150); Soiné, NStZ 1999, 247 (248); unklar bleibt insoweit Denninger, Amtshilfe im Bereich der Verfassungsschutzbehörden in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 19 (37), der zwar exekutivische Maßnahmen auch unter polizeiliche Befugnisse fallen lassen will, aber auch betont, man könne nicht mehr vertreten, „daß dem BfV keinerlei Exekutivbefugnisse zustünden.“ 449 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 139. 450 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (485). 451 Gusy, GA 1999, 323 (325), so insbesondere durch die neuere Landesgesetzgebung im Bereich Polizei und bei Verfassungsschutz in Bezug auf die O.K. 452 So im Ergebnis auch Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (486).

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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darf, zu denen die Dienste selbst nicht befugt wären.453 Dies wiederholt letztlich die allgemeine Regel, dass Amtshilfe weder der ersuchenden noch der ersuchten Behörde Erweiterungen oder Veränderungen ihrer Zuständigkeiten oder Befugnisse verschaffen darf.454 Relevanz haben die Vorschriften der Amtshilfe, also die §§ 4 ff. VwVfG, für die Nachrichtendienste deswegen, da sie auch diverse Realleistungen sowie sonstige Handlungen umfasst, wie zum Beispiel Ratschläge wegen größerer Ortsnähe, Ausbildung und Vorträge.455 So kommen beispielsweise Angehörige des Verfassungsschutzes als Berater oder Sachverständige zu verschiedenen Ermittlungsmaßnahmen, wie Tatortbegutachtungen und Vernehmungen in Betracht.456 Auch existieren vielfältige Formen der Kooperation457, wie ständige und intensive persönliche Kontakte, anlassbezogene Besprechungen und periodische Begegnungen sowie spezielle Koordinierungsgruppen, wie sogenannte Informationboards.458 Ferner kommt Amtshilfe in Betracht, wenn die Dienste die Polizei bei der Vornahme derer Handlungen unterstützt, sofern diese aus tatsächlichen Gründen, etwa bei Personalnotstand, hilft. Hierbei dürfen jene aber keine Polizeibefugnisse anwenden beziehungsweise vorspiegeln, sie dürften solche einsetzen.459 Eine gemeinsame Observierung ist im Einzelfall zulässig.460 Da die Amtshilfe daher nur eine „Personenleihe“ darstellt und keine Befugnisleihe, ist es für Bewertung der nachrichtendienstlichen Erkenntnis daher im Ergebnis unerheblich, ob die handelnde Person Mitarbeiter der Dienste oder Polizeibeamte im Rahmen eines Amtshilfeersuchens war, so453

Siehe § 8 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG, § 4 Abs. 2 S. 2 MADG, § 3 Abs. 2 S. 3 BNDG. 454 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 5 Rn. 7, 22. 455 Droste, S. 557 f. 456 Martin, Ämter für Verfassungsschutz bei der Strafverfolgung, 81 (91). 457 So ist es zum Beispiel gemäß Nr. 205 RiStBV für die Strafverfolgungsbehörden in Staatsschutzverfahren in der Regel geboten, mit den Verfassungsschutzbehörden in geeigneter Weise zusammenzuarbeiten. 458 Droste, S. 477; Lange/Krevert in: Lange, WB zur inneren Sicherheit, Stichwort Bundesnachrichtendienst, S. 30 (32 f.). Hierunter ist eine „in der Ausgestaltung offene, aber strukturierte Kooperation verschiedener Sicherheitsbehörden zu verstehen, die [. . .] auf Permanenz und Institutionalisierung angelegt ist“, Droste, S. 577 m. w. N. zu den bislang genutzten verschiedenen Boards; zu anderen Kooperationsmechanismen siehe Droste, S. 580 Fn. 1829. Zu weiteren Details siehe Droste, S. 296, 578. 459 Droste, S. 570 f. 460 Eine sogenannte Joint Section für eine ständige Observation wäre danach unzulässig, Droste, S. 571. Dabei soll die Polizei nicht der Leitung des BfV unterstellt sein dürfen, insbesondere wegen des Legalitätsprinzips im Verhältnis zum Quellenschutz, siehe Nehm, NJW 2004, 3289 (3294); Droste, S. 571. Umgekehrt soll es dagegen keine Probleme geben, Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 130.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

fern diese ihrerseits rechtmäßig gehandelt hat, also im Rahmen der Befugnisse der Nachrichtendienste.461 Daher wird diese Konstellation im Folgenden nicht gesondert erwähnt. Außerdem besteht die Möglichkeit von Ersuchen an den Bundesgrenzschutz nach § 17 Abs. 2 BVerfSchG. Im Zusammenspiel der Normen nach dem BGSG, insbesondere §§ 29 Abs. 1 S. 2, 31, 32 BGSG ergibt sich, dass die Nachrichtendienste den Bundesgrenzschutz zu bestimmten Ermittlungen beauftragen können. Es handelt sich um einen Fall der gewöhnlichen Amtshilfe unter Ausschluss der Klausel, nach welcher die Dienste sonst nicht um Informationen ersuchen dürfen, die sie selbst nicht einholen könnten.462 Nach § 12 Abs. 3 BGSG werden strafrechtsrelevante Informationen, soweit der Bundesgrenzschutz nach § 12 Abs. 1 BGSG nicht selbst zuständig ist, an die zuständigen Strafverfolgungsorgane weitergeleitet. c) Informationelles Trennungsgebot? Dritter Aspekt und zugleich derjenige mit den weitreichendsten Konsequenzen wird unter dem Stichwort informationelles Trennungsgebot diskutiert. Damit wäre ein Informationsaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ausgeschlossen.463 Die Existenz eines solchen informationellen Trennungsgebotes ist umstritten. So wird teilweise vertreten, dass den Polizeien die Informationen der Nachrichtendienste vorzuenthalten seien und eine Vermischung von Erkenntnissen, die aufgrund unterschiedlich weiter Befugnisse gewonnen worden seien, zu verhindern sei.464 Sinn des Trennungsgebotes liege gerade darin, die Polizei von Erkenntnissen aus Vorfeldermittlungen auszuschließen.465 461 Ebenso zum Beispiel Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (84). 462 Hierin wird teilweise ein Verstoß gegen das befugnisrechtliche Trennungsgebot gesehen; so König, S. 231. Ostheimer, S. 116 spricht von einer Lockerung. Neu ist die Möglichkeit der Grenzfahndung nach § 17 Abs. 3 und die Einstellung in das Schengener Informationssystem (SIS). Roggan/Bergemann sprechen insoweit von einem Paradigmenwechsel bei den Diensten, da insoweit polizeiliche Befugnisse indirekt doch zugestanden werden, Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (880). 463 Gusy vertritt neuerdings, das informationelle Trennungsgebot wolle nur die Reichweite der Zusammenarbeit bestimmen und verbiete daher nicht die Übermittlungen selbst, sondern lediglich gemeinsame Dateien und den Datenvollverbund, Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (487 ff.). 464 Bull, DÖV 1979, 695; Lisken, NJW 1982, 1483; Riegel, NJW 1979, 952 (954 f.); ablehnend hierzu Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (80 f.). 465 Gusy, ZRP 1987, 48 ff.; siehe aber auch Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 ff.

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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Paeffgen/Gärditz fordern ein solches Trennungsgebot aus föderalen Gesichtspunkten. Zur Wahrung der Kompetenzbereiche des Bundes und der Länder sowie der Bundes- beziehungsweise Landestreue sei zu fordern, dass die Rechtsgrundlagen zur Informationsgewinnung so restriktiv zu fassen sind, dass nicht „massenhaft“ Befunde anfallen, die in das Recht der Gefahrenabwehr, als Landesrecht, fallen.466 Damit beschäftigen sie sich allerdings nicht mit der eigentlichen Problematik der informationellen Trennung, nämlich der Informationsübermittlung, sondern mit der Datenerhebung. Gegen eine Datenübermittlung wenden sie folglich nichts ein.467 Weiter soll das befugnisrechtliche Trennungsgebot ein informationelles Trennungsgebot bedingen, da ein solches ansonsten weitgehend wirkungslos bliebe.468 Daher müsste zumindest grundsätzlich eine Trennung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Informationen gewährleistet sein.469 Gegen ein so verstandenes Trennungsgebot spricht zunächst die aktuelle gesetzliche Regelung. Die §§ 17 ff. BVerfSchG deuten schließlich gerade auf einen Informationsaustausch hin.470 Darüber hinaus lässt sich anführen, dass durch die Weitergabe von Informationen weder Herrschaft über den Einsatz von polizeilichen Mitteln erlangt wird noch ein organisatorischer Verbund entsteht.471 Das Trennungsgebot schließt nämlich nicht die Informationsweitergabe aus, sondern nur die Fremdbestimmung der polizeilichen Befugnisse, so dass auch eine Amtshilfe zwischen Polizei und den Nachrichtendiensten in Form von Informationshilfe gerade nicht ausgeschlossen ist.472 Kritiker merken an, dass durch den „faktischen Verbund“ auch das organisatorische Trennungsgebot immer mehr zur „Fassade“ würde.473 Jedoch 466

Paeffgen/Gärditz, KritV 2000, 65 (68 ff.). Zur generellen Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit der Befugnisse des BND nach dem G10 siehe S. 58 ff. 468 Baumann, DVBl. 2005, 798 (800). 469 Lisken/Denninger C 132. 470 Ebenso Droste, S. 296; Riegel (1992), S. 143. Die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten wird zusätzlich durch Richtlinien konkretisiert, wobei die ersten – die sogenannten Unkeler Richtlinien – von 1954 stammen. Zur weiteren Entwicklung bis zum BVerfSchG von 1990, vergleiche König, S. 98 ff. Die meisten der Richtlinien wurden allerdings als VS-Nur für den Dienstgebrauch eingestuft und sind daher nicht veröffentlicht, siehe König, S. 98 mit weiteren Nachweisen; Droste, Anhang 4 (ZRL). 471 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 133; Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (80). 472 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 130 ff. 473 Kutscha in: Lange, WB zur inneren Sicherheit, Stichwort Trennungsgebot, S. 337 (339); Simitis, NJW 1986, 2795 (2801). 467

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

kann schon die organisatorische Trennung allein trotz des weitgehenden informationellen Austauschs „immer noch gewaltenteilend und -begrenzend“ wirken.474 Dies ergibt sich auch daraus, dass auf diese Art Nachrichten nicht unfiltriert und ohne weitere Nachprüfung zur Strafverfolgung eingesetzt werden können, zumal es psychologisch nachweisbar ist, dass man eigenen Informationen deutlich mehr vertraut und daher auch schneller darauf reagiert als bei fremden Informationen.475 Hinzukommt, dass das Grundgesetz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 b GG und Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 c GG zeige, dass es grundsätzlich auf Kooperation angelegt ist.476 Entscheidend ist aber, dass die Informationen der Nachrichtendienste mangels eigener Eingriffsbefugnisse gerade erst durch die Weiterleitung und Übermittlung ihren Schutzzweck erreichen.477 Denn erst durch die Weitergabe werden die aus der organisatorischen und befugnisrechtlichen Trennung resultierenden Nachteile kompensiert.478 So ergibt sich die Notwendigkeit des Informationsaustausches aus der organisatorischen Trennung.479 Wäre ein solcher verfassungsrechtlich ausgeschlossen, müsste man an der Legitimität der Dienste zweifeln, da deren Arbeit dann nicht mehr verhältnismäßig wäre. Auch die historische Auslegung spricht gegen eine informationelle Trennung, da die Alliierten das Trennungsgebot ebenfalls nicht als Verbot jeglicher Zusammenarbeit auffassten; sofern das Verfahren geregelt war, lag ein intensiver Informationsaustausch zwischen Polizei, Justiz und den Diensten in ihrem Sinne.480 Der Wortlaut des Polizeibriefes selbst spricht nur von der „police authority“, die der neuen Behörde nicht zustehen soll. Aus der Historik lässt sich vielmehr ein weiteres Argument gegen eine Trennung herleiten, da der Verfassungsschutz dem Security Service nachgebildet werden sollte und dieser einen regen Informationsaustausch mit der Polizei unterhält.481 474

Denninger, StV 2002, 96 (97). Schmidt in: Verfassungsschutz, 15 (18). 476 Stock, FG Hilger S. 259; Droste, S. 296; Soiné, NStZ 2007, 247; Wolff/ Scheffczyk, JA 2008, 81 (84). 477 Herzog, Der Auftrag der Verfassungsschutzbehörden in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1 (8); Einwag, Datenschutz und Verfassungsschutz, 93 (100); Roewer § 3 Rn. 9. 478 König, S. 38. 479 König, S. 224. 480 Roewer, DVBl. 1988, 666 (668); Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 132 unter Zitat der Unkeler Richtlinien vom 8. Oktober 1954 „Der Verfassungsschutz unterrichtet die Polizei über alle Tatbestände, von denen sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis haben muß“. 481 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 134. 475

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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Auch die Aufklärung der Ereignisse um den 11. September 2001 hat gezeigt, dass ein Informationsaustausch für die erfolgreiche Aufgabenwahrnehmung durch Nachrichtendienste entscheidend sein kann.482 Ein informationelles Trennungsgebot lässt sich auch nicht aus der geregelten Befugnisund Organisationstrennung herleiten.483 Dagegen kann das Trennungsgebot dann beachtlich sein, wenn ein immer weitgehender Datenverbund gefordert wird. Ein Vollverbund mit allen Daten von den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden wäre schon mit der organisatorischen Trennung nicht vereinbar.484 Zulässige Datengruppierungen wären wohl Informationen rund um die Staatsschutzdelikte, da sich hier die Aufgabenbereiche der einzelnen Behörden überschneiden.485 Verboten sollen grundsätzlich gemeinsame Dateien sein, ebenso wie ein Online-Verbund und gegenseitige Direktabrufrechte.486 Ausnahmen hiervon 482

Hierauf auch Bezug nehmend Stock, FG Hilger, 247 (260 f.). Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (80). Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Polizeibrief, S. 353 sagen seit den 80er Jahren sei in den Polizeibrief „viel hineingeheimnist“ worden und bezeichnen die oben dargestellten Meinungen als die „wildesten Theorien“; hierzu auch deutlich Stock, FG Hilger, 247 (259) der „ausführlich fest[zu]stellen“ will, dass es sich bei den deutschen Nachrichtendiensten um einen ordentlichen Bestandteil der Exekutive handelt. Zudem fällt auf, wie König richtig bemerkt, dass die Debatte um das Trennungsgebot, als Abkehr von dem Herrschaftsapparat und als „Schutzschild des Bürgers vor der Übermacht des Staates“ an sich, sehr emotional geführt wird, König, S. 118. 484 Droste, S. 42. 485 Ostheimer, S. 127. Vom Bundesinnenministerium wurde Ende 2004 das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) errichtet. Dieses stellt eine Plattform dar, in der Vertreter von insgesamt 39 deutschen Regierungsinstitutionen Informationen austauschen können. Es setzt sich aus NIAS, nachrichtendienstlicher Analysestelle unter Federführung des BfV und PIAS, polizeilicher Analysestelle des BKA zusammen, siehe hierzu Adam, Wenn Grenzen fallen in: Verstehen, dass die Welt, 19 (26 f.), Fromm, Aufgaben und Organisation des Verfassungsschutzes in: Sicherheitsdienste des Bundes, 41 (50), der zudem auf die Existenz des GIZ (Gemeinsame Internetzentrum) seit 2007 verweist, sowie Daun in: Deutsche Außenpolitik, Jäger/Höse/Oppermann, 159. Ebenfalls wurde eine sogenannte Antiterrordatei eingerichtet, in welche die beteiligten Behörden ihre vorhandenen, für die Terrorismusbekämpfung erforderlichen Daten grundsätzlich einstellen müssen; Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendienstens des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz – ATDG) vom 01. Januar 2006, BT-Drs. 16/2950 und 16/3642. Droste, S. 583 f. betont, dass dies der Stärkung des Trennungsgebotes diene und kein Verstoß gegen selbiges darstelle. Beide Instrumente sind vorliegend nur der Vollständigkeit halber erwähnt, da sie für die vorliegende Untersuchung nicht unbedingt relevant sind, weil die Erkenntnisse bei Einstellung in die Datei nicht spezifisch nachrichtendienstlich sind; die Verwertbarkeit von Dateierkenntnissen unterliegt vielleicht auch Problemen. Diese werden hier aber nicht behandelt, da das Einstellen in eine Datei selbst nicht Verwendung zur Strafverfolgung, sondern Prävention und daher nicht Thema dieser Arbeit ist. 486 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (488); Droste, S. 578. 483

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

sind in §§ 22 a BVerfSchG, 9 a BNDG normiert, wonach unter bestimmten Voraussetzungen eine projektbezogene gemeinsame Datei zulässig ist.487 Insgesamt kann zu dem Datenabruf auf die Regelungen zur Übermittlung verwiesen werden, da ein Datenabruf nur in dem Maße zulässig sein kann, wie auch eine Übermittlung zulässig wäre.488

IV. Tätigkeitsfeld Die Tätigkeit der Nachrichtendienste konzentriert sich wie dargelegt auf Straftaten mit politischer Ausrichtung: Ihnen obliegt damit ein grundsätzlich enges, auf Staats- und Verfassungsschutz489 begrenztes, Tätigkeitsfeld.490 Jedoch überschneidet sich beispielsweise das Tätigwerden des Verfassungsschutzes mit dem der Kriminalpolizei bei der Bekämpfung von politisch motivierter Kriminalität und politischem Extremismus.491 Die Aufgabe ist damit ebenso wenig wie die Befugnis zur Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel zur Abgrenzung tauglich492 und kann daher nicht als Charakteristikum der Nachrichtendienste herangezogen werden.

487 Eingeführt durch Art. 2 und 3 des Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I, 3409). Eine Zusammenarbeit soll hier deswegen zulässig sein, da das BKA lediglich seine Zentralstellenfunktion wahrnehme, Droste, S. 587. 488 Siehe hierzu Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (488). 489 Zur Abgrenzung siehe Teil 1 Fn. 30. 490 Neben dem Begriff Nachrichtendienst wird auch der Begriff „Verfassungsschutz“ als Sammelbegriff verwendet: teils für die drei Nachrichtendienste, aber auch als Oberbegriff für die unterschiedlichen Träger des Verfassungsschutzes: Der nachrichtendienstliche Verfassungsschutz soll dabei von den Diensten abgedeckt werden (Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen), der strafrechtliche Verfassungsschutz durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Strafgerichte (Verfolgung von Straftaten, die sich gegen den Bestand des Staates oder gegen die Verfassung richten), der verfassungsgerichtliche Verfassungsschutz durch Bundesverfassungsgericht, Länderverfassungsgerichte (insbes. Parteiverbote, Grundrechtsverwirkung) und der behördliche Verfassungsschutz i.Ü. durch Ordnungs-, Vereins-, Ausländerbehörden etc. (insbes. Vereins- und Versammlungsverbote), siehe Schafranek S. 13 ff. Um Unklarheiten zu vermeiden, wird der Begriff des Verfassungsschutzes vorliegend aber nur für die betreffende Behörde verwendet. 491 König, S. 223. 492 Evers in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (66 ff.); a. A. Riegel (1992), S. 112, der „Aufgabe“ und „Zielrichtung“ als einzig geeignetes Abgrenzungskriterium sieht, ohne jedoch Aufgabe oder Zielrichtung der Nachrichtendienste zu erläutern.

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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V. Aufklärungsrichtung Während die Polizei Einzeltäter verfolgt, geht es den Nachrichtendiensten typischerweise um die Überwachung von Bestrebungen, also Kollektiven.493 Es geht ihnen mehr um die Aufklärung von Strukturen als die Verfolgung einzelner Straftaten.494 Dass dies jedoch nicht immer gilt, zeigt die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Formen der Organisierten Kriminalität (OrgKG). Denn Ziel der Ermittlungstätigkeit sei es, „über die Peripherie der kriminellen Organisationen hinaus in deren Kernbereich einzudringen, ihre Strukturen zu erkennen und zu zerschlagen und die hauptverantwortlichen Straftäter, die Organisatoren, die Finanziers und im Hintergrund agierenden Drahtzieher zu überführen.“495 So betreffen Ermittlungsmaßnahmen wie Kontrollstellen (§ 111 StPO), Rasterfahndung (§ 98 a StPO) und Telekommunikationsüberwachung (§ 100 a StPO) regelmäßig eine Vielzahl von Personen. Nur die herkömmlichen Ermittlungsmaßnahmen sind wirklich auf die Einzelperson abgestimmt.496 Aber auch bei der Tätigkeit der Nachrichtendienste sind Einzeldaten nicht vollkommen unerheblich. Nach § 4 Abs. 1 S. 4 BVerfSchG können ausnahmsweise auch Erkenntnisse über Einzelpersonen gewonnen werden. Während früher vertreten wurde, dass Erkenntnisse über Einzelpersonen für den Verfassungsschutz nicht zur Aufgabenerfüllung notwendig seien497, so ist doch zu berücksichtigen, dass hinter Personenzusammenschlüssen notwendigerweise auch immer Einzelpersonen stehen, da jene von diesen ausgehen, so dass die Aufklärung der Nachrichtendienste letztlich auch personenbezogen ist.498 Häufig kann auch erst über die Feststellung der Individualität von Teilnehmern die tatsächliche Größe und Bedeutung der extremistischen Gruppe festgestellt werden.499 Ferner ergibt sich aus neue493 Ostheimer, S. 78; Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (71). Dem Gesetzeswortlaut zufolge ist es Aufgabe des Bundesamts für Verfassungsschutzes, verfassungsfeindliche „Bestrebungen“ zu beobachten. Bestrebung sind nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 BVerfSchG solche „politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß“. 494 Droste, S. 299; Treverton, S. 170. 495 BT-Drs. 12/989, S. 21; Schafranek, S. 164. 496 Gusy, StV 1993, 269 (273). 497 VGH Mannheim, JZ 1982, 853 (854 f.), zustimmend Kutscha ZPR 86, 195 (196). 498 Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 224; Evers, Privatsphäre, S. 99; Roewer, NJW 1985, 773 (776); Gusy, NVwZ 1983, 322 (324); insoweit zustimmend, aber gegen eine personenbezogene Auswertung Simitis/Wellbrock, NJW 1984, 1591 (1593). 499 Droste, S. 172.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

rer Gesetzgebung, zum Beispiel § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 b G 10, die Folge, dass immer häufiger Einzeltäter oder Kleinstgruppen in das Visier der Ermittler geraten.500 Damit sind Einzelpersonen, wenn auch ganze Demonstrationen und andere öffentliche Veranstaltungen aufgezeichnet werden501, nicht irrelevant. Daher kann die Aufklärungsrichtung nicht als Unterscheidungsmerkmal dienen.

VI. Opportunitätsprinzip Eine Besonderheit der Nachrichtendienste gegenüber der Polizei stellt dagegen das für erstere geltende Opportunitätsprinzip dar. Dabei steht das Ob der Aufgabenwahrnehmung selbstverständlich nicht im Ermessen der Nachrichtendienste. Das Opportunitätsprinzip greift nur bezüglich der Art der Aufgabenerfüllung, also bezüglich der Intensität der Maßnahmen oder auch bezüglich der Informationsweitergabe.502 So zwingt das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zur Aufnahme der Beobachtungstätigkeit. Anders als die Strafverfolgungsorgane sind die Dienste aber nicht verpflichtet, Informationen weiterzugeben, wenn diese einen strafrechtlichen Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO begründen.503 Sie können diese vielmehr zurückbehalten, sowohl vorübergehend als auch endgültig.504 Daher werden ihnen häufig Informationen von Straftätern und Opfern mitgeteilt, die sich der Polizei aus Angst vor Sanktionen durch den Täter nicht anvertrauen.505 Nicht übersehen werden darf aber, dass der Staatsanwaltschaft zwar kein Ermessen bezüglich eines Einschreitens bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO zusteht, wohl aber ein weiter Beurteilungsspielraum.506 So darf sie Diversion derart betreiben, dass Straftaten 500

Droste, S. 339. Droste, S. 285. Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Praxis, siehe S. 72 ff. 502 Droste, S. 199 f. 503 Für die Gefahrenabwehr gilt hingegen auch für die Polizei das Opportunitätsprinzip. Ansatzpunkte für Opportunität bei der Staatsanwaltschaft findet sich in § 153 c StPO. Zur Grenze der Opportunität, siehe S. 118 ff. 504 Evers, Privatsphäre, S. 130. 505 Droste, S. 280 f., 301. 506 LR/Beulke § 152 Rn. 28. Schafranek, S. 165 sieht dagegen das Legalitätsprinzip auch bei den Strafverfolgungsorganen insbesondere beim Einsatz von verdeckten Ermittlern eingeschränkt, da solche das Legalitätsprinzip nicht wahren könnten, ohne ihre eigene Tarnung aufzugeben und was in internen Richtlinien auch näher konkretisiert sei und daher eine Annäherung an das Opportunitätsprinzip vorläge; kritisch gegenüber dieser Entwicklung Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 230 ff. Ob Schafraneks Argumente zu einer Einschränkung des gesetzlich ausdrücklich verankerten Prinzips genügen, mag dahinstehen. Man mag hier für diesen engen Teilbereich auch von einer Annäherung sprechen können, aber die grundsätzliche Unter501

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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der leichteren Kriminalität nicht erforscht werden.507 Auch ist es im konkreten Ermittlungsverfahren, den jeweiligen Strafverfolgungsorganen überlassen, wie sie vorgehen, solange sie ihrer Rechtspflicht genügen, das Ermittlungsverfahren „nachdrücklich, zweckmäßig, schonend und fair“ durchzuführen (Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens).508 Ferner finden sich Ausnahmen zum Legalitätsprinzip in den §§ 153 bis 154 e StPO, bei den Privatklagedelikten (§ 374 Abs. 1 StPO) und bei den Antragsdelikten mit eingeschränktem Antragserfordernis (§§ 183 Abs. 2, 232, 248 a, 303 c StGB).509 Im Ergebnis zeigt sich in der Wirklichkeit der Strafverfolgung, dass Opportunitätsgesichtspunkte durchaus eine Rolle spielen.510 Dennoch erreicht dies keinen mit den Nachrichtendiensten vergleichbaren Grad. Damit ist das Opportunitätsprinzip durchaus als Besonderheit hervorzuheben.

VII. Handlungszweck Einen weiteren Unterschied könnte man darin sehen, dass Ziel der Nachrichtendienste die Informationssammlung ist, während der Polizei die Bekämpfungsfunktion zukommt.511 Teilweise wird hierin sogar das Hauptunterscheidungskriterium gesehen.512 Dies ist allerdings eine Betrachtung, die die rechtliche Lage unzulässig verkürzt. Die Maßnahmen der Nachrichtendienste führen entweder zu Berichten an die Regierung nach § 16 BVerfSchG oder zur Informationshilfe für andere Stellen nach §§ 17 ff. BVerfSchG. Die Informationssammlung der Nachrichtendienste ist kein Selbstzweck, sondern dient letztlich durch Übermittlung gerade der Gefahrenabwehr und Bekämpfung von Straftaten.513 Mangels eigener Exekutivmöglichkeiten stellt die Weitergabe stets scheidung bleibt sehr wohl erhalten. Siehe hierzu Punkt II.2.6. der gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung – Anlage D zu RiStBV, abgedruckt in Meyer-Goßner, Anh. 12 S. 2141. 507 Herrmann, ZStW 96 (1984), 455 (465 f.); LR/Beulke § 152 Rn. 40 m. w. N. 508 LR/Erb, § 160 Rn. 35 ff., 163 Rn. 31; ähnlich Deutsch, S. 244. 509 Auf den höchst umstrittenen Bereich der Absprachen und seine Auswirkungen beziehungsweise Beziehungen zum Legalitätsprinzip kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. 510 LR/Beulke, § 152 Rn. 40. 511 Stichworte bei Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 225. 512 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 121; Schatzschneider, S. 102. 513 Herzog, Der Auftrag der Verfassungsschutzbehörden in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1 (8); Einwag, Datenschutz und Verfassungsschutz, 93 (100); Rundel, S. 6.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

den notwendigen Abschluss der Auswertung dar514, sofern diese entscheidende Erkenntnisse brachte. Roewer spricht insoweit von „klassischen Amtshilfebehörden“.515 Der Unterschied liegt also nicht im Zweck, sondern vielmehr darin, wer den gemeinsamen Zweck, der Verbrechensbekämpfung, wahrnimmt: die Behörde selbst oder Dritte. Die Nachrichtendienste leisten also Zuarbeit. Der Unterschied liegt allein darin, dass den Diensten keine unmittelbare, eigene Funktion für Abwehrmaßnahmen zusteht.

VIII. Kontrolle Bei der Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste516 ist zwischen der internen und externen Kontrolle zu unterscheiden. Die interne Kontrolle nimmt die Aufsichtsbehörde wahr.517 Dabei unterliegt der Verfassungsschutz der Dienst- sowie Fachaufsicht des Bundesministerium des Inneren (BMI) als vorgesetzter Behörde und insoweit dessen Weisungen.518 Der MAD ist dem Verteidigungsministerium unterstellt519, der BND dagegen ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes zugeordnet und somit, anders als die anderen beiden Dienste, keinem Fachministerium nachgeordnet.520 Die Fach- und Dienstaufsicht über ihn wird vom Chef des Bundeskanzleramtes ausgeübt.521 Die externe Kontrolle wird von verschiedenen Institutionen wahrgenommen, wie dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)522 als Vertreter der Exekutive und dem sogenannten 514 Roewer § 3 Rn. 9; Evers, Privatsphäre, S. 233; OVG Berlin, NJW 1978, 1644 (1645). 515 Roewer, NJW 1985, 773 (777). 516 Die Kontrollmechanismen der Landesbehörden beziehungsweise der Landesabteilungen des Verfassungsschutzes wird nachfolgend betrachtet, da es nur um die Beschreibung der besonderen Problematik der Kontrolle von Nachrichtendiensten geht. Zu weiter führenden Hinweisen zur Kontrolle auf Landesebene siehe Hansalek, S. 2 Fn. 4. 517 Daneben gibt es verschiedene institutionelle Kontrolleinrichtungen wie den Beauftragten für die Nachrichtendienste beim Bundeskanzleramt, den Ständigen Ausschuss für Nachrichtendienste und den Staatssekretärsausschuss für das Geheime Nachrichtenwesen und die Sicherheit. Das BfV verfügt auch über einen eigenen Beauftragten für Datenschutz, welcher wiederum mit dem BfDI Kontakte unterhält, siehe hierzu Droste, S. 612 ff. 518 Roewer § 2 Rn. 14. 519 Hansalek, S. 27. 520 Siehe hierzu und zu möglicher Kritik ausführlich Gröpl, S. 216 ff. (insbesondere 218 ff.). 521 Hansalek, S. 18 f. 522 Siehe hierzu Droste, S. 616.

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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Dreier-Kollegium des Bundesrechnungshofs523. Zusätzlich findet eine Kontrolle noch durch die Medien524 statt. Wie bereits eingangs erwähnt, ist die Kontrolle durch wissenschaftliche Betätigung bislang gering ausgefallen. Die Nachrichtendienste des Bundes unterliegen auch wie die übrigen Stellen der Exekutive, für welche die Bundesregierung die Verantwortung trägt525, einer parlamentarischen Kontrolle. Diese obliegt grundsätzlich dem Parlament526 und den Untersuchungsausschüssen (Art. 44 GG).527 Diese sind jedoch für die Thematiken der Dienste schon wegen ihrer Größe oder der Öffentlichkeit ungeeignet.528 Dennoch darf die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht pauschal unter Verweisung auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit behindert werden, vielmehr ist die Gefährdung des Staatswohls stets im Einzelfall zu begründen.529 Zur Schaffung von Transparenz und zur Ergänzung der übrigen, nur eingeschränkt wirksamen Kontrollmechanismen530 wurde daher das Parlamentarische Kontrollgremium geschaffen.531 Dieses stellt ein parlamentarisches 523

Siehe hierzu Droste, S. 618. Droste, S. 601. 525 BT-Drs. 7/5924, S. 61. Bislang gab es mehrfach Untersuchungsausschüsse zu Fällen „besonders gravierender Fehlleistungen der Nachrichtendienste“: „Der Untersuchungsausschuß zur Klärung der Vorfälle um den nach Ostberlin verschwundenen ersten Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John (1954 bis 1957), der Untersuchungsausschuß zur Klärung unerlaubter Abhörpraktiken durch die deutschen Nachrichtendienste (1963/1964), der Untersuchungsausschuß zur Klärung des Geheimnisverrats bei der Übung Fallex 68 und der Selbstmorde hoher Offiziere und Nachrichtendienstbeamter – Fälle Wendland und Lüdge – (1968/1969), der Untersuchungsauschuß zum Fall Guillaume und zur unerlaubten Inlandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (1974/1975), der Untersuchungsausschuß zur Klärung der Vorfälle im Abhörfall Strauß/Scharnagel, der Lockheed-Affäre und des Abhörfalls Leber (1978–1980), der Untersuchungsausschuß zum Fall Rauschenbach (1983), zum Fall Kießling (1984) und zum Fall Tiedge (1985/1986).“ Roewer § 3 Rn. 47 m. w. N. Außerdem gab es noch Untersuchungsausschüsse zum sogenannten Mykonos-Prozess (Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, 1993), zur Plutonium-Affäre (1995); zum Sturm auf das israelische Generalkonsulat in Berlin (1999) sowie einen Untersuchungsausschuss zum Fall Kurnaz (2008). 526 Dabei sowohl dem Plenum als auch den Fachausschüssen, insbesondere auch dem Haushaltsausschuss. 527 Siehe hierzu und zum folgenden Droste, S. 619. 528 BT-Drs. 7/5924 S. 61. Roewer § 1 PKKG Rn. 43 Fn. 50 zeigt mit Beispielen, dass zwar im Innenausschuss Sitzungen für geheim erklärt werden können, die geheimhaltungsbedürftigen Mitteilungen der Exekutive dadurch dennoch nicht in jedem Fall vor einer Veröffentlichung gesichert sind. 529 Siehe BVerfG DVBl. 2009, 1107 ff. 530 Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387 (390). 531 Art. 45 d GG; PKGrG vom 17. Juni 1999, BGBl. I, 1334 (BT-Drs. 14/539, S. 1 ff.) Vorgänger waren das G10-Gremium und die Parlamentarische Kontrollkom524

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Hilfsgremium dar und kontrolliert nicht die Dienste selbst, sondern die Bundesregierung als Trägerin der politischen Verantwortung für jene.532 Diese Kontrolle ist eine politische, sie kann also über eine bloße Rechtskontrolle hinausgehen, ist aber auch zugleich auf Bereiche von politischer Relevanz beschränkt.533 Sie umfasst nach § 2 S. 1 PKGrG die allgemeine Tätigkeit sowie Vorgänge von besonderer Bedeutung.534 Nach Satz 2 soll auf Verlangen des Gremiums535 auch über sonstige Vorgänge berichtet werden, so dass die gesamte Tätigkeit der Nachrichtendienste der Kontrolle unterliegt.536 Dem Gremium stehen nach § 2 a PKGrG auf Verlangen Akteneinsichts-, Anhörungs- und Besuchsrechte bei den Diensten zu. Dabei müssen die jeweiligen Informationen der Dispositionsbefugnis des jeweiligen Dienstes unterliegen537, was beispielsweise bei Informationen ausländischer Partnerdienste nicht der Fall ist, und es darf keiner der drei Ausschlussgründe mission („Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes“ vom 11. April 1978 (PKK-Gesetz)); siehe Hansalek, S. 1, 30; zum PKKG siehe auch Haedge, S. 308 ff. Das PKKG war die erste gesetzliche Grundlage für eine umfassende parlamentarische Kontrolle der Regierung im Bereich der Nachrichtendienste, da das G10 nur einen Teilbereich der Tätigkeit abdeckte. Die Umbenennung sollte lediglich der Klarstellung dienen, da die Abkürzung der vormaligen Kommission der der terroristischen Vereinigung „Arbeitspartei Kurdistans – PKK“ entsprach, siehe Hansalek, S. 130. Die parlamentarische Kontrolle im Übrigen bleibt unberührt, § 1 Abs. 2 PKGrG. 532 Hansalek, S. 131; BT-Drs. 8/1599, S. 6. Dies ergibt sich ausdrücklich aus §§ 1, 2 b PKGrG. 533 Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387 (389). 534 Tätigkeiten i. S. d. Gesetzes sind Abläufe, die einen Nachrichtendienst in Gang halten, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Allgemein sind sie dann, wenn es sich dabei um typische Abläufe handelt. Umfassend bedeutet, dass das Gremium sich ein möglichst vollständiges Bild machen soll. Vorgänge von besonderer Bedeutung sind dagegen „solche Geschehnisse oder Geschehensabläufe, die vom Routinegeschäft der Nachrichtendienste abweichen und deshalb deren Kenntnis für einen effektive parlamentarische Kontrolle im Interesse der Allgemeinheit unerlässlich ist.“ Dies können Ereignisse interner oder externer Art sein, so zum Beispiel Neuinterpretation der Aufgaben, Verlust oder Änderungen von Mitarbeitern oder Partnerdiensten, siehe zum Ganzen Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387 (390), diesen folgend Droste, S. 628. Zur Diskussion um den Begriff der „allgemeinen Tätigkeit“ sowie weiteren Argumenten, siehe Hansalek, S. 65 ff. 535 Die Mitglieder werden zu Beginn jeder Wahlperiode nach § 4 PKGrG aus der Mitte des Bundestages mit Mitgliedermehrheit gewählt, welcher auch die Zahl, Zusammensetzung und Arbeitsweise bestimmt. 536 Hansalek, S. 137. Dies soll nach Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387 (390) einer verfassungswidrigen Totalkontrolle gleichkommen, weshalb sich aus Satz 1 bereits die Maximalaufgaben ergäben. 537 Wodurch Informationen von ausländischen Partnerdiensten regelmäßig ausgeschlossen sind, BT-Drs. 14/539, S. 7.

B. Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste

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nach § 2 b Abs. 2 S. 1 PKGrG vorliegen. So darf die Unterrichtung aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs538, aus Gründen der Persönlichkeitsrechte Dritter oder bei Betroffenheit des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung verweigert werden. Zusätzliche Informationspflichten entstehen hinsichtlich der besonderen Auskunftsbefugnisse nach § 8 Abs. 5 ff. BVerfSchG. Das Gremium tagt nach § 5 PKGrG geheim und die Mitglieder unterliegen der Geheimhaltung.539 Darüber hinaus besteht die sogenannte G10-Kommission. Deren Aufgaben, Befugnisse und Zusammensetzung sind in § 15 G10 geregelt. Sie ist ein Kontrollorgan sui generis, bestehend aus acht Mitgliedern540 und dient als Ersatz für den fehlenden gerichtlichen Rechtsschutz.541 Sie übt eine präventive Rechts- und Zweckmäßigkeitskontrolle aus542 und entscheidet über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen (Abs. 5 S. 1, 2). Anordnungen derselben bedürfen grundsätzlich zum Vollzug ihrer Zustimmung; Ausnahmen gelten nur bei Gefahr im Verzug (§ 4 Abs. 3 S. 1, 2 G10). Darüber hinaus besitzt sie Fragerechte, Einsichtsrechte in Unterlagen sowie ein jederzeitiges Zutrittsrecht zu den Räumen der Dienste (Abs. 5 S. 3). Selbstverständlich unterliegen auch ihre Mitglieder der Geheimhaltung (Abs. 2). Zuletzt sei noch erwähnt, dass auch für Maßnahmen, die in Art. 13 GG eingreifen, ein spezielles Kontrollgremium nach Art. 13 Abs. 6 GG besteht.543 538

Quellenschutz oder Schutz von Partnerdiensten nach Droste, S. 630 f. Ferner kooperiert es nach § 2 e PKGrG mit dem Vertrauensgremium, welchem das Budgetrecht für die Dienste nach § 10 a BHO als besonderem Gremium des Haushaltsausschusses obliegt. Die Mitglieder dieses Gremiums dürfen an den Sitzungen des PKGr ebenso mitberatend teilnehmen wie umgekehrt. Zu den Details siehe Hansalek, S. 100 ff. Dabei ist dieses Gremium nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Parlamentarischen Vertrauensmännergremium (PVMG), welches 1956 gegründet wurde und seit 1976 nicht mehr zusammengetreten ist. Eine offizielle Auflösungserklärung wurde allerdings nie abgegeben; Roewer § 3 Rn. 3; Hansalek, S. 48 sowie zu den Details des Gremiums, S. 33 ff. 540 Sie besteht nach Abs. 1 aus dem Vorsitzenden mit Befähigung zum Richteramt sowie drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern, die an den Sitzungen mit Rede- und Fragerecht teilnehmen können. Die Mitglieder sind weisungsunabhängig und vom Parlamentarischen Kontrollgremium für dieses öffentliche Ehrenamt bestellt. Ihre Amtszeit ist regelmäßig an die Wahlperiode des deutschen Bundestages gekoppelt (Abs. 1 S. 4). 541 Hansalek, S. 92. 542 Arndt, G10-Verfahren in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 43 (56); Hansalek, S. 92. 543 Zu den Details siehe Hansalek, S. 96 ff. 539

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Dieser kurze Überblick zeigt deutlich, dass der Kontrollaspekt eine Besonderheit der Dienste ist.544 Im weltweiten Vergleich gelten die deutschen Nachrichtendienste als am stärksten kontrolliert.545

IX. Ergebnis Die herausgearbeiteten Besonderheiten sind damit die umfassenden Befugnisse zu Vorfeldermittlungen und die Untersagung der Anwendung von polizeilichen Befugnissen, ebenso wie die Geltung des Opportunitätsprinzips und die besonderen Kontrollformen.546 Inwieweit sich hieraus Beweisverwertungsverbote ergeben können, wird im zweiten und dritten Teil ausführlich untersucht werden.

C. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Strafverfahren I. Datenübermittlung Gemäß dem vorliegenden Thema wird hier ausschließlich der Datenfluss von den Nachrichtendiensten zu den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten betrachtet.547 Die Datenübermittlung ist wie auch ihre Grenzen deswegen interessant, um zu bestimmen, welche der erhobenen Daten überhaupt ins Strafverfahren gelangen und somit einer Verwertung zugänglich sein können. 1. Übermittlung als Grundrechtseingriff Die Übermittlung als solche bedarf aufgrund der Lehre vom Gesetzesvorbehalt selbst einer ausdrücklichen Ermächtigung, da sie gegenüber der Erhebung einen weiteren Eingriff darstellt. 544

Hund, ZRP 1991, 463 (467) sieht in der Kontrolle den einzigen Ansatz für eine eindeutige Abgrenzung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. 545 Haedge, S. 307. 546 Anders Riegel, Datenschutz (1992), S. 63, der als Differenzierung den Aufgabenbezug i. V. m. der Tatsache, dass die Nachrichtendienste keinen unmittelbaren Zwang zur Durchsetzung anwenden dürfen, als einziges Entscheidungskriterium ansieht; gegen Bezugnahme auf Aufgabe und Befugnis als alleiniges Unterscheidungskritierium bereits Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (66, 68 f.). 547 Zu einer ausführlichen Darstellung des Datenflusses zwischen Polizei und den Diensten, siehe zum Beispiel König, S. 256 ff.; Droste, S. 472 ff.

C. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Strafverfahren

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Nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 BDSG ist Übermitteln das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener personenbezogener Daten an einen Dritten in der Weise, dass die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft.548 Durch die Weitergabe an die Strafverfolgungsbehörden gelangen die durch Nachrichtendienste erhobenen Daten nicht nur an einen behördenexternen Dritten, sondern dieser verfolgt zudem einen anderen Zweck, nämlich Strafverfolgung statt präventivem Staatsschutz.549 Diese Zweckänderung stellt einen Grundrechtseingriff550 in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung551 dar, welcher nicht mit dem Erhebungseingriff übereinstimmt552, und bedarf einer eigenen Rechtsgrundlage.553 Diese wird durch eine Übermittlungsbefugnis gewährleistet554, so dass man die Übermittlung auch als „Grundform der die Zweckbindung durchbrechenden Zweckentfremdung von Daten“ bezeichnen kann.555 548 § 27 BVerfSchG, § 13 MADG und § 11 BNDG schließen die Anwendbarkeit von bestimmten §§ des BDSG ausdrücklich aus. Hierunter fallen § 3 Abs. 2 und Abs. 8 S. 1 (weitere Begriffsbestimmungen), § 4 Abs. 2, 3 (Datenerhebung beim Betroffenen und Auskunft), §§ 4b, c (Datenübermittlung ans Ausland beziehungsweise über- oder zwischenstaatliche Stellen) sowie §§ 10 (automatisierter Datenabruf) und 13 bis 20 (Datenerhebung, -speicherung, -übermittlung und Rechte des Betroffenen) BDSG. Insbesondere ist auch das Zweckbindungsprinzip durch die Verweisung ausgeschlossen, welches nach h. M. in § 14 Abs. 5 BDSG verankert ist. Ob dieser Ausschluss an sich verfassungsrechtlich zulässig ist, bezweifelt Bäumler, NVwZ 1991, 643 (644). Allerdings findet sich eine Zweckbindung in den einzelnen Vorschriften wieder (§§ 9 Abs. 3, 18 Abs. 6, 19 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 4 BVerfSchG, §§ 5, 11 MADG, §§ 3 S. 2, 8 Abs. 4, 9 Abs. 1, Abs. 2 BNDG). Jedoch ist dies für die relevanten Konstellationen unerheblich, weil die Zweckbindung dort ausdrücklich erwähnt wurde, so dass insoweit zumindest formell keine Bedenken bestehen. 549 Dabei soll für den Grundrechtseingriff genügen, dass die Daten an einen externen Dritten weitergegeben werden, selbst wenn dieser den gleichen Zweck verfolgt, siehe Böse, S. 283; auf beide Kriterien abstellend Scheller, S. 208. Dies soll insbesondere bei bestehendem Trennungsgebot gelten, SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 173. 550 Paeffgen, FG Hilger, 153 (155); Rogall, Informationseingriff, S. 11. 551 BVerfGE 65, 1 (44); Gusy, NVwZ 1983, 322 (325); Schatzschneider, S. 180; Rogall, Informationseingriff, S. 65; Riegel, Datenschutz (1980), S. 19; anders noch Rottmann, AöR 88, 227 (236). Obwohl das Volkszählungsurteil auf die zwangsweise Datenerhebung bezogen war, enthält es einen allgemeinen Grundsatz, der auch auf sonstige erhobene Daten übertragbar ist, Ernst, S. 74; zum Gedanken der Zweckbindung schon vor dem Volkszählungsurteil, Walden, S. 127 ff. 552 BVerfGE 65, 1 (46); 100, 313 (359 ff.); v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck GG Art. 2 Rn. 108 f.; Jarass/Pieroth/Jarass Art. 2 Rn. 32, 38; Schatzschneider, S. 180. 553 Rogall Informationseingriff S. 101; SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 167; Droste, S. 473; Gusy, DÖV 1980, 431 (433); Ernst, S. 154. 554 Ebenso Böse, S. 291. 555 SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 168; ähnlich Riegel, Datenschutz (1992), S. 140.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Die Schwere des Eingriffs556 bei einer Datenübermittlung ins Strafverfahren ergibt sich daraus, dass nicht nur eine Ausweitung des Personenkreises, dem die Daten zur Verfügung gestellt werden, erfolgt, sondern auch die übermittelten Daten regelmäßig weitere Nachforschungen mit sich bringen werden, die gegebenenfalls auch zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Betroffenen führen können.557 2. Arten von Übermittlungen Im Folgenden werden die verschiedenen Arten von möglichen Übermittlungen betrachtet.558 a) Spontanübermittlung aa) § 19 BVerfSchG (analog), § 9 Abs. 1 S. 1 BNDG Nach § 19 Abs. 1 BVerfSchG darf das BfV Daten übermitteln, soweit es dies für notwendig erachtet. Diese Regelung gilt auch analog für den MAD gemäß § 11 Abs. 1 MADG; § 9 Abs. 1 S. 1 BNDG enthält eine mit § 19 BVerfSchG identische Ermächtigung. 556 Soweit Daten aus Eingriffen in Grundrechte, die gegenüber der informationellen Selbstbestimmung Spezialgrundrechte darstellen, an eine andere Stelle als die Erhebungsbehörde weitergegeben werden, so liegt hierin ein Eingriff in diese Spezialgrundrechte, zu Art. 10 GG: BVerfGE 100, 313 (359, 391); Macht, Verwertungsverbote, S. 206; zu Art. 13 GG: Macht, Verwertungsverbote, S. 207 ff. So schützt zum Beispiel Art. 13 GG nicht nur vor dem ungewollten Eindringen in die geschützte Sphäre, sondern verleiht auch das Recht zu entscheiden, welche Informationen aus dieser Sphäre nach außen dringen sollen, Macht, Verwertungsverbote, S. 208. Man könnte jedoch auch davon ausgehen, dass nur das Eindringen geschützt wird und die späteren Informationen nur noch unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht fallen. Der Unterschied zu Art. 10 GG könnte darin liegen, dass Art. 10 GG gerade eine besondere eingriffsanfällige Kommunikationsart regelt und deswegen der Kommunikationsvorgang so weit gefasst wird. Die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation ist deswegen besonders gewährleistet, weil die Telekommunikation wegen der räumlichen Distanz zwischen den Beteiligten auf eine Übermittlung durch andere angewiesen sind und so in besonderer Weise dem Zugriff Dritter – insbesondere auch staatlicher Stellen – offen stehen, BVerfGE 115, 166 (182). Anders sieht es dagegen für Daten aus, die nach Abschluss des Übertragungsvorganges im Herrschaftsbereich des Betroffenen gespeichert wurden; diese fallen allein unter den Schutz der informationellen Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, BVerfGE 115, 166. 557 BVerfGE 100, 313 (391), auf Folgeeingriffe zur Beurteilung der Schwere des Verstoßes auch abstellend BVerfG NJW 2008, 1505 (1508). 558 Nicht betrachtet werden die Besonderheiten bei Daten über Minderjährige nach § 24 i. V. m. § 11 BVerfSchG.

C. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Strafverfahren

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§ 19 Abs. 1 BVerfSchG statuiert die Übermittlungsbefugnis an inländische öffentliche Stellen.559 Er umfasst auch die Übergabe und Übersendung von Materialien.560 Hauptanwendungsfall des § 19 Abs. 1 BVerfSchG ist der Erkenntnisaustausch mit den Polizei- beziehungsweise Strafverfolgungsbehörden, die unter den Begriff „andere Behörde“ fallen.561 Dem steht die spezielle Übermittlungspflicht für Staatsschutzdelikte des § 20 BVerfSchG nicht entgegen, da dieser keine abschließende Spezialnorm ist, sondern nur für einen Teilbereich eine Verpflichtung statuieren will.562 Zudem unterscheiden sich die Normen sowohl hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches, ihres Normbefehls (Pflicht oder Ermessen) und der Zweckbindung, so dass ein Spezialitätsverhältnis ausscheiden muss.563 Dies stimmt auch mit dem Willen des Gesetzgebers überein, der die Übermittlung an die Gerichte auch ausdrücklich in der Begründung zum Änderungsgesetz zum Terrorismusbekämpfungsgesetz erwähnt.564 Die Datenweitergabe im Einzelfall liegt im Ermessen der Dienste. Sie unterliegt allein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie den allgemeinen Ermessensschranken, also Ermessensmissbrauch, Ermessensfehlgebrauch und -nichtgebrauch. Daher kann man auch sagen, § 19 Abs. 1 BVerfSchG ermögliche einen unbegrenzten Datenaustausch.565 Teilweise wird die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bezweifelt, sowohl in Hinblick auf ihre Normenklarheit, da die detaillierten Regelungen 559 Öffentliche Stelle ist in § 2 BDSG legaldefiniert, dessen Anwendbarkeit auch durch § 27 BVerfSchG nicht ausgeschlossen ist. Danach sind öffentliche Stellen jedenfalls Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes oder der Länder. Damit sind auch die Gerichte des Bundes und der Länder erfasst; BT-Drs. 16/2921, S. 17. 560 Droste, S. 527. 561 Droste, S. 519. 562 Vgl. Droste, 519 f.; a. A. Schünemann, NStZ 2008, 305 (306), bezogen auf den inhaltsgleichen § 9 BNDG, der von einer lex specialis der Übermittlungen an die Staatsanwaltschaft alleine für Staatsschutzdelikte nach § 9 Abs. 3 (entspricht § 20 BVerfSchG) ausgeht. 563 König, S. 271 ff. Im Widerspruch dazu stehen seine vorherigen Ausführungen auf S. 266, wo er ausdrücklich auch auf § 19 BVerfSchG Bezug nimmt (S. 266 Fn. 256) und ausführt, dass diese nicht für die Datenübermittlung an die Polizei anwendbar seien, da anderenfalls die „speziellen Vorschriften über die Datenübermittlungen zwischen Polizei und Nachrichtendiensten leer laufen“ würden. Auch erkennt er, dass der eingeschränkte Verweis des § 21 BVerfSchG für die Landesbehörden nur auf § 20 BVerfSchG und nicht auf § 19 BVerfSchG der Tatsache geschuldet ist, dass dem Bundesgesetzgeber nur die Kompetenz zur Verordnung einer Übermittlungspflicht in Staats- und Verfassungsschutzangelegenheiten zusteht, König, S. 272. 564 BT-Drs. 16/2921, S. 17. 565 So auch BT-Drs. 11/7235, S. 108 (Begründung Stellungnahme der Fraktion Die GRÜNEN).

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

durch die vorhandenen Generalklauseln konterkariert würden,566 als auch unter dem Aspekt der Zweckbindung.567 Zu den Bedenken der Normenklarheit ist anzuführen, dass die verwendeten Generalklauseln durch Rechtsprechung und Rechtslehre hinreichend konkretisiert sind.568 Dies lässt sich insbesondere an dem Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ festmachen, welcher – bekannt aus dem Polizeirecht – im Nachrichtendienstrecht ebenso definiert wird wie dort.569 Öffentliche Sicherheit umfasst mithin dreierlei: den Schutz des Staates und seiner Einrichtungen, die gesamte objektive Rechtsordnung sowie Individualrechtsgüter.570 Inhaltlich sind die Vorschriften jedoch unbestritten sehr weit, so dass die Funktionalität dieser Zweckbindung durchaus bezweifelt werden kann.571 Allerdings ist eine Norm erst dann verfassungswidrig, wenn sie der verfassungskonformen Auslegung nicht mehr zugänglich ist.572 Hier ist angesichts des Ermessens und des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht ausgeschlossen, dass eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist. Der Wortlaut steht einer solchen Auslegung nicht entgegen.573 Zwingende Übermittlungsvorgaben sind dem Verfassungsrecht nicht zu entnehmen, so dass die Norm noch den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen entspricht und der verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist.574 Jedoch wird hinsichtlich der Beweisverwertung hierauf ein besonderes Augenmerk zu richten sein.575 566

Sofiotis, S. 105. Sofiotis, S. 105; Lehner, S. 157; ebenso Bäumler, NVwZ 1991, 643 (644). Auch Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 301 moniert, Übermittlungsregeln, die nur unbestimmt auf Aufgaben eines Dritten Bezug nähmen, wären hinsichtlich ihrer Bestimmtheit verfassungsrechtlich problematisch, der Verweis auf die gesetzliche Aufgabe des Betroffenen dagegen, wie zum Beispiel Verfolgung von Straftaten, sei hinreichend bestimmt. Somit wären die vorliegenden Regelungen für ihn bestimmt genug. Auch Wolter sieht es als „wenig hilfreich und grundsätzlich zu weit“, wenn auf Erforderlichkeit, Zuständigkeit und Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung für Übermittlung beziehungsweise Verwendung abgestellt wird, SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 168. Laut Lisken/Denninger, C, Rn. 123 besteht daher der „Zweckbindungsvorbehalt eher auf dem Gesetzespapier als auf den Akten“. 568 Droste, S. 519. 569 Ebenso Haedge, S. 227; Gröpl, S. 335; Droste, S. 519. 570 Vgl. statt aller Gusy, Polizeirecht, Rn. 79. 571 Gleicher Auffassung Ostheimer, S. 121. So besteht die Gefahr, dass das Trennungsgebot zur „Makulatur“ wird und letztlich ein informationeller Zusammenschluss des BfV mit den Polizeibehörden stattfindet, so Ostheimer, S. 122; Weßlau, FG Hilger, 57 (59); zu dieser Argumentation vergleiche auch S. 100. 572 Ständige Rechtsprechung: BVerfGE 48, 40 (45); 49, 148 (157); 64, 229 (242); 68, 337 (344); 85, 69 (74 ff.); 88, 145 (166 ff.); 90, 263 (274 f.); 97, 186 (193 ff.); 99, 129 (143); 100, 1 (39). 573 Zur Wortlautgrenze siehe BVerfGE 97, 186 (193 ff.). 574 So König, S. 293. 575 Siehe S. 230 ff. 567

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bb) § 4 Abs. 4 G10 Die Übermittlungen für Informationen aus sogenannten G10-Einzelmaßnahmen nach § 3 G10 richten sich nach § 4 Abs. 4 bis Abs. 6 G10. Nach § 4 Abs. 4 G10 dürfen Daten zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten, zur Verfolgung von Straftaten und zur Vorbereitung und Durchführung eines Parteien- oder Vereinsverbotsverfahrens übermittelt werden. Daher ist auch insoweit eine Übermittlung an die Strafverfolgungsorgane zulässig. Voraussetzung für die Übermittlung ist neben der Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung des Empfängers, dass bestimmte Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass jemand eine in § 3 Abs. 1 oder § 7 Abs. 4 Satz 1 G10 benannte Straftat begeht oder begangen hat.576 cc) §§ 7 Abs. 4, 8 Abs. 6 G10 Zusätzliche Übermittlungsbefugnisse stehen dem BND wegen seiner Befugnis zu strategischen Beschränkungen der internationalen Kommunikation nach § 5 G10 zu. So darf dieser nach § 7 Abs. 4 S. 2 i. V. m. S. 1 G10 so erlangte Daten zur Verfolgung von bestimmten Straftaten an die zuständigen Behörden übermitteln. Voraussetzung hierfür ist, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine in Satz 1 näher bezeichnetet Straftat begeht oder begangen hat. Diese entsprechen den Straftaten des § 100 a StPO. Ferner besteht eine Übermittlungsmöglichkeit für den BND nach § 8 Abs. 6 G10 zur Straftatverfolgung für nach § 8 Abs. 1 G10 veranlasste Beschränkungen der internationalen Telekommunikationsbeziehungen, sofern bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine Straftat begeht, die Leib oder Leben einer Person im Ausland und damit die Belange der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar in besonderer Weise berührt. dd) § 9 Abs. 2 S. 7 BVerfSchG i. V. m. § 4 Abs. 4 G10 Informationen aus verdeckten Eingriffen in Wohnungen dürfen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 G10 an die Strafverfolgungsorgane übermittelt werden. Gleiches gilt für Maßnahmen nach § 9 Abs. 4 S. 1, 4 BVerfSchG.

576

Siehe hierzu S. 52, 58.

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ee) § 15 BDSG Informationen, die dem BfV oder anderen Diensten unaufgefordert zugegangen sind, können auch unter den allgemeinen Voraussetzungen der Datenübermittlung nach § 15 BDSG weiter übertragen werden, da diese dann nicht dem zusätzlichen Schutz einer nachrichtendienstrechtlichen Rechtsgrundlage bedürfen, weil diese durch weniger eingreifende oder eingriffslose Maßnahmen erlangt wurden.577 Für Informationen, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangt wurden, sind jedoch die §§ 17 ff. BVerfSchG leges speciales, und ein Rückgriff auf § 15 BDSG ist ausgeschlossen. b) Übermittlungspflicht Neben dem geschilderten Ermessensspielraum bei der Datenübermittlung besteht auch bezüglich bestimmter Delikte eine Übermittlungspflicht. Dagegen würde eine generelle Übermittlungspflicht gegen das Trennungsgebot verstoßen, weil dies auf eine faktische Befugniserweiterung der Polizei hinausliefe.578 aa) §§ 20, 21 BVerfSchG §§ 20, 21 BVerfSchG betreffen die Übermittlung von Informationen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie der Verfassungsschutzbehörden der Länder. Gemäß § 9 Abs. 3 BNDG und § 11 Abs. 2 MADG gilt die Regelung für diese beiden Dienste entsprechend. Der Wortlaut „übermittelt“ im Gegensatz zu dem „darf [. . .] übermitteln“ nach § 19 BVerfSchG zeigt die Verpflichtung der Verfassungsschutzbehörden. Die Übermittlung hat nach § 20 Abs. 1 S. 1 beziehungsweise §§ 21 Abs. 1 S. 1 i. V. m. 20 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG579 an die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis, an die Polizeien zu erfolgen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte in diesem Sinne sind nach Satz 2 die in §§ 74 a, 120 GVG genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation 577 Ähnlich Droste, S. 527. Dies wird für die sogenannte Liechtenstein-Affäre relevant, siehe Teil 2, S. 211 ff. 578 Droste, S. 545. 579 § 21 Abs. 1 BVerfSchG regelt die parallele Verpflichtung für die Verfassungsschutzbehörden der Länder.

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tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Art. 73 Nr. 10 b und c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind.580 bb) § 161 Abs. 1 StPO Da Nachrichtendienste Behörden im Sinne von ständigen, von der Person ihres Trägers unabhängigen Organen der inländischen Staatsgewalt sind, die dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität für die Zwecke des Staates tätig zu werden581, unterliegen sie der Auskunftsverpflichtung gegenüber der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren nach § 161 Abs. 1 StPO.582 Die Regelung des § 161 Abs. 1 StPO wird auch nicht von den Vorschriften des Nachrichtendienstrechts als leges speciales verdrängt, da sie durch Zuerkennung einer Befugnis an die Strafverfolgungsorgane eine andere Regelungsrichtung als die Normen des Nachrichtendienstrechts aufweist, welche allein die Dienste berechtigen oder verpflichten.583 Eine solche Auskunftsverpflichtung besteht auch gegenüber den Strafgerichten.584 Dies ergibt sich aus der allgemeinen Verpflichtung zur Amtshilfe, deren einfachgesetzliche Konkretisierung § 161 Abs. 1 StPO darstellt.585

580 So sind auch Schnittstellen zur Allgemeinkriminalität denkbar: beispielsweise hat die R.A.F zur Finanzierung häufig Banküberfalle getätigt, ebenso möglich erscheinen Schutzgelderpressungen und Rauschgifthandel, Beispiele aus Droste, S. 543. 581 BVerfGE 10, 20 (48); BGH MDR 64, 68; BGHZ 25, 186 (188); SK/Rudolphi, StPO, § 92 Rn. 2; Fischer § 11 StGB Rn. 29; Pfeiffer § 96 StPO Rn. 2; KK/Nack § 96 Rn. 3; LR/Erb § 161 Rn. 9. Der Begriff stimmt mit dem in § 96 StPO verwendeten überein, LR/Erb § 161 Rn. 9. Obrigkeitliche Befugnisse brauchen eine Behörde nicht zu haben, BGHZ 25, 186 (188). 582 Nach Nr. 205 RiStBV ist es bei Staatsschutzverfahren in der Regel geboten, mit den Behörden für Verfassungsschutz in geeigneter Weise nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zusammenzuarbeiten, damit dort gesammelte Informationen bei den Ermittlungen des Staatsanwalts und dessen Erkenntnisse für die Aufgaben des Verfassungsschutzes ausgewertet werden können. Dies gilt nach Satz 2 auch für andere Verfahren, bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es um Straftaten zur Durchsetzung extremistischer politischer Ziele geht. Entsprechendes gilt nach Nr. 206 RiStBV für BND und MAD. Wegen § 146 GVG sind diese Richtlinien auch für die Staatsanwaltschaften verbindlich, Meyer-Goßner § 146 GVG Rn. 2. 583 So aber König, S. 285. 584 Welp, DÖV 1970, 267 (269). 585 Taschke, S. 65, 176.

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cc) § 138 StGB Umstritten ist, ob sich eine zusätzliche Verpflichtung aus § 138 StGB ergibt. Während Borgs eine derartige Verpflichtung wohl ablehnen will586, finden sich weder im Wortlaut des Tatbestandes der Norm selbst noch in § 139 StGB Anhaltspunkte für eine solche Ausnahme.587 § 138 StGB ist daher grundsätzlich auch für Nachrichtendienste anwendbar.588 Ob regelmäßig die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein werden, kann hier offen bleiben. Jedenfalls kommt eine Rechtfertigung in Betracht. Das durch die Regelungen der §§ 19, 20, 23 BVerfSchG für die Dienste geltende Opportunitätsprinzip wirkt als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund. Liegen die Voraussetzungen für eine Nichtübermittlung nach Maßgabe des Verfassungsschutzgesetzes objektiv vor, kann diese behördliche Befugnis als Rechtfertigungsgrund dienen.589 Zwar wird sich das Ermessen nach § 19 BVerfSchG bei Vornahme der erforderlichen, pflichtgemäßen Ermessensprüfung590 angesichts der Schwere der in § 138 StGB aufgeführten Delikte regelmäßig zu einer Übermittlungspflicht verdichten.591 Aber, sofern eine Variante des § 23 BVerfSchG vorliegt, kann dieser eine Nichtübermittlung rechtfertigen.592 Da es sich bei § 138 StGB um ein 586 Borgs in: Borgs/Ebert § 1 G10 Rn. 5. Lange, Vorfeldermittlungen, S. 95 spricht von einer Verpflichtung nur aus § 20 BVerfSchG. Dagegen führt sie allgemein zu § 138 StGB aus, dass dieser für alle Behörden gilt, die keiner Strafverfolgungsaufgabe nachgehen, a. a. O., S. 93. Riegel § 3 Rn. 50 G10 folgert aus Borgs Ausführungen, dass dies auch von den Nachrichtendiensten so praktiziert wurde. 587 Riegel § 3 Rn. 50 G10. 588 So auch Griesbaum, FS Nehm, 125 (133). 589 Zum Rechtfertigungsgrund der behördlichen Befugnis, siehe Schönke/Schröder/Cramer-Heine/Lenckner, Vor § 32 Rn. 83 f.; Lackner/Kühl, Vorbemerkung zu § 32 Rn. 24; zum Streit, wie dies bei Fehlen der objektiven Voraussetzungen aussieht, siehe Schönke/Schröder/Cramer-Heine/Lenckner, Vor § 32 Rn. 86. Im Ergebnis sieht auch Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (482) § 23 Nr. 2 BVerfSchG als Einschränkung von § 138 StGB. 590 BGHSt 19, 379 (387) (Zum Schusswaffengebrauch). 591 Insofern kann man § 138 StGB auch als Grenze des Opportunitätsprinzips auffassen, Haedge, S. 165; Bull, Datenschutz und Ämter für Verfassungsschutz, 133 (152). 592 So im Ergebnis auch Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (482); wohl auch Droste, S. 277 ff., siehe Fn. 897, da sie dort § 138 StGB gar nicht erwähnt. A. A. Griesbaum, FS Nehm, 125 (133), wonach die Ermessensregelung des § 23 BVerfSchG in den Fällen des § 138 StGB ausscheiden muss. Kritisch auch Gröpl, S. 346, der zu bedenken gibt, dass so ein Menschenleben in den Abwägungsvorgang eingestellt werden könnte und § 138 StGB in § 23 BVerfSchG nicht erwähnt sei. Diese übersehen aber, dass § 138 StGB ohnehin nicht in § 23 BVerfSchG erwähnt sein muss, da dieser allein die Befugnis zur Nichtübermittlung enthält. Zur Unabwägbarkeit des Lebens sei gesagt, dass, sollte es um die Rettung eines Men-

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echtes Unterlassensdelikt handelt, muss die entsprechende Rechtfertigungsnorm auch eine Befugnis zu einem Unterlassen sein, und so stellt § 23 BVerfSchG einen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund dar. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung. Damit ist § 138 StGB zwar grundsätzlich anwendbar, führt jedoch zu keiner weitergehenden Verpflichtung als die oben genannten Regelungen, welche ebenfalls unter dem Vorbehalt des § 23 BVerfSchG stehen, wie sogleich noch gezeigt wird. 3. Grenzen der Übermittlung Die Übermittlungsregeln werden wiederum durch Übermittlungsverbote begrenzt. a) Übermittlungsverbote aus § 23 BVerfSchG So hat nach dem schon erwähnten § 23 BVerfSchG, der nach § 10 BNDG und § 12 MADG für diese beiden Gesetze analog gilt, eine Übermittlung zu unterbleiben, wenn für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen (Nr. 1), überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern (Nr. 2) oder besondere gesetzliche Übermittlungsregeln entgegenstehen (Nr. 3). Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.593 Anwendbar ist § 23 BVerfSchG auf alle Übermittlungen, die ihre Rechtsgrundlage in einem der Nachrichtendienstgesetze haben. Gleiches gilt für das Ersuchen nach § 161 Abs. 1 StPO. Dies lehnt Soiné zwar mit der Begründung ab, § 23 BVerfSchG gelte nur für Übermittlungen nach den Nachrichtendienstgesetzen.594 Für § 161 StPO soll nur § 96 StPO (analog) greifen.595 Für eine Anwendbarkeit der Vorschrift sprechen jedoch schenlebens gehen, nie von einem Überwiegen der Sicherheitsinteressen ausgegangen werden kann und § 23 Nr. 2 BVerfSchG somit nicht greifen kann. 593 Unzutreffend ist daher die Annahme Welps, DÖV 1970, 267 (269), dass bereits das Opportunitätsprinzip den Auskunftsanspruch begrenze. Seine Ausführungen beziehen sich jedoch auf die alte Rechtslage. 594 Soiné, NStZ 2007, 247 (249). Als zusätzliches Argument führt Soiné für landesrechtliche Auskunftsersuchen die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes an. 595 Soiné, NStZ 2007, 247 (249).

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schon ihr Wortlaut und die Systematik. § 23 BVerfSchG spricht von Übermittlungen nach diesem Abschnitt. Dieser Abschnitt meint den dritten Abschnitt des BVerfSchG, welcher zudem mit dem Titel „Übermittlungsvorschriften“ versehen ist. Dabei regelt § 17 BVerfSchG, zugleich der erste Paragraph dieses Abschnittes, die Zulässigkeit von Ersuchen, also auch solchen nach § 161 StPO. Dort heißt es in Satz 1: „Wird nach den Bestimmungen dieses Abschnittes um Übermittlung von personenbezogenen Daten ersucht, dürfen nur die Daten übermittelt werden, [. . .]“.596 Danach dürfte der Gesetzgeber auch die Übermittlung aufgrund eines vorangegangenen Ersuchens als Übermittlung im Sinne des Gesetzes angesehen hat. Daher spricht der Wortlaut für eine weite Auslegung, die sowohl Übermittlungen ohne als auch aufgrund eines Ersuchens umfasst. Ein weiteres Argument ergibt sich aus § 160 Abs. 4 StPO. Dieser bestimmt explizit, dass Maßnahmen unzulässig sind, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Diese Regelung gilt für das gesamte Ermittlungsverfahren, also auch für Auskünfte nach § 161 StPO, und sie nimmt ausdrücklich auf Regelungen außerhalb der StPO Bezug, ist folglich auch von § 23 BVerfSchG erfasst. Bei dem Abwägungsfaktor Individualinteresse (Nr. 1) ist regelmäßig die Art der Erhebung, insbesondere die Eingriffstiefe bei dem Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln, zu berücksichtigen.597 Überwiegende Sicherheitsinteressen (Nr. 2) sind in der Regel dann anzunehmen, wenn es um Quellenschutz geht. Laut Droste hat der Schutz geheimer Mitarbeiter vor Enttarnung regelmäßig Vorrang gegenüber einem Übermittlungsinteresse.598 Ferner kann die Übermittlung nach Nr. 3 unzulässig sein, wenn besondere gesetzliche Übermittlungsregeln entgegenstehen.599 Besonders relevant ist insoweit das Übermittlungsverbot aus § 96 StPO, wonach Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken600 durch Behörden nicht gefordert werden darf, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekanntwerden des Inhalts 596

Hervorhebungen durch Verf. Droste, S. 553. 598 Droste, S. 554, so ausdrücklich § 15 Nr. 2 LVerfSchG RP. 599 Thormann, VBlBW 2003, 420 lehnt eine zusätzliche Anwendbarkeit der § 39 Abs. 3 BRRG und § 5 Abs. 2 VwVfG ab; A. A. Pfeiffer § 161 Rn. 2; KK/Griesbaum § 161 Rn. 4. 600 Während § 96 StPO ausdrücklich nur von der Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder sonstigen Schriftstücken spricht, werden hiervon nach h. M. entsprechend auch Auskünfte erfasst; SK/Rudolphi, StPO, § 161 Rn. 2; LR/Erb § 161 Rn. 15; HK/Kehl § 161 Rn. 4; Meyer-Goßner § 96 Rn. 12; LR/Schäfer, 25. Aufl., § 96 Rn. 43; für Sachen: AK/Amelung § 96 Rn. 13; KK/Nack § 96 Rn. 6; für Aus597

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dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder des Landes Nachteile bereiten würde.601 § 96 StPO gilt auch für Nachrichtendienste, da diese von der Strafverfolgung unabhängige Aufgaben wahrnehmen.602 In den Schutzbereich des § 96 StPO fällt beispielsweise auch die Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden mit anderen Behörden aufgrund der besonderen Wichtigkeit des Fortbestehens derselben und der Sensibilität dieser Beziehungen.603 Grundsätzlich gilt aber, dass Verfassungsschutzakten nicht schon wesensmäßig geheimhaltungsbedürftig sind.604 Zwar ist ein Bedürfnis der Geheimhaltung für Erkenntnisse und Arbeitsweisen anzuerkennen, jedoch besteht auch die Pflicht des Staates und der Dienste zum Schutz von Leben und Freiheit.605 Die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste hat keine absolute Priorität gegenüber den Grundrechten.606 Eine abstrakte Festlegung, wann eine Auskunftsverweigerung zulässig ist, ist daher nicht möglich.607 In der Abwägung ist weiter zu berücksichtigen, dass es bezüglich der Aufgabe der Spionagebekämpfung und den Sicherheitsüberprüfungen erhebliche Unterschiede gibt.608 Außerdem wurde bereits gesehen, dass die Übermittlung selbst für die Erfüllung der Sicherheitsaufgabe der Dienste mangels eigener Exekutivbefugnisse essentiell ist.609 b) Gesperrte Daten Dateidaten, die der Sperrung unterliegen, dürfen nach § 12 Abs. 2 S. 3, 4 BVerfSchG610 nur mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden.611 künfte über Zeugen: BGHSt 30, 34 ff.; KK/Nack § 96 Rn. 7; BVerfGE 57, 250; LR/Schäfer, 25. Aufl., § 96 Rn. 44. 601 Dabei kann die genaue Abgrenzung zu § 23 Nr. 2 BVerfSchG im Einzelfall schwierig sein. 602 Taschke, S. 176 f. Zu einem anderen Ergebnis kommt Keller, StV 1984, 521 (527) für den Fall, das Polizei und Verfassungsschutz bei Ermittlungen so eng zusammenarbeiten, dass die Grenzen der Amtshilfe überschritten sind, da so der Nachrichtendienst nicht mehr „effektiv von der Strafverfolgung getrennt“ sei und sich daher nicht mehr auf den Schutz des § 96 StPO berufen könne. Weitere Ausführungen oder Beispiele fehlen jedoch an dieser Stelle. Eine Zusammenarbeit der beschriebenen Art erscheint jedoch schon wegen des bestehenden Trennungsgebotes schwierig. 603 BVerwG DVBl. 2003, 869 (870 f.). 604 BVerwGE 75, 1 (14), siehe auch BVerfG DVBl. 2009, 1107 ff. 605 BVerfGE 57, 250 (284). 606 Gusy, DÖV 1980, 431 (436). 607 BVerfGE 57, 250 (285). 608 Simitis, NJW 1986, 2795 (2799). 609 Siehe oben S. 100 ff.

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Auch Daten aus Akten können gemäß § 13 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG gesperrt werden.612 Dieses Verbot wird auch durch die Übermittlungspflicht nach § 20 BVerfSchG nicht außer Kraft gesetzt. Eine Sperrung schafft also ein umfassendes Übermittlungsverbot. Da durch § 27 BVerfSchG auch die Anwendung von § 20 Abs. 7 BDSG ausgeschlossen ist, kommt insoweit auch die Behebung einer „bestehenden Beweisnot“ nicht in Betracht.613 Eine Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden ist somit bei gesperrten Daten ausgeschlossen.614 c) Wegen Rechtswidrigkeit der Daten Überlegenswert erscheint, ob eine Übermittlung bei rechtswidrig erlangten Daten615 ausscheiden muss, weil ein verwaltungsrechtliches Verwertungsverbot gegeben ist. Ein Übermittlungs- und auch Verwertungsverbot gilt unproblematisch für Daten, die aufgrund der Kernbereichsnähe einem verfassungsrechtlichen Erhebungsverbot unterliegen.616 Zur grundsätzlichen Beantwortung der Frage des Bestehens eines Verwertungsverbotes bei rechtswidriger Datenerlangung hilft der Blick in Vorschriften zum Verwaltungsverfahren selbst wenig. Mangels ausdrücklicher Regelung reicht folglich das Meinungsspektrum von einem absoluten Verwendungs- und Verwertungsverbot617 bis hin zu einer unbedenklichen Ver610

§§ 12, 13 BVerfSchG gelten nach §§ 5 Abs. 1, 2 BNDG, 7 Abs. 1, 2 MADG für diese analog. 611 Umstritten ist dagegen, ob sich hieraus ein absolutes Verwendungsverbot ableiten lässt, Droste, S. 438 f., die davon ausgeht, dass sich die Norm ausschließlich auf die Übermittlung beschränkt (439). 612 Eine Aufhebung der Sperrung ist nach § 13 Abs. 2 S. 3 BVerfSchG möglich, wenn deren Voraussetzungen nachträglich entfallen. 613 Droste, S. 445. 614 Droste, S. 445 f., zu einer anderen Wertung hinsichtlich der Übermittlung an die Fachaufsicht und Kontrollgremien, siehe Droste, S. 446. 615 Darüber hinaus soll dies auch bei Daten der PZD ohne Personenbezug, also Anschriften, Telefon-, Kfz-, Konto- und Schließfachnummern gelten, Droste, S. 430. 616 Ernst, S. 151 f. differenziert insoweit zwischen einer Übermittlung, die wegen der Möglichkeit der Persönlichkeitsprofilerstellung gegen die Menschenwürde verstoßen würde und schon deswegen verboten wäre, und der Übermittlung von Daten, die auf „extrem menschenrechtswidrige Weise“ erlangt wurden und demnach mit dem Makel behaftet seien und auch deswegen nicht weitergegeben werden dürften. Dabei wurde der Begriff der extremen Menschenrechtswidrigkeit geprägt von Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543). 617 Gusy, NVwZ 83, 322 (327); Gröpl, S. 270; Droste, S. 475; SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 104 a; Droste, S. 430; Schatzschneider, S. 192.

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wertbarkeit.618 Dazwischen existieren mehrere Auffassungen, die zu einer differenzierten Betrachtung kommen.619 Insbesondere wird auch häufig auf strafprozessuale Lösungen zurückgegriffen.620 Teils wird ausdrücklich für nachrichtendienstliche Erkenntnisse ein solches Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Informationen verlangt.621 Letzteres soll sich „aus den expliziten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Erhebung von (personenbezogenen) Informationen (§§ 8, 9 BVerfSchG), der Bindung an die allgemeinen Rechtsvorschriften (§ 3 Abs. 3 BVerfSchG, Art. 20 Abs. 3 GG) sowie dem Interesse des Verfassungsschutzes an seriösen Arbeitsergebnissen“ ergeben.622 Es könne nicht Sinn des Legalitätsprinzips sein, illegal erhobene Daten zu übermitteln.623 Der Anwendungsbereich des BDSG sowie sämtlicher Datenübermittlungsvorschriften sei auf rechtmäßige Daten beschränkt.624 Zöller betont, dass eine Verwendung zum Leerlaufen der Erhebungsvorschriften führe.625 Ferner seien die Daten mit dem „Makel der Rechtswidrigkeit“ behaftet.626 Jedoch existiert kein allgemeiner Grundsatz, der die Nutzung von rechtswidrigen Informationen verbietet.627 Auch im Bundesdatenschutzgesetz besteht keine ausdrückliche Regelung, dass nur rechtmäßige Daten verwendet werden dürfen.628 Gleiches gilt für die Nachrichtendienstgesetze. Das Fehlen eines solch allgemeinen Grundsatzes erkennt auch Schatzschneider 618

Evers, Privatsphäre, S. 230. Siehe hierzu Ernst S. 152; SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 154; Riegel, NJW 1979, 952 (956); Martin, Ämter für Verfassungsschutz bei der Strafverfolgung, 81 (89); Macht, Verwertungsverbote, S. 228 ff. (insbesondere 256 ff.). 620 Hüsch, S. 108; OVG Lüneburg, NJW 2001, 459. 621 Gusy, NVwZ 1983, 322 (323); ders., DÖV 1980, 435 f. sowie zu den jeweiligen Ausnahmen. Natürlich gilt dies, wenn es im Gesetz vorgeschrieben ist, siehe §§ 26, 27 NWPolG. Dies verkennt Paeffgen, FG Hilger, 153 (160), wenn er Gusy, PolR (2000), Rn. 233 zustimmen will, der eine Übermittlung nur für rechtmäßige Daten zulasse, denn dieser bezieht sich a. a. O. nur auf die geltende Regelung in NRW. Zu der älteren Auffassung von Gusy ist jedoch zu beachten, dass diese aus der Zeit stammt, in welcher mit Ausnahme von § 7 Abs. 3 G10 a. F. keine gesetzlichen Übermittlungsregelungen bestanden. Daher können seine Ausführungen auf die bestehende Rechtslage nicht übertragen werden, da er sich gerade mit der Problematik der fehlenden Rechtsgrundlage auseinandersetzt. 622 Zöller, Informationssysteme, S. 297; diesem folgend Droste, S. 430. 623 Gusy, DÖV 1980, 431 (435 f.); SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 104 a. 624 Gusy, DÖV 1980, 431 (435 f.); SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 104 a. 625 Zöller, Informationssysteme, S. 297 f. 626 Gröpl, S. 270. 627 Evers, Privatsphäre, S. 230 ff.; zustimmend Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (888). 628 Ebenso Macht, Verwertungsverbote, S. 228, allerdings mit verfassungsrechtlichen Beschränkungen, S. 251 ff. 619

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an629, obgleich er, basierend auf der strafrechtlichen Tonband-Entscheidung630, ein Verwertungsverbot annehmen will, da „was nicht erhoben werden durfte, [. . .] erst recht nicht weitergegeben werden“ dürfe.631 Als einziges Argument beruft er sich auf die Einheit der Rechtsordnung, die gebiete, dass Fragen der Rechtswidrigkeit gleich zu behandeln seien.632 Dies hilft jedoch nicht weiter, da wie gezeigt, weder im Verwaltungsverfahren noch im Strafverfahren Einigkeit bezüglich der Behandlung rechtswidriger Daten besteht. Dagegen besteht in der Strafprozesslehre heute weitgehend Einigkeit darüber, dass nicht aus jedem Verstoß gegen Beweiserhebungsnormen ein Verwertungsverbot folgen soll.633 Da die Verwertung neben der Übermittlung eine weitere Nutzungsart von Daten darstellt, können somit die Erkenntnisse des Strafprozesses für die Auswirkungen der Rechtswidrigkeit der Daten für die Übermittlung nutzbar gemacht werden. Sucht man nun nach Argumenten, warum nicht jede rechtswidrige Datenerhebung zur Unverwertbarkeit führt, so findet man wenig. Die Idee, dass ein Verwertungsverbot aus jedem Erhebungsverstoß folgen solle, wurde zwar von Beling634 zu Anfang635 vertreten, nach der erstmaligen Kritik von Sydow636 so aber seitdem nicht mehr.637 Als Begründungsansatz findet man hierfür zumeist, dass, wollte man aus jedem Verfahrensfehler ein Beweisverwertungsverbot ableiten, das Strafverfahren als System überwiegend mit seinem eigenem Versagen beschäftigt wäre und so die Wahrheitserforschung durch die Sperrung der verfahrensrelevanten Informationen beein629

Schatzschneider, S. 193 f. BGHSt 14, 358 ff.; BVerfGE 34, 238 ff. 631 Schatzschneider, S. 192; ihm folgend Riegel, DVBl. 1988, 121 (126); Ostheimer, S. 108. 632 Schatzschneider, S. 194. 633 Siehe hierzu ausführlich S. 155 ff. 634 Beling, Die Beweisverbote (1903), S. 30 f. 635 Während früher Beling stets für die vorstehend genannte strikte Auffassung zitiert wurde, darf nicht übersehen werden, dass sich Beling selbst in späteren Werken von dieser Auffassung distanziert, so Rogall, JZ 2008, 818 (819); Dencker, S. 14. 636 Sydow, Kritik der Lehre der „Beweisverbote“, 1976, passim. 637 Neuerdings findet sich ein (vermeintlich) ähnlicher Ansatz in den internationalen Regeln von Mallorca von 1992 als Leitlinien für den Strafprozess; vergleiche Regel 33 Abs. 2 Mallorca (Dokumentation, ZStW 105 (1993), 668 (676)) „Beweise, die unmittelbar oder mittelbar auf rechtswidrige Weise und unter Verletzung von Grundrechten erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden“; deutlicher insoweit Regel 10 von Toledo (1992) bei Tiedemann, ZStW 105 (1993), 931 (936) „Alle Beweise, die durch Verletzung eines Grundrechts erlangt worden sind, sowie die hierauf beruhenden Beweise sind nichtig und dürfen zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens Berücksichtigung finden“. 630

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trächtigt würde.638 Jedoch können diese Utilitätserwägungen allein keine rechtlichen Argumente ersetzen. Einen Anhaltspunkt liefert zunächst der Wortlaut des § 244 Abs. 2 StPO, der die Beweisaufnahme zunächst allein von der Bedingung der Beweiserheblichkeit abhängig macht und insofern für eine weite Verwertbarkeit spricht.639 Zudem würde bei fortbestehender Aufklärungspflicht eine Neuerhebung des Beweises erforderlich, was die Ressourcen der Strafverfolgung beeinträchtigte.640 Auch die ausdrücklich normierten Übermittlungsvorschriften, die nicht nach rechtswidrigen und rechtmäßigen Daten differenzieren, sprechen für die Zulässigkeit einer Übermittlung.641 Ein weiteres Argument wird in der Literatur unter dem Stichwort „Lageänderung in der Zeitdimension“ diskutiert. Danach kann man zwischen der Betrachtung ex ante, wonach jeder Verfahrensverstoß bei der Datenerhebung insofern beachtlich ist, dass das gesetzliche Handeln auf dessen Vermeidung gerichtet sein muss, und der Betrachtung ex post, die den bereits eingetretenen Fehler und dessen Folgen betrachtet, unterscheiden.642 Diese geteilte Betrachtung verdeutlicht zwar, dass die Verwendung von rechtswidrig gewonnenen Daten weder die Legalitätsbindung noch die Bindung an Recht oder Gesetz der jeweiligen Erhebungsbehörde beeinträchtigen muss. Dabei stellt die „Lageänderung in der Zeitdimension“ jedoch kein juristisches Argument dar, sondern beschreibt einfach die tatsächlichen Umstände, an welche die rechtlichen Begründungen anknüpfen und betont somit zu Recht, dass man zwei unterschiedliche Vorgänge zu betrachten hat. Dabei ist jedoch noch erforderlich zu erläutern, warum man ex post Fehler anders gewichten kann bzw. warum man die Fehlerfolgen begrenzen kann. Als Vorgriff sei hier bereits erwähnt, dass genau in dieser Begrenzung von Fehlerfolgen die Aufgabe der Lehre von den Beweisverwertungsverboten liegt.643 Die rechtliche Begründung, warum man die Folgen rechtswidrigen Staatshandelns hinsichtlich der Verwertbarkeit von Informationen differenziert beurteilen kann, ergibt sich aus dem Verfassungsrecht. Hinter der Forderung der Nichtnutzung von rechtswidrig erlangten Informationen steht nämlich ein verfassungsrechtlicher Folgenbeseitigungs638

Rogall, Abwägungen, 293 (304). Störmer, Grundlagen, S. 107. 640 Rogall in: Höpfel/Huber, 119 (141). 641 Laut Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (867) soll nicht einmal ein Verbot der Nutzung der Daten im Ausgangsverfahren selbst eine Übermittlung zwingend unzulässig machen. 642 Rogall, Abwägungen, 293 (305). 643 Rogall, Abwägungen, 293 (304). 639

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anspruch. Da die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung entweder auf dem Fehlen einer Rechtsgrundlage oder auf deren Überschreiten beruht, liegt in jeder rechtswidrigen Datenerhebung auch ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG.644 Die Daten hätten mithin nicht erhoben werden dürfen. Aus Art. 20 Abs. 3 GG (i. V. m. den Grundrechten) folgt nicht nur der Anspruch, Daten rechtmäßig zu erheben, sondern auch, Folgen rechtswidrigen Handelns zu beseitigen. Insoweit ist die Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 3 GG zur Begründung der Nichtnutzung von rechtswidrigen Daten durchaus angebracht. Dieser Folgenbeseitigungsanspruch könnte für eine Unverwertbarkeit der Daten streiten. Nun können aber Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich gerechtfertigt werden, da dieser zugunsten der verfassungsmäßigen Ordnung, Rechte Dritter und dem Sittengesetz eingeschränkt werden kann. Gleiches gilt damit auch für den ebenfalls hieraus resultierenden Folgenbeseitigungsanspruch. Anderes gilt dagegen für bestimmte besondere Grundrechtseingriffe, die daher auch stets ein Übermittlungs- und Verwertungsverbot nach sich ziehen. Dem Anspruch auf Folgenbeseitigung können daher Gegeninteressen gegenübergestellt werden. Eine solches Gegeninteresse stellt auch das Strafverfolgungsinteresse dar beziehungsweise das Interesse der Nachrichtendienste an ihrer wirksamen Aufgabenerfüllung. So wird, wenn man eine grundsätzliche Anwendbarkeit dieses Folgenbeseitigungsanspruches bejaht, auch dieser wiederum durch andere Verfassungsgüter begrenzt, so dass letztlich eine Abwägung erforderlich ist, um festzustellen, welches Interesse im Einzelfall überwiegt. Dies soll mit Hinblick auf die Frage der Verwertbarkeit von rechtswidrigen Daten bereits angemerkt sein. Eine abschließende Antwort auf die Nutzung rechtswidriger Daten kann an dieser Stelle nicht geliefert werden.645 Jedenfalls begründet die Rechtswidrigkeit allein kein Übermittlungsverbot. Zum erforderlichen Abwägungsvorgang sei folgendes gesagt: Maßgebliches Moment für eine Informationsübermittlung durch die Nachrichtendienste ist ihre Aufgabenerfüllung. Mithin muss zwischen den beiden Positionen abgewogen werden.646 Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es zur Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste erforderlich ist, dass die Daten ihrerseits auch im Prozess verwertet werden dürfen. Ist 644

Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (888). Südhoff, S. 232 ff. mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die effektive Strafrechtspflege als Gegeninteresse; T. Schneider, S. 168; Pietzko, S. 535; in diese Richtung auch OVG Berlin NVwZ 1992, 901 (902). 646 Schon dies zeigt, wie wichtig es ist, die Grundlagen zu analysieren. Gegen eine Abwägung im Strafprozess werden viele Argumente hervorgebracht, ohne zu verstehen, dass eine Abwägung wegen der zugrundeliegenden widerstreitenden Normen zwingend erforderlich ist, siehe S. 159 ff. 645

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dies nicht der Fall, so scheitert die Übermittlung schon im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wegen Ungeeignetheit. Dürfen die Daten hingegen verwertet werden, wird die Übermittlung regelmäßig erforderlich sein, da die Übermittlung gegenüber der Neuerhebung das mildere Mittel darstellt.647 Ungeeignet in diesem Sinne sind die Daten allerdings erst, wenn ihre strafprozessuale Unverwertbarkeit evident ist. Denn die Übermittlungsentscheidung stellt eine autonome Ermessensentscheidung der Nachrichtendienstbehörde dar. Die Entscheidung über die prozessuale Verwertbarkeit hingegen ist allein von dem entsprechenden Strafverfolgungsorgan beziehungsweise dem Instanz- oder Revisionsgericht zu treffen. Damit kann ein entstehendes Verwertungsverbot nur dann die Übermittlung hindern, wenn ein solches mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt. Zur Beurteilung soll der Behördenleiter die nachfolgend für die Verwertbarkeit im Verfahren zugrunde zu legenden Maßstäbe verwenden, da die Übermittlung regelmäßig auf eine Verwertung im Strafprozess abzielt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung nur dann zu einem Übermittlungsverbot führt, wenn die Datenerhebung mit einem Eingriff in ein spezielles Grundrecht verbunden war oder aber die Datenerhebung von rechtswidrigen Umständen begleitet war, die eine Unverwertbarkeit im Strafverfahren evident machen. d) Wegen Unsicherheit der Daten Ferner wird diskutiert, was mit unrichtigen, zweifelhaften oder ungesicherten Erkenntnissen geschehen soll. Typisch für die Aufgabenwahrnehmung der Dienste ist es, dass auch Informationen gesammelt werden, deren Wahrheitsgehalt unbekannt oder zweifelhaft ist.648 An dem Wahrheitsgehalt der Nachrichten kann man unter anderem deswegen zweifeln, da an die Verfassungsschutzbehörden Denunziationen herangetragen werden, entwe647 Nicht hingegen kann allgemein die Zulässigkeit von Erhebung und Verwertung gleichgestellt werden. Anders Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 348 ff., der bei verfahrensexternen Erkenntnissen die Verwertbarkeit im Strafverfahren nach der Verwertbarkeit im Ausgangsverfahren beurteilen will. Sei im Ausgangsverfahren eine Verwendung zulässig, sei sie dies jedenfalls auch im Strafverfahren. Sei sie im Ausgangsverfahren nicht verwendbar, müsse man differenzieren, ob dies auf das andere Verfahren „durchschlägt“. Dies solle mit dem hypothetischen Ersatzeingriff zu beurteilen sein, der allerdings nur dann greifen könne, wenn der Erhebungsbehörde eine repressive Aufgabenstellung zukomme, da sonst der Schutzzweck der Trennung präventiver und repressiver Gewalten unterlaufen werde. Diese Ansicht verkennt die Aufteilung von unselbstständigen und selbstständigen Beweisverboten, so dass auch eine Nutzung von Informationen, die rechtmäßig durch die andere Behörde erhoben wurden, im Strafprozess unzulässig sein kann. 648 Roewer, § 3 Rn. 226; Rottmann, AöR 88, 227 (239); Walde, S. 44.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

der von gegnerischen Nachrichtendiensten, die die Abwehr stören wollen, oder von sonstigen Personen, die Dritten durch die Verdächtigungen schaden wollen; zudem können Mitarbeitern Fehler unterlaufen oder diese manipulieren aus Geldgier oder Geltungsdrang Nachrichten bewusst.649 Die Unsicherheit stellt sich auch insbesondere deswegen ein, da die Bewertung dem Nachrichtendienst selbst vorbehalten bleibt.650 Die gesammelten Informationen werden erst durch diese Auswertung zu den übermittelten „Erkenntnissen“.651 aa) Datenverarbeitung bei den Nachrichtendiensten Daher ist an dieser Stelle wichtig, sich kurz mit der Datenverarbeitung bei den Nachrichtendiensten zu beschäftigen.652 Diese erfolgt in einem zweistufigen System. Die für die Informationserhebung zuständigen Personen nehmen nicht auch gleichzeitig die Auswertung eben dieses Materials 649 Evers, Privatsphäre, S. 229; Droste, S. 90. Ein erschreckendes Beispiel findet sich bei Evers, Privatsphäre, S. 252, die sogenannte Vulkanaffäre: „Das BfV hatte durch einen V-Mann Zugang zum sogenannten Institut für wissenschaftliche Forschung (IwF) in Berlin, in Wahrheit ein ausländischer Nachrichtendienst. Der dem BfV als zuverlässig bekannte V-Mann mußte Berlin verlassen, hatte sich aber zuvor die Namen, die in der Agentenkartei des IwF verzeichnet waren, eingeprägt. Auf Grund seiner zuverlässigen Berichte schaltete das BfV die Strafverfolgungsbehörden ein. Es ergingen Haftbefehle gegen mehrere Personen, die nach der Kartei des IwF als Agenten angesehen werden mußten. Später stellte sich heraus, daß eine Reihe dieser angeblichen Agenten nur gutgläubige Informanten waren, deren Kenntnisse das IwF ausforschte, ohne daß die Betreffenden es wußten.“ 650 Walde, S. 44. 651 Fromm, Aufgaben und Organisation des Verfassungsschutzes in: Sicherheitsdienste des Bundes, 41 (44). Dabei sollen Informationen, Daten und Erkenntnisse synonym begriffen werden und als Abgrenzung zum Begriff „Beweis“ als strafprozessualem Begriff gesehen werden, siehe zu den Unterschieden im Detail, Lehner, S. 6; zum Begriff Beweis, siehe S. 139. 652 Verarbeitung beinhaltet das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen von Informationen, § 3 Abs. 4 BDSG. Verarbeitet werden die Daten in Akten und Dateien (§§ 12 ff. BVerfSchG). Wichtigstes System ist NADIS. Dieses ist ein Personen- und Schlagwortregister, das dem Benutzer gegebenenfalls Hinweise auf Aktenzeichen und den aktenführenden Nachrichtendienst gibt, nicht jedoch selbst Sachinhalte aufweist. Da sowohl Extremisten, gegnerische Agenten als auch gefährdete Personen dort gespeichert werden, ist dieser Vorgang notwendig wertungsneutral. Wichtig ist, dass nach der Dateianordnung von § 14 BVerfSchG bei Speicherung der Daten in Dateien der Zweck anzugeben ist. Dies ist bedeutend im Hinblick auf eine spätere mögliche Zweckentfremdung, da diese umso unwahrscheinlicher erscheint, je weiter der Zweck zu Beginn definiert wurde. Die Speicherung unterliegt bestimmten Fristen, Berichtigungspflichten sowie Sperr- und Löschungspflichten; zum Ganzen siehe Roewer, NJW 1985, 773 (774 f.); Droste, S. 418 ff.

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vor. Dies wird einer anderen Abteilung überlassen, welche eine gesonderte Plausibilitätsprüfung durchführt. Diese organisatorische Trennung innerhalb der Dienste653 steigert die Objektivität und gewährleistet einen erhöhten Informantenschutz.654 Zur Auswertung selbst wird ein internationales Codesystem verwendet, welches einmal die Quelle und dann den Inhalt bewertet – dies reicht von (A) glaubwürdig bis (F) Glaubwürdigkeit nicht feststellbar bezüglich der Quelle; und vom bestätigten Inhalt (1) bis zu Richtigkeit nicht feststellbar (6).655 Dennoch kann dies eine bewusste Desinformation nicht ausgleichen.656 Damit eine gesammelte Information bei den Diensten gespeichert wird, muss sie ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit aufweisen; nicht benötigte Informationen werden vernichtet.657 Dennoch besteht die Gefahr, dass die Berichte von unrichtigen Tatsachen ausgehen oder dass sie trotz wahrer Tatsachen „verzerrte oder unrichtige Bewertungen enthalten“.658 Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Auswerter aus den ihnen vorliegenden Informationen die falschen Schlüsse ziehen.659 Weitergereicht werden dann nicht die Originalunterlagen, sondern aus diesen gefertigte eigene Berichte.660 Jedoch müssen die den Berichten zugrunde gelegten Tatsachen ebenfalls übermittelt werden.661 Sofern bewusst unbestätigte Meldungen von den Verfassungsschutzämtern unter Umständen weitergegeben werden, sind derartige Zweifel an der Richtigkeit ausdrücklich anzumerken.662 Sofern später Fehler erkannt oder wesentliche Änderungen vorgenommen werden, besteht eine Nachberichtspflicht nach § 26 BVerfSchG.663 653

Die meisten Landesverfassungsschutzbehörden sind ebenso organisiert, Droste, S. 87. 654 Droste, S. 44; Albert in: Korte/Zoller, 88 (94). 655 Baud, Encyclopédie, Stichwort Evaluation, S. 192; Albert in: Korte/Zoller, 88 (102 ff.); Walde, S. 32 f., sowie S. 99 f. zur Quellenbewertung. 656 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 14. 657 Droste, S. 416. 658 Rottmann, AöR 88, 227 (239). 659 Als bekanntes Beispiel hierfür führt Ulfkotte, Geheimdienste, S. 141 an, dass der CIA am 27. Juli 1990 Satellitenfotos über einen massiven irakischen Truppenaufmarsch an der Grenze zu Kuwait vorlagen und sie dennoch nicht an einen Einmarsch von Saddam Hussein glaubten. Am 2. August 1990 drangen die Soldaten jedoch in Kuwait ein und der zweite Golfkrieg begann. 660 Rottmann, AöR 88, 227 (239). 661 Gusy, NVwZ 1983, 322 (327); H.-P. Schneider, NJW 1978, 1601 (1603). 662 Rottmann, AöR 88, 227 (240); Droste, S. 550. 663 Droste, S. 429.

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bb) Rechtsfolgen Einige Autoren wollen aufgrund dieser Fehleranfälligkeit ein generelles Weitergabeverbot annehmen.664 Dieser Auffassung ist jedoch angesichts der bestehenden Übermittlungsvorschriften nicht haltbar. Andere gehen zugunsten des Ziels der Staatssicherheit von einer Weitergabeerlaubnis aus, verlangen aber die Kennzeichnung.665 Ein Übermittlungsverbot ergibt sich jedenfalls nicht ausdrücklich aus dem Gesetz. Ein solches kann sich aber aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere aus einer etwaigen Ungeeignetheit der übermittelten Information zur Zweckerfüllung. Laut Bundesverwaltungsgericht ist es ohnehin „äußerst zweifelhaft, ob die dem Bundesnachrichtendienst verfügbaren Unterlagen überhaupt den Zweck erfüllen könnten, verwertbare Erkenntnisse für das Strafverfahren [. . .] zu erbringen“, insbesondere „müsse bei derartigen Befragungen mit der Absicht des Befragten gerechnet werden, die befragende Stelle zu täuschen“.666 Jedoch kann von einer Ungeeignetheit der Informationen nicht regelmäßig ausgegangen werden.667 „Geeignet“ bedeutet, dass der angestrebte Zweck gefördert werden muss. Auch unsichere Daten können dazu beitragen, einen bestimmten Verdacht zu erhärten oder zu entkräften. Entscheidend ist lediglich, dass ihre Bedeutung richtig gewertet wird. Dies kann durch eine Kennzeichnungspflicht erfüllt werden. Ferner besteht nach § 26 BVerfSchG (ggf. i. V. m. § 10 BNDG, § 12 MADG) eine Nachberichtspflicht für Nachrichtendienste über Änderungen beziehungsweise neue Erkenntnisse der übermittelten Daten.668 Damit ist Möglichkeit der Übermittlung unrichtiger Erkenntnisse zumindest erkannt. Ein generelles Übermittlungsverbot ist jedenfalls aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht 664 A. Arndt, NJW 1961, 897 (890); Bull in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 133 (152). 665 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 34; Bull, DÖV 1979, 689 (693); Rottmann AöR 88, 227 (240) (keine Kennzeichnungspflicht); OVG Berlin, NJW 1978, 1644, aufgehoben durch BVerwG NJW 1984, 1636 ff., wonach auch vage und ungesicherte Informationen ausgetauscht werden dürfen. 666 BVerwG DVBl. 2003, 869; Schwagerl, S. 218 hält auch zutreffend fest, dass die Bezeichnung „gerichtsverwertbar“ auf den Quellenschutz abstellt und nicht auf den Schutz des Betroffenen. 667 Zum Übermittlungsverbot wegen Ungeeignetheit aus Unrichtigkeit oder vermutlicher Unrichtigkeit siehe Evers, ZRP 1980, 110 (112); ebenso Gusy, NVwZ 1983, 322 (327), der sich insoweit auf eine Berichtigungspflicht aus § 14 BDSG stützt. Roewer § 3 Rn. 226 (Fn. 264) mit Beispiel für Ungeeignetheit nach der Rspr, welches er wiederum anzweifelt: VG Köln NJW 1978, 1649. 668 Siehe hierzu auch Droste, S. 550.

C. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Strafverfahren

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erforderlich.669 Ein solches kommt nur bei evidenter Unrichtigkeit der Daten in Betracht. e) Aus § 7 Abs. 3 G10 a. F. In der Vergangenheit ist versucht worden, aus Analogien zu § 7 Abs. 3 G10 a. F. weitergehende Weitergabeverbote herzuleiten. Dieser begrenzte die Übermittlung von Daten, die aus G10-Maßnahmen stammten, auf wenige Straftaten.670 Dies sollte teilweise für jede Datenübermittlung gelten671; oder aber für die Übermittlung solcher Erkenntnisse, die aufgrund eines Eingriffs erlangt wurden, dessen konkrete Eingriffsintensität mit einem Eingriff in Art. 10 GG vergleichbar war672 oder für Erkenntnisse, die durch Eingriff in ein in der Wertigkeit mit Art. 10 GG vergleichbares Grundrecht erlangt wurden.673 Für eine Übertragung dieser Idee, auch als Analogie, fehlt es schon an einer Regelungslücke.674 Der Gesetzgeber wollte gerade keine Begrenzung der Übermittlungsregelungen schaffen.675 Daher spricht die aktuelle Rechtslage gegen eine Übermittlungsschwelle.676 Für eine Übermittlungsschwelle bei Datenübermittlungen von Nachrichtendiensten an Strafverfolgungsbehörden tritt auch Taschke ein.677 Er be669 Ein solches kann sich auch nicht aus Gründen des § 186 StGB ergeben, siehe hierzu Evers, Privatsphäre, S. 236 ff. Da wie gesehen die Befugnis zur Weitergabe nicht beschränkt ist, dient dies als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund. Es mag an dieser Stelle der Hinweis erlaubt sein, dass bei der Weitergabe von polizeilich ermittelten Daten an die Staatsanwaltschaft auch Unsicherheiten bestehen können, derartige Überlegungen hingegen nicht auffindbar sind. 670 Je nach Gesetzesfassung auf Straftaten nach § 138 StGB und/oder § 2 G10 a. F., der die Straftaten aufzählte, bezüglich derer eine Individualkontrolle zulässig war, teilweise war auch § 3 Abs. 3 G10, also ein Ausschnitt der Straftaten, die die Strategische Kontrolle rechtfertigten, erwähnt, vergleiche zum Beispiel das G10 in den Fassungen vom 08. Juni 1989, vom 28. Februar 1992 oder vom 28. April 1997. 671 Riegel, NJW 1979, 952 (955). 672 Evers, Verfassungsschutz und Polizei in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 65 (82). 673 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 37. 674 Zu den Voraussetzungen der Analogie, siehe Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 381 ff. 675 Vielmehr forderte der Bundesrat bereits im Gesetzgebungsverfahren zum G10 a. F. vom 13. August 1968 weitergehende Eingriffs- und auch Übermittlungsbefugnisse, was jedoch vom Bundestag zurückgewiesen wurde, siehe BT-Drs. 14/5655. 676 Ebenso Schafranek, S. 217. Die Frage, ob darüber hinaus eine verfassungsmäßige Übermittlungsschwelle gegeben sein könnte, hängt eng mit der Frage der Verwertbarkeit der Erkenntnisse zusammen, weswegen dies dort im Zusammenhang erörtert werden wird, siehe S. 230 ff. 677 Taschke, S. 133.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

gründet das damit, dass die Amtshilfe nicht zu einer Befugniserweiterung führen dürfte, die Verfassungsschutzämter damit keine Informationen weitergeben dürften, die sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangt hätte, also Informationen, die die Strafverfolgungsorgane anders eben gerade nicht hätten erlangen können. Er will daher wie Riegel jede Datenübermittlung begrenzen.678 Als Argument hierfür führt er zunächst die Vorfeldtätigkeit der Verfassungsschutzbehörden an und das Trennungsgebot.679 Letztlich will er § 7 Abs. 3 G10 a. F. für alle nachrichtendienstlichen Erkenntnisse anwenden. Wie jedoch bereits gezeigt, führt die Befugnis zur Informationsübermittlung im Einzelfall nicht zu einer nach dem Trennungsgebot unzulässigen Befugniserweiterung.680 Soweit er dies auf § 7 Abs. 3 G10 a. F. stützt, ist den Ideen nicht zu folgen. Auf die Bedeutung der Vorfeldermittlungen wird im Rahmen der strafprozessualen Verwertbarkeit aber ein besonderes Augenmerk zu richten sein. Eine „Übermittlungsschwelle aus der Kompetenzgrenze der empfangenen Stelle“ will Schünemann annehmen, mit der Folge, dass der BND generell keine Erkenntnisse über im Ausland durchgeführte Ermittlungen an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten dürfe, da diese für Ermittlungen im Ausland auf Rechtshilfe angewiesen wären.681 Jedoch ist hierzu anzumerken, dass Schünemann insoweit nicht zwischen eigener Ermittlung und Informationsübermittlung unterscheidet. Durch die Informationsübermittlung werden den Strafverfolgungsorganen keine eigenen Ermittlungsbefugnisse zuteil, sie selbst befinden sich dadurch schon gar nicht auf ausländischem Territorium. Wie weit die Tätigkeit des BND im Ausland selbst wiederum völkerrechtsgemäß ist, wird nachfolgend im Teil 3 erörtert werden. Für die vorliegende Betrachtung kann daraus aber kein Übermittlungsverbot abgeleitet werden. 4. Ergebnis Die Darstellung zeigt, dass insgesamt sehr weite Übermittlungsmöglichkeiten bestehen. Übermittlungsverbote können sich allein aus den § 23 BVerfSchG (gegebenenfalls. i. V. m. anderen Vorschriften), aus § 13 BVerfSchG oder der evidenten Unrichtigkeit oder dem Vorliegen einer Kernbereichsverletzung eines Grundrechts ergeben.

678

Taschke, S. 133 unter ausdrücklicher Berufung auf Riegel, NJW 1979, 952

(955). 679 680 681

Taschke, S. 133 f.; Riegel, NJW 1979, 952 (955). Siehe oben S. 100 ff. Schünemann, GA 2008, 314 (326).

C. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Strafverfahren

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II. Einführung der Erkenntnisse in das Strafverfahren Probleme entstehen bei der Einführung der Erkenntnisse ins Strafverfahren durch die Notwendigkeit eines ausreichenden Quellenschutzes, d.h. das Geheimhalten der Herkunft der Information.682 Dies dient dem persönlichen Schutz der Quelle und dem Schutz des Nachrichtendienstes vor einem „Verbrennen“ derselben.683 Die Gefahr ist für Quellen nochmals erhöht, wenn sie im Ausland leben und den deutschen Behörden nur eingeschränkte Schutzmöglichkeiten zustehen.684 Für die Nachrichtendienste ist der Schutz insbesondere so wichtig, da Zweifel an der Zuverlässigkeit der Quellenführung durch die deutschen Nachrichtendienste dazu führen könnten, dass sich weitere V-Personen aus der Zusammenarbeit mit den Diensten zurückzögen, diese damit ihres wichtigsten Mittels beraubt würden und damit in der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben beeinträchtigt wären.685 Einige Autoren gehen sogar davon aus, dass die Nachrichtendienste so innerhalb kürzester Zeit auf nationaler wie internationaler Ebene handlungsunfähig würden.686 Zur Vermeidung der Preisgabe des Informanten stehen den Diensten verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Zunächst besteht die Möglichkeit, durch zusätzliche Ermittlungen die Erkenntnisse aus der Quelle derart aufzubereiten, dass der Informant weder vor Polizei noch vor Gericht in Erscheinung treten muss. Ferner kann eine Verbindung zu einem Verdeckten Ermittler (VE) der Polizei hergestellt werden und die Dienste können die eigenen Mitarbeiter zurückziehen687 oder, wenn eine Sperrerklärung nach § 54 StPO (i. V. m. den beamtenrechtlichen Vorschriften) zulässig ist, kann ein Mitarbeiter als Zeuge vom Hörensagen auftreten.688 Als Zeuge kommt 682 Roewer § 3 Rn. 161; Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Quellenschutz, S. 362. 683 Roewer § 3 Rn. 161. 684 BGH NJW 2000, 1661 (1662), zustimmend Soiné, NStZ 2007, 247. 685 Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, 387 (392). 686 Soiné, NStZ 2007, 247 (248); BVerwG DVBl. 2003, 869 (870 f.) sowie S. 82 ff. 687 Zur Übergabe und Übernahme einer Quelle, Soiné, NStZ 2007, 247 (250). 688 Zum Ganzen siehe Droste, S. 301; Roewer § 3 Rn. 161. Eine Verurteilung aufgrund einer Aussage vom Hörensagen wird auch allgemein als zulässig erachtet, jedoch müssen die Zuverlässigkeit der Aussage und damit ihr Beweiswert sehr kritisch geprüft werden. Dabei sind von Rechtsprechung und Literatur Kriterien entwickelt worden, wie, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Aussagen von V-Männern und mittelbare Aussagen vom Hörensagen im Strafprozess verwendet werden können; siehe hierzu Riegel, Datenschutz (1992), S. 120; Soiné, NStZ 2007, 247 (250 ff.). Insbesondere weist auch Löffelmann, S. 92 darauf hin, dass ein

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

insbesondere ein Mitarbeiter des ausländischen Geheimdienstes in Betracht, der von eigenen Ermittlungen berichtet.689 Daneben können gegebenenfalls Name und sonstige persönliche Daten der V-Person verschwiegen werden, § 68 Abs. 2, 3 StPO. Weitere Möglichkeiten bietet die Entfernung des Angeklagten aus dem Saal nach § 247 S. 2 Alt. 2 StPO, die Videovernehmung nach § 247 a StPO und der (Teil-)Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 172 Nr. 1 a GVG. Allerdings bleiben hier Restrisiken, wie die Gefahr der Identifizierung durch den Verteidiger sowie auf dem Weg zum oder vom Gericht, bestehen.690 In Betracht könnten auch Beweismittelsurrogate nach §§ 223, 251 StPO kommen.691

D. Ergebnis des ersten Teils Die Analyse hat ergeben, dass die Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene über drei Nachrichtendienste verfügt: das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst. Hinzu kommen die Verfassungsschutzeinrichtungen der Länder. Dagegen handelt es sich bei dem Zollkriminalamt ebenso wenig wie beim dem Bundeskriminalamt um Nachrichtendienste. Allein dass diese über gewissen Vorfeldbefugnisse verfügen, genügt hierfür nicht.692 Die Betrachtung der Charakteristika von Nachrichtendiensten in Deutschland hat gezeigt, dass sich diese zwar auch durch umfangreiche Datenerhebungsbefugnisse im Vorfeld von Gefahr und Verdacht auszeichnen, dies aber nicht ihr einziges Merkmal ist.693 Verstoß gegen das Konfrontationsrecht aus Art. 6 Abs. 3 d EMRK laut EGMR nur dann ein Verwertungsverbot fordert, wenn „1. keine stichhaltigen und ausreichenden Gründe für die Einschränkung des Konfrontationsrechtes vorliegen, diese [die Einschränkung] 2. nicht durch besondere Verfahrensvorkehrungen hinreichend ausgeglichen wurde, und 3. dem Verteidigungsmangel nicht durch eine besonders sorgfältige und vorsichtige Beweiswürdigung Rechnung getragen wurde.“ 689 Zur Frage, wann ein Zeuge im Ausland als unerreichbar eingestuft werden kann, sei wiederum auf die entsprechende Kommentarliteratur verwiesen; vergleiche hierzu statt aller Schomburg/Hackner in: Schomburg/Lagodny Vor § 68 IRG Rn. 48 ff. 690 Soiné, NStZ 2007, 247 (251). 691 Bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen aus dem Ausland stellen sich wiederum teils bekannte, teils andere Probleme als bei sonstigen Auslandsbeweisen. Da es sich speziell um nachrichtendienstliche Erkenntnisse handelt, scheiden Fälle der Beweisaufnahme durch den ersuchten Richter vorliegend aus und Fälle der Beweisaufnahme aus dem Ausland kommen erst Recht nicht in Betracht. Die Frage der Verlesbarkeit von richterlichen und nicht-richterlichen Protokollen und die Übertragbarkeit dieser Vorschrift auf ausländische Vernehmungen stellen sich nicht. 692 Siehe S. 92 ff. 693 Siehe S. 91 ff.

D. Ergebnis des ersten Teils

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Sie unterliegen darüber hinaus dem Trennungsgebot, das heißt sie müssen organisatorisch von den Polizeibehörden getrennt sein und ihnen dürfen keine Zwangsbefugnisse zustehen. Dagegen ist eine Zusammenarbeit mit anderen, auch polizeidienstlichen Stellen nicht ausgeschlossen. Vielmehr stellt die Kooperation einen wichtigen Nachrichtenbeschaffungszweig sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene dar.694 Nachrichtendienste unterliegen auch besonderen Kontrollformen, was ihrem erhöhten Bedürfnis an Geheimhaltung Rechnung trägt. Daher fehlen auch bei gravierenden Grundrechtseingriffen regelmäßig Richtervorbehalte.695 Zur Datenerhebung dürfen sie sogenannte nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Diese werden von den Nachrichtendienstgesetzen durch Generalklausel umschrieben. Neben Observationen, verdeckten Mitarbeitern und Bild- und Tonaufnahmen dürfen sie auch Informanten einsetzen oder im Einzelfall von Dritten Nachrichten käuflich erwerben.696 Grenzen, die Strafverfolgungsorganen insoweit durch die StPO gesteckt werden, gelten nicht.697 Eine sogenannte Online-Durchsuchung ist den Nachrichtendiensten mangels spezieller Eingriffsgrundlage dagegen derzeit nicht gestattet.698 Aber auch die nachrichtendienstliche Datenerhebung ist nicht unbegrenzt. Ein absolutes Überwachungsverbot greift für den Seelsorger sowie Versammlungen unter freiem Himmel. In anderen Vertrauensverhältnissen ist regelmäßig eine verfassungskonforme Abwägung zu treffen, ob die Überwachung im Einzelfall zulässig ist. Eine gesetzliche Regelung ist aber anzuraten.699 Die Daten gelangen durch Übermittlungen ins Strafverfahren. Dabei können diese aufgrund eines Ersuchens der Strafverfolgungsorgane oder unabhängig von einem solchen übermittelt werden. Hinsichtlich einiger Delikte besteht eine gesetzliche Übermittlungsverpflichtung, bei anderen steht es den Diensten frei, ihre Daten weiterzugeben. Die verfassungsrechtlichen Grenzen dieses Opportunitätsprinzips sind noch näher zu beleuchten. Da eine verfassungskonforme Auslegung jedoch nicht ausgeschlossen ist, ist von einer Verfassungswidrigkeit von § 19 Abs. 1 BVerfSchG (analog), § 9 Abs. 1 BNDG nicht auszugehen.700 694 695 696 697 698 699 700

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

S. S. S. S. S. S. S.

94 ff. 108 ff. 43 ff. 43 ff. 49 ff. 63 ff., 72 ff. 112 ff.

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Teil 1: Nachrichtendienste und ihre Erkenntnismöglichkeiten

Auch die Übermittlung ist nicht grenzenlos gestattet. Insoweit sind Übermittlungsverbote aus § 23 BVerfSchG zu berücksichtigen. Ferner unterliegen gesperrte Daten einem Übermittlungsverbot. Zur Rechtswidrigkeit der Daten bleibt festzuhalten, dass diese allein, von gravierenden Ausnahmefällen abgesehen, nicht geeignet ist, ein Übermittlungsverbot zu begründen.701 Die Einführung der Erkenntnisse ins Strafverfahren folgt den allgemeinen Regeln.702

701 702

Siehe S. 121 ff. Siehe S. 135 f.

Teil 2

Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste Im zweiten Teil der Arbeit geht es nun darum, die Ergebnisse aus dem ersten Teil für die Frage nach der Verwertbarkeit von Erkenntnissen der deutschen Nachrichtendienste nutzbar zu machen. Um die einzelnen möglichen Beweisverwertungsverbote für nachrichtendienstliche Erkenntnisse zutreffend erörtern zu können (B.), ist zuvor die allgemeine Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess zu analysieren (A.).

A. Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess Charakteristisch für Beweisverbote ist, dass sie sich im Spannungsfeld zwischen dem Gebot der Wahrung einer rechtsstaatlichen Verfahrensdurchführung und einer Strafrechtsverwirklichung durch Verfolgung von Straftaten befinden.1 Während das Strafverfolgungsinteresse für eine möglichst umfassende Informationsverwertung spricht, so verlangt der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, gewisse Informationen unverwertet zu lassen.

I. Allgemeine Grundlagen Insgesamt ist das Thema der Beweisverwertungsverbote noch immer sehr umstritten. Dies beginnt mit den Begriffsdefinitionen und endet bei dogmatischen Einzelfragen.2 Dennoch sind inzwischen, zumindest in Teilbereichen, auch konsensfähige Lösungen gefunden worden.3 Eine umfassende Darstellung aller Beweisverwertungsprobleme ist schon vom Umfang her 1

Mitsch, NJW 2008, 2295. Vgl. nur zum erstmaligen Aufwerfen der dogmatischen Fragen Beling, Die Beweisverbote (1903), passim; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (2), der zweifelt, ob die Lehre von den Beweisverwertungsverboten einer weiteren Entwicklung fähig und würdig ist; 1990 sieht Küpper, JZ 1990, 416 (424) immerhin „gewisse Klärungsprozesse im Gange“. 3 So auch Rogall, JZ 2008, 818 (819). Unklar bleibt, wieso er die Beweisverbotslehre inzwischen zu den „am besten aufgearbeiteten Rechtsfragen“ zählt. 2

140

Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

nicht realisierbar, aber auch für die vorliegende Bearbeitung nicht notwendig. Ziel dieser Arbeit ist es, und kann es angesichts der bisherigen Debatte auch nur sein, für die in diesem Teilbereich relevanten Problemfelder eine Präzisierung zu erreichen. Für die weitere, einzelfallorientierte Bearbeitung und die Anwendung der Grundsätze auf nachrichtendienstrechtliche Rechtsfragen ist eine solche zugleich unerlässlich. 1. Beweisverbote Unter den Oberbegriff Beweisverbot4 fallen sowohl Beweiserhebungsverbote als auch Beweisverwertungsverbote.5 Beweiserhebungsverbote verbieten eine bestimmte Art beziehungsweise einen bestimmten Inhalt der Datenerhebung. Man kann sie zusätzlich in Beweismethoden-, -mittel- und -themenverbote unterteilen, wobei diese Unterscheidung heute keinen weitergehenden Zweck verfolgt.6 Ein Beweisverwertungsverbot besagt dagegen, dass spezifische Tatsachen bei der Beweiswürdigung7 nicht berücksichtigt werden dürfen und weder Gegenstand der Urteilsbegründung noch einer Entscheidung in einem anderen Verfahrensstadium sein dürfen.8 Man unterscheidet zwischen den unselbstständigen und den selbstständigen Beweisverwertungsverboten.9 Unselbstständige Beweisverwertungsverbote setzen einen Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot voraus. Solche Erhebungsverbote können sich aus Vorschriften der StPO, aber auch sol4 Zur Kritik an diesem Begriff ausführlich Sydow, a.a.O, passim; hierzu wiederum Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (4 ff.); kritisch gegenüber dem Begriff des Beweisverbotes auch Dencker, S. 4. 5 Nachfolgend werden allein die für die weitere Bearbeitung notwendigen Begriffsabgrenzungen vorgestellt. Zu zahlreichen weiteren Differenzierungen siehe Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 48 f. 6 Diese von Peters, A 94 (DJT 1966) initiierte Unterscheidung wirkt teilweise willkürlich, weswegen ihr heute zu Recht keine Bedeutung mehr beigemessen wird, ebenso Jahn, Gutachten, C 28 f.; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (3); Schuster S. 57; Grünwald, Beweisrecht, S. 143. 7 Fezer, Grundfragen, S. 2; Störmer, Grundlagen, S. 10, der zu Recht darauf hinweist, dass die Terminologie teilweise nicht so einheitlich verwendet wird, S. 5 f.; Gleß, Beweisrechtsgrundsätze S. 37, zur unterschiedlichen Terminologie der „Verwertung“ siehe auch Reinecke, S. 8 ff.; Grawe, S. 183 ff. Dass die Beweiswürdigung sich damit auf einen inneren Vorgang des Richters bezieht, hat keine Auswirkungen auf die Tatsache der Verwertung als möglichen Grundrechtseingriff, da sich Auswirkungen nach außen zeigen, Gleß, Beweisrechtsgrundsätze, S. 35, Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel, S. 206. 8 Schroth, JuS 1998, 969; Meyer-Goßner Einl. Rn. 55; Rogall, JZ 2008, 818 (822). 9 Die Unterscheidung stammt von Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (3 f.), wobei die Trennung an sich so bereits bei Dencker, S. 14 ff., 101 ff. enthalten war.

A. Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess

141

chen außerhalb der StPO ergeben10, insbesondere aus dem GG.11 Beweisverwertungsverbote, die unabhängig von einem vorhergehenden Rechtsverstoß sind, heißen selbstständige Verwertungsverbote12. Das selbstständige Beweisverwertungsverbot umfasst daher Konstellationen, in denen die Erhebung rechtmäßig war, oder Fälle, in denen die Datenerhebung nicht an den strafprozessualen Maßstäben der Rechtmäßigkeit gemessen wurde. Beweisverwertungsverbote können sowohl ausdrücklich normiert sein13 als auch durch Auslegung ermittelt werden. Aus der teilweisen Normierung der Beweisverwertungsverbote kann kein Umkehrschluss derart gezogen werden, dass ungeschriebene Beweisverwertungsverbote nicht existieren könnten.14 Dieses Argument knüpft an die Lehre vom Gesetzesvorbehalt an, welcher für ein Verwertungsverbot nicht erforderlich ist, sondern, wie gleich gezeigt wird, allein für das Gegenteil, nämlich die Verwertung selbst. Daher existieren auch ungeschriebene Beweisverwertungsverbote.15 Zweifelhaft ist ohnehin, ob der Gesetzgeber zu einer umfassenden Normierung in der Lage wäre.16 Der Bundesgerichtshof weist zudem darauf hin, dass eine umfassende Normierung aller Beweisverwertungsverbote dem deutschen Recht fremd sei.17 Hinsichtlich der Reichweite der Verwertungsverbote erfassen diese nach h. M. grundsätzlich nur die unmittelbare Nutzung.18 10

Gössel, FS Bockelmann, 801 (809); Dencker, S. 101. Verstößt nämlich bereits der Erhebungsakt gegen das Grundgesetz, so liegt ein sogenanntes unselbstständiges Beweisverwertungsverbot vor. Stellt man hingegen ausschließlich auf den Verwertungsakt ab, so handelt es sich um ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot. 12 Teilweise auch verfassungsrechtliches oder grundrechtliches Beweisverwertungsverbot genannt, zu der mit der Terminologie zusammenhängenden Rechtsfragen, vergleiche S. 171 ff. 13 Für selbstständige Beweisverwertungsverbote siehe zum Beispiel §§ 393 Abs. 2 AO, 51 BZRG, 97 Abs. 1 S. 3 InsO, für ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbote § 136 a StPO. 14 So aber Hauck-Scholz, NJW 1987, 2769 (2775); Huesch S. 161 f., 200 ff., dagegen zu Recht Rogall, JZ 1996, 944 (946); deutlich auch BGHSt 38, 214 (222). 15 Statt aller vergleiche Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 20. 16 Siehe hierzu bereits Kohlhaas, DRiZ 1966, 186 (287); ihm folgend Dalakouras, S. 134. 17 BGHSt 38, 214 (223). 18 Zum Meinungsstand mit zahlreichen Nachweisen, siehe Labe, Zufallsfunde, S. 34 Fn. 16. Die Zulässigkeit der Nutzung von Erkenntnissen als Ermittlungsansatz wurde auch vom BVerfG für Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung bestätigt, BVerfG NJW 2005, 2766. Dem nur für den Fall der ausdrücklichen Beschränkung der Verwertbarkeit zu Beweiszwecken zustimmend, LR/Erb § 160 Rn. 39; zu verfassungsgemäßen Einschränkung der Verwertbarkeit als Spurenansatz, siehe ders., § 161 Rn. 72. 11

142

Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Im Vor-, Zwischen- und Hauptverfahren sind Beweisverwertungsverbote von Amts wegen zu beachten.19 Verstöße gegen jene sind im Rahmen der formellen Rüge nach § 344 Abs. 2 StPO im Revisionsverfahren geltend zu machen.20 2. Rechtsgrundlage für Verwertung Für die Informationserhebung im Strafprozess ist eine Rechtsgrundlage nach den Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts unstrittig erforderlich.21 Ob gleiches für die Beweisverwertung gilt, wird in der Literatur und der Rechtsprechung erstaunlicherweise bislang selten behandelt. Dabei ist diese Frage dogmatisch zwingend, denn die Kenntnisnahme der Beweise durch das Gericht beziehungsweise die Bekanntgabe derselben im Rahmen des Prozesses stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Richter benötigt daher eine Eingriffsgrundlage. In der Strafprozessordnung findet sich jedoch eine solche nicht ausdrücklich. Die Problematik lässt sich auch nicht dadurch lösen zu behaupten, die Frage der Beweisverwertung sei nach eindeutiger Entscheidung des Gesetzgebers nicht den Regeln von Befugnisnorm und Parlamentsvorbehalt unterstellt.22 Die Entscheidung, ob eine Rechtsgrundlage erforderlich ist, ergibt sich direkt aus den Grundrechten und ist damit einer freien gesetzgeberischen Entscheidung entzogen. a) Verwertung als Grundrechtseingriff Die Beweisverwertung ist ein von der Datenerhebung verschiedener Grundrechtseingriff.23 Grundsätzlich erlaubt die Erhebung aufgrund straf19

Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1544). Schroth, JuS 1998, 969. Gleiches gilt für Verstöße, die sich erst im Urteil zeigen, zum Beispiel Berücksichtigung des Schweigens des Angeklagten. Dabei fordert der BGH teilweise, dass bei anwaltlicher Vertretung bereits in der Hauptverhandlung die für rechtswidrig gehaltene Verwertung von Beweisen gerügt werden müsse, BGH StV 2001, 545 m. w. N. Die Rüge müsse spätestens unmittelbar nach Einbringung des relevanten Beweismittels erhoben worden sein, BGH StV 2004, 57. Zum Meinungsstreit siehe Schroth, JuS 1998, 969 (970). Auf eine gesonderte Darstellung wird an dieser Stelle verzichtet, da es sich hierbei um kein spezifisch nachrichtendienstrechtliches Problem handelt. 21 SK/Rudolphi, StPO, Vor § 94 Rn. 14 ff. 22 So aber SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 26 e; ders., Grundrechtliche Beweisverbote und europäisches Ermittlungsverfahren in: Einwirkungen, S. 319 (322). 23 Angesichts BVerfGE 65, 1 (41 ff.) nicht haltbar ist die Auffassung Globigs, ZRP 1991, 81 (83), dass der eigentliche Grundrechtseingriff in der Erhebung liege und auch eine zweckentfremdende Nutzung nur im Einzelfall einen weiteren Ein20

A. Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess

143

prozessualer Norm auch die Nutzung im Strafverfahren.24 Dass die Erhebungsnorm die Verwendung zu dem erhobenen Zweck beinhalten muss, ergibt sich schon aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da die Erhebungsmaßnahme sonst schon ungeeignet wäre.25 Hinsichtlich des Eingriffscharakters der Verwertung muss unterschieden werden hinsichtlich der durch die Erhebung fortwirkenden Eingriffskomponente und dem spezifischen Verwertungseingriff. Jede Nutzung nach der Datenerhebung erweitert den Personenkreis, der Kenntnis von der geschützten Information erhält. Dieser Eingriff ist vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfasst26 und stellt gegenüber der Erhebung einen anderen Eingriff dar, nämlich den spezifischen Verwertungseingriff. Dagegen stellt die Nutzung einer Information, die durch eine strafprozessuale Erhebungsmaßnahme erlangt wurde, welche in ein spezielles Grundrecht eingreift, keinen weiteren Eingriff in dieses Spezialgrundrecht dar. Zwar nimmt das Grundrecht erst durch die Verwertung „real Schaden“, jedoch realisiert sich dadurch nur die durch den Erhebungseingriff geschaffene Gefahr.27 Man könnte auch sagen, die Gefahr setzt sich fort. Daher stellt die Verwertung als solche nur einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Eine Eingriffsgrundlage muss daher nur den Voraussetzungen für einen Eingriff in dieses Grundrecht genügen. Kommt jedoch eine Zweckentfremdung hinzu, erfolgt also die Verwertung zu einem anderen Zweck als dem der Erhebung, folglich einem nicht-strafprozessualen Zweck, stellt diese Nutzung einen gesonderten Eingriff dar.28 griff darstellt und dies im Verhältnis Repression/Prävention, also „Straftatenahndung“ und „Straftatenverhütung“, nicht der Fall sei; Kritik hierzu ebenfalls bei Hassemer, ZRP 1991, 121 (124). 24 Ernst, S. 182; Rogall, Informationseingriff, S. 98 ff. (mit Details zu besonderen Auswertungsarten). 25 Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 208. 26 Hassemer, ZRP 1991, 121 (124) sieht hierin das Argument für die Anwendbarkeit von Art. 10 GG. Jedoch verdrängt Art. 10 GG das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur, soweit sich die Schutzbereiche überschneiden, BVerfGE 100, 313 (358); 110, 33 (53); 113, 348. Greift Art. 10 GG hingegen nicht ein, werden die Daten durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt, BK/ Badura, Art. 10 Rn. 34, 35. 27 Hassemer, ZRP 1991, 121 (124); a. A. Macht, Verwertungsverbote, S. 205, 208 (letztere zu Art. 13 GG). 28 Dreier/Hermes Art. 10 Rn. 51; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Hofmann, Art. 10 Rn. 11; undifferenziert für neuen Eingriff, Macht, Verwertungsverbote, S. 205, 208.

144

Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Wurde beispielsweise bei der Datenerhebung in Art. 10 GG eingegriffen, ist für die anschließende Datenübermittlung eine gesonderte, auf Art. 10 GG abgestimmte Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Demzufolge ist die Verwertung dann kein gesonderter Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG, wenn der Zweck der Erhebung eben diese Verwertung war, der Eingriff setzt sich in diesem Fall nur fort.29 b) Rechtsgrundlage Hauptsächlich werden zu der Frage, woraus sich die Verwertungsermächtigung ergeben soll, zwei Ansätze vertreten.30 Nach einer Ansicht soll die jeweilige Erhebungsermächtigung auch die Verwertung erlauben.31 Anderer Auffassung zufolge werden als Rechtsgrundlage zur Kenntnisnahme im Zwischen- beziehungsweise Hauptverfahren die §§ 160, 244 Abs. 2 StPO und zur Beweisverwertung der § 261 StPO gesehen.32 Jedoch ist an dieser Stelle ein Streitentscheid zwischen beiden Auffassungen entbehrlich, da sie sich nicht in concreto widersprechen. Wie gezeigt, stellt jede Informationsverwertung in der Hauptverhandlung beziehungsweise im Ermittlungsverfahren einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Grundsätzlich umfassen die Erhebungsnormen der StPO die strafprozessuale Verwertung mit. Bei verfahrensexternen Erkenntnissen sind solche entweder aufgrund der Tätigkeit von Privaten nicht erforderlich, oder die Übermittlungsvorschriften, die gegebenenfalls auf spezielle Grundrechtseingriffe abzustimmen sind, kompensieren den (quasi überschießenden) Grundrechtseingriff. Was nun als Eingriffspotential ‚übrig bleibt‘, nämlich speziell die Eingriffe, welche durch die Präsentation und Nutzung der Beweismittel vor Gericht verursacht werden, wird von den entsprechenden Vorschriften der StPO, nämlich § 160 29

BK/Badura, Art. 10 Rn. 89; BVerfGE 85, 386 (399). Daneben werden auch teilweise die strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Vorschriften über die gesetzlichen Beweismittel als Grundlage einer Verwertungsbefugnis angeführt, siehe hierzu die ausführliche und zu Recht kritische Darstellung bei Störmer, Grundlagen, S. 70 ff. 31 Ernst S. 182; Rogall, Informationseingriff S. 98 f.; Scheller, S. 319 (aber als Analogie); so auch bezogen auf die Verwaltung Huesch, S. 161 f., so wohl v. Budlovsky, S. 273 (jedenfalls für die §§ 100c, d StPO, im Übrigen zweifelnd an der Bestimmtheit und den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts bei §§ 244 Abs. 2, 261 StPO). 32 Störmer, Grundlagen, S. 101 ff.; ders., Jura 1994, 393 (397 f.); Schuster, S. 104; Wolter, BV und UV, 996; Müssig, GA 1999, 119 (124); Wölfl, StraFO 1999, 74 (77), Lindner, S. 139 für § 244 StPO; ebenso Jahn, Gutachten, C 66 ff.; dagegen sieht Rogall, JZ 2008, 818 (822 f., 825) die Rechtsgrundlage in § 261 StPO, also dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung. 30

A. Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess

145

beziehungsweise §§ 244, 261 StPO umfasst. Hierfür spricht auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welche bezüglich der Verwertbarkeit von Zeugenaussagen im Zivilprozess als Ermächtigungsgrundlage die allgemeinen Vorschriften der §§ 373 ff. und § 286 ZPO sieht (und Bezug auf strafprozessuale Entscheidungen nimmt).33 Hiergegen lässt sich auch nicht anführen, § 244 Abs. 2 StPO enthalte nur eine Aufgabenzuweisung und sei keine Befugnisnorm.34 Nach Störmer soll der Wortlaut der Vorschrift schon wegen seiner Detailliertheit deutlich über eine reine Aufgabenzuweisung hinausgehen.35 Jedenfalls kann ihr nicht die Unbestimmtheit entgegengehalten werden. Aus der Vielfältigkeit der sich möglicherweise ergebenen Verwertungen, die sich gerade nicht auf strafprozessual erhobene Beweise beschränken, folgt, dass eine engere Umschreibung der Befugnis nicht möglich wäre; eine Verwertungsbefugnis muss notgedrungen durch eine Generalklausel geregelt sein.36 Dies entspricht auch dem Bestimmtheitsgebot, welches nur fordert, dass Rechtsvorschriften so genau gefasst werden „wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.“37 Eine Übertragung der strengen Anforderungen, wie sie an die Beweisgewinnung zu stellen sind, auf die Verwertung ist nicht möglich.38 Es besteht also eine umfassende Verwertungsbefugnis, welche ihrerseits durch Beweisverwertungsverbote beschränkt werden kann. 3. Verwendungsverbote Im Nachrichtendienstrecht finden sich häufig Vorschriften, die sich ausdrücklich mit der Verwendung der erlangten Daten beschäftigen. Dabei handelt es sich je nach Formulierung um direkte Verwendungsverbote oder aber indirekte Verbote qua Verwendungsregeln, da der Normbefehl, Daten nur zu bestimmten geregelten Zwecken verwenden zu dürfen, indirekt stets 33

BVerfG NJW 2002, 3619 (3624). So aber Strate, JZ 1989, 176 (178); Sydow, S. 12 f., 39 f., 107 f., ähnlich Scheller, S. 319 f., die anführt, dass als Befugnis zur Verwertung die allgemeinen Regelungen über die Sachentscheidungskompetenz nur insoweit dienen könnten, als die Informationen ohne Eingriffe gewonnen worden wären. 35 Störmer, Grundlagen, S. 77 f. 36 Störmer, Grundlagen, S. 79 f.; zur allgemeinen Tendenz und der Notwendigkeit in den letzten Jahrzehnten ohnehin verstärkt Generalklauseln zu verwenden, siehe Eylmann, S. 23 in: Der Richter als Ersatzgesetzgeber (Ulrich Karpen Hrsg.), der folgert, dass dies dem Richter Raum für gerechtere Einzelfallentscheidungen lässt. 37 BVerfGE 49, 168 (181); 59, 104 (114); BVerfG NJW 1990, 2765 (2767). 38 Störmer, Grundlagen, S. 79; zustimmend Wölfl, StraFo 1999, 74 (78); Lindner, S. 140. 34

146

Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

ein Verbot für alle anderen Verwendungen enthält.39 Daher ist für die weitere Analyse erforderlich, solche direkten oder indirekten Verwendungsverbote von den Verwertungsverboten abzugrenzen. Insofern ist der Umfang eines Verwendungsverbotes zu bestimmen.40 In der Literatur findet sich erst neuerdings eine Beschäftigung mit dieser Problematik.41 Dies mag daran liegen, dass sich inzwischen vermehrt Verwendungsregeln im Gesetz finden lassen. Die (meisten) dieser Vorschriften mit „verwenden“ besitzen einen datenschutzrechtlichen Hintergrund und sind neueren Datums.42 So werden die neueren Regelungen dieses Inhalts in der StPO auch als Verwendungsregeln bezeichnet.43 Jedoch existieren auch Verwendungsregeln älteren Datums.44 Die seltene Behandlung ist wohl mit der späten Einführung eines Bundesdatenschutzgesetzes, 1990, und der langsamen Etablierung seiner Grundsätze in den übrigen Gesetzen zu erklären, langsam vor allem deshalb, weil das Datenschutzgesetz als ‚Kind‘ des Volkszählungsurteils45 des Bundesverfassungsgerichts inzwischen sogar ‚volljährig‘ ist, Verwendungsverbote aber dennoch als weitgehend ungeklärt bezeichnet werden.46 Inwieweit diese Aussagen zutreffen, wird nachfolgend zu klären sein. Die erste umfassende Beschäftigung mit Verwendungsverboten unternahm Dencker. Dieser stellte bereits klar, dass, sofern der Begriff „Verwenden“ im Gesetz auftaucht, dieser im Sinne des BDSG zu verstehen ist.47 In einem Verwendungsverbot sieht er ein „totales ‚Tabu‘ “ der Verwendung, das heißt, die Information darf weder als Beweis noch, soweit das Verbot unbeschränkt ist, sonst, zum Beispiel als Spurenansatz, verwendet werden.48 Dies gelte nur dann nicht, wenn sich in der Norm der Zusatz „zu Beweiszwecken“ fände, da dann lediglich eine Nutzung der Information als Beweis im Rahmen der Hauptverhandlung untersagt sei.49 39

So auch Dencker, FS Meyer-Goßner, 237. Davon zu unterscheiden ist die Frage, welche Folgen ein Verstoß gegen ein Verwendungsverbot nach sich zieht, siehe dazu S. 206. Diese beiden Fragen vermengend Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 138. 41 Zuerst Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 ff.; inzwischen Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 48 f., 160 ff.; Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 ff. 42 Siehe §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO. 43 Siehe zum Beispiel für § 477 Abs. 2 StPO, KK/Gieg, § 477 Rn. 3; für § 161 Abs. 2 StPO, KK/Griesbaum, § 161 Rn. 40. 44 Vgl. insoweit insbesondere § 7 Abs. 3 G10 a. F., wobei der Wortlaut hier noch „benutzen“ war, siehe zu dieser Norm S. 281 ff. 45 BVerfGE 65, 1 ff. vom 15. Dezember 1983. 46 Jahn, Gutachten C 96; LR/Gössel, Einl. L Rn. 8; Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (869). 47 Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 (243). 48 Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 (243). 40

A. Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess

147

Die grundlegende Unterscheidung zwischen den Begriffen Verwendungsund Verwertungsverbot überzeugt bereits aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft, da der Begriff der Verwendung aus dem Datenschutzrecht stammt, der Begriff der Verwertung dem Prozessrecht, insbesondere dem Strafprozess zuzuordnen ist.50 Obwohl er im Bundesdatenschutzgesetz an mehreren Stellen auftaucht, wird der Begriff Verwenden selbst nicht legaldefiniert. Nutzen ist nach § 3 Abs. 5 BDSG legaldefiniert als jede Verwendung, die nicht verarbeiten ist; Verarbeiten umfasst nach § 3 Abs. 4 BDSG alle vorgelagerten Vorgänge, wie Speichern und Übermitteln. Insofern umfasst Verwenden sowohl jede „Nutzung“ als auch die Verarbeitung.51 Verwertung im Sinne des Strafprozessrechtes, von Begriffsstreitigkeiten im Einzelnen mal abgesehen52, umfasst dagegen einen Teilbereich des Nutzens. Folglich ist ein Verwendungsverbot jedenfalls weiter als ein Verwertungsverbot und da ersteres das Verbot umfasst, Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen, fällt hierunter auch die Verwertung im Strafverfahren. Damit ergibt sich schon aus dem Wortlaut, dass der Begriff des Verwendungsverbots umfassend ist, wohingegen ein Verwertungsverbot nur einen Teilbereich davon betrifft. Man kann dies auch als eine spezielle Verwendungsregel bezeichnen.53 Auch vom Schutzzweck her umfasst das BDSG die Nutzung im Strafverfahren. Systematisch ergibt sich selbstverständlich, dass die StPO a priori die Verwertung (zu Beweiszwecken) regelt und lediglich in Zusammenhang mit (verfahrens-)externen Erkenntnissen von Verwendungen spricht.54 Ein Verwendungsverbot untersagt demnach jegliche Verwendung und damit auch jegliche Nutzung, also nicht nur die Nutzung als Beweismittel, 49 Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 (250). Dabei kritisiert Dencker diese Einschränkung, da es sich bei den Verwendungsregeln letztlich um selbstständige Beweisverwertungsverbote handele und bei diesen auch die mittelbare Nutzung verboten sei, da sie sonst „sinnleer“ seien, Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 (246, 250 f.). Diese Kritik setzt jedoch voraus, dass die mittelbare Nutzung bei selbstständigen Beweisverwertungsverboten stets verboten ist. Da dies nach h. M. nicht der Fall ist, richtet sich Denckers Kritik somit nicht allein gegen die Beschränkung der Verwendungsverbote, sondern auch zugleich der Verwertungsverbote. 50 Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 (238). Eisenberg betont zwar die Unterscheidung beider Begriffe; jedoch bleibt unklar, worin abgesehen von der Wortherkunft die Unterscheidung liegt, Eisenberg Rn. 335, 358, 404; auch Rogall weist auf die vereinzelten Verwendungsregeln hin ohne nähere Auseinandersetzung, Rogall in: Höpfel/Huber S. 119 (135). 51 So aber Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (865). 52 Siehe oben S. 139 ff. 53 Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (866), ähnlich Störmer, Grundlagen, S. 11 unterscheidet zwischen einem (umfassenden Informationsverwertungsverbot) und dem (nur) Beweisverwertungsverbot. 54 Vgl. §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO.

148

Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

sondern auch als Spurenansatz. Übersetzt in die Sprache des Strafprozesses wäre dies zunächst ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung, da ein Beweisverbot an sich nur die Nutzung des unmittelbaren Ergebnisses verbietet. Es geht aber sogar weiter als ein solches, da es jegliche unmittelbare und mittelbare Nutzung untersagt, die Fernwirkung im Strafprozess jedoch nur einen Ausschnitt der mittelbaren Nutzung darstellt.55 Laut Jahn soll das Wort „Verwenden“ allein allerdings noch nicht dazu führen, dass eine Verwendung als neuer Ermittlungsansatz ausgeschlossen ist, die Zweckbindung könne keine „Frühwirkung“ entfalten, da es an der Identität von Ausgangs- und neu erlangten Daten fehle. Anderes könne nur gelten, wenn der Gesetzgeber einen abweichenden Willen ausdrücklich kundgetan habe. Als Beispiel hierfür will er § 97 Abs. 1 S. 3 InsO heranziehen, bei welchem im Gesetzgebungsverfahren durch Intervention des Datenschutzbeauftragten verwerten ausdrücklich durch verwenden ersetzt wurde.56 Eine Frühwirkung will Jahn dagegen entgegen der h. M. annehmen, wenn ausdrücklich die Einschränkung „zu Beweiszwecken“ normiert ist, da nur so die Klientenakten-Entscheidung des BVerfG57 verstanden werden könnte.58 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie widerspricht der eindeutigen Definition des BDSG. Das Nutzen, das Gebrauchmachen an sich, wird durch ein Verwendungsverbot untersagt. Auch wenn der Zweckbindungsgrundsatz nicht unmittelbar betroffen ist, so handelt es sich doch bei den Verwendungsvorschriften um Regelungen, die ausdrücklich jede Nutzung von Daten begrenzen wollen und dies würde unterlaufen, wenn man eine Nutzung als Spurenansatz zuließe, also eine Frühwirkung ablehnte.59 Jahns Hinweis auf den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens kann nicht überzeugen: Ob der Gesetzgeber von Anfang an selbst präzise formuliert hat, oder ob dies erst durch Einschreiten eines Dritten, im Fall des Datenschutzbeauftragten, erfolgt, kann keinen Einfluss auf den Norminhalt haben.60 Auch mit der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich seine Auffassung nicht begründen. Dort schließt das Gericht ausdrücklich „jede Verwendung der Akten und des in ihnen verkörperten gedanklichen Inhalts zu Beweiszwecken im Ermittlungs- und Strafverfahren gegen die Klienten der Drogenberatungsstelle aus.“61 Das Gericht beschäftigt sich also ausschließlich mit der Nutzung von Akten und deren 55

Siehe hierzu S. 140 f. Jahn, Gutachten, C 96. 57 BVerfGE 44, 353 (384). 58 Jahn, Gutachten, C 96 f. 59 Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (891). 60 Ganz abgesehen vom Streit über die Anwendung der subjektiven oder objektiven Theorie im Rahmen der an der Entstehungsgeschichte orientierten Auslegung, siehe hierzu Simon, S. 209 ff. 56

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Inhalt als Beweismittel, über die Nutzung als Spurenansatz wird nicht gesprochen, so dass sich aus dieser Entscheidung weder Argumente für noch gegen eine Auslegung der Bedeutung von Verwendungsverboten im entsprechenden Sinn ziehen lassen. Mithin lässt sich festhalten, dass die Verwendungsverbote als umfassende Verwertungsverbote einzustufen sind, diese folglich jede unmittelbare oder mittelbare Verwertung untersagen. Dies ergibt sich zweifelsfrei unter Heranziehung der juristischen Auslegungsmethoden. Verwendungsverbote als ungeklärt einzustufen, kann daher nicht überzeugen. 4. Ratio der Verwertungsverbote Verwertungsverbote verbieten also zumindest die unmittelbare Nutzung von Erkenntnissen zu Beweiszwecken.62 Dabei unterteilt man diese in unselbstständige und selbstständige Beweisverwertungsverbote.63 Im Folgenden soll nun die Funktion dieser Verwertungsverbote untersucht werden. Dies ist deswegen wichtig, da es in der vorliegenden Arbeit nicht um das Nachvollziehen bekannter Verwertungsverbote geht, sondern eine Beurteilung neuartiger Konstellationen stattzufinden hat. Um diese richtig einordnen zu können, nämlich ob im Einzelfall ein Beweisverwertungsverbot, ob selbstständig oder unselbstständig zu greifen hat, ist es erforderlich zu wissen, zu welchen Zwecken Verwertungsverbote anerkannt werden können. Nicht notwendig ist es dabei, alle Beweisverwertungsverbote auf eine einheitliche Funktion zu stützen.64 Auch die Feststellung von mehreren möglichen Funktionen schafft die Voraussetzungen zur Beurteilung neuer Konstellationen. In der Literatur finden sich Diskussionen zur ratio der Verwertungsverbote herkömmlich ausschließlich in Bezug auf unselbstständige Beweisverwertungsverbote. Bei den selbstständigen Beweisverwertungsverboten wird zumeist davon ausgegangen, dass diese allein dem Individualschutz dienen.65 Jedoch wird gezeigt werden, dass dies nicht zutreffend ist. 61 BVerfGE 44, 353 (384). Knauth, JuS 1979, 339 (341) führt zur Reichweite des Beweisverwertungsverbotes aus, dass sich dieses nicht nur auf die Beweiserhebung durch den Richter beziehe, sondern sich bereits im Ermittlungsverfahren die Nutzung des auf verfassungswidrige Weise erlangten Beweismaterials verbiete. 62 Vgl. S. 140 f. 63 Vgl. S. 140 f. 64 Siehe hierzu Fezer, S. 18, 28 f., der darauf hinweist, dass eine solche einheitliche Funktion nicht zu finden sei, wie die Debatte beweise. 65 LR/Gössel, Einl. L Rn. 81 ff.; Schuster, S. 52; Beulke, StPO, Rn. 454; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 41 ff.; Eisenberg, Rn. 385.

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a) Disziplinierung Teile der Literatur sehen als Funktion der Beweisverwertungsverbote die Disziplinierung der Strafverfolgungsorgane.66 Dabei wird dieser Ansatz insbesondere wegen seiner „psychologischen Eingängigkeit“ begrüßt.67 Logische Konsequenz dieser Ansicht müsste jedoch sein, dass aus jedem Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgen soll.68 Entscheidend wäre mehr das Handlungsunrecht als der eingetretene Erfolg.69 Eine so weitreichende Folge wird indes fast durchweg abgelehnt. Da ein Beweisverwertungsverbot die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende effektive Strafverfolgung schwäche, dürfe sich die Disziplinierung „nicht in beliebigem Maße durch eine Schwächung der Durchsetzung des Strafrechts erkaufen“ lassen.70 Vor allem fehlt es an einem „inneren Zusammenhang“ der hier verknüpften Unrechtsarten.71 Das Tatunrecht kann nicht mit dem „Prozessunrecht quasi verrechnet“ werden.72 Der Disziplinierung dienen die Normen des Disziplinar- und Amtsstrafrechts und diese genügen hierzu auch.73 Die Möglichkeit, sich bei Missachtung einer Vorschrift zugleich strafbar zu machen, übt einen nicht unerheblichen Druck auf den jeweiligen Amtsträger aus.74 Die Disziplinierung stellt damit eine Nebenfolge, nicht hingegen eine Aufgabe der Verwertungsverbote dar.75 Dass die Disziplinierung bei selbstständigen Beweisverwertungsverboten keine Rolle spielen kann, ergibt sich schon daraus, dass in dieser Fallkonstellation ein rechtmäßiges Organverhalten Voraussetzung ist. b) Wahrheitsfindung Da die Wahrheitsfindung ein Ziel des Strafprozesses ist und auch von Rechtsstaats wegen geboten ist76, liegt es nicht fern, zu überlegen, ob diese nicht eine ratio der Beweisverwertungsverbote sein könnte.77 Allerdings 66

Grünwald, JZ 1966, 489 (499); Spendel, NJW 1966, 1102 (1108). Dencker, S. 52; ebenso Störmer, S. 198. 68 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (15 f.); Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 18; Dalakouras, S. 115; Dencker, S. 54; Jäger, S. 70. 69 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (15 f.); Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 18; Dalakouras, S. 115; Dencker, S. 54; Jäger, S. 70. 70 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 20. 71 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (15); Koriath, S. 45. 72 Rogall in: Höpfl/Huber, 119 (129); Störmer, S. 199. 73 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 18; Jäger, S. 70. 74 Löffelmann, Grenzen der Wahrheitsforschung, S. 173. 75 So auch Dencker, S. 55; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (16); Dalakouras, S. 115. 76 BVerfG NStZ 1988, 32 (33); BVerfGE 80, 367 (377 f.). 77 So vertreten von Klug, DJT 66, F35; Schöneborn MDR 1971, 713 (715) (anders bereits ders., MDR 1974, 457 (458)); als einer von mehreren Entstehungsgrün67

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lassen sich keine Beweisverbote finden, die unstrittig auf der Unzuverlässigkeit des Beweismittels beruhen.78 Selbst bei § 136 a StPO ist umstritten, ob dieser (zumindest auch) dazu dient, unzuverlässige Ergebnisse aus dem Prozess herauszuhalten, da schon Uneinigkeit darüber besteht, ob die dort angeführten Methoden eher zu wahren oder unwahren Aussagen führen.79 Regelmäßig wird die Fehlerhaftigkeit der Beweisgewinnung allein nichts darüber aussagen können, ob das gefundene Ergebnis der Wahrheit entspricht.80 Konsequenz dieser Auffassung ist unter anderem auch, dass Sachbeweise nur selten unverwertbar sein können.81 Das Argument der Wahrheitsfindung kann letztlich sowohl für als auch gegen ein Beweisverwertungsverbot sprechen. So wie jede Information zur Wahrheitsfindung beitragen kann und ein Verwertungsverbot die notwendige Entscheidungsgrundlage verkürzen würde82, so kann eine unwahre oder versteckte Information die Suche nach der Wahrheit behindern. Dies lässt sich jedoch abstrakt schwer feststellen, sondern ist letztlich eine Frage, die sich der Richter bei der Beweiswürdigung stellen muss.83 Die Problematik der Beurteilung eines Beweismittels auf seine Glaubwürdigkeit hin ist dem Strafprozess „immanent“.84 Daher ist die Wahrheitsfindung grundsätzlich keine Aufgabe der Beweisverwertungsverbote.85 Eine Ausnahme könnte allenfalls dann gelten, wenn die Beweiswürdigung deswegen unmöglich wäre, weil das Beweismittel der Wahrheitsermittlung durch das Gericht in keiner Weise zugänglich ist.86 c) Individualschutz Der Individualgüterschutz stellt nach richtiger Ansicht eine Funktion der Beweisverwertungsverbote dar.87 Allein Dencker führt an, dass jener nicht den Rudolphi, MDR 1970, 93 (98); ebenso BGHSt 24, 125 (128 f.); anders BGHSt 28, 122 (128); 27, 355 (357); 38, 214 (220), die Beweisverwertungsverbote gerade als Ausnahme von der Wahrheitserforschungspflicht ansehen. 78 Grünwald, Beweisrecht, S. 144. 79 Rogall, ZStW 91 (1979), 1, (33) für wahre Aussagen; für wahre Aussagen bei Täuschung und unwahre bei Folter, siehe Dencker, S. 77; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (33); S. Schröder, Hypothese, S. 27; generell für Unzulässigkeit der Beweise wegen Unzuverlässigkeit des Ergebnisses, Kleinknecht, NJW 1964, 2181 (2185). 80 Kalb, S. 11. 81 Dencker, S. 38. 82 Kalb, S. 23. 83 BVerfGE 57, 250 (293); ebenso Störmer, Grundlagen, S. 201. 84 Kastner in: Lange, WB zur inneren Sicherheit, Stichwort Kronzeuge, S. 181 (184). 85 Störmer, Grundlagen, S. 201. 86 Siehe hierzu später unter Selektivität, S. 259 ff.

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zur Begründung von Verwertungsverboten tauge, da erfolgte Eingriffe nicht rückgängig gemacht werden könnten.88 Dies verkennt, dass es nicht um das Rückgängigmachen einer Verletzung geht, sondern vielmehr um die Frage der Behandlung von Fehlerfolgen. Dass ein Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot irreparabel ist, sagt nichts über die Verwertungsverbote aus. Diese können verhindern, dass das verletzte Individualrecht fortwirkend oder erneut verletzt wird.89 Wie bereits im Rahmen des Verwertungseingriffs dargelegt, realisiert erst die Verwertung die durch den Erhebungseingriff gegründete Gefahr der Grundrechtsverletzung. Beweisverwertungsverbote dienen daher dem Individualschutz. d) Spezialprävention Nach der Lehre von der Spezialprävention muss das Urteil durch den Täter als richtig und gerecht empfunden werden, um seine Resozialisierung zu bewirken, und dies könnte nur durch ein fehlerfreies gerichtliches Verfahren erreicht werden.90 Ob eine solche These empirisch belegbar wäre, erscheint jedoch äußert zweifelhaft.91 Zudem müsste ferner erläutert werden, wieso die übrigen Strafzwecke das durch die fehlende Spezialprävention entstehende Legitimationsdefizit bezüglich einer Verurteilung beziehungsweise der Notwendigkeit der Verwertung nicht ausgleichen könnten.92 Aufgabe der Beweisverbote ist daher nicht der Schutz der Spezialprävention. e) Legitimation zum Strafen oder Generalprävention Nach der bisherigen Erörterung scheint als ratio, sowohl der selbstständigen als auch der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote, letztlich nur der Individualschutz tragend zu sein. Man findet aber auch die Auffassung, dass Beweisverwertungsverbote Ausdruck der sittlichen Überlegenheit des 87 BGHSt 11, 213 (215); Beling, Die Beweisverbote (1903), S. 10, 37; Beulke, StPO, Rn. 454; Dalakouras, S. 121; Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1539); Otto, GA 1970, 289 (291 f.); Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (16 ff.); Störmer, Grundlagen, S. 203; Spendel, NJW 1966, 1102 (1106); SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 50; ebenso Götting, Beweisverwertungsverbote, S. 135, die bei jeder Grundrechtsverletzung ein Beweisverwertungsverbot annehmen will. 88 Dencker, S. 57 Fn. 90, 88. 89 Störmer, Grundlagen, S. 205. 90 Otto, GA 1970, 289 (297 ff.); Osmer, S. 10 ff., der aber auch zugleich auf die Generalprävention abstellt. 91 Klug, DJT 66, F 46; Rogall in: Höpfl/Huber S. 119 (132), in diese Richtung auch Dencker, S. 59. 92 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (13); Dencker, S. 59.

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Staates wären.93 Dencker sieht die Beweisverwertungsverbote als „Gebote der Selbstreinigung der Justiz“ an, welche dem Vertrauen der Bevölkerung in Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung dienen.94 Allerdings soll bei Verlust der generalpräventiven Wirkung dann ein Verwertungsverbot eingreifen, wenn Individualgüter verletzt werden.95 Andererseits hält Dencker selbst das Abstellen auf die (nur) subjektiv-rechtlichen Kategorien im Rahmen der Beweisverbote für sehr anfechtbar.96 Nach Rogall dienen Beweisverwertungsverbote präventiv der „Stabilisierung verfassungsrechtlicher Normen“.97 „Das Verwertungsverbot kann die Verletzung nicht ungeschehen machen, aber der Staat kann mit seiner Hilfe demonstrieren, daß er die verfassungsrechtlichen Werte und Grundentscheidungen achtet“.98 Diese berechtigten öffentlichen Interessen sollten sowohl „im Falle einer Nichtverwertung wie im Falle einer Verwertung“ „eine ganz entscheidende Rolle“ spielen.99 Ebenso bekräftigt Rogall: „[V]erfassungsrechtlich stehen die Beweisverbote mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Recht auf ein faires Verfahren in Zusammenhang“.100 Auch Kleinknecht hält Fälle für denkbar, in denen „der Justiz bei der Güter- und Interessenabwägung das Zurückgreifen auf das Beweismittel aus rechtsstaatlichen Gründen schlechterdings nicht zugemutet werden kann.“101 Dies ist dann der Fall, wenn ein derart gravierender Rechtsverstoß vorliegt, dass dieser „Verstoß dem Verfahren als Ganzem oder in dem betroffenen Teil den Stempel der Rechtsstaatswidrigkeit aufdrückt.“102 Amelung weist darauf hin, dass eine nur individualrechtliche Begründung ungenügend ist; die Verletzung von Individualrechten mag zwar die „bedeutsamste Quelle von Verwertungsverboten“ sein, aber nicht die einzige.103 Auch Blau spricht im Rahmen der Abwägung zur Einschränkung des Strafverfolgungsinteresses von dem schutzwürdigen, „meistens individuellen Gegeninteresse“104, so dass auch hier Raum bleibt für nicht individuelle Schutzgüter im Einzelfall. Auch § 136 a StPO soll ein „überindividueller Schutzzweck“ zukommen, da die 93

Eb. Schmidt, Lehrkommentar II, § 136 a Rn. 21; Haffke, GA 1973, 65 (72). Dencker, S. 65, 73, 83 ff., 147. Dabei kann laut Dencker, S. 60 der Abschreckungseffekt kein Beweisverwertungsverbot tragen. 95 Dencker, S. 59 ff., 85 ff., 147. 96 Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 (240). 97 Rogall, JZ 1996, 944 (947). 98 Rogall, JZ 1996, 944 (947). 99 Rogall, Abwägungen, 293 (303). 100 Rogall in: Höpfel/Huber, S. 119 (129). 101 Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543). 102 Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1545). 103 Amelung, FS Roxin, 1259 (1264). 104 Blau, Jura 1993, 513 (516). 94

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Anwendung der dort verbotenen Methoden „dem Ansehen des Staates und der Strafrechtspflege widerspricht und eine Selbstdarstellung als Rechtsstaat unmöglich macht“.105 Dieser kann daher auch nicht durch die Einwilligung des Betroffenen ausgeschlossen werden. Daher zeigt gerade diese Norm, die als einzige der wenigen normierten Verwertungsverbote stets als Beispiel aufgezeigt wird, dass Verwertungsverbote sich nicht im Individualschutz erschöpfen.106 Dass der Bundesgerichtshof es grundsätzlich als möglich erachtet, ein Beweisverwertungsverbot auf das Rechtsstaatsprinzip zu stützen, zeigt die auf Art. 20 Abs. 3 GG basierende Lockspitzel-Entscheidung.107 Selbst das Bundesverfassungsgericht erkennt grundsätzlich die Möglichkeit der Begründung eines Beweisverwertungsverbotes als Sicherung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens an. Zwar lehnt es ein Beweisverwertungsverbot in der zitierten Entscheidung ab, aber die Betonung, dass „hier“, also im zu entscheidenden Fall dies nicht ginge, bedeutet, dass es keine grundsätzlichen Bedenken hat.108 In bestimmten Fällen können Beweisverwertungsverbote daher auch der im öffentlichen Interesse liegenden Funktion dienen, die Legitimation des Staates zum Strafen zu wahren und sein Ansehen zu schützen. Jedoch führt ein Verstoß gegen den generalpräventiven Schutzzweck nicht stets zu einem Beweisverwertungsverbot.109 Ein Verstoß muss hinreichend schwer wiegen, damit durch die Verwertung die Legitimation der staatlichen Strafe gefährdet ist.110 Die Beeinträchtigung der präventiven Wirkung ist erst ab einer gewissen Schwelle gegeben.111 Teilweise wird vertreten, dass dies erst ab der Schwelle des Strafbaren und der Verletzung der Menschenwürde eintrete.112 Ob ein Verlust der Legitimation zum Strafen immer dann eintritt, wenn mit der Normverletzung gegen Menschen105

SK/Rogall, StPO, § 136 a StPO Rn. 4 unter Bezugnahme auf Peters, Strafprozess, § 41 II 2 b), S. 334; Amelung, NStZ 1982, 38 (40); AK/Kühne § 136 a Rn. 2; Eisenberg Rn. 125; Brandis, S. 58. 106 Übertragen auf die Beweiserhebung wird angeführt, dass kein ausschließlich individualrechtlich orientierter Ansatz die §§ 54, 96 sowie § 55 Abs. 2 StPO erklären könne, Wolter, Grundrechtliche Beweisverwertungsverbot in: Einwirkungen (1999), 319 (326); Fezer, Grundfragen, S. 37 f. 107 BGHSt 31, 308. Allerdings fand die Entscheidung ein Stütze in einer einfachgesetzlichen Regelung, hier §§ 136 a, 163 a Abs. 3, 4 StPO, das heißt letztlich stützte der BGH sich nur auf Ausprägungen des Prinzips, da die Rechtsgrundlage fehlte. 108 BVerfG NStZ 2006, 46 (47). 109 So aber der Vorwurf von Jäger, GA 2008, 473 (474). 110 Brandis, S. 51. Zu einem Legitimationsverlust soll es nach seiner Auffassung bereits bei willkürlichem Handeln der Ermittlungsbehörden, dem bewussten Verstoß gegen Beweiserhebungsnormen kommen, a. a. O. 111 Störmer, Grundlagen, S. 203. 112 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 23, 41.

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rechte verstoßen wird, ein Straftatbestand verwirklicht wird oder wenn der Verstoß willkürlich geschieht113, wird noch überprüft werden. Jedenfalls hat in den Fällen einer erheblichen Beeinträchtigung der generalpräventiven Funktion eine Verwertung zu unterbleiben, da sich der Staat sonst in Widerspruch zu sich selbst setzte.114 Daher kann dieser Ansicht auch nicht entgegengehalten werden, die übrigen Strafzwecke könnten das Fehlen der generalpräventiven Wirkung ausgleichen und diese sei daher unbeachtlich.115 Festzuhalten bleibt: Dass eine wesentliche Funktion der Grundrechtsschutz ist, lässt sich bei beinahe allen Meinungen wiederfinden. Ebenso dass diese allein nicht alle Probleme lösen kann. Auch das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass die Entscheidung über das Vorliegen eines Verwertungsverbotes unter „Abwägung der im Rechtsstaatsprinzip angelegten gegenläufigen Gebote und Ziele zu treffen“ ist.116 Daher kann in besonderen Fällen ein Beweisverwertungsverbot auch mit dieser weiteren Funktion begründet werden. f) Ergebnis Funktion der Beweisverwertungsverbote sind sowohl der Schutz von Individualrechten als auch der Schutz der Wahrung des Ansehens der Justiz als rechtsstaatsförmiger Strafgewalt.

II. Dogmatik der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote Die gesamte Lehre der sogenannten unselbstständigen Beweisverwertungsverbote ist seit ihrer ersten Erwähnung durch Beling 1903117 heftig umstritten. Einigkeit besteht darüber, dass ein unselbstständiges Beweisver113

Brandis, S. 92. Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 22. 115 Diesem Argument, welches Dencker selbst gegen den Schutzzweck „Spezialprävention“ nutzt, will er, S. 66, durch die Darstellung von zwei besonders außergewöhnlichen Fällen, so dem Fall Schmücker und einem Fall aus einem japanischen (!) Strafprozess, der die Öffentlichkeit erschütterte, besonderes Gewicht verleihen. Dagegen dürfe die Gefahr für die präventiven Funktionen der Strafe nicht deswegen unbeachtet bleiben, weil sie schwer nachzuweisen seien und weitere Strafzwecke übrig blieben, so ausdrücklich Brandis, S. 49. 116 BVerfG NJW 2007, 499 (503). 117 Im Rahmen seiner Antrittsvorlesung, Beling, Die Beweisverbote (1903), passim. 114

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wertungsverbot zunächst einen Verstoß bei der Beweiserhebung voraussetzt. Ein solches Beweiserhebungsverbot kann sich entweder aus einer einfachgesetzlichen Vorschrift ergeben oder aber unmittelbar aus der Verfassung, zum Beispiel aus dem Fehlen einer die Erhebung erlaubenden Vorschrift, dem Verstoß gegen ein explizites Verbot oder dem Überschreiten der Grenzen einer Beweiserhebungsregel.118 Ebenso besteht aber auch Einigkeit dahingehend, dass nicht aus jedem Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgen kann. Daher stellt sich die Frage, aus welchen Verstößen Verwertungsverbote folgen. 1. Ermittlung des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots Zur Frage, wann ein Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht, werden unterschiedliche Begründungsansätze vertreten. Zur Lösung der vorliegenden Fragestellung nach der Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen ist es unabdingbar, herausfinden, wie das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots zu ermitteln ist, wenn eine bislang unbekannte Fallkonstellation auftritt und ein Rückzug auf eine Entscheidung des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung abgeschnitten ist. Hierzu genügt es nicht, die Funktion der Verwertungsverbote zu kennen, sondern es ist gleichfalls erforderlich zu wissen, wie die Entscheidung über das Vorliegen derselben methodisch zu treffen ist. a) Revisionsrechtlicher Ansatz Der sogenannte revisionsrechtliche Ansatz119 macht das Bestehen eines Beweisverwertungsverbots von der Entscheidung abhängig, ob im Falle der Revision das Urteil wegen Verstoßes gegen ein Erhebungsverbot aufgehoben werden müsste, weil es auf diesem beruht.120 Da nicht jeder Normverstoß die Revision begründen könne, müssten einige Normen aus dem Kreis der möglicherweise revisiblen Vorschriften ausgegliedert werden.121 Um diese revisiblen Vorschriften herauszufiltern, sei entscheidend, ob die verletzte Vorschrift dem Schutz des Rechtskreises des Angeklagten dient oder anderen Belangen, so dass diese früher vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung auch als „Rechtskreistheorie“ bezeichnet wird.122 118

Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (11); BVerfGE 33, 367 (375); 38, 312 (325). Haffke, GA 1973, 65 (75 ff.); Kühne, StPO, Rn. 909; Sydow S. 70 ff.; Rudolphi, MDR 1970, 93 ff. 120 Gössel, FS Bockelmann, 801 (816 f.). 121 BGHSt 11, 213 (214). 122 BGHSt 11, 213 (214 f.). 119

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b) Schutzzwecklehre Die Schutzzwecklehre nimmt ein Beweisverwertungsverbot dann an, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm ein solches gebiete.123 Keine Einigkeit besteht jedoch innerhalb dieser Lehre darüber, welcher Schutzzweck dies sein soll.124 Zur Begründung eines Beweisverwertungsverbots werden der Schutz der Wahrheitsfindung vor unsicheren Beweismitteln, der Schutz dritter Personen vor zu weitgehenden Eingriffen der Strafverfolgungsorgane in ihre rechtlich geschützten Interessen sowie der Schutz der Geheim- und Vertrauenssphäre des Angeklagten angeführt, wobei diese jedoch nicht abschließend seien, und eine Analyse im Einzelfall erforderlich sei.125 c) Informationsrechtlicher Ansatz Ansatzpunkt dieser Lehre ist, dass aus der Verletzung von näher zu bestimmenden subjektiven Rechten ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungs- beziehungsweise Unterlassungsanspruch dergestalt folge, dass dieser ein Beweisverwertungsverbot auslöse. Die von Amelung begründete „Lehre von den Informationsbeherrschungsrechten“ gründet darauf, dass es subjektive Rechte gibt, die es dem Inhaber 123

Rudolphi, MDR 1970, 93 (98 ff.) (aus revisionsrechtlicher Sicht); Beulke, ZStW 103, 657 (664); Grünwald, JZ 1966, 489 ff. Eine besondere Variante der Schutzzwecklehre wurde jüngst von Jäger vertreten. Nach seiner beweisgegenständlichen Schutzzwecklehre geht er davon aus, dass die Verwertung grundsätzlich zu der vorangegangenen Erhebung abstrakt sei, es sei denn, mit der Verletzung der Norm werde in deren beweisgegenständlichen Schutzbereich eingegriffen, Jäger, S. 137 ff. Dies soll dann der Fall sein, wenn die verwertete Beweistatsache durch die Norm, gegen die verstoßen wurde, gerade vor ihrer verwertbaren Existenz geschützt werden sollte, Jäger, S. 143. 124 Insoweit auch kritisch Dalakouras, S. 128 f., der darlegt, dass insbesondere bei §§ 54, 55 StPO größte Uneinigkeit besteht; daher ist Brandis, S. 69 ff. zuzustimmen, der zwischen den „unterschiedlichen Ausprägungen“ der Lehre differenziert, ebenso Jahn, Gutachten, C 55. 125 Rudolphi, MDR 1970, 93 (98 f.). Nach Grünwald, JZ 1966, 489 (497 ff.) soll ein Beweisverwertungsverbot dann greifen, wenn der Schutzzweck durch den Verstoß noch nicht endgültig vereitelt wurde und somit durch ein Beweisverwertungsverbot noch gewahrt werden kann oder aber wenn wegen der besonderen Schwere des Verstoßes eine präventive Wirkung erzielt werden muss. Im Falle einer endgültigen Schutzzweckvereitelung soll hingegen eine Verwertung wieder zulässig sein, da mit der irreparablen Verletzung eine „wesentliche Veränderung der Interessenlage eingetreten“ sei. Dies würde aber dazu führen, dass bei besonders gravierenden Eingriffen gerade kein Beweisverwertungsverbot greifen würde, was er durch eine Rückausnahme auszugleichen sucht, für Fälle, in denen es aus generalpräventiven Gründen geboten sei, wie § 136 a StPO.

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erlauben, bestimmte Informationen zurückzuhalten und so zu einem informationellen Abwehranspruch führen.126 Wird dieser verletzt, entsteht daraus ein informationeller Sekundäranspruch, der auf Folgenbeseitigung beziehungsweise Unterlassung127 zielt. Zu beseitigende Folge ist bei der Verletzung eines Informationsbeherrschungsrechtes die unbefugte Verwertung, so dass dann ein Beweisverwertungsverbot entsteht.128 Konsequenz ist, dass aus jedem Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgt. Dies solle jedoch nur für sogenannte Informationsbeherrschungsrechte gelten und nicht für sonstige Rechte, wobei allerdings zu ersteren sowohl die grundrechtlich geschützte Geheimsphäre der Person, Aussageverweigerungsrechte zum Schutz der eigenen oder nahestehenden Personen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, berufliche Geheimhaltungsrechte als auch staatliche Geheimhaltungsbefugnisse zählen können.129 Störmer will die Lehre dahingehend erweitern, dass nicht nur Informationsbeherrschungsrechte, sondern weitere subjektive Rechte als Grundlage für Beweisverwertungsverbote in Betracht kämen.130 Zusätzlich sollen sich Verwertungsverbote auch dann ergeben, wenn der Staat durch Rechtsbruch zu seinen Informationen gelangt sei, so dass von einer „Verwirkung der Legitimation zum Strafen“ auszugehen sei. Gleiches soll gelten, wenn der „Schutz der Wahrheitsfindung“ dies gebiete, weil es sich um unvollständige oder nur mittelbar zugängliche Informationen handele, die unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder durch Urkunden ins Verfahren eingebracht werden.131 d) Fehlerfolgenabwägung Die Abwägungstheorie132 oder auch normative Fehlerfolgenlehre genannt133 geht davon aus, dass die Entscheidung, ob aus einem Erhebungs126

Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 26; Müssig, GA 1999, 119

(133). 127

Störmer, Jura 1994, 621 (627). Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 52; ders., FS Roxin, 1257 (1262). 129 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 33. 130 Störmer, Grundlagen, S. 211. Schroth, JuS 1998, 969 (973) kritisiert dies ebenfalls, da so der präventive Rechtsschutz übersehen werde. 131 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 41 f.; ders., FS Roxin, 1257 (1263). 132 BGHSt 19, 325 ff.; 24, 125; 26, 298; 42, 372 (377); BVerfGE 34, 238; BayObLG NJW 66, 415; OLG Köln NJW 66, 416; OLG Hamm NJW 65, 1089; OLG Celle NJW 1969, 567; Schellhammer, NJW 1972, 319; zustimmend auch Evers, Privatsphäre, S. 230. Problematisch ist allerdings, dass viele Entscheidungen, die für 128

A. Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess

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verbot ein Verwertungsverbot folgen soll, im Einzelfall unter Abwägung der beteiligten Interessen erfolgen muss.134 Danach ist ein Beweisverwertungsverbot regelmäßig dann anzunehmen, wenn im Rahmen einer durchzuführenden Abwägung festgestellt wird, dass das Strafverfolgungsinteresse des Staates im Einzelfall hinter dem Individualinteresse des Bürgers auf Wahrung seiner Rechtsgüter zurücktreten muss.135 e) Stellungnahme Ebenso wie sich umfangreiche Darstellungen der oben wiedergegebenen Ansätze finden, so gilt dies auch für die Argumente, die gegen diese sprechen.136 Statt einer Wiederholung derselben soll an dieser Stelle eine andere Betrachtungsweise erfolgen. Es sei die Hypothese geäußert, dass entgegen der scharfen Kritik, die die Abwägung als Vorgang zur Ermittlung eines Beweisverwertungsverbotes erfährt, diese nicht nur die geeignete Methode für die Bestimmung von Beweisverwertungsverboten ist, sondern auch von allen Theorien, mehr oder weniger offen, angewendet wird.

die Abwägungslehre angeführt werden, in Wirklichkeit zu den selbstständigen Beweisverboten gehören und zu der vorliegenden Diskussion nichts beitragen können, so auch Grünwald, Beweisrecht, S. 157. 133 So Rogall, in: Wolter, Theorie und Systematik 1995, 113 (156); ders., JZ 1996, 944 (947). 134 BGHSt 38, 214 (219, 223); 38, 372 (373 f.); 42, 15 (21); 42, 170 (174); 42, 372 (377 f.). 135 BGHSt 26, 304. 136 Der revisionsrechtliche Ansatz unterliegt der offensichtlichen Schwäche, dass er die Eigenständigkeit der Beweisverwertungsverbote insoweit verkennt, als er nicht erklären kann, wie Beweisverwertungsverbote für das Ermittlungsverfahren zustande kommen, vor allem bei Entscheidungen, die selbst indirekt nicht der Revision zugänglich sind, nämlich Entscheidungen im Vorverfahren und in Haftsachen, Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (7 f.); Dencker, S. 19; Brandis, S. 64; Schroeder, JZ 1990, 1034 (1035). Dazu, dass diese nach dieser Lehre ausdrücklich ausgeschlossen sind: Schöneborn, GA 1975, 33 (38). Verwertungsverbote im Vorverfahren: BVerfGE 34, 238 ff.; 44, 353 (383 f.); BGH JZ 1990, 1033 f.; im Zwischenverfahren OLG Frankfurt NStZ 1988, 425. Schon die Terminologie (Angeklagter) zeigt, dass die Theorie nicht auf das Vor- oder Zwischenverfahren angewendet werden sollte, siehe § 157 StPO. Jedenfalls im Ermittlungsverfahren wäre auch die Klärung der Beruhensfrage schwerlich möglich, Kalb, S. 152 f.; Jäger, S. 94. Gegen die Schutzzwecklehre wird unter anderem vorgebracht, dass sich der Schutzzweck dogmatisch gegen eine bestimmte Erhebungsart richtet und sich daraus ein Beweisverwertungsverbot nicht unbedingt methodisch einwandfrei ableiten lässt, Fezer, Grundfragen, S. 16, wohl ebenso Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 94 f.; Haffke, GA 1973, 65 (77); Störmer, Grundlagen, S. 144 f.

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aa) Abwägung als praktizierte Methode Die Rechtskreistheorie, ursprünglich als Beschränkung der Revisionsmöglichkeiten für den Fall der Verletzung einer Belehrungspflicht entwickelte Lösung und von Anfang an stark kritisiert, wird heute wegen fehlender Allgemeingültigkeit137 immer mehr abgelehnt. Entscheidend ist nach dieser Theorie, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht. Dabei soll ein „Beruhen“ nur dann vorliegen, wenn ein „finaler Schutzzweckzusammenhang“ vorliege, welcher „nur im Rahmen einer Einzelanalyse ermittelt werden“ kann.138 Was aber ist eine Einzelanalyse, wenn nicht eine Abwägung? Damit zeigt sich schon bei der ersten untersuchten Theorie, dass ihr eine Abwägungsentscheidung innewohnt. An der Schutzzwecklehre wird neben ihrer Unbestimmtheit vor allem kritisiert, dass die unter Anwendung des Schutzzweckgedankens von den Vertretern derselben Lehre erzielten Einzelergebnisse widersprüchlich seien.139 Dies ergibt sich daraus, dass hinter einer Norm nicht unbedingt nur ein Zweck steht, sondern durchaus auch mehrere und daher zu entscheiden ist, welcher Zweck, gegebenenfalls sogar auf den konkreten Fall bezogen, überwiegt und zur Anwendung kommen soll. Diese „Relativität der Schutzzwecke“ wird noch dadurch vergrößert, dass man die Schutzzwecke zudem unterschiedlich weit bestimmen kann.140 Auch die Schutzzwecklehre muss eine Einzelfallentscheidung treffen. So betont Rudolphi ausdrücklich, die Festlegung des möglichen Schutzzweckes erfordere eine „Analyse des Schutzzwecks der jeweils verletzten Verfahrensnorm“.141 Diese vorgelagerte Entscheidung, ob der Schutzzweck ein Verwertungsverbot erfordere, ist nun aber aufgrund der aufgezeigten verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten hinsichtlich unterschiedlicher oder unterschiedlich weiter Schutzzwecke notwendigerweise eine wertende; also letztlich eine Abwägungseinscheidung, mag auch das Wort Abwägung dabei nicht fallen. 137 Siehe der BGH selbst in BGHSt 42, 73 (77). Zur Kritik siehe Dencker S. 29 m. w. N., 87; KMR/Paulus § 244 Rn. 503 f.; anders Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 20, der die Theorie „als bisher einzigen Versuch einer generellen Lösung der Problematik“ beschreibt. 138 Gössel, FS Bockelmann, 801 (816), ähnlich Rudolphi, MDR 1970, 93 (99) („Erforderlich dafür ist vielmehr, daß auch im konkreten Einzelfall durch ihre Verletzung der von ihr verfolgte Schutzzweck vereitelt worden ist“) (Hervorhebung durch Verf.). 139 Dalakouras, S. 128 f.; detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Ausprägungen bei Brandis, S. 69 ff. Rogall, ZStW 103 (1991), 1 (27) mit Beispiel, ebenso Haffke, GA 1973, 65 (77 f.). 140 Rogall in: Höpfl/Huber, 119 (140); ders., ZStW 91 (1979), 1 (27). 141 Rudolphi, MDR 1970, 93 (98 f.).

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Eine auf den ersten Blick radikale Entscheidung folgt aus der Lehre der Informationsbeherrschungsrechte, denn Konsequenz der Verletzung eines noch näher definierten Rechts soll stets ein Verwertungsverbot sein. Interessant ist dabei, dass im öffentlichen Recht eine Beschränkung des Folgenbeseitigungsanspruches aus öffentlichem Interesse anerkannt ist.142 Hierbei ist zudem ein großzügiger Bewertungsmaßstab anzulegen und auch Bedürfnisse der Allgemeinheit und des Gemeinwohls können mit einbezogen werden.143 Warum diese Einschränkung bei Übertragung des Konzeptes ins Strafrecht entfallen soll, wird nicht erläutert und wäre doch zumindest rechtfertigungsbedürftig. Soweit der informationsrechtliche Ansatz bestimmte öffentliche Gegeninteressen anerkennt, so sieht Amelung als Voraussetzung für eine Einschränkbarkeit des Anspruchs auf informationelle Abwehr und Folgenbeseitigung eine gesetzliche Lösung.144 Neben der Rechtsunsicherheit verstieße auch die enthaltene Kompetenzzuweisung an den Richter gegen den Gesetzesvorbehalt.145 Die Abwägung des Gesetzgebers dürfe nur nachvollzogen werden146, da dieser die eigentliche Abwägung bereits vorgenommen habe.147 Das Gesetz enthält jedoch keinen Hinweis über die Folgen eines Erhebungsverstoßes.148 Der Gesetzgeber hat allein die Voraussetzungen der Beweiserhebung abschließend bestimmt und in diesem Rahmen die erforderliche Abwägung zwischen Strafverfolgungsinteresse und Individualinteresse getroffen. Über die Verwertbarkeit wurde in den meisten Fällen keine ausdrückliche Regelung getroffen. Besteht jedoch eine solche, so darf diese selbstverständlich nicht durch Abwägung umgangen werden. Außerdem dürfen auch die sonstigen Abwägungskriterien nicht im Widerspruch zu den bestehenden Vorschriften stehen. Die Notwendigkeit der Güterabwägung stellt für den Richter jedoch kein außergewöhnliches Ereignis dar: auch im materiellen Recht, etwa im Rahmen des Notstandes, des übergesetzlichen Notstandes und auch der Ver142 Südhoff, S. 232 ff. mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die effektive Strafrechtspflege als Gegeninteresse; T. Schneider, S. 168; Pietzko, S. 535; in diese Richtung auch OVG Berlin NVwZ 1992, 901 (902). Zur grundsätzlichen Kritik der Übertragung dieses öffentlich-rechtlichen Konzepts ins Strafrecht, siehe Rogall, FS Grünwald, 536; ders. in: Höpfel/Huber, 119 (139), da es im Strafverfahren nicht um die Erfüllung privater Informationsansprüche ginge, sondern um die Erledigung öffentlicher Aufgaben. 143 Pietzko, S. 535. 144 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 53 ff., 58. 145 Kurz bei Schöneborn, GA 1975, 33 (34); Störmer, Jura 1994, 621 (626 f.). 146 Amelung, FS Roxin, 1259 (1274 f.). 147 S. Schröder, Hypothese, S. 51; laut Kelnhofer, S. 73 „steht und fällt“ die Abwägungslehre mit dieser Prämisse. 148 BGHSt 38, 214 (219).

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werflichkeitsprüfung zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit bei Nötigung und Erpressung, ist stets eine Güterabwägung zu treffen.149 Bei der Methode der Abwägung zur Beurteilung der Fehlerfolge geht es gerade darum, die gesetzgeberische Entscheidung nachzuvollziehen. Einer ausdrücklichen Ermächtigung hierzu bedarf es nicht; die allgemeine Befugnis zur Beweisverwertung ist hier ausreichend.150 Die einer Folgenbeseitigung entgegenstehenden Rechte ergeben sich dabei unmittelbar aus der Verfassung und bedürfen für ihre Geltung keiner weiteren Normierung durch den Gesetzgeber. Es besteht ein grundsätzliches Interesse an Wahrheitsermittlung und der Aufklärung, insbesondere von schweren Straftaten sowie ein unabweisbares Bedürfnis für wirksame Strafverfolgung.151 Dies wurzelt im Rechtsstaatsprinzip.152 Dieses gebietet jedoch nicht die ausnahmslose Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände.153 Grundrechte dürfen nur verhältnismäßig und keinesfalls im Kernbereich betroffen werden.154 Die weite Verbotsfolge nach der Theorie der Informationsbeherrschungsrechte übersieht, dass der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes mit Aus149

Klug, DJT 66, F 42 f. Jahn, Gutachten, C 68 ff. sieht in § 244 StPO die Abwägungslehre gesetzlich verankert. Durch Anwendung der Wechselwirkungslehre käme man zu dem Ergebnis, dass eine Verwertung nur zulässig ist, wenn sie selbst verhältnismäßig ist. Im Rahmen der Angemessenheit käme die Wechselwirkungslehre zum Tragen, so dass das grundrechtsbeschränkende Gesetz seinerseits im Lichte des Grundrechts ausgelegt werden müsse. Dabei soll Anknüpfungspunkt allein die Beweisverwertung sein und die Frage, ob diese in ein Grundrecht eingreift. „Grundrechte dürfen demzufolge bei der Beweisverwertung [. . .] nur insoweit eingeschränkt werden, als es zum Schutz legitimer öffentlicher Interessen unerlässlich ist.“, a. a. O., C 71. Sobald Art. 1 GG oder der Kernbereich berührt sei, folge daraus ein Beweisverwertungsverbot. Nachteil dieser Ansicht ist, dass sie über § 244 StPO zwar einen Anknüpfungspunkt im Gesetz sucht, aber den offensichtlichen Bezug zum Gesetz durch die verletzte Verfahrensnorm ignoriert. Ihre Eignung zur Lösung bislang unbekannter Fälle erscheint zweifelhaft, da der alleinige Verfassungsbezug nicht hinreichend konkret erscheint, siehe hierzu auch Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 110 ff. Dieser will die Verwertungsverbote ausschließlich unabhängig von dem Erhebungsverstoß begründen, so dass dieser regelmäßig unbeachtlich ist, und sich auf verfassungsrechtliche Wertungen stützen. Entscheidend ist die Selbstbelastungsfreiheit. Dabei besteht aber die Gefahr, die Menschenwürde zur „kleinen Münze“ werden zu lassen und dem ausdifferenzierten System der StPO nicht gerecht zu werden; dies zeigt sich insbesondere an seinen Detailausführungen, S. 215. Dagegen erkennt auch Löffelmann Verwertungsverbote „aufgrund eines Interessenausgleichs“, S. 211, 214 an. Hier nimmt er selbst eine Abwägung vor. 151 BVerfGE 33, 367 (383); 34, 238 (248 f.); 36, 174 (186). 152 BVerfGE 33, 367 (383). 153 BVerfGE 36, 174 (187). 154 So ausdrücklich Rogall in: Höpfl/Huber, 119 (129); ebenso SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 25 ff. 150

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nahme von Art. 1 GG kein absoluter ist und in den erwähnten Fällen sehr wohl eine Abwägung gegenüber den Belangen des Strafprozesses zu erfolgen hat. bb) Abwägung als geeignete Methode Damit erkennen zumindest alle Theorien grundsätzlich die Notwendigkeit eines Abwägungsvorganges an. Der Gesetzgeber erkennt den Abwägungsgedanken ebenfalls an, was sich in den Wertungen des neuen § 160 a Abs. 2 S. 2 StPO widerspiegelt. Daher folgt für die Feststellung von Verwertungsverboten zunächst, dass nicht aus jedem Verstoß ein Verwertungsverbot folgen muss, sondern dieses im Einzelfall unter Zuhilfenahme der Methodik der Abwägung zu ermitteln ist. Allen Theorien ist also gemein, dass eine Lösung wertend sein muss und unter Auslegung der betroffenen Norm zu erfolgen hat.155 Die obige Hypothese hat sich somit schon in einem Teil bewahrheitet. Entscheidend für die Bestimmung eines unselbstständigen Verwertungsverbotes sind dessen ratio und der Abwägungsvorgang als Methode. Obwohl bei der Abwägungslehre die Methode im Vordergrund steht, finden sich überraschenderweise wenige Ausführungen dazu, welche Interessen in die Abwägung mit einbezogen werden dürfen.156 Zumeist wird hier auf das Individualinteresse abgestellt. Wie die Analyse der ratio der Verwertungsverbote jedoch ergeben hat, können auch öffentliche Interessen von Relevanz sein. Der Vorteil der Abwägung ist ihre große Flexibilität, um gerechte Lösungen im Einzelfall herbeizuführen. Entscheidungsgründe sind transparent und daher analyse- und kritikfähig.157 An dem Vorwurf, sie biete keine Rechtssicherheit und keine vorhersehbaren Lösungen158 ist allein richtig, dass eine Abwägung immer auch ein Moment der Unsicherheit beinhaltet. Allerdings betrifft dies nicht die Abwägungslehre allein, sondern ist allen Theorien gemein, so dass auch allen eine verbleibende Restunsicherheit vorgeworfen 155 Kelnhofer, S. 77 (Fn. 155); ebenso Dalakouras, S. 134, der mit ausdrücklicher Ausnahme von Dencker ausführt, dass alle Auffassungen „eine für jede verletzte Verfahrensnorm spezifische Interessenabwägung vornehmen müssen“, so auch schon Rogall, Abwägungen, S. 293 (295 ff.). 156 Ausführungen zu den geschützten Rechtsgütern finden sich hingegen bei Wolter. Dieser betont insbesondere, dass es einen abwägungsfesten Kernbereich geben müsse, für den ein absolutes Verwertungsverbot gelte und nennt diese Weiterentwicklung der Lehre selbst Kernbereichs- und Zurechnungslehre, SK/Wolter, StPO, § 151 Rn. 196 f.; ders., Grundrechtliche Beweisverbote in: Einwirkungen, 319 (324 ff.). 157 Koriath, S. 97. 158 Amelung, NJW 1991, 2533 ff.; Beulke, StV 1990, 180 (183); S. Schröder, Hypothese, S. 14 ff.; Störmer, Grundlagen, S. 190 f.

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werden kann.159 Aber sich offen zu der vorzunehmenden Abwägung zu bekennen, ist besser als eine Scheinsicherheit vorzuspiegeln. Schwierigkeiten und Gefahren der Abwägung sagen noch nichts über die Methode als solche aus.160 Wenn der Abwägungsvorgang wegen der Unsicherheit und des ihm angeblich innewohnenden Risikos des Rechtsmissbrauchs kritisiert wird, so ist zu beachten, dass dies keinesfalls ein Spezifikum im Rahmen der Abwägung ist, sondern vielmehr ein Problem, welches dem gesamten Verfahren immanent ist.161 Hingegen stellt das Treffen von Entscheidungen, auch wertender Art, den normalen Entscheidungsalltag eines Richters dar. Gesetzliche Regelungen dürfen durchaus auch offene Wertungsfragen enthalten; entscheidend ist, dass die richterlichen Entscheidungen, die diese Wertungen ausfüllen, sich an objektiven und nachvollziehbaren Kriterien orientieren. Daher ist letztlich entscheidend, durch die Entwicklung und Verfeinerung der Abwägungskriterien einen Rechtsrahmen zu gewährleisten, der sich an ein mit unbestimmten Rechtsbegriffen umschriebenes Gesetz annähert. Entscheidend kommt es also auf die Entwicklung exakter Kriterien an, die im Einzelfall bei größtmöglicher Rechtssicherheit zu gerechten Ergebnissen führen.162 2. Verwertungskriterien Der nachfolgende Abschnitt soll sich daher näher mit denjenigen Kriterien beschäftigen, die zur Abwägung herangezogen werden dürfen. a) Kriterien gegen eine Verwertung aa) Beweiswert Die Beeinträchtigung des Beweiswertes kann kein Abwägungskriterium sein, da der Schutz der Wahrheitsfindung kein von der StPO anerkanntes Kriterium für die Nichtverwertung von Informationen ist.163 159

So auch Brandis, S. 76. Brandis, S. 77; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (32); Dalakouras, S. 134. 161 Kelnhofer, S. 78. 162 Ebenso Kelnhofer, S. 79, die daher die hypothetische Rechtmäßigkeit detailliert behandelt; ebenso Schuster, S. 73 f.; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (32 f.). 163 BGHSt 46, 93 (103); BVerfGE 57, 250 (293), siehe auch S. 150. Umstritten ist, ob die Tatsache, dass ein betroffener Beweis der Entlastung des Betroffenen dient, Einfluss auf die Verwertbarkeit haben kann. Aus Platzgründen soll dieses sehr spezielle Problem ausgespart werden, da es keine nachrichtendienstlichen Besonderheiten enthält. Im Folgenden wird von belastenden Beweisen ausgegangen. Zu De160

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bb) Schutzzweck der Norm und Gewicht des Verfahrensverstoßes Der Schutzzweck der verletzten Norm muss a priori der Schutz des Beschuldigten sein.164 Da in anderen Fällen ein Verwertungsverbot fernliegt, kommt insofern auch dem „Rechtskreis“ noch Bedeutung zu.165 Wie jedoch gesehen, kann auch im Einzelfall der Verlust der Straflegitimation ein Verwertungsverbot begründen.166 Entscheidend ist sowohl die Bedeutung für die Rechtssphäre des Betroffenen167 als auch das Gewicht des Verfahrensverstoßes168. Eine Kernbereichsverletzung führt jedenfalls ebenso zu einem Verwertungsverbot169 wie auch eine Berührung der Menschenwürde, da an dieser Stelle eine Abwägung mangels Abwägbarkeit ausscheidet. Ferner stellt ein Eingriff ohne Ermächtigungsgrundlage einen besonders gravierenden Eingriff dar und wird regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben.170 Gleiches gilt für den Verstoß gegen eine Norm, die die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten oder Angeklagten trifft.171 cc) Bewusster Verstoß Gegen eine Verwertung kann zudem berücksichtigt werden, ob der Verstoß (leicht) fahrlässig begangen wurde oder aber ob eine bewusste Hinwegsetzung über die relevante Norm erfolgte.172 Ein bewusster oder willkürlicher Verstoß oder Missbrauch staatlicher Befugnisse führt regelmäßig zu einem Verwertungsverbot.173 Dagegen kann die positive Feststellung der Gutgläubigkeit der Strafverfolgungsorgane174 nicht zusätzlich für eine Verwertbarkeit sprechen, da letztere rechtlich erwartet wird.175 tails siehe Brandis, S. 105 ff.; Dencker, S. 18 ff. Jüngst Erwähnung auch in BGH NStZ 2008, 706 f. mit zustimmender Anmerkung Jahn, JuS 2008, 1121 f. 164 BGHSt 38, 214 (220). 165 BGHSt 38, 214 (220); 38, 372 (374); 42, 15 (21). 166 Siehe S. 152 ff. 167 BGHSt 38, 214 (220); 44, 243 (249); OLG Frankfurt StV 1996, 652 (653). 168 BGHSt 25, 325 (330 f.); 38, 214 (220); 42, 170 (174 f.). 169 BGHSt 50, 206 (210 ff.); 51, 1 (4). 170 BGHSt 31, 296 ff.; 32, 68 (70); 34, 39 (52 f.); 42, 372 (377). 171 BGHSt 9, 24 (27); 38, 214 (220); 38, 372 (374); 42, 15 (21); 51, 285 (290). 172 Rogall in: Höpfel/Huber, 119 (141). 173 BGHSt 24, 125 (130 f.); 29, 109 (112); BGH NStZ-RR 2007, 242 f.; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 342; BVerfGE 113, 29 (61); OLG Hamburg StV 2007, 628 (629); OLG Karlsruhe NStZ 2005, 399 (400). 174 BGHSt 24, 125 (130); 44, 243 (250); 51, 285 (292 f.). 175 BGHSt 24, 125 (130 f.).

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b) Kriterien für eine Verwertung Das Interesse an der Verwertung wird häufig mit der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege umschrieben.176 aa) Einzigartigkeit des Beweismittels Die Einzigartigkeit des Beweismittels soll gegen seine Verwertung sprechen, wenn es unerlaubt erlangt wurde177, zumindest bei schweren Eingriffen in bedeutende Rechte.178 Überzeugend ist dies nicht. Die Entscheidung, ob ein Beweismittel verwertbar ist, muss von feststehenden Kriterien abhängen. Diese Kriterien sind am jeweiligen Erhebungsakt festzumachen. Die Schwere des Rechtsverstoßes und des Grundrechtseingriffes hängt nicht von der Existenz weiterer Beweismittel ab. Die Entscheidung für und gegen ein Beweisverwertungsverbot muss in gleicher Weise für den Fall überzeugen, dass das einzig relevante Beweismittel ausgeschlossen wird wie dort, wo weitere Beweismittel zur Verfügung stehen. Andere Maßstäbe sind insoweit weder angebracht noch erforderlich. bb) Schwere der Tat Für das Strafverfolgungsinteresse soll insbesondere die Schwere der Straftat von Relevanz sein.179 Genauer gesagt, die Schwere der Tat, derer der Beschuldigte verdächtigt wird, da die relevante Straftat, wenn überhaupt, erst nach dem Urteil feststeht. Bezieht man jedoch diese Schwere in die Abwägung mit ein, so besteht die Gefahr, dass die Wertungen des Gesetzgebers umgangen werden. Zahlreiche Vorschriften enthalten bereits Eingriffsschwellen, die an die besondere Schwere der möglicherweise begangenen Straftaten anknüpfen, wie zum Beispiel §§ 100 a ff. StPO. Insoweit wird die Schwere der Straftat zur Rechtfertigung der ursprünglichen Maßnahme als auch zur Verwertbarkeit der erlangten Beweise nach Verstoß gegen die Vorschrift herangezogen. Schlagwortartig könnte man dies als „Doppelverwer176

BGHSt 38, 214 (220); 42, 372 (377); 44, 46 (49); 45, 342 (346), kritisch zum Verwendung dieses Prinzips BGHSt 40, 211 (217 f.). 177 SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 41, 203. In BVerfGE 34, 238 (250) bleibt hingegen unklar, ob die Einzigartigkeit des Beweismittels für oder gegen seine Verwertbarkeit sprechen soll. 178 Dalakouras, S. 138. 179 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (34); BGHSt 36, 167 (174) (Tonbandaufnahme); BGH JZ 1999, 526 (Berücksichtigung der konkreten Ausführung der Taten hinsichtlich Schaden und krimineller Intensität, „zumal“).

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tung“ bezeichnen. So wie eine solche materiell-rechtlich untersagt ist (§ 46 Abs. 3 StGB), darf dies auch prozessual nicht zu Lasten des Verdächtigen gehen. Eine Relevanz kann daher nur für solche Vorschriften in Betracht kommen, bei denen eine bestimmte Schwere nicht bereits in der Beweiserhebungsvorschrift enthalten ist. Grundsätzliche Kritik an der Berücksichtigung des Schwerearguments wird dahingehend geäußert, dass dieses ausformuliert bedeuten würde: „Je ernster die Norm zu nehmen ist, um deren Schutz willen die Justiz handelt, um so weniger ernst braucht sie ihre eigene Normtreue zu nehmen“ und zu Recht betont Dencker, dass eine solche Deutung den Normen der StPO fremd ist.180 Es muss aber daran erinnert werden, dass die Diskussion hier nicht um die Normeinhaltung als solche geht. Diese ist stets unabdingbar. Zu betrachten ist nur die Konstellation, dass bereits ein Rechtsverstoß vorliegt und dessen Konsequenzen zu beurteilen sind. Der Gefahr, dass die Normgeltung beeinträchtigt sei, wird dadurch begegnet, dass ein bewusster oder gar absichtlicher Verstoß gegen eine Norm schon selbst ein Argument gegen die Verwertbarkeit darstellt. Hier ist allein zu entscheiden, ob die Schwere der möglicherweise begangenen Straftat es vermag, die Verwertung eines Beweises, der unter Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die selbst nicht eine besondere Schwere der Tat voraussetzt, zu rechtfertigen. Dies soll nun dazu führen, dass im Bereich der Schwerstkriminalität dem Verfahrensfehler keine oder allenfalls eine geringe Bedeutung zukommt.181 Dies gilt aber nur dann, wenn der Fehler keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff beinhaltet und auch ohne besonderes Handlungsunrecht begangen wurde. Warum sollte in diesen Fällen nicht noch zusätzlich nach der Schwere der verfolgten Tat unterschieden werden können? Nochmals: Die Schwere darf ausschließlich dann zugunsten der Strafverfolgung in die Abwägung einfließen, wenn sie nicht bereits als Rechtfertigung für einen bestimmten Erhebungseingriff dient.182 Dies kann auch nicht als „Zweiklassenrecht“ bezeichnet werden, wonach die Normeinhaltung lediglich bei leichteren Straftaten zwingend sei.183 Die Schwere der Tat bietet einen sachlichen Differenzierungsgrund, so dass an einen Gleichheitsverstoß nicht zu denken ist.184 Dass dem so ist, zeigt sich schon an den je nach Tatverdacht abgestuften Ermittlungsnormen, in deren Zusammenhang auch kein Gleichheitsverstoß gerügt wird. Damit kann die Schwere der Tat bei Beur180

Dencker, S. 97. Beulke, ZStW 103 (1991), 657 (672); Dencker, S. 96 f.; v. Stetten S. 73; Jahn, Gutachten, C 61. 182 Ebenso Kelnhofer, S. 182 f. 183 Beulke, ZStW 103 (1991), 657 (672); dem folgend S. Schröder, Hypothese, S. 52. 184 Kelnhofer, S. 181 f. 181

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teilung der Fehlerfolgen immer dann Berücksichtigung finden, wenn sie nicht bereits als Rechtfertigung für den Erhebungseingriff diente. Und hier zeigt sich wieder eine Besonderheit der Nachrichtendienste: Alle Eingriffsvoraussetzungen sind im Hinblick darauf gestaltet, dass Nachrichtendienste bestimmte gewichtige Straftaten verfolgen. Diese besondere Aufgabe war ursächlich für die jeweilige Normgestaltung. Daher muss ein Rückgriff auf das Schwerekriterium, wenn dies auch grundsätzlich zulässig ist, speziell bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen stets ausscheiden. cc) Fehlende Kausalität Gegen ein Verwertungsverbot spricht eine fehlende Kausalität des Verstoßes185, also wenn der Betroffene zum Beispiel trotz fehlender Belehrung seine Rechte kannte und der Verstoß somit keine Auswirkungen hat. Ein Beweisverwertungsverbot ist dann nicht erforderlich.186 dd) Hypothetische Rechtmäßigkeit Als weiteres Abwägungskriterium findet sich der Ansatz der hypothetischen Rechtmäßigkeit187, welcher auch von der Rechtsprechung angewendet wird.188 Da es um die Bewertung der Fehlerfolge geht, kann gegen eine Anwendung dieses Kriteriums nicht eingewendet werden, dass die Verletzung bereits tatsächlich eingetreten ist.189 Für dieses Merkmal lässt sich 185 S. Schröder, Hypothese, S. 76 f.; Kelnhofer, S. 171 will diesen Aspekt schon vor der Abwägung prüfen. 186 BGHSt 38, 214 (224 f.). 187 BGHSt 24, 125 (130); 34, 39 (53); OLG Celle NJW 1969, 567 (568); LG Bonn NJW 1981, 292 (293); LG Wiesbaden StV 1988, 292 (293); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 21; ders., NStZ 1989, 376 (379); Wolter, NStZ 1984, 276 (277); offen bei Dalakouras, S. 135; Rogall, NStZ 1988, 385 (391); a. A. ders., ZStW 91 (1979), 1 (33). Umstritten ist, ob die hypothetische Rechtmäßigkeit Bestandteil der Fehlerfolgenabwägung (so Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 24, 38; Rogall, NStZ 1988, 385 (389); S. Schröder, Hypothese, S. 72 ff.) ist oder eine negative Tatbestandsvoraussetzung der Beweisverwertungsverbote, so Kelnhofer, S. 172 ff., die gegen ein Abwägungskriterium anführt, dass bei Vorliegen der Hypothese eine Abwägung wegen ihrer Absolutheit nicht mehr möglich ist. Dies alleine spricht aber noch nicht gegen die Einstellung in eine Abwägung, siehe S. Schröder, Hypothese, S. 105, die ebenfalls von einer absoluten Wirkung ausgeht. 188 BGHSt 25, 168; BGH NStZ 1989, 375 (376); OLG Celle JZ 1989, 906; BGH StV 2003, 370. Bis 1983 findet sich in der Rechtsprechung keine einheitliche Linie bezüglich der Berücksichtigung beziehungsweise der Nichtberücksichtigung der hypothetischen Rechtmäßigkeit, S. Schröder, Hypothese, S. 84. 189 So aber Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (33 f.) (andere Auffassung ders., NStZ 1988, 385 (391)); ebenso Haffke, GA 1973, 65 (82). Mit diesem Argument lehnt

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insbesondere anführen, dass es letztlich allein um einen zeitlichen Aufschub geht: der Behörde steht das Informationserhebungsrecht ohnehin zu und sie könnte die Information einfach erneut erheben; der Vorteil für den Betroffenen ist damit ein rein zeitlicher Aufschub, welchem keine rechtliche Relevanz zukommt.190 Dies gilt vor allem, da eine tatsächliche Wiederholung im Einzelfall den Rechten des Betroffenen auch widersprechen kann, da diese ihn nochmals belasten würde und daher schon wegen des bereits vorhandenen Beweises unverhältnismäßig wäre; eine Verwertung wäre dann sogar ein „milderes Mittel“.191 Die Wiederholung wäre eine „leere Formalität“.192 Bei Betrachtung der StPO ergibt sich, dass ein Prozessfehler regelmäßig nicht zum Verlust dieses Beweises de jure führt: so führt beispielsweise die Aufhebung einer Verurteilung in der Revision nicht zum Freispruch, sondern nur zur erneuten Hauptverhandlung.193 Ferner ist festzuhalten, dass aus entstehenden praktischen Schwierigkeiten, nämlich der Beurteilung der hypothetischen Rechtsmäßigkeit im Einzelfall, keine rechtlichen Folgerungen gezogen werden können.194 Im Übrigen ist die hypothetische Rechtmäßigkeit aber einzubeziehen, da sie zu einer umfassenderen Abwägung beiträgt.195 Gegen die Anwendbarkeit der Figur der hypothetischen Rechtmäßigkeit wird insbesondere § 69 Abs. 3 StPO angeführt, der § 136 a StPO, ein gesetzliches Verwertungsverbot, für entsprechend anwendbar erklärt.196 Für gesetzlich normierte Verwertungsverbote scheiden hypothetische Rechtmäßigkeitserwägungen jedoch ohnehin aus, da sonst ausdrückliche Wertungen umgangen werden könnten.197 Denn dort soll auf die Anwendung der Dencker, S. 88 bereits den Individualschutz der Beweisverbote grundsätzlich ab, siehe oben S. 151. Zudem legt Kelnhofer, S. 99 ff. überzeugend dar, dass auch im materiellen Strafrecht das Vorliegen einer Kausalbeziehung zwischen Handlung und Erfolg nicht für das Tatunrecht hinreichend ist, sondern über den Zurechnungszusammenhang normative Einschränkungen gemacht werden, so dass auch bei der Beurteilung der Fehlerfolge im Strafprozessrecht zusätzliche Erwägungen angestellt werden können. Gerade diese Ähnlichkeit mit der Zurechnung im materiellen Strafrecht stört wiederum Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 51, da dies auf Einzelpersonen ziele und damit versteckt die Disziplinierungstheorie zur Anwendung bringe. 190 Macht, Verwertungsverbote, S. 252 f. 191 Dencker, S. 83. 192 Dencker, S. 83. 193 Dencker, S. 83. 194 Dencker, S. 85. 195 S. Schröder, Hypothese, S. 105; Kelnhofer, S. 129, 143; Rogall, NStZ 1988, 385 (391). 196 Dalakouras, S. 135; Dencker, S. 81; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (33); a. A. Rogall, NStZ 1988, 385 (391). 197 So auch S. Schröder, Hypothese, S. 79, 92; a. A. Fezer, JR 1991, 85 (87).

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aufgezählten Methoden stets ein Beweisverwertungsverbot folgen. Abwägungen scheiden insofern ohnehin aus. Bei Betrachtung der übrigen Normen zeigt sich, dass hypothetische Betrachtungen der StPO nicht fremd sind, vergleiche §§ 108, 161 Abs. 2 StPO. Weitere Ausnahmen von der Anwendbarkeit der Figur der hypothetischen Rechtmäßigkeit werden bei bewusstem Missbrauch gemacht.198 Teilweise wird die hypothetische Rechtmäßigkeit bei der präventiven Rechtskontrolle, zum Beispiel dem Richtervorbehalt des § 105 StPO, grundsätzlich ausgeschlossen.199 Andere wollen nach Art des Verstoßes differenzieren und zumindest bei leicht fahrlässigem Verhalten die Lehre der hypothetischen Rechtsmäßigkeit anwenden.200 Letzterer Ansicht ist zu folgen, da ansonsten dem Richtervorbehalt im Rahmen der Abwägung eine Stellung zukäme, die seinem tatsächlichen Gewicht nicht entspräche.201 Da nur bei leicht fahrlässigem Handeln das Kriterium der hypothetischen Rechtmäßigkeit greifen kann, sind die Umgehungseinwände ausgeschlossen. Ebenso ist strittig, ob sich die Hypothese auf das konkrete Beweismittel oder die Möglichkeit der Überführung, also des Nachweises als solchem, bezieht. Während häufig ohne Begründung von letzterem ausgegangen wird, also auf das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme abgestellt wird202, ist richtigerweise auf das konkrete Beweismittel und die konkreten Umstände der Tat abzustellen.203 Nur so können technische und sonstige äußere Schwierigkeiten miteinbezogen werden und es wird verhindert, dass sich die Strafverfolgungsorgane von den tatsächlichen Schwierigkeiten des kriminalistischen Alltags befreien können.204 198

BGHSt 44, 243 (250); 51, 285 (295 f.); Roxin, NStZ 1989, 376 (379); Wolter, FS Roxin, 1141 (1161 Fn. 51). 199 Fezer, StV 1989, 294; Rogall, NStZ 1988, 385 (391); S. Schröder, Hypothese, S. 99; Kelnhofer, S. 199 (mit der Einschränkung, dass dies nur für Hypothesen rechtmäßigen Vorgehens auf demselben Ermittlungsweg passe, a. a. O., S. 202); angedacht bei Macht, Verwertungsverbote, S. 252 f. 200 H. Schneider, NStZ – Sonderheft 2009, 46 (47 ff.); Roxin, NStZ 1989, 379, der letztlich doch eine Einzelfallabwägung durchführt und nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verstoß zu einem Beweisverwertungsverbot nach Verstoß gegen zum Beispiel einen Richtervorbehalt kommt. 201 Siehe hierzu die Ergebnisse der empirischen Studie von Richtervorbehalten bei Telefonüberwachungen, Kurzfassung abgedruckt StV 2003, 249 ff. 202 BGHSt 24, 125 (130); 44, 243 (245 ff.); NStZ 1989, 375 (376); NStZ 1997, 294 (295). 203 Grünwald, JZ 1966, 489 (496); Wolter, SK/StPO, Vor § 151 Rn. 203; Beulke, ZStW 103 (1991), 657 (674 f.); Wohlers, NStZ 1990, 245 (246); Kelnhofer, S. 268, 276 f.; S. Schröder, Hypothese, S. 75 f., 113; Rogall, NStZ 1988, 385 (392 f.); Welp, Die strafprozessuale Überwachung, S. 217; BGHSt 24, 125 (131 f.); 34, 39 (53); BGH NStZ 2004, 449 (450); OLG Oldenburg StV 1995, 178 (179); OLG Koblenz, NStZ 2002, 660 (661).

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3. Ergebnis Damit ist festzuhalten, dass folgende Kriterien für den Abwägungsvorgang bei den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten von Relevanz sind: Gegen eine Verwertung sprechen regelmäßig das eingetretene Erfolgsunrecht, also die Schwere des Rechtseingriffs unter Berücksichtigung der Bedeutung des Verstoßes für die Rechtssphäre des Betroffenen, aber auch das Handlungsunrecht, also ob die Behörde vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Erhebungsvorschrift verstoßen hat. Für eine Verwertung spricht das Strafverfolgungsinteresse, welches zwar nicht notwendig durch die Schwere der Tat gestärkt wird, aber durch hypothetische Rechtmäßigkeitserwägungen. Fehlt es hingegen schon an der Kausalität des Verstoßes, ist ein Verwertungsverbot abzulehnen. Die Analyse der Kriterien hat gezeigt, dass die bestehenden Bedenken hinsichtlich der Unsicherheit der Abwägungslehre nicht gerechtfertigt sind. Anhand der vorgegebenen Kriterien lassen sich berechenbare Entscheidungen treffen. Der verbleibende Entscheidungsspielraum des Richters unterscheidet sich nicht in erheblichem Maße von den ihm sonst zustehenden Entscheidungsmöglichkeiten.

III. Dogmatik der selbstständigen Beweisverwertungsverbote Abgesehen von den wenigen geschriebenen selbstständigen Beweisverwertungsverboten besteht ein solches dann, wenn die Einbringung des Beweises und dessen Nutzung im Strafverfahren zu einer Rechtsverletzung führen würde.205 Dabei kommt es nicht auf einen Verstoß gegen eine bestimmte Erhebungsvorschrift an. Die Beurteilung des Vorliegens eines selbstständigen Beweisverwertungsverbots erfolgt unabhängig von einem Erhebungsverstoß, was allerdings nicht bedeutet, dass der Erhebungsakt insoweit vollkommen unbeachtlich ist. 1. Ermittlung des Vorliegens eines Beweisverbots Während bei den unselbstständigen Beweisverboten umstritten ist, ob ein Verwertungsverbot durch Abwägung ermittelt werden kann, ist diese Me204

S. Schröder, Hypothese, S. 113. Hinsichtlich des Beweismaßes ist, wie auch sonst bei richterlichen Prognoseentscheidungen, von einem Wahrscheinlichkeitsurteil auszugehen, Vergleiche hierzu BVerfGE 70, 297 (313); BGHSt 43, 381 (397); LR/Gollwitzer § 261 Rn. 11; MüKo/Hardtung, StGB, § 226 Rn. 12; S. Schröder, Hypothese, S. 115 ff., 119. 205 Kühne Rn. 913.

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thode bei den selbstständigen Beweisverwertungsverboten allgemein anerkannt.206 Gegen ungeschriebene selbstständige Beweisverwertungsverbote wird vorgebracht, dass für diese kein Raum mehr sei, da die Beweiserlangung gerade durch die Vorschriften der StPO schon hinreichend geregelt sei.207 Dies stimmt auch in zahlreichen Fällen. Da die StPO sehr detaillierte Voraussetzungen für die Datenerhebungen vorgibt und diese im Rahmen einer rechtmäßigen Datenerhebung einen hohen Grundrechtsstandard vorgeben, wird regelmäßig in der Verwertung kein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff vorliegen. Dies spiegelt sich auch in der Rolle der selbstständigen Beweisverwertungsverbote in der Rechtsprechung wider, die zahlenmäßig gering ist, aber, wenn ein solches Beweisverwertungsverbot angenommen wird, viel Aufmerksamkeit erregt.208 Jedoch können sich dann Besonderheiten ergeben, wenn eine andere Verfahrensordnung Anwendung findet, oder aber sonst eine Beweiserhebung außerhalb der StPO stattfindet, zum Beispiel bei Auslandsberührung oder bei Mitwirkung von Privatpersonen. In diesen Fallkonstellationen greift die Schutzfunktion der deutschen Strafprozessordnung nicht, so dass ein Ausgleich über selbstständige Beweisverwertungsverbote notwendig erscheint. a) Grundrechte Bezüglich der Voraussetzungen für selbstständige Beweisverwertungsverbote209 besteht Einigkeit dahingehend, dass diese aus den Grundrechten abgeleitet werden können.210 Denkbar sind insoweit Eingriffe in die Privat- oder 206 Siehe nur Fezer, Grundfragen, S. 32; S. Schröder, Hypothese, S. 80 ff.; Beulke, ZStW 103 (1991), 657 (677 ff.); BVerfGE 34, 238 (248 ff.); 80, 367 f.; BGHSt 19, 325 (332 f.); 34, 397 (401); 36, 167 (173 f.). 207 Störmer, Grundlagen, S. 52 f. 208 Siehe BVerfGE 34, 238 (248 ff.); 80, 367 f.; BGHSt 19, 325 (332 f.); 34, 397 (401); 36, 167 (173 f.). 209 Daneben wird der Begriff des „verfassungsrechtlichen“, „grundrechtlichen“ und „grundgesetzlichen“ Beweisverwertungsverbots synonym verwendet. Zur Vermeidung von Verwirrung, die teilweise nicht nur begrifflicher Art zu sein scheint, wird im folgenden allein von selbstständigen Beweisverwertungsverboten gesprochen. Zu den unterschiedlichen Terminologien siehe BGH NJW 1964, 1141; BGHSt 19, 326; Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1539), der dies richtig beobachtet, in seiner Überschrift zwar von grundgesetzlichen Beweisverboten spricht, dann aber inhaltlich Beweisverbote „[a]us den Grundrechten“ herleitet; siehe den Titel „Grundrechtliche Beweisverwertungsverbote“ in Alsberg/Nüse/Meyer, S. 512. Rogall meint, der Begriff der verfassungsrechtlichen Beweisverwertungsverbote werde zu Unrecht verwendet, Grundsatzfragen in Höpfl/Huber S. 127 mit Bezugnahme auf Amelung, GA 1996, 332 (333), siehe hierzu sogleich. 210 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 41 ff.; Küpper, JZ 1990, 416 ff.; Fezer, Grundfragen, S. 34.

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Intimsphäre durch Verwertung von schriftlichen Aufzeichnungen, wie Briefen oder Tagebüchern, von Tonbändern, Lichtbildern oder Filmen.211 Ein Beweisverwertungsverbot kann sich auch aus einem Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit (nemo-tenetur-Grundsatz) ergeben.212 Nur ausnahmsweise finden sich Ausführungen zu anderen Grundrechten, wie zu Art. 10 GG und Art. 14 GG.213 Dies erklärt sich schlicht daraus, dass zwar die Beweiserhebung in verschiedene Grundrechte eingreifen kann, der gesonderte Eingriff der Verwertung von strafprozessual erhobenen beziehungsweise sonst gewonnen Erkenntnissen regelmäßig nur einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung darstellt.214 Viele Grundrechte scheiden schon deswegen im vorliegenden Zusammenhang aus, da ihre Verletzung im Zusammenhang mit einer Beweisaufnahme schlicht nicht vorstellbar beziehungsweise möglich ist, so zum Beispiel ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit.215 b) Rechtsstaatsprinzip Nach dem Bundesgerichtshof können sich Beweisverwertungsverbote „[u]nmittelbar aus dem Grundgesetz“ ergeben.216 Ein Verwertungsverbot greift, wenn bei „Verwertung des Ergebnisses“ eine „Beeinträchtigung grundlegender Elemente des Rechtsstaats“ gegeben wäre.217 Wie gesehen, ist die Funktion der Beweisverwertungsverbote nicht auf den Individualschutz beschränkt. Ein Aspekt der Rechtsstaatlichkeit ist der Grundsatz des fairen Verfahrens.218 Dieses Prinzip, dessen Rechtsgrundlagen umstritten sind219, verkör211 BVerfGE 80, 367 ff.; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 42; Küpper, JZ 1990, 416 ff. 212 BVerfGE 56, 37 (50 f.); Störmer, Grundlagen, S. 164 ff. 213 Zu Art. 10 und 14 GG siehe Alsberg/Nüse/Meyer S. 520 ff.; zu Art. 3 GG durch Vergleich eines Beschuldigten mit Inlandszeugen und eines mit Auslandszeugen, Thien, S. 58, 70. 214 Siehe hierzu S. 142 ff. 215 Ähnlich Störmer, Grundlagen, S. 52, der daraus jedoch pauschal den Schluss zieht, der Verwertungsakt könne stets nur in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Soweit ein Grundrechtseingriff in ein anderes Grundrecht denkbar sein sollte, ist zu berücksichtigen, dass die Verwertungsermächtigung der StPO nur Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zulässt. Soweit ein spezielles Grundrecht weitere Anforderungen an die Eingriffsgrundlage stellt, wie z. B. die Berücksichtigung des Zitiergebotes, so würde eine Verwertung schon an der erforderlichen Eingriffsgrundlage scheitern. 216 BGHSt 31, 304 (307 f.). 217 BGHSt 24, 125 (132.). 218 Dabei ist die Abgrenzung zwischen Rechtsstaatsprinzip und fair-trial-Grundsatz nicht immer eindeutig, so auch Rzepka, Fairness, S. 176 f. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung.

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pert neben dem objektiven Prinzip auch ein subjektives Recht des Einzelnen.220 Es wurde bereits zur Begründung von Beweisverwertungsverboten herangezogen.221 Ausprägungen des fair-trial-Grundsatzes sind Waffengleichheit, rechtliches Gehör, Anwesenheits- und Fragerechte sowie der nemo-tenetur-Grundsatz, wobei die Waffengleichheit den Hauptbestandteil ausmachen soll.222 Seine Bedeutung wird bei Geltung der Vorschriften der StPO, gegenüber denen der Grundsatz subsidiär sein soll, zum Teil angezweifelt.223 Jedenfalls dürfen durch den Gedanken des fairen Verfahrens keine Wertungen der StPO umgangen werden, um freie Billigkeitsentscheidungen zu ermöglichen. Das Prinzip bedarf der Konkretisierung durch den Gesetzgeber und im Rahmen der Rechtsanwendung durch die Gerichte.224 Da es für ein Verwertungsverbot nicht darauf ankommt, ob das Verfassungsgut ein subjektives Recht beinhaltet, kann auf eine weitere Darlegung des Verhältnisses von fair-trial-Grundsatz und Rechtsstaatsprinzip verzichtet werden. Dagegen ist der Kritik, den rechtsstaatlichen Wertungen käme keine über die StPO hinausgehende Bedeutung zu, ebenso nachzugehen, wie der Problematik der Unbestimmtheit dieser Rechtsbegriffe. Zur angeblich fehlenden Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips als Anknüpfungspunkt für selbstständige Beweisverwertungsverbote ist festzustellen, dass tatsächlich in Rechtsprechung und Literatur wenig hierzu zu finden ist. 219 Ob Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG (BVerfGE 39, 156 (163); 39, 238 (242 f.); 41, 246 (249); 57, 250 (274 f.); Störmer, Dogmatische Grundlagen, S. 56 f.) oder direkt aus dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfGE 38, 105 (111); 65, 171 (175); BGHSt 40, 211 (218); 24, 125 (131)). 220 BVerfGE 38, 105 (115); 41, 246 (249); 46, 202 (209); 49, 24 (55); 57, 250 (274). 221 BGHSt 24, 125 (131); 29, 109 (112); 31, 148 (154); 40, 211 (218); 42, 191 (193); 44, 46 (51); für die Literatur siehe Rogall ZStW 1979 (91), 1 (22 f.); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 11 Rn. 14; Küpper, JZ 1990, 416 (417). 222 Siehe hierzu im Detail: Kalb, S. 74 ff. mit vielen Nachweisen. Unklar ist aber der genaue Inhalt, weswegen auch die Unbestimmtheit dieses Prinzips bemängelt wird, Heubel, S. 73; Rohe S. 137. Rüping führt an, aus einem allgemeinen Prinzip ließen sich keine Folgerungen ableiten, Rüping, S. 25. 223 Rohe, S. 137. 224 BVerfGE 85, 386 (404). Eine solche einfachrechtliche Konkretisierung ist Art. 6 EMRK. Zur Einstufung der EMRK als einfaches Recht ohne Verfassungsrang, siehe BVerfGE 74, 358 (370); a. A. Thien, S. 105, 117. Die Realität zeigt jedoch, dass die Datenerhebungsvorschriften der EMRK keine Besonderheiten gegenüber dem deutschen Recht enthalten. Interessant wäre allein das in Art. 6 Abs. 3 d EMRK enthaltene Konfrontationsrecht, welches in seiner Weite nicht in der StPO vorgesehen ist, welches aber auf das anschließende Strafverfahren bezogen ist und somit für die hier zu betrachtende Datenerhebung irrelevant ist. Für einen Kurzüberblick zur Rechtsprechung zum Konfrontationsrecht, siehe Jung, GA 2009, S. 235 ff.

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In der Rechtsprechung wird das Rechtsstaatsprinzip im Strafprozess insbesondere bei überlanger Verfahrensdauer, der völkerrechtswidrigen Entführung des Angeklagten und bei Fällen der Tatprovokation durch einen Lockspitzel als mögliches Verfahrenshindernis diskutiert.225 In diesen Fällen wird regelmäßig nicht über ein Beweisverwertungsverbot gesprochen. Jedoch stimmen die genannten Konstellationen auch darin überein, dass ein Beweisverwertungsverbot schon gar nicht zum gewünschten Ziel führen könnte. Denn ein Beweisverwertungsverbot ist auf den Ausschluss eines einzelnen (!) Beweismittels gerichtet. Im Fall des Lockspitzels geht es um die Tat selbst, die sonst eventuell nicht begangen worden wäre; bei der völkerrechtswidrigen Entführung um den Täter selbst, der sonst eventuell nicht vor einem deutschen Gericht stünde. Es geht hingegen nie um ein bestimmtes Beweismittel, welches ausgeschlossen werden könnte. In Fällen der überlangen Verfahrensdauer würde ein Beweisverwertungsverbot sogar das Gegenteil des gewünschten Erfolges, nämlich der Beschleunigung, bewirken. So ergibt sich, dass in diesen bislang entschiedenen und diskutierten Fällen ein Beweisverwertungsverbot schon gar nicht zur Debatte stehen konnte.226 Damit muss sich der Vorwurf der Rechtsstaatswidrigkeit, um überhaupt ein Beweisverwertungsverbot begründen zu können, gegen ein einzelnes Beweismittel richten. Dass Beweisverwertungsverbote aus Verletzungen des Rechtsstaatsprinzips in einem (ausschließlich) in Deutschland stattfindenden Strafprozesses mit ausschließlich deutschen Beteiligten und deutschen Strafverfolgungsorganen als Ermittlungsbeamten selten relevant werden, zeigt, dass die Schutzmechanismen zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens, wie sie durch die detaillierte StPO und das Grundgesetz vorgegeben sind, Wirkung zeigen. Damit ist jedoch keine abschließende Feststellung getroffen. Zu betrachten sind Fälle, in welchen die Datenerhebung nicht unter Maßgabe der deutschen Strafprozessordnung stattfand. Daher ist in weiteren Konstellationen verfahrensexterner Erkenntnisse, also Informationen von Privaten, ausländischen Behörden oder auch von innerstaatlichen, aber von der StPO nicht erfassten Behörden, nach Parallelen zu suchen. Denn bei der nachrichtendienstlichen Datenerhebung handelt es sich gerade um eine solche Datenerhebung, die nicht den Voraussetzungen der StPO unterliegt. Bei der Verwertung von Erkenntnissen Privater wird der Erhebungsakt regelmäßig227 unbeachtet gelassen und für die Frage des Vorliegens eines selbstständigen Verwertungsverbotes allein überprüft, ob der Staat durch 225 BGHSt 24, 239 ff.; BVerfG NJW 1984, 967 f.; 1985, 1767; siehe hierzu auch Hillenkamp, NJW 1989, 2841 (2842); I. Roxin, passim. 226 Ähnlich I. Roxin, S. 214 ff. 227 Zu Ausnahmen siehe sogleich.

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den Verwertungsakt selbst rechtswidrig in ein Grundrecht eingreift.228 Daher ist die Begründung eines Beweisverwertungsverbotes regelmäßig individualrechtlich. Jedoch soll ein Verwertungsverbot auch dann, unabhängig vom konkreten Verwertungsakt, greifen, wenn die Erkenntnisse „extrem menschenrechtswidrig“ erlangt wurden.229 In diesem Fall wird ausnahmsweise auch für privat erlangte Erkenntnisse die Art der Erhebung miteinbezogen.230 Da das Verhalten Privater jedoch weder selbst einen Grundrechtsverstoß herbeiführen kann noch einen solchen Verstoß durch Zurechnung an die staatlichen Behörden begründen kann, kann das Verhalten nur insoweit Berücksichtigung finden, als dass die anschließende Verwertung rechtsstaatswidrig erscheint, wollte man die Art der Erhebung ignorieren. Insofern greift das Rechtsstaatsprinzip als Korrektiv für eine fehlende Grundrechtsbindung ein. Somit lässt sich festhalten, dass das Rechtsstaatsprinzip bei der Verwertung von Erkenntnissen, die durch Privatpersonen erlangt wurden, von Relevanz ist. Die Problematik der Nutzung verfahrensexterner Erkenntnisse im Strafverfahren stellt sich auch in Bezug auf die Auskunftsbefugnisse der Insolvenzbehörden, da im Insolvenzverfahren Mitwirkungs- und Duldungspflichten des Betroffenen bestehen. Werden so erlangte Erkenntnisse in den Strafprozess übermittelt, soll nach h. M. ein Verwertungsverbot eingreifen.231 Dieses soll sich aus dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ergeben.232 Durch den Verwertungsakt selbst, das Verlesen des Protokolls über die getroffene Aussage, wird der Betroffene jedoch nicht gezwungen, sich selbst zu belasten. Der Zwang zur belastenden Äußerung war bereits vorgelagert. Man könnte allenfalls von einem fortbestehenden Zwang sprechen. Da auch in dieser Fallkonstellation das alleinige Abstellen auf den Grundrechtseingriff im Verwertungsakt nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt, wird erneut eine Kontrolle des Ergebnisses auf seine Rechtsstaatlichkeit vorgenommen, wieder unter Berücksichtigung der konkreten Datenerhebung. Am Beispiel der Selbstbelastungsfreiheit bedeutet dies, dass dieser grundlegenden Rechtssatz des rechtsstaatlichen Strafverfahrens nur durch Nichtverwertung gewahrt werden kann, da sonst Aussagen, die unter behördlichem Zwang getroffen wurden, in das Strafverfahren eingeführt würden. Wenn man im Insolvenzverfahren zu überwiegenden Interessen für eine Äußerungspflicht kommen kann, können diese Überlegungen nicht auf den Strafprozess über228

BGHSt 14, 358 (359 ff., 363 ff.); 19, 325 (329). Zum Ausdruck siehe Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543). 230 Dagegen fehlt die primäre Rechtskontrolle durch die unselbstständigen Beweisverwertungsverbote mangels Verfahrensordnung. 231 BVerfGE 56, 37 (50 ff.). 232 BVerfGE 56, 37 (43, 50 ff.). 229

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tragen werden.233 Daher sind die so erlangten Erkenntnisse in einem Strafverfahren aufgrund rechtsstaatlicher Erwägungen unverwertbar.234 Mit dieser Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit der Verwertung im konkreten Fall wird weder rückwirkend der Erhebungsakt beurteilt noch der Verwertungsakt daraufhin überprüft, ob er selbst einen Grundrechtseingriff darstellt. Das Gericht hat sich vielmehr zu fragen, ob die Einbeziehung der extern gewonnenen Erkenntnisse nicht gegen die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens verstieße. Dies dient dazu, Friktionen zwischen den einzelnen Verfahrensordnungen auszugleichen. Dabei ist zu beachten, dass diese Überprüfung keineswegs dazu dient, nachträglich die Standards der StPO auf alle behördlichen Datenerhebungen zu übertragen. Grundsätzlich sind externe Daten im Strafverfahren nutzbar. Eine Einschränkung der Verwertbarkeit greift nur dann, wenn die Nutzung dazu führte, dass elementare rechtsstaatliche Grundsätze nicht hinreichend Beachtung finden. Das Rechtsstaatsprinzip ist daher als übergeordnetes Prinzip geeignet, ein Verwertungsverbot zu begründen. Es gilt für alle Fälle, in denen der Erhebungsakt nicht den Voraussetzungen der StPO unterlag und somit ein rechtsstaatliches Korrektiv erforderlich ist. Dabei ist hinsichtlich der Anwendung dieses rechtsstaatlichen Korrektivs im Einzelfall beachtlich, ob es sich um eine Privatperson und um eine staatliche Behörde handelt. Das Korrektiv wird bei Privatpersonen, die nicht an die Grundrechte gebunden sind, wesentlich großzügiger ausfallen und sich gegebenenfalls ausschließlich auf die „extrem menschenrechtswidrige“ Beweisgewinnung beschränken. Behörden als Grundrechtsadressaten unterliegen dagegen schon bei der Datenerhebung weiteren Beschränkungen. Je233

BVerfGE 56, 37 (43, 50 ff.). Dies ähnelt der Prüfung des EGMR, der zwischen einem Verstoß gegen die EMRK bei der Beweiserhebung und hinsichtlich der Verwertung des durch einen Verstoß erlangten Beweismittels unterscheidet, EGMR (Teixeira de Castro/Portugal), NStZ 1999, 47. Entscheidend ist für den EGMR, ob das Verfahren durch die Verwertung insgesamt als noch als fair gem. Art. 6 EMRK bezeichnet werden kann, siehe EGMR (Schenk/Schweiz), NJW 1989, 654 (655 f.); (Teixeira de Castro/Portugal), NStZ 1999, 47 (48); (Khan/Vereinigtes Königreich), JZ 2000, 993 f.; (Allan/ Vereinigtes Königreich), StV 2003, 257 (258); (Monika Haas/Deutschland), NJW 2006, 2753 (2755); (Jalloh/Deutschland), NJW 2006, 3117 (3122). Dabei zeigt sich der Gerichtshof großzügig, so soll ein Verstoß gegen Art. 6 EMRK (mit der Folge eines Verwertungsverbotes) nur dann in Betracht kommen, wenn die Verurteilung ausschließlich oder großteils auf der konventionswidrigen Zeugenaussage beruht, so zum Beispiel EGMR (van Mechelen/Niederlande), StV 1997, 617 (619); Ambos, ZStW 115 (2003), 583 (612) mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen. Damit ist die Zuerkennung eines Verwertungsverbotes letztlich unabhängig vom einzelnen Verstoß und kann daher als selbstständiges Beweisverwertungsverbot eingeordnet werden. 234

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

doch können auch hier rechtsstaatlich relevante Unterschiede auftreten, wie das Beispiel der Selbstbelastungsfreiheit gezeigt hat. Im Einzelfall ist zu beachten, dass nicht durch das Korrektiv der Rechtsstaatlichkeit bestehende Regelungen umgangen werden. Es geht vielmehr um die Wahrung von rechtsstaatlichen Prinzipien in Fällen, in denen die allgemeinen Sicherungen der StPO nicht greifen. Dies gilt auch insbesondere deshalb, da das Rechtsstaatsprinzip sowohl das Strafverfolgungsinteresse als auch die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens, also die Rechte des Angeklagten schützt235, also einzelne Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips durch andere Ausprägungen desselben Prinzips begrenzt werden.236 Daher kann ein Verwertungsverbot nur in besonderen Ausnahmefällen nach sorgfältiger Analyse der bestehenden Vorschriften angenommen werden. c) Ergebnis Es sind daher zwei Arten von selbstständigen Beweisverwertungsverboten zu unterscheiden. Entweder stellt der Verwertungsakt selbst einen Grundrechtseingriff dar. Oder aber der Verwertungsakt selbst stellt keinen Grundrechtseingriff dar, die Verwertung würde aber, unter Einbeziehung der Umstände der Datenerhebung, einen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens bedeuten. In diesem Fall kann ausnahmsweise ein selbstständiges Verwertungsverbot aus öffentlichen Interessen angenommen werden. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn die Erkenntnisse aus einem anderen Verfahren als dem Strafverfahren stammen oder von Privatpersonen erlangt wurden. Dabei wird nicht rückwirkend der Standard der StPO eingefordert, aber das Rechtsstaatsprinzip verlangt die Wahrung bestimmter Grundprinzipien, so beispielsweise, dass die Erkenntnisse nicht unter Verstoß gegen die Menschenwürde Dritter erlangt worden sein darf.237 Daher sind selbstständige Verwertungsverbote von einem vorherigen Erhebungsverstoß unabhängig. Die Art der Datenerhebung kann aber dann berücksichtigt werden, wenn die Erhebung nicht von einem Strafverfolgungsorgan unter Geltung der StPO vorgenommen wurde. Selbstständige Verwertungsverbote können auch als verfassungsrechtliche Verwertungsverbote bezeichnet werden; die Bezeichnung grundrechtliche Verwertungsverbote ist dagegen irreführend, da es nicht ausschließlich um die Verletzung von Grundrechten geht. 235

BGHSt 32, 345 (350). BVerfGE 92, 277 (325). Zu Details zu diesem Spannungsverhältnis, siehe auch Rzepka, Fairness, S. 178 ff. 237 Zur sogenannten Drittwirkung dieses Verwertungsverbotes siehe auch S. 374 ff. 236

A. Dogmatik der Beweisverwertung im Strafprozess

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2. Abwägungskriterien Bei den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten wurden bereits umfangreich die in die Abwägung einstellbaren Kriterien erörtert. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Beurteilung einer Fehlerfolge, sondern um einen möglichen erstmaligen Grundrechtseingriff durch die Verwertung. Daher stellt die Schwere dieses Grundrechtseingriffs sicher eine Komponente der Abwägung dar. Als Gegeninteresse werden angeführt das unabweisbare Bedürfnis einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung238, das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung239, die wirksame Aufklärung von schweren Straftaten240 sowie die Notwendigkeit einer funktionstüchtigen Rechtspflege241, kurz das Strafverfolgungsinteresse. Kein Abwägungskriterium stellt dagegen die hypothetische Rechtmäßigkeit der Erhebung dar, da diese entweder bereits rechtmäßig war oder sich, wie bei Privatpersonen, nicht an einer feststehenden Verfahrensordnung messen lässt.242 Hier könnte nur das Argument, der Täter hätte auch auf andere Weise überführt werden können, zu einer Verwertbarkeit führen, was jedoch im Ergebnis nicht überzeugt, da auf das konkrete Beweismittel abzustellen ist.243 Inwieweit der hypothetische Ersatzeingriff als Instrument dienen kann, wird noch gesondert erörtert.244

IV. Fernwirkung Ebenso wie die Begründung der Beweisverwertungsverbote ist auch ihre Reichweite umstritten.245 Die persönliche Reichweite der Verwertungsverbote ergibt sich bei individualschützenden Beweisverwertungsverboten daraus, dass diese regelmäßig nur dem Schutz des Rechtskreises des Angeklagten dienen.246 Die Beweisverwertungsverbote dagegen, die aus dem Rechtsstaatsprinzip abge238

BVerfGE 34, 238 (248); 19, 342 (347); 20, 45 (49); 20, 144 (147). BVerfGE 34, 238 (248); 32, 373 (381). 240 BVerfGE 34, 238 (248 f.); 29, 183 (194). 241 BVerfGE 34, 238 (249); 33, 367 (383). 242 Kelnhofer, S. 216. Allenfalls bei der Frage der Fernwirkung, also bei mittelbaren Beweismitteln; Kelnhofer, S. 121; S. Schröder, Hypothese, S. 81 f.; Beulke, ZStW 103 (1991), 678. 243 S. Schröder, Hypothese, S. 82. 244 Siehe hierzu S. 230 ff. 245 Aufarbeitung im Rahmen einer Dissertation bspw. bei Reinecke, Fernwirkung, passim oder Mergner, Fernwirkung, passim. 246 Zu Fällen der Drittwirkung siehe S. 374 ff. 239

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leitet werden, greifen hingegen zugunsten beziehungsweise zu Lasten von jedermann, da den Prinzipien unabhängig von der betroffenen Person Geltung zu verschaffen ist. Daneben stellt sich die Frage der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten. Fernwirkung bedeutet dabei, dass auch die durch die unzulässige Beweiserhebung mittelbar erlangten weiteren Beweismittel unverwertbar sind. Wie bereits im Rahmen der Verwendungsverbote dargelegt, stellt sich die Problematik nur für solche Erkenntnisse, die nicht schon unter eine Verwendungsregel fallen, da sonst sowohl Fernwirkung im strafprozessualen Sinne besteht als auch eine Nutzung als Spurenansatz ausscheidet.247 Die Idee der Fernwirkung ist abgeleitet von der sogenannten „fruit of the poisonous tree-doctrine“, einer amerikanischen Lehre, die in der Entscheidung Silverthorne Lumber Co. versus United States248 anerkannt wurde. Die Befürworter einer Fernwirkung führen für diese vor allem den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit an, der aufgrund einer bestehenden Umgehungsgefahr berührt sei.249 So würde die Wirkung der Beweisverwertungsverbote empfindlich geschwächt und die auch nur punktuelle Durchbrechung würde zu verbotenen Praktiken ermutigen und die Verbotsregeln weitgehend leerlaufen lassen.250 Die getroffene Entscheidung, Nichtverwertung, müsse konsequent verfolgt werden.251 Die Fernwirkung solle auch strafbarem Verhalten der Strafverfolgungsorgane vorbeugen252, so dass letztlich wieder auf die Disziplinierungsidee verwiesen wird.253 Wie jedoch gezeigt254, dienen Verwertungsverbote nicht primär der Disziplinierung, weswegen dieses Argument auch zur Begründung einer Fernwirkung nicht herangezogen werden kann. Für die Vertreter der Lehre der Informationsbeherrschungsrechte stellt die Fernwirkung die logische Konsequenz eines Verwertungsverbotes 247

Siehe oben unter S. 145 ff. Siehe hierzu und zur Entwicklung der Fernwirkung im amerikanischen Recht, Harris, StV 1991, 313 (315 ff.). Aber auch in den Vereinigten Staaten ist die Reichweite der Beweisverwertungsverbote nicht so unumstritten wie häufig behauptet, siehe hierzu Harris, a. a. O.; Rogall in: Wolter, Theorie und Systematik, S. 133 ff. 249 Kühne, StPO, Rn. 911; Otto, GA 1970, 289 (294); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 25 Rn. 47; Riegel, JZ 1980, 762; Spendel, NJW 1966, 1102 (1105); Nüse, JR 1966, 281 ff.; Dencker, S. 79. 250 Grünwald, JZ 1966, 489 (500); Haffke, GA 1973, 65 (80 ff.); Kühne, StPO, Rn. 911; Nüse JR 1966, 281 (284); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 25 Rn. 47; Schroth, JuS 1998, 969 (970). 251 Weigend, StV 2003, 436 (440); Haffke, GA 1973, 65 (80 ff., 84); Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 (246). 252 Eisenberg Rn. 406; Seebode, JR 1988, 427 (431). 253 Dencker, S. 79; Neuhaus, NJW 1990, 1221 (1222). 254 Siehe oben S. 150 f. 248

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dar, da der Betroffene so gestellt wird, wie er ohne Verletzung gestanden hätte.255 Der Bundesgerichtshof hat bislang nur in einem Fall eine Fernwirkung anerkannt.256 Auch das Bundesverfassungsgericht hat einmal zugunsten einer Fernwirkung entschieden.257 In der übrigen BGH-Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur258 finden sich Argumente gegen eine Fernwirkung: Die Wahrheitsforschung im gesamten Strafverfahren würde lahmgelegt.259 Eine hypothetische Frage dergestalt, ob die Polizei das Beweismittel nicht auch ohne Verstoß gefunden hätte, wäre schwer zu beantworten.260 Dennoch lehnt der Bundesgerichtshof die Fernwirkung nicht pauschal ab, sondern will im Einzelfall die Reichweite der Verwertungsverbote ermitteln, „nach der Sachlage und der Art des Verbots“.261 Dies stimmt mit einer in der Literatur vertretenen Auffassung überein, die eine Fernwirkung dann annehmen will, wenn ein besonders grober Verstoß ein Beweisverwertungsverbot begründet.262 Die Voraussetzungen seien im Einzelfall durch Abwägung zu bestimmen, da für die Reichweite eines Beweisverwertungsverbots keine anderen Voraussetzungen gelten können als für das Verbot selbst.263 Für diese Ansicht spricht 255

Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 49 f.; Müssig, GA 1999, 119

(137). 256

BGHSt 29, 244. Dabei ging es um eine G10-Maßnahme, vgl. S. 281 ff. BVerfGE 44, 353 (383 f.). 258 Zur Begründung der Fernwirkung im Rahmen des § 136 a StPO und den Gegenargumenten siehe OLG Stuttgart, NJW 1973, 1941 (1942); Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1544); S. Schröder, Hypothese, S. 65; SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 90 ff.; LR/Gössel, Einl. L Rn. 106 ff. Ferner wird der Wortlaut des § 136 a Abs. 3 S. 2 StPO herangezogen, wonach lediglich die Verwertbarkeit der Aussage selbst verboten wäre. Dagegen wird jedoch hervorgebracht, dass es letztlich auf den Terminus „verwerten“ ankäme und nicht auf den Begriff der Aussage. Außerdem könnte aus dem Wortlaut auch das konträre Argument hergeleitet werden. 259 BGHSt 32, 68, 71; 34, 362 (364); 45, 321 (335), ausdrücklich offen gelassen BVerfG StV 1997, 361 (363 f.). 260 BGHSt 34, 362 (364); ebenso Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1544). 261 BGHSt 27, 355 (357); 29, 244 (249 ff.). Im Ergebnis hat er allerdings nur in der zuletzt zitierten Entscheidung eine Fernwirkung bejaht. 262 SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 205; Küpper, JZ 1990, 416 (423); Rogall, NStZ 1988, 385 (391 f.); ders., ZStW 91 (1979), 1 (40); Saliger, ZStW 116 (2004), 35 (55 f.). 263 Eisenberg Rn. 408; Rogall, NStZ 1988, 385 (392); ders., ZStW 91, 39 f.; KK/ Senge Vor § 48 Rn. 45 ff.; zur hypothetischen Gewinnbarkeit der Information, siehe Küpper, JZ 1990, 416 (423); Rogall, JZ 1996, 944 (948). Beulke, ZStW 103 (1991), 657 ff. will zwischen selbstständigem Beweisverwertungsverbot, dann Abwägung, und unselbstständigem Beweisverwertungsverbot, welches nur greift, wenn der Schutz des Beschuldigten Zweck der verletzten Norm war, unterscheiden. 257

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auch, dass weder die für noch gegen eine Fernwirkung vorgetragenen Argumente restlos zu überzeugen vermögen. Vor allem gegen das Argument, das Strafverfahren würde durch die Nichtverwertung der mittelbaren Erkenntnisse lahmgelegt, lässt sich vorbringen, dass dies nur für einen Extremfall gilt, nämlich, wenn nur ein einziges Beweismittel existiert, und so ein Beweisverwertungsverbot ausnahmsweise einem Verfahrenshindernis gleichkommt, was jedoch keinesfalls die Regel darstellt.264 Mangels empirischer Belege erscheint auch das Argument, eine Fernwirkung müsse aus Gründen der „wirksamen Verbrechensbekämpfung“265 ausscheiden, nicht tragfähig.266 Insgesamt zeigt sich, dass es überzeugende Argumente für beide Ansichten gibt, so dass eine pauschale Anerkennung der Fernwirkung ebenso auszuscheiden hat wie eine pauschale Ablehnung. Sie ist daher im Einzelfall zu bestimmen. Damit ist die Reichweite von Verwertungsverboten ebenso wie ihre Begründung durch Abwägung zu ermitteln. Ob hingegen für Beweisverwertungsverbote aus nachrichtendienstlichen Erkenntnissen etwas anderes gilt, da der einzige BGH-Fall, in welchem eine Fernwirkung angenommen wurde, über Erkenntnisse zum G10 entschieden wurde, wird noch zu untersuchen sein.

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen Nachdem die erforderlichen Grundlagen der Beweisverwertungsverbote dargelegt wurden, sind diese nun auf die Analyse, welche nachrichtendienstlichen Erkenntnisse gegebenenfalls mit Verwertungsverboten belegt sein könnten, anzuwenden. Dafür wird zwischen unselbstständigen (I.) und selbstständigen Beweisverwertungsverboten (II.) differenziert sowie anschließend deren Reichweite bestimmt (III.). Bei der Einzelfallanalyse ist bereits jetzt eine Besonderheit hervorzuheben. Da Nachrichtendienste, anders als Polizei und andere Strafverfolgungsorgane, nicht im Rahmen der Strafverfolgung tätig sind, lassen sich die typischen Anknüpfungspunkte für Verwertungsverbote, wie etwa Anwesenheitsrechte des Beschuldigten und seines Verteidigers, auf das Nachrichtendienstrecht gerade nicht übertragen.

264 265 266

Roxin, 40 Jahre BGH, S. 96 f. BGHSt 34, 362 (364). Eisenberg Rn. 405.

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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I. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote Unselbstständige Beweisverwertungsverbote setzen einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift bei der Datengewinnung voraus. Daher soll zunächst überprüft werden, welche Datengewinnungsvorgänge Anknüpfungspunkt für ein Beweisverwertungsverbot darstellen können (1.). Danach stellt sich die Frage, ob die Rechtmäßigkeit dieser Datengewinnung gerichtlich voll überprüfbar ist (2.). Sodann werden dann die einzelnen Fehlermöglichkeiten bei Datenerhebung (3.) und Datenübermittlung (4.) daraufhin untersucht, ob sie ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen. Zuletzt wird gesondert betrachtet, welche Auswirkungen Straftaten der Ermittler auf die Beweisverwertung haben, wobei aus aktuellem Anlass auch zum Fall Lichtenstein Stellung bezogen wird (5.). 1. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt: Datenerhebung oder -übermittlung? Unselbstständige Beweisverbote sind, wie gesehen, solche, bei denen ein Fehler bei der Beweiserhebung vorlag. Dabei ist entscheidend, wie der Begriff der Beweiserhebung267 auszulegen ist. Betrachtet man diesen näher, stellt man fest, dass dieser zwei unterschiedliche Vorgänge erfasst, einmal die Beweisaufnahme im Sinne von § 244 StPO als förmliche Präsentation der Beweismittel vor Gericht268, zum anderen aber auch die vorhergehenden Ermittlungen zur „Beweis“erlangung durch die Ermittlungsbehörden.269 Beweiserhebung ist daher ein Informationssammlungsvorgang mit dem Ziel, die erlangten Daten in einem anschließenden Strafverfahren zu verwenden. Der Begriff der Datenerhebung hingegen enthält diese Zielbestimmung nicht und ist somit weiter und umfasst damit die Informationssammlung durch die Nachrichtendienste. Fehler können nun bei der Datenerhebung durch die Dienste unterlaufen oder im Rahmen der Übermittlung dieser Daten an die Strafverfolgungsbehörde. Die Datenerhebung durch Nachrichtendienste kann ebenso wie die Datenerhebung durch Strafverfolgungsorgane Anknüpfungspunkt für ein un267

Erheben ist nach § 3 Abs. 3 BDSG das Beschaffen von Daten über Betrof-

fene. 268

Schroeder, Strafprozessrecht, § 15 Rn. 132 will deshalb die Bezeichnung Beweiserhebungsverbot (zum Beispiel für § 252 StPO) dem Beweisverwertungsverbot (h. M.) vorziehen. Für eine mehrfache Anknüpfung auch Kölbel, NStZ 2008, S. 241 (242 f.), der auf einen mehrstufigen Übertragungsprozess bis zu der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde abstellt. 269 Die Zweiteilung richtig betonend Gropp, StV 1989, 216 (217).

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

selbstständiges Beweisverwertungsverbot sein. Schon Grünwald stellt fest: „Ein Beweisstück, das etwa ein Angehöriger eines staatlichen Nachrichtendienstes durch einen verbotenen Eingriff in Rechte des Angeklagten erlangt hat, kann ebenso wenig verwertet werden, wie eines, das auf gleiche Weise von einem Polizeibeamten beschafft wurde.“270 Dass sich die Darstellungen in der Literatur auf strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen beschränken, schadet insoweit nicht. Da die Nachrichtendienste auch an ihre Verfahrensordnungen gebunden sind, besteht auch ein hinreichender Anknüpfungspunkt für Beweisverwertungsverbote. Eine andere Betrachtungsweise würde verfahrensexterne Behörden, wie also auch die Dienste, mit Privatpersonen gleichstellen. Dies hätte zur Konsequenz, dass der Bürger bei verfahrensexternen Ermittlungen schlechter gestellt wäre als bei verfahrensinternen. Zwar scheidet eine Zurechnung des vorhergehenden Verhaltens der anderen Behörde regelmäßig aus, jedoch würde eine getrennte Betrachtung die Rechte der Betroffenen verkürzen, da durch die Weitergabe der vorherige Rechtsverstoß quasi geheilt würde. Er würde durch die informationelle Gewaltenteilung schlechter gestellt, was dem Gewaltenteilungsprinzip geradezu diametral widerspräche, da dieses gerade dem Schutz der Freiheit des Bürgers dienen soll.271 Daher können auch die Datenerhebungen durch verfahrensexterne Behörden, hier die Nachrichtendienste272, Anknüpfungspunkt für Beweisverbote sein.273 Gleiches gilt für die Datenübermittlung. Bei dieser kann man im Fall eines Ersuchens sogar von einer Beweiserhebung durch die ersuchende Behörde sprechen. Da Übermittlungsvorschriften dem Datenschutz und damit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht dienen, ist es möglich, ein Beweisverwertungsverbot hieran zu knüpfen. Dabei kann man die Übermittlungsbefugnisse zur Datenweitergabe an die Strafverfolgungsbehörde als „sachlich strafverfahrensrechtliche Bestimmungen“ bezeichnen.274 Jedenfalls kann auch aus Übermittlungsfehlern ein Beweisverwertungsverbot folgen.275 270

Grünwald, JZ 1966, 489 (497). BVerfGE 22, 106 (111); Gusy, DÖV 1980, 431 (435). 272 Für eine grundsätzliche Möglichkeit der Bezugnahme auf die Nachrichtendienstvorschriften siehe auch BGHSt 29, 244 (246); BGH NJW 1990, 1799 (1800). 273 So auch Schuster, S. 100. 274 Paeffgen, FG Hilger, 153 (164). 275 Für eine Gleichstellung von rechtswidriger Datenerhebung und rechtswidriger Datenübermittlung auch Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (890). A. A. wohl Schafranek, S. 218. Laut Hüsch, Verwertungsverbote, S. 102 beruht das Verwertungsverbot bei rechtswidriger Übermittlung nicht auf der Rechtswidrigkeit der Übermittlung, sondern auf der Beschränkung der Übermittlungsmöglichkeit, nämlich der Zweckbindung: Übermittlungs- und Verwertungsbeschränkung haben dieselbe Rechtsgrundlage. 271

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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2. Überprüfungsmaßstab für die Gerichte a) Überprüfbarkeit oder Beurteilungsspielraum? Bei der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot wegen formeller oder auch materieller Fehler stellt sich zunächst die Frage, ob ein Gericht dies überhaupt überprüfen kann. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob die Entscheidung der G10-Kommission für die Gerichte bindend ist oder ob diese die Rechtmäßigkeit selbst überprüfen können, bislang zweimal ausdrücklich offen gelassen.276 Dies war möglich, da eine Verwertung selbst bei Vorliegen eines ausreichenden Verdachtes wegen fehlender Katalogtat beziehungsweise entgegenstehendem Völkerrecht unzulässig gewesen wäre. Während der 1. und der 2. Strafsenat in der Folge im Rahmen von Entscheidungen bezüglich § 100 a StPO bewusst keine Stellung bezogen haben277, ließ der 3. Senat immerhin in einem obiter dictum verlauten, dass er einer Willkürkontrolle zugeneigt wäre, nicht hingegen einer vollen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung zum Zeitpunkt ihres Erlasses.278 Erst 1995 setzte sich dann der 4. Senat ausführlich mit der Frage auseinander.279 Dabei erläutert der Bundesgerichtshof zunächst, welche Gründe für eine umfassende Überprüfbarkeit sprechen, um letztendlich eine solche doch ausdrücklich auf eine Willkürprüfung bei den Merkmalen „Verdacht“ und „Subsidiarität“ zu begrenzen. Der Bundesgerichtshof stellt zunächst ausdrücklich fest, dass der Umfang der Nachprüfung für Tatrichter und Revisionsrichter gleich ist.280 Danach legt er dar, dass keine Gründe für einen beschränkten Prüfungsumfang ersichtlich seien.281 „Im Gegenteil: Das Gewicht des mit der Telefonüberwachung verbundenen Eingriffs, der auch Grundrechte unbeteiligter Dritter berührt, sowie der Umstand, daß eine Beschwerde faktisch nicht möglich ist, sprechen bei gegebenem Anlaß für eine möglichst gründliche und umfassende Überprüfung der Anordnung gemäß § 100 a StPO.“282 Auch das Argument, die Situation im Ermittlungsverfahren lasse sich nachträglich nicht mehr zuverlässig rekonstruieren, lässt er nicht für eine Beschränkung gelten, da die Unterlagen, welche dem Ermittlungsrichter zur Verfügung ge276

BGHSt 29, 244 (246); dem folgend BGH NJW 1990, 1799 (1800). BGHSt 33, 217 (222 f.) (mit Verweis auf die Entscheidung des 3. Senats); BGHR, § 100 a StPO, Verwertungsverbote 4 (Verweis auf 1. Senat). 278 BGHSt 28, 122 (124). 279 BGHSt 41, 30 (31 ff.). 280 BGHSt 41, 30 (32); zustimmend Störmer, StV 1995, 653 (654 f.). 281 BGHSt 41, 30 (32). 282 BGHSt 41, 30 (32). 277

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

standen haben, auch den Tat- beziehungsweise Revisionsrichtern zur Verfügung ständen.283 Ferner sei eine Überprüfung auch nicht wegen der schon vorhandenen Ergebnisse überflüssig, da der Verdacht ex ante vorliegen müsse.284 Nachdem der Bundesgerichtshof nun den Weg zu einer umfassenden Überprüfung überzeugend bereitet hat, kommt er dann überraschend285 zu dem Ergebnis, dass das Gesetz selbst in den Voraussetzungen „bestimmte Tatsachen“ sowie dem „Subsidiaritätsgedanken“ dem Ermittlungsrichter oder dem Staatsanwalt einen Beurteilungsspielraum zugestehe. Schon das Vorliegen eines Verdachtes sowie der Verdachtsgrad könnten unterschiedlich beurteilt werden. Ferner liege bei der Subsidiarität ein derart abgestimmtes Gesamtsystem vor, „daß die Übergänge notwendigerweise fließend und eindeutige, von den subjektiven Einschätzungen und Wertungen des zur Entscheidung Berufenen unabhängige, Grenzziehungen nicht möglich sind.“286 So kommt der Bundesgerichtshof im Ergebnis, entgegen seinen eigenen Argumenten, doch zu einem auf Vertretbarkeits- und Willkürprüfungen beschränkten Überprüfungsmaßstab.287 Diese Rechtsprechung setzte er auch in der Folge fort.288 Sein zentrales Argument ist das Bestehen eines im Gesetz verankerten Beurteilungsspielraums. Dem möglichen Bestehen eines solchen Beurteilungsspielraums ist die Literatur mit beachtlichen Argumenten entgegengetreten.289 Neben der sich aus dem offensichtlichen Bruch in der Begründung des Bundesgerichtshofs ergebenden Kritik wird aber auch der Inhalt der Entscheidung beanstandet. Zur Frage eines bestehenden Beurteilungsspielraums differenziert Küpper zunächst zwischen den objektiven, überprüfbaren Aspekten der einzelnen Merkmale und den subjektiven, unüberprüfbaren Teilen. Denn sowohl der auf bestimmten Tatsachen begründete Verdacht als auch der Subsidiaritätsgrundsatz enthielten je eine subjektive wie eine objektive Komponente.290 283

BGHSt 41, 30 (33). BGHSt 41, 30 (33). 285 So auch bewertet von Bernsmann, NStZ 1995, 512 (Anmerkung zu BGHSt 41, 30); Störmer, StV 1995, 653 (655). 286 BGHSt 41, 30 (34). 287 Bestätigt durch BGHSt 47, 362 (365 f.); BGH NJW 2003, 1880; zustimmend Pfeiffer, StPO, § 100 a Rn. 11 ff.; KMR/Bär § 100 a Rn. 45. 288 Siehe BGHR, StPO, § 100 a Verwertungsverbot Nr. 12. 289 Bernsmann, NStZ 1995, 512 ff.; Küpper, JR 1996, 214 ff.; Neuhaus, FS Rieß, 375 ff.; Störmer, ZStW 108 (1996), 494 ff.; zustimmend LR/Schäfer, 25. Auflage, § 100 a Rn. 101; ebenso Schlothauer, StV 2003, 208 (209); kritisch in Hinblick auf die Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf die Abfassung der Anordnung, Weßlau, StV 1996, 579 f. 290 Küpper, JR 1996, 214 (216); ähnlich auch Störmer, ZStW 108 (1996), 494 (515). 284

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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Bezüglich dieser subjektiven Elemente käme nun in Betracht, diese durch eine eigene Entscheidung zu ersetzen (zum Beispiel der des Ermittlungsrichters) oder aber eine Vertretbarkeitsprüfung durchzuführen.291 Küpper befürwortet insoweit grundsätzlich eine Willkürprüfung, da die Ersetzung durch eigene Verdachtsschöpfung zu dem „merkwürdigen Ergebnis“ einer je nach Verfahrensstadium (möglicherweise) variierenden Auffassung der Verwertungsmöglichkeit führte.292 Daher sei Aufgabe der Richter nur die Überprüfung der objektiv feststellbaren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen.293 Dann wirft er jedoch auf, dass die Anordnung faktisch der Beschwerde entzogen ist. Dies hat auch der Bundesgerichtshof gesehen, jedoch unberücksichtigt gelassen.294 Wegen Art. 19 Abs. 4 GG kommt Küpper zu dem Ergebnis, dass nur bei richterlichen Anordnungen eine Beschränkung der Verdachtsprüfung angemessen sei, nicht hingegen bei Anordnungen des Staatsanwaltes.295 Diesen Ansatz verfolgt auch Neuhaus, der sich grundsätzlich gegen einen Beurteilungsspielraum wendet, da dieser dem Tatverdacht einen Großteil seiner Funktion nehme.296 Vielmehr ergebe sich aus dem Verfassungsrecht ein umfassendes Kontrollgebot, wobei sich aus Art. 19 Abs. 4 GG die unbeschränkte Kontrolle für Anordnungen des Staatsanwaltes ergebe, aus Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 97 Abs. 1 GG die umfassende Kontrolle auch für Maßnahmen des Richters.297 Auch Rieß sieht den Beschluss des Ermittlungsrichters als nicht bindend an, die Überprüfung müsse sich nicht auf eine Willkürkontrolle beschränken.298 Die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums aufgestellt hat und auf die sich der Bundesgerichtshof beruft, seien nicht erfüllt, da in der Entscheidung299 ein solcher Beurteilungsspielraum nur bezüglich des Wie im Sinne der Art und Intensität des Verdachtes zugestanden wurde, nicht jedoch bezüglich des Ob, also des Vorliegens an sich.300 291

Küpper, JR 1996, 214 (215). Küpper, JR 1996, 214 (215). 293 Küpper, JR 1996, 214 (215). 294 BGHSt 41, 30 (32). 295 Küpper, JR 1996, 214 (216). 296 Neuhaus, FS Rieß, 375 (396). 297 Störmer, ZStW 108 (1996), 494 (506 f.); Neuhaus, FS Rieß, 375 (399); Krause, FS Hanack, 221 (247 f.); LR/Schäfer, 25. Aufl., § 100 a Rn. 99 a ff. 298 Rieß, DAV, 141 (150). 299 BVerfG MDR 1984, 284. 300 Bernsmann, NStZ 1995, 512 stellt als Unterschied zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und BGHSt 41, 30 ff. die Schwere des Grundrechtseingriffs nach § 152 StPO und § 100 a StPO heraus. Zudem kritisiert Bernsmann, der BGH übertrage so den materiell-strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff auf das Prozessrecht, a. a. O. 292

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Der Verweis auf die verfassungsrechtlichen Normen überzeugt. Diese geben zunächst eine umfassende Rechtskontrolle vor, welche sowohl für staatsanwaltliche als auch für richterliche Entscheidungen gilt, wenn auch aufgrund unterschiedlicher Normen. Will man von dieser umfassenden Kontrolle abweichen, muss dies gesondert begründet werden können. Mit solch möglichen Einschränkungen beschäftigt sich Störmer. Dieser legt ausführlich die Entwicklung der parallelen Diskussion im Verwaltungsrecht dar, die zu einer Reduzierung der gerichtsfreien Entscheidungsspielräume geführt hat und kommt zu dem Ergebnis, dass unbestimmte Rechtsbegriffe, auch wenn sie ein Prognoseelement enthalten, nicht stets zu einem Beurteilungsspielraum führen.301 Vielmehr müssten die Beurteilungsspielräume bereits im Gesetz angelegt sein.302 Dies sei jedoch bei § 100 a StPO nicht der Fall. Auch weitere aus dem öffentlichen Recht bekannte Konstellationen für eine Begrenzung der gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Entscheidungen könnten auf § 100 a StPO nicht übertragen werden.303 Eine Begrenzung des gerichtlichen Prüfungsumfanges ist somit nicht anzuerkennen. Sie kann weder aus der Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe an sich noch aus sonstigen Gesichtspunkten hergeleitet werden. Dies ergibt sich daraus, dass sich aus Art. 19 Abs. 4 GG, 20 Abs. 3 GG ein umfassendes Kontrollgebot ergibt. Daraus folgt für § 100 a StPO ebenso für die übrigen strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, da diese gleichfalls dem Verdachtserfordernis unterliegen, dass das Vorliegen ihrer Voraussetzungen umfassend überprüfbar ist. b) Reduktion des Prüfungsumfangs wegen nachrichtendienstlicher Besonderheiten? Für nachrichtendienstliche Maßnahmen ist zusätzlich zu überprüfen, ob aufgrund gegebener Besonderheiten nicht ausnahmsweise doch eine reduzierte Nachprüfung der Entscheidung möglich ist.

301

Störmer, ZStW 108 (1996), 494 (511 f.). Störmer, ZStW 108 (1996), 494 (508). 303 Störmer, StV 1995, 653 (657). Er betrachtet folgende Konstellationen: Einmaligkeit der Anordnungssituation, besondere Fachkompetenz des anordnenden Organs, Kompleixität fachlicher Bewertung, Prognoseentscheidungen bei Risiko der Funktionsunfähigkeit des Organs durch Fehlprognosen. 302

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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aa) Unbestimmter Rechtsbegriff im Nachrichtendienstrecht Hinsichtlich unbestimmter Rechtsbegriffe im Allgemeinen führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Unbestimmte Rechtsbegriffe können allerdings wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie so vage und ihrer Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, daß die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Der rechtsanwendenden Behörde mag in solchen Fällen ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze ein begrenzter Entscheidungsspielraum zuzubilligen sein.“304 Dagegen lässt sich eine „pauschale Zurücknahme der fachgerichtlichen Prüfungsdichte“ mit Hinweis auf die „ ‚Komplexität‘ bestimmter schwieriger fachlicher Bewertungen nicht begründen“.305 Man mag geneigt sein, die nachrichtendienstlichen Maßnahmen als Teil einer hoch komplexen Materie anzusehen, deren Kontrolle schwierig zu realisieren sei. Zu betrachten sind jedoch jeweils die einzelne, zu überprüfende Maßnahme und ihre Voraussetzungen. Entscheidend ist insoweit meist das Vorliegen „tatsächlicher Anhaltspunkte“ nach § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG bzw. das Vorliegen „tatsächlicher Anhaltspunkte für einen Verdacht“ nach § 3 G10. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits 1990 entschieden, dass „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht“ bestimmter Straftaten ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt.306 „Das einem Verdacht innewohnende Moment der Unsicherheit schließt indes nicht aus, daß die von der anordnenden Stelle gezogenen Schlußfolgerungen aus tatsächlichen Anhaltspunkten auf einen Verdacht in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren in vollem Umfang gerichtlicher Kontrolle unterliegen und das Gericht sich nicht auf die Feststellung beschränken darf, die Annahme der Möglichkeit sei vertretbar oder nicht willkürlich.“307 Der Bundesgerichtshof setzt sich mit dieser Entscheidung nicht auseinander.308 Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zeigt nun, dass das Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen der nachrichtendienstlichen Maßnahmen überprüfbar ist und diese Überprüfung nicht mit dem Hinweis auf 304

BVerfGE 84, 34 (50). BVerfGE 88, 40 (58). 306 BVerwGE 87, 23 (26 f.) mit Anmerkung Gusy, JZ 1991, 513 f. 307 BVerwGE 87, 23 (27). 308 Dies ist angesichts der divergierenden Auffassung der beiden Bundesgerichte mit Hinblick auf § 2 Abs. 1 RsprEinhG problematisch, so auch Bernsmann, NStZ 1995, 512 (513). 305

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eine etwaige Komplexität auszuschließen ist. Es gilt insoweit nichts anderes als für die Überprüfung von strafprozessualen Maßnahmen. bb) Geheimhaltungspflichtige Unterlagen Eine Nachprüfung muss auch nicht wegen einer Notwendigkeit der Geheimhaltung nachrichtendienstlicher Unterlagen ausscheiden. Wie bereits oben gesehen sind nachrichtendienstliche Unterlagen nicht stets geheimhaltungsbedürftig.309 Ein solches Bedürfnis muss gesondert begründet werden und erst wenn dies geschieht, kann eine Informationsübermittlung nach § 96 StPO abgelehnt werden. Liegen dessen Voraussetzungen dagegen nicht vor, kann die Entscheidung im vollen Umfang nachgeprüft werden. Im Übrigen wird durch § 96 StPO allein der Tatsachenstoff reduziert, nicht hingegen die rechtliche Überprüfungsbefugnis. cc) Doppelte Kontrolle Zu berücksichtigen ist aber die Rolle der G10-Kommission, welche in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen anordnungsbefugt ist. Diese parlamentarische Kontrolle ist dabei ausweislich der Begründung des Gesetzgebers der Ersatz für die „ausgeschlossene richterliche Überprüfung der Anordnung“.310 Sie übt zwar eine Rechts- und Zweckmäßigkeitskontrolle aus, jedoch werden ihre Mitglieder vom Parlamentarischen Kontrollgremium bestellt und sind an die jeweilige Legislaturperiode gebunden, so dass keine unabhängige Kontrolle stattfindet.311 Dennoch wird vertreten, dass für ihre Entscheidungen eine nachträgliche richterliche Kontrolle ausscheiden solle, überprüfbar sei ex post lediglich, ob die Voraussetzungen von § 7 Abs. 3 G10 a. F. vorlagen, also die Voraussetzungen der Datenübermittlung, und ob überhaupt ein Nachrichtendienst gehandelt hat, nicht hingegen die Anordnung selbst.312 Dies deutet auf einen Entscheidungsspielraum hin. Zwar führt dieser Ansatz immerhin dazu, dass Teile der Rechtmäßigkeit überprüft werden, jedoch verkennt er, dass die Funktion der Kommission als Ersatz für die fehlende Kontrolle durch eine richterliche Anordnung ex ante zu verstehen ist, nicht jedoch als Ersatz für eine Kontrolle in toto. Bei Eingriffen der Exekutive fordert das Bundesverfassungsgericht explizit, dass das entscheidende Gericht zur Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes 309 310 311 312

BVerwGE 75, 1 (14); ähnlich BVerfGE 57, 250 (284), siehe oben S. 121 f. BT-Drs. V/18880, S. 11. Siehe S. 64. Dünnebier, KJ 1999, 586 (589).

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nicht an die rechtlichen oder tatsächlichen Feststellungen der anderen Gewalt gebunden sein dürfe.313 Schon deswegen ist eine nachträgliche unabhängige richterliche Kontrolle erforderlich. Die Notwendigkeit einer richterlichen Kontrolle ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts314 in Bezug auf die Kontrolldichte nach Maßgabe der Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung.315 Denn bei Art. 10 GG handelt es sich um ein wichtiges Grundrecht und die Überwachung stellt einen gravierenden Eingriff in selbiges dar. Daher kann auch die vorherige Kontrolle durch die G10-Kommission keine Reduktion des anschließenden Kontrollumfangs begründen. Ferner ist zu beachten, dass die Anordnung der G10Kommission schon mangels Mitteilung an den Betroffenen faktisch einer Kontrolle entzogen ist, wodurch die nachträgliche, richterliche Kontrolle nochmals an grundrechtsschützender Bedeutung gewinnt. Angesichts der Bedeutung dieser nachträglichen Kontrolle kann deren Prüfungsumfang auch nicht beschränkt werden. dd) Gremienentscheidung Auch die Tatsache, dass es sich bei der Entscheidung der G10-Kommission um eine Gremienentscheidung handelt, führt nicht zu einer begrenzten Nachprüfbarkeit ihrer Entscheidungen. Wie schon Störmer richtig darlegt, kann keinesfalls die pauschale Zuordnung zu einer Fallgruppe eine hinreichende Begründung eines Beurteilungsspielraums darstellen.316 Auch im Verwaltungsrecht sind Gremienentscheidungen nicht stets von der Überprüfbarkeit ausgenommen, sondern nur für Fälle, in denen eine Nachprüfbarkeit schon tatsächlich nicht möglich ist. Bei Entscheidungen der G10-Kommission ist eine Überprüfung aber möglich, da dem Antrag an die Kommission eine Begründung zur Zulässigkeit des Antrages hinzuzufügen ist, wodurch auch nachprüfbare tatsächliche Anhaltspunkte bestehen.317 ee) Ergebnis Damit sind alle nachrichtendienstlichen Maßnahmen, auch solche nach dem G10, gerichtlich voll überprüfbar. 313

BVerfGE 61, 82 (111). BVerfGE 88, 40 (59). 315 Welche der BGH laut Paeffgen, FS Roxin (2001), 1299 (1310 f.) schlicht verkannt habe. 316 Siehe hierzu Störmer, ZStW 108 (1996), 494 (511). 317 BVerfGE 67, 157 (177, 179). 314

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3. Fehler bei der originären Datenerhebung a) Fehlende Rechtsgrundlage Denkbar ist zunächst, dass eine Maßnahme durchgeführt wird, ohne dass hierfür eine ausreichende Rechtsgrundlage besteht. Eine fehlende Rechtsgrundlage führt, soweit eine solche nach den Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts erforderlich ist, zur Rechtswidrigkeit des Erhebungsaktes. Das kommt insbesondere in Fällen in Betracht, in denen Grundrechtseingriffe ohne spezielle Rechtsgrundlage vorgenommen werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich aufgrund der technischen Entwicklung neue Ermittlungsmöglichkeiten ergeben, die der Gesetzgeber nicht vorhergesehen hat und die wegen ihrer Eingriffsintensität einer gesonderten Rechtsgrundlage bedürfen. Als Beispiel lässt sich die Online-Durchsuchung anführen. Für eine solche fehlt es (bislang) an einer (nachrichtendienstlichen) Rechtsgrundlage, welche hierfür aber laut Bundesverfassungsgericht erforderlich wäre, da ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung des Vertrauens auf die Integrität von informationstechnischen Systemen vorliegt.318 Ohne nähere Begründung gehen Jäger und Roxin davon aus, dass die fehlende oder nicht ausreichende Ermächtigungsgrundlage allein schon zu einem Beweisverwertungsverbot führt.319 Ein Beweisverwertungsverbot wegen fehlender Rechtsgrundlage hat der Bundesgerichtshof auch im SchleyerFall angenommen.320 Im Fall hatte der Beschuldigte, der der Erpressung verdächtig war, die Anfertigung einer freiwilligen Stimmprobe verweigert. Daraufhin ordnete das zuständige Oberlandesgericht an, dass in einem Gespräch außerhalb der förmlichen Vernehmung eine heimliche Aufnahme erfolgen soll. Dieses Verhalten ließ sich auf keine der Ermächtigungsgrundlagen der StPO zurückführen (und war auch nicht durch Rechtfertigungsgründe im Sinne eines ungeschriebenen Notrechts gerechtfertigt).321 Da es sich zudem um ein Beweismittel handelt, welches auf legalem Wege zum 318 BVerfG NJW 2008, 822 ff., siehe hierzu auch S. 47 ff. Die so auf der Festplatte erspähten Daten hätten auch nicht durch einen hypothetisch rechtmäßigen Eingriff erlangt werden können. Dafür müsste eine solche „Ausspähung“ grundsätzlich rechtlich zulässig sein. In diese Richtung ginge alleine die Beschlagnahme des Rechners. Durch diese sind jedoch andere Rechtsgüter betroffen, da es sich hierbei um eine offene Maßnahme handelt. Ferner kommen solche Maßnahmen in Betracht, die den Diensten bewusst nicht zustehen sollen, wie zum Beispiel Zwangs- oder sonstige polizeilichen Befugnisse. 319 Jäger, S. 48; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 25 Rn. 25; ebenso Rogall in: Höpfel/Huber, 119 (144). 320 BGHSt 34, 39 ff. 321 BGHSt 34, 39 (44 ff.).

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Zeitpunkt der Verwertung nicht hätte erlangt werden können und das von § 201 StGB geschützte Persönlichkeitsrecht von hohem Rang ist, kommt der Bundesgerichtshof letztlich zu einer Unverwertbarkeit. Entscheidend war, dass die rechtswidrige Erlangung des Beweismittels nicht durch einen Dritten, sondern durch den für die Hauptverhandlung zuständigen Spruchkörper angeordnet wurde.322 Ein Eingriff ohne Rechtsgrundlage stellt grundsätzlich einen gravierenden Grundrechtseingriff dar. Dies gilt umso mehr, als das betroffene Grundrecht dadurch besonders geschützt sein sollte, dass es an eine Eingriffsgrundlage gesteigerte Anforderungen stellt. Dieser Eingriff kann auch durch Erwägungen der hypothetischen Rechtmäßigkeit nicht wieder ausgeglichen werden.323 Läge nämlich eine andere Möglichkeit der Erlangung vor, könnte auf diese auch der Eingriff gestützt werden und es gäbe gerade kein Problem der fehlenden Ermächtigungsgrundlage. Damit scheiden derartige Überlegungen in Anbetracht der eindeutigen Gesetzeslage aus.324 Somit bestätigt sich die in Literatur und Rechtsprechung zu findende Ansicht der Unverwertbarkeit von Informationen, welcher ohne Rechtsgrundlage erhoben wurden. b) Auswirkungen einer (vermeintlich) verfassungswidrigen Rechtsgrundlage? Angesichts der Diskussionen um die formelle und auch materielle Verfassungsmäßigkeit der Aufgabenzuweisung an den BND im Rahmen des G10 stellt sich die Frage, ob die (vermeintliche) Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage ebenfalls Auswirkungen auf die Verwertbarkeit hat.325 Hiergegen ließe sich eventuell anführen, dass tatsächlich eine Rechtsgrundlage existiert und die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit die Kompetenz des einzelnen Polizeibeamten übersteigt, da auch der entscheidende Richter die Norm anwenden muss und nicht selbst über ihre Verfassungsmäßigkeit entscheiden darf. Zweifelt der Richter an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage, so steht ihm das Instrument der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG zur Verfügung. Dabei ist zu begründen, dass im Falle der Verfassungswidrigkeit eine andere Entscheidung folgte. Für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme ist grundsätzlich die Beurteilung ex ante entscheidend. Wird aber die Nichtigkeit festgestellt, gilt dies 322

BGHSt 34, 39 (52). Es sei denn man wollte hierfür auf die grundsätzliche Normierbarkeit abstellen, was jedoch zu untragbaren Ergebnissen führte. Eine solche Erwägung würde die Rolle des Gesetzgebers untergraben. 324 BGHSt 31, 304 (307). 325 Siehe zur Diskussion bereits Teil 1 Fn. 208. 323

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ex tunc, d.h. es bestand zu keiner Zeit eine Rechtsgrundlage für die Maßnahme.326 Konsequenterweise wird daher von einer fehlenden Rechtsgrundlage auszugehen sein. Stellt das Verfassungsgericht lediglich die Unvereinbarkeit bei zeitgleicher Tenorierung der Fortgeltung der Norm fest, besteht die Rechtsgrundlage fort.327 Wenn das Beweismittel entscheidungsrelevant ist, ist die Frage seiner Verwertbarkeit damit auch für den Verfahrensausgang entscheidend, so dass eine Vorlage begründet sein kann. Die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der Nr. 3–6 des § 5 Abs. 1 G10, Stellungnahmen zur neu eingefügten Nummer 7 existieren noch nicht, führt somit noch nicht zu einem Verwertungsverbot; jedoch könnte es im Falle einer Nichtigkeitserklärung ex tunc hierzu kommen. c) Formelle Fehler Als formelle Fehler kommen Verstöße gegen die Zuständigkeit, gegen ein besonderes Verfahren oder gegen eine vorgeschriebene Form in Betracht. aa) Zuständigkeit Zuständig sind die Nachrichtendienste stets nur dann, wenn sie sich im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben halten. Daher kommt der fehlenden Zuständigkeit des jeweiligen Dienstes keine eigenständige Bedeutung zu, da hierbei gleichzeitig die entsprechende Eingriffsgrundlage fehlen würde. Da die Aufgaben wie Befugnisse nicht selten zu Überschneidungen der Tätigkeiten der einzelnen Dienste führen328, wurden zur Vermeidung von Reibungsverlusten Richtlinien329 erlassen. Diese können jedoch nicht zu einer unzulässigen Beweiserhebung führen, da sie Gesetzesrecht nicht abzuändern vermögen. Daher ist insoweit keine Unzuständigkeit gegeben.330 Zuständigkeiten sind zudem allenfalls mittelbar individualschützend 326 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge § 78 Rn. 7. Die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Norm ist feststellender Natur, v. Mangoldt/Klein/ Starck/Voßkuhle, Art. 93 Rdn. 47; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge § 78 Rn. 7. 327 Siehe hierzu Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge § 78 Rn. 61 ff. 328 Vgl. nur § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 MADG; § 1 Abs. 3 Nr. 1 MADG und § 2 Abs. 1 Nr. 2 BNDG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG und § 1 Abs. 1 Nr. 2 MADG sowie § 3 Abs. 1 Nr. 1 BNDG. 329 Siehe hierzu Teil 1 Fn. 470. 330 Zuständigkeitsprobleme könnte es jedoch innerhalb der verschiedenen Landesverfassungsschutzbehörden geben. Zur Rechtslage bis 1990 wurde vertreten, dass sich die Zuständigkeit einer Landesverfassungsbehörde alleine auf ihr Bundesland beziehe, Ebert in: Borgs/Ebert, § 2 Rn. 10 ff. Dies soll jedoch nach Droste, S. 68

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und auch hypothetische Erwägungen dürften hier aufgrund der Befugnisüberschneidung häufig zielführend sein, weswegen als Ergebnis festgehalten werden kann, dass aus Zuständigkeitsverstößen selbst kein Beweisverwertungsverbot abgeleitet werden kann. bb) Verfahren Besondere Verfahrensanforderungen bestehen für das nachrichtendienstliche Verfahren nur in Ausnahmefällen.331 (1) Verstoß gegen präventive Rechtskontrolle Relevant ist insoweit die Anordnungsbefugnis der G10-Kommission, welche als Ersatz für die fehlende Richterkontrolle fungiert.332 Bei Auskunftsersuchen nach § 8 a BVerfSchG wie bei § 9 Abs. 2 BVerfSchG, welcher den Lauschangriff regelt, sowie für § 9 Abs. 4 BVerfSchG, welcher den Einsatz des sogenannten IMSI-Catchers regelt, wurden ebenfalls besondere Verfahrensvoraussetzungen angeordnet. So ist nach § 9 Abs. 2 S. 3 BVerfSchG die Anordnung durch einen Richter, wenn dies nicht rechtzeitig möglich ist, durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder seinen Vertreter notwendig. Nach Satz 4 ist die richterliche Genehmigung in diesem Falle aber unverzüglich nachzuholen. Insoweit sind auch Fehler möglich. Betrachtet man vergleichbare StPORegelungen, so stellt man fest, dass ein bewusster Verstoß oder die grobe Verkennung des Richtervorbehaltes zu einem Beweisverwertungsverbot führen kann.333 So liegt beispielsweise in Fällen der §§ 100 a, 100 c StPO ein Verwertungsverbot nahe.334 Mangels Kenntnis des Betroffenen ist der nach sachfremd sein, da sonst zahlreiche Datenerhebungen fehlerhaft wären. Sie will daher auf die Regelung des VwVfG zur örtlichen Zuständigkeit abstellen, so dass es nicht auf die Örtlichkeit der Amtshandlung ankomme, sondern auf deren „Anlass, den Aufenthaltsort der sie betreffenden Person oder den Sitz der sich betreffenden juristischen Person. Mangels spezieller Regelung sei das VwVfG auf die Verfassungsschutzbehörden insoweit auch anwendbar. 331 Gusy, KritV 2000, 52 (63) bezeichnet nachrichtendienstliches Handeln als verfahrensfrei, ähnlich Evers, Privatsphäre, S. 232. 332 Zur Praxis vergleiche Droste, S. 345. 333 BGH NJW 2007, 2269 (2271 ff.). Relevant ist an dieser Stelle nur das Fehlen einer Anordnung; eine fehlerhafte Anordnung wiederum beruht ihrerseits regelmäßig auf einer falschen Einschätzung der Rechtslage, also auf materiellen Grundlagen und wird daher erst später erörtert. 334 BGHR, StPO, § 100 b Verwertungsverbot 2; BGHR, StPO, § 110 b Abs. 2 Verwertungsverbot 1; gegen Verwertungsverbot im konkreten Fall aber BGHSt 44,

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Art. 19 Abs. 4 GG erforderliche Rechtsweg faktisch ausgeschlossen, so dass die präventive Rechtskontrolle der G10-Kommission eine noch bedeutendere Stellung als der Richtervorbehalt in der StPO einnimmt. Neben der Schwere des Eingriffs für den Beschuldigten ist auch zu beachten, dass die Lehre der hypothetischen Rechtmäßigkeit bei präventiven Rechtskontrollen keine Anwendung findet.335 Daher ist jedenfalls bei bewussten Verstößen von einem Verwertungsverbot auszugehen. Da aber mangels effektiver Rechtsschutzmöglichkeit im Vorfeld der Rechtsverstoß noch schwerer wiegt als ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach der StPO, sollte auch über den bewussten Verstoß hinaus im Vergleich zur StPO eher ein Verwertungsverbot bejaht werden. (2) Fehlende Mitteilung nach Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG Einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff stellt das Fehlen einer Mitteilung dar, welche nach § 12 G10 i. V. m. Art. 10 Abs. 2 S. 3 GG erforderlich ist. Dabei stellt § 12 Abs. 3 S. 2 G10 klar, dass diese durchaus auch erst nach Übermittlung der Daten erfolgen kann. Vor der Mitteilung ist sicherzustellen, dass eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen ist. Dies muss nicht automatisch mit Abschluss der Maßnahme der Fall sein, da zur Erfüllung der Schutzfunktion der Nachrichtendienste mangels eigener Exekutivbefugnisse auch die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft notwendig sein kann. Da ein sogenanntes in-camera-Verfahren in Strafsachen aber unzulässig ist336, wird der Betroffene im Verfahren über die Beweismittel informiert und erlangt auf diesem Weg ohnehin Kenntnis. Dies mindert zwar nicht die Pflichten der Anordnungsbehörde, wie § 12 Abs. 3 S. 1 G10 sie festlegt, jedoch ist dies für die Beurteilung der Rechtsfolgen beachtlich. Zweck der Mitteilung ist, dass der Betroffene Kenntnis von der Maßnahme erlangt, so dass er diese gegebenenfalls überprüfen lassen kann. Durch die Verwertung der Erkenntnisse im Strafverfahren erlangt der Betroffene aber Kenntnis von der Maßnahme. Daher kann er diese, entweder in Form der Rüge eines Beweisverwertungsverbots oder mit den ihm sonst zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten, überprüfen lassen. Ein Verwertungsverbot ist daher als Folge eines Verstoßes gegenüber einer eventuell schon vorher greifenden Mitteilungspflicht nicht erforderlich.

243 (249); BGH StV 1995, 398; für Verwertungsverbot KK/Nack § 100 a Rn. 55; Meyer-Gossner, § 100 b Rn. 11; a. A. Jähnke, FS Odersky, 427 (429 ff.); hiergegen Fezer, JZ 99, 526 (527); Roxin, StV 1998, 43 (45). 335 Siehe S. 166 ff. 336 BVerfGE 57, 250 (288) f.; BGH NJW 2000, 1661 ff.

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(3) Verstoß gegen die Hinweispflicht aus § 8 Abs. 4 BVerfSchG Ein Verwertungsverbot erscheint ferner möglich als Folge eines Verstoßes gegen die Hinweispflicht auf die Freiwilligkeit der Befragungen nach § 8 Abs. 4 BVerfSchG. Tritt der Nachrichtendienst gegenüber dem zu Befragenden offen auf, ist er gezwungen, diesen über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung zu belehren. Dies soll den Betroffenen davor bewahren, sich angesichts der staatlichen Autorität zu einer Aussage gedrängt zu sehen.337 Die Belehrung schützt somit in erster Linie das informationelle Selbstbestimmungsrecht.338 Daneben ist aber auch, in Bezug auf eine Verwertung der so entstandenen Aussage, die Selbstbelastungsfreiheit zu berücksichtigen. Im Strafprozess gilt, dass aus einem Verstoß gegen die strafprozessuale Belehrungspflicht nach §§ 136, 163 Abs. 4 StPO ein Verwertungsverbot folgen kann.339 Daher ist hier zu fragen, ob ein Verstoß gegen die Hinweispflicht aus § 8 Abs. 4 BVerfSchG die gleichen Rechtsfolgen zeitigt. Dass die Rechtsfolge der Unverwertbarkeit nicht auf Verstöße gegen Belehrungspflichten im Strafverfahren beschränkt ist, zeigt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die ein Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen eine (ungeschriebene) Belehrungspflicht im Disziplinarverfahren betrifft.340 Zur Beurteilung der Folgen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 4 BVerfSchG ist ein Vergleich mit anderen Konstellationen im Zusammenhang mit Beweisverwertungsverboten und Belehrungspflichten hilfreich. Zunächst wurde eine vergleichbare Konstellation im sogenannten Gemeinschuldnerbeschluss relevant.341 Im Rahmen eines Konkursverfahrens ist der Gemeinschuldner zur Mitwirkung verpflichtet, ein Aussageverweigerungsrecht steht ihm nicht zu. Die fehlende Aussagefreiheit ergibt sich daraus, dass er im Konkursverfahren einer der wichtigsten Informationsträger ist, auf dessen Mitwirkung die Gläubiger angewiesen sind.342 Das Informationsinteresse der Gläubiger überwiegt daher sein Interesse am Schutz vor 337 Zu § 136 a StPO: BGHSt 42, 139 (147); Beulke, StPO, Rn. 481 d; Rohe, S. 139 f. 338 Ebenso Eberle, FS Martens, 351 (362); Huesch, S. 251 ff. (jeweils zu § 9 Abs. 2 2. Alt. BDSG). 339 BGHSt 25, 325 (331 ff.); 38, 214; 47, 172 f.; BGH NStZ-RR 2007, 80; a. A. BGHSt 31, 395 (399), aber ausdrückliche Abkehr hiervon bereits in BGHSt 38, 214 (227 f.). Zu den Ausnahmen siehe sogleich. 340 BGH NJW 1997, 2893. 341 BVerfGE 56, 37 ff. 342 BVerfGE 56, 37 (48).

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erzwungener Selbstbelastung.343 Im nachfolgenden Strafprozess greift dann aber zum Ausgleich ein strafprozessuales Verwertungsverbot, seine Aussage darf keine Verwertung gegen ihn finden.344 Soweit ein solches als Ausgleich für gesetzliche Mitwirkungspflichten nicht ohnehin normiert ist, wie z. B. in § 393 AO, ergibt sich dies aus der Verfassung. Einer Mitwirkungspflicht unterliegt auch grundsätzlich der Zeuge im Strafverfahren. Er ist zum Erscheinen und zur Aussage verpflichtet.345 Nicht verpflichtet ist er dagegen, sich selbst zu belasten. Hierüber ist er nach § 55 Abs. 2 StPO zu belehren. Dies stellt ein Kompromiss zwischen dem Interesse an der Aussage des Zeugen und der Selbstbelastungsfreiheit dar. Wurde gegen die Belehrungspflicht verstoßen, folgt auch hieraus ein strafprozessuales Verwertungsverbot.346 Der Beschuldigte im Strafverfahren dagegen ist nach § 136 StPO darüber zu belehren, dass er nicht aussagen muss und sich nicht selbst belasten muss. Insoweit tritt das Aufklärungsinteresse hinter der persönlichen Freiheit des Beschuldigten zurück. Wird hiergegen verstoßen, so greift ein prozessuales Verwertungsverbot.347 Für das Disziplinarverfahren ging der Bundesgerichtshof dann von einer ungeschriebenen Belehrungspflicht aus, wenn es sich bei dem Disziplinarvorwurf zugleich um ein mit Strafe bedrohtes Verhalten handelt.348 Aus dem Verstoß gegen diese Belehrungspflicht kann ebenfalls ein Verwertungsverbot folgen. Keiner Mitwirkungspflicht, aber einer gewissen Mitwirkungslast unterliegt hingegen der Asylbewerber. Seine Mitwirkung kann zwar nicht erzwungen werden, aber ein non liquet kann zur Ablehnung seines Antrages auf Asyl führen. So kann nicht von einer kompletten Mitwirkungsfreiheit gesprochen werden. Der hier einschlägige Interessenkonflikt spielt sich nicht zwischen dem Asylbewerber und Dritten ab, sondern nur innerhalb der Person des Antragstellers. Belastende Angaben werden daher nicht durch ein nachträgliches Beweisverwertungsverbot geschützt.349 Was folgt nun aus alldem für einen Verstoß gegen die Belehrungspflicht im nachrichtendienstlichen Verfahren? Der Gesetzgeber hat entschieden, dass der von einer nachrichtendienstlichen Befragung Betroffene nicht an 343

BVerfGE 56, 37 (48). BVerfGE 56, 37 (50 ff.). 345 Beulke, StPO, Rn. 187 f. 346 OLG Karlsruhe StV 2003, 505 f.; BayObLG NJW 1984, 1246 (1247); MeyerGoßner § 55 Rn 17 m. w. N.; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 36, der ebenfalls ein Verwertungsverbot zu Gunsten des Angeklagten annehmen will. 347 Siehe BGHSt 38, 214 (220). 348 BGH NJW 1997, 2893. 349 Bosch, Aspekte, S. 57; BGHSt 36, 320 (333 f.). 344

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dieser mitwirken muss. Über diese Mitwirkungsfreiheit ist er auch zu belehren. Somit hat der Gesetzgeber die persönliche Freiheit des Befragten eindeutig über das nachrichtendienstliche Aufklärungsinteresse gestellt. Ferner soll sich die Freiheit nicht nur auf die Freiheit vor selbstbelastenden Aussagen beziehen, sondern die Mitwirkung als Ganze soll dieser unterstellt sein. Vergleicht man dies mit den übrigen Konstellationen, so findet sich, dass dort, wenn auch in variierendem Umfang, stets eine Mitwirkungspflicht bestand. Eine solche besteht bei den nachrichtendienstlichen Befragungen hingegen nicht. Daher können Fälle, in denen die Verwertungsverbote mit einer zwangsbewehrten Mitwirkungspflicht des Betroffenen begründet wurden350, nicht übertragen werden. Eine solche Mitwirkungspflicht besteht gerade nicht. Daher sind lediglich die Fälle der Befragung des Beschuldigten vergleichbar, hingegen nicht diejenigen der Zeugenbefragung, aufgrund der diesen obliegenden Aussagepflichten. Andererseits liegt in der nachrichtendienstlichen Befragung auch nie eine Beschuldigtenvernehmung.351 Bei einer Befragung ohne Belehrung entsteht eine faktische Zwangswirkung für den Betroffenen. Zu einer ersten Vernehmung eines Beschuldigten führt der Bundesgerichtshof aus, dass diese den Beschuldigten meist unvorbereitet trifft, er „ohne Ratgeber und auch sonst von der vertrauten Umgebung abgeschnitten, nicht selten auch durch die Ereignisse verwirrt und durch die ungewohnte Umgebung bedrückt und verängstigt ist“.352 Er muss fürchten, dass eine unkooperative Haltung, wie auch immer geartete negative Konsequenzen für ihn haben mag. Ausländischen Nachrichtendiensten können beispielsweise Zwangsbefugnisse zustehen. Aber auch sofern diese solche nicht besitzen, so kann dies die faktische Zwangswirkung nicht nachhaltig entkräften. So ist bekannt, dass sich einige Nachrichtendienste gezielt auf Verleumdungskampagnen verstehen, die den Betroffenen anhaltender in seiner Lebensführung beeinträchtigen als eine zwangsweise Vorladung bei der örtlichen Polizei. Hinzu kommt, dass der Einzelne, mit der Befragung durch einen Nachrichtendienstmitarbeiter konfrontiert, keine genauen Kenntnisse über dessen Befugnisse besitzt. Daher ist insoweit dem Belehrungsgebot eine große, 350

Vgl. BVerfGE 56, 37; BGHSt 36, 320 (332 ff.). So der zweite Argumentationsstrang in BGHSt 38, 214 (227); BGH NJW 1997, 2893. Da eine Belehrungspflicht für nachrichtendienstliche Ermittlungen ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist, kann gegen ein Verwertungsverbot jedenfalls nicht angeführt werden, dass es sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch um eine „indifferente Informationssammlung“ handele, BGHSt 38, 214 (227) (zum Anwendungsbereich des § 136 StPO); BGH NJW 1997, 2893 (zur Begründung einer Belehrungspflicht). 352 BGHSt 38, 214 (222). 351

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freiheitssichernde Bedeutung beizumessen. Der fehlende tatsächliche Zwang ist insoweit unbeachtlich. Soweit es allerdings um Aussagen geht, mit welchen der Befragte sich selbst belastet, liegt ein Eingriff in die Selbstbelastungsfreiheit vor, da dem Betroffenen mangels Belehrung der Eindruck vermittelt werden könnte, er müsse aussagen. So entsteht ein zumindest mittelbarer Aussagezwang. Schon allein die Konfrontation mit dem Verfassungsschutz soll regelmäßig geeignet sein, den Betroffenen zu einer Aussage zu bewegen. Gerade hierin liegt die besondere Bedeutung der Belehrung über seine Aussagefreiheit.353 Wenn der persönlichen Freiheit ein so wichtiger Stellenwert hinsichtlich der Mitwirkung zukommt, so muss ein Verwertungsverbot greifen, wenn hiergegen verstoßen wurde. Sofern der Betroffene nicht ohnehin wusste, dass er nicht mitwirken muss, ist von einem Verwertungsverbot auszugehen.354 Dies gilt jedoch wiederum nur für denjenigen, der sich durch diese Aussage selbst belastet, nicht hingegen für einen Dritten.355 Ist der Befragte später im Verfahren Zeuge, ist seine Aussage, ebenso wie bei Belehrungsverstößen im Rahmen des § 136 StPO356, verwertbar. Mit der möglichen Selbstbelastung ist der Rechtskreis des Befragten berührt. Er glaubt gegebenenfalls durch die Befragung zur Aussage verpflichtet zu sein, so dass der Schutzzweck der Norm berührt ist. Wusste er, dass seine Mitwirkung freiwillig erfolgte, so fehlt es schon an der Kausalität des Verfahrensverstoßes, so dass ein Verwertungsverbot ausscheiden muss. Hypothetisch rechtmäßig ist die Befragung nur für den Fall, dass der Befragte auch bei Belehrung gestanden hätte. Das Strafverfolgungsinteresse kann auch wegen der Schwere der Tat nicht besonders hoch sein, da dieser Ge353 Eine Ausnahme wird dann gemacht, wenn der Betroffene sein Recht kannte, siehe hierzu BGHSt 38, 214 (224 f.); 40, 336 (339); 47, 172 (173); zu Einschränkung der Belehrungspflicht für berufsbezogene Zeugnisverweigerungsrechte, siehe Meyer-Goßner § 53 Rn. 44. 354 Hiergegen lässt sich auch nicht BGHSt 38, 263 (266 ff.) anführen. Zwar wurde dort die Rechtsstaatswidrigkeit einer unterlassenen Belehrung verneint. Jedoch ist dieses Urteil in seinem Kontext zu lesen, wie Schuster, S. 206 f. richtig herausstellt. Zum einen hat der BGH selbst erst kurz zuvor (BGHSt 38, 214) die überragende Bedeutung der Belehrungspflicht mit der Konsequenz eines Verwertungsverbotes anerkannt, zum anderen darf der historische Kontext der BRD nicht übersehen werden. Beide Gesichtspunkte können aber für eine Bewertung aus heutiger Sicht keinen Ausschlag (mehr) geben. 355 Zum Ergebnis eines Verwertungsverbotes nach Nichtbelehrung eines Beschuldigten im Ausland kommen auch Schuster, S. 209; LR/Hanack, 25. Aufl., § 136 Rn. 62; Britz, NStZ 1995, 607 (608); Böse, ZStW 114 (2002), 148 (171 f.); a.A: Daamen, S. 71; Keller, FS Fezer, 227 (240). 356 BGHSt 47, 233 (234); BGHR, StPO, § 136 Verwertungsverbot Nr. 5; BayOLG StV 1995, 237 mit ablehnender Anmerkung Dencker, StV 1995, 232; KK/Diemer § 136 Rn. 26; Meyer-Goßner § 136 Rn. 20.

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sichtspunkt, wie ausgeführt, bei nachrichtendienstlichen Ermittlungen nicht berücksichtigt werden darf.357 Vielmehr ist die gesetzgeberische Entscheidung, nämlich die Mitwirkungsfreiheit des Einzelnen dem Aufklärungsinteresse gegenüber als vorrangig einzuordnen, zu beachten. Gleiches gilt für den Fall, dass der handelnde Beamte vorspiegelt, er dürfe den Betroffenen zu einer Aussage zwingen. Auch die Legende eines Polizeibeamten ist untersagt. cc) Form Formvorschriften bestehen regelmäßig nicht. Lediglich im Rahmen der erwähnten besonderen Maßnahmen sind vereinzelt Begründungsanforderungen gestellt. Ein Verstoß gegen ein solches Begründungserfordernis wiegt aber nicht besonders schwer und eine solche Begründung ist nachholbar. Daher führen diese nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.358 d) Materielle Fehler Bei den Verwertungsverboten im Rahmen der StPO zeigt sich, dass bei Verstößen gegen materielle Voraussetzungen in der Regel ein Beweisverwertungsverbot angenommen wird.359 aa) Voraussetzungen G10 Fehlen die materiellen Voraussetzungen für eine G10-Maßnahme, so greift regelmäßig ein Verwertungsverbot.360 Die Eingriffe in Art. 10 GG werden mit spezifischen Gefahren gerechtfertigt. Fehlen diese Voraussetzungen, kann dieser Eingriff schon deswegen nie hypothetisch rechtmäßig erfolgen. Das heißt, fehlt die Katalogtat, der Verdacht oder wurde die Subsidiarität nicht beachtet, führt dies zu einem Beweisverwertungsverbot. Da die Schwere der beobachteten Taten schon die Maßnahmen selbst rechtfertigen, können diese nicht zusätzlich als Argument für die Verwertbarkeit angeführt werden.361 357

Siehe hierzu die Abwägungskriterien S. 166 ff. Zu Entscheidungen zur fehlenden Begründung, selbst bei Maßnahmen nach § 100 a StPO siehe BGHR, StPO, § 100 b Abs. 1 Zustimmung 1; Alsberg/Nüse/ Meyer, Beweisantrag, 5. Auflage, S. 523. 359 Störmer, Grundlagen, S. 229; Amelung, NJW 1991, 2533 (2535 f. mwN). 360 OLG Köln, NJW 1979, 1216 ff.; BGHSt 29, 244 ausdrückliches Beweisverwertungsverbot, ebenso Riegel, § 2 G10 Rn. 3; § 7 Rn. 12; ders., JZ 1980, 757 ff. 361 Siehe S. 100 f. 358

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Fehlt eine wesentliche sachliche Voraussetzung für die Anordnung der Maßnahme nach § 100 a StPO, beispielsweise eine Katalogtat oder ein erlaubtes Ermittlungsziel, so wird die rechtswidrig erlangte Information auch dort als unverwertbar angesehen.362 Diese Auffassung hat zwar zur Folge, dass wichtige Beweismittel zur Aufklärung von Straftaten ungenutzt bleiben müssen, obwohl dem Grundsatz wirksamer Strafrechtspflege Verfassungsrang zukommt.363 Das muss im Interesse eines rechtsstaatlichen Verfahrens jedoch hingenommen werden; die StPO zwingt nicht zur Wahrheitserforschung um jeden Preis.364 Gleiches gilt hinsichtlich der Durchführungsvoraussetzungen: wird hier die angeordnete Frist überschritten, weicht die tatsächliche Überwachung vom Ziel der angeordneten Maßnahme ab, ist die Durchführung unverhältnismäßig oder verstößt gar gegen Abhörverbote, dann dürfen die erlangten Kenntnisse nicht verwertet werden.365 Da die Frist Teil der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ist, ist sie materieller Prüfungsbestandteil. bb) Voraussetzungen BVerfSchG Die „tatsächliche Anhaltspunkte“ stellen, wie gesehen, das „Äquivalent“ zum Tatverdacht beziehungsweise zum Gefahrenbegriff im Sinne einer Mindestbegrenzung im Nachrichtendienstrecht dar. Im Rahmen der StPO wird von einer Unverwertbarkeit bei fehlendem Anfangsverdacht ausgegangen.366 Daher kann man a fortiori folgern, dass auch das Fehlen tatsächlicher Anhaltspunkte zur Unverwertbarkeit führen muss. Denn aufgrund der besonderen Aufgabe der Dienste hat sich der Gesetzgeber mit diesem deutlich geringeren Maßstab begnügt. Wenn nun aber auch dieser nicht vorliegt, stellt das einen gravierenden, rechtswidrigen Grundrechtseingriff dar und die so erlangten Informationen müssen erst recht unverwertbar sein. Während die Dienste zur Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet sind, besteht hinsichtlich des „Wie“ der Ausübung ein Ermessensspielraum.367 Überprüfbar ist dieses Ermessen nur auf Ermessensfehler. Selbstverständ362

BGHSt 31, 304 (306); Meyer-Goßner, § 100a Rn. 35; ähnlich BGHSt 28, 122

(125). 363

BVerfGE 51, 324 (345). BGHSt 14, 358 (365). 365 Zur Verwertbarkeit trotz Fristüberschreitung, siehe BGHR, StPO, § 100 b, Verwertungsverbot 2. 366 Für § 100 a StPO: Meyer-Goßner, § 100 a Rn. 35; für verdeckte Ermittler v. Stetten, S. 195. 367 Siehe hierzu Teil 1, S. 106 f. 364

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lich greift auch hier das Willkürverbot.368 Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nach § 9 Abs. 1 BVerfSchG für alle Maßnahmen gilt, kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen.369 cc) Voraussetzungen BNDG Auch für den BND kann festgestellt werden, dass, soweit ein Verstoß gegen die besonderen materiellen Datenerhebungsvoraussetzungen vorliegt, hieraus ein Verwertungsverbot im anschließenden Prozess folgt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen dem BVerfSchG entsprechen oder sich von diesem unterscheiden. dd) Voraussetzungen MADG Entsprechendes gilt für die materiellen Erhebungsvoraussetzungen aus dem MADG. ee) Besondere Grundrechtseingriffe Wie bereits oben dargelegt, können sich aus den Grundrechten bestimmte Beschränkungen dergestalt ergeben, dass schon (grundrechtliche) Datenerhebungs- oder Übermittlungsverbote bestehen. Diese resultieren allesamt aus der Nähe zu Art. 1 GG beziehungsweise dem sonstigen absolut geschützten Kernbereich der Grundrechte.370 Ein Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses scheidet in diesen Fällen aus. Eine hypothetische Rechtmäßigkeit ist ohnehin nicht denkbar. Wurden die Daten dennoch erhoben beziehungsweise übermittelt, unterliegen sie einem Verwertungsverbot.

368 Zu Beweisverboten wegen willkürlichem Handeln siehe: OLG Koblenz, NStZ 2002, 660; LG Saarbrücken, wistra 2004, 34: Ein Beweisverwertungsverbot wurde jeweils nach durchgeführter Abwägung angenommen, weil die Durchsuchung willkürlich und ohne vorherige Anordnung erfolgte. 369 Verstoß gegen Verhältnismäßigkeit; sogar mit Fernwirkung versehen laut Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (23); BVerfG, NJW 1977, 1489 ff. (Suchtberatung). Hier wird aber bereits deutlich, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht losgelöst betrachtet wird, sondern in Bezug auf bestimmte Grundrechte. 370 Wenn auch ein Verstoß gegen Art. 10 GG grundsätzlich zu einem Beweisverwertungsverbot führen mag, wie laut Dreier/Hermes Art. 10 Rn. 51; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Hofmann, Art. 10 Rn. 11, so muss auch hier zuvor eine Abwägung mit dem Strafverfolgungsinteresse erfolgt sein, ebenso BK/Badura Art. 10 Rn. 89.

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4. Fehler bei der Datenübermittlung Fehler können nicht nur bei der Datenerhebung, sondern auch bei dem darauf folgenden Übermittlungsvorgang unterlaufen. a) Fehlende Übermittlungsgrundlage Da die Informationsübermittlung als Grundrechtseingriff ebenfalls einer Rechtsgrundlage bedarf, ist auch hier bei Fehlen derselben eine Verwertung ausgeschlossen.371 Das Fehlen einer Rechtsgrundlage kann auch nicht mit dem Hinweis, der Gesetzgeber habe nicht genug Zeit zum Handeln gehabt, unter Bezugnahme auf allgemeine Verhältnismäßigkeitserwägungen ignoriert werden. Das Erfordernis von Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe sollte fünfundzwanzig (!) Jahre nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts allgemein bekannt sein. Insofern kann ein Übergangsbonus nicht diskutiert werden.372 Aufgrund der Weite der Übermittlungsgrundlagen373 im nachrichtendienstlichen Bereich erlangt diese Fallkonstellation jedoch praktisch keine Relevanz. b) Formelle Fehler Bezüglich möglicher formeller Übermittlungsfehler sind keine Problempunkte ersichtlich. Zuständig für die Übermittlung ist jede Behörde, welche über die entsprechenden Informationen verfügt. Insbesondere die Zentralstelleneigenschaft des BfV spricht für eine umfassende Zuständigkeit desselben bezüglich Übermittlungen. Besondere Verfahrensvoraussetzungen bestehen nicht, so auch kein Richtervorbehalt374, selbst bei Daten, die aus tiefgreifenden Grundrechtseingriffen stammen. Ebenso wenig wird eine bestimmte Übermittlungsform verlangt.375 Einzige Verfahrensvoraussetzung ist insoweit die Notwendigkeit der richterlichen Rechtmäßigkeitsfeststellung bei § 9 Abs. 2 S. 10 BVerfSchG vor 371 Siehe auch Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (867), nach dem sich die Frage eines Verwertungsverbotes bei fehlender Rechtsgrundlage gar nicht stellt. 372 Unverständlich insoweit Walden, S. 317 (für Zweckänderungen von präventiven Daten zu repressiven Daten); ebenso Störmer, Grundlagen, S. 143 f. 373 Vgl. oben unter S. 112 ff. 374 König, S. 216. 375 Grenze der Übermittlung soll alleine ein dauerhafter Datenverbund sein. Dies stellt jedoch kein Problem der Form dar, sondern vielmehr ein Problem des Ermessens.

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einer Weiterverwendung von Daten aus Maßnahmen zum Eigenschutz der Beamten. In diesen Fällen kann nämlich die Datenerhebungsmaßnahme durch den Präsidenten oder seinen Vertreter angeordnet werden, eine richterliche Anordnung ist nicht erforderlich. Vor der Weiterverwendung der Daten ist aber eine richterliche Rechtmäßigkeitsfeststellung schon grundgesetzlich vorgeschrieben, Art. 13 Abs. 5 S. 1, 2 GG. In diesen Fällen ist aufgrund der besonderen Tiefe des Grundrechtseingriffes eine Kontrolle nach der Maßnahme und vor der Weiterverwendung der Daten zwingend. Fehlt diese, sind hypothetische Rechtmäßigkeitserwägungen zur Sicherung des präventiven Rechtsschutzes wie stets auszuschließen. Entscheidend für die Verwertbarkeit soll nicht die Rechtmäßigkeit allein sein, sondern deren richterliche Feststellung. Auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten ist eine richterliche Entscheidung in diesen Fällen besonders wichtig, da ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vorliegt. Die ursprüngliche Informationserhebung unterlag aufgrund der besonderen Gegebenheiten der Eigensicherung der Mitarbeiter zudem abgeschwächten Erhebungsvoraussetzungen. Aufgrund der Eingriffstiefe kann eine präventive Entscheidung der Exekutive als alleinige Legitimation für die anschließende Verwertung nicht genügen. Das Fehlen dieser nachträglichen Überprüfung entspricht damit dem Verstoß gegen einen Richtervorbehalt. Fehlt daher die anschließende Überprüfung durch einen Richter, unterliegen die Informationen einem Beweisverwertungsverbot. c) Materielle Fehler aa) Allgemeine materielle Übermittlungsvoraussetzungen Hinsichtlich der materiellen Übermittlungsvoraussetzungen gilt das gleiche wie bei den materiellen Erhebungsvoraussetzungen. Wird gegen sie verstoßen, so wird regelmäßig ein Verwertungsverbot anzunehmen sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn gewichtige Individualinteressen geschützt werden sollen und eine hypothetische Rechtmäßigkeit nicht in Betracht kommt.376 In Betracht kommen auch Ermessensfehler. Ein Fall von Ermessensnichtgebrauch wäre es beispielsweise, wenn ein Nachrichtendienst pauschal alle ihm verfügbaren Informationen unter Berufung auf § 19 BVerfSchG weiterübermittelte. Ob hieraus jedoch ein Verwertungsverbot folgen muss, kann nur unter Berücksichtigung des verletzten Individualinteresses entschieden werden. 376 So ein Verwertungsverbot bei einem Rechtsverstoß bezüglich einer Datenübermittlung der Melde- und Ordnungsbehörde an die Strafverfolgungsbehörden verneinend wegen hypothetischer Erlangbarkeit des Beweisergebnisses, OLG Frankfurt am Main, NJW 1997, 2963 (2964).

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Dagegen kann das Fehlen einer spezifischen Straftat nur dann zu einem Verwertungsverbot führen, wenn eine solche unabdingbare Übermittlungsvoraussetzung ist. Dies gilt ausdrücklich nur für G10-Erkenntnisse. Ob dies aber bedeutet, dass bei den übrigen Übermittlungsgrundlagen gleichgültig ist, bezüglich welcher Straftaten beispielsweise nach § 19 BVerfSchG (analog), § 9 Abs. 1 BNDG übermittelt wird, wird noch zu untersuchen sein. Eine für das Strafverfahren nicht erforderliche Übermittlung von Informationen verletzt jedenfalls das Verhältnismäßigkeitsprinzip und ist unzulässig.377 Die übermittelte Information ist daher dann unverwertbar. bb) Verwendungsregel Gegen eine Verwendungsregel kann sowohl die erhebende Behörde verstoßen, indem sie eine unstatthafte Übermittlung vornimmt, als auch der Empfänger, indem er die Information zu einer anderen als durch den Absender oder durch Gesetz aufgelegte Verwendung nutzt. Im Zusammenhang mit dem Vorgang der Datenübermittlung erlangt nur ersteres Bedeutung. (1) Ausdrückliche Verwendungsregel Die Nachrichtendienstgesetze enthalten zahlreiche Verwendungsregeln.378 So dürfen beispielsweise Daten, welche zur Beurteilung der Sicherheitslagen und über Personen, die nicht dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung angehören, erhoben wurden, nach § 6 Abs. 1 S. 2 MADG nicht verwendet werden, es sei denn es liegen tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen oder eine nachrichtendienstliche Tätigkeit vor, so dass die Daten durch das BfV nochmals erhoben werden müssten. Nach § 4 Abs. 5 G10 gilt, dass solche Daten, die ebenfalls übermittelt werden müssen, weil sie entweder nicht oder nur schwer vom Aktenrest trennbar sind, nicht verwendet werden dürfen. Für diese greift ein absolutes Verwendungsverbot.379 Gleiches ergibt sich für bestimmte Daten aus § 8 a Abs. 5 S. 6 BVerfSchG und § 9 Abs. 4 S. 5 BVerfSchG.380 Besonderen Regelungen werden ferner Daten unterworfen, die aus einer Woh377 BVerfGE 56, 37 (53) (Abw. Meinung Richter Dr. Heußner); für Unverhältnismäßigkeit der Übermittlung von Ehescheidungsakten für Disziplinarverfahren vergleiche BVerfGE 27, 344 (354 f.). 378 Für einen Überblick über aktuelle Verwendungsregeln in der StPO, siehe Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 50 (Stand 2008). 379 Ebenso König, S. 275 für § 4 Abs. 5 S. 1 sowie § 7 Abs. 5, 6 durch Verweisung. Der Bundesrat war insoweit für eine Streichung des Verwendungsverbotes eingetreten; ebenso wie bei § 7 Abs. 4 S. 2 G10, dem ist die Bundesregierung jedoch entgegengetreten; BT-Drs. 14/5655, S. 30, 31, 35.

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nungsüberwachung nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG stammen. Diese dürfen nur beschränkt zur Strafverfolgung verwendet werden.381 Auch insoweit gilt, dass zusätzliche Daten, die mit übermittelt werden mussten, mit einem Verwendungsverbot belegt sind (§ 7 Abs. 5 S. 2 HS 2 BVerfSchG). Ferner besteht nach § 7 Abs. 6 G10 eine Zweckbindung bezogen auf den Zweck, zu dem die Daten übermittelt wurden. Dieser gilt für die Verwendung von nach § 8 Abs. 1 G10 erlangten Daten, also aus Beschränkungen im Einzelfall bei bestehender Gefahr für Leib oder Leben einer Person im Ausland, entsprechend, § 8 Abs. 6 i. V. m. § 7 Abs. 5, 6 G10. Eine ausdrückliche Verwendungsregel in Form einer Zweckbindung enthält auch § 19 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG. Danach dürfen die Daten vom Empfänger nur zu dem Zweck verwendet werden, zu welchem sie übermittelt wurden.382 Die bisherige Auslegung hat ergeben, dass ein Verwendungsverbot ein Verbot der unmittelbaren wie mittelbaren Verwertung nach sich zieht. Wird nun entgegen eines solchen Verbotes eine Information in das Strafverfahren übermittelt, stellt sich die Frage, wie sich dies auf das Strafverfahren auswirkt. Eine richterliche Entscheidung zu diesem Thema existiert nicht. Der Bundesgerichtshof wollte schon die Frage, ob eine Verwendungsregel auch ein Weitergabeverbot an andere Stellen enthielte, offen lassen, ebenso wie die Frage, ob ein Verstoß gegen ein solches Verbot zu einem Beweisverwertungsverbot führt.383 Da ein Verwendungsverbot jede Nutzung und Verarbeitung untersagt, ist damit selbstverständlich auch ein Übermittlungsverbot ausgesprochen, da das Übermitteln eine Verarbeitungsart darstellt, § 3 380 Eine weitere Verwendungsbeschränkung wurde durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz (Gesetz zur internationalen Bekämpfung des Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9. Januar 2002 (BGBl. I, S. 361, 3142) aufgehoben. So war ursprünglich die Übermittlung von Daten, die nach § 9 Abs. 1 oder Abs. 2 BVerfSchG gewonnen worden waren gemäß § 9 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG a. F. nur nach Maßgabe der Übermittlungsschwelle des G10-Gesetzes zulässig, § 4 Abs. 3 G10. Die entsprechende Bestimmung wurde aufgehoben, so dass eine Übermittlung heute unproblematisch möglich ist. Eine Beschränkung gilt nur für Informationen nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG n. F. (§ 9 Abs. 2 S. 7). 381 Nach § 9 Abs. 2 S. 10 BVerfSchG i. V. m. § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 gilt dies für die sich aus § 4 Abs. 4 G10 i. V. m. §§ 3, 7 Abs. 4 S. 1 G10 ergebenden Straftaten. 382 Zur Parallele bei Auslandsdaten siehe S. 367 ff. 383 BGH NStZ 1995, 601 (602) im Fall bezogen auf § 25 b POG RP. Allerdings wurde dies zu Unrecht offengelassen, da die Weitergabe von Daten an den Generalbundesanwalt der Verbrechensbekämpfung und damit ausschließlich repressiven Zwecken dient. Das Argument, dass mit dem Vorgang der Strafverfolgung auch präventive Zwecke, nämlich die Verhinderung weiterer Straftaten, verfolgt würden, kann nicht überzeugen, da es die Trennung von Repression und Prävention verwischt.

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Abs. 4 BDSG. Insoweit bleibt kein Raum, die Frage offen zu lassen. Zu fragen ist daher allein danach, was aus einem Verstoß gegen ein solches Verbot für das Strafverfahren folgt. Auf den ersten Blick mag man sich gegen ein automatisches Verwertungsverbot wenden, weil dies dem allgemeinen Grundsatz widerspräche, dass nicht aus jedem Rechtsverstoß ein Verwertungsverbot folgen solle.384 Nach den Grundsätzen der Beweisverbotslehre liegt ein Rechtsverstoß vor und damit müsste eine Abwägung zur Feststellung der Verbotsfolgen stattfinden. Dies entspräche auch der Ansicht Löffelmanns, der die Frage durch Auslegung der jeweiligen Verwendungsvorschrift beantworten will, da das Gesetz insoweit keine Anhaltungspunkte liefere, so dass sich ein Verwertungsverbot aus einem Verstoß gegen ein Verwendungsverbot nicht begründen lasse.385 Jedoch lassen sich hiergegen beachtliche Argumente entwickeln. Es handelt sich, anders als sonst, nicht lediglich um einen Verstoß gegen eine Erhebungsvorschrift, sondern mit der Verwendungsregel wurde auch ein ausdrückliches Verwertungsverbot geschaffen. Wird gegen dieses verstoßen, darf dies nicht folgenlos bleiben. Eine Verwendungsregel hat schließlich sogar weitreichendere Folgen als ein geschriebenes Verwertungsverbot mit Fernwirkung, da zudem die Nutzung als Spurenansatz untersagt wird.386 Daher muss auch ein Verstoß gegen eine Verwendungsregel automatisch ein Verwertungsverbot der Ergebnisse nach sich ziehen: Wenn ein Verwendungsverbot schon ohnehin ein Verwertungsverbot darstellt, muss ein Verstoß gegen eben dieses Verbot entsprechend behandelt werden, da es sonst sinnlos wäre. Anderenfalls wäre zwar eine Übermittlung verboten und so erlangte Informationen dürften in keiner Weise genutzt werden; würden sie es trotzdem, so bliebe dies folgenlos, ein unerträglicher Zustand. Der Unterschied zu den übrigen Beweisverwertungsverboten ist, dass Verwendungsverbote keine bestimmte Art der Datenerhebung oder -übermittlung vorschreiben, sondern bereits ein ausdrückliches Verbot der späteren Nutzung normieren. Dieses darf nicht umgangen werden.387 Aus einem Verstoß gegen ein ausdrückliches und uneingeschränktes Verwendungsverbot folgt also für den Strafprozess ein umfassendes Verwertungsverbot. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz des umfassenden Nutzungsverbotes liegt dann vor, wenn die Vorschrift das Verwendungsverbot ausdrück384 385 386 387

Siehe hierzu S. 155 ff. Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 138. I. E. ebenso Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (891). Zur Reichweite eines solchen Verwertungsverbots siehe S. 281 ff.

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lich auf „Beweiszwecke“ beschränkt, also eine Nutzung als Spurenansatz zulässig bleibt. Mit den Verwendungsregeln ist zugleich eine ausdrückliche Regelung der Zufallsfunde388 im nachrichtendienstlichen Bereich getroffen.389 Dabei passt der Begriff des Zufallsfundes teilweise schon sprachlich nicht auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse.390 Im Bereich der Nachrichtendienste können Zufallsfunde dann vorliegen, wenn die Behörden bei einer operativen Ermittlung außerhalb eines konkreten Verdachtes auf Informationen stießen, die sie nicht erwartet haben391, jedoch gibt es im gesamten Nachrichtendienstrecht wenig Vorschriften, die an ähnliche Voraussetzungen wie einen spezifischen Verdacht geknüpft sind, zum Beispiel der Lauschangriff sowie die Individual-G10-Maßnahmen. In diesen Fällen greifen jeweils Verwendungsregeln, die bestimmen, welche Daten übermittelt beziehungsweise von den empfangenden Behörden verwendet werden dürfen.392 Bei den übrigen Maßnahmen ist schon kein verdachtsähnliches Instrument notwendig. Für die Übermittlung aller Ergebnisse, die erlangt werden, gelten die §§ 19, 20 BVerfSchG (analog beziehungsweise § 9 BNDG). Daraus folgt, dass es keine gesetzlichen Einschränkungen gibt, vielmehr existiert eine Rechtsgrundlage zur Übermittlung auch von Zufallsfunden.393 Hier sei jedoch erneut angemerkt, dass die verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Normen noch zu überprüfen sein werden. Jedenfalls ist somit für die Zufallsfunde, anders als im Strafprozess, eine umfassende gesetzliche Lösung vorgesehen.394

388 Zur Problematik im Rahmen der StPO siehe statt aller umfassend Grawe, S. 65 ff. 389 So bereits Weber, NJW 1973, 1056. 390 Hochreiter, S. 184 f. spricht auch von Zufallsfunden im Zusammenhang mit G10-Erkenntnissen; Paeffgen/Gärditz, KritV 2000, 65 (72) sprechen in Fällen, in denen die Ermächtigungsgrundlage „bewußt darauf abzielt, derartige pseudo-zufällig Funde zu ermöglichen“, von einer „Sprach-Farce“, wenn man solche Erkenntnisse als Zufallsfunde bezeichnet: Da durch die Verwendung der Suchbegriffe die „Daten nicht bloß notgedrungen, sondern gezielt gefunden“ würden, handele es sich folglich nicht um Zufallsfunde (Hervorhebung im Original); ebenso Paeffgen, StV 2002, 668 (670), der auch von der „gezielten Suche (und Weiterleitung) von funktionsüberschreitenden Erkenntnis-„Abfällen“ spricht (675, Hervorhebung durch Verf.). 391 Vgl. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 277. 392 Vgl. hierzu ausdrücklich BT-Drs. 14/5655, S. 23 ff. 393 Dies erkennt auch Gröpl, S. 334 ff. richtig, der in seinem Beispiel auf den BND Bezug nimmt und als Rechtsgrundlage für alle Funde § 9 Abs. 1, 3 BNDG heranzieht. 394 Dies verkennt BVerfG (Kammerbeschluss) NJW 1988, 1075 mit ablehnender Anmerkung Schlink, NJW 1989, 11 ff.

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(2) Indirektes Verwendungsverbot In Betracht kommt ferner ein Verstoß gegen die Löschungspflicht aus § 4 Abs. 1 S. 2 G10, 12 Abs. 2 BVerfSchG (gegebenenfalls i. V. m. § 5 Abs. 1 BNDG, § 7 Abs. 1 MADG) sowie eine Weiterleitung, die trotz bestehender Sperrung beziehungsweise trotz Bestehens einer Sperrpflicht stattfindet.395 Sperren und Löschen sind nach § 3 Abs. 4 S. 1, 2 Nr. 4, 5 BDSG Sonderfälle des Verarbeitens. Verarbeiten wiederum stellt, wie sich aus dem Umkehrschluss zu § 3 Abs. 5 BDSG ergibt, neben der Nutzung eine weitere Variante der Verwendung dar. Hieraus ergibt sich, dass Löschungs- und Sperrpflichten besondere Verwendungsregeln sind. Daher kann man von indirekt normierten Verwertungsverboten sprechen und bei einem Verstoß gegen derartige Vorschriften, wie bei Verwendungsregeln selbst, von einem Verwertungsverbot ausgehen. cc) Übermittlungsverbot Möglich erscheint auch, dass Daten trotz eines bestehenden Übermittlungsverbots in das Strafverfahren gelangen, sei es versehentlich, aus Unkenntnis der Vorschriften oder Missachtung derselben. Ein Verstoß gegen das Übermittlungsverbot aufgrund überwiegenden Individualschutzes nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG führt zu einem Verwertungsverbot im Strafverfahren. Soweit ein Übermittlungsverbot hinsichtlich überwiegender Sicherheitsinteressen beziehungsweise aufgrund einer gesetzlichen Übermittlungsregel bestand, ist hinsichtlich des Schutzzweckes der Norm zu unterscheiden. Zwar besteht auch insoweit eine Verwendungsregel, jedoch dient diese nicht dem Individualschutz. So führt auch im Strafverfahren ein Verstoß gegen § 54 Abs. 1 StPO, der fehlenden Aussagegenehmigung, nicht zu einem Verwertungsverbot.396 Gleiches gilt für die Verwertung eines nach § 96 StPO wirksam gesperrten Beweismittels; auch insoweit greift grundsätzlich kein Beweisverwertungsverbot, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten.397 Da § 23 Nr. 2 und Nr. 3 BVerfSchG regelmäßig nicht individualschützend ist, ist insoweit von einer Verwertbarkeit der übermittelten Information auszugehen. Anhaltspunkte, wonach eine Verwertung aus Gründen der Wahrung der Straflegitimation untersagt sein müsste, sind nicht ersichtlich. 395 396 397

Siehe hierzu bereits S. 123 ff. Siehe Rogall, JZ 1996, 944 (952) m. w. N. LR/Schäfer, 25. Aufl., § 96 Rn. 114.

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Werden evident falsche Daten entgegen dem Übermittlungsverbot übermittelt, so ergibt sich das Verwertungsverbot unproblematisch schon aus ihrer Ungeeignetheit zur Beweisverwertung und somit aus § 244 Abs. 3 S. 2 StPO. Soweit ein Übermittlungsverbot aufgrund der rechtswidrigen Datenerhebung bestand, wurden die möglichen Verwertungsverbote bereits umfassend dargelegt.398 5. Sonderfall strafbares Handeln der Ermittler? a) Auswirkungen auf die Verwertbarkeit? Nachdem die Auswirkungen von rechtswidrigem Verhalten im Allgemeinen erörtert wurden, so stellt sich nun die Frage, ob und gegebenenfalls welche Folgen strafbares Verhalten einer Ermittlungsperson für die Verwertbarkeit einer Information hat.399 Laut Schmidt-Eenboom gibt es hinreichend viele Anhaltspunkte, dass die Nachrichtendienste die Illegalität gelegentlich nicht scheuen.400 Soziologisch belegbar soll zudem die Vermutung regelwidrigen Verhaltens unkontrollierter sozialer Systeme sein, so dass Schatzschneider folgert, dass der Grad der Bereitschaft zu einem informellen oder illegalen Verhalten gerade bei den Geheimdiensten am größten sei.401 Selbstverständlich ist es Mitarbeitern von Nachrichtendiensten ebenso wenig wie sonstigen Staatsdienern erlaubt, im Rahmen ihrer Tätigkeit Straftaten zu begehen.402 Dies gilt jedenfalls für Straftaten nach dem deutschen Strafrecht. Mangels Immunität, im Gegensatz zu den Nachrichtendiensten bestimmter anderer Länder403, sind sie wegen begangener Straftaten verfolgbar und können bestraft werden. Hingegen besteht ein vergleichbares Verbot, aus deutscher Sicht, nicht für ausländische Strafgesetze, da die Auslandsaufklärung regelmäßig gegen ein im Ausland geltendes Spionagever398

Siehe zuvor S. 192 ff. Es handelt sich dabei auch um ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot, da eine Strafbarkeit mindestens verlangt, dass die Handlung ohne Rechtsgrundlage beziehungsweise unter Verstoß gegen die formellen oder materiellen Voraussetzungen begangen wurde; nicht hingegen ist damit gesagt, dass jede Handlung unter Verstoß gegen die Rechtsgrundlage zugleich eine Straftat darstellt. Dies mag häufig, jedoch aufgrund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts nicht immer der Fall sein. 400 Schmidt-Eenboom, Geheimdienste in Demokratien, S. 22. 401 Schatzschneider, S. 38. 402 Zur ausdrücklichen Regelung in einzelnen Landesgesetzen siehe z.B: § 6 Abs. 7 Bbg VerfSchÄG, § 6 Abs. 8 NVerfSchG, § 8 Abs. 3 S. 1 LVerfSchG SH. 403 Anders z. B. in Israel, siehe hierzu S. 344 ff. 399

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bot verstößt und zugleich der Aufklärungsbefehl der im Ausland tätigen Nachrichtendienste selbiges verlangt.404 aa) Parallele: Auswirkungen der Strafbarkeit von Privatpersonen? Eine ähnliche Problematik stellt sich in Fällen, in denen Privatpersonen Beweismittel durch die Begehung von Straftaten erlangt haben. Typisch ist hierfür das heimliche Aufzeichnen von Gesprächen, also eine Strafbarkeit nach § 201 StGB. Zur Begründung eines Verwertungsverbotes geht der Bundesgerichtshof nicht auf die Strafbarkeit der Privatperson ein, sondern stellt allein auf die Grundrechtsbeeinträchtigung durch Verwertung in der Hauptverhandlung ab.405 In einem ähnlich gelagerten Fall einer Strafbarkeit nach § 201 StGB, in welchem der aufgezeichnete Anruf von einem Polizeipräsidium in Gegenwart eines Kriminalbeamten stattfand, stellt der Bundesgerichtshof dagegen kurz die Strafbarkeit der Privatperson nach § 201 StGB fest und führt danach aus, dass mangels geschriebenen Beweisverwertungsverbots Beweisverbote aus dem Grundgesetz abgeleitet werden und, da das Rechtsstaatsprinzip die Provokation zur Selbstbelastung verbiete und dies einem Verstoß gegen die materiellen Voraussetzungen des § 100 a StPO gleichkomme, ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sei.406 Dies ist vor allem deswegen interessant, da in dieser Konstellation auch eine strafbare Teilnahmehandlung des Beamten relevant wurde, und der Bundesgerichtshof daher nicht lediglich den Grundrechtseingriff durch die Verwertung überprüft, sondern bereits auf die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung abstellt. Bei Aussagen von Personen, die sich auf die §§ 53, 53 a StPO berufen könnten, geht die h. M. von einer Verwertbarkeit dieser Aussagen aus, auch wenn sich der Aussagende nach § 203 StGB strafbar gemacht hat.407 Dies 404 Zu den sich in diesem Zusammenhang stellenden völkerrechtlichen Fragen, siehe Teil 3, S. 313. 405 BGHSt 14, 358 (364 f.). Das Gericht stellte insoweit wieder auf die Selbstbelastungsfreiheit ab. 406 BGHSt 31, 304 (307 ff.). 407 BGHSt 9, 59; 15, 200 (202); BGHR, StPO, § 53 Schweigepflicht Nr. 1; Meyer-Goßner § 53 Rn. 50. Damit greift die sogenannte „Einheitstheorie“ (so bezeichnet von Tenckhoff, JR 1981, 255 (257); Störmer, Grundlagen, S. 118), wonach die Verwertbarkeit des Beweismittels von der Strafbarkeit des „Täters“ abhängen soll, nicht. Materielle Rechtswidrigkeit und Unverwertbarkeit im Strafprozess decken sich nicht, so auch Dencker, S. 106 ff.; Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1542); Störmer, Grundlagen, S. 118 f. Darüber hinaus ist bei rechtmäßigem Handeln dennoch ein selbstständiges Verwertungsverbot denkbar, so auch Schroth, JuS 1998, 969 (980); BVerfGE 34, 238 (243 f.); BGHSt 34, 397 ff.; Tenckhoff, JR 1981, 255

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zeigt, dass materielles Recht und Prozessrecht nicht vollständig übereinstimmen, so dass die Erfüllung eines Straftatbestandes nicht unbedingt die Verwertbarkeit einer Aussage berühren muss.408 In der Rechtsprechung spielt die Strafbarkeit von Privatpersonen bei der Beurteilung von Beweisverboten daher keine Rolle, entscheidend ist allein der Grundrechtseingriff. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Beihilfehandlung eines Staatsorgans gegeben ist.409 In der Literatur findet sich dagegen auch die Ansicht, dass die Strafbarkeit einer Privatperson durchaus von Relevanz für die Beweisverwertung sein kann. Dadurch, dass der Staat sich durch das „Zunutzemachen“ der illegal erworbenen Informationen zum „Hehler des Beweismaterials“ mache, handele er seiner Schutzpflicht zuwider, was durch ein Beweisverwertungsverbot verhindert werden müsse.410 Das Bild des Staates als Hehler mag dabei anschaulich sein, trägt zur Problemlösung aber nichts bei. Unabhängig von der Rechtsfrage, ob in solchen Fällen tatsächlich die Straftat der Hehlerei verwirklicht wäre, könnte dies nur Einfluss auf die Frage der Verwertbarkeit haben, wenn sich die Strafbarkeit auf die Beweisverwertung auswirkte, was gerade zu prüfen ist. Also handelt es sich bei diesem Argument um einen Zirkelschluss. Schwerer wiegt der Hinweis auf eine vermeintliche Schutzpflichtverletzung. Richtig ist, dass aus den Grundrechten Schutzpflichten abgeleitet werden können und der Staat diesen auch gegenüber den Bürgern genügen muss.411 Er ist daher verpflichtet, diese vor Straftaten anderer zu schützen. Daraus soll sich nun auch ergeben, dass er sie vor den mittelbaren Folgen einer Straftat schützen müsste, also vor der Verwertung der daraus erlangten Beweise. Die Forderung, aus einem privaten Rechtsverstoß müsse ein prozessuales Verwertungsverbot folgen, übersieht jedoch bereits, dass sich diese Schutzpflicht in erster Linie an den Gesetzgeber richtet und dass die(257). Begründet wird dies damit, dass nur ein Recht verliehen werde, nicht hingegen eine Verpflichtung zur Zeugnisverweigerung, LR/Ignor/Bertheau § 53 Rn. 12. Dagegen ist festzustellen, dass die Befugnisnormen an alle Staatsorgane nicht nur die Berechtigung zu einer Handlung enthalten, sondern ebenso die Verpflichtung das nicht legitimierte Handeln zu unterlassen. Ebenso enthält zwar nicht § 53 StPO, wohl aber § 203 StGB, wie jede Strafnorm, den Normbefehl, das dort bestrafte Handeln zu unterlassen. 408 Haffke, GA 1973, 65 ff. 409 Siehe BGHSt 31, 304 ff. 410 Schmidt-Leichner, 46. DJT, 1966, Band II, F 139; Schroeder, StPO, § 15 Rn. 143; Rogall ZStW 91 (1979), 1 (20, 41), anders Rogall in: Höpfl/Huber, 119 (145). 411 BVerfGE 39, 1 (41); 46, 160 (164 f.); 49, 89 (142); 53, 30 (57); Stern, Staatsrecht III/1 § 69 IV.

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sem darüber hinaus ein Ermessenspielraum zusteht, wie diese Pflicht zu erfüllen ist.412 Zwar hat der Gesetzgeber nun für die Verwertungsverbote absichtlich keine Regelung getroffen, sondern diese der Rechtsprechung und der Literatur überlassen, so dass sich in diesem Fall die Schutzpflicht an die Judikative richten könnte.413 Dann müsste aber außerdem eine „ausreichende generalpräventive Wirkung“ zur Verhinderung der Selbstjustiz gerade nur durch Verwertungsverbote erreicht werden können.414 Schon fraglich erscheint, ob die Schaffung von Verwertungsverboten überhaupt zur Generalprävention beiträgt. So ist zweifelhaft, ob jemand, der die Strafandrohung des StGB nicht scheut, sich durch ein Verwertungsverbot von seinem Verhalten abhalten lässt – schon für die Strafverfolgungsorgane wurde eine erfolgreiche Disziplinierung als Funktion der Verwertungsverbote verneint. Dies kann aber dahinstehen, wenn bereits die Schaffung von Strafnormen und die dadurch drohende Strafbarkeit für den Einzelnen der Schutzpflicht Genüge tut.415 Der Gesetzgeber als Hauptadressat der Schutzpflicht verstößt gegen diese erst, wenn seine Regelungen offensichtlich ungenügend sind; ihm steht eine weite Einschätzungsprärogative zu.416 Das Strafrecht dient sowohl der Repression als auch der Prävention von Straftaten417 und Strafnormen enthalten das unbedingte Verbot der mit Strafe bedrohten Handlung.418 Dass das deutsche Strafrecht offensichtlich ungenügend wäre, seine Aufgabe zu erfüllen, ist nicht feststellbar. Es wird auch stets an veränderte Situationen angepasst, wie zum Beispiel die Terrorismusgesetzgebung, und fortentwickelt. Damit liegt ein Verstoß gegen die Schutzpflicht des Staates insoweit nicht vor. Ein Beweisverwertungsverbot kann auch nicht aus dem Argument der Schutzpflicht hergeleitet werden. Die abweichenden Literaturmeinungen können daher nicht überzeugen. Es bleibt daher festzuhalten, dass die Strafbarkeit von Privatpersonen für die Beweisverwertung unerheblich ist.419 412

So auch Störmer, Grundlagen, 126. Stern, Staatsrecht III/1 § 69 IV 6 c. 414 SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 13. 415 Dies bejahend Störmer, Grundlagen, S. 127. 416 BVerfGE 46, 160 (164); 39, 1 (44). 417 Ähnlich auch Rogall in: Höpfl/Huber, 119 (145), der anerkennt, dass die Rechtsordnung den Verstoß bereits anderweitig ausreichend bestrafe, zum Beispiel mit Mitteln des Strafrechts – dies könne als Argument für die Verwertung nach rechtswidrigem Vorgehen von Privatpersonen (!) angeführt werden; ebenso Störmer, Jura 1994, 621: ein Strafrechtsverstoß zieht einzig die dort normierten, materiellrechtlichen Folgen nach sich. 418 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 28. 419 Auch Kleinknecht weist für Rechtsverstöße Privater ausdrücklich auf die materiell-strafrechtlichen wie zivilrechtlichen Sanktionen hin, NJW 1966, 1537 (1542). 413

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bb) Auswirkungen der Strafbarkeit von Amtsträgern Zur Bedeutung der Strafbarkeit von Beamten im Rahmen der Beweisverwertungsverbote sind zwei Meinungen zu finden. Während die einen aus der Straftat Beweisverwertungsverbote unmittelbar folgen lassen wollen, soll anderer Ansicht nach die Strafbarkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sein. Nach ersterer Ansicht fehlt die Legitimation zum Strafen, da die Aufklärung möglicher Straftaten durch Begehung von Straftaten durch staatliche Organe rechtsstaatlich nicht tolerabel sei.420 Dies soll sich auch aus zwei Gerichtsentscheidungen ergeben421, die die Behauptungen jedoch nicht tragen, da sie sich lediglich allgemein mit Verwertungsverboten bei rechtswidrigen Durchsuchungen beschäftigen und eventuelle Strafbarkeiten der Ermittlungsorgane nicht einmal erwähnen. Der Straftat soll jedenfalls entscheidende Relevanz bei der Zulässigkeit der Beweisverwertung zukommen.422 Anderer Auffassung zufolge soll die Strafbarkeit lediglich im Rahmen der Abwägung zur Beurteilung der Schwere des Verstoßes zu berücksichtigen sein.423 Welche Ansicht vorzugswürdig ist, soll nun untersucht werden. Eine durch eine Straftat erlangte Information ist zweifellos rechtswidrig erlangt. Ob sie allerdings eine gesonderte verwertungsrechtliche Beurteilung erfordert, hängt davon ab, ob man der strafrechtlichen Gewinnung eine über das allgemeine Unrecht einer rechtswidrigen Beweisgewinnung hinausgehende Bedeutung in Bezug auf die Verwertbarkeit der so erlangten Beweise zumisst. Selbstverständlich unterscheidet sich aufgrund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts, welches nur besonders gravierende Verhaltensverstöße mit Strafe belegt, die Kategorie „Straftat“ erheblich von einem sonst unrechtmäßigem Verhalten. Ob hieraus jedoch in allen Fällen zwingende Konsequenzen für den Strafprozess und damit die Beweisverwertung abzuleiten sind, ist damit noch nicht entschieden. Ein Beweisverwertungsverbot kann zwei unterschiedlichen Funktionen dienen.424 Die Funktion des Individualschutzes ist dann tangiert, wenn die 420 Amelung, FS Roxin, 1259 (1270); ders., Informationsbeherrschungsrechte, S. 21 ff.; ebenso Müssig, GA 1999, 119 (138 f.); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (890). 421 BGH NStZ 2004, 449; BVerfG NStZ-RR 2004, 143. 422 Kölbel, NStZ 2008, 241 (242). 423 Sieber, NJW 2008, 881 (886); Rogall, JZ 2008, 818 (828); Bruns, StraFo 2008, 189 (191); Trüg/Habetha, NStZ 2008, 481 (490) sogar mit Fernwirkung; dies., NJW 2008, 887 (890). 424 Siehe oben S. 149 ff.

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Beweisgewinnung eine Straftat gegen ein Individualrechtsgut des Beschuldigten darstellt. Dagegen ist regelmäßig kein Drittschutz dergestalt bezweckt, dass rechtswidriges Verhalten gegenüber Dritten den Strafprozess beeinflussen könnte, so dass ein Verwertungsverbot selbst bei einer Straftat gegen ein Individualrechtsgut eines Dritten fernliegt. Liegt dagegen eine Straftat gegen ein Individualrechtsgut des Beschuldigten vor, ergeben schon die allgemeinen Abwägungskriterien, dass aus diesem Verhalten regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot folgt: Eine Rechtsgrundlage für ein derartiges Verhalten fehlt entweder gänzlich oder deren sachliche Voraussetzungen sind überschritten, da ansonsten eine Rechtfertigung des Verhalten gegeben wäre. Auch die Kausalität der Handlung zur Rechtsverletzung liegt vor, da dies zugleich Voraussetzung für das Vorliegen einer Straftat ist. Erwägungen der hypothetisch rechtmäßigen Erlangung der Beweise müssen regelmäßig ausscheiden, da Strafnormen auch einen präventiven Zweck verfolgen und zu dessen Schutz auf hypothetische Erwägungen in Fällen von vorsätzlichem und bewusst fahrlässigem Handeln verzichtet werden muss.425 Mit der Unterscheidung von Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten ist zudem ein weiterer, für die Beweisverwertung entscheidender Aspekt angesprochen. Denn nur ein bewusster Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift führt regelmäßig zu einem Beweisverwertungsverbot, fahrlässige Verstöße hingegen nur in Ausnahmefällen. Somit wird eine vorsätzliche Straftat gegen ein Individualrechtsgut des Beschuldigten regelmäßig ein Verwertungsverbot nach sich ziehen, bei einer Fahrlässigkeitstat werden weitere Umstände zu berücksichtigen sein. Unter Berücksichtigung der generalpräventiven Funktion der Beweisverwertungsverbote in besonders gravierenden Fällen sind zudem Beweisverwertungsverbote dann denkbar, wenn die begangene Straftat derart schwerwiegt, dass sie dem Verfahren die Legitimation einer Fortführung entzieht; dies gilt dann auch für Straftaten gegen Dritte oder die Allgemeinheit.426 Entscheidend ist jedoch diese Einordnung eines Verhaltens als Straftat auch hier nicht. Sie dient lediglich als Indiz für das Vorliegen eines Verwertungsverbotes. Relevant sind einzig, wie auch sonst, die anzuwendenden Abwägungskriterien. Die Kategorie der Straftat selbst ist zu undifferenziert, als dass sie als Abwägungs- oder gar Entscheidungskriterium fungieren könnte. Denn ob ein Verhalten eine Straftat darstellt, hängt stets von weiteren, für die Beweisverwertung unerheblichen Faktoren ab. Strafbares Verhalten knüpft einerseits an verschiedene Tatbestände an, aber auch an die persönliche Schuld. Schuldhaftes Handeln dagegen ist für die Beurteilung 425

Siehe oben S. 166 ff. Auch Otto, FS Kleinknecht, 319 (338) hält fest, dass sich ein Verwertungsverbot nur aus generalpräventiven Gründen ergeben könnte. 426

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der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung irrelevant. Bei Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums wegen gutem Glauben der handelnden Organe427 oder eines Verbotsirrtums, kann eine Strafbarkeit auch bei fehlender Rechtsgrundlage ausscheiden, obgleich die erlangten Informationen mangels Rechtsgrundlage unverwertbar wären. Der gute Glaube allein hat keine Auswirkungen auf die Verwertbarkeit, da, wie bereits oben gezeigt, nur ein bewusster Rechtsverstoß gegen eine Verwertbarkeit spricht, nicht hingegen guter Glaube für eine solche.428 Scheitert die Strafbarkeit hingegen an einem zusätzlich eingreifenden Rechtfertigungsgrund, zum Beispiel §§ 32, 34 StGB, so hängt, soweit man diese nicht schon grundsätzlich unanwendbar für Amtsträger hält429, die Verwertbarkeit davon ab, ob diese materiellen Strafunrechtsauschließungsgründe auch zu einer öffentlichrechtlichen Legitimation im Sinne einer Rechtsgrundlage führen. Auch insoweit hängt die Verwertbarkeit nicht von einer Strafbarkeit oder Straflosigkeit ab, sondern allein von der Frage, ob strafrechtliche Rechtfertigungsgründe als öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlage dienen können.430 Ist die Ermittlungshandlung jedoch aufgrund einer Ermittlungsgeneralklausel gerechtfertigt, so entfällt bei strafbarem Verhalten die Rechtsgrundlage, da die Generalklausel ihre Grenzen in strafbarem Handeln findet. Diese Analyse steht auch nicht im Widerspruch zu der fehlenden Bedeutung der Strafbarkeit des Verhaltens einer Privatperson. Die Strafbarkeit des handelnden Beamten hat nur insofern unmittelbare Auswirkungen, als es sich dadurch um eine rechtswidrige Beweisgewinnung handelt, so dass ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot möglich ist, dessen Vorliegen durch Abwägung unter Zugrundelegung der ermittelten Abwägungsparameter ermittelt werden müssen. Jedoch hat die konkrete Anwendung dieser Kriterien gezeigt, dass in Fällen, in welchen ein Individualrechtsgut des Beschuldigten vorsätzlich verletzt wurde, ein Beweisverwertungsverbot greifen wird. Handelt dagegen ausschließlich eine Privatperson rechtswidrig, beeinflusst dies den Vorgang der Beweisgewinnung nicht und hinsichtlich der Verwertung ist eine Abwägungsentscheidung zu treffen, also zu fragen, ob ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot greifen muss.431 Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich nur bei 427 Zur Frage eines allgemeinen „strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriffs“ wie im Rahmen des § 113 StGB, siehe Schönke/Schröder/Lencker Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 86. 428 Siehe hierzu S. 164 ff. 429 Siehe hierzu und zum folgenden mit weiteren Nachweisen zum Streitstand, MüKo/Erb § 32 Rn. 166 ff. 430 Siehe hierzu ebenfalls MüKo/Erb § 32 Rn. 166 ff. 431 Zu den hier relevanten Abwägungskriterien siehe S. 164 ff., 179 ff.

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Beteiligung eines Staatsorgans am rechtswidrigen Gewinnungsvorgang auf eben diesen bezieht.432 Man kann dem auch nicht entgegensetzen, dass es keinen Unterschied zwischen dem rechtswidrigen Verhalten des Staates und Privater gebe, da der Staat in beiden Fällen Unrecht ausnutze.433 Denn es ist sehr wohl ein Unterschied, ob der Staat sich auf eigenes (weil staatliches) Unrecht stützt oder auf fremdes (weil privates). Denn nur in letzterem Fall kann man von Ausnutzen sprechen; in den übrigen Fällen begeht der Staat durch seine Beamten Unrecht. Daher ist auch eine unterschiedliche Beurteilung der Konstellationen gerechtfertigt. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Kategorie der Straftat grundsätzlich ungeeignet ist, daraus unmittelbare Folgerungen für ein Verwertungsverbot zu ziehen. Soweit ein Beweismittel jedoch durch eine Vorsatztat erlangt wurde, ist dies jedenfalls ein starkes Indiz für dessen Unverwertbarkeit. b) Exkurs: Die Liechtenstein-Affäre Zur Vervollständigung der Ausführungen zu den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten als Folge möglicher Rechtsfehler der deutschen Nachrichtendienste soll auch die sogenannte „Liechtenstein-Affäre“ nicht unerwähnt bleiben. Die Affäre um die Daten aus Liechtenstein berührt zahlreiche Problemkreise: es stellen sich Fragen des materiellen Strafrechts, des Völkerrechts und auch der Beweisverwertung.434 Nach dem derzeitigen Sachstand ist davon auszugehen, dass der ehemalige Mitarbeiter der Liechtensteiner LGT-Bank Kieber dort Daten digitalisierte und dann auf eine DVD kopierte, die auf Kundenbeziehungen mit Deutschen hinweisen, wobei teilweise von mehreren tausend deutschen Steuerbürgern gesprochen wird. Diese Datensätze wurden dann von der Bundesrepublik Deutschland gegen ein Entgelt von 4,2 Millionen Euro erworben. Beteiligt waren daran jedenfalls Mitarbeiter des BND und der Wuppertaler Steuerfahndung. Unklar ist insbesondere der genaue Umfang 432

Siehe zuvor S. 211 ff. Wolter, Grundrechtliche Beweisverwertungsverbot in: Einwirkungen, 319 (328); außerdem stellt er rechtswidriges und strafrechtswidriges Handeln der Strafverfolgungsorgane gleich, a. a. O., S. 324. 434 Sowie Fragen um die Nachfolgevorgänge, wie zum Beispiel warum die Medien scheinbar vorab von einer Hausdurchsuchung bei einem prominenten Beschuldigten informiert waren und daher live zugegen sein konnten, siehe hierzu ausführlich Stahl/Demuth, DStR 2008, 600 (601 ff.). 433

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der jeweiligen Beteiligung. Das ursprüngliche Angebot soll per Email an den BND gegangen sein.435 Laut Angaben des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ soll der BND daraufhin die Wuppertaler Steuerfahndung informiert haben, zwei Treffen vermittelt und für deren Geheimhaltung gesorgt haben.436 aa) Zulässigkeit der einzelnen Handlungen Zu beurteilende Handlungen sind die Rechtmäßigkeit des Datenempfangs und der Weitergabe, der Vermittlungshandlungen und des Datenkaufs. Hier mag man auf die Idee kommen, zunächst zu fragen, ob die Zuständigkeit des BND eröffnet war.437 Dies ist aber nur dann notwendig, wenn der BND seine Befugnisse anwenden will. Sich ein Angebot anzuhören, also der passive Empfang desselben sowie dessen Weitergabe, fällt nicht hierunter. Nach dem obigen Sachverhalt hat der BND lediglich Amtshilfe für die Steuerbehörde geleistet, nämlich durch Datenweitergabe und anschließende Unterstützung mit Personal, Know-how und Material. So ist daher richtigerweise zwischen der unselbstständigen Hilfeleistung im Rahmen der Datenweitergabe und des Datenkaufs und einer unzulässigen aktiven Verhandlungsmitwirkung zu unterscheiden.438 Nur über die bloße Hilfeleistung hinausgehende, eigenständige Handlungen, etwa ein eigenständiger Datenkauf mit lediglich anschließender Weitergabe an die Steuerbehörde, sind unzulässig, soweit keine eigene Zuständigkeit des BND begründet werden kann.439 Daher könnte die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel trotz Unzuständigkeit zu einem Verwertungsverbot führen. Jedoch ist nach dem derzeitigen Sachverhalt gerade von keinem eigenen Datenerwerb des BND auszugehen, sondern von einem Fall der Amtshilfe.440 Zur Anwendung eigener Mittel müsste hingegen die Zuständigkeit des BND eröffnet sein; es müsste sich also um außen- und sicherheitspolitische 435 Zum Sachverhalt vergleiche Bruns, StraFo 2008, 189 (190); Kölbel, NStZ 2008, 241 sowie ausführlich, Balzli/Bartsch/Kurbjuweit/Neumann/Schmid/Stark, Der Spiegel 09/2008, S. 30 ff. 436 Der Spiegel 9/2008, S. 30 ff. Laut Kelnhofer/Krug, StV 2008, 661 (662) soll dagegen der BND die Daten als Amtshilfe gekauft haben, wobei der aufgewendete Betrag in Höhe von 5 Mio. e nach Eintreibung der vermutlich gekürzten Steuern erstattet werden sollte. 437 So Sieber, NJW 2008, 881 (882). 438 Kölbel, NStZ 2008, 241 (244); im Ergebnis wohl ebenso Sieber, NJW 2008, 881 (885). 439 Zur Reichweite siehe auch Sieber, NJW 2008, 881 (885). 440 Vgl. auch die Batliner-Affäre, siehe hierzu Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1356).

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Auslandsaufklärung gehandelt haben. Selbst wenn man hierzu die Beobachtung der Organisierten Kriminalität und der dazugehörigen Finanzströme zählt, war dies nach den bekannten Angaben im vorliegenden Fall nicht erfüllt.441 Nicht zutreffend dagegen ist es, im vorliegenden Falle eine Zuständigkeit des BND als gegeben anzusehen, weil auch ausländische Kontodaten erlangt worden seien, die für andere ausländische Dienste von Interesse seien.442 Allein für den Fall, dass „sich die Mitteilungen des Hinweisgebers allein auf deutsche Steuerhinterziehungen und nicht mehr auf Konteninformationen zu den vorgenannten Deliktsbereichen“ bezögen, sei eine Zuständigkeit abzulehnen.443 Für die Eröffnung der Zuständigkeit des BND genügt aber der reine Auslandsbezug nicht. Nach den vorliegenden Sachverhaltsangaben lässt sich eine Zuständigkeit des BND nicht begründen. Hätte der BND folglich die Amtshilfegrenze überschritten, handelte er bereits zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig. Hierfür fehlen aber vorliegend Anhaltspunkte. Auch die Zulässigkeit der Datenweitergabe an die Finanzbehörden wird unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 1, 3 BNDG diskutiert, dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.444 Allerdings ist dieser richtigerweise wiederum nur einschlägig, wenn die Daten mit nachrichtendienstlichen Methoden erhoben worden sind. Handelt es sich um Erkenntnisse, die dem BND „einfach“ mitgeteilt werden, so können diese grundsätzlich auf Basis des § 15 BDSG weiterübermittelt werden. Im konkreten Fall bot sogar § 116 AO eine spezielle Rechtsgrundlage, die die Weiterübermittlung ausdrücklich gestattet.445 Da § 9 BNDG schon nicht einschlägig ist, kann er auch die Anwendung anderer Normen nicht ausschließen.446 Auch wenn Sieber dies grundsätzlich anerkennt, so sieht er doch eine Beschränkung der Verwertungsbefugnisse als geboten, soweit „die Erlangung der Probedaten auf nachrichtendienstlichen Befugnissen des BND zum entgeltlichen Erwerb strafrechtlich geschützter Informationen beruhte und eine notwendige Zwischenstufe für den DVD-Erwerb war“.447 Sollte dies der Fall gewesen sein, 441 Kölbel, NStZ 2008, 241 (243); ebenso Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (889); diess., NStZ 2008, 481 (489). 442 Sieber, NJW 2008, 881 (882). 443 Sieber, NJW 2008, 881 (882); ebenso Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1357) mit Betonung des Geldwäscheaspekts. 444 Zur vermeintlichen Kompetenzüberschreitung nach dessen Auffassung siehe Schünemann, NStZ 2008, 305 ff.; ebenso Kelnhofer/Krug, StV 2008, 661 (665). 445 A. A. Kelnhofer/Krug, StV 2008, 661 (665), die dies als Umgehung der Kompetenzschranken des § 9 BNDG werten, die jedoch, wie oben dargelegt, nicht einschlägig sind. Zu den Voraussetzungen einer Übermittlung nach § 116 AO siehe auch OLG Frankfurt, NStZ 1996, 196. 446 Sieber, NJW 2008, 881 (882). 447 Sieber, NJW 2008, 881 (882).

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hätte wiederum zunächst die Zuständigkeit des BND eröffnet sein müssen, so dass er seine Befugnisse anwenden durfte. Nur in diesem Falle wäre § 9 BNDG für die Weiterleitung einschlägig gewesen. Nach dem jetzigen Sachstand war die Datenweitergabe aber zulässig. Die Rechtmäßigkeit des Datenkaufs sowie der zu diesem Zweck stattfindenden Unterstützungshandlungen des BND beurteilt sich allein nach den Befugnissen der Steuerbehörde, da der BND im Wege der Amtshilfe handelte und daher nicht auf seine eigenen Befugnisse, sondern auf die der Steuerbehörde abzustellen ist. Die Zulässigkeit der Amtshilfe des BND für die Steuerbehörde ergibt sich aus § 111 AO, Art. 35 GG.448 Die Zuständigkeit der Steuerbehörde war aufgrund des gegebenen Sachverhaltes eröffnet. Die Befugnis der Steuerfahndung beziehungsweise der BuStra für ihre Ermittlungsmaßnahmen ergibt sich aus §§ 399 Abs. 1, 404 AO i. V. m. §§ 161, 163 StPO.449 Soweit erscheint das Verhalten der Behörden zulässig. Auch die Geldzahlung für Informationen ist als solche rechtlich unproblematisch, da es sich um die Entlohnung eines Informanten, eines V-Mannes handelt.450 Zu berücksichtigen ist aber, dass nach dem oben geschilderten Sachverhalt eine Strafbarkeit der handelnden Organe im Raum steht. Soweit man diese ablehnt451, waren die oben erwähnten Handlungen unproblematisch aufgrund der angeführten Rechtsgrundlagen zulässig. bb) Strafbarkeit der Beteiligten Kieber hat sich sowohl nach deutschen als auch nach liechtensteinischem Strafgesetzbuch strafbar gemacht. Während in Liechtenstein die §§ 123, 124 Liechtensteiner Strafgesetzbuch nach h. M. unproblematisch eine Strafbarkeit des Mitarbeiters wegen Preisgabe eines Geschäftsgeheimnisses, zu dessen Verwahrung er verpflichtet war, an das Ausland vorliegt452, wird in Deutschland über die einschlägigen Strafnormen diskutiert.453 448 Dass die Beteiligung des BND in solchen Fällen keineswegs zwingend ist, sondern aus deutscher Sicht eher zufällig erfolgte, weil sich der Informant zuerst an diesen wendete, zeigt der Fall der Daten aus der Schweiz, bei welchem die deutschen Nachrichtendienste nach dem bisherigen Kenntnisstand keine Rolle spielten, siehe hierzu Ambos, F.A.Z. vom 11. Februar 2010, S. 6. 449 So erfreulich sachlich bei Kölbel, NStZ 2008, 241 (243). 450 Siehe hierzu bereits S. 38 ff. 451 So zum Beispiel Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1356). 452 Kölbel, NStZ 2008, 241 (242); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308). 453 Zur Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts aufgrund des Territorialitätsprinzips nach §§ 3, 9 StGB, siehe Sieber, NJW 2008, 881 (883).

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Offensichtlich unsinnig sind Ansichten, die eine Hehlerei nach § 259 StGB vorschlagen, da es schon an der Sacheigenschaft der Daten fehlt, allein für den Fall, dass die DVD, auf welcher die Daten gespeichert wurden, im Eigentum eines anderen, also möglicherweise der LGT Bank stand, kann diese Norm einschlägig sein.454 Diskussionswürdig ist die Frage einer Strafbarkeit nach § 17 UWG und zwar wegen Ausspähung von Daten und Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, 2 UWG.455 § 17 UWG schützt den Unternehmensinhaber vor einer Verletzung seiner Geschäftsund Betriebsgeheimnisse und zugleich den Wettbewerb vor Verfälschung.456 Hierbei ist zunächst fraglich, ob es sich bei den übermittelten Informationen überhaupt um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im Sinne der Vorschrift handelt. Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers, der auf einem ausreichenden wirtschaftlichen Interesse beruht, geheim gehalten werden soll.457 Umstritten ist nun, ob das wirtschaftliche Interesse nun rein tatsächlich zu bestimmen ist oder normativ, mit der Folge, dass nur ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse gilt und somit rechtswidrige Geheimnisse vom Schutzumfang ausgenommen sind458. Gegen die Einbeziehung wird vorgebracht, dass ein rechtswidriges Geheimnis keinen Geheimhaltungswert besitze sowie dass das Strafrecht kein Mittel zur Verdeckung strafbarer Handlungen zur Verfügung stellen dürfe.459 454 So auch Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Trüg/Habetha, NJW 2008, 887. 455 Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Sieber, NJW 2008, 881 f. Nach dem derzeitigen Sachstand stand er nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Bank, so dass § 17 Abs. 1 UWG ausscheidet. Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (888 f.) bejahen auch § 257 StGB, der aber wegen § 257 Abs. 3 StGB eventuell subsidiär wäre, Sieber, NJW 2008, 881 (884). Ebenfalls subsidiär ist § 261 Abs. 1 Nr. 4 a, Abs. 9 S. 2 StGB, siehe hierzu sowie zu § 202 a StGB, Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Schünemann, NStZ 2008, 305 (309); Sieber, NJW 2008, 881 (883 ff.). 456 Hefermehl/Köhler/Bornkamm/Köhler § 17 UWG Rn. 2; Erbs/Kohlhaas/Diemer § 17 UWG Rn. 2. 457 BGH GRUR 55, 424 (425); GRUR 61, 40 (43); GRUR 06, 1044 (1046); Hefermehl/Köhler/Bornkamm/Köhler § 17 UWG Rn. 4; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly § 17 UWG Rn. 5; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Harte-Bavendamm § 17 UWG Rn. 1 ff. 458 So RAG JW 1931, 490 f.; Rützel, GRUR 1995, 557 ff.; HK/Kotthoff/Gabel § 17 UWG Rn. 8; Erbs/Kohlhaas/Diemer § 17 Rn. 16. 459 Rützel, GRUR 1995, 557 ff.

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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Es ist jedoch durchaus möglich, dass ein illegales Geheimnis ein Wirtschaftsgeheimnis ist, da auch die Offenbarung rechtswidriger Geheimnisse zu Schäden führen kann.460 Auch das Argument des Selbstwiderspruchs des Strafrechts kann nicht allein überzeugen. Im Rahmen des § 203 StGB werden illegale Geheimnisse gleichfalls geschützt.461 Dies entspreche auch der übrigen Systematik des StGB, so ist auch der Dieb einer Sache gegen deren Wegnahme durch einen Dritten geschützt, da § 242 StGB auch den Gewahrsam schützt.462 Daher geht auch die wohl h. M. im Rahmen des UWG von einer Einbeziehung illegaler Geheimnisse aus.463 Entscheidend ist, dass sich hinter dem Oberbegriff des illegalen Geheimnisses zahlreiche unterschiedliche Fallkonstellationen verbergen, die unzureichend betrachtet werden, würde man solche Geheimnisse pauschal vom Schutzbereich ausschließen. Die Einbeziehung in den Schutzbereich und damit in den Tatbestand bedeutet zunächst nur, dass die Offenbarung des Geheimnisses zusätzlich auf ihre Rechtswidrigkeit und Schuld zu prüfen ist. Dies ermöglicht eine differenziertere Beurteilung des Sachverhaltes.464 Denn unabhängig davon, ob man eine Normativierung der Geheimnisdefinition als Verstoß gegen das Gebot der gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung sieht465, wird der Unternehmer und der Wettbewerb von Art. 14 GG geschützt. So kann beispielsweise die Existenz eines Unternehmers, der von Zuwendungen der öffentlichen Hand abhängig ist, durch die mit der Einleitung eines Strafverfahrens verbundene negative öffentliche Publizität gefährdet werden, vor allem wenn gerade die Rechtmäßigkeit dieser Zuwendungen in Frage steht.466 Der, der das Geheimnis offenbart, regelmäßig der Arbeitnehmer, ist weder Kontrollorgan des Verratenen467 noch kann er zutreffend beurteilen, ob überhaupt eine Straftat des Arbeitgebers vorliegt. Eine Einzelfallentscheidung lässt sich unter Zuhilfenahme der Rechtfertigungsgründe treffen. Daher sind illegale Geheimnisse nicht schon grundsätzlich vom Begriff des Wirtschaftsgeheimnisses ausgeschlossen. 460

Fezer/Rengier § 17 UWG Rn. 21; MüKo/Brammsen § 17 UWG Rn. 22. LK/Schünemann § 203 Rn. 27; Sch/Schr/Lenckner § 203 Rn. 7; MüKo/Cierniak § 203 Rn. 21 f. 462 Rützel, GRUR 1995, 557 (559); MüKo/Brammsen § 17 UWG Rn. 22; Fezer/ Rengier § 17 UWG Rn. 21. 463 Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly § 17 UWG Rn. 12; Hefermehl/Köhler/Bornkamm/ Köhler § 17 UWG Rn. 9; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Harte-Bavendamm § 17 UWG Rn. 6; MüKo/Brammsen § 17 UWG Rn. 22; Fezer/Rengier § 17 UWG Rn. 21. 464 MüKo/Brammsen § 17 UWG Rn. 22. 465 MüKo/Brammsen § 17 UWG Rn. 22. 466 BAG NJW 2004, 1547 (1549). 467 MüKo/Brammsen § 17 UWG Rn. 22 m. w. N. 461

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Problematisch ist zudem, dass die weitergegebenen Daten wohl nicht nur Informationen von mutmaßlichen Steuerhinterziehern enthielten, sondern auch allgemeine Kundendaten. Allein die Tatsache des Führens eines Kontos in Liechtenstein bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch tatsächlich Steuern hinterzogen werden. Eine Offenbarung kann nach § 34 StGB gerechtfertigt sein. Eine gegenwärtige Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut ließe sich insoweit bejahen, als dass die Gefahr der Steuerhinterziehung aufgrund der im Ausland angelegten Beträge eine Dauergefahr für das deutsche Steueraufkommen darstellt. Somit handelt es sich nicht lediglich um eine Bekanntgabe zu Strafverfolgungszwecken, welche regelmäßig nicht gerechtfertigt ist.468 Die Weitergabe der Kontodaten war zur Aufklärung dieses Sachverhaltes auch geeignet. Man könnte insoweit allenfalls bezweifeln, ob die Bekanntgabe an den BND geeignet war, jedoch zeigt hier der tatsächliche Verlauf, dass mit einer Weitergabe an die intern zuständige Behörde gerechnet werden durfte. Ein milderes und gleich effektives Mittel stellt das beispielsweise mögliche Gespräch mit den Führungspersonen der betroffenen Bank nicht dar, so dass es entscheidend auf die Angemessenheit und das subjektive Rechtfertigungselement ankommt. Sofern man hier einen Gefahrenabwendungswillen für erforderlich hält, wird man um eine Anerkennung der Strafbarkeit nach der derzeit bekannten Sachlage nicht umhinkönnen, unabhängig von der Angemessenheit des Handelns469, da davon ausgegangen werden kann, dass Kieber nicht zum Schutz des deutschen Steuerinteresses handelte, sondern vielmehr um sich zu bereichern und eventuell seinem alten Arbeitgeber Schaden zuzufügen. Lässt man hingegen die Kenntnis der Rechtfertigungslage genügen470, ist hier eine Rechtfertigung möglich. Dabei soll an dieser Stelle der bekannte Streitstand nicht wiedergegeben werden, zumal die Entscheidung auch von der weiteren Sachverhaltsaufklärung abhängt. Daneben wird noch zu diskutieren sein, inwieweit eine Rechtfertigung auf Grund eines Rechts auf Strafanzeige (auch „whistleblowing“ genannt) eintreten kann.471 Eine Berufung auf ein solches Recht, welches seine Grundlagen in der Verfassung finden soll, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG472, und in § 158 StPO hineingelesen werden könnte, ist bislang nur in Konstellationen um die Unzulässigkeit von Kündigungen im Arbeits468 Fezer/Rengier § 17 UWG Rn. 47; MüKo/Brammsen § 17 UWG Rn. 54. Zu § 203: Sch/Schr/Lenckner § 203 Rn. 32 m. w. N.; LK/Schünemann § 203 Rn. 141; SK/Hoyer § 203 Rn. 82 ff., insbes. Rn. 85. 469 Ablehnend insoweit Ignor/Jahn, JUS 2010, 390 (392). 470 MüKo/Erb § 34 Rn. 190. 471 Ambos, F.A.Z. vom 11. Februar 2010, S. 6 lehnt ein solches Recht wegen Konturenlosigkeit ab. 472 BVerfG NJW 1987, 1929; BAG NJW 2004, 1547.

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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recht erfolgreich gewesen.473 Das Bundesverfassungsgericht hat bislang offengelassen, wie die Bekanntgabe von Betriebsgeheimnissen an die Strafverfolgungsbehörden außerhalb der Zeugenpflichten zu werten ist.474 Jedoch wird man sich mit dieser Problematik, insbesondere mit Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung, auseinandersetzen müssen. Da Entschuldigungsgründe jedoch für die vorliegende Fallkonstellation nicht ersichtlich ist475, kommt der Frage einer möglichen Rechtfertigung erhebliche Bedeutung zu, vor allem, da inzwischen deutlich geworden ist, dass es sich bei der sog. Liechtensteinaffäre um keinen Einzelfall handelte.476 Zur Vollständigkeit der Analyse soll nun vielmehr eine Strafbarkeit Kiebers unterstellt werden, da sich nur so die Frage stellt, ob sich die deutschen Behörden durch ihre Mitwirkung wegen Teilnahme an einer der oben genannten Taten strafbar gemacht haben. Wie bereits dargelegt, ist allein die Rechtmäßigkeit des Handelns der Steuerbehörde maßgeblich. Von einer Strafbarkeit der Steuerbehörde wäre nicht auszugehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen der Amtsermittlung gehalten hätten, sich also einer rechtlich zulässigen Durchsuchung, Zeugenvernehmung oder eines Auskunftsersuchens bedient hätten. Diese lagen jedoch nicht vor, wohl zumindest auch, weil Liechtenstein insoweit die notwendige Rechtshilfe verweigert hätte. Der übliche Weg wäre ein Auskunftsersuchen an die Bank gewesen. Der betroffene Mitarbeiter hätte dann aussagen müssen, da er sich auf kein Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann, und handelt daher, wenn er seiner Auskunftspflicht nachkommt, nicht unbefugt im Sinne des Tatbestandes.477 Da es sich nicht um ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut handelt, kommt allenfalls eine Beschlagnahme der Kundendaten in Betracht; diese wiederum ist aber deswegen unmöglich, da es sich um keine deutsche, sondern eine liechtensteinische Bank handelt.478 Insoweit wäre ein Rechtshilfeersuchen notwendig gewesen, welches abgelehnt worden wäre, da Liechtenstein in fiskalischen Angelegenheiten keine Rechtshilfe leistet. Daher könnte man auch erwägen, ob hier ein völkerrechtswidriges 473 BAG NJW 2004, 1547 mit instruktiver Besprechung Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193; siehe aber BVerwG NJW 2001, 3280. Hinsichtlich des Arbeitsrechts wurde auch erwogen, die Zulässigkeit des sog. Whistleblowings zur Klarstellung ins BGB aufzunehmen; zu dem geplanten § 612 a BGB siehe NJW-Spezial 2009, 180. 474 BVerfG NJW 2001, 3474 (3475 f.). 475 Ambos, F.A.Z. vom 11. Februar 2010, S. 6 hält einen Verbotsirrtum in Form des Irrtums über den Umfang eines Rechtfertigungsgrundes, hier § 34 StGB, für möglich. 476 Zum Fall der Daten aus der Schweiz, siehe Ambos, F.A.Z. vom 11. Februar 2010, S. 6. 477 KK/Senge § 53 Rn. 4 zum Verhältnis § 203 StGB und § 53 StPO. 478 HK/Krehl § 161 Rn. 6.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Verhalten vorliegt. Eine Völkerrechtswidrigkeit der Erlangung käme auch dann in Betracht, falls deutsche Organe die DVD auf ausländischem Boden erlangt haben.479 Vorliegend fand jedenfalls Emailverkehr statt. Bezüglich der Geldübergabe ist unklar, ob diese im In- oder Ausland stattgefunden hat. Da zur Zulässigkeit von Ermittlungen im Ausland unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten im dritten Teil ausführlich Stellung bezogen wird, sei an dieser Stelle hierauf verwiesen. Vorab ist jedoch klarzustellen, dass völkerrechtliche Bedenken, anders als von Göres/Kleinert angeführt480, keinesfalls zwingend zu einem völkerrechtlichen Beweisverwertungsverbot führen müssen.481 Abgesehen von einer etwaigen Völkerrechtswidrigkeit wäre die Handlung jedoch dann unzulässig, wenn eine strafbare Handlung seitens der Steuerbehörde beziehungsweise seitens des BND vorläge, da die Generalklausel eine solche gerade nicht zu rechtfertigen vermag. Zwar können grundsätzlich die strafprozessualen Befugnisse als Rechtfertigungsgründe dienen.482 Diese erfordern jedoch eine spezielle Ermächtigung, wie § 98 StPO für § 123 StGB. Die Ermittlungsgeneralklausel allein kann dagegen keinen Rechtfertigungsgrund für alle Straftaten bilden. Daraus folgt: Läge eine Straftat vor, würde das Handeln unzulässig, da die Generalklausel dadurch begrenzt wird, dass keine strafbaren Handlungen vorgenommen werden dürfen.483 Gleiches gilt für die Generalklauseln der Nachrichtendienste. Wie bereits mehrfach erwähnt, wäre auch die grundsätzliche Geldzahlung für Informationen, auch rechtswidrig erlangter, nicht per se problematisch. Besonderheit in der vorliegenden Konstellation ist jedoch, dass die Vortat noch nicht beendet war, so dass diese erst durch den Verkauf beendet wurde, und somit die Entgegennahme eine strafbare Beihilfe darstellte. Die Haupttat konnte noch gefördert werden, denn die Verwertung der Information ist eben dann beendet, wenn der Verwertungserfolg eingetreten ist, also die Entgegennahme bei dem entsprechenden Behördenvertreter. Ein entsprechender Vorsatz scheint nach dem objektiven Geschehen vorzuliegen, wäre aber noch zu ermitteln. Daher handelt es sich hierbei nicht um ein „nachgelagertes Ausnutzen“, sondern ein „zunächst rechtswidriges Verhalten der staatlichen Ermittlungs479 Siehe hierzu und zu den Auswirkungen auf die Beweisverwertung, Teil 3, S. 313 ff. 480 Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1357), ebenso Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO Rn. 20. 481 Siehe hierzu Teil 3, S. 323 ff. 482 Statt aller Wessels/Beulke, Rn. 274. 483 LR/Erb § 161 Rn. 31. § 161 StPO gestattet alle rechtlich zulässigen Ermittlungsmaßnahmen von geringerer Eingriffsintensität.

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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behörden“, welches das LG Bochum als nicht gegeben ansieht.484 Von einem solch „nachgelagertem“ Ausnutzen kann man erst nach Beendigung der Vortat sprechen bzw. von einem „lediglich nachgelagert[em] [A]usnutzen“ erst dann, wenn dieses Ausnutzen nicht selbst einen Straftatbestand erfüllt, sei es durch Beihilfe zur Vortat oder Begünstigung. Ob eine Anstiftung oder eine Beihilfe zum Geheimnisverrat seitens der Beamten vorlag, richtet sich nach dem Vorhandensein eines vorherigen Tatentschlusses Kiebers. Dieser war gegeben, selbst wenn dieser unter der Bedingung der Geldzahlung durch die Steuerbehörde stand, da es sich hierbei um eine Bedingung handelt, die der Täter nicht beeinflussen kann und die damit den Vorsatz nicht ausschließt.485 Daher konnte er als omnimodo facturus nicht mehr angestiftet werden, so dass nur Beihilfe vorliegt, da die Zahlung(sbereitschaft) diesen zumindest psychisch unterstützte. Sieber sieht die Möglichkeit des Berufens auf die Ermittlungsbefugnisse der Steuerbehörden als rechtfertigende Rechtsgrundlage, wobei er mit der Geldzahlung die Voraussetzungen einer strafbaren Beihilfe erfüllt sieht, da für diese Zahlungen keine gesetzliche Grundlage bestünde, eine solche aber wegen des hohen Eingriffscharakters erforderlich sei. Zwar gingen die Amtsbefugnisse nach §§ 161 a StPO, 399 AO dem strafrechtlichen Verbot als „inhaltsreichere“ Normen vor, jedoch gelte dies dann nicht, soweit die Behörde mehr als eine entsprechende Zeugenladung oder Herausgabeaufforderung geleistet habe, dieses mehr habe nun in der Geldzahlung als einer strafbaren Beihilfe gelegen.486 Sieber übersieht jedoch insoweit, dass ein Fall der §§ 161 a StPO, 399 AO gerade nicht vorliegt, da keine Zeugenvernehmung stattfand, sondern allein die §§ 161 StPO, 399 AO einschlägig sind und diese gegenüber dem strafrechtlichen Verbot keineswegs „inhaltsreicher“ ist, da die Generalklausel ihrerseits durch das Verbot, Straftaten zu begehen, begrenzt wird. Ob neben den speziellen Rechtsgrundlagen grundsätzlich ein Rückgriff auf § 34 StGB zulässig ist, ist äußerst umstritten487 und müsste in einem Gerichtsverfahren gegebenenfalls geklärt werden. Lehnt man eine Rechtfertigung auch hieraus ab, so kommt man zu einer Strafbarkeit der handelnden Beamten.

484

LG Bochum, HRRS 2009, Nr. 1111, S. 1 ff. BGHSt 21, 14 (17 f.); Lackner/Kühl § 22 Rn. 2; Sch/Schr/Eser § 22 Rn. 18; anders Ignor/Jahn, JUS 2010, 390 (393). 486 Sieber, NJW 2008, 881 (884). 487 Siehe hierzu MüKo/Erb § 32 Rn. 166 ff. 485

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

cc) Folgen für die Verwertbarkeit Wie sich eine mögliche Strafbarkeit auf die Verwertbarkeit auswirkt, ist nach den allgemeinen Kriterien abzuwägen. Ein Beweisverwertungsverbot unter dem Aspekt des Individualschutzes scheidet aus. Zweck des § 17 UWG ist, wie auch des UWG insgesamt, der Schutz der Interessen des Verletzten, hier der LGT-Bank, sowie der Allgemeinheit durch einen intakten Wettbewerb; Schutzgut der Begünstigung ist die Rechtsordnung als Ganzes sowie die Individualinteressen des durch die Vortat Verletzten.488 Auch insoweit ist allenfalls die LGT-Bank geschützt und nicht der durch die Daten Überführte. Ein Beweisverwertungsverbot könnte daher nur unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention greifen. Daher müsste es sich um eine Straftat handeln, die derart schwer wiegt, dass die Straflegitimation als Ganzes entfällt. Jäger will danach differenzieren, ob der Staat selbst provozierend zum Geheimnisverrat aufgefordert habe oder ob die Kontaktperson von selbst an die deutschen Behörden herangetreten sei.489 Im ersten Fall sieht er ein Verwertungsverbot wegen Art. 6 EMRK gegeben. Jedoch ist diese Differenzierung noch zu ungenau. Maßgeblich ist, dass die Straftat, um schwer zu wiegen, einen besonderen Bezug zum Strafprozess aufweisen muss, da sie sonst schwerlich Auswirkungen auf diesen haben kann. Ist die Kontaktperson von selbst an die Behörden herangetreten und hat diesen die Informationen ohne weiteres Zutun der Behörde übermittelt, so fehlt es schon an einer strafbaren Beihilfe und gegen die Verwertung dieser Daten bestehen regelmäßig keine Bedenken. Da im Falle des Vorgehens der Behörden im Rahmen der Liechtenstein-Affäre jedoch die Voraussetzungen einer strafbaren Beihilfe zum Geheimnisverrat vorliegen, ist dies anders zu beurteilen. Was kann einen Strafprozess mehr gefährden, als wenn die Behörden gezielt Straftaten begehen, um an einzelne Beweismittel zu gelangen? Zwar wiegt die Anstiftung insoweit noch schwerer, jedoch ist auch die Beihilfe zum Geheimnisverrat eine Straftat, die sich nicht bagatellisieren lässt. Für die Unverwertbarkeit streitet bei Vorliegen einer solchen Straftat auch stets das Argument der bewussten Missachtung des rechtmäßigen Vorgehens.490 Diese Fallkonstellation ist strikt von der Konstellation des Ausnutzens eines fremden Unrechts zu unterscheiden. Die genannten Straftaten führen, wenn sie tatsächlich vorliegen, daher zur Unverwertbarkeit der erlangten Beweismittel. 488 489 490

Sch/Schr/Stree § 257 Rn. 2. Jäger, GA 2008, 473 (493). In diese Richtung auch Kelnhofer/Krug, StV 2008, 661 (666).

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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Daher erscheint es auch rechtsstaatlich bedenklich, wenn ein Gericht, welches mit dem vorliegenden Sachverhalt konfrontiert ist, darlegt, dass „möglicherweise der BND selbst im strafrechtlich zumindest bedenklichen Raum gehandelt haben mag“, um im Anschluss die Verwertbarkeit der so erlangten Beweise mit Utilitätserwägungen zu rechtfertigen.491 Entscheidend ist aber, ob einem solchen Beweisverwertungsverbot auch Fernwirkung zukommt, da sich die Anklage mehr auf die in Durchsuchungen aufgefundenen Beweismittel stützen wird als auf die Ausdrucke der DVD. Das LG Bochum hat als Konsequenz seiner Ansicht eine solche abgelehnt.492 Wenn auch die Fernwirkung stets auf eine gesonderte Abwägung zu stützen ist, so kann in diesem Fall nichts anderes gelten als auch schon zur Begründung des Beweisverwertungsverbotes. Dieses würde seinen Zweck nicht erreichen können, wäre es nicht von einer Fernwirkung flankiert. Sollte sich somit eine Strafbarkeit der handelnden Ermittler feststellen lassen, wären die unmittelbar wie mittelbar erlangten Beweise unverwertbar. Der Fall verdeutlicht, dass sich auch unbekannte Verwertungsfragen mit Hilfe der oben entwickelten Kriterien für die Bestimmung eines unselbstständigen Beweisverwertungsverbotes lösen lassen und keine abweichende Bewertung erfordern.493

II. Selbstständige Beweisverwertungsverbote Selbstständige Beweisverbote sind solche, die nicht auf einem vorhergehenden Rechtsverstoß beruhen, sondern bei denen die Verwertung selbst einen Rechtsverstoß darstellt, meist durch Verletzung von Individualrechten sowie in besonderen Fällen durch Verletzung öffentlicher Interessen.494 491

LG Bochum, HRRS 2009, Nr. 1111, S. 9. LG Bochum, HRRS 2009, Nr. 1111, S. 9. 493 Für die Anwendung der Abwägungslehre im konkreten Fall auch: Sieber, NJW 2008, 881 (886); Bruns, StraFo 2008, 189 (191); Trüg/Habetha, NStZ 2008, 481 (490) sogar mit Fernwirkung; diess., NJW 2008, 887 (890). Es bedarf insbesondere keiner Analogie zu den Verwertungsregeln zu § 100 a StPO, so aber Schünemann, StV 2008, 305 (309); ders., GA 2008, 314 (327). 494 Dabei ist wiederum zu beachten, dass vorliegend nicht auf die ohnehin bekannten Konstellationen eingegangen wird. Selbstverständlich gilt im Fall der Übermittlung von Tagebuchaufzeichnungen an die Strafverfolgungsbehörden nichts anderes als bislang in der Rechtsprechung entschieden, siehe oben S. 171 f. Außerdem kann ein (selbstständiges) Verwertungsverbot dann in Betracht kommen, wenn die einzelnen Datenerhebungen für sich keinen Grundrechtsverstoß enthalten, aber durch die Datenübermittlung insgesamt in den Händen der Strafverfolgungsbehörden so viele Informationen zusammen kommen, so dass dadurch die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils möglich wäre, siehe hierzu BVerfGE 109, 279 (323). 492

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

An dieser Stelle soll zunächst überprüft werden, ob geschriebene selbstständige Beweisverwertungsverbote existieren (1.), um so dann anhand der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse über die Charakteristika der deutschen Nachrichtendienste zu überprüfen, ob diese zu Verwertungsverboten im Strafverfahren führen können (2.–5.). 1. Verwendungsregel der StPO: § 161 Abs. 2 StPO Mit Gesetz vom 21.12.2007495 hat der Gesetzgeber erstmals eine gesetzliche Verwertungsregel in Form eines selbstständigen Beweisverwertungsverbotes für verfahrensexterne Erkenntnisse geschaffen. Von ihrem Wortlaut her umfasst die Regelung alle verfahrensexternen Erkenntnisse, die im Strafverfahren verwertet werden sollen und die eine Entsprechung in der StPO finden. Damit fallen auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse hierunter.496 Daher ist im Folgenden der Anwendungsbereich dieser Norm und deren Leistungsfähigkeit zu überprüfen. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass die Norm für alle verfahrensexternen Erkenntnisse eine Regelung trifft, so dass zu klären ist, ob sie auch die Spezifika der Nachrichtendienste hinreichend erfassen kann. a) Anwendungsbereich § 161 Abs. 2 StPO497 enthält folgende Voraussetzungen: Zunächst muss es um die Verwendung personenbezogener Daten ohne Einwilligung des Betroffenen gehen. Diese Daten müssen aufgrund eines anderen Gesetzes als der StPO erlangt worden sein, aber durch eine Maßnahme, die einer Maßnahme in der StPO entspricht, welche zudem im Rahmen der StPO als Tatbestandsvoraussetzung den Verdacht bestimmter Taten fordert. Für eine Verwendung zu Beweiszwecken, also der Verwertung, gilt dann, dass diese nur zur Aufklärung solcher Straftaten zulässig ist, zu denen die StPO-Maßnahme hätte eingesetzt werden dürfen. Zur Durchführung weiterer Ermitt495 Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (BGBl. I, 2007, S. 3198). 496 So explizit auch Knierim, StV 2008, 599 (601). 497 § 161 Abs. 2 StPO: 1Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. 2 § 100d Abs. 5 Nr. 3 bleibt unberührt.

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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lungen dürfen die Erkenntnisse dagegen uneingeschränkt verwendet werden, da die Einschränkung nur für Verwendungen zu Beweiszwecken gilt.498 Dabei gilt § 161 Abs. 2 StPO für alle übermittelten Erkenntnisse. Aus dem systematischen Zusammenhang ableiten zu wollen, dass diese Verwertungsvorschrift nur solche Erkenntnisse betrifft, die auf einem Ersuchen der Strafverfolgungsorgane nach § 161 Abs. 1 StPO beruhen, überzeugt nicht. Vom Telos der Norm her ergeben sich keine Gründe für eine derartige Differenzierung. Das systematische Argument allein erscheint nicht durchgreifend. Auch der Wortlaut des Absatzes 2 stellt allein darauf ab, dass die Strafverfolgungsbehörden eine entsprechende Information „erlangt“ haben. Betrachtet man nun speziell nachrichtendienstliche Erkenntnisse, regelt § 161 Abs. 2 StPO die Erlangung von personenbezogenen Daten durch Maßnahmen, die in der StPO und bei den Diensten vorkommen und welche nach den Voraussetzungen der StPO auf bestimmte Straftaten beschränkt sind. Bestimmte Straftaten im Sinne der Vorschrift bedeutet dabei nicht, dass es sich um Regelungen mit abgeschlossenem Straftatenkatalog handeln muss, sondern vielmehr, dass alle Maßnahmen gemeint sind, deren Anwendungsbereich auf einen Teil von Straftaten begrenzt ist. Der Wortherkunft nach bedeutet „bestimmen“ auch „nach Merkmalen abgrenzen, definieren“.499 Auch die Gesetzesbegründung weist auf eine weite Auslegung hin.500 Daher meint „bestimmt“ in diesem Sinne nur eine irgendwie geartete Begrenzung, so z. B. in § 100 h Abs. 1 Nr. 2 StPO „erheblich“. Eine Aufzählung ist damit nicht erforderlich. Betrachtet man nun die Maßnahmen nach der StPO, erfasst die Norm alle heimlichen Ermittlungsmaßnahmen, mit Ausnahme der Postbeschlagnahme (§ 99 StPO) und der Herstellung von Bildaufnahmen außerhalb von Wohnungen (§ 100 h Abs. 1 Nr. 1 StPO), sowie einige offene Maßnahmen.501 498 BeckOK/Patznak § 161 Rn. 12; BT-Drs. 16/5846, S. 64; KK/Griesbaum § 161 Rn. 36; Puschke/Singelnstein, NJW 2008, 113 (117); Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (884 ff.); siehe auch BVerfG NJW 2005, 2766; kritisch Glaser/Gedeon, GA 2007, 415 (435). Schon § 161 Abs. 2 a. F. unterlag Zweifeln an seiner Verfassungsmäßigkeit, da die Verwertbarkeit von präventiven Erkenntnissen nur hinsichtlich der Verwertbarkeit zu Beweiszwecken einer richterliche Rechtmäßigkeitskontrolle unterlag und nicht hinsichtlich des neuen strafprozessualen „Ermittlungsansatz[s]“, Hilger, NStZ 2000, 564; ebenso Eisenberg Rn. 1054 b für Unvereinbarkeit mit Art. 13 Abs. 5 GG bezüglich des Ermittlungsansatzes. Dencker, FS Meyer-Goßner, 237 (242) sah hierin die Umkehrung des Gesetzesvorbehalts. 499 Herkunftswörterbuch, Bestimmen, S. 62; Duden Band 2, 1963. 500 BT-Drs. 16/5846, S. 58; dem folgend Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (879). 501 Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (879).

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Für die vorliegende Analyse sind dagegen nur die heimlichen Maßnahmen relevant. Dies folgt daraus, dass diejenigen offenen StPO-Maßnahmen, die nur für bestimmte Straftaten zulässig sind, den Diensten als typische Polizeibefugnisse nicht gestattet sind; und die Zulässigkeit der auch den Diensten gestatteten offenen Befragungen hingegen nicht vom Vorliegen einer bestimmten Straftat abhängt.502 Damit ist die Norm nach dem aktuellen Gesetzesstand der einschlägigen Gesetze auf Bundesebene für folgende Maßnahmen relevant: Überwachung der Telekommunikation nach § 100 a StPO, Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100 g StPO, Verdeckte Ermittler, § 110 a StPO, Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen nach § 100 c StPO, Maßnahmen bei Mobilfunkendgeräten nach § 100 i StPO, Aufnahmen des außerhalb von Wohnungen nicht-öffentlich gesprochenen Wortes gemäß § 100 f sowie sonstige Aufnahmen, mit Ausnahme von Bildaufnahmen außerhalb von Wohnungen zu Observationszwecken unter Einsatz technischer Mittel nach § 100 h Nr. 2 StPO. Sie gilt also für die entsprechenden nachrichtendienstlichen Mittel aufgrund der Generalklausel des § 8 Abs. 2 BVerfSchG und den speziellen Befugnissen nach § 9 BVerfSchG. Voraussetzung für die Anwendung von § 161 Abs. 2 StPO ist also zu wissen, mit Hilfe welcher Ermittlungstechnik die Daten erlangt wurden. Laut Knierim erfordert die Anwendung der Norm die „Nachstellung der konkreten historischen Ermittlungssituation“ und falls dies nicht möglich sei, müsse die Unaufklärbarkeit, sei es aus Gründen des Datenschutzes oder wegen § 96 StPO aufgrund des Ausnahmecharakters von § 161 Abs. 2 StPO zu einem Verwertungsverbot führen.503 Dies wird bei Nachrichtendiensten jedoch selten relevant, weil die dortigen Daten einer Kennzeichnungspflicht unterliegen und daher die Erhebungsmaßnahme jeweils bestimmt werden kann.504 Dagegen kommt es nicht auf die Rechtmäßigkeit der Datenerlangung an. Dafür gibt es schon im Wortlaut des § 161 StPO keine Anhaltspunkte.505 Dem widerspricht Griesbaum, der hierzu auf die einschlägige BGH-Rechtsprechung verweist.506 Seine Folgerung will er daraus herleiten, dass sich aus § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, den die Norm selbst gemäß § 161 Abs. 2 StPO für vorrangig erklärt, der allgemeine Gedanke ergebe, dass „jede 502 Vgl. §§ 111, 131 Abs. 3, 131 a Abs. 3 StPO sowie zum Trennungsgebot S. 94 ff. 503 Knierim, StV 2008, 599 (601). 504 Zur Kennzeichnungspflicht siehe bereits Teil 1 Fn. 91. Diese kann lediglich im Einzelfall aus Geheimhaltungsgründen unter bestimmten Voraussetzungen abbedungen werden, siehe § 4 Abs. 3 G10. Zur Auswirkung von Geheimhaltung auf das Verfahren, siehe sogleich S. 264 ff. 505 Brodersen, NJW 2000, 2536 (2539) (bereits zur alten Fassung). 506 KK/Griesbaum § 161 Rn. 40.

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zweckumwidmende Verwendung der Daten nur zulässig ist, wenn die Daten auch im Ausgangsverfahren verwertet werden dürf[t]en.“507 Verwertungsverbote müssten bei der Weiterverwendung ebenso beachtet werden wie im Ausgangsverfahren, woraus dann die ausschließliche Verwertbarkeit von rechtmäßigen Erkenntnissen folgen soll.508 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Bereits aus dem Ausnahmecharakter des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO, welcher dem allgemeinen § 161 Abs. 2 S. 1 StPO vorgeht509, ergibt sich, dass hieraus kein Prinzip abgeleitet werden kann. Wollte man versuchen, zu der Frage der Rechtmäßigkeit der Daten etwas aus dem Gesetz unmittelbar abzuleiten, so ginge dies noch eher aus dem Umkehrschluss zu dem, ebenfalls als Ausnahme gestalteten, § 161 Abs. 3 StPO. Dieser regelt, als Konsequenz von Art. 13 Abs. 5 GG, ausdrücklich nur die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Daten. Daraus kann gefolgert werden, dass in den übrigen Fällen die Rechtmäßigkeit nicht zwingend festgestellt werden muss. Griesbaums Ausführungen setzen zudem stillschweigend voraus, dass rechtswidrige Daten stets ein Verwertungsverbot nach sich ziehen. In dieser Generalität gibt es auch im Verwaltungsverfahren einen solchen Grundsatz nicht.510 Ein allgemeiner Grundsatz, nachdem die Verwertbarkeit von Daten im Ausgangsverfahren vorausgesetzt wird, existiert nicht. Daher kommt es für die Verwendung der Daten nicht zwingend auf die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung an. Insbesondere greifen die Bedenken Griesbaums nicht, da bei einem gravierenden Erhebungsverstoß schon ein Übermittlungsverbot greift511 und die Daten schon gar nicht in das Strafverfahren gelangen. Sofern diese übermittelt wurden, stellt sich vielmehr die Frage nach dem Vorliegen eines strafprozessualen Beweisverwertungsverbots. Die Annahme der Unverwertbarkeit ist insoweit eine autonome Entscheidung. Da hierbei unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen sind, kann hiergegen auch nicht mit der Einheit der Rechtsordnung argumentiert werden. Bei welchen Erhebungs- und auch Übermittlungsfehlern ein solches Verwertungsverbot greifen kann, wurde zuvor umfassend erörtert. Damit kommt es für die Anwendbarkeit des § 161 Abs. 2 StPO nicht auf die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung an.

507

KK/Griesbaum § 161 Rn. 40. KK/Griesbaum § 161 Rn. 40. 509 BT-Drs. 16/5846, S. 64; ebenso Meyer-Goßner § 161 Rn. 18 b; gegenteilige Auslegung BeckOK/Patznak § 161 Rn. 13. 510 Siehe oben S. 124 ff. 511 Vgl. S. 124 ff. 508

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

b) Beurteilung Erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers war es, durch die Gesetzesänderungen „ein harmonisches Gesamtsystem der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmethoden zu schaffen“.512 So löblich dieses Ziel ist, so bleibt bereits hier festzuhalten, dass § 161 Abs. 2 StPO gerade nicht auf die Regelung von strafprozessualen Ermittlungsmethoden abzielt, sondern auf verfahrensexterne Methoden. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Zunächst ist aber erfreulich, dass der Gesetzgeber erkannt hat, dass dieser Bereich Probleme birgt, und eine Regelung versucht hat. Die allgemeine Tendenz zur Normierung selbstständiger Verwertungsverbote ist der Publizität wegen zu begrüßen. Betrachtet man den Anwendungsbereich der Norm für die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse, lässt sich feststellen, dass sie einige eingriffsintensive Maßnahmen erfasst. Durch ihre Anknüpfung an StPO-Maßnahmen, die nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig sind, normiert die Regelung eine Variante des sogenannten hypothetischen Ersatzeingriffes. So soll der datenschutzrechtlichen Zweckbindung genüge getan werden.513 Die Idee des „hätte erlangen können“ führt die Figur des lang umstrittenen hypothetischen Ersatzeingriffs nun in das Gesetz ein. Dieser gilt als „Schutzinstrument“ des informationellen Selbstbestimmungsrechts.514 Dabei wird betrachtet, ob in der Verfahrensordnung, in welche die Daten übermittelt werden sollen, eine vergleichbare Eingriffsmöglichkeit besteht. Dass es sich nicht um identische, spiegelbildliche Eingriffsbefugnisse, sondern nur um vergleichbare handeln kann, ergibt sich schon daraus, dass Polizei- und Strafprozessrecht unterschiedlichen Normgebern unterliegen und identische Verfahren wohl nie vorliegen.515 Glaser/Gedeon formulieren, die strafprozessuale Verwendung stehe unter der Bedingung, dass die Daten durch eine (vergleichbare) strafprozessuale Maßnahme (in vergleichbarer Weise) rechtmäßig hätten erlangt werden können.516 „Vergleichbar“ in diesem Sinne kann sich aller512

BT-Drs. 16/5846, S. 1. KK/Griesbaum § 161 Rn. 35. Im StPO-Entwurf Februar 1988 war noch der „hypothetische Ersatzeingriff“ enthalten, so Wolter, StV 1989, 358 (369). Der Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffes wurde vom Gesetzgeber aber wieder verworfen. Daher sind nun nach dem gesetzgeberischen Willen auch solche Daten zugänglich, die unter den Voraussetzungen der StPO nur unter engeren Voraussetzungen gewonnen worden wären. Dies unterliegt Kritik wegen des systematischen Bruchs der StPO, vergleiche Entstehungsgeschichte bei SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 51, Brodersen, NJW 2000, 2538. Zur Kritik siehe Hilger, NStZ 2000, 564. 514 Böse, S. 308; Ernst, S. 155; Hilger, FG Hilger, 11 (23); Walden, S. 315 f. 515 Böse, S. 308; SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 104; Ernst, S. 156. 516 Glaser/Gedeon, GA 2007, 415 (434 f.). 513

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dings nach dem Gesetzeswortlaut nur auf die Straftat beziehen, wegen der die Maßnahme angeordnet werden kann, nicht hingegen auf die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen. Der Zeitpunkt für die Prüfung der hypothetischen Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Zweckumwidmung.517 Anknüpfungspunkt hierfür ist einzig die relevante Straftat, also der Verwendungszweck.518 Damit in Zusammenhang steht die Frage, ob die Regelung nur für Maßnahmen greift, die in beiden Verfahrensordnungen geregelt sind, oder ob man zusätzlich auch Rückschlüsse auf Erkenntnisse aus Maßnahmen, die ausschließlich in einer Verfahrensordnung geregelt sind, ziehen kann. Ziel der Norm soll die Verhinderung einer Umgehung der engen strafprozessualen Eingriffsvoraussetzungen sein.519 Aus § 161 Abs. 2 S. 1 StPO soll im Erst-Recht-Schluss ein Verwendungsverbot für Maßnahmen folgen, die in der StPO keine Entsprechung finden.520 Die Regelung soll nun die Verwertbarkeit dergestalt beschränken, dass nur zugunsten der Straftaten, bezüglich welcher die Maßnahme nach der StPO zulässig gewesen wäre, eine Verwertung zu Beweiszwecken möglich ist. Es ist daher zu einer Beurteilung der Vorschrift entscheidend, sich die jeweiligen Straftatenkataloge der einzelnen Erhebungsvorschriften anzusehen. Vergleicht man nun die Straftatenkataloge, so stellt man fest, dass der Straftatenkatalog des § 100 a StPO außer für diesen selbst, per Verweisung auch für die Maßnahmen nach §§ 100 f, 100 g und 100 i StPO gilt; nur § 100 c StPO und § 110 a StPO besitzen eigene Kataloge. § 100 h Nr. 2 StPO verweist auf Straftaten von erheblicher Bedeutung. Bezeichnend ist, dass der Straftatenkatalog des § 100 a StPO im Rahmen desselben Gesetzgebungsverfahrens erheblich erweitert wurde.521 Es ergibt sich folgendes, überraschendes Bild: Für die Telekommunikationsüberwachung ist festzustellen, dass § 100 a StPO gegenüber G10 mehr Straftaten enthält.522 Die Neuregelung führt also zu keiner Einschrän517

Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (882). KK/Griesbaum § 161 Rn. 35; siehe auch BT-Drs. 16/5846, S. 3; vergleiche bislang zur angeblich fehlenden Dogmatik, BT-Drs. 14/2595, S. 26 f.; 14/2886, S. 3. Zur Kritik unter Verweis auf §§ 100 f Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO, Wolter, FG Hilger, 280. 519 BT-Drs. 16/5846, S. 64; KK/Griesbaum § 161 Rn. 35. 520 KK/Griesbaum § 161 Rn. 35. Ablehend dagegen Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (880), der solche Maßnahmen den allgemeinen Verwendungsregeln unterstellen will. 521 BT-Drs. 16/5846, S. 10 f. 522 Anders als der Gesetzgeber behauptet, führt die Reform nicht zu einer Einschränkung des Straftatenkatalogs, sondern zu einer erheblichen Ausweitung, siehe BT-Drs. 16/5846, S. 3; Puschke/Singelnstein, NJW 2008, 113 (114). 518

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

kung.523 Auch bei der Überwachung von Wohnraum zeigt sich, dass § 100 c StPO gegenüber G10 (welcher nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG anzuwenden ist) ebenfalls mehr Straftaten enthält. Auch hier führt die Norm zu keiner Einschränkung. § 110 a StPO enthält dagegen einen Straftatenkatalog, welcher der nachrichtendienstliche Generalklausel, die mit dem UnderCover-Agent auch das Äquivalent zum Verdeckten Ermittler umfasst, fehlt. Eine Begrenzung wird jedoch dadurch erreicht, dass die Nachrichtendienste ihre Befugnisse ohnehin nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben einsetzen dürfen. Verdeckte Ermittler nach der StPO dürfen hingegen zwar auch auf dem Gebiet des Staatsschutzes eingesetzt werden, § 110 a Abs. 1 Nr. 2 StPO, darüber hinaus aber auch im Bereich des Betäubungsmittel- und Waffenrechts, bei gewerbsmäßigem Vorgehen oder bei einer Bande oder einer sonstigen Organisation sowie bei allen Verbrechen. Welche Norm daher tatsächlich den größeren Anwendungsbereich hat, ist somit schwer festzustellen. Bezüglich des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb von Wohnungen verweist § 100 f StPO auf den Straftatenkatalog des § 100 a StPO; im Nachrichtendienstrecht fehlt es an einer ausdrücklichen Begrenzung. Damit kann hier wirklich von einer Beschränkung der Verwertbarkeit ausgegangen werden. Besieht man zuletzt noch den Einsatz sonstiger technischer Mittel zu Observationszwecken nach § 100 h Nr. 2 StPO, so ergibt sich, dass der Einsatz dieser Mittel nur bei Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung zulässig ist. Ob insoweit eine Einschränkung gewährleistet wird, erscheint zweifelhaft. Zwar findet sich in den Nachrichtendienstgesetzen auch insoweit außer der Aufgabenstellung keine ausdrückliche Begrenzung der Zulässigkeit der Datenerhebung, aber gerade die besondere Aufgabe führt dazu, dass die von den Nachrichtendiensten erlangten Erkenntnisse sich regelmäßig auf Straftaten von erheblicher Bedeutung beziehen, so dass die Voraussetzung des § 100 h Nr. 2 StPO zumeist erfüllt sein wird. Daher zeigt sich, dass die Regelung grundsätzlich eine Vielzahl der nachrichtendienstlichen Mittel erfasst, sowohl spezielle nachrichtendienstliche Mittel als auch einen Teil der Maßnahmen nach der nachrichtendienstlichen Generalklausel. Um zu erkunden, ob die Regelung aber auch eine Einschränkung der Verwertbarkeit mit sich bringt, wurden die jeweiligen Straftatenkataloge analysiert. Diese zeigen ein gemischtes Bild: Während teilweise eine Einschränkung möglich ist, ist dies keineswegs bei allen Maßnahmen der Fall. Insbesondere bei der Wohnraum- und der Telekommunikationsüberwachung wurde festgestellt, dass die Straftatenkataloge der StPO sogar weiter als die des G10 sind. Damit zeigt sich, dass die Rege523 Allerdings auch zu keiner Erweiterung, weil die Übermittlungsbefugnisse schon eingeschränkt sind und mehr Informationen den Strafverfolgungsorganen schon gar nicht zustehen. Dies gilt für Spurenansatz und Beweisverwertung.

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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lung letztlich nur eine Einschränkung für die Verwertbarkeit von Erkenntnissen durch den Einsatz von verdecktem technischem Gerät zur Aufzeichnung des gesprochenen Wortes beziehungsweise zur Unterstützung von Observationen herbeiführt. Da angesichts der weiten Übermittlungsregelungen seitens der Nachrichtendienste aus § 19 BVerfSchG, 9 Abs. 1 BNDG, welche eine Datenübermittlung an die Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich jeder Straftat ihrem Wortlaut nach erlauben – die Begrenzung der Übermittlung schließt in ihrer jetzigen Fassung allenfalls Bagatelldelikte aus – auch eine nur geringfügige Beschränkung der Verwertbarkeit zu begrüßen ist, ist auch die Schaffung der Norm positiv aufzunehmen. Zumindest hat der Gesetzgeber insoweit Problembewusstsein gezeigt, dass er eine Regelung für die Nutzung verfahrensexterner Erkenntnisse im Strafverfahren schaffen wollte. Damit ist auch das Problem der Verwertung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zumindest erkannt. Gelöst ist die Problematik der Nutzung von nachrichtendienstlichen Informationen im Strafverfahren hingegen nicht. Letztlich stellt der Entwurf allein auf die Problematik der unterschiedlichen Befugnisse ab. Wie allerdings bereits oben dargelegt524, haben sich die Befugnisse immer weiter angenähert und können heute als weitgehend parallel bezeichnet werden. Einziger fortbestehender Unterschied hinsichtlich der grundsätzlich verfügbaren Befugnisse ist die Zulässigkeit von Bildaufnahmen innerhalb von Wohnungen durch die Nachrichtendienste. Diesbezüglich kann der Regelung jedoch nichts Explizites entnommen werden, so dass auch die Frage, ob die Befugnisse der Empfangsbehörde eine Übermittlungsschranke darstellen können, zu erörtern sein wird. 2. Verwertbarkeit von Vorfelderkenntnissen Die besondere Problematik der Verwertung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen liegt nicht in den unterschiedlichen Befugnissen, sondern vielmehr in den unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen, namentlich dem Fehlen des Tatverdachts als Schranke der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung. Das Problem liegt also in der Verwertung von rechtmäßig erhobenen Daten aus dem Vorfeld eines Verdachtes. Die Norm des § 161 Abs. 2 StPO wählt daher zur Regelung der Verwertbarkeit von Vorfelderkenntnissen einen ungenügenden Ansatzpunkt. Es gilt daher zu untersuchen, ob eine weitere Einschränkung der Verwertung in Form eines selbstständigen Beweisverwertungsverbots sinnvoll und geboten ist.

524

Siehe S. 35 ff.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Der Möglichkeit der Anerkennung eines selbstständigen Beweisverwertungsverbots steht auch nicht die Regelung des § 161 Abs. 2 StPO entgegen. Dieser stellt keine abschließende Sonderregelung dar, da dieser schon seinem Wortlaut nach nur einen Teilbereich der Verwertbarkeit, nämlich von Erkenntnissen aufgrund von Befugnissen mit einer Entsprechung in der StPO und mit zugleich näher bestimmten Straftaten, und somit den Bereich der Vorfelderkenntnisse weder umfassend noch abschließend regelt.525 Die Frage der Verwertbarkeit kann auch nicht mit der Begründung offen bleiben, es handele sich hierbei um eine im Wesentlichen rechtspolitische Frage.526 Gerade weil Verwertungsverbote auch Grundrechtsverletzungen im Strafverfahren verhindern sollen, wirkt sich diese Frage unmittelbar auf die Verwertbarkeit aus, muss daher anhand der Maßstäbe der Verfassung beurteilt werden und ist gerade keine politische Frage. Zur Erinnerung: Die Zulässigkeit der Vorfeldermittlungen liegt in der besonderen Aufgabe der Dienste begründet. Es wird teilweise schon die Frage aufgeworfen, ob von einem Gefahren- oder Tatverdacht losgelöste Eingriffsbefugnisse überhaupt den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen können.527 Grundsätzlich stellt die Verdachtsschwelle eine rechtsstaatliche Voraussetzung dar. Jedoch sind die konkrete Gefahr und der hinreichende Tatverdacht nicht die einzigen Eingriffsschwellen, um einen Behördeneingriff zu legitimieren, vielmehr kann auch der jeweils maßgebliche Zweck eine andere Eingriffsschwelle rechtfertigen.528 Schon im normalen Polizeirecht zeigt sich, dass je gewichtiger das betroffene Rechtsgut ist, desto geringer der Verdachtsgrad zu sein braucht. „Wegen der schweren und oft nicht wieder gut zu machenden Grundrechtsbeeinträchtigungen, die mit einer Informationsgewinnung durch besondere Mittel der Datenerhebung verbunden sind, sind informationelle Eingriffsmaßnahmen unterhalb der Gefahrenschwelle in diesem Bereich nur ausnahmsweise zulässig und bedürfen einer besonderen Rechtfertigung.“529 Diese besondere Rechtfertigung kann sich sowohl aus dem Gewicht einzelner Rechtsgüter als auch in einer Bedrohung des Gemeinwesens aufgrund besonderer Tatbegehung ergeben.530 Im Nachrichtendienstrecht sind die betroffenen Rechtsgüter derart gewichtig, dass von einer Gefahr gänzlich abgesehen werden kann. Dies liegt an 525

Ebenso Grawe, Zufallsfunde, S. 280 Fn. 913. In diese Richtung aber Hilger, FG Hilger, 11 (22). 527 Müller-Terpitz, Jura 2000, 296 (301), für Unvereinbarkeit wohl Lisken/Denninger, D 10. 528 BVerfGE 100, 313 (383); dem folgend Möstl, DVBl. 1999, 1394 (1398). 529 SächsVerfGH, DVBl. 1996, 1423 (1430). 530 SächsVerfGH, DVBl. 1996, 1423 (1430) (ausdrücklich bezogen auf OK-Bekämpfung der Polizei). 526

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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der staatlichen Sicherheitsgarantie.531 Zwar würde auch eine Befugnis zur Datenerhebung zur Aufgabenerfüllung, ohne weitere Voraussetzungen und Begrenzungen, gegen die Verfassung verstoßen, aber es sind bestimmte materielle Kriterien sowie verfahrensrechtliche Sicherungen vorgesehen.532 Die Datenerlangung selbst wird daher regelmäßig rechtmäßig sein. Hiervon ist jedoch die Weiterverwendung dieser Daten zu unterscheiden.533 Die Datenübermittlung als Zweckentfremdung und eigener Grundrechtseingriff muss ihrerseits wieder verhältnismäßig sein und es bedarf somit einer erneuten Abwägung.534 Eine informationelle Zusammenarbeit und damit eine weitere Nutzung der Daten ist insbesondere bei drohenden Rechtsgutsverletzungen für Leib oder Leben geboten.535 Äußerste Grenze ist hierbei, dass der Primärzweck der Aufgabenerfüllung nicht von dem Sekundärzweck der Datenweitergabe überlagert werden darf.536 Mit der Annahme der Verhältnismäßigkeit von Datenerhebung und Datenübermittlung ist noch kein abschließendes Urteil über die Verwertbarkeit der Daten gefällt.537 Es stellt sich daher nun die Frage, ob daher auch eine umfassende Verwertung im Strafverfahren der so erlangten Erkenntnisse zulässig sein muss oder aber ob nicht vielmehr aus überwiegenden Gesichtspunkten des Grundrechtsschutzes Abstriche von einer umfassenden Verwertungsbefugnis hingenommen werden müssen. Ansatzpunkt ist also, anders als bei § 161 Abs. 2 StPO, nicht der Aspekt der besonders gravierenden Ermittlungsmaßnahmen, sondern der Umstand, dass es um Vorfeldermittlungen geht. Zu einer umfassenden Betrachtung der Fragestellung sollen hier zunächst die bereits zur Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen vertretenen Ansichten analysiert werden. a) Keine grundsätzliche Unverwertbarkeit Zur alten Fassung des BVerfSchG wurde vertreten, dass Erkenntnisse, die nur durch nachrichtendienstliche Mittel gewonnen worden sind, von der Übermittlung ausgeschlossen seien und dass dies eine absolute, für den Gesetzgeber unverfügbare Grenze darstelle.538 531 532 533 534 535 536 537 538

Möstl, DVBl. 1999, 1394 (1399); BayVerfGH, BayVBl. 1995, 143 (144). BVerfGE 100, 313 (383). Müller-Terpitz, Jura 2000, 296 (302). Siehe hierzu bereits ausführlich S. 112 ff. Müller-Terpitz, Jura 2000, 296 (302). BVerfGE 100, 313 (390, 393). Ähnlich auch Paeffgen, StV 1999, 676. Riegel, DVBl. 1988, 121 (126); Ostheimer, S. 108; Gusy, ZRP 1987, 45 (50).

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Besieht man die Argumente jedoch genauer, so stellt man fest, dass ihre Begründer diese rigorose Forderung entweder selbst durchbrechen oder lediglich mit dem Fehlen von Rechtsgrundlagen zur Datenübermittlung begründen.539 Soweit mit dem Fehlen von Übermittlungsermächtigungen argumentiert wird, so war dies der datenschutzrechtlich unzureichenden Rechtslage vor 1990 geschuldet, also dem Fehlen jeglicher Rechtsgrundlagen für BND und MAD sowie fehlender Übermittlungsvorschriften im BVerfSchG. Derartige Argumente sind daher überholt. Wenn eine grundsätzliche Unverwertbarkeit gefordert wird, so findet sich doch zugleich die Einschränkung, dass eine Übermittlung zulässig sei, wenn aus den Erkenntnissen Rückschlüsse auf das Bevorstehen von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gezogen werden können540 oder die erlangten Informationen den Verdacht einer Straftat begründen.541 Damit stimmen beide Auffassungen darin überein, dass eine Übermittlung und auch eine Verwertung in bestimmten Fällen zulässig sein soll. Eine absolute Unverwertbarkeit wird gerade nicht gefordert. b) Keine unbeschränkte Verwertbarkeit Die extreme Gegenauffassung, nämlich dass nachrichtendienstliche Erkenntnisse unproblematisch verwertbar seien, findet sich bei Droste.542 Argumente liefert sie hierfür nicht. In der Rechtsprechung findet sich speziell zur Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen wenig. Allein das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinen Entscheidungen zum G10 mit diesen Fragen beschäftigt. Da das G10 allerdings detaillierte Verwendungsregeln enthält, die bereits erläutert wurden, kann auf diese Entscheidungen nicht zurückgegriffen werden. Zwar stellt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich klar, dass „[g]rundrechtsgebotene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden“ nicht dadurch umgangen werden dürfen, dass „Daten, die mit einer solchen Methode rechtmäßig gewonnen worden sind, in gleicher Weise auch für Zwecke zugänglich gemacht werden, die einen derartigen Methodeneinsatz nicht rechtfertigen würden.“543 Dies wird jedoch dadurch relativiert, dass im nächsten Satz klargestellt wird, dass Art. 10 GG nicht jegliche Übermittlung an Behörden ausschließe, denen eine verdachtslose Fernmeldeüberwachung nicht zustehe; 539

Riegel, NJW 1979, 952 (955); Ostheimer, S. 129 ff.; Gusy, ZRP 1987, 45

(50). 540 541 542 543

Ostheimer, S. 129 f. Gusy, ZRP 1987, 45 (50). Droste, S. 588. BVerfGE 100, 313 (390).

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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vielmehr müsse sichergestellt werden, „daß diesen nicht der Zugang zum vollen Datenbestand eröffnet wird“.544 Betrachtet man die Rechtsprechung zur allgemeinen Verwendung von Präventivdaten im Strafverfahren, geht diese von einer weiten Verwendbarkeit aus.545 Einer gesonderten Vorschrift über besondere Ermittlungsmaßnahmen in der StPO bedürfe es nicht. Entscheidend sei nur, dass zur Zeit der Ermittlungen ein wirklicher Anlass für präventivpolizeiliches Handeln bestand und die polizeiliche Grundlage nicht allein der Umgehung einer fehlenden strafprozessualen Ermächtigung dienen sollte.546 Es wäre sinnlos, so der Bundesgerichtshof, „rechtmäßig erlangte polizeiliche Erkenntnisse dem Strafverfahren vorzuenthalten“ und widerspräche, sofern kein spezielles Verwertungsverbot entgegenstünde, der umfassenden Aufklärungspflicht.547 Ob ein solch spezielles Verwertungsverbot in Betracht käme, erörtert der Bundesgerichtshof aber nicht. In der sogenannten Blockhüttenentscheidung geht der Bundesgerichtshof548 sogar noch einen Schritt weiter und legt dar, dass eine Verwertung im Strafprozess schon gar keine Zweckänderung darstelle, da die Daten weiterhin der Gefahrenabwehr, nämlich durch Strafverfolgung (sic!) dienten. Voraussetzung für die Verwendung sei die Erforderlichkeit und eine Gefahr für Leib oder Leben von Personen oder bedeutenden Sachwerten durch die weitere Begehung von schwerwiegenden Dauerdelikten. Insgesamt verschreibt sich die Rechtsprechung der Möglichkeit der Nutzung von schon vorhandenen Daten. Erwägungen, die gegen eine solche Nutzung sprechen könnten, wird kein Raum gegeben.549 Auf die Blockhütten-Rechtsprechung wurde im Gesetzgebungsverfahren zum StVÄG 1999 zu § 161 Abs. 2, 3 StPO ausdrücklich Bezug genommen: die Nutzung rechtmäßig erhobener Daten dürfe für Strafverfolgungszwecke nicht generell beschränkt werden.550 544

BVerfGE 100, 313 (390). BGH NJW 1991, 2651 (2652). 546 BGH NStZ 1992, 44; BGH NJW 1991, 2651 (2652); BGH StV 1991, 403. 547 BGH NStZ 1992, 44; BGH NJW 1991, 2651 (2652). 548 BGH NStZ 1995, 601. 549 In der politischen Diskussion wird derzeit von einigen sogar eine „bessere Nutzung von Vorfeldinformationen der Geheimdienste durch die Polizei“ gefordert, laut Kutscha in: Lange, WB Stichwort „Trennungsgebot“ S. 337 (339) mit zwei Zeitungszitaten. Eine Erweiterung im Vergleich zu den schon existierenden Möglichkeiten erscheint hingegen schwer möglich und eher ein Politikum zu sein. 550 BT-Drs. 14/2886, S. 3 Nr. 9, 10 (Begründung zur Anrufung des Vermittlungsausschusses); ferner soll sich der Wille des Gesetzgebers laut Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538) mittelbar aus § 161 Abs. 1 S. 1 StPO n. F. ergeben, da dieser keine Beschränkungen vorsehe. 545

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

In der Literatur wurde die Blockhütten-Entscheidung heftig kritisiert.551 Sie erntete jedoch auch Zustimmung. So soll nach Jähnke die Verwendung folgerichtig sein, da Verhinderung und Verfolgung von Straftaten auf derselben Ebene lägen und demselben Zweck der Friedenssicherung dienten.552 Die Verwendungsrichtung ändere sich unter normativen Gesichtpunkten nicht maßgeblich, weil sich auch die schutzwürdigen Täterinteressen nicht änderten, denn das Streben, nicht verurteilt zu werden, sei rechtlich unerheblich. Die erlangten Erkenntnisse würden nicht dadurch rechtswidrig, dass die eigentlich bezweckte Verhinderung der Tat scheitere, woraus die Verwendbarkeit im Strafverfahren folgen solle.553 Die Zweckbestimmung, die Jähnke als gegeben sieht, nämlich den Zweck der Friedenssicherung, ist aber zu weit. Eine solche führte letztlich zu einer unbegrenzten Verfügbarkeit von einmal erlangten Daten im gesamten Staat. Durch Ansätze wie die „Einheit der Staatsgewalt“ und dem „Schutzgut Innere Sicherheit“ werden die Funktionsunterschiede zwischen Prävention und Repression verwischt.554 Dass diese sehr wohl erheblich sind und nicht, wie Jähnke sagt, normativ beseitigt werden können, zeigen neben den schon grundsätzlich verschiedenen Schutzrichtungen von Prävention und Repression auch die unterschiedlichen einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Kompetenzen in Zusammenhang mit Art. 13 GG, der Gedanke des Strafrechts als ultima ratio des Rechtsgüterschutzes sowie die Geltung des Opportunitätsprinzips im Bereich der Gefahrenabwehr beziehungsweise des Legalitätsprinzips für die Strafverfolgung.555 Die Ent551 Dencker, Verwertungs- und Verwendungsverbote, S. 252; Hefendehl, StV 2001, 700 (704 ff.) sieht wegen fehlender Rechtsgrundlage für eine Übermittlung einen Verstoß gegen das Zweckbindungsgebot. Die Diskussionen beschäftigen sich jedoch nicht nur mit der Verwertbarkeit, sondern auch mit der fehlenden Übermittlungsbefugnis. Eine solche existiert jedoch im Nachrichtendienstrecht unbestritten. Daher sind die Argumente insoweit zu differenzieren und die besonderen Streitpunkte hierüber auszusondern. 552 Jähnke, FS Odersky, 432. 553 Jähnke, FS Odersky, 432 (433). 554 Zu den einzelnen Argumentationsmustern, vergleiche Walden, S. 206 ff. Auch wenn es selbstverständlich erscheinen mag, muss angesichts wiederkehrender Diskussion auch darauf hingewiesen werden, dass die „Beweisnot“ kein Fall des „Staatsnotstandes“ ist, sondern allein aus dem „Risiko“ folgt, „das der Gesetzgeber geschaffen hat, indem er nicht die Wahrheit unter allen Umständen und um jeden Preis ermitteln läßt, sondern nur in einwandfreien Formen, die Würde und die Freiheit des Einzelnen achten und Schutz vor Willkür und Machtmißbrauch bieten“, Evers, Privatsphäre, S. 110 (Hervorhebung im Original). Zur Figur des Staatsnotstandes sei angemerkt, dass dieser jedenfalls nicht als „normale“ Eingriffsermächtigung herangezogen werden kann; strittig ist, ob dies in „Fällen extremer Existenzgefährdung des Staates“ gelten kann, ablehnend Deutsch, S. 174 f.; Salzwedel, GS Peters, 756 (769 f.); W.-R. Schenke, FG Hilger, 225 (238 f.).

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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scheidung des Bundesgerichtshofs ist daher ebenso wie Jähnkes Interpretation strikt abzulehnen. Dass die Daten rechtmäßig „einmal in der Welt“ sind und der „Friedenssicherung“ dienen, darf nicht allein ausschlaggebend sein; dies gilt sowohl aus datenschutzrechtlichen als auch freiheitsrechtlichen Gründen.556 Man darf sich nicht auf die „Formal-Position“ zurückziehen, die Daten seien in zulässiger Weise erhoben worden; das Fehlen des Anfangsverdachtes darf nicht unberücksichtigt bleiben.557 Vielmehr sind die Funktionsunterschiede von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr zu beachten und dies gilt sowohl bei der Erforderlichkeit separater Rechtsgrundlagen als auch bei deren Ausgestaltung. Auch das Argument, dass ein Verwertungsverbot für bereits bei einer anderen Behörde vorhandene Daten der „Öffentlichkeit nicht vermittelbar“558 sei, kann nicht überzeugen. Vielmehr ist insoweit Dencker beizupflichten, der klarstellt, dass dies „eine für klassische Rechtsstaatsvorstellungen fragwürdige Wertung [ist], die umso erschreckender wäre, je wahrer die implizierte Behauptung sein soll“.559 Und selbst wenn der Gesetzgeber mit seiner Vermutung Recht hätte, wäre dies kein juristisches Argument und daher für die vorliegende Betrachtung unerheblich. Es sollte vielmehr eine „rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit [sein], daß Nachrichtendienste ihre ohne Anfangsverdacht in heimlicher Vorgehensweise erlangten Erkenntnisse nicht nach Gutdünken zur Grundlage einer strafrechtlichen Verfolgung beliebiger Delikte machen können“.560 c) Beschränkte Verwertbarkeit Es wurde deutlich, dass grundsätzlich eine Verwertbarkeit der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse gegeben sein muss, diese gleichwohl nicht unbeschränkt sein darf, da die Daten nicht formstreng nach der StPO oder ei555

Bei Gefahrenabwehr und Strafverfolgung handelt es sich um zwei getrennte Bereiche. Insbesondere muss eine Rechtfertigung der Weitergabe von Informationen mit der Einheit der Staatsgewalt ausscheiden, Gusy, NVwZ 1983, 322 (325); ders., DÖV 1980, 431 (434); Riegel, NJW 1979, 952 (955). 556 Wolter, FG Hilger, 285. Jedoch schließen sich beide Begründungen nicht aus, da sowohl die Privatsphäre als auch die Zweckbindung als Teil der informationellen Selbstbestimmung in dem Grundrecht auf Persönlichkeitsschutz aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG wurzeln. 557 Paeffgen, StV 1999, 668 (677). 558 BR-Drs. 64/00; BT-Drs. 14/2595, S. 26 f.; 14/2886, S. 3. 559 Dencker, Verwertungs- und Verwendungsverbote, S. 252. 560 LR/Erb § 161 Rn. 82. Auch P.-A. Albrecht, StV 2001, 416 (419) spricht von einem „rechtsstaatlichen Skandal“ und die freie Verwertbarkeit ist nach ihm klar verfassungswidrig.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

nem Polizeigesetz erhoben wurden.561 Im Folgenden wird daher zu erörtern sein, wie eine solche Beschränkung realisiert werden kann. Dabei muss diese den nachrichtendienstlichen Besonderheiten gerecht werden, um nicht der gleichen Kritik ausgesetzt zu sein, wie zuvor der § 161 Abs. 2 StPO. aa) Kein hypothetischer Ersatzeingriff Zur Verwertbarkeit von verdachtslos erlangten Erkenntnissen, aber auch zur Übermittlung und Verwertbarkeit von Präventivdaten, wird vertreten, dass die Verwertbarkeit davon abhängen soll, ob die Strafverfolgungsbehörden die jeweiligen Erkenntnisse auch kraft eigener Befugnisse hätten erlangen können, da ihnen dieselben oder zumindest vergleichbare Befugnisse zustehen. So fordern etwa Lisken/Denninger, für den Fall, dass im Vorfeld eines Verdachts heimlich geforscht werde, die so erlangten Erkenntnisse grundsätzlich nicht gegen den Betroffenen verwertet werden dürfen.562 Dies gelte für geheimdienstlich erlangtes Wissen wegen „der Exklusivität der Ausforschungsmethoden“.563 Eine Nutzung könne nur bei Vorliegen eines hypothetischen Ersatzeingriffes zulässig sein, da die Nichtnutzung sonst bloße Förmelei sei und die Neuerhebung einen weiteren Eingriff darstelle.564 Verstärkung scheint diese Auffassung durch den Gesetzgeber gefunden zu haben, welcher nun einen solchen hypothetischen Ersatzeingriff für § 161 Abs. 2 StPO als Verwertbarkeitsvoraussetzung vorschreibt. Entscheidend soll demnach sein, ob die Daten auch nach dem Strafverfahrensrecht unter vergleichbaren Voraussetzungen und mit vergleichbaren Mitteln hätten erhoben werden können.565 Erforderlich soll zudem eine Vergleichbarkeit von Erhebungs- und Verwendungszweck sein.566 Damit soll der Gefahr begegnet werden, dass durch gezielte Datenübermittlungen Erhebungsbegrenzungen umgangen werden können.567 Umstritten ist, ob die ersuchende Behörde den gleichen Grundrechtseingriff vornehmen können 561

Zu letzterem Argument siehe Paeffgen, StV 1999, 677. Lisken/Denninger, C Rn. 121 unter Bezugnahme auf das Abhörurteil BVerfGE 30, 1 (33). 563 Lisken/Denninger, C Rn. 105; für Präventivdaten vertreten sie bei fehlender Entsprechung der Eingriffsgrundlagen ebenfalls die Unverwertbarkeit. 564 Lisken/Denninger, C Rn. 122. 565 Walden, S. 316; SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 104; ders., FS Rieß, 633 (645); ders., FS Roxin, 1141 (1166 f.). 566 Wolter, FG Hilger, 285. 567 Ernst, S. 156 f.; Bull, Notwendigkeit und Grenzen in: Rechtsprobleme, 9 (16); Schatzschneider, S. 190, der hierbei jedoch ausdrücklich nur von dem Informationsfluss an die Ämter für Verfassungsschutz spricht. 562

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muss oder ob es genügt, dass der Empfänger inhaltlich die gleichen Daten hätte erheben können.568 Im Zusammenhang mit der Wirtschaftsaufsicht behandelt Böse die Problematik der Verwendung von Informationen im Strafverfahren, welche zuvor in einem Verwaltungsverfahren ohne Tatverdacht ermittelt wurden.569 Da zwar im Zeitpunkt der Informationserhebung kein Tatverdacht bestanden habe, ein solcher aber im Zeitpunkt der Verwertung vorläge, bestünde ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nach § 152 Abs. 2 StPO.570 Dabei müsse für den gezielten Ersatzeingriff der Verdacht hinzugedacht werden.571 Er ist einer der wenigen, die sich um eine Begründung der Anwendbarkeit des hypothetischen Ersatzeingriffes in diesem Zusammenhang bemühen: Diese sieht er in dem Vergleich der verdachtlosen Erhebung mit den strafprozessualen Zufallsfunden.572 (1) Der hypothetische Ersatzeingriff am Beispiel der strafprozessualen Zufallsfunde Wirft man einen Blick auf den Bereich der strafprozessualen Zufallsfunde, fällt sogleich auf, dass die Regelung des § 477 Abs. 2 S. 2 StPO zu § 161 Abs. 2 StPO beinahe wortgleich ist. Dies erstaunt insoweit nicht, als der Gesetzgeber beide Vorschriften durch dasselbe Änderungsgesetz ein568

Für letzteres wohl Ernst, S. 156. Böse will die Verwertbarkeit von Informationen, die durch Ermittlungseingriffe erlangt worden sind, die in ihrer Intensität über die im Strafverfahren vorgesehenen Informationseingriffe hinausgehen, ablehnen, siehe Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 350. Wolter fordert für die Verwendung im Strafverfahren, neben den erforderlichen Rechtsgrundlagen, einen (qualifizierten) hypothetischen Ersatzeingriff dergestalt, dass Daten zum Beispiel aus einem mit § 100 c Abs. 1 Nr. 1b, Nr. 2 StPO vergleichbarem Eingriff nur zur Verwendung von Katalogtaten übermittelt werden dürfen, und der hypothetische Ersatzeingriff müsse seinerseits verfassungsmäßig sein, d.h. Daten aus einem Lauschangriff dürften zum Beispiel nicht zu repressiven Zwecken an Strafverfolgungsorgane übermittelt werden, SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 104; ders., FS Rieß, 633 (645); ders., FS Roxin (2001), 1141 (1166 f.); ebenso Walden, S. 323 f. Wolters Forderungen von 1996 entsprechen der derzeitigen Normierung des § 161 Abs. 2 StPO, sofern man davon ausgeht, dass aus dieser Norm im Umkehrschluss abzuleiten ist, dass Informationen aus Eingriffen, die keine Entsprechung in der StPO finden, nicht verwertet werden dürfen. Insoweit könnte man davon ausgehen, dass ihm die derzeitige Regelung genügt. Es finden sich jedoch auch Ausführungen von ihm, in denen er de lege ferenda einen bestimmten Verdachtsgrad auf Empfängerseite fordert, Wolter, FG Hilger, 275 (280); ders., FS Rieß, 633 (645 ff.). 569 Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 310 ff. 570 Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 308. 571 Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 312 f. 572 Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 312.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

führte und auch in den Begründungen auf die jeweils andere Vorschrift verwies.573 Die Unterschiede im Wortlaut der Regelungen sind dem Umstand geschuldet, dass sich § 161 Abs. 2 StPO mit der Informationsgewinnung nach anderen Gesetzen als der StPO beschäftigt, also externen Daten und § 477 Abs. 2 StPO mit der Zweckumwidmung innerhalb des Strafprozesses, nämlich den Zufallsfunden. Laut § 477 Abs. 2 S. 4 bleiben die abweichenden Regelungen für § 100 d Abs. 5, § 100 i Abs. 2 S. 2 und § 108 Abs. 2, 3 StPO unberührt. Die Bezeichnung „Zufallsfund“, die im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden hat, meint Erkenntnisse, die angesichts einer strafprozessualen Maßnahme, die nur bei Verdacht einer bestimmten Straftat zulässig ist, angefallen sind und sich nicht auf dieselbe Tat im prozessualen Sinne beziehen, deretwegen die ursprüngliche Anordnung der Maßnahme erfolgte. Die Regelung beruht auf den bisherigen Regelungsvorbildern der StPO zu diversen Maßnahmen sowie einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung.574 In der Literatur finden sich auch Stimmen, die konsequent fordern, dass die Verwertbarkeit von Zufallsfunden davon abhängen soll, ob diese im Zeitpunkt der ursprünglichen Anordnung final hätten erlangt werden können.575 Lindner kritisiert im Zusammenhang mit den Zufallsfunden insbesondere, dass der Beschuldigteneigenschaft keine Relevanz zukäme.576 Daher müsse ein hypothetischer Ersatzeingriff daran scheitern, dass ex ante eben nicht alle Voraussetzungen der Erhebungsnorm vorgelegen hätten.577 Dies bedeutet, den hypothetischen Ersatzeingriff ernst zu nehmen und bezüglich aller Voraussetzungen durchzuprüfen und nicht lediglich bezüglich des Erfordernisses einer Katalogtat.578 Für eine Verwertbarkeit nach Lindner wäre somit erforderlich, dass bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der Überwachung ein Verdacht bezüglich einer Katalogtat hinsichtlich desjenigen, in Bezug auf den die Informationen später zufällig gefunden wurden, vorlag.579 Diese Anforderung wird in den seltensten Fällen erfüllt sein. 573

Siehe BT-Drs. 16/5846, S. 15, 66. So der ausdrückliche Verweis in BT-Drs. 16/5846, S. 66 auf §§ 98 b Abs. 3 S. 3, 100 b Abs. 5, 100 d Abs. 5 a. F., 100 h Abs. 3, 110 e StPO und BGHSt 26, 298 (303); 27, 355 (358); 28, 122 (125 ff.); BGHR, StPO, § 100 a Verwertungsverbot Nr. 4, 5, 10. 575 Kelnhofer, S. 230 f. 576 Lindner, S. 131. 577 Lindner, S. 131. 578 Insoweit zu Recht kritisch Lindner, S. 131 in Bezug auf § 100 a StPO. 579 Zur Verwertbarkeit von Zufallsfunden ist laut Kelnhofer danach zu fragen, ob die Behörde auf das Beweismaterial auch gestoßen wäre, wenn sie zur Überführung des nunmehr Verdächtigen mit der entsprechenden Maßnahme vorgegangen wäre: 574

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Wenn ein solcher Verdacht bestünde, wäre die Polizei nämlich aufgrund des Legalitätsprinzips ohnehin zur Verfolgung verpflichtet und hätte daher bereits gegen den Betroffenen ermittelt. Damit führt die entsprechende Ansicht in ihrer Konsequenz regelmäßig zur Unverwertbarkeit von Zufallsfunden, denn sie setzt voraus, dass die Behörde nicht gegen einen vorher Unverdächtigen Beweise findet und ist somit der Kritik einer Behinderung der wirksamen Strafverfolgung ausgesetzt. Eine Begründung aber, warum für die Verwertbarkeit letztlich nur eine Anforderung erfüllt sein muss, wohingegen zur rechtmäßigen Erhebung tatbestandlich weitere Begrenzungskriterien gegeben sein müssen, bleibt die h. M. schuldig.580 Auch soweit Erkenntnisse gegen einen unbeteiligten Dritten anfallen, sollen diese verwertbar sein, da dessen Schutz schon bei dem Erhebungseingriff berücksichtigt worden sei.581 Da der Betroffene jedoch keinen Anlass zur Datenerhebung gegeben hat, wurde ihm der Schutz der StPO gerade nicht zu teil.582 Damit enden die Ausführungen letztlich in einem Zirkelschluss, denn es wäre vielmehr darzulegen gewesen, warum der entstandene Verdacht die Verwertung wirklich rechtfertigen kann.583 Allein die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Informationserhebung ist für die Verwertung, wie schon dargelegt, nicht entscheidend.584 Hiergegen kann auch nicht § 108 StPO angeführt werden, der ebenfalls keine vorher bestehende Verdachtslage fordert, sondern lediglich ex post einen Verdacht bezüglich einer anderen Straftat voraussetzt.585 Gegen einen Vergleich mit § 108 StPO werden gerade von grundsätzlichen Kritikern der Lehre von der hypothetischen Rechtmäßigkeit bei unselbstständigen Beweisverwertungsverboten überzeugende Argumente angebracht: Zum einen zeige die ausnahmsweise Normierung an, dass hier von der üblichen Verfahrensweise abgewichen werden soll, zum anderen aber handelt es sich bei der Durchsuchung um eine klassische Ermittlungsmaßnahme, die in ihrer mithin ist nicht nur zu fragen, ob der Zufallsfund selbst Qualität einer Katalogtat hat, sondern auch, ob die Überführung auf anderem Wege nicht aussichtsreich schien und ein Beweisnotstand vorlag, Kelnhofer, S. 235. 580 So auch die Kritik von Lindner, S. 131. 581 Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 314 f. 582 Grawe S. 217; Welp, Die Strafprozessuale Überwachung, S. 225. 583 Siehe Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 314. 584 So aber Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 313. 585 So aber Kelnhofer, S. 234; Rieß, DAV, 141 (152); Rogall, NStZ 1988, 385 (391); SK/Wolter, StPO, § 151 Rn. 183, 191 ff. Dencker argumentiert, selbst der Gesetzgeber habe erkannt, dass § 108 StPO nicht auf die moderneren Ermittlungsmethoden und deren „Zufallsfunde“ anwendbar sein könnte, wie sich durch die Einfügung des § 108 Abs. 1 S. 3 StPO zeige, S. 237 (238 Fn. 65) (Hervorhebung im Original).

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Eingriffstiefe nicht den heimlichen Ermittlungsmaßnahmen, wie zum Beispiel einem großen Lauschangriff entspricht. Dass § 108 StPO daher keinen ex-ante-Verdacht fordert, kann nicht gegen die grundsätzliche Notwendigkeit eines solchen angeführt werden. Dies zeigt, dass schon im Rahmen der strafprozessualen Zufallsfunde und der Anwendung der Figur des hypothetischen Ersatzeingriffs zahlreiche diskussionswürdige Punkte fortbestehen. Eine Begründung für die Zulässigkeit der Anwendung dieses Konzepts bleibt die h. M. schuldig; die Kritik in der Literatur zeigt zudem Schwachstellen des Konzepts auf. Dennoch soll überprüft werden, ob dieses Konzept auf Vorfelderkenntnisse übertragbar ist. (2) Übertragbarkeit auf Vorfelderkenntnisse? Die Übertragbarkeit eines Konzeptes der Zufallsfunde, welches, wie gezeigt, auch im Rahmen des Strafprozesses nicht unumstritten ist, auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse, mit dem Ziel, eine Begrenzung ihrer Verwertbarkeit zu erreichen, erscheint zweifelhaft. Betrachtet man die Situation der Übermittlung aufgrund verdachtsloser Informationserhebung, erscheint eine Parallele zu den strafprozessualen Zufallsfunden vom Ergebnis her zwar nicht fernliegend, so dass die ähnliche Regelung der §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO nachvollziehbar erscheint. Denn charakteristisch für den Zufallsfund ist, dass nicht zuerst der Tatverdacht vorhanden ist, sondern dass zunächst eine Beweismöglichkeit gegeben ist, aus der dann der Tatverdacht entsteht.586 Dies entspricht der Situation der Übermittlung von Erkenntnissen: Auch hier liegt zuerst „zufällig“ das Beweisergebnis vor. Zur Erinnerung: Bei den Diensten selbst kann es aufgrund der weiten Aufgabenbeschreibung und den zahlreichen Verwendungsregeln keine Zufallsfunde im strafprozessualen Sinne geben. Dies ist aber für die vorliegende Betrachtung unerheblich, da es lediglich um die ähnliche Problemstruktur geht. Jedoch zeigt die genauere Analyse, dass die Annahme paralleler Strukturen nicht überzeugen kann. Eine unkritische Übertragung würde Unterschieden im Strafprozess und im nachrichtendienstlichen Vorgehen nicht hinreichend gerecht. Es ist zwischen der Verwertung von verfahrensinternen Erkenntnissen, also Zufallsfunden, und der verfahrensexternen Verwendung von Informationen zu unterscheiden. Wie Grawe richtig betont, liegt bei ersteren nur ein quantitativer Unterschied vor, also beispielsweise die Anzahl der Straftaten, für welche die Daten Verwendung finden dürfen, während sich bei verfahrensexternen Daten ein qualitativer Unterschied feststellen lässt587, 586 587

Labe, S. 229. Grawe, S. 279.

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da sich die Tatbestandsvoraussetzungen in erheblichem Maße unterscheiden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung nicht nur eine unterschiedliche Ausrichtung zukommt, sondern der Gefahrenabwehr auch ein höheres Gewicht gegenüber der Strafverfolgung zuzumessen ist.588 Werden die Erkenntnisse nun aber gleichgestellt, wird dieser Unterschied, der bei der Datenerhebung relevant war, nivelliert. Bei den Zufallsfunden als internen Erkenntnissen, also Daten, die durch Strafverfolgungsorgane nach der StPO erhoben wurden, ist jeweils der Zweck „Strafverfolgung“ gegeben. Damit liegt also die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Vereinbarkeit beider Zwecke unproblematisch vor. Somit sind hinsichtlich der Zweckumwidmung, also Nutzung von im Ausgangsstrafverfahren gewonnenen Daten in einem anderen Strafverfahren keine besonderen Anforderungen zu stellen, die Rechtsgrundlage des § 477 Abs. 2 StPO kann daher datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten genügen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn es um eine Zweckumwidmung von Daten geht, die zu nachrichtendienstlichen Zwecken gewonnen wurden und somit unter Anwendung von Vorfeldbefugnissen und nun zu Strafverfolgungszwecken Verwendung finden sollen. Denn die nachrichtendienstliche Arbeit und die Strafverfolgung unterscheiden sich von ihrer Schutzrichtung und ihrer Zweckausrichtung. Daher kann man innerhalb des Strafrechts die Eingriffsschwelle, also den Verdacht, auf die Zufallserkenntnisse übertragen; der aufgezeigte Widerspruch, nämlich dass der Verdacht durch die Figur des hypothetischen Ersatzeingriffes für die Zufallsfunde entbehrlich ist und somit seine begrenzende Funktion nicht erfüllen kann, kann also noch hingenommen werden. Man könnte quasi davon sprechen, dass sich strafverfahrensrechtliche Erkenntnisse aus bestimmten Maßnahmen wesensmäßig ähnlich sind. Dies gilt vor allem, da vor der ersten Erhebung ein Verdacht vorgelegen haben muss. Dieser kann gegebenenfalls auch für die Folgeerkenntnisse eine quasi-rechtfertigende Wirkung haben. Dies wird durch die Figur des hypothetischen Ersatzeingriffes unterstellt. Dies kann aber für nachrichtendienstliche Erkenntnisse nie zutreffen. Während im Strafprozess bei der ursprünglichen Ermittlung ein solcher Tatverdacht bestand, fehlt bei den Nachrichtendiensten dieser nämlich. Angesichts der Bedeutung des Tatverdachts im Strafverfahren589 erscheint es zweifelhaft, Erkenntnisse im Strafprozess zu verwerten, bei denen dieser Verdacht nie hat vorliegen müssen. Denn die 588

Paeffgen, StV 1999, 676. Nach Rogall, Informationseingriff, S. 87 handelt es sich bei diesem um die Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips im Strafverfahren; vergleiche auch S. 87 ff. 589

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Abweichung vom Tatverdacht wird bei den Nachrichtendiensten gesondert gerechtfertigt, nämlich mit ihrer elementaren Schutzaufgabe. Verwertet man die so gewonnenen, eventuell auch einen Verdacht begründenden Erkenntnisse jetzt im Strafverfahren unter der hinzuzudenkenden Voraussetzung, diese wären nach strafprozessualen Grundsätzen gewonnen, umgeht man nicht nur den Tatverdacht, sondern vermeidet auch die Begrenzung, welche im Nachrichtendienstrecht neben der konkreten Befugnisnorm stets zu berücksichtigen ist, nämlich den Aufgabenbezug. Man könnte nun entgegnen, dass es sich bei der Beschränkung der Datenerhebungsbefugnisse durch die Aufgabenstellung der Dienste um eine vergleichbare Beschränkung handele und sie daher auch vergleichbar behandelt werden könnte. Dies ist aber nicht der Fall. Bei dem Tatverdacht handelt es sich um eine konkrete, tatbestandsmäßige Beschränkung. Bei den Nachrichtendiensten fehlt eine solche. Der Aufgabenbezug ist eine vorgelagerte Beschränkung; liegt er einmal vor, lässt er zahlreiche nachrichtendienstliche Maßnahmen zu. Sie weist keinen konkreten Bezug zu bestimmten Straftaten auf. Im Rahmen der Aufklärungstätigkeit der Dienste kann es notwendig sein, zu zahlreichen Straftaten Informationen zu sammeln. Da insoweit eine tatbestandliche Beschränkung fehlt, darf der Aufgabenbezug nicht durch Anwendung einer hypothetischen Gleichstellung mit strafprozessualen Erkenntnissen entfernt werden. (3) Zwischenergebnis Nach hinreichender Würdigung der Besonderheiten der jeweiligen Systeme ist festzustellen, dass die Übertragung einer Lösung aus dem strafprozessualen Bereich auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse nicht erfolgreich sein kann. Daher ist auch § 161 Abs. 2 StPO nur ein Lösungsversuch geblieben. Die Übertragung des Konzeptes der Zufallsfunde auf die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Vorfelderkenntnissen kann nicht überzeugen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der hypothetische Ersatzeingriff als Methode zur Beurteilung der Verwertbarkeit von Vorfelderkenntnissen ungeeignet ist, weil er zur Problemlösung nichts beitragen kann. bb) Befugnisse der Empfangsbehörde als Übermittlungsschranke? Bevor nun ein eigenes Konzept zur Lösung entwickelt wird, ist noch eine weitere Frage zu beantworten: Ist es verfassungsrechtlich zwingend, dass keine Daten weitergegeben werden dürfen, welche die empfangende Be-

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hörde selbst nicht hätte ermitteln können?590 Schon die Existenz der Übermittlungsregelungen des G10 spricht hiergegen. Verfassungsrechtlich relevant scheint insoweit allein, ob der in der Übermittlung liegende Eingriff gerechtfertigt werden kann. Dennoch hat der sächsische Verfassungsgerichtshof jüngst entschieden, dass den Strafverfolgungs- oder Polizeibehörden nur solche Daten übermittelt werden dürften, die diese selbst von Verfassungs wegen hätten erheben dürfen.591 Anderenfalls wäre der Erhebungszweck mit dem veränderten Verwendungszweck unvereinbar, da mit der Zweckänderung grundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden umgangen werden würden.592 Dabei verweist der Gerichtshof auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.593 Zwar führt dieses zutreffend aus, dass die Zwecke nicht unvereinbar sein dürfen, hingegen lässt sich keine Aussage dergestalt finden, dass sich die Zwecke entsprechen müssen, das heißt, dass eine Zweckentfremdung ausgeschlossen sein soll.594 Nicht jede Zweckentfremdung begründet also eine Unvereinbarkeit der Zwecke. Vielmehr ist gerade die Unvereinbarkeit begründungsbedürftig. Das Bundesverfassungsgericht erläutert, dass die Zweckänderung nicht zur Unklarheit oder Unverhältnismäßigkeit der Norm führen darf. Es stellt zudem ausdrücklich klar, dass auch eine Übermittlung nach strategischer Kontrolle zulässig sein kann.595 Die angeführten Entscheidungen tragen die Auffassung des sächsischen Verfassungsgerichtshofs daher nicht. Man könnte ferner zur Begründung einer solchen Übermittlungsschranke vortragen, dass die Erhebungsvorschriften ebenfalls vorgäben, dass die Behörde über keine anderen Daten Verfügungsmacht haben solle als solche, die sie selbst hätte erheben können, da sonst ihre Befugnisse erweitert würden596, und wenn das Gesetz der zuständigen Behörde eine bestimmte Kompetenz zur Informationserhebung vorenthalten wolle, so dürfe diese nicht contra legem durch Informationsübermittlung substituiert werden.597 590 Auch bezüglich des hypothetischen Ersatzeingriffs ist umstritten, ob die Möglichkeit zur Erhebung bereits bestehen muss, oder aber ob es genügt, dass die Erhebung grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig wäre, also de lege ferenda eine entsprechende Regelung eingeführt werden könnte; für letzeres Singelnstein, ZStW 120 (2008), 854 (861); SK/Weßlau, StPO, § 477 Rn. 23; kritisch Paeffgen, StV 1999, 668 (675 ff.). 591 SächsVerfGH, NVwZ 2005, 1310 (1315). 592 SächsVerfGH, NVwZ 2005, 1310 (1315). 593 BVerfGE 65, 1 (52, 62); 100, 313 (389 f.). 594 BVerfGE 65, 1 (62); 100, 313 (389). 595 BVerfGE 100, 313 (389 f.). 596 Kutscha, ZRP 1986, 194 (197); König, S. 113 („originäres Exekutivverbot“). 597 Rogall, NStZ 1992, 45 (47).

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Jedoch wurde bereits dargelegt598, dass zwischen der originären Erhebungsbefugnis und der Nutzung von übermittelten Informationen zu unterscheiden ist. Mit der Nutzung von Informationen erhält die empfangende Behörde keine Macht über die vorher angewendeten Methoden. Die durch die unterschiedlichen Erhebungsbefugnisse vorgegebene Machtbegrenzung wird durch separate Übermittlungsregelungen und deren Voraussetzungen vielmehr verstärkt. Befürchtungen bezüglich vermeintlicher Ermittlungsaufträge im Wege der Amtshilfe zur Umgehung fehlender eigener Befugnisse können ebenfalls nicht durchgreifen. Denn in § 17 Abs. 1 BVerfSchG ist bereits vorgesehen, dass auf ein Ersuchen hin nur Daten übermittelt werden dürfen, die der ersuchten Behörde bereits bekannt sind (oder aber aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen wurden). Gründe für ein absolutes informationelles Trennungsgebot, denn das ist es letztlich, was die Verfechter dieser Auffassung fordern599, lassen sich den Gesetzen nicht entnehmen.600 Auch aus weiteren Verfassungsnormen lässt sich ein solches informationelles Trennungsgebot nicht begründen.601 Zu behaupten, das Rechtsstaatsprinzip gebiete ein solches, ist kein Argument, sondern eine Behauptung, die erst bewiesen werden muss. Aus dem Rechtsstaatsprinzip kann die Gewaltenteilung und die Aufteilung von Befugnissen abgeleitet werden, nicht hingegen, dass aufgrund dieser Befugnisse erlangte Erkenntnisse nicht weitergegeben werden dürfen. Auf die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten und Strafverfolgungsorganen wurde schon zu Genüge hingewiesen. Ein Verbot der Weitergabe von Erkenntnissen ohne methodische Entsprechung in den anderen Verfahrensordnungen existiert daher nicht. cc) Beschränkung durch die Verhältnismäßigkeit Entscheidendes Kriterium für eine Übermittlung und auch eine Verwertung ist daher der Verwendungszweck. Dieser darf nicht mit dem Erhebungszweck unvereinbar sein.602 Unvereinbar bedeutet dabei nicht, dass bereits jegliche Zweckänderung ausgeschlossen werden muss. Eine Lösung hat daher als Vorgabe dem Zweck der nachrichtendienstlichen Tätigkeit gerecht zu werden, wobei dieser Zweck regelmäßig durch Weitergabe und 598

Siehe S. 100 ff. Dies auch verdeutlichend Kutscha, NVwZ 2005, 1231 (1234). 600 So gilt beispielsweise auch die Beschränkung des Art. 13 GG für Bildeingriffe in Wohnungen auf die Gefahrenabwehr ausdrücklich nur für die Datenerhebung; daraus folgt nicht zwingend ein Übermittlungsverbot. 601 Zu weiteren Argumenten siehe bereits oben S. 100 ff. 602 BVerfGE 100, 313 (360, 389); 109, 279 (375 f.); 110, 33 (73). 599

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Verwertung von Informationen zu erfüllen sein wird. Daneben muss eine angemessene Lösung aber auch den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Ausgleich zwischen Strafverfolgungsinteresse und Persönlichkeitsrechten berücksichtigen. (1) Verhältnismäßigkeitsmaßstab Wegen des gravierenden Eingriffs dieser Art der Informationserhebung ist der Verhältnismäßigkeitsmaßstab besonders sorgfältig zu bemessen.603 Die Verwertung der Daten dient dem legitimen Zweck der Strafverfolgung und jene wird hierzu auch regelmäßig geeignet sein, da sie das Verfahren fördert. Sie ist auch erforderlich im Sinne des mildesten Mittels, da entweder schon mangels hypothetischer Ersatzvornahme keine andere Möglichkeit der Datenerhebung besteht oder, soweit diese rechtlich zulässig wäre, eine Neuerhebung wegen der schon vorhandenen Daten unverhältnismäßig wäre.604 Nicht außer Acht zu lassen ist zudem, dass die Nachrichtendienste Informationen zwar zahlreich und großflächig sammeln und auswerten, jedoch nicht befugt sind, als Folge die entsprechenden exekutivischen Maßnahmen zu ergreifen. Sie können die Gefahr in der Regel weder selbst abwenden noch die Straftaten verfolgen. Die Übermittlung ist daher notwendig, um die Maßnahmen nicht unsinnig erscheinen zu lassen.605 Wenn nun schon Art. 10 GG nicht jede Übermittlung und Verwertung an Behörden ausschließt, denen die entsprechenden Befugnisse nicht zustanden, dann lässt sich daraus folgern, dass dies auch bei Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG nicht der Fall sein muss. Denn bei G10-Maßnahmen kommt neben der Bedeutung des Grundrechts noch die Unidentifizierbarkeit der Teilnehmer als erschwerendes Merkmal hinzu606, was bei sonstigen nachrichtendienstlichen Maßnahmen fehlt. Für G10-Erkenntnisse gilt, dass eine Absenkung unter die Schwelle des § 100 a StPO nicht gerechtfertigt werden kann, da ansonsten eine zu große Anzahl von Grundrechtsträgern betroffen würde.607 Da jedoch bei Akten nachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht stets ein Eingriff in Art. 10 GG vorliegt, ist die Schwelle des § 100 a StPO nicht absolut. 603 Vgl. hierzu zum Beispiel die Ausführungen des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, DVBl. 2000, 262 (266 f.), welches mit Urteil vom 21. Oktober 1999 die in § 29 Abs. 1 Nr. 5 SOG MV geregelte Schleierfahndung für verfassungswidrig erklärte, da die Kontrolle auf sämtliche Straftaten ausgedehnt war. 604 BVerfGE 100, 313 (390 f.); Schwan, VerwA 66, 120 (138); Böse, Wirtschaftsaufsicht, S. 306. 605 Vgl. oben S. 107 f. 606 BVerfGE 100, 313 (392). 607 BVerfGE 100, 313 (394).

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Bei der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne muss nun die Bedeutung der Sache in einem angemessenen Verhältnis zu dem Grundrechtseingriff gegenüber dem Betroffenen stehen.608 Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Zumutbarkeit gewahrt werden.609 Wie bereits dargelegt stellt die Übermittlung nicht nur deswegen einen Eingriff dar, weil der Kreis der Personen, die die Information kennt, nochmals erweitert wird, sondern auch weil die Strafverfolgungsorgane Ermittlungen einleiten, die zu weiteren Nachforschungen und eventuell sogar weitergehenden Eingriffen führen können. So fordert das Bundesverfassungsgericht, dass „[g]rundrechtsgebotene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden“ nicht umgangen werden dürfen, das heißt, es ist nicht zulässig, dass „Daten, die mit einer solchen Methode rechtmäßig gewonnen worden sind, in gleicher Weise auch für Zwecke zugänglich gemacht werden, die einen derartigen Methodeneinsatz nicht rechtfertigen würden.“610 Wie aber bereits dargelegt, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erforderlich, dass die Daten ausschließlich zu dem Erhebungszweck verwendet werden. Sie sind zwar vor Zweckentfremdung besonders zu schützen.611 Jedoch handelt es sich bei dem Zweckbindungsprinzip um kein absolutes Recht, denn das Recht auf Datenschutz ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ist damit auch dessen Einschränkungen unterworfen. So finden sich auch bei Vertretern strenger Zweckbindung Verweise auf ein „ethisches Minimum“, wie es die §§ 138, 139 Abs. 3 StGB vorgeben.612 Als Grundlage für eine verhältnismäßige Zweckänderung dienen folgende Erwägungen: Der Anfangsverdacht ist aus rechtsstaatlichen Gründen die unterste Einsatzschwelle für das Strafverfahren.613 Der Anfangsverdacht ist deswegen rechtsstaatlich bedeutsam, da er den Einzelnen davor schützt, ohne Anlass Ausforschungsobjekt des Staates zu werden.614 Soweit man 608

BVerfGE 65, 1 (54). BVerfGE 100, 313 (391) unter Bezugnahme auf BVerfGE 67, 157 (173, 178); stRspr. 610 BVerfGE 100, 313 (390). 611 Schmidt in: Verfassungsschutz, 15 (18). 612 SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 182; ders., ZStW 107 (1995), 811 (816 f.); S. Schröder, Hypothese, S. 61 ff.; Meyer, S. 95. Zur Zweckbindung für Erkenntnisse des Verfassungsschutzes BVerfGE 30, 1, 22 (keine Übermittlung aus Abhörmaßnahmen); H.-P. Schneider, NJW 1978, 1601 (1602 f.); OVG Berlin, NJW 1978, 1644 ff.; OVG Berlin, NJW 1978, 1648; Evers, ZRP 1980, 110 (112). 613 Hilger, FG Hilger, 11 (13); Hund, ZRP 1991, 463; SK/Weßlau, StPO, § 152 Rn. 21, 42 m. w. N. 614 Hund, ZRP 1991, 463. 609

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den Anlass unterhalb der Verdachtschwelle absenkt, so muss dies um besonders hochrangiger Schutzgüter willen geschehen.615 Die im Nachrichtendienstrecht erforderlichen „tatsächlichen Anhaltspunkte“ stellen eine niedrigere Eingriffsschwelle dar, die nur ausnahmsweise rechtsstaatlich zulässig ist.616 Die Verwendung von Daten, die nur der äußeren Sicherheit wegen überhaupt erhoben werden durften, im innerstaatlichen Prozess zur inneren Sicherheit ist nicht nur hinsichtlich der Erweiterung des Personenkreises, der über die Daten verfügen kann, problematisch. Zu berücksichtigen ist ferner auch die unterschiedliche Eingriffstiefe, da die Strafverfolgungsbehörden weitergehende und anschließende Maßnahmen treffen können.617 (2) Konkretisierung Dass eine Zweckänderung dann zulässig sein muss, wenn diese im Einzelfall verhältnismäßig ist, leuchtet ein, ist aber für die Rechtsanwendung mangels Konkretisierung wenig hilfreich. Ziel soll es daher nun sein, diesen abstrakten Maßstab für die Rechtsanwendung handhabbar zu machen. Zum Auffinden eines geeigneten Maßstabes, der bestimmter ist als der Maßstab der Angemessenheit beziehungsweise Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn sollte man sich an den Wertungen des Gesetzgebers orientieren. Dabei wurde bereits erarbeitet, dass eine Durchbrechung der Zweckbindung nur zugunsten der Verfolgung besonders gravierender Delikte zulässig sein kann. Anhaltspunkte dafür, welche Delikte der Gesetzgeber als besonders gravierend und schutzwürdig gerade im Hinblick auf Nachrichtendienste erachtet, ergeben sich aus § 20 BVerfSchG sowie aus den Übermittlungsregelungen des G10, die aufgrund zahlreicher Verweisungen besonders stark mit dem restlichen Nachrichtendienstrecht verwoben sind. Allgemeiner lassen sich als im Gesetz verankerter Maßstab für besonders schwere Delikte die §§ 74 a, 120 GVG, der Straftatkatalog des § 100 a StPO sowie § 138 StGB finden. Interessant ist an dieser Stelle auch, einen Blick auf die Regelungen zur Datenübermittlung in diejenigen Landesverfassungsschutzgesetze zu werfen, die von der bundesgesetzlichen Regelung abweichen.618 615

BVerfGE 100, 313 (392). BVerfGE 100, 313 (393 f.). 617 BVerfGE 100, 313 (360). 618 Sollte auf diese Weise eine Lösung gefunden werden, wäre dies ein gelungenes Beispiel für kompetitiven Förderalismus, da aus den verschiedenen Lösungen die beste herausgefiltert werden kann. Zu diesem Konzept siehe Calliess, DÖV 1997, 889 ff. 616

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Nach § 14 des Hamburger Verfassungsschutzgesetzes gilt, dass eine Übermittlung zulässig ist, wenn sie zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 4 Abs. 1 zwingend erforderlich ist. Zudem ist eine Weiterübermittlung nach Abs. 2 zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat nach §§ 74 a und 120 GVG, § 100 a Nr. 3, 4 StPO oder §§ 130, 131 StGB vorliegen oder für eine sonstige Straftat, bei der nach ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie sich gegen die in Art. 73 Nr. 10 b, c GG genannten Schutzgüter richtet. Weiter beschränkt die Norm die Übermittlung für selbst mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobenen Daten insofern als eine Übermittlung nur dann statthaft ist, „wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für deren Erhebung mit entsprechenden Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung nach der Strafprozessordnung [. . .] vorgelegen hätten“. Das rheinland-pfälzische Verfassungsschutzgesetz beschränkt die Übermittlungsbefugnis nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 an Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden auf Fälle der Verfolgung von Staatsschutzdelikten, den in § 100 a StPO und § 131 StGB genannten Straftaten sowie sonstiger Straftaten im Rahmen der Organisierten Kriminalität. Dabei sind Staatsschutzdelikte definiert als die in §§ 74 a, 120 GVG genannten Straftaten sowie solche, bei denen nach ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie sich gegen die in Art. 73 Nr. 10 b, c GG genanten Schutzgüter richten. Subsidiär ist eine Übermittlung an „andere“ öffentliche Stellen nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 zulässig, so dass hieraus zu schließen ist, dass diese Befugnisnorm keine Anwendung für Übermittlungen an Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden findet. Nach § 19 des Landesverfassungsschutzgesetzes Schleswig-Holstein ist eine Übermittlung an Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine in § 100 a StPO genannte Straftat begeht oder begangen hat, an andere Stellen ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn es zum Schutz vor Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes unverzichtbar ist. Aus der Bezeichnung „andere Stellen“ kann wieder gefolgert werden, dass Übermittlungen an Staatsanwaltschaft und Polizeibehörden insoweit ausgeschlossen sind. Auch im Thüringer Verfassungsschutzgesetz findet sich eine ähnliche Regelung (§ 14 Abs. 1 Nr. 1): die Übermittlung ist nur für Straftaten nach §§ 74 a, 120 GVG, § 100 a StPO sowie sonstiger Straftaten, bei denen nach ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie ge-

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gen die in Art. 73 Nr. 10 b, c GG genanten Schutzgüter gerichtet sind. Zusätzlich ist jedoch eine Übermittlungsgeneralklausel zugunsten anderer öffentlicher Stellen eingefügt (§ 14 Abs. 1 Nr. 3). Nach dem Hessischen Verfassungsschutzgesetz besteht in § 10 eine Übermittlungspflicht bei Straftaten nach §§ 74 a, 120 GVG sowie sonstigen Straftaten, deren Zielsetzung oder Motiv sich gegen die Schutzgüter des Art. 73 Nr. 10 b, c GG richten. Darüber hinaus enthält § 11 eine weitere Verpflichtung für Straftaten nach § 100 a StPO und im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität, sobald ein Anfangsverdacht nach § 152 StPO vorliegt. Diese Pflichten stehen jedoch unter dem Vorbehalt, dass keine Geheimhaltungsgründe vorliegen. All diesen Normen ist gemein, dass sie die Übermittlung und nicht die Verwertung regeln. Auch diesen Normen lassen sich wiederum Wertungen darüber entnehmen, welche Straftaten der Gesetzgeber als besonders schwerwiegend ansieht, gerade auch im Hinblick auf eine Datenübermittlung, als eine Zweckänderung, von Nachrichtendiensten an die Strafverfolgungsorgane. Interessant ist die Betrachtung der Übermittlungsregelungen auch deshalb, weil sich hinsichtlich der Daten, die schon gar nicht übermittelt werden dürfen, die Verwertungsfrage nicht stellen kann.619 Aus der Gesamtschau lässt sich die Verwertbarkeit von Vorfelderkenntnissen formelhaft wie folgt zusammenfassen: „Zu Beweiszwecken im Strafverfahren dürfen nach § 19 Abs. 1 BVerfSchG (analog), § 9 Abs. 1 BNDG übermittelte Daten verwertet werden, sofern dies zur Aufgabenerfüllung der übermittelnden Stelle erforderlich ist oder diese zur Verfolgung von Straftaten nach §§ 74 a, 120 GVG, sonstigen Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, dem Motiv des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Art. 73 Nr. 10 b, c GG genannten Schutzgüter gerichtet sind, oder den in § 138 StGB oder § 100 a StPO genannten Straftaten erforderlich sind und die Nutzung im Einzelfall nicht unverhältnismäßig erscheint.“ Eine weitere Verwertbarkeit wird sich unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nicht rechtfertigen lassen. Eine Beschränkung der Verwertbarkeit dagegen bleibt dem Gesetzgeber solange belassen, als eine effektive Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste nicht beeinträchtigt ist. Vorteil dieser Lösung ist, dass die Regelung für alle nachrichtendienstlich erlangten Erkenntnisse gilt und somit umfassend der Problematik der An619

Zu den Folgen bei Verstößen gegen Übermittlungsverbote siehe S. 205 ff.

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wendung von Vorfeldbefugnissen durch die Nachrichtendienste gerecht wird. Sie verzichtet somit auf eine Parallele zur StPO und macht so deutlich, dass es sich nicht um vergleichbare Erhebungsvorgänge handelt. Durch die ausdrückliche Abkopplung der Verwertungsregelung von Datenerhebungsvorgängen nach der StPO wird der Gefahr begegnet, die strukturellen Unterschiede der Erhebungsvorgänge nach StPO und dem Nachrichtendienstrecht zu übersehen. Der Vorschlag bietet weiter eine einheitliche Verwertungsregelung. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass § 161 Abs. 2 StPO sogar eine einheitliche Verwertungsregelung für alle außerhalb des Strafprozesses erlangten Erkenntnisse biete. Eine einheitliche Regelung ist nämlich kein Selbstzweck, sondern nur dann wünschenswert, wenn sie angesichts zu berücksichtigender Besonderheiten spezifiziert genug ist, was § 161 Abs. 2 StPO nicht gelingt, da er die nachrichtendienstlichen Besonderheiten nicht würdigt. Ob die Regelung in ihrer konkreten Anwendung im Vergleich zu § 161 Abs. 2 StPO tatsächlich weiter oder enger ausfällt, ist dagegen unerheblich, da sie sachgerechter ist und somit die rechtliche Problematik zutreffend wiedergibt. Durch die Bezugnahme auf die Aufgabe der Nachrichtendienste sowie deren verfassungsrechtlichen Rechtsgrundlagen in Art. 73 Nr. 10 b, c GG wird zugleich eine Begrenzung der Verwertbarkeit im Einzelfall gewährleistet, da die Nutzung, um im Einzelfall verhältnismäßig zu sein, nicht nur eine Katalogtat des § 138 StGB oder des § 100 a StPO darstellen, sondern mit den ausdrücklich aufgezählten vorherigen Fällen vergleichbar sein muss. Die Nutzung von Daten unter dieser Erheblichkeitsschwelle wird ausgeschlossen, unabhängig davon, wie der Straftatenkatalog des § 100 a StPO künftig gestaltet werden sollte. dd) Ergebnis Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Nach § 20 BVerfSchG übermittelte Daten sind, soweit der Übermittlungsvorgang selbst rechtmäßig war, stets verwertbar. Bei § 19 BVerfSchG ist eine Einzelfallbetrachtung anzustellen. Dass insoweit bei vielen Delikten die Verwertung von nach § 19 BVerfSchG übermittelten Daten ausscheiden soll, scheint angesichts der weiten Vorschrift widersprüchlich. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein Beweisverwertungsverbot ohnehin nur bedeutet, dass die Nutzung zu Beweiszwecken verboten ist, nicht jedoch die Nutzung als Spurenansatz.620 Insofern bedeutet das vorliegende Ergebnis keine Beschränkung der Übermittlung durch die Nachrichtendienste, sondern einzig eine Beschränkung der Nutzung der erhaltenen Informationen durch die Strafverfolgungsbehörden. Dieses Ergebnis mag widersprüchlich wirken, ist aber Konsequenz der ab620

Siehe hierzu bereits S. 140 ff.

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solut h. M. im Strafprozess, nämlich dass den Beweisverwertungsverboten nur im Einzelfall eine Fernwirkung zukommen kann und eine Nutzung als Spurenansatz in weitem Umfang als zulässig angesehen wird. Um diese Diskrepanz zu beheben, empfiehlt sich, wie oben angeregt, eine gesetzliche Festlegung. 3. Nachrichtendienstliche Mittel Die als nachrichtendienstliche Befugnisse normierten Methoden weisen gegenüber den nach der StPO zulässigen Methoden kaum Besonderheiten auf. Auch die StPO kennt geheime Ermittlungsmethoden und dies ist verfassungsrechtlich zulässig.621 Die Heimlichkeit einer Maßnahme allein führt damit nicht zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der erlangten Erkenntnisse.622 Dass ein Verbot der Weitergabe von Erkenntnissen, die durch Maßnahmen ohne Entsprechung in der Empfängerverfahrensordnung erlangt wurden, nicht besteht, wurde bereits ausführlich erörtert.623 Damit kann ein Beweisverwertungsverbot an die Verwendung von nachrichtendienstlichen Mitteln nicht geknüpft werden. 4. Selektivität der Erhebung beziehungsweise Weitergabe Ein weiterer Problemkreis kann unter dem Stichwort „Selektivität“ zusammengefasst werden. Denn sowohl bei der Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung als auch bei der Weitergabe von Informationen bestehen als Folge der verwendeten Methoden und des geltenden Opportunitätsprinzips diverse Wahlmöglichkeiten der Nachrichtendienste. Um die einzelnen Konstellationen hinreichend zu würdigen, wird im Folgenden zwischen der Änderung der Beweisrichtung (a), der fehlenden Pflicht zu Ermittlung entlastender Beweise (b) sowie der fehlenden Übermittlungspflicht (c) unterschieden. Nach diesen Teilaspekten ist abschließend zu fragen, ob die aufgezählten Einzelpunkte zusammen eine unabhängige richterliche Entscheidung dergestalt in Frage stellen, dass von Nachrichtendiensten übermittelte Informationen insgesamt mit einem Verwertungsverbot zu belegen sind (d).

621 Siehe hierzu bereits oben S. 38, ebenso BGHSt (GS) 42, 139 (140 ff.); Deutsch, S. 28 ff.; Welp, Die strafprozessuale Überwachung, S. 57. 622 BGHSt 39, 338 (346 f.); ebenso Schafranek S. 218. 623 Siehe hierzu S. 250 ff.

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a) Änderung der Beweisrichtung Während die geheimdienstliche Tätigkeit grundsätzlich auf die Beobachtung von Kollektiven und Bewegungen als solchen abstellt, zielt der Strafprozess allein auf die Würdigung des Verhaltens eines Einzelnen.624 Aufgrund dieser Art der Verengung des Betrachtungsspektrums können Beweise verlorengehen, anders gewichtet werden oder aber die genaue Beteiligung des Einzelnen kann, da diese nicht (nachrichtendienstliches) Ermittlungsziel ist, eventuell nicht mehr rekonstruierbar sein. Preuß sieht derartige Unterschiede in Funktion, Erkenntnisperspektive und Wahrheitskriterien bei Präventivdaten und Justizdaten, da es bei Polizei und Nachrichtendiensten um die Gewinnung von operativem Wissen und nicht um strafverfolgungsrelevante Details ginge, mit der Folge, dass die Berichte für operative Zwecke für den Kriminalisten unter Umständen wertlos sein können.625 Jedoch wurde bereits dargelegt, dass diese Unterteilung zu schematisch ist und die Realität nicht zutreffend abbildet. Die Aufklärungsrichtung von Nachrichtendiensten und Strafverfolgungsorganen unterscheidet sich nicht zwingend. So stehen den Nachrichtendiensten ebenfalls Befugnisse zu Ermittlungen gegenüber Einzelpersonen zu und auch die beobachteten Bestrebungen lassen sich auf Einzelpersonen zurückführen.626 Die „unterschiedliche Ausrichtung des Erkenntnisinteresses“ darf nicht überschätzt werden.627 Dies deckt sich auch mit der Analyse aus Teil 1.628 Anhaltspunkte für Verwertungsverbote lassen sich daher hieraus nicht ableiten. b) Fehlende Pflicht zur Ermittlung entlastender Beweismomente Die Nachrichtendienste sind zur Erfüllung der ihnen übertragenen Sicherheitsaufgabe verpflichtet, so dass das Opportunitätsprinzip nicht hinsichtlich des Ob der Aufgabenwahrnehmung greift. Hinsichtlich des Wie steht ihnen aber ein Ermessensspielraum zu. Selbstverständlich ist auch insoweit eine umfassende und richtige Einschätzung der Lage entscheidend, jedoch sind sie nicht verpflichtet, umfassend in alle Richtungen zu ermitteln wie die Staatsanwaltschaft.629 So ist es möglich, dass in einer aus strafprozessualer Sicht lückenhaften Ermittlung entlastendes Material nicht ermittelt wird 624 625 626 627 628 629

Schwagerl, S. 217; Schafranek, S. 163 f. Preuß, KJ 1981, 109 (114, 121) mit Beispiel. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 224. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 224. Siehe hierzu S. 104. Vgl. oben S. 106 ff.

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oder entlastenden Kausalverläufen nicht nachgegangen wird. Man könnte nun behaupten, dies wäre unerheblich, da ab Übermittlung und Kenntnis der Staatsanwaltschaft das Legalitätsprinzip ohnehin gilt. Aber dies beseitigt nicht die Möglichkeit, dass durch eine vorgelagerte Entscheidung beziehungsweise eine bestimmte Ermittlungsmethode gewisse Erkenntnisse bereits unwiderruflich verloren gegangen sind. aa) Allgemein Es ist deshalb fraglich, ob ein Verwertungsverbot daraus resultieren muss, dass unter Umständen weite Teile der Ermittlungen nicht unter Geltung des Legalitätsprinzips stattfanden. Dieses Prinzip wurzelt nicht nur im Rechtsstaatsprinzip, sondern ist vielmehr auch Teil eines umfassenden Willkürverbots dergestalt, dass allen im Strafverfahren Beschuldigten ein Anspruch auf Gleichbehandlung zukommt.630 Es soll eine Prozesssteuerung durch Dritte verhindern.631 Daher darf sich schon die an sich belastende Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht nach dem Gutdünken eines staatlichen Organs richten.632 Da dieses Prinzip jedoch bei den Nachrichtendiensten nicht gilt, besteht insoweit die Gefahr einer Verzerrung.633 Probleme können sich insbesondere daraus ergeben, dass diese Möglichkeit der Wahrnehmungsverzerrung im Zusammenhang mit behördlichen Auskünften verkannt und deshalb nicht aufgeklärt wird oder aber die Gefahr erkannt wird und die Aufklärung dennoch misslingt.634 Zur Aufgabenerfüllung der Dienste ist es aber zugleich notwendig, dass diese dem Legalitätsprinzip nicht unterstehen.635 Daher müssen hier die Auswirkungen dieses Unterschieds auf das Strafverfahren analysiert werden. Zu beachten ist hierbei, dass auch unter Geltung des Legalitätsprinzips die Möglichkeit des Datenverlusts besteht, wenn eine falsche Ermittlungsentscheidung getroffen wird und eine Information tatsächlich unwiederbringlich verloren ist. Selektivität ist im Rahmen der Strafverfolgung nichts Ungewöhnliches. Selektiv ist bereits die Entscheidung, welchen Spuren im Ermittlungsverfahren im Einzelnen nachgegangen werden soll und welche Zeugen gehört werden sollen.636 Lisken/Denninger sprechen von einer 630

BVerfGE 46, 214 (223); 49, 24 (54); 51, 324 (343). Lisken/Denninger, C 124; Lisken, ZRP 1994, 264 (270). 632 Hund, ZRP 1991, 463 (464). 633 Weßlau, FG Hilger, 57 (61). 634 Weßlau, FG Hilger, 57 (62). 635 Siehe S. 106 ff. 636 Siehe hierzu auch allgemein das Trichtermodell der Strafrechtspflege, Bock, Rn. 792 f. 631

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„Prozesssteuerung mittels Material- und Methodenwahl“637. Außerdem müssen tatbezogene Spurenakten im Prozess nicht vorgelegt werden.638 Selektiv ist auch die Wahrnehmung des Einzelnen, auch wenn dies unbewusst geschieht, so dass auch Zeugen nie absolut vollständig aussagen können.639 Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass der Staatsanwaltschaft Beweise im Wege der Amtshilfe oder von Privatpersonen, zum Beispiel durch Auskünfte von Unternehmen, Videoaufzeichnungen von Tankstellen, Luftverkehrsdaten usw. übermittelt werden. Insoweit werden interessanterweise keine Fragen des Legalitätsprinzips diskutiert. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass die gesetzlichen Regelungen der §§ 153 ff. StPO, insbesondere §§ 154, 154 a StPO das Legalitätsprinzip ebenfalls schwächen. Daraus ergibt sich, dass Unterschiede in der Ermittlung zwar bestehen, jedoch wenn man den gesamten Ermittlungsverlauf in beiden Verfahren betrachtet, nicht notwendig eine größerer Grad ein Selektivität im nachrichtendienstlichen Verfahren vorliegen muss. Es liegt daher nahe, die bestehenden Unterschiede durch eine vorsichtige Beweiswürdigung auszugleichen. bb) G10 Zugespitzt stellt sich die eingangs geschilderte Problematik bei der sogenannten strategischen Datensuche. Die Suchprogramme, welche im Rahmen von G10-Maßnahmen verwendet werden, sind auf bestimmte Ergebnisse ausgerichtet. Besondere Filtermethoden führen dazu, dass nur näher festgelegte Gespräche überhaupt aufgezeichnet werden. Weßlau befürchtet daher, dass so entlastende Informationen nicht aufgefangen würden und dass Nachrichten, die „isoliert betrachtet einen verdachtsbegründenden, also belastenden Inhalt haben“, möglicherweise im Zusammenhang „ein anderes Bild ergeben“ würden.640 Daher will sie Erkenntnisse aus der strategischen Überwachung wegen ihrer Untauglichkeit als Beweismittel von der Verwertbarkeit im Strafverfahren ausschließen.641 Zum Beleg der Untauglichkeit von nur belastenden Beweismitteln verweist sie auf eine Entscheidung 637

Lisken/Denninger, C 103, 124. Aber BVerfGE 63, 45 (66), vergleiche hierzu auch BGHSt 30, 131, keine Verkürzung der Verteidigungsrechte; Verteidigung muss auf die Einführung hinwirken können, dies geht jedoch nur bei Kenntnis: Bender/Nack, ZRP 1983, 1; Taschke, S. 220. 639 Zur Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen und Auswirkungen auf die Zeugenaussagen, siehe Eisenberg, Rn. 1365 ff. 640 Weßlau, ZStW 113 (2001), 681 (706). Borcke, Sinn und Unsinn der Geheimdienste, S. 2 spricht insoweit vom „ ‚Kästchendenken‘ “ der Dienste. 641 Weßlau, ZStW 113 (2001), 681 (708). 638

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des LG Frankfurt von 1987. In dieser Entscheidung wurden Beweismittel als ungeeignet zurückgewiesen, da ein Großteil der ursprünglich existierenden Tonbänder verschwunden waren und nur die Zusammenfassung eines Kriminalbeamten übrig blieb.642 Hinzu kam jedoch, dass diese zudem in sich unstimmig war, auch konnten die betreffenden Personen auf dem vorhandenen Tonband nicht hinreichend identifiziert werden. Zuletzt führte das Gericht an, dass die Verteidigung eingeschränkt sei, falls die ursprünglich eingeführten Tonbänder, die nur einen geringen Teil der vorhandenen ausmachten, verwertet würde, da dann Belastungsmaterial vorläge, welches nicht durch die Einführung weiterer Bänder entkräftet werden könnte.643 Aus all diesen Gründen wurde letztlich die Verwertung als ungeeignet abgelehnt. Insofern lässt sich die Entscheidung nicht als Beleg für eine Unverwertbarkeit von G10-Erkenntnissen oder ähnlich erlangten Informationen anführen. Der Gesetzgeber ist von einer Verwertbarkeit von G10-Erkenntnissen ausgegangen, da er zahlreiche Übermittlungsvorschriften für die Weitergabe von diesen an die Strafverfolgungsorgane normiert hat. Ferner greift ab der Übermittlung der Informationen an die Staatsanwaltschaft, insbesondere bei einem einseitig belastenden Telefonprotokoll, deren Ermittlungspflicht, so dass die möglicherweise einseitige Ermittlungsmethode der Dienste durch die nachfolgenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eventuell noch kompensiert werden kann, so dass die Situation keinesfalls mit der oben geschilderten vergleichbar ist. Jedoch verbleibt eine gewisse Unsicherheit. Dies führt zu einer Minderung des Beweiswertes der Informationen. Ein lediglich geminderter Beweiswert führt aber noch nicht zur (völligen) Ungeeignetheit der Nutzung der Information.644 Würde man ein solches zur Vermeidung der (möglichen) Unsicherheit greifen lassen, hieße dies, Beweisverwertungsverbote mit der alleinigen Funktion des Schutzes der Wahrheitsfindung anzuerkennen. Dieser Schutz soll durch den Ausschluss unzuverlässiger Beweismittel stattfinden. Wie jedoch bereits oben dargelegt, kann dies zumindest als alleinige Funktion kein Verwertungsverbot tragen. Die Wahrheitsfindung selbst kann wiederum durch ein Verwertungsverbot beschränkt werden. Praktisch wird in der Hauptverhandlung aus verfahrensstrategischen Gründen sowie Beschleunigungsgesichtspunkten nach Möglichkeit auf die Verwertung der Ergebnisse einer Telekommunikationsüberwachung zuguns642

LG Frankfurt, StV 1987, 144. LG Frankfurt, StV 1987, 144 (146). Zur Unverwertbarkeit von Protokollen bei fehlenden Originalbändern, siehe Meyer-Goßner, § 244 Rn. 59 d; ablehnend KK/Fischer § 244 Rn. 155. 644 BGH NStZ-RR 2002, 242 f. 643

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ten sachnäherer Beweise verzichtet.645 Letztlich muss sich der Richter eine richterliche Überzeugung bilden. Ist ihm dies nicht möglich, kann keine Verurteilung stattfinden.646 Bei der Würdigung der Beweise muss er, falls die Staatsanwaltschaft nicht in der Lage war, den Inhalt der Protokolle zu bestätigen oder zu entkräftigen, sich die besondere Art der Beweisgewinnung bewusst machen und dies berücksichtigen. cc) Ergebnis Daher ergibt sich, dass sich die geschilderte Problematik durch die freie Beweiswürdigung zutreffend lösen lässt. Zwar erscheint der Beweiswert der Erkenntnisse durch ihre Gewinnung beeinträchtigt, jedoch führt dies nicht zu einem Verwertungsverbot. Es zeigt sich aber erneut, dass es wichtig ist, dass alle am Strafverfahren beteiligten Organe mit den nachrichtendienstlichen Methoden vertraut sind und sich eventuelle Ermittlungsdefizite vergegenwärtigen. c) Fehlende Pflicht zur Übermittlung aller Informationen Mit Ausnahme gewisser Übermittlungspflichten können die Nachrichtendienste entscheiden, welche Daten sie weitergeben.647 Ihr Interesse an der Zurück- beziehungsweise der Geheimhaltung sowie der Filterung von Informationen besteht sowohl dann, wenn der Inhalt Rückschlüsse auf Organisation oder Arbeitsweise der Nachrichtendienste zulässt und so ihre weitere Arbeit gefährden kann, als auch und vor allem aus dem Gründen des Quellenschutzes.648 Gelangen hingegen nur unvollständige Daten in das Strafverfahren, so besteht auch insoweit die Gefahr der Verzerrung des Sachverhalts, welche insbesondere darin besteht, dass der Betroffene durch eine Teilinformation in besonderem Maße belastet wird: werden nämlich gar keine Informationen übermittelt, so fehlt es schon an einer Belastung. Findet eine vollständige Übermittlung statt, stellt dies zwar einen (auch schweren) Grundrechtseingriff dar, da dieser aber nachvollziehbar ist, kann der Betroffene seine Verteidigung auf diese Fakten einstellen. Bei einer Teilinformation ist hingegen nicht eindeutig, welche Teile zurückgehalten werden und ob die Zurückhaltung nicht den Sachverhalt zu Lasten des Angeklagten verfälscht. Hierin liegt die weitaus größere Gefahr als die Nichtgeltung des Legalitäts645 646 647 648

Albert/Dorsch/Krüpe, S. 400 ff., 457 f. Siehe zum Beispiel Lehman, S. 5. Siehe hierzu S. 118 ff. Albert, ZRP 1995, 105 (107).

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prinzips bei der Datenerhebung verbunden mit einem möglicherweise strafprozessualen Datenverlust.649 aa) Zulässigkeit einer unvollständigen Datenübermittlung Daher ist zunächst zu analysieren, inwieweit eine unvollständige Datenübermittlung zulässig ist. Die Bedenken gegen die Verwendung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen werden hinsichtlich dieses Aspektes besonders deutlich. So führt Köhler aus: „So ermöglicht die ausdrückliche Nichtbindung des BND an das strafprozessuale Legalitätsprinzip mit dem Mangel jeder Justizkontrolle eine ‚Steuerung‘ von Strafverfahren nach geheimdienstlichen Zweckerwägungen – von niemandem kontrolliert und bemerkt.650 Schon die „prinzipielle Möglichkeit, die Strafverfolgung nach geheimem, unkontrolliertem Gutdünken zu handhaben, verletzt das Rechtsstaatsprinzip auf dem Gebiet des Strafverfahrens im Kern.“651 Ferner wird angeführt, dass das „auf Art. 3 Abs. 1 GG basierende Legalitätsprinzip [. . .] eine Beweismittelausschöpfung nach Opportunitätsgesichtspunkten, also eine am Interesse der „Dienste“ orientierte Auswahl der Informationsweitergabe“ nicht zulasse.652 Soweit eine Datenübermittlung nach § 20 BVerfSchG erfolgt, waren die Nachrichtendienste zu dieser verpflichtet. Eine Möglichkeit, Daten zurückzubehalten, besteht insoweit nur im Hinblick auf § 23 BVerfSchG. Dagegen steht ihnen hinsichtlich der Datenübermittlung nach § 19 BVerfSchG ein Ermessensspielraum zu. Wie bereits gesehen, können die 649

Als schockierende Beispiele für das Ausmaß von Einflussnahme über Selektivität und auch bewusster Manipulation lassen sich folgende Fälle anführen: Fall Schmücker, Lorenz-v.-Drenkmann und Proll-Prozess. Zum Fall Schmücker, siehe Dokumentation des Antrages des Verteidigers von Frau Schwipper, RA Philipp Heinisch, StV 1982, 189 ff., insbesondere Antragsübersicht S. 193. Entscheidung abgedruckt im StV 1991, 371; detaillierte Darstellung bei Velten, S. 23 ff., 29. Zur Beeinflussung durch falsche Informationen vergleiche auch Celler Gefängnisloch, siehe Teil 1 Fn. 368. Zum Proll-Prozess, siehe Preuß, KJ 1981, 109 f. Beweismanipulation: LG Hannover, StV 1985, 94 ff.; siehe auch Rieß, JR 1985, 48, weitere Beispiele bei Schwagerl, S. 126, 221. Weiteres Beispiel in OVG Berlin, NJW 1978, 1644 (Universitätsprofessor). Laut H.-P. Schneider, NJW 1978, 1601 (1602) war Material überwiegend unzutreffend oder irreführend; siehe auch dort für die grundsätzliche Möglichkeit von unzulässigen Nachforschungen, falschen Informationen und lückenhaften Erkenntnisse. 650 Köhler, StV 1994, 386 (387). 651 Köhler, StV 1994, 386 (389). 652 Lisken, ZRP 1994, 264 (269 f.) (Hervorhebung im Original).

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übermittelten Daten ohnehin nur Verwendung im Strafverfahren finden, wenn es sich um bestimmte schwere Straftaten handelt, nicht hingegen bei Bagatelldelikten oder anderen Straftaten unterhalb einer bestimmten Schwelle. Jenseits dieser Schwelle könnte man nun vermuten, dass Beweise verwendet werden können, die nach Gutdünken ausgewählt wurden. Aber auch dies stimmt nicht: Soweit Daten an die Strafverfolgungsorgane gelangen, so greift deren Ermittlungspflicht. Sie sind nach §§ 160, 244 StPO zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet. Im Rahmen dieser sind auch Auskunftsersuchen nach § 161 StPO beziehungsweise im Rahmen der allgemeinen Amtshilfepflichten zu stellen.653 Eine Verweigerung der Übermittlung der ersuchten Informationen ist nur unter Bezugnahme auf § 23 BVerfSchG möglich. Daraus kann man ableiten, dass auch bei einer Übermittlung nach § 19 BVerfSchG alle relevanten Daten übermittelt werden müssen, sofern diese nicht unter § 23 BVerfSchG fallen. Damit besteht hinsichtlich der Übermittlung ins Strafverfahren nicht mehr Ermessen, als bei der sachgerechten Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Übermittlungsverbote nach § 23 BVerfSchG zulässig ist. Zuletzt stellt sich noch die Frage, ob § 23 BVerfSchG zugleich das Recht verleiht, nur Teil-, also unvollständige Informationen, weiterzugeben; ob eine Befugnis zur selektiven Informationsweitergabe besteht.654 Denn die Möglichkeit der Wahrnehmungsverzerrung muss zunächst erkannt werden, um dann die tatsächlichen Defizite aufzuklären oder rechtlich zu würdigen.655 Aus diesen Bedenken heraus entstand die Forderung, alle Informationen müssen vollständig und unverzerrt weitergegeben werden.656 Die Weitergabe von Teilinformationen soll unzulässig sein.657 Sofern Teilinformationen zulässig sein sollten, müsse dies durch den Gesetzgeber ausdrücklich geregelt werden.658 Bei jeder der Normen der §§ 54, 96 StPO, § 23 BVerfSchG besteht die Möglichkeit, dass Teilinformationen bekannt werden.659 Stets fehlen dem Gericht Informationen, die von entscheidender Bedeutung sein können. Insbesondere aus § 55 StPO in Verbindung mit der Aussageverpflichtung des Zeugen ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch unvollständige Aussagen und damit Informationen als grundsätzlich zulässig betrachtet hat.660 653 654 655 656 657 658 659

gung.

Vergleiche hierzu Teil 1, S. 118 ff. Frage ausdrücklich bei Weßlau, FG Hilger, 57 (67). Weßlau, FG Hilger, 57 (61). Gusy, NVwZ 1983, 322 (327). Siehe Velten, S. 211 ff., 216. Weßlau, FG Hilger, 57 (69). Siehe bereits BGHSt 17, 382 (385) zur Teilversagung der Aussagegenehmi-

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Damit verfügt das Gericht im Ergebnis immer über Bruchstücke des gesamten Geschehens. Ob nun zudem noch einzelne Informationen dadurch weitergegeben werden, dass eine Aussagegenehmigung teilweise erteilt wurde, muss den Sachverhalt nicht notwendigerweise noch weiter verzerren. Entscheidend ist vielmehr, dass, sofern nur Teilinformationen übermittelt werden, weil von einer Variante des § 23 BVerfSchG Gebrauch gemacht wurde, hierauf hinzuweisen ist. Diese Hinweispflicht greift aus Gründen der Verfahrensfairness auch für Fälle, in denen die Informationsweitergabe im Ermessen der Nachrichtendienste steht. Da das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht auch nachzuforschen hat, ob die übermittelten Informationen vollständig sind, müssen sich die Dienste erklären. Sie können ihrer Auskunftsverpflichtung nur durch Verweis auf § 23 BVerfSchG oder § 96 StPO entgehen, so dass sich daraus ableiten lässt, dass sie grundsätzlich zu einem Hinweis auf die Vollständigkeit der übermittelten Informationen verpflichtet sind. Selbstverständlich würde es gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, würde man Akten an das Gericht weitergeben unter der Bedingung, dass allein dieses, und nicht die Verteidigung selbst den Inhalt zur Kenntnis nehmen dürfte.661 Somit ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber selbst den Nachrichtendiensten eine solche Auswahlmöglichkeit hinsichtlich der Informationsweitergabe zugestanden hat. Dass die Kontrolle ihres gesamten Vorgehens notwendigerweise von der sonst üblichen Justizkontrolle abweichen muss, wurde bereits oben dargelegt.662 Sofern sich die Dienste auf eine Geheimhaltungsvorschrift berufen, so müssen sie dies ausdrücklich tun. bb) Prozessuale Folge der Unvollständigkeit? Dass die Geheimhaltungsvorschriften hingegen grundsätzlich eine Verzerrung der Wahrheit bedingen können sowie die Verteidigungsposition des Angeklagten im Prozess schwächen, ist unbestritten. So besteht die Möglichkeit, dass Zeugen entweder nicht freigegeben werden oder es würde Gerichten und Verteidigern häufig gar nicht erst bekannt, dass es weitere Zeugen gebe.663 Preuß befürchtet, dass die von den Nachrichtendiensten weitergegebenen Berichte als „gerichtsverwertbar“ 660

So auch Woesner, NJW 1961, 533 (536). BVerfGE 57, 250 (288); BGH NJW 2000, 1661 ff.; zur Zulässigkeit des In-camera-Verfahrens im Verwaltungsprozess siehe BVerwGE 49, 44 (50). 662 Siehe S. 108 ff. 663 Preuß, KJ 1981, 109 (119). 661

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aufbereitet wären und dabei der in den Akten enthaltene Sachverhalt von der Wirklichkeit abweiche.664 Er befürchtet, dass die Justizorgane dies lediglich als Ungenauigkeit werten und nicht erkennen, dass die Benutzung als Beweismittel problematisch sein kann; aber auch eine zusätzliche Befragung eines Informanten als Zeugen solle nicht weiterhelfen, da die Motivation, der angeblich früheren Aussage laut Akte nicht widersprechen zu wollen, zu vorsätzlichen oder fahrlässigen Falschaussagen führe.665 Grünwald schlägt vor, sich „einmal vorzustellen, aus dem Lande X käme die Nachricht, daß ein Bürger verurteilt worden sei aufgrund der Aussagen von Angehörigen eines Nachrichtendienstes über belastende Angaben, die ein ehemaliger Mitarbeiter eines fremden Sicherheitsdienstes ihm gegenüber gemacht habe, aufgrund eines polizeilichen Protokolls über Aussagen dieser Person, deren Erscheinen vor Gericht und deren Vernehmung durch einen Richter von dem Nachrichtendienst im Einvernehmen mit der Staatsführung unterbunden worden sei, aufgrund eines Briefwechsels zwischen dem Gericht und dieser Person, vermittelt durch die Sicherheitsbehörden, und aufgrund der Aussagen von Amtsträgern, sie hätten weitere belastende Mitteilungen von Observanten erhalten, deren Namen zu nennen ihnen jedoch vom Innenministerium untersagt worden sei. Daß solches nicht im Lande X, sondern im Staate des Grundgesetzes geschieht, sollte die Betroffenheit nicht mindern.“666 So eingängig jedoch Grünwalds Beispiel und die weiteren Bedenken aus der Literatur sind, so muss doch erkannt werden, dass es sich bei der Problematik um keine Besonderheit der Nutzung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen darstellt. Denn, wie die §§ 54, 96 StPO zeigen, ist es auch dort möglich, dass Beweismittel nicht in den Prozess eingeführt werden können, entweder, weil die Exekutive eine Sperrerklärung abgegeben hat oder weil eine erforderliche Aussagegenehmigung nicht erteilt wurde. Damit werden im Strafprozess Teilinformationen hingenommen.667 Wenn die Frage der Verwertbarkeit von Informationen behördlich geheim gehaltener Zeugen auch nicht als abschließend geklärt bezeichnet werden kann, obwohl sie schon vor dem Reichsgericht diskutiert wurde668, so geht 664

Preuß, KJ 1981, 109 (119). Preuß, KJ 1981, 109 (124). 666 Grünwald, FS Dünnebier, 347 (364). 667 Vergleiche nur die Ausführungen zu den §§ 54, 96 StPO in der strafprozessualen Rechtsprechung und Literatur S. 121 ff. 668 RGSt 5, 142; 44, 291 (wobei hier hauptsächlich die Unmittelbarkeit und freie Beweiswürdigung thematisiert wurden). Beweiserhebungsverbote als Konsequenz von administrativen Aussagebeschränkungen wurden schon im Jahre 1966 von den Referenten des 46. DJT gefordert: Bd. Abs. 2 Sarstedt F 17 f.; Klug F 58 f. 665

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die Rechtsprechung davon aus, dass dieser Umstand bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist und durch ein besonders vorsichtiges Würdigen ausgeglichen werden kann.669 Andere Lösungsvorschläge gehen davon aus, dass die vom Angeklagten im Beweisantrag angeführte entlastende Tatsache ebenso wie eine Wahrunterstellung nach § 244 Abs. 3 S. 2 StPO berücksichtigt werden müsste670 oder dass eine solche nach dem Grundsatz ‚in dubio pro reo‘ geboten sei.671 Jedoch stellt dieser Grundsatz eine Entscheidungs- und keine Beweisregel dar.672 Die Zweifelsfrage stellt sich somit erst am Ende der Beweiswürdigung. Denn eine richterliche Überzeugungsbildung ist nicht schon grundsätzlich durch die Sperrung der Informationen ausgeschlossen, soweit weitere aussagekräftige Indizien vorliegen.673 Aber auch grundsätzlich kann die Wahrunterstellung nicht überzeugen, da es der Beschuldigte durch Stellung der entsprechenden Anträge in der Hand hätte, den Prozess entscheidend zu beeinflussen und in großem Umfang entlastende Beweise zu kreieren.674 Denn im Falle einer gerechtfertigten Sperrerklärung ist eine genauere Aufklärung des Sachverhaltes den Behörden gerade aus übergeordneten Gründen nicht möglich, so dass diese Prozesse regelmäßig mit einem Freispruch enden müssten. Mangels überzeugender Alternative ist daher der von der Rechtsprechung vertretenen Beweiswürdigungslösung zu folgen. Etwas anderes gilt allein dann, wenn die Fairness des Verfahrens derart gravierend verletzt ist, dass eine Fortsetzung desselben nicht mehr möglich ist und somit ein Verfahrenshindernis greifen muss. Dies ist dann der Fall, wenn durch Maßnahmen der Exekutive die Beweisgrundlage derart verkürzt wird, dass selbst bei vorsichtiger Beweiswürdigung eine gerichtlich verantwortbare Überzeugungsbildung nicht mehr gewährleistet ist.675 So ist bei der Beweiswürdigung die Einschränkung der Erkenntnismöglichkeiten sowie die der Verteidigungsrechte des Beschuldigten zu berück669

BGHSt 17, 382 (seither ständige Rechtsprechung); BVerfGE 57, 250; kritisch hierzu Fezer, FS Kleinknecht; 113 ff.; ebenso BGH NJW 2007, 384 (387) (für Vernehmungszusammenfassungen der USA); BGHSt 49, 112. 670 Müller, Behördliche Geheimhaltung, S. 80 ff. 671 Lüderssen, FS Klug II, 527 (538); BGHSt 20, 189 (191) (obiter dictum). 672 BGH NJW 2004, 1259 (1262). 673 LR/Schäfer, § 96 Rn. 24. 674 BGH NJW 2004, 1259 (1262). Dies anerkennend auch H.E. Müller, JZ 2004, 926 (928), der dieser Missbrauchsgefahr mit „entsprechenden Vorkehrungen“ begegnen will. Wie diese jedoch ausssehen sollen, erläutert er nicht. 675 BGH NJW 2004, 1259 (1263).

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sichtigen und in den Urteilsgründen zu erörtern; anderenfalls ist die Beweiswürdigung lückenhaft und verletzt den Angeklagten in seinem Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren.676 Weiter dürfen mittelbar wiedergegebene Aussagen nur dann benutzt werden, wenn sie durch weitere Beweisanzeichen gestützt werden.677 Der fairtrial-Grundsatz beinhaltet allerdings kein Recht auf persönliche Anhörung.678 Auch besteht weder ein Anspruch auf ein bestimmtes Beweismittel noch ein solcher auf bestimmte Arten von Beweismitteln.679 Zwar folgt aus der Aufklärungspflicht die Bemühung um das bestmögliche Beweisstück680, zu deren Bereitstellung die Behörden im Rahmen ihrer Amtshilfepflicht auch grundsätzlich verpflichtet sind.681 Hieraus folgt jedoch kein Verbot mittelbarer und sachfernerer Beweise.682 „Ein generelles Mißtrauen gegenüber dem Beweiswert von Polizeiprotokollen ist im Staat des Grundgesetzes nicht gerechtfertigt.“683 Das Recht auf ein faires Verfahren wird ferner durch die Sperrung von zur Verteidigung erforderlichen Unterlagen verletzt, wenn die entsprechende Sperrerklärung willkürlich erfolgte.684 Das Gericht muss dies im Rahmen seiner Aufklärungspflicht erforschen. Dabei will das Bundesverfassungsgericht besonders berücksichtigt wissen, dass die Weigerung von staatlicher Stelle ausgeht.685 Wann im Einzelfall eine Auskunftsversagung und die damit einhergehende Beschränkung der Beweiserhebung rechtsstaatlich zulässig ist, lässt sich nicht abstrakt festlegen; maßgebend sollen die Schwere der Straftat, das Ausmaß der dem Beschuldigten drohenden Nachteile sowie das Gewicht der einer bestmöglichen Aufklärung entgegenstehenden Um676

BGH NJW 2004, 1259 (1261). BGHSt 36, 159 (166); 45, 321 (340). 678 BVerfGE 57, 250 (261). 679 BVerfGE 57, 250 (274) unter Verweis auf BVerfGE 1, 418 (429). 680 BVerfGE 57, 250 (277). 681 BGHSt 29, 109 (112). 682 BVerfGE 57, 250 (277). Problematisch erscheint insoweit auf den ersten Blick die Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 3 d EMRK. BGHSt 17, 382 (388) löst das Problem dergestalt, dass Belastungszeuge i. S. d. Norm eben nicht der Zeuge vom Hörensagen sei, sondern die Verhörsperson selbst, so dass diese befragt werden könne; Grünwald, Beweisrecht, S. 124 äußert insofern, dass es dann bei Protokollen nie Belastungszeugen geben könnte. 683 BVerfGE 57, 250 (281). 684 BVerfGE 57, 250 (287 ff.); BGHSt 29, 109 (112). Vom BGH im entschiedenen Fall i. E. mangels Anzeichen für Willkür aber abgelehnt. 685 BVerfGE 57, 250 (287 ff.). Zu berücksichtigen ist auch ein erhebliches Eigeninteresse des Rechtshilfe leistenden Staates an dem Prozessausgang, BGH NJW 2004, 1259 (1262). 677

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stände sein.686 Die Gründe der Weigerung sind kenntlich zu machen.687 Dabei genügt die Aufgabe der Behörde als Rechtfertigung allein nicht, jedoch existieren verfassungsrechtlich legitimierte Aufgaben, die der Geheimhaltung bedürfen und dies gilt insbesondere für „Erkenntnisse und Arbeitsweisen der für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland tätigen Behörden“.688 Daneben gelten auch Leben und Freiheit des Einzelnen als besonders schutzwürdige Belange, entscheidend ist die Abwägung im Einzelfall.689 Sofern die Exekutive ihre Einwirkungsmöglichkeiten in einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen übereinstimmenden Weise gehandhabt hat und das Beweismittel der eigenen Beurteilung durch das Gericht nicht weiter entzogen wird, als zur Wahrung verfassungsrechtlich geschützter Belange unumgänglich ist, dann bewegt sich die Behörde bei ihrer Entscheidung in rechtsstaatlichem Rahmen und verletzt auch nicht die Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens.690 Der Grundsatz des fairen Verfahrens ist hingegen z. B. beeinträchtigt, wenn die Zeugen zwar tatsächlich erreichbar, wegen einer unberechtigten Verweigerung aber unerreichbar im Rechtssinne sind und der tatsächliche mögliche Beweis nicht erhoben und erst recht nicht verwertet werden darf.691 Die Rechtsprechung geht auch davon aus, dass ein „auf Verwirrung angelegtes Prozeßverhalten, Falschaussagen und Rückgriffe auf verfälschte Beweismittel [. . .] das gerichtliche Verfahren als solches noch nicht ‚unfair‘ “ mache, wenn einzelne Ermittlungsbeamte den Ausgang beeinflussen wollen.692 Ein Verfahrenshindernis soll daher nicht in Betracht kommen. „Beschränkungen und Belastungen der Beweisaufnahme, der abnehmende Wert einzelner Beweismittel oder deren Unerreichbarkeit, die weitgehend auch durch das Verhalten von staatlichen Behörden verursacht worden sind, begründen trotz ihrer Häufung in diesem Prozeß ebenfalls kein Prozeßhindernis“.693 Ob dieser Rechtsprechung gefolgt werden kann, ist allerdings im Einzelfall sehr sorgfältig zu prüfen.

686 687 688 689 690 691 692 693

BVerfGE 57, 250 (285). BVerfGE 57, 250 (288); BGHSt 29, 109 (112). BVerfGE 57, 250 (284). BVerfGE 57, 250 (284 f.). BVerfGE 57, 250 (283). BGHSt 31, 148 (154 f.). BGHSt 33, 283 (284). BGH StV 1989, 187 (188).

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cc) Ergebnis Bei der Beweiswürdigung ist die Verweigerung oder Beschränkung der Aussagegenehmigung zu berücksichtigen.694 Das Vorliegen der Sperrerklärung zwingt deshalb zu besonders vorsichtiger Beweiswürdigung und zu besonderen Begründungsanforderungen.695 Werden also Unterlagen gesperrt, so ist hierauf hinzuweisen. Eine „heimliche“ Teilinformation ist unzulässig. Diese Hinweispflicht ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip. Bei Verletzung des fair-trial-Prinzips kann auch ein Prozesshindernis in Betracht kommen. d) Verstoß gegen Art. 92 GG Zuletzt stellt sich nun die Frage, ob die vorgenannten Probleme in ihrer Summe dazu führen können, dass der Richter nicht mehr in der Lage ist, eine eigene Entscheidung, wie es Art. 92 GG verlangt, zu treffen. Eine Einschränkung der freien Entscheidung des Gerichts darüber, welche Beweismittel zur Aufklärung der Sache notwendig sind, kann nach dem Bundesverfassungsgericht nur durch „unabweisbare, zwingende Sachgründe“ gerechtfertigt sein.696 Wo die „ureigene Aufgabe des Gerichts“ ausgehöhlt wird, weil die Deutung und Bewertung der erfassten Daten außerhalb des gerichtlichen Verfahrens und damit auch außerhalb des von dem Beschuldigten beeinflussbaren Prozesses der „Herstellung des Sachverhalts“ stattgefunden hat, ist die betreffende Beweisquelle für das Strafverfahren ungeeignet.697 Dagegen ist ein Beweisverbot bei Zurückhaltung des unmittelbaren Beweismittels regelmäßig nicht geboten, da dies „den Willen und die Fähigkeit der Gerichte in Zweifel zöge, den genanten Grundsätzen der Beweiswürdigung den zutreffenden Stellenwert einzuräumen“698. Damit hat das Bundesverfassungsgericht die Fragestellung herausgearbeitet, die hier zu thematisieren ist, nämlich, ob das Gericht zur Beurteilung dieser Erkenntnisse in der Lage ist. Das bedeutet nicht, grundsätzlich an den Kenntnissen des Gerichtes zu zweifeln, oder gar an seinem Willen, den 694 Meyer-Goßner § 54 Rn. 26; LR/Ignor/Bertheau, § 54 Rn 28; KK/Senge § 54 Rn. 22. 695 Ständige Rechtsprechung: siehe nur BVerfG NStZ 1995, 600; NJW 2001, 2245 (2246 f.); BGHSt 17, 382; (385 ff.,); 49, 112 (118 ff.) (auch zur Sperre durch einen anderen Staat); BGH NStZ 1994, 502; StV 1994, 413; NStZ 2000, 265 ff.; 2000, 607; NStZ-RR 2002, 176; EGMR StraFo 2007, 107 (108 f.); KK/Nack § 96 Rn. 14. 696 BVerfGE 57, 250 (287). 697 LG Frankfurt, StV 1987, 144; Weßlau, FG Hilger, 57 (64 f.); dies., ZStW 113 (2001), 681 (708). 698 BVerfGE 57, 250 (293).

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das Verfassungsgericht miterwähnt, sondern schlicht die Frage aufzuwerfen, ob angesichts der besonderen Konstellation, die hier vorliegt, Art. 92 GG noch hinreichend gewahrt wird. Tatsächlich haben die Empfänger der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse regelmäßig keine Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt der Nachrichten zu überprüfen. Es fehlen die Erfahrung, der Überblick sowie die entsprechenden Hilfsmittel.699 Aber auch die Dienste können und wollen ihre Methoden nicht offenlegen, so ist beispielsweise auch eine Verweigerung der Aussagegenehmigung statthaft, wenn die entsprechende Zeugenaussage die Arbeitsweise des BfV in der Terrorismusbekämpfung bekannt machen würde.700 Dadurch bekommt das Gericht aber nur aufbereitete Erkenntnisse überlassen und damit ein Endprodukt, eine Verknüpfung von Datenbeständen und der Interpretation des Ausgangsmaterials, eine Auswahl von Wesentlichem und Unwesentlichem.701 Jedoch muss die Bewertung zusammen mit den zugrunde liegenden Tatsachen übermittelt werden702 und auch die angewendeten Maßnahmen sind zu kennzeichnen.703 Eine Tatsachengrundlage ist somit gegeben. Dennoch haben Berichtsempfänger, „die mit der Welt der Nachrichtendienste nicht vertraut sind, keine oder kaum eine Möglichkeit, die Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen und der Bewertungen zu überprüfen. Deshalb kommt zum Beispiel den Bewertungen des Verfassungsschutzes in der Praxis eine sehr große Bedeutung zu.“704 Welp beschreibt die „perplexe Situation [des Richters], seiner Überzeugung ein Beweismittel zugrunde legen zu müssen, ohne die Bedingungen seiner Gewinnung rechtlich nachprüfen zu können“ und bezeichnet dies als „Denaturierung der richterlichen Gewalt“.705 Hund mahnt an, dass jeder Verfahrensbeteiligte, ob Richter, Staatsanwalt oder Verteidiger, im „Hinterkopf behalten“ solle, dass „der Beginn der Ermittlungsakte möglicherweise nicht der Anfang der Ermittlungsarbeit war und entsprechende Fragen oder Beweisanträge stellen“ solle.706 699 Evers, Privatsphäre, S. 240 f. Zu Problemfällen im Rahmen der Beweiswürdigung, siehe auch Velten, StV 2007, 97 (103 f.). 700 BVerwG JZ 1982, 720. 701 Weßlau, FG Hilger, 57 (61, 70 f.). 702 Droste, S. 475; Gusy, NVwZ 83, 322 (327). 703 Zur Kennzeichnungspflicht, siehe Teil 1 Fn. 91. 704 Rottmann, AöR 88, 227 (240). 705 Welp, DÖV 1970, 267 (272). Auch Walde betont die generell fehlende Möglichkeit der Nachprüfbarkeit von Quellen und Nachrichten im nachrichtendienstlichen Bereich, Walde, S. 44. Zu einem besonders gravierenden Fall der Einflussnahme siehe Dokumentation zum Fall Schmücker, StV 1982, 189 ff.; hierzu und zu weiteren Verfahren siehe auch Preuß, KJ 1981, 109 ff. Damit haben die Ämter für Verfassungsschutz bereits das Urteil gesprochen, welches die belieferte Stelle nur ausführt, Evers, Privatsphäre, S. 241. 706 Hund, ZRP 1991, 463 (467).

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Jeder Fall ist anders und entzieht sich daher einer pauschalen Betrachtung. Der Richter muss sich der Situation bewusst sein und stets auch in Betracht ziehen, dass ein Beweismittel als ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 S. 2 StPO einzustufen sein könnte. Jedoch kann er nicht vorschnell seine Aufklärungspflicht niederlegen. Es ist für einen Richter nicht ungewöhnlich, dass er zur strafprozessualen Tat nur Teilinformationen besitzt. Dies liegt im Strafprozess, anders im Zivilprozess mit der Dispositions- und Verhandlungsmaxime, nicht am Prozess selbst, der der materiellen Wahrheit verpflichtet ist, sondern vielmehr an Aussageverweigerungsrechten, so dass der Richter keine oder nur teilweise Informationen erhält. Zudem besteht auch immer die Gefahr von Falschaussagen und der Lückenhaftigkeit von Zeugenaussagen, etwa wegen unzureichender oder falscher Erinnerung.707 In all diesen Fällen kann der Richter dies jedoch aufgrund eigener Kenntnisse und Erfahrungen einschätzen und dennoch zu einer Beweiswürdigung kommen. Ein grundsätzliches Verwertungsverbot existiert insoweit nicht. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang aber noch ein rechtstatsächliches Phänomen, nämlich die zu beobachtende Tendenz der Gerichte zur Übernahme exekutiver Vorbeurteilungen.708 So wird beschrieben: „Nur sie [die Polizei] bestimmt, welche Details ihrer operativen Tätigkeit in die einzelne Ermittlungsakte Eingang finden, und weil ohne die Kenntnis der aussortierten Details nicht beurteilt werden kann, ob die vorgenommene Selektion fair und objektiv ist, kann ein großer Teil der Ermittlungsergebnisse später in der Hauptverhandlung weder vom Gericht in seiner Objektivität überprüft werden noch von der Verteidigung in einer durch Faktion belegten Weise in Frage gestellt werden.“709 Auch Peters ist der Auffassung, dass das „Schicksal eines Strafverfahrens“ bereits im Vorverfahren entschieden wäre, denn sofern dort nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft würden oder Fehler unterliefen, zögen sich diese Mängel durch das gesamte Verfahren und seien auch in der Hauptverhandlung nur schwer zu beheben, da das Gericht „im Wesentlichen an die beigebrachten Beweismittel und den Akteninhalt gebunden“ ist und dieser Akteninhalt „offenbar nicht immer vollständig“ ist.710 707 708

Vergleiche Eisenberg, Rn. 1365 ff. Puschke/Singelnstein, NVwZ 2005, 3534 (3535); Schünemann, GA 2008, 314

(317). 709

Schünemann, ZStW 119 (2007), 945 (948); ders. GA 2008, 314 (316 f.) sieht die Urteilsperservanz als empirisch bewiesen an und eine Lösungsmöglichkeit in der obligatorischen Videoaufzeichnung jeder Zeugenvernehmung (ZStW 119 (2007), 945 (957)). Man darf hier die Prognose wagen, dass, wäre dies Verwertungsvoraussetzung, wohl keine von Nachrichtendiensten aufgenommene Zeugenaussage mehr verwertet werden könnte, da eine Videoaufzeichnung mehr als unwahrscheinlich ist. 710 Peters, Fehlurteil, S. 15 f. (zu beachten ist hierbei, dass die Untersuchung auf die sich Peters beruft, Staatsschutzsachen ausgeklammert haben, a. a. O., S. 13).

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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„Was der Richter an Realität wahrnimmt, wird ihm von der Staatsanwaltschaft selektiv präsentiert, Beweismittel können im Interesse staatlicher Strafverfolgungsinteresse vorenthalten werden, Kritiker sprechen von Prozessen der Justizverdummung“.711 Daher ist bei den obigen Ausführungen zu berücksichtigen, dass es entscheidend ist, dass der Richter seine Aufklärungspflichten auch hinreichend wahrnimmt und sich der besonderen Entscheidungssituation bewusst ist. 5. Umgehung von strafprozessualen Rechten Während die vorherigen Ausführungen sich mit Besonderheiten, die im Nachrichtendienstrecht geregelt sind, beschäftigten, sind die folgenden Ausführungen auf strafprozessuale Regelungen gemünzt, denen eine Entsprechung im Nachrichtendienstrecht fehlt.712 a) Zeugnisverweigerungsrechte Wie bereits gesehen, war hinsichtlich einer Übertragbarkeit des Schutzes, der in der StPO durch Zeugnisverweigerungsrechte sowie § 160 a StPO vermittelt wurde, zu differenzieren. Die bisherige Analyse hat ergeben, dass das Beichtgeheimnis eine nachrichtendienstliche Datenerhebung in Bezug hierauf vollkommen ausschließt.713 Soweit bereits eine solche Erhebung verfassungsrechtlich unzuLetzteres bezieht sich allerdings auf Spurenakten, welche nach der BGH-Rechtsprechung auch nicht vorgelegt werden müssen. 711 P.-A. Albrecht, StV 2000, 69. 712 Es werden daher nachfolgend Problemstellungen dargestellt, die sonst unter dem Gesichtspunkt der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote diskutiert werden. Dies liegt daran, dass die Beschuldigtenrechte in der StPO normiert und damit als Erhebungsverbote charakterisiert sind. Von vornherein nicht beeinträchtigt werden können hingegen Rechte, die erst mit der Beschuldigteneigenschaft greifen beziehungsweise hauptsächlich im Vor- und Hauptverfahren von Relevanz sind. Hierunter fallen zum Beispiel das Recht auf Anwesenheit und das Recht auf Verteidigung. Rohe will aus der Gesetzessystematik der §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163 a Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2 StPO ableiten, dass dieses Recht erst ab dem Zeitpunkt besteht, in dem die Ermittlungsbehörden dem Beschuldigten als staatliche Organe offen gegenübertreten. Das Recht auf einen Verteidiger wird jedenfalls durch heimliche Maßnahmen nicht beeinträchtigt, siehe hierzu Rohe, S. 137. „Unverwertbar sind in jedem Falle Beweisergebnisse, die unter Mißachtung der Vorschriften über die Anwesenheits- und Fragerechte des Beschuldigten oder seines Verteidigers [. . .] zustandegekommen sind“, Grünwald, Beweisrecht, S. 152. 713 Siehe S. 70 f.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

lässig war, so muss gleiches wegen der Nähe zur Menschenwürde, für die Verwertung von Erkenntnissen gelten, die entgegen diesem Verbot erlangt wurden, so dass stets ein Beweisverwertungsverbot greift. Gleiches gilt, wenn die die Unzulässigkeit der Erhebung begründenden Umstände ex ante nicht erkennbar waren und somit erst bei oder nach Erlangung der Erkenntnisse deutlich wird, dass diese nicht hätten erhoben werden dürfen. Auch in diesem Fall greift ein Verwertungsverbot. Bezüglich der übrigen geschützten Personen, die sich, wie beispielsweise Verwandte oder Journalisten, zwar ebenfalls auf Grundrechte berufen können, Erhebungsverbote aber nur im Einzelfall unter Zugrundelegung des Verhältnismäßigkeitsprinzips angenommen werden können, ist auch hinsichtlich der Verwertbarkeit eine gesonderte Abwägungsentscheidung zu treffen. Kommt ein Nachrichtendienst zu dem Ergebnis, dass eine Überwachung verfassungsrechtlich (noch) zulässig ist, so bedeutet dies nicht, dass die erlangten Erkenntnisse automatisch verwertbar sind. Der Richter kann eine eigenständige Abwägung treffen und die Verwertbarkeit auch ablehnen. Er darf als Vertreter der Judikative schon nicht an eine Entscheidung der Nachrichtendienste als Exekutivbehörde gebunden sein. Besonderheiten bestehen hinsichtlich solcher Informationen, die durch Überwachung eines Verteidigers gewonnen wurden, beziehungsweise solcher, die aus einer gegen einen Abgeordneten gerichteten Überwachung stammen. In beiden Fällen entspricht es der eindeutigen Wertung der StPO, dass solche Erkenntnisse im Strafverfahren unverwertbar sein sollen, siehe § 160 a Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 1 Nr. 2, 4 StPO. In den beiden vorgenannten Fällen war die Datenerhebung allein aufgrund des besonderen Interesses an der Gefahrenabwehr zulässig. Hingegen kann eine solches überwiegendes Interesse bei der Abwägung des betroffenen Geheimnissphären und dem Interesse an der Strafverfolgung nicht festgestellt werden. Eine Verwertung erscheint ohne Berührung der Immunität des Abgeordneten unmöglich. Daher existiert ein Gegenrecht des Betroffenen, welches bei der Abwägung zu berücksichtigen ist und letztlich dazu führt, dass die so erlangten Informationen unverwertbar sind. Die Nutzung von Daten, die von seinem Verteidiger erlangt wurden, beeinträchtigt die Subjektstellung des Angeklagten im Strafprozess. Insofern liegt eine Beeinträchtigung von Art. 1 GG vor, so dass eine Abwägung hier sogar gänzlich ausscheidet und die Informationen einem Verwertungsverbot unterliegen.714

714

Zu möglichen Ausnahmen siehe § 160 a Abs. 4 StPO; BGHSt 33, 347 ff.

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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b) Menschenwürdeverstoß wegen fehlender richterlicher Kontrolle Eine weitere Besonderheit von nachrichtendienstlichen Maßnahmen besteht darin, dass sie, anders als Ermittlungen der Staatsanwaltschaften, häufig keiner präventiven richterlichen Kontrolle unterworfen sind. § 9 Abs. 2 BVerfSchG stellt insoweit eine Neuerung wie auch eine Ausnahme dar.715 Auch der spätere Übermittlungsakt ist keiner unmittelbaren Kontrolle unterworfen. „So kann es geschehen, daß die Strafverfolgungsbehörden verdeckt erlangte Daten für das Strafverfahren verwenden, die vor und bei ihrer Erhebung wie bei ihrer Übermittlung niemals der gerichtlichen Kontrolle unterlegen haben.“716 Dieser Umstand soll nach Begründung der Antragsstellerin im Verfahren zur 1. Abhörentscheidung des Bundesverfassungsgerichts bereits einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellen, da die „Würde des Menschen fordere, daß über sein Recht nicht kurzerhand von Obrigkeits wegen verfügt werde“, dies aber bei einer Entscheidung, ob eine Person „Objekt behördlicher Maßnahmen“ werde, ohne vorherige oder nachträgliche Richterentscheidung der Fall sei.717 Das Gericht ist dieser Ansicht zu Recht nicht gefolgt.718 Zwar ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass jeder hoheitliche Eingriff einer effektiven Rechtskontrolle unterliegen muss.719 So fordert Art. 19 Abs. 4 GG einen Ersatz für die fehlende Rechtsschutzmöglichkeit, nämlich eine Nachprüfung, „die materiell und verfahrensmäßig der gerichtlichen Kontrolle gleichwertig, insbesondere ebenso wirkungsvoll ist, auch wenn der Betroffene keine Möglichkeit hat, in diesem ‚Ersatzverfahren‘ mitzuwirken“.720 Effektiver Rechtsschutz kann aber auch dann gegeben sein, wenn der Betroffene erst nachträglich von seiner Überwachung erfährt.721 Auch der in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Justizgewährungsanspruch bedarf nämlich der näheren, einfachgesetzlichen Ausgestaltung.722 Zudem besitzt nicht nur der effektive Rechtsschutz Verfassungsrang, sondern auch die Tätigkeit der Nachrichtendienste. Diese muss daher auch effektiv erfüllt werden können. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Abwägung der entgegengesetzten Interessen. 715 716 717 718 719 720 721 722

So schon von Guttenberg, NJW 1993, 567 (575) gefordert worden. Wolter, StV 1989, 358 (363); ders., SK/StPO, Vor § 151 Rn. 104. BVerfGE 30, 1 (9). BVerfGE 30, 1 (27). BVerfGE 30, 1 (21). BVerfGE 30, 1 (23) (Hervorhebung im Original). Weßlau, Vorfeldermittlung, S. 206. BVerfGE 110, 339 (342).

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

Dabei steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu. Diesen hat er entsprechend genutzt und für nachrichtendienstliche Maßnahmen diverse Kontrollmechanismen geschaffen, die speziell auf deren Bedürfnis an Geheimhaltung und dem rechtsstaatlichen Bedürfnis an Kontrolle und Transparenz orientiert sind, wie die G10-Kommission und das Parlamentarische Kontrollgremium.723 Eine vorherige richterliche Anordnung als erforderlicher Kontrolle würde dem System der Nachrichtendienste widersprechen. Auch bei einem bereits abgeschlossenen Vorgang können vitale Interessen gegen eine (nachträgliche) richterliche Kontrolle sprechen. Solange die Anwendung einer anderen als der richterlichen Kontrolle auf einem Gesetz und nachvollziehbaren und gewichtigen Gründen beruht, wie der „Notwendigkeit der Geheimhaltung von Maßnahmen zum Schutz der demokratischen Ordnung und des Bestandes“ des Staates, wird die Menschenwürde nicht angetastet.724 Abschließend sei noch angemerkt, dass Deutschland im internationalen Vergleich über die stärksten Kontrollmechanismen für Nachrichtendienste verfügt.725 c) Nemo-tenetur-Grundsatz Die Selbstbelastungsfreiheit und das sich daraus ergebende Schweigerecht des Beschuldigten ist „selbstverständlicher Ausdruck einer rechtsstaatlichen Grundhaltung [. . .], die auf dem Leitgedanken der Achtung vor der Menschenwürde“ beruht.726 Der Grundsatz des „nemo tenetur se ipsum accusare“ gehört zu den anerkannten Prinzipien des Strafverfahrens727 und ist in der StPO durch die §§ 136, 136 a, 243 Abs. 4 StPO verdeutlicht und in Art. 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 enthalten. aa) Zwang Wird jemand durch eine außerhalb des Strafprozessrechts liegende Vorschrift zu einer belastenden Aussage gezwungen, darf diese ebenfalls nicht gegen seinen Willen verwertet werden.728 Gegenüber den Nachrichtendiens723

Siehe oben S. 108 ff. BVerfGE 30, 1 (27). 725 Haedge, S. 307. 726 BVerfGE 56, 37, (49); BGHSt 38, 214; 34, 39 (46); 36, 328 (332); zu den verschiedenen Möglichkeiten der Herleitung siehe Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel, S. 124 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 727 BGHSt 14, 358 (364); 38, 214 (220); BVerfGE 56, 37 (43). 724

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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ten besteht aber keine Mitwirkungspflicht. Es fehlt insoweit an einer direkten Einflussnahme auf die erlangte Information.729 Eine Beeinträchtigung durch heimliche Ermittlungsmaßnahmen scheidet insoweit aus.730 bb) Verbotene Täuschung durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel? In Betracht könnte daher ein Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit nur kommen, wenn diese nicht nur die Freiheit von Zwang, sondern auch von Täuschungen umfassen würde, also die unbewusste Selbstbelastung. Dies würde für alle Ermittlungsmaßnahmen, die gänzlich ohne das Wissen des Betroffenen stattfinden, gelten und für solche Maßnahmen, bei welchen der Betroffene von seinem Gegenüber über dessen Identität oder Absichten getäuscht wird.731 Letztlich ergäbe dies ein Verbot heimlicher Maßnahmen sowie ein generelles Täuschungsverbot für den Staat.732 Denn bei jeder heimlichen Maßnahme wird der Betroffene getäuscht; er glaubt sich jeweils unbeobachtet. Nachrichtendienste dürfen jedoch heimlich vorgehen; Täuschungen sind ihnen ausdrücklich per Gesetz zugestanden. Gleiches ergibt sich für die Strafverfolgungsorgane aus den heimlichen Maßnahmen der StPO.733 Denn nicht jedwede List und Täuschung verstößt gegen die Menschenwürde734 oder gegen den fair-trial-Grundsatz735. „Gegenstand des Schutzes des 728

BGHSt 37, 340 (343); 38, 214 (221); BVerfGE 56, 37 (43); anders BGH NJW 1990, 1426 (1427) im Asylverfahrensurteil, da die Verweigerung der Mitwirkung hier nur eine Obliegenheitsverletzung sei und zu keinen Sanktionen führe und daher die Angaben als freiwillig zu gelten haben. Für den Import von Daten aus der InsO und der AO sind ausdrücklich selbstständige Beweisverwertungsverbote normiert, § 97 Abs. 1 S. 3 InsO; § 393 Abs. 2 AO. 729 BVerfGE 109, 279 (324) (in Bezug auf die heimliche akustische Wohnraumüberwachung). 730 Rohe, S. 140. 731 Unzulässig wäre es hingegen, jemanden entgegen einer ausdrücklichen Zusicherung, ihn nicht zu beobachten, dennoch zu observieren, Welp, Strafprozessuale Überwachung, S. 58 Fn. 65. 732 So auch Bosch, Aspekte, S. 88. 733 Dies ist wiederum zulässig, da das Täuschungsverbot nicht vollumfänglich von Art. 1 GG umfasst ist; LR/Hanack, 25. Aufl., § 136 a Rn. 33; Otto, GA 1970, 289 (294); SK/Wolter, StPO, § 151 Rn. 26. Nach Friedrichs, V-Mann, S. 60 f. soll schon die Existenz der Nachrichtendienste gegen ein solches Verbot sprechen; zur Zulässigkeit des V-Mann-Einsatzes und dem VE § 110 a StPO, siehe BGHSt 42, 139 (151 ff.). 734 Rundel, S. 23. 735 v. Stetten, S. 134.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

nemo-tenetur-Grundsatzes ist die Freiheit von Zwang zur Aussage oder zur Mitwirkung am Strafverfahren. Die Freiheit von Irrtum fällt nicht in den Anwendungsbereich dieses Grundsatzes“.736 Wenn auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im konkreten Fall scharf kritisiert wurde, und in der Folge in der Literatur mehr Stimmen für eine Ausweitung des nemo-tenetur-Prinzips eintraten, so wollen auch diese keine Auslegung desselben in Form eines absoluten Täuschungsverbotes. Täuschungen sollten dann erfasst sein, wenn eine „vernehmungsähnliche Situation“ vorlag; das allgemeine Risiko, sich in der Vertrauenswürdigkeit des Gesprächspartners zu irren, soll weder vom konkreten Prinzip erfasst noch verfassungsrechtlich relevant sein.737 Die Selbstbelastungsfreiheit schützt also weder vor unbedachten Äußerungen738 noch vor unbewusster Selbstbelastung.739 Weiß der Beschuldigte lediglich nicht, dass er gegenüber den Strafverfolgungsbehörden Angaben macht, macht der diese Angaben aber freiwillig, so handelt er letztlich „auf sein Risiko“, wenn er sich seiner Gedankeninhalte entledigt (und diese quasi in die Post gibt).740 Bei nachrichtendienstlichen Ermittlungen bezieht sich die Täuschung regelmäßig auch „nur“ auf den Gesprächspartner, dessen Absichten und Lebensumstände oder darauf, dass der Betroffene glaubt, gänzlich unbeobachtet zu sein.741 Diese Fehlvorstellung des Unbeobachtseins wird auch durch den Staat nicht gezielt herbeigeführt, so dass es an einer staatlich veranlassten irrtumsbedingten Selbstbelastung fehlte.742 Anderes gilt dann, wenn dem Betroffenen vermittelt wird, dass er nicht überwacht würde, etwa durch ausdrückliche Zusicherung, dies entgegen dieser Zusage aber dennoch geschieht.743 Unabhängig davon schließt eine Täuschung die Eigen736

BGHSt 42, 139 (153). Engländer, ZIS 2008, 163 (163, 166 f.) unter Verweis auf Bernsmann, StV 1997, 116; Eisenberg Rn. 571 a; Kühne, StPO, Rn. 904 f.; Bosch, Aspekte, S. 224 ff.; Roxin, NStZ 1997, 18 (19); SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 20; Deutsch, S. 243; siehe auch BGHSt 42, 139 (156) (in Bezug auf Private). 738 Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel, S. 181. 739 Krey, Verdeckte Ermittler, Rn. 169; zustimmend Budlovsky, S. 92. 740 Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel, S. 181. 741 Ebenso Rohe, S. 138 f., der für den Fall von verdeckter Informationserhebung mit technischen Mitteln eine i. S. d. § 136 a StPO relevante Täuschung auch ablehnt, da es nur um die Frage der Unbeobachtetheit ginge und 136 a StPO eine aktive Täuschung darüber hinaus fordere. 742 Siehe hierzu Roxin, NStZ 1997, 18 f.; ders., NStZ 1995, 465 (466); Bernsmann, StV 1997, 116 (117). Für eine Gleichstellung von Zwang und Täuschung auch v. Stetten, S. 126; BGH StV 1996, 242 (246); Bernsmann, StV 1997, 116 f.; Fezer, NStZ 1996, 289 (290); Lagodny, StV 1996, 167 (169). 743 Siehe bereits Teil 2 Fn. 731. Vergleiche hierzu auch die heimliche Überwachung eines Ehegattengesprächs in einem dafür eigens zugewiesenen Besuchs737

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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verantwortlichkeit des Handelnden nicht aus744, die Entscheidungsfreiheit bezüglich des Obs des Entäußerns bleibt gewahrt und wird auch durch das heimliche Auftreten nicht tangiert.745 Auch die übrigen Vorschriften der StPO zeigen, dass dieser ein Schutz vor unbewusster Selbstbelastung fremd ist, wie zum Beispiel in § 100 a StPO deutlich wird.746 Vielmehr fehlt die sonst so typische innere Konfliktlage.747 Die Heimlichkeit könnte allenfalls dann Bedeutung für den nemotenetur-Grundsatz haben, wenn man von einem allgemeinen Grundsatz dergestalt ausginge, dass alle Äußerungen, die jemand getätigt hat, nur im Strafprozess gegen ihn Verwendung finden dürfen, wenn er vor Tätigung seiner Äußerung über seine Rechte belehrt worden ist, also eine Einführung nur im Sinne einer „Aussage“ möglich wäre.748 Dies würde nicht nur jede heimliche Ermittlung, ob im Rahmen der StPO oder durch andere Behörden, ausschließen, sondern auch Ermittlungsergebnisse vernichten, die vor einem Verdacht erlangt wurden, und mithin alle nachrichtendienstliche Erkenntnisse. Aber schon die zahlreiche Normierung heimlicher Maßnahmen spricht für ihre Zulässigkeit. Damit liegt in der Verwertung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen kein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz vor. 6. Ergebnis Selbstständige Beweisverbote kommen daher im Nachrichtendienstrecht im Hinblick auf Vorfeldermittlungen in Betracht.

III. Fernwirkung Wie gesehen, stellt sich die Frage der Reichweite der Beweisverwertungsverbote parallel zu ihrer Begründung, so dass auch hier eine Abwäraum in der Untersuchungshaft ohne die übliche erkennbare Überwachung, BGH, NJW 2009, 2463. 744 Beulke, StV 1990, 180 (183). Auch von § 136 a StPO wird das bloße Ausnutzen eines Irrtums nicht geschützt, SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 50. Dieser soll nur die Entschließungsfreiheit schützen, nicht die bestmögliche Verteidigung, Budlovsky, S. 94. Allein der Irrtum darüber, dass seine Äußerungen den Strafverfolgungsbehörden bekannt werden, ist keiner i. S. v. § 136 a StPO, BGHSt (GS) 42, 139 (140); BGH NStZ 1995, 410 (411); NStZ 1996, 200 (201); Roxin, NStZ 1995, 465 (466). 745 BVerfGE 109, 279 (324 f.); ebenso Rohe S. 140. 746 So auch Deutsch, S. 239. 747 Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 212. 748 Gedanke bei Welp, Strafprozessuale Überwachung, S. 59 f.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

gung der relevanten Gesichtspunkte stattfinden muss. Während die h. M. nun zumeist dahin tendiert, eine Fernwirkung im Ergebnis abzulehnen749, liegt der bislang einzige Fall, den der Bundesgerichtshof zugunsten einer Fernwirkung entschieden hat, im Bereich des Nachrichtendienstrechts750. Es wird daher im Folgenden zu überprüfen sein, ob der Bereich des Nachrichtendienstrechts insofern eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen über Fernwirkung bildet, als dass dort den Beweisverboten grundsätzlich Fernwirkung zukäme. Im Fall Dirnhofer ging es um Unterlagen, die durch eine unzulässige Telefonüberwachung erlangt worden waren und zur Bestätigung eines Verdachtes dienen sollten, der sich seinerseits nicht auf eine Katalogtat bezog.751 Nach einer Auseinandersetzung mit den in der Literatur vertretenen Meinungen zur Fernwirkung752 folgert der Bundesgerichtshof schließlich, dass sich eine allgemeine Regel zur Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten nicht bilden ließe, sondern sich dies nach Sachlage und Art des Verbotes richte.753 Zwar lasse sich im konkreten Fall aus der Historie des G10-Gesetzes nichts über die Reichweite des Verwertungsverbotes herleiten, das Bestreben des Gesetzgebers, Art. 10 GG nur insoweit zu beschränken, als es zur „Abwehr von Staats- und Verfassungsfeinden sowie zur Bekämpfung der Schwerkriminalität unerläßlich“ sei, sei aber eindeutig erkennbar. Dabei müsse der Strafrichter die „Grenzen, die der Gesetzgeber als das Ergebnis seiner Güterabwägung gezogen hat“ achten.754 „Er darf den grundgesetzlich verbürgten Schutz des Fernmeldegeheimnisses bei der Auslegung des § 7 Abs. 3 G 10 nicht weiter einschränken, als es zur Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks unbedingt notwendig ist. Hiernach aber sind Kenntnisse und Unterlagen, die durch Abhörmaßnahmen erlangt 749

s. oben unter S. 179. BGHSt 29, 244 (Dirnhofer); in Bezug auf § 7 Abs. 3 G10-Gesetz, hierzu Riegel, JZ 1980, 757; Dünnebier, KJ 1999, S. 586. Zu beachten sind hierbei jedoch die besonderen Umstände, unter denen das Urteil erging: es fehlte 1979 noch an gesetzlichen Regelungen für die Nachrichtendienste – es ist damit gut möglich, dass der BGH mit seinem Urteil in diesem Rahmen trotz eigentlich gegenteiliger Rechtsauffassung besonders streng vorging, um, wie Riegel, S. 760 anführt, „[g]rößte Restriktion“ zu üben. 751 BGHSt 29, 244 f. Angeordnet wurde die Telefonüberwachung bei einem ehemaligen Mitarbeiter des BfV, da dieser in Verdacht stand, vertrauliche Unterlagen an das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ weitergegeben zu haben, der daraufhin 1977 einen Artikel über einen „Lauschangriff“ gegen den Atomphysiker Traube verfasste. 752 BGHSt 29, 244 (247 ff.), zustimmend Riegel, JZ 1980, 757 ff.; Welp, NStZ 1995, 602 (604). 753 BGHSt 29, 244 (249). 754 BGHSt 29, 244 (251). 750

B. Beweisverwertungsverbote bei nachrichtendienstlichen Erkenntnissen

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werden, nicht nur solche, die unmittelbar bei Überwachung des Fernmeldeverkehrs gewonnen werden, sondern auch diejenigen, zu denen die überwachten Gespräche erst den Weg weisen, die also aufgrund weiterer, außerhalb der Telefonüberwachung durchgeführten Ermittlungen gefunden werden. Erforschung einer Straftat, von welcher der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang spricht, bedeutet in aller Regel das Suchen nach weiteren Beweisen.“755 Weiter folgert der Bundesgerichtshof, weil eine solche weitergehende Ermittlungstätigkeit nur zur Aufklärung und Verfolgung von Katalogtaten zulässig sei, müsse dies auch für die Verwertung der erlangten Beweise gelten.756 Dabei weist er ausdrücklich darauf hin, dass die sonst berechtigten kriminal- und rechtspolitischen Bedenken der Gegner einer Fernwirkung im vorliegenden Fall nicht durchgreifen können, da der Gesetzgeber die notwendige Abwägung selbst vorgenommen habe.757 Gleiches gilt für einen Beschluss des OLG Köln im Fall Faust. Dort ging es ebenfalls um Beweismaterial, welches mittelbar durch eine nach § 2 G10 unzulässige Überwachungsmaßnahme erlangt wurde. Unzulässig war die Maßnahme, weil es an dem Verdacht einer Katalogtat fehlte. Dass Gericht führt insoweit aus, dass, da die Beschränkungen nicht angeordnet hätten werden dürfen, die Beweismittel nicht verwertbar sind.758 Von dem Verwertungsverbot seien auch die mittelbaren Beweise erfasst.759 Dies ergebe sich daraus, dass § 7 Abs. 3 G10 a. F. lediglich eine Verdeutlichung der sich aus der streng umgrenzten Einschränkung von Art. 10 GG zwangsläufig ergebenen Folgen darstelle, und daher werde einzig diese weite Ausdehnung des Beweisverwertungsverbots der Bedeutung von Art. 10 GG gerecht.760 Beide Urteile scheinen Konstellationen von Fernwirkungen zu enthalten. Daher liegt prima vista die Vermutung nahe, dass im Nachrichtendienstrecht die Frage der Fernwirkung besonders zu entscheiden ist. Betrachtet man die Argumentation der beiden Gerichte jedoch genauer, so wird deutlich, dass entscheidend gar nicht die rechtswidrige Erhebung und die daraus resultierende Fernwirkung war, sondern vielmehr die Tatsache, dass in den beiden Fällen jeweils keine sogenannte Katalogtat im Sinne des § 2 G10 oder § 138 StGB angeklagt werden sollte beziehungsweise angeklagt war.761 Vielmehr hätten die Ergebnisse auch im Falle einer rechtmäßigen Telefon755 756 757 758 759 760 761

BGHSt 29, 244 (251). BGHSt 29, 244 (251). BGHSt 29, 244 (251 f.). OLG Köln, NJW 1979, 1216 (1217). OLG Köln, NJW 1979, 1216 (1217). OLG Köln, NJW 1979, 1216 (1217). Diese Beschränkung wird auch richtig von Jäger, S. 113 erkannt.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

überwachung nicht verwendet werden dürfen.762 Insoweit erinnert die vorliegende Konstellation erneut an die Konstellation der strafprozessualen Zufallsfunde. Die Erklärung hierfür liegt in der Rechtsnatur des § 7 Abs. 3 G10 a. F.763 Betrachtet man nun den Wortlaut der damals geltenden Vorschrift genauer, so lässt sich feststellen, dass dort (ebenso wie in den nachfolgenden Fassungen764, jedoch in variierendem Umfang) das Benutzen verboten war.765 Wie oben gesehen, bezeichnet das Benutzen einen Teilbereich des Verwendens.766 Daher handelt es sich bei § 7 Abs. 3 G10 a. F. nicht um einen besonderen Fall der Fernwirkung, sondern um ein Verwendungsverbot. Diesen kommt schon per definitionem als umfassende Nutzungsverbote Fernwirkung zu, da sowohl die unmittelbare wie mittelbare Nutzung untersagt ist.767 Die Begründung für die Reichweite des Verwendungsverbots durch den Bundesgerichtshof ist vorbildlich. Da mit Art. 10 GG ein wichtiges Grundrecht geschützt wird und das Gesetz selbst schon zahlreiche Abwägungen trifft, dürfen diese nicht umgangen werden.768 Die bestehenden Einschränkungen sind zur Gewährleistung der wichtigen Aufgaben der Nachrichtendienste im Rahmen des G10-Gesetzes zulässig, jedoch muss die Verwendung klar geregelt sein. Damit bestehen im Nachrichtendienstrecht keine Besonderheiten bezüglich der Fernwirkung. Lediglich die Vielzahl an Verwendungsverboten führt dazu, dass Verwertungsverbote häufig mit Fernwirkung ausgestattet sein werden. Dies ändert jedoch nichts an den allgemeinen Grundsätzen der Fernwirkung. 762

Vergleiche hierzu BGHSt 27, 355 ff. Daher richtig BGHSt 32, 68 (71). 764 Vgl. zum Beispiel die Fassungen vom 28. Februar 1991, vom 28. April 1997 oder vom 08. Juni 1989. Es lässt sich beobachten, dass erst mit der Neufassung von 2001 das Wort „benutzen“ aus § 7 Abs. 3 G10 gestrichen wurde; vergleiche § 7 Abs. 3 G10 idF. vom 28. Juni 2001 (BGBl. I, 1254, 2289). 765 § 7 Abs. 3 G10 vom 13. August 1968 (BGBl. I, 949) idF. vom 13. September 1978 (BGBl. I, 1546), wobei letztere nichts am hier maßgeblichen Artikel änderte. 766 Zwar bestand zum Zeitpunkt der BGH-Entscheidung das BDSG noch nicht, so dass hierauf nicht unmittelbar Bezug genommen werden konnte, jedoch wurde der Wortlaut des G10 in den späteren Fassungen trotz der Existenz des BDSG beibehalten; vgl. Teil 2 Fn. 764. 767 Vgl. hierzu S. 145 ff. 768 Da sowohl bei der Individualkontrolle und der Strategischen Kontrolle Verwendungsregeln bestehen, ist Hochreiters Schluss, dass das Dirnhofer-Urteil zwar nur bezüglich der Individualkontrolle ergangen sei, erst recht aber für die Strategische Kontrolle gelte, vom Ergebnis richtig, ergibt sich jedoch bereits aus der Gesetzesregelung selbst, Hochreiter, S. 195. 763

C. Ergebnis des zweiten Teils

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C. Ergebnis des zweiten Teils Die Untersuchung des zweiten Teils hat folgende Ergebnisse geliefert: Die strafprozessuale Beweisverwertung stellt einen Grundrechtseingriff dar, der sich jedoch regelmäßig in einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Nutzung der Daten erschöpft. Rechtsgrundlage hierfür sind §§ 244, 260 StPO.769 Beweisverwertungsverbote lassen sich in unselbstständige und selbstständige Beweisverwertungsverbote unterteilen. Von diesen sind Verwendungsverbote zu unterscheiden. Verwendungsverbote sind stets ausdrücklich oder implizit normiert und verbieten umfassend die Nutzung von Daten. In strafprozessualen Kategorien kann man sie als Verwertungsverbote mit Vor- und Fernwirkung bezeichnen, so dass auch ein Verstoß gegen ein Verwendungsverbot ein Verwertungsverbot nach sich zieht.770 Die ratio der Beweisverwertungsverbote ist eine zweifache: der Schutz des Individuums und der Schutz der Legitimation zum Strafen. Diese ist bei der Bestimmung der Beweisverwertungsverbote zu beachten.771 Methodisch sind unselbstständige wie selbstständige Verwertungsverbote durch Abwägung zu ermitteln. Bedenken gegen eine Unsicherheit der Methode ist durch die Definition eindeutiger Abwägungskriterien zu begegnen.772 Unselbstständige Beweisverwertungsverbote folgen auf einen Verstoß bei dem Beweisgewinnungsvorgang. Dies gilt auch dann, wenn die Datenerhebung außerhalb des Strafprozesses erfolgte, wie etwa bei nachrichtendienstlichen Ermittlungen.773 Diese externen Verfahrensfehler sind im Strafprozess vollständig nachprüfbar. Ein Beurteilungsspielraum der Nachrichtendienste, der der Überprüfung durch den Strafrichter nicht offenstünde, ist nicht zuzuerkennen.774 Als Anknüpfungspunkt für unselbstständige Beweisverwertungsverbote kommt sowohl das Fehlen einer Rechtsgrundlage bei der Datenerhebung oder bei der Datenübermittlung als auch ein Verstoß gegen materielle Erhebungsvoraussetzungen in Betracht. Bei formellen Verstößen müssen regelmäßig weitere Gesichtspunkte, wie eine bewusste Umge769 770 771 772 773 774

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

S. S. S. S. S. S.

142 145 155 159 183 185

ff. ff. ff. ff. ff. ff.

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Teil 2: Verwertbarkeit der Erkenntnisse deutscher Nachrichtendienste

hung, hinzutreten. Unbeachtlich ist hingegen eine nur mögliche Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage.775 Ob sich der handelnde Beamte darüber hinaus strafbar gemacht hat, wirkt sich nicht unmittelbar auf die Beweisverwertung aus. Ein Beweisverwertungsverbot liegt jedoch bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen Individualrechtsgüter nahe; bei Verstößen gegen sonstige Strafvorschriften ist zu überprüfen, ob ausnahmsweise durch diese Straftat die Legitimation zum Strafen entfallen ist und daher ein Beweisverwertungsverbot greifen muss.776 Selbstständige Verwertungsverbote ergeben sich aus der Verwertung von Vorfelderkenntnissen. Da die bislang getroffene gesetzliche Regelung ungenügend ist, ist eine Neuregelung hier anzuraten.777 Soweit ein mit Zeugnisverweigerungsrechten vergleichbarer Schutz der Betroffenen nicht besteht, so ist dieser Verlust auszugleichen. Dies wird gleichfalls durch selbstständige Verwertungsverbote realisiert.778 Die mit dem Opportunitätsprinzip verbundene Möglichkeit zur Selektivität hat dagegen lediglich Auswirkungen auf den Beweiswert der Informationen und ist daher bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.779 Hinsichtlich der Fernwirkung gelten keine Besonderheiten im Nachrichtendienstrecht. Auch dort ist die Fernwirkung als Einzelfallentscheidung im Rahmen der Abwägung zu treffen. Jedoch ergibt sich durch die zahlreichen Verwendungsregeln häufiger als im Strafprozess ein Verbot der Verwendung von mittelbar rechtswidrig erlangten Daten.780 Damit zeigt die Untersuchung des zweiten Teils, dass sich die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen unter Zuhilfenahme der im ersten Teil gewonnenen, detaillierten Kenntnisse sowie der fortentwickelten Funktion und Methodik der Beweisverwertungsverbote erfolgreich bestimmen lässt.

775 776 777 778 779 780

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

S. S. S. S. S. S.

192 211 258 275 259 281

ff. ff. ff. ff. ff. ff.

Teil 3

Verwertbarkeit von Erkenntnissen von Nachrichtendiensten aus dem Ausland Der dritte Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob und inwieweit Erkenntnisse von Nachrichtendiensten in einem deutschen Strafverfahren verwertet werden können, wenn sie im Ausland erlangt wurden. Dabei können diese sowohl durch deutsche Nachrichtendienste im Ausland (B.) wie ausländische Dienste im Ausland (C.) gewonnen worden sein.1 Damit die Informationen letztlich ins deutsche Strafverfahren gelangen, ist regelmäßig eine internationale Kooperation, nämlich Rechtshilfe, erforderlich (A.). Daher ist es zunächst unerlässlich, sich mit deren Voraussetzungen auseinanderzusetzen und Besonderheiten im Rechtshilfeverkehr für die vorliegende Fallkonstellation zu betrachten. Als letzter Abschnitt dieses Teils wird eine Problematik untersucht, welche sich zwar nicht ausschließlich auf Auslandserkenntnisse bezieht, bei diesen aber verschärft besteht. Es geht um die Frage des Nachweises für das Vorliegen eines Rechtsverstoßes, mithin den tatsächlichen Voraussetzungen für ein Verwertungsverbot (D.).

A. Erkenntnisse aus dem Ausland im deutschen Strafprozess Zur Beurteilung der Verwertbarkeit ist zunächst wichtig zu wissen, welche Informationen auf welchem Wege ins deutsche Strafverfahren gelangen. Die nachfolgende Darstellung zielt dabei weniger auf eine vollständige Wiedergabe des Rechtshilferechts ab als auf die Betonung der Besonderheiten der Rechtshilfe in Bezug auf Nachrichtendienste.

1 Dabei geht es wieder ausschließlich um Konstellationen von nachrichtendienstlicher Relevanz, so dass zum Beispiel die selbstständige Beweisaufnahme durch das Prozessgericht im Ausland ausscheidet.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

I. Tatsächliche und rechtliche Grundlagen der Rechtshilfe Rechtshilfe ist notwendig, da im deutschen Strafverfahren für das Gericht sowie die Ermittlungsbehörden die Amtsaufklärungspflicht aus §§ 160, 244 Abs. 2 StPO gilt2 und diese nicht an der Staatsgrenze endet, die tatsächlichen Möglichkeiten jedoch durch das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip begrenzt werden.3 Daher existiert zur Regelung der Rechtshilfe eine Vielzahl völker-, europarechtlicher, bi- und multilateraler Verträge. Speziell über die Rechtshilfe von Nachrichtendiensten existieren aber keine, zumindest keine offiziellen Verträge.4 Nicht einschlägig sind für die vorliegende Konstellation alle Verträge, die sich mit polizeilicher Kooperation beschäftigen, weil es sich bei den Nachrichtendiensten eben nicht um Polizei handelt. Einschlägig könnte dagegen die Rechtshilfe in Strafsachen sein, die innerstaatlich im IRG geregelt ist und auf welche sich diverse europäische wie internationale Abkommen beziehen.5 Entscheidend ist hierfür ein Bezug zu einem Strafverfahren beziehungsweise zur Strafverfolgung.6 Dieser ist dann gegeben, wenn sich ein deutsches Strafverfolgungsorgan mit der Bitte um Informationen an einen ausländischen Nachrichtendienst wendet. Ob ein solches Ersuchen dann im betroffenen Staat durch Strafverfolgungsorgane oder andere Organe erledigt wird, ist insofern unerheblich.

2

Nagel, S. 1 f.; Schädel, S. 40; Lisken/Denninger, Kap. N Rn. 2. Siehe sogleich ausführlich S. 316 ff. 4 Angesichts der tatsächlich stattfindenden Kooperation ist nicht ausgeschlossen, dass diese auf vertraglichen Grundlagen beruht, siehe zur Kooperation S. 82 ff. 5 Es existieren zahlreiche Abkommen im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen. Lagodny unterscheidet insoweit 15 relevante Rechtsnormen. Dazu zählen neben dem Europäischen Abkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EURhÜbk), dem 1. und dem 2. Zusatzprotokoll zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen und dem Übereinkommen vom 29. Mai 2000 – gemäß Art. 34 des Vertrages über die Europäische Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU-RhÜbk) auch länderspezifische und deliktsspezifische Abkommen. Daneben gelten noch die nationalen Rechtshilfegesetze, die nationalen Verfassungsnormen sowie behördeninterne Richtlinien, wie zum Beispiel in Deutschland die RiVASt – Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, denen gesetzesinterpretierende und ermessenslenkende Wirkung zukommt, sowie subsidiär das BDSG, Schädel S. 71; Scheller, S. 48; Schomburg/Lagodny in: Schomburg/Lagodny, Einleitung Rn. 60. 6 Zur genauen Definition der Rechtshilfe in Strafsachen siehe § 1 Abs. 2 IRG, zu weiteren Begriffen der Strafsache in völkerrechtlichen Verträgen, siehe Schädel, S. 47 ff. 3

A. Erkenntnisse aus dem Ausland im deutschen Strafprozess

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Übermittelt ein ausländischer Dienst Daten zugunsten eines bestimmten Strafverfahrens, so stellt auch dies eine Form der Rechtshilfe in Strafsachen dar. Soweit ein Ersuchen um eine Datenerhebung durch die deutschen Nachrichtendienste gestellt wurde, liegt ebenfalls ein Fall der Rechtshilfe vor, wenn auch kein Fall der Rechthilfe in Strafsachen.7 Da die Gestattung eines solchen Ersuchens als Rechtshilfe eingestuft wird8, gilt dies gleichfalls für eine entsprechende Bitte. Mangels spezieller Verträge über die Datenerhebung durch deutsche Nachrichtendienste im Ausland gelten insoweit die allgemeinen Vorschriften. Das Fehlen eines Rechtshilfevertrages bedeutet nicht, dass das Leisten von Rechtshilfe stets ausgeschlossen ist, sondern nur, dass dies im freien Belieben des ersuchten Staates steht, da er hierzu nicht verpflichtet ist.9 Eine freiwillige Rechtshilfe ist möglich und richtet sich bezüglich des Ob und des Wie der Rechtshilfe nach den innerstaatlichen Regeln des ersuchten Staates.10 7 Also handelt es sich um Fälle, die in Deutschland innerstaatlich als Amts- oder Rechtshilfe bezeichnet werden, Scheller, S. 8 f.; Lisken/Denninger Kap. N Rn. 2. International ist die Rechtshilfe, sobald sie über die Staatsgrenzen hinaus geht, Schädel, S. 47. 8 Nagel, S. 200; v. Weber, FS Mayer, 525. Art. 19 Abs. 3 BVerfSchG ist keine Rechtsgrundlage für Auskunftsersuchen im Rahmen eines Strafverfahrens; hier ist die Rechtshilfe einschlägig, Droste, S. 534. Die Regelungen finden auch grundsätzlich auf (ausländische) Nachrichtendienste Anwendung, da es sich hierbei um Behörden handelt, vgl. beispielsweise Beschluss des OLG Karlsruhe vom 15. Juni 2007 (1 AK 48/05) (Italienisches Rechtshilfeersuchen in Sachen „Mitrokhin-Dossier“). Dagegen ist das Gesetz zu dem Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (SDÜG) für Nachrichtendienste nicht relevant. Dies ergibt sich zunächst aus der ratio, eine bessere Zusammenarbeit der Polizei zu gewährleisten, und Nachrichtendienste sind eben keine Polizeibehörden. Hiergegen könnte man anführen, dass dies in anderen Ländern, wie noch gezeigt wird, nicht so klar unterschieden wird. Gegen eine so weite Interpretation spricht aber der eindeutige Wortlaut des Art. 40 Abs. 4 SDÜ, welcher die betroffenen Polizeibeamten abschließend aufführt. Für eine restriktive Interpretation des Polizeibegriffs sprechen auch die Neuerungen im SIS II, wonach erstmals (!) auch Nachrichtendienste auf die Daten nach Art. 96/99/102 SDÜ Zugriff haben sollen. 9 Nagel, S. 72. Grundsätzlich soll das politische Interesse für die Leistung von Rechtshilfe sprechen, einerseits wegen des Grundsatzes der Gegenseitigkeit im Rechtshilferecht, andererseits wegen eines eigenen Interesses am Ergebnis, häufig des Strafverfahrens, Nagel, S. 76; Beispiel hierfür ist insbesondere die Bereitschaft Israels zur Leistung von Rechtshilfe in den Verfahren gegen nationalsozialistische Gewaltverbrecher, siehe Nordmann S. 40 ff. 10 BVerfG, NJW 1984, 574 (spricht von völkerrechtlicher Höflichkeit); Schädel, S. 74 (von Kulanzrechtshilfe); Scheller, S. 92 (politisches Ermessen); Wilkitzki in

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

Bei der Rechtshilfe unterscheidet man zwischen Auslieferung, Vollstreckungshilfe und sonstiger Rechthilfe.11 Dabei betrifft die sonstige Rechtshilfe die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Arten der Unterstützung ausländischer Verfahren, wie zum Beispiel die Erteilung von Auskünften, Zustellung von Schriftstücken und die Durchführung von Untersuchungshandlungen.12 Damit handelt es in den eingangs beschriebenen Konstellationen um Fälle der sonstigen Rechtshilfe. Ferner ist festzuhalten, dass die vorliegend interessierenden Konstellationen häufig Fälle der freiwilligen Rechtshilfe darstellen oder aber der Rechtshilfe in Strafsachen.

II. Allgemeine Rechtshilfevoraussetzungen Rechtshilfe kann spontan oder auf Ersuchen gewährt werden. Im (ersuchten) Staat finden dann ein Bewilligungs- und ein Vornahmeverfahren statt.13 Im Bewilligungsverfahren werden die Voraussetzungen der Rechtshilfe geGrützner/Pötz, Vor § 68 IRG Rn. 2; Lagodny in: Schomburg/Lagodny, Vor § 68 IRG Rn. 1. 11 Nagel, S. 61 spricht insoweit von den „drei Säulen des Rechtshilferechts“. 12 Wilkitzki in: Grützner/Pötz, § 59 IRG Rn. 16. Der Begriff der Untersuchungshandlung umfasst dabei den gesamten Bereich der Ermittlung von Tatsachen und Beschaffung von Beweismitteln im ersuchten Staat; dazu gehören hauptsächlich die Ermittlung und die Vernehmung von Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen, Gegenüberstellung, die Einnahme des Augenscheins, die Beschaffung von Beweisgegenständen – auch unter Zwang – die Überwachung des Fernmeldeverkehrs und die Erstattung von Gutachten, Wilkitzki in: Grützner/Pötz, § 59 IRG Rn. 20. Nach § 59 Abs. 2 IRG handelt es sich bei der sonstigen Rechtshilfe in einer strafrechtlichen Angelegenheit um jede Unterstützung, die für ein ausländisches Verfahren in einer strafrechtlichen Angelegenheit gewährt wird, unabhängig davon, ob das ausländische Verfahren von einem Gericht oder von einer Behörde betrieben wird und ob die Rechtshilfehandlung von einem Gericht oder einer Behörde vorzunehmen ist. 13 Scheller, S. 91. Formell findet Rechtshilfe a priori über den diplomatischen Geschäftsweg statt, Nagel, S. 133. Nach Art. 24 EURhÜbk kann jeder Staat bestimmen, wen er als Justizbehörde im Sinne des Übereinkommens betrachten will. In Deutschland können laut Nagel Gerichte und Staatsanwaltschaften Ersuchen stellen. Empfänger kann aber auch eine andere Stelle als die Justizbehörde sein, vergleiche BT-Drs. 4/381, S. 43; Art. 18 EuRHÜbk. Ausnahmsweise kann in Abkommen aber auch ein anderer Geschäftsweg festgelegt sein: So gibt es auch den ministeriellen und den unmittelbaren Geschäftsweg (zum Beispiel den polizeilichen Rechtshilfeverkehr, welcher direkt zwischen den betroffenen Polizeibehörden stattfindet). Der Geschäftsweg gilt jedoch nur für den anfragenden Staat und ist für die innerstaatliche Organisation der Stellung und Bewilligung von Ersuchen nicht verbindlich, BGH NJW 1983, 2769 (2770); Schnigula, DRiZ 1984, 177 (178 f.). Für Deutschland siehe Lisken/Denninger Kap. O Rn. 19; der Generalbundesanwalt hat in Washington zum Beispiel einen eigenen Verbindungsbeamten, welcher den Rechtshilfeverkehr zwischen beiden Staaten beschleunigen soll.

A. Erkenntnisse aus dem Ausland im deutschen Strafprozess

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prüft, mithin ob Rechtshilfe geleistet wird. Im Vornahmeverfahren geht es anschließend um die Frage, wie die ersuchten Erkenntnisse innerstaatlich erlangt werden können. Sodann werden die Ergebnisse an den ersuchten Staat übermittelt. 1. Gegenseitigkeit Das Rechtshilfeverfahren ist von einer Vielzahl an materiellen Grundsätzen geprägt.14 Eines der wichtigsten Prinzipien ist hierbei das der Gegenseitigkeit.15 Nach dem Grundsatz „do ut des“ wird Rechtshilfe geleistet, um später selbst welche erhalten zu können. Daher kann man auch aus den deutschen Regelungen Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit der Leistung von Rechtshilfe durch die anderen Staaten ziehen. Das Gegenseitigkeitsprinzip dient sowohl der Schonung staatlicher Ressourcen, der Motivation unkooperativer Staaten als auch der Sicherung der staatlichen Souveränität. Es bezieht sich auf das „Ob“ und auf das „Wie“ des Leistens von Rechtshilfe.16 Bei fehlender Gegenseitigkeit kommt allenfalls eine freiwillige Rechtshilfe in Betracht.17 Im vertragslosen Bereich ist die Zusicherung üblich, im umgekehrten Fall ebenfalls Rechtshilfe zu leisten.18

14 Wie bereits erwähnt, werden nachfolgend nur die für die vorliegende Bearbeitung wichtigsten Grundsätze dargestellt. Für einen vollständigen Überblick, siehe Schädel, passim. Diskutiert wird hierbei auch, ob die Nichtverjährung im ersuchten Staat Voraussetzung für Rechtshilfe sei, so zum Beispiel ausführlich Schädel, S. 212 ff. Hierauf wird nicht näher eingegangen, da nachrichtendienstliche Erkenntnisse vor allem deswegen interessant sind, da sie besonders aktuell sind. Verjährungsfragen stellen sich somit schon deswegen nicht. Ferner wird davon ausgegangen, dass die BRD bei verjährten Delikten keine Ersuchen stellen wird beziehungsweise die so erlangten Erkenntnisse jedenfalls nicht zu Lasten des Beschuldigten verwerten wird, so dass dieser Aspekt vorliegend ausscheidet. Hierzu und zu weiteren Spezialproblemen vergleiche ebenfalls Schädel, S. 227 ff. 15 Es handelt sich hierbei nicht um einen völkerrechtlichen Rechtssatz, sondern um eine politische Handlungsmaxime, BGHSt 24, 297 (303); Nagel, S. 93; Scheller, S. 91. 16 Schädel, S. 130 ff. 17 Schädel, S. 131. Angesichts der zahlreichen internationalen Vereinbarungen ist die Bedeutung dieses ursprünglich wichtigsten Grundsatzes des Rechtshilferechts stark zurückgegangen, Schädel, S. 132. So sollen insbesondere innerhalb Europas die angegebenen Gründe für die Gegenseitigkeit nicht mehr relevant sein, ders., S. 143; anders jedoch für die oben angesproche Bitte um Bewilligung eigener Maßnahmen, da diese im vertragslosen Bereich stattfindet. Wichtig ist die Gegenseitigkeit auch bei Vorbehalten gegen Verträge; in diesem Falle werden dadurch letztlich beide Seiten von der Rechtspflicht befreit, Nagel, S. 95. 18 Nagel, S. 93 f.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

2. Beiderseitige Strafbarkeit Ferner existiert der Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit, so dass die Taten, zu deren Überführung Rechtshilfe erbeten wurde, auch im ersuchten Staat unter Zugrundelegung des entsprechenden Sachverhaltes strafbare Taten darstellen müssen.19 In diesem Zusammenhang wird auch für die Rechtshilfe die neuere Tendenz zur Ausweitung der strafrechtlichen Regelungen bezogen auf Terrorismus, welche zumindest europaweit, wenn nicht gar weltweit, festzustellen ist, relevant.20 3. Spezialität Wichtig ist ebenfalls der Grundsatz der Spezialität. Er besagt, dass Informationen nur insoweit verwendet werden dürfen, wie dies bei Gewährung der Rechtshilfe zugestanden wurde.21 Beschränkungen können sich auf die Verfolgung einer bestimmten Tat oder Person beziehen.22 Solche Bedingungen werden häufig eingesetzt, um zu verhindern, dass der Staat Erkenntnisse zu Zwecken nutzt, für welche keine Rechtshilfe gewährt worden wäre.23 Bedingungen können im Rahmen der Antwort auf ein Ersuchen gestellt werden und kommen praktisch besonders häufig vor, soweit es sich um die freiwillige Überlassung von Informationen ohne vorheriges Ersuchen handelt. Die Bedingung darf nicht im Gegensatz zu vertraglichen Verpflichtungen stehen24 und muss bei Bewilligung der Rechtshilfe erklärt werden und nicht erst nachträglich.25 Sie kann ausdrücklich erfolgen26, aber auch konkludent. In diesem Fall ist der Wille des Staates durch Auslegung zu ermitteln.27 Es würde hingegen zu weit gehen, eine einer jeden Übermittlung immanente Bedingung anzunehmen, um die materiellen Rechtshilfevoraussetzungen zu schützen.28 Auch ist keine Begrenzung auf die im Ersuchen 19 Im Rahmen des EURhÜbk ist dies nach Art. 5 Abs. 1 a keine Voraussetzung mehr. 20 Zur Problematik der politischen Delikte siehe sogleich. 21 Schädel, S. 164. 22 Schädel, S. 164; Vogler, FS Spendel, 871 (883). 23 Linke, ZStW 96 (1984), 580 (591). 24 Schädel, S. 130. 25 BGHSt 34, 334 ff.; Vogler in: Grützner/Pötz/Kreß, § 72 IRG Rn. 7. Zur Frage der Zulässigkeit eines nachträglichen Spezialitätsvorbehalts und dessen rechtlichen Folgen, siehe Gless/Eymann, StV 2008, 318 ff. sowie BGH NStZ 2007, 345. 26 Nagel, S. 129 f.; Linke, ZStW 96 (1984), 590 f. Fn. 3. Diese Sichtweise aus praktischen Gründen bevorzugend, Böse, ZStW 114 (2002), 148 (173, 175). 27 Schuster, S. 138; Böse, ZStW 114 (2002), 148 (174).

A. Erkenntnisse aus dem Ausland im deutschen Strafprozess

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genannten Taten gegeben.29 Eine immanente Bedingung wäre nicht nur schwierig praktisch zu handhaben.30 Es ist aus völkerrechtlicher Sicht auch nicht notwendig, die (vermeintlichen) Interessen des betroffenen Staats zu schützen, wenn dieser selbst hieran kein Interesse hat, da er dies durch eine Bedingung hätte tun können. Schon eine Beurteilung, welche Interessen der jeweilige Staat verfolgt, wäre aus völkerrechtlicher Sicht nicht unbedenklich. Eine gestellte Bedingung ist stets bindend, selbst wenn sie vertragsrechtlich nicht hätte gestellt werden dürfen.31

III. Ausschluss der Rechtshilfe bei politischen Delikten Eine Einschränkung der Rechtshilfe wird allgemein bei politischen, fiskalischen und militärischen Delikten vorgenommen. Aufgrund der besonderen Zielrichtung der Nachrichtendienste erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass einige der ermittelten Informationen politische Delikte betreffen.32 Maßgeblich für den Ausschluss der Rechtshilfe bei sogenannten politischen Delikten sind unter anderem, dass politische Straftäter häufig ehrenwerte Motive verfolgen sowie, dass kein Interesse an der Leistung von Rechtshilfe besteht.33 Alle Rechtshilfeverträge der Bundesrepublik Deutschland enthalten eine Einschränkung der Verpflichtung zur Leistung von Rechtshilfe für politische Straftaten.34 Fehlt eine besondere Vereinbarung mit dem jeweiligen Land, wird grundsätzlich keine Rechtshilfe bei politischen Straftaten ge28 So aber Uhlig in: Schomburg/Lagodny, vor § 59 IRG Rn. 11; Vogler, GA 1986, 195 (202). 29 Nagel, S. 316. 30 Böse, ZStW 114 (2002), 148 (173 f.). Zusätzlich ließe sich anführen, dass anders die im Steuerstrafverfahren übermittelten Daten nicht für die Festsetzung der Steuerschuld verwendet werden dürften, Nagel, S. 130. Hierbei könnte aber zu bedenken sein, dass es sich hierbei um ein Fiskaldelikt handelt, weswegen Rechtshilfe ohnehin einen höheren Freiwilligkeitsgrad aufweist. 31 Schomburg/Hackner in: Schomburg/Lagodny, § 72 IRG Rn. 3; Schuster, S. 139; Vogler in: Grützner/Pötz/Kreß, § 72 IRG Rn. 5, der, falls die Bedingung inakzeptabel ist, zur Aufhebung im Notfall auf die vertraglich vorgesehenen oder sonst völkerrechtlich üblichen Konsultations- und Schiedsverfahren verweist. 32 Wie noch gezeigt werden wird, ist es bei einigen ausländischen Diensten zudem nicht unwahrscheinlich, dass sie auch Delikte mit fiskalischem Hintergrund aufdecken, soweit wirtschaftliche Zusammenhänge von ihrem Aufklärungsspektrum umfasst sind, siehe hierzu den Auslandsvergleich, S. 330. Die nachfolgenden Ausführungen gelten dann entsprechend. 33 Nagel, S. 106; Schädel, S. 109 ff. 34 Nagel, S. 107 f. Fn. 66.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

leistet.35 Innerhalb der Europäischen Union muss jedoch bei einigen Delikten trotz ihrer politischen Natur Rechtshilfe geleistet werden.36 Die Definition des politischen Deliktes ist umstritten.37 Während sich im internationalen Verkehr zuvörderst die Frage stellt, welches Recht insoweit überhaupt anwendbar ist38, so lässt sich vorliegend Folgendes feststellen: Unabhängig davon, wie die ausländischen Staaten jeweils den Begriff „politisches Delikt“ definieren, so darf zumindest aus deutscher Sicht ein solches im Einzelfall nicht vorliegen, damit ein Ersuchen aus Deutschland erfolgreich sein kann. Denn wäre ein solches aus deutscher Sicht gegeben, so würde Deutschland selbst keine Rechtshilfe leisten, weshalb unter Berufung auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit auch der ausländische Staat keine Rechtshilfe leisten würde. Dies ist zwar nicht zwingend, jedoch sehr wahrscheinlich. So ist, ohne Analyse aller ausländischen Definitionen, zumindest eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Datenübermittlung durch den ausländischen Staat möglich.39 Eine abschließende Definition des politischen Delikts gibt es auch im deutschen Recht nicht.40 Herkömmlich unterscheidet man zwischen den ab35 Zu einer Übersicht über alle Länder siehe: http://www.bmj.de/DE/Service/ StatistikenFachinfaormationenPublikationen/Fachinformationen/RiVASt/_node.html, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. 36 Dies ergibt sich aus der Gesamtschau von folgenden Normen: Nach Art. 2 EuRhÜbk (in BRD in Kraft seit 01. Januar 1977) darf ein Ersuchen mit der Begründung abgelehnt werden, dass es sich um eine politische Straftat oder als mit einer solchen zusammenhängend betrachtet wird. Nach Art. 9 ZP-EU-RhÜbk dürfen sich die Mitgliedsstaaten der EU auf diese Ausnahme nicht berufen. Soweit sie einen Vorbehalt gegen diese Bestimmung erklären, müssen sie zumindest für die in Abs. 2 a und b aufgezählten Straftaten Rechtshilfe gewähren. Dies entspricht auch der Regelung des Art. 8 Abs. 1 S. 3 EuTerrÜbk (in der BRD in Kraft seit 04. August 1978). Zur Auflistung dieser Straftaten siehe Art. 1, 2 EuTerrÜbk ggfs. i. V. m. Art. 3 Abs. 4 EU-Auslieferungsübereinkommen. 37 Laut Schädel, S. 98 „eine der umstrittensten und meist diskutierten Frage des Rechtshilferechts“. 38 BGH NJW 1982, 531 für ein Rechtshilfeersuchen im Auslieferungsrecht (§ 3 DAG a. F.) soll zunächst das deutsche Recht befragt werden und im Anschluss, ob die Tat vom ersuchenden Staat als solche bewertet wird. In Art. 2 lit a EuRhÜbk kommt es auf die Beurteilung allein des ersuchten Staates an. 39 Ob der ersuchte Staat sich im Einzelfall wirklich, angesichts der komplexen Rechtslage, damit beschäftigen würde, ob Deutschland im konkreten Fall Rechtshilfe leisten würde, kann für die rechtliche Beurteilung dahinstehen. 40 Zu einer umfassenden Darstellung vergleiche Schädel, S. 97 ff. Kritisch zur fehlenden Definition: Oehler, ZStW 96 (1984), 555 (562 f.) Eine alte Fassung des Auslieferungsgesetzes enthielt in § 3 Abs. 2 DAG früher eine Legaldefinition. Politische Taten waren danach strafbare Angriffe, die sich unmittelbar gegen den Bestand und die Sicherheit des Staates, gegen das Oberhaupt oder ein Mitglied der Regierung als solches, gegen eine verfassungsmäßige Körperschaft, gegen die

A. Erkenntnisse aus dem Ausland im deutschen Strafprozess

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soluten politischen Delikten, die sich unmittelbar gegen den Bestand, die Handlungsfähigkeit oder die Sicherheit des Staates richten und ausschließlich den Staat, seine politische Organisation und die ihm eigenen Rechte verletzen. Relativ politische Delikte sind dagegen solche Straftaten, die der allgemeinen Kriminalität unterfallen, die aber einen Bezug zum Politischen entweder durch Konkurrenzregeln oder durch die Motivation des Täters aufweisen.41 Die Ähnlichkeit der Definitionen mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes wird insbesondere an den Landesgesetzen über den Verfassungsschutz offenbar.42 Soweit die Dienste Informationen über Allgemeinkriminalität erlangen, werden diese häufig einen Bezug zu politischen Straftaten aufweisen, wie dies die Aufgabenzuweisung verlangt. Zwar kann die Aufgabenstellung bei ausländischen Nachrichtendiensten im Einzelnen variieren, jedoch ist das Hauptziel von Nachrichtendiensten immer dasselbe. Damit ist bei politischen Delikten Beweisrechtshilfe regelmäßig nur auf freiwilliger Basis gegeben.43 Allgemein lässt sich daher folgern, dass bei den Nachrichtendiensten im Regelfall freiwillige Rechtshilfe vorliegt, soweit nicht eine der Ausnahmekonstellationen des EU-Rechts für Rechtshilfe in Strafsachen greift.

IV. Ergebnis Festzuhalten bleibt, dass die Besonderheit der Rechtshilfe im Zusammenhang mit nachrichtendienstlichen Erkenntnissen darin liegt, dass sie sich beinahe vollständig im Bereich der freiwilligen Rechtshilfe abspielt. Ausnahmen gelten insoweit nur im Rahmen der Rechtshilfe in Strafsachen innerhalb der europäischen Union für bestimmte Straftaten. Folge hiervon ist damit auch, dass die übermittelten Informationen häufig an Bedingungen im Sinne der Spezialität geknüpft sein werden.

staatsbürgerlichen Rechte bei Wahlen oder Abstimmungen oder gegen die guten Beziehungen zum Ausland richten. 41 Vgl. hierzu Nagel, S. 107. 42 Siehe hierzu S. 255 ff. 43 Eine Ausnahme soll es laut Nagel, S. 124 f. für die Entlastungsrechtshilfe geben. Dabei handelt es sich um Beweise, die im Verfahren des (ersuchenden) Staates, zur Entlastung des betroffenen Beschuldigten dienen (können). In den Konventionen kommt dies explizit jedoch nicht vor und auch innerstaatlich ließen sich laut Nagel insoweit nur Regelungen in der Schweiz finden.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

B. Erkenntnisse deutscher Dienste im Ausland Bei der Datenerhebung deutscher Dienste im Ausland sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden. Zum einen kommt eine eigene Ermittlungstätigkeit mit Gestattung des ausländischen Staates im Rahmen der Rechtshilfe in Betracht (I.), zum anderen aber auch eine heimliche Tätigkeit ohne Kenntnis des betroffenen Staates (II.). Eine Ermittlungstätigkeit deutscher Staatsorgane im Ausland kommt in der Praxis durchaus vor, wenn auch, soweit ersichtlich, keiner der von Deutschland geschlossenen Rechtshilfeverträge hierüber Regelungen enthält.44 Als Beispiel kann die Befragung von im Ausland inhaftierten Personen auf freiwilliger Basis zur Aufklärung von Gefährdungen durch den internationalen Terrorismus angeführt werden.45 Ein heimliches Vorgehen wird dann gewählt, wenn schon die Anwesenheit der deutschen Nachrichtendienstmitarbeiter im Ausland verschleiert werden soll.

I. Eigene Datenerhebung mit Einwilligung des betroffenen Staates Bei der eigenen Datenerhebung im Ausland ist zunächst zu klären, ob alle drei bundesdeutschen Dienste zur Tätigkeit im Ausland einfachrechtlich ermächtigt sind (1). Daneben stellt sich die Frage, ob die Dienste bei ihrer Tätigkeit im Ausland an die Grundrechte gebunden sind und wenn ja, in welchem Umfang (2.). Dies ist wegen des Gesetzesvorbehalts für die Beurteilung der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote und wegen des Prüfungsmaßstabs für die selbstständigen Beweisverwertungsverbote relevant. Völkerrechtliche Probleme stellen sich bei Vorliegen einer Einwilligung des betroffenen Staates nicht.46 1. Zulässigkeit einer Tätigkeit im Ausland Der BND darf als Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik im Inund Ausland handeln.47 44

Nagel, S. 198 ff. (insbesondere S. 201 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der internationalen Praxis). 45 BT-Drs. 16/800, S. 14. Vorteil für die Nachrichtendienste ist dabei die Erlangung unverfälschter und direkter Eindrücke. Der Vorteil der Datenerhebung von Strafverfolgungsorganen im Ausland wird regelmäßig in der Wahrung des deutschen Prozessrechts sowie ggfs. in der Unmittelbarkeit gesehen, siehe hierzu und zu weiteren Aspekten Nagel, S. 177 ff. 46 Zum Fehlen einer solchen Einwilligung, siehe sogleich S. 313 ff. 47 Siehe S. 54 ff.

B. Erkenntnisse deutscher Dienste im Ausland

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Für eine zulässige Auslandstätigkeit des MAD spricht bereits der Wortlaut von § 1 Abs. 2 Nr. 2 MADG, wonach der Geschäftsbereich der Bundeswehr auch die NATO-Dienststellen umfasst. Die Überschrift des § 14 MADG („Besondere Auslandsverwendungen“) bestätigt dieses Ergebnis. Folglich darf der MAD im Ausland tätig werden. Seine Befugnis zur Informationssammlung ist dabei aber auf seine Liegenschaften im Ausland begrenzt (§ 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 2 MADG). Er ist daher zur engen Zusammenarbeit mit dem BND verpflichtet, welcher für jenen die benötigten Informationen sammelt.48 Die doppelte Anknüpfung von Täter und Betroffenem im Kreis der Bundeswehr greift dagegen im Ausland zu Recht nicht ein, da gerade von Außenstehenden im Ausland Gefahren für die Einsatzbereitschaft oder den Schutz der Truppe drohen.49 Die Schwerpunkte seines Einsatzes liegen auf Sammeln, Bearbeiten und Auswerten von eben solchen Informationen, dem Beurteilen der Abschirmlage, der Unterrichtung und Beratung der Kontingentführung in allen Abschirmungsfragen sowie der Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen. Letztere ist deswegen besonders relevant, weil die Bundeswehr regelmäßig sogenannte Ortskräfte in Anspruch nimmt, sei es als Reinigungs-, Küchen- oder Wachpersonal oder als Dolmetscher.50 Für das Bundesamt für Verfassungsschutz lässt sich dem Gesetz kein eindeutiger Hinweis auf die Zulässigkeit einer Tätigkeit im Ausland entnehmen. Herkömmlich wird insoweit zwischen der Aufklärungsrichtung, die sich bei dem BfV als Inlandsnachrichtendienst immer auf das Inland beziehen muss51, und der Tätigkeit, die auch im Ausland stattfinden dürfe, unterschieden.52 Auch soweit der vielbemühte Polizeibrief das „Inland“ erwähnt, 48 § 14 Abs. 2, 6 MADG; dagegen kann der BND mangels Kompetenz zur allgemeinen Spionageabwehr nicht die Aufgaben des MAD wahrnehmen, BT-Drs. 14/8222, S. 6. Ferner darf er die öffentlichen Stellen im jeweiligen Land um Auskunft ersuchen, § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 MADG. 49 Alff, Der MAD, in: Sicherheitsdienste des Bundes, 99 (118); § 14 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 MADG. Zur Doppelanknüpfung siehe bereits S. 61 ff. 50 § 14 Abs. 3 MADG; siehe auch Alff, Der MAD in: Sicherheitsdienste des Bundes, 99 (123). 51 Roewer § 3 Rn. 13; Gröpl, S. 238; Droste, S. 163. Zu beachten ist allerdings, dass bei der Aufgabenbeschreibung lediglich § 3 Abs. 1 Nr. 2–4 BVerfSchG an das Inland („im Geltungsbereich dieses Gesetzes“, diese ist historisch bedingt und steht stellvertretend für „Bundesgebiet“ oder „Inland“, siehe Droste, S. 162 f.) anknüpft, nicht jedoch § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG. Sofern man dies früher als redaktionelles Versehen des Gesetzgebers bei der Reform von 1972 einstufen konnte, so Roewer § 3 Rn. 13, so muss dies doch spätestens seit der folgenden Reform von 1990 als überholt angesehen werden, da der Gesetzgeber dies bei dieser Gelegenheit hätte korrigieren können. 52 Zur Zulässigkeit einer Tätigkeit im Ausland, Roewer § 3 Rn. 13; Droste, S. 162. Dies entspricht der gängigen Praxis. Details finden sich in einer als Verschlusssache eingestuften Dienstvorschrift, laut Roewer § 3 Rn. 13.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

geht es nur um die Aufgabenbeschreibung des Verfassungsschutzes.53 Die Zuständigkeitsabgrenzung zum BND führt ebenso nicht zu einer Tätigkeitsbeschränkung, sondern lediglich zu einer Aufgabenabgrenzung.54 Mangels Anhaltspunkte für das Gegenteil ist die Auslandstätigkeit als Annex zur Inlandsbeobachtung zulässig.55 Alle drei deutschen Nachrichtendienste dürfen daher grundsätzlich im Ausland tätig werden. 2. Grundrechtsbindung bei Handeln im Ausland Wenn deutsche Nachrichtendienstmitarbeiter im Ausland aktiv werden, so stellt sich die Frage der Grundrechtsbindung im Rahmen dieses Handelns, also inwieweit sich im Ausland betroffene Personen auf die Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte gegen die deutsche Staatsgewalt berufen können. Die Frage des Umfanges der Grundrechtsbindung der Beamten entspricht daher vorliegend der der Grundrechtsgeltung für den Betroffenen, so dass auf weitere Differenzierungen verzichtet werden kann.56 Eindeutig ist weiterhin, dass das Grundgesetz nur inländische Staatsgewalt binden kann, ausländische Gewalt hingegen nie.57 Ob das entsprechende Verhalten der deutschen Organe aber dem Völkerrecht entspricht, das heißt, ob sie dort überhaupt tätig werden dürfen beziehungsweise ob eine entsprechende innerstaatliche Ermächtigung hierzu mit dem Völkerrecht vereinbar ist58, ist einzig eine völkerrechtliche Frage und wirkt sich auf die Grundrechtsgeltung nicht aus.59 53

Siehe zu diesem S. 94 ff. Anders Haedge, S. 185. 55 Droste, S. 162. 56 Zur unterschiedlichen Benutzung der Begrifflichkeiten, siehe Hochreiter, S. 102. 57 BVerfGE 1, 10 (11); Dreier/Dreier Art. 1 Abs. 3 Rn. 44; Bleckmann, Allg. Lehren, S. 47; Isensee, HStR V, § 115 Rn. 77. 58 So deutlich abgrenzend Merten, FS Schiedermair, 331 (333), ebenso Werner, S. 79 f. Die extraterritoriale Wirkung von Normen ist zumindest grundsätzlich als völkerrechtsgemäß anzusehen, siehe hierzu und zur Erforderlichkeit eines genuine link für staatliche Normgebung, Badura in: Merten/Papier, HGR, § 47 Rn. 8. 59 Deutlich Bleckmann, Allg. Lehren, S. 48; Isensee in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 115 Rn. 90; Badura in: Merten/Papier, HGR, § 47 Rn. 13; Elbing, S. 222; Scheller, S. 163; Lorenz, S. 161; a. A. Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 118, 143, ablehnend hier gegenüber wiederum Werner, S. 232 f., da eine derartige Interpretation an einen Rechtsmissbrauch grenze. Für die hier vertretene Ansicht, siehe auch BVerfGE 100, 313 (362). Dieses führt lediglich an, wegen der Grenzen des Völkerrechts, hätte sich bislang die Frage der räumlichen Geltung der Grundrechte selten gestellt. Es will hingegen aus dem Völkerrecht nicht unmittelbar eine Nichtgeltung herleiten, lediglich eine Abstimmung sei insoweit erforderlich, BVerfGE 100, 313 (363). 54

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Unstrittig ist, dass sich innerhalb des Staatsgebietes der Bundesrepublik Deutschland Deutsche auf alle Grundrechte, Ausländer auf alle Menschenrechte berufen können. Da auch im Ausland zwischen Deutschengrundrechten und Menschenrechten zu differenzieren ist, wird auch im Folgenden insoweit unterschieden. a) Grundrechtsgeltung gegenüber Deutschen Im Ergebnis wird eine Grundrechtsgeltung gegenüber Deutschen im Ausland in Form von Abwehrrechten zu Recht stets bejaht.60 Dies gilt unabhängig davon, ob man der Ansicht ist, dass sich die Grundrechtsgeltung aus Art. 1 Abs. 3 GG ergibt, da dieser den Anwendungsbereich des Grundgesetzes regele und die deutsche Staatsgewalt überall dort, wo sie handele, binde61 oder ob man ein Grundrechtskollissionsrecht fordert, für welches insbesondere die Personalhoheit einen Anknüpfungspunkt bilde.62 Beide Voraussetzungen sind bei einem Handeln gegenüber deutschen Staatsbürgern im Ausland gegeben, da jedenfalls auch eine Anknüpfung über die Personalhoheit gegenüber Deutschen im Ausland besteht, so dass die Nachrichtendienstmitarbeiter stets an die Grundrechte gebunden sind.63 Eine Beschränkung der Grundrechtsgeltung ausschließlich auf das Bundesgebiet kann nicht überzeugen.64 Diese Auslegung ist ersichtlich zu 60

Vgl. Rüfner, HStR, § 117 Rn. 35; Dreier/Dreier, Art. 1 Abs. 3 Rn. 44; Jarass/ Pieroth/Jarass, Art. 1 Rn. 44; Stern, III/1, § 72 V 5, S. 1232; Maunz/Dürig/Herdegen Art. 1 Abs. 3 Rn. 71; M. Schröder, FS Schlochauer, 137 (138 ff.); Hofmann, S. 68 f.; Badura in: Merten/Papier, HGR, § 47 Rn. 14. 61 M. Schröder, FS Schlochauer, 137 (138); Bleckmann, Allg. Lehren, S. 48, Schädel, S. 177; Badura in: Merten/Papier, HGR II, § 47 Rn. 2; Heintzen in: Merten/Papier, HGR II, § 50 Rn. 31. Für eine Herleitung unmittelbar aus dem betroffenen Grundrecht: Stern, III/1, § 72 V 4, S. 1228; M. Schröder, FS Schlochauer, 137 (144). 62 Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 96 ff.; Merten, FS Schiedermair, 331 (341 ff.); Isensee in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 115 Rn. 78. 63 Es sei darauf hingewiesen, dass sich die nachfolgende Analyse auf die hier betrachtete nachrichtendienstliche Problematik beschränkt und es sich bei den deutschen Nachrichtendienste um zivile Nachrichtendienste handelt. Zu den Besonderheiten militärischer Tätigkeit sei auf die betreffenden Spezialwerke verwiesen, umfassend Werner, passim; siehe auch Lorenz, passim. 64 So aber Olshausen, DVBl. 1974, 652 (657), der zwar ausführt, dass in „erster Linie“ hierfür der Wohnsitz in Betracht käme, jedoch weitere Kriterien für eine „räumliche Selbstbeschränkung“ nicht nennt. Für eine Begrenzung auf das Bundesgebiet auch OVG Münster, DVBl. 1983, 37 f. mit abl. Anm. Kunig, S. 38 f.; ebenso OVG Lüneburg, InfAuslR 1985, 199 (200) mit abl. Anm. Kunig S. 200 ff., wobei das Gericht davon ausgeht, dass die Auswirkungen der nationalen Entscheidungen auf Handlungen der ausländischen Hoheitsträger nicht zu berücksichtigen seien;

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eng.65 Weder im Wortlaut noch im Telos des Art. 1 Abs. 3 GG findet sich hierfür ein Anknüpfungspunkt.66 Auch die Genese des Grundgesetzes liefert insoweit keine Anhaltspunkte.67 Wären die Grundrechte in ihrer Geltung auf das Inland beschränkt, bedürfte es für das Handeln deutscher Organe im Ausland keiner Rechtsgrundlage.68 Dann wäre beispielsweise das BNDG großteils obsolet. Auch wird bemängelt, dass die Auffassungen, die dem Territorialitätsprinzip folgen, an Art. 23 GG a. F. anknüpfen, der schon damals nicht den Regelungsgehalt gehabt habe, die Grundrechte zu begrenzen, sondern nur das derzeitige Staatsgebiet habe umreißen wollen.69 Gegen ein solches Grundrechtsverständnis spricht weiter der Telos der Menschenrechte, nämlich jenen als Ausfluss der Menschenwürde jedem Menschen unveräußerlichen und vorausgesetzten Rechten, nicht gerecht.70 Da ein großer Teil der deutschen Grundrechte ebenfalls Menschenrechte sind, ist deren Beschränkung nicht nachvollziehbar.71 Die Grundrechtsgeltung ist daher nicht auf das Bundesgebiet beschränkt. wegen fehlender Berücksichtigung des ausländischen Verhaltens aufgehoben, BVerwGE 78, 285 ff. Für eine Grundrechtsgeltung nur im Bundesgebiet, siehe aber auch v. Mangoldt/Klein/Starck Art. 1 Abs. 3 Rn. 188. 65 Isensee, HStR V, § 115 Rn. 83. 66 Ähnlich M. Schröder, FS Schlochauer, 137 (138), der allgemein auf die fehlende Grundlage einer solchen Beschränkung in Art. 1 Abs. 3 GG hinweist, ebenso Scheller, S. 136; Kunig, DVBl. 1983, 38 (39). 67 Dabei wird vertreten, dass die Punkte schlicht übersehen worden seien, so Bungert, Kapitalgesellschaften, S. 220 oder aber für das Nachkriegsdeutschland uninteressant gewesen seien, Lorenz, S. 158. 68 Dass dies nicht der Fall sein kann, sollen nach Hochreiter, S. 112 Fn. 85 auch die Gesetzgebungskompetenzen für den Auswärtigen Dienst, die Hochseefischerei und die Hochseeschifffahrt bezeugen. 69 Werner, S. 77; Hofmann, S. 13; Hochreiter, S. 112; Lorenz, S. 158; Elbing, S. 78; Gröpl, ZRP 1995, 13 (16). 70 Lorenz, S. 75. 71 Auch die Rechtsprechung lässt sich nicht zur Begründung dieser Auffassung anführen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Todesstrafenbeschluss (BVerfGE 18, 112 (120 f.)) damals entschieden, dass Art. 102 GG auf die zu entscheidende Konstellation der Auslieferung nicht anwendbar sei. Jedoch sind hierbei, abgesehen davon, dass es sich insoweit nicht um ein Grundrecht handelt, die zeitlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, so auch Ruthig in: Wolter, Einwirkungen, 230; Lorenz, S. 130. Damals bestand zwischen Deutschland und Frankreich ein Auslieferungsvertrag, der auch bei drohender Todesstrafe zur Auslieferung verpflichtete, so dass eine Ablehnung der Auslieferung einem Vertragsbruch gegenüber einer der Siegermächte des zweiten Weltkriegs bedingt hätte, was 1964 verhindert werden sollte, zumal das Bundesverfassungsgericht bereits ein Jahr zuvor, 1963, die grundsätzliche Anwendbarkeit von Art. 1 GG im Auslieferungsverfahren bestätigt hatte. Letztlich bezieht die Rechtsprechung nicht eindeutig Stellung. Bei Betrachtung der Rechtsprechung ist jedoch zu beachten, dass viele der entschiedenen Fälle die vorliegende Fallgestaltung nicht betreffen, sondern im Bereich des Internationa-

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Auch führt das bewusste Verlassen der Bundesrepublik, zum Beispiel zum Entkommen vor der Strafverfolgung, allein nicht zu einer Grundrechtsbegebung.72 Eine allgemeine Aberkennung der Grundrechte ist ohnehin nicht möglich.73 In Betracht kommen könnte durch das Verlassen des Bundesgebiets allenfalls ein Grundrechtsverzicht im Einzelfall.74 Diese schon grundsätzlich nicht unstrittige Figur75 setzt jedenfalls neben der Verfügungsbefugnis über das betroffene Recht den Willen des Betroffenen voraus.76 Davon kann nicht ausgegangen werden, nur weil jemand das Land verlässt, gleichgültig, aus welchen Gründen dies erfolgt. Es bleibt daher bei dem gefundenen Ergebnis der Grundrechtsgeltung gegenüber der im Ausland handelnden deutschen Staatsorgane. b) Grundrechtsgeltung gegenüber Ausländern Im Gegensatz zur Grundrechtsgeltung im Ausland gegenüber Deutschen finden sich bei der Frage der Geltung der Menschenrechte für Ausländer im Ausland auch im Ergebnis verschiedene Ansichten. Dies ergibt sich daraus, dass häufig Art. 1 Abs. 3 GG als Begründung für die Anwendbarkeit der Grundrechte im Ausland nicht als hinreichend angesehen wird. Dieser normiere zwar den Umfang der Grundrechtsbindung, nicht aber ihr räumliches Ausmaß, so dass dieser nicht tatbestandserweiternd sei, sondern lediglich akzessorisch.77 Es sei daher ein Zirkelschluss, hieraus eine Grundrechtsbindung herleiten zu wollen.78 Das Grundgesetz habe diese Thematik weder len Privatrechts oder bei der Frage der Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen ergangen sind, und eine Übertragung auf Fragen der Grundrechtsanwendung nur bedingt möglich erscheint, ebenso Werner, S. 79 „nicht übertragbar“. Ruthig in: Wolter/Riedel, 271 (278), ihm folgend Werner, S. 80, sprechen insoweit von einem unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Kontext, siehe nur BVerfGE 6, 290; 57, 9 (23) (IPR); 31, 58 (72 f.) (Spanier); 92, 26 (42) (Zweitregister). 72 Zur Diskussion siehe Elbing, S. 282 ff. Siehe dort auch zu weiteren, für die vorliegende Konstellation abzulehnenden Beschränkungen, Elbing, S. 212 ff. 73 Ebenso Scheller, S. 174. 74 Zudem ist ein Verzicht allenfalls im Einzelfall möglich, also etwa in Bezug auf eine konkrete Strafverfolgungsmaßnahme, nicht jedoch ein Totalverzicht, v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 1 Abs. 3 Rn. 261; Schwabe, Grundrechtsdogmatik 1977, S. 93; Spieß, Grundrechtsverzicht, S. 45, der argumentiert, dass, selbst wenn der Einzelne dies wolle, der Staat dies nicht akzeptieren könnte, da sich der Einzelne so seiner Individualität begebe. 75 So ist bereits umstritten, ob ein Verzicht überhaupt möglich ist, siehe Stern, Staatsrecht III/2, § 86 Abs. 1, S. 894 ff. 76 Stern, Staatsrecht III/2, § 86 Abs. 2, S. 914. 77 Merten, FS Schiedermair, 331 (340), ebenso Quaritsch, HStR, § 120 Rn. 75. 78 Elbing, S. 73; ihm folgend Hochreiter, S. 111; dagegen wiederum Lorenz, S. 160, der klarstellt, dass es sich keinesfalls um einen Zirkelschluss handele, da

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direkt noch abschließend geregelt.79 Art. 1 Abs. 3 GG könne nur gelten, wenn das Grundgesetz überhaupt für dieses Handeln einschlägig sei. Dies erfordert nach dem kollissionsrechtlichen Ansatz aber einen Anknüpfungspunkt an das Grundgesetz in Form eines allgemeinen Rechtsprinzips. Solchen Prinzipien sind vor allem das Personalitäts-, das Territorialitäts- und das Wirkungsprinzip. Da jedoch auch ein solcher Anknüpfungspunkt in der vorliegenden Konstellation des Tätigwerdens deutscher Staatsorgane im Ausland stets gegeben ist, wie sogleich nachgewiesen wird, erübrigt sich ein näheres Eingehen darauf, ob ein solcher notwendig ist oder ob die Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar folgt. aa) Personalitätshoheit als ungenügender Anknüpfungspunkt Bei einem Ausländer im Ausland kann das Personalitätskriterium keinen Anknüpfungspunkt für die Grundrechtsgeltung bieten. Ein Abstellen auf dieses Kriterium kann schon vom Ergebnis her nicht überzeugen, weil dies dazu führte, dass die Menschenrechte gegenüber Ausländern im Ausland nicht gelten würden.80 Dies gelingt aber auch von der Begründung her nicht. Zunächst wird angeführt, ein Grundrechtsschutz vor der deutschen Staatsgewalt müsse ausscheiden, da der Betroffene stets der Personalhoheit eines anderen Staates unterstehe. Daher könne der Grundrechtsschutz dem Betroffenen erst im Geltungsbereich des Grundgesetzes zuwachsen.81 Dieses Argument kann aber nicht überzeugen, da es vorliegend um die Grundrechtsgeltung in Form eines Abwehrrechtes geht und somit allein das Unterlassen einer Maßnahme fordert. Aus dem gleichen Grund müssen auch alle Argumente scheitern, die eine Anwendbarkeit deswegen ablehnen, weil eine „Grundrechtsmissionierung“ anderer Staaten zu unterlassen sei. Vorliegend hier im Gegensatz zum IPR eine einseitige Kollision vorliege, da nicht verschiedene Verfassungen um die Anwendbarkeit konkurrierten, sondern vielmehr nur diejenige der deutschen problematisch sei und die Frage ihrer Anwendbarkeit sich folglich auch aus ihr selbst heraus zu beantworten habe. 79 Isensee in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 115 Rn. 81; Quaritsch, HStR, § 120 Rn. 76; Badura in: Merten/Papier, HGR, § 47 Rn. 14; Olshausen, DVBl. 1974, 652 (657); BVerfGE 100, 313 (362). 80 Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum G10-Gesetz vertraten alte wie neue Bundesregierung die Auffassung, dass Art. 10 GG nicht auf rein ausländische Sachverhalte Anwendung finden solle, ebenso wenig wie für im Ausland lebende Ausländer, BT-Drs. 12/5759, S. 5; BT-Drs. 13/1592, S. 2; BVerfGE 100, 313 (338 f.). Aber auch dort wird neben dem Personalitätsprinzip ein Gebietsbezug als Kriterium anerkannt, BVerfGE a. a. O. 81 Stern, III/1, § 72 V 5, S. 1232 f.

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geht es einzig um die Frage der Grundrechtsbindung deutscher Staatsgewalt, welche die Rechte des ausländischen Staates unberührt lässt. Der sog. 3. Abhörentscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann das Erfordernis der Personalhoheit über den Betroffenen auch nicht entnommen werden.82 Nach Hochreiter soll die Aussage des Gerichts, die Grundrechtsgeltung im Ausland sei offengelassen worden, so verstanden werden, dass eine solche nur bei gleichzeitigem Vorliegen der Staatsangehörigkeit greifen könnte, weil sonst der Standort der Vorrichtung stets eine Grundrechtsgeltung begründen könnte.83 Entscheidendes Merkmal für die Grundrechtsgeltung für ausländische Kommunikationsteilnehmer im Ausland könne daher nicht allein der durch die Empfangsvorrichtungen gegebene Gebietskontakt sein.84 Jedoch kann die Aussage des Bundesverfassungsgerichts durchaus so gewertet werden, wie es sie formuliert hat, nämlich, dass die Frage mangels Entscheidungsnotwendigkeit offen gelassen wurde. Die von Hochreiter zitierte Passage bezieht sich auf die Grundrechtsgeltung bei Deutschen. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers aus Uruguay war indes nicht wegen fehlendem Gebietsbezug abgelehnt worden, sondern allein, weil er nach seinem Vortrag nicht die erforderliche Wahrscheinlichkeit dargelegt hat, durch die Maßnahmen, die auf den angegriffenen Bestimmungen des G10 beruhen, in seinen Grundrechten verletzt zu sein.85 Soweit man aus diesem Wortlaut etwas ableiten kann, dann am ehesten, dass es nicht schon aufgrund der Staatsangehörigkeit sowie dem Aufenthalt im Ausland ausgeschlossen ist, dass Betroffene sich auf Grundrechte berufen können. Argumente für ein Personalitätsprinzip lassen sich hieraus nicht ziehen. Maßgeblich ist letztlich und muss es auch sein, der universelle Charakter der Menschenrechte, die gerade nicht aufgrund einer besonderen „reziproken Verpflichtung“ beruhen, sondern vielmehr „jeden Mensch kraft seines Menschseins“ schützen.86 Ein Ausländer wird, wenn er vom deutschen Nachrichtendienst überwacht wird, ebenso beeinträchtigt wie ein im Ausland lebender Deutscher.87 Die Menschenrechte sollen gerade für jedermann, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, gelten. Gründe für eine Differenzierung im Hinblick auf das Ausland sind nicht ersichtlich. Das Personalitätsprinzip kann damit als Anknüpfungspunkt für die Grundrechtsgeltung nicht überzeugen. 82 83 84 85 86 87

So aber Hochreiter, S. 127 f. Hochreiter, S. 127. Hochreiter, S. 127 f. BVerfGE 100, 313 (357) (Hervorhebung durch Verf.). Lorenz, S. 103 mit zahlreichen Nachweisen für die h. M. in Literatur und Rspr. So Müller-Terpitz, Jura 2000, 296 (302).

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bb) Gebietsbezug als maßgebliches Kriterium? Dass die Gebietshoheit im Sinne eines Aufenthaltes im Bundesgebiet kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Grundrechtsgeltung in ihrer Gestalt als Abwehrrecht ist, wurde bereits bei der Diskussion des Territorialitätsprinzips als Beschränkung der allgemeinen Grundrechtsgeltung festgestellt. Die Gebietshoheit kann nur dahingehend als Anknüpfungspunkt für jene relevant werden, dass sie einen Bezug zum Gebiet der Bundesrepublik meint, somit einen Inlandsbezug, der schon durch einen irgendwie gearteten Kontakt zur deutschen Staatsgewalt im Ausland hergestellt werden kann.88 Ein Inlandsbezug lässt sich unproblematisch dann bejahen, wenn ausländische Staatsangehörige durch Nachrichtendienstmitarbeiter vernommen oder beobachtet werden. Dies bestätigen auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach Grundrechte im In- und Ausland greifen89 und überall dort gelten, wo deutsche Staatsgewalt ausgeübt wird und sie ihre Wirkungen zeigt90. Hingegen hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der 3. Abhörentscheidung den genauen Geltungsbereich ausdrücklich offen gelassen.91 Daher ist der praktisch besonders relevante und zugleich besonders umstrittene Bereich der Telekommunikationsüberwachung von Ausländern im Ausland höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden. Problematisch ist an dieser Konstellation im Vergleich zu der oben geschilderten, dass es an einem „persönlichen“ Kontakt fehlt, es handelt sich insofern um eine notwendige, 88 Isensee, HStR V, § 115 Rn. 90; Quaritsch, HStR, § 120 Rn. 80 f.; Oppermann, FS Grewe, 521 (523, 527); Badura in: Merten/Papier HGR § 47 Rn. 4, 29; Heintzen in: Merten/Papier, HGR, § 50 Rn. 31; ebenso Werner, S. 232; Scheller, S. 164. Für eine Anwendbarkeit der Grundrechte im Ausland wohl aber auch VG Köln hinsichtlich eines Antrages auf einstweilige Anordnung zur Untersagung der Beteiligung Deutschlands an Luftangriffen auf Beograd und Zemun. Dieses stellte fest, es „dürften die Antragsteller als Staatsangehörige eines fremden Staates mit Wohnsitz im Ausland mit Rücksicht auf die Menschenrechtsqualität von Art. 2 Abs. 2 GG und der Individualrechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich antragsbefugt sein“. Im Ergebnis wurde der Anordnungsanspruch aber aus anderen Gründen ablehnt, VG Köln, Beschluss vom 07. Mai 1999, Az. 19 L 1104/99; Fundstelle: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j1999/19_L_1104_99be schluss19990507.html, zuletzt abgerufen am 26. April 2011; diese Wertung wird wohl von der Berufungsinstanz OVG Münster, Beschluss vom 29. November 1999, Az. 21 B 1022/99 geteilt. Zu einer Sachentscheidung kommt es dort wegen Verfahrenseinstellung nach Erledigungserklärungen jedoch nicht. 89 BVerfGE 6, 32 (44). 90 BVerfGE 6, 290 (295); Stern, III/1, § 72 V 5, S. 1230. 91 BVerfGE 100, 313 (364).

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ausschließlich technisch-vermittelte Beziehung92, weswegen teilweise ein hinreichender Kontakt zur deutschen Staatsgewalt bezweifelt wird.93 Teilweise befinden sich die Beamten nicht einmal auf ausländischem Territorium. Dies liegt daran, dass sowohl eine leitungsgebundene als auch eine nicht-leitungsgebundene Überwachung des Kommunikationsverkehrs technisch möglich ist. Die Überwachung der leitungsgebundenen Kommunikation erfordert regelmäßig ein Eindringen in das Staatsgebiet, verbunden mit einer entsprechenden Leitungsmanipulation, und berührt somit auch die Gebietshoheit des betreffenden Staates. Technisch ist es hingegen möglich, vom Inland aus auf Satelliten ausgerichtet Mobiltelefone zu überwachen, selbst wenn sie nicht auf dem inländischen Territorium eingesetzt werden.94 Das Staatsgebiet eines Staates umfasst neben dem Boden auch den Raum 92 Nach dem Statusprinzip ist zur Grundrechtsgeltung ein status passivus notwendig, der sich aus der Unterworfenheit gegenüber der deutschen Staatsgewalt ableitet, Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 115 Rn. 84. Diese Unterworfenheit durch den Ausländer im Ausland lässt sich zwar nicht rechtlich, im Falle einer erfolgten Überwachung aber faktisch begründen. Da nun das tatsächliche Einwirken durch physische Anwesenheit der deutschen Amtsträger im Ausland den status passivus begründet, wäre auch insoweit entscheidend, ob allein die technisch-vermittelte Einwirkung ausreichend ist. Folglich stellt sich für beide Anknüpfungen die gleiche Rechtsfrage, so im Ergebnis auch Badura, FS Leisner, 403 (410). 93 Hochreiter, S. 126 ff.; aber für Grundrechtsgeltung deswegen Gröpl, ZRP 1995, 13 (17 f.). 94 Lagodny, FS Spinellis, 639 (645). Satellitentelefone ermöglichen dem Benutzer, an jedem Punkt der Erde von jedem Teilnehmer eines öffentlichen Fernsprechnetzes in direkter Selbstwahl angerufen zu werden, sowie jeden beliebigen Teilnehmer in direkter Selbstwahl anzurufen. Die Vermittlung der Gespräche erfolgt (noch) über Bodenstationen. Entsprechendes gilt bezüglich der Überwachung von weiterentwickelten Satellitenkommunikationssystemen, bei denen die Kommunikation von Satellit zu Satellit stattfindet und nicht mehr über Bodenstationen vermittelt wird. Insoweit sind Regelungen zwischen den Staaten erforderlich. Da Gespräche im Inland auch unter gezielter Anwahl ausländischer Bodenstationen geführt werden können, ist eine Umgehung von Überwachungsmaßnahmen in Deutschland leicht möglich, Droste, S. 346 f., Fn. 1145; ebenso Gless in: Schomburg/Lagodny, Titel III, EU-RhÜbk, S. 995 f. Rn. 23. Daher gehörte laut Gless, a. a. O., S. 995 Rn. 17. Titel IIII des EU-RhÜbk vom Mai 2000 auch zu den problematischsten. Dies lag daran, dass einige Staaten zur eigenen nationalen Sicherheit nicht von einer Genehmigung abhängig sein wollten, andere hingegen eine solche ausdrücklich forderten, Lagodny, FS Spinellis, 639 (646). Titel III des EU-RhÜbk (Art. 17 ff.) bezieht sich alleine auf die Rechtshilfe in Strafsachen, d.h. bezogen auf Maßnahmen, die gezielt für ein späteres Strafverfahren erhoben wurde. Dies ist nicht primäres Ziel der nachrichtendienstlichen Ermittlungen, da es nicht ihre Aufgabe ist. Ausdrücklich für die Nichtanwendung der Regelungen für die Polizei, Perron, ZStW 112 (2000), 202 (208); zu den Schwierigkeiten der Abfassung der Regelung wegen der unklaren Abgrenzung von strafprozessualen Maßnahmen zu geheimdienstlichen oder polizeilichen Maßnahmen, Lagodny, FS Spinellis, 639 (645); Gless in: Schomburg/Lagodny, Titel III, EU-RhÜbk, S. 995 f. Rn. 18.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

über und unter seinem Staatsgebiet, nicht jedoch den Äther, da dieser als unbeherrschbar gilt.95 Da bei der nicht-leitungsgebundenen Überwachung die Daten aus diesem abgeschöpft werden, ist eine Überwachung ohne Verletzung der Territorialität möglich.96 Soweit Daten aus dem Äther „abgezapft“ werden, besteht kein direkter Kontakt mit dem ausländischen Staatsgebiet. Es werden aber Daten aus Kommunikationsvorgängen, wie beispielsweise Telefongesprächen, gewonnen, die, soweit sie im Inland stattgefunden hätten, unabhängig von der technischen Vorgehensweise in den Schutzbereich des Art. 10 GG fallen würden. Diese nicht-leitungsgebundenen Überwachungen werden auch als „Ermittlungsmaßnahmen unter „offenem“ Himmel“ bezeichnet.97 Laut den Angaben des BND liegt hier mit 14.000 der insgesamt täglich anfallenden 15.000 Telekommunikationsverkehren der Schwerpunkt seiner Aufklärungsarbeit.98 Nur 1000 der gesamten aufgefangenen Gespräche erfüllen die so verstandenen, engen Voraussetzungen des Art. 10 GG und erfordern die Voraussetzungen des G10. Die Masse der Gespräche fällt daher unter die vorliegend diskutierte Fallgruppe der Auslandsgespräche von Ausländern. Auch in diesen Fällen ist jedoch ein Gebietsbezug gegeben. Dieser wird regelmäßig durch eine Bodenstation auf dem deutschen Boden hergestellt.99 Jedoch ist dies nicht das entscheidende Merkmal. Dies liegt nicht daran, dass es sich bei der Empfangsstation lediglich um notwendige technische Installation handele und das Abstellen auf ein nur „formelles Kriterium“ schon deswegen abgelehnt werden müsse, da sonst jede Abhörmaßnahme einen Grundrechtseingriff darstelle und das Grundgesetz einen materiellen Inlandsbezug erfordere, der allein über den Ort des Gesprächs und die Teilnehmer festgelegt werden könne.100 Vielmehr bedarf es für einen Grundrechtseingriff nicht einmal einer deutschen Bodenstation. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn die Bodenstation sich im Ausland befindet oder es einer solchen technisch gesehen nicht (mehr) bedarf. Entscheidend ist nämlich das zielgerichtete Staatshandeln. Der notwendige Bezug zwischen dem Betroffenen und der deutschen Staatsgewalt wird allein durch das auf ihn gerichtete Staatshandeln hergestellt. Dass dieses aufgrund der technischen Möglichkeiten keinen direkten physischen Kontakt erfordert, ändert hieran nichts. Im Gegenteil: Ge95

Hochreiter, S. 93; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. § 1051. BVerfGE 100, 313 (362); Hochreiter, S. 93; Badura, FS Leisner, 403 (405). 97 Huber, NVwZ 2000, 393 (395). 98 BVerfGE 100, 313 (380). 99 Möstl, DVBl. 1999, 1397. 100 Hochreiter, S. 127. 96

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rade ein Eingriff, der nicht einmal einen Grenzübertritt der Beamten erfordert, also vollkommen unbemerkt für den Betroffenen stattfindet, weist eine bedeutende Grundrechtsrelevanz auf. Man könnte allenfalls sagen, die Intensität sei gegenüber der physischen Anwesenheit der Beamten auf fremdem Boden gemindert. Wäre Vorbedingung für die Überwachung des Telefonverkehrs das Anbringen einer Wanze am Fernsprechapparat, so würde wohl auch in dieser Fallkonstellation angenommen werde, dass ein grundrechtsrelevanter Eingriff vorliegt. Dies allein wegen der technischen Möglichkeiten auszuschließen, erscheint inkonsequent. Die „nur“ technisch-informationelle Beziehung kann erhebliche Informationen aus der Privatsphäre des Betroffenen liefern. Genauso wenig wie es innerstaatlich einen Unterschied macht, ob die Privatsphäre der Wohnung von außen oder von innen beeinträchtigt ist, so macht es einen Unterschied, von wo und auf welche Art, in den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation eingegriffen wird. Schutzzweck von Art. 10 GG ist der Schutz der Kommunikation auf Distanz, weil diese gerade deswegen besonders anfällig für Eingriffe ist.101 Ob die gezielte Erfassung und Auswertung im Inland stattfindet, ist insofern nicht von Belang, da bereits die Erhebung einen Grundrechtseingriff darstellt.102 Relevant kann dies allenfalls für zufällig erlangte Daten werden. Festzuhalten bleibt, dass die als Menschenrechte ausgestalteten Grundrechte auch im Ausland für Ausländer Geltung entfalten. cc) Auswirkungen auf G10? Von der Reichweite des Schutzbereiches des Art. 10 GG hängt der notwendige Umfang der gesetzlichen Eingriffsermächtigung für den BND ab.103 Mangels Grundrechtsrelevanz soll es keiner spezifischen Rechts101 So auch BVerfGE 85, 386 (396). Unerheblich ist die Finalität des Eingriffes, auch der faktisch Betroffene ist geschützt, insoweit gilt gleiches wie innerstaatlich, Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 148 ff.; Lorenz, S. 171. Ebenfalls über die ratio der Art. 10 GG als weltweites Abwehrrecht sucht Arndt, NJW 1995, 169 (171) eine Anwendbarkeit von Art. 10 GG zu begründen. Allerdings gibt er selbst mit der Entscheidung über die ratio der Norm bereits das Ergebnis vor, so dass auch dies letztlich nicht überzeugen kann, wohl aber als Indiz für einen weiten Anwendungsbereich des Art. 10 GG angeführt werden kann. Zusätzlich führt Arndt, DÖV 1986, 169 ff. an, dass beispielsweise die USA einen mit Art. 10 GG vergleichbaren Schutz nur US-Bürgern gewähren. 102 Im Ergebnis ebenso Gröpl, ZRP 1995, 13 (17 f.); Badura in: Merten/Papier, HGR, § 47 Rn. 17, 33; Huber, NVwZ 2000, 393 (395); Möstl, DVBl. 1999, 1391 (1396); Müller-Terpitz, Jura 2000, 296 (302). 103 Gröpl, ZRP 1995, 13 (15).

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grundlage bedürfen, so dass die Auslandsüberwachungen auf das BNDG gestützt werden können.104 Das G10 geht davon aus, dass Art. 10 GG für Ausländer im Ausland nicht greift, so dass nach § 5 Abs. 2 S. 3 G10 im Rahmen der strategischen Überwachung auch Einzelanschlüsse ermittelt werden dürfen, was gegenüber deutschen Staatsangehörigen beziehungsweise Unternehmen mit deutscher Mehrheitsbeteiligung verboten ist. Ob die geltende Regelung des G10 wegen der Besonderheiten des Sachbereiches demnach hingenommen werden muss105, erscheint fraglich. Da § 5 Abs. 2 S. 3 G10 nach Inländern und Ausländern differenziert, was in Art. 10 GG nicht angelegt und vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass der Gesetzgeber von einer Nichtgeltung von Art. 10 GG für diese Sachverhalte ausging, ist die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift höchst wahrscheinlich.106 Auf eine abschließende Betrachtung der Verfassungsmäßigkeit der Norm wird hier verzichtet, weil sich das Ergebnis ohnehin nicht auf die Beweisverwertung auswirken würde.107 c) Ergebnis Die deutschen Grundrechte gelten damit, wenn die deutschen Nachrichtendienste im Ausland handeln. Auch Ausländer im Ausland können sich auf die abwehrrechtliche Dimension der deutschen Grundrechte berufen, soweit es sich dabei um Menschenrechte handelt. Die Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste richten sich somit auch im Ausland nach dem innerstaatlichen Recht. 3. Auswirkungen auf die Beweisverwertung Wie die obige Darlegung gezeigt hat, ergeben sich hinsichtlich der Grundrechtsbindung keine Unterschiede zur Beweiserhebung im Inland. Da der Gesetzesvorbehalt auch für die Datenerhebungen im Ausland greift, sind unselbstständige Verwertungsverbote möglich. Für die selbstständigen Verwertungsverbote greift als Maßstab weiterhin das Grundgesetz.

104 Es gelten insoweit keinerlei datenschutzrechtliche Bestimmungen, da weder G10 Anwendung findet, noch das allgemeine Datenschutzrecht, da dieses ausdrücklich ausgeschlossen ist, Huber, NJW 2001, 3296 (3302). 105 Badura in: Merten/Papier, HGR, § 47 Rn. 16. 106 So auch Riegel, G10, § 3 Rn. 28. 107 Siehe bereits S. 193 f.

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a) Verstoß gegen inländisches Recht aa) Befugnisse wie im Inland Eine Erweiterung der Befugnisse gegenüber dem deutschen einfachen Recht ist deswegen nicht gegeben, da die Grundrechte im Ausland Geltung entfalten. Die deutschen Nachrichtendienstmitarbeiter im Ausland sind gezwungen, sich an das deutsche Recht zu halten. Daher kann bezüglich formeller oder materieller Fehler auf die Darstellung im zweiten Teil verwiesen werden. bb) Besondere Auslandskompetenzen In Betracht kommt letztlich zusätzlich ein Zuständigkeitsverstoß des MAD, falls dieser außerhalb seiner Liegenschaften tätig wird. Allerdings gilt auch insoweit, dass aus Zuständigkeitsverstößen regelmäßig kein Beweisverwertungsverbot folgen kann.108 cc) Relevanz des Vorverhaltens ausländischer Organe? Es kann bei Auslandstätigkeiten vorkommen, dass deutsche Beamten im Ausland eine Person vernehmen wollen, die vorher von den dortigen Behörden gefoltert oder misshandelt wurde. Die Praxisrelevanz dieser Fallgruppe hat sich erst kürzlich im Fall des Deutsch-Syrers Mohammed Haydar Zammar (in offiziellen Berichten M.H.Z. abgekürzt)109 gezeigt. Dieser wurde vom BND in einem Geheimdienstgefängnis in Damaskus verhört. Der Zuständige des dortigen militärischen Geheimdienstes teilte mit, dass der Gefangene „[d]rei Tage lang auf die Befragung im Interesse einer konstruktiven Haltung vorbereitet worden wäre.“110 Bei der rechtlichen Wertung ist zu beachten, dass die vernehmende Person zwar selbst keine verbotenen Maßnahmen anwendet, der Befragte aber so vorbelastet ist, dass er mit weiteren Foltermaßnahmen rechnet und daher nicht frei antwortet. 108

Siehe hierzu S. 194. Siehe zum Beispiel BT-Drs. 16/800, S. 14 f.; zum ganzen Namen siehe Marx, KJ 2006, 151 (176). 110 BT-Drs. 16/800, S. 24 (Abweichende Bewertung des Abgeordneten Ströbele, nach welchem es nach diesem „offenkundig“ sei, dass in syrischen Gefängnissen gefoltert werde, a. a. O.). 109

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Bei der Diskussion um die rechtlichen Folgen des Ausnutzens eines Verhaltens Dritter111 wird in der Literatur sowohl auf das Verhalten von Privatpersonen112 als auch ausdrücklich auf ausländische Behörden113 Bezug genommen. Deren Vorverhalten dürfe nicht ausgenutzt werden und etwaige Beeinträchtigungen müssten möglichst beseitigt werden.114 Entscheidend ist stets, ob im konkreten Befragungszeitpunkt die Entschließungsfreiheit des Betroffenen gewahrt ist. Daher unterscheidet sich die Situation des Ausnutzens fremden Vorverhaltens insoweit nicht von der Konstellation des Fortwirkens von eigenem Fehlverhalten. Wieso die Verwertbarkeit bei fremdem Vorverhalten nun enger zu beurteilen ist, als bei der Frage der Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden inländischer Strafverfolgungsorgane, ist aber nicht zu erklären. Dennoch wird teilweise vertreten, dass, während ein Ausnutzen des Vorverhaltens Dritter prinzipiell verboten sei, von einer Fortwirkung eines Verstoßes der Ermittlungsbehörden regelmäßig nicht ausgegangen werden könne.115 Dieser Widerspruch lässt sich nur dann auflösen, wenn man unter Ausnutzen nicht jegliches Anknüpfen an die geschaffene Situation versteht, sondern vielmehr als das Hinzutreten von besonderen Umständen, welche erst dann gegeben sind, wenn die ursprünglichen Methoden fortwirken. Ein verbotenes Ausnutzen liegt damit nur dann vor, wenn sich der Betroffene im konkreten Befragungszeitpunkt seiner Entscheidungsfreiheit nicht bewusst war. Denn die Entschließungsfreiheit des Betroffenen wird im Rahmen von nachrichtendienstlichen Befragungen umfassend geschützt. Gesetzlich ist dies durch die Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 4 BVerfSchG geregelt. Die 111 Von der Fallgruppe des Ausnutzens des Vorverhaltens Dritter ist die Frage der Fortwirkung eines Rechtsverstoßes durch die Strafverfolgungsbehörden zu unterscheiden. Dabei soll eine Fortwirkung nur in Ausnahmefällen angenommen werden und spätere Aussagen daher grundsätzlich verwertbar sein, BGHSt 17, 364 (367 ff.); 22, 129 (133 f.); 27, 355 (358 f.); 35, 328 (332); 37, 48 (54); KK/Diemer § 136 a Rn. 40; LR/Gleß § 136 a Rn. 74; HK/Lemke § 136 a Rn. 50. 112 KK/Diemer, § 136 a Rn. 4. 113 So zum Beispiel HK/Lemke, § 136 a Rn. 8. 114 Siehe Meyer-Goßner § 136 a Rn. 3; HK/Lemke § 136 a Rn. 8; LR/Gleß § 136 a Rn. 13; Eisenberg Rn. 401; SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 16; Pfeiffer § 136 a StPO Rn. 2. 115 Siehe KK/Diemer § 136 a Rn. 4, 40; den Zusammenhang von Ausnutzen der Handlung Dritter und Fortwirkung hingegen erkennend, SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 16; LR/Hanack, StPO; 25. Aufl., § 136 a Rn. 11. Interessanterweise finden sich auch in beiden Fällen einschränkende Ausführungen zum Verwertungsverbot bei Ausnutzen des Vorverhaltens eines Dritten. Zu Recht unterscheidet dagegen Erb, FS Otto, 863 (865 ff.) zwischen der Ausnutzung eines vorhandenen Zustandes und seiner Herbeiführung beziehungsweise dem garantenpflichtwidrigen Aufrechterhalten.

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Belehrung über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung kann der Betroffene aber dann nicht aufnehmen, wenn er entweder aufgrund der ihm vorher zuteil gewordenen Behandlung ohnehin vernehmungsunfähig ist oder aber, wenn er aufgrund vorhergehenden Verhaltensweisen nicht in der Lage ist, der Belehrung Glauben zu schenken. Denn die Aussagefreiheit wird gleichermaßen beeinträchtigt, wenn der Betroffene nicht belehrt wird und wenn er zwar belehrt wird, jedoch nicht in der Lage ist, der Belehrung geistig zu folgen.116 Ob in Fällen, in denen die Vernehmungsunfähigkeit nicht bereits offensichtlich ist, eine qualifizierte Belehrung helfen kann, erscheint zweifelhaft.117 Ist für den Nachrichtendienstmitarbeiter erkennbar, dass die vorherige Behandlung fortwirkt, etwa weil deutlich wird, dass der Betroffene aus Angst vor weiteren Misshandlungen oder sonstigen, angedrohten Maßnahmen kooperiert, so muss eine Vernehmung unterbleiben. Dafür ist es nicht notwendig, dass das Vorverhalten des Dritter dem handelnden Staatsorgan zuzurechnen ist118, da dieser selbst gegen die ihm obliegenden Pflichten, nämlich die Belehrungspflichten, verstößt. Findet die Vernehmung entgegen diesen Vorgaben statt, greift ein Verwertungsverbot. Dass auch Irrtümer über das Bestehen oder die Reichweite der Aussagefreiheit stets von dem befragenden Organ zu beseitigen sind, ergibt sich ebenfalls schon aus der ratio der Belehrungspflicht selbst.119 Für die Fähigkeit zum Verständnis der Belehrung gelten die Grundsätze über die Verhandlungsfähigkeit, diese fehlt bei schweren körperlichen oder 116 Dencker, JuS 1980, 210 (211), der schon anzweifelt, ob in jedem Zustand die Erteilung einer „Belehrung“ schon begrifflich möglich ist, da der Wortsinn voraussetze, dass auf einen Erkenntniszuwachs hingewirkt werden müsse. 117 Seit dem M.H.Z.-Vorfall existiert speziell für Befragungen der drei Nachrichtendienste ein „Verfahren für künftige Befragungen von im Ausland – durch dortige Sicherheitskräfte – inhaftierten Personen durch Mitarbeiter deutscher Nachrichtendienste, siehe hierzu den Bericht der Bundesregierung (Offene Fassung) gemäß Anforderungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 25. Januar 2006 zu Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg und der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus, S. 82 f., abrufbar unter http://www.spiegel.de/media/0,4906, 12547,00.pdf, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. Eine Befragung ist umgehend abzubrechen, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene im Aufenthaltsland gefoltert oder auf sonstige Weise in seiner körperlichen Integrität oder geistig-seelischen Integrität beeinträchtigt wird, BT-Drs. 16/800, S. 14. Nach Ströbele sollen sich solche Anhaltspunkte auch aus allgemeinund offenkundigen Gegebenheiten im Aufenthaltsland oder offenkundigen Gewohnheiten der Aufsichtspersonen ergeben können, BT-Drs. 16/800 (Bündnis90/Die Grünen), S. 24 (abweichende Bewertung). 118 So aber LR/Gleß, § 136 a Rn. 13. 119 Siehe zur StPO-Regelung ebenso SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 49 f.

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seelischen Mängeln.120 „Daß die Ausnutzung von Vernehmungsunfähigkeit zur Umgehung der Subjektqualität des Beschuldigten verboten ist, versteht sich als Ausfluß elementarer Prinzipien des Strafprozeßrechts und des Verfassungsrechts vielmehr von selbst.“121 Soweit die Einsichtsfähigkeit oder Entschließungsfreiheit des Vernommenen erheblich beeinträchtigt ist, ergibt sich also ein Verbot der Vernehmung ebenso wie die Unverwertbarkeit der Aussage bereits aus dem fair-trial-Prinzip.122 Als Ausfluss der Menschenwürde ist insoweit auch unbeachtlich, ob es sich bei dem Befragten um einen Zeugen oder den Betroffenen selbst handelt. b) Verstoß gegen ausländisches Recht Die deutschen Dienste können dadurch, dass sie sich an ihr deutsches Recht halten, möglicherweise gegen die vor Ort für die dortigen Nachrichtendienste geltenden Vorschriften verstoßen. Wie weit dies tatsächlich möglich ist, angesichts der Tatsache, dass die deutschen Befugnisse im internationalen Vergleich eher restriktiv sind, kann hier außer Acht gelassen werden.123 Ein Verstoß gegen das ausländische Recht ist unbeachtlich, da die deutschen Dienste ausschließlich an ihr nationales Recht gebunden sind. Sollte die Berücksichtigung des ausländischen Rechts oder einzelner Vorschriften zur Bedingung einer Bewilligung der Auslandstätigkeit im Rahmen der Rechtshilfe gemacht worden sein und die Dienste jenseits dieser Bedingung handeln, so wären die Folgen eines Verstoßes gegen die völkerrechtliche Spezialität zu diskutieren.124 Eine Übermittlung der erlangten Daten findet bei der Eigenerhebung nur im Verhältnis deutscher Nachrichtendienste und Strafverfolgungsorgane statt.125 Zwischen dem ausländischen Erhebungsstaat und den deutschen Diensten kann schon tatsächlich keine Übermittlung, wie sie hier definiert wurde, stattfinden, da die Dienste die Informationen bereits in den Händen halten. Teilweise wird jedoch eine gesonderte Bewilligung der Mitnahme der erlangten Informationen in den Heimatstaat gefordert, wonach die Erkenntnisse vom ersuchten Staat zur Verfügung gestellt werden müssten und nicht einfach mit „nach Hause genommen“ werden dürften.126 Eine 120

BGH NStZ 1993, 395. Erb, FS Otto, 863 (870). 122 So auch SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 16; Erb, FS Otto, 863 (865 f.). 123 Siehe hierzu den Auslandsvergleich, S. 330 ff. 124 Siehe hierzu S. 367 ff. 125 Siehe hierzu ausführlich oben unter S. 112 ff. 126 Gleß, Beweisrechtsgrundsätze, S. 122 (Hervorhebung im Original); dies., NStZ 2000, 57 ff., ihr zustimmend Goy, S. 245; Böse, ZStW 114 (2002), 148 (176 ff.). 121

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solche Bewilligung ist aber konkludent in der Tätigkeitsermächtigung enthalten. Anderes gilt nur dann, wenn eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde oder der ersuchte Staat sich die Zustimmung zur späteren Verwertung vorbehalten hat. Auch hier handelt es sich um einen Fall der Spezialität.127

II. Eigene Datenerhebung im Ausland ohne Einwilligung Bei der eigenen Datenerhebung wird das Völkerrecht dann relevant, wenn keine Einwilligung des betroffenen Staates in die Datenerhebung auf seinem Territorium vorliegt.128 Um eine Tätigkeit der Dienste im Ausland zu verschleiern, wird dies wohl häufig der Fall sein. Nagel bekräftigt, dass dieses völkerrechtswidrige Verhalten in der Praxis immer wieder vorkommt, sei es unter Verkennung der Rechtslage, sei es unter bewusster Überschreitung der Befugnisse.129 1. Erforderlichkeit einer Einwilligung Eine Einwilligung ist dann für eine Tätigkeit im Ausland erforderlich, wenn diese ohne sie ein völkerrechtliches Delikt darstellte. Ein völkerrechtliches Delikt ist ein einem Völkerrechtssubjekt zurechenbares Verhalten, welches ein anderes Völkerrechtssubjekt in seinen subjektiven Rechten verletzt und für welches keine Unrechtsausschließungsgründe vorliegen.130 127

Siehe hierzu auch S. 367 ff. Für die Erteilung der Einwilligung fehlen ausdrückliche Ermächtigungsgrundlagen, Auch die vom Titel her naheliegende EG-Amtshilferichtlinie regelt nur einen Teilbereich der Hilfe im Steuerrecht, siehe Richtlinie 2004/56/EG des Rates vom 21. April 2004 zur Änderung der Richtlinie 77/799/EWG über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, bestimmter Verbrauchssteuern und der Steuern auf Versicherungsprämien. Anders ist dies bei Ersuchen um die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die in §§ 17 ff. BVerfSchG geregelt sind, was wegen des verbundenen Grundrechtseingriffs auch erforderlich ist. Dies erklärt sich daraus, dass sich die Notwendigkeit für ein Ersuchen um Bewilligung allein aus dem Völkerrecht ergibt. Eine innerstaatliche Ermächtigungsgrundlage ist wegen der Eingriffslosigkeit der Anfrage auf Bewilligung nicht erforderlich. Als Einwilligung kommt in Betracht sowohl eine Einwilligung aufgrund eines bestehenden Rechtshilfevertrages oder eine Ad-hoc-Einwilligung sowie das widerspruchslose Dulden, Siegrist, S. 65 ff. 129 Nagel, S. 4. Zu Beispielen siehe auch Tiedemann, FS Bockelmann, 819 ff. 130 Bauer, S. 19; zur umstrittenen Frage, ob zudem ein subjektives Element erforderlich wäre, vergleiche Bauer, S. 71 ff. m. w. N. 128

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Spionage131 in Friedenszeiten wird häufig ohne rechtliche Begründung als völkerrechtlich legale Handlung angesehen.132 Dies soll der Staatenpraxis entsprechen.133 Jedenfalls stellt Friedensspionage keinen unzulässigen Brauch dar, da alle Staaten sie betreiben und im Regelfall nicht gegen jene beim Entsendestaat protestieren.134 Betrachtet man die völkerrechtlichen Rechtsgrundlagen, also Verträge und Gewohnheitsrecht135, lässt sich weder eine ausdrückliche Erlaubnis noch ein ausdrückliches Verbot der nachrichtendienstlichen Betätigung finden. Die bestehenden völkerrechtlichen Verträge regeln diese nicht.136 Im Kriegsvölkerrecht finden sich zumindest Regelungen zur Spionage in Kriegszeiten.137. Spionage selbst stellt jedenfalls keine völkerrechtliche Kriegshandlung dar.138 Sonderregelungen finden sich auch im Diplomaten- und Konsularrecht, wodurch die Spionage für diesen Bereich auch völkerrechtlich verboten ist.139 Weitere Regelungen lassen sich zur nachrichtendienstlichen Auslandsaufklärung nicht finden.140 Eine Vereinbarung, derart, dass sich zwei befreundete Staaten zugestehen, auf ihrem Territorium ausgespäht zu werden, mutet auch ebenso merkwürdig an wie ihr Gegenteil.141 Da fast 131 In der Literatur in diesem Zusammenhang „Spionage“ genannt, vergleiche zum Beispiel Gusy, NZWehrR 1984, 187 ff. 132 Hinz in: Strupp/Schlochauer, Stichwort Spionage, S. 298 (300); so zunächst auch Doehring, Spionage im Friedensvölkerrecht in: Verfassungsschutz in der Demokratie, 307 ff., der jedoch später weitere Differenzierungen einführt. Auch Siegrist, der eine strenge Auffassung bezüglich Hoheitsakten im Ausland verfolgt, weist ausdrücklich darauf hin, dass er sich zur Spionage zur Erlangung fremder Staatsgeheimnisse nicht äußern will – ohne jedoch darzulegen, worin ein Unterschied zu denen von ihm behandelten Tätigkeiten liegen soll, Siegrist, S. 154 f. unter Verweis auf Hinz, siehe Fn. 133. 133 Hinz in: Strupp/Schlochauer, Stichwort Spionage, S. 298 (300). 134 Langkau, S. 162 f. 135 Siehe hierzu Bauer, S. 20 m. w. N. 136 Falk in: Stanger (Hrsg.), S. V führt hierzu an, dass dies gerade auffallend im Völkerrecht sei; „remarkably oblivious“ wie er sagt. 137 Zur Spezialregelung der Art. 29–31 Haager Landkriegsordnungen (HLKO) siehe weiterführend Hinz in: Strupp/Schlochauer, Stichwort Spionage, S. 298 ff.; detailliert Langkau, Spionage, passim; Gusy, NZWehrR 1984, 187 ff.; Erasmus, S. 24 ff. 138 Gusy, NZWehrR 1984, 187 (188). 139 Siehe Art. 41 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 d WÜD; Art. 55 i. V. m. Art. Art. 5 Abs. 1 c WÜK; siehe hierzu auch Polakiewicz, ZaÖRV 50 (1990), 761 (781). 140 Rauch, Espionage in: Bernhardt (Hrsg.), S. 114 (116); Hinz, Spionage in: Strupp/Schlochauer, WVR, S. 298 f.; Gusy, NZWehrR 1984, 187; Erasmus, S. 23. 141 Erasmus führt insoweit an, dass solche Absprachen inoffiziell zwischen einigen Diensten vor dem 1. Weltkrieg bestanden S. 57 Fn. 119. Laut Langkau, S. 147 sollen bis 1970 (Datum seiner Arbeit) noch niemals ein- oder mehrseitige zwischenstaatliche Vereinbarungen des Inhalts, gegenseitige Spionage verpflichtend zu unter-

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alle Staaten Spionage ausüben142, widerspräche dies auch der allgemeinen Praxis.143 Wegen dieser allgemeinen Praxis könnte man an eine Legitimation aus Völkergewohnheitsrecht denken. Dafür müsste zu der allgemeinen Übung die Rechtsüberzeugung der Rechtmäßigkeit dieser Übung treten.144 Daran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.145 Langkau spricht von dem Bewusstsein der völkerrechtlichen Verpflichtung, die Bestrafung seiner Spione nach dem innerstaatlichen Recht des Ergreifungsstaates hinnehmen zu müssen, ohne hierauf mit völkerrechtlichen Maßnahmen reagieren zu dürfen.146 Feststellbar ist allein eine Duldung der Spionage.147 Letztlich handelt es sich lediglich um einen (rechtlich unbeachtlichen) Völkerbrauch.148 Es findet sich also weder eine ausdrückliche Legitimation der Spionage noch ein ausdrückliches Verbot derselben. Da im Völkerrecht der Grundsatz gilt, dass alles, was nicht verboten ist, erlaubt ist149, scheint die alllassen, geschlossen worden sein, allenfalls bestünden inoffizielle Absprachen, nicht gegeneinander zu arbeiten. 142 Haedge, S. 186; Falk in: Stanger (Hrsg.), S. V spricht immerhin von einer „widespread practice of espionage“; a. A. Gehrlein, S. 100, der bereits, unter Berufung auf BGHSt 37, 305, (308) eine derartige Übung bestreitet, auf S. 101 jedoch im Widerspruch dazu ausdrücklich von einem „von allen Staaten geübten Wirken der Spione“ spricht. Der BGH a. a. O. bestreitet ebenfalls eine derartige Übung (obwohl auf S. 312 ausdrücklich gesagt wird „Obwohl alle Länder eine Spionagetätigkeit üblicherweise ausüben“) unter Berufung auf Gusy, NZWehrR 1984, 187. Dieser spricht jedoch richtigerweise davon, dass kein entsprechendes Gewohnheitsrecht besteht, da dieses gerade an der Überzeugung, nicht aber an der Übung scheitert; Doehring diskutiert deswegen eine „permanente Notwehrsituation“, Spionage im Friedensvölkerrecht in: Verfassungsschutz in der Demokratie, 307 (309 f.). 143 Doehring, Spionage im Friedensvölkerrecht in: Verfassungsschutz in der Demokratie, 307 (309). 144 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 10 f. 145 Gehrlein, S. 101 f.; a. A. wohl Doehring, Spionage im Friedensvölkerrecht in: Verfassungsschutz in der Demokratie, 307 (309 f.). Aus der Tatsache der weitgehenden Strafbarkeit des Spions lässt sich zu der Beurteilung der völkerrechtlichen Auffassung jedenfalls nichts ableiten, da dadurch noch kein internationales Recht geschaffen wurde; Erasmus, S. 24. 146 Langkau, S. 167. 147 BK/Werthebach/Droste, Art. 73 Rn. 284; Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (821 f.); Ulfkotte bezeichnet es als „eine Premiere“, dass gegen Mitarbeiter der CIA nach einem Entführungsfall in Italien 2005 Haftbefehle der italienischen Staatsanwaltschaft ausgestellt wurden; siehe auch Lowenthal, Intelligence, S. 165; vergleichbares habe es nur gegen Frankreich im Fall der Versenkung der Rainbow Warrior gegeben, Ulfkotte, Geheimdienste, S. 214. Üblich ist eher eine „Ausweisung“, so zum Beispiel Ulfkotte, Geheimdienste, S. 261; Erasmus, S. 59 ff. mit Beispielen. 148 Berber, VR, 2. Kap. § 5 Abs. 2 S. 43. 149 Gehrlein, S. 100; Doehring, Spionage im Friedensvölkerrecht in: Verfassungsschutz in der Demokratie, 307 (309); Langkau, S. 164; Erasmus, S. 57.

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gemeine Annahme der Zulässigkeit der Spionage auf den ersten Anschein zutreffend. Jedenfalls völkerrechtlich unzulässig sind Verstöße gegen das Interventionsverbot150, wie die Manipulation der öffentlichen Meinung, der illegale Waffenhandel und die Herstellung und das Inverkehrbringen von ausländischem Falschgeld wegen des Friedensgebotes nach Art. 2 Nr. 3 UNCharta151, so dass zahlreiche sogenannte aktive Maßnahmen152 unzulässig sind. Ein Verstoß gegen das Völkerrecht könnte sich aber auch aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts ergeben, so aus der Gebiets- oder Personalhoheit des betroffenen Staates. a) Verstoß gegen die Territorialität Das Staatsgebiet, welches der Gebietshoheit unterliegt, umfasst das feste Land innerhalb der Grenzen und, sofern existent, Exklaven, Inlands- und Küstengewässer; den beherrschbaren Raum unter der Erdoberfläche, den Meeresgrund unterhalb der Küstengewässer und den Luftraum über Land; staatsfreie Räume sind daher die Hohe See, der Weltraum und der Tiefseeboden.153 Die Gebietshoheit beinhaltet das (umfassende und ausschließliche) Recht, auf dem betreffenden Gebiet Hoheitsakte zu erlassen.154 Gleichzeitig enthält sie das Verbot der Vornahme von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet.155 Dieser Grundsatz zählt zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts.156 Selbstverständlich gilt er auch innerhalb der Europäi150

Gusy, NZWehrR 1984, 187 (195); Gehrlein, S. 101. Gusy, NZWehrR 1984, 187 (195). 152 Siehe zum Begriff S. 3 f. sowie S. 330 ff. 153 Dehn, S. 11 f. 154 Oppenheim-Lauterpacht, Bd Abs. 1 S. 119; Verdross, S. 265; Hermanns, S. 14; Vitzhum in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 18 Rn. 4. Davon zu unterscheiden ist die territoriale Souveränität, d.h. das Recht, über ein Territorium alleine und abschließend zu verfügen (allerdings ist schon der Begriff teilweise strittig, vergleiche hierzu Siegrist, S. 7 ff.). Die beiden Befugnisse können, müssen aber nicht zusammenfallen; historisches Beispiel für ein Auseinanderfallen sind Aufhebung beziehungsweise Einschränkung der Gebietshoheit in Deutschland 1945–1948 durch den Alliierten Kontrollrat; andere Fälle sind Verwaltungszession und Verpachtung; vergleiche Seidl-Hohenveldern/Stein, Rn. 1114 ff.; Herdegen, § 23 Rn. 1. 155 StIGH (5, S. 71, 89), Lotus-Fall, Serie A: Recueil des Arrets, Nr. 10; Urteil No 9; S. 18 [1927], Schiedsrichter Max Huber (abgedruckt auf deutsch in: Entscheidungen des Ständigen internationalen Gerichtshofes, Bd 5, 1927 S. 71 ff., PalmasFall, RIAA II, S. 829, 838 [1928]; Internationaler Gerichtshof im Korfu-Kanal Fall ICJ Reports 1949 S. 35; Gusy, NZWehrR 1984, 187 (192); BVerfGE 63, 343 (361); Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, S. 342. 151

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schen Union weiter, da das Territorialitätsprinzip an die Eigenstaatlichkeit anknüpft und diese durch die europäische Integration nicht berührt wird.157 aa) Nachrichtendienstliche Tätigkeit als Hoheitsakt Damit stellt sich die Frage, ob es sich bei der nachrichtendienstlichen Tätigkeit um verbotene Hoheitsakte handelt. Hoheitsakte liegen jedenfalls immer dann vor, wenn ein ausländischer Beamter mit Befehl und Zwang auftritt.158 Unter das Verbot der Vornahme von Hoheitsakten fallen damit unzweifelhaft das unbefugte Eindringen staatlicher Flugzeuge und Schiffe in fremde Hoheitsräume159, Verhaftungen160, Beschlagnahmen beziehungsweise sonstige Fälle von aktiven, geheimdienstlichen Maßnahmen, wie politische Agitation, das Verüben von Anschlägen161, illegaler Waffenhandel oder Entführungen162. Unerheblich ist, ob diese Maßnahmen heimlich durchgeführt werden.163 Bei den aufgezählten Handlungen soll es sich laut Nordmann um Fälle handeln, bei denen man wird „als sicher annehmen können, daß sie im Rahmen geheimdienstlicher Tätigkeit eine nicht unerhebliche Rolle spielen, ohne indessen ans Licht der Öffentlichkeit zu dringen.“164 Es handelt sich aber in Bezug auf deutsche Dienste jedenfalls um Handlungen, welche schon nach deutschem Recht verboten wären.165 Daher interessieren vorliegend vor allem die zulässigen, nachrichtendienstlichen Tätigkeiten, wie heimliche Observationen oder freiwillige Befragungen. 156

Raupach, S. 174; Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, S. 342. Dies nochmals ausdrücklich klarstellend Schädel, S. 42. 158 Verdross, S. 237; Neumeyer, IV S. 496; Berber, S. 309; Bär, S. 323; Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (821 ff.); Nordmann, S. 48 f. 159 Stein/Buttlar, Völkerrecht, 11. Auflage, Kap. 2 § 1 Gebietshoheit Rn. 538 (198); zum Beispiel im U 2-Zwischenfall, in dem ein amerikanisches Flugzeug mit dem Kapitän Power die Sowjetunion überflog und so deren Lufthoheit verletzte, siehe hierzu zum Beispiel Doehring, Spionage im Friedensvölkerrecht in: Verfassungsschutz in der Demokratie, 307 (318). 160 Vgl. Nogales-Fall 1893, zitiert nach Berber, VR, § 43 S. 309. 161 Vgl. Anschlag auf Rainbow Warrior, siehe Herdegen, S. 163. 162 Vgl. Entführung des französischen Oberst Argoud aus München nach Frankreich, siehe hierzu BT-Drs. 4/1152, S. 1 f.; Wilske, ZStW 197 (1995), S. 48 (79). 163 Ipsen, S. 312 Rn. 72; R. Geiger, S. 325 § 69 Abs. 2 c) aa); Stein/Buttlar, Rn. 541; wenn Wengler, S. 963 von Handlungen spricht, die „für andere Personen nicht erkennbar“ sind, meint er damit lediglich intern vorgenommene Handlungen und keine heimlichen Ermittlungen (insoweit nämlich offen lassend S. 964). 164 Nordmann, S. 50. 165 Auf diese wird daher im Folgenden nicht detailliert eingegangen werden. Ob diese wegen des Verbotes tatsächlich noch nie vorgenommen wurden, vergleiche nur Mueller/Mueller, Gegen Freund und Feind, passim zur Geschichte des BND. 157

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Wann ein Hoheitsakt vorliegt, bestimmt sich mangels völkerrechtlicher Definition nach dem jeweiligen nationalen Recht des betroffenen Staates. Insgesamt lässt sich feststellen, dass in Kontinentaleuropa die Tendenz dahin geht, jede Ermittlungshandlung als Hoheitsakt einzustufen, in Amerika dagegen, reine Erkundigungshandlungen noch als zulässig anzusehen.166 Dabei ist die Verletzung des Völkerrechts nicht gleichbedeutend mit einem Verstoß gegen das innerstaatliche Recht des Staates, in dem sich der Agent befindet.167 Ein Gleichlauf derart, dass eine Verletzung des innerstaatlichen Rechts stets auch eine Verletzung des völkerrechtlichen Territorialitätsgrundsatzes darstelle, so Wright168, ist keineswegs zwingend. Die innerstaatlichen Normen können zwar die Gebietshoheit schützen, aber auch durchaus anderen Zwecken dienen. Hilfreich ist es, einen Blick auf die deutsche Definition zu werfen. Dies dient nicht zuletzt dazu, um einzuschätzen, in wieweit die Behauptung, ein gewisses Verhalten habe die ausländische Gebietshoheit verletzt, auf deutsche Zustimmung träfe. Die Definition eines Hoheitsaktes ist jedoch umstritten.169 Unstrittig kommt es aber immerhin nicht auf den formellen Status des Handelnden an, sondern auf seine funktionale Qualifikation.170 Richtigerweise ist von einem einheitlichen Begriff des Hoheitsaktes auszugehen. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht, wonach Hoheitsakte nur solche Maßnahmen sind, die zwangsweise durchgesetzt werden171 oder zumindest mit einer derartigen Zwangsmaßnahme in unmittelbarem Zusammenhang stehen172. Erkundungen wären folglich dann rechtmäßig, wenn sie in keinem Zusammenhang mit einer Zwangsmaßnahme stehen.173 166

Nagel, S. 21 ff.; so auch Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (822 f.). Anders Wright in Stanger (Hrsg.), 3 (12 f.). 168 Wright in Stanger (Hrsg.), 3(12); in andere Richtung eher Vogler, FS Oehler, 379 (384), nach dessen Ansicht es für die Völkerrechtswidrigkeit unbeachtlich ist, ob sich der Entführer im verletzten Staat strafbar mache. 169 Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 68. 170 Vogel in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 1 IRG Rn. 17; Raupach, S. 174 Fn. 4; Erasmus, S. 47. Auch in der berühmten Kämpfer-Entscheidung ist alleine darauf abgestellt worden, ob die umstrittene Handlung normalerweise von einem Beamten im Land vorgenommen würde; BGE 65 I 39 (44) (Entscheidung Schweizer Bundesgericht vom 6. März 1939). 171 Bär, S. 323; ebenso i. E. Haedge, S. 186 unter Berufung auf Gröpl, S. 239 m. w. N. Andere wollen durch die Aufzählung von Beispielen eine Definition vermeiden, so Ipsen, S. 311 Rn. 69; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 324 § 69 Abs. 2 c) aa); gegen ein solches Vorgehen deutlich Vogel, S. 344. 172 Neumeyer, S. 498; Verdross, VR, S. 237; für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen Einordnungsschwierigkeiten anerkennend, im Ergebnis aber offen lassend Wengler, S. 964; ebenso Gröpl, S. 238. 167

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Vielmehr ist jedes staatliche Handeln als Hoheitsakt anzusehen.174 Damit ist jede Ermittlungstätigkeit ein Hoheitsakt, sofern deren Motivation hoheitlich ist, also auf die Förderung eines staatlichen Verfahrens, zum Beispiel eines Strafverfahrens, gerichtet ist.175 Denn eine Einteilung in Zwangsakte und zwangsfreie Akte ist weder begründbar noch entspricht sie der völkerrechtlichen Praxis.176 Würde man zwischen Zwangsakten und zwangsfreien Akten unterscheiden, würde man dem Einzelnen eine Art Verfügungsbefugnis über die Völkerrechtswidrigkeit einer Maßnahme zugestehen. Denn diese Ansicht führte dazu, dass eine Maßnahme, die mit Einwilligung der betroffenen Privatperson vorgenommen wird, und damit ohne Zwang, stets völkerrechtsgemäß wäre. Das Verbot von Hoheitsakten soll jedoch die Gebietshoheit des betroffenen Staats schützen und nicht die Handlungsfreiheit der Privatpersonen. Eine Einwilligung einer Privatperson in das Handeln eines ausländischen Nachrichtendienstes kann daher nicht dazu führen, dass kein Verstoß gegen die Gebietshoheit vorliegt, da es nicht jener obliegt, die Reichweite der Gebietshoheit zu bestimmen und so über diese letztlich zu verfügen. Dies steht nur Staaten zu und nur diese können auch in die Verletzung der Gebietshoheit einwilligen.177 Aus den gleichen Gründen kann auch nicht überzeugen, die Qualität eines Hoheitsaktes nach dem Vorliegen eines Grundrechtseingriffs zu bestimmen.178 Dies wird der Rechtsnatur des Territorialitätsprinzips als Staatenrecht nicht gerecht. Wenn Doehring anführt, dass die reine Beobachtung kein Hoheitsakt im verbotenen Sinne sei, weil sonst jede von einer öffentlichen Gewalt initiierte Beobachtung völkerrechtswidrig sei179, so handelt es sich hier173

Neumeyer, S. 497. Vogel, Verwaltungsnorm, S. 342, 344 f.; Simma/Volk, NJW 1991, 871 ff.; Geck in: Strupp/Schlochauer, S. 795; Dahm, Völkerrecht I, § 42 S. 251; Knittel, DB 1966, 1421 (1422) (letzterer ausdrücklich bezüglich Spionage); Schädel, S. 41; Hermanns, S. 18; Raupach, S. 174; Seidl-Hohenveldern/Stein, Rn. 1505; Nagel, S. 2 mit zwei Beispielen; Siegrist, S. 10 ff., 147 ff. 175 Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (823); Schädel, S. 41. 176 Geck in: Strupp/Schlochauer, Stichwort Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, S. 795; ebenso Knittel, DB 1966, 1421 (1422), der ausdrücklich darauf hinweist, dass durch die Einbeziehung auch von Zwangsakten bei vorbereitenden Maßnahmen die zunächst eindeutige Abgrenzung zwischen Zwangsakten und zwangsfreien Akten wieder aufgegeben wird; dies gesteht auch Neumeyer, S. 496 ausdrücklich zu. So habe es im Zusammenhang mit der Tätigkeit von amerikanischen Antitrustbehörden im Ausland mehrfache Proteste in scharfer Form gegeben, Hermanns, S. 18; vergleiche ebenfalls das Beispiel bei Erasmus, S. 58 von italienischen Nachrichtendienstlern auf Schweizer Boden. 177 Ebenso Knittel, DB 1966, 1421 (1422); Bauer, S. 34 (in Bezug auf Entführungen); a. A. Neumeyer, S. 501 sowie Fn. 45 (Beginn S. 500). 178 So aber Droste, S. 127 (Fn. 367), S. 164. 174

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bei um kein Argument, sondern um die Folge der gegenteiligen Auffassung. Gegen das Vorliegen eines Hoheitsakts kann auch nicht angeführt werden, dass die Nachrichtendienstmitarbeiter nur mit den Befugnissen von Privaten handelten und sich daher dem nationalen Recht vor Ort unterordneten.180 Das Handeln eines Nachrichtendienstes ist nicht mit dem einer Privatperson vergleichbar.181 Ein Nachrichtendienst handelt gerade nicht privatrechtlich. Er erfüllt eine hoheitliche Aufgabe. Selbst wenn eine Maßnahme keinen Zwangsakt darstellt, so kann sie doch erhebliche Bedeutung für die Staatsführung haben. Eine Unterscheidung zwischen Zwangsakten und zwangsfreien Akten ist somit nicht möglich. Es ist mithin von einem einheitlichen Begriff des Hoheitsakts auszugehen, mit der Folge, dass jede Tätigkeit eines Nachrichtendienstes im Ausland eine Völkerrechtsverletzung darstellt.182 bb) Zurechenbarkeit Dieser Akt ist auch dem Entsendestaat zurechenbar. Zugerechnet wird einem Staat das Verhalten seiner Organe, wobei sich die Organeigenschaft jeweils nach dem nationalen Recht des Entsendestaates richtet.183 Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Organe im Rahmen ihrer Kompetenz halten oder nicht.184 Ein Zurechnungsausschluss kommt lediglich dann in Betracht, wenn zwar ein Organ handelt, dieses aber ausschließlich privatrechtlich tätig wird.185 Da die Organeigenschaft nicht zur Umgehung des Völkerrechts führen darf, gelten nach dem Grundsatz der Effektivität auch sol0 Doehring, Spionage im Friedensvölkerrecht in: Verfassungsschutz in der Demokratie, 307 (320 f.). Ferner ist seine Auffassung problematisch, wenn es um die Rechtmäßigkeit von Spionageabwehrmaßnahmen seitens des betroffenen Staates geht, wie Doehring auch selbst sieht, a. a. O., 307 (322 ff.). 180 So aber Neumeyer, S. 502. 181 Hermanns, S. 17, der insoweit zwischen privatrechtlicher Tätigkeit und Tätigkeit, die nach außen wie die einer Privatperson wirkt, unterscheidet; Langkau, S. 213. 182 Nicht hierzu zählen aber Internetrecherchen, da sowohl Ermittlungshandlung als auch Erfolg im Inland eintreten, mag auch die Information auf einem ausländischen Server gespeichert sein, Vogel, IRG, Vor § 1 Rn. 17. Siehe hierzu Art. 32 a der CyberCrime-Konvention, „Übereinkommen über Computerkriminalität“ vom 23. November 2001 (CyberCrimeConvention- European Treaties Series No. 185). Dagegen stellt der Zugriff auf Email-Postfächer eine Verletzung des Territorialitätsprinzips dar, Sankol, K&R 2008, 279 (281 ff.). Siehe auch zur Telefonüberwachung bei Anlagen auf deutschem Staatsgebiet, EGMR, NJW 2007, 1433. 183 Bauer, S. 54 f.; Siegrist, S. 76 f.; Langkau, S. 251 ff. 184 Bauer, S. 63 ff.; Siegrist, S. 85 f. 185 Bauer, S. 66; Siegrist, S. 86 f.; Langkau, S. 253.

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che Handlungen als staatlich, die zwar nicht offiziell vom betroffenen Staat als solche anerkannt sind, jedoch von ihrer subjektiven Zielsetzung solche sein sollen.186 Aber auch wenn im Einzelfall gezielt Privatpersonen eingesetzt werden, kann dies dem Staat zurechenbar sein. Dies ist nach umstrittener Ansicht nicht der Fall, wenn die Privatpersonen ohne Kenntnis oder Unterstützung von staatlichen Stellen handeln.187 Anders ist es allerdings zu bewerten, wenn sich der Staat bestimmter Personen gezielt bedient188, so zum Beispiel durch das Unterhalten von Beziehungen zu Sekretärinnen von Personen in Führungspositionen.189 Weiter nutzen Nachrichtendienste auch Informanten, die getarnt als Reisende Informationen erheben. So gab es zu Zeiten des kalten Krieges beispielsweise ein Programm der CIA, unter dem Codenamen Redskin, wobei Touristen, Geschäftsleute, Wissenschaftler, Journalisten, Athleten und sogar Kirchenmänner im Zielland, damals die Sowjetunion, Informationen sammeln sollten.190 cc) Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes Neben der Zurechenbarkeit ist für das Vorliegen eines völkerrechtlichen Deliktes zudem das Nichtvorliegen eines Rechtfertigungsgrundes entscheidend. Wie bereits erwähnt, könnte der betroffene Staat einwilligen.191 Zulässig sind nachrichtendienstliche Maßnahmen auch aus Gründen der Notwehr.192 Diese setzt, wie § 32 StGB, einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff voraus.193 Ein solcher muss tatsächlich vorliegen; Vermutungen genügen hierfür nicht. Damit kann auch die wahrscheinliche Vermutung, der andere Staat würde Spionage auf dem eigenen Gebiet üben, 186

Insbesondere solle die innerstaatliche Qualifikation der Handlung als dienstlich-hoheitlich und dienstlich-privatrechtlich für die Qualifikation als Hoheitsakt im völkerrechtlichen Sinne unbeachtlich sein, da sonst die Bindung an das Völkerrecht vom nationalen Recht abhängig sei, Langkau, S. 239. Gerade bei „illegalen Vorhaben“ sollen sich laut Bauer Staaten gerne der „Mithilfe von offiziellen oder mehr oder weniger dubiosen Geheimdiensten“ bedienen, Bauer, S. 55. 187 Bauer, S. 58 ff., 61 m. w. N. für die Gegenansicht; ebenso Siegrist, S. 77 ff., 91 ff. 188 Langkau, S. 253 ff. Dies würde unter den Grundsatz der Effektivität fallen, Siegrist, S. 77 ff. 189 Vgl. Langkau, S. 147 sowie zu den sogenannten Romeo-Fällen der Stasi, Ulfkotte, S. 318 ff. 190 Richelson, Century of Spies, S. 257. 191 Langkau, S. 362. 192 Hierzu und zum Folgenden Langkau, S. 363 ff. 193 „armed attack or at least immediate threat of armed attack“, Wright in: Stanger (Hrsg.), 3 (18).

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keine Rechtfertigung für die Spionage auf dem Gebiet eben dieses Staates darstellen. Nach dem völkerrechtlichen Grundsatz tu quoque darf ohnehin „kein Staat einem anderen Staat Völkerrechtsverletzungen vorwerfen und über dessen Staatsbürger wegen solcher Handlungen zu Gericht sitzen [. . .], wenn er sich selbst der gleichen Verfehlungen gegenüber dem anderen Staat oder dessen Verbündeten schuldig gemacht hat.“194 Eine Rechtfertigung aus Notwehr scheidet damit in vielen Fällen aus. Wollte man Spionage als zulässige Friedensrepressalie auffassen, so müsste durch den betroffenen Staat seinerseits eine Gebietsverletzung verübt worden und zudem die Wiedergutmachung abgelehnt worden sein. Die Repressalie setzt zunächst die ultimative und ausdrückliche Forderung nach Wiedergutmachung voraus.195 In der Geschichte ist bislang nur ein Fall bekannt geworden, wo einer Aufforderung zur Wiedergutmachung nachgekommen ist196, so dass die Voraussetzungen regelmäßig nicht erfüllt sein werden.197 Vielfach begnügen sich die Staaten mit der Bestrafung des Spions, ohne dass der entsendende Staat sich einmischt198 oder belangt würde. dd) Zwischenergebnis Die Tätigkeit eines Nachrichtendienstes auf fremdem Hoheitsgebiet stellt damit regelmäßig ein völkerrechtliches Delikt dar. Wenn auch eine Rechtfertigung im Einzelfall nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, so ist eine solche doch sehr unwahrscheinlich.199

194

BGH NJW 1961, 373 (374) (Hervorhebung im Original). Berber, S. 89. 196 So nämlich im U2-Zwischenfall zwischen der USA und der Sowjetunion, in dessen Rahmen sich Eisenhower ausdrücklich entschuldigte und die Einstellung des betreffenden Programms verlangte, Langkau, S. 383; Lowenthal, Intelligence, S. 22; ebenfalls in diesem Zusammenhang fand aber auch die erste offizielle Bekenntnis zu und Verteidigung der Spionage statt, Falk in: Stanger (Hrsg.) S. VII. 197 Langkau, S. 383. 198 Wright in: Stanger (Hrsg.), 3 (13). 199 Zusätzlich führt Langkau noch aus, dass aufgrund der allgemeinen Tatsache der Ausübung der Strafbarkeit unter Berücksichtigung des Grundsatzes „tu quoque“ zwar das betreffende Verhalten nicht völkerrechtsgemäß würde, da sonst das Völkerrecht zur Disposition der Staaten stünde, der Einwand aber dazu führe, dass aufgrund der Gegenseitigkeit eine „Moralische Verurteilung“ durch den ausgespähten, aber selbst ausspähenden Staat oder die Staatengemeinschaft ausgeschlossen sei, Langkau, S. 386 ff. (388, 392). 195

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b) Kein Verstoß gegen die Personalhoheit Ein Verstoß gegen die Personalhoheit des Staates liegt dagegen nicht vor. Personalhoheit ist das Recht eines Staates, Staatsgewalt gegenüber seinen Staatsangehörigen auszuüben.200 Diese könnte dann berührt sein, wenn der ausländische Staat Angehörige eines anderen Staates als Agenten oder Informanten anwirbt. Sofern selbige durch einen Nachrichtendienstler auf fremdem Gebiet erfolgt, liegt darin bereits ein Verstoß gegen die Gebietshoheit201; erfolgt die Anwerbung hingegen ihrerseits durch Privatpersonen, so scheidet ein Verstoß gegen die Personalhoheit schon deswegen aus, weil eine Privatperson kein völkerrechtliches Delikt begehen kann.202 Ein Verstoß gegen die Personalhoheit könnte allenfalls dann vorliegen, wenn der Nachrichtendienst in seinem eigenen Land fremde Staatsangehörige anwerben wollte. Denn es ist einem Drittstaat untersagt, fremden Staatsangehörigen Pflichten aufzuerlegen, die es ihnen unmöglich machen, ihren staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten zu genügen. Geschützt wird aber durch die Personalhoheit die Herrschaftsbefugnis des fremden Staates über seine Angehörigen, nicht das tatsächliche Treueverhältnis.203 Bei einer so verstandenen Personalhoheit verstößt auch das Anwerben von ausländischen Spionen nicht gegen die Personalhoheit.204 2. Beweisverwertungsverbot aus fehlender Einwilligung? Eigenmächtige oder außerhalb erteilter Bewilligungen geführte Ermittlungen verletzen das Territorialitätsprinzip.205 Ein Beweisverwertungsverbot kann sich nunmehr als Folge dieses Verstoßes ergeben. Unselbstständige Beweisverbote können sich, wie gezeigt, aus der Verletzung einer individualschützenden Norm ergeben oder aus besonders schwer wiegenden generalpräventiven Gründen. 200

Hermanns, S. 15. So ausdrücklich Langkau, S. 241. 202 Langkau, S. 243. 203 Gusy, NZWehrR 1984, 187 (194). 204 Gusy, NZWehrR 1984, 187 (194). 205 Umstritten ist, ob neben der Genehmigung der Tätigkeit völkerrechtlich noch eine zusätzlich Einwilligung in Mitnahme und Verwertung zu verlangen ist, hierfür Gleß, NStZ 2000, 57 (58). Dagegen zu Recht Böse, ZStW 114 (2002), 148 (177 f.). Eine immanente Beschränkung ist hier, wie auch bei der sonstigen Rechtshilfe abzulehnen, siehe hierzu S. 367 ff. Der ersuchte Staat muss regelmäßig damit rechnen, dass, wenn sein Territorium betreten wird, um Informationen zu sammeln, diese auch nachfolgend genutzt werden sollen. Will er diese zusätzlich überprüfen beziehungsweise sich gegen unzulässige Nutzung absichern, so hat er dies mitzuteilen. 201

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a) Individualschutz Regelmäßig ist das Individuum nicht unmittelbarer Adressat der völkerrechtlichen Normen.206 Die Gebietshoheit ist nach richtiger Ansicht ein ausschließlich staatsgerichtetes, dem Schutz der Souveränität dienendes Recht.207 Wenn auch die Annahme, dass das Völkerrecht ausschließlich an Staaten adressiert ist, als überholt anzusehen ist, muss die betroffene Person doch im Einzelfall nachweisen, dass sie in ihren Rechten betroffen ist.208 Es ist zu fragen, ob sich aus einem Verstoß gegen Völkerrecht ein Recht des Betroffenen von Verfassungsrang entsteht.209 Private werden nicht von der Gebietshoheit geschützt. Wie auch sonst im öffentlichen Recht besteht kein Anspruch auf ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln, wenn der eigene Rechtskreis unberührt bleibt.210 Insoweit ist anerkannt, dass der von einer völkerrechtswidrigen Maßnahme Betroffene sich in einem anschließenden gegen ihn gerichteten inländischen Strafverfahren wegen einer im Inland begangenen Straftat grundsätzlich nicht auf die vom Gewahrsamsstaat verübte Völkerrechtswidrigkeit berufen kann, um daraus strafprozessuale Vorteile für sich herzuleiten.211 Zwar geht es in den zitierten Entscheidungen um Entführungsfälle und Verfahrenshindernisse212, jedoch ist dies zur Beantwortung der Frage nach einem subjektiven Recht des Betroffenen, also ob er sich auf die Völkerrechtswidrigkeit berufen kann, unerheblich. Ein Völkerrechtsverstoß durch unzulässige Ermittlungen verletzt daher die Grundrechtssphäre des Betroffenen nicht.213 Vogel will ein Verwertungsverbot dann annehmen, wenn zur „bloße[n] Völkerrechtswidrigkeit“ wegen Verstoßes gegen das Territorialitätsprinzip weitere Voraussetzungen wie die Umgehung eines Richtervorbehaltes oder 206

Dehn, S. 69 f.; Ipsen, § 7 Rn. 4. Badura in: Merten/Papier, HGR, § 47 Rn. 6; BVerfGE 63, 343 (373); Wilske, S. 116. 208 Harings, S. 167 (181). 209 BVerfGE 63, 343 (372 f.). 210 Vergleiche Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn. 69 ff., missverständlich Harings, S. 167 (181). 211 BVerfG NJW 1986, 1427 (bezogen auf Verfahrenshindernis für Entführten); BVerfG NStZ 1986, 468 (Entführung Verfahrenshindernis); BGH NStZ 1984, 563; 1985, 464 (Verfahrenshindernis Entführung); BGHSt 30, 347 (349 f.). 212 Für ein solches Verfahrenshindernis Schünemann, FG Pötz, 215 (237) mit einer Herleitung aus dem allgemeinen Staatshaftungsrecht. Dagegen jedoch die ganz h. M.: weder das hinterlistige Herauslocken aus einem fremden Staat noch die (vermeintlich) gewaltsame Entführung sollen zu Verfahrenshindernissen führen, BGH NStZ 1984, 563; NStZ 1985, 464; bestätigt durch BVerfG EUGRZ 1986, 18 ff.; NStZ 1986, 468; BGH StV 1985, 273; NJW 1987, 3087; BVerfG, NJW 1995, 651; zustimmend Herdegen, EUGRZ 1986, 1 ff.; I. Roxin, S. 274 ff. 213 BVerfG NJW 1995, 651 (652). 207

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eines Rechtshilfeweges hinzutreten.214 Nicht ersichtlich ist, wie ein Richtervorbehalt durch die Auslandsspionage umgangen werden soll. Die bewusste Umgehung der Rechtshilfe kann hingegen kein Verwertungsverbot begründen. Zwar werden im innerstaatlichen Bereich Verwertungsverbote angenommen, wenn der Richtervorbehalt bewusst oder willkürlich umgangen wurde.215 Dieser stellt aber nicht nur eine verfahrensrechtliche Anforderung dar, sondern ist auch grundrechtsschützend. Die Rechtshilfe soll hingegen einzig dem Souveränitätsschutz des betroffenen Staates dienen.216 Es bleibt somit dabei, dass aus dem Völkerrechtsverstoß keine individualschützende Wirkung abzuleiten ist. Nichts anderes ergibt sich aus der Pakelli-Entscheidung.217 Dort geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, der Einzelne könne geltend machen, dass ein Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts nach Art. 25 GG ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtige, unabhängig davon, ob die verletzte Völkerrechtsnorm ihrem Inhalt nach Rechte oder Pflichten des Einzelnen begründe oder ausschließlich an Staaten gerichtet sei.218 So scheint sich der Einzelne doch auf Völkerrechtsnormen ohne Individualbezug berufen zu können. Jedoch müssen die genauen Umstände der oben genannten Entscheidung beachtet werden. Im Fall ging es darum, dass ein deutsches Oberlandesgericht die beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt hatte, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte konstatiert hatte, dass die ursprüngliche Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs unter Verletzung der EMRK zustande gekommen sei.219 Die Bejahung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 1 GG diente damals der Vermeidung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch den Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, da das Bundesverfassungsgericht in diesem Rahmen ausführen konnte, warum die obergerichtliche Entscheidung EMRK-konform war. Während die Ableitung eines Verwertungsverbots aus völkerrechtswidrigen Handlungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist220, kann der Betroffene aus der Verletzung der Gebietshoheit für sich keine Rechte herleiten.221 214 Vogel in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 1 IRG Rn. 22. Natürlich ist der Beweis (mit oder ohne Völkerrechtswidrigkeit) unverwertbar, wenn es dies bei entsprechender Ermittlung im Inland wäre, a. a. O. Rn. 23. 215 BGHSt 51, 285 (292) sowie S. 195 ff. 216 Schuster, S. 117 f. 217 BVerfG ZaÖRV 1986, 289 ff. 218 BVerfG ZaÖRV 1986, 289 (290). 219 BVerfG ZaÖRV 1986, 289. 220 Siehe sogleich sowie BGHSt 34, 334 (341); 36, 396; 37, 30. 221 So auch Bauer, S. 125.

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Zuletzt könnte man noch an ein selbstständiges Beweisverbot dergestalt denken, dass die Verwertung von völkerrechtswidrig erlangten Beweisen das Verfahren als ganzes unfair im Sinne des Art. 6 EMRK machten.222 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt festgestellt, dass nicht jede Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels das Verfahren insgesamt unfair macht.223 Vielmehr erwähnt der Gerichtshof Fallgruppen, bei denen dies der Fall sein könnte, aber selbst die Verwertung von aus einer Folterandrohung gewonnenen Beweisen genügt hierfür nicht224, so dass auch ein Verwertungsverbot hieraus unwahrscheinlich ist. b) Völkerrechtliches Verwertungsverbot Ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot bei einem Verstoß gegen das Völkerrecht kommt aber aufgrund der speziellen völkerrechtlichen Rechtsfolgen eines Deliktes in Betracht. Eine dieser Folgen ist der völkerrechtliche Restitutionsanspruch.225 Dieser Anspruch auf Wiedergutmachung fordert, nach Möglichkeit alle Folgen des völkerrechtlichen Delikts zu beseitigen (restitutio in integrum).226 Dies könnte innerstaatlich zu einem Verwertungsverbot führen. Daher ist ausnahmsweise zusätzlich zu prüfen, ob sich aus überstaatlichem Recht, nämlich dem Völkerrecht, als Folge des Verstoßes ein Verwertungsverbot ergibt.227

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Siehe hierzu Herdegen, passim; Dehn, Entführungsfälle, passim. EGMR NStZ 2008, 699 (701). 224 Vgl. Sachverhalt und Gründe in EGMR NStZ 2008, 699 ff. 225 Siegrist, S. 95 f.; Bauer, S. 87 f.; StIGH, PCIJ, Ser. A., No. 17, 1928 (Chorzow Factory) „The essential principal contained in the actual notion of an illegal act – a principle which seems to be established by international practice and in particular by the decisions of arbitral tribunals – is that reparation must, as far as possible, wipe out all consequences of the illegal act and re-establish the situation which would, in all probability, have existed if that act had not been admitted“, S. 40, in englisch abrufbar unter http://www.worldcourts.com/pcij/eng/decisions/1928.09.13_ chorzow1, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. 226 StIGH, PCIJ, Ser. A., No. 17, 1928 (Chorzow); StIGH, Temple of Preak Vihear, 15 June 1962, S. 8, abrufbar unter http://www.icj-cij.org/docket/files/45/4871.pdf, zuletzt abgerufen am 26. April 2011; Wilske, S. 228 f.; Bauer, S. 94 ff. 227 Vorliegend wird ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot diskutiert, da die Restitutionspflicht Folge des Verstoßes sein kann. Dass das Gericht durch Verwertung entgegen seiner völkerrechtlichen Pflichten zugleich selbst einen Rechtsverstoß begeht (dies übersieht Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (826 f.), der über Zurechnung argumentiert), wird hier vernachlässigt. 223

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aa) Beweisverwertungsverbot als Folge der Restitutionspflicht Ein Verstoß gegen Völkerrecht verpflichtet den verstoßenden Staat, dieses Unrecht zu beseitigen. Durch die Verwertung der erlangten Informationen würde das Unrecht hingegen nicht beseitigt, sondern vielmehr ausgenutzt.228 Unabhängig vom konkreten Inhalt dieser Pflicht, steht die Nutzung der Informationen im Strafprozess hierzu im Widerspruch, da so der Verstoß vom Staat ausgenutzt wird.229 Daher soll der Restitutionsanspruch ein Beweisverwertungsverbot bedingen.230 Soweit eine Restitutionspflicht nach Völkergewohnheitsrecht231 besteht, verpflichtet diese wegen Art. 25 GG alle deutschen Staatsorgane und auch die deutschen Gerichte.232 Die Wiedergutmachung soll dabei nach einhelliger Auffassung im Wege der Naturalrestitution erfolgen233, also im Falle der rechtswidrig erlangten Beweismittel durch Rückgabe derselben.234 Damit kann aus einem Völkerrechtsverstoß ein Beweisverwertungsverbot folgen.235 Teilweise findet sich die Auffassung, dass, wenn schon die Erhebung völkerrechtswidrig war, dies auch notwendig für die nachfolgende Verwertung gelten müsse.236 Dies scheint auf dem allgemeinen Grundsatz „ex iniuria ius non oritur“ zurückzugehen.237 Jedoch ist zwischen dem ursprünglichen Verstoß und der Restitutionspflicht zu unterscheiden. Die Verwertung ist nur dann untersagt, wenn die Restitutionspflicht auch im Einzelfall besteht. bb) Voraussetzungen der Restitutionspflicht Konstitutive Voraussetzung für das Entstehen dieser Restitutionspflicht ist, neben dem Vorliegen eines völkerrechtlichen Delikts238, ein Protest be228

Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (827). Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (827). 230 Dannecker, StVj 1990, 124 (143 f.); Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (826 f.). 231 Siehe Teil 3 Fn. 226. 232 Vogler, FS Oehler, 379 (386 f.); Bauer, S. 140. 233 Berber III S. 25; Stein/Buttlar Rn. 1157 ff.; Verdross/Simma, § 1295 S. 874. 234 Siegrist, S. 95 f. Selbstverständlich gilt dies nur, solange kein Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit vorliegt, also zum Beispiel die Beweismittel zerstört wurden, siehe Wilske, S. 234. 235 So auch Weigend, FS Lüderssen, 463 (475 f.) (LaGrand); siehe hierzu auch BVerfG NJW 2007, 499 (502 ff.); ebenso bereits Beling, Die Beweisverbote (1903), S. 36. 236 Böse, ZStW 114 (2002), 148 (177); Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (826 f.). 237 Siehe hierzu ausführlich Bauer, S. 142 ff. 238 So ist die Aussage, ein Verstoß gegen das Territorialitätsprinzip begründe ein Beweisverwertungsverbot, nur teilweise richtig, so vertreten von Alsberg/Nüse/ 229

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

ziehungsweise ein Restitutionsverlangen des betroffenen Staates.239 Für das Vorliegen eines Verstoßes ist dies dagegen nicht erforderlich.240 Der Protest ist für die vorliegende Sachverhaltskonstellation von besonderer Relevanz, weil der betroffene Staat, je nach Funktionsfähigkeit seiner eigenen Spionageabwehr, gegebenenfalls nicht erfährt, dass seine Gebietshoheit verletzt wurde und es nicht ausgeschlossen erscheint, dass die näheren Umstände ihrer Gewinnung den jeweiligen Informationen nicht anzumerken ist. Damit allerdings eine Restitutionspflicht mit Folge eines Verwertungsverbotes entsteht, müsste er aber protestieren. Faktisch scheidet ein Verwertungsverbot also häufig aus, da ein Protest zumindest Kenntnis des Völkerrechtsverstoßes voraussetzt. Hinweise auf eine völkerrechtliche Pflicht, den betroffenen Staat von der begangenen eigenen Völkerrechtswidrigkeit in Kenntnis zu setzten, ist weder dem Schrifttum noch der Rechtsprechung zu entnehmen. Hat der verletzte Staat Kenntnis von der jeweiligen Handlung des anderen Staates, so ist zudem möglich, dass er diese zwar als völkerrechtswidrig ansieht, aber dennoch duldet und von einem Protest Abstand nimmt.241 Eine Duldung darf daraus jedoch nicht präsumiert werden.242 Das widerspruchlose Dulden darf nicht stets als Einwilligung, nachträgliche Zustimmung243 oder Rechtsverzicht gesehen werden, diese (konkludenten) Erklärungen setzen alle zunächst Tatsachenkenntnis des betroffenen Staates voraus.244 Es fehlt jedoch dabei jeweils am für das Verwertungsverbot konstitutiven Protest. cc) Einschränkungen der Restitutionspflicht Liegt ein solcher Protest hingegen vor, ist zu fragen, ob hieraus zwingend ein Verwertungsverbot folgt oder ob dem Rückgabeanspruch innerstaatliche Belange, namentlich das Strafverfolgungsinteresse, entgegengesetzt werden Meyer, S. 528 f. ohne Begründung mit Verweis auf Rüping, S. 47; Tiedemann, FS Bockelmann, S. 819 (825). 239 Bauer, S. 121 f.; zur Wirkung dieses Protests, siehe auch BGHSt 34, 334 (343 f.) (Beweisverwertungsverbot). Der Protest ähnelt dem teilweise im Strafprozess geforderten Rügeerfordernis, siehe hierzu BGH NJW 2001, 2102 (2106). 240 Ebenso Wilske, S. 116 mit Nachweisen zur Gegenauffassung, a. a. O., S. 114 f. 241 Neumeyer, S. 503. So hat die BRD zumindest bis 1970 nie ausdrücklich gegen die Verletzung ihrer Gebietshoheit protestiert, so Langkau (1970), S. 242. Davon zu unterscheiden ist aber die strafrechtliche Verurteilung der Spione. 242 Langkau, S. 242. 243 Schomburg/Hackner in: Schomburg/Lagodny, Vor § 68 IRG Rn. 12 b. 244 So auch Bauer, S. 119 ff. bezüglich der Einwilligung.

B. Erkenntnisse deutscher Dienste im Ausland

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dürfen. So soll bei zwingenden Gründen von der Restitutionspflicht abgewichen werden dürfen.245 Hierbei ist aber folgendes zu beachten: Zwar steht das Völkerrecht nach umstrittener Auffassung im Rang über dem einfachen Gesetzesrecht, nicht jedoch über dem Verfassungsrecht.246 Ein Verbot des Entzugs der völkerrechtlichen Pflichten unter Bezugnahme auf das nationale Recht247 gilt ebenfalls nur für einfaches Recht. Jedoch kann der Strafverfolgungsanspruch keinen Gegensatz zur Restitutionspflicht darstellen.248 Rechtsinteressen, die gegen einen Völkerrechtsverstoß überwiegen, sind nicht denkbar.249 Diese Lösung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Beweisverwertungsverboten in den Fällen der Überwachung des türkischen Generalkonsulats, weil es dort um die Verletzung von individualschützenden Vorschriften ging, bei denen im Rahmen der Abwägung ein Beweisverwertungsverbot zu ermitteln ist.250 Soweit es aber um die Verwertung eines außerhalb des Rechthilfeverkehrs erlangten Beweismittels ging, so hat der Bundesgerichtshof zu Recht ein Verwertungsverbot angenommen, da der betroffene Staat ausdrücklich der Nutzung widersprochen hatte.251 c) Ergebnis Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass aus einem Verstoß gegen die Gebietshoheit dann ein Verwertungsverbot folgt, wenn der betroffene Staat hiergegen protestiert und auf diesem Wege die völkerrechtliche Restitutionspflicht auslöst. Fehlt es an einem solchen Staatenprotest, kann der Einzelne sich allein darauf berufen, dass die Verwertung der völkerrechtswidrig erlangten Beweise das Verfahren unfair im Sinne des Art. 6 EMRK machen. Hierfür müssten allerdings weitere Umstände hinzutreten, so dass ein Verwertungsverbot erst nach der notwendigen Abwägung angenommen werden kann. 245

Bauer, S. 101. BVerfGE 111, 307 (318); Herdegen, NJW 1988, 595; ders. in: Maunz/Dürig Art. 25 Rn. 42; a. A. Dreier/Pernice, Art. 25 Rn. 24; Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (830), der ferner anführt, es ergebe sich aus dem Völkergewohnheitsrecht, dass die Gebietshoheit dem Interesse der Staaten an Aufklärung von Straftaten vorgehe, Nachweise bleibt er hierfür jedoch schuldig, Tiedemann, FS Bockelmann, 819 (827). Zum Europarecht siehe BVerfGE 37, 271 (278 f.). 247 So Bauer, S. 107; Dehn, S. 116. 248 Dehn, S. 116. 249 Ähnlich auch (zumindest Überwiegen bejaht) Beling, Die Beweisverbote (1903), S. 36. 250 BGHSt 36, 396 ff.; 37, 30. 251 BGHSt 34, 341 (344 ff.). 246

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

III. Fernwirkung Wie bereits dargelegt, beurteilt sich die Frage der Verwertbarkeit nach innerstaatlichem Recht. Anhaltspunkte dafür, die Fernwirkung hier anders als sonst zu beurteilen, sind nicht ersichtlich.252 Daher ist regelmäßig von keiner Fernwirkung auszugehen.

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste Nachdem nun die Tätigkeit von deutschen Diensten im Ausland abschließend betrachtet wurde, geht es im Folgenden um die Tätigkeiten ausländischer Nachrichtendienste. Diese können bei ihrer autonomen Tätigkeit Daten erlangen, die für ein deutsches Verfahren oder deutsche Dienste von Relevanz sind.253 Auch können seitens deutscher Strafverfolgungsorgane Ersuchen bezüglich bestimmter Informationen gestellt werden.254 Die ausländischen Dienste übermitteln ihre Daten sowohl direkt an die Strafverfolgungsorgane als auch an den deutschen Partnerdienst, welcher die Daten dann seinerseits weiterleitet.

I. Auslandsvergleich Ziel der nachfolgenden Darstellung ist, einige Unterschiede ausgewählter ausländischer Nachrichtendienste zu den deutschen Diensten aufzuzeigen. 252 Man könnte nun anführen, dass die Völkerrechtswidrigkeit in den mittelbar erlangten Beweisen fortdauert und diese daher ebenfalls dem Restitutionsanspruch unterliegen. Jedoch sind die mittelbar erlangten Beweise regelmäßig gerade nicht mehr völkerrechtswidrig erlangt worden: So wird das Geständnis des Beschuldigten, der mit den belastenden Sachbeweisen konfrontiert wurde, regelmäßig auf deutschem Boden abgelegt worden sein; häufig auch formell auf der Polizeiwache, nachdem die Nachrichtendienste ihre Erkenntnisse weitergeleitet haben. Ein Unterschied zu sonstigen Situationen ist nicht ersichtlich. Auch sonst führen erst die unmittelbar rechtswidrig erlangten Beweise zu den weiteren Beweismitteln. 253 Denkbar ist insoweit auch, dass die ausländischen Dienste diese Daten völkerrechtswidrig auf deutschem Boden erlangt haben. Soweit sie diese Daten allerdings übermitteln – über die Wahrscheinlichkeit eines solchen Vorgehens wegen der Offenbarung des eigenen völkerrechtswidrigen Tuns kann man wohl streiten – wäre jedenfalls der völkerrechtswidrigen Restitution Genüge getan, so dass die Daten insoweit unproblematisch verwertbar sind. 254 Innerstaatlich ist bei Ersuchen an die Nachrichtendienste § 17 BVerfSchG zu beachten, der die Erteilung von Ermittlungsaufträgen verhindern und so das Trennungsgebot wahren soll, siehe hierzu S. 96. Allerdings gilt insoweit, dass diese Restriktion auch innerstaatlich nicht die ersuchende Behörde, sondern die ersuchte Behörde trifft. Daher kann diese Überlegung den ausgehenden Rechtshilfeverkehr nicht beschränken. Zu dieser Überlegung siehe aber auch Scheller, S. 104 f.

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste

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Dies soll Besonderheiten, die sich aus dem Auslandsbezug ergeben, hervorheben, aus welchen sich Beweisverwertungsverbote ergeben könnten. 1. Einführung Alle Länder der Welt unterhalten Geheimdienste.255 Da diese oft auch als das „zweitälteste Gewerbe der Welt“256 bezeichnet werden, mag es erstaunen, dass die Dienste in ihrer heutigen Form erst vor einigen Jahrzehnten entstanden sind.257 Unter ihren Aufgaben sind regelmäßig drei Tätigkeitsfelder wiederzufinden: Die Auslandsaufklärung zum Schutze der äußeren Sicherheit, die Sabotageabwehr zum Schutz der inneren Sicherheit, also dem Schutz der jeweiligen Staatsform sowie dem Schutz vor Spionage, Terrorismus, Extremismus, Waffenhandel und Schwerstkriminalität sowie die militärische Aufklärung bezüglich Rüstungsbestrebungen fremder Staaten und verfassungsfeindlicher Bestrebungen innerhalb des eigenen Militärs.258 Daher liegt auch eine typische Anzahl der Nachrichtendienste bei drei. Angesichts der Vielzahl der existierenden Länder und damit auch der Dienste würde eine komplette, auch nur überblicksartige Darstellung den Umfang der Arbeit sprengen.259 Für das Ziel, der Herausstellung der möglicherweise für die Beweisverwertung relevanten Problemfelder, ist es aber auch genügend, die Unterschiede an einigen Diensten exemplarisch darzustellen. Dabei wurde die Auswahl auf Dienste mit besonders enger Kooperation mit Deutschland beschränkt260, da in diesem Zusammenhang ein Informationsaustausch am wahrscheinlichsten scheint. Diese Partnerdienste eignen sich auch in besonderer Weise zur Analyse, da sie sehr unterschied255

Roewer § 3 Rn. 5. Vgl. Jakob in: Staatliche Kommunikation und Sicherheit (Hrsg. Schreckenberger), 111 (123); Gröpl, S. 39. 257 In Großbritannien 1909, in Deutschland 1913, in Russland 1917, in Frankreich 1935 und in den Vereinigten Staaten von Amerika 1942, Ulfkotte, Geheimdienste, S. 17. Dagegen geht die Geschichte der Geheimdienste als solcher weit in die Geschichte zurück. Bereits das alte Ägypten soll einen gut organisierten Geheimdienst besessen haben, Falk in: Stanger (Hrsg) S. V; Gröpl, S. 39; guter Überblick auch bei Krieger, Geheimdienste in der Weltgeschichte, passim. 258 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 15. 259 Riegel, RiA 1987, 121 (125) spricht davon, dass ein „Gesamtdetailvergleich“ unmöglich wäre und auch die „Kapazitäten eines Einzelkämpfers“ übersteigen würde. Ferner weist er (1987) daraufhin, dass eine derartige Aufarbeitung bisher „nirgends auch nur ansatzweise geleistet wurde“. In Ansätzen: Hirsch, passim (hinsichtlich Kontrolle); Hochreiter, passim (für Deutschland, Großbritannien für Fernmeldegeheimnis), Riegel, RiA 1987, 121 (129 ff.) (mit Schwerpunkt Westeuropa und Ansätze USA); zuletzt Jäger/Daun, passim. 260 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 11. 256

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

liche, teils extreme Methoden aufweisen.261 Dargestellt werden daher im Folgenden die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Russland, Israel und Frankreich. 2. Die Vereinigten Staaten von Amerika a) Die einzelnen Dienste Die USA besitzen eine Vielzahl von Nachrichtendiensten, die als United States Intelligence Community bezeichnet werden.262 Derzeit existieren 16 Dienste.263 Angesichts dieser großen Zahl von Nachrichtendiensten ist eine vollständige Darstellung an dieser Stelle ebenso unmöglich wie unnötig, um einen Überblick über das Wesen der amerikanischen Nachrichtendienste zu erlangen.264 Näher betrachtet werden daher der Auslandsdienst CIA, die 261 Soweit in der folgenden Darstellung lediglich Verweise auf Literatur statt exakter Rechtsquellen angegeben sind, so sei bereits hier erklärt, dass in Bezug auf ausländische Nachrichtendienste geschriebene Rechtsquellen teils nicht zu finden waren. Dies liegt sowohl an den fehlenden Sprachkenntnissen des Russischen und des Arabischen der Verfasserin als auch dem Fehlen solcher Quellen. Bezüglich der geübten Praktiken muss daher auf Aussagen Dritter, die dem Geheimnisschutz selbst nicht unterliegen, vertraut werden. 262 Vgl. zum Beispiel der Buchtitel von Richelson: The U.S. Intelligence Community. Festzustellen ist, dass die USA im Vergleich zu den anderen Großmächten des 20/21. Jh. die kürzeste Nachrichtendienstgeschichte aufweisen. Selbst angesichts der vergleichsweise kurzen Existenz von 1776 kamen erst 1940 erstmals Diskussionen über einen Geheimdienst auf; Lowenthal, Intelligence, S. 12; im Vergleich hierzu führt er Großbritannien unter Elisabeth I. (1558–1603), Frankreich mit Kardinal Richelieu (1624–1642) und Russland mit Iwan, dem Schrecklichen (1533–1584) auf. 263 Vgl. Section 1073 des Intelligence Reform and Terrorism Prevention Act von 2004, der Paragraph (4) of section 3 of the National Security Act of 1947 (50 U.S. C. § 401 a) abändert. „The Office of the Director of National Intelligence, the Central Intelligence Agency; the National Security Agency, the Defense Intelligence Agency, the National Geospatial-Intelligence Agency. The National Reconnaissance Office, Other offices within the Department of Defense for the collection of specialized national intelligence through reconnaissance programs, the intelligence elements of the Army, the Navy, the Air Force, the Marine Corps, the Federal Bureau of Investigation, and the Department of Energy“. 264 Durch den „Intelligence Reform and Terrorism Prevention Act“ von 2004 wurde eine umgreifende Strukturreform durchgeführt, Betts, S. 124. Die amerikanischen Geheimdienststrukturen haben sich seit 2001 tiefgreifend verändert, eingeleitet durch die Empfehlung der 9/11-Kommission in ihrem Abschlussbericht; Ulfkotte, Geheimdienste, S. 180. Ursache sollen hierfür laut Lowenthal, Intelligence, S. 28 kumulativ die Ereignisse des 11. September 2001, der Bericht der 9/11-Kommission sowie das Fehlen von Massenvernichtungswaffen im Irak sein. Die Reform hat jedoch nur die Oberstruktur geändert, nicht hingegen die Funktionen der einzelnen Behörden, Lowenthal, Intelligence, S. 11, 28.

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste

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Abhörbehörde NSA, der militärische Dienst DIA und die Bundespolizeibehörde FBI. b) Aufgaben Die 1947 gegründete CIA (Central Intelligence Agency) ist heute der Auslandsnachrichtendienst der USA.265 Die NSA (National Security Agency) wurde 1952 gegründet266 und ist zuständig für die elektronische Aufklärung (SIGNIT267) und wird daher umgangssprachlich auch SIGNIT City genannt.268 Ihr soll auch das unter dem Codenamen bekannte Abhörsystem Echelon zur Verfügung stehen.269 Der militärische Nachrichtendienst DIA (Defense Intelligence Agency) von 1961 unterstützt das Verteidigungsministerium.270 Bei dem FBI (Federal Bureau of Investigation) handelt es sich um die zentrale Bundespolizei der USA, mit einem relativ geringen nachrichtendienstlichen Anteil, dessen Aufgaben mit Spionageabwehr, Gegenspionage und Terrorismusabwehr denen des deutschen Verfassungsschutzes ähneln.271 Die erste (separate) nachrichtendienstliche Einheit wurde erst 2003 gegründet.272 Die USA verfügen folglich über keinen gesonderten Inlandsnachrichtendienst.273 Bislang gab es eine Trennung (eine Mauer (the wall)) zwi265 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 84; Richelson, Century of Spies, S. 216. Laut Ledermann in: Berkowitz S. 69 wurde sie erst 1949 gegründet. Ihre ursprüngliche Hauptaufgabe war das Sammeln und Auswerten von Erkenntnissen, die andere Stellen gesammelt hatten; eigene Daten durfte sie nur insoweit erheben, als es sich um menschliche Quellen (HUMINT) handelte, Ledermann in: Berkowitz S. 69. Rechtsgrundlage ist der National Security Act von 1947, der zugleich die erste Rechtsgrundlage für einen amerikanischen Nachrichtendienst darstellte. Dies wurde offensichtlich von Riegel, RiA 1987, 121 (131) übersehen, da dieser Ausführungen zu vermeintlich fehlender Rechtsgrundlage der CIA in den USA macht. Denkbar wäre jedoch, dass 1987 diese Dokumente noch als Verschlusssache galten. 266 Richelson, U.S. Intelligence, S. 25, der hinzufügt, dass sie erst 1957 offiziell anerkannt wurde. 267 Zu den englischen Begrifflichkeiten siehe bereits Teil 1 Fn. 77. 268 Rechtsgrundlage ist für sie die NSCID 6 – National Security Council Intelligence Directive No. 6 vom 17. Januar 1972. 269 Siehe hierzu bereits S. 35. 270 U.S. Intelligence S. 44 ff.; gegründet am 01. August 1961 durch die Directive 5105.21. 271 Waske in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Engsberg, 278 (325); Peiffer, Zur Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendienste S. 55 (57) in: ND, Polizei und Verbrechensbekämpfung im Rechtsstaat; Lowenthal, Intelligence, S. 36. 272 Lowenthal, Intelligence, S. 37, 234. 273 Lowenthal, Intelligence, S. 234.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

schen den beiden FBI-Abteilungen, wobei diese gesetzlichen Zugangssperren (legal firewalls) nun aufgehoben wurden.274 c) Befugnisse Durch die Vielzahl der Dienste existieren diverse Dienste mit ähnlicher oder gleicher Tätigkeit. Die USA unterscheiden strikt zwischen dem Nachrichtendienstwesen im In- und im Ausland. Während alle innerstaatlichen nachrichtendienstlichen Tätigkeiten den US-Gesetzen entsprechen müssen, ist die Auslandstätigkeit wenig reglementiert, so dass den Diensten im Ausland Möglichkeiten zustehen, die ihnen im Inland untersagt sind.275 Der CIA ist inzwischen ausdrücklich die Auslandsspionage zugestanden, wohingegen Polizeibefugnisse im Inland ausgeschlossen sind.276 Dagegen ist ihr nicht jede Inlandstätigkeit untersagt. Nach der executive order 12333277 darf die CIA Informationen auch innerhalb der USA sammeln, solange die Tätigkeit nicht auf die Erkenntnisgewinnung über US-Bürger zielt. Die Erlangung von ausländischen Geheimdienstinformationen muss erwartet werden oder zumindest ein wesentliches Ziel (significant purpose) der Überwachung sein.278 Die Informationserhebung darf dabei sowohl dem Schutz der Vereinigten Staaten dienen als auch der Beschaffung von Informationen über fremde Mächte und Ho274 Während bislang (die letzten 20 Jahre) die nachrichtendienstliche Einheit von der polizeilichen streng getrennt war, soll in 2002 ein spezieller „federal appeal court“ entschieden haben, dass der USA Patriot Act diese Trennung („wall“) eliminiert habe, so dass es nun auch erlaubt ist, Informationen zwischen seiner Strafverfolgungsabteilung und der nachrichtendienstlichen Abteilung auszutauschen. Der US Patriot Act soll keine Trennung zwischen Strafverfolgung und Nachrichtendiensten dulden; Schild in: Jäger/Höse/Oppermann Transatlantische Beziehungen, 267 (276). Die Erkenntnisse aus FISA – Warrants dürfen auch im Strafprozess verwendet werden. Diese von den Gerichten bestätigte Auffassung wird auch verfassungsrechtlich als problematisch angesehen, Arzt in: Terrorismus und Rechtsstaatlichkeit, 241 (257). Siehe ebenfalls Todd/Bloch, Globale Spionage, S. 113. 275 Betts, S. 161. 276 Waske in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Engsberg, 278 (329); Richelson, US Intelligence, S. 13. 277 Executive order 12333 vom 04. Dezember 1981 – United States Intelligence Activities. Hierbei handelt es sich um eine Norm, die mit den deutschen Ministerialerlassen oder Verwaltungsvorschriften vergleichbar ist, siehe Arndt, DÖV 1986, 169. 278 50 U. S. C., Chapter 36, Subchapter I, § 1804 (a) (7) (A) und (B). Dass die Erlangung von ausländischen Informationen nicht lediglich ein Zweck, sondern bedeutsamer Zweck der Überwachung sein muss, wurde durch Section 218 US-Patriot Act „Foreign Intelligence Information“ in den FISA eingefügt. Siehe hierzu Schild in: Jäger/Höse/Oppermann, Transatlantische Beziehungen, S. 276, der zusätzlich anführt, dass im Jahr 2002 der Spezialgerichtshof für Bewilligung der Anträge allen 1228 Anträgen zugestimmt hatte, und es 2003 bereits 1727 Anträge waren.

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste

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heitsgebiete, die für die USA zum Zwecke der nationalen Verteidigung, für die nationale Sicherheit oder die Außenpolitik bedeutsam sind.279 Gesetzlich geregelt wurde die Informationssammlung im Inland erstmals Mitte der 70er Jahre durch den Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978 (FISA), der ein spezielles Verfahren zur Erlangung von einer Anordnung (warrants) für Überwachungen innerhalb der Vereinigten Staaten einführte.280 Er erlaubt „eine Überwachung des Fernmeldeverkehrs mittels elektronischer, mechanischer oder sonstiger Überwachungsvorrichtungen“, eine Überwachung des Postverkehrs ist dagegen nicht vorgesehen.281 Heute entsprechen die Eingriffsbefugnisse des FISA dem der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden weitgehend.282 Der FISA regelt neben Abhörmaßnahmen auch Auskünfte über Verbindungsdaten von Telekommunikationen sowie Durchsuchungen.283 Die Vielzahl der formellen Voraussetzungen zur Erlangung einer hierfür erforderlichen Anordnung soll in der Praxis durch die Verwendung von Standardformulierungen abgeschwächt sein.284 Das Gesetz gilt dagegen weder für Maßnahmen im Ausland noch für Maßnahmen im Landesinneren ohne Auslandsbezug.285 Insbesondere werden der CIA „action missions“, also aktive Maßnahmen, nachgesagt und, dass der Einfluss der CIA auf die Regierung mit keinem anderen Dienst weltweit vergleichbar sei.286 Die CIA soll auch illegale Aktivitäten im Ausland, insbesondere solche, die einer regulären Behörde verboten sind, durchführen, wie die Manipulation von Ereignissen im Ausland durch Propaganda, und weitere politische, wirtschaftliche und paramilitärische Aktionen, wie insbesondere das Training und die Ausstattung von größeren militärischen Einheiten zur Politikbeeinflussung anderer Staaten.287 Eine beliebte Methode im Kalten Krieg war die „gezielte Diskreditierung, 279

Arndt, DÖV 1986, 169 (171). Betts, S. 171; zur Rechtslage vorher, der Keith-Entscheidung des Supreme Court und zum Gesetzgebungsverfahren, siehe Beier, S. 110 ff. 281 Arndt, DÖV 1986, 169 (170). 282 Arzt in: Terrorismus und Rechtsstaatlichkeit, 241 (256). 283 Arndt, DÖV 1986, 169 (170). Für die Durchsuchung ist grundsätzlich ein richterlicher Beschluss (warrant) erforderlich, Arndt, DÖV 1986, 169 (170). Eine Überwachung ohne richterlichen Beschluss wurde durch den US Patriot Act von 2001 eingeführt; selbst wenn sich eine der Parteien innerhalb der USA aufhält, Betts, S. 174 mit den Argumenten zur Abänderung der FISA-Regeln; laut ihr „a clear contradiction to the FISA statute“. 284 Arndt, DÖV 1986, 169 (172). 285 Arzt in: Terrorismus und Rechtsstaatlichkeit, 241 (257); 50 U.S. C., Chapter 36, Subchapter I, § 1804 (a) (7) (A) und (B). 286 Vgl. hierzu Langkau, S. 180 mit Originalfundstellen. 287 Lowenthal, Intelligence, S. 17. Die CIA gilt als „Meisterin der Desinformation“, seit ihrer Gründung bis heute, Ulfkotte, Geheimdienste, S. 84. Ferner gibt es 280

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

der Rufmord.“288 Eine covert action ist im National Security Act definiert als eine Tätigkeit oder Tätigkeiten der amerikanischen Regierung, um politische, wirtschaftliche oder militärische Bedingungen im Ausland zu beeinflussen, wenn beabsichtigt ist, dass die Rolle der amerikanischen Regierung nicht ersichtlich ist oder öffentlich bestätigt wird.289 Sie benötigen ein sogenanntes Presidential finding, d.h. ein Dokument mit einer formellen, geschriebenen Billigung (approval).290 Auch innerhalb der USA sind diese Maßnahmen sehr umstritten.291 Im Zusammenhang mit covert action werden auch Ermordungen angeführt.292 Solche gelten seit 1976 offiziell als verboten, was nachfolgend mehrfach durch Erlasse bestätigt wurde.293 Dagegen verfügte Präsident George W. Bush in einer executive order von 2002, dass die CIA sich nicht an die Genfer Konventionen halte müsse.294 Einige Monate später soll das sogenannte „Bybee Memo“ die Befugnisse der CIA dahingehend erweitert haben, dass ihr „Methoden physischer und psychischer Folter“ ausdrücklich zugestanden wurden, „auch wenn sie ‚zum Versagen der Organe, einiger Körperfunktionen oder gar zum Tode führen‘ “ sollten.295 2005 gingen Bilder von Fotohandys um die Welt, die Folterpraktiken und „Verhör“techniken, wozu laut Angaben des US-Außenministeriums „leichte Schläge, Schlafentzug, ununterbrochenes Stehen, Aufenthalt in Kälteräumen und ‚waterboarding‘ “ zählen sollen296, aus Afghanistan, Irak und Guantanamo die Methode, Informationen über den Umweg des Auslands „ins eigene Land einzuschleusen“, Ulfkotte, Geheimdienste, S. 175. 288 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 94. 289 Section 503 e NSA 1947 [50 U.S. C. 413b] (a). 290 Lowenthal, Intelligence, S. 160. Der Kongress hat kein Mitspracherecht, abgesehen vom vorherigen Budgetrecht, es sei denn, ein spezifisches Gesetz regelt die Operation, Lowenthal, Intelligence, S. 161, zur Kontrolle siehe a.a.O., S. 161 f. 291 Lowenthal, Intelligence, S. 17. Daher wird inzwischen auch gerne der Begriff der „special activity“ genutzt, da dieser nicht so negativ belegt sei. Lowenthal, Intelligence, S. 157 betont, dass so ein Euphemismus durch den nächsten ersetzt wurde. 292 Lowenthal, Intelligence, S. 17. 293 Lowenthal, Intelligence, S. 170 f., der jedoch hinzufügt, dass im Rahmen der Cruise-missile-Attacken in Afghanistan 1998 und der Jagd auf Bin Laden seit 2001 Tötungen darüber gerechtfertigt wurden, dass die anvisierten legitimate combattant targets (zulässige Kampfziele) beziehungsweise infrastructure targets (Infrastrukturziele) Menschen waren. Siehe im Gegensatz hierzu die executive Order 12333 of Dec. 4, 1981, 2.11 Prohibition on Assassination. No person employed by or acting on behalf of the United States Government shall engage in, or conspire to engage in, assassination. Auch Waske vermutet, dass dieses Verbot seitdem modifiziert wurde, Waske in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Engsberg, 278 (328). 294 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 204. 295 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 208; McCoy, S. 105 ff. Das Memorandum wurde nach dem Staatssekretär des Justizministeriums Jay Bybee benannt.

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste

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Bay297 zeigten.298 Selbst wenn es sich hierbei um Einzelfälle handelt, wie behauptet wird, so ändert dies nichts an der Tatsache, dass dies tatsächlich praktiziert wurde. Auch die Diskussion vor dem amerikanischen Kongress im Jahr 2007, ob das angewandte Waterboarding Folter sei, zeigt, welch unterschiedliche Auffassungen hier möglich sind.299 Zuletzt ist noch die Praxis der sogenannten „renditions“ zu erwähnen.300 Dieser Begriff, der wörtlich Überstellung bedeutet, bezeichnet „Gefangenentransporte außerhalb eines rechtsförmlichen Verfahrens und unter möglicher Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtung“.301 Diese sind aber nicht nur völkerrechtlich wegen einer unter Umständen ungenehmigten Überquerung des staatlichen Luftraums problematisch302, sondern auch deswegen in der öffentlichen Diskussion, da die betroffenen Personen in ihre (Heimat-)Staaten überstellt wurden, häufig im Nahen Osten, in Kenntnis darüber, dass dort raue Behandlungen, wenn nicht gar Folter, üblich sind.303 Es ist zu hoffen, dass mit dem ausdrücklichen Folterverbot Obamas und der Schließung von Guantanamo auch diese Praxis beendet wird.304 296

Siehe Marx, KJ 2006, 151 (156). Guantanamo Bay bezeichnet ein Gebiet, welches 1903 nach dem spanisch-kubanischen Krieg durch die USA von Kuba gepachtet wurde und seitdem ausdrücklich unter der Jurisdiktion der USA steht. Heute wird die Bay als Hochsicherheitsgefängnis für Terrorverdächtige aus der ganzen Welt benutzt. Die große Bekanntheit hat dieser Ort insbesondere deswegen erlangt, da die USA die Auffassung vertreten, ihre Verfassung sei extraterritorial nicht anwendbar; soweit sonstige Menschenrechte anwendbar seien, würden sie durch das humanitäre Völkerrecht als lex specialis verdrängt und da es sich bei den Gefangenen um unlawful combattants (feindliche Kämpfer, siehe Marx, KJ 2006, 151) handele, fielen sie nicht unter den Schutz der Genfer Konventionen; vgl. hierzu Lorenz, S. 54 ff. Zu den in Guantanamo Bay angewendeten Verhörtechniken, siehe zum Beispiel Der Spiegel 26/2009, S. 89. 298 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 91; McCoy, S. 111 (129 ff.). Ferner sollen zwei „Folterhandbücher“ existieren, die auf die CIA zurückzuführen sein sollen: KUBARK – Counterintelligence Interrogation von 1963 sowie das Human Ressources Exploitation Handbuch von 1983 (auch KUBARK II genannt); siehe hierzu Ulfkotte, Geheimdienste, S. 206, McCoy, S. 36, 49 f., 67, sowie zu Details zum Handbuch von 1983, S. 66 ff. 299 Die Debatte über ein Verbot dieser Maßnahme wurde Anfang 2008 zunächst durch ein Veto des US-Präsidenten Bush beendet, siehe hierzu http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,540290,00.html, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. Zum inzwischen geltenden Folterverbot Obamas, siehe sogleich. 300 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 212. 301 BT-Drs. 16/800, S. 13. 302 Zu den Aspekten des Völkerrechts siehe S. 313 ff. 303 Lowenthal, Intelligence, S. 164. 304 Section 3 der executive order – review and disposition of individuals detained at the guantánamo bey naval base and closure of detention facilities vom 22. Januar 2009 von U.S.-Präsident Obama. 297

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

3. Großbritannien a) Die einzelnen Dienste Großbritannien unterhält drei große Nachrichtendienste, den SIS, den Security Service und den GCHQ. Daneben existiert noch der DIS für die militärische Aufklärung.305 b) Aufgaben Der zivile Auslandsdienst, SIS (Secret Intelligence Service), ist bekannter unter der Bezeichnung MI 6, welche ursprünglich die Kriegsbezeichnung für die Sektion 6 des militärischen Geheimdienstes war.306 Aufgabe des SIS ist die Erhebung, Auswertung und Weitergabe von Informationen bezüglich Tätigkeiten und Absichten von Personen außerhalb der britischen Inseln und die Ausübung von anderen Aufgaben in Bezug auf diese Tätigkeiten und Absichten der genannten Personen.307 Tätig werden darf er nur im Interesse der nationalen Sicherheit, im Interesse des wirtschaftlichen Wohls des Vereinigten Königreiches und zur Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden bei Verhinderung oder Aufklärung schwerer Verbrechen.308 Die GCHQ (Government Communications Headquarters) überwacht und stört elektromagnetische, akustische und andere Emissionen sowie Anlagen, von denen solche Emissionen ausgehen, um Informationen zu erlangen, gegebenenfalls zu entschlüsseln, und an die Armee, die Regierung, das Nordirland-Ministerium oder an andere, vom Premierminister genauer bezeichneten Organisationen weiterzugeben.309 Sie leistet diesen auch Hilfestellung zu (Fach-)Sprache und Verschlüsselungstechnik.310 Die Informationsbeschaffung darf der nationalen Sicherheit oder der Verhinderung oder Aufklärung von schweren Verbrechen dienen; soweit sie auf das wirtschaftliche Wohl des Vereinigten Königreiches zielt, darf sie sich nur auf Handlungen und Absichten von Personen außerhalb der Britischen Inseln beziehen.311 305 Die DIS (Defence Intelligence Staff) für militärische Aufklärung wurde 1964 gegründet und bündelt und analysiert Informationen, die sie an die jeweiligen „Bedarfsträger“ weitergibt, Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Großbritannien, S. 177 (178). 306 Waske in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Engsberg, 287 (288 f.). 307 Section 1 (1) (a, b) Intelligence Service Act von 1994. 308 Section 1 (2) (a) Intelligence Service Act 1994. 309 Section 3 (1) (a) Intelligence Service Act von 1994. 310 Section 3 (1) (b) Intelligence Service Act von 1994. 311 Section 3 (2) Intelligence Service Act von 1994.

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste

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Die Aufgaben des Inlandsnachrichtendienst, Security Service, auch MI 5, also die Sektion 5 des militärischen Geheimdienstes, genannt, besteht im Schutz der nationalen Sicherheit, insbesondere vor Spionage, Terrorismus und Sabotage, vor Aktivitäten ausländischer Agenten und vor Handlungen, die beabsichtigen, die parlamentarische Demokratie durch politische, industrielle oder gewaltsame Mittel zu stürzen oder zu unterwandern.312 Zusätzlich ist der Dienst zuständig für das wirtschaftliche Wohl des Vereinigten Königreichs gegen Bedrohungen durch Handlungen oder Absichten von Personen außerhalb der britischen Inseln sowie zur Unterstützung von Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden bei der Verhütung und Aufklärung von schweren Verbrechen.313 c) Befugnisse In den einzelnen Gesetzen findet sich wenig über die Befugnisse der Dienste. Allein im Rahmen der „warrants“ ist ausdrücklich geregelt, dass, wenn solche vorliegen, kein Betreten von oder Einwirkung auf Eigentum rechtswidrig sein soll.314 Weitere Befugnisregelungen sind in den einzelnen Nachrichtendienstgesetzen nicht zu finden. Ausführlich ist dagegen die heimliche Telekommunikationsüberwachung durch Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste in dem Regulation of Investigatory Powers Act von 2000 (RIPA) geregelt.315 Danach darf der zuständige Minister316 eine Vollmacht (warrant) zur Telekommuni312

Section 1 (2) Security Service Act 1989. Section 1 (3) Security Service Act 1989, Section 1 (4) Security Service Act von 1996. 314 Section 3 (1) Security Service Act 1989 („No entry on or interference with property shall be unlawful“). 315 Regulation of Investigatory Powers Act von 2000 (RIPA), 2000 Chapter 23. Schon vor Erlass soll es allgemein anerkannt gewesen sein, dass der Secretary of State das Recht hat, Post- und Telefonkontrollen anzuordnen, Rundel, S. 74; zu illegalen Abhörmaßnahmen der englischen Sicherheitsdienste, siehe das Malone-Urteil, EuGRZ 1985, 17. Der RIPA löste den Interception of Communications Act of 1985 vom 25. Juli 1985 ab, siehe hierzu Arndt, DÖV 1990, 467 ff. Daneben besteht noch eine separate Rechtsgrundlage für die Überwachung der drahtlosen Telegraphie, im Wireless Telegraphy Act von 1949. Die Anforderungen wurden jedoch durch den RIPA der Überwachung der Telekommunikation angepasst, jedoch sind diese nicht identisch. 316 Section 5 (1) (a) i. V. m. 5 (3) (a) (b) (c) RIPA. Die Bezeichnung in Section 5 (1) „secretary of state“ bedeutet, anders als im amerikanischen Sprachgebrauch, im britisch-englisch nicht Außenminister, sondern das jeweils zuständige Ministerium, siehe auch Interpretation Act 1978, Schedule 1 „Words and expressions defined“. Zuständig soll für Anträge des SIS und GCHQ der Außenminister beziehungsweise der Nordirlandminister sein, für Anträge des Security Service das Innenministerium, 313

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

kationsüberwachung ausstellen, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, zum Zwecke der Verhütung oder Aufklärung schwerer Verbrechen oder zum Zwecke des Schutzes des wirtschaftlichen Wohls des Vereinigten Königreiches erforderlich ist.317 Eine Individualkontrolle ist also unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.318 Im Fall der grenzüberschreitenden Kommunikation, sogenannte external communication, also wenn sich entweder Empfänger oder Sender nicht auf den britischen Inseln befindet319, genügt für die Überwachung eine Umschreibung des „überwachten Materials“. So ist auch eine strategische Kontrolle möglich.320 Diese Überwachungsart darf allerdings nicht dazu genutzt werden, um Einzelpersonen im Inland herauszufiltern.321 4. Russland a) Die einzelnen Dienste Mit dem Stichwort russischer Geheimdienst wird allgemein der 1954 gegründete Auslandsgeheimdienst KGB (Komitee für Staatssicherheit) verbunden.322 Nach dessen offizieller Auflösung 1991 entstand das erste Nachrichtendienstgesetz vom Parlament der Russischen Förderation.323 Man unterscheidet heute den Auslandsnachrichtendienst SVR, den militärischen Nachrichtendienst GRU und den Inlandsnachrichtendienst FSB.

siehe Hochreiter, S. 30 Fn. 90. Antragsberechtigt sind die Inhaber der in Section 6 (2) aufgelisteten Posten. Besondere Kritik erfährt der RIPA dadurch, dass die Zahl der Behörden, die so erlangte Informationen bekommen können, ständig erweitert wird: von ursprünglich 9 auf inzwischen 795 im Jahre 2008, darunter 475 „local councils“, also auch Gemeindeversammlungen. 317 Section 1 (5) b); 5 RIPA. Zu Fällen der Überwachung ohne warrant, siehe Section 1 (5) a), 3, 4 RIPA. 318 Siehe Section 8 RIPA. 319 Siehe Section 20 „external communication“ RIPA. 320 Vgl. hierzu Hochreiter, S. 33. Daneben können auch unter der Voraussetzung von Section 22 (a-h) RIPA Verbindungsdaten festgestellt und genutzt werden. Zahlen zur Telekommunikationsüberwachung durch die britischen Nachrichtendienste werden laut Hochreiter, S. 38 nicht veröffentlicht. 321 Section 16 RIPA, insbesondere (6 b). 322 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 251. 323 „Gesetz der russischen Föderation über die Auslandsaufklärung“ vom 8. Juli 1992. Hierzu und zum Folgenden siehe Kirpitschenko in: Smidt/Poppe/Krieger/ Müller-Engsberg, 151 ff.; Ulfkotte, Geheimdienste, S. 259 ff.

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b) Aufgaben Der Auslandsnachrichtendienst SVR (Slushba Vneishnei Rasvedki) wurde aus dem ehemaligen KGB ausgegliedert.324 Seine Aufgabe ist der Schutz von Individuen, der Gesellschaft und des Staates gegen Bedrohungen von außen.325 Er versorgt den Präsidenten, die Förderationsversammlung326 und die Regierung mit den für Entscheidungen notwendigen Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Verteidigung, Wissenschaft, Technik und Umwelt, sichert die Implementierung der russischen Sicherheitspolitik und unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt sowie die militärisch-technische Sicherheit der russischen Föderation.327 Auch der Inlandsnachrichtendienst Föderaler Sicherheitsdienst Russlands, FSB (Feralnaja Slubshba Bezopasnosti Rossijskoi Federazii) entstammt reformierten Einheiten des KGB. Er ist zuständig für die interne Spionageabwehr, die zivile Spionageabwehr und die innere Sicherheit.328 Der militärische Nachrichtendienst, der GRU (Glavnoie Rasvedyvatelnoie Upravlenie), blieb als einziger Dienst der Sowjetunion von deren Untergang unberührt, selbst sein Name ist unverändert erhalten.329 Die Aufgabe des GRU ist die nachrichtendienstliche Beschaffung aller militärisch relevanten Informationen sowie die Spionageabwehr innerhalb der russischen Streitkräfte. Der GRU soll über circa 80 eigene Satelliten im All, Bodenstationen in Kuba330, Südjemen und Vietnam sowie diverse Aufklä324 Der SVR entspricht dem „First Chief Directorate (Foreign)“ des KGB; laut Lowenthal, Intelligence, S. 301. Er wurde durch das Präsidentialedikt No. 293 vom 18. Dezember 1991 als unabhängige Einheit eingerichtet. 325 Art. 1 „On Foreign Intelligence“, Russian Federation Federal Law No. 5 Adopted by the State Duma on 8 December 1995 Signed by Russian Federation President B. Yeltsin on 10 January 1996. 326 Offizielle Bezeichnung des russischen Parlaments. 327 Art. 5 „On Foreign Intelligence“ des Russian Federation Federal Law No. 5 Adopted by the State Duma on 8 December 1995 Signed by Russian Federation President B. Yeltsin on 10 January 1996. 328 Lowenthal, Intelligence, S. 301 f.; siehe Section 6 des Statute on Federal Security Service of Russian Federation and Structure of Federal Security Service Agencies, Approved by Presidential Edict No 960 of 11 August 2003, signed by V. Putin, President of Russian Federation. 329 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Russland, S. 387 (388). Rechtsgrundlage des GRU sind folgende Bundesgesetze „On Foreign Intelligence“, „On Defense“ and „On Security.“ 330 Im Jahr 2001 hat Präsident Putin jedoch angekündigt, dass mit Lourdes auf Kuba die größte SIGNIT-Einrichtung Russlands geschlossen würde, Lowenthal, Intelligence, S. 302.

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rungsschiffe verfügen.331 GRU und SVR sind beide für die Auslandsaufklärung zuständig.332 c) Befugnisse Der Auslandsnachrichtendienst darf seine Quellen nur auf freiwilliger Basis anwerben.333 Er ist befugt, offene und verdeckte Maßnahmen und Mittel zu ergreifen, wie zum Beispiel die Nutzung von Informationssystemen, Ton- und Videoaufzeichnungen, Fotographien sowie anderer Methoden, soweit diese weder dem menschlichem Leben, der Gesundheit noch der Umwelt schaden.334 Der Auslandsnachrichtendienst darf nicht gegen russische Bürger auf russischem Territorium vorgehen.335 Dem FSB sollen weitreichende Befugnisse zukommen: er darf als Inlandsnachrichtendienst auch Auslandsspionage betreiben und er soll auch eigene Untersuchungsgefängnisse unterhalten.336 Er darf Emails lesen, Telefone abhören, andere Kommunikationsformen überwachen und Privateigentum ohne Gerichtsbeschluss in Notfällen betreten, wenn die Begehung eines schweren Verbrechens droht oder die politische, militärische oder wirtschaftliche Sicherheit Russlands oder die Sicherheit der Umwelt bedroht ist.337 Zu seinen Aktivitäten sollen neben der Desinformation und sonstigen aktiven Maßnahmen auch Ermordungen, welche „slubscha A“ und „nasse Sache“ genannt werden, zählen, zwar nicht mehr im Ausland, aber innerhalb Russlands.338 331

Schlomann, S. 12 f. Baud, Encyclopédie, Stichwort Russie, S. 428 (429 f.). 333 Art. 6 des Gesetzes „On foreign Intelligence“ Russian Federation Federal Law No. 5, adopted by the State Duma on 8 December 1995, Signed by Russian Federation President B. Yeltsin on 10 January 1996. 334 Art. 13 Abs. 2 a. a. O. 335 Art. 13 Abs. 4 a. a. O. 336 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Russland, S. 387 (388); Ulfkotte, Geheimdienste, S. 269. 337 Gesetz vom 12. August 1995. In diesen Fällen muss innerhalb von 24 Stunden ein Richter benachrichtigt werden und innerhalb von 48 Stunden muss ein Richterbeschluss ergehen, der die Aktion bestätigt oder beendigt. 338 Laut Lowenthal, S. 303 ist es auch 2006 noch unbekannt, ob die russische Politik sich insoweit geändert hat. Bekanntestes Attentat war die Ermordung von Stalins ehemaligem Rivalen, Leon Trotzky in Mexiko Stadt 1940. Darüber hinaus wird gemunkelt, russische Dienste könnten hinter dem Attentatversuch auf Papst Johannes Paul II. von 1981 stehen. Bis 1968 waren politische Morde angeblich verboten. Schlagzeilen machte der FSB 2006 wieder wegen der geheimnisumwitterten Tode von Anna Stepanova Politkovskaya (7. Oktober 2006) und Alexander Litvinenko (23. November 2006). 332

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5. Israel a) Die einzelnen Dienste Israel besitzt ebenfalls drei Nachrichtendienste, den Inlandsnachrichtendienst GSS, den Auslandsnachrichtendienst Mossad und den militärischen Dienst AMAN. Aufgrund der seit der Staatsgründung bestehenden konstanten Sicherheitsbedrohungen Israels sind die Nachrichtendienste von höchster Bedeutung für die Sicherheit des Landes. Die Folge hiervon sind sehr weitgehende Befugnisse der Dienste sowie eine sehr hohe Akzeptanz dieser in der Bevölkerung.339 b) Aufgaben Der erste Nachrichtendienst von Israel wurde 1948 gegründet und ist der General Security Service (GSS), auch bekannt unter seinem hebräischen Akronym Shin Beth340 oder Shabak.341 Als Inlandsnachrichtendienst ist er zuständig für die Spionageabwehr und die innere Sicherheit, wozu Terrorismusbekämpfung, Personenschutz sowie der Schutz wichtiger Institutionen zählen.342 Der Auslandsgeheimdienst, Mossad (dessen vollständiger Name ‚Mossad le’Mode’in ve’leTafkidim Meyouchadim‘ lautet, was soviel wie ‚Zentralinstitut für Aufklärung und besondere Aktivität‘ bedeutet und Mossad allein ‚Institut‘ bedeutet343) existiert seit 1949.344 Er ist für die Nachrichtenbeschaffung sowie Geheimaktionen und Terrorismusbekämpfung zuständig.345 Aufgabe des militärischen Nachrichtendienst AMAN (als hebräisches Akronym für Agaf ha-Modi’in) ist die Sammlung von Erkenntnissen über die militärischen Fähigkeiten anderer Staaten, vor allem der der arabischen Nachbarländer. 339

Hirsch, S. 218 f. Schin Bet ist die Kurzbezeichnung des israelischen Inlandsgeheimdienstes. Schin und Bet sind die Anfangsbuchstaben von Scherut Bitachon (deutsch: Sicherheitsdienst). Der eigentliche Name des Geheimdienstes ist Schabak, ein Akronym für Scherut haBitachon haKlali (deutsch: Allgemeiner Sicherheitsdienst). 341 Hierzu und zum folgenden siehe Shpiro in: Smidt/Poppe/Krieger/MüllerEngsberg S. 196 ff. 342 Siehe Art. 7 des General Security Service Law, 5762-2002. 343 Baud, Encyclopédie, Stichwort Mossad, S. 344, Lowenthal, Intelligence, S. 298. 344 Offiziell am 01. April 1951 geschaffen. 345 Lowenthal, Intelligence, S. 298. 340

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

Schon diese kurze Darstellung zeigt, dass es bei den Aufgaben der Dienste Überschneidungen gibt, was in der Praxis kaum zu Problemen führen soll, da die Zusammenarbeit der israelischen Dienste untereinander im weltweiten Vergleich sehr gut sein soll.346 Eine Besonderheit der israelischen Dienste ist, dass sie allesamt durch (Organisations-)Erlasse der Regierung gegründet wurden.347 Gesetzliche Regelungen im engeren Sinne werden erst nach Abschluss des Friedensprozesses mit den benachbarten Staaten als möglich erachtet.348 Einzig der GSS wurde 2002 auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. c) Befugnisse Mangels gesetzlicher Grundlagen wird über die Befugnisse der israelischen Nachrichtendienste viel spekuliert. Dem Mossad wird nachgesagt, er gehe mit „unnachgiebiger Härte an allen Plätzen der Welt und mit allen – auch illegalen – Mitteln gegen die Staatsfeinde Israels vor“ und sei „erfolgreich“ wie kein anderer Geheimdienst, Fehlschläge gäbe es nicht.349 Israelische Dienste sollen eine Vielzahl von covert actions, darunter auch Entführungen und Attentate, im Ausland durchgeführt haben.350 Bekannt wurde die Eichmann-Affäre351 sowie die Tötung derjenigen Terroristen, die die israelischen Athleten bei den olympischen Spielen 1972 in München töteten.352 Der Mossad erlangte seine Erkenntnisse auch durch den Einbau von militärischer Elektronik in zivile Produkte.353 Shpiro führt an, dass viel Wert darauf gelegt wird, dass die Nachrichtendienste innerhalb der Grenzen des 346

Ulfkotte, Geheimdienste, S. 53. Wieck, S. 40 f. Hirsch, S. 219 (Kabinettsbeschluss). 348 Wieck, S. 41; nach Lowenthal, Intelligence, S. 298 wurde 2004 durch das Justizministerium und den Mossad versucht, ein Gesetz über letzteren zu erarbeiten, welches seine Aufgaben, Ziele und Befugnisse zum ersten Mal festlegen sollte. Das Gesetz sollte sowohl seine Unterordnung unter die Regierung, die Kontrollmechanismen als auch die Art der Bestimmung des Präsidenten des Mossad festlegen. Bislang gelten die Bemühungen aber als gescheitert. 349 Vgl. Ulfkotte, Geheimdienste, S. 53, wobei er hinzufügt, dass es sich hierbei aus heutiger Sicht um Mythen handele, a. a. O., S. 81. 350 Lowenthal, Intelligence, S. 298; Waske in: Smid/Poppe/Krieger/Müller-Engsberg, S. 278 (295). 351 Adolf Eichmann, der 1960 in Argentinien entführt wurde, war verantwortlich für die Implementierung von Hitlers „Endlösung“. Er wurde nach Israel verbracht und dort hingerichtet. 352 Sowie die Tötung eines unschuldigen Marokkaners in Norwegen, Lowenthal, Intelligence, S. 300; Ulfkotte, S. 70 f. 347

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geltenden Rechts operieren.354 Verstoßen sie aber dennoch hiergegen, so steht zumindest dem GSS ausdrücklich Immunität zu.355 Der GSS besaß lange keine Exekutivbefugnisse. Diese standen allein der Polizei, in den besetzten Gebieten der Armee zu.356 Seit 2002 stehen ihm jedoch zur Verfolgung und Verhinderung von illegalen Aktivitäten, die die Staatsicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Institutionen der Demokratie beeinträchtigen, zum Schutz von der Regierung bestimmten Personen, Informationen und Plätzen und für bestimmte, von der Regierung festgelegte Aktivitäten Polizeibefugnisse zu.357 Als Folge eines Urteils des Obersten Gerichtshofes wurde im September 1999 die Anwendung eines „maßvollen körperlichen Zwangs“ bei Verhören verboten.358 Im aktuellen GSS-Gesetz fehlt eine ausdrückliche Regelung. Die zulässigen Maßnahmen werden allein in einer Ministeranordnung aufgeführt, die, wie in Deutschland, Verschlusssache sind. Erlaubt soll jedoch „[s]anfte Gewalt“ sein.359 Worin nun der Unterschied zu der vorherigen Regelung bestehen soll, bleibt unklar.

353 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 69, der darlegt, dass zum Beispiel die Technik der Anrufbeantworter und der Rufweiterleitung ursprünglich aus israelischer Militärproduktion stammen. 354 Shpiro in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Engsberg, S. 196 (198 ff.) Als Konsequenz der Tubianski-Affäre (siehe a. a. O.) von 1948 soll die Achtung des geltenden Rechts besonders wichtig geworden sein, weshalb auch spezielle Gesetze geschaffen werden sollten und eine besondere Kontrolle der Dienste eingeführt wurde. Per Gesetz von 1993 wurden ihm Misshandlungen von Gefangenen verboten, Baud, Encyclopédie, Stichwort Shabak, S. 466 (467). 355 Art. 18 GSS-Law, Restriction of Liability. Hierbei handelt es sich um eine der beiden im Rahmen des 10-jährigen Gesetzgebungsverfahrens stark umstrittenen Vorschriften. 356 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 54. 357 Art. 8 (b) des GSS Law von 2002. 358 Supreme Court of Israel, sitting as the High Court of Justice, 5100/94 u. a., Urteil vom 6. September 1999, abrufbar unter http://www.derechos.org/humanrights/mena/doc/torture.html, zuletzt abgerufen am 26. April 2011. In seinem Bericht vom September 2003 wies der Sonderberichterstatter der UN-MenschenrechtsKommission (UNCHR) auf Schwierigkeiten hin, zu einer genauen Bewertung der Lage zu gelangen, weil ihm nicht gestattet worden sei, israelische Gefängnisse zu besuchen oder mit Beamten zu sprechen, die bei der Prüfung der Richtigkeit dieser Vorwürfe hätten behilflich sein können; Länderbericht Israel der Europäischen Kommission vom 12. Mai 2004 COM(2004)373 final, abrufbar unter http://ec.europa.eu/ world/enp/pdf/country/israel_enp_country_report_2004_de.pdf. 359 Zum ganzen siehe Waske in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Engsberg, 278 (294).

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

6. Frankreich a) Die einzelnen Dienste Die Geheimdienstlandschaft von Frankreich wird, wegen der Vielzahl von Nachrichtendiensten, häufig als unübersichtlich bezeichnet.360 Nachfolgend werden nur der Inlandsnachrichtendienst DRI, der Auslandsnachrichtendienst DGSE und der militärisch Dienst DRM dargestellt. Die Nachrichtendienste werden üblicherweise unter der Bezeichnung „Renseignement“ (zu deutsch: Auskunft; Erkundigung) zusammengefasst. b) Aufgaben Die vier Hauptaufgaben des Inlandsnachrichtendienstes DRI (Direction Centrale du Renseignement Intérieure) sind der Schutz der nationalen Sicherheit vor ausländischen Organisationen sowie vor subversiven Bestrebungen, die die nationale Sicherheit beeinträchtigen können, die Verhinderung oder Verfolgung von Terrorismus oder sonstigen Angriffen auf die Autorität des Staates oder den Geheimschutz (secret de la défense nationale) und das wirtschaftliche Vermögen.361 Außerdem nimmt sie an der Kommunikationsüberwachung und der Bekämpfung von mit Kommunikation verbundener Kriminalität teil.362 360 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Frankreich, S. 148; im Folgenden werden daher nur die größten Dienste beschrieben. Für einen umfassenderen Überblick siehe Cécile, Renseignement, S. 113; Segell, 35 (36). Seit langem besteht eine Zweiteilung zwischen Diensten, die dem Innenministerium zugeordnet sind und Diensten, die dem Verteidigungsministerium zuzuordnen sind, Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Frankreich, S. 148. 361 Art. 1 des Dekret 2008-609 vom 27. Juni 2008. 362 Art. 1 des Dekret 2008-609 vom 27. Juni 2008. Die DRI ist 2008 aus der Zusammenlegung der beiden bislang größten Dienste, der DST (Direction de la Surveillance du Territoire) und der RG (Renseignement Général), entstanden. Lediglich ein Teilbereich der ehemaligen DST, der etwa 20% ihrer Aufgaben ausmacht, wurde ausgegliedert und wird nun separat weitergeführt. Die Schaffung der DST, welche zugleich Teil der Polizei war, realisierte seinerzeit die Aufgabentrennung der französischen Dienste in interne und externe Aufgaben, siehe Décret nº82-1100 du 22 décembre 1982 fixant les attributions de la direction de la surveillance du territoire, version consolidée au 26 mai 2008 sowie Art. 1, 5 du Décret no 95-44 du 16 janvier 1995 portant création à la direction générale de la police nationale de la direction de l’administration de la police nationale et de la direction centrale des renseignements généraux et modifiant le décret no 85-1057 du 2 octobre 1985 relatif à l’organisation de l’administration centrale du ministère de l’intérieur. Siehe hierzu auch Ulfkotte, Geheimdienste, S. 224. Die DST rühmt sich, als einziger abendländischer Dienst noch keinen „Maulwurf“, also keine undichte Stelle, in seinem Dienst gehabt zu haben, Cécile, Renseignement, S. 33.

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste

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Der Auslandsgeheimdienst, die DGSE (Direction Générale de Sécurité Extérieure), ist dem Verteidigungsministerium unterstellt und zuständig für die Sammlung und Auswertung aller die französische Sicherheit betreffenden Informationen und für Gegenspionage.363 Der militärische Dienst, DRM (Direction de Renseignement Militaire), ist Teil der Streitkräfte und zuständig für die Suche und Auswertung von Informationen von militärischem Interesse.364 Im Unterschied zur DGSE beschränkt er sich auf die Analysetätigkeit und leistet keine operative Arbeit.365 c) Befugnisse Über die Befugnisse der französischen Nachrichtendienste existieren keine expliziten gesetzlichen Regelungen. Den Rechtsgrundlagen lässt sich zumindest entnehmen, dass eine technische Überwachung ausgeübt wird.366 Die DGSE ist befugt, im Rahmen ihrer Aufgaben, jede von der Regierung gestellte Aufgabe zu erfüllen.367 Aus den Darstellungen in der Literatur ist erkennbar, dass zumindest folgende Mittel angewendet werden: Beschattungen, heimliche Hausdurchsuchungen, Abhörmaßnahmen und das Abfangen von Briefen.368 Ob diese Methoden allerdings legal oder illegal sind, ist umstritten.369 Diese Unsicherheit wird verständlich, wenn man berücksich363 Gesetzliche Grundlage ist das Décret nº82-306 du 2 avril 1982 portant création et fixant les attributions de la direction générale de la sécurité extérieure, version consolidée au 26 mai 2008. Auch Schwimmbad „La Piscine“ genannt, weil sich die Räumlichkeiten 141, Boulevard Mortier im XX. Arrondissement befinden, in der Nähe des Piscine des Tourelles, dem Schwimmbad des französischen Schwimmverbandes, siehe Cécile, Renseignement S. 17; Segell, 35 (37 f.); Ulfkotte, Geheimdienste, S. 223. Die Vorgängerbehörde SDECE war nach Fromont, S. 153 wohl zugleich Strafverfolgungsbehörde. Bekannt wurde der französische Nachrichtendienst DGSE durch eine Affäre rund um die Rainbow Warrior, Baud, Encyclopédie, Stichwort Rainbow Warrior, S. 386 f. 364 Dekret vom 21. Mai 2005, Wieck, S. 39. Laut Segell, 35 (42) wurde sie durch Dekret Nr. 92-523 des Verteidigungsministeriums vom 16. Juni 1992 gegründet, wonach das Direktorat mit der Planung, Koordinierung und Leitung von Ermittlungen und dem Nutzen (use) von militärischer Intelligence beauftragt wurde. 365 Segell, 35 (42). 366 Art. 7 des Arrêté vom 04. Dezember 2002 über die Organisation der DGSE sowie das Dekret über die DRI. Ferner das Loi nº91-646 du 10 juillet 1991 relative au secret des correspondances émises par la voie des communications électroniques. 367 Art. 3 du Décret nº82-306 du 2 avril 1982 portant création et fixant les attributions de la direction générale de la sécurité extérieure, version consolidée au 26 mai 2008. 368 Zitiert nach Cécile, Renseignement, S. 75. 369 Cécile, Renseignement, S. 75 ff. m. w. N.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

tigt, dass weder Datenerhebung noch die -verarbeitung spezifischen gesetzlichen Regelungen unterliegen.370 Es existieren nur Dekrete sowie interne, geheime Anweisungen.371 Da DST und DGSE im Ausland tätig sein durften372, gilt dies heute wohl auch für die DRI fort. Alle französischen Nachrichtendienste verfolgen Angelegenheiten, die intern begonnen haben, im Ausland weiter.373 7. Zusammenfassung Die Hauptunterschiede zu den deutschen Diensten sind daher folgende: Der Aufgabenkatalog des BfV ist in hohem Maße identisch mit anderen Inlandsnachrichtendiensten.374 Im Übrigen erscheinen aber die Aufgabenzuweisungen ausländischer Nachrichtendienste deutlich weiter gefasst; so wird häufig auch das wirtschaftliche Wohl in den Aufklärungsbereich mit einbezogen. Die Befugnisse sind selten normiert; wenn sie ausdrücklich normiert sind, sind diese sehr weitreichend. Allenfalls im Bereich der Telekommunikationsüberwachung finden sich Regelungen, die dem G10 ähneln, so etwa in Großbritannien und in den USA. Gemeinsam soll allen Nachrichtendiensten nach Ulfkotte sein, dass auch Geheimdienste in Demokratien regelmäßig und das seit Jahrzehnten, rechtswidrige Handlungen vornehmen.375 Jedenfalls hat die Darstellung gezeigt, dass nicht ausgeschlossen ist, dass ausländische Nachrichtendienste Methoden anwenden, die zwar für diese innerstaatlich als rechtmäßig gelten, mit deutschen Wertungen aber grundlegend kollidieren. Eine klare Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ist nicht in allen Staaten verwirklicht, so dass z. B. dem GSS in Israel Polizeibefugnisse zustehen. 370

Warusfel in: Lacoste, 393 (401 f.). Warusfel in: Lacoste a. a. O. 372 Cécile, Renseignement, S. 22; Warusfel in: Lacoste, 393 (397 f.) unter Bezugnahme auf die Affäre „Farewell“. 373 Cécile, Renseignement, S. 33. 374 Laut Droste, S. 304. 375 Ulfkotte, Geheimdienste, S. 346. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass in Deutschland Nachrichtendienstmitarbeiter damit rechnen müssen, öffentlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Während andere Regierungen im Falle von öffentlich bekannt gewordenen Aktionen ihre Dienste schützen, soll dies in Deutschland seit 1949 kaum oder gar nicht der Fall sein. Dies soll auch Ursache für eine „oft beschriebene“ geringe Motivation der deutschen Dienste sein, Roewer/Schäfer/ Uhl, Lexikon, Stichwort Plausibles Dementi, S. 350. 371

C. Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste

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Auch die Stellung der Nachrichtendienste variiert. So ist das Ansehen der israelischen Nachrichtendienste nicht mit dem der deutschen vergleichbar. Im internationalen Vergleich zeigt sich jedoch, dass die deutschen Nachrichtendienste als vorbildlich eingestuft werden376 und sich durch klare Befugnisregelungen und mannigfaltige Kontrollmechanismen auszeichnen. In der weiteren Untersuchung wird nun zu prüfen sein, wie sich diese Unterschiede auf die Verwertung von ausländischen Erkenntnissen im deutschen Strafverfahren auswirken.

II. Datenerhebung ohne vorangegangenes Ersuchen Diese Art der Datenerhebung ist dadurch gekennzeichnet, dass der ausländische Nachrichtendienst, mangels vorangegangenem Ersuchen, nach seinen eigenen Gesetzen oder sonstigen Regelungen vorgeht. Stößt er so auf Erkenntnisse, die von Interesse für ein deutsches Verfahren oder für einen deutschen Nachrichtendienst sein können und übermittelt diese, stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit dieser Informationen im deutschen Strafprozess. Die Besonderheit hierbei ist, dass die Datenerhebung im Ausland regelmäßig schon abgeschlossen ist. Eine Einflussnahme deutscher Behörden auf das Ob und Wie der Ermittlungen ist daher ausgeschlossen. Der übermittelnde Dienst wird zudem häufig von der möglichen Zweckbindung der Daten in Form der Spezialität Gebrauch machen.377 Der Rückgriff auf durch ausländische Nachrichtendienste zur Verfügung gestellte Informationen bildet in Terrorismusverfahren den Regelfall.378 1. Verwertbarkeit von Auslandsbeweisen Die grundsätzliche Verwertbarkeit von ausländischen Beweisen im deutschen Verfahren wird von der Rechtsprechung anerkannt.379 Die Beweisverwertung selbst stellt einen deutschen Staatsakt dar, und daher richtet sich 376

Riegel, G10, Vorbem. Rn. 39; EGMR NJW 1979, 1755 (Klass-Urteil) mit zust. Anmerkung Arndt, NJW 1979, 1760; abl. dagegen Schwan, NJW 1980, 1992 ff. 377 Vgl. BGHSt 34, 334 (344). 378 Griesbaum, DJT 2008, L 28. Ob ein besonderes Rechtshilfeabkommen besteht, ist hierfür irrelevant, da es völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist, dass jeder Staat jedem Staat Rechtshilfe leisten darf, Vogel in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 1 IRG Rn. 25. 379 RGSt 11, 391 ff.; 40, 190; 46, 52; BGHSt 1, 221; 2, 304; 7, 16.

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die Beurteilung der Frage, ob ein Beweismittel verwertbar ist, wie zum Beispiel die Verlesbarkeit eines Protokolls, nach deutschem Recht.380 Die Rechtmäßigkeit der Erhebung ist auch durch das inländische Gericht zu überprüfen.381 Es ist daher nur konsequent, die bisherigen Kategorien von Verwertungsverboten, nämlich die unselbstständigen und selbstständigen Verwertungsverbote auch hinsichtlich der Verwertung von Auslandserkenntnissen anzuwenden.382 Rechtsgrundlage ist auch hier § 244 StPO.383 Die Vorschriften über die Rechtshilfe enthalten selbst im europäischen Raum regelmäßig keine Regelungen über die Verwertbarkeit.384 2. Dogmatik der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote Für das Vorliegen eines unselbstständigen Beweisverwertungsverbotes ist als Anknüpfungspunkt für die erforderliche Abwägung ein Rechtsverstoß bei der Beweiserhebung erforderlich. Diese Unrechtmäßigkeit könnte sich nun aus einem Verstoß gegen das ausländische Recht ergeben, an welches die (ausländische) Erhebungsbehörde gebunden ist. Alternativ könnte man das deutsche Recht als Anknüpfungspunkt wählen und aus Sicht der deutschen Vorschriften fragen, ob hätte die Beweiserhebung, so wie sie tatsächlich abgelaufen ist, in Deutschland stattgefunden, das Beweisergebnis im Prozess verwertet werden darf. Die besondere Relevanz der Wahl des Anknüpfungspunktes wird vor dem Hintergrund des durchgeführten Rechtsvergleichs deutlich. Hierbei fiel auf, dass die ausländischen Staaten regelmäßig über weniger oder zumindest häufig detailärmere Regelungen als Deutschland verfügen. Ein hypothetischer Vergleich der Datenerhebung mit einer deutschen Datenerhebung 380 BGH GA 1976, 218 (219); NStZ 1985, 376; NStZ 1992, 394; Nagel, S. 308; Eisenberg Rn. 358 b; KK/Diemer § 251 Rn. 20 f.; KMR/Eschelbach, StPO, § 223 Rn. 92, 95; Wohlers, NStZ 1995, 46; Scheller, S. 95; Gleß, FS Grünwald, 202; Böse, ZStW 114 (2002), 148 (149); Rose, S. 228; Schnorr von Carolsfeld, FS Maurach, 615; Wilkitzki in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 68 IRG Rn. 14 ff.; Schomburg/ Hackner in: Schomburg/Lagodny, Vor § 68 IRG Rn. 11; a.A. BGH bei Holtz MDR 1984, 444. 381 Perron, ZStW 112 (2000), 202 (219); BayObLG, JR 1985, 477. Zur Möglichkeit zur Feststellung des tatsächlichen ausländischen Rechts, Schomburg/Hackner in: Schomburg/Lagodny Vor § 68 IRG Rn. 14 b ff. 382 So bereits Schuster, S. 97 ff. 383 Vgl. oben Seite 142. 384 Ausnahme hiervon ist zum Beispiel Art. 13 EU-RhÜbk, der in Abs. 10 zumindest einen Teil der Verwertung regelt, vergleiche auch Gleß in: Schomburg/Lagodny, III B Art. 13 Rn. 10 f.; zu Regelungsideen auf EU-Ebene, siehe Gleß, Beweisrechtsgrundsätze, S. 165 ff.

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wird dazu führen, dass diese nicht rechtmäßig wäre, da mit hoher Wahrscheinlichkeit einzelne der detailliert geschriebenen Voraussetzungen des deutschen Rechts nicht erfüllt wären. Dies würde dann vor allem bei materiellen Rechtsverstößen zu zahlreichen Verwertungsverboten führen.385 Betrachtet man dagegen allein die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung im ausländischen Recht, so sind die Erkenntnisse, wie auch im innerstaatlichen Verfahren, schon dann verwertbar, wenn die vorgegebenen, oft geringeren, ausländischen Voraussetzungen gewahrt wurden. Der Schwerpunkt der Beurteilung liegt dann auf der Kontrolle durch die selbstständigen Verwertungsverbote. a) Keine hypothetische Anwendung des deutschen Rechts Von den Vertretern der These, es komme auf die hypothetische Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung bei gedachter Anwendbarkeit des deutschen Rechts für die Beurteilung derselben an, werden hierzu verschiedene Argumente angeführt, die jedoch bei näherer Betrachtung nicht überzeugen können. aa) Bedeutungsgehalt des deutschen Rechts als Abwägungsfaktor Böse führt ins Feld, dass nach der Gegenauffassung dem ausländischen Recht nur Bedeutung als Abwägungsfaktor zukäme.386 Nach seiner Ansicht, nämlich dass sich die Beurteilung einer Maßnahme anhand deren hypothetischer Rechtmäßigkeit nach deutschem Recht zu richten habe, kommt dem ausländischen Recht jedoch gar keine Bedeutung zu, so dass diese Kritik ins Leere geht. Außerdem ist schon die These selbst, dem ausländischen Recht käme nur eine Bedeutung als Abwägungsfaktor zu, nur teilweise richtig. Ob sie überhaupt als Argument gegen die Berücksichtigung des ausländischen Rechts tauglich ist, ist also zu untersuchen. Wurde das ausländische Recht nämlich beachtet, so ist dies insofern von Belang, als unselbstständige Beweisverwertungsverbote ausscheiden, so dass lediglich die abgeschwächte Kontrolle der selbstständigen Beweisverwertungsverbote greifen kann.387 Es findet folglich keine Abwägung statt, 385 Weil Beweisverwertungsverbote häufige Folge dieser Verstöße sind, siehe S. 201 ff. 386 Böse, ZStW 114 (2002), 148 (151 f.). 387 Abgeschwächt deswegen, weil nur eine ordre-public-Kontrolle greift, siehe hierzu ausführlich S. 360 ff.

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so dass schon insofern Böses Aussage relativiert wäre. Wird das ausländische Recht hingegen verletzt, so ist es richtig, dass der Verstoß nur dann Relevanz erlangt, wenn er hinreichend schwer wiegt, so dass aus ihm ein Beweisverwertungsverbot folgt. Insoweit stellt das ausländische Recht einen Abwägungsfaktor dar. Dies entspricht aber exakt der Rolle des deutschen Rechts bei der Beurteilung der Fehlerfolge im Rahmen der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote.388 So geht Böses Kritik ins Leere, wenn man ihm nicht unterstellen will, dass er den grundsätzlichen Ansatz, dass nicht jeder Verfahrensfehler zu einem Beweisverwertungsverbot führt, anzweifelt. Denn nur, wenn man aus jedem Fehler konsequent ein Verwertungsverbot ableiten wollte, käme man zu dem Resultat, dass das einschlägige Recht nicht lediglich einen Abwägungsfaktor darstelle. Dies fordert Böse jedoch, soweit ersichtlich, zu Recht nicht. Bestehende Wertungswidersprüche zwischen der ausländischen Verfahrensordnung und den deutschen Minimalanforderungen in Gestalt des ordre public389 lassen sich durch selbstständige Beweisverwertungsverbote kompensieren.390 bb) Internationales Strafrecht Keller will die Anwendung des inländischen Verfahrensrechts mit dem internationalen Strafrecht, also mit den §§ 5 bis 7 StGB begründen. Diese zeigten, dass das deutsche Strafrecht weltweit gelte und dass dies auch für das Verfahrensrecht zutreffe, entsprechend dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass das Verfahrensrecht der Anwendung des internationalen Strafrechts nachfolge.391 Eine Lösung für das vorliegende Problem lässt sich hieraus jedoch aus zwei Gründen nicht ableiten. Die Anwendung des deutschen Verfahrensrechts, was die Verwertung betrifft, steht gar nicht in Frage. Streitpunkt ist allein der Bezugspunkt für die Rechtmäßigkeit der vorgelagerten Beweiserhebung. Dort hingegen die Anwendung mit deutschem Recht zu begründen, basierend auf den §§ 5 bis 7 StGB, übersieht, dass diese Paragraphen nicht stets anwendbar sind. Selbst wenn ausschließlich im Ausland erlangte Beweise verwertet werden sollen, kann es sich im Übrigen um ein rein innerstaatliches Verfahren handeln. Wenn nun aber Keller allein den Rechtsgedanken dieser Paragraphen anwenden will, der im Völkerrecht verankert sein soll, so kann dies nicht genügen, weil die Regel ‚lex loci regit actum‘ ebenfalls im Völkerrecht verankert ist und das 388

Siehe Teil 2, S. 156 ff., insbesondere S. 159 ff. Siehe hierzu sogleich, S. 360 ff. 390 Zur Kritik an seinem weiteren Argument, dem angeblichen Fehlen einer Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Auslieferung und sonstiger Rechtshilfe, siehe ausführlich Schuster, S. 109 ff. 391 Keller, FS Fezer, 227 (230). 389

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Gegenteil von Kellers These begründet, nämlich die Anwendung des Rechts des Erhebungsortes. Daher kann auch Schnorr von Carolsfeld nicht überzeugen, wenn er die Anwendung der lex fori aus der Territorialgewalt des das Strafverfahren durchführenden Staates herleiten will.392 Da dieses also für die Durchführung des Verfahrens entscheidend sei, müsse es auch für die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung gelten.393 Vorteil dieser Ansicht ist, dass eine Analyse des ausländischen Rechts und dessen Rechtmäßigkeitsanforderungen entfällt. Jedoch sprechen auch hiergegen die gleichen Argumente. cc) Zurechenbarkeit des ausländischen Handelns Verfahrensfehler ausländischer Staaten sollen ferner nur dann innerstaatliche Relevanz erlangen, wenn sie zurechenbar seien, also wenn der deutsche Staat Hinwirkungspflichten im Ersuchen unterlassen habe.394 Löffelmann sieht als entscheidende Voraussetzung für die Anknüpfung an das Recht des datenerhebenden Staates, dass dieses Verhalten dem deutschen Staat zurechenbar ist.395 Für eine solche Zurechenbarkeit bedürfe es zumindest eines Ersuchens seitens des deutschen Staates, anderenfalls spiele für das deutsche Verfahren keine Rolle, wie die Beweise im Ausland gewonnen wurden.396 Unklar bleibt, ob Löffelmann in dieser Konstellation wirklich gänzlich auf unselbstständige Verwertungsverbote verzichten will. Sofern nach dieser Interpretation die Einhaltung ausländischen Rechts vollkommen unbeachtlich sein soll, so kann dem nicht zugestimmt werden. Denn dann müsste, auch wenn ein Verstoß gegen selbiges vorliegt, welcher auch nach deutschem Recht zu einem Verwertungsverbot führte, soweit nicht aufgrund der Nähe zum Rechtsstaat oder zur Menschenwürde ein selbstständiges Verwertungsverbot griffe, ein Verwertungsverbot dennoch stets ausscheiden. Dass hierin ein Wertungswiderspruch liegt, ist offensichtlich. Worin soll der Sinn liegen, einen Verstoß, der nach beiden Rechtsordnungen ein Verwertungsverbot nach sich zöge, handelte es sich um ein internes Verfahren, deswegen unbeachtet zu lassen, weil das Beweismittel die Grenze überschreitet? Diese Ansicht stellt in ihrer Argumentation letztlich ausländische Staaten mit Privatpersonen gleich. Bei diesen scheiden gleichfalls unselbstständige 392 393 394 395 396

Schnorr von Carolsfeld, FS Maurach, 615 (623 f.). Schnorr von Carolsfeld, FS Maurach, 615 (622 f.). Keller, FS Fezer, 227 (239 f.). So wohl Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 227. Löffelmann, Grenzen der Wahrheitserforschung, S. 227.

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Beweisverbote aus, sofern nicht im Einzelfall die Privathandlung einem staatlichen Organ zugerechnet werden kann. Ausländische Staaten sind aber keine Privatpersonen, sie können auch durch heimliches Vorgehen nicht zu solchen werden. Sie sind regelmäßig an ihre bestehenden Rechtsordnungen gebunden, die ihnen den Handlungsrahmen vorgeben. Auch wenn, wie zum Beispiel in Israel, den Diensten in einigen Staaten die Rechtsgrundlagen fehlen, so handeln sie doch als Staatsorgane und verfügen über Staatsgewalt. Zwar sind die ausländischen Nachrichtendienste ebenso wie Private weder an die StPO noch an die Grundrechte gebunden, jedoch stehen ihnen gegebenenfalls Zwangsbefugnisse, sicher aber sonstige Eingriffsbefugnisse gegenüber ihren Bürgern zu. Die europäischen Staaten sind zudem außer an ihre nationalen Regelungen auch an die EMRK gebunden, die zumindest einen Mindeststandard an Schutz vorgibt. All dies zeigt deutlich, dass Staaten rechtlich nicht mit einer Privatperson gleichgestellt werden können, sondern sich von diesen erheblich unterscheiden.397 Damit kann es auf die Zurechenbarkeit des ausländischen Verhaltens nicht ankommen.398 Nicht zuletzt führte dies auch zu einem (weiteren) Beweisproblem: der Betroffene müsste nicht nur die tatsächlichen Voraussetzungen des Verwertungsverbotes nachweisen399, sondern zudem das Vorliegen eines Ersuchens, also welche Art von Kontakt zwischen den deutschen Strafverfolgungsorganen und dem ausländischen Dienst stattgefunden hat, was, sofern kein schriftliches, formelles Ersuchen eingereicht wurde, regelmäßig nicht nachweisbar sein wird. dd) Zwingende Einheitlichkeit der Beurteilung Unstrittig ist also, dass, wie bereits dargelegt, auf den Verwertungsakt deutsches Recht anzuwenden ist. Nicht begründet wird dagegen, wieso die Anwendung des deutschen Verfahrensrechts dazu führen muss, dass die Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung auch unter der Analyse deutschen Rechts zu treffen ist. Ob eine solch einheitliche Betrachtung zwingend oder eher widersinnig ist, ist daher zu begutachten. Daamen kritisiert, es sei nicht schlüssig, die Rechtmäßigkeit nach dem Recht des Erhebungsortes zu beurteilen, die Verwertbarkeit hingegen nach 397 Dieser Unterschied entfällt aber, wenn das jeweilige Organ seine Befugnisse in strafrechtlich relevanter Weise überschreitet, vergleiche S. 211 ff. 398 Ganz abgesehen davon, dass die Zurechenbarkeit von Handlungen souveräner Staaten sehr umstritten ist, siehe hierzu eine Zurechnung ablehnend BVerfGE 57, 9 (23) (für Auslieferungsersuchen); Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 155; ders., DVBl. 1988, 621 (622); Hofmann S. 264; Lagodny in: Schomburg/Lagodny, § 73 IRG Rn. 14; offen lassend BVerfGE 66, 39 (62). 399 Siehe hierzu ausführlich S. 394 ff.

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deutschem Recht.400 Auch Walther gibt zu bedenken, dass die „Bedeutung und Funktion einzelner Verfahrensregelungen verschiedener Rechtsordnungen sich erst aus dem jeweiligen verfahrensrechtlichen Gesamtkontext erschließen und daher nicht ohne weiteres „gekreuzt“ werden können.“401 Tragendes Argument von Kellers Darstellung ist, dass das Rechtssystem in sich konsistent bleiben müsse, was durch die Anwendung von Verfahrenssystemen zweier Rechtsordnungen nicht gewährleistet werden könne.402 Somit ist die entscheidende Frage, ob die fehlende Konsistenz, wie Keller formuliert, die Aufspaltung von Beweiserhebung und Beweisverwertung durch die Anwendung zweier unterschiedlicher Rechtsordnungen überzeugen kann oder nicht. Die Gegenauffassung geht zu Recht von einer solchen Aufspaltung aus und sieht daher als Anknüpfungspunkt für ein Verwertungsverbot das ausländische Recht.403 b) Ausländisches Recht als maßgeblicher Anknüpfungspunkt Soweit eine Datenerhebung nach ausländischen Maßstäben rechtmäßig verläuft und außerdem den grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen aus deutscher Sicht genügt404, sind die erlangten Ergebnisse verwertbar und selbst wesentliche Abweichungen der Regelungen vom deutschen Recht werden allenfalls bei der Beweiswürdigung berücksichtigt.405 Der 400

Daamen, S. 59 Fn. 156. Walther, StV 1992, 561 (563). 402 Keller, FS Fezer, 227 (232, 235). 403 RGSt 11, 391 (394 f.); 15, 409 (413); 46, 50 (53); BGHSt 2, 300 (304); 7, 15 (16); BGH StV 1982, 153 (154); NStZ 1992, 394; NStZ 1996, 609; OLG Düsseldorf StV 1992, 558 (559); Nagel, S. 301 f.; Schuster, S. 111; Gleß, FS Grünwald, 197 (201 ff.); AK/Dölling § 251 Rn. 27; KK/Gmel, § 223 Rn. 25; KK/Diemer, § 251 Rn. 20; KMR/Eschelbach, § 223 Rn. 92; SK/Schlüchter, StPO, § 251 Rn. 37; Wilkitzki in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 68 IRG Rn. 13 ff.; Rogall, JZ 1996, 944 (953); Vogler, ZStW 105 (1993) S. 3 (21); einschränkend LR/Kühne Einl. D Rn. 141. Zum zusätzlichen Korrektiv des ordre public siehe im Rahmen der selbstständigen Beweisverwertungsverbote, S. 360. Nach einer Reichsgerichtsentscheidung von 1907 kommt es zwar auf das Recht des Erhebungsortes an, jedoch fügt das Gericht hinzu, dass das inländische Recht nicht weniger als das ausländische Recht zählen dürfe, so dass eine Verwertung dann zulässig ist, wenn eines der beiden Rechte gewahrt bleibt, RG GA 54 (1907), 481 f. 404 Siehe hierzu sogleich S. 360 ff. 405 BGHSt 2, 300 (304); BGH NStZ 1983, 181 (182); NStZ 1998, 154 (155); KK/Diemer § 251 Rn. 20; LR/Gollwitzer § 251 Rn. 24, 27; AK/Dölling § 251 Rn. 26; Wilkitzki in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 68 IRG Rn. 15; KMR/Eschelbach, StPO, § 223 Rn. 95; Nagel, S. 302. Zu Hinwirkungspflichten im Rahmen eines Ersuchens, siehe S. 388 ff. 401

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Anwendung des ausländischen Rechts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung stehen keine Gründe entgegen. Dies entspricht einer verbreiteten Ansicht, Argumente werden hierfür jedoch nur selten vorgetragen. Im Folgenden wird gezeigt, dass die behauptete zwingende Einheitlichkeit der Bewertungsmaßstäbe für die Rechtmäßigkeit von Beweiserhebung und Beweisverwertung nicht besteht und dass eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung anhand des ausländischen Rechts sowohl den Interessen der Beteiligten als auch völkerrechtlichen Grundsätzen gerecht wird. aa) Keine zwingende Einheitlichkeit Für diese Ansicht lassen sich zunächst rein praktische Gründe nennen, nämlich dass die ausländischen Behörden tatsächlich ihr Recht anwenden. Insbesondere bei Daten, die ohne Kenntnis eines später erfolgenden Rechtshilfeersuchens erhoben worden sind, wäre eine Wahrung des deutschen Rechts in der Regel höchst unwahrscheinlich mit der Folge, dass die Erhebung sehr häufig als rechtswidrig einzustufen wäre.406 Weiter handelt es sich bei der Beurteilung der Verwertbarkeit nach deutschem Recht bei gleichzeitiger Analyse der Rechtmäßigkeit nach ausländischem Recht um ein Faktum, das sich durch die Verteilung des Beweisvorganges auf zwei Rechtssysteme ergibt. Die Unterscheidung wird also durch den tatsächlichen Ablauf des Ermittlungsverfahrens vorgegeben. Diese künstlich zu ignorieren, nämlich durch die ausschließliche Anwendung deutschen Rechts, kann, wie bereits oben dargelegt, nicht überzeugen. Vielmehr ist den Besonderheiten, die sich aus dieser Inkonsistenz ergeben, Rechnung zu tragen. Nach dem kollisionsrechtlichen Ansatz wird jeder Rechtsakt nach dem Recht des dafür zuständigen Organs bemessen; die Verwertung als deutscher Staatsakt nach deutschem Recht, die Datenerhebung als ausländischer Akt nach dessen Recht.407 Die Kollisionsregel der lex fori greift folglich nur für die Anknüpfung der Beweiserhebung, nicht hingegen für die Verwertung. Eine abschließende Übernahme der Rechtsentscheidung über die Verwertbarkeit liegt hierin nicht. Nur das Beweisergebnis wird übernommen, die daran anknüpfenden Folgen sind eine innerstaatliche Bewertungsfrage. Dies spricht für den von Nagel angeführten kollisionsrechtlichen Ansatz.408 406

Siehe oben S. 350. So auch Rose, S. 228 für eine Beurteilung nach der jeweiligen „Verfahrensherrschaft“. 408 Nagel, S. 302. 407

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Dies entspricht auch der Rechtslage bei innerstaatlich erlangten Beweisen, die nicht unter der StPO erlangt wurden. Soweit eine andere Verfahrensordnung einschlägig war, im vorliegenden Beispiel die nachrichtendienstlichen Regelungen, so wurde die Rechtmäßigkeit nach diesen Vorschriften beurteilt, und etwaige Wertungswidersprüche über selbstständige Verwertungsverbote ausgeglichen. Bei der Verwertbarkeit von Auslandsbeweisen kann daher ebenso wenig wie bei sonstigen, innerstaatlichen Datenerhebungen außerhalb des Strafprozesses die Einhaltung von StPO-Vorschriften gefordert werden. Vielmehr muss sich jeder an die für ihn zum Zeitpunkt der Datenerhebung maßgeblichen Vorschriften halten. Die hypothetische Übertragung von einer Datenerhebung von einer Verfahrensordnung in die nächste konnte bereits innerstaatlich nicht überzeugen. Es wurde deutlich, dass so den Besonderheiten der jeweiligen Verfahrensordnung nicht Rechnung getragen werden kann.409 Wie soll diese dann bei der Übertragung von Erkenntnissen von einer Rechtsordnung in die nächste überzeugen können? Die jeweiligen Ausgestaltungen der Rechtsordnung differieren in erheblichen Maßen. Die Anwendung der Figur der Hypothese führt nicht nur dazu, dass die einzelnen Ausgestaltungen nicht hinreichend gewürdigt werden können, sondern vielmehr auch dazu, dass man ausländische Erkenntnisse am deutschen Maßstab als verwertungswürdig oder unwürdig bewertet, was zu einer indirekten Kritik am ausländischen Recht führt. Dies widerspräche dem Verfassungsbild Deutschlands, das grundsätzlich andere Rechtsauffassungen respektieren will.410 Die hypothetische Anwendung deutschen Rechts ist daher nicht zielführend. Dass der deutsche Staat keinen Einfluss auf die ablaufenden Ermittlungsmaßnahmen nehmen kann, kann jedenfalls keinen Ausschlag geben. Bei einem abgeschlossenen Ermittlungsverfahren in Deutschland hat der Richter gleichfalls keine Einflussmöglichkeiten mehr.411 Die Berücksichtigung von ausländischem Recht für die Bestimmung der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung bedeutet nicht, dass das deutsche Recht für die Verwertungsverbote von Auslandsbeweisen bedeutungslos wäre. Es wird sogar an zwei Stellen relevant: Zum einen greift bei einem Verstoß gegen das vom ausländischen Staat zu beachtende Recht ein Beweisverwertungsverbot nur dann, wenn aus Verstößen gegen entsprechende Vorschriften des deutschen Rechtes ebenfalls ein Beweisverwertungsverbot folgte.412 Zum anderen kann bei 409

Vgl. S. 244 ff. Vergleiche oben zur Diskussion im Rahmen der Grundrechtsanwendung, S. 301 ff. 411 Schuster, S. 106 f. Siehe dort auch Ausführungen zur Frage eines vermeintlichen Wertungswiderspruchs zur Auslieferung, S. 109 f. 412 BGH GA 1976, 218, 219 f.; BGH NStZ 1985, 376 (obiter dictum). 410

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Rechtmäßigkeit der Datenerhebung noch ein selbstständiges Verwertungsverbot greifen, wenn die wesentlichen Grundlagen der deutschen Rechtsordnung nicht gewahrt wurden. Einen zusätzlichen Argumentationsstrang für die Bezugnahme auf ausländisches Recht findet man bei Schuster. Dieser führt aus, dass im innerstaatlichen Recht bei Auseinanderfallen rechtlicher und tatsächlicher Folgen auf den Erhebungszeitpunkt abzustellen ist, so beispielsweise bezüglich des Vorliegens einer Katalogtat nach § 100 a StPO, und dass diese zeitliche Dimension auf die räumliche übertragbar sei.413 Da bei der innerstaatlichen Festlegung, ob ein Verfahrensverstoß vorliegt, auf den Zeitpunkt der Datenerhebung abzustellen ist, so habe dies auch für das am Ort der Datenerhebung geltende Recht zu gelten, so dass auf das ausländische Recht zurückzugreifen sei.414 bb) Völkerrechtlicher Grundsatz Für die Anwendung des Rechts des Erhebungsortes zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Datenerbung spricht auch der völkerrechtliche Grundsatz der Anwendung der lex loci. Dieser Grundsatz findet sich in zahlreichen völkerrechtlichen Konventionen.415 Es ist daher verfehlt, davon zu sprechen, man begnüge sich mangels Alternative mit der Einhaltung des ausländischen Rechts.416 Vielmehr wird dieser Ansatz, wie gezeigt, den grenzüberschreitenden Sachverhalten am besten gerecht. cc) Keine Umgehungsmöglichkeit Die hier vertretene Ansicht eröffnet dem deutschen Staat auch keine Möglichkeit, seine eigenen Rechtsregeln zu umgehen.417 Dies wäre der Fall, wenn er gezielt Praktiken, die ihm untersagt sind, im Ausland beauftragen könnte oder aber ein mögliches Wissen um im Ausland bestehende Praktiken, ohne dass zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert würde, 413

Schuster, S. 99 ff. Schuster, S. 99 ff. 415 Vgl. nur Art. 8 des Haager Übereinkommens von 1954; Art. 1 des Haager Abkommens von 1968. Eine Ausnahme bildet insoweit nur das EU-RhÜbk, dass einen immer weiteren Anwendungsbereich für forum regit actum vorsieht. Laut Daamen soll die Anwendung ausländischen Rechts in Bezug auf die Beweiserhebung sogar bereits Gewohnheitsrecht sein, Daamen, S. 28. 416 Siehe Nachweise bei Rose, S. 229 sowie BGH NStZ 1998, 154 (155). 417 So die Bedenken von Gleß, FS Grünwald, 197 (212). 414

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ausnutzen könnte. Gerade daher bestehen Hinwirkungspflichten auf die Einhaltung deutscher Standards im Rahmen von Ersuchen.418 Soweit ein ausländischer Staat von sich aus tätig wird, ist schon begrifflich keine Umgehung deutscher Vorschriften durch den deutschen Staat möglich. Soweit so Daten erlangt werden, die auf eine Art und Weise gewonnen wurden, wie es in Deutschland unzulässig wäre, ist dies Aufgabe der selbstständigen Beweisverwertungsverbote zu eruieren, ob diese Erkenntnisse im deutschen Strafprozess Verwertung finden dürfen oder nicht. dd) Keine Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips Die Berücksichtigung des ausländischen Rechts führt auch nicht zu einer Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips. Bedenken Thiens dieser Art sind unbegründet, da neben den unselbstständigen Verwertungsverboten zusätzlich die Kontrolle durch die selbstständigen Verwertungsverbote greift. Insofern bedarf es ihres Analyseansatzes, nach der Bedeutung der verletzten Norm für das innerstaatliche Recht und der Frage, ob diese im Einzelfall verzichtbar sei419, nicht. So ist ihr zuzugeben, dass die generelle Nichtbeachtung der StPO das Rechtsstaatsprinzip verletzen kann420 und deutsche Standards nicht den ausländischen Standards weichen sollen.421 Jedoch geschieht dies durch die Anwendung ausländischen Rechts als Beurteilungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Beweisverwertung nicht. Ihr geht es darum, gewisse rechtsstaatliche Mindeststandards gewahrt zu wissen und zugleich Hinwirkungspflichten im Falle von Rechtshilfe festzuschreiben. Diesen Bemühungen ist vollends zuzustimmen. Für die Frage, welches Recht grundsätzlich anzuwenden ist, folgt hieraus jedoch nichts. Thien beschäftigt sich insoweit ausschließlich mit Verwertungsfragen losgelöst von der Datenerhebung. Daher lassen sich für unselbstständige Verwertungsverbote hieraus keine Erkenntnisse gewinnen. Scheller kommt zwar zu dem Ergebnis, dass die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Datenerhebung nach dem ausländischen Recht zu bestimmen ist, in keinem Fall aber maßgeblich für die Verwertung sei.422 Diese bestimme sich allein nach der rechtmäßigen Kenntnisnahme und Verwertung durch deutsche Behörden, da allein diese vom deutschen Recht „beherrscht“ sei.423 Grenze sei allerdings der ordre public, so dass umfas418 419 420 421 422 423

Siehe S. 388 ff. Thien, S. 17, 51, 55 f. Zum Ganzen Thien, S. 55 f., 131. Thien, S. 17. Scheller, S. 325 ff. Scheller, S. 327.

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sende Informationen, die anlässlich einer Bagatelltat ermittelt worden seien, nicht zur Aufklärung eines Mordfalles genutzt werden dürften.424 c) Ergebnis Im Ergebnis ist also festzuhalten: Die Beweisverwertung als deutscher Hoheitsakt wird nach deutschem Recht beurteilt. Die Frage, ob aus einem Erhebungsverstoß ein Verwertungsverbot folgt, wird daher wie üblich durch Abwägung ermittelt. Ob überhaupt ein Erhebungsverstoß vorliegt, an den angeknüpft werden kann, bestimmt sich nach dem ausländischen Recht. Wurde gegen eine ausländische Datenerhebungsregelung verstoßen, darf eine Fehlerfolgenbetrachtung umfassend vorgenommen werden. 3. Dogmatik der selbstständigen Beweisverwertungsverbote Ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot liegt dann vor, wenn der Verwertungsakt selbst grundgesetzwidrig ist. Dies ist dann der Fall, wenn er gegen ein Grundrecht verstößt oder sonst rechtsstaatswidrig ist. Letzterer Gesichtspunkt stellt nicht allein auf die Nutzung von Informationen im Prozess ab, sondern kann auch vorhergehende Erhebungsvorgänge mit einbeziehen. Dabei werden solche Vorgänge relevant, die derart gravierende Rechtsverstöße beinhalten, dass die Nutzung solch erlangter Informationen rechtsstaatlich nicht toleriert werden kann. In diesem Fall steht ausnahmsweise die Nutzung von rechtswidrig erlangten Informationen deren Erhebung gleich. So zeigt sich, dass die Forderung, die Beweiserhebung im Ausland müsse grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen genügen425, sich in die allgemeine Dogmatik einfügen lässt. Besonderheit ist dabei, dass die Rechtsstaatswidrigkeit des Verwertungsaktes nicht vollständig losgelöst von dem Erhebungsakt betrachtet wird. Wie bereits oben gezeigt, ist die Bezugnahme auf den Erhebungsakt zur Begründung der Rechtsstaatswidrigkeit der Datenerhebung und damit der nachfolgenden Verwertung zulässig. So hat die Rechtsprechung im Gemeinschuldnerbeschluss auf die Zwangswirkung bei der Datenerhebung abgestellt426; bei der Beweisgewinnung durch Private wurde ausnahmsweise der Erhebungsakt mit ein424

Scheller, S. 327. BGH StV 1982, 153 (154); BGH NStZ 1983, 181; ähnlich BGH GA 1984, 40; AK/Dölling § 251 Rn. 26; SK/Schlüchter, StPO, § 251 Rn. 38; Wilkitzki in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 68 IRG Rn. 14; KK/Diemer § 251 Rn. 20; KMR/Eschelbach § 223 Rn. 95; LR/Gollwitzer § 251 Rn. 22, 24; Nagel, S. 302. 426 BVerfGE 56, 37 (51). 425

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bezogen, wenn dieser „extrem menschenrechtswidrig“ war oder die Menschenwürde verletzt.427 Gleiches gilt für ausländische Erkenntnisse, wenn deren Gewinnung gegen die grundlegenden Prinzipien des deutschen Rechtsstaats verstoßen hat. a) Bewertungsmaßstab: ordre public Somit ist grundsätzlich zur Beurteilung der Verwertbarkeit die Beweiserhebung auf ihre Rechtsstaatlichkeit zu überprüfen. Da die Verwertung ein deutscher Hoheitsakt ist, sind hierfür die deutschen Rechtsquellen maßgeblich.428 Bei der Bestimmung der Rechtsstaatswidrigkeit ist jedoch wieder der Auslandsbezug zu berücksichtigen. So kann nicht bereits bei jedem abweichenden Maßstab im Ausland, selbst hinsichtlich innerstaatlich zwingender Vorschriften, eine solche Rechtsstaatswidrigkeit angenommen werden. Wie gesehen, sind bei Auslandsbezug stets die Einschränkungen des Völkerrechts und der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Letztere ist hier ersichtlich nicht einschlägig. Aus dem völkerrechtlichen Respekt vor fremden Rechtsordnungen ergibt sich, dass diese fremden Rechtsordnungen nicht abstrakt an den deutschen Maßstäben überprüft werden sollen, sondern vielmehr nur auf gravierende Verstöße. Um diese Differenzierung zu treffen, findet sich neben der Formulierung der „grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen“ auch der Maßstab des ordre public.429 Der Begriff des ordre public stammt aus dem Internationalen Privatrecht. Dort bezeichnet dieser aus dem französischen stammende Begriff, der wörtlich übersetzt die öffentliche Ordnung bedeutet, eine Ergebniskontrolle. Bei der Anerkennung oder Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen im Inland wird überlegt, ob die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens aus Sicht der Bundesrepublik unerträglich wäre, so zum Beispiel die Zuerkennung von Ehewirkungen für eine im Ausland geschlossene Vielehe. Entscheidend ist, dass es sich lediglich um eine Ergebniskontrolle handelt, das heißt, dass nicht die einzelnen Schritte überprüft werden.430 427 BGHSt 36, 167 (173 f.) zum Kernbereich. Zum Begriff der extremen Menschenrechtswidrigkeit siehe Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543). 428 Schuster, S. 126; MüKo/Sonnenberger, Art. 6 EGBGB Rn. 19 sowie S. 349 ff. 429 Für ordre public: Nagel, S. 303; AK/Keller § 223 Rn. 20; KMR/Eschelbach, § 223 Rn. 95; Daamen S. 47 f. Für EMRK und IPBR: Wilkitzki in: Grützner/Pötz/ Kreß, Vor 68 IRG Rn. 18; Böse, ZStW 114 (2002), 148 (151). 430 Zur Parallele im Zivilrecht: BGHZ 50, 370 (375 f.); 75, 32 (43); 104, 240 (243); 123, 268 (270).

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Dies entspricht dem, was der Europäische Gerichthof für Menschenrechte prüft, wenn die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot aus der Verletzung des fair-trial-Grundsatzes aufkommt. Der Gerichtshof betrachtet dann das gesamte Verfahren, ob dieses noch als fair bezeichnet werden kann, und nicht die einzelne Handlung. Diese Vorgehensweise, die teilweise Verwunderung hervorruft, erklärt sich daraus, dass sie den Respekt vor den einzelnen Verfahrensordnungen ausdrückt. Dies entspricht der allgemeinen ordre public-Prüfung. Die „Anerkennung eines Geltungsanspruchs der Grundrechte auch für die Anwendung des berufenen ausländischen Rechts bedeutet keine unzulässige Ausweitung des Geltungsbereichs des Grundgesetzes gegenüber dem fremdem Staat oder einen Oktroi deutscher Wertvorstellungen gegenüber dem Ausland.“431 Denn es geht nicht darum, dass ausländische Recht abstrakt auf seine Konformität mit dem deutschen Grundgesetz zu prüfen. Ziel dieser Überprüfung ist „keine generelle Zensur der fremden Regelung, die nicht für die Anwendung durch deutsche Hoheitsträger geschaffen worden ist und im eigenen Bereich vertretbar oder sinnvoll sein mag, sondern allein die Feststellung, daß ihre konkrete Anwendung sich in einem bestimmten Punkt nicht mit unserer Verfassungsordnung verträgt.“432 Es wird also keine abstrakte Bewertung des ausländischen Rechts durchgeführt.433 Widerspricht die Datenerhebung aber eben diesem ordre public, kann das Beweisergebnis im deutschen Strafverfahren nicht verwertet werden.434 Das Bundesverfassungsgericht konstatiert, dass die „verfassungsrechtliche[n] öffentliche[n] Ordnung (ordre public)“ jeder Kooperation Grenzen setze.435 b) Inhalt des deutschen ordre public Inhaltlich umfasst der ordre public diejenigen Grundsätze, die der jeweilige Staat als unentbehrlich für das Bestehen seiner Rechtsordnung betrachtet.436 „Nach dem deutschen Verfassungsrecht gehört es zu den elementaren Anforderungen des Rechtsstaates, die insbesondere im Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) Ausprägung gefunden haben, daß niemand zum bloßen Gegenstand eines ihn betreffenden staatli431

BVerfGE 31, 58 (74 f.). BVerfGE 31, 58 (74 f.). 433 Schulze/Dörner/Ebert, Art. 6 EGBGB Rn. 3. 434 Schuster, S. 130 f. will auf die fiktive Inkorperierung der Norm in deutsches Strafprozessrecht abstellen. Dies zeigt nur die umgekehrte Richtung: auch durch diese Formulierung wird die äußerste Grenze, eben der ordre public, vorgegeben. 435 BVerfGE 63, 343 (366). 436 BVerfGE 63, 343 (366). 432

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chen Verfahrens gemacht werden darf.“437 Unter materiellem ordre public ist der unverzichtbare Kernbereich der Sachrechtsordnung zu verstehen.438 Der prozessuale ordre public meint den unverzichtbaren Teil des eigenen Verfahrensrechts, also die fundamentalen Grundsätze des Prozessrechts.439 Dies kann durch die EMRK und den IPBR440 definiert sein, muss es aber nicht. Beide sind Teil des innerstaatlichen Rechts und deswegen zur Einschätzung des ordre public relevant, aber nicht abschließend, weil sie auf internationalen Konventionen beruhen und somit einen Kompromiss auf internationaler Ebene darstellen und die deutschen Interessen nicht komplett wiedergegeben können. Da es sich jedoch bei den internationalen Standards regelmäßig um Minimalvoraussetzungen handelt, bezüglich derer auf internationaler Ebene ein Konsens erlangt wurde, so kann eine Verletzung dieser Standards jedenfalls als Indiz dafür gewertet werden, dass auch der deutsche ordre public verletzt sein wird. Dieser umfasst jedoch mehr Rechte als die internationalen Standards. Aber auch nicht jeder Verstoß gegen eine zwingende Vorschrift des innerstaatlichen Rechts stellt zugleich einen ordre public-Verstoß dar.441 Richtig ist es, allein vom deutschen, international durchzusetzenden ordre public im Unterschied zum deutschen internen ordre public zu sprechen. Diese aus der französischen Terminologie stammende Unterscheidung, geht davon aus, dass der ordre public interne die Summe des zwingenden Rechts eines Staates ist, während der ordre public international die im betreffenden Staat nicht nur für den internen, sondern auch für den internationalen Rechtsverkehr als unverzichtbar angesehenen Wertentscheidungen und Grundsätze umschreibt.442 Es kommt aber dabei nicht auf internationale Standards an, sondern auf deutsches Recht; soweit Normen betroffen sind, die im konkreten Auslandsbezug durchgesetzt werden müssen.443 Da es sich um eine Verwertung in Deutschland handelt, ist dagegen kein Raum für eine weitere Minderung der Grundgesetzstandards. Ob im Einzelfall ein Bestandteil des ordre public relevant wird, ist jedoch im Wege der Auslegung zu ermitteln und lässt sich nicht abstrakt für alle Fälle vorentscheiden. 437

BVerfGE 63, 332 (337). MüKo/Sonnenberger, Art. 6 EGBGB Rn. 21. 439 BGH RIW 1984, 557 (558); BGH IPRax 1992, 33 (34 f.); BGH VersR 1992, 1281 (1284); MüKo/Sonnenberger, Art. 6 EGBGB Rn. 21. 440 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966. 441 BGH NJW 1997, 524 (527); Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 328 Rn. 125. 442 MüKo/Sonnenberger, Art. 6 EGBGB Rn. 19. 443 Anders Rose, S. 232, der nur überstaatlich gültige Mindestanforderungen gelten lassen will; ähnlich Griesbaum, DJT 2008, L 29. 438

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4. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote Nachdem die allgemeinen Voraussetzungen für unselbstständige Beweisverwertungsverbote erarbeitet wurden444, sollen nun diese allgemeinen Erkenntnisse auf einzelne Fallkonstellationen übertragen werden. Dabei ist zunächst zu begutachten, welche der allgemeinen Verwertungskriterien445 vorliegend greifen können (a), um so dann Verstöße gegen das ausländische Recht bei der Datenerhebung (b) und bei der Datenweitergabe (c) zu untersuchen. a) Verwertungskriterien Für die Beurteilung des Vorliegens eines unselbstständigen Beweisverwertungsverbotes ist das Vorliegen eines Verfahrensfehlers entscheidend. aa) Verstoß gegen ausländische Vorschrift mit Entsprechung in der deutschen Rechtsordnung Wird gegen eine ausländische Vorschrift verstoßen, die einer deutschen Vorschrift entspricht, ist die Beweisverwertungsverbotsfrage hier parallel zu beantworten. Würde also ein Verstoß gegen die entsprechende deutsche Vorschrift nicht zu einem Verwertungsverbot führen, so ist auch die im Ausland erlangte Information verwertbar. Wird aber gegen eine Vorschrift verstoßen, die innerstaatlich ein Verwertungsverbot begründet, so folgt hieraus die Unverwertbarkeit für die ausländischen Erkenntnisse.446 Denn in diesen Fällen entsprechen sich regelmäßig die Schwere des Verstoßes sowie der Schutzzweck der Norm. Dies entbindet jedoch nicht von einer Überprüfung anhand der festgelegten Kriterien in jedem Einzelfall. Wie bereits innerstaatlich dargelegt, stehen Beweisverwertungsverbote nicht abstrakt fest, sondern müssen für jeden Fall gesondert beurteilt werden, wobei die jeweiligen Besonderheiten des Falles zu berücksichtigen sind. bb) Verstoß gegen ausländische Vorschrift ohne Entsprechung in der deutschen Rechtsordnung Schwieriger sind hingegen Fälle zu beurteilen, bei denen gegen eine ausländische Norm verstoßen wird, die kein Äquivalent in der deutschen 444 445 446

Vgl. S. 350 ff. Vgl. hierzu S. 164 ff. Ebenso Griesbaum, DJT 2008, L 37; Schuster, S. 111 f.

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Rechtsordnung besitzt. Auch hier muss man unter Berücksichtigung der allgemeinen Kriterien abwägen. Bei der Schwere des Verstoßes ist das Fehlen der entsprechenden deutschen Norm zu berücksichtigen und zu analysieren, warum eine solche nicht existiert. Ein Verstoß gegen ausländisches Recht ist dann im Ergebnis unbeachtlich, wenn das ausländische Recht strenger als das deutsche Recht ist und zugleich die Anforderungen der deutschen Regelung, die dieser nahekommt, gewahrt sind.447 Ist die ausländische Regelung dagegen großzügiger als die deutsche, so hat dies nicht automatisch zur Folge, dass ein Verstoß unbeachtlich ist. Diese Wertung würde die Eigenständigkeit der ausländischen Rechtsordnung verkennen und die deutsche Rechtsordnung als mustergültig vorgeben und somit letztlich doch auf die oben abgelehnte Figur der hypothetischen Anwendung deutschen Rechts zurückgreifen. Wenn man den Verfahrensverstoß am ausländischen Recht orientieren will, so hat man auch dieses zu respektieren. Daher muss bei einer großzügigeren Regelung als innerstaatlich aufgrund der allgemeinen Kriterien begutachtet werden, ob der Verstoß schwer wiegt. Insoweit darf aber berücksichtigt werden, ob die Beweisgewinnung insgesamt nach deutschem Recht rechtmäßig gewesen wäre.448 Ferner wird es sich um eine individualschützende Norm handeln müssen. Zwar wurde festgestellt, dass ausnahmsweise auch die Legitimation zum Strafen bei bestimmten gravierenden Verstößen entfallen kann. Da die Verstöße allerdings von ausländischen Behörden durchgeführt wurden, kann dieser Aspekt bei Auslandsbezug nur im Rahmen der selbstständigen Verwertungsverbote greifen. Entscheidend für die Beurteilung des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbotes als Folge eines Verstoßes gegen eine ausländische Norm ohne Entsprechung im deutschen Recht ist daher, ob gegen eine individualschützende Norm verstoßen wurde und ob dieser Verstoß schwer wiegt. b) Verstoß gegen ausländisches Recht durch Erhebung Mit Hilfe dieser Erkenntnisse ist nun im Einzelfall zu analysieren, welche Verfahrensverstöße bei der Datenerhebung möglich sind und ob diese zu Verwertungsverboten im Strafprozess führen können.

447 448

BGH GA 76, 218 (219); BGH NStZ 1985, 376; KK/Diemer, § 251 Rn. 21. So auch Schuster, S. 112 ff.

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aa) Verstöße gegen formelle Voraussetzungen Besondere formelle Voraussetzungen sind in den ausländischen Nachrichtendienstgesetzen genauso wenig zu finden wie in Deutschland. Dies war auch nicht zu erwarten, da die Flexibilität durch informales Handeln gerade entscheidend für das geheime Vorgehen der Nachrichtendienste ist. Wie gezeigt, führen Zuständigkeitsverstöße ohnehin regelmäßig nicht zu einem Verwertungsverbot; so folge ein solches allein aus der bewussten und willkürlichen Umgehung von Richtervorbehalten.449 Entscheidend ist für diese Anordnung die präventive Kontrolle und mithin der individualschützende Aspekt. Daher ist in Fällen der bewussten und willkürlichen Umgehungen von spezifischen Anordnungsvoraussetzungen, wie zum Beispiel den warrants im Rahmen des FISA, von einem Verwertungsverbot auszugehen. Soweit lediglich Fehler in der Form des Antrages, also zum Beispiel in der Begründung, liegen, so ist dies, wie auch innerstaatlich, unbeachtlich.450 bb) Verstoß gegen das materielle Recht Wie oben gezeigt, stehen den Diensten im Ausland regelmäßig weite Befugnisse zu. Werden die ohnehin schon weiten materiellen Voraussetzungen dennoch überschritten, wird insoweit regelmäßig ein Verwertungsverbot angenommen werden müssen. Dies entspricht den Ergebnissen zu den Verwertungsverboten nach Datenerhebungen deutscher Nachrichtendienste.451 Liegen also Verstöße gegen die materiellen Voraussetzungen des RIPA vor, können die Erkenntnisse in Deutschland nicht im Strafprozess genutzt werden. Dies gilt auch, wenn gegen die materiellen Voraussetzungen des FISA oder des US Patriot Act verstoßen wurde, wenn es sich dabei um individualschützende Vorschriften handelt. Wenden die israelischen Dienste mehr als „sanfte Gewalt“ an oder schaden die russischen Dienste bei ihrer Tätigkeit der Gesundheit der Befragten, so greifen unproblematisch Verwertungsverbote für die so erlangten Erkenntnisse. c) Verstoß gegen ausländisches Recht durch Weiterleitung Denkbar erscheint auch, dass die Weiterleitung selbst gegen ausländisches Recht verstößt, zum Beispiel weil die Voraussetzungen für das Leisten von Rechtshilfe an den deutschen Staat nicht vorlagen, entweder wegen Ermes449 450 451

Siehe S. 195 f. Vergleiche zum Ganzen S. 194 ff. Siehe S. 201 ff.

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sensfehlern bei der Entscheidung des Ob und Wie der Weitergabe, fehlender Gegenseitigkeit oder wegen des Ausschlusses von Rechtshilfe für politische Straftaten. Nach Schuster sind Rechtsverstöße der ausländischen Behörde, soweit keine Bedingungen gestellt wurden, unbeachtlich.452 Zweck des Bewilligungsverfahrens ist Schutz der Souveränität des fremden Staates, wenn auch aus dessen Sicht mittelbar Individualschutz betrieben wird.453 Selbst wenn man hierauf abstellt, wiegt dieser Verstoß aus deutscher Sicht gering, da im deutschen Strafprozess Individualrechte gewahrt werden, so dass ein Verwertungsverbot hierauf nicht gegründet werden kann.454 Besondere Gründe, warum die Legitimation zum Strafen entfallen sollte, sind nicht ersichtlich. Ein Beweisverwertungsverbot scheidet daher aus. 5. Selbstständige Beweisverwertungsverbote Nach den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten ist nunmehr noch das Vorliegen von selbstständigen Beweisverwertungsverboten zu prüfen. Dabei sind zunächst die Auswirkungen von Bedingungen, die vom ausländischen Staat an die Datenübermittlung geknüpft wurden, auf die Beweisverwertung zu analysieren (a). Zum anderen stellt sich gerade im nachrichtendienstlichen Bereich die Problematik, dass in anderen Staaten vom deutschen Recht abweichende Maßstäbe gelten. Die zu verwertenden Daten wurden dann nach diesen abweichenden Maßstäben auch rechtmäßig erhoben. Angesichts der teils gravierenden Unterschiede zum deutschen Recht ist daher zu klären, inwieweit diese Informationen noch der Beweisverwertung zugänglich sind und wo eine absolute Grenze zu ziehen ist (b). a) Spezialität Ein Fall der Spezialität liegt dann vor, wenn bei der Datenübermittlung Bedingungen an die Nutzung und Verwertung der Daten seitens des übermittelnden Staates gestellt wurden.455 Dabei stellt die Spezialität einen Sonderfall der Zweckbindung dar. 452 Schuster, S. 115 ff. Zu Recht verweist er darauf, dass BGHSt 18, 218 (220) insoweit unbeachtlich ist, da diese Entscheidung sich mit einem Verfahrenshindernis und nicht mit einem Verwertungsverbot beschäftigt. 453 Schuster, S. 117 f. 454 Siehe auch Schuster, S. 118, der anführt, dass der Schutz des Individuums vor der deutschen Rechtsordnung aus deutscher Sicht niemals notwendig sei. 455 Schomburg, in: Rechtsprobleme der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit, 186 (190) will weiter differenzieren in Zweckbindung, welche für ein be-

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Den deutschen Nachrichtendiensten steht in diesem Fall keine umfassende Verfügungsbefugnis bezüglich der ausländischen Daten zu. Dies wirkt sich innerstaatlich zum einen dadurch aus, dass diese Daten von der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium ausgenommen sind; zum anderen, und vor allem, können die ausländischen Dienste so bestimmte Verwendungszwecke der Informationen vorgeben. Die Bedingung bestimmt also den Umfang der zulässigen Informationsnutzung.456 Sie kann diese auf bestimmte Verfahrensarten, aber auch auf die Verfolgung bestimmter spezieller Straftaten beschränken. So kann ein Nachrichtendienst einem Partnerdienst Informationen zur Verfügung stellen, die diesem helfen sollen, jedoch nicht für ein Strafverfahren verwendet werden dürfen.457 Das Bundesamt für Verfassungsschutz zum Beispiel macht häufig die Auflage, dass die übermittelten Daten, wenn ein Jahr seit der Datenübermittlung vergangen ist, erst wieder nach erneuter Konsultation des Bundesamts verwendet werden dürfen.458 Werden solche Bedingungen missachtet, stellt sich die Frage nach den Konsequenzen. aa) Bindungswirkung Zunächst müsste die Spezialität überhaupt beachtlich sein. Solche Bedingungen entfalten zunächst völkerrechtliche Bindungswirkung.459 Um die Behörden und Gerichte des ersuchenden Staates zu binden, ist eine innerstaatliche Regelung erforderlich.460 Allein über Art. 25 GG soll diese Bindung nicht gewährleistet werden können, da zwar der Grundsatz der Spezialität eine anerkannte völkerrechtliche Pflicht ist461, seine Ausgestaltung jedoch so verschieden sei, dass eine allgemein anerkannte Regel nicht festzustellen sei.462 Daher ist die Bindungswirkung von Bedingungen im Rahmen der Rechtshilfe in Deutschland durch § 72 IRG i. V. m. Art. 59 Abs. 2 GG geregelt. Dieser greift für Bedingungen auf Ersuchen, die für ein Strafverfahren gestellt worden sind. stimmtes Verfahren gilt und in Spezialität, wenn die Rechtshilfe nur für bestimmte Taten gelten solle. Ein Vorteil dieser Unterscheidung ist allerdings nicht ersichtlich. 456 Nagel, S. 316. 457 Vgl. BGHSt 34, 334 (344). 458 Droste, S. 432. 459 Vogler in: Grützner/Pötz/Kreß, § 72 IRG Rn. 1. 460 Schädel, S. 166. 461 RGSt 60, 202. 462 Vogler in: Grützner/Pötz/Kreß, § 72 IRG Rn. 1; ebenso Linke, NStZ 1982, 416 (419) (beschränkt auf die sonstige Rechtshilfe).

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Für Informationen, die ohne vorheriges Ersuchen nach Deutschland übermittelt werden, um dort in einem Strafverfahren Verwendung zu finden, greift zwar das IRG, nicht hingegen § 72 IRG. Für Informationen von einem Nachrichtendienst an einen anderen Nachrichtendienst greift nicht einmal das IRG.463 Es erscheint jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass ein deutscher Nachrichtendienst die weitere Kooperation mit diesem Nachrichtendienst, und bei Bekanntwerden des Sachverhalts auch mit weiteren Nachrichtendiensten, dadurch gefährden würde, dass er Informationen, die ihm lediglich zur Kenntnis unter der Bedingung des Ausschlusses weiterer Nutzung übersendet wurden, an die Strafverfolgungsorgane weiterleiten würde.464 Dies widerspräche der Bedeutung der internationalen Kooperation.465 bb) Verwertungsverbot Während ein Verstoß gegen die Spezialität im Auslieferungsrecht ein Prozesshindernis bewirkt, führt ein solcher bei der sonstigen Rechtshilfe nur zu einem Beweisverwertungsverbot.466 Der Bundesgerichtshof hat in Fall eines Verstoßes gegen § 72 IRG aber offen gelassen, ob hieraus ein Beweisverwertungsverbot folgt.467 Dagegen wurde in anderen Fällen bei einem Verstoß gegen die Spezialität ein Verwertungsverbot angenommen.468 Ein Rechtsverstoß liegt bei Missachtung der Spezialität zweifelsohne vor. Unklar ist jedoch, ob auch ein Verstoß gegen eine individualrechtsschützende Vorschrift vorliegt. Laut Herdegen soll „[a]m ehesten [. . .] ein Individualschutz noch beim Grundsatz der Spezialität in Betracht kommen.“469 Dies ergebe sich mittelbar aus den betroffenen Interessen des Staates. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Mittelbar kommt in zahlreichen Normen der Individualschutz zum Ausdruck, so auch bei jeder Zweckbindung. Eine Bedingung dient vorrangig der Wahrung staatlicher Interessen und damit der Souveränität des anderen Staates.470 Geschützt werden sollen ins463

Siehe hierzu bereits S. 288 ff. Zu einem vergleichbaren Fall der Informationsübermittlung von Polizeidienststellen untereinander siehe aber BGHSt 34, 334 ff. 465 Siehe S. 82 ff. 466 Vogler in: Grützner/Pötz, § 72 IRG Rn. 11; Linke, NStZ 1982, 416 (419). 467 BGH NJW 2001, 2102 (2106) (wegen Fehlens einer entsprechenden Rüge). Der BGH verweist hierfür auf seine Entscheidung aus BGHSt 34, 334 (341 ff.), in welcher jedoch nichts von der Erforderlichkeit einer solchen Rüge erwähnt wird; ebenfalls offen lassend BGHSt 18, 218 (220). 468 BGHSt 34, 334 (344); BFH NJW 1990, 2492 (2493). 469 Herdegen, EuGRZ 1986, 1 (2), allerdings ohne nähere Begründung; für einen mittelbaren Individualschutz der Spezialität auch Habenicht, wistra 1982, 214 (220). 470 Schomburg/Hackner in: Schomburg/Lagodny, § 72 IRG Rn. 11. 464

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besondere die Geheimhaltungsinteressen des ausländischen Nachrichtendienstes. Diese dienen dem Erhalt eines funktionierenden Nachrichtendienstes, und erst zweitrangig dem Schutz der Mitarbeiter oder V-Männer. Dass ein lediglich mittelbarer Individualschutz für die Begründung eines Verwertungsverbotes nicht ausreicht, lässt sich unter Zuhilfenahme ähnlicher nationaler Regelungen begründen. So dienen die §§ 54, 96 StPO gegebenenfalls auch mittelbar dem Individualschutz, etwa wenn Aussagegenehmigungen nicht erteilt werden, um V-Männer zu schützen. Jedoch führt ein Verstoß gegen die Verpflichtung, eine Aussage ohne Genehmigung oder außerhalb der Reichweite der Genehmigung zu unterlassen, nicht zu einem Verwertungsverbot.471 Die Anknüpfung an den Individualschutz muss daher hier ausscheiden.472 Praktisch wird ein Verstoß gegen eine Spezialitätsklausel nicht allzu oft vorkommen, da die Dienste ihre eigene Arbeit massiv behindern würden, da ihnen künftig keine oder weniger Informationen zur Verfügung gestellt würden, wenn das Vertrauensverhältnis erst erschüttert ist. Würde man eine Verwertung zulassen, so stellt diese einen Völkerrechtsverstoß dar. Der ersuchende Staat und seine Organe und damit auch die Gerichte sind aber verpflichtet, einen solchen zu unterlassen.473 Dies gilt unabhängig davon, ob die Bedingung unter § 72 IRG fällt oder allein völkerrechtlich verbindlich ist. Daher ist vorliegend ein Verwertungsverbot anzunehmen, wobei es sich, mangels vorgehenden Rechtsverstoßes bei der Datenerhebung, um ein selbstständiges Verwertungsverbot handelt. Ob dies im Einzelfall für den Angeklagten günstig oder ungünstig ist, ist unerheblich.474 Aus der Verletzung der Spezialität folgt also ein Beweisverwertungsverbot.475 471

Eisenberg, Rn. 364; Pfeiffer, § 54 Rn. 1. Zweifelnd am Individualschutz auch Schomburg, in: Rechtsprobleme der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit, 186 (190). Ein solcher lässt sich auch nicht BGHSt 34, 334 (343 f.) entnehmen. Vielmehr stimmt der BGH hierin mit der Vorinstanz überein, nämlich dass das EuRHÜbk, welches in dem angesprochenen Verfahren die Rechtsgrundlage bildete, nicht individualschützend sei. 473 BGHSt 34, 334 (344). Dies auch anerkennend Gless, JR 2008, 317 (323), die ein Verwertungsverbot aus „Respekt vor souveränen Entscheidungen fremder Staaten“ annehmen will. Die Restitutionspflicht ist dagegen nicht einschlägig, da noch kein Völkerrechtsverstoß begangen wurde, vergleiche S. 323 ff. 474 So ist der vielzitierte „völkerrechtliche Reflex“ in BGHSt 34, 334 (344) zu verstehen. Zur Begründung einer mittelbar individualschützenden Wirkung lässt sich diese Formulierung nicht heranziehen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der BGH formuliert, es „kann“ sich auswirken. 475 Linke, ZStW 96 (1984), 580 (590); ders., NStZ 1982, 416 (419); Schomburg/ Hackner in: Schomburg/Lagodny, Vor § 68 IRG Rn. 12 a; Schädel, S. 164 f.; Vogler, FS Spendel, 871 (890); Habenicht, wistra 1982, 214 (220); Böse, ZStW 114 (2002), 148 (172). Der Verstoß gegen ein solches Verwertungsverbot ist auch revisi472

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b) Vom deutschen Recht abweichende Maßstäbe In einigen ausländischen Nachrichtendienstgesetzen sind wesentlich weitgehendere Befugnisse enthalten als in den entsprechenden deutschen Gesetzen. Auch hat der Auslandsvergleich gezeigt, dass im Bereich der Geheimdienste viel von dem, was für sonstige Behörden in Rechtsstaaten gilt, wie eine transparente und öffentliche Gesetzgebung sowie klar definierte Befugnisse, gerade nicht vorausgesetzt werden darf. Dabei ist hier erneut zu beachten, dass bei der Frage der selbstständigen Beweisverwertungsverbote das Ausland nicht mit den deutschen Maßstäben des Rechtsstaats überzogen werden soll. Zur Beurteilung der Verwertbarkeit geht es stets nur darum, zu fragen, ob das Beweismittel unter Einbeziehung der konkreten Umstände der Erlangung, die Mindestmaßstäbe an ein Beweismittel erfüllt, welches in einem deutschen Strafprozess Berücksichtigung finden soll. Die Feststellung einer Abweichung von deutschen Maßstäben beinhaltet keinesfalls zugleich den Vorwurf der Rechtsstaatswidrigkeit an den betroffenen Staat. aa) Folter und unmenschliche Behandlung Möglich erscheint zunächst, dass Folter476 ein legales Mittel eines ausländischen Geheimdienstes sein könnte. Die meisten Länder jedoch besitzen rechtliche Sanktionen gegen Folter, ob sie sie durchsetzen oder nicht.477 In bel, Schnigula, DRiZ 1984, 177 (181); Habenicht, wistra 1982, 214 (220); Nagel, S. 317.; Schuster, S. 136. 476 Zunächst stellt sich die Frage, was Folter eigentlich ist. Obwohl der Folterbegriff sowohl im internationalen wie nationalen Recht auftaucht, so fehlt es doch an einheitlichen Definitionen. Nach Art. 1 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (BGBl. II, S. 246) ist Folter „jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.“ Laut Ulfkotte, Geheimdienste, S. 207 gehört zu „neuen Foltermethoden“ insbesondere der sogenannte „Belastungsstress“ wie sexuelle Demütigungen, Desorientierung, Desinformationen und wiederholter Schlafentzug. 477 Lowenthal, Intelligence, S. 265. Nach Beutler, S. 148 ff. ergibt sich das Folterverbot im Völkerrecht sowohl aus den einzelnen Verträgen und seiner Ansicht

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totalitären Staaten hingegen wird Folter häufig als Zwangsmittel angewendet.478 Insoweit ist auch nochmals auf die Praxis der renditions zu verweisen, die auch als „outsourcing of torture“ bezeichnet wird.479 Allerdings findet man Debatten darüber, was Folter eigentlich ist beziehungsweise wie diese gegenüber einer rauen und herabwürdigenden Behandlung abzugrenzen sei.480 Welche unterschiedlichen Bewertungen hier möglich sein sollen, zeigen beispielhaft die Diskussion um das sogenannte Waterboarding481 in den USA sowie die Diskussion um den GSS-Gesetzesentwurf in Israel482. Aber auch die als „Guantánamo-Geständnisse“ bekannt gewordenen belastenden Aussagen können hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit Zweifel bergen.483 Aus diesen Abweichungen bezüglich der Definition von Folter folgt, dass Methoden, die aus deutscher Sicht Folter darstellen, in einem anderen Staat unter Umständen legal Anwendung finden können.484 Dies zeigt, dass sich die Problematik des Umganges mit Foltererkenntnissen durchaus im Zusammenhang mit nachrichtendienstlichen Erkenntnissen stellen kann. (1) Verwertungsverbot Dass erfolterte Aussagen einem Verwertungsverbot unterliegen müssen, unabhängig davon, wer wo gefoltert hat, ist selbstverständlich.485 nach trotz einer noch verbreiteten Übung der Folter aufgrund der weltweiten Ächtung derselben auch aus Völkergewohnheitsrecht. 478 Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Folter, S. 145. 479 Lorenz, S. 58. Siehe hierzu auch Goetz/Sandberg, Der Spiegel 20/2009, S. 120 ff. 480 Siehe hierzu Marx, KJ 2006, S. 151 ff. Auslöser waren hierfür insbesondere die Vorfälle im US-Militärgefängnis von Abu Graib, siehe hierzu auch Thaman, FS Eser, 1041 (1450 Fn. 51). Dabei ist Folter im US-amerikanischen Recht seit 1791 durch das 8. Amendment der amerikanischen Verfassung verboten. 481 So soll das Unterwassertauchen eines Kopfes zur Simulation des Ertrinkens als Verhörmethode gelten und laut Angaben des CIA-Chef Michael Hayden schon mehrfach angewendet worden sein, http://www.focus.de/politik/ausland/menschen rechte_aid_236649.html vom 05. Februar 2008; zuletzt abgerufen am 26. April 2011. Einem Verbotsvorstoß im Kongress begegnete der damalige Präsident Bush mit einem Veto; mittlerweile ist diese Methode aber auch in den USA wieder verboten. Siehe auch Der Spiegel, 17/2009, S. 97. 482 Siehe S. 332 ff.; 343 ff. 483 Zum Begriff siehe auch Jahn, Gutachten, C 100. Die Behauptung, man habe sich Garantien dafür geben lassen, dass im Ausland nicht gefoltert würde, bezeichnet Lorenz als „unglaubwürdig“, Lorenz, S. 59 Fn. 264. 484 Zur Definition des Folterverbotes nach Art. 3 EMRK, siehe Esser, in: FolterZulässiges Instrument im Strafverfahren, 143 (147 ff.). Aus deutscher Sicht ist das „Untertauchen des Kopfes in einem Wassergefäß“ als Folter einzustufen, siehe zum Beispiel KG StV 1996, 103 (104).

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Gestützt wird dies teilweise auf eine analoge Geltung von § 136 a StPO auf ausländische Organe.486 Solche Überlegungen müssen für die vorliegende Diskussion schon deswegen außen vor bleiben, da, wie auch innerstaatlich, nachrichtendienstliche Ermittlungen vom Normzweck des Paragraphen nicht erfasst sind.487 Art. 15 UN-Antifolterübereinkommen488 begründet aber ein Beweisverwertungsverbot im deutschen Strafverfahren.489 Dieser ist in Tatbestand und Rechtsfolge hinreichend bestimmt und darum geeignet, Rechtswirkungen auszulösen.490 Er ist daher innerstaatlich unmittelbar anwendbar.491 Die Beachtung des Verwertungsverbots ist auch Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt, an die sich das Übereinkommen gleichfalls in anderen Bestimmungen unmittelbar wendet.492 So ist die Verwertung von Aussagen aus Folter ausgeschlossen, sofern diese nicht dem Nachweis der Folter selbst dienen.493 Ferner ergibt sich ein Verwertungsverbot für solche Aussagen aus Art. 1, 20 Abs. 3 GG, da eine Verwertung klar grundgesetzwidrig wäre. Dabei 485 Klug, DJT 66, F 33 f.; Ambos, StV 2003, 151 (154). So auch Schuster, S. 122 unter Hinweis darauf, dass Folter zwar in einigen Teilen der Erde noch Realität sei, jedoch selten offen gebilligt werde, a. a. O. Fn. 459. In Syrien soll zum Beispiel konsequent gegen die Menschenrechte verstoßen werden, Ulfkotte, Geheimdienste, S. 196. 486 So OLG Hamburg NJW 2005, 2329; OLG Frankfurt NStZ 1988, 425, welches den Inhalt der Norm ohne Diskussion einer Analogie anwendet. Eine Analogie zumindest in Betracht ziehend, auch Griesbaum, DJT 2008, L 37; gegen eine entsprechende Anwendbarkeit von § 136 a StPO wohl OLG Frankfurt NStZ 1988, 425, welches das Verwertungsverbot für ausländische Erkenntnisse aus § 136 a Abs. 3 StPO entnimmt, ohne eine Analogie zu erwähnen; Eisenberg, Rn. 355. 487 Vgl. S. 38 ff. Aus ähnlichen Gründen sollte man an dieser Stelle eine Analogie zu § 161 Abs. 2 StPO nicht erwägen. Diese Norm hat schon innerstaatliche Schwachstellen aufgezeigt, wenn es um die Harmonisierung verschiedener Verfahrenstypen ging, so dass es einer Überstrapazierung gleichkäme, diese Norm nun auf das Ausland mittels Analogie ausdehnen zu wollen. 488 Art. 15 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (BGBl II 1990, S. 246) – UN-Antifolterübereinkommen. „Each State Party shall ensure that any statement which is established to have been made as a result of torture shall not be invoked as evidence in any proceedings, except against a person accused of torture as evidence that the statement was made.“ 489 LR/Gleß § 136 a Rn. 79; OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2327 f.). Zur Ablehung einer Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes nach Art. 15 UN-Antifolterübereinkommen, siehe BVerfG EuGRZ 1996, 324 (328). 490 BVerfG NStZ 1994, 492 (493). 491 OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2327 f.); ebenso Esser in: Folter – Zulässiges Instrument im Strafverfahren, 143 (145). 492 BVerfG NStZ 1994, 492 (493). 493 KG StV 1996, 103 (104); LR/Gollwitzer, Art. 3 EMRK Rn. 11.

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kann offen bleiben, ob durch die Verlesung der Protokolle ein eigenständiger Verstoß gegen Art. 1 GG begründet würde494, weil die Verlesung jedenfalls gegen grundlegende, rechtsstaatliche Anforderungen verstieße. Indem der Staat Verstöße gegen die Menschenwürde, das oberste Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes, zu seinen Zwecken ausnutzte, also von diesen profitierte, würde er sich zu sich selbst in Widerspruch setzen. Er kann sich nicht solche Verhaltensweisen Dritter zunutze machen, die er für sich selbst absolut abgelehnt hat.495 Die Differenzierung beinhaltet zudem die Gefahr, dass der Anschein entstehen könnte, es gäbe sowohl zulässige als auch unzulässige Folter, je nachdem, wer der Urheber ist.496 In dieser Konstellation entfällt die Legitimation zum Strafen und ein Beweisverwertungsverbot muss aus generalpräventiven Gründen greifen. Denn die Ausnutzung einer derart gravierenden Verletzung von Individualrechten zur Durchsetzung seines Strafanspruches wäre eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips.497 Wie Lisken/Denninger zu Recht feststellen, können „illegale Wege der Informationsgewinnung“ eventuell „gewisse Effektivitätsgewinne“ herbeiführen, jedoch zerstören sie langfristig die „rechtlichen Grundlagen, aus denen die eigene Herrschaft ihre Legitimität gewinnt“.498 Folterbeweise sind damit vom Strafverfahren ausgeschlossen. (2) Drittwirkung Nichts anderes kann für die Verwertung von erfolterten Aussagen Dritter gelten. Dennoch ist deren Verwertbarkeit umstritten. Internationale Aufmerksamkeit hat kürzlich insoweit eine Entscheidung des britischen Court of Appeal erlangt. Auf Beschwerden gegen Entscheidungen der Special Immigration Appeals Commission (SIAC), einer besonderen Kommission, die Entscheidungen des Secretary of State bezüglich der Inhaftierung von Terrorverdächtigen überprüft, die rügten, die Entscheidung basiere auf Aussagen Dritter, die durch Folter erlangt worden seien, entschied der Court of Appeal mehrheitlich, dass es im geltenden eng494 So zum Beispiel Thien, S. 90, 93, da sich der Staat durch das Verlesen mit den grundrechtsverletzenden Methoden nachträglich einverstanden erkläre; so auch Ambos, StV 2003, 151 (158). 495 Thien S. 90. Sie spricht von einer „quasi sukzessiven Mittäterschaft“, Thien S. 85. 496 Ambos, StV 2003, 151 (158). 497 LR/Hanack, 25. Aufl., § 136 a Rn. 10 f.; Götting, S. 297 ff.; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (41); Störmer, Grundlagen, S. 113 ff. Für ein Verwertungsverbot bei Verstößen gegen Menschenrechte auch Vogel in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 1 IRG Rn. 33. 498 Lisken/Denninger A 97.

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lischen Recht keine Gründe gebe, diese Beweise nicht zu verwerten.499 Als maßgeblich sahen die für die Entscheidung stimmenden Richter an, dass die Beweise ohne einen Bezug zu britischen Behörden erlangt wurden. Der von der Mehrheit abweichend stimmende Richter Neuberger betonte hingegen, dass die Verwertbarkeit von solchen Beweisen ausscheiden müsse, da sich die Exekutive die Mittel durch die Nutzung zu Eigen mache und die Gerichte berufen seien, dies zu unterbinden.500 Entscheidend gegen die Verwertung von Folteraussagen, unabhängig davon, ob der spätere Beschuldigte oder ein Dritter gefoltert wurde, spricht die Rechtsstaatswidrigkeit dieser Verwertung. Die Unverwertbarkeit wird nicht, wie bei der fehlenden Entschließungsfreiheit mit der Selbstbelastungsfreiheit, die ebenfalls in Art. 1 GG wurzelt, begründet, sondern mit dem Menschenwürdeverstoß der Folterhandlung an sich. Die Nutzung von Informationen, die aus einem derartigen Vorgehen Dritter stammen, läuft der deutschen Rechtsordnung zu wider.501 Soweit die in § 136 a StPO aufgezählten Verbote Ausprägung der Menschenwürde in diesem Sinne sind502, müssen dort ebenfalls Beweise, die unter Verletzung dieser Vorschrift erhoben worden sind, der Verwertung in jedem Strafverfahren entzogen sein.503 Unverständlich erscheint insoweit, wieso der Bundesgerichtshof vertritt, dass das Verbot, eine gesetzwidrig gewonnene Aussage zu verwerten, nur das Verfahren betreffe, in dem sie gemacht worden ist.504 Argumente hierfür liefert er nicht.505 Dies kann nur insoweit Bestand haben, als es um die Selbstbelastungsfreiheit geht. Diese kann selbstverständlich nur für den jeweils Beschuldigten greifen. So rügt der Betroffene in einer der zitierten BGH-Entscheidung die Verletzung der Entschließungsfreiheit.506 Daher ist das Ergebnis, dass er diesen 499 [2004] EWCA civ 1123, Nr. 138, 253, siehe aber auch 474, 492. Dabei sahen die Richter Art. 15 UNCAT als in England nicht unmittelbar geltendes Recht an, Nr. 133. Die Entscheidung wurde von (2005) UKHL 71 aufgehoben. 500 Nr. 214. Wörtlich führt er an: „The outright objection of torture can be said to carry with it rejection of evidence obtained under torture, whoever the torturer or the tortured may be“; Nr. 413. 501 Daher kommt es auf den Beweiswert dieser Aussagen aufgrund des zweifelhaften Wahrheitsgehalts nicht an. 502 BGHSt 5, 332 (333). 503 Pfeiffer, § 136 a Rn. 13. 504 Zu § 136 a StPO: BGH 2 StR 431/75 S. 2; BGH 2 StR 14–15/59 S. 3; KK/ Diemer, § 136 a Rn. 38; a. A. LR/Gleß § 136 a Rn. 71; SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 82; AK/Gundlach, § 136 a Rn. 73; Pfeiffer, § 136 a Rn. 13. 505 Siehe BGH 2 StR 431/75 S. 2 unter Verweis auf BGH 2 StR 14–15/59 S. 3, aber auch dort nur die Feststellung, dass das Verwertungsverbot des § 136 a StPO sich nur auf das betreffende Verfahren beziehe.

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Verstoß nur im Verfahren gegen ihn selbst gelten machen kann, zutreffend.507 Soweit jedoch die Methode bereits selbst einen Menschenwürdeverstoß beinhaltet, kann es keinen Unterschied machen, gegen welchen Beschuldigten die so erlangten Ergebnisse Verwendung finden sollen. Daher lässt sich auch der Fall Faust nicht gegen die hier vertretene Auffassung anführen, da dieser einen Fall der Telefonüberwachung betraf.508 Eine grundsätzliche Drittwirkung eines Rechtsverstoßes ist nämlich nicht angezeigt, weil ein Beweisverwertungsverbot grundsätzlich die Betroffenheit des Rechtskreises voraussetzt. Dies gilt dann, aber auch nur dann, wenn der Betroffene sich auf eine Verletzung eines Individualrechtsgutes beruft. Diese Begrenzung kann jedoch bei Verstößen gegen Art. 1 GG nicht überzeugen. Denn Art. 1 GG ist nicht nur, nach richtiger, aber nicht unstrittiger Auffassung, ein Grundrecht, sondern gibt zugleich einen objektiven Normmaßstab vor.509 Wie bereits oben gesehen, gilt in diesem Fall auch ausnahmsweise, dass es unerheblich ist, ob ein eigener Verstoß vorliegt oder ob ein entsprechendes Verhalten Dritter ausgenutzt wird. In beiden Fällen liegt ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip bei Verwertung vor. Eine Drittwirkung liegt somit darin begründet, dass nicht nur ein Individualrechtsverstoß gerügt wird, sondern die Legitimation zur Nutzung dieses Beweises an sich entfällt. Damit sind grundsätzlich erfolterte Aussagen im deutschen Strafprozess unverwertbar, unabhängig davon wer und wo gefoltert wurde. (3) Sonstige unmenschliche Behandlung Auch eine sonstige unmenschliche Behandlung, die keine Folter darstellt, muss zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Diese Methoden beeinträchtigen nämlich nicht nur die Freiheit der Willensentschließung, sondern gleichfalls die Subjektstellung des Betroffenen. Von einigen Geheimdiensten sollen sogenannte Wahrheitssera, auch Plauderdrogen genannt, bei Verhören verwendet werden, also Narkotika (wie zum Beispiel Natrium-Penthotal, Mescalin, Scopolamin), die bei dem zu 506 BGH 2 StR 14–15/59 S. 3; BGH 2 StR 431/75 S. 2 spricht insoweit nur unklar von „Druck“ bei der Vernehmung. In beiden Fällen erscheint schon eine Beeinträchtigung der Menschenwürde nur durch die Vernehmung selbst zweifelhaft. 507 Keine Wirkung gegenüber dem Mitbeschuldigten soll auch ein Verstoß gegen § 168 c StPO entfalten, BGH StV 2009, 300 ff. 508 So aber OLG Köln, NJW 1979, 1216 (1218). 509 Sachs/Höfling Art. 1 Rn. 3 ff.; a. A. Dreier/Dreier Art. 1 Rn. 67 (nur Grundprinzip).

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Vernehmenden zur Ausschaltung seines Bewusstseins und dadurch zu Aussagen führen.510 Diese Vorgehensweise verletzt das forum internum der Glaubens- und Gewissensfreiheit.511 All diesen Maßnahmen ist gemein, dass sie im Zeitpunkt der Tätigung der Aussage keinerlei Kontrolle der betroffenen Person über sich zulassen. Es ist daher unerheblich, ob die Person vorher dieser Behandlung zugestimmt hat oder nicht.512 Eine Verwertbarkeit scheidet in jedem Fall aus. CIA, DIA und NSA benutzen darüber hinaus Polygraphen, also Lügendetektoren.513 Erkenntnisse, die derart erlangt worden sind, sind ebenfalls im deutschen Strafprozess unverwertbar. Dabei ist es unerheblich, ob man hierin einen Menschenwürdeverstoß sieht, da sie jedenfalls als Beweismittel ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 S. 2 Alt. 4 StPO sind.514 Der Lügendetektortest unterscheidet sich indes von den oben genannten Methoden.515 Zwar dient auch er dazu, Informationen über Vorgänge zu erlangen, die der direkten willentlichen Kontrolle des Überprüften nicht unterliegen.516 Jedoch kann dieser den Test jederzeit abbrechen, weil er im Zeitpunkt der Befragung Herr seiner geistigen Fähigkeiten ist. Insgesamt unterliegen alle Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste, die durch eine der genannten Methoden erlangt wurden, einem Verwertungsverbot. bb) Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts Soweit der Beweisverwertungsvorgang einen Eingriff in die Intimsphäre darstellt, hat er wegen des Kernbereichsschutzes selbstverständlich zu unterbleiben, ganz gleich, ob es sich dabei um beispielsweise Tagebücher handelt, die im In- oder Ausland erlangt wurden. 510

Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Wahrheitsserum, S. 489. Deutsch, S. 88; Rundel, S. 22. Ausführlich zur Narkoanalyse, siehe Dalakouras, S. 188 ff. 512 Auf die Diskussion, ob man in eine gegen die Menschenwürde verstoßende Behandlung einwilligen kann, kommt es daher vorliegend nicht an. Zu Nachweisen zum Streitstand, siehe Dreier/Dreier Art. 1 Rn. 90. 513 Lowenthal, Intelligence, S. 147, hauptsächlich für die Überprüfung von Mitarbeitern. 514 BGHSt 44, 308 (312 ff.), bestätigt durch BGH r+s 2004, 347 (für Zivilverfahren). Zum vorherigen Streitstand der Vereinbarkeit mit Art. 1 GG, § 136 a StPO, siehe BGHSt 5, 332; Dalakouras, S. 163 ff. Zur Frage des mittelbaren Zwangs, siehe Grünwald, Beweisrecht, S. 73 ff. sowie BGHSt 44, 308 (318). 515 Auf den Unterschied weist auch BGHSt 44, 308 (318) ausdrücklich hin. 516 BGHSt 44, 308 (313). Umfassend zum Lügendetektor Stübinger, ZIS 2008, 538 ff. 511

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Eine weitere Grenze ist überschritten, wenn Informationen aus einer Totalüberwachung des Betroffenen erfolgen, die diesem keinen privaten Bereich belassen. Gleiches gilt für erstellte Persönlichkeitsprofile.517 Auch wenn dies nach dem ausländischen Recht zulässig sein sollte, unterliegen die Informationen jeweils einem Verwertungsverbot im deutschen Strafverfahren. cc) Fehlende oder ungenügende Rechtsgrundlagen Am Beispiel Israel wurde gezeigt, dass es möglich ist, dass für einen oder mehrere Dienste keine Rechtsgrundlagen existieren. Ebenfalls hat der Auslandsvergleich ergeben, dass häufig zwar die Aufgaben, nicht aber die Befugnisse in den Gesetzen näher präzisiert sind. Innerstaatlich hat das Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage für das Handeln der Nachrichtendienste zu einem Verwertungsverbot geführt. Jedoch soll bei der Frage, ob ein konkretes Beweismittel verwertbar ist, allein auf die Rechtmäßigkeit des Erhebungsakts abgestellt werden und nicht auf die abstrakten Normen beziehungsweise deren Fehlen. Es ist daher zu fragen, ob die Beweiserhebung in concreto grundgesetzwidrig wäre. Damit soll nicht über den hohen Stellenwert des Gesetzesvorbehalts in der deutschen Verfassung hinweggetäuscht werden. Dieser ist eine wesentliche, einfachgesetzliche Ausgestaltung des Rechtsstaatsprinzips. Würde dessen Vorliegen jedoch in der ausländischen Rechtsordnung überprüft, so käme dies einer Zensur der ausländischen Rechtsordnung gleich, da letztlich doch eine Normenkontrolle durchgeführt würde.518 Damit ist auch in diesem Fall allein auf den konkreten Erhebungsakt abzustellen, und nicht auf die Rechtsregelungen an sich. Jedoch muss in diesen Fällen der tatsächliche Ablauf der Informationserhebung besonders sorgfältig ermittelt werden. Das Fehlen der Rechtsgrundlage kann zumindest ein Indiz für mögliche materielle Grundrechtseingriffe sein. Auch erscheint eine Berücksichtigung dieses Umstandes bei der Beweiswürdigung durchaus angemessen. dd) Fehlende Erhebungsbeschränkungen, insbesondere tatsächliche Anhaltspunkte Die Frage, ob fehlende Erhebungsschranken im Ausland rechtsstaatswidrig mit der Folge eines Verwertungsverbotes sind, führt zu der Frage, wie das rechtsstaatliche Minimum für eine Datenerhebung beschaffen sein muss. 517

BVerfGE 109, 279 (323); König, S. 217. Ganz abgesehen von der Problematik, dass im Anschluss festzustellen wäre, ob etwaig bestehende Rechtsgrundlagen auch den Anforderungen an den grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalt genügen könnten. 518

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Die Ausführungen zu den innerstaatlichen Regelungen haben gezeigt, dass von den Anforderungen „Verdacht“ und „Gefahr“ unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, wenn zum Beispiel die Schwere der relevanten Straftaten dies erfordert. Dagegen sind in den Nachrichtendienstgesetzen die tatsächlichen Anhaltspunkte festgeschrieben. Diese legen zugleich ein rechtsstaatliches Minimum fest, indem sie die Datenerhebungen von generellen Ausforschungseingriffen abgrenzen. Die sehr weitgehenden innerstaatlichen Befugnisse müssen nicht stets das absolute Minimum des rechtsstaatlich Zulässigen festsetzen, aber eine anlasslose Datenerhebung, sofern es sich dabei nicht um eine strategische Rasterung von Daten handelt, ist rechtsstaatswidrig. Rechtsstaatlich gefordert ist damit eine irgendwie geartete Begrenzung der Datenerhebung, die sowohl die Individualinteressen als auch das Interessen an der Datenerhebung zur Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste berücksichtigt. Eine willkürliche Datenerhebung führt stets zu unverwertbaren Ergebnissen. Bei der Beurteilung eines Verwertungsverbotes ist wiederum auf den tatsächlichen Ablauf der Datenerhebung abzustellen und nicht auf die rechtliche Regelung. ee) Fehlen von Belehrungspflichten über Freiwilligkeit oder Selbstbelastungsfreiheit Schwieriger zu beurteilen ist hingegen die Frage, ob schon allein das Fehlen von Belehrungspflichten bezüglich des Betroffenen zu einem Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen die Selbstbelastungsfreiheit führt. Selbstverständlich kann dies, wie innerstaatlich, nur für den Fall des offenen Tätigwerdens der Dienste gelten. Bezogen auf die innerstaatlichen Regelungen wurde gezeigt, dass bei nachrichtendienstlichen Befragungen mangels Beschuldigtenstatus des Befragten zwar keine Belehrung hinsichtlich der Selbstbelastungsfreiheit notwendig ist. Vielmehr ist ausdrücklich auf die Freiwilligkeit der Mitwirkung hinzuweisen, was implizit auch den Hinweis beinhaltet, dass der Betroffene sich nicht selbst belasten muss. So führt ein Verstoß gegen diese Belehrungspflicht wie auch innerstaatlich zu einem Verwertungsverbot.519 Zumindest ist jedoch im Ausland zu fordern, dass über die Selbstbelastungsfreiheit belehrt wurde, um verwertbare Informationen zu erlangen. Zu einem abweichenden Ergebnis gelangte der Bundesgerichtshof hingegen in einem Beschluss von 2001, wonach kein Verwertungsverbot greifen solle, wenn im Ausland keine Belehrung über die Aussagefreiheit er519

Siehe S. 197 ff.

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folgt ist.520 Diese Entscheidung ist jedoch nicht überzeugend. Der Bundesgerichtshof untersucht allein das bestehende materielle Recht des ersuchten Staates und unterlässt die zusätzliche Kontrolle anhand der grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen Deutschlands an Beweise, die in einem deutschen Verfahren genutzt werden sollen. Zu diesen elementaren Grundsätzen im Sinne eines ordre public, der auch in Auslandszusammenhängen durchgesetzt werden muss, gehört jedenfalls die Selbstbelastungsfreiheit als Ausdruck der Menschenwürde. Somit greift für die Fälle der fehlenden Belehrung über die Mitwirkungsfreiheit ein innerstaatliches Belehrungsverbot. ff) Zwangsbefugnisse In vielen EU-Mitgliedstaaten besteht keine Trennung zwischen Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten.521 Auch der Auslandsvergleich hat ergeben, dass eine solche Trennung nicht in allen Staaten gegeben ist. So dürfen in Großbritannien die Geheimdienste aufgrund einer besonderen Kompetenzzuweisung Abhörmaßnahmen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen durchführen; eine klare Trennung zwischen Abhörmaßnahmen von Strafverfolgungsbehörden einerseits und britischen Diensten andererseits findet nicht statt.522 Auch in den USA wurde die bislang innerhalb des FBI existierende strikte Grenze, „the wall“, zwischen der nachrichtendienstlichen Einheit und der Strafverfolgung mit dem US Patriot Act weitgehend aufgegeben.523 Um die fehlende Trennung beziehungsweise das Zugeständnis von Zwangsbefugnisse an die Nachrichtendienste als Anknüpfungspunkt für ein Verwertungsverbot wählen zu können, müsste zunächst ein Verfassungsgut existieren, welches durch die Verwertung verletzt werden könnte. Dem Trennungsgebot müsste also Verfassungsrang zukommen. Ob dies nun aber so ist524 oder ob es sich um eine nur einfach-gesetzliche Regelung handelt525, ist umstritten.526 520 BGH NStZ-RR 2002, 65 (67); die Frage offenlassend BGH NStZ 1994, 595 (596), da der Betroffene im zu entscheidenden Fall sein Recht zu schweigen kannte. 521 Wieck in: Jäger/Daun S. 208. 522 Siehe die Regelungen der Regulation of Investigatory Powers Act (RIPA 2000). 523 Siehe bereits S. 334 ff. 524 Lisken, ZRP 84, 144 (146); Bull, Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 133 (149); Lisken/Denninger, C 114; ebenso SK/Wolter, StPO, Vor § 151 Rn. 102; für Verfassungsrang (o. Arg.) Riegel, Datenschutz (1992), S. 143; Hund, NJW 1992, 2118 (2120); Gusy, ZRP 1987, 45 (48). 525 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 126 ff., 136 ff.; Roewer, DVBl. 1986, 205 (207); Gusy, ZRP 87, 45; Brenner, S. 48. 526 Ausführliche Erläuterung bei Ostheimer, S. 66 ff.; Schafranek, S. 166 ff.

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In der Rechtsprechung finden sich hierzu wenige Anhaltspunkte. Während das Bundesverfassungsgericht 1998 in einem obiter dictum äußert, dass eine Zusammenlegung des Nachrichtendienstes mit einer Vollzugspolizeibehörde nicht zulässig wäre, lässt es die Frage in der 3. Abhörentscheidung 2001 ausdrücklich offen.527 Daher kann man aus der Vorgängerentscheidung nicht allzu viel ableiten. Der Verfassungsrang soll sich aus dem historischen Polizeibrief ergeben. Da dieser Teil des Genehmigungsschreibens zum Grundgesetz gewesen sei, soll er innerstaatlich als oder wie Verfassungsrecht gegolten haben.528 Hierfür müsste der Polizeibrief immer noch eine Rechtsquelle mit verfassungsrechtlicher Bindungswirkung529 sein. Im Grundgesetz ist er jedenfalls nicht erwähnt.530 Der Vorbehalt der Alliierten wäre auch überflüssig gewesen, wenn das GG selbst schon das Trennungsgebot beinhaltete.531 Außerhalb des GG gibt es aber kein Verfassungsrecht, so dass der Polizeibrief selbst keine externe Verfassungsrechtsquelle darstellen kann.532 Auch wäre eine solche Rechtsquelle spätestens mit Erlangung der vollen Souveränität533 Deutschlands erloschen.534 Ferner muss dieses Argument für den BND oh527

BVerfGE 97, 198 (217); 100, 313 (369 f.). Gusy, ZRP 1987, 45 (46); bezüglich des BND wird mit diesem Argument teilweise schon die grundsätzliche Anwendbarkeit des Polizeibriefes auf diesen bezweifelt, so Brenner, S. 51 f., ihm folgend Hochreiter, S. 173. 529 So auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 223; Kutscha ZRP 86, 195; aber mit Erlöschen der Vorbehaltsrechte der Aliierten außer Kraft getreten, so Gusy, ZRP 1987, 45 ff. 530 Albert, ZRP 1995, 105 (108); Werthebach/Droste-Lehnen, ZRP 1994, 57 (63). 531 Roewer, DVBl. 1986, 206. 532 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 125; als Argument hierfür führt Borgs an, dass dann selbst der Verfassungsgeber an diesen gebunden wäre und diese Konsequenz auch die Befürworter des Verfassungsranges nicht ziehen wollen, vergleiche Lisken, NJW 1982, 1482 Fn. 18. 533 Das Besatzungsrecht ist bereits großteils durch den Deutschlandvertrag vom 05. Mai 1955, den 3-Mächtevertrag vom 27. Mai 1968 ebenso durch die Schaffung der Notstandsverfassungen und den Erlass des Gesetzes zu Artikel 10 erloschen; Roewer § 3 Rn. 191; Arndt, Das G10-Verfahren in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 43; Gusy, ZRP 1987, 45 (46); Deutsch, S. 31. Die meisten Vorbehalte der Alliierten, wie sie sich im Genehmigungsschreiben zum Grundgesetz fanden, waren bereits 1955 erloschen. Art. 5 Nr. 2 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (BGBl. 1955 II, S. 305) beinhaltete allerdings Restriktionen zur Sicherheit der in Deutschland stationierten Soldaten. Diese Rechte hatten ohnehin keinen Bezug zum Trennungsgebot, traten aber jedenfalls 1968 mit Schaffung des G10 außer Kraft, Brenner, S. 50. Durch die Erklärung der Besatzer vom 01. Oktober 1990, abgedruckt in BR-Drs. 706/90. BGBl. II, S. 1331, mit Wirkung zum 03. Oktober 1990 sind alle Vorbehaltsrechte erloschen, Droste, S. 14; Gusy, ZRP 1987, 45 (46); Roewer/Schäfer/Uhl, Lexikon, Stichwort Polizeibrief S. 353. 528

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nehin ausscheiden, da sich der Polizeibrief nur auf die Inlandsnachrichtendienste bezog.535 Als weiteres Argument für einen möglichen Verfassungsrang des Trennungsgebots wird der Wortlaut des Art. 87 GG herangezogen.536 Mit dem Begriff „Verfassungsschutz“ und nicht „Geheimdienst“ habe das Grundgesetz schon sprachlich verdeutlicht, dass es das Trennungsgebot aufgenommen habe.537 Dies scheint als reine Wortlautauslegung jedoch etwas gewagt. Auch der Plural „Zentralstellen“ solle andeuten, dass Polizei- und Verfassungsschutzaufgaben verschiedenen Stellen übertragen werden müssten.538 Jedoch lässt sich diesem zwar die Möglichkeit zur Schaffung verschiedener Stellen entnehmen, nicht aber eine derartige Verpflichtung.539 Weder besteht die Verpflichtung zur Schaffung der aufgezählten Stellen noch eine solche, für jede der Aufgaben eine gesonderte Stelle zu schaffen.540 Wollte man aus dem Plural „Zentralstellen“ zwingend etwas für das Trennungsgebot ableiten, so käme allein eine organisatorische Trennung in Betracht.541 Auch hier griffen diese Argumente wiederum nur für den Ver534 Paeffgen/Gärditz mahnen kritisch, dass die Tatsache der Erlöschens des Besatzungsrechts insofern „immerhin diskussionsbedürftiger und problematischer“ ist als üblicherweise dargestellt, Paeffgen/Gärditz, KritV 2000, 65 (67). Gründe geben sie allerdings nicht an. Ob dem Polizeibrief darüber hinaus jegliche Rechtswirkung abzusprechen ist, mag angezweifelt werden, da völkerrechtlich das ius postliminii, d.h. das das Besatzungsrecht i. e. S., also die erlassenen Rechtsnormen, nicht ausdrücklich erlischt, siehe Rensmann, Besatzungsrecht im wiedervereinten Deutschland, S. 109 f., 126, 173. Jedenfalls kann dem Besatzungsrecht kein Verfassungsrang außerhalb des Grundgesetzes zukommen, weiter ist festzuhalten, dass unabhängig von der Frage, ob das Besatzungsrecht und zum Beispiel der Polizeibrief fortgelten, sie jedenfalls kein überkonstitutionelles Recht darstellen, da alles verbleibende Besatzungsrecht seit 1990 zur Disposition des deutschen Gesetzgebers steht, hierzu siehe Rensmann, S. 64 f., 126, 189. Zum Besatzungsrecht im weiteren Sinne, d.h. fortgeltenden Sonderregelungen in Bezug auf die Alliierten auf deutschem Bundesgebiet, vergleiche Rensmann, S. 87 ff.; Burkhardt/Granow, NJW 1995, 424 ff. 535 Brenner, S. 52. Zur einfachrechtlichen Geltung des Trennungsgebotes für den BND, siehe S. 94 ff. 536 Papier, DVBl. 1992, 1 (8) ausdrücklich nur für ein Trennungsgebot aus der Verfassung für den Bundesgrenzschutz, welches sich aus Art. 87 GG i. V. m. mit weiteren Aufgabenzuweisungen des Grenzschutzes ergeben solle. 537 Schäfer, NJW 1999, 2572. 538 Maunz/Dürig/Maunz Art. 73 Rn. 11; Schmidt, ZRP 1979, 185 (190); Gusy, ZRP 1987, 45 (47); Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876. 539 Nehm, NJW 2004, 3289 (3291); BK/Werthebach/Droste, Art. 73 Rn. 247. 540 Betrachtet man zudem noch Art. 87 GG a. F., so scheinen sich hieraus noch weniger Argumente für eine Verpflichtung zur Trennung zu ergeben, Roewer § 3 Rn. 187 f. 541 Nehm, NJW 2004, 3289 (3291).

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fassungsschutz, mangels verfassungsrechtlicher ausdrücklicher Bezugnahme nicht hingegen für die anderen beiden Dienste.542 Auch aus der Aufgabenzuweisung und Systematik des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, nämlich dass der Polizei die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung, dem Verfassungsschutz aber das Vorfeld zugewiesen sei, soll sich ergeben, dass dieser von polizeilichen Befugnissen ausgeschlossen sei, was nun den maßgeblichen Inhalt des Trennungsgebots ausmache.543 Ein zwingender Schluss von der Aufgabe auf die Befugnisse ist jedoch nicht zu ziehen. Das Trennungsgebot wird vielmehr unterstellt. Merkwürdig wäre auch, dass es auf Bundesebene ein solches Trennungsgebot geben solle, nicht jedoch auf Länderebene, weil die entsprechenden Verfassungen keine mit den Bundesartikeln vergleichbaren Regelungen enthalten.544 Damit lässt sich das Trennungsgebot weder aus dem Wortlaut des Art. 73 Nr. 10 GG „Verfassungsschutz“ noch aus Art. 87 Abs. 1 GG „Zentralstelle“ herleiten. Diese beziehen sich allein auf die Existenz eines Verfassungsschutzes sowie auf dessen interne Organisation.545 Auch das Rechtsstaatsprinzip wird zur Begründung eines verfassungsrechtlichen Trennungsgebotes herangezogen.546 Dabei wird das Trennungsgebot als „Ausprägung eines elementaren Grundgedankens, durch den die freiheitlich-demokratische Struktur des Verfassungsschutzes“ gesichert werden sollte547 und „Maßstab für die Freiheitlichkeit in einem besonders sensiblen Bereich staatlicher Machtausübung“548 gesehen. Hieraus ergibt sich jedoch nichts zwingend für die Rechtsnatur des Trennungsgebotes. Für eine Einschätzung des Trennungsgebotes als ein verfassungsrechtliches Gebot müsste nämlich noch hinzukommen, dass durch die Abschaffung des solchen dieses Ziel nicht mehr erreicht werden könnte. Das Trennungsgebot dient unzweifelhaft der Begrenzung der Staatsgewalt. Eine solche Begrenzung lässt sich jedoch auch durch das Schaffen von Rechtsgrundlagen und durch effektive parlamentarische und justizielle Kontrolle erreichen. Bei Nachrichtendiensten handelt es sich um staatliche Einrichtungen, die auf542 Zu deren grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Verankerung, siehe Gröpl, S. 133 ff. (für BfV), Brenner, S. 14 ff. (für den BND). 543 So wohl Gusy, ZRP 1987, 45 (48); Sachs Art. 87 Rn. 45; Zöller, Informationssysteme, S. 317 f.; Paeffgen/Gärditz, KritVJ 2000, 65 (66); zum Begriff der polizeilichen Befugnisse, siehe S. 97. 544 Droste, S. 16. 545 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 126; Droste, S. 15. 546 Dies in Erwägung ziehend Denninger, ZRP 1981, 231 (232); ebenso v. Götz in: Isensee/Kirchhof, § 79 Rn. 43; Lisken/Denninger C Rn. 114 (i. V. m. der Kompetenzverteilung und der Zweckbindung). 547 Kalkbrenner, FS Samper, 69 (79). 548 Droste, S. 3.

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grund von Rechtsgrundlagen handeln, die deren Aufgaben und Befugnisse festlegt und sowohl diese als auch das Handeln der Dienste selbst unterliegen der rechtsstaatlichen Kontrolle.549 Das Trennungsgebot scheint daher rechtsstaatlich nicht zwingend. Andere Staaten, wie die USA, Großbritannien, Frankreich und die Schweiz besitzen kein Trennungsgebot und an deren Rechtsstaatlichkeit wird nicht gezweifelt.550 Das Trennungsgebot gehört somit nicht zu den in Art. 20 GG verbürgten Grundlagen des Staates.551 Damit kommt dem Trennungsgebot kein Verfassungsrang zu und ein Beweisverwertungsverbot lässt sich an sein Fehlen nicht knüpfen. gg) Zwangsweise Mitwirkung Soweit die ausländische Rechtsordnung einen Aussagezwang vorsieht, unterliegen diese Aussagen schon wegen der Selbstbelastungsfreiheit unproblematisch einem Verwertungsverbot. Dass die Zwangswirkung hier nicht durch eine deutsche Behörde stattfand, ist unbeachtlich, da im Rahmen der selbstständigen Beweisverwertungsverbote zur Beurteilung der Rechtsstaatlichkeit der Gesamtvorgang der Beweisgewinnung mit einbezogen werden darf. Die Aussagen des späteren Angeklagten können damit nicht gegen ihn verwertet werden. Hiervon zu unterscheiden sind Informationen, die von Informanten stammen, die von den Nachrichtendiensten zur Mitarbeit gezwungen wurden. Dass diese Anwerbungsmethode keine Seltenheit sind, zeigen auch die Ausführungen des Kammergerichtes über „die nicht ausschließbar abstrakte Gefahr, dass durch Ausforschung gewonnene Erkenntnisse von fremden Geheimdiensten genutzt werden, um von außen auf das Verhalten solcher Personen Einfluss zu nehmen, insbesondere um sie und ihre Angehörigen zur geheimdienstlichen Mitarbeit oder zu anderen Tätigkeiten zu bewegen“.552 Die zwangsweise Mitarbeit kann aber nur dann ein Beweisverwertungsverbot bedingen, wenn sich der Zwang auf die zu treffenden Aussagen auswirkt, also entweder, weil es sich um die Aussagen des zur Mitarbeit gezwungenen Informanten selbst handelt oder aber, weil sie selbst andere zu Aussagen zwingen. Nur soweit die zu verwertende Aussage selbst erzwungen wurde, besteht ein strafprozessuales Verwertungsverbot. Dass die Infor549 Droste, S. 16; auch Brenner, S. 51 sieht als entscheidende Voraussetzung für die Wahrung des Rechtsstaatsprinzips die für den Einzelnen erkennbare Festlegung, welche Befugnisse welcher Behörde in welcher Situation zustünden. 550 Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 127; Droste, S. 16. 551 Albert, ZRP 1995, 105 (108); Brenner, S. 51; Borgs in: Borgs/Ebert § 3 Rn. 127. 552 Siehe hierzu zum Beispiel BGHSt 29, 325 (334 f.); KG NStZ 2008, 573.

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manten zu Mitarbeit gezwungen wurden, kann sich lediglich auf deren eigene Strafbarkeit auswirken sowie auf ihre Glaubwürdigkeit als Zeugen. Dies beeinflusst die Verwertbarkeit selbst nicht. Anderes kann nur dann gelten, wenn ausnahmsweise der gesamte Vorgang zur Datenerlangung als menschenrechtswidrig beziehungsweise eines Rechtsstaates unwürdig erscheint. hh) Covert actions Soweit einem Geheimdienst aktive Maßnahmen zustehen, so ist zu überlegen, ob Informationen, die er im Rahmen einer solchen Maßnahme erlangt, verwertbar sein sollen.553 Covert actions sind regelmäßig nicht auf die Erlangung von Informationen angelegt, sondern auf die gezielte Verbreitung eigener wahrer oder zumeist unwahrer „Informationen“ oder bestimmter Tätigkeiten, wie zum Beispiel auch Ermordungen. Berühmtes Beispiel für solche aktiven Maßnahmen ist die Sendung von Stingers für die Muhadjedin im Afghanistankrieg gegen die Sowjetunion.554 Bei einigen der Maßnahmen erscheint schon fraglich, inwieweit dadurch Informationen erlangt werden können. Auch hängt der Erfolg von covert actions meist davon ab, dass sie unentdeckt bleiben.555 So erscheint eine Informationsweitergabe, gerade an ausländische Strafverfolgungsorgane, eher unwahrscheinlich. Soweit aber Informationen im Rahmen einer solchen covert action erlangt wurden und die konkrete Erlangung aus deutscher Sicht nicht rechtsstaatswidrig war, steht der Verwertbarkeit nichts entgegen. Eine Beurteilung der Zulässigkeit von covert actions hat zu unterbleiben, die Beurteilung eines Verstoßes gegen den ordre public hat sich stets am konkreten Beweismittel zu orientieren und darf nicht zu einer Bewertung des fremden Rechtssystems an sich führen. Die Beurteilung von covert actions an sich würde wieder eine solche verbotene, abstrakte Normenkontrolle bedeuten. Daher liefern die covert actions allein keine neuen Anhaltspunkte für die Verwertbarkeit. ii) Abweichung von strafprozessualen Standards Da die Datenerhebung im Ausland durch Nachrichtendienste und nicht durch Strafverfolgungsorgane stattfindet, wird regelmäßig kein strafprozessualer Standard eingehalten. In den meisten Fällen wird den ermittelnden 553 554 555

Zum Begriff siehe S. 4 sowie S. 334 ff. Lowenthal, Intelligence, S. 159. Lowenthal, Intelligence, S. 159.

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Diensten auch nicht bewusst sein, dass die Informationen unter Umständen in einem deutschen Strafverfahren enden könnten. Bereits innerstaatlich wurde gesehen, dass die Abweichungen innerhalb der unterschiedlichen Verfahren nicht notwendig zu selbstständigen Verwertungsverboten führen müssen. Dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit stets gewahrt werden muss, ist selbstverständlich und wurde schon erörtert. Soweit Zeugnisverweigerungsrechte im Strafprozess als Ausprägung der Menschenwürde bestehen, so ist diesen ebenfalls nachträglich durch selbstständige Verwertungsverbote Geltung zu verleihen.556 Ein Beweisverwertungsverbot kann sich auch aus Art. 6 Abs. 1, 3 d EMRK ergeben, wenn es sich bei einem Auslandsprotokoll um das einzige Beweismittel handelt und eine Konfrontation unmöglich ist.557 Darüber hinaus werden sich aus Abweichungen zu strafprozessualen Standards regelmäßig keine Beweisverwertungsverbote ergeben. jj) Fehlende Kontrolle Ein weiterer Anknüpfungspunkt für ein Beweisverwertungsverbot könnte ein fehlender Kontrollmechanismus im ermittelnden Staat sein. Man könnte also eine allgemeine Kontrolle der Nachrichtendienste fordern oder zumindest, dass die konkrete Datengewinnung einer Kontrolle unterlag, wie zum Beispiel durch einen Richtervorbehalt.558 Im internationalen Vergleich weist Deutschland einen sehr hohen Kontrollstandard auf.559 Daher weichen die Regelungen vieler Staaten von diesem ab.560 Da ausländische Informationen jedoch nicht der Verfügungs556 Schuster, S. 188 ff. will diese aus dem Rechtsgedanken des § 252 StPO herleiten. 557 Siehe Schuster, S. 185 f. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. Dabei gilt die EMRK zwar nicht für die nachrichtendienstliche Datenerhebung, aber für die nachfolgende Verwertung im Prozess. 558 Schuster, S. 250 f. kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Fehlen eines Richtervorbehaltes im ausländischen Recht innerstaatlich nicht zu einem selbstständigen Verwertungsverbot führt, wobei er insbesondere anzweifelt, ob der Richtervorbehalt die Aufgabe der zusätzlichen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt hinreichend erfüllt. Schuster weist weiter darauf hin, dass in England und Wales trotz geringerer Tatbestandsvoraussetzungen von der Telefonüberwachung weniger Gebrauch gemacht wird als in Deutschland. 559 Hirsch, S. 275. 560 Laut Hirsch, S. 256 verfügen die USA über hinreichende Kontrollmechanismen für Maßnahmen gegenüber US-Bürgern, hingegen nicht für Ausländer ohne

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befugnis des deutschen, parlamentarischen Kontrollgremiums unterliegen561, kann auch dieses eine fehlende Kontrolle im Ausland nicht ausgleichen. Es bleibt daher bei der Frage nach den Auswirkungen des Fehlens auf die Beweisverwertung. Dass Grundrechtsschutz auch durch Verfahren realisiert wird, ist allgemein anerkannt.562 Jedoch fordert schon Art. 19 Abs. 4 GG nicht unbedingt einen Richtervorbehalt, es ist durchaus auch in geeigneten Fällen möglich, die Entscheidungskompetenz auf nicht-richterliche Organe zu verlagern, soweit der betroffene Grundrechtsträger nicht schutzlos bleibt.563 „Das Prinzip der Gewaltenteilung erlaubt auch, daß Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Exekutive ausnahmsweise nicht durch Gerichte, sondern vom Parlament bestellte oder gebildete, unabhängige Institutionen innerhalb des Funktionsbereichs der Exekutive gewährt wird.“564 Angesichts der oben dargestellten Bedeutung der präventiven Rechtskontrolle könnte angenommen werden, dass das Fehlen einer solchen im Ausland zu einem Beweisverwertungsverbot im innerstaatlichen Prozess führen müsste. Die präventive Kontrolle dient insbesondere als Ersatz dafür, dass der Betroffene sich gegen diese Maßnahmen nicht wehren kann, insbesondere, weil die Möglichkeit besteht, dass es nie von ihrer Vornahme erfahren wird. Allerdings werden eben diese Maßnahmen, dadurch dass sie als Beweismittel genutzt werden sollen, einer nachträglichen Rechtskontrolle unterworfen. Damit wird eine fehlende Rechtsschutzmöglichkeit im Vorverfahren im deutschen Strafprozess ausgeglichen.565 So führt dies nicht dazu, dass Beweise genutzt werden, die nie einer Kontrolle unterlagen. Im Rahmen der Verwertbarkeit ist die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung zu überprüfen. Daher findet zumindest eine nachträgliche Kontrolle statt. Ein Beweisverwertungsverbot muss daher nicht für alle Informationen greifen, welche keiner präventiven Rechtskontrolle unterlagen.

dauerhaften Aufenthalt in den USA, da diese wegen fehlender enger Bindung an das amerikanische Gemeinwesen als potentielle Agenten ausländischer Staaten angesehen werden und daher keinen Schutz durch Kontrolle genießen sollen. 561 BT-Drs. 16/800, S. 7; BT-Drs. 14/359, S. 7. 562 Möstl, DVBl. 1999, 1394 (1402). 563 Rogall, Informationseingriff, S. 86; anders Hilger, JR 1990, 485 ff., der eine Verstärkung des Richtervorbehaltes fordert. Vergleiche auch Teil 1, S. 108 ff., Teil 2, S. 195 ff. 564 BVerfGE 30, 1 (28). 565 Zu dieser Funktion der Verwertungsverbote siehe auch Schuster, S. 108.

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kk) Allgemeiner Rechtsstaatsvorbehalt Aus dem Vorstehenden ergibt sich bereits, dass es keine Verwertungsvoraussetzung dergestalt geben kann, dass die Erkenntnisse aus einem Rechtsstaat stammen müssen. Ohne auf die Frage einzugehen, was alles unter den Rechtsstaatsbegriff zu fassen ist566, ist festzuhalten, dass Ziel der ordre public-Kontrolle nur eine Ergebniskontrolle im Einzelfall ist. Entscheidend für die Verwertbarkeit der Ergebnisse ist damit stets, wie sie tatsächlich gewonnen wurden und nicht, wie sie sonst noch hätten gewonnen werden können. Es soll nicht um die Zensur beziehungsweise Bewertung ausländischer Rechtssysteme als solche gehen. Aus der Staatsform kann nicht stets geschlossen werden, dass die tatsächliche Gewinnung im Einzelfall gegen die deutschen, rechtsstaatlichen Grundsätze verstoßen hätte ebenso wenig wie der Schluss, dass sie diesen entsprochen hätte, möglich ist.567 Werden die tatsächlichen Mindestvoraussetzungen unterschritten, die an eine Datenerhebung nach deutschem Recht zu stellen sind, so folgt allein schon daraus ein Beweisverwertungsverbot. So mag es tatsächlich in Willkürherrschaften häufiger vorkommen, dass jemand ohne jegliche Anhaltspunkte für einen Verdacht oder eine Gefahr überwacht wird oder sonstige Eingriffe dulden muss. Dies führt dann stets zu einem Verwertungsverbot. Ein allgemeiner Rechtsstaatsvorbehalt besteht hingegen nicht und ist auch nicht erforderlich. Hingegen wird der Informationsaustausch mit diesen Staaten rechtlich wie tatsächlich schon dadurch beschränkt, dass nach § 19 Abs. 3 BVerfSchG Informationen an diese Staaten nach Möglichkeit nicht übermittelt werden.568

III. Datenerhebung aufgrund von Ersuchen Neben der bereits erfolgten Datenerhebung der ausländischen Nachrichtendienste ist auch ein Ersuchen um Informationen denkbar. Ersuchen sind immer dann zulässig, wenn die Maßnahme nach innerstaatlichem Verfahrensrecht zulässig ist.569 Sie können auch von den deut566

Siehe Scheuner, S. 191 ff., insbesondere 204 ff.; Grimm, JZ 2009, 596, der davon ausgeht, dass es verschiedene Stufen der Rechtsstaatlichkeit gibt, die nacheinander erreicht werden können. 567 Genauso wenig wie die Einordnung als Rechtsstaat die ordnungsgemäße Datenerhebung im Einzelfall garantiert. 568 Siehe Droste, S. 529 sowie S. 82 ff. 569 Schomburg/Hackner in: Schomburg/Lagodny, Vor § 68 IRG, Rn. 27; Vogel in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 1 IRG Rn. 32. Zu Form und Verfahren siehe Schomburg/Hackner, a. a. O., Rn. 28 f.

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schen Nachrichtendiensten gestellt werden.570 Rechtsgrundlage sind hierfür die §§ 17 ff. BVerfSchG (analog571). Dies hat zur Folge, dass nur um solche Daten ersucht werden darf, die bei der ersuchten Behörde bereits vorhanden sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. Für Ersuchen seitens der deutschen Strafverfolgungsorgane existiert dagegen keine entsprechende Vorschrift, so dass diese um alle Maßnahmen ersuchen dürfen, die sie selbst in zulässiger Weise vornehmen könnten.572 Anders als in der obigen Variante, läuft die Datenerhebung aufgrund eines Ersuchens nicht vollkommen losgelöst von der deutschen Staatsgewalt ab. Diese kann auf die spätere Datenerhebung, sofern um eine solche gebeten wird, möglicherweise noch Einfluss nehmen. Daher bestehen insoweit bestimmte Pflichten der ersuchenden Stelle auf die Einhaltung des deutschen Rechts hinzuwirken, soweit dies völkerrechtlich zulässig ist.573 Ferner dürfen die deutschen Organe durch das Ersuchen nicht zu Handlungen veranlassen, die unter Geltung des Grundgesetzes unzulässig wären, so dass Rechtsverletzungen durch den ersuchten Staat drohen.574 So darf selbstverständlich kein Ersuchen gestellt werden, wenn die Erfüllung eine Verletzung der Menschenrechte beinhalten wird, sei es durch vorhersehbares Verhalten des anderen Staates oder wegen der Art der Anfrage.575 Verstoßen sie gegen diese Pflichten, so kann hieraus ein Beweisverwertungsverbot folgen. 1. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote a) Fehler im Rahmen des Ersuchens Deutsches Fehlverhalten kommt als Anknüpfungspunkt für ein Beweisverwertungsverbot unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Hinwirkungspflichten in Betracht. Deutsche Stellen haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass die Beweiserhebung soweit wie möglich ihren Vorschriften entspricht.576 Hier ist innerhalb der Europäischen Union insbesondere auf Art. 4 Abs. 1 Eu-RhÜbk hinzuweisen, wonach die 570 Schomburg/Hackner in: Schomburg/Lagodny, Vor § 68 IRG, Rn. 27 erwähnen „Polizei oder andere[n] Einrichtungen“. 571 Gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 BNDG, § 10 Abs. 4 MADG. 572 Rechtsgrundlage für derartige Übermittlungen von Informationen im Rahmen von Ersuchen ist § 59 IRG und § 487 StPO für Daten aus dem Strafprozess. 573 BGHSt 42, 86 (91 ff.); BGH NStZ 1996, 595 (597) mit Anmerkung Nagel, NStZ 1998, 148; Vogler, ZStW 105 (1993), 3 (21); Gleß, FS Grünwald, 197 (203). 574 Gärditz, FG Hilger, 91 (92); Graßhof/Backhaus, EuGRZ 1996, 445 (447). 575 Vogel in: Grützner/Pötz/Kreß, Vor § 1 IRG Rn. 32. 576 BGHSt 35, 83; 42, 86 (90 ff.).

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Staaten nach Möglichkeit nach dem Recht des ersuchenden Staates vorzugehen haben. Allgemein gilt, dass deutsche Behörden keinen Anlass zu einer nicht im ausländischen Recht selbst begründeten Außerachtlassung deutschen Rechts bieten dürfen.577 Stehen den ausländischen Nachrichtendiensten Befugnisse zu, die aus rechtsstaatlichen Gründen den deutschen Nachrichtendiensten nicht eingeräumt werden können, so dürfen deutsche Dienste ihre Partner nicht um entsprechende Aufklärungsmaßnahmen bitten.578 Untersagt sind damit Ersuchen, um Handlungsweisen, die in Deutschland grundgesetzwidrig sind, ebenso solche Ersuchen, die zwar objektiv neutral sind, bei denen aber sicher vorhersehbar ist, dass im ersuchten Staat Informationen auf grundgesetzwidriger Weise gewonnen werden. Entweder ist das Ersuchen dann zu unterlassen, oder es ist mit bestimmten Bedingungen zu verknüpfen, die ein entsprechendes Vorgehen des ersuchten Staates verhindern sollen. Bei der Stellung von Ersuchen ist auch zu berücksichtigen, dass schon allein ein Ersuchen im Einzelfall Negativfolgen für den Betroffenen auslösen kann, so dass möglichst nach Alternativen zu suchen ist.579 Verstößt der deutsche Staat gegen die ihm obliegenden Pflichten, folgen hieraus regelmäßig Beweisverwertungsverbote. Dies gilt insbesondere, wenn der Pflichtenverstoß bewusst erfolgte und zu einem schweren Eingriff in die Rechte des Betroffenen führt. b) Fehler bei der Datenerhebung Hat die deutsche Behörde ihre Hinwirkungspflichten beachtet, ist allein auf das ausländische Recht abzustellen. Ignoriert die Behörde trotz eindeutigen Hinweisen die Bitte um Anwendung des deutschen Verfahrensrechts, so stellt dies im Geltungsbereich des EU-RhÜbk einen eigenen Rechtsverstoß dar. Die Behörde verstößt nämlich so gegen den Anwendungsbefehl des Europarechts.580 Da die Anwendung des deutschen Verfahrensrechts sowohl individualschützend als auch Garant für die Verwertbarkeit sein soll, liegt sie auch im Interesse des Individuums. Die Missachtung wird regelmäßig auch bewusst erfolgen. Der Verstoß wiegt 577

Rose, NStZ 1998, 154 (156); Griesbaum, DJT 2008, L 34. Geiger in: Jäger/Daun, 259. Unklar soll laut Scheller sein, ob die Behörde um Maßnahmen ersuchen können soll, die sie selbst nicht vornehmen darf, Scheller, S. 104. Jedoch bestehen hiergegen keine Bedenken, soweit die Maßnahmen nicht grundgesetzwidrig wären. 579 So zum Beispiel BGH NStZ 1999, 634 (im Fall Art. 102 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG – Todesstrafe); Droste, S. 530. 580 Siehe auch Schuster, S. 187. 578

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jedoch nur dann schwer, wenn die Missachtung des Ersuchens im Ergebnis zu einer Abweichung vom deutschen Recht im negativen Sinne geführt hat. Sie ist hingegen unbeachtlich, wenn dem Betroffenen auf diese Art ein höherer Schutzstandard zu teil wird. Auswirkung im Sinne eines Verwertungsverbotes zeitigt der Verstoß gegen die Anwendung deutschen Verfahrensrechts dann, wenn der Schutzstandard des tatsächlich angewendeten Rechts hinter dem geforderten zurückbleibt. Handelt es sich um eine Bitte der Berücksichtigung des deutschen Rechts an einen Nicht-EU-Staat, mit dem auch sonst kein entsprechendes verbindliches Abkommen besteht, so kann dieser entsprochen werden, dies ist aber im Rahmen der freiwilligen Rechtshilfe nicht zwingend. Wendet der Staat freiwillig deutsches Recht an, so kann dieses auch auf Verfahrensfehler überprüft werden. Beweisverwertungsverbote werden dann nach den bereits oben erörterten Maßstäben beurteilt.581 Dabei wird man insbesondere überprüfen müssen, ob es sich bei den Fehlern um bewusste Verstöße handelt oder ob solche ausschließlich auf der Unkenntnis des fremden, weil deutschen Rechts, beruhen. Ignoriert der ersuchte Staat die Bitte um Anwendung deutschen Verfahrensrecht, leistet jedoch gleichwohl Rechtshilfe, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit allein auf ausländisches Recht abzustellen. Dass der ersuchte Staat damit eventuell gegen eine völkerrechtlich beachtliche Bedingung Deutschlands verstoßen hat, ist für die Verwertbarkeit der Information irrelevant. Das Verwertungsverbot bei Verstoß gegen eine Bedingung resultiert aus dem Respekt vor dem anderen Völkerrechtssubjekt.582 Das Interesse, diesen Völkerrechtsverstoß des anderen Staates zu bewerten und gegebenenfalls zu sanktionieren, ist keines von Relevanz im deutschen Strafprozess. Es darf daher nicht gegen das Strafverfolgungsinteresse in die Abwägung mit eingestellt werden. Soweit ein Klärungsbedarf besteht, so hat dies allein auf politischer Ebene zu erfolgen. Dass im umgekehrten Fall eine Auswirkung auf den deutschen Prozess angenommen wurde, war eine verfassungsrechtlich bedingte Ausnahme. c) Fehler bei der Datenübermittlung Fehler bei der Datenübermittlung führen nicht zu Beweisverwertungsverboten. Insoweit gilt bei der Datenerhebung in Folge eines Ersuchens nichts anderes wie bei einer hiervon unabhängigen Datenerhebung.583 581 582 583

Siehe Teil 2, S. 182 ff. Siehe S. 367 ff. Siehe S. 366.

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2. Selbstständige Beweisverwertungsverbote Für die selbstständigen Beweisverbote gelten die obigen Ausführungen entsprechend.584 Die Besonderheiten des Ersuchens für die Beweisverwertung erschöpfen sich darin, dass durch die Hinwirkungspflichten und mögliche Verstöße hiergegen ein zusätzliches unselbstständiges Beweisverwertungsverbot durch Handeln der beteiligten deutschen Organe möglich ist. 3. Rechtslage bei gemeinschaftlicher Datenerhebung? Ferner ist möglich, dass im Ausland eine gemeinschaftliche Datenerhebung von deutschen Strafverfolgungsorganen und ausländischen Geheimdienstmitarbeitern stattfindet. Eine Vernehmung durch einen ausländischen Nachrichtendienst ist insbesondere denkbar in den Ländern, in welchen der Nachrichtendienst polizeiliche Funktionen erfüllt beziehungsweise in besonderen Gefangenenlagern, die Nachrichtendiensten unterstellt sind. Während schon grundsätzlich die Teilnahme im Rahmen von polizeilichen Ermittlungshandlungen von deutschen Ermittlungsbeamten im Ausland wohl häufig ist585, zeigen sich zumindest in letzter Zeit auch nachrichtendienstliche Verwicklungen.586 Ein solches kooperatives Vorgehen soll von Staaten aus der Dritten Welt häufig abgelehnt werden.587 In common-law Staaten beziehungsweise Staaten, die von diesem beeinflusst sind588, wird die passive Anwesenheit unproblematisch zugestanden. Der beteiligte Beamte fertigt dann einen Aktenvermerk an und übermittelt ihn an die Staatsanwaltschaft, wenn die Voraussetzungen für einen strafrechtlichen Anfangsverdacht vorliegen.589 Bei der Mitwirkung deutscher Organe an ausländischen Hoheitsakten besteht die Grundrechtsbindung selbstverständlich fort.590 So darf bei einem Verstoß des fremden Staates gegen Grundrechte nicht mitgewirkt werden.591 Im Rahmen des völkerrechtlich Möglichen sind die Grundrechte auch gegen Angriffe seitens des anderen Staates zu schützen.592 Dabei greift das Eingriffsverbot dann, wenn die Beeinträchtigung von einem Adressaten der 584 585 586 587 588 589 590 591 592

Siehe S. 367 ff. v. Weber, FS Mayer, 525. Siehe nur BT-Drs. 16/800, S. 1 ff. Nagel, S. 182 nennt ausdrücklich Algerien, Panama und Tunesien. Nagel, S. 182 nennt ausdrücklich Norwegen und Israel. Soiné, NStZ 2007, 247 (249). Jarass/Pieroth Art. 1 Rn. 43. So ausdrücklich Weides/Zimmermann, DVBl. 1988, 461. Bleckmann, Allg. Lehren, S. 51.

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Grundrechtsbindung ausgeht (nämlich der deutschen Staatsgewalt), und eine Schutzpflicht wird dann relevant, wenn die Beeinträchtigung oder Verletzung von einem nicht an die Grundrechte gebundenen Dritten ausgehen.593 Dabei gilt nicht, dass, je „mehr ein Sachverhalt von der deutschen öffentlichen Gewalt bestimmt werden kann, desto mehr dominiert das Eingriffsverbot, je stärker er dem Einfluss der dem Einfluß ausländischer Hoheitsgewalt untersteht, desto mehr tritt der Schutzpflichtgedanke in den Vordergrund“594. Vielmehr ist richtig, dass, wenn ein Sachverhalt von der deutschen Gewalt mitbestimmt wird, die Grundrechte als Abwehrrechte greifen, im übrigen als Schutzpflichten. Für die aktive Teilnahme gelten daher die gleichen Grundsätze wie bei der alleinigen Datenerhebung durch deutsche Organe im Ausland. Da die deutschen Dienste an die Grundrechte sowie an die deutschen einfach-gesetzlichen Vorschriften gebunden sind, kommen insoweit sowohl unselbstständige als auch selbstständige Beweisverwertungsverbote im oben dargestellten Umfang in Betracht.595 Soweit die deutschen Nachrichtendienste lediglich passiv teilnehmen, gelten für die Beweisverwertung zunächst die allgemeinen Grundsätze für die Verwertbarkeit von Auslandsbeweiserhebungen.596 Durch die Anwesenheit der deutschen Staatsorgane obliegen diesen zwar Schutzpflichten nach dem Grundgesetz597, die sich im Einzelfall auch an die Organe der Exekutive richten können598, jedoch werden diese gegenüber ausländischen Hoheitsträgern im Ausland kaum zu realisieren sein.

IV. Fernwirkung Auch bei ausländischen Erkenntnissen ergeben sich keine Besonderheiten bezüglich der Fernwirkung. Auch ihre Reichweite ist im Einzelfall durch Abwägung zu bestimmen. Bei der Spezialität handelt es sich allerdings um eine völkerrechtliche Verwendungsregel. Die Reichweite der Bedingung muss im Einzelfall durch Auslegung der Bedingung ermittelt werden und Bedenken nötigenfalls 593

Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 156. Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 156. 595 Siehe hierzu bereits ausführlich S. 296 ff. 596 Siehe ausführlich S. 349 ff. 597 Zudem wird die Feststellung der tatsächlichen Umstände erleichtert, soweit die anwesenden Deutschen eine Aussagegenehmigung für das nachfolgende Verfahren besitzen, siehe zum Nachweis, S. 394 ff. 598 Stern, Staatsrecht III/1 § 69 IV 6 c. 594

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durch Rückfrage beim betreffenden Staat geklärt werden.599 Daher kann bei der Missachtung einer Bedingung von Fernwirkung auszugehen sein, dies ist aber nicht zwingend.600

D. Nachweis des Verfahrensverstoßes Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots kann dann unter den oben ausführlich dargelegten Maßstäben erfolgen, wenn diejenigen Tatsachen feststehen, aus denen sich ein solches ergibt. Diese Tatsachen hat das erkennende Gericht im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht zu ermitteln. Dies gilt für die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbots ebenso wie für die Frage, ob die Informationen von Nachrichtendiensten stammen oder für die Frage der Fernwirkung, ob die Ermittlungen ursprünglich auf Informationen eines Nachrichtendienstes beruhen.601 Probleme entstehen dann, wenn aus bestimmten Gründen nicht aufklärbar ist, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Beweisverwertungsverbot vorliegen. So kann es beispielsweise bei einem Vorwurf der psychischen Tortur, auch berührungslose Folter genannt602, an körperlichen Spuren fehlen und etwaige Zeugen im Ausland unauffindbar sein. In solch einem Fall lässt sich nicht klären, ob es sich bei dem Vortrag um eine bloße Schutzbehauptung des Angeklagten handelt, oder um ein Vorbringen, welches ein Beweisverwertungsverbot begründen könnte. Selbstverständlich stellt sich diese Frage nicht nur bei Auslandsbeweisen, sondern bei jedem Beweisverwertungsverbot. Besonders deutlich wurde die Problematik jedoch in Fällen mit Auslandsbezug, zuletzt in dem Aufsehen erregenden Fall des OLG Hamburg.603 Während der Angeklagte dort den Vorwurf der Folter erhebt und sich auf ein Beweisverwertungsverbot beruft, haben die zuständigen Behörden der USA trotz mehrfacher diesbezüglicher 599

Nagel, S. 315 f. Für eine grundsätzliche Fernwirkung, Linke, NStZ 1982, 416 (419). 601 Bedenken werden immer wieder auch deswegen geäußert, dass der zuständige Richter die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbotes nicht prüfen sollte, sondern dass die Entscheidung vielmehr ausgelagert werden müsste. Diese Bedenken gründen darauf, dass es dem Richter nicht mehr möglich sei, die einmal tatsächlich erlangten Erkenntnisse vollständig aus seinem Gedächtnis zu löschen. Daher wird eine zusätzliche Instanz, zum Beispiel in Form eines Ermittlungsrichters gefordert. Dies mag de lege ferenda zu überlegen sein, wird vorliegend jedoch außer Acht gelassen, siehe hierzu Störmer, Grundlagen, S. 85 f.; Grünwald, JZ 1966, 489 (500). 602 Siehe hierzu McCoy, S. 15 ff. 603 OLG Hamburg NJW 2005, 2326. 600

D. Nachweis des Verfahrensverstoßes

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Nachfragen weder Informationen bezüglich des Aufenthaltsortes der vom Angeklagten benannten Zeugen noch zu den Umständen der Vernehmungen geliefert, noch dem zu vernehmenden, amerikanischen FBI-Beamten eine Aussagesagegenehmigung erteilt, und auch die Behörden der Bundesrepublik Deutschland haben Sperrerklärungen abgegeben.604

I. Voller Nachweis oder Zweifel? 1. Unmöglichkeit des vollen Nachweises Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sollen Zweifel am Vorliegen einer unzulässigen Vernehmungsmethode unbeachtlich sein, da Verfahrensverstöße voll nachgewiesen werden müssen.605 Gelingt dies nicht, können etwaige Beeinträchtigungen der freien Willensentschließung des Zeugens allenfalls auf der Ebene der Beweiswürdigung berücksichtigt werden.606 Der Grundsatz in dubio pro reo soll bei Zweifeln über das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbotes nicht anwendbar sein.607 Prekär hieran ist, dass häufig keine Seite einen erfolgreichen Nachweis für ihre Sichtweise bringen können wird: Der Beschuldigte nicht, weil ihm die Informationen nicht vorliegen; die Nachrichtendienste nicht, weil sie keine weiteren als die bereits bekannten Informationen preisgeben können, ohne sich selbst durch die Offenlegung zu schaden. Droste geht für durch 604 OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2328). Diese Aufzählung soll die „Zwangslage“ des Angeklagten verdeutlichen. Ob die im konkreten Fall vorgebrachten Argumente und Indizien für die Anwendung eines Beweisverwertungsverbots ausreichen würden, kann hier nicht entschieden werden. Die Indizien erscheinen eher zu dürftig, als dass man eine Substantiierung des Vortrages annehmen dürfte. Die Richter analysieren auch die angebliche erfolterten Aussagen des Angeklagten, welche sowohl be- als auch entlastende Angaben bezüglich des Angeklagten enthalten, was nicht zu der Einseitigkeit der Aussagen beiträgt, „wie sie bei Anwendung von Foltermaßnahmen zur Erpressung von bestimmte verdächtigte Personen belastenden Angaben zu erwarten wäre“, OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2329). 605 So bereits RGSt 52, 318 (319); BGH vom 5. Juli 1955 – 5 StR 52/55 bei Herlan, MDR 1955, 649 (652); BGHSt 16, 164 (166 f.); 31, 395 (400); LG Marburg, StV 1993, 238; jüngst BGH NStZ 2008, 643 mit Anmerkung Jahn, JuS 2008, 836; ebenso Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1544); Meyer-Goßner § 136 a Rn. 32; KK/Schoreit, § 261 Rn. 63; KK/Diemer § 136 a Rn. 43; LR/Gössel, Einl. L 118. Zu erfolgreichen Revisionsrüge bei nur möglichem Verstoß gegen §§ 261, 264 StPO siehe nur RGSt 67, 417 (418 f.). 606 OLG Hamburg NJW 2005, 2326 ff. 607 BGH vom 5. Juli 1955 – 5 StR 52/55 bei Herlan, MDR 1955, 649 (652); BGHSt 16, 164 (167); LG Marburg, StV 1993, 237; Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1544).

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

Nachrichtendienste übermittelte Informationen sogar davon aus, dass diese regelmäßig aus tatsächlichen Gründen nicht auf ihre Rechtmäßigkeit untersucht werden können.608 Jahn bekräftigt, der Nachweis der Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbotes für Beweise aus Deutschland sei bereits schwer, bei Auslandsbeweisen praktisch unmöglich.609 Dencker weist darauf hin, dass Feststellungen über die Anwendung von nach § 136 a StPO verbotenen Methoden bei polizeilichen Vernehmungen regelmäßig schwierig sein werden.610 Der Beweis einer durchgeführten Folter wird nur dann gelingen, wenn der Angeklagte selbst Opfer war und er entsprechende physische oder psychische Spuren aufweist.611 Es wird daher häufig eine Situation des non liquet vorliegen. Die Frage, ob ein voller Nachweis erforderlich ist oder nicht, entscheidet also zugleich über die Verwertbarkeit des Beweismittels. Wenn der volle Nachweis nicht zu erbringen ist, kann der Beschuldigte allenfalls Tatsachen aufzeigen612, die zu Zweifeln beim Gericht führen können. Man muss daher entscheiden, ob diese Zweifel genügen können, ein Verwertungsverbot zu begründen oder ob der volle Nachweis der ein Verwertungsverbot begründenden Tatsachen zu fordern ist. Vorab sei gesagt, dass Rückgriffe auf das Zivilrecht zur Lösung der vorliegenden Problematik nicht nur wegen der fehlenden Beweislastverteilung im Strafverfahren ausscheiden, sondern auch, dass es für einen prima-facieBeweis schon an der erforderlichen Typizität des Geschehensablaufes fehlt.613 Eine Begründung liefert der Bundesgerichtshof für seine Annahme, Verfahrensfehler müssten bewiesen werden, nicht. Während er bei einer fehlenden Belehrung nach § 136 StPO auch dann, wenn sich nicht klären lässt, ob eine Belehrung erteilt wurde oder nicht, unproblematisch von einer Verwertbarkeit der Aussage ausgeht, so lässt er doch ausdrücklich offen, ob dies gleichermaßen bei den übrigen Beweisverwertungsverboten gelten soll.614 Aus einer unveröffentlichten Entscheidung könnte man ableiten, dass der Bundesgerichtshof, ebenso wie ein Teil der Literatur, von der Vermutung 608

Droste, S. 556. Die De-facto-Unmöglichkeit des Beweises im Rahmen des § 136 a StPO beschreibend: S. Schröder, Hypothese, S. 126. 609 Jahn, Gutachten, C 109. 610 Dencker, S. 136. 611 Ambos, StV 2003, 151 (160). 612 Im Freibeweisverfahren, siehe hierzu sogleich S. 404 ff. 613 BGHZ 100, 31 (33); 160, 308 (309); NJW 2006, 300 (301) sowie zur Unzulässigkeit desselben in der StPO, siehe Lehmann, S. 107. 614 BGHSt 38, 214 (224).

D. Nachweis des Verfahrensverstoßes

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des ordnungsgemäßen Prozedierens ausgeht.615 Solange also der Beweis des Gegenteils nicht erbracht sei, werde das rechtmäßige Verhalten der Staatsorgane vermutet. Ein Beweisverwertungsverbot erfordert damit den Nachweis des Gegenteils, also des rechtswidrigen Vorgehens. Neben diesem Argument kann man ferner das Argument finden, dass das Verfahren lahmgelegt würde und der Rechtssicherheit geschadet würde.616 Daneben findet sich stets die Erwägung, dass in dubio pro reo nicht anwendbar sei.617 2. In dubio pro reo als Lösung? Zur Anwendbarkeit dieses Grundsatzes, dessen Ursprung und Reichweite ohnehin strittig sind618, finden sich insbesondere im Zusammenhang mit Verfahrensfehlern und Beweisverwertungsverboten zahlreiche Ausführungen. Sowohl für als auch gegen seine Anwendung werden zahlreiche, beachtliche Argumente vorgebracht.619 Da die Herleitung von Verfahrenssätzen aus dem Rechtsstaatsprinzip der vorhersehbaren Kritik der Unbestimmtheit stets ausgesetzt ist, erscheint auf den ersten Blick eine Herleitung aus einem bekannten Grundsatz vorteilhaft. Dies kann aber nur dann gelten, wenn dieser nicht selbst umstritten ist.620 Außerdem muss nach der Idee des pro reo beurteilt werden, ob das Verwertungsverbot im Einzelfall vorteilhaft für den Angeklagten sei.621 Dies kann jedoch nur einen Teil der Verwertungsverbote abdecken. Die Idee, das auf den Vorteil des Angeklagten zu schauen ist, ist nur hinsichtlich solcher Beweisverwertungsverbote angebracht, die dem Individualschutz dienen. Soweit aber die Straflegitimation durch Verwertung berührt ist, so kann dies nicht entscheidend sein. Schon das Bestehen solcher Verwertungsverbote deutet stark darauf hin, dass auch die Lösung des 615

BGH vom 08. Juli 1955 – 5 StR 115/55, S. 3; Stree, in dubio, S. 80 ff. Sarstedt, Revisionsrecht, 4. Auflage, S. 247; zustimmend Stree, in dubio, S. 81 f. 617 BGH vom 5. Juli 1955 – 5 StR 52/55 bei Herlan, MDR 1955, 649 (652); BGHSt 16, 164 (167); LG Marburg, StV 1993, 238. 618 Siehe hierzu Holtappels, Entstehungsgeschichte, passim; Montenbruck, in dubio, passim; Sax, FS Stock, 143 ff. 619 Für in dubio: Zopfs, in dubio, S. 366 ff.; Prasch, S. 300; Eb. Schmidt, JR 1962, 109 (111); Roxin, 40 Jahre BGH 1991, 66 (77); Hauf, MDR 1993, 195 (197); dagegen Peters, in dubio, S. 89 ff.; einschränkend Frisch, FS Henkel, S. 273 ff., 285. 620 Siehe hierzu bereits Teil 3 Fn. 618. 621 Zur sogenannten Ambivalenz der Zweifelssitutation, siehe Sax, FS Stock, 143 (144 Fn. 7, 167); Sarstedt, Revisionsrecht, 4. Auflage, S. 248; siehe auch bei Lehmann, S. 88 ff. 616

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

zweifelhaften Verfahrensverstoßes im Rechtsstaatsprinzip zu finden sein wird. Für diese Verwertungsverbote bietet in dubio pro reo keine angemessene Lösung. Die Grundfrage, ob Zweifel genügen können, hängt nicht von der Anwendbarkeit dieses spezifischen Grundsatzes ab.622 Eine losgelöste Betrachtung ist auch deswegen möglich, weil auch der Grundsatz in dubio pro reo nur eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips darstellt.623 Es ist daher zu untersuchen, ob die BGH-Rechtsprechung, die den vollen Nachweis erfordert, überzeugen kann oder ob die Gegenauffassung nicht rechtstaatlich notwendig ist. 3. Ausreichen von Zweifeln? Lässt man nun diesen spezifischen Grundsatz und die sich um ihn rankende Diskussion außer Betracht, sondern besinnt sich auf dessen rechtstaatliche Wurzeln, so verbleiben die Vermutung des justizförmigen Verfahrens sowie die Bedenken gegen die Lahmlegung des Verfahrens als Grundargumente gegen die Berücksichtigung von Zweifeln zur Begründung eines Verwertungsverbotes. a) Geltung einer Vermutung der Justizförmigkeit? Die Vermutung des justizförmigen Prozedierens wurde, nachdem der Bundesgerichtshof sie erwähnte, von Stree bekräftigt.624 Dieser sieht in der Vermutung in dubio pro auctoritate den Gegensatz zum Freiheitsgrundsatz des Bürgers in dubio pro libertate.625 Wenn der Beschuldigte für sich die letztere Vermutung in Anspruch nehme, so soll sich auch nichts gegen die Vermutung der Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns einwenden lassen.626 Abgesehen davon, dass man diese Vermutung auf tatsächlicher Ebene schon innerstaatlich bezweifeln mag, bezogen auf die oben dargestellten möglichen Verhaltenweisen bei ausländischen Nachrichtendiensten aus deutscher Rechtssicht geradezu absurd finden könnte, lässt sich diese Vermutung auch rechtlich nicht bekräftigen. 622

Siehe hierzu auch Sax, FS Stock, 143 (165 ff.). BGHSt 18, 274. Danach handelt es sich bei dem Grundsatz in dubio pro reo nicht nur um die verfahrensrechtliche Kehrseite des Schuldprinzips, sondern um ein rechtsstaatliches Prinzip. 624 Stree, in dubio, S. 80 ff. 625 Stree, in dubio, S. 80 f. 626 Stree, in dubio, S. 81. 623

D. Nachweis des Verfahrensverstoßes

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Während sich die Freiheitsvermutung dem Regel-Ausnahme-Verhältnis der Grundrechte im Grundgesetz entnehmen lässt, so kann aus den einzelnen, im Gesetz zu findenden Vermutungen, wie der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten627 und der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen628, kein weitergehender allgemeiner Grundsatz abgeleitet werden.629 Selbst wenn man eine solche allgemeine Vermutung bejahen wollte, so wäre diese zumindest widerlegbar.630 Dies ergibt sich schon aus den bereits zitierten Vermutungen, da Verwaltungsakte nichtig oder rechtswidrig und Gesetze verfassungswidrig sein können. Daher bleibt es bei der Frage, ob Zweifel für die Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbotes ausreichen können oder ob der volle Nachweis erforderlich ist. So wird vertreten, dass der Beweis eines Verfahrensverstoßes „schon dann erbracht [ist], wenn aus Gründen, die in der Sphäre der Justiz liegen, die Vermutung der Rechtmäßigkeit und Justizförmigkeit des staatlichen Verfahrens durch ‚feststellbare verdächtige Umstände‘631 erschüttert ist“.632 Inhaltlich ist damit das gleiche gemeint, nämlich dass Zweifel für die Annahme eines Verwertungsverbotes genügen. Die erste Ansicht vermeidet lediglich den Zweifelsbegriff633, der schon vom Wortlaut her mit dem Grundsatz in dubio pro reo assoziiert wird. Sie scheint damit die auf diesen gerichtete Kritik zu vermeiden. Dafür führt sie mit der Vermutung der Justizförmigkeit einen weiteren unbestimmten Rechtsbegriff in die Debatte ein, der wie bereits dargelegt, seinerseits angreifbar ist. Im Weiteren soll daher am Begriff des Zweifels festgehalten werden. b) Verwertungsverbot bei Vorliegen von Zweifeln Dass Zweifel zur Anwendung eines Verwertungsverbotes ausreichen müssen, ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip. Die Notwendigkeit der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gilt für die gesamte Strafrechtspflege.634 Stets ist eine Abwägung zwischen Gerechtigkeit und Rechts627 628

Siehe §§ 44, 45 VwVfG. Bedenken gegen eine solche Vermutung bei Kokott, Beweislast, S. 52 ff.,

111 f. 629 Zur Tauglichkeit des Prinzips als Beweislastregel, siehe Kokott, Beweislast, S. 86 ff. 630 So auch Lehmann, S. 108 ff. 631 Eb. Schmidt, JR 1962, 109 (111). 632 LR/Hanack, 25. Aufl., § 136 a Rn. 69; dem folgend: Jahn, JuS 2005, 1057 (1062); LR/Gleß, § 136 a Rn. 78; KMR/Lesch § 136 a Rn. 50; Noak, Jura 2004, 539 (540); Prasch, S. 299 f.; Kühne, StPO, Rn. 966. 633 Siehe hierzu Lehmann, S. 2 ff. 634 BGHSt 18, 274 (276).

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

sicherheit, den Wesensmerkmalen der Rechtsstaatlichkeit, zu treffen, wobei die spezifischen verfahrensrechtlichen Prinzipien zu berücksichtigen sind.635 Mit der rechtlichen Bejahung eines Verwertungsverbots wurde bereits eine erste Abwägung dieser widerstreitenden Interessen getroffen. Bestehen nun auf der tatsächlichen Ebene Zweifel, ist eine zweite Entscheidung zu fordern, die jedoch nicht gänzlich losgelöst von der ersten getroffen werden kann. Wurde rechtlich ein Verwertungsverbot angenommen, so steht bereits fest, dass ein besonders gravierender Verstoß, entweder für den Einzelnen oder gar die gesamte Rechtsordnung, im Raum steht. Diesen Verstoß mangels eindeutiger Nachweisbarkeit frei von Konsequenzen zu stellen, erscheint äußert widersprüchlich.636 Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung der Gerechtigkeit gebietet ein faires Verfahren.637 Denn Aufgabe des Strafverfahrens ist nicht nur der Nachweis, dass die Tat materiell-rechtlich vorliegt, sondern auch, dass diese dem Täter in einem justizförmigen Verfahren nachgewiesen wurde.638 Ist diese Gewähr eines fairen Verfahrens fragwürdig, so „erfüllt das Verfahren nicht mehr seine die [sic] vom Grundgesetz geforderte verfassungsrechtliche und von der Menschlichkeit her geforderte ethische Funktion“, und somit greift ein Beweisverwertungsverbot.639 Dabei ist für ein faires Verfahren wesentlich, dass der Beschuldigte die Beweise im Laufe des Verfahrens effektiv in Frage stellen kann.640 Dazu gehört auch, dass er Verfahrensfehler und Verwertungsverbote geltend machen kann. Um diese in Frage stellen zu können, muss der Angeklagte nach der Rechtsprechung aber stets den vollen Nachweis ihres Vorliegens bringen. Wie aber oben dargelegt, ist dies regelmäßig, aus tatsächlichen Gründen, unmöglich. Diese Tatsache zu ignorieren und auf dem vollen Nachweis zu beharren, verstößt somit gegen das faire Verfahren. Der Betroffene 635 BVerfGE 7, 89 (92); Frisch, FS Henkel, 273 (285); Sax, FS Stock, 143 (168); Lehmann, S. 134 ff. KMR/Paulus, § 244 StPO kritisiert zwar die dezisionistische Rechtsfindung (Rn. 299), will aber seinerseits die Lösung aus der Funktion des Strafverfahrens herleiten (Rn. 301) und kommt zumindest für das Tatgericht zum Ausreichen des Vorliegens von Zweifeln (Rn. 345 ff.). Zu dieser Differenzierung siehe auch Zopfs, in dubio, S. 366 ff.; a. A. Lehmann, S. 27 ff. 636 So auch Roxin, Strafverfahrensrecht, § 16 Rn. 40. 637 Diese Komponente übersieht Kokott, Beweislastverteilung, S. 99, wenn sie anführt, dass sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nichts über die Beweislastverteilung herleiten lasse. 638 Zopfs, in dubio, S. 373. 639 Peters, Strafprozess, § 41 Abs. 2 4 d) bb), S. 339; Ambos, StV 2003, 151 (161). 640 Esser, NStZ 2008, 661. Laut Jahn, Gutachten, C 109 soll sich die Beweislastverteilung auch aus Art. 19 Abs. 4 GG ableiten lassen, hiergegen allerdings Kokott, Beweislastverteilung, S. 99.

D. Nachweis des Verfahrensverstoßes

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kann den Nachweis nicht erbringen und so das Beweisergebnis nicht effektiv (!) in Frage stellen. Der Schutz der Beweisverwertungsverbote, die zumeist auch den Schutz des Individuums bezwecken, bleibt ihm versagt. Durch die Forderung des vollen Nachweises werden daher die rechtlichen Wertungen der Verwertungsverbote wieder aufgehoben.641 Es besteht somit ein Zusammenhang zwischen der Begründung von Beweisverwertungsverboten und den Anforderungen an einen entsprechenden Nachweis.642 Es ist inkonsequent, sich für die Frage nach einem Verwertungsverbot auf die Grundsätze des fairen Verfahrens und der Menschenwürde zu berufen und dieselben Wertentscheidungen durch die Anforderungen an den Nachweis zu negieren.643 Verbleiben „unauflösbare Zweifel“ am Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Verwertungsverbotes, so führt dies zum Entfallen der Straflegitimation.644 Diese Komponente, die im Einzelfall bereits zur Begründung eines Verwertungsverbotes herangezogen werden kann645, wurzelt im Rechtsstaatsprinzip und verkörpert ein objektiv-rechtliches Prinzip. Es kommt also nicht darauf an, ob sich das konkrete Verwertungsverbot individualschützend auswirkt oder nicht. Wenn es für den Angeklagten wirkt, so ist dies rein zufällig.646 „[S]ein sachliches Entscheidungsinteresse“ ist „kein Anknüpfungs- und Bezugpunkt für die Lösung strafprozessualer Zweifel“.647 Entscheidend ist allein die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens. Gegen die Berücksichtigung von Zweifeln lässt sich auch nicht anführen, dass die Rechtssicherheit durch diese richterliche Entscheidung in unerträglichem Maße beeinträchtigt sei. Da bei der rechtlichen Beurteilung des Vorliegens von Verwertungsverboten eine richterliche Abwägungsentscheidung zulässig ist, so kann auch die vorgelagerte Entscheidung bezüglich des tatsächlichen Vorliegens dem Richter anvertraut werden. Die Tatsachenfeststellung ist eine Alltagsaufgabe des Tatrichters. Dagegen kann die Unsicherheit dadurch begrenzt werden, dass man sich mit den möglichen Nachweisen für das Hervorrufen von Zweifeln beschäftigt.648 641

Müller, DJT 2008, L 19; Eisenberg, Rn. 708. So auch Hauf, MDR 1993, 195 (197). 643 Hauf, MDR 1993, 195 (197), der daraus die Anwendbarkeit von „in dubio pro reo“ folgern will. 644 Ähnlich Sax, FS Stock, 143 (168). 645 Siehe S. 173 ff. 646 Sax, FS Stock, 143 (169). Auch Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 353 stellt unabhängig von den Interessen des Beschuldigten auf die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens ab. 647 Sax, FS Stock, 143 (169); ähnlich Lehmann, S. 145. 648 Siehe zur Relevanz von Kriterien bereits S. 159 ff. 642

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

Die Problematik kann auch nicht durch besonders vorsichtige Beweiswürdigung gelöst werden649, da die Frage der Art der Beweiswürdigung erst dann relevant wird, wenn feststeht, welche Informationen hierfür berücksichtigt werden dürfen. Das Vorliegen eines Verwertungsverbotes ist daher vorrangig zu prüfen. Auch das pragmatische Argument, der Angeklagte könne sich mit einer reinen Schutzbehauptung einer Verurteilung beziehungsweise eines stark belastenden Beweises einfach entziehen, kann nicht durchgreifen.650 Selbstverständlich ist, dass nicht allein die Behauptung des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen zu einem Verwertungsverbot führen kann.651 Allein zu berücksichtigen sind Fälle, in denen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Geschehensverlaufes aufgrund von Tatsachen geweckt wurden.652 Entscheidend sind damit richterliche Zweifel.653 Bloß unsubstantiierte Behauptungen sind schlicht ungenügend. Daraus, dass Art. 15 UNCAT nur für nachgewiesene Verfahrensverstöße gilt, können keine Rückschlüsse auf das nationale Recht gezogen werden. Dieser regelt nur den völkerrechtlichen Mindeststandard, der innerstaatlich verbindlich ist, nämlich, dass bei erwiesenen Verfahrensverstößen jedenfalls ein Verwertungsverbot greifen muss. Wie bei unnachweisbaren Verstößen zu verfahren ist, bleibt Sache des nationalen Rechts. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt damit, dass keine Beweise verwertbar sind, wenn an den prozessualen Grundlagen ernsthafte Zweifel bestehen.654 Die Verurteilung auf ein zweifelhaftes Beweismittel zu stützen, widerspricht dem Fairnessgedanken.655 Fordert man den vollen Nachweis des Verstoßes, führt dies zur rechtsstaatlichen Aushöhlung der Strafverfahrensnormen.656 649

So Griesbaum, DJT 2008, L 33. In diese Richtung aber Stree, in dubio, S. 81 f. 651 Zopfs, in dubio, S. 375; Kühne Rn. 966; Lehmann, S. 145 f.; Eisenberg, Rn. 708. 652 Eb. Schmidt, JR 1962, 109 (111); Eisenberg, Rn. 708; Jahn, JuS 2005, 1062; KMR/Lesch, § 136 a StPO Rn. 50; LR/Gleß § 136 a Rn. 78. 653 Kühne, Rn. 966. Dencker, S. 137 ff. will ein Beweisverwertungsverbot bei unsicherer Tatsachengrundlage dann annehmen, wenn für das Vorliegen des Verstoßes eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht. 654 Kühne, StPO, Rn. 965 unter Berufung auf Henkel, S. 352 f. Kühne wirft der Rechtsprechung vor, inkonsequent zu sein, weil sie sich weder mit in dubio pro reo noch mit dem Rechtsstaatsprinzip in Bezug auf Zweifel auseinandersetzt, Kühne, StPO, Rn. 966; ebenso Roxin, Strafverfahrensrecht, § 16 Rn. 40. Ähnlich auch SK/ Rogall, StPO, § 136 a Rn. 83; anders noch ders., Der Beschuldigte als Beweismittel, S. 220, wo er strikt von der Nachweispflicht des Beschuldigten ausgeht. 655 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 16 Rn. 40. 656 Eisenberg, Rn. 708. 650

D. Nachweis des Verfahrensverstoßes

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Stattdessen ist insbesondere dem Folterverbot größte Wirksamkeit zu verleihen.657 Ist das Vorbringen des Angeklagten, aber auch der anderen Prozessbeteiligten geeignet, an der tatsächlichen, rechtmäßigen Gewinnung des Beweismittels ernsthafte Zweifel zu wecken, so ist von einem Verwertungsverbot auszugehen. Gelingt dies hingegen nicht, so ist das Beweismittel verwertbar. c) Keine Erforderlichkeit einer Beweislastumkehr Keine Notwendigkeit besteht hingegen für eine Umkehr der Beweislast wie Britz sie fordert.658 Britz will eine Verlesung dann verneinen, wenn die „Einhaltung rechtsstaatlicher Mindestanforderungen [. . .] nicht positiv feststeht.“659 Wie bereits dargelegt, sind beide Seiten mit Beweisschwierigkeiten belegt. Würde dies nun einseitig zugunsten des Betroffenen verschoben, so wären diesem Tür und Tor für entsprechende Schutzbehauptungen geöffnet. Häufig wird nur der Betroffene Indizien für die Unzulässigkeit vorbringen können. Ihn von dieser Darlegungslast zu befreien, erscheint weder notwendig noch hilfreich. Ransiek weist darauf hin, dass im amerikanischen Recht, welches eine solche umgekehrte Beweislast normiert, das Dilemma der Unaufklärbarkeit von Verfahrensfehlern nicht besser gelöst sei.660 Ransiek will dem Problem begegnen, indem nur Aussagen, die auf Video- oder Tonband fixiert sind oder in Anwesenheit eines Verteidigers gemacht wurden, als prozessual verwertbar seien, wobei er jedoch zugleich Bedenken gegen den eigenen Vorschlag äußert.661 Insbesondere weist er auf eine Welle der Unverwertbarkeit hin, bis eine Umstellung der Beweiserhebung erfolgt sei.662 Eine Beweislastumkehr ist damit abzulehnen. 4. Ergebnis Festzuhalten bleibt, dass es aus rechtsstaatlichen Gründen genügt, wenn richterliche Zweifel bezüglich der tatsächlichen Voraussetzungen eines Verwertungsverbotes geweckt wurden. Ein voller Nachweis der jeweiligen Tatsachen ist hingegen nicht erforderlich. Offen bleibt bislang noch, wie diese Zweifel zu erwecken sind. 657

Eb. Schmidt, JR 1962, 109 (111). Britz (Anmerkung zu BGH NStZ 1994, 595), NStZ 1995, 607 (608); ebenso für bestimmte Fälle der Verwertungsverbote Amelung/Mittag, NStZ 2005, 614 (617). 659 Britz (Anmerkung zu BGH NStZ 1994, 595), NStZ 1995, 607 (608). 660 Ransiek, StV 1994, 343 (347). 661 Ransiek, StV 1994, 343 (347). 662 Ransiek, StV 1994, 343 (347). 658

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

II. Streng- oder Freibeweisverfahren Während bezüglich aller Tatsachen, die die Schuld- und Straffrage des Täters betreffen, das Strengbeweisverfahren einschlägig ist, ist bezüglich der sogenannten Prozesstatsachen allgemeiner Art, wie Verfahrenshindernissen oder tatsächlichen Voraussetzungen einzelner Verfahrensentscheidungen das Freibeweisverfahren einschlägig.663 Daher gilt dieses auch für die Feststellung des Vorliegens von Beweisverwertungsverboten.664 Allein, dass indirekt die Tat- und Schuldfrage betroffen sei, da der Prozessstoff durch das Beweisverwertungsverbot maßgeblich mitgeprägt wird, kann nicht zur Anwendung des Strengbeweisverfahrens führen.665 Dagegen spricht zum einen, dass bei einer derartigen Auslegung kaum ein Anwendungsbereich für das Freibeweisverfahren verbliebe, weil indirekt vieles das Prozessergebnis beeinflusst.666 Zum anderen ist festzustellen, dass das Strengbeweisverfahren hier nicht im Interesse des Beschuldigten liegt. Bei abwesenden Zeugen und dem Gebrauch von Aussageverweigerungsrechten nach §§ 54, 96 StPO kann die Eidpflicht nicht weiterhelfen. Wenn es ohnehin schon schwierig ist, Beweise vorzuweisen, so wird dies durch die Bindung an das Strengbeweisverfahren nicht einfacher. Damit können vorliegend die Bedenken gegen das Freibeweisverfahren nicht durchgreifen und dieses ist mithin anwendbar.

III. Kriterien für die Erweckung von Zweifeln Zu beurteilen ist nun, welche Kriterien in die Entscheidung, ob hinreichende Zweifel für die Begründung eines Verwertungsverbots vorliegen, mit einfließen dürfen. Die entscheidende Bedeutung von Kriterien allgemein für die Rechtssicherheit wurde bereits herausgestellt.667 Gleichermaßen stellt sich dies hier dar. Rogall weist treffend darauf hin, dass teilweise nicht deutlich wird, wann ein Verfahrensverstoß hinreichend glaubhaft gemacht sei.668 663 RGSt 38, 323 f.; BGHSt 16, 164 (166); 21, 81; KK/Fischer § 244 Rn. 8; Meyer-Goßner § 244 Rn. 6; LR/Gollwitzer, 25. Aufl., § 244 Rn. 3; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 3 f. 664 RGSt 4, 205; 6, 161; 10, 253 (254); 66, 103 f.; BGHSt 16, 164 (166 f.); 21, 81; Dencker, S. 135; LR/Gollwitzer § 244 Rn. 4; Lehmann, S. 26 ff. 665 So aber LR/Hanack, 25. Aufl., § 136 a Rn. 68; für eine weite Anwendung des Strengbeweisverfahrens ausführlich auch Többens, NStZ 1982, 184 ff. 666 Ebenso S. Schröder, Hypothese, S. 126. 667 Siehe zuvor Teil 3 Fn. 648. 668 So SK/Rogall, StPO, § 136 a Rn. 83, der jedoch auch anerkennt, dass exakte und objektivierbare Maßstäbe nicht zur Verfügung stehen.

D. Nachweis des Verfahrensverstoßes

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Bei der Analyse der Kriterien bleibt allerdings zu beachten, dass auch hier der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 261 StPO, greift und dieser Beweisregeln untersagt.669 1. Gründe aus der Sphäre der Justiz Naheliegend erscheint zunächst, dass Zweifel dann genügen müssen, wenn die Gründe für die Nichtaufklärbarkeit aus der Sphäre der Justiz stammen.670 Dieser Ansatz wirkt auf den ersten Blick sehr überzeugend. Jedoch ist zu beachten, dass die Umschreibung „aus der Sphäre der Justiz“ sehr weitläufig ist. Arzt erläutert zu Recht, dass die Erlangung eines Beweismittels in vielen Fällen an öffentlichen Interessen scheitere, wobei er als Beispiel die Vernehmung eines Auslandszeugen anführt, welche am fehlenden Rechtshilfeabkommen mit dem betreffenden Staat scheitert, welches aus politischen Gründen, also aus öffentlichen Interessen, nicht geschlossen wurde sowie die Beweiserhebungsverbote der §§ 96, 54 StPO.671 Eine vergleichbare Vorschrift aus dem Nachrichtendienstrecht ist § 23 BVerfSchG. Die Geheimschutzinteressen der Nachrichtendienste wurden bereits ebenso dargelegt wie die Tatsache, dass die Geheimhaltungsvorschriften keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die Verwertbarkeit von Informationen haben. Die Fairness des Verfahrens wird dadurch nicht per se beeinträchtigt. Insofern erscheint es, insbesondere angesichts des hohen Stellenwertes des Geheimschutzes, merkwürdig, für den Nachweis des Verfahrensverstoßes hier zu einem anderen Ergebnis zu kommen. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass ein gesperrtes Beweismittel die Verwertung nicht verhindert.672 Diese Wertung darf nicht durch die Begründung eines Verwertungsverbotes umgangen werden. Überprüfbar ist insoweit allein die Plausibilität der Begründung der Entscheidung für die Geheimhaltung.673 Die Entscheidung darf nicht willkürlich sein.674 Kann die Begründung aber nicht überzeugen, so kann dies ein Indiz sein, welches richterlichen Zweifel erweckt. Dies gilt umso mehr als der Einzelne „einem wohlorganisierten Justizapparat gegenübersteht, welcher, wie jede Behörde, darauf bedacht ist, eigene Fehler möglichst nicht zur Kenntnis zu nehmen oder aber interpretatorisch abzuwiegeln.“675 669 670 671 672 673 674 675

Statt aller KK/Schoreit, § 261 StPO Rn. 28. Siehe Eb. Schmidt, JR 1962, 109 (111); Griesbaum, DJT 2008, L 31 f. Arzt, FS Peters, 223 (226). Vergleiche oben S. 264 ff. Zu der Begründungspflicht, siehe ebenfalls S. 264 ff. Siehe hierzu bereits S. 264 ff. Kühne, Rn. 966; Eisenberg, Rn. 708.

406

Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

Dass die Gründe für die Geheimhaltung also aus der Sphäre der Justiz stammen, kann zur Erweckung von Zweifeln nicht allein herangezogen werden. 2. Interesse des ausländischen Staates Möglich ist auch, dass die Behinderung der Aufklärung durch einen ausländischen Staat erfolgt, der ein eigenes Interesse an der Verurteilung des Angeklagten hat. Der Bundesgerichtshof entschied, dass, obwohl grundsätzlich die Unerreichbarkeit des Zeugen bei der Beweiswürdigung außer Betracht zu bleiben hat, zu berücksichtigen sei, dass der „um Rechtshilfe ersuchte Staat ein erhebliches eigenes Interesse an dem Ausgang des Strafverfahrens hat, etwa weil [wie im Fall Motassadeq] die angeklagten Straftaten und deren Folgen maßgeblich auch seine eigene Sicherheit sowie die Rechtsgüter seiner Bürger verletzen und die Bundesrepublik Deutschland daher in einer Art stellvertretenden Strafrechtspflege auch für ihn tätig wird.“676 Folglich kann zwar nicht die grundsätzliche Geheimhaltung als Indiz für das Vorliegen von ein Verwertungsverbot begründenden Umständen angenommen werden, bei Hinzutreten von weiteren Umständen, wie eines bestimmten, gesteigerten Interesses am Verfahrensausgang seitens des die Information zur Verfügung Stellenden, erscheint dies aber möglich. 3. Bedeutung von Rechtshilfe Unerheblich ist, ob die „ausländischen Vernehmungen nicht im Wege zwischenstaatlicher Rechtshilfe, sondern im Rahmen eines von den ausländischen Behörden (zunächst) eigenständig geführten Strafverfahrens erfolgt sind.“677 4. Sonstige Indizien Regierungsauskünfte entbinden das erkennende Gericht nicht von einer Prüfung in eigener Verantwortung, sondern dürfen nur als Erkenntnishilfen verwendet werden.678 Das Bundesverfassungsgericht legt dar, dass „[s]elbst wenn einzelne Verstöße [von Folter], wie der Beschwerdeführer unter Beweis stellt, [in der 676

BGH NJW 2004, 1259 (1262). BGH NStZ 1994, 595 (keine strengeren Maßstäbe, wenn Daten zunächst für eigenständiges Verfahren erhoben wurden). 678 KG StV 1996, 103 (104). 677

E. Ergebnis des dritten Teils

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Türkei] vorgekommen sein sollten, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer allgemeinen Mißachtung der Freiheitsrechte“.679 Daher können auch Berichte von internationalen Organisationen, wie amnesty international, nur Anhaltspunkte für die allgemeine Situation darstellen und nicht in Bezug auf das konkrete Verfahren.680 Zudem unterliegen diese der Problematik, dass ihre Berichte in der Regel keine nachprüfbaren Quellen enthalten.681 Jedoch können allgemeine Informationen, wie zum Beispiel Medienberichte, Indizien für die Verletzung von Mindeststandards im Einzelfall sein.682 Wichtig ist auch die Plausibilität der Ausführungen des das Beweisverwertungsverbot Rügenden.683 Insoweit können die allgemeinen Kriterien zur Aussagebewertung Anwendung finden.684 Selbstverständlich dienen auch körperliche Spuren am Körper des Betroffenen als Indizien.685 5. Ergebnis Damit ergibt sich, dass zur Erweckung von Zweifeln verschiedene Kriterien maßgeblich sein können. Dabei genügt jedoch der Verweis auf staatliche Geheimhaltungsvorschriften hierzu nicht, soweit diese nicht willkürlich angewendet werden oder besondere, gesteigerte Interessen, wie im Fall der stellvertretenden Rechtspflege, hinzutreten. Indizien können auch Medienberichte sowie Berichte von Menschenrechtsorganisationen sein, wobei deren Richtigkeit und Belegbarkeit gesondert zu begutachten ist. Wichtig ist auch die Plausibilität der Behauptungen des Betroffenen.

E. Ergebnis des dritten Teils Der dritte Teil hat gezeigt, dass verschiedene Möglichkeiten bestehen, wie im Ausland erlangte Erkenntnisse, sei es durch deutsche oder ausländische Nachrichtendienste, in das deutsche Strafverfahren gelangen können. Zumeist ist hierfür Rechtshilfe erforderlich. Die Besonderheit der Rechtshilfe in nachrichtendienstlichen Konstellationen besteht darin, dass diese regelmäßig auf freiwilliger Basis erfolgen wird, entweder wegen fehlender Verträge oder aber wegen der politischen Natur der relevanten Delikte. 679 680 681 682 683 684 685

BVerfGE 15, 249 (255 f.). Siehe OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2328). Hierzu ebenfalls OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2328). Griesbaum, DJT 2008, L 30. BGH NStZ 2008, 643; OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2329). Eisenberg, Rn. 1426. BGH NStZ 2008, 643.

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Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

Konsequenz davon ist, dass häufig Bedingungen gestellt werden.686 Diese sind zwingend zu beachten und Verstöße hiergegen führen stets zu Verwertungsverboten.687 Soweit die deutschen Dienste selbst im Ausland tätig sind, was nach den innerstaatlichen Regeln allen drei Diensten zugestanden wird, ist relevant, ob dies in völkerrechtlich zulässiger Weise, also mit Einwilligung des betroffenen Staates stattfand. Da die nachrichtendienstliche Betätigung, in diesem Zusammenhang auch als Spionage bezeichnet, einen Hoheitsakt im Sinne des Völkerrechts darstellt, ist eine solche Einwilligung erforderlich.688 Verstoßen die Ermittlungen gegen die Gebietshoheit eines anderen Staates, so unterliegen die Erkenntnisse, sofern der betroffene Staat gegen den Völkerrechtsverstoß protestiert hat, einem völkerrechtlichen Beweisverwertungsverbot, welches aus der Restitutionspflicht abgeleitet wird.689 Handeln die deutschen Dienste dagegen mit Einwilligung des betroffenen Staates, gilt hinsichtlich der Verwertbarkeit das gleiche wie bei einer inländischen Tätigkeit. Vor allem greift die Grundrechtsbindung bei der Tätigkeit im Ausland ebenso wie im Inland, gegenüber Deutschen gleichermaßen wie gegenüber Ausländern.690 Verstöße gegen innerstaatliches Recht führen daher in dem in Teil 2 dargelegten Umfang zu Beweisverwertungsverboten, Verstöße allein gegen ausländisches Recht sind dagegen unbeachtlich. Den Belehrungspflichten kommt insbesondere dann große Bedeutung zu, wenn die deutschen Behörden auf eine Person treffen, die bereits vorher von ausländischen Nachrichtendiensten befragt wurde. In diesen Fällen ist deren Vernehmungsfähigkeit und damit die Möglichkeit, ausreichend belehrt zu werden, gesondert zu prüfen.691 Ein möglicherweise rechtswidriges Vorverhalten der ausländischen Behörden darf nicht ausgenutzt werden. Soweit die Entschließungsfreiheit des Einzelnen im Vernehmungszeitpunkt nicht gewahrt ist, so dürfen die so erlangten Erkenntnisse nicht verwertet werden. Vergleicht man die deutschen Nachrichtendienste mit einigen ausländischen Partnerdiensten aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich, Israel und Russland, so ist festzustellen, dass die Rechtsgrundlagen und die Methoden erheblich differieren.692 Gleiches gilt 686 687 688 689 690 691 692

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

S. S. S. S. S. S. S.

295 369 313 323 298 309 348

ff. ff. ff. ff. ff. ff. ff.

E. Ergebnis des dritten Teils

409

für die bestehenden Kontrollmechanismen und die Geltung des Trennungsgebots. Auslandsbeweise sind jedoch grundsätzlich im deutschen Strafverfahren verwertbar. Zur Beurteilung im Einzelfall ist auch hier zwischen unselbstständigen und selbstständigen Beweisverwertungsverboten zu unterscheiden.693 Die unselbstständigen Beweisverbote knüpfen an einen Verstoß gegen das einschlägige ausländische Recht an. Wurde gegen dieses verstoßen, so ist unter Bezugnahme auf die näher erläuterten Abwägungskriterien eine Entscheidung zu fällen. Eine ausschließliche Bezugnahme auf deutsche Rechtsvorschriften, also der Gedanke einer hypothetischen Beweiserhebung in Deutschland, wird den Besonderheiten der Auslandsdatenerhebung nicht gerecht und ist daher abzulehnen.694 Die selbstständigen Beweisverwertungsverbote greifen unabhängig von einem Rechtsverstoß bei der Datenerhebung. Daher kann entweder ein Grundrechtsverstoß durch das Gericht in der Hauptverhandlung Anlass zu einem solchen geben, oder aber die vorhergehende Beweiserhebung, wenn sie in solchem Maße gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstößt, dass eine Nutzung der erlangten Beweisergebnisses den sogenannten ordre public beeinträchtigte.695 Daher sind Erkenntnisse, die durch Folter, sei es des Angeklagten oder eines Dritten, erlangt wurden, stets unverwertbar. Gleiches gilt für Fälle, in denen der Kernbereich der Persönlichkeit, sei es durch übermäßige Überwachung, fehlende Erhebungsschranken der ausländischen Rechtsnormen oder fehlende Zeugnisverweigerungsrechte, oder die Selbstbelastungsfreiheit berührt sind.696 Bei Ersuchen deutscher Strafverfolgungsorgane an ausländische Nachrichtendienste sind Hinwirkungspflichten zu beachten. Aus Verstößen gegen selbige folgen ebenfalls Verwertungsverbote.697 Sind entsprechende Hinweise seitens des deutschen Staates erfolgt, wurden diese aber vom ausländischen Staat nicht befolgt, so ist hinsichtlich der Rechtsfolgen zu differenzieren: soweit es sich um verbindliche Bedingungen im Rahmen des EURhÜbk handelt, folgt hieraus ein Beweisverwertungsverbot. Bei einer unverbindlichen Bitte ist für das Eingreifen eines Beweisverwertungsverbotes im Falle der freiwilligen Befolgung die Rechtmäßigkeit des Handelns nach deutschem Recht, bei Missachtung der Bitte nach ausländischem Recht zu bestimmen. 693 694 695 696 697

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

S. S. S. S. S.

349 355 360 371 389

f. ff. ff. ff. ff.

410

Teil 3: Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus dem Ausland

Bei der gemeinschaftlichen Datenerhebung gelten, je nachdem, ob sich die deutschen Behörden aktiv oder nur passiv beteiligt haben, die oben dargelegten Grundsätze ebenfalls.698 Hinsichtlich der Fernwirkung der Beweisverwertungsverbote liegt nur für Beweisverwertungsverbote als Folge einer Bedingung die Besonderheit vor, dass sich die Reichweite des Verwertungsverbotes aus der Interpretation der Bedingung selbst ergibt. Hinsichtlich des Nachweises des Verfahrensverstoßes gilt, dass der volle Nachweis für die tatsächlichen Voraussetzungen nicht notwendig ist. Da dieser in vielen Fällen tatsächlich nicht erbracht werden kann, führte die Aufbürdung desselben zu einer Aushöhlung der Beweisverwertungsverbote und wäre mit deren Funktion, dem Individualschutz und der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens, unvereinbar. Daher genügt es, wenn der Angeklagte mit hinreichend, substantiierten Behauptungen Zweifel beim Gericht erwecken kann.699 Hierfür sind bestimmte Kriterien zu beachten, wobei zur Begründung des Vorbringens das Freibeweisverfahren einschlägig ist.700

698 699 700

Siehe S. 392 ff. Siehe S. 398 ff. Siehe S. 404 ff.

Gesamtergebnis Als Gesamtergebnis ist festzuhalten, dass nachrichtendienstliche Erkenntnisse im deutschen Strafverfahren grundsätzlich verwertet werden können. Grenzen ergeben sich jedoch aus den Besonderheiten des Nachrichtendienstrechts sowie der allgemeinen Beweisverbotslehre. Für eine umfassende Beurteilung dieser Querschnittsmaterie wurden verschiedene Rechtsgebiete wie das Völker- und Europarecht, das Datenschutzrecht, das Verwaltungsrecht, das Verfassungsrecht und natürlich das Strafprozessrecht mit einbezogen und berücksichtigt. Zunächst wurde das Nachrichtendienstrecht selbst auf die Reichweite und Grenzen der dort normierten Befugnisse untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die Befugnisse der Nachrichtendienste zur Datenerhebung klar definiert sind und im Vergleich zu ausländischen Nachrichtendiensten sehr detailliert sind. Einzig anzumerken ist, dass es sinnvoll erscheint, eine ausdrückliche Befugnis bezüglich der Beobachtung von Versammlungen unter freiem Himmel zu normieren, da diese derzeit mangels Wahrung des Zitiergebots verfassungsrechtlich unzulässig ist, jedoch einen relevanten Erkenntniszuwachs bringen könnte. Aufgrund der weiten nachrichtendienstlichen Übermittlungsregeln kann eine Vielzahl der erlangten Erkenntnisse ins Strafverfahren gelangen, was die Notwendigkeit einer klaren Verwertungssystematik nochmals zeigt. Hinsichtlich der Beweisverbotslehre ergab sich, dass die einheitlichen Funktionen der unselbstständigen wie selbstständigen Beweisverwertungsverbote im Individualschutz und der Wahrung der Straflegitimation bestehen. Es wurde gezeigt, dass die unselbstständigen Beweisverwertungsverbote geeignet sind, verschiedenste Verfahrensfehler hinreichend auszugleichen, unabhängig davon, ob die zu nutzenden Daten nach der Strafprozessordnung, nach einer vom Strafprozess zu unterscheidenden, inländischen Verfahrensordnung oder nach ausländischem Recht erlangt wurden. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung eines unselbstständigen Beweisverwertungsverbotes ist immer die Rechtmäßigkeit des Vorganges der Beweiserlangung, also der Beweiserhebung oder Übermittlung der erhebenden Behörde, sei es eine Strafverfolgungsbehörde, eine sonstige deutsche Behörde oder eine ausländische Behörde. Verstößt die Datenerhebung gegen eine Rechtsvorschrift, ist unter Zuhilfenahme des Schutzzweckes der Norm

412

Gesamtergebnis

und weiterer Kriterien im Wege der Abwägung das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Beweisverwertungsverbots zu ermitteln. Die Entscheidung über die Verwertbarkeit von Informationen ist nach deutschem Recht zu treffen, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung hingegen stets nach dem für die Datenerhebung einschlägigen Recht. Die Rechtmäßigkeit dieser Datenerhebungen dürfen auch stets vom Tatrichter überprüft werden, sowohl bei inländischen Datenerhebungen als auch bei ausländischen. Wenn deutsche Staatsorgane handeln, gleichgültig, ob im In- oder Ausland, greifen die Grundrechte als Abwehrrechte, für Deutsche stets alle Grundrechte, für Ausländer stets die Menschenrechte. Selbstständige Beweisverwertungsverbote sind dann gegeben, wenn die Verwertung selbst einen Grundrechtseingriff darstellt oder aber wenn die Verwertung rechtsstaatswidrig wäre, weil die zu verwertenden Informationen unter Umständen erlangt wurden, die rechtsstaatlich nicht ertragbar sind und daher eine Verwertung die Legitimation zum Strafen entfallen ließe. Einen Sonderfall stellt das völkerrechtliche Beweisverwertungsverbot als Ausfluss der Restitutionspflicht dar, welches einen Protest des in seinen Rechten verletzten fremden Staates voraussetzt. Auch völkerrechtliche Bedingungen im Rahmen der freiwilligen Rechtshilfe führen im Fall ihrer Missachtung zu einem Beweisverwertungsverbot. Das Thema gab ferner Anlass, sich mit den absoluten Grenzen der Verwertbarkeit von Beweisen zu beschäftigen. Anders im strafprozessualen Bereich, in welchem sich auch im Ausland zahlreiche Rechtsgrundlagen zur Datenerhebung finden und die Kooperation zwischen Strafverfolgungsorganen durch zahlreiche Verträge erleichtert und organisiert ist, konnte auf solche hier nicht zurückgegriffen werden. Absolute Grenze jeder Beweisverwertung stellen stets und unabdingbar die zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes dar. Dies zeigt sich bei einer inländischen Datenerhebung darin, dass zur Beurteilung der Verwertbarkeit ein Ausgleich zwischen nachrichtendienstlichen Notwendigkeiten und strafprozessualen Erfordernissen gefunden werden musste. Bezüglich im Ausland gewonnener Erkenntnisse stellt der ordre public ein Korrektiv zu unerträglichen Abweichungen zur deutschen Rechtsordnung dar. Das Rechtsstaatsprinzip hat zudem nicht nur Auswirkungen auf die Begründung von Beweisverwertungsverboten. Auch hinsichtlich des verfahrensrechtlichen Nachweises der Voraussetzungen eben dieser ist zu beachten, dass ein solcher effektiv möglich sein muss. Daher genügt es zum

Gesamtergebnis

413

Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen eines Verwertungsverbots, wenn richterliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beweisverwertung geweckt werden. Ein voller Nachweis ist nicht erforderlich. Insgesamt hat die Analyse ergeben, dass die bestehenden Regeln in Zusammenschau mit der Dogmatik der Beweisverwertungsverbote die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen hinreichend bestimmen. Trotzdem erscheint es aus Klarstellungsgründen sinnvoll, die bestehenden Regelungen um zwei Normen zu ergänzen. Zum einen sollte eine zu § 53 StPO parallele Vorschrift nicht nur in den Landesverfassungsschutzgesetzen1 enthalten sein und, wie jüngst geschehen, in das G10 inkorporiert werden, sondern auch in die übrigen Nachrichtendienstgesetze. Dabei empfiehlt es sich, sich an den vorhandenen Vorschriften zu orientieren, also eine Lösung anzustreben, welche über die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen hinausgeht, da so aus der Uneinheitlichkeit resultierende Probleme vermieden werden können. Daher sollte in das BVerfSchG, das MADG und das BNDG folgende Norm eingefügt werden: § 9 a BVerfSchG (beziehungsweise § 3 a BNDG, § 5 a MADG) Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen (1) Maßnahmen, die sich gegen eine in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 der Strafprozessordnung genannte Person richten und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, sind unzulässig. Dennoch gezielt oder ungezielt erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu löschen. (2) Soweit durch eine Beschränkung eine in § 52 oder § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 bis 3b oder Nr. 5 der Strafprozessordnung genannte Person betroffen wäre und dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Würdigung des öffentlichen Interesses an den von dieser Person wahrgenommenen Aufgaben und des Interesses an der Geheimhaltung der dieser Person anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen besonders zu berücksichtigen. Soweit es hiernach geboten ist, ist die Maßnahme zu unterlassen oder, soweit dies nach der Art der Maßnahme möglich ist, zu beschränken. (3) Die vorstehenden Absätze gelten für die in § 53 a der Strafprozessordnung Genannten entsprechend.

Zum anderen wäre es auch hilfreich, eine ausdrückliche Regelung bezüglich der Verwertbarkeit von Erkenntnissen, die aus Vorfeldmaßnahmen stammen, zu treffen. Wie gezeigt wurde, stellt dies innerstaatlich die pro1

Siehe Teil 1 Fn. 229 f.

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Gesamtergebnis

blematischste Stelle der Verwertbarkeit nachrichtendienstlicher Erkenntnisse im Strafverfahren dar. Zwar lassen sich insoweit der Verfassung allgemeine Leitlinien entnehmen, jedoch zeigt schon die Vielzahl der unterschiedlichen Ansichten in Literatur und Rechtsprechung, dass Bedarf an einer eindeutigen Entscheidung besteht. Eine solche Regelung könnte in die einzelnen Nachrichtendienstgesetze, oder aber in die StPO eingefügt werden. Letzteres empfiehlt sich nicht zuletzt wegen der neugeschaffenen Regelung des § 161 Abs. 2 StPO und der Spezialregelung des § 161 Abs. 3 StPO. Ein möglicher Absatz 4 könnte daher lauten: § 161 Abs. 4 StPO „Zu Beweiszwecken im Strafverfahren dürfen nach § 19 Abs. 1 BVerfSchG (analog), § 9 Abs. 1 BNDG übermittelte Daten verwertet werden, sofern dies zur Aufgabenerfüllung der übermittelnden Stelle erforderlich ist oder diese zur Verfolgung von Straftaten nach §§ 74, 120 GVG, sonstigen Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, dem Motiv des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Art. 73 Nr. 10 b, c GG genannten Schutzgüter gerichtet sind, oder den in § 138 StGB oder § 100 a StPO genannten Straftaten erforderlich sind und die Nutzung im Einzelfall nicht unverhältnismäßig erscheint.“

Insgesamt bleibt festzuhalten: Die hier vertretene Beweisverbotslehre hat gezeigt, dass alle Probleme mit ihr lösbar sind. Die Beweisverwertungsverbote bieten auch für Auslandsbeweise einen Ausgleich zwischen der grundsätzlichen Akzeptanz fremder Rechte als Folge der völkerrechtsfreundlichen Grundgesetzkonzeption und dem verfassungsrechtlich Unabwägbaren. Die Verwendung gerade ausländischer nachrichtendienstlicher Erkenntnisse wird in einer Welt der Kooperation und in einer Zeit, in der auch Terroristen immer mehr globale Netzwerke spannen, immer wichtiger. Die Nutzbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen für das Strafverfahren konnte hier bestätigt werden. Wichtig war hierfür, sich mit den Hintergründen und den Besonderheiten des nachrichtendienstlichen Verfahrens zu beschäftigen, um die Unterschiede und Besonderheiten zutreffend würdigen zu können. Auf diese Weise kann die Verwertung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zur effektiven Verbrechensbekämpfung beitragen. Dies gilt jedoch nur in den zum Schutz der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens festgesetzten Grenzen. Ein Strafverfahren kann sich selbst nur dann legitimieren, wenn es in einem rechtsstaatlichen Rahmen abläuft und nur solche Erkenntnisse zur Urteilsfindung nutzt, die ihrerseits rechtsstaatlichen Standards genügen. Dies ist der Maßstab, an dem sich alle Erkenntnisse messen lassen müssen, die in einem deutschen Strafverfahren verwertet werden sollen – unabhängig davon, wo und von wem sie gewonnen wurden.

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Sachwortverzeichnis 9/11 332 Abgeordneter 69 f. Abwägungskriterien 161, 164, 179, 201, 216 f., 285, 409 Abwägungslehre 159, 161 ff., 171, 229 Afghanistan 55, 336, 385 AMAN 343, 372 Amtshilfe 19, 28, 37, 96 ff., 108, 119, 123, 134, 219 ff., 252, 262, 266, 270, 313 Anhaltspunkte tatsächliche 46, 50, 52 f., 58, 64, 88, 118 f., 189, 191, 202, 206, 256 f., 378, 414 ATDG (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) 103 Auskunftsrechte 45 Auslandsnachrichtendienst 55, 85, 296, 333, 340 f., 346 Berner Klub 84 f. Beurteilungsspielraum 106, 185 ff., 191, 278, 285 Beweislastumkehr 403, 416 Beweisverwertung 19, 21 f., 45, 51, 87, 94, 112, 116, 126 f., 139 ff., 147 ff., 161 ff., 187, 189, 191 ff., 195 ff., 201, 203, 205, 207 ff., 221, 223, 225 ff., 233, 235 ff., 241, 243, 245, 247, 249, 251, 253, 255, 257 ff., 261, 263, 265, 267, 269, 271, 273, 275 ff., 279, 281 ff., 285 f., 296, 308 f., 323, 326 ff., 331, 349 ff., 355 ff., 359 f., 362, 364 f., 367, 369 ff., 373 f., 376 f., 384, 386 ff., 399 ff., 404, 407 ff. Beweisverwertungsverbot, selbstständiges 45, 129, 140 f., 147, 149 f., 152,

159, 171 f., 174 f., 177 f., 181 f., 184, 211 f., 217, 229 f., 234, 237 f., 279, 281, 285 ff., 296, 308, 326, 350 ff., 353, 355, 357 ff., 365, 367, 371, 384, 386, 392 f., 409, 411 f. Beweisverwertungsverbot, unselbstständiges 129, 140 f., 149, 152, 155, 163, 171, 176, 179, 181 ff., 211, 217 ff., 229, 247, 275, 285, 296, 308, 323, 326, 350 ff., 359, 364, 367, 389, 392 f., 409, 411 Beweiswert 135, 164, 263 f., 270, 286, 375 BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz) 19, 24, 27 ff., 33, 35, 40, 42, 45, 47, 52, 56, 58, 62 f., 76, 82, 84, 86, 95, 98 f., 103, 108, 114, 116, 118, 130, 136, 204, 206, 273, 282, 297, 348, 368, 383 Bin Laden 336 BKA (Bundeskriminalamt) 42 f., 48 ff., 91 ff., 103 f., 136 BND (Bundesnachrichtendienst) 19, 24 f., 27 f., 37, 50, 53 ff., 60 f., 65, 68, 71, 78, 81 ff., 86, 96, 99, 101, 104, 108 f., 113 ff., 117 ff., 121, 124, 132, 134, 136 f., 193 f., 203, 206, 209 f., 218 ff., 224, 226, 229, 237, 240, 257, 265, 296 ff., 300, 306 ff., 317, 381 ff., 389, 413 f. Bybee memo 336 CIA (Central Intelligence Agency) 85, 131, 315, 321, 332 ff., 372, 374, 377 Covert action oder aktive Maßnahmen 57, 86, 316, 335, 385 CTG (Counter Terrorist Group) 85

Sachwortverzeichnis Datenerhebungsbefugnis 21, 24 f., 27, 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, 51 ff., 55, 57, 59, 61 ff., 65, 67, 69, 71, 73, 75, 77, 79, 81, 83, 85 f., 136, 250 Datenschutz 19, 36, 54, 57, 62, 91, 93, 98, 102, 107 f., 112 f., 120, 125, 135, 146 ff., 184, 232, 234, 240, 243, 249, 254, 308, 379, 411 Datenübermittlung 51, 101, 112 ff., 118, 125, 133 f., 144, 183 f., 190, 204 ff., 229, 236, 239 f., 244, 255, 257, 265, 285, 294, 367, 368, 391 Datenverarbeitung 25, 54, 59, 113, 130 Delikt, politisches 103, 107, 115, 118, 120 f., 137, 220, 237, 241, 243, 255 f., 258, 266, 288, 291 ff., 313, 321 ff., 326 f., 407 DGSE (Direction Générale de Sécurité Extérieure) 85, 346 ff. DIA (Defense Intelligence Agency) 337, 381 DIS (Defence Intelligence Staff) 338 Disziplinierung 150, 169, 180, 214 Do ut des 84, 291 DRI (Direction Centrale du Renseignement Intérieure) 346 ff. Drittwirkung 44, 78, 178, 179, 374, 376 DRM (Direction de Renseignement Militaire) 346 f. DST (Direction de la Surveillance du Territoire) 346, 348 Echelon 85 f., 333 Ermittler, verdeckter 40 Ersatzeingriff hypothetischer 244, 246 Ersuchen 22, 76, 96, 99 f., 121 f., 136, 182, 184, 195, 206, 225, 231, 233, 237, 244, 252, 266, 288 ff., 294 f., 297, 313, 330, 349, 351, 353, 354 ff., 359, 364, 368 ff., 388 ff., 398, 409 Extraterritoriale 78, 298 Extremismus 32, 34, 61, 84, 104, 331

455

FBI (Federal Bureau of Investigation) 333 f., 380, 395 Fernwirkung 148, 179 ff., 208, 215, 229, 281 ff., 330, 373, 393, 394, 410 Frankreich 21, 83 ff., 300, 315, 317, 331 f., 346, 384, 408 Freibeweis 396, 404, 409 Freibeweisverfahren 396, 404, 410 FSB (Feralnaja Slubshba Bezopasnosti Rossijskoi Federazii) 340 ff. Funkverkehr 42, 59 G5 84 G10 35, 42, 46 f., 49, 52 f., 58 ff., 63 ff., 69 ff., 80, 86, 101, 109 ff., 117, 120, 125, 133 f., 146, 181 f., 185, 189 ff., 193 ff., 201, 206 f., 209 f., 232, 235 f., 240, 251, 253, 255, 262 f., 278, 282 ff., 302 f., 306 ff., 348 f., 381, 413 GCHQ (Government Communications Headquarters) 338 f. Gebietsbezug 302 ff., 306 Gegenseitigkeit 289, 291, 294, 322, 367 Geheimdienst 20 ff., 24 ff., 30, 37 f., 57, 63, 78, 84 ff., 92 ff., 131, 136, 211, 241, 244, 260, 262, 265, 305, 309, 315, 317, 321, 331 ff., 342 ff., 371, 373, 376, 380, 382, 384 f., 392, 417 ff., 423, 430, 440 f., 373, 376, 379, 382, 384 f., 392 Geheimhaltungspflicht 121, 190 Generalprävention 152, 214, 228 George W. Bush 336 GIZ (Gemeinsames Internetzentrum) 103 Globalisierung 21, 84 Großbritannien 27, 83 ff., 331 f., 338, 348, 380, 384, 408 GRU (Glavnoie Rasvedyvatelnoie Upravlenie) 340 ff. Grundrechtseingriff 37, 41, 75, 112 f., 140, 142, 144, 167, 172 f., 176 ff.,

456

Sachwortverzeichnis

193, 196, 204 f., 212 f., 239, 244, 254, 264, 285, 306, 307, 412 GSS (General Security Service) 343 ff., 348, 372 Hoheitsakt 317 ff., 321, 360 f., 408 IMSI-Catcher 49 In dubio pro reo 269, 395, 397 ff., 401 f. Individualschutz 149, 151 f., 154, 169, 173, 210, 324, 367, 369 f., 397, 410 f. Initiativermittlung 20, 87, 89, 93 Inlandsnachrichtendienst 297, 333, 339 ff., 346 Israel 21, 83, 85, 211, 332, 343 ff., 348, 354, 378, 392, 408 Journalist 67 Kalter Krieg 27, 321, 335 Kernbereich 48, 63 f., 66, 68 ff., 105, 111, 124, 134, 162 f., 165, 203, 361, 363, 377, 409 KGB (Komitee für Staatssicherheit) 340 f., 418 Kilowattgruppe 84 f. Kontrolle 21, 25, 39, 53, 55, 58 ff., 80, 83 f., 91, 95, 108 ff., 112, 133, 176, 187 ff., 205, 251, 253, 267, 277 f., 284, 331, 336, 340, 345, 351, 359, 366, 368, 377, 380, 383 f., 386 ff. Kontrollgremium, parlamentarisches 39, 68, 83, 109, 111, 190, 278, 311, 368, 387 Lauschangriff 47 ff., 62, 93, 195, 209, 245, 248, 282 Legalitätsprinzip 21, 99, 106 f., 125, 242, 247, 261 f., 265 Legitimation zum Strafen 152, 154, 158, 215, 286, 365, 367, 374, 412 LfV (Landesamt für Verfassungsschutz) 24, 28, 38 Liechtenstein-Affäre 118, 218, 228

MAD (Militärischer Abschirmdienst) 24 f., 28, 35, 37, 54, 56, 58, 61 ff., 65, 81 f., 86, 96 f., 99, 108, 113 f., 118 f., 121, 124, 132, 194, 203, 206, 210, 240, 297, 309, 389, 413 Menschenwürde 38, 44, 46, 63, 66 f., 124, 154, 162, 165, 178, 276 ff., 300, 312, 353, 361, 374 ff., 380, 386, 401 MI5 oder Security Service 25, 95, 102, 328, 339, 341, 343 MI6 338 Mossad 343 f. Nachrichtendienst 19 ff., 142, 144 ff., 148, 150, 152, 154, 156, 158, 160, 162, 164, 166, 168, 170, 172, 174 ff., 178, 180, 182 ff., 291, 293, 295 ff., 303 ff., 308 f., 311 f., 314, 317, 319, 321 ff., 330 ff., 337 ff., 351, 353, 354 f., 357 ff., 361, 403, 365 ff., 375, 377 ff., 398, 405, 407 ff., 411 ff. Nachrichtendienstliche Mittel 20, 38 f., 86, 93 f., 137, 236, 239, 259 Nachrichtenkauf 43 Nemo-tenetur-Grundsatz 173 f., 278, 280 f. Normenkontrolle 193, 378, 385 NSA (National Security Agency) 333, 336, 377 Obama 337 Observation 20, 37, 39, 41, 47, 48, 64, 76, 91, 93, 99, 137, 232, 236, 237, 317 Online-Durchsuchung 19, 49 f., 94, 137, 192 Opportunitätsprinzip 106 f., 112, 120 f., 137, 242, 259 f., 286 Ordre public 351, 352, 355, 359, 361 ff., 380, 385, 388, 409, 412 Parteien 31, 70 ff., 74, 77, 117, 335 Partnerdienste 81 ff., 110 f., 331, 408 Personalhoheit 299, 302 f., 316, 323 Personalitätsprinzip 302 f.

Sachwortverzeichnis Persönlichkeitsrecht 36, 42, 44, 50, 66, 76, 111, 114, 158, 184, 192 f., 253 f., 285, 325, 377 Polizeiliche Befugnisse 96 ff., 100 Rechtsbegriff, unbestimmter 189 Rechtshilfe 134, 225, 270, 287 ff., 305, 312 f., 323, 325, 330, 349 f., 352, 356, 359, 366 ff., 391, 405 ff., 412 Rechtsstaat 61, 72, 88, 95, 139, 150, 153 ff., 173 ff., 189, 200, 202, 215, 229, 238, 243, 254 f., 261, 270 f., 278, 353, 355, 359 ff., 371, 374 ff., 378 ff., 384 f., 388, 390, 398 ff., 401 ff., 409 f., 412, 414 Rechtsstaatsprinzip 38, 89, 150, 153 ff., 162, 173 ff., 212, 249, 252, 261, 265, 272, 277, 359, 374, 376, 378, 383 f., 397 ff., 412 Redskin 321 Registerauskunftsrecht 50 Rendition 337, 372 Restitutionspflicht 326 ff., 370, 408, 412 RIPA (Regulation of Investigatory Powers Act) 339 f., 366, 380 Russland 27, 331 f., 340 ff., 408 Schengen 82, 100, 289 Schutzzweck 32, 49, 77, 79, 102, 129, 147, 153 ff., 157, 159 f., 165, 200, 210, 307, 364, 411 Seelsorger 66, 137 Selbstbelastungsfreiheit 67, 162, 173, 176, 178, 197 f., 200, 212, 278 ff., 375, 379 f., 384, 386, 409 Selektivität 151, 259, 261 f., 265, 286 SIGNIT (Signals Intelligence) 37, 333, 341 SIS (Secret Intelligence Service) 82, 100, 289, 338 f. SIS II (Schengener Informationssystem) 82, 289 SITCEN (Joint Situation Center) 85

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Sowjetunion 317, 321 f., 341, 385 Spezialität 292, 295, 312 f., 349, 367 ff., 393, 450 Spezialprävention 152, 155 Spionageabwehr 28, 33 ff., 41, 55 f., 61, 78, 85, 297, 328, 333, 341, 343 Spontanübermittlung 114 Strafbarkeit, beiderseitige 292 Strengbeweis 416 Strengbeweisverfahren 404 SVR (Slushba Vneishnei Rasvedki) 340 ff. Täuschung 40, 151, 279 f. Telekommunikationsüberwachung 22, 47, 54, 91, 105, 141, 230, 235 f., 263, 304, 339 f., 348 Territorialität 306, 316 Territorialitätsprinzip 288, 300, 317, 323, 324, 327 Terrorismus 20, 34, 41, 50, 55, 61, 84 f., 93, 207, 292, 296, 311, 331, 334 f., 339, 346 Trennungsgebot 94 ff., 98, 100 ff., 113, 116, 118, 123, 134, 137, 232, 241, 252, 330, 380 ff., 409 Übermittlung 33, 51, 82, 84, 100, 102, 104, 107, 112 ff., 120 ff., 132 ff., 137 f., 144, 183 f., 196, 203 ff., 220, 229, 233, 236 f., 239 f., 242, 244, 248, 250 ff., 261, 263 f., 266, 277, 292, 312 f., 389, 411 Übermittlungspflicht 115, 118, 120, 124, 257, 259, 264 Übermittlungsschranke 237, 250 f. Übermittlungsverbote 121, 134, 138, 203, 257, 266 Under-Cover-Agent 40, 236 Unschuldsvermutung 89 ff., 425 USA 27, 54, 83, 85, 269, 307, 322, 331 ff., 348, 372, 380, 384, 386 f., 394

458

Sachwortverzeichnis

Verfahrensverstoß 18, 127, 165, 200, 358, 365, 394 f., 397 ff., 401, 402 ff., 410 Verhältnismäßigkeit 40 ff., 63 f., 67, 70 ff., 81, 115 f., 129, 132, 143 f., 202 ff., 206, 239, 251 ff., 257, 276, 413 Vermutung der Justizförmigkeit 399 Versammlungen 72 ff., 76 ff., 104, 137, 340 f., 411 Verteidiger 66 f., 70, 136, 273, 275 f. Vertrauensbeziehungen 64 f., 67 Verwandtschaft 65 Verwendungsregel 147, 180, 206 ff., 210, 230, 393 Verwendungsverbote 145 ff., 149, 180, 208, 242 f., 285 Verwertungsverbot, völkerrechtliches 326 V-Mann 40 f., 43 ff., 72, 76 ff., 130, 135, 221, 279, 370 Völkerrecht 185, 298, 313 ff., 321 f., 324, 326 f., 329, 337, 352, 371

Vorfelderkenntnisse 237 f., 248, 250, 257, 286 Vorfeldermittlungen 20 f., 38, 45, 87 f., 90 ff., 100, 105 ff., 112, 120, 134, 209, 238 f., 260, 281, 381 Wahrheitsfindung 150 f., 157 f., 164, 263 Warrant 334, 335, 339 f., 366 Waterboarding 336 f., 372 Wohnraumüberwachung 58, 65, 279 Zeugnisverweigerungsrechte 65 ff., 200, 275, 286, 386, 409 Zollkriminalamt 92 f., 136 Zurechenbarkeit 320 f., 353 f. Zwang 27, 45, 97 f., 112 f., 137, 176, 192, 199 f., 224, 278 ff., 283, 290, 317 ff., 345, 354, 360, 372, 377, 380, 384, 395 Zwangsbefugnisse 97, 137, 199, 354, 380