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German Pages 323 Year 1983
KLAUS FREY
Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung
S c h r i f t e n zum ö f f e n t l i c h e n Band 455
Recht
Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung
Von
Dr. Klaas Frey
DÜNCKER
&
HUMBLOT
/
BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Frey, Klaus: Die Verfassungsmässigkeit der transitorischen Enteignung / v o n Klaus Frey. — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1983. (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 455) I S B N 3-428-05453-9 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1983 Duncker & HumbLot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany I S B N 3 428 05453 9
Vorwort Über Umfang und Intensität des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes entscheidet nicht allein die verfassungsgesetzliche Eigentumsgarantie. Auch die positiv-rechtliche Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Enteignung trägt dazu ihren Anteil bei. Wegen dieses bekannten Wirkungszusammenhanges sind institutionelle Wandlungen sowohl unter enteignungsdogmatischen wie unter eigentumsspezifischen Gesichtspunkten zu sehen. Demgemäß verfolgt die vorliegende, auf den Stand vom Februar 1983 gebrachte Untersuchung, die der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg i m Wintersemester 1981/82 als Dissertationsleistung vorgelegen hat, eine doppelte Zielsetzung: Enteignungsdogmatisch ist ihr an einer Bewahrung und Festigung der Stringenz des Enteignungsinstitutes gelegen, u m auf diese Weise zu einer Stärkung des Eigentumsschutzes beizutragen. A m Beispielsfall der transitorischen Enteignung, einer i m modernen Städtebaurecht anzutreffenden Spielart einer institutionell gewandelten Grundstücksenteignung, w i r d aufgezeigt, daß die Enteignung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG i n bezug auf ihre Zweckvorgaben wie auf ihre Verfahrensgestaltung nur begrenzten Raum für gesetzliche Umgestaltungen läßt. Erlaubt sind nur solche Zielsetzungen, die den eigentumsrechtlichen status quo i m Grundsatz unberührt lassen. Für soziale Umverteilungen steht die Enteignung daher nicht zur Verfügung. Dies gilt auch dann, wenn dieser Tatbestand durch eine Kombination m i t für die Enteignung typischen Verwaltungszwecken verschleiert wird. I m Ergebnis wächst somit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie über die Enteignung eine Verstärkung ihrer Schutzfunktion zu. Dies erscheint angesichts der Tatsache, daß die Eigentumsgarantie i n den letzten Jahren einen sichtbaren Schwund ihrer Schutzfunktion erfahren hat, der die besorgte Frage nach der Eigentumswende (vgl. Walter Leisner, DVB1.1983, 61 ff.) laut werden ließ, dringend geboten, wenn auch nicht ausreichend. Ich widme diese Publikation dem Andenken an Prof. Dr. Ernst Forsthoff. Er hat die Arbeit angeregt. I h m weiß ich mich nicht nur aus diesem Grunde verpflichtet. Herrn Prof. Dr. K a r l Doehring habe ich für
Vorwort
6
die fachliche und persönliche Unterstützung sehr zu danken. Herrn Ministerialrat a. D. Prof. Dr. Broermann danke ich für seine Bereitschaft, die Arbeit i n sein Verlagsprogramm aufzunehmen. Lambsborn, i m Herbst 1983 Klaus Frey
Inhaltsverzeichnis Einleitung
Erster
13
Teil
Die transitorische Enteignung, ein neuer Typus des Enteignungsrechts I. Die wesentlichen gesetzlichen Erscheinungsformen der transitorischen Enteignung
19
1. Das Reichssiedlungsgesetz
20
2. Das Reichsheimstättengesetz
28
3. Bodenreformgesetzgebung der Länder
32
4. Das Baulandbeschaffungsgesetz
42
5. Das Bundesbaugesetz
49
6. Das Städtebauförderungsgesetz
57
a) Sanierungsbereich
59
b) Entwicklungsbereich
62
7. Begriffliche Bestimmung der transitorischen Enteignung I I . Exegese des transitorischen Enteignungsbegriffs
68 71
1. Das Enteignungsobjekt
71
2. Die Verfahrensbeteiligten
74
3. Die Verfahrenszwecke
81
4. Zweckkombination i m Enteignungsinstitut
86
I I I . Abgrenzung der transitorischen Enteignung von anderen Formen hoheitlicher Inanspuchnahme v o n G r u n d u n d Boden
90
1. Die klassische Enteignung
91
2. Die Enteignung zugunsten P r i v a t e r
91
3. Die Sozialisierung
94
8
Inhaltsverzeichnis 4. Die Konfiskation, Requisition, Einziehung
98
5. Die Umlegung
102
6. Die soziale Umschichtung
104
Zweiter
Teil
Die Verfassungskonformität der transitorischen Enteignung
Erstes K a p i t e l Die soziale Umverteilung als verfassungsrechtlich zulässiger Enteignungszweck
107
I. Systematik der sozialen U m v e r t e i l u n g
108
1. Der Umverteilungsbegriff a) U m v e r t e i l u n g prozesses
als
gewillkürte
108 Steuerung
des
Verteilungs109
b) U m v e r t e i l u n g als polemischer Bezug auf die bestehende V e r mögensverteilung 110 c) U m v e r t e i l u n g als normativer Rechtsbegriff 2. Die Umverteilungsgegenstände
111 112
a) Das Volkseinkommen
112
b) Das bereits gebildete Vermögen
113
c) U m v e r t e i l u n g als normativer Rechtsbegriff
114
3. Die Umverteilungsbeteiligten a) Der Umverteilungsträger
115 115
b) Die Umverteilungsbetroffenen
117
c) Die Umverteilungskriterien
118
4. Die Umverteilungsmittel
122
a) B e i m Volkseinkommen
122
b) Bei gebildetem Vermögen
124
I I . Die soziale U m v e r t e i l u n g v o n G r u n d u n d Boden unter der Weimarer Reichsverfassung 127 1. Die Umverteilungskompetenz (Art. 10 Nr. 4 WRV)
127
2. Das U m v e r t e i l u n g s m i t t e l (Art. 155 Abs. 2 WRV)
129
Inhaltsverzeichnis 3. A r t . 155 Abs. 2 als Rechts- oder Programmsatz
131
4. Verhältnis von A r t . 155 Abs. 2 zu A r t . 153
134
5. Verhältnis des A r t . 155 Abs. 2 zu A r t . 156
136
I I I . Die Umverteilungskompetenzen über G r u n d u n d Boden i m Bonner Grundgesetz 138 1. A r t . 74 Nr. 18 GG
139
2. A r t . 75 Nr. 4 GG
148
3. A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 GG
151
4. A r t . 14 Abs. 3 GG
153
5. A r t . 15 GG
153
6. Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, A r t . 28 Abs. 1 GG)
154
7. Die Wirtschaftsverfassung
159
8. Ergebnis der kompetenzrechtlichen Betrachtung
164
I V . Die Enteignung nach A r t . 14 Abs. 3 GG als M i t t e l f ü r die soziale U m verteilung von G r u n d u n d Boden 164 1. A r t . 155 Abs. 2 W R V u n d das Fehlen einer Entsprechung Grundgesetz 2. Der Enteignungsbegriff des A r t . 14 Abs. 3 G G
im
165 169
a) Die formellen Bestandteile des Enteignungsbegriffes
170
b) Die materiellen Bestandteile des Enteignungsbegriffes
175
3. A u s w i r k u n g e n der Sozialstaatsklausel auf die Enteignung
180
a) A u s w i r k u n g e n auf die formellen Bestandteile des Enteignungsbegriffes 182 b) A u s w i r k u n g e n auf den materiellen Bestandteil des Enteignungsbegriffes 188 4. A r t . 14 Abs. 3 G G i n einem sich wandelnden Grundrechts Verständnis 192 a) Das traditionelle Grundrechtsverständnis
193
b) Die Grundrechte als Wertordnungssystem
199
c) Das institutionelle Grundrechtsverständnis
205
d) Das demokratisch-funktionale Grundrechtsverständnis
210
e) Das sozialstaatliche Grundrechtsverständnis
213
f) Die sozialen Grundrechte
217
g) Die Grundrechte als Verfahrensgarantien
221
10
Inhaltsverzeichnis 5. Ungeschriebenes Hecht als Umverteilungsgrundlage
223
a) Ungeschriebenes Verfassungsrecht
223
b) Einfaches Gewohnheitsrecht
224
V. Folgerungen u n d verfassungspolitischer Ausblick
226
1. Die unvollkommene Verfassungskompetenz
227
2. Die Enteignung, ein formenmißbräuchliches Umverteilungsmittel? 229 3. Vorschlag zur Ergänzung u n d Ä n d e r u n g des Grundgesetzes Zwischenergebnis
234 238
Zweites K a p i t e l Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Verwaltungszwecke der transitorischen Enteignung I. Die Verwaltungszwecke als Planungszwecke 1. Planungszwecke u n d Verfassungsrecht
239 240 243
2. Planungszwecke u n d i h r Verhältnis zu den Enteignungszwecken 248 3. P l a n v e r w i r k l i c h u n g als W o h l der Allgemeinheit?
253
4. Zusammenfassung: Planungszwecke, Verwaltungszwecke, Enteignungszwecke 255 I I . Die dauerhafte Sicherung der Enteignungszwecke
256
1. Institutsimmanenz der Zwecksicherung
257
2. öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Zwecksicherung
259
I I I . Gesetzliche oder verwaltungsmäßige Methoden der Zwecksicherung 261 1. Die Rückenteignung
262
2. Das Heimfallsrecht
266
3. Das Wiederkaufs- bzw. Vorkaufsrecht
268
4. Verwaltungsmäßige Sicherungsmethoden
270
I V . Die A u s w i r k u n g der institutionellen Verbindung v o n Zweckkategorien unterschiedlicher Rechtswirksamkeit 272 1. Nichtigkeit des Gesamtinstituts
272
2. Teilnichtigkeitsprobleme
275
Inhaltsverzeichnis Dritter
il
Teil
Die Verfassungsmäßigkeit der einzelnen Erscheinungsformen transitorischer Enteignung im geltenden Redit I. Das Reichssiedlungs- u n d das Reichsheimstättengesetz
278
1. Der vorkonstitutionelle Umverteilungszweck
279
2. Zweck- u n d verfahrensspezifische Folgerungen
281
3. Die Zwecksicherung
282
4. Ergebnis
284
I I . Das Bundesbaugesetz
285
1. Zweck- u n d verfahrensspezifische Folgerungen
285
2. Die Zwecksicherung
289
3. Ergebnis
290
I I I . Das Städtebauförderungsgesetz 1. Die Regelung i m Sanierungsbereich
290 291
a) Zweck- u n d verfahrensspezifische Folgerungen
291
b) Die Zwecksicherung
292
c) Ergebnis
294
2. Die Regelung i m Entwicklungsbereich
294
a) Zweck- u n d verfahrensspezifische Folgerungen
295
b) Die Zwecksicherung
296
c) Ergebnis
297
Literaturverzeichnis
299
Einleitung K e i n Institut der heutigen Rechtsordnung verdeutlicht klarer als die Enteignung, daß der Prozeß des „Nehmens, Teilens und Weidens" 1 , jedenfalls i n bezug auf seine beiden ersten Erscheinungsformen und deren ursprünglichen Bedeutungsinhalt als raumteilender Grundvorgang zu einem Abschluß gekommen ist 2 . Stehen diese aus dem Nomos entwickelten Begriffe, die den elementaren Vorgang der menschlichen Inbesitznahme der Welt durch die Landnahme, die Verteilung des Erworbenen und die hieraus begonnene Produktion bezeichnen3, gleichsam auch als Abbreviatur für den Glauben an die unerschöpflichen Vorräte der Natur, so ist i m Gegensatz dazu das Institut der Enteignung das rechtliche Eingeständnis für die bessere Einsicht i n konkrete Mangelerscheinungen i m Bereich der Güterordnung 4 , die sich i m europäischen Raum i n bezug auf den Grund und Boden bereits i m Baurecht des Mittelalters, vor allem aber i m ausgehenden 18. bzw. beginnenden 19. Jahrhundert, durchsetzte 5 . Zwar w i r d auch heute i n der Wirtschafts- und Arbeitsordnung der Industriegesellschaft genommen und geteilt 6 und dies i n einer ungleich 1 So die gleichlautende Schrift von Carl Schmitt aus dem Jahr 1953, n u n i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 489 ff.; dazu bereits ders., Der Nomos der Erde i m Völkerrecht des Jus P u b l i c u m Europaeum, S. 38 ff. (47 f.) m i t eingehender Analyse des Nomosbegriffes; w e i t e r h i n ders., L a n d u n d Meer, S. 50; vgl. weiter ders., Die legale Weltrevolution, Der Staat 17, 1978, 321 ff.; vgl. auch Frey er, Schwelle der Zeiten, Beiträge zur Soziologie der K u l t u r , S. 58 f. 2 Carl Schmitt, i n : Nehmen, Teilen, Weiden, S. 501 läßt dies als Frage offen. 3 Carl Schmitt, i n : Nehmen, Teilen, Weiden, S. 490—494; ders., Der Nomos der Erde, S. 47—51. 4 H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, V V D S t R L 10 (1952), 74 ff. (95); Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 330; Tiedemann, Die Ordnung des Baulandmarktes i m deutschen u n d schweizerischen Recht (Hamburger Diss.), S. 15, 188 ff., 192 ff.; Ernst, i n : Ernst / Bonczek, Z u r Reform des städtischen Bodenrechts, S. 6. 5 Dies w i r d vor allem anhand der damaligen Gesetzgebung deutlich; dazu Georg Meyer, Das Recht der Expropriation, S. 142 ff. m i t ausführlichen H i n weisen auf die späten naturrechtlichen Kodifikationen u n d die frühen E n t eignungsgesetze des 19. Jahrhunderts; Grünhut, Das Enteignungsrecht, 1873, S. 12 f.; n u n Frenzel, H e r k u n f t u n d E n t w i c k l u n g des rechtsstaatlichen V e r fahrensgedankens am Beispiel des Enteignungsrechts, Der Staat 18, 1979, 593 ff. β So Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 27, 32, 72 f., 80 f.
14
Einleitung
intensiveren A r t und Weise als es für den von Carl Schmitt beschriebenen ursprünglichen Tatbestand kennzeichnend war, doch handelt es sich hierbei um einen qualitativ anderen, derivativen Vorgang, nämlich die Nähme des bereits Genommenen und die Teilung des bereits Geteilten. A l l e i n der Begriff des Weidens, Wirtschaftens, Nutzens, Produzierens hat wegen seiner inhaltlichen Abhängigkeit von den jeweiligen Formen der Gütererzeugung und -Verarbeitung keinen Bedeutungswandel erfahren. Lange Zeit war man sogar der Meinung, daß die Hervorhebung des Weidens aus der Bedeutungstrias des Nomosbegriffes i n Form der Steigerung der Güterproduktion einen Rückgriff auf die Erscheinungsformen des Nehmens und Teilens erübrige. Doch deuten auch hier unter dem Einfluß einer sich verschärfenden Energie- und Rohstoffknappheit Anzeichen auf ein sich änderndes Verständnis hin. Es findet Ausdruck i n der Einsicht, daß es auch unter Ausnutzung des technischen Fortschrittes unmöglich ist, die Produktion so gewaltig zu steigern, daß daneben das Nehmen und Teilen aufhört, ein selbständiges Problem zu sein 7 , und die große Zahl der bei der Verteilung Übergangenen, sich m i t der zur Verfügung stehenden Masse an Konsumgütern zu bescheiden bereit ist. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Sie bestehen letztlich darin, daß der einer stetig wachsenden Menschheit zur Verfügung stehende Raum begrenzt 8 , der Boden unvermehrbar®, dessen Verteilung vielfach ungerecht 10 sowie der Erwerb und Besitz von Konsumgütern i n einer inflationär bestimmten Zeit 1 1 problematisch geworden ist. Trotz, oder 7
Carl Schmitt, Nehmen, Teilen, Weiden, S. 500. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechtes, 10. Aufl., S. 303; Tiedemann, S. 32, 36; Conradi / Dieterich / Häuf, F ü r ein soziales Bodenrecht, S. 41 ff. m i t Hinweisen auf die Bevölkerungsentwicklung i n Deutschland i n den vergangenen 100 Jahren. 9 BVerfGE 21, 73 (82f.); Gewos-Gutachten, Verfassung, Städtebau, Bodenrecht. Rechtswissenschaftliches Gutachten über die Enteignungsentschädigung i m Städtebau, RdNr. 310; diese Feststellung g i l t selbstverständlich n u r f ü r den G r u n d u n d Boden ganz allgemein, nicht f ü r Bauland, das durch E r schließung landwirtschaftlich genutzter Flächen ohne weiteres vermehrt w e r den kann. 10 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, 3. A u f l . A r t . 14, Rdnr. 8—9; Heinz Wagner, öffentlicher Haushalt u n d W i r t schaft, W D S t R L 27 (1969), 47 ff. (55, 72); Selmer, Steuerinterventionismus u n d Verfassungsrecht, S. 320; zu Entwicklungstendenzen der Vermögensstruktur, vgl. die Übersicht u n d statistischen Auswertungen bei Franz Josef Strauß, Finanzpolitik, Theorie u n d Wirklichkeit, S. 155 ff.; ebenso Pulte (Hrsg.), V e r mögensbildung, Vermögens Verteilung, S. 7 ff. 11 Badura, Die Verfassung als Auftrag, Richtlinie u n d Grenze der w i r t schafts- u n d arbeitspolitischen Gesetzgebung, S. 4 ff.; Papier, Eigentumsgarantie u n d Geldentwertung, AöR 98, 1973, 528 ff. (532 ff.); Rasch, Geldentw e r t u n g u n d langfristige Verträge, B B 1971, 753; Hartz, Die A u s w i r k u n g e n der Geldentwertung i m Steuerrecht u n d auf die Vermögensbildung, D B 1973, 1519; Gemper, Geldentwertung, Nominalwertprinzip u n d Besteuerung, B B 8
Einleitung gerade w e g e n d e r d u r c h d e n technischen F o r t s c h r i t t e r z i e l t e n P r o d u k t i o n s s t e i g e r u n g stößt d i e M e n s c h h e i t a n G r e n z e n i h r e r n a t ü r l i c h e n H i l f s m i t t e l 1 2 u n d d a m i t auch d e r P r o d u z i e r b a r k e i t . D a m i t g e w i n n e n a l l e r d i n g s i m S i n n e des o b e n beschriebenen d e r i v a t i v e n V o r g a n g e s d i e B e g r i f f e des N e h m e n s u n d T e i l e n s neue A k t u a l i t ä t , u n d es s t e l l t sich d i e F r a g e nach d e n r e c h t l i c h e n M i t t e l n z u r V e r w i r k l i c h u n g dieser Ziele. D i e rechtliche A n t w o r t , d i e i m 19. J a h r h u n d e r t d a r a u f u n d d a m i t z u g l e i c h a u f d i e sich p a r t i e l l b e r e i t s abzeichnende G ü t e r k n a p p h e i t gegeb e n w u r d e , b e s t a n d i n erster L i n i e i n d e r E n t e i g n u n g 1 3 . D i e spezifische R e a k t i o n dieses J a h r h u n d e r t s i s t d i e gesetzliche N e u b e s t i m m u n g des E i g e n t u m s i n h a l t s 1 4 u n d die umfassende R a u m p l a n u n g 1 5 . Diese E r r u n g e n schaften b i l d e n e i n e n T e i l des r e c h t l i c h e n I n s t r u m e n t a r i u m s , dessen sich d e r m o d e r n e Gesetzgeber b e d i e n t , w e n n er es u n t e r n i m m t , entstandene M a n g e l l a g e n gerecht z u o r d n e n . D i e s i s t v o r a l l e m i m B e r e i c h des B o d e n - u n d G r u n d s t ü c k s r e c h t s geboten, v o n d e m n a c h f o l g e n d ausschließlich d i e Rede sein w i r d .
1972, 761; Kröger, Sparzinsbesteuerung u n d Geldentwertung, N J W 1973, 1017 (1020); H. J. Kaiser, M a r k ist nicht mehr gleich M a r k . Der Schutz des Eigentums i n der Inflation, Festschrift f ü r E. R. Huber, S. 237. 12 Daraus resultieren zu einem wesentlichen T e i l die Schwierigkeiten, die m i t dem Schlagwort „Ökologiekrise" angesprochen werden; vgl. dazu D . H . Meadows , The L i m i t s to Growth, Cambridge, Mass., 1972; Tomuschat, Güterverteilung als rechtliches Problem, Der Staat 12, 1973, 433 ff.; Rehbinder, Grundfragen des Umweltrechts, ZRP 1970, 250ff.; H . H . Rupp, Die verfassungsrechtliche Seite des Umweltschutzes, J Z 1971, 401 ff.; Heinhard Steiger, Umweltschutz durch planende Gestaltung, ZRP 1971, 133 ff.; Werner Weber, Umweltschutz i m Verfassungs- u n d Verwaltungsrecht, DVB1. 1971, 806 ff. 13 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, S. 22 f. 14 BVerfGE 24, 367 ff. (389); 21, 73 (82); 18, 121 (132); 14, 263 (278); H. P. Ipsen, S. 93 ff.; Kröner, Die Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 2. Aufl., S. 8 ff.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 341; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, i n : N e u m a n n / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 341 f.; Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, A r t . 14, Rdnr. 46 ff.; Herzog, A r t . Eigentum, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 514 ff.; Bernd Bender, Sozialbindung des Eigentums u n d Enteignung, N J W 1965, 1297 ff.; Gähtgens, Die Sozialbindung des Eigentums u n d ihre Grenzen i n der Rechtsprechung der Zivilgerichte, BBauBl. 1970, 364 ff. 15 Raumplanung w i r d hier i m Sinne der Gesamtplanung verstanden; dazu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 304, 307 ff.; Forsthoff ! Blümel, Raumordnungsrecht u n d Fachplanungsrecht, S. 19, 26 f. m. w . N.; F rido Wagener, V o n der Raumplanung zur Entwicklungsplanung, DVB1.1970, 93 ff.; Stich, Die Planstufen der Orts-, Regional- u n d Landesplanung, DVB1. 1973, 589 ff.; Conradi / Dieterich / Häuf, S. 120; Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, Gutachten zum 50. D J T 1974, S. 30 ff. m. w . N.; Boeddinghaus, Das Planungsrecht als Instrument des Städtebaues, S. 1 f.
16
Einleitung
H i e r h a t n e b e n d e n eingangs e r w ä h n t e n P h ä n o m e n e n d i e b i s w e i l e n l e i c h t f e r t i g e A n w e n d u n g des m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e n P r i n z i p s 1 6 eine L a g e geschaffen, i n d e r n i c h t n u r Z w e i f e l l a u t w e r d e n , ob d i e soziale F u n k t i o n d e r p r i v a t e n H e r r s c h a f t ü b e r G r u n d u n d B o d e n n o c h gegeben sei 1 7 , sondern i n der darüber hinaus die grundsätzlichere Frage nach der Berechtigung v o n p r i v a t e m E i g e n t u m an den genannten G ü t e r n aufgew o r f e n w i r d 1 8 . B e i d i e s e m H i n t e r g r u n d k a n n es n i c h t v e r w u n d e r n , daß das B o d e n e i g e n t u m zusehends u n t e r sozialen D r u c k 1 9 g e r a t e n ist, d e r sich erstmals i n d e n F o r d e r u n g e n d e r B o d e n r e f o r m b e w e g u n g 2 0 E n d e des 19. J a h r h u n d e r t s a n d e u t e t e u n d sich v e r s t ä r k t b i s i n d i e G e g e n w a r t fortgesetzt h a t , i n d e r B e g r i f f e w i e N u t z u n g s e i g e n t u m 2 1 , V e r g e s e l l s c h a f t u n g 2 2 u n d K o m m u n a l i s i e r u n g 2 3 des G r u n d u n d B o d e n s d i e Szene16 Z u m Begriff vgl. E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, S. 31 ff.; Ehmke, Wirtschaft u n d Verfassung, S. 7 ff.; Kriele, Wirtschaftsfreiheit u n d Grundgesetz, ZRP 1974, 105ff.; H.H.Klein , Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 98 m. w . N. ; zu seiner Bedeutung f ü r das Grundeigentum vgl. Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 8 ff.; Ernst, i n : ders., Bonczek, S. 6; Dreier, Raumordnung als Bodeneigentums- u n d Bodennutzungsreform, S. 36; Paul Bockelmann, i n : Städteerneuer u n g u n d Eigentumsordnung, Bd. 21, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, S. 54 m i t einem eindrucksvollen Z i t a t O. v. Gierkes. 17 Fritz Roth, Vorschläge zu einem neuen Bodenrecht, ZRP 1971, 169 ff. (171—172); Geiger, Z u r Abgrenzung der Eigentumsbeschränkung zum E n t eignungstatbestand, i n : Grundeigentum — I n h a l t u n d Schranken, S. 28 ff. (33 f.) ; υ. Nell-Breuning, Das Bundesbaugesetz u n d die Probleme einer sozialen Bodenordnung, i n : Raum u n d Gesellschaft morgen, S. 137; Fritz Werner, Verfassung, Rechtsgefühl u n d Städtebau, i n : Entwicklungsprozesse der Stadt, hrsg. von der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Deutschen Akademie f ü r Städtebau u n d Landesplanung, S. 29. 18 Vgl. z.B. E n t w u r f der Jungsozialisten i n der SPD zu einem Städtebauförderungsgesetz, i n : JS Magazin 1970, Heft 4, S. 3—5; w e i t e r h i n Kommunale Bodenpolitik, Entschließung der Jungsozialisten zur K o m m u n a l p o l i t i k i n M a n n h e i m 1971, i n : Knirsch (Hrsg.), Bodenrecht, S. 41 f.; H. J. Vogel, Die Stadt v o n morgen, i n : Tatsachen-Argumente 1969, Nr. 263, S. 11; Mitscherlich, Die U n w i r t l i c h k e i t unserer Städte, S. 54 f. 19 Den Begriff prägte Ernst Forsthoff; dazu ders., Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, Festgabe f ü r Maunz, S. 89 ff. (93). 20 Die Bewegung n a h m ihren Ausgangspunkt i n den U S A m i t dem Buch von Henry Georges, Progress and poverty, 1879, u n d breitete sich als SingleTax-movement rasch i m englischen Sprachraum aus. I n Deutschland v e r b i n den sich m i t der Bodenreformbewegung die Namen u n d Schriften v o n Flürscheim, Hertzka, Oppenheimer, Damaschke; dazu Damaschke, Die Bodenreform, 18. Aufl., S. 354; zu allem Dreier, Raumordnung als Bodeneigentumsu n d Bodennutzungsreform, S. 44—53; Schmidt-Aßmann, S. 39 ff. 21 Damkowski, Die Planung unserer Städte, D Ö V 1972, 82 ff. (86); Conradi ! Dieterich / Häuf, S. 20; E.-W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, i n : Duden / K ü l z / R a m m / Scharnberg / Zeidler (Hrsg.), Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S. 226 f. 22 Friedrich Klein, Eigentumsbindung, Enteignung, Sozialisierung u n d Gemeinwirtschaft i m Sinne des Bonner Grundgesetzes, S. 14 ff.; H.P.Ipsen, S. 105 ff.; H. J. K. Ridder, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10 (1952), 134; Conradi / Dieterich / Häuf, S. 126 ff.
Einleitung rie bestimmen. Vergegenwärtigt man sich daneben der zahlreichen hoheitlichen Eingriffe i n das Eigentum schon während des vergangenen Jahrhunderts zu Zwecken des Eisenbahn- 24 und Kanalbaues 25 sowie für militärische Vorhaben 26 , so erkennt man, daß neben dem sozialen Druck ein starker Enteignungsdruck auf dem Eigentum lastet, der die Feststellung rechtfertigt, das Bodenrecht befinde sich i n einem Zustand minderen Rechtes27. Beide Belastungen sind bis heute nicht mehr von i h m gewichen, i m Gegenteil, sie haben sich verstärkt. Dieser Befund gilt vornehmlich für das Bodenrecht, wo er sich gegenständlich auf das Bauland und das Bauerwartungsland konzentriert. Hier liegt der neuralgische Punkt i m heutigen Bodenrecht 28 , denn eine Vielzahl von Gründen, von denen hier nur auf die industrielle Entwicklung, Verstädterung, Landflucht, kriegsbedingt unerledigte Wohnungsprobleme, Altstadtsanierung und nicht zuletzt Bodenspekulation 29 beispielhaft genannt werden sollen, haben den städtischen Bodenmarkt i n so hohem Maße verknappt, daß der Gesetzgeber eingreifen mußte, u m eine geordnete Stadtentwicklung 3 0 sicherzustellen. Neben der modernen Planung wurde zur Erreichung dieses Zwecks auch verstärkt auf die Enteignung zurückgegriffen, die außer verfahrensmäßigen Vereinfachungen auch strukturelle Veränderungen 31 erfuhr. Diese waren ersichtlich von der gesetzgeberischen Absicht bestimmt, die ursprüngliche Funktion der Enteignung als eines 23 Schmidt-Aßmann, S. 38 ff., 297 ff.; Conradi / Dieterich / Häuf, S. 120 ff., 126 ff.; Erich Küchenhof f, Neue Entwicklungsmöglichkeiten i m sozialen B o denrecht, i n : D u d e n / K ü l z u.a. (Hrsg.), Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S. 245 ff. (248 f.). 24 Kr eft, Aufopferung u n d Enteignung, S. 10; Schmidt-Aßmann, S. 46. 25 Georg Meyer, S. 146—151. 26 Schmidt-Aßmann, S. 46; Kr eft, S. 10. 27 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 330; ders., Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, Festgabe f ü r Maunz, S. 89. 28 Pohl, Die Bodenfrage u n d der Städtebau, i n : Die neue Ordnung, 1971, S. 81; Leibholz, M e h r Freiheit durch den Sozialstaat, i n : Die Zeit, Nr. 21 v. 21. 5.1971, S. 56 = Knirsch (Hrsg.), Bodenrecht, S. 86 ff. 29 Weitere Hinweise darauf bei Tiedemann, S. 188 ff.; Conradi ! Dieterich ! Häuf, S. 41 ff.; Ernst, i n : ders. / Bonczek, Z u r Reform des städtischen Bodenrechts, S. 70 ff.; ders., Grundeigentum i n Städtebau u n d Gesellschaftsordnung, Festgabe f ü r M ü l l e r - A r m a c k , S. 605 ff. (611 f.); Herbert K. R. Müller, Bodeneigentum — Bodenrechtsreform, Das Bodeneigentum i n der modernen Rechtsprechung, i n : Knirsch (Hrsg.), S. 99 ff. (103 f., 105 ff., 109). 30 Damkowski, S. 82 ff. 31 Die Enteignung entwickelte sich zu einem Instrument der Eigentums- u n d Vermögenspolitik; dazu Herzog, A r t . Eigentumspolitik u n d Eigentumsverteilung, Ev. Staatslexikon, 1. Aufl. 1966, Sp. 390—398; Schmidt-Aßmann, S. 47, 217.
2 Frey
18
Einleitung
G ü t e r b e s c h a f f u n g s v o r g a n g e s 3 2 z u v e r b i n d e n m i t d e m A n l i e g e n , auch d e m sozialen D r u c k a u f das B o d e n e i g e n t u m m i t d e m E n t e i g n u n g s i n s t i t u t R e c h n u n g z u t r a g e n 3 3 . B e i dieser d o p p e l t e n Z i e l s e t z u n g e n t w i c k e l t e sich das, w a s als t r a n s i t o r i s c h e 3 4 oder D u r c h g a n g s e n t e i g n u n g 3 5 bezeichnet w i r d . W a s d a r u n t e r z u v e r s t e h e n ist, w i e d i e t r a n s i t o r i s c h e E n t e i g n u n g verfassungsrechtlich e i n z u o r d n e n i s t u n d w i e i h r e w e s e n t l i c h e n gesetzl i c h e n E r s c h e i n u n g s f o r m e n i m g e l t e n d e n Recht verfassungsrechtlich z u b e u r t e i l e n sind, s o l l n a c h f o l g e n d u n t e r s u c h t w e r d e n .
32 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 338; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 349; ders., Z u r Problematik von E n t eignung u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, N J W 1950, 401 ff. (402); Schmid t-Aßmann, S. 46; H. P. Ipsen, S. 86. 33 Besonders deutlich w i r d dies f ü r die i n den Ausschußberatungen zum Städtebauförderungsgesetz gefundene Begründung zur i n diesem Zusammenhang zentralen Vorschrift des § 1 Abs. 5 StBFG; dazu führte der Abgeordnete Erpenbeck (CDU), Bundestagsprotokoll, S. 7747 C, D, aus: W i r sind verständlicherweise v o l l befriedigt über die bei § 25 gefundene Lösung. Es ist erreicht, w o r u m es uns i m m e r ging, bei Sanierungsmaßnahmen nicht n u r zu re-, sondern auch zu privatisieren, d. h. breiten Kreisen der Bevölkerung auch i n Kerngebieten unserer Städte neuen Zugang zu Eigentum an Haus u n d Boden zu ermöglichen . . . ; vgl. weiter Erpenbeck, M e h r Demokratie i m Städtebau, i n : Knirsch (Hrsg.), Bodenrecht, S. 54 f.; w e i t e r h i n E r k l ä r u n g des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU Dr. Barzel v. 16.6.1971, i n : Knirsch, Bodenrecht, S. 55 Nr. f.; dazu auch die Materialien zum Städtebauförderungsgesetz, i n : Kohlhammer Kommentar zum StBFG, 1972. 34 Der Begriff stammt von Ernst Forsthoff u n d w u r d e v o n diesem i m A n schluß an die Kommentierung von Walter Erman zu A r t . 155 WRV, i n : N i p perdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Deutschen, Bd. 3, S. 285 entwickelt. Vgl. dazu Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, i n : Festgabe f ü r Maunz, S. 99; neuerdings dazu ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 335 f. 35 So Schmidt-Aßmann, S. 217 f.; Frohberg, Uber die Verfassungsmäßigkeit der Enteignung i m E n t w u r f eines BBauG, D W W 1959, 220 ff. (222 f.); Schütz/ Frohberg, Kommentar zum Bundesbaugesetz, 3. Aufl. § 89, A n m . I.
Erster Teil
Die transitorische Enteignung, ein neuer Typus des Enteignungsrechts I . D i e wesentlichen gesetzlichen Erscheinungsformen der transitorischen Enteignung
Bei dem Versuch, Form und Inhalt der transitorischen Enteignung zu bestimmen, gilt es zunächst sich zu vergegenwärtigen, daß Begriffe nicht a priori vorgefunden, sondern realen Erscheinungen zu deren Kenntlichmachung und seinsmäßigen Fixierung nachträglich zugeordnet werden 1 . Diese allgemeine Feststellung gilt auch für die juristischen Begriffe 2 , die dem Bereich des Rechtes durch ihren Inhalt, dem Bereich der Sprache durch ihren Ausdruck verhaftet sind. Sei es nun, daß sie vom Gesetzgeber selbst i m Wege der Legaldefinition geschaffen werden, sei es, daß sie durch rechtsanwendende Institutionen oder wissenschaftliche Bemühungen hervorgebracht werden, die Berührung mit dem Normativen ist immer gegeben. Somit liegt es nahe, von einer Betrachtung der i n Frage kommenden Rechtsnormen auszugehen und von daher ersten Aufschluß über den transitorischen Enteignungsbegriff zu suchen. Bei dieser ersten Analyse w i r d sich dann auch herausstellen, ob der von Ernst Forsthoff geprägte 3 und hier übernommene Begriff der transitorischen Enteignung das Wesen dieses neuen Rechtsinstituts treffend bezeichnet. Bei den zu untersuchenden Rechtsnormen handelt es sich ausschließlich u m Vorschriften des positiven Rechts. Das kann nicht verwundern, denn die Enteignung also solche ist eine Hervorbringung des positiven Rechts der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 4 . Hinzu kommt, daß mit der 1
Heinrich Richert, Die Lehre von der Definition, 3. Aufl., S. 50. Hätz, Rechtssprache u n d juristischer Begriff, res publica, Bd. 10, S. 66; Forsthoff, Recht u n d Sprache, S. 5; Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten, S. 56 ff. 3 Vgl. Einleitung, Fußnote 34. 4 Kr eft, Aufopferung u n d Enteignung, S. 8; Forsthoff, Lehrbuch des V e r waltungsrechts, 10. Aufl., S. 329; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, i n : Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 378 f.; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 6, 7. 2
2*
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
Enteignung der Staat zu seinen Zwecken kommen 5 , gleichzeitig auch einen Gerechtigkeitswert verfolgen 6 und auf diese Weise einen schwierigen Ausgleich anstreben soll, der an einer Nahtstelle zwischen den Interessen der Allgemeinheit und denen des einzelnen nur befriedigend m i t den M i t t e l n des positiven Hechts herbeigeführt werden kann. 1. Das Reichssiedlungsgesetz
Erste Erscheinungsformen des neuen enteignungsrechtlichen Typus i m positiven Recht finden sich i m Reichssiedlungsgesetz vom 11. August 19197. Dieses Gesetz, das noch von der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung beschlossen worden war, gilt nach verschiedenen Änderungen 8 bis i n die Gegenwart, und obgleich von i h m nicht der erhoffte große siedlungspolitische Impuls ausgegangen ist 9 , kommt i h m für die Besiedlung des ländlichen Raumes auch heute noch Bedeutung zu. Sein Inhalt ist erkennbar geprägt vom Gedankengut der bodenreformatorischen Bewegung 10 , die über einen Zeitraum von 30 Jahren durch das Wirken Adolf Damaschkes, des Vorsitzenden des Bundes deutscher Bodenreformer, und durch Veröffentlichungen i n ihrer Zeitschrift „Die Bodenreform" dem Entstehen dieses Gesetzes vorausgearbeitet und die politischen Bedingungen für sein Zustandekommen geschaffen hat. A u f die Stärke des politischen Einflusses dieser Bewegung deutet nicht zuletzt die Tatsache hin, daß die verfassunggebende Nationalversammlung sich diesem Anliegen widmete 1 1 und damit nicht bis zur Konstituierung des ersten Reichstages gewartet wurde. Die bodenrechtlichen Zielvorstellungen dieser Bewegung lassen sich am 5 Diese generelle Formel zur Kennzeichnung staatlicher Verwaltungstätigkeit — vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 3 f. — gilt i n besonderem Maße bei dem rein zweckbestimmten I n s t i t u t der Enteignung. Z u r Zweckbestimmtheit gesellschaftlich-staatlichen Handelns vgl. ν . Jhering, Der Zweck i m Recht, Bd. 1, 4. Aufl., S. 226 ff., 249 ff. β E.-W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, i n : Duden u . a . (Hrsg.), Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S.215ff.; Zeidler, Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, daselbst, S. 11 ff. (28). Vgl. auch BadStGH, VerwRspr. 2, 1950, Nr. 96. 7 RGBl. I, S. 1429. 8 Abgeändert u n d ergänzt durch Gesetz v. 7. J u n i 1923, RGBl. I, S. 364, i. d. F. d. G. v. 18. August 1923, RGBl. I, S. 805, G. v. 8. J u l i 1926, RGBl. I, S. 398, § 40, § 66 des Bundesvertriebenengesetzes v. 19. M a i 1953, BGBl. I, S. 201, Grundstücksverkehrsgesetz v. 28. J u l i 1961, BGBl. I, S. 1091 u n d A r t . 5 Steueränderungsgesetz v. 23.12.1966, BGBl. I, S. 702; vgl. auch Ehrenforth, Wohnu n d Siedlungsrecht, 2. Aufl., Nr. 400. 9 Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 47. 10 Schmidt-Aßmann, S. 47; Hedemann f Die Fortschritte des Zivilrechts i m 19. Jahrhundert, 2. Teil, 1. Hälfte, S. 358 ff.; Erman, Bodenrecht, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten, Bd. 3, S. 295 ff. 11 Heilfron (Hrsg.), Die deutsche Nationalversammlung 1919/20, 3. Bd., S. 496 bis 527.
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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prägnantesten m i t der Formulierung Damaschkes 12 wiedergeben: „Der Bund deutscher Bodenreformer t r i t t dafür ein, daß der Boden, diese Grundlage allen nationalen Daseins, unter ein Hecht gestellt werde, das seinen Gebrauch als Werk und Wohnstätte fördert, das jeden Mißbrauch mit i h m ausschließt und das die Wertsteigerung, die er ohne Zutun des einzelnen erhält, dem Volksganzen nutzbar macht." Dieser Zielsetzung ist auch die Enteignung untergeordnet, die i m Reichssiedlungsgesetz an drei Stellen vorkommt. Nach § 3 Abs. 1 RSG 13 ist das gemeinnützige Siedlungsunternehmen m i t dem Enteignungsrecht ausgestattet. Zur Erfüllung der dem Siedlungsunternehmen nach § 1 Abs. 1 RSG obliegenden Pflichten, der Schaffung neuer Ansiedlungen sowie zur Hebung bestehender K l e i n betriebe, kann es unbewirtschaftetes Land, Moorland oder Ödland i n Anspruch nehmen. Der Landlieferungsverband, eine gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 RSG speziell zur Landbeschaffung (§13 Abs. 1 RSG) zu schaffende Institution, hat nach § 15 Abs. 1 S. 1 RSG 14 das Recht, von den großen Gütern 1 5 geeignetes Siedlungsland zu enteignen, das dann gemäß § 18 Abs. 1 RSG von den gemeinnützigen Siedlungsunternehmen zur Ausgabe an Siedlungswillige übernommen werden muß. Bei den insoweit dem Enteignungszugriff ausgesetzten Objekten handelt es sich nicht mehr u m unbewirtschaftete Flächen, sondern u m Ackerland. Einen besonderen bodenreformerischen Aspekt dieses Enteignungsverfahrens bietet zusätzlich §16 RSG, der die bevorzugte Heranziehung solcher Güter für die Landlieferung vorsieht, über die von Gesetzes wegen ein soziales Unwerturteil gefällt wird 1 6 . 12
Damaschke, Die Bodenreform, 18. Aufl., S. 354. „Das gemeinnützige Siedlungsunternehmen ist berechtigt, unbewirtschaftetes oder i m Wege der dauernden B r e n n k u l t u r oder zur Torfnutzung verwendetes Moorland oder anderes Ödland für Besiedlungszwecke i m Enteignungswege i n Anspruch zu nehmen." 14 „ W o ein dringendes, auf andere Weise, insbesondere nach den Vorschriften der §§ 2, 3, 4, 13, 14 nicht zweckmäßig zu befriedigendes Bedürfnis nach besiedlungsfähigem Lande besteht, hat der Landlieferungsverband das Recht, geeignetes Siedlungsland aus dem Besitzstand der großen Güter gegen angemessene Entschädigung i m Wege der Enteignung i n Anspruch zu nehmen." 15 Dies sind nach § 12 Abs. 1 S. 1 RSG Güter m i t einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 100 H e k t a r u n d mehr. 16 W e i l sie „ w ä h r e n d des Krieges von Personen erworben sind, welche die Landwirtschaft nicht i m Hauptberufe betreiben oder betrieben haben", oder w e i l sie „ i m Laufe der letzten 20 Jahre durch entgeltliches Rechtsgeschäft mehrfach den Besitzer gewechselt haben", oder „die besonders schlecht bewirtschaftet werden", oder „deren Besitzer sich während des größten Teils des Jahres nicht auf der Begüterung aufhalten u n d sie nicht selbst b e w i r t schaften" sofern keine berechtigten Gründe hierfür vorliegen, oder w e i l sie „zu Besitzungen von ungewöhnlich großem Umfang gehören". 13
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
Eine dritte Enteignungsmöglichkeit sieht das Gesetz i n § 24 S. 1 RSG vor. Diese Vorschrift, systematisch i m Bereich „Beschaffung von Pachtland für landwirtschaftliche Arbeiter" angesiedelt, bestimmt, daß zugunsten dieses Personenkreises die Gemeinden Land zu Pachtzwecken bereitzustellen haben und sofern sie dazu außerstande sind, sie i m Wege der Enteignung die benötigten Güter vornehmlich von den Arbeitgebern beschaffen können, bei denen die Landarbeiter beschäftigt sind. Worin besteht nun die Besonderheit dieser drei Enteignungsmöglichkeiten? Handelt es sich dabei nicht u m die längst bekannte klassische Grundstücksenteignung 17 m i t Siedlungsunternehmen, Landlieferungsverband und Gemeinde als gemeinnützigem Unternehmen (im Sinne des preuß. Enteignungsgesetzes von 1874) als Enteignungsträger, auf den das Vollrecht übertragen wird? Ist nicht die i n §§ 20 und 21 RSG enthaltene Regelung, den Enteignungszweck durch Normierung eines Wiederverkaufsrechts dauernd zu sichern, eine vertraute gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeit, nachdem die enteignungsrechtliche Dogmat i k des 19. Jahrhunderts die Sicherung des Enteignungszwecks auf Dauer zu einem dem Enteignungsbegriff immanenten Bestandteil erklärt hat 18 ? Erste Zweifel, ob damit bereits das Wesentliche dieser Enteignungsvorgänge getroffen ist, drängen sich aber auf, wenn man § 13 Abs. 2 RSG i n die enteignungsrechtliche Betrachtung einbezieht. Nach dieser Vorschrift ist die Aufgabe eines Landlieferungsverbandes erst dann erfüllt, wenn ein D r i t t e l der durch die landwirtschaftliche Betriebszählung von 1907 festgestellten gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche der großen Güter (mit Einschluß der Staatsdomänen) für Siedlungszwecke bereitgestellt ist, oder die landwirtschaftliche Nutzfläche dieser Güter nicht mehr als 10 vom Hundert der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Ansiedlungsbezirks beträgt. Berücksichtigt man nun, daß dem Landlieferungsverband zur Erfüllung seiner Ver17 Sie hat dem Begriff der „klassischen Enteignung" seine Prägung gegeben, so Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, i n : ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 122 f.; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Bd. 2, S. 20; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, 3. Aufl., A r t . 14, Rdnr. 74; allerdings w i r d heute v o n „klassischer Enteignung" auch gesprochen, w e n n es sich nicht u m die Entziehung von Grundeigentum handelt, w e n n n u r das hierfür typische Verfahren eingehalten ist; vgl. H.P.Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 93 f. (121); Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, i n : Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 370 f., ders., Z u r Problematik von Enteignung u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, N J W 1950, 401 ff.; Dürig, Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, J Z 1954, 4 ff. 18 Lay er, Prinzipien des Enteignungsrechts, S. 213 ff., 372 ff.; Scheicher, A r t . 153, i n : Nipperdey, Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 218 ff.; Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, 1, 1962, 457, 472, 474.
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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pflichtung gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 RSG die Enteignung zu Gebote steht, so w i r d man der neuen Dimensionen gewahr, die das Enteignungsinstitut nun gewinnt. Von einer unerschütterten Ruhelage, i n der die Enteignung das Eigentum belasse10, kann angesichts einer Regelung, i n der massierte Vermögenswerte entzogen und i m großen Umfang neu verteilt werden, nicht mehr gesprochen werden. Das Neuartige dieser Regelung des Reichssiedlungsgesetzes, die gänzlich aus der überkommenen Systematik des Enteignungsrechts herausfällt 20 , soll nun unter dem Gesichtspunkt ihrer verfahrensmäßigen Besonderheiten und der damit verbundenen neuen legislatorischen Intentionen untersucht werden. Was zunächst die verfahrensmäßigen Eigentümlichkeiten der i m Reichssiedlungsgesetz vorkommenden Enteignungen angeht, so erschließen sie sich am besten dadurch, daß die verschiedenen Stationen verfolgt werden, die das zu enteignende Grundstück von der Entziehung bis zur endgültigen Zuordnung beim Enteignungsbegünstigten durchläuft. Es geht also hierbei nicht u m den auch i n der heutigen Enteignungsdiskussion noch lebhaft besprochenen Abbau formaler Sicherungen zwecks Beschleunigung des Enteignungsverfahrens 21 , sondern u m ein von dem bis dahin bekannten Erscheinungsbild der Enteignung abweichendes, i n der Bewegung des Enteignungsobjektes sich darstellendes, neuartiges Verfahren 22 . Sein Charakteristikum besteht darin, daß es sich i n mehreren, i n der Regel i n zwei Abschnitten, vollzieht. Der erste Abschnitt dieses Verfahrens ist gekennzeichnet durch den Entzug der zu enteignenden Sache durch einen Träger hoheitlicher Gewalt, von dem auch der gesetzlich normierte Enteignungszweck (Schaffung und Bereitstellung von Ansiedlerstellen) verwirklicht wird. Bezogen auf die konkrete gesetzliche Regelung bedeutet dies, daß das gemeinnützige Siedlungsunternehmen gemäß § 3 Abs. 1 RSG unbewirtschaftetes Land, ö d - oder Moorland i n Anspruch nimmt und dieses zu Siedlungsland umgestaltet, oder aber, daß die Landgemeinde nach § 24 Abs. 1 RSG auf Grund und Boden zwecks späterer Verpachtung an Landarbeiter i m Enteignungswege zugreift. I n dieses System fügt sich i m Grundsatz 19 Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 370; ders., Z u r Problematik von Enteignung u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, S. 401; ders., Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, Festschrift f ü r Michaelis, 1972, S. 320. 20 Dies ist das Ergebnis der konsequenten A u s f ü l l u n g von A r t . 155 W R V durch das Reichssiedlungsgesetz. Die Enteignung ist hier zu einem I n s t r u ment der Sozialpolitik u n d der Umschichtung des Grundbesitzes geworden; vgl. dazu Schmidt-Aßmann, S. 47. 21 Bielenberg, Empfehlen sich weitere bodenrechtliche Vorschriften i m städtebaulichen Bereich? Gutachten Β zum 49. DJT, Β 81. 22 Erman, A r t . 155, Bodenrecht, S. 304.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
auch die dem Landlieferungsverband nach § 15 Abs. 1 S. 1 RSG verliehene Enteignungsmöglichkeit ein. Zwar ist er nur m i t dem Entzug der erforderlichen Flächen betraut — die Bereitstellung zu Siedlungszwecken gehört bereits wieder zum Aufgabenbereich des Siedlungsunternehmens, das die enteigneten Flächen gemäß § 18 Abs. 1 RSG zu übernehmen hat — doch werden daraus trotz formaler Aufspaltung i n der Sache keine getrennten Vorgänge. Landlief erungs verb and und Siedlungsunternehmen sind nämlich als Hoheitsträger Repräsentanten der staatlichen Siedlungspolitik, die an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientiert, arbeitsteilig auf die Erreichung des Gesetzeszwecks hinarbeiten. Die organisatorische Trennung stellt daher eine verwaltungsinterne Besonderheit dar, die für die Wirkung nach außen, wie das Gesetz selbst i n § 12 Abs. 2 RSG erkennen läßt, ohne Bedeutung ist. Die Wegnahme von Grund und Boden ist i n diesem Zusammenhang somit kein enteignungsrechtlich bedenklicher Entzug u m des Entzugs willen 2 3 , sondern der erforderliche höherrangige Enteignungszweck 24 w i r d durch das gemeinnützige Siedlungsunternehmen verwirklicht, das m i t dem Landlieferungsverband funktionell eine Einheit bildet. Sieht man einmal von der enteignungsrechtlichen Besonderheit des § 15 Abs. 1 i. V. m. § 18 Abs. 1 RSG ab, so ergeben sich i m Vergleich zu den geläufigen Enteignungstypen keine nennenswerten Eigenarten i m ersten Verfahrensabschnitt. Sie sind dem zweiten Verfahrensabschnitt vorbehalten, der dazu bestimmt ist, den endgültigen Enteignungsbegünstigten zu ermitteln. A n ihn, den das Gesetz Ansiedler nennt (§ 20 Abs. 1 RSG), überträgt das gemeinnützige Siedlungsunternehmen das Enteignungsobjekt zum endgültigen, dem Enteignungszweck entsprechenden Verbleib. Dieser Übertragungsvorgang w i r d zwar i m Gesetz an keiner Stelle ausdrücklich angesprochen, doch ergibt er sich sinngemäß bereits aus § 1 Abs. 1 S. 1 RSG, wie auch aus § 20 Abs. 1 RSG, der dem Siedlungsunternehmen das Wiederkaufsrecht für den Fall einräumt, daß der Ansiedler die i h m übertragene Ansiedlerstelle veräußert oder aufgibt. I n dem Prozeß der Transferierung des Enteignungsobjektes auf einen i m Zeitpunkt der Einleitung des Enteignungsverfahrens noch unbekannten Enteignungsbegünstigten liegt das spezifisch Neue, der i m Reichssiedlungsgesetz erstmals entwickelten Enteignungsformen. Dabei ist besonders auffallend, daß, u m i n der Terminologie des Gesetzes zu 23
Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 382; Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung) Rdnr. 272—275; Schach, A r t . Enteignung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 552. 24 E. R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 23 f.; H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, S. 88, 121; Schulte, Eigentum u n d öffentliches Interesse, S. 85 ff. m. w . N.; Kirchheimer, Die Grenzen der Enteignung, S. 47; Scheicher, A r t . 153, Die Rechte u n d Pflichten aus dem Eigentum, S. 218 ff. m. w. N. auf die ältere Literatur.
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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bleiben, der Ansiedler nicht am förmlichen Enteignungsverfahren teilnimmt, sondern das Eigentum, an dem Enteignungsgegenstand aufgrund eines privatrechtlichen Verpflichtungs- und Übertragungsgeschäftes m i t der Enteignungsbehörde erwirbt. Andererseits kann bei objektiver Betrachtung des gesamten Entzugsvorganges nicht bezweifelt werden, daß der Ansiedler der wahre Nutznießer der Enteignung ist. Daß seine Person auch als Enteignungsbegünstigter angesprochen werden kann, ergibt ein Blick auf die gesetzlich verfolgten Zwecke, denn die Bodenreform 25 , von der die Hebung der ländlichen Siedlungsstruktur nur einen Teilaspekt darstellt 2®, kann nur dadurch verwirklicht werden, daß Grund und Boden durch eine breite Streuung 27 neu verteilt wird. Für die Enteignung nach diesem Gesetz folgt daraus, daß ihr Ausgangs- und Bezugspunkt jeweils privates Bodeneigentum ist 2 8 , das nun aber i n der Trägerschaft eines Angehörigen einer anderen sozialen Schicht liegt. Er kann dahingehend qualifiziert werden, daß er bisher von einem Zugang zum Bodeneigentum völlig oder weitgehend ausgeschlossen war. So bewirkt die Person des Enteignungsbegünstigten zwar eine gewisse Verklammerung der förmlichen Enteignung m i t der Weiterübertragung; zum Bestandteil der Enteignung w i r d diese jedoch nicht. Die Begründung für diese ungewöhnliche Konstruktion liegt darin, daß die für das förmliche Enteignungsverfahren bestimmten Zwecke sich nicht sämtlich i n diesem Verfahrensabschnitt realisieren lassen, daß vielmehr für die Erreichung des wohl politisch bedeutenderen Gesetzeszwecks — Verwirklichung der Bodenreform — ein weiterführendes Verfahren, gleichsam ein Enteignungsannex erforderlich wurde. Bei der Erörterung der verfahrensmäßigen Eigentümlichkeiten der Enteignungsformen des Reichssiedlungsgesetzes war beiläufig bereits von den Enteignungszwecken die Rede. Die Zwecke, die für ein Ent25 Z u m Begriff vgl. v. Nell-Breuning, A r t . Bodenreform, Staatslexikon, Bd. 2, S. 98 ff.; ders., Bodenreform, i n : H. Wandersieb (Hrsg.), H a n d w ö r t e r buch des Städtebaues, Wohnungs- u n d Siedlungswesens, Bd. 1, S. 405 ff.; v.Dietze, A r t . Bodenreform, Ev. Staatslexikon, 1. A u f l . Sp. 191—194; υ. Frauendorfer, Bodenreform, HdSW, Bd. 2, S. 336—355; Κ . H. Peters, Die Bodenreform, S. 11 ff. 26 M a n unterscheidet zwischen städtischer Bodenreform u n d ländlicher Bodenreform oder Agrarreform; vgl. zu letzterer Schule, Agrarreform, i n : H. Wandersieb (Hrsg.), Handwörterbuch des Städtebaues, Wohnungs- u n d Siedlungswesens, Bd. 1, S. 20. 27 I n dieser Formulierung k o m m t typisches Gedankengut aus der Spätphase der Bodenreformbewegung zum Ausdruck; zweifelhaft ist, ob dieser Zusammenhang beim heutigen Gebrauch dieser Formulierung auch bei n u r sinngemäßer Verwendung — vgl. § 1 Abs. 6, § 59 Abs. 2 StBFG; Kohlhammer Kommentar zum StBFG, § 25, S. 7, 11 — noch gegenwärtig ist. 28 Erman, A r t . 155, Bodenrecht, S. 285; Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, Festschrift für Maunz, S. 99.
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eignungsverfahren bestimmend sind, d.h. zu deren Erreichung das Zwangsmittel eingesetzt werden darf, sind identisch m i t den allgemeinen, die gesetzliche Normierung insgesamt tragenden und kennzeichnenden Zwecken: der Verwirklichung der Bodenreform durch Hebung der ländlichen Siedlungsstruktur. Sieht man sich diese Zwecke genauer an, so stellt man fest, daß sie sehr unterschiedlich strukturiert sind. Der Eigentumsentzug zur Schaffung neuer Ansiedlerstellen w i r d von einer konkreten und sachbezogenen Motivation beherrscht, wie sie dem Verwaltungshandeln eigen ist und w i r d deshalb hier als Verwaltungszweck 29 charakterisiert. I m Gegensatz dazu stellt das andere gesetzliche Anliegen, die Durchführung der Bodenreform, einen allgemeinen sozialpolitischen Zweck dar, der, wie bereits gezeigt wurde, die herkömmliche Enteignungsform sprengt und hier als Umverteilungszweck 30 bezeichnet werden soll. Das durch die Begriffsgegensätze konkret und allgemein zu qualifizierende Verhältnis der Zwecke zueinander erklärt sich damit, daß der Siedlungszweck nur eine Funktion des Bodenreformgedankens darstellt. Über das institutionelle Gewicht der Enteignungszwecke w i r d damit aber noch nichts ausgesagt. Neben den soeben näher umschriebenen dominierenden gesetzlichen Enteignungszwecken enthält das Gesetz bei der Enteignung nach § 3 Abs. 1 S. 1 RSG auch Anzeichen einer gewissen konfiskatorischen Motivation, denn der Eigentümer, der es sich erlauben kann, Grund und Boden unbewirtschaftet zu lassen, befindet sich an den gesetzgeberischen Intentionen gemessen i n einer an den Unrechtszustand nahe heranreichenden Lage 31 . Einen weiteren interessanten Teilaspekt für die gesetzgeberische Motivation bietet die bereits angesprochene Vorschrift des § 13 Abs. 2 RSG m i t ihrer umfangmäßigen Begrenzung des Enteignungsbegriffes. Hier assoziiert die mögliche Wegnahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche eines großen Gutes Gedanken an die Sozialentwährungen 32 des 19. Jahrhunderts. Daß solche Überlegungen einen aktuellen Wirklichkeitsbezug aufweisen, dürfte die Kennzeichnung des Umverteilungszwecks schon ergeben haben, denn eine Bodenreform ohne massierten 29 Badura, Die Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck der Leistungsverw a l t u n g u n d der soziale Rechtsstaat, D Ö V 1966, 624 ff. 30 Vgl. dazu E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S.48f.; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 348 f.; Helmut K. J. Ridder, E n t eignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 138 ff. 31 H i e r i n liegt aber der entscheidende Gesichtspunkt der Konfiskation; vgl. Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung) Rdnr. 210; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 42; H.P.Ipsen, W D S t R L 10, 1952, 88; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 348. 32 Vgl. dazu Lorenz von Stein, Verwaltungslehre, Bd. 7, S. 293 ff.; Helmut Κ J. Ridder, W D S t R L 10, 1952, 138 ff.
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Eingriff i n die bestehende Verteilungsordnung verdient ihren Namen nicht 33 . So ergibt ein Überblick über die, i n die Enteignungsreform des Reichssiedlungsgesetzes eingegangenen Zweckvorstellungen, die Komplexität und Vielgestaltigkeit der i n der Nationalversammlung gerade i n bezug auf dieses Gesetz bestehenden politischen Interessen. Sein Kompromißcharakter 34 drückt sich besonders i n der Enteignung aus. Der Kompromißcharakter verwischt jedoch nicht die klare Entscheidung für die positiven Ziele der Durchführung der Bodenreform m i t den M i t t e l n der Siedlungspolitik. Die erwähnten Anklänge an Konfiskation und Sozialentwährung stellen lediglich Merkposten für gewünschte radikalere Eingriffe seitens der politischen Linken dar 3 5 . Enteignungsdogmatisch w i r d m i t dem Einsatz des Enteignungsinstituts zur Verwirklichung eines hochpolitischen Zieles (Bodenreform) i m Reichssiedlungsgesetz eine neue Entwicklung eingeleitet, die vornehmlich bei der Enteignung von Grund und Boden zu siedlungs- bzw. städtebaulichen Zwecken festzustellen ist und bis i n die Gegenwart verfolgt werden kann. A l l e i n die vergleichsweise unbedeutende Resonanz, die das Reichssiedlungsgesetz i n der politischen Wirklichkeit hatte 3 8 — auf die komplexen Gründe wurde bereits hingewiesen — erklärt, daß seine Bedeutung für das Enteignungsrecht nicht erkannt wurde. Wenn gleichwohl die Behauptung aufgestellt wird, daß hier ein neuer Typus des Enteignungsrechts entstanden ist, so kann dies selbstverständlich nicht allein m i t der Analyse der Enteignungsformen des Reichssiedlungsgesetzes begründet werden, vielmehr soll die Typizität dieser Rechtsform anhand weiterer Enteignungsvorschriften des Städtebau· und Siedlungsrechts nachzuweisen versucht werden. Dabei soll i n chronologischer Folge vorgegangen und das Interesse auf die dem Reichssiedlungsgesetz zeitlich nächsten Regelungen i m Reichsheimstättengesetz vom 10. Mai 192037 gelenkt werden.
33 Das Programm der Bodenreformer sah f ü r jede deutsche Familie eine Wohnheimstätte (Eigentum m i t Nutzgarten) oder eine Wirtschaftsheimstätte (gärtnerisches oder kleinbäuerliches Anwesen) v o r ; vgl. Eingabe des Bundes deutscher Bodenreformer v o m 27.1.1919 an den Reichspräsidenten bei Κ . H. Peters, Die Bodenreform, S. 51. 34 Schon bei A r t . 155 mußte die Nationalversammlung einen Kompromiß zwischen den Interessen des Bundes deutscher Bodenreformer u n d denen des Schutzverbandes f ü r den deutschen Grundbesitz finden; vgl. Erman, Bodenrecht, S. 296 f. 35 Vgl. die Stellungnahme des Abgeordneten W u r m (USPD), i n : Heilfron (Hrsg.), Die deutsche Nationalversammlung 1919/20, 3. Bd., S. 516 ff. 36 So Κ . H. Peters, Die Bodenreform, S. 52. 37 RGBl. I, S. 962—970.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus 2. Das Reichsheimstättengesetz
Ebenso wie beim Reichssiedlungsgesetz wurde auch beim Reichsheimstättengesetz eine i m Zeitpunkt der Gesetzesberatung schon betagte politische Forderung der Bodenreformer aufgegriffen 38 . Sie gewann besondere Nachdrücklichkeit zusätzlich dadurch, daß die i m Verlauf des ersten Weltkrieges entstandene Kriegerheimstättenbewegung sich dieses Anliegen zu eigen machte 39 und es politisch vertrat. Dem erheblichen Einfluß der beiden Bewegungen ist es zuzuschreiben, daß wie beim Reichssiedlungsgesetz die verfassunggebende Nationalversammlung bereits an die Gesetzesverwirklichung heranging 40 . A u f diese Weise ergibt sich nicht nur ein zeitlich, sondern auch ein sachlich enger Zusammenhang zwischen Siedlungs- und Heimstättengesetz, der, wie noch gezeigt werden wird, i n der Ausprägung des jeweiligen Enteignungsinstituts seinen Niederschlag gefunden hat. Sedes materiae hierfür ist § 28 Abs. 1 RHG, der die einzige materiellrechtliche Vorschrift neben den sonstigen Verfahrens- und organisationsrechtlichen Normierungen dieses Gesetzes darstellt. Danach konnten Grundstücke zur Begründung und Vergrößerung von Heimstätten enteignet werden, wobei das Enteignungsverfahren i n der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 10. 5.1920 sich nach den Voraussetzungen, die für die Enteignung von Siedlungsland und von Bauland für Wohnungen galten, ausrichtete. Die genannten verfahrensmäßigen Voraussetzungen finden sich i n der Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot (BehebungsVO) vom 9.12.1919 41 . M i t der Novelle zum Reichsheimstättengesetz vom 25.11.1937 42 bekam § 28 eine neue Fassung, die die Enteignungszwecke unverändert übernahm, das Enteignungsverfahren teilweise aber dadurch erheblich vereinfachte, als nun für die Enteignung von Grundstücken für Heimstätten m i t Nutzgärten, von Heimstättengärten (29 RHG) und ferner für die Enteignung zugunsten einheitlicher Vorhaben, bei denen die Heimstätten m i t Nutzgärten überwiegen, die Vorschriften der Dritten Notverordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6.10.1931, Vierter Teil, Kap. I I 4 3 Anwendung finden. Bei der Enteignung von Grundstücken für Heimstätten ohne Nutzgärten wurde weiterhin nach den 38 v. Frauendorf er, Bodenreform, HdSW Bd. 2, S. 337; Erman, Bodenrecht, S. 295 ff. (298 ff.). 39 Grünberg, Heimstättenrecht, i n : Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl. Bd. 5, S. 231 f. m. w . N. 40 Vgl. Heilfron (Hrsg.), Die deutsche Nationalversammlung 1919/20, 4. Bd., S. 595, 6. Bd., S. 306. 41 R G B l . , S. 1968. 42 RGBl. I, S. 1291. 43 RGBl. I, 537, 551.
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Vorschriften der Behebungsverordnung verfahren. Obwohl die durch die Novelle von 1937 herbeigeführten Erleichterungen den Enteignungsvollzug wesentlich verkürzten, bleiben die dadurch bewirkten Veränderungen für den hier interessierenden Gegenstand, da von rein rechtstechnischer Natur, ohne Belang, so daß für die nachfolgende Prüfung von der ursprünglichen Fassung des Gesetzes ausgegangen werden kann. I n der Darstellung w i r d i n gleicher Weise wie beim Reichssiedlungsgesetz unterschieden werden zwischen den Enteignungszwecken und dem Enteignungsverfahren. Was zunächst das Verfahren angeht, so w i r d es getragen von den staatlichen Instanzen, denen gemäß § 1 Abs. 1 RHG als Heimstättenausgeber die Durchführung der gesamten gesetzlichen Regelung obliegt. Obwohl das Gesetz alle drei Ebenen staatlicher Machtausübung (Reich, Länder, Kommunen) gleichermaßen für den Gesetzesvollzug zuständig erklärt, geht die nach § 28 RHG für die Einzelregelung anwendbare Behebungsverordnung davon aus, daß die Ausgabe von Heimstätten i n erster Linie Ländersache (§ 1 BehebungsVO) ist 44 . Die Länder können durch die sog. Bezirkswohnungskommissare geeignete Grundstücke enteignen, u m diese dann gemäß § 6 RHG als Wohn- oder W i r t schaftsheimstätten an Interessenten weiterzugeben. Diese Interessenten, vom Gesetz (§11 RHG) als Heimstätter bezeichnet, sind die eigentlichen Enteignungsbegünstigten, obgleich sie, wie der Ansiedler nach dem Reichssiedlungsgesetz, außerhalb des Enteignungsverfahrens stehen 45 . I n der Hand der staatlichen Enteignungsbehörden stellt sich das entzogene Grundeigentum als eine befristete Durchgangsposition dar, womit der Grundstücksenteignung einen transitorischen Charakter gewinnt 4 6 . Dies ist unvermeidbar, da die die Enteignung bestimmenden Zwecke sich nicht innerhalb des für die Zweckverwirklichung vorgesehenen Verfahrens realisieren lassen. I m Falle des Reichsheimstättengesetzes t r i f f t diese Feststellung i n gleicher Weise, wie beim Reichssiedlungsgesetz auf den sog. Umverteilungszweck zu, der seine Verwirklichung erst durch die Transferierung des Enteignungsgegenstandes vom Enteignungsträger an einen privaten Ansiedler erfahren kann. Damit sind bereits die das Verfahren beherrschenden Zwecke angesprochen, auf die nun näher eingegangen werden soll. Was zunächst den Umverteilungszweck anbelangt, so w i r d er i n § 28 RHG als Enteignungszweck nicht angesprochen. Das bedeutet aber nicht, 44 Das ergibt sich aus dem rahmenrechtlichen Charakter (vgl. A r t . 10 WRV) des Heimstättengesetzes; zu den Ausführungsgesetzen der Länder vgl. Ponfick, Heimstättenwesen, i n : Stier-Somlo (Hrsg.), HWR, Bd. 3, S. 160. 45 Dies ist für die transitorische Enteignung typisch; vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 335 f.; Schmidt-Aßmann, S. 218. 46 Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 99.
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I.Teil: Der neue Enteignungstypus
daß ein derartiger Enteignungszweck nicht existiert. Er läßt sich einmal aus dem Gesamtgefüge der gesetzlichen Regelung, zum anderen aus dem historischen Kontext des Gesetzes47 nachweisen. Das Gesetz selbst spricht den Umverteilungszweck i n §§ 1 Abs. 1 und 6 RHG an, i n dem es i n bezug auf die Heimstätte die Begriffe „ausgeben" bzw. „übertragen" gebraucht. Damit ist jedoch noch nicht belegt, daß diese allgemeinen gesetzlichen Zielprojektionen auch spezielle Enteignungszwecke sind. Selbst wenn man i n Betracht zieht, daß die spätere Verwendung eines i m Enteignungswege beschafften Grundstücks i m Zeitpunkt des Zugriffes bereits gesetzlich festliegt („Ausgabe" bzw. „Übertragung" des Grundstücks), ist das nicht mehr als ein Indiz für die Enteignungsrelevanz dieser Verwendungszwecke. Ihre Kennzeichnung als Enteignungsreflexe, die daneben als möglich bestehen bleibt, kann nur unter Zuhilfenahme der historischen Interpretation ausgeschlossen werden. Der enge entstehungsgeschichtliche Zusammenhang m i t dem Reichssiedlungsgesetz48, sowie die geistigen Wurzeln des Reichsheimstättengesetzes i n der Bodenreform« und Kriegerheimstättenbewegung 49 weisen den Umverteilungszweck als das zentrale gesetzgeberische Anliegen aus. Seiner V e r w i r k lichung, d. h. i n diesem Zusammenhang der Bereitstellung von Grund und Boden zur dauerhaften Seßhaftmachung und Befriedung sozial schwacher, vor allem der durch Kriegseinwirkung entwurzelten Bevölkerungskreise, hatte das gesamte rechtliche Instrumentarium des Gesetzes, m i t h i n auch die Enteignung zu dienen. Das unvermeidbare sozialpolitische Engagement des Staates w i r d auf diese Weise zum Enteignungszweck. I h m zur Seite stehen andere i m Gesetz selbst normierte Enteignungszwecke: Die Begründung und Vergrößerung von Heimstätten. § 28 Abs. 1 RHG spricht diese Vorhaben expressis verbis als Enteignungszwecke an und schafft auf diese Weise einen Aufgabenbereich, der Gegenstand des verwaltungsmäßigen Normenvollzuges sein kann. Die Verwirklichung der i n § 28 RHG bezeichneten Zwecke, sie werden hier als Verwaltungszwecke charakterisiert, stellt enteignungsdogmatisch nichts anderes als das konkrete Unternehmen 50 bzw. Vorhaben dar, das die aus dem 19. Jahrhundert überkommene Theorie als dem 47 Vgl. Ponfick, A r t . Heimstättenwesen, S. 159; Grünberg, Heimstättenrecht, S. 231 f. 48 Das am 16.2.1920 als E n t w u r f der Reichsministerien f ü r A r b e i t u n d Justiz eingebrachte Gesetz w u r d e am 29.4.1920 verabschiedet; dazu Grünberg, Heimstättenrecht, S. 232; i h m w a r das Reichssiedlungsgesetz v o m 11. August 1919 n u r kurze Zeit vorausgegangen. 49 Grünberg, Heimstättenrecht, S. 231; Ponfick, A r t . Heimstättenwesen, S. 159; Schenke, Heimstätten, i n : Handwörterbuch des Städtebaues, Wohnungs· u n d Siedlungswesens, Bd. 2, S. 827. 50 Vgl. § 1 des preußischen Gesetzes über die Enteignung von Grundeigent u m v o m 11. J u n i 1874 (GS. S. 221 ff.).
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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Enteignungsinstitut wesensgemäß erachtete 51 . Die enteignungstheoretische Typizität der Verwaltungszwecke bestimmt jedoch nicht i n erster Linie die Struktur des Enteignungsinstituts i m Reichsheimstättengesetz. Diese w i r d vielmehr vom Umverteilungszweck geprägt, dessen Verhältnis zu den Verwaltungszwecken nun dargestellt werden soll. M i t der Feststellung der Heterogenität der beiden Zweckrichtungen, die durch Begriffsgegensätze wie konkret, allgemein, rechtstechnisch, sozialpolitisch gekennzeichnet wurden, kann es freilich nicht sein Bewenden haben, sondern es kommt auf die Kohärenz der Zwecke an. Hier herrscht ein funktioneller Zusammenhang vor, der sich i n bezug auf die Zwecke zueinander dahingehend umschreiben läßt, daß die Verwaltungszwecke konkrete Ausformungen des vorgeordneten politischen Zwecks der Bodenreform sind, der auf diese Weise i n die W i r k lichkeit umgesetzt wird. Ein weiterer Funktionszusammenhang besteht zwischen den Zwecken und dem Enteignungsinstitut, das deren Verwirklichung dient, so daß man die Beziehung und das Verhältnis der Zwecke zueinander m i t dem Begriff der doppelten Funktionalität präzisieren kann. Die Parallele zum Reichssiedlungsgesetz drängt sich auch hier auf; ein Vergleich der jeweiligen Enteignungstypen i m Hinblick auf deren juristische Konstruktion ergibt folglich Deckungsgleichheit. Keine Parallelität ist aber i n bezug auf die praktische Bedeutung der beiden Gesetze zu verzeichnen. Während dem Reichssiedlungsgesetz die nachhaltige Wirkung weitgehend versagt blieb 5 2 , sind seit dem Inkrafttreten des Reichsheimstättengesetzes nach Schätzungen etwa 360 000 Heimstätten errichtet worden 53 . Diese Zahl ist zwar angesichts der langen Geltungsdauer des Gesetzes nicht überwältigend, doch ist dabei zu berücksichtigen, daß i n der Zeit nach dem 2. Weltkrieg der Heimstättengedanke durch andere Formen der Wohnungs- und Siedlungspolitik abgelöst wurde 5 4 , so daß die Hauptwirkungszeit dieses 51 Kirchheimer, S. 45 f.; Martin Wolff, Reichsverfassung u n d Eigentum, Festgabe f ü r W i l h e l m K a h l , S. 14; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 381; Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 270. 52 Dazu Poser, Siedlungspolitik, Staatslexikon, 6. Aufl. Bd. 7, Sp. 69—73; vgl. auch Seraphim, Siedlung I, HwS, Bd. 9, S. 241 f.; Seraphim / Heuer, Siedl u n g I I , HwS, 6. A u f l . Bd. 9, S. 249; Ehrenforth, Siedlungsgesetzgebung, l ä n d liche, Handwörterbuch des Städtebaues, Wohnungs- u n d Siedlungswesens, Bd. 3, S. 1339. 53 Vgl. Schenke, Heimstätten, S. 829. 54 Neue Tendenzen i n der Siedlungspolitik leitete das erste Wohnungsbaugesetz v o m 24.4.1950 (BGBl., S. 83) m i t der steuerlichen Begünstigung des privaten Wohnungsbaues u n d der Gewährung von Wohnungsbaumitteln f ü r den gleichen Zweck ein; vgl. dazu Langrock, Siedlung u n d städtische Siedlungspolitik, Handwörterbuch des Städtebaues, Wohnungs- u n d Siedlungswesens, Bd. 3, S. 13261; Hartwich, Sozialstaatspostulat u n d gesellschaftlicher status quo, S. 195 ff.
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Gesetzes zwischen den beiden Kriegen liegt. I n dieser Zeit bestimmte das Reichsheimstättengesetz i n Verbindung m i t einschlägigen Normierungen des Kleinsiedlungsrechts 55 und des Steuerrechts 56 die Lage auf dem Boden-, Bau- und Wohnungsmarkt. Von der Enteignungsmöglichkeit des § 28 RHG mußte allerdings beim Gesetzesvollzug kaum Gebrauch gemacht werden, da i m ländlichen und vorstädtischen Bereich, i n dem die gesetzliche Regelung sich vornehmlich auswirkte, die Bodenknappheit nicht mit der Intensität zu Tage trat wie i m innerstädtischen Bereich. Das Schattendasein, welches das Enteignungsinstitut fristete, war natürlich nicht geeignet, auf seine Besonderheiten aufmerksam zu machen und die gerichtliche und wissenschaftliche Auseinandersetzung damit anzuregen, doch lag sowohl damit, wie auch m i t der gesetzlichen Regelung i m ganzen ein Instrumentarium ausgeformt vor, das nicht nur für eine Zeitspanne von 20 Jahren hinreichte, die drängenden bodenund siedlungspolitischen Probleme zu bewältigen, sondern auch i n der Folgezeit nach dem 2. Weltkrieg für neue Gesetzes vorhaben eingesetzt werden konnte. 3. Bodenreformgesetzgebung der Länder
Erster, wenn auch den Normgebern wohl kaum bewußt gewordener Anwendungsfall dieses Instrumentariums, waren die unmittelbar nach dem Zusammenbruch des deutschen Reiches i n den Westlichen Besatzungszonen erlassenen Bodenreformgesetze. Diesen Gesetzen, deren Ergehen und beschleunigte Durchführung auf der Moskauer Viermächtekonferenz vom 10. 3. bis 24. 4.1947 57 verabredet worden war — Amerikaner 5 8 und Russen waren bereits i n dieser Hinsicht aktiv geworden —, lag die politische Überzeugung zugrunde, daß der Großgrundbesitz mitverantwortlich zu machen sei für die Entfaltung des Nationalsozialismus 59 und damit für den 2. Weltkrieg. Diese Gesetze stellen deshalb einen Teil der Maßnahmen dar, die den Siegermächten erforderlich erschienen, u m ein für alle M a l eine Wiederholung der Erfahrungen der Vergangenheit auszuschließen. A n dieser Stelle soll aber nur von den Maßnahmen der drei Westalliierten die Rede sein, w e i l i m 55 Vgl. Verordnung über die Förderung der Kleinsiedlung v. 19. 2.1935, RGB1.1, S. 341. 56 Vgl. § 29 Grundsteuergesetz v. 1.12.1936, RGBl. I, S. 986. 57 Vgl. Hartwich, S. 381, Fußnote 352. 58 Hartwich, S. 90. 59 v.Dietze, Bodenreform, Ev. Staatslexikon, 1. Aufl., Sp. 193 f.; Werner Weber, Die Entschädigung i n der westdeutschen Bodenreform, D Ö V 1953, 354; Krämer, Die Sozialisierung i n der sowjetischen Besatzungszone als Rechtsproblem, S. 12 ff.; Ehrenforth, Siedlungsgesetzgebung, ländliche, S. 1339; Haefs, Siedlung u n d Siedlungspolitik, ländliche, Handwörterbuch des Städtebaus, Wohnungs- u n d Siedlungswesens, Bd. 3, S. 1319 f.
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sowjetischen Besatzungsbereich der Begriff der Bodenreform zu eindeutig konfiskatorischem Handeln mißbraucht wurde 6 0 . Die i n den drei westlichen Besatzungszonen eingeleitete Bodenreform hatte aber m i t der ersten i n der Zeit nach dem 1. Weltkrieg sich vollziehenden Bodenreform nicht viel mehr als den Namen gemein, denn die Zweckrichtungen waren, wie noch gezeigt werden wird, grundlegend andere. Zunächst ist aber festzuhalten, daß i n kurzer zeitlicher Folge zuerst i n der britischen 61 , dann i n der französischen 62 Besatzungszone entsprechende Normierungen erlassen wurden. Dies geschah i n der Weise, daß i m britischen 63 und französischen Bereich 64 die Militärregierungen i m Verordnungswege tätig wurden, während i n der amerikanischen Besatzungszone, also i n den Ländern Bayern, Hessen und Württemberg-Baden 6 5 das zoneneinheitliche Länderratsgesetz zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform bereits ergangen war 6 6 . Zwar geben diese Normierungen nur einen äußeren Rahmen, den die bis dahin zugelassene deutsche Exekutive m i t eigenen Bestimmungen auszufüllen hatte 67 , doch kann, ohne daß es auf diese Ausführungsvorschriften ankommt, die Verwendung der hier interessierenden Enteignungsform allein anhand des Besatzungsrechts nachgewiesen werden. Dazu soll nun auf die einschlägigen Vorschriften eingegangen werden. Eine Enteignungsregelung enthält das Gesetz der amerikanischen Zone zur Beschaffung von 60 v.Dietze, Bodenreform, Sp. 193; Werner Weber, Z u r Problematik von Enteignung u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, S. 402. 61 Britische MilitärregierungsVerordnung Nr. 103 zur Bodenreform i n der britischen Zone, i n der Fassung der Verordnung Nr. 189 betr. Änderung der V O Nr. 103 v. 4. 9.1947 — A m t s b l a t t der britischen Militärregierung, S. 595 u n d S. 1097. 62 Militärregierungsverordnung Nr. 116 über die Bodenreform i n der französischen Zone v. 18.10.1947 — Journal Officiel 1947 ν. 18.10.1947, S. 1163. 63 Die britische Besatzungszone setzte sich zusammen aus den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen u n d Niedersachsen; vgl. Herzog, A r t . Besatzungsregime, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 194 m. w . N. 64 Die französische Besatzungszone umfaßte die Länder Südbaden, W ü r t temberg-Hohenzollern, Rheinland-Pfalz; vgl. Herzog, A r t . Besatzungsregime, Sp. 194. 65 Das gleichfalls zur amerikanischen Besatzungszone gehörende L a n d Bremen hat das Gesetz zur Beschaffung von Siedlungsland u n d zur Bodenreform nicht eingeführt. ββ I n Bayern durch Gesetz Nr. 48 v o m 18. 9.1946, verkündet am 25.11.1946 (GVB1., S. 326); i n Hessen durch Gesetz v o m 15.10.1946, verkündet am 30.11. 1946 (GVB1., S. 218); i n Württemberg-Baden durch Gesetz Nr. 65 v o m 30.10. 1946, verkündet am 26.11.1946 (RegBl., S. 263). 67 Da i n den Ländern Niedersachsen u n d H a m b u r g keine entsprechenden Rechtsvorschriften erlassen wurden, w u r d e dies durch die britische M i l i t ä r regierung selbst veranlaßt; vgl. B r i t . Militärregierungsverordnung Nr. 188 betr. Bodenreform i m Lande Niedersachsen u n d i n der Hansestadt H a m b u r g (Amtsblatt, S. 212 ff.).
3 Frey
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
S i e d l u n g s l a n d u n d z u r B o d e n r e f o r m i n A r t . 8 N r . 3 8 8 , desgleichen die b r i t i s c h e M i l i t ä r r e g i e r u n g s v e r o r d n u n g N r . 103 i n A r t . I I N r . 4 6 9 u n d A r t . I I I 7 0 u n d d i e französische M i l i t ä r r e g i e r u n g s V e r o r d n u n g N r . 116 i n A r t . 5 7 1 . D e r l a p i d a r e W o r t l a u t d e r j e w e i l i g e n V o r s c h r i f t l ä ß t eine t y p e n m ä ß i g e F i x i e r u n g d e r E n t e i g n u n g noch n i c h t zu, so daß z u s ä t z l i c h d i e Bestimmungen über die Weiterverwendung der Enteignungsgegenstände u n d d i e E n t e i g n u n g s b e s t i m m u n g e n h e r a n z u z i e h e n sind. D a z u sind f ü r die amerikanische Zone i n A r t . I 7 2 u n d I I 7 3 , f ü r die britische i n d e n B u c h s t a b e n a 7 4 u n d b 7 5 v o r A r t . 1 u n d f ü r d i e französische B e satzungszone i n A r t . I 7 8 u n d A r t . 6 7 7 R e g e l u n g e n ergangen. 68 „Erfolgt die Übereignung nicht f r e i w i l l i g zu den v o m gemeinnützigen Siedlungsunternehmen vorgeschlagenen Bedingungen, so ordnet die zuständige Siedlungsbehörde auf A n t r a g des Siedlungsunternehmens die Zwangsenteignung an." 69 „Die gesetzgebenden Körperschaften der Länder können Gesetze erlassen zum Zweck der Enteignung a) von Grundflächen, auf denen sich landwirtschaftliche Gebäude u n d Hofräume befinden, die f ü r die sachgemäße Bewirtschaftung, Besiedlung u n d V e r w a l t u n g des enteigneten G r u n d u n d Bodens notwendig sind, b) eines verhältnismäßigen Teils des Zubehörs, c) von Nebenbetrieben eines landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebes oder von m i t diesem Betrieb verbundenen Beteiligungsrechten, soweit solche Nebenbetriebe u n d Rechte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des nicht enteigneten G r u n d u n d Bodens überschreiten oder soweit solche E n t eignung f ü r Siedlungszwecke erforderlich ist." 70 Das Eigentum an enteignetem Vermögen geht auf das L a n d über. 71 „Die Regierungen der Länder haben insbesondere zu bestimmen, ob sich die i n Durchführung der Reform ausgesprochenen Enteignungen auf alle Flächen, die die festgesetzten Höchstgrenzen überschreiten, beziehen sollen, oder auf einen entsprechend der Ausdehnung der i n Betracht kommenden landwirtschaftlichen Güter prozessiven Hundertsatz." 72 „Zweck dieses Gesetzes ist die Bereitstellung von Land, u m : 1. heimatlos gewordenen oder durch den K r i e g entwurzelten Menschen Kleinsiedlung u n d gartenmäßige Nutzung auf dem L a n d zu ermöglichen, 2. auf dem Lande wohnenden Arbeitern u n d Handwerkern, die durch die veränderten Verhältnisse keine ausreichende Existenz mehr haben, eine neue oder zusätzliche Erwerbsmöglichkeit zu bieten, 3. Landarbeiterfamilien auf dem Lande seßhaft zu machen, 4. geeigneten Siedleranwärtern, insbesondere nachgeborenen Söhnen u n d A b k ö m m l i n g e n von Landwirten, Kriegsversehrten oder aus dem Osten geflüchteten L a n d w i r t e n eine bäuerliche Siedlung zu ermöglichen, 5. vorhandene kleinbäuerliche Betriebe durch Landzuweisung i n ihrer w i r t schaftlichen Leistungsfähigkeit zu stärken." 73 „ A l s A n w ä r t e r f ü r die Siedlerstellen nach A r t . 1, Abs. 4 k o m m t i n Frage, wer a) hinreichend fachliche Eignung besitzt, b) Bodenständigkeit erwarten läßt u n d c) den sonst hierfür geltenden Richtlinien genügt." 74 „Da es sich als notwendig erwiesen hat: a) den politischen u n d wirtschaftlichen Einfluß des Großgrundbesitzes durch Festsetzung der höchstzulässigen Größe des i n einer H a n d befindlichen G r u n d u n d Bodens zu verringern, u n d 75 b) einem größeren T e i l der Bevölkerung Ansiedlung auf dem L a n d u n d landwirtschaftliche Betätigung zu ermöglichen, w i r d h i e r m i t folgendes v e r ordnet: „ . . .
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Danach ergibt sich folgender Verfahrensablauf: Deutsche Behörden (vgl. A r t . 8 Nr. 3 des Bodenreformgesetzes für die amerikanische Zone, A r t . 2 Nr. 4 der britischen MilitärregierungsVO Nr. 103, A r t . 5 der französischen MilitärregierungsVO Nr. 116) entziehen den großen Gütern (vgl. A r t . 2 und 3 des Bodenreformgesetzes für die amerikanische Zone, A r t . 1 britische MilitärregierungsVO Nr. 103, A r t . 2 französische MilitärregierungsVO Nr. 116) Grund und Boden bis zu einer Mindestgröße, die je nach Besatzungszone zwischen 1.00 und 150 ha schwankt und überführen diesen i n das Eigentum der Länder (vgl. Art. 3 der britischen MilitärregierungsVO Nr. 103). Der so erworbene Boden ist dann gegen Entgelt durch die Regierungen der deutschen Länder an einen neuen Personenkreis vor allem an ländliche Siedler zu vergeben (vgl. A r t . 6 der französischen MilitärregierungsVO Nr. 116; A r t . 2, b Nr. 1 der britischen MilitärregierungsVO Nr. 103, A r t . 11 des Bodenreformgesetzes für die amerikanische Zone). Die Parallele, ja die enge Verwandtschaft m i t dem Reichssiedlungsgesetz, die sich bei einem Blick auf die Ausgestaltung des Verfahrens anbietet, w i r d noch unterstrichen durch A r t . 9 des Bodenreformgesetzes für die amerikanische Zone, wo ausdrücklich auf die Regelung des Reichssiedlungsgesetzes hingewiesen wird. Die Vertrautheit des äußeren Erscheinungsbildes darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Güterbeschaffungsvorgang dieser 2. Bodenreform i n wesentlichen Punkten sich von den Regelungen der Weimarer Zeit abhebt 78 . Der Unterschied liegt i m Bereich der Zwecksetzung. Hier finden sich Gesetzesanliegen wie Ermöglichung von Kleinsiedlung und gartenmäßiger Nutzung für Kriegsvertriebene, Existenzverbesserung von auf dem Lande lebenden Arbeitern und Handwerkern, Seßhaftmachung von Landarbeiterfamilien, Bereitstellung von Boden vornehmlich für landwirtschaftlich ausgerichtete Ansiedlungswillige, Stärkung der w i r t schaftlichen Leistungsfähigkeit kleinbäuerlicher Betriebe durch Landzuweisung (Art. 1 Nr. 1—5 des Bodenreformgesetzes für die amerikanische Zone) oder Ansiedlung größerer Bevölkerungsteile auf dem Land zwecks landwirtschaftlicher Betätigung (b vor A r t . 1 der britischen M i l i 76 „ I m Rahmen der Demokratisierungspolitik Deutschlands w i r d , u m einen besseren Ertrag u n d eine gerechtere Verteilung des landwirtschaftlichen Besitzes zu gewährleisten sowie u m die Lösung des Flüchtlingsproblems zu erleichtern, zu einer Bodenreform i m französischen Besatzungsgebiet vor dem 31. Dezember 1947 geschritten." 77 „Der so freigewordene Boden ist gegen Entgelt durch die deutschen Regierungen der Länder an neue Siedler zu vergeben, die, soweit als möglich, aus dem Kreis der L a n d w i r t e u n d Bauernfamilien auszuwählen sind. E i n bestimmter Hundertsatz der gewonnenen Fläche ist den Familien der Flüchtlinge vorzubehalten, die fähig sind, sie zu bewirtschaften." 78 Werner Weber, Die Entschädigung i n der westdeutschen Bodenreform, S. 353, spricht von einer „besonderen A r t angeblicher Bodenreform".
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tärregierungsVO Nr. 103) oder schließlich Lösung des Flüchtlingsproblems, Verbesserung des Ertrages und gerechtere Verteilung des landwirtschaftlichen Besitzes (Art. 1 der französischen MilitärregierungsVO Nr. 116). Neben diesen an sich schon vertrauten Zweckbestimmungen finden sich andere, wie Verringerung des politischen und wirtschaftlichen Einflusses des Großgrundbesitzes (a vor A r t . 1 der brititischen MilitärregierungsVO Nr. 109) oder Durchführung einer Demokratisierungspolitik i n Deutschland (Art. 1 der französischen MilitärregierungsVO Nr. 116). A l l e diese Zwecke sind entzugsmotivierend. Das geht schon daraus hervor, daß spezielle Gründe i n den einschlägigen Entzugstatbeständen nicht genannt werden. Die juristische Qualifizierung der vorstehend erwähnten Zwecke bereitet indessen Schwierigkeiten insofern, als hier auf die Verwirklichung eines konkreten Vorhabens ausgerichtete Zwecke — die Verwaltungszwecke — neben denen der Umverteilungszwecke nur andeutungsweise sichtbar wird, auf eine Zweckkategorie treffen, die bei der Behandlung der bisherigen Enteignungsgesetze nicht i n Erscheinung getreten ist. Gemeint sind damit die Zwecke, deren Inhalt gesetzlich m i t Demokratisierungspolitik und Verringerung des wirtschaftlichen und politischen Einflusses der Großgrundbesitzer umschrieben ist. Motivierend steht hinter diesen Gesetzen die Wahrung alliierter Sicherheitsinteressen, die man bei Fortbestand der großen Güter, wegen der vermeintlichen Affinität ihrer Besitzer zu revanchistischem Gedankengut und militärischem K o n f l i k t gefährdet sah. I n deren Hand war das Eigentum aus politischen Gründen diskriminiert 7 9 . Dem Eigentumsentzug haftete somit eine überwiegend negativ bestimmte Tendenz an, die i n der Eigentumswegnahme ihre Erfüllung findet. Nach der Dogmatik des deutschen öffentlichen Ersatzleistungsrechts ist die i m Entzug sich erschöpfende Zweckbestimmung eindeutig als konfiskatorisch zu qualifizieren 80 . Ob bei einer solchen Zweckbestimmung der Entzug von Grund und Boden insgesamt noch als Enteignung aufgefaßt werden kann, oder als Konfiskation bezeichnet werden muß, hängt von den übrigen, den Eigentumsentzug tragenden Zwecken und deren Zusammenwirken untereinander ab. Gegenstand der weiteren Untersuchung muß daher die Frage sein, ob und inwieweit neben den konfiskatorischen auch Umverteilungszwecke beim Eigentumsentzug eine Rolle spielen. Versteht man unter dem Begriff des Umverteilungszweckes eine positive, sozial gestaltende Zielsetzung i n Form breitgestreuter Umschichtung des Immobiliarvermögens, i n dem Sinne also, wie i h n das Reichssiedlungsgesetz und das 79 Schack, A r t . Enteignung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 553; E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. Bd. 2, S. 42; Kimminich, A r t . 14, Rdnr. 210; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 337. 80 Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 337.
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Reichsheimstättengesetz kennt, so findet man Andeutungen hierzu i n A r t . 1 der französischen MilitärregierungsVO Nr. 116 und i n b vor A r t . 1 der britischen MilitärregierungsVO Nr. 103. Das Bodenreformgesetz für die amerikanische Besatzungszone enthält insofern keine Entsprechung, doch ergibt eine Zusammenschau der i m Katalog von Ziff. 1—5 i n A r t . 1 enthaltenen Zweckbestimmungen, daß auch hier eine Umverteilung als Effekt angestrebt ist. Das hinter den i m einzelnen genannten gesetzlichen Regelungen stehende geistige Konzept t r i t t allerdings bei einer lediglich am Wortlaut und am Sinnzusammenhang orientierten Auslegung nicht voll zu Tage. Ähnlich wie beim Reichssiedlungsgesetz und Reichsheimstättengesetz gibt auch hier erst der Rückgriff auf die entstehungsgeschichtlichen Zusammenhänge, insbesondere die besatzungspolitische Auffassung von der Weiterentwicklung Deutschlands den gewünschten Aufschluß. Sie läßt sich kurz aber einprägsam m i t einem Wort umschreiben: Agrarisierung. Darunter ist die Umwandlung Deutschlands von einem wenn auch zerstörten Industrie- i n einen Agrarstaat zu verstehen, eine Entwicklung, die bereits auf der Konferenz von Casablanca 81 beschlossen und später m i t dem Erlaß der Bodenreformgesetzgebung vornehmlich unter dem Einfluß des Morgenthauplanes ausformuliert wurde. Da nach dem politischen Selbstverständnis der westlichen Siegermächte besonders der Amerikaner eine Sozialisierung von Grund und Boden von vornherein außer Betracht zu bleiben hatte 82 , konnte die Agrarisierung nur auf dem Wege der Umschichtung von Grund und Boden vonstatten gehen, d. h. es mußten neue Eigentumsverhältnisse Privater an diesem Wirtschaftsgut begründet werden. Als Begünstigte boten sich hierfür aus einsehbaren Gründen vor allem die Ostflüchtlinge an, die zu einem beträchtlichen Teil aus der Landwirtschaft kamen und für deren Eingliederung auf diese Weise gesorgt werden konnte. I m übrigen zielte das Bodenreformprogramm auf kleinbäuerliche Betriebe, deren Ertragsfähigkeit durch Landzuweisung gesteigert werden sollte und auch auf solche, außerhalb der Landwirtschaft tätigen vorwiegend auf dem Land wohnende Arbeiter und K l e i n handwerker, die man für diese Profession zu gewinnen hoffte. M i t Hilfe sogenannter Beschleunigungsgesetze 83 , deren Ergehen Aufgabe der 81
V o m 14. bis 26. Januar 1943. Hartwich, S. 70 f., 76—81. 83 Vgl. Gesetz der amerikanischen Zone zur beschleunigten Durchführung der Bodenreform, verkündet durch zoneneinheitliches Länderratsgesetz, u n d zwar i n Bayern: Gesetz Nr. 92 v o m 28.11.1947 (Ges. u. VOB1., S. 215); i n Hessen: Gesetz v o m 28.11.1947 (Ges. u. VOB1., S. 107); i n Württemberg-Baden: Gesetz Nr. 908 v o m 26.11.1947 (Reg.Bl., S. 171). Vgl. auch Gesetz über die Durchführung der Bodenreform u n d Siedlung i n Nordrhein-Westfalen v o m 16. M a i 1949 (GVB1., S. 84); Schleswig-Holsteinisches Gesetz zur Einleitung der Agrarreform i n Schleswig-Holstein v o m 12. März 1948 (GVB1., S. 81 ff.) i n Verbindung m i t dem Gesetz über Landabgabe u n d Enteignung zur Durch82
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deutschen Länder war 8 4 , sollte die gesamte rechtliche Regelung m i t Nachdruck i n die Wirklichkeit umgesetzt werden. Ausschlaggebend für die Eilbedürftigkeit dürfte i n erster Linie die katastrophale Versorgungslage der deutschen Bevölkerung i n der Nachkriegszeit gewesen sein 85 , der man durch vermehrte landwirtschaftliche Produktion abzuhelfen gedachte, u m damit zugleich die Unterstützungsleistungen für das zu betreuende Besatzungsgebiet reduzieren zu können. Überhaupt stand i m Mittelpunkt des alliierten Handelns nicht so sehr eine altruistische Intention als vielmehr das wohlverstandene Eigeninteresse. Das läßt sich anhand des Umverteilungszweckes unschwer nachweisen. Die durch seine Anwendung zu erreichende sozialstrukturelle Veränderung war nicht bestimmendes Motiv, sondern fiel als Beiprodukt bei der Verwirklichung der Agrarisierung zwangsläufig m i t ab, nachdem die Sozialisierung aus ideologischen Gründen 8 8 hierfür keine Anwendung finden konnte. Das alliierte Eigeninteresse, bei der Agrarisierung bestand, von den erhofften verbesserten Produktionsverhältnissen i m landwirtschaftlichen Bereich einmal abgesehen, i n der von dieser Maßnahme erwarteten Gewährleistung der eigenen Sicherheit, insofern, als ein Staat ohne industrielles Potential zur Führung eines modernen Krieges außerstande ist. Da diese Begründung die Wegnahme von Grund und Boden i m wesentlichen trägt, kann hierin das entscheidende Motiv für die gesamte Bodenreform gesehen werden. Konfiskation und Agrarisierung befinden sich i h m gegenüber i n einer Mittel-Zweckrelation. Dies hat für die Gesamtbeurteilung des Eigentumsentzuges als Enteignung, Konfiskation oder Umschichtung weittragende Bedeutung. Die gleiche Mittel-Zweck-Relation kennzeichnet auch die Beziehung zwischen dem Umverteilungszweck und dem Enteignungsinstitut nach dem Reichssiedlungsgesetz und dem Reichsheimstättengesetz. Zweckbestimmungen i m Sinne eines bestimmten öffentlichen Unternehmens oder gemeinnützigen Verhaltens finden sich auch i n der Bodenreformgesetzgebung der amerikanischen Zone 87 . Handelt es sich führung der Agrarreform v o m 8.2.1948 (GVB1., S. 21); vgl. weiter Badisches Landesgesetz zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Bodenverteilung u n d Bodennutzung v o m 27. Februar 1948 (GVBl., S. 165); Landesgesetz zur Bodenreform i m Lande Rheinland-Pfalz v o m 16.10.1948 (GVBl., S. 385). 84 Vgl. A r t . I I der Britischen MilitärregierungsVO Nr. 103; oder auch A r t . 3 der Französischen MilitärregierungsVO Nr. 116. 85 Die Bodenreform stand sogar unter dem Vorbehalt, daß hierdurch keine Nachteile f ü r die landwirtschaftliche Produktion entstehen dürften; vgl. A r t . 2 S. 2 der Französischen MilitärregierungsVO Nr. 116 oder A r t . I I S. 2 der Britischen MilitärregierungsVO Nr. 103. 86 Vgl. Hartwich, S. 76 f. 87 Vgl. A r t . 1 Nr. 1—5.
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hierbei aber u m die den Enteignungstypus bestimmenden Verwaltungszwecke, wie sie aus dem Reichssiedlungsgesetz und dem Reichsheimstättengesetz bekannt sind? Wie erinnerlich ist für den funktionellen Zusammenhang, der das Mittel-Zweck-Verhältnis bestimmt, bedeutsam, daß i n der Wahl des Mittels eine selbständige Entscheidung liegt, deren einziges K r i t e r i u m die Geeignetheit zur Zweckerreichung sein muß. Die Eignung ist den Zielsetzungen von A r t . 1 Nr. 1—5 des Bodenreformgesetzes der amerikanischen Zone sicher i n gleicher Weise, wie den deutschen Ausführungsbestimmungen zur britischen und französischen MilitärregierungsVO nicht abzusprechen. Während aber i m Falle des Reichssiedlungsgesetzes und Reichsheimstättengesetzes die Verwaltungszwecke gegenüber dem Umverteilungszweck selbständig und qualitativ anders geartet waren — Bodenreform durch Bereitstellung von Siedlungs- und Heimstättenstellen auf dem Lande —, sind sie i m Falle der Bodenreformgesetzgebung kaum mehr als Ausfüllungen und Konkretisierungen der allgemeinen Agrarisierungsidee, also konkretisierte Umverteilungszwecke — Agrarisierung durch Seßhaftmachung von Landarbeiterfamilien. Dadurch verlieren sie zwar nicht ihre Entscheidungsqualität, doch haben sie unverkennbar Doppelcharakter i n dem Sinne, daß sie sowohl Elemente des Umverteilungs- wie der Verwaltungszwecke i n sich tragen. Sind sonach für den Eigentumsentzug neben den Umverteilungs- und Konfiskationszwecken auch Verwaltungszwecke bestimmend, so drängt sich die Frage nach der rechtlichen Qualität des gesamten Verfahrensvorganges auf. Seine Qualifizierung als Enteignung setzt voraus, daß von den genannten Zwecken die Verwaltungs- oder Enteignungszwecke überwiegen 88 , die Rechtsaufhebung also vornehmlich u m ihretwillen erfolgte. Eine derartige Feststellung w i r d man nach dem oben Ausgeführten, wonach bereits die Verwaltungszwecke nicht „rein" vorkommen, sondern m i t Elementen des Umverteilungszweckes durchsetzt sind, kaum treffen können. Ohne daß es daher noch auf eine detaillierte Betrachtung der verschiedenen Zwecke ankommt, kann festgehalten werden, daß die i m Zuge der Bodenreform nach dem 2. Weltkrieg erfolgte Landwegnahme keine Enteignung war. Daraus folgt zwingend, daß es sich dabei auch u m keine transitorische Enteignung handeln kann. Wenn gleichwohl i n den Rechtsvorschriften der Terminus Enteignung gebraucht wird, so steht dahinter entweder eine unzureichende Differenzierung, die auf mangelnder Kenntnis i m deutschen öffentlichen Ersatzleistungsrecht beruhen kann, oder aber der von Werner Weber 89 88 So Schmidt-Aßmann, S. 212, 215, 217 ff.; B a y V e r f G H VerwRspr. Bd. 5, S. 713 f.; Ridder, Eigentum u n d Enteignung, S. 143. 89 Vgl. ders., Z u r Problematik von Enteignung u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, S. 401 ; ders., Eigentum u n d Enteignung, S. 347.
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angesprochene vulgarisierte Enteignungsbegriff, worunter jeder unerwünschte Eingriff i n Eigentumsrechte verstanden wird. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat i n einer Entscheidung vom 20. M a i 195490 zum württemberg-badischen Beschleunigungsgesetz, also zur Bodenreformgesetzgebung der amerikanischen Zone, die Ansicht vertreten, es handele sich bei den nach diesen Vorschriften vorgenommenen Rechtsentziehungen u m Enteignungen. Es hat gemäß A r t . 125 GG die Weitergeltung bejaht und sie an A r t . 14 Abs. 3 GG gemessen und ist unter anderem auch wegen des Vorhandenseins einer Entschädigungsregelung zu dem Ergebnis der Verfassungskonformität als Enteignung gelangt. I n den Entscheidungsgründen wurden die differierenden Zweckvorstellungen, i h r Zusammenhang und die Gewichtung innerhalb der Zweckbestimmungen nur peripher behandelt. Die Entscheidungsregelung liefert jedoch für den Rechtsentzug nur einen Teilaspekt, wie Ipsen 91 und Ridder 9 2 eingehend dargelegt haben. Ohne dem Bundesverwaltungsgericht ein vulgarisiertes Enteignungsverständnis vorhalten zu wollen, ist festzustellen, daß i n der unzureichenden Beachtung der heterogenen Zweckrichtungen sich eine grundsätzliche Fehlbeurteilung des Enteignungsinstituts offenbart, denn sein Charakter w i r d durch die konkreten Verwaltungszwecke bestimmt 9 3 . Da diese aber den Rechtsentzug i m Rahmen der 2. Bodenreform nicht beherrschen, ist entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen einer Enteignung zu verneinen. Damit stellt sich die Frage, i n welche Kategorie hoheitlicher Inanspruchnahme von Grund und Boden dieser Eigentumsentzug einzuordnen ist. Von dem hier vertretenen Standpunkt, daß es den westlichen Siegermächten vor allem auf die Gewährleistung der eigenen Sicherheit ankam, ergibt sich noch kein zwingender Schluß auf die Rechtsnatur des Entzuges. Den Sicherheitsinteressen dient sowohl die konfiskatorische Zerschlagung der wirtschaftlichen Grundlage des politischen Gegners, als auch die Bemühung, keine neuen politischen Gegner entstehen zu lassen, wozu sicherlich eine soziale Umverteilung von Grund und Boden beizutragen vermag. Ob es nun der alliierten Agrarisierungspolitik 9 4 , die zu ihrer Realisierung Konfiskations- und Umverteilungszwecke geschickt kombinierte, primär u m die Depossedierung des 90
B V e r w G E 1, 140 (143). Eigentum u n d Enteignung, S. 87, 96 ff. 92 Eigentum u n d Enteignung, S. 144 ff. 93 Ridder, Eigentum u n d Enteignung, S. 142 f. 94 Der von Henry Morgenthau ausgearbeitete Plan, der die Deutschlandp o l i t i k der westlichen Besatzungsmächte bis i n das Jahr 1947 bestimmte, dann aber schnell aufgegeben wurde, sah eine strikte Agrarisierungspolitik zur Sicherung der Interessen der Besatzungsmächte v o r ; vgl. Hans Müller, Besatzungsrecht, Staatslexikon, 6. Aufl., Bd. 1, Sp. 1145 f. 91
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politischen Gegners oder u m die Herstellung sozialerer Verteilungsverhältnisse i m Agrarbereich ging — beides w i r d m i t guten Gründen vertreten —, kann letztlich dahinstehen, denn für die i m vorliegenden Fall interessierende Frage nach den begrifflichen Voraussetzungen der transitorischen Enteignung ist ihre Beantwortung ohne Belang. Für den hier untersuchten Gegenstand ist das Ergebnis der Analyse der 2. Bodenreform allerdings insofern bedeutsam, als damit der Nachweis erbracht wird, daß trotz Übereinstimmung i m äußeren Erscheinungsbild zwischen den Formen der Inanspruchnahme von Grund und Boden i n der ersten und zweiten Bodenreform nicht notwendig auf das Vorliegen einer transitorischen Enteignung geschlossen werden kann. Zu ihrer Bestimmung muß vielmehr auf inhaltliche Kriterien, nämlich auf die Entzugszwecke eingegangen werden. Die Gründe für dieses auffällige Abweichen bei der hoheitlichen Grundstücksinanspruchnahme zwischen der ersten und zweiten Bodenreform sind i n erster Linie i n der besatzungsrechtlichen Herkunft der Normen der 2. Bodenreform zu suchen. Die westlichen Siegermächte, die sich zur Durchführung der Bodenreform der UdSSR gegenüber verpflichtet hatten 95 , befanden sich i n einem Dilemma. Einerseits w o l l ten sie die brutale Konfiskationspolitik i n der sowjetischen Besatzungszone nicht kopieren, andererseits aber waren sie aus Gründen alliierter Solidarität gehalten, die gemeinsam mit der Sowjetunion getroffenen Vereinbarungen einzuhalten, so daß trotz aller Berücksichtigung des unterschiedlichen ideologischen Ansatzes die Stoßrichtung des ganzen Vorhabens gegen den gemeinsamen Kriegsgegner nicht verwischt werden konnte. Hinzu kommt ein weiterer aus der Natur der Sache sich ergebender Gesichtspunkt. Die Durchführung jeder sozialstrukturellen Veränderung läuft Gefahr, schon aus Gründen der Rechtfertigung sich polemisch von dem zu verändernden Zustand abzusetzen. Damit ist aber der Weg i n die Konfiskation bereits vorgezeichnet, wenn es nicht gelingt, durch den subtilen Einbau positiver Zielsetzungen Kurskorrekturen durchzuführen. Dies wurde i n den westlichen Besatzungszonen zwar versucht, doch nicht m i t dem gleichen Erfolg erreicht, wie er dem Reichstag trotz konfiskatorischer Anklänge bei den Gesetzen der 1. Bodenreform beschieden war. Die besatzungspolitische Motivation, die sich hier mit Sozialisierungsabsichten, wie sie zum Teil bei den Regierungen der westlichen Sieger vorhanden waren9®, traf, konnte durch die sozial95 Die Durchführung der Bodenreform w a r einer der wenigen Punkte, bei dem auf der Moskauer Viermächte-Konferenz v o m 10. März bis 24. A p r i l 1947 Einvernehmen hergestellt werden konnte. I m übrigen gab es größte M e i nungsverschiedenheiten über das künftige Wirtschaftssystem Deutschlands u n d allgemeine Fragen der Wirtschaftspolitik u n d der Wirtschaftskontrolle. 96 So verfolgte vor allem die britische Regierung i n Anlehnung an das i n England verwirklichte Sozialisierungsprogramm gleiche Ziele innerhalb ihrer
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und siedlungspolitischen Zwecksetzungen nicht so gemäßigt werden, daß daraus eine dem deutschen Verständnis entsprechende Enteignung geworden wäre. Für die Richtigkeit der hier gegebenen Begründung genügt ein H i n weis auf die praktische Anwendung der Vorschriften der 2. Bodenreform. War nach ihrem Inkrafttreten von den westlichen Besatzungsmächten noch auf eine beschleunigte Durchführung der Maßnahmen gedrungen worden 9 7 , so erlahmte der Impetus zusehends i n dem Maße, wie sich die politischen Spannungen zu der östlichen Besatzungsmacht verstärkten. Dazu t r u g zusätzlich die Einsicht bei, daß die Totalität der deutschen Niederlage für absehbare Zeiten eine Gefährdung der alliierten Interessen ausschloß. Als dann schließlich die sozialisierungsfreudige Labourregierung Attlee durch eine konservative Regierung abgelöst wurde, stand bereits i m wesentlichen fest, daß von der 2. Bodenreform, ähnlich wie von der ersten, eine durchgreifende Veränderung der Sozialstruktur nicht ausgehen würde 9 8 . M i t der Wiederherstellung gesicherter rechtsstaatlicher Verhältnisse unter dem Grundgesetz kamen zwar die Bodenreformvorschriften nicht sämtlich i n Wegfall 9 9 , doch sie sanken nun zur Bedeutungslosigkeit herab, denn das Hauptinteresse staatlicher bodenpolitischer A k t i v i t ä t konzentrierte sich nun auf den städtischen Bereich, i n dem der Wiederaufbau verstärkt betrieben wurde. 4. Das Baulandbeschaffungsgesetz
Der wirtschaftliche Wiederaufstieg Deutschlands, der nach der veränderten weltpolitischen Lage seit 1948100 von den westlichen Alliierten aktiv gefördert 101 , der Wiederentstehung eines deutschen Gesamtstaates vorausging 102 , fand eine Ausgangslage vor, die gekennzeichnet war durch Besatzungszone; vgl. hierzu u n d zu den Auseinandersetzungen m i t den amerikanischen Vorstellungen Hartwich, S. 70 f. u n d 76 ff. 97 Vgl. die vorne i n Fußnote 83 aufgezählten Gesetze zur beschleunigten Durchführung der Bodenreform. 98 Vgl. hierzu Hartwich, S. 91. 99 Das g i l t nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts v o m 20. M a i 1954 — B V e r w G E 1, 141 — jedenfalls f ü r die Bodenreform Vorschriften, die i n der amerikanischen Besatzungszone erlassen wurden. Sie sind nach Ansicht des B V e r w G gemäß A r t . 125 i. V. m. A r t . 74 Nr. 18 G G zu Bundesrecht geworden. Dieser Meinung k a n n aus den nachstehend behandelten Gründen (II. Teil, 1. Kap. I I I . 1.) nicht gefolgt werden. 100 Sie w a r die Folge des Auseinanderbrechens der gemeinsamen deutschlandpolitischen Konzeption der vier Siegermächte des zweiten Weltkrieges, das auf der Londoner Konferenz (Spätherbst 1947) endgültig offenbar w u r d e ; vgl. Herzog, A r t . Grundgesetz, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 914. 101 Hierbei ist v o r allem an die Marshallplanhilfe zu denken; vgl. hierzu Hartwich, S. 63 ff., 73 ff.; Franz Blücher, Dienst an Deutschland u n d Europa, S. 5.
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die nahezu vollständigen Zerstörungen der Fabrikationsanlagen sowie der zu einer industriellen Produktion unerläßlichen infrastrukturellen Voraussetzungen. Daneben mußten Millionen von Ostvertriebenen i n das Wirtschafts- und Arbeitsleben eingegliedert und m i t Wohnraum ausgestattet werden. Konnten zur Lösung des Flüchtlingsproblems die vornehmlich auf dem Land sich auswirkenden Vorschriften der alliierten Bodenreform einen Beitrag leisten, so war davon i m industrialisierten städtischen Bereich keine Besserung der Verhältnisse zu erwarten. Hier griffen deshalb die Wiederaufbaugesetze der Länder und später das erste Wohnungsbaugesetz des Bundes v. 24. 4.1950 103 ein, u m für die Wiederherstellung von Wohnraum und Produktionsstätten zu sorgen. Die Erfahrung, vornehmlich m i t den bodenrechtlichen Bestimmungen der Aufbaugesetze der Länder, i n denen sich Formen transitorischer Enteignung finden, zeigte sehr bald, daß das zur Verfügung stehende rechtliche Instrumentarium, auf das wegen seiner Zersplitterung hier nicht näher eingegangen werden soll, unzureichend war, u m mit den i m wirtschaftlichen Wiederaufbau angelegten Problemen, dem Zug zur Verstädterung und zur industriellen Expansion fertigzuwerden. Zwar waren i n den Jahren 1949 bis einschließlich 1953 1 960 000 Wohnungen vornehmlich i n Städten errichtet worden 1 0 4 , wobei aufgrund der Wiederbebauung von Trümmergrundstücken 39 bis 4 0 % des veranschlagten Bodenbedarfs eingespart werden konnte 1 0 5 , doch blieb trotz dieser beeindruckenden Zahlen die Lage auf dem Bodenmarkt angespannt, da nach wie vor ein beträchtlicher Nachfrageüberhang bestand. Demgegenüber war der i n städtischem Eigentum stehende Bodenvorrat, der zur Nachfrageregulierung hätte eingesetzt werden können, ohne nennenswerten Umfang, so daß die Lösung des Bodenbeschaffungsproblems nur unter Inanspruchnahme des privaten Grundstücksmarktes gefunden werden konnte. Hier waren aber aufgrund der verstärkten Nachfrage die Preise i n einer Weise gestiegen, daß besonders i m städtischen Bereich der Nachfrage kein auch nur annähernd entsprechendes Angebot gegenüberstand, zumal die Entwicklung weiter steigende Bodenpreise verhieß. Bei dem hiermit angesprochenen Spekulationsproblem handelte es sich zwar u m keinen neuen Tatbestand 108 , doch ließ die Zuspitzung des Pro102 Daraus hat Forsthoff weitreichende staatsstrukturelle Folgerungen abgeleitet; vgl. ders., Die Bundesrepublik Deutschland, i n : Rechtsstaat i m W a n del, 2. Aufl., S. 3 f.; ders., Der Staat der Industriegesellschaft, S. 74. 103 BGBl. I, S. 83. 104 Vgl. die Ubersicht bei Dittus / Zinkahn, Baulandbeschaffungsgesetz, S. 25. 105 So Dittus l Zinkahn, S. 27. 106 Hierzu schon Adolf Weber, Über Bodenrechte u n d Bodenspekulation i n der modernen Stadt; vom Felde, Bodenspekulation, Handwörterbuch des Städtebaues, Wohnungs- u n d Siedlungswesens, Bd. 1, S. 411 f.
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blems den Ruf nach einer Reform des städtischen Bau- und Bodenrechts immer lauter werden 1 0 7 . Für eine dritte nun i m wesentlichen auf städtische Gebiete begrenzte Bodenreform waren die Voraussetzungen nicht gegeben. Auch duldeten die i m Zusammenhang m i t der Bodenbeschaffung anstehenden Fragen keinen Aufschub, so daß der Gesetzgeber sich entschloß, hier vorab aktiv zu werden. Das Ergebnis seiner Bemühungen war das am 19. 8.1953 i n K r a f t getretene Baulandbeschaffungsgesetz vom 3. 8.1953 108 . Hierin kombinierte der Gesetzgeber zwei zur Bewältigung des Güterknappheitsproblems sich eignende und dabei sich ergänzende Rechtsinstitute: Die Enteignung und die Planung. Dieses rechtliche Instrumentarium, obgleich jeweils für sich längst bekannt und praktisch erprobt, kommt hier zum ersten Male i n einem Bundesgesetz i m Verbund zur Anwendung, der, wie der Name des Gesetzes schon verdeutlicht, den Schwerpunkt bei der Enteignung setzt 109 . Die Planung, die naturgemäß sich erst dann realisiert, wenn beplanbarer Raum vorhanden ist, der notfalls auch i m Enteignungsweg beschafft worden ist, greift jedoch i n die Enteignung i n der Weise ein, daß sie die allgemein formulierten gesetzlichen Enteignungszwecke konkretisiert 1 1 0 . M i t einer derartigen Regelung betritt der Gesetzgeber i n der Bodenbeschaffung Neuland, so daß von daher schon die Vermutung für inhaltliche und verfahrensmäßige Besonderheiten naheliegen. A u f sie w i r d nachfolgend einzugehen sein. I m Vordergrund der Betrachtung steht auch hier das Instit u t der transitorischen Enteignung i n seiner konkreten Ausgestaltung i m Baulandbeschaffungsgesetz. I n bezug darauf t r i f f t das Gesetz i m ersten Abschnitt 1 1 1 (§§ 1—8) eine ins einzelne gehende Regelung. Die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. a—c BauLBG ausschließlich als Zugriffsobjekte i n Betracht kommenden Grundstücke können soweit erforderlich 112 m i t Hilfe des Enteignungsinstituts entzogen und i n Entsprechung von § 6 BauLBG privaten Bauwilligen oder der Gemeinde zugeteilt werden. W i r d die Enteignung zugunsten der Gemeinde durchgeführt, und beabsichtigt diese, das Grundstück nicht selbst zu bebauen, sondern nach § 6 Abs. 3 BauLBG lediglich baureif 107 Vgl. Dittus / Zinkahn, S. 27; Forsthoff, Grapengeter u. a., Gutachten über die Erfordernisse der B a u - u n d Bodengesetzgebung (Weinheimer Gutachten), S. 18. 108 BGB1.1, S. 720. 109 So Dittus / Zinkahn, S. 41; Pathe, Das Baulandbeschaffungsgesetz, N J W 1953, 1285; Fritz Werner, Das Baulandbeschaffungsgesetz, DVB1.1954, 44; Zinkahn, Grundsätzliches zum Baulandbeschaffungsgesetz, BBauBl. 1953, 304. 110 Schulte, S. 93 f.; aus diesem G r u n d sind die Planungszwecke i m Enteignungsverfahren als bindend hinzunehmen, vgl. B G H BBauBl. 1967, 484 f. 111 Zulässigkeit der Enteignung (§§ 1 bis 8 BauLBG). 112 Vgl. § 5 Abs. 1 BauLBG.
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zu machen oder der Wiederbebauung zuzuführen, so unterliegt sie der i n § 6 Abs. 3 S. 2 BauLBG normierten Pflicht, innerhalb von zwei Jahren das enteignete Grundstück an einen privaten Bauwilligen zu veräußern. Betrachtet man das vorstehend zugunsten der Gemeinde beschriebene Enteignungsrecht genauer, so ergeben sich auffällige Parallelen zu bereits bekannten Erscheinungsformen transitorischer Enteignung. Diesen Parallelen ist zunächst, soweit sie das Enteignungsverfahren betreffen, nachzugehen. Dabei ist auch hier darauf hinzuweisen, daß unter Enteignungsverfahren nicht das von der Enteignungsbehörde gegenüber den Beteiligten zu beobachtende rechtsförmliche Verfahren beim Grundstücksentzug verstanden wird, sondern die Stationen i n der Hechtsträgerschaft, die das Grundstück auf seinem Weg vom ursprünglichen zum endgültigen Bestimmungszweck durchläuft. I n früherem Zusammenhang wurde bezüglich des verfahrensmäßigen Erscheinungsbildes der transitorischen Enteignung betont, daß es durch eine doppelte Sequenz i n der Eigentumsträgerschaft gekennzeichnet ist, d. h. daß an den durch Einsatz von Hoheitsgewalt erzwungenen Eigentumsübergang sich eine weitere Eigentumsübertragung nun allerdings auf rechtsgeschäftlicher Grundlage anschließt. Diesem Verfahren folgt auch das Baulandbeschaffungsgesetz, wenn es i n § 6 Abs. 3 S. 2 der Gemeinde die Pflicht auferlegt, Grundstücke, die diese i m Enteignungsweg zwecks Vorbereitung der Bebauung oder zwecks Baureif machung erlangt hat, binnen einer Frist von zwei Jahren an Bauwillige zu veräußern. Die schon oben getroffene Feststellung 113 , daß das private Eigentum den Ausgangs- und Bezugspunkt des gesamten Verfahrens bildet, findet auch i n diesem gesetzlichen Anwendungsfall ihre Bestätigung. Die Besonderheit dieses Verfahrens liegt somit i n der Gewährleistung dieses Rechtserfolges. Typizität ist jedoch nicht nur i m Verfahrensablauf zu verzeichnen, sondern auch hinsichtlich der Rechtsträgerschaft des i n Anspruch genommenen Eigentums. Als Rechtsträger bestimmt die erste Verfahrensstation — die Durchgangsstation — immer einen Inhaber hoheitlicher Gewalt, i n aller Regel eine Gemeinde, während das entzogene Eigentum i m zweiten Verfahrensabschnitt einem privaten Rechtsträger zum endgültigen Verbleib zugeordnet wird. Diese für alle bisher bekannten Fälle transitorischer Enteignung charakteristische Konstellation hat auch i n § 6 Abs. 3 BauLBG Eingang gefunden. Gleichwohl vermögen — wie das Beispiel der alliierten Bodenreform gezeigt hat — die auf das äußere Erscheinungsbild bezogenen Feststellungen keine endgültige Klarheit über die Rechtsnatur des Entzugsvorganges als transitorische 113
Vgl. oben die Fußnoten 27 u n d 28.
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Enteignung herzustellen. Hierzu bedarf es, wie das genannte Beispiel lehrt, eines detaillierten Eingehens auf die den Entzugsprozeß beherrschenden Zweckbestimmungen. Darüber gibt das Gesetz i n § 1 Abs. 1, § 2 und § 6 Abs. 3 S. 1 konkret Auskunft. Bereits beim ersten Anschauen dieser Vorschriften offenbart sich die unterschiedliche Struktur der dort genannten Zweckbestimmungen. Ist § 1 Abs. 1 durch vergleichsweise allgemein gehaltene Formulierungen, wie Förderung des Wohnungsbaues und Verbindung breiter Volksschichten m i t Grund und Boden gekennzeichnet, so beinhaltet § 2 a—d vier konkrete Zwecke, nämlich die Beschaffung von Gelände zur Deckung des privaten und öffentlichen Wohnraumbedarfs, zur Bereitstellung von Garten- und Wirtschaftsgelände, von Verkehrsund Grünflächen sowie für Ersatzland. Eine über die gesetzliche Konkretisierung hinausgehende weitere Spezifizierung erfahren die i n § 2 Ziff. a und b erwähnten Zwecke dadurch, daß sie gemäß § 3 Abs. 2 Ziff. a nur dann als Enteignungsgrundlage dienen können, wenn sie i n Fluchtlinien- oder Bebauungsplänen ausgewiesen sind. Konkrete Zweckbestimmungen enthält schließlich auch § 6 Abs. 3 S. 1 dergestalt, daß zugunsten der Gemeinde Gelände zur Wiederbebauung oder Baureifmachung enteignet werden darf. Bei allen i m Baulandbeschaffungsgesetz enthaltenen Enteignungsformen kumulieren somit konkrete und infolge der Allgemeingeltung von § 1 Abs. 1 für alle Enteignungsvorgänge dieses Gesetzes114 generell gehaltenere Zweckbestimmungen. Die vom Einsatz der rechtstechnischen Modalität „Planung" ausgehende gesteigerte Konkretisierung der Zwecke ist zwar i m Baulandbeschaffungsgesetz noch nicht umfassend durchgeführt — sie ist hier noch auf die Enteignungsmöglichkeiten des § 2 Ziff. a und b begrenzt —, signalisiert aber bereits eine Tendenz, die bei der Untersuchung der konkreten Enteignungszwecke zunehmend breiteren Raum einnehmen wird 1 1 5 . Es ist jedoch nicht allein der Dualismus von Konkretheit und Allgemeinheit i n den Zielprojektionen, der aufschlußreich für die Analyse der transitorischen Enteignung ist. Auch von der inhaltlichen Substanz 114 Die Streitfrage, ob die drei Gesetzesziele des § 1 B a u L B G k u m u l a t i v bei jeder Enteignung gegeben sein müssen, w i e der W o r t l a u t des Abs. 2 „zu diesem Zweck" anzudeuten scheint, oder aber alternativ nebeneinander stehen, k a n n hier auf sich beruhen, da alle Zwecke ihrem Charakter nach sozialreformatorisch ausgerichtet sind; vgl. dazu Dittus / Zinkahn, S. 64. 115 I m Bundesbaugesetz als der umfassenden dem B a u L B G zeitlich nachfolgenden städtebaulichen Regelung gehört die Planung dann zum gesicherten Bestandteil des rechtlichen Instrumentariums. A u f den Zusammenhang, der zwischen verstärkter Planung u n d vermehrter Enteignung besteht, weist Schulte, S. 94 hin.
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der verschiedenen Zwecke ergeben sich Anhaltspunkte, die für die nähere Qualifizierung der transitorischen Enteignung bedeutsam sind. Sie sind i n den vorausgehenden Untersuchungen zu anderen gesetzlichen Erscheinungsformen transitorischer Enteignung teilweise bereits angesprochen worden und sollen hier, am Beispiel der Enteignung zugunsten der Gemeinden i n ihrer Ausgestaltung i m Baulandbeschaffungsgesetz näher betrachtet werden. A l l e i n § 1 Abs. 1 BauLBG aufgezählten Gesetzesziele, die bei jedem Enteignungsvorgang zu verfolgen sind, lassen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte sozialpolitische Tendenz 116 erkennen. Bezüglich der Zweckbestimmung „Förderung des Wohnungsbaues" ergibt sich die Berechtigung dieser Feststellung aus der bereits geschilderten entstehungsgeschichtlichen Gesamtlage des Gesetzes, i n der die Verringerung der Wohnungsnot als eine sozialpolitische Aufgabe ersten Ranges 117 angesehen wurde. Auch i m Anliegen der zweiten Zielrichtung innerhalb von § 1 Abs. 1 „Verbindung breiter Volksschichten m i t dem Grund und Boden" w i r d die sozialpolitische Komponente, die das Gesetz insoweit verfolgt, klar erkennbar. Die Betonung der Bodenverbundenheit sowie die gesetzliche Anerkennung der kultur-, Persönlichkeits- und gemeinschaftsfördernden Funktion des Bodeneigentums sind Ausdruck sozialpolitischer Wertvorstellungen, wie sie bei allen bodenrechtlich relevanten Gesetzentwürfen aus dem Kreis der CDU/CSU-Fraktion vertreten wurden 1 1 8 und auch auf deren Betreiben i m Baulandbeschaffungsgesetz Eingang gefunden haben 119 . Die Zweckbestimmung „Verbindung breiter Volksschichten m i t dem Grund und Boden" reicht jedoch über die Schaffung der Voraussetzungen realer Freiheit für den einzelnen und die damit zusammenhängenden gesetzlichen Wertvorstellungen hinaus. Hierin liegt auch eine den Grund und Boden betreffende „ideologische" Ausrichtung, nämlich die breite Streuung von Eigentum vornehmlich m i t M i t t e l n des Wohnungsbaues. Damit w i r d gesetzgeberisch an Vorstellungen angeknüpft, die i n gleicher oder ähnlicher Weise für die erste Bodenreformbestrebung kennzeichnend waren. I n der durch Neubegründung von Eigentumsrechten bewirkten Vermehrung der Zahl der Eigentumsträger offenbart sich eine bei jedem Eigentumsentzug mögliche dialektische Sichtweise: Förderung der Eigentumsbildung auch unter Zuhilfenahme der rechtlich vorgesehenen Eigentumsentzugs118
So auch Schmidt-Aßmann, S. 219. Vgl. Dittus / Zinkahn, § 1 B a u L B G , I I , Rdnr. 3, S. 65. 118 Vgl. vorne die Fußnote Einleitung 33; sowie den E n t w u r f eines Gesetzes der Bundestagsfraktion der CDU/CSU v o m 5.6.1951 (Abgeordneter Lücke u n d Genossen) zur Beschaffung von Bauland — Bundestagsdrucksache, 1. Wahlperiode 1949, Nr. 2300. 119 Dazu Dittus / Zinkahn, § 1, I I . Rdnr. 4, S. 65. 117
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möglichkeiten, oder m i t anderen Worten, Stärkung der Eigentumsgarantie bzw. deren institutsrechtlicher Seite zu Lasten der individualrechtlichen Komponente der Eigentumsgarantie 120 . Der i n dieser Zweckbestimmung zum Ausdruck kommende gesellschaftspolitische Gestaltungswille des Staates, der sich aus dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit 121 legitimiert, setzt sich, wenn auch mit anderer Gewichtung, i n der dritten Zweckbestimmung des § 1 Abs. 1 BauLBG fort; hier ist davon die Rede, daß Gelände nur „ i m Rahmen einer geordneten Bebauung" beschafft werden kann. Der Begriff „geordnete Bebauung", dem neben der bauplanerischen auch eine bauordnungsrechtliche Komponente eignet, ist hier nach Entstehungsgeschichte und systematischer Anordnung 1 2 2 i m Sinne des Planungsrechts zu verstehen. Das hierin sichtbar werdende gesetzgeberische Bemühen, planerische Erwägungen bei jeder hoheitlichen Inanspruchnahme von Grundstücken zum Zwecke der Bebauung zur Geltung zu bringen, trägt einmal der Tatsache Rechnung, daß dieses Gut knapp und nicht reproduzierbar ist, folgt zum anderen aber auch aus dem Defizit, daß nicht i n jedem Enteignungsfalle nach diesem Gesetz die Aufstellung eines raumordnenden Planes vorausgesetzt ist. Obgleich die Substitutionsfunktion, die § 1 Abs. 1 BauLBG insoweit erfüllt, nicht unterschätzt werden soll, ist unverkennbar, daß hierin nicht seine Hauptbedeutung liegt. Sie ist i n der gesetzgeberischen Entscheidung für eine bewußte Gestaltung der bebauten Umwelt zu suchen, die bereits beim hoheitlichen Zugriff auf Grund und Boden beginnen muß. I n der hoheitlichen Gestaltung der sozialen Wirklichkeit i m Zusammenhang m i t dem Entzug von Grund und Boden liegt das die drei Zweckbestimmungen des § 1 Abs. 1 BauLBG verbindende Element 1 2 3 . Die gesellschaftspolitischen Anliegen haben zwar jeweils eine unterschiedliche Ausprägung — Verbesserung der gemeindlichen Infrastruktur, Umverteilung des Bodeneigentums i m kommunalen Bereich, Grundstückszuteilung nach raumplanerischen Gesichtspunkten — i n ihrer Struktur als positive, den Eigentumsentzug bestimmende Zwecke stim120
Dieser Zusammenhang w i r d i n der Rechtsprechung des Schweizer B u n desgerichts wiederholt hervorgehoben; vgl. BGE 88 I 248 ff.; 90 I 29 ff.; 92 I 503 ff.; 93 I 130 ff.; Saladin, Grundrechte i m Wandel, 2. Aufl., S. 122 f.; zweifelnd Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, S. 453 m i t Hinweis auf BGE 37 I 503 (520 f.). 121 Z u m Begriff vgl. Sauter , A r t . Gerechtigkeit, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 820; Stern, A r t . Sozialstaat, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 24101; ders., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 711; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl., A r t . 20 Rdnr. 157; Maunz, Deutsches Staatsrecht, 22. Aufl., S. 76 f. 122 So Dittus / Zinkahn, S. 67; vgl. auch BVerfGE 3, 407 (423—428). 123 Vgl. Dittus / Zinkahn, S. 64.
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men sie alle überein. Damit verzichtet das Baulandbeschaffungsgesetz ganz bewußt auf negative, den Eigentumsentzug i n der Person des verlierenden Teils bisweilen kennzeichnende Beimischungen und enthält sich auch sonst jeder polemischen Bezugnahme auf die an Grund und Boden bestehenden Eigentumsverhältnisse. I n der darin liegenden grundsätzlichen Respektierung des vermögensrechtlichen status quo — jedenfalls soweit dies i m Rahmen der Aufgabenstellung eines Enteignungsgesetzes überhaupt möglich ist, offenbart sich zweierlei: Das Institut der Enteignung i m Baulandbeschaffungsgesetz bewirkt trotz des Eingriffs i n die Güterverteilung keine Dynamisierung 1 2 4 der Eigentumsordnung. Die zu einer Dynamisierung der Eigentumsordnung tendierenden sozialreformatorischen Gesetzeszwecke des § 1 Abs. 1 BauLBG sind eingebunden i n die Enteignungszwecke i m engeren Sinne (§ 2 a—d) und nur i m Zuge der Erreichung dieser Zwecke zu verfolgen. Das Bemühen des Gesetzgebers u m Rechtsstaatlichkeit, das hierin aber unter anderem auch i n der Abwendungsbefugnis des Eigentümers nach § 7 BauLBG und i n der Subsidiarität der Enteignung gegenüber Formen des freihändigen Rechtserwerbs (§ 5 BauLBG) seinen Ausdruck gefunden hat, durchzieht die gesamte gesetzliche Regelung und legt Zeugnis ab, i n welchem Maße unter der Geltung des Grundgesetzes die Enteignungsgesetzgebung zur Rechtsstaatlichkeit zurückgefunden hat. 5. Das Bundesbaugesetz
M i t dem Erlaß des Baulandbeschaffungsgesetzes ist zur Lösung der aktuellen städtebaulichen Probleme nur ein Teilbeitrag geleistet worden. Dem Gesetzgeber war bewußt, daß m i t dem Versuch einer Regulierung des Bodenmarktes nur ein erster, wenn auch vordringlicher Schritt gemacht war 1 2 5 . Die umfassende Regelung des gesamten Städtebaurechts, die vom Bundestag i n seiner Entschließung vom 28. 3.1950 gefordert worden war 1 2 6 , duldete keinen Aufschub und wurde vor allem, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern gutachtlich geklärt hatte 1 2 7 , vom Bund i m Bereich des Planungsrechts durch Einsetzung von mehreren Gutachterkommissio124 Sie ist ein Kennzeichen der sozialen Umschichtung; so Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 365, 370; ders., i n : Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 320. 125 Vgl. Fritz Werner, Das Baulandbeschaffungsgesetz, DVB1. 1954, 44; Pathe, Das Baulandbeschaffungsgesetz, N J W 1953, 1285; Zinkahn, i n : E r n s t / Z i n k a h n / B i e l e n b e r g , Bundesbaugesetz, Bd. 1, Einleitung, Rdnr. 43; Dittus/ Zinkahn, Einleitung, S. 36. ΐ2β v g l Zinkahn, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Einleitung, Rdnr. 43. 127
Vgl. BVerfGE 4, 307.
4 Frey
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nen 1 2 8 vorbereitet. Es spricht jedoch für den hohen Schwierigkeitsgrad der zu regelnden Materie und die Uneinheitlichkeit der hierüber bestehenden politischen Wertvorstellungen, daß zwischen der Vorlage der ersten ausführlichen gutachterlichen Stellungnahme (Weinheimer Gutachten) 129 und dem Erlaß eines Bundesbaugesetzes ein Zeitraum von acht Jahren liegt. M i t dem am 29. 6.1960 verkündeten Bundesbaugesetz, dessen Regelungen entsprechend der Vorschrift des § 189 Abs. 1 erst nach vier Monaten bzw. einem Jahr i n K r a f t traten, lag erstmals eine den gesamten städtebaulichen Bereich umfassende Kodifikation vor. Von ihr wurde auch das Baulandbeschaffungsgesetz abgelöst, das infolge seines interimistischen Charakters eine nur sehr behelfsmäßige Ordnung auf dem Baubodenmarkt zu bewirken vermochte 130 . Die normativen Wirkungen des neuen Bundesbaugesetzes auf den gesamten Grundstücks-, Bau- und Bodenmarkt erfüllten jedoch angesichts der sich rasch wandelnden Verhältnisse nicht die i n sie gesetzten Erwartungen 1 3 1 , so daß bereits nach vergleichsweise kurzer Geltungsdauer 1 3 2 Novellierungswünsche laut wurden. Da diese sich aber i n erster Linie auf Angelegenheiten bezogen, die Gegenstand von städtebaulichen Sonderbereichen sind, war es folgerichtig, daß ihre rechtliche Behandlung einem städtebaurechtlichen Sondergesetz vorbehalten blieb und nicht i n das allgemeine Städtebaurecht übernommen wurde. M i t dem am 1.8.1971 i n K r a f t getretenen Städtebauförderungsgesetz wurde dieser Entwicklung Rechnung getragen. Die m i t diesem Gesetz gemachten Erfahrungen, die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung des städtebaurechtlichen Instrumentariums, aber auch die Unzulänglichkeiten, die partiell bei dem nun schon fast 15 Jahre alten Bundesbaugesetz unübersehbar geworden waren 1 3 3 , veranlaßten die Bundesregierung dazu, am 128 v g l Forsthoff, Grapengeter u. a., Weinheimer Gutachten v o m 30. 4.1952; Gutachten der Deutschen Akademie f ü r Städtebau u n d Landesplanung vom J u n i 1952; Vorschlag des Zentralverbandes der Haus- u n d Grundbesitzer zu einem Gesetz über die Neuordnung des Bodens u n d der Bebauung (Städtebaugesetz) aus dem Jahr 1952; Gutachten des Arbeitskreises „ B a u - u n d Bodenrecht des Deutschen Volksheimstättenwerks v o m M a i 1953; dazu Zinkahn, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Einl. Rdnr. 44. 129
Das Gutachten w u r d e am 30. A p r i l 1952 erstattet. So Zinkahn, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Einl. Rdnr. 43. 131 Dies g i l t vor allem f ü r ein i n der Begründung zur Regierungsvorlage (BT-Drucks. III/336, S. 57) hervorgehobenes Ziel: Erhöhung der Funktionsfähigkeit des Baubodenmarktes u n d die Schaffung der Voraussetzungen für eine gerechte Bodenpreisbildung; vgl. Zinkahn, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Bd. 1, Einl. Rdnr. 51, 63; Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, Komm., Β Einl. Rdnr. 16, 19. 132 Bereits M i t t e 1960 begannen i m zuständigen Bundesministerium die Arbeiten an einem Sanierungs- bzw. Stadterneuerungsgesetz; vgl. Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, Β Einl. Rdnr. 27. 130
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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29. 4.1974 184 den E n t w u r f eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugesetzes zu beschließen und i n das parlamentarische Beratungsverfahren zu geben. Nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens wurde dazu am 20. 5.1976 vom Deutschen Bundestag 135 und am 17. 6.1976 vom Bundesrat 186 zustimmend Beschluß gefaßt. Das aufgrund der Novelle neu bekanntgemachte Bundesbaugesetz vom 18. 8.1976 ist am 25. 8.1976 verkündet worden 1 3 7 . Die Änderungen sind am 1.1.1977 i n K r a f t getreten 1 3 8 . I m Gegensatz zu anderen Teilen des Gesetzes, die tiefgreifende Veränderungen erfahren haben, ist der die Enteignung regelnde fünfte Teil des Bundesbaugesetzes von gravierenden Eingriffen weitgehend verschont geblieben 139 . Als Gegenstand der Enteignung kommen wie bisher nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BBauG nur Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte i n Betracht 140 . Diese können ihrem Inhaber zur Erreichung von Zwecken entzogen werden, die das Gesetz i n § 85 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BBauG näher umschreibt. Neben die Ersatzland- und Ersatzrechtsenteignung treten Zwecke, die i n erster Linie das Ziel einer plangemäßen Nutzung bzw. Nutzungsvorbereitung sowie die baurechtsgemäße Nutzung oder Nutzungsvorbereitung von Grundstücken i m unbeplanten Innenbereich verfolgen. Neu i n den Katalog der Entscheidungszwecke aufgenommen wurde die Erhaltungsenteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 5 BBauG. Begünstigter eines zur Erreichung der vorbezeichneten Zwecke durchgeführten Enteignungsverfahrens ist entweder ein privater A n tragsteller oder i m allgemeinen die Gemeinde. Soll jedoch durch die Enteignung ein Grundstück für die bauliche Nutzung vorbereitet oder der baulichen Nutzung zugeführt werden, kommt nach § 87 Abs. 3 BBauG nur die Gemeinde als Begünstigte i n Betracht. I h r ist es für diese, den Gegenstand der weiteren Betrachtung bildenden Fälle, gemäß § 89 Abs. 1 BBauG zur Pflicht gemacht, die enteignete Sache an private Nutzungswillige zu veräußern, die sich dadurch aus133 Vgl. Schlichter, i n : Schlichter / Stich / Tittel, B B a u G - K o m m . § 1 Rdnr. 1, S. 146; Heizer / Ο estreicher, Bundesbaugesetz I 5 a) S. 4; Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, Rdnr. 19. 134 Vgl. Bielenberg, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Einl. Rdnr. 83; Bielenberg / Dyong, Das neue Bundesbaugesetz, 2. A u f l . T e i l Β , I, Rdnr. 1, S. 203. 135 Vgl. BT-Drucks. 7/5204. 136 Vgl. BR-Drucks. 355/76. 137 B G B l . I, S. 2256. 138 Vgl. § 189 BBauG. 139 Lediglich § 89 B B a u G mußte sich erhebliche Änderungen gefallen lassen, da er an die Vorschriften des S t B F G angepaßt w u r d e ; vgl. Bielenberg ! Dyong, Rdnr. 257, 260. 140 § 86 Abs. 1 Nr. 5 B B a u G a. F. w u r d e i m H i n b l i c k auf das Abbruchgebot des § 39 d B B a u G gestrichen.
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zeichnen müssen, daß sie die plangemäße bzw. planersatzgemäße bauliche Nutzung innerhalb angemessener Zeit zu gewährleisten vermögen 141 . Die hier i n §§ 85 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, 87 Abs. 3, 89 Abs. 1 und Abs. 2 BBauG zum Vorschein kommende enteignungsrechtliche Konstellation weist schon dem ersten Anschein nach starke Ähnlichkeit mit den als transitorische Enteignung bezeichneten gesetzlichen Erscheinungsformen auf. Eine Betrachtung der verfahrensrechtlichen Stationen, welche das enteignete Grundstück durchläuft, bestätigt diesen Befund: Ausgangs- und Bezugspunkt des gesamten Verfahrens ist die Trägerschaft von Bodeneigentum i n privater Hand. Die dazwischengeschaltete hoheitliche Rechtsposition der Gemeinde ist vorübergehender Natur 1 4 2 und auch von den zu verwirklichenden Aufgaben her eingeschränkt 143 . Hervorzuheben ist weiterhin, daß der Rechtsverlust kraft Hoheitsrechtes eintritt, während der Rechtserwerb beim letztlich Begünstigten aufgrund privaten Rechts erfolgt 1 4 4 . Als Person ist der am Enteignungsverfahren nicht förmlich teilnehmende Letztbegünstigte bei Einleitung und Durchführung der Enteignung noch unbekannt, sozialtypologisch ist er aber gesetzlich schon bestimmt. Vom Verfahrensablauf entspricht die hier untersuchte Enteignung des Bundesbaugesetzes i n allen Punkten den als Muster transitorischer Enteignung bereits vorgestellten gesetzlichen Erscheinungsformen. Eine Entsprechung i n bezug auf die Zwecksetzung verlangt die Festlegung von zwei unterschiedlich strukturierten Zweckarten i m Bundesbaugesetz: den konkreten Enteignungszwecken als Verwaltungszwecken und den sozialgestaltenden, auf eine Neuverteilung des Bodeneigentums abzielenden Zwecksetzungen. Die i n § 85 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BBauG erwähnten Enteignungszwecke legen eine derartige Differenzierung nicht nahe, denn i n beiden Fällen geht es um Nutzung bzw. Nutzungsvorbereitung einmal i m Planungsbereich und zum anderen i m unbeplanten Innenbereich. Da jedoch § 85 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 die inhaltliche Ausgestaltung der Enteignungszwecke dem Plan bzw. der als Planersatz dienenden umgebenden Bebauung überläßt, ist die weitere Präzisierung der Enteignungszwecke m i t Hilfe der Vorschriften über den Inhalt des Bebauungsplanes bzw. von § 34 BBauG zu erreichen. 141 Die bisher i n § 89 Abs. 3 B B a u G a. F. enthaltene Frist von zwei Jahren wurde aufgegeben. 142 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 89, Rdnr. 13, 14. 143 Dies folgt aus der Sperrklausel „ n u r " i n § 85 Abs. 1 B B a u G ; dazu Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 85, Rdnr. 5—7. 144 F ü r den E r w e r b g i l t ein gestuftes Verfahren. Der Bewilligungsbescheid zwischen Gemeinde u n d Erwerber ist öffentlich-rechtlich, das Vollzugsgeschäft ist privatrechtlich geregelt; vgl. Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 89 Rdnr. 32; Β GHZ 58, 386 ff.
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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Was zunächst den Enteignungsfall des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG angeht, so w i r d er durch §§ 1 Abs. 6 und 9 Abs. 1 BBauG konkretisiert 1 4 5 . § 1 Abs. 6 BBauG enthält eine Vielzahl von Aufgaben, deren sich die Bauleitplanung annehmen soll. Sie decken ein weites Spektrum öffentlicher Belange ab und dienen der städtebaulichen Entwicklung ebenso wie einer sozial gerechten Bodennutzung und der Sicherung einer menschenwürdigen Umwelt 1 4 6 . I n diesem weit gezogenen Rahmen planerischer Gestaltung findet unter anderen Gesichtspunkten die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung ausdrückliche Erwähnung 1 4 7 . Damit w i r d eine Aufgabe von hohem gesellschaftspolitischen Rang 148 zur Aufgabe der Bauleitplanung gemacht, deren Verwirklichung das Rechtsinstitut der Enteignung dient. Diesem w i r d somit auch i m Bundesbaugesetz die Realisierung eines Zweckes übertragen, der sich von den traditionellen Enteignungszwecken unterscheidet und sowohl i n diesem strukturellen Gesichtspunkt als auch von der Sache sich völlig deckt m i t den i m Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetz enthaltenen bodenpolitischen Neuordnungsvorstellungen 149 . Die Festsetzungen der Bauleitplanung als materielle Grundlage der Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG enthalten daneben aber auch eine Vielzahl von konkreten, das Bauvorhaben von seiner bauplanerischen Seite bestimmende Richtpunkte i n § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 22 BBauG. Alle diese Gründe sind, soweit sie zum Bestandteil eines Bebauungsplanes gemacht wurden, ebenfalls materielle Voraussetzungen der Zulässigkeit der Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG 1 5 0 . Das Bundesbaugesetz verbindet erstmals Zwecksetzungen, die sich i n einem konkreten Einzelvorhaben erschöpfen, m i t der großen Reformforderung der Bodenreformer nach einer Umverteilung m i t dem Ziel breiter Streuung des Bodens und erklärt beide zu Inhalt und Aufgabe der Bau145 Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 85 Rdnr. 17—20; Stich, i n : Schlichter / Stich / Tittel, § 85, Rdnr. 3—6. 148 So Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 1, Rdnr. 168 bis 172. 147 § 1 Abs. 6 Nr. 7 B B a u G ; dazu Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 1, Rdnr. 225—227 a. 148 Diese Aufgabe ist ein materieller Richtpunkt der Bauleitplanung u n d kein unverbindlicher Leitsatz; so auch Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 1, Rdnr. 227 a. 149 Der Auffassung von Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Vorbem. §§ 85—122, Rdnr. 4, wonach die bodenreformerischen Bewegungen nach 1918 u n d 1945 auf die transitorische Enteignung des B B a u G nicht gew i r k t haben, k a n n nicht v o l l beigepflichtet werden. Dies t r i f f t n u r zu auf die Bodenreform nach dem 2. Weltkrieg, nicht aber auf die erste Bodenreform, die m i t der zweiten nicht v i e l mehr als den Namen gemeinsam hat. I h r e Rolle als Instrument der Eigentumspolitik hat die Enteignung seit dieser Zeit u n d auch i m B B a u G beibehalten. 150 So Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Vorbem. §§ 85 bis 122, Rdnr. 5.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
leitplanung. Diese w i r d ohne weitere Differenzierung zur materiellen Voraussetzung der Enteignung gemacht und so das Bewußtsein für die strukturelle Besonderheit zulässiger Enteignungsgründe getrübt. Andererseits w i r d hiermit aber auch eindeutig klargestellt, daß der auf die Umverteilung des Bodens sich richtende Zweck ebenso enteignungsauslösend ist, wie die einzelnen Sachzwecke 151 , was nach der Konstruktion der als Beispielsfälle transitorischer Enteignung vorgestellten gesetzlichen Regelungen als noch nicht i n letzter Konsequenz gesichert gelten konnte. Aufgrund dieser Rechtslage reduziert sich i m Falle von § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG die Bedeutung des § 89 Abs. 1 BBauG auf eine V o l l zugssicherung für den sozialen Umverteilungszweck. Seine Bedeutung für die transitorische Enteignung w i r d jedoch hierdurch nicht geschmälert; vielmehr w i r d dadurch bewiesen, daß i m Rahmen dieser besonderen Enteignungsform die Verwirklichung des Umverteilungszweckes auf ein besonderes Verfahren angewiesen ist und daß es sich bei §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 87 Abs. 3, 98 Abs. 1 BBauG u m einen derartigen Entscheidungsfall handelt 1 5 2 . Die Kennzeichnung von § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG als einen Fall transitorischer Enteignung bedarf dagegen noch der Prüfung. I n gleicher Weise wie § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG w i r d dieser Enteignungstatbestand von dem Zweck beherrscht, Grundstücke baulich zu nutzen bzw. deren Nutzung vorzubereiten 153 . Die hier angesprochenen Grundstücke liegen jedoch i m unbeplanten Innenbereich, wo die materiellen Vorgaben der baulichen Nutzung wesentlich unpräziser ausfallen, als i m Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes. Materieller Bezugsrahmen für die Nutzung bzw. Nutzungsvorbereitung nach § 85 Abs. 1 und 2 BBauG ist ausschließlich die Faktizität der innere örtlichen Bebauung bzw. baulichen Nutzung. Auch ein nicht qualifizierter Bebauungsplan, der nach § 34 BBauG den vorstehend genannten Bezugsgrößen vorgeht, findet wegen des Vorranges der Planakzessorietät nicht i n der Vorschrift des § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG, sondern i n § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG Berücksichtigung 154 . Die aus dem Maßstab der umgebenden Bebauung bzw. baulichen Nutzung zu gewinnenden Bestimmungskriterien zeichnen sich durch ihre Konkretheit und Sachbezogenheit aus und entsprechen i n jeder Hinsicht den an Enteignungszwecke zu stellenden Anforderungen. Anhaltspunkte und Kriterien für die Umverteilung von Grundstücken können dieser Vorschrift aber nicht 151 Diesen Begriff zur Kennzeichnung der Enteignungszwecke benutzt Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 323. 152 Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 217 f.; ders., i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Vorbem. §§ 85—122, Rdnr. 4. 153 I m Gegensatz zu § 85 Abs. 1 Nr. 1 B B a u G findet hier die Zweckkonkretisierung i n einem n u r zweistufigen Verfahren statt; vgl. Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 85, Rdnr. 3. 154 So Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 85, Rdnr. 27; a. A . Pohl, Kohlhammer-Kommentar, § 85 A n m . 3 a, Abs. 1 Nr. 2.
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entnommen werden, so daß es an der für die transitorische Enteignung typischen Zweckkombination zu fehlen scheint. Dieser Eindruck täuscht, denn der auf eine Neuordnung des Bodens abzielende Zweck w i r d i n § 89 Abs. 1 und Abs. 2 BBauG bereitgehalten. Er steht n u n allerdings unverbunden neben den i n § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG genannten Zwecken und entspricht insofern formell dem Muster der schon bekannten transitorischen Enteignungstatbestände. I n seinem materiell-rechtlichen Gehalt weicht er nicht unwesentlich von diesen Mustern ab und enthält eine Reihe von bemerkenswerten Besonderheiten. So unterliegen keineswegs alle enteigneten Grundstücke der Verteilung. Davon ausgenommen sind Grundstücke, die für öffentliche Zwecke oder für beabsichtigte städtebauliche Maßnahmen als Austauschland oder zur Entschädigung i n Land benötigt werden 1 5 5 . Angesichts des heute bestehenden gesteigerten Bodenbedarfs für öffentliche Zwecke folgt daraus eine nicht unwesentliche Verringerung der Verteilungsmasse. Da hiervon die früheren Eigentümer bevorzugt zu berücksichtigen sind 156 , t r i t t eine abermalige Schmälerung der Substanz ein, die dann unter Berücksichtigung weiter Kreise der Bevölkerung zur Umverteilung gelangt. Der Effekt derartiger Umverteilungsmaßnahmen w i r d naturgemäß gering sein, denn die durch eine Baulückenenteignung erfaßten, i n aller Regel schon bescheiden dimensionierten Flächen lassen nach Abzug der einer Verteilung nicht unterliegenden Positionen keine nachhaltige Veränderung der Verteilungsverhältnisse erwarten. Trotz dieser geringen praktischen Bedeutung enthält auch § 85 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 87 Abs. 3, 89 Abs. 1 und Abs. 2 BBauG einen Fall von transitorischer Enteignung 1 5 7 , denn vom Verfahren, wie von der Zweckausrichtung entsprechen diese Vorschriften dem schon bekannten Erscheinungsbild. Da nur diese Merkmale für den juristischen Begriff bestimmend sind, kann es auf die faktische Tragweite und die praktische Bedeutung einer einzelnen Zweckkomponente nicht entscheidend ankommen. Ebenso wenig ist deshalb die Rechtsform von Belang, i n der die Gemeinde ihre Privatisierungsverpflichtung erfüllt, obgleich gesetzlich der bevorzugte Rang, der dem Erwerb von Volleigentum an Grundstücken zukommt 1 5 8 , anerkannt ist. 155
Die alte Fassung sah vor, daß sämtliche nach § 87 Abs. 3 B B a u G e r w o r benen Grundstücke zu veräußern seien. Die Neufassung von § 89 B B a u G folgt § 25 StBFG, der als Vorlage gedient hat; vgl. Bielenberg ί Dyong, Rdnr. 260. 158 Vgl. § 89 Abs. 2 S. 2 BBauG. 157 So Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 89, Rdnr. 2. 158 Gemäß § 89 Abs. 3 S. 2 B B a u G hat die Gemeinde den Wünschen des zu berücksichtigenden Personenkreises Rechnung zu tragen. W i r d von diesem
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I.Teil: Der neue Enteignungstypus
Eine zusammenfassende Würdigung der i m Bundesbaugesetz enthaltenen transitorischen Enteignungstatbestände auch unter Berücksichtigung der durch die Novelle geschaffenen Hechtslage hat festzuhalten, daß die Enteignung zu einem M i t t e l der Planverwirklichung 1 5 9 geworden ist; diese steht i m Vordergrund und erteilt der Enteignung ihre Aufgabe. Damit treten die Enteignungszwecke als zwar i m Plan enthalten, aber doch durch die Gesamtentscheidung des Planes überformt zurück, wodurch die von der Zweckbestimmung ausgehenden, für die Zulässigkeit der Enteignung maßgeblichen Konturen verwischt werden 1 6 0 . Besondere Bedeutung gewinnt diese Feststellung für die Fälle transitorischer Enteignung, da diese erst durch die Kombination strukturell unterschiedlicher Verfahrenszwecke begrifflich konstituiert wird. Enteignungsrechtlich ist hieraus die Forderung abzuleiten, daß auf die Übereinstimmung der Planfestsetzungen m i t dem enteignungsrechtlichen Gemeinwohlerfordernis bereits i m Zeitpunkt der Planaufstellung sorgsam geachtet wird. Weiterhin zeigt die i n einem allgemeinen Städtebaugesetz enthaltene Forderung nach Eigentumsbildung breiter Kreise der Bevölkerung an, welch einen hohen Grad der Dynamisierung das Eigentum erreicht hat, wenn es u m die Verfolgung sozialstruktureller Anliegen geht. Daß der Beitrag, den die transitorische Enteignungsregelung hierzu leistete, als vergleichsweise bescheiden eingeschätzt werden kann, hängt nicht nur m i t der Subsidiarität der Enteignung 1 6 1 zusammen, sondern auch damit, daß die Enteignungstatbestände, wie z. B. § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG, nur relativ klein dimensionierte Flächen erfassen und auch hiervon wiederu m nur ein Teil für die Umverteilung zur Verfügung steht 162 .
Volleigentum gewünscht u n d ist solches i n ausreichendem Maße vorhanden, dann ist wieder Volleigentum auszugeben. 159 So Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 100; Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Vorbem. §§ 85—122, Rdnr. 5. ιβο v g l . Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, S. 474; Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 218 m. w. N. 161 Sie ist bereits verfassungsrechtlich festgelegt u n d w i r d damit i n § 87 Abs. 1 B B a u G n u r m i t deklaratorischer W i r k u n g wiederholt. Z u r Subsidiarität der Enteignung vgl. BVerfGE 24, 404 f.; Kimminich, Bonner Kommentar, A r t . 14, Rdnr. 277. 162 Die vergleichsweise bescheidene Rolle, die die Enteignung für die städtebauliche Praxis spielt, g i l t allgemein u n d nicht n u r f ü r den Enteignungstatbestand des § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG. Die F u n k t i o n der Enteignung als „fleet i n being" ist damit unverkennbar; vgl. D. Münch, Grundstücksenteignungen i n deutschen Städten, G W W 1969, 323 f.; Hoppe, i n : Ernst / Hoppe, OffBauBoR, Rdnr. 651.
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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6. Das Städtebauförderungsgesetz
I n diesen Besonderheiten des Bundesbaugesetzes lagen jedoch nicht die Gründe dafür, daß bereits sehr kurze Zeit nach seinem Inkrafttreten Überlegungen i n Gang kamen, wie das gerade verabschiedete Gesetz verbessert werden könnte 1 8 3 . Ausgangspunkt der Diskussion war die Frage, ob i m Bundesbaugesetz eine abschließende Regelung für die städtebauliche Sanierung enthalten sei. Die i n den parlamentarischen Beratungen zum Bundesbaugesetz vorherrschenden, wenig differenzierenden Vorstellungen waren Grundlage für die Meinung, daß i n §§ 5, 26, 44 Abs. 1 S. 2, 59 Abs. 5, 86 Abs. 1 Nr. 5 BBauG a. F. die Grundziele des Sanierungsrechts abschließend umschrieben seien und somit ein Raum für landesrechtliche Regelungen nicht mehr verblieben sei 184 . Lange konnte diese Vorstellung sich aber nicht halten, nachdem Einvernehmen darüber hergestellt war, daß für eine wirkungsvolle Beseitigung städtebaulicher Mißstände weniger die grundsätzlichen Zielsetzungen, als das Instrumentarium des Bundesbaugesetzes unzureichend waren 1 6 5 . Die rasche und wirksame Durchführung eines Sanierungsvorhabens schließt es aus, daß der Planvollzug der privaten Initiative überlassen bleibt. Sie gebietet den Einsatz öffentlicher M i t t e l und rechtfertigt es, daß ein planakzessorisches Instrumentarium m i t Baugebot, Modernisierungsgebot usw. bereitgestellt wird. U m dies zu v e r w i r k lichen, ohne dabei das nach zehn Jahren gerade zustande gebrachte Bundesbaugesetz ändern zu müssen 186 , fiel bereits 1961 i m zuständigen Bundesministerium der Entschluß m i t den Vorarbeiten an einem „Stadterneuerungsgesetz" zu beginnen. Die aus dem Vollzug des Bundesbaugesetzes alsbald gewonnenen Erfahrungen brachten Aufschluß darüber, daß diesem Gesetz auf dem Bodenmarkt kein nachhaltiger Einfluß beschieden sein würde 1 6 7 , daß vielmehr die Aufhebung der noch bestehenden Preisbindung und die Überlassung der Preisbildung an die Gesetzmäßigkeiten des Marktes 1 8 8 zu einer Verschärfung der bodenverkehrsrechtlichen Verhältnisse beigetragen hatte und das i n Vorbereitung befindliche Gesetz M i t t e l hiergegen bereitstellen mußte18®. Als solche sind zu nennen: Modifizierungen i m Bereich des Genehmi163
Vgl. Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, Einl. B, Rdnr. 6. Vgl. Bielenberg, Einl., Rdnr. 3—6. 185 Vgl. Bielenberg, Einl., Rdnr. 7—12. 188 So Bielenberg, Einl., Rdnr. 6. 187 Vgl. Bielenberg, Einl., Rdnr. 16—21. 188 Halstenberg, Städteerneuerung u n d Eigentumsordnung i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Städteerneuerung u n d Eigentumsordnung, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 21, 1963, S. 17 ff., 36 ff.; Ehrenforth, Die Problematik der Reform des Bodenrechts, S. 4—7; Bielenberg, Einl. B, Rdnr. 16—20. 189 Bielenberg, Einl. B, Rdnr. 96 ff. 164
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
gungsverfahrens, des Umlegungs- und Vorkaufsrechts, das neuartige gemeindliche Grunderwerbsrecht 170 , Abbruch-, Bau- und Modernisierungsgebote, Vorschriften über die Beendigung obligatorischer die Grundstücksnutzung betreffender Rechtsverhältnisse und nicht zuletzt ein gegenüber dem Bundesbaugesetz vereinfachtes Enteignungsverfahren 1 7 1 . Dieser Kanon gesetzlicher Möglichkeiten w i r d noch ergänzt durch ein abgestimmtes, limitiertes Entschädigungsrecht. N i m m t man dies alles zusammen und berücksichtigt weiter, daß dieses Instrumentarium nicht allein i m Bereich städtebaulicher Mißstände, also i m Sanierungsgebiet, sondern auch i n Bereichen neu zu entwickelnder Stadtteile, u m die der zunächst vorgesehene Geltungsbereich dieses Gesetzentwurfs seit 1964 erweitert worden war 1 7 2 , Anwendung finden sollte, so w i r d man der bedeutsamen Unterschiede i n der bodenpolitischen Konzeption i m Vergleich zum Bundesbaugesetz gewahr 1 7 3 . Bis diese Unterschiede, an denen die verschiedenen Wertvorstellungen der Bundestagsparteien besonders hart aufeinanderprallten 174 , aus dem Entwurfsstadium herausgetreten, i n Gesetzesform verfestigt und verabschiedet waren, vergingen ähnlich wie beim Bundesbaugesetz insgesamt zehn Jahre. A m 1. 8.1971 ist dann das Gesetz über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen i n den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz) i n K r a f t getreten 175 . Es enthält, wie aus seinem Namen schon deutlich wird, für förmlich bestimmte Sanierungs- und Entwicklungsgebiete geltendes örtlich, räumlich und zeitlich begrenztes Sonderrecht 17®. Für die vorliegende Untersuchung interessieren dabei i n erster Linie die spezifisch enteignungsrechtlichen Aspekte des neuen Gesetzes für den Sanierungs- und Entwicklungsbereich.
170 Vgl. hierzu Dyong, „Gemeindliches Grunderwerbsrecht" i m Sanierungsgebiet zugunsten der Gemeinde, Diss. Mainz, 1975, S. 9 ff. 171 Die wesentlichen Erleichterungen, die das S t B F G gebracht hat, sind durch die Novelle zum B B a u G v o m 18. 8.1976 größtenteils i n das allgemeine Städtebaurecht übernommen worden (§ 109 BBauG); vgl. dazu Bielenberg/ Dyong, Rdnr. 257—259, 270—275; Bielenberg, § 22 StBFG, Rdnr. 2. 172 Vgl. Bielenberg, Einl. B, Rdnr. 27. 173 Vgl. dazu Ernst, i n : Ernst / Hoppe, ö f f B a u B o R , Rdnr. 843—846. 174 So legte die F r a k t i o n der CDU/CSU i m Februar 1970 dem Bundestag einen eigenen E n t w u r f f ü r ein Städtebauförderungsgesetz vor (BT-Drucks. VI/434), nachdem die Regierungsvorlage am 2.1.1970 dem Bundesrat zugeleitet worden w a r (BR-Drucks. 1/70). Die Mehrheit der CDU/CSU-regierten Bundesländer rief wegen verschiedener bodenrechtlich bedeutsamer V o r schriften (§§ 23, 25, 54 Abs. 3) i m zweiten Durchgang den Vermittlungsausschuß an. Z u den Einzelheiten vgl. Bielenberg, Einl. B, Rdnr. 34—44. 175 BGBl. I, S. 1125. 178 Vgl. §§ 51, 63 StBFG; siehe dazu auch Gaentzsch, StBFG, Komm., 2. Aufl., S. 14—18.
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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a) Sanierungsbereich Sedes materiae der Enteignung i m sanierungsrechtlichen Teil des Städtebauförderungsgesetzes sind abgesehen von der i n § 18 StBFG enthaltenen enteignungsrechtlichen Substanz 177 die §§ 22, 25 Abs. 2 S. 2 StBFG. I n ihnen ist jedoch die enteignungsrechtliche Materie nicht abschließend geregelt, da das Städtebauförderungsgesetz gegenüber der einschlägigen Normierung des Bundesbaugesetzes ersichtlich nur Erleichterungen der Enteignungsvoraussetzungen enthält. Folgerichtig weist daher § 86 Abs. 1 S. 1 StBFG auf die ergänzend eingreifenden Vorschriften des Bundesbaugesetzes hin. Inwieweit eine Ergänzung danach erforderlich ist, w i r d die Durchsicht der enteignungsrechtlichen Besonderheiten des Städtebauförderungsgesetzes ergeben. Von diesen ist an erster Stelle § 22 Abs. 1 StBFG zu nennen, der i m Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung 1 7 8 zwingende städtebauliche Gründe, welche nach § 88 BBauG einen Verzicht auf die Enteignungsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 BBauG rechtfertigen, immer dann für gegeben ansieht, wenn ein i m förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenes Grundstück zugunsten der Gemeinde oder eines Sanierungsträgers (§ 22 Abs. 2 StBFG) enteignet werden soll. Ob m i t dem dadurch erreichten Verzicht auf die Bereitstellungspflicht von Grund und Boden durch die öffentliche Hand, der fehlgeschlagenen freihändigen Erwerbsbemühung und der Glaubhaftmachung zweckentsprechender Grundstücksnutzung i n angemessener Frist, rechtsstaatlich verzichtbare Voraussetzungen entfallen sind, kann an dieser Stelle unbeantwortet bleiben, denn m i t Sicherheit ist diese Maßnahme geeignet, das Entscheidungsverfahren wesentlich zu beschleunigen 179 . Das gilt u m so mehr, als nach § 109 Abs. 2 BBauG i. V. m. § 86 Abs. 1 StBFG m i t dem Verfahren bereits zu einem Zeitpunkt begonnen werden darf, i n dem noch kein rechtsverbindlicher Bebauungsplan vorliegt. N i m m t man die Verpflichtung hinzu, das Verfahren so voranzutreiben, daß der Enteignungsbeschluß m i t der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplanes ergehen kann (§ 109 Abs. 2 S. 2 BBauG), so w i r d i n der Addition dieser Maßnahmen erkennbar, i n welch weitem Umfang das Städtebauförderungsgesetz verfahrensmäßige Hürden abgebaut hat. Beachtenswert ist weiter, was i m Gesetz zur Notwendigkeit der Übertragung entzogener Rechte ausgesagt ist. Hierzu stellt § 25 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 5 StBFG fest, daß die Gemeinde oder der Sanierungsträger die aus dem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet erworbenen Grund177 Vgl. Dyong, „Gemeindliches Grunderwerbsrecht" i m Sanierungsgebiet zugunsten der Gemeinde, Diss. Mainz, 1975, S. 9—24. 178 So Bielenberg, § 22 C, Rdnr. 5. 179 Vgl. Bielenberg, § 22 C, Rdnr. 10.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
stücke m i t Ausnahme der für den Gemeinbedarf benötigten Flächen, zu veräußern hat, wenn keine Realentschädigung geleistet wurde. Da diese Verpflichtung für jeden Erwerbsvorgang gilt, erfaßt sie auch den Enteignungserwerb. Er ist gemäß § 25 Abs. 2 StBFG nach einer bestimmten Reihenfolge an private Nutzungswillige weiter zu übertragen, wobei die früheren Inhaber von Eigentums- und Nutzungsrechten, soweit sie i m Sanierungsgebiet entsprechende Rechtsverluste erlitten haben, bevorrechtigt sind. Dieser sog. Reprivatisierungsverpflichtung 180 nachgeordnet ist die Weiterveräußerungspflicht unter Berücksichtigung weiter Bevölkerungskreise, auch als Privatisierungspflicht bezeichnet 181 . Beiden Pflichten, die i n den parlamentarischen Beratungen des Gesetzes sehr kontrovers behandelt wurden 1 8 2 , kann die Gemeinde i n verschiedener Weise entsprechen. Entweder durch Verschaffung von Eigent u m durch Einräumung von Grundstücksnutzungsrechten, durch Einräumung von Mitglieds- oder Gesellschaftsrechten an einer als Eigentumsträger auftretenden juristischen Person oder durch Ausgabe von Immobilienfondszertifikaten 183 . I n ihrem Wert dürfen diese neu eingeräumten Rechtspositionen aber nicht höher liegen als das verlorene Recht ohne Berücksichtigung der Sanierung an Marktwert repräsentierte (§§ 25 Abs. 4, 23 Abs. 2 S. 1 StBFG). Eine Zusammenfassung der enteignungsrechtlichen Besonderheiten des Städtebauförderungsgesetzes gelangt daher zu folgendem Ergebnis: Geeignete Maßnahmen zur beschleunigten Abwicklung des Enteignungsverfahrens i n Verbindung m i t einer detaillierten Regelung über die Verteilung des Grund und Bodens nach Maßgabe des eingetretenen Rechtsverlustes an frühere Rechtsinhaber oder weite Kreise der Bevölkerung zu limitierten Preisen. Die sonstigen, die Enteignung vervollständigenden Normierungen, sind aufgrund der schon erwähnten Verweisungsvorschrift des § 86 Abs. 1 StBFG dem fünften Teil des Bundesbaugesetzes zu entnehmen. Davon interessiert i n erster Linie der die Enteignungszwecke beschreibende § 85 BBauG, da das Städtebauförderungsgesetz insoweit auf eine separate Regelung verzichtet hat. Von dem i n § 85 Abs. 1 BBauG ent180 Vgl. Bielenberg, § 25 C, Rdnr. 11; Gaentzsch, § 25, Rdnr. 1, S. 99; SchmidtAßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 256; Ernst, i n : E r n s t / H o p p e , öffBauBoR, Rdnr. 845; Lange / Vogel, StBauFG, § 25, Rdnr. 19. 181 Bielenberg, § 25 C, Rdnr. 29; Gaentzsch, § 25, Rdnr. 5, S. 100 f. 182 Vgl. Lange/Vogel, StBauFG, § 25, Rdnr. 19; Bielenberg, § 25 C, Rdnr. 11 bis 14; Gaentzsch, § 25, Rdnr. 1, S. 98; die Auseinandersetzung fand eine Neuauflage bei der Novelle zum BBauG, vgl. Bielenberg / Dyong, Rdnr. 260; Hoppe, i n : E r n s t / H o p p e , ÖffBauBoR, Rdnr. 651; Schmidt-Aßmann / Frenzel, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 89, Rdnr. 1. 183 Vgl. § 89 Abs. 3 Nr. 5 B B a u G i. V. m. § 25 Abs. 5 StBFG.
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haltenen, abschließenden Katalog von Enteignungszwecken eignen sich aber nicht alle für eine Übertragung auf die besonderen Verhältnisse des Städtebauförderungsgesetzes. So hat beispielsweise die Zwecksetzung des § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG hier außer Betracht zu bleiben, da das Städtebauförderungsgesetz keine unbeplanten Bereiche zuläßt 184 . Als Folge davon w i r d i m förmlich festgelegten Sanierungsbereich sowie i n den i n gleicher Weise festzulegenden Ersatz- und Ergänzungsgebieten i n erster Linie § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG als Enteignungszweck A n wendung finden. Die Zwecksetzungen des § 85 Abs. 1 Nr. 3—4 BBauG werden demgegenüber ebenso wie i m Bundesbaugesetz i n ihrer praktischen Bedeutung zurücktreten. Wenn aber i n den Sanierungs- bzw. Ersatz- und Ergänzungsgebieten die Enteignung überwiegend zu dem Zwecke stattfindet, u m die entzogenen Grundstücke plangemäß zu nutzen bzw. sie für eine derartige Nutzung vorzubereiten, dann unterliegen alle diese Enteignungsfälle der Prägung durch den Plan. Sein zulässiger Inhalt bildet die materielle Substanz der Enteignungszwecke, die sich m i t Hilfe eines dreistufigen Verfahrens 185 der Zweckkonkretisierung auf den Planinhalt zurückführen lassen. Die Enteignung i m städtebaulichen Sanierungsbereich entspricht somit von den materiellen Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit i n vollem Umfang der Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG 1 8 6 , so daß auf das vorne hierzu Ausgeführte voll inhaltlich Bezug genommen werden kann. Der durch die Verfahrenszwecke vermittelte starke Konnex zwischen der allgemeinen städtebaulichen Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG und dem Spezialtatbestand des § 22 Abs. 1 StBFG ist durch die Novelle zum Bundesbaugesetz, durch die auch das Städtebauförderungsgesetz geändert wurde, noch verstärkt worden 1 8 7 . Indem § 89 BBauG i n seiner heutigen Fassung der Regelung des § 25 StBFG angepaßt wurde, hat sich die Tendenz zu einer Harmonisierung beider Bereiche auch auf das Stadium von Privatisierung und Reprivatisierung erstreckt. M i t Hilfe des Planes sind die Sachzwecke der Enteignung mit dem sozialpolitischen Anliegen der Privatisierung innerhalb eines einheitlichen Verfahrensablaufs zusammengebunden, so daß die Übereinstim184
Vgl. Bielenberg, Einl. B, Rdnr. 85—94. Das S t B F G bedient sich i m Sanierungsbereich der gleichen Konkretisierungstechniken, die das Bundesbaugesetz i n § 85 Abs. 1 Nr. 1 B B a u G anwendet; vgl. dazu Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 85, Rdnr. 2. 186 So Bielenberg, § 22 C, Rdnr. 2; Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Vorbem. §§ 85—122, Rdnr. 14; Vogel, Planungsschäden, Enteignung u n d Härteausgleich, i n : D i t t u s / D y o n g u.a. (Hrsg.), Das neue Bundesbaugesetz, S. 22. 187 Die Besonderheiten des S t B F G beschränken sich auf folgende V o r schriften: § 22 Abs. 1 S. 1, 2; § 22 Abs. 1 S. 3; § 22 Abs. 2; § 23 Abs. 2; § 57 Abs. 3 StBFG. 185
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mung beider Enteignungstatbestände als fast lückenlos bezeichnet werden kann 1 8 8 . A l l e i n der Umstand, daß die gleichen Befugnisse, über die nach dem Städtebauförderungsgesetz die Gemeinde verfügt, auch einem Sanierungsträger zu Gebote stehen und jede Enteignung nach dem Städtebauförderungsgesetz als aus zwingenden städtebaulichen Gründen veranlaßt gilt 1 8 9 , heben diese noch von der Enteignung nach dem Bundesbaugesetz ab. Eine Würdigung dieses i m Städtebauförderungsgesetz erscheinenden Enteignungsinstituts kann sich daher mit der Feststellung begnügen, daß es sich hier u m einen Tatbestand transitorischer Enteignung handelt, auf den all die Qualifizierungen zutreffen, die auch für die transitorische Enteignung nach dem Bundesbaugesetz kennzeichnend sind. b) Entwicklungsbereich I n dem durch Rechtsverordnung der Landesregierung förmlich festgelegten Entwicklungsbereich 190 herrschen andere bodenrechtliche Ordnungsvorstellungen als sie für den Sanierungsbereich soeben dargestellt wurden. Das kommt weniger i n einem anderen bodenrechtlichen Instrumentarium, als i n dessen wesentlich veränderter Ausgestaltung i m Entwicklungsgebiet zum Ausdruck. Für das Rechtsinstitut der Enteignung läßt sich dies anhand der einschlägigen Vorschriften der §§ 57 Abs. 3 i. V. m. 57 Abs. 1 Nr. 5, 54 Abs. 3, 59 StBFG belegen. Gemäß § 57 Abs. 3 S. 1 StBFG ist die Enteignung zugunsten der Gemeinde oder eines Entwicklungsträgers (§ 55 StBFG) ohne Bindung an einen Bebauungsplan zulässig 191 . Der Zugriff auf den i n diesem Bereich liegenden Grund und Boden, den die Gemeinde gemäß § 54 Abs. 3 S. 1 StBFG grundsätzlich, sei es auf freiwilliger Basis oder unter Anwendung hoheitlichen Zwanges i n ihre Rechtsträgerschaft überführen soll, löst nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 und 6 StBFG nur limitierte Ent188
Bielenberg / Dyong, Rdnr. 272; Bielenberg, § 22 C, Rdnr. 2, 10—14. Vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 i . V . m . Abs. 2 StBFG; Bielenberg, § 22 C, Rdnr. 5 spricht insoweit zutreffend v o n einer unwiderleglichen gesetzlichen V e r mutung. 190 Vgl. § 53 Abs. 1 StBFG; Sinn u n d Zweck der förmlichen Festlegung des Entwicklungsgebietes durch Rechtsverordnung der Landesregierung ist die stärkere Einbindung dieses Bereichs i n die Raumordnung u n d Landesplanung. Die Rechtsverordnung ist somit als Vollzugsakt der Raumordnungsu n d S t r u k t u r p o l i t i k konzipiert. Vgl. Bielenberg, § 1 C, Rdnr. 41; § 53 C, Rdnr. 9 bis 13. 191 M i t der Loslösung v o m Plan gewinnt die Enteignung i m Entwicklungsbereich eine andere Struktur. Sie t r i t t dafür i n eine Beziehung zur Rechtsverordnung, die n u n Grundlage der Enteignung ist. Liegt eine Rechtsverordnung vor u n d bestehen nach § 54 Abs. 3 S t B F G keine Ausnahmen von der Erwerbspflicht u n d der Normalsituation, so ist die Enteignung als dem W o h l der Allgemeinheit entsprechend zu betrachten u n d damit zulässig. Vgl. Bielenberg, § 53 C, Rdnr. 13. 180
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schädigungsleistungen (§ 23 StBFG) oder solche i n grundstücksgleichen Rechten (§ 22 Abs. 3 StBFG) aus. M i t der Überführung des enteigneten Grundstücks, der nach § 57 Abs. 3 S. 2 StBFG ein fehlgeschlagener freihändiger Erwerbsversuch seitens der Gemeinde vorausgegangen sein muß 1 9 2 , ist jedoch der Verbleib des Enteignungsgegenstandes noch nicht endgültig geregelt. Die Rechtsträgerschaft der Gemeinde stellt bei der Enteignung i m städtebaulichen Entwicklungsbereich, ähnlich wie bei den bereits vorgestellten städtebaulichen Enteignungsfällen, nur einen Durchgangserwerb dar 1 9 3 . Dies folgt aus der eindeutigen Regelung des § 59 StBFG, der eine nähere Ausgestaltung des i n § 1 Abs. 6 StBFG festgelegten Grundsatzes darstellt 1 9 4 , wonach bei Entwicklungsmaßnahmen Grundeigentum oder grundstücksgleiche Rechte für weite Kreise der Bevölkerung begründet werden soll. Dieser Grundsatz ist i n § 59 i n zweifacher Hinsicht konkretisiert: Einmal hinsichtlich des gegenständlichen Anwendungsbereichs (§59 Abs. 1 StBFG) und zum anderen i n bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich (§ 59 Abs. 2—4 StBFG). M i t der Privatisierung oder Reprivatisierung finden die auf Neugestaltung der Bodenordnung i m Entwicklungsbereich angelegten Maßnahmen ihren Abschluß und die damit verfolgten Zwecke ihre Verwirklichung. Dies gilt auch, wenn die Enteignung als bodenordnende Maßnahme Anwendung gefunden hat 1 9 5 . Welche Zwecke werden m i t diesem Verfahren nun i m Entwicklungsgebiet verfolgt? Z u dieser Frage äußert sich das Gesetz i m Gegensatz beispielsweise zum Sanierungsbereich wesentlich weniger konkret. Aus § 57 Abs. 3 StBFG erfährt man lediglich, daß die Enteignung zur Erfüllung der der Gemeinde i n diesem Bereich obliegenden Aufgaben zulässig ist. Welches diese Aufgaben sind, läßt sich m i t Ausnahme des Grundsatzes des § 1 Abs. 6 StBFG aus dem Gesetz nicht eindeutig entnehmen. Ein Rückgriff auf die enteignungsrechtlichen Vorschriften der §§ 85 ff. BBauG scheidet aufgrund 192 Auch i m Entwicklungsgebiet, w o eine Erwerbspflicht der Gemeinde i n bezug auf den G r u n d u n d Boden besteht, w a r es nicht möglich, durch einen Verzicht auf die Subsidiarität die Enteignung zu beschleunigen, denn sie ist verfassungsrechtlich geboten; vgl. Bielenberg, § 57 C, Rdnr. 13, Kimminich, Bonner Kommentar, A r t . 14, Rdnr. 277—279. 193 So auch Bielenberg, § 59 C, Rdnr. 3, der aber i n § 57 C, Rdnr. 18 bestreitet, daß eine Eigentumsumschichtung das primäre Ziel des Gesetzes sei, sondern es n u r u m die eigentumsmäßigen Folgen tiefgreifender, d. h. die bisherige Eigentumsstruktur stark verändernder städtebaulicher Maßnahmen gehe, die aber ihre Rechtfertigung i m Städtebau hätten. Unabhängig davon, ob die Eigentumsumschichtung n u n primäres Anliegen der Enteignung i m Entwicklungsbereich ist, muß die entscheidende Frage lauten, ob die Eigentumsumschichtung überhaupt ein Enteignungszweck sein kann. 194 Vgl. Bielenberg, § 1 C, Rdnr. 131,138; Gaentzsch, § 1, Rdnr. 6, S. 35. 195 Vgl. Bielenberg, § 59 C, Rdnr. 4.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
ausdrücklicher Bestimmung i n § 54 Abs. 3 S. 2 StBFG aus. Immerhin steht fest, daß die Begründung von Eigentum bzw. eigentumsgleicher Rechte eine Aufgabe darstellt, zu deren Erfüllung die Enteignung eingesetzt werden kann 1 9 6 . Daneben dient sie der Vorbereitung und Durchführung der Entwicklungsmaßnahme (§ 54 Abs. 1 S. 1 StBFG). Hierbei hat die Gemeinde, soweit dies i m Zusammenhang m i t bodenordnenden Maßnahmen möglich ist, alle Voraussetzungen für ein lebensfähiges örtliches Gemeinwesen zu schaffen (§ 54 Abs. 2 StBFG). Nach der Leitvorstellung des Gesetzes ist hierzu als Regelfall 197 der Erwerb aller Grundstücke erforderlich, so daß auch diese gemeindliche Aufgabe (§ 54 Abs. 3 StBFG) als ein potentieller Enteignungsgrund angesehen werden muß 1 9 8 . Nach der allgemeinen Darstellung von Zwecken und Verfahren der Enteignung i m Entwicklungsbereich sind hierzu noch einige näher qualifizierende Anmerkungen zu machen. Was zunächst das Verfahren angeht, so sind Besonderheiten i m Vergleich zu den bereits kennengelernten transitorischen Enteignungstatbeständen nicht zu verzeichnen. Ein zwischen der Gemeinde als Hoheitsträger und einem privaten Rechtsinhaber sich vollziehender, am Beispiel des Verfahrens der, klassischen Grundstücksenteignung sich ausrichtender Entzugsvorgang, kennzeichnet den ersten Verfahrensabschnitt. I m zweiten Verfahrensabschnitt erfolgt die endgültige sachenrechtliche Verortung i n privater Rechtsträgerschaft. Hierbei ist anzumerken, daß „endgültig" nicht i m Sinne von unabänderbar, sondern als i m Sinne der gesetzlich intendierten Regelung abschließend verstanden werden w i l l . Folglich ist der i m Verfahren Letztbegünstigte rechtlich nicht gehindert, die erworbene Sache durch Weiterübertragung wieder i n den Grundstücksmarkt hineinzugeben, m i t allen Implikationen, die dies für die Preisbildung und damit letztlich für die Erreichung eines wesentlichen gesetzlichen A n liegens mit sich bringt 1 9 9 . Der Bekämpfung der Bodenspekulation als einem Hauptanliegen des Städtebauförderungsgesetzes 200 dienen i n einem gewissen Umfang auch 196
Vgl. Bielenberg, § 54 C, Rdnr. 24. Die Regierungsvorlage hatte noch eine strikte Erwerbspflicht der Gemeinde vorgesehen. Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion sah den Grunderwerb der Gemeinde als Kannvorschrift vor. I m Vermittlungsausschuß ist m i t der „Soll-Vorschrift" ein Kompromiß gefunden worden, der einerseits ein elastisches Vorgehen der Gemeinde erlaubt, ohne diese von der grundsätzlichen Erwerbspflicht freizustellen. Vgl. hierzu die bei Lange (Hrsg.), StBauFG, § 54, Rdnr. 1—20 abgedruckten Materialien. 198 Vgl. Hans, Städtebauförderungsgesetz, Komm., Bd. 1, § 54, Nr. 5, S. 14. 109 w e g e n der Bedenken, die sich gegen eine freie Veräußerung von Objekten aus abgeschlossenen Sanierungs- u n d Entwicklungsmaßnahmen ergeben, vgl. Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 100. 197
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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die Zwecke, die das Enteignungsverfahren i m Entwicklungsbereich beherrschen. Es sind i m wesentlichen wiederum zwei typusmäßig unterschiedliche Zwecksetzungen, die hier zu erwähnen sind. Hierzu gehört einmal die i n § 54 Abs. 2 StBFG umschriebene Gruppe von Enteignungszwecken und zum anderen die durch §§ 1 Abs. 6, 54 Abs. 3 und 59 StBFG näher präzisierte Zweckrichtung 201 . Was zunächst den i n § 54 Abs. 2 StBFG bezeichneten Zweck betrifft, so ist auffallend, daß das Gesetz zu seiner Umschreibung und näheren Kennzeichnung sich einer Vielzahl unbestimmter Begriffe bedient. Geht man davon aus, daß m i t der Regelung des § 54 Abs. 2 StBFG — Errichtung eines neuen lebensfähigen örtlichen Gemeinwesens — die eigentliche Planungsaufgabe der Gemeinde definiert werden sollte, so hätte man i m Hinblick auf die der Planung eigentümliche Konkretheit die Wahl vornehmlich deskriptiver Begriffe erwarten müssen. Diese Erwartung setzt jedoch voraus, daß die i n § 54 Abs. 2 StBFG enthaltene Zielprojektion als unmittelbar vollzugsgeeignet konzipiert sein sollte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwischen die von § 54 Abs. 2 StBFG gegebene Planungsvorgabe und das i n Ausfüllung davon entstehende Einzelprojekt t r i t t mediatisierend der i n § 54 Abs. 1 S. 2 vorgesehene Bebauungsplan. Sind aber die i n § 54 Abs. 2 StBFG enthaltenen Festlegungen lediglich zur Konkretisierung des Planungsermessens gedacht, so sind die zur Präzisierung der Entwicklungsmaßnahmen gewählten Begriffe (wirtschaftliches Gefüge, bevölkerungsmäßige Zusammensetzung, ordnungsmäßige und zweckentsprechende Versorgung m i t Gütern und Dienstleistungen) für diesen ihnen zugedachten Zweck hinreichend konkret. Indessen erschöpft sich hiermit nicht der Zweck von § 54 Abs. 2 StBFG. Wie oben bereits ausgeführt, dient er auch zur Enteignung 2 0 2 , und zwar ohne ein vermittelndes Hinzutreten eines Bebauungsplanes (§ 57 Abs. 3 200
Ernst, i n : Ernst /Hoppe, ö f f B a u B o R , Rdnr. 843; Bielenberg , Β Einl., Rdnr. 96. 201 Vgl. Hans, § 54 Nr. 4 u n d 5, S. 13 f.; Bielenberg, § 54 C, Rdnr. 24. 202 Die Gemeinde hat die i n § 54 Abs. 2 S t B F G genannten Gründe erst nach dem Erwerb des G r u n d u n d Bodens v o r allem durch Aufstellung von Bebauungsplänen zu verwirklichen, so daß der Gedanke naheliegen könnte, daß f ü r die Enteignung allein der Bodenerwerbszweck von Bedeutung sei. Eine solche Betrachtung ist jedoch als zu eng abzulehnen, denn § 57 Abs. 3 S t B F G spricht davon, daß die Enteignung zur E r f ü l l u n g der gemeindlichen Aufgaben diene. Die Weite dieser Formulierung sowie der dort verwandte P l u r a l deuten bereits darauf hin, daß es nicht bei dem Zweck des § 54 Abs. 3 S. 1 S t B F G sein Bewenden haben kann. Vielmehr werden hiervon sowohl die Zwecke des § 54 Abs. 2 S t B F G w i e die des § 59 S t B F G umfaßt, deren Realisierung notwendig § 54 Abs. 3 S. 1 S t B F G nachfolgen muß. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Nichtanerkennung der Zwecke des § 54 Abs. 2 StBFG dem Rechtsentzug jeden Sachzweck nehmen w ü r d e u n d damit einen reinen Umverteilungsvorgang entstehen ließe. 5 Frey
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I.Teil: Der neue Enteignungstypus
S. 1 StBFG). Damit stellt sich die Frage, ob diese Zwecke von ihrem Zuschnitt als Enteignungsgründe i n Betracht kommen, nachdem i n bezug auf diese immer wieder die Konkretheit als wesentlich hervorgehoben wurde. Hierzu ist festzustellen, daß die Enteignung als Güterbeschaffungsvorgang zwei Aspekte vereinigt: Einen bodenordnenden und einen bodennutzungsbezogenen Aspekt. Da die Aufgabe der Enteignung i n der Beschaffung von Grund und Boden zu einem konkreten, i m Vergleich zur bisherigen Grundstücksnutzung höherwertigeren Zwecke liegt 2 0 3 , stehen beide Gesichtspunkte zueinander i n einem Verhältnis von Erfolg und Erfolgsvoraussetzung. U m als Erfolgsvoraussetzung i n diesem Sinne tauglich zu sein, muß der Zweck des § 54 Abs. 2 StBFG ein Vorhaben kennzeichnen, bei dessen Verwirklichung eine höherwertigere Grundstücksnutzung erzielt wird. Dies ist immer dann der Fall, wenn land- oder forstwirtschaftlich genutzter Grund und Boden der Bebauung zugeführt werden soll, selbst wenn i n bezug auf die Nutzungsart der einzelnen Grundstücke noch keine Festlegung erfolgt ist. Die nach dem Enteignungsvorgang durch den Bebauungsplan erst vorgenommene Fixierung der konkreten Grundstücksnutzung (§ 57 Abs. 3 i. V. m. § 54 Abs. 1 StBFG) n i m m t som i t den Zwecken des § 54 Abs. 2 StBFG nicht ihre Eignung als Enteignungszwecke. Der Verzicht auf Einschaltung eines Bauleitplanes i m Stadium des Grundstücksentzuges bedeutet zwar ein weniger an Berechenbarkeit und damit an Rechtsstaatlichkeit, ist aber für die enteignungsrechtliche Beurteilung unschädlich 204 , wenn das öffentliche Vorhaben nur hinreichend konkret beschrieben ist. Stand i m Rahmen von § 54 Abs. 2 StBFG der bodennutzungsbezogene Aspekt der Enteignung i m Mittelpunkt der Betrachtung, so ist dies bei den §§ 54 Abs. 3, 1 Abs. 6 und 59 StBFG der bodenordnende Gesichtspunkt. Ganz allgemein kann davon ausgegangen werden, daß deri Gesetzgeber i m Entwicklungsgebiet die Bodenordnung vorrangig bedacht hat 2 0 5 . Das geht schon daraus hervor, daß er i n § 54 Abs. 3 StBFG den Grundsatz aufgestellt hat, daß die Gemeinde alle i n diesem Bereich liegenden Grundstücke erwerben soll. Da nicht davon ausgegangen werden kann, daß diese Verpflichtung ausschließlich i m Wege des rechtsgeschäftlichen Erwerbs realisiert werden kann, dient die Enteignung als ein M i t t e l zur Durchsetzung dieser gesetzlichen Aufgaben 208 . I m Einzel203 Z u m K r i t e r i u m der Zweckentfremdung als dem f ü r die Enteignung typischen Merkmal, vgl. E. R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., S. 23 ff. 204 Bielenberg, § 57 C, Rdnr. 14; Hans, § 53 Nr. 2, S. 14 f. 205 So Bielenberg, Einl. B, Rdnr. 96, Vorbem. §§ 53—63 C, Rdnr. 5; Ernst, i n : Ernst / Hoppe, ÖffBauBoR, Rdnr. 843. 206 Der Durchsetzung der i n § 54 Abs. 2 S t B F G u n d § 59 StBFG genannten Zwecke dient die Enteignung n u r mittelbar u n d n u r insoweit, als diese
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fall ist denkbar, daß alle i m Entwicklungsgebiet belegenen Grundstücke i m Enteignungswege beschafft werden müssen. Ob und inwieweit diese Zonenenteignung 207 unter Sprengung der institutionellen Grenzen aus der Enteignung heraustritt, w i r d dann zur offenen Frage. Sie stellt sich u m so drängender, wenn man bedenkt, welch weittragende sozialgestaltende Intentionen der Gesetzgeber m i t dem auf die Gemeinde überführten Grundeigentum verbindet. Für weite Kreise der Bevölkerung soll auf diese Weise Bodeneigentum verfügbar gemacht werden. Dieser i n § 1 Abs. 6 StBFG enthaltenen Zweckvorstellung w i r d jedoch nicht allein durch die umfassende Erwerbspflicht der Gemeinde entsprochen, sondern auch durch deren i n § 59 StBFG für den Entwicklungsbereich normierte Umverteilungs- oder Veräußerungspflicht. Erwerbspflicht und Veräußerungspflicht der Gemeinde sind somit Ausdruck eines geschlossenen bodenpolitischen Konzeptes 208 für den Entwicklungsbereich. Dieses Konzept zeichnet sich dadurch aus, daß über die Neuregelung der Bodenordnung unterschiedliche Motivationen und Zweckvorstellungen zusammenfließen: Die struktur- und planungspolitische Zweckvorstellung und das sozialreformatorische Motiv. Die struktur- und planungspolitische Zweckvorstellung bedarf zu ihrer Verwirklichung der Bodenordnung insofern, als dadurch die Umsetzung der Planung schneller, kostensparender und für die Gemeinden administrativ einfacher vonstatten gehen kann 2 0 9 . Von diesen mehr sekundären Effekten abgesehen, gibt es i m Zusammenhang m i t dem struktur- und planungspolitischen Zweck aber keine weiteren Gründe für eine so nachhaltige Veränderung der Bodenordnung. Das genaue Gegenteil gilt für das sog. sozialreformatorische Motiv, denn das Anliegen, breite Volksschichten m i t Eigentum an Grund und Boden auszustatten, läßt sich nur v e r w i r k lichen, wenn eine Verfügung i n nennenswertem Umfang über dieses Gut möglich ist. Dafür ist i m Entwicklungsgebiet gesorgt. Wäre für sich genommen dieses Motiv sicherlich nicht geeignet, Grundlage eines Zwecke von der Verfügung über G r u n d u n d Boden abhängig sind. U n m i t t e l bar verwirklichen sie sich durch den Bebauungsplan bzw. den Privatisierungs- oder Reprivatisierungsakt. 207 Dieser Begriff findet erstmals Verwendung i n bezug auf die sog. K a n a l uferenteignung, welche durch das preußische Wasserstraßengesetz v o m 1.4. 1905 (GS. S. 179) i n § 16 eingeführt wurde. Diese Enteignungsform ist maßgeblich v o n den Ideen der Bodenreformer geprägt. Vgl. dazu Erman, A r t . 155, S. 309 f. 208 Bielenberg, § 59 C, Rdnr. 2; Hans, § 59, Nr. 2 S. 5. 209 Diese Gründe, aber auch die Berücksichtigung überörtlicher Erfordernisse (Ausbau des Nahverkehrssystems, A b s t i m m u n g m i t der Landesplanung) machen die Entwicklungsmaßnahme zu einer öffentlichen Aufgabe, die nicht n u r den E r w e r b des i n diesem Bereich belegenen Bodens erfordert, sondern auch ein Tätigwerden der Gemeinde verlangt; vgl. Bielenberg, V o r bem. §§ 53—63 C, Rdnr. 5.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
Enteignungsverfahrens zu sein, da es i m Austausch der Rechtsträger seine Erfüllung findet 2 1 0 , ändert sich die Beurteilung durch die gesetzestechnische Kombination m i t dem struktur- und planungspolitischen Zweck. Durch diese Kombination w i r d nämlich die Gewichtung innerhalb der Zweckbestimmungen verschoben; die negative Tendenz, die dem gesamten bodenordnenden Vorgang als Folge der Entsetzung einer Eigentümergruppe durch eine neue anhaftet, w i r d durch das Hinzutreten der struktur- und planungspolitischen Zweckvorstellungen weitgehend neutralisiert 2 1 1 . Eine Gesamtwürdigung der bodennutzungsbezogenen und der bodenordnenden Zwecke des Verfahrens kann nicht umhin festzustellen, daß trotz der aufgezeigten eingehenden Bemühungen des Gesetzgebers, die unterschiedlichen Zweckrichtungen innerhalb des Enteignungsinstitutes zu harmonisieren, er m i t der Regelung i m städtebaulichen Entwicklungsbereich sicherlich die institutionellen Grenzen der transitorischen Enteignung erreicht hat. 7. Begriffliche Bestimmung der transitorischen Enteignung
Was bedeutet n u n transitorische Enteignung? Diese Frage soll i m Anschluß an die Vorstellung und Überprüfung von gesetzlichen Erscheinungsformen, die einem bisher noch nicht näher bestimmten Begriff von transitorischer Enteignung zugeordnet wurden, behandelt werden. Hierbei w i r d versucht, aus der Analyse der gesetzlichen Erscheinungsformen typische, für eine Begriffsbestimmung sich eignende Kriterien zu gewinnen, indem die i n allen überprüften Gesetzen i n gleicher Weise auftauchenden Merkmale zunächst als solche festgestellt und sodann zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. I n Anbetracht der Tatsache, daß m i t Ausnahme der Bodenreformgesetzgebung nach dem Zweiten Weltkrieg das gesamte überprüfte Normenmaterial weitgehend dem gleichen Grundmuster folgt 2 1 2 , wobei 210 Die Enteignung verlangt, daß der Zweck des Rechtsentzuges sich nicht i n der Wegnahme erschöpft. Dem Begriff „ W o h l der Allgemeinheit" ist n u r Rechnung getragen, „ w e n n der Enteignungsakt i m Dienste einer Aufgabe steht, die außerhalb der vollzogenen Ä n d e r u n g der Rechtsstellung des Betroffenen u n d des Begünstigten u n d über diese hinaus durch einen Sachzweck des öffentlichen Wohls legitimiert ist", so Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 383; den Meinungsstand der älteren L i t e r a t u r zu diesem Gegenstand faßt zusammen Scheicher, A r t . 153, Die Rechte u n d Pflichten aus dem Eigentum, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 218—232. 211 So Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 218. 212 V o n ihrem äußeren Erscheinungsbild fügt sich auch die Inanspruchnahme von Grundstücken nach der 2. Bodenreform i n dieses Muster ein. Erst die Analyse der Verfahrenszwecke ergibt, daß hier konfiskatorische und depossedierende M o t i v e — vor allem i n der britischen Besatzungszone — eine dominierende Rolle spielen.
I. Gesetzliche Erscheinungsformen
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zwischen der ersten und der letzten überprüften gesetzlichen Erscheinungsform mehr als ein halbes Jahrhundert liegt, erscheint die Feststellung gerechtfertigt, daß hier ein gefestigter Typus hoheitlicher I n anspruchnahme von Grund und Boden vorliegt, der aus dem Rahmen der bekannten Grundstücksenteignung nicht unwesentlich herausfällt. Typizität ist jedoch nicht nur i n numerischer Hinsicht zu verzeichnen, sondern auch i n bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich der verschiedenen gesetzlichen Vorschriften festzustellen: Der hier m i t transitorischer Enteignung bezeichnete Vorgang ist eine spezielle Rechtsform des Städtebaurechts; damit ist zugleich eines der wesentlichen Kriterien dieser Rechtsform vorgestellt. Städtebaurecht w i r d i n dem hier verwendeten Sprachgebrauch i n einem umfassenden Sinn verstanden, der sich nicht m i t der Regelung und Neuordnung der baulichen Entwicklung i n städtischen Lebensbereichen begnügt, sondern die gleiche Ordnungsfunktion auch i m ländlichen Räume anstrebt 213 . Ein Blick auf das wesentlich i m ländlichen Raum sich auswirkende Reichsheimstättengesetz und dessen Enteignungsvorschriften hat dies ebenso bestätigt, wie die Befassung m i t dem für beide Lebensbereiche geltenden Bundesbaugesetz. Die Skala der übereinstimmenden gesetzlichen Merkmale setzt sich fort bei den am Verfahren beteiligten Rechtsträgern. Sie sind, wie sich bei der Einzeldarstellung vom Reichssiedlungsgesetz bis zum Städtebauförderungsgesetz ausnahmslos erwiesen hat, i n bezug auf ihre Rechtssubjektivität identisch, d. h. sowohl der „verlierende Teil" wie der letztlich „gewinnende Teil" sind Privatpersonen, während die Ausübung der Entziehungs- und Verteilungsbefugnis Aufgabe des Staates und der hoheitlich handelnden Gemeinde ist. Soweit es zur Erreichung dieser Zwecke erforderlich ist, w i r d der Hoheitsträger vom Gesetz vorläufig, solange aber uneingeschränkt, m i t der Eigentümerstellung betraut. Dies gilt für die hoheitlich handelnde Gemeinde i n gleicher Weise, wie für den Landlieferungsverband nach dem Reichssiedlungsgesetz oder den Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger nach dem Städtebauförderungsgesetz. Für die durch das Enteignungsverfahren als „verlierender, bzw. gewinnender Teil" betroffenen Privatpersonen ergeben sich darüber hinaus bei einer soziologischen Betrachtung weitere bemerkenswerte Aspekte. Dies gilt weniger für den „verlierenden Teil", der lediglich i n den Fällen des Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetzes sowie der Bodenreformgesetze soziologisch bestimmbar ist, der i m übrigen aber allein durch die Notwendigkeit des Zugriffs auf bestimmte Objekte, deren Rechtsträger er ist, bestimmt wird. I n erster Linie betrifft dies den „gewinnenden Teil". Insoweit haben sich bei 213 Halstenberg, Städteerneuerung u n d Eigentumsordnung i n der Bundesrepublik, S. 33, 35 f.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
sämtlichen untersuchten gesetzlichen Erscheinungsformen beachtliche Typizitäten ergeben: Privater Enteignungsbegünstigter kann nur derjenige sein, der entweder über kein Grundeigentum oder über Grundeigentum i n keinem nennenswerten Umfang verfügt 2 1 4 . M i t dieser Festlegung w i r d eine bewußte Entscheidung zugunsten eines anhand bestimmter soziologischer Kriterien bestimmbaren Personenkreises getroffen. Als einen Bereich von lückenloser Übereinstimmung aller überprüften gesetzlichen Erscheinungsformen hat sich schließlich das transitorische Enteignungsverfahren erwiesen. Hierunter w i r d i m vorliegenden Zusammenhang nicht die Gesamtheit der zum formellen Enteignungsrecht zählenden Verfahrensvorschriften, sondern die zwischen den beteiligten Personen durch die Grundstücksübertragung zustande gebrachten Hechtsverhältnisse verstanden 215 . Solche Rechtsbeziehungen bestehen einmal zwischen dem Eigentümer des zu enteignenden Gegenstandes und dem das Verfahren betreibenden Hoheitsträger wie auch zwischen diesem und der Person, der der entzogene Gegenstand zum endgültigen Verbleib zugeordnet wird. Es handelt sich somit genau genommen u m zwei von unterschiedlicher Zwecksetzung gekennzeichnete, zeitlich versetzte Verfahrensabschnitte, von denen der eine seine Prägung durch das den Entzugsvorgang bestimmende Hoheitsrecht erhält, während sich der Prozeß der endgültigen Rechtszuordnung i m wesentlichen nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften 216 richtet. Angesichts dieser Verfahrenskonstellation ist es nicht überraschend, wenn auch die dieses Verfahren beherrschenden Zwecke zu den K r i t e rien gerechnet werden können, die sich bei der einzelgesetzlichen Über214
Eine Einschränkung von diesen K r i t e r i e n ist f ü r die sog. Reprivatisier u n g zu machen. Hier ist das enteignete Grundstück ohne Beachtung dieser K r i t e r i e n bevorzugt an seinen früheren Rechtsinhaber zurückzuübertragen. M a n w i r d jedoch auch i m Falle der Reprivatisierung i n der Annahme nicht fehlgehen, daß der Gesetzgeber die bevorzugte Berechtigung p r i m ä r zu dem Zwecke geschaffen hat, Kleineigentümern diese Rechtsposition zu erhalten. 215 Verlangt m a n v o m Enteignungsverfahren, daß es die i h m aufgegebenen Zwecke alle v e r w i r k l i c h t , dann darf der Vorgang der Re- oder Privatisierung trotz seiner gesetzlichen Separierung nicht von der Enteignung losgelöst betrachtet werden, so daß das transitorische Enteignungsverfahren sich i n die Enteignung i m engeren Sinne u n d den Weiterübertragungsvorgang aufspaltet. Das der Zweckerreichung gegenüber dem privaten Grundstückserwerber dienende Rückübertragungsrecht oder Recht der Rückenteignung mag als Beleg f ü r diese Annahme dienen; vgl. zum Rückübertragungsrecht, BVerfGE 38, 175 m i t Bespr. von Mutius, Verw.Arch. 1975, 283 ff.; zur Problem a t i k der Rückenteignung bei transitorischer Enteignung vgl. Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 102, Rdnr. 11. 216 Nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften richtet sich der Vollzug der Privatisierung. Die Entscheidung i n bezug auf welchen konkreten Rechtsträger privatisiert w i r d , fällt aufgrund öffentlichen Rechts. Es gilt also die Zweistufentheorie; vgl. insoweit Schmidt-Aßmann / Frenzel, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 89, Rdnr. 32.
II. Begriffsexegese
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prüfung als übereinstimmend und somit typusbestimmend erwiesen haben. Zwar kann sich die Übereinstimmung bei den unterschiedlichen Regelungsanliegen der einzelnen Gesetze naturgemäß nicht auf die jeweiligen Inhalte beziehen, obgleich auch hier zumindest partiell Übereinstimmung besteht, sondern sie liegt i m Bereich der qualitativen Vergleichbarkeit der Verfahrenszwecke, die wiederum durchgängig i n zwei grundlegend verschiedene Zweckmuster aufgegliedert sind. Bei dem einen handelt es sich u m konkrete, differenzierte und i n neuerer Zeit meistens als Aussage i n raumordnenden Plänen enthaltene objektbezogene Fixierungen für bestimmte städtebauliche Vorhaben, zu deren Realisierung der i n Anspruch genommene Grund und Boden benötigt wird. Bei dem anderen Zweckmuster geht es u m das gesetzliche Anliegen, über einer m i t städtebaulichen Vorhaben verknüpften, breit gestreuten Eigentumsverteilung sozialstrukturelle Veränderungen herbeizuführen. Eine Addition der als übereinstimmend erkannten Punkte ergibt sonach für den Begriff der transitorischen Enteignung folgende Definition: Transitorische Enteignung ist der Entzug privaten Grundeigentums, sowie dessen vorläufige Übertragung auf einen Hoheitsträger zur Verwirklichung städtebaulicher Vorhaben und zur Ermöglichung breit gestreuter Eigentumsbildung i n privater Hand.
I I . Exegese des transitorischen Enteignungsbegriffs
Der Name des soeben vorgestellten neuen Enteignungstypus w i r d maßgeblich geprägt durch das äußere Erscheinungsbild dieser Rechtsform, genauer gesagt durch eine klar erkennbare, i m Institut festgelegte, zeitliche Abfolge neuer Berechtigter i n bezug auf den entzogenen Gegenstand. Ob Ernst Forsthoff 2 1 7 m i t der Bezeichnung „transitorische Enteignung" eine diesen Rechtsvorgang treffend charakterisierende Bezeichnung gefunden hat, soll i n diesem Abschnitt durch eine Exegese der i n der Begriffsdefinition vorgestellten typusbildenden Merkmale untersucht werden. 1. Das Enteignungsobjekt Prüft man die typusbestimmenden Merkmale der transitorischen Enteignung systematisch, so gilt die erste Aufmerksamkeit dem Gegenstand der Enteignung, dem Enteignungsobjekt. Hierbei w i r d deutlich, daß es sich bei der transitorischen Enteignung u m einen Unterfall der Grundstücksenteignung handelt. M i t dieser Feststellung verbinden sich 217 Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 99; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 335 f.
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I . T e i l : Der neue Enteignungstypus
eine R e i h e v o n w i c h t i g e n I m p l i k a t i o n e n , v o n d e n e n zunächst d i e T a t sache h e r v o r z u h e b e n ist, daß d i e h o h e i t l i c h e
Inanspruchnahme
von
G r u n d s t ü c k e n n i c h t n u r das R e c h t s i n s t i t u t E n t e i g n u n g g e p r ä g t 2 1 8 , sond e r n auch d i e soziale W e r t i g k e i t des Rechtsguts G r u n d u n d B o d e n n e u bestimmt hat219. Was n u n die typusbestimmende K r a f t der Bodenente i g n u n g f ü r das R e c h t s i n s t i t u t E n t e i g n u n g als solches angeht, so i s t a u f eine d u r c h d i e entzogene Sache b e s t i m m t e logische I m m a n e n z a u f m e r k s a m z u machen: D e n u n a u f l ö s l i c h e n Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n d e r W e g n a h m e einerseits u n d d e r Ü b e r t r a g u n g andererseits, d e n es i n dieser Eindeutigkeit infolge der Substanzhaftigkeit, Sichtbarkeit u n d R a u m haftigkeit n u r b e i m Grundstücksentzug bzw. bei der
Sachenteignung
g e b e n k a n n . G e k e n n z e i c h n e t d u r c h diese D i a l e k t i k v o n N e g a t i o n u n d Anerkennung,
entwickelte
sich b e i d e r
Grundstücksenteignung
der
G r u n d t y p u s des Rechtsinstitutes, das i n dieser G e s t a l t h ä u f i g als k l a s sische E n t e i g n u n g bezeichnet w i r d 2 2 0 . O h n e a u f d i e B e r e c h t i g u n g dieser B e g r i f f s b i l d u n g i m e i n z e l n e n e i n g e h e n z u w o l l e n , b l e i b t festzuhalten, daß d i e w e i t e r e E n t w i c k l u n g des E n t e i g n u n g s i n s t i t u t e s d u r c h eine k o n t i n u i e r l i c h e A u f l ö s u n g dieser logischen I m m a n e n z b e s t i m m t w a r 2 2 1 . A l s 218 Layer, Principien des Enteignungsrechts, S. 656 m i t Nachweisen auf die ältere L i t e r a t u r ; Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, V e r fassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 122; Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 89; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 330; Klickovic, Die Enteignung, ein dem Grundeigentum u n d der Bodenbeschaffung zugeordnetes Rechtsinstitut, Deutsche Rechtswissenschaft, Bd. 5, 1940, S. 137; Schack, A r t . Enteignung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 551. 219 Wie stark der Wert eines Grundstückes schon durch die Inbetrachtziehung der Enteignung beeinflußt werden kann, ergeben die Untersuchungen über die V o r w i r k u n g e n der Enteignung; vgl. dazu Hans Joachim Schmidt, Z u m Umfang der Enteignungsvorwirkungen, DVB1.1971, 451—454. 220 Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, S. 120 f.; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 338, 370 f.; Dürig, Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, J Z 1954, 9 sieht das die klassische Enteignung charakterisierende M e r k m a l nicht so sehr i m Gegenstand der Enteignung (Grundstück), sondern i m Rechtsverlust. Skeptisch zum Begriff äußert sich Scheuner, i n : Reinhardt / Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 85. 221 Eingeleitet w u r d e diese E n t w i c k l u n g durch die Ablösung des bürgerlichrechtlichen Eigentumsbegriffes durch einen erweiterten verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff, den Martin Wolff, Reichsverfassung u n d Eigentum, Festgabe f ü r W i l h e l m K a h l , S. 3 ff. gefordert u n d dem das Reichsgericht alsbald gefolgt ist (RGZ 103, 200 ff.; 109, 319; 111, 227; sodann i n ständiger Rechtsprechung). D a m i t w a r eine kontinuierliche Entformalisierung der E n t eignung verbunden. Der Verwaltungsakt stellt nicht mehr länger das unabdingbare Eingriffsmittel dar, die Uberführung des entzogenen Vermögensgegenstandes auf einen Begünstigten ist nicht mehr länger zwingend geboten, die Lösung v o n der traditionellen Auffassung v o m Begriff „ W o h l der Allgemeinheit" bahnt sich an. Vgl. hierzu Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, S. 110 ff.; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 338—341; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 330—333, der zutreffend hervorhebt, daß damit zwei unterschiedliche Enteignungsbegriffe entstanden sind. Durch die Aufgabe des Finalitätsmerkmals hat die
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gegenüber dieser Entwicklung i m wesentlichen konsistent, hat sich allein die Grundstücksenteignung erwiesen, w e i l die Eigenart des Enteignungsobjektes bestimmte unverzichtbare Rechtsstrukturen bedingt, damit i m Einzelfall die hoheitliche Inanspruchnahme des Bodeneigentums überhaupt als Enteignung qualifiziert werden kann 2 2 2 . Aus der Tatsache, daß die transitorische Enteignung ein Unterfall der Grundstücksenteignung ist, ergibt sich, daß sie institutionell der gleichen inneren Logik folgt, die dieser Rechtsform zu eigen ist. Hierbei bewendet es jedoch nicht, denn die transitorische Enteignung erschöpft sich nicht i n der üblichen Grundstücksenteignung, sondern qualifiziert, wie i h r Name plastisch hervorhebt, i n besonderer Weise die Eigentumsübertragung. Eine Bewertung dieses Faktums, als i m Sinne des institutionellen Zusammenhalts der Enteignung positiv oder negativ, ist mit der Begriffswahl „transitorische Enteignung" nicht verbunden; sie verweist lediglich auf den äußerlich erkennbaren Übertragungsvorgang, der genau genommen zwei Übertragungen umfaßt: Den transitorischen Erwerb durch den das Verfahren betreibenden Hoheitsträger und die zur Erreichung des Privatisierungsvorhabens erforderliche Weiterübertragung auf den eigentlichen Verfahrensbegünstigten. Eine derartige Rechtskonstruktion ist, und hierauf hebt der hergestellte Zusammenhang zwischen Begriffsfindung und Zugriffsobjekt ab, nur dann möglich, wenn es sich beim Gegenstand der Enteignung u m eine Sache handelt. Daher ist die Verwendung des Adjektivs „transitorisch" zur Kennzeichnung des vorliegenden Tatbestandes sachgerecht, weil es diesen Zusammenhang begrifflich treffend hervorhebt. A n anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß der transitorische Enteignungsbegriff sich jeder Wertung zum Verhältnis der i m Enteignungsinstitut angelegten Dialektik von Negation und Anerkennung enthält. Dies mag darin begründet liegen, daß jede vom Gesetzgeber veranlagte Wertung über die dadurch bedingte Störung des ausgewogenen Verhältnisses der beiden Komponenten institutionelle Konsequenzen nach sich zieht, die die Annahme einer Enteignung i n Frage stellen 223 . Rechtsprechung unter dem Grundgesetz die Auflösung fortgesetzt, vgl. dazu Gronefeld, Preisgabe u n d Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, S. 34 ff. 222 So Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, S. 119. 223 Zutreffend hebt Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, S. 120 den f ü r die Enteignung wichtigen Zusammenhang von Entziehung u n d positiver Anerkennung hervor. Legt man, w i e Dürig (Fußnote 220) i n erster L i n i e auf den Rechtsentzug Wert, muß dieser Gesichtspunkt zwangsläufig verfehlt werden. Die Abgrenzung zu anderen Rechtsformen hoheitlicher I n anspruchnahme von G r u n d u n d Boden, beispielsweise zur Konfiskation, v e r liert dann jede Trennungsschärfe.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
Wie schon an anderer Stelle zum Ausdruck gebracht wurde, liegen die institutionellen Besonderheiten der transitorischen Enteignung i n der A r t der Eigentumsübertragung, also dem Teil des Instituts, der auf die Anerkennung des Eigentums bezogen ist. Erfolgt hier, so muß man fragen, durch die doppelte Übertragung eine Verschiebung der institutionellen Symmetrie zugunsten der „positiven Seite"? Man w i r d diese Frage verneinen müssen, denn die erste Grundstücksübertragung i m Zuge des transitorischen Erwerbs durch die Gemeinde ist als erster Schritt vor der endgültigen Grundstückszuordnung enteignungsdogmatisch indifferent. Das folgt daraus, daß die Gemeinde, als der erste aus dem Rechtsentzug gewinnende Teil, zugleich auch verlierender Teil ist. Die i n der befristeten Übertragung des Eigentums liegende Anerkennung beinhaltet zugleich die Negation der Übertragung auf Dauer, so daß sich i n der Zusammenschau die i n der ersten Übertragungsstufe zusammengefaßten divergierenden Komponenten gegenseitig enteignungsdogmatisch neutralisieren. T r i f f t dies aber zu, dann kommen der zweiten Übertragungsstufe nicht nur von dem hierbei zu erreichenden praktischen Zweck, sondern auch von der enteignungsrechtlichen Dogmatik die Funktionen zu, die i m „Normalfall" vom Übertragungsvorgang zu erfüllen sind: endgültige Zuordnung des entzogenen Objekts auf einen neuen Rechtsträger 224 , Erreichung der von Eigentumsentzug erfordernden Zwecke 225 , Wiedereintritt der enteigneten Sache i n eine institutionell gesicherte Ruhelage 226 . Eine Zwischenbilanz der Exegese des transitorischen Enteignungsbegriffes hat somit bezüglich des Enteignungsobjektes festzuhalten, daß von seiner Sacheigentumsqualität nicht nur der Name des Rechtsinstitutes, sondern auch das einzuschlagende Enteignungsverfahren maßgeblich mitbestimmt wird. Dieses Ergebnis ist keineswegs zufällig, sondern die Folge der immanenten Logik der Sachenteignung. 2. Die Verfahrensbeteiligten
Typusbestimmend für das hier zu analysierende Rechtsinstitut ist neben dem Enteignungsobjekt auch die Anzahl und die Rechtsqualität der am Enteignungsverfahren beteiligten Personen. Hinsichtlich der Anzahl der Verfahrensbeteiligten ergibt eine an der Rechtswirklichkeit orientierte, auf den äußeren Geschehnisablauf bezogene Betrachtungsweise, daß die transitorische Enteignung drei Verfahrensbeteiligte aufweist: denjenigen, dem der Grund und Boden entzogen wird, denjeni224
Layer, Principien des Enteignungsrechts, S. 16 f., 357 ff. Layer, S. 12—16. 22β Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 370.
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gen, dem er vorläufig übertragen w i r d und denjenigen, dem er zum dauernden Verbleib weitergegeben wird. Hiergegen kann eingewandt werden, daß derjenige, dem der entzogene Grund und Boden zum endgültigen Verbleib übertragen wird, selbst am förmlichen Enteignungsverfahren nicht teilnimmt, sondern den Enteignungsgegenstand erst i m Wege eines privatrechtlichen Veräußerungsgeschäftes erwirbt 2 2 7 . Diese unbestreitbare Tatsache kann indessen nicht dazu führen, den „Letztbegünstigten" aus der enteignungsrechtlichen Betrachtung herauszuhalten, denn dafür gibt es mehrere, i n den einschlägigen Rechtsgrundlagen zum Ausdruck kommende Gründe. E i n wesentlicher Grund besteht darin, daß direkt durch das Gesetz dem „Letztbegünstigten" Beschränkungen seiner Eigentümerposition 2 2 8 auferlegt werden, die nur deshalb sachlich gerechtfertigt sind, w e i l es sich u m einen i m Namen des Allgemeinwohls entzogenen Gegenstand handelt, dem die Gemeinwohlverpflichtetheit wie eine öffentliche Last auf Dauer anhaftet und i n bezug auf dessen Inhaber der Gesetzgeber damit zum Ausdruck bringt, daß er i h n als i m weiteren Sinne i n das Enteignungsverfahren einbezogen verstanden wissen w i l l 2 2 9 . Einen weiteren, für die Einbezogenheit des „Letztbegünstigten" sprechenden Grund ergeben die das Enteignungsverfahren beherrschenden Zwecke, auf die noch einzugehen ist. A n dieser Stelle ist hierzu lediglich festzustellen, daß die Ausstattung eines bestimmten Personenkreises mit Grund und Boden als einen unter anderen die Enteignung rechtfertigenden Grund vom Gesetz selbst genannt wird, so daß wenigstens vom Typus her dieser Personenkreis der „Letztbegünstigten" beim Enteignungsverfahren nicht nur reflexartig m i t bedacht, sondern u m seinetwillen das Verfahren m i t betrieben wird. Ist dies aber der Fall, dann sind drei Verfahrensbeteiligte für die transitorische Enteignung begrifflich konstituierend 250 . 227 A u f die Tatsache, daß der E r w e r b genau genommen i n einem zweistufigen Verfahren vonstatten geht, w u r d e bereits aufmerksam gemacht; vgl. vorne Fußnoten 45 u n d 46. 228 Z u m Rückenteignungsrecht, vgl. § 9 RSG, § 51 Abs. 1 B a u L B G ; § 102 B B a u G ; § 52 StBFG; zur Zwecksicherung durch Heimfallsrecht, vgl. § 12 R H G ; desgleichen durch Wiederkaufsrecht, vgl. § 20 RSG. 229 Seit dem Beschluß des B V e r f G v o m 12.11.1974 — BVerfGE 38, 175 — k a n n die Rückübertragung einer enteigneten Sache i m Falle ihrer Zweckentfremdung als u n m i t t e l b a r von der Verfassung gefordert, angesehen w e r den. D a m i t hat sich das Bundesverfassungsgericht zur dauerhaften Sicherung des Enteignungszweckes bekannt. Vgl. hierzu Lay er, S. 372 ff.; Kimminich, Bonner Kommentar (Drittbearbeitung) A r t . 14, Rdnr. 284; ders., Urteilsanmerkung, D Ö V 1975, 314—316; v.Mutius, Eigentumsgarantie u n d Anspruch auf Rückübereignung bei NichtVerwirklichung des Enteignungszwecks, Verw.Arch. 66, 1975, 283—290. 230 Diesem Ergebnis stehen die hinsichtlich der Verfahrensbeteiligung i n den neueren transitorischen Enteignungsgesetzen enthaltenen Vorschriften (vgl. § 21 B a u L B G ; § 107 BBauG) nicht entgegen, denn diese enthalten eine
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
Weiterer Aufschluß über das Rechtsinstitut der transitorischen Enteignung ist möglicherweise von der näheren rechtlichen Qualifizierung der Verfahrensbeteiligten zu erwarten. Aus diesem Grunde sollen die Verfahrensbeteiligten unter folgenden Kriterien überprüft werden: Rechtsqualität der Verfahrensbeteiligten, ihre Beziehung zum enteigneten Gegenstand, Gesichtspunkte, nach denen sie vom Gesetz bestimmt werden sowie eine eventuell i m Gesetz ihnen gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wertung. Legt man die genannten Kriterien an den Verfahrensbeteiligten an, dem der Enteignungsgegenstand entzogen wird, so stellt man fest, daß es sich um einen Träger privaten Eigentums (natürliche Person oder juristische Person des privaten Rechtes) handelt. Diese Konstellation ist vom persönlichen Anwendungsbereich des Eigentumsgrundrechtes, aber auch von der Enteignung als solcher institutionell zwingend gefordert, insofern, als diese Eigentum i n privater Trägerschaft als Zugriffsobjekt voraussetzt. Fragt man nach der Beziehung des vom Rechtsentzug betroffenen Eigentümers zu dem Gegenstand selbst, so ist, losgelöst von einer konkreten Fallgestaltung, lediglich folgende Feststellung möglich: Offenkundig ist er, wie die Notwendigkeit der Anwendung hoheitlichen Zwanges zum Erwerb des Grundstückes erweist, nicht bereit, sich freiwillig von diesem zu lösen. Die Bestimmung des vom Rechtsentzug betroffenen Verfahrensbeteiligten schließlich erfolgt i n der Mehrzahl der kennengelernten Fälle nicht durch das Gesetz selbst, sondern bleibt den m i t seinem Vollzug befaßten Behörden überlassen. Die Entscheidung ist daher, sieht man einmal davon ab, daß ein bestimmter Gegenstand i n Anspruch genommen werden muß, weitgehend vom Zufall bestimmt, bzw. hängt von Erwägungen und Gesichtspunkten ab, die sämtliche ihren Ausgangspunkt außerhalb der Beziehung des bisherigen Grundstückseigentümers zu seiner Sache haben. Etwas anderes gilt lediglich i n den wenigen Fällen, i n denen das Gesetz selbst Auswahlkriterien für die Bodenbeschaffung 2 * 1 nennt. Dort lediglich verfahrensrechtliche Regelung, w i e sich aus ihrer systematischen Stellung ergibt u n d haben keine materiell-rechtliche Bedeutung (Dittus / Zinkahn, Baulandbeschaffungsgesetz, § 21 Nr. 1, S. 289; Dyong, i n : E r n s t / Z i n k a h n / Bielenberg, § 107, Rdnr. 2). Bei der vorliegenden Untersuchung des transitorischen Enteignungsbegriffs geht es aber u m die Elemente, die den materiellen Enteignungsbegriff kennzeichnen. Z w a r könnte insofern der Begriff „Verfahrensbetroffene" zur Kenntlichmachung der einbezogenen Rechtsträger sachgerechter erscheinen, doch ist andererseits zu berücksichtigen, daß die Bezeichnung „Verfahrensbeteiligter" sich auch i n ihrer materiell-rechtlichen Bedeutung i m Schrifttum durchgesetzt hat. 231 So z.B. i n § 16 RSG: Güter, die während des Krieges von Personen erworben sind, welche die Landwirtschaft nicht i m Hauptberuf betreiben; Güter, die i m Laufe der letzten 20 Jahre durch entgeltliches Rechtsgeschäft mehrfach den Besitzer gewechselt haben; Güter, die besonders schlecht bewirtschaftet w e r d e n . . .
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hat der Gesetzgeber aus einer gewissen Mißbilligung der Sachbeziehung der Eigentümer heraus den Personenkreis der zu Enteignenden selbst bestimmt. Damit ist natürlich insoweit eine Aussage auch darüber getroffen, wie das Gesetz zu diesem Personenkreis eingestellt ist. I m übrigen enthält es sich gegenüber den von der Enteignung betroffenen Personen jeder negativen Bewertung; i m Gegenteil, es läßt durch die normativ eingeräumten Möglichkeiten eines bevorzugten Rückerwerbes 232 erkennen, daß es keine Einwände gegen die Person des bisherigen Rechtsträgers hat, sondern es i h m i n erster Linie u m die „Sache" geht. Das Eigentum an i h r erwirbt nach der i m Institut angelegten chronologischen Abfolge der Berechtigten der das Verfahren betreibende! Beteiligte, der hier als entziehender Teil bezeichnet wird. Er ist von seiner Rechtspersönlichkeit eine juristische Person des öffentlichen Rechtes, die als Hoheitsträger handelnd i n Erscheinung tritt. Dies ist ein zu jeder Enteignung wesensnotwendig hinzugehörendes Element unabhängig davon, ob diese als transitorische, klassische 233 oder A u f opferungsenteignung 234 ausgeformt ist. Für den Begriff der Enteignung macht es daher auch keinen Unterschied, ob als Hoheitsträger der Staat als solcher, ein Träger mittelbarer Staatsgewalt oder ein m i t Hoheitsgewalt beliehener öffentlicher Unternehmer handelt. Entscheidend ist, daß der Enteignungsgegenstand i m Wege hoheitlichen Zwanges erworben wird, was bei allen oben vorgestellten gesetzlichen Erscheinungsformen uneingeschränkt der Fall ist. Diese sehen größtenteils vor, daß eine Gemeinde das Grundstück erwirbt. I n bestimmten Fällen kann an deren Stelle auch ein öffentlicher Unternehmer, ζ. B. ein gemeinnütziges Siedlungsunternehmen 235 oder ein Landlieferungsverband 23 ® treten. Eine derartige Regelung trägt praktischen Bedürfnissen Rechnung und folgt gleichsam aus der Natur der Sache, da sich die bauliche Entwicklung i m gemeindlichen Zuständigkeitsbereich vollzieht, dessen Kompetenzen nur i n Ausnahmefällen (ζ. B. bei zu geringer Finanzausstattung oder unzureichendem Planungspotential der Gemeinde) 232 Siehe dazu § 89 Abs. 2 S. 2 B B a u G ; des weiteren §§ 25 Abs. 2, 59 Abs. 2, S. 2 StBFG. 233 Vgl. dazu vorne Fußnote 220. 234 Der Begriff der Aufopferungsenteignung stammt von Ernst Forsthoff; vgl. ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 339; Forsthoff v e r steht darunter einen rechts technischen Begriff, der von seinem Wortsinn längst abgelöst ist u n d n u r die F u n k t i o n hat, alle Merkmale i n sich aufzunehmen, nach denen die entschädigungspflichtigen Eingriffe i n die i n d i v i d u elle Vermögenssphäre voneinander zu scheiden sind. 235 Z u m gemeinnützigen Siedlungsunternehmen als enteignungsbetreibenden Beteiligten, vgl. § 1 ff. RSG; §§ 22 Abs. 2, 57 Abs. 3, S. 1 StBFG. 236 Z u m Landlieferungsverband als enteignungsbetreibenden Beteiligten vgl. § 13 Abs. 1 RSG.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
zugunsten eines öffentlichen Unternehmens partiell zurücktreten. Die Beziehung des entziehenden Teils zu dem Gegenstand der Enteignung ist aus naheliegenden Gründen zwiespältig. Einerseits ist sie dadurch gekennzeichnet, daß der entziehende Teil eine m i t erheblichem administrativen Aufwand verbundene öffentliche Aufgabe von beachtlicher Bedeutung m i t dem entzogenen Gegenstand zu erfüllen hat, i h n andererseits aber nicht behalten darf. Es soll nun nicht der sicherlich interessanten Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen auf die gesamte Abwicklung der öffentlichen Aufgabe aus diesem Umstand folgen. Für das hier anstehende Problem dürfte sich zweierlei ergeben: Als Folge des transitorischen Erwerbs hat der entziehende Teil kein Eigeninteresse an dem Enteignungsgegenstand außerhalb der Erfüllung der gesetzlich übertragenen städtebaulichen und siedlungspolitischen Zwecksetzungen. Eine weitergehende Beziehung zur Sache w i r d durch den transitorischen Erwerb verhindert. Die Beziehung des entziehenden Teils einmal zum entzogenen Gegenstand, aber auch zur umgestalteten Sache w i r d man daher als weitgehend indifferent qualifizieren können. Die Ausschaltung des kommunalen Eigeninteresses an dem i m Enteignungsweg erworbenen Grund und Boden bewirkt somit eine wünschenswerte Versachlichung i n der gemeindlichen A u f gabenwahrnehmung. Sie ist andererseits aber auch Ausdruck des Mißtrauens, das der Gesetzgeber gegenüber der kommunalen Bodenpolitik, insbesondere der Bodenbevorratungswirtschaft, hegt 2 3 7 . Hierin liegt zugleich i m Hinblick auf den hier zu überprüfenden Begriff eine Aussage darüber, wie der Gesetzgeber diesem Verfahrensbeteiligten eingestellt ist. Seine auf unangenehmen Erfahrungen m i t kommunalen Grundstücksgeschäften basierenden Vorbehalte kennzeichnen indessen nur einen wenn auch für den Begriff wesentlichen Aspekt seiner Haltung gegenüber dem vorläufig Enteignungsbegünstigten. Einen anderen, für die Gesamtbeurteilung gleichfalls bedeutsamen Aspekt bietet die auf diesen Verfahrensbeteiligten zukommende Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Der ihnen aufgrund ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung i n der öffentlichen Meinung zukommende hohe Rang 2 3 8 legt die Vermutung nahe, daß ein sich dieser Tatsache 237 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 256 f.; ders., i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 89, Rdnr. 2; Bischoff, Rechtliche Aspekte einer Bodenordnung, Verw.Arch. 59, 1968, 44 f. 238 Die hohe sozialpolitische Bedeutung dieser Aufgabe, die auch i m Bewußtsein der Bevölkerung verankert war, läßt sich durchgängig v o m Reichssiedlungsgesetz bis zum Städtebauförderungsgesetz i n allen Gesetzen m i t transitorischer Enteignung nachzeichnen. Waren es beim Reichssiedlungsu n d Reichsheimstättengesetz die Bodenreformer u n d die Kriegerheimstättenbewegung, vgl. dazu Erman, A r t . 155, Bodenrecht, S. 289, 295 ff., beim B a u landbeschaffungsgesetz die besondere Lage auf dem Bodenmarkt als Folge
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bewußter Gesetzgeber mit der Wahrnehmung solcher Funktionen nur Stellen betraut, die hierzu auch befähigt sind. Zwar w i r d man heute davon ausgehen können, daß insbesondere i n größeren Gemeinden hinreichender Sachverstand zur zweckentsprechenden Erledigung der durch die Enteignung zu erreichenden öffentlichen Aufgaben vorhanden ist, doch läßt eine solche Sicht der Dinge außer Betracht, daß dem Gesetzgeber i n bezug auf den Funktionsträger keine Wahlfreiheit zukommt. Die Natur der wahrzunehmenden Funktionen als solche des kommunalen Wirkungsbereichs bestimmt zugleich auch über den Funktionsträger. Dies ist regelmäßig die Gemeinde, bei der mehrere zentrale Aufgaben des Verfahrens zusammenfließen. Sie bestimmt über ihre Planungshoheit die Enteignungszwecke, sie ist als vorläufige Enteignungsbegünstigte ausersehen und ihr obliegt die Weiterübertragung des Enteignungsgegenstandes auf einen von i h r konkret zu bestimmenden endgültigen Enteignungsbegünstigten. Gegenüber der zentralen Stellung der Gemeinde t r i t t die Rolle der staatlichen Enteignungsbehörde zurück; sie erschöpft sich i m reinen Verfahrensvollzug. Die Einstellung des Gesetzgebers gegenüber der Gemeinde ist damit ebenso durch Anerkennung wie durch Vorbehalte geprägt. Die dritte i n das Verfahren der transitorischen Enteignung einbezogene Person erwirbt den Gegenstand der Enteignung i n rechtsgeschäftlicher Form 2 3 9 . Sie ist der eigentliche Begünstigte des gesamten Verfahrens und soll deshalb nachfolgend als „verfahrensbevorzugter Teil" bezeichnet werden. Seine Rechtsqualität, u m deren Prüfung es hier zunächst geht, ist bei allen vorgestellten gesetzlichen Enteignungsformen einheitlich und eindeutig festgelegt: Es handelt sich um eine Person des privaten Rechts. Aus den zu ihrer näheren Quafilizierung gegebenen Kriterien läßt sich entnehmen, daß die Gesetze hierbei i n erster Linie an natürliche Personen als neue Rechtsträger gedacht haben, denn selbst dort, wo einmal eine juristische Person als Enteignungsbegünstigte vorgesehen ist (§ 89 Abs. 3 Nr. 4 BauG), steht eindeut i g das Interesse der hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Person i m Vordergrund. Dieser Befund ist nicht überraschend und läßt sich leicht anhand der i n der Person des „verfahrensbevorzugten Teils" zur verwirklichenden Zwecksetzung erklären. Seine Einbevon K r i e g u n d Vertreibung, vgl. dazu Zinkahn, i n : Dittus / Zinkahn, T e i l B , Einl. S. 25 f., so waren es beim Bundesbaugesetz u n d beim Städtebauförderungsgesetz das sozialpolitische Anliegen, breite Bevölkerungskreise m i t G r u n d u n d Boden zu verbinden, vgl. dazu Schmidt-Aßmann / Fremei, in: Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 89 Rdnr. 2; Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, § 25 C, Rdnr. 13—17; § 59 C, Rdnr. 3 u n d 4; siehe auch die i m K o h l hammer-Kommentar zum StBFG, § 25 Rdnr. 7—16 wiedergebenen Äußerungen der Abgeordneten des zuständigen Bundestagsausschusses. 23β v g l . vorne Fußnote 227 m i t weiteren Verweisungen.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
Ziehung i n das Enteignungsverfahren geschieht zum Zweck der Privatisierung 2 4 0 des Enteignungsobjektes. Der Vorgang der Privatisierung versteht sich hier jedoch nicht i n dem schlichten Sinne der Auffindung eines privaten Rechtsträgers; an diesen werden vielmehr Anforderungen gestellt, die ausschließlich von einer natürlichen Person erfüllbar sind: N u r eine solche kann zu der breiten Volksschicht zählen, die über Bodeneigentum i n nennenswertem Umfange nicht verfügt, und nur i n solchen Rechtsträgern kann sich das sozialreformatorische Anliegen einer breiten Grundeigentumsstreuung erfüllen. Für den vom Anliegen der Privatisierung sich nur i n Nuancen abhebenden praktischen Ausnahmefall der Reprivatisierung gelten i n bezug auf die Rechtsqualität dieses Verfahrensbeteiligten uneingeschränkt die gleichen Feststellungen. Sie sind für den Begriff der transitorischen Enteignung wesensnotwendig. Fragt man nun nach der Beziehung des „verfahrensbevorzugten Teils" zur Enteignungssache, so w i r d man die Tatsache berücksichtigen müssen, daß i n der Mehrzahl der vorgestellten transitorischen Enteignungsfälle der erlangte Gegenstand m i t dem enteigneten nicht mehr identisch ist. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß die i m Verlauf des transitorischen Enteignungsverfahrens vielfach durchgeführte Umgestaltung des Enteignungsgegenstandes i m Interesse einer höherwertigen Nutzungsart bei dem Erwerber einen durchaus positiven Sachbezug hervorruft. Dieser findet i n einem reinen Erwerbsinteresse seinen Niederschlag, das von den öffentlichen Belangen, die zum hoheitlichen Entzug der erlangten Sache geführt haben, nur insoweit Kenntnis nimmt, als sie von dem Enteignungsbegünstigten noch ein Tätigwerden zum Zweck der Erfüllung eines noch unerledigt gebliebenen öffentlichen Belanges (Bebauung, plangemäße Nutzung) verlangen. Ansonsten unterscheidet sich für den Erwerber dieser Vorgang nicht von jedem anderen rechtsgeschäftlichen Erwerbsakt, es sei denn, daß eine der gesetzlichen Erscheinungsformen transitorischer Enteignung vorliegt, die eine öffentlich-rechtliche Sicherung der den Eigentumseritzug veranlassenden Zwecke vorschreibt und sie auf diese Weise dem Erwerber bewußt gemacht werden. 240
Die sozialpolitisch richtige Vorstellung von der positiven F u n k t i o n breit gestreuten Bodeneigentums k a n n nicht unter jeden rechtlichen Voraussetzungen realisiert werden. Die Privatisierung von enteignetem G r u n d u n d Boden ist n u r u m den Preis der Desavouierung der öffentlichen Zweckbindung möglich. Dieser Zusammenhang w a r der enteignungsrechtlichen L i t e r a t u r des 19. Jahrhunderts noch sehr bewußt, w i e die Ausführungen zur sog. Zonenexpropriation belegen; siehe dazu Grünhut, Das Enteignungsrecht, S. 83; Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 13; Lay er, S. 370 f. I m neueren Schrifttum vgl. Ekkehart Stein, Vermögenspolitik u n d Grundrechte, S. 30.
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Wie bestimmt nun das Gesetz die Person des Enteignungsbegünstigten? Dies geschieht durch eine typusmäßige Umschreibung des Personenkreises, den der Gesetzgeber als neuen Rechtsträger ausersehen hat. Z u den typusbestimmenden Merkmalen gehört, daß Bodeneigent u m i n breiten Bevölkerungsschichten geschaffen werden soll, vornehmlich bei solchen, die i n nennenswertem Umfange Bodeneigentum nicht bilden konnten. Hierin kommt verschiedenes zum Ausdruck: Einmal, daß der Gesetzgeber die breite Streuung von Eigentum an Grund und Boden i m Hinblick auf die dadurch eröffneten Freiheitsräume 241 für ein bedeutsames sozialpolitisches Anliegen hält und zum anderen, daß die Erreichung dieses Zieles i m Zusammenhang m i t der städtebaulichen Entwicklung anstrebt. Eine vom Gesetzgeber angenommene spezifische Bedürftigkeit bildet sonach den für die Bestimmung des „verfahrensbevorzugten Teils" maßgeblichen Gesichtspunkt. Ob Erwägungen dieser A r t i m Rahmen des Enteignungsinstitutes zulässig sind, ist an anderer Stelle zu untersuchen 242 . Die vorstehenden Ausführungen zu den gesetzlichen Bestimmungskriterien für den „verfahrensbevorzugten Teil" geben i n gewisser H i n sicht bereits Aufschluß darüber, wie das Gesetz zu dem „verfahrensbevorzugten Teil" eingestellt ist. Er w i r d wegen seines fehlenden Bodeneigentums als sozial „betreuungsbedürftig" angesehen. Hieraus folgt zum einen, daß ein für wichtig empfundenes sozialpolitisches Verteilungsproblem einer Lösung näher gebracht werden soll; darüber hinaus soll damit eine institutionelle Verstärkung des Bodeneigentums erreicht werden. Angesichts der Tatsache, daß i n der Person des „verfahrensbevorzugten Teiles" wichtige verteilungspolitische und institutssichernde Aspekte zusammengeführt werden, liegt die positive Bewertung dieses Verfahrensbeteiligten durch die einschlägigen gesetzlichen Regelungen auf der Hand. 3. Die Verfahrenszwecke
Bei der Vorstellung der am Enteignungsvorgang beteiligten Personen hat sich verschiedentlich ein Rückgriff auf die die Enteignung beherrschenden Zwecke als unumgänglich erwiesen. Maßgeblich dafür ist, daß jede rechtssatzgemäße Regelung i n gewisser Weise zweckorientiert ist 2 4 3 , daß dies für das Enteignungsinstitut aber i n besonders hohem Maße 241 Die Personenbezogenheit des Eigentums u n d seinen hohen Rang zur Sicherung persönlicher Freiheit betont die Rechtsprechung des BVerfG.; vgl. BVerfGE 24, 389; 41, 150; 42, 76; s. auch Ernst, Grundeigentum i n Städtebau u n d Gesellschaftsordnung, Festgabe f ü r M ü l l e r - A r m a c k , S. 604 ff.; Kimminich, Bonner Kommentar, A r t . 14 (Drittbearbeitung) Rdnr. 10 u n d 11. 242 Vgl. h i n t e n T e i l 2. 243 Vgl. v. Jhering, Der Zweck i m Recht, Bd. 1, 4. Aufl., S. 341 ff.
6 Frey
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
gilt 2 4 4 , weil die Enteignung ein M i t t e l zur Zweckverwirklichung darstellt. A u f die das Verfahren beherrschenden Zwecke ist deshalb nachfolgend einzugehen. Seit seiner Entstehung i m 19. Jahrhundert ist für das Enteignungsinstitut der Bezug zu einer konkreten Lage — einer Mangellage — typisch 245 . Hierbei handelt es sich jedoch u m keine unspezifische Mangelsituation, sondern u m eine solche i n Anschauung eines i m Allgemeininteresse konkreten, besonders förderungswürdigen Vorhabens. Ihrer Überwindung dient das Rechtsinstitut der Enteignung. Diese i n hohem Maße konkrete Aufgabenstellung der Enteignung setzt eine entsprechend konkrete Zweckvorstellung voraus und verlangt darüber hinaus die Vollzugsgeeignetheit der Verfahrenszwecke. Diesem letzteren Gesichtspunkt kam zusätzliche Bedeutung zu, als eine Expropriation unmittelbar durch Gesetz als zulässig anerkannt wurde 24®. Zwar t r i f f t die Ausdehnung des Enteignungsinstitutes insoweit i m wesentlichen die Fälle der sog. Aufopferungsenteignung und gilt nicht i n gleicher Weise für Sachverhalte, bei denen es u m die Entziehung und Übertragung des Vollrechtes geht, doch sind auch hierfür die Konkretheit und Vollzugsgeeignetheit nicht belanglos, da sie sich bereits i m förmlichen Zuschnitt des Enteignungsverfahrens niederschlagen. Erweist sich sonach generell die These von der Dominanz der Zwecke i m Enteignungsinstituts als zutreffend 247 , so ist nun festzustellen, ob diese Aussage auch für die transitorische Enteignung uneingeschränkt gilt und wie die hier vorkommenden Verfahrenszwecke zu qualifizieren sind. Eine Typologie der für das transitorische Enteignungsverfahren bedeutsamen Zwecke offenbart zwei Kategorien strukturell völlig verschiedener Verfahrenszwecke. Dies sind einmal die oben verschiedentlich als Verwaltungszwecke angesprochenen Festsetzungen, Zwecke von hoher Konkretheit, sei es als Folge ihrer Fixierung i n raumordnenden Plänen, sei es als Folge ihrer begrifflichen Bestimmtheit, die allesamt inhaltlich auf sachliche Ziele der städtebaulichen Entwicklung bezogen sind und deshalb als städtebauliche Entwicklungszwecke be244 Vgl. H.P.Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 88; Kimminich, Bonner Kommentar, A r t . 14 (Drittbearbeitung) Rdnr. 121; E.R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., S. 24 m. w . N. 245 Die ursprüngliche F u n k t i o n der Enteignung als Güterbeschaffungsvorgang bringt dies deutlich z u m Ausdruck. Vgl. Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 340. 246 Diese bereits zur Auflösung des traditionellen Enteignungsbegriffes zu rechnende Erscheinung w u r d e durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts, seit der bekannten Entscheidung zur lippischen Rente — RGZ 103, 200 f. — begründet u n d zur ständigen Rechtsprechung erhoben. Das Grundgesetz hat die Legalenteignung unmittelbar i m Verfassungstext angesprochen; vgl. zu ihrer Zulässigkeit BVerfGE 24, 398—403. 247 Siehe vorne Fußnote 244.
II. Begriffsexegese
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zeichnet werden sollen. Neben diese Kategorie von Verfahrenszwecken t r i t t eine weitere, auf die Kennzeichnungen, wie abstrakt, generell, sozialstrukturverändernd, subjektbezogen usw. zutreffen. Qualifizierungen dieser A r t haben dazu geführt, daß diese Kategorie der Verfahrenszwecke als sozialer Umverteilungszweck bezeichnet wurde. Die prägende Kraft, die von diesen beiden unterschiedlichen Typen der Verfahrenszwecke auf den institutionellen Rahmen der transitorischen Enteignung ausgeht, liegt auf der Hand. Vor allem beim sozialen Umverteilungszweck ist eindeutig, i n welcher Weise und aus welchem Grunde er zu einer Umformung des traditionellen Erscheinungsbildes der Grundstücksenteignung geführt hat: Bei unverändertem formalen Zuschnitt des Enteignungsinstitutes war dieser Zweck nur dann zu verwirklichen, wenn der private Grundstückserwerber bereits i m Zeitpunkt der Wegnahme bekannt gewesen wäre, wenn damit also eine Enteignung unmittelbar zugunsten eines Privaten 2 4 8 hätte durchgeführt werden können. Dies aber hätte unweigerlich erhebliche nachteilige Folgen für die Verwirklichung des anderen Verfahrenszweckes bedeutet, denn die zügige und damit mittelsparende Durchführung des städtebaulichen Entwicklungszweckes ist nur gewährleistet, wenn bei den hier vorausgesetzten Massenverfahren ein die Zweckverwirklichung garantierender Adressat gefunden wird, und nicht auf die unterschiedliche Interessenlage einer Vielzahl von Begünstigten Rücksicht genommen zu werden braucht. Eine gleichzeitige Realisierung beider Verfahrenszwecke innerhalb eines einheitlichen Verfahrensablaufes erwies sich somit als unmöglich. Die Konsequenz dieser Einsicht war die Veränderung bzw. die Erweiterung des formalen Ablaufes der Enteignung u m eine weitere zeitlich nachfolgende Verfahrensstufe. Damit ist nachgewiesen, i n welch entscheidendem Maße auch bei der transitorischen Enteignung der Verfahrensablauf von den vorgegebenen Zwekken beherrscht wird, und daß die für die Enteignung allgemein aufgestellte These von der Dominanz der Zwecke auch i n diesem Spezialfall ihre Richtigkeit behält. Nicht zuletzt deswegen erscheint es angebracht, den Blick noch einmal auf die Verfahrenszwecke zu richten und ihre typusbestimmenden Eigenschaften nun i m einzelnen zu begründen. U m es noch einmal ins Gedächtnis zurückzurufen: I m Falle des städtebaulichen Entwicklungszweckes wurden zur Qualifizierung Abjektive wie konkret, vollzugsbedürftig, beliebig wiederholbar, sachbezogen gebraucht, ohne daß eine für den Typus allgemein geltende Begründung gegeben wurde. Warum, so muß zunächst gefragt werden, zeichnet sich der städtebau248
Vgl. Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat 1, 1962, 449 ff.; zweifelnd hiergegen Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 420 ff.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
liehe Entwicklungszweck durch hohe Konkretheit aus? Die A n t w o r t kann nur lauten, w e i l der Anlaß einer Enteignung, die angestrebte höherwertigere Nutzung einer Sache, selbst eine sehr konkrete A n gelegenheit darstellt; m i t anderen Worten, weil sowohl die zu leistende Aufgabe, als auch der sachliche Gegenstand der behandelten Rechtsmaterie diesem K r i t e r i u m entspricht. Die Frage nach der Vollzugsbedürftigkeit des städtebaulichen Entwicklungszweckes scheint einen Widerspruch m i t den zum Merkmal der Konkretheit gemachten Ausführungen offenzulegen. K a n n eine gesetzliche Regelung, die als i n besonderem Maße konkret qualifiziert wurde, des Vollzuges bedürfen? I m Hinblick auf die Zulässigkeit maßnahmegesetzlicher Regelung der Enteignung 2 4 9 gewinnt diese Frage eine gewisse Berechtigung. Dennoch liegt hier i m Falle der transitorischen Enteignung nur scheinbar ein Problem, w e i l diese Enteignungen sich ausnahmslos, infolge der Notwendigkeit, die Verfahrensbeteiligten individuell zu bestimmen, erst aufgrund eines Gesetzes vollziehen. Unter diesen Voraussetzungen stellt es nicht nur keinen Widerspruch dar, sondern folgt aus dem rechtsstaatlichen Gesetzesvollzug 250 , daß auch eine inhaltlich exakt bestimmte Gesetzesmaterie eines Verwaltungsaktes zum Vollzuge bedarf. Auch m i t dem rechtsstaatlichen Gesetzesbegriff und dessen Vollzug, aber damit nicht alleine, hängt die Tatsache zusammen, daß der städtebauliche Entwicklungszweck beliebig wiederholbar ist. I m übrigen ergibt sich die beliebige Wiederholbarkeit aus dem ausschließlich sachbezogenen Charakter der Zweckbestimmung, der, solange es Rechtsgüter der bezeichneten A r t gibt, immer neue praktische Anwendungsfälle hervorrufen wird. Das Merkmal der Sachbezogenheit schließlich teilt der städtebauliche Entwicklungszweck der transitorischen Enteignung m i t den Eigenschaften der allgemein bekannten Enteignungszwecksetzungen 251 . Sie alle werden geprägt vom Charakter der Enteignung als einem die zwangsweise Beschaffung von Sachgütern bezwekkenden Institut. Liegt i n erster Linie hierin die vom städtebaulichen Entwicklungszweck zu leistende Aufgabe, so besteht diese i m Falle des sozialen Umverteilungszwecks i n etwas völlig anderem: Er intendiert eine Ver249
Vgl. Carl Schmitt, Legalität u n d Legitimität, Verfassungsrechtliche A u f sätze, 2. Aufl., S. 347 f.; Forsthoff, Ü b e r Maßnahmegesetze, Rechtsstaat i m Wandel, 2. Aufl., S. 105 ff. m . w . N . ; das B V e r f G hat Maßnahmegesetze f ü r begrifflich irrelevant erklärt, BVerfGE 25, 396. 250 Dazu Carl Schmitt, Rechtsstaatlicher Verfassungsvollzug, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 478, 481 f. 251 Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 323; ders., Eigentum u n d Enteignung, S. 383.
II. Begriffsexegese
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änderung der Güterverteilung an Grund und Boden i m Sinne von mehr sozialer Gerechtigkeit. Dementsprechend unterschiedlich geartet sind seine charakteristischen Eigenschaften. Diese wurden bereits mit folgenden Adjektiven gekennzeichnet: Abstrakt, nicht wiederholbar, personenbezogen. Der abstrakte Charakter des sozialen Umverteilungszweckes, hinter dem sich die Absicht verbirgt, Bodeneigentum breit zu streuen, und der i n der Wahl normativer Rechtsbegriffe sich niederschlägt, erklärt sich m i t der i h m anhaftenden Wertausfüllungsbedürftigkeit. Diese bezieht sich weniger auf das Anliegen als solches, als vielmehr auf die Bestimmung des vom sozialen Umverteilungszweck Begünstigten. Bezüglich des Zweckes der Umverteilung an sich kann man dagegen von einer durchaus konkreten Regelung sprechen. M i t dem sozialen Umverteilungszweck w i r d der Gesetzgeber i m Rahmen seiner Daseinsvorsorgeverpflichtung 252 tätig. Das hat zur Folge, daß die gesetzliche Regelung notwendig den Charakter einer Maßnahme annehmen muß, deren entscheidende Merkmale darin bestehen, daß sie i m Wege einer logischen Operation vom Zweck zum M i t t e l gelangen, m i t anderen Worten, daß sie konkret sind. Bestätigt w i r d dieses Ergebnis schließlich dadurch, daß die Maßnahme exekutivischem Handeln zuzurechnen ist 2 5 8 , das seiner Natur nach konkretes Handeln ist. Soweit der soziale Umverteilungszweck abstrakter Natur ist, besteht i n gleicher Weise wie beim städtebaulichen Entwicklungszweck ein Bedürfnis nach Vollzug, da die Ermittlung des Zweckbegünstigten sich nicht durch das Gesetz selbst erzielen läßt. I m Gegensatz zum städtebaulichen Entwicklungszweck läßt sich der soziale Umverteilungszweck aber nur einmal realisieren. Dies ist einerseits die Folge des Maßnahmecharakters dieser Zwecksetzung und folgt andererseits aus der Personenbezogenheit dieses Zweckes. Damit ist ein weiteres Merkmal angesprochen, das zugleich i n seinem Antagonismus zum K r i t e r i u m der Sachbezogenheit die volle Unterschiedlichkeit i n der Struktur der beiden Verfahrenszwecke offenbart. Von Personenbezogenheit des sozialen Umverteilungszweckes kann man deshalb sprechen, w e i l die Entscheidung über eine gerechte Güterverteilung 2 5 4 ihren Maßstab an der innerhalb der Rechtsgemeinschaft real bestehenden Verteilungsordnung ge252
Z u r Daseinsvorsorge ist der Staat aufgrund der Sozialstaatsklausel v e r pflichtet; vgl. Stern, A r t . Sozialstaat, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2407; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, A r t . 20, Rdnr. 159; Z u m Begriff Daseinsvorsorge vgl. Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 22 ff.; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 368 ff.; Hans H. Klein, A r t . Daseinsvorsorge, Leistungsverwaltung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 343—349 m. w . N. 258 Forsthoff, Über Maßnahmegesetze, S. 109 f. 254 Dazu Kluber, Eigentumstheorie u n d Eigentumspolitik, S. 292 ff.; Coridaß, Förderungspolitik zur B i l d u n g breitgestreuten Wohnvermögens — I n s t r u mente, Ergebnisse, Neue Wege — (Diss. Mainz), S. 25 m. w . N.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
w i n n t und damit am Umfang der von dem einzelnen Rechtsträger innegehabten Vermögensgüter orientiert ist. Die eingehende Behandlung der Verfahrenszwecke leitet über zu der Frage, aus welchen Gründen die beiden so unterschiedlichen Zwecksetzungen i n einem Rechtsinstitut zusammengefaßt wurden. 4. Zweckkombination im Enteignungsinstitut
Die Zweckkombination i m Enteignungsrecht, die i m speziellen Falle der transitorischen Enteignung zur Sprengung des traditionellen Erscheinungsbildes der Enteignung geführt hat, soll zunächst i n der Weise behandelt werden, daß ganz allgemein danach gefragt wird, wie sich das Enteignungsinstitut zu Zweckverknüpfungen verhält. Abgesehen von den oben bereits vorgestellten Enteignungstatbeständen, bei denen Kombinationen von Zwecken nicht nur unterschiedlicher, sondern auch gleichartiger Natur anzutreffen sind, stellt sich das Problem der Zweckkombination, läßt man einmal den gelegentlich bei der Enteignung m i t verfolgten Wertabschöpfungszweck (§§ 95 Abs. 2 BBauG, 23 Abs. 2 StBFG) außer Betracht, i m sonstigen Enteignungsrecht nicht m i t der gleichen Brisanz. Das hat einsehbare Gründe. Soweit nämlich die Enteignung aufgrund spezialgesetzlicher Ermächtigung erfolgt 2 5 5 , erschöpft sich ihre Aufgabe i n der Bereitstellung von Grund und Boden zur Erreichung des einheitlichen gesetzlichen Regelungszwecks. Soweit die Enteignung sich auf die i n landesgesetzlicher Zuständigkeit erlassenen Enteignungsgesetze stützt, also auf Vorschriften, die für alle nicht spezialgesetzlich abgesicherten Enteignungsfälle Geltung haben, stellt die i n bezug auf den Enteignungszweck bestehende Regelung naturgemäß nicht mehr als ein Blankett da. I n Formulierungen wie . . . u m Vorhaben zu verwirklichen, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen 256 , oder, u m ein dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Unternehmen zu verwirklichen 2 5 7 , kommt zum Ausdruck, daß hiermit ein Eingriffsinstrument bereitgestellt werden soll für alle denkbaren Kollisionsfälle zwischen privatem Eigentum und einer sich darauf beziehenden Bedarfssituation, deren Deckung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Bei einer derart weitgespannten Regelungsintention versteht es sich gleichsam von selbst, daß der normative Aussagegehalt zum Enteignungszweck dürftig bleiben muß und nur anhand des Einzelfalles konkrete Gestalt annimmt.
255
Vgl. §§ 1 u n d 10 L B G v o m 23. 2.1957, B G B l . I, S. 134 i. d. F. des 4. Ä n d e rungsgesetzes v o m 29.11.1966, BGBl. I, S. 653; § 19 B F S t G v. 6. 8.1961, BGBl. I, S. 1742; § 31 PBefG v o m 21. 3.1961, BGBl. I, S. 241. 256 A r t . 1 des Bayerischen Enteignungsgesetzes v o m 11. 11. 1974. 257 § 2 des Enteignungsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz v o m 22.4.1966.
II. Begriffsexegese
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Der ohne diese Konkretisierung verbleibende Bedeutungsinhalt der Begriffe „dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Vorhaben, bzw. Unternehmen" weist typologisch auf einen Sachzweck und nicht auf eine Zweckgesamtheit hin. Das schließt zwar nicht aus, wie ein beachtlicher Teil der oben vorgestellten Enteignungstatbestände bezeugt, daß insbesondere dort, wo die Enteignung als M i t t e l zur Verwirklichung raumordnender Pläne eingesetzt wird, sie auch i m Dienste mehrerer Sachzwecke steht 258 . Diese fügen sich aber alle zu einem homogenen Sachzweck zusammen, so daß letztlich auch i n diesem Falle von einem jedenfalls dem Typus nach einheitlichen Zweck gesprochen werden kann. Als Fazit dieser Betrachtungen ist festzuhalten, daß die Begriffe des öffentlichen Unternehmens bzw. öffentlichen Vorhabens i n Verbindung m i t dem Enteignungsobjekt Grund und Boden notwendig auf einen Sachzweck verweisen. Gleiches gilt von den speziellen Enteignungsgesetzen, die die Beschaffung solcher Güter bezwecken. Die Sachzweckbezogenheit eines Entzugsvorganges schließt es zwar grundsätzlich nicht aus, daß dieser gleichzeitig auch i n den Dienst anderer Zweckkategorien gestellt wird, wenngleich dem traditionellen Grundstücksenteignungsrecht derartige Zweckverknüpfungen fremd sind. Eine Kumulation verschieden typischer Zwecke ist daher möglich, wenn das Rechtsinstitut Enteignung Abstraktionen von der strengen Sachzweckbindung zuläßt. Solange der Begriff des öffentlichen Unternehmens als konkreter Sachinbegriff verstanden w i r d 2 5 9 , daß er bei einer den historischen Bezügen der Enteignung Rechnung tragenden Betrachtungsweise so verstanden werden muß, ist unbestreitbar, scheidet eine Verknüpfung von nicht zum gleichen Sachinbegriff gehörenden Zwecken aus. N u n hat sich m i t der Auflösung des Enteignungsbegriffes 260 auch die Qualität der Enteignungszwecke gewandelt. Es trat insofern eine Lockerung der Sachzweckgebundenheit ein, als nun der Begriff des öffentlichen Unternehmens nicht mehr i m strengen Wortsinne verwendet wurde und i h m eine Bedeutung i m Sinne von „etwas unternehmen" beigelegt wurde. Durch die Umdeutung des Subjektes „Unternehmen" i n das Verbum „unternehmen" ging der Enteignung jede Begrenzung verloren. N u n konnten alle Eingriffe einer vorausschauenden und planenden Gesetzgebung als Enteignungsunternehmen ausgegeben wer258 Die Sorge, daß das I n s t i t u t des Plans sich zu einer Gefahr f ü r die rechtsstaatlichen Schranken der Enteignung auswachsen könnte, hat Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, S. 474; ähnlich Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 93 f.; siehe auch Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 216 f. 259 v g l . statt vieler Kirchheimer, Die Grenzen der Enteignung, S. 45. 260
Siehe vorne Fußnote 221.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
den2®1. Damit war eine Entwicklung eingeleitet, deren konsequente Fortsetzung dazu führen konnte, daß die gesamte Güterverteilungsordnung zur Disposition des Gesetzgebers gestellt war. Hierzu ist es letzthin nicht gekommen, wie auch die Grundstücksenteignung an diesen Auflösungstendenzen den geringsten A n t e i l hatte, da sie durch die prägende K r a f t des Enteignungsobjekts strukturiert und i n Form gehalten wird 2 ® 2 . Immerhin haben auch i n diesem F a l l die Auflösungstendenzen dazu beigetragen, die begrifflichen Unterscheidungskonturen zu verwischen und damit das Institut für institutsfremde Beimischungen anfällig zu machen. Das allein genügte jedoch noch nicht, u m zu erreichen, daß von der Sachnutzung völlig losgelöste Zwecksetzungen i n das Enteignungsinstitut Eingang fanden. Hierzu bedurfte es noch des sozialen Druckes 2®3, der bereits die Innehabung von Bodeneigentum unter bestimmten Voraussetzungen zum Gegenstand des gesetzlichen Eingriffs werden ließ. Ausgangspunkt hierfür war A r t . 155 Abs. 2 WRV, der das Institut der Enteignung i n den Dienst der Bodenreform stellte und damit für gesellschaftspolitische Zwecke einsetzte. Zwar wahrte der Einsatz der Enteignung zum Zwecke der Bodenreform den Sachbezug i n gewissem U m fange dadurch, daß die entzogenen, bisher landwirtschaftlich oder überhaupt nicht genutzten Flächen der Bebauung zugeführt werden mußten, doch lag hierin nicht der entscheidende Gesichtspunkt. Er bestand darin, daß die bisher i m Rahmen der Enteignung geforderte Bedarfssituation i n bezug auf ein konkretes Grundstück auf Bedarfssituationen von gesellschaftlicher Dimension erstreckt wurde. Der Mangel i m Bereich der sozialen Zustände und der Güterverteilung stand nun i m Mittelpunkt des rechtlichen Interesses, während der Mangel an ganz bestimmten Grundstücken dahinter zurücktrat. Die Grundstücksnutzung, bisher entscheidendes K r i t e r i u m für die Legitimation des Eingriffs, war nun reduziert zum K r i t e r i u m für die Bestimmung des Eingriffsobjektes. I n diesen Feststellungen drücken sich institutsinterne Gewichtsverlagerungen von entscheidender Bedeutung aus. Das zeigt sich bereits daran, daß die Größe und die soziale Erheblichkeit der zu beseitigenden Mangellage nach Abhilfen i n vergleichbarer Dimensionierung verlangt. Der Einsatz der Enteignung zur Erreichung dieses Zweckes mußte daher zwangsläufig zu einer institutionellen Verunsicherung des Eigentums führen 2 6 4 und beim Enteignungsinstitut selbst eine Erschütterung der rechtsstaatlichen Strukturen auslösen. 261
Vgl. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 415 ff. Vgl. dazu Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, S. 122. 263 So Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 50. 2β4 Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 316 ff.; Kimminich, Bonner Kommentar, A r t . 14, Rdnr. 10 u n d 11 m. w . N. 262
II. Begriffsexegese
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Dies alles waren die Wirkungen, die von der neuen Zwecksetzung ausgingen, die institutsintern neben den traditionellen Enteignungszweck trat und über alle Wandlungen der verfassungsrechtlichen Grundlagen sich i n verschiedener gesetzlicher Erscheinungsform bis i n die Gegenwart erhalten hat. Dessen ungeachtet hat sich die weitere rechtliche Betrachtung auf das Vorhandensein mehrerer, unterschiedlich strukturierter Verfahrenszwecke einzustellen und sich m i t der Frage zu befassen, ob und i n welcher Weise die beiden Zwecksetzungen gegenseitig verknüpft sind. Ob eine Zweckverknüpfung vorliegt, zeigt sich am besten daran, ob der jeweilige Zweck für sich allein sinnvoll bleibt. Beim städtebaulichen Entwicklungszweck ist dies ohne weiteres der Fall. Er entspricht i n seiner Struktur dem traditionellen Enteignungszweck, der i n einem einheitlichen Sachzweck besteht. Für den sogenannten sozialen U m verteilungszweck gilt etwas anderes. Er ist von so hoher Allgemeinheit, daß m i t i h m die gesamte Güterverteilung aus den Angeln gehoben werden könnte, wenn nicht durch konkretisierende Zweckbeigaben dieser unerwünschte Effekt verhindert und die Vollzugstauglichkeit des Enteignungsinstitutes bewahrt werden würde. Zieht der Umverteilungszweck auf diese Weise aus dem städtebaulichen Entwicklungszweck Nutzen, so strahlt andererseits die i h m eigene Dynamik auf diesen aus und erhöht nachhaltig die Enteignungsanfälligkeit von Grund und Boden. Die Frage nach dem isolierten Sinn der Zwecksetzungen läßt sich daher so beantworten, daß der soziale Umverteilungszweck des städtebaulichen Entwicklungszweckes zwingend bedarf, ohne daß dieser, obgleich davon beeinflußt, auf den sozialen Umverteilungszweck angewiesen ist. Liegt somit eine Verknüpfung der Zwecke vor, so stellt sich nun die Frage nach der A r t der Verknüpfung. I n Anlehnung an zivilistische Vorbilder soll hier zunächst die kausale Verknüpfung 2 6 5 als einfachste Form der Zweckkombination untersucht werden. Sie liegt vor, wenn ein Verfahrenszweck für die Existenz des anderen eine nicht hinwegzudenkende Bedingung darstellt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß dies für das Verhältnis des städtebaulichen Entwicklungszwecks zum sozialen Umverteilungszweck zutrifft, so daß insofern vom Vorliegen einer einseitig kausalen Verknüpfung ausgegangen werden kann. I n diesem Verhältnis könnte aber noch eine über die kausale Verknüpfung hinausgehende engere Kombination der Verfahrenszwecke, 285 Dazu Elster, A r t . Kausalzusammenhang, H w R , Bd. 3, S. 517—524 m . w . N.; Fleiner, Kausalitätsprobleme i m Verwaltungsrecht, Festschrift f ü r Zangger, S. 496, 503; Palandt / Heinrichs, BGB, 36. A u f l . Vorbem. V. § 249, 5.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
beispielsweise eine funktionell-synallagmatische 266 bestehen. Von dieser Form der Zweckverknüpfung spricht man dann, wenn der Vollzug eines Verfahrenszweckes u m des Vollzuges des anderen Verfahrenszweckes w i l l e n erfolgt. So sind aber bei der transitorischen Enteignung die Dinge nicht gelagert, denn die Vollziehung der Verfahrenszwecke geschieht ausschließlich u m ihrer selbst willen, was schon daraus hervorgeht, daß sie zeitlich versetzt i n das Stadium der Realisierung eintreten. Es liegt auch keine konditionale Zweckverbindung 2 6 7 vor. Zwar ist festgestellt worden, daß ein Verfahrenszweck für den anderen eine nicht hinwegzudenkende Bedingung darstellt, doch hat dies nichts mit einer konditionalen Verknüpfung zu tun, denn diese läge nur vor, wenn der eine Zweck für den anderen ein künftiges ungewisses Ereignis bedeuten würde. Da aber i m vorliegenden Fall der städtebauliche Entwicklungszweck dem abhängigen sozialen Umverteilungszweck zeitlich vorausgeht, ist er für diesen weder künftig noch ungewiß. Schließlich kommt auch keine akzessorische Zweckverknüpfung 2 6 8 i n Betracht, denn der städtebauliche Entwicklungszweck ist keine W i r k samkeitsvoraussetzung für den sozialen Umverteilungszweck. Dies gilt auch für die umgekehrte Beziehung. Es verbleibt somit bei dem schon festgestellten Resultat, daß die beiden Verfahrenszwecke lediglich kausal miteinander verknüpft sind. Die sich an dieses Ergebnis zwingend anschließende weitere Frage nach der Zulässigkeit der Verknüpfung hängt von der Klärung der Vorfrage ab, ob die Zwecke als solche überhaupt zulässige Festsetzungen enthalten. Für eine Behandlung dieser Fragen ist jedoch die Analyse der Begriffsmerkmale nicht der richtige Ort. Sie bleiben deshalb der späteren Prüfung vorbehalten 269 .
I I I . Abgrenzung der transitorischen Enteignung von anderen Formen hoheitlicher Inanspruchnahme von Grund und Boden I m Anschluß an die i m zweiten Abschnitt unternommene Kennzeichnung und Konturierung des Instituts der transitorischen Enteignung soll nun i m dritten Abschnitt ihre Abgrenzung von anderen, teilweise verwandten Rechtsformen der öffentlichen Inanspruchnahme von Grund und Boden erörtert werden. Hierzu bietet es sich zunächst an, die transitorische Enteignung von anderen Fällen der Grundstücksent2ββ V
BGB, 36. A u f l . Einf. V. § 320, 2. g L Palandt / Heinrichs, Vgl. Flume , Allgemeiner T e i l des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., Das Rechtsgeschäft, S. 677 f. 268 Vgl. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 10. A u f l . S. 298 ff., 319, 388 ff. 269 Siehe dazu hinten I I . Teil, 1. K a p i t e l I I bis I V . 267
III. Institutionelle Abgrenzung
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eignung begrifflich abzuheben und dann die Unterschiedlichkeit zu den anderen Formen der Inanspruchnahme von Grund und Boden herauszuarbeiten. 1. Die klassische Enteignung
Als eine der transitorischen Enteignung verwandte Enteignungsform ist i n früherem Zusammenhang die sog. klassische Enteignung 2 7 0 vorgestellt worden. Vergleicht man sie m i t der transitorischen Enteignung, so stellt man abgesehen vom Enteignungsgegenstand eine erstaunliche Anzahl an Übereinstimmungen fest. Dies beruht i m wesentlichen darauf, daß die sog. klassische Enteignung das Erscheinungsbild und die Struktur dieses Institutes geprägt hat 2 7 1 und alle anderen zeitlich nachfolgenden Enteignungstatbestände dadurch festgelegt waren. Die Übereinstimmung geht soweit, daß zweckmäßigerweise nicht nach den übereinstimmenden, sondern den unterschiedlichen Gesichtspunkten beider Rechtsinstitute gefragt wird. Hiernach aber unterscheiden sich klassische und transitorische Enteignung nur i n einem Punkt: beim sozialen Umverteilungszweck. Die Besonderheiten, die er i n formeller und materieller Hinsicht für das Institut der Enteignung gebracht hat, sind vorne bereits eingehend herausgestellt worden, so daß als Ergebnis der Gegenüberstellung der beiden Institute festgehalten werden kann, daß die klassische Enteignung i n der transitorischen Enteignung als erstem Schritt des dortigen Verfahrens 272 enthalten ist. 2. Die Enteignung zugunsten Privater
Bei der Enteignung zugunsten Privater liegt die Abgrenzung der beiden Institute wesentlich problematischer, da der Begriffsinhalt der Enteignung zugunsten Privater nicht unzweideutig feststeht. So kann dieses Institut begrifflich i n einem weiteren und einem engeren Sinne verstanden werden. I n einem weiteren Sinne verstanden liegt Enteignung zugunsten eines Privaten immer dann vor, wenn das i m öffentlichen Interesse entzogene Recht i n privater Rechtsträgerschaft seinen dauernden Bestimmungszweck findet. H ä l t man diese allein auf das K r i t e r i u m des Erwerbs zugeschnittene Betrachtungsweise für zutreffend, so verliert die transitorische Enteignung ihre begriffliche Selb270
Vgl. vorne Fußnote 220. So Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, S. 122; E.R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 20; Rüfner, Enteignung u n d Aufopferung, i n : Erichsen / Martens, Allgem. VerwR, 3. Aufl., S. 416; Klickovic, Die Enteignung, ein dem Grundeigentum u n d der Bodenbeschaffung zugeordnetes Rechtsinstitut, i n : Deutsche Rechtswissenschaft, Bd. 5 (1940), S. 137. 272 Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 218. 271
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
ständigkeit, und auch eine beachtliche Zahl der klassischen Enteignungsfälle w i r d begrifflich hierin integriert 2 7 3 . Dieser weiten Sicht 274 kann jedoch nicht gefolgt werden, da sie zu wenig differenziert und bei i h r eine Reihe von für die Enteignung relevanten Gesichtspunkten ohne Würdigung bleiben. Dies gilt zunächst für die Frage, von wem die Initiative für die Enteignung ausgeht, ob dieses ζ. B. auf Antrag des begünstigten Privaten eingeleitet wird. Es gilt weiter für die Frage, wieviele Beteiligte das Enteignungsverfahren aufweist und damit zusammenhängend auch dafür, ob der entzogene Gegenstand unmittelbar oder nur mittelbar durch den Privaten erworben wird. Ein bedeutsamer Gesichtspunkt liegt schließlich i n der Frage, ob sich i n der Person des privaten Begünstigten der öffentliche Zweck verwirklicht und wie der durch öffentlich-rechtlichen Eingriff entzogene Gegenstand vor einer Rückführung i n den privaten Rechtsverkehr gesichert ist. Schon die Anzahl der hier offen bleibenden Fragen zeigt, daß eine begriffliche Klärung der Enteignung zugunsten Privater weiterer Bestimmungskriterien bedarf. Diese haben sich, entsprechend der strengen Zweckbindung des Enteignungsinstitutes auch i n diesem Falle i n erster Linie aus dem Verfahrenszweck und seiner Verknüpfung m i t dem privaten Erwerber zu ergeben. Wenn aber die Verknüpfung des Verfahrenszweckes m i t dem Begünstigten einen Sinn haben soll, dann nur den, daß der das Wohl der Allgemeinheit repräsentierende Verfahrenszweck durch die Person des privaten Begünstigten erfüllt wird. Das aber setzt wiederum voraus, daß der private Begünstigte nicht außerhalb des Enteignungsverfahrens stehen darf. Wenn er aber hierin eingegliedert ist, dann geschieht der Rechtsentzug unmittelbar i n seinem Interesse, jo sogar i n aller Regel auf sein Betreiben hin. Diese begriffliche Deduktion findet sich i n der Rechtswirklichkeit vielfach bestätigt. A l l e Enteignungen, die i m 19. Jahrhundert ζ. B. zum Zwecke des Eisenbahnbaues durchgeführt wurden, waren Enteignungen zugunsten Privater 2 7 5 , die diesem Muster folgten. Bei den i n diesem Jahrhundert vermehrt auftretenden Enteignungen zugunsten Privater 2 7 6 ist dieses Erscheinungsbild eben278 A u f die enteignungsdogmatischen Folgen, die eine ausschließlich am Erwerb der enteigneten Sache sich orientierende Betrachtung auslöst, beispielsweise f ü r den Gemeinwohlvorbehält, weist Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 218 hin. 274 Vgl. Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat 1, 1962, 449 ff. 275 Rüfner, Enteignung u n d Aufopferung, S. 416; Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, S. 460 ff.; Lay er, Principien des Enteignungsrechts, S. 285 ff., 312 ff.; Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. A u f l . 1924, Bd. 2, S. 9 ff. 276 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, S. 449 f.
I I I . Institutionelle Abgrenzung
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falls bestimmend. Der Begriff der Enteignung zugunsten Privater ist somit aufgrund theoretischer Einsicht und praktischer Erfahrung enger zu fassen. Sie ist eine Enteignung, die unmittelbar 2 7 7 i m Interesse des privaten Begünstigten durchgeführt wird, der zur Verwirklichung eines dem Allgemeinwohl dienenden Zwecks des enteigneten Gegenstandes zwingend bedarf. Stellt man diesen enger gefaßten Begriff dem oben gebrauchten gegenüber, so ergibt sich, daß er alle den als k r i t i k w ü r d i g bezeichneten Gesichtspunkten Rechnung trägt. Er teilt jedoch m i t dem weiteren Begriff die Schwäche i m Bereich der dauerhaften Sicherung des Enteignungszweckes, da jeder hoheitliche Rechtsentzug zugunsten eines Privaten, unabhängig von seiner begrifflichen Einordnung, die Gefahr i n sich birgt, aus den öffentlich-rechtlichen Bindungen herauszutreten, u m wieder i n die Formen des privaten Rechtsverkehrs zurückzukehren. Dieses i m Falle der Enteignung zugunsten Privater institutionell w o h l nicht eliminierbare Risiko kann indessen nicht die Vorzugswürdigkeit des engeren Begriffs i n Frage stellen. Stellt man i h n der transitorischen Enteignung gegenüber, so erkennt man, daß diese, obgleich auch sie einen privaten Rechtsträger begünstigt, begrifflich hiervon unberührt bleibt. I m verfahrensrechtlichen Bereich gibt es keine Berührungspunkte zwischen den beiden Instituten, und auch beim Enteignungszweck liegt die Unterschiedlichkeit auf der Hand. Diese bezieht sich nicht auf die Qualität des Enteignungszweckes, sondern auf dessen Realisierung. W i r d i m Falle der Enteignung zugunsten eines Privaten von diesem der dem Allgemeinwohl dienende Zweck verwirklicht, so w i r d dieser Zweck bei der transitorischen Enteignung von dem privaten Begünstigten bereits ralisiert vorgefunden. Sein Beitrag zum Allgemeinwohl reduziert sich i n aller Regel, abgesehen von den Regelungen, die auch die Verwirklichung der Verwaltungszwecke dem privaten Enteignungsbegünstigten übertragen (§ 89 Abs. 2 BBauG), auf die Perpetuierung des angetroffenen Zustandes, was erkennbar etwas qualitativ anderes ist, als den öffentlichen Pflichten zu entsprechen, denen der private Begünstigte i m Falle der Enteignung zugunsten Privater sich i n Form vorgängiger Darlegung und Glaubhaftmachung der Enteignungsvoraussetzungen sowie deren späterer Verwirklichung zu unterwerfen hat. Schließen alle diese Erwägungen die Gleichsetzung von transitorischer Enteignung und Enteignung zugunsten Privater aus, so kann die Abgrenzung der Enteignung zugunsten Privater von der klassischen Enteignung nicht m i t einer ähnlich großen Anzahl von Sachgesichtspunkten vorge277 Schulte, Eigentum u n d öffentliches Interesse, S. 90; Grundfragen des Städtebaurechts, S. 218 m. w . N.
Schmidt-Aßmann,
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus
nommen werden. Beide Rechtsformen weisen nämlich weder i m Verfahrensbereich noch i n der Qualität des Verfahrenszweckes Unterschiedlichkeiten auf 2 7 8 . Eine solche existiert lediglich i n der Person des Rechtsträgers, die den hoheitlichen Enteignungszweck verwirklicht. Während i m Falle der klassischen Enteignung der Enteignungszweck verknüpft ist m i t dem öffentlichen Unternehmen, das bereits durch seine Existenz die Gewähr für die dauerhafte Beachtung des Enteignungszweckes bietet, w i r d bei der Enteignung zugunsten Privater der hoheitliche Zweck von einem privaten Rechtsträger verwirklicht. Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Einsatz von Enteignungszwang nicht wegen der Privateigenschaft des Begünstigten erfolgt, sondern ausschließlich deshalb, weil dieser dem Wohl der Allgemeinheit dienende Aufgaben erfüllt 2 7 9 . Als für die Begriffsbestimmung bedeutsam erweist sich hierbei, daß die Enteignung zugunsten Privater die bereits oben skizzierte A u f lösung des Wohls der Allgemeinheit von einem konkreten öffentlichen Unternehmen i n einen abstrakten öffentlichen Zweck 2 8 0 ebenso voraussetzt, wie die erst vom Sozialstaat herbeigeführte Konversion i n der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben durch Private und privater A u f gaben durch die Allgemeinheit. Weiterhin zeigt sich hieran, daß die Aufrechterhaltung einer begrifflichen Scheidung zwischen klassischer und Enteignung zugunsten Privater nur dann noch einen Sinn hat, wenn unter klassischer Enteignung das konkrete öffentliche Unternehmen i n seinem ursprünglichen nicht abstrahierten Verständnis 2 8 1 begriffen wird. Anderenfalls stehen die Begriffe für den gleichen Sachverhalt und heben sich gegenseitig auf. 3. Die Sozialisierung
Eine begrifflich prägnantere Unterscheidung als zwischen den beiden soeben behandelten besonderen Enteignungsformen ermöglicht das Rechtsinstitut der Sozialisierung. Die begriffliche Scheidung fällt i m Unterschied zu den verschiedenen Enteignungsformen nicht deshalb 278
Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, S. 459 f. m. w. N. 279 Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 381 ff.; Hamann/Lenz, Das Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., A r t . 14, Rdnr.9, S.294f.; von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, B a n d i , A r t . 14, S. 445; Scheuner, i n : Reinhardt / Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 94 f.; Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 14, Rdnr. 110; Kimminich, Bonner Kommentar zum GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 275; vgl. auch BVerfGE 38, 175. 280 Kirchheimer, S. 45 f.; Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 110 ff.; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 340. 281
So w i e es i m preußischen Enteignungsgesetz von 1874 verstanden w i r d .
III. Institutionelle Abgrenzung
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leichter, w e i l es sich dabei u m einen kollektiven Eingriff 2 8 2 i n das Rechtsgut Eigentum handelt, sondern w e i l der Sozialisierungseingriff eine andere Rechtsqualität aufweist als die Enteignung. Diese zwar nicht ganz unumstrittene Rechtsauffassung 283 gründet sich darauf, daß mit der Sozialisierung eine grundlegende Veränderung der Wirtschaftsverfassung angestrebt wird 2 8 4 , wobei ein gemeinwirtschaftliches System an die Stelle des kapitalistisch-liberalen t r i t t , u m bisher besitzlosen Schichten kollektive Verfügungsmacht über das Wirtschaftseigentum zu verschaffen. Der Charakter dieses Instituts w i r d daher aller Unschärfe des zentralen Begriffs der Gemeinwirtschaft zum Trotz, hiervon i n viel höherem Maße bestimmt als durch den notwendigen Eingriff i n das Wirtschaftseigentum 285 , denn die vom Begriff Gemeinwirtschaft gekennzeichnete kollektive Verfügungsmacht ist notwendigerweise politische Macht, m i t der sich zugleich die Struktur der politischen Staatsverfassung von Grund auf wandelt. Ist somit i m Falle der Sozialisierung der Eigentumseingriff lediglich die notwendige Voraussetzung zur Verwirklichung anderer wichtigerer Zielvorstellungen, dann ergibt sich für dieses Rechtsinstitut i m Verfassungsstaat 286 folgende Begriffsbestimmung: Sozialisierung ist die verfassungsrechtlich vorgesehene Möglichkeit einer Umgestaltung der Wirtschaftsverfassung i m Sinne kollektiver Verfügungsbefugnis durch gesetzlich vorgenommenen Eingriff i n das private Wirtschaftseigentum. Zum privaten Wirtschaftseigentum zählen unter dem geltenden Verfassungsrecht nicht mehr wie unter der Weimarer Reichsverfassung 287 „alle geeigneten privaten wirtschaftlichen Unternehmungen", also die 282 Vgl. Herzog, A r t . Eigentum, Ev. Staatslexikon, 2. A u f l . Sp. 521 f. m. w . N.; Krüger, Sozialisierung, i n : Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die G r u n d rechte, Bd. 3, l . H b d . S. 267 ff.; Kimminich, Bonner K o m m e n t a r zum GG, A r t . 15 (Zweitbearbeitung), Rdnr. 15; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 15, Rdnr. 5; H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, S. 105 f.; abweichend Ridder, Enteignung u n d Sozialisierung, S. 133 ff. 288 Vgl. dazu E. R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Bd. 2, S. 50 f., 141 ff. 284 Dazu H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, S. 105; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 141 ff. 285 a. A. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, K o m m e n tar, A r t . 15, Rdnr. 19, der die Auffassung v e r t r i t t , daß der Sozialisierungsbegriff zweiaktig sei u n d sich einmal aus der Eigentumsentziehung sowie aus der Überführung der betreffenden Gegenstände i n gemeinwirtschaftliche Formen zusammensetze. 286 Die Einschränkung „ i m Verfassungsstaat" soll hervorheben, daß die Sozialisierung, die begrifflich zwei durchaus unterschiedliche Tatbestände anspricht: Eine evolutionäre Wandlung oder ein revolutionärer Umsturz der Eigentumsverfassung, hier n u r i m Sinne einer evolutionären Wandlung v e r standen w i r d . Dazu E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 143. 287 Friedlaender, Sozialisierung, i n : H. C. Nipperdey (Hrsg.), Die G r u n d rechte u n d Grundpflichten der Reichs Verfassung, Bd. 3, 1930, S. 330 f.
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Gesamtheit des privaten Produktivvermögens, sondern lediglich eine begrenzte Anzahl sozialisierungsreifer 288 Rechtsgüter, zu denen allerdings auch der Grund und Boden gehört. Hier liegt der Anknüpfungspunkt für die Abgrenzungsproblematik zwischen der Sozialisierung und der Enteignungsform, die Gegenstand dieser Untersuchimg ist. Als eine spezifische, auf die Inanspruchnahme von Grund und Boden zugeschnittene Rechtsform unterliegt die transitorische Enteignung i m Verhältnis zur Sozialisierung den eingangs dargestellten mehr pauschalen Differenzierungen, die zum Verhältnis zur Enteignung allgemein gegeben wurden. Eine auf die Besonderheiten dieser Enteignungsform bedachte Abgrenzung hat von den das Rechtsinstitut beherrschenden Zwecken auszugehen und sie dem Sozialisierungszweck i m Sinne der oben gegebenen Definition gegenüberzustellen. Erprobt man dieses Verfahren beim sog. städtebaulichen Entwicklungszweck, der als einziger der Verfahrenszwecke der transitorischen Enteignung i n seiner Rechtsqualität den traditionellen Enteignungszwecken entspricht, so erkennt man, abgesehen von der schon behandelten strukturellen Diskrepanz, daß dieser i m Einzelfall eine höherwertigere Nutzungsart herbeizuführen hat, während für den Sozialisierungszweck gerade die Beibehaltung der bestehenden Nutzungsart unter gleichzeitiger Veränderung i n der Struktur der rechtlichen Zuordnung typisch ist. Die bei der Enteignung i m Einzelfall geforderte Konkretisierung des Wohles der Allgemeinheit 2 8 9 geht bei der Sozialisierung i n der schlichten Überführung eines sozialisierungsreifen Gutes i n gemeinw i r t s c h a f t l i c h e F o r m e n auf, i n s o w e i t v o n Verfassungswegen u n t e r s t e l l t
wird, daß die Sozialisierung bestimmter Güter immer dem Allgemeinw o h l diene 290 . 288 D e r Begriff der Sozialisierungsreife ist seit der Aufnahme einer Sozialisierungsvorschrift i n die Weimarer Reichsverfassung i m wissenschaftlichen Schrifttum gebräuchlich; vgl. Friedlaender, Sozialisierung, S. 331; Kimminich, A r t . 15 (Zweitbearbeitung), Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Rdnr. 34; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 152ff.; Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 15, Rdnr. 23; Herbert Krüger, Sozialisierung, i n : Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die G r u n d rechte, Bd. 3, 1. Halbband, 1958, S. 302 ff. 299 Friedrich Klein, Vermögensbildung u n d Eigentumsgarantie, S. 42 ff.; Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung), K o m m e n t a r zum Bonner Grundgesetz, Rdnr. 267 ff.; Joseph H. Kaiser, Verfassungsrechtliche Eigentumsgewähr, Enteignung u n d Eigentumsbildung i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Staat u n d Privateigentum, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht u n d Völkerrecht, Bd. 34, S. 5 ff.; Schack, Enteignung „ n u r zum Wohle der Allgemeinheit", B B 1961, 75; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 382 f. 290 So schon der Abgeordnete Dr. Grewe (SPD) i n der 18. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates a m 4.12.1949, i n : v.Doemming / Füsslein / Matz, Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des Grundgesetzes, JÖR N F 1, 1951, S. 156.
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Die Einbeziehung des sozialen Umverteilungszwecks i n eine Vergleichssituation m i t der Sozialisierung legt weitere Diskrepanzen i n der Rechtsstruktur offen: Während nämlich die Sozialisierung den entzogenen Gegenstand i n gemeinwirtschaftliche Verfügungsformen überführt, erstrebt der soziale Umverteilungszweck die Herstellung von Eigentum i n privater, wenn auch grundsätzlich i n personenverschiedener Trägerschaft. Auch i n der transitorischen Phase, i n der das Eigentum auf einen Träger hoheitlicher Gewalt überführt war, blieb der privatnützige Charakter 2 9 1 des entzogenen Eigentums gewahrt, und zu keinem Zeitpunkt waren kollektive Verfügungsformen (Gemeineigentum) entstanden. Die monistische Zweckstruktur der Sozialisierung findet somit bei keinem der transitorischen Verfahrenszwecke eine Entsprechung. Es ist daher nicht überraschend, daß sich i n formeller Hinsicht die Unterschiedlichkeiten fortsetzen. So kann die Sozialisierung ausschließlich durch Gesetz, das den erstrebten Erfolg unmittelbar herbeiführt, verwirklicht werden, während die transitorische Enteignung i n unterschiedlicher Form durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erzwungen werden kann, wobei praktische Bedürfnisse i n der Regel 292 den Eingriff durch Verwaltungsakt nahelegen. Damit ist allerdings die verfahrensmäßige Verschiedenheit noch nicht erschöpft, sondern es ist darauf hinzuweisen, daß der monistische Charakter des Sozialisierungszweckes auch eine Beteiligtenverschiedenheit zur Folge hat. Dies braucht jedoch nicht weiter erläutert zu werden, da es sich einmal als Konsequenz aus der Struktur des Sozialisierungszweckes zwingend ergibt und w e i l zur unterschiedlichen Beteiligteneigenschaft bei der transitorischen Enteignung das Notwendige bereits gesagt wurde. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die strukturelle Sozialverpflichtetheit der transitorischen Enteignung einerseits und der Sozialisierung andererseits auf zwei völlig unterschiedlichen Wegen verwirklicht werden und daß, von dieser prinzipiellen Gemeinschaftlichkeit abgesehen, eine Überschneidung der beiden Institute begrifflich ausscheidet.
291 Z u r Privatnützigkeit des Eigentums vgl. Badura, Die Verfassung als Auftrag, Richtlinie u n d Grenze der wirtschafts- u n d arbeitspolitischen Gesetzgebung, S. 12; H. J.Papier, Eigentumsgarantie u n d Geldentwertung, AöR 98 (1973), 528. 292 Eine Ausnahme hiervon macht die sog. Zonenenteignung, w i e sie durch das preußische Wasserstraßengesetz v o m 1. A p r i l 1905 (GS S. 179) eingeführt w u r d e ; siehe dazu Erman, A r t . 155, Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 309; Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 42; Lay er, Principien des Enteignungsrechts, S. 370.
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I. Teil: Der neue Enteignungstypus 4. Die Konfiskation, Requisition, Einziehung
Die Vielfalt der staatlichen Zugriffsmöglichkeiten reicht über die Sozialisierung und die verschiedenen Enteignungsmodalitäten hinaus. I n diesen Zusammenhang gehören noch die Konfiskation, die Requisition und die Einziehung 293 . Was zunächst die Konfiskation angeht, so handelt es sich hierbei u m ein verfassungsrechtlich nicht ausdrücklich erwähntes Rechtsinstitut. Ob nun die Nichterwähnung i n der Verfassungsurkunde als ein beredtes Schweigen i m Sinne einer Nichtzulässigkeit der Konfiskation gedeutet werden muß, ist noch zu zeigen. I n Übereinstimmung m i t den verschiedenen Formen der Enteignung und i m Unterschied zur Sozialisierung zielt die Konfiskation grundsätzlich auf alle i n privater Rechtsträgerschaft stehenden Gegenstände als Zugriffsobjekt. I n ihrer praktischen Bedeutung entfaltete sich die Konfiskation i n erster Linie am Grund und Boden als Zugriffsobjekt, da sie von ihrer Finalität her auf die Basis der wirtschaftlichen Existenz eines privaten Rechtsträgers bezogen ist und diese i n den relevant gewordenen Fällen i m wesentlichen, wenn nicht ausschließlich i n Grundstücksrechten bestand 294 . Wie bei der Enteignung und der Sozialisierung w i r d der Eingriff von einem Träger staatlicher Gewalt vollzogen, wobei hier, wie auch bei der Sozialisierung, der Hoheitsträger der Staat selbst ist, da allein er die Kompetenz zur Schaffung der gesetzlichen Grundlagen besitzt, die die Konfiskation bewirken. Als von der Konfiskation Betroffene kommen nur private Rechtsträger i n Betracht und hiervon i m Gegensatz zur Enteignung und Sozialisierung auch nicht jeder beliebige, der über das entsprechende Rechtsgut verfügt, sondern nur solche, i n deren Person der für die Konfiskation charakteristische Diskriminierungszweck ermittelt werden kann. Damit ist die Beziehung zur Zweckbestimmung hergestellt, die auch i m Falle der Konfiskation das Kernstück des Rechtsinstitutes ausmacht. Zweck der Konfiskation ist nach einhelliger Auffassung der Entzug politisch diskriminierten Eigentums 295 , wobei sich die politische Dis293 E. R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 8 ff. nennt weitere M ö g lichkeiten hoheitlichen Rechtsentzuges, ζ. B. Restitution, Aufopferung, A b lieferung. Sie bedürfen i m vorliegenden F a l l keiner näheren Behandlung, da sie weder v o m entzogenen Gegenstand noch v o m eingehaltenen Verfahren einen Konnex zur transitorischen Enteignung aufweisen. 294 Dazu Werner Weber, Z u r Problematik v o n Enteignung u n d Sozialisier u n g nach neuem Verfassungsrecht, N J W 1950, 403. 295 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 337; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 42 ff.; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / H e r zog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 15, Rdnr. 22; Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung) K o m m e n t a r zum Bonner Grundgesetz, Rdnr. 210; ders., A r t . 15 (Zweitbearbeitung) Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Rdnr. 16;
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kriminierung auf den V o r w u r f der staats- oder sozialschädigenden Wirkung des Eigentums i n der Hand ihres derzeitigen Inhabers konzentriert. Dieser rein negativ 2 0 6 auf die Person des einen Rechtsverlust Erleidenden zugeschnittene Zweck, der damit auch rein subjektbestimmt 2 9 7 ist, erlaubt eine klare Abgrenzung von der Sozialisierung und der Enteignung. Zwar berührt er sich i n seinem monistischen Charakter m i t dem Sozialisierungszweck, hebt sich aber von diesem, zur betroffenen Eigentümerposition neutral eingestellten Zweck, nachhaltig ab. Noch deutlicher fällt der Unterschied zur transitorischen Enteignung aus. Bereits die unterschiedliche Anzahl der hier vorhandenen Zweckbestimmungen springt ins Auge. I n qualitativer Hinsicht gehen die Diskrepanzen noch über die numerischen hinaus. Bezüglich des städtebaulichen Entwicklungszweckes ergibt sich dies daraus, daß dieser rein objektbestimmt und auf eine höherrangige Nutzungsart als die bisher gebräuchliche bezogen sein muß. Dieser Zweckbestimmung geht daher jede negative Bewertung des Enteignungsbetroffenen ab. Auch der soziale Umverteilungszweck hat nichts m i t dem Konfiskationszweck gemein. Zwar ist er wie dieser personenbestimmt, doch trägt er nicht wie dieser eine negative, sondern eine positive Bestimmungstendenz und bezieht diese nicht auf den Enteignungsbetroffenen, sondern auf den Enteignungsbegünstigten. Zieht man unter Zuhilfenahme dieser vergleichenden Betrachtung bezüglich der Konfiskation ein Resümee, so erkennt man, daß sie m i t Instituten des geltenden Verfassungsrechts nicht harmonisierbar ist. Da aber i m eigentumspolitisch neutralen Charakter der Sozialisierung und i m eigentumspolitisch eindeutig positiven Charakter 2 9 8 der Enteignung eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundstruktur des Grundgesetzes hervortritt, kann aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Normierung einerseits und aus dem eigentumspolitisch negativen Charakter der Konfiskation andererseits nur die Schlußfolgerung gezogen werden, daß diese verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. Herzog, A r t . Eigentum, Ev. Staatslexikon, 2. A u f l . Sp. 520 f.; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 348; ders., Z u r Problematik v o n Eigentum u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, N J W 1950, 403. 29β Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 320. 297
H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, S. 88. Besonders deutlich t r i t t diese Charakterisierung der Enteignung i n der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts zutage, die i n der Enteignung keine Ausnahme von der Eigentumsgarantie, sondern deren Bestätigung u n d Spezifikation sieht; vgl. dazu B G E 37 I 503 (520 f.). I m deutschen Schrifttum werden Bedenken dagegen erhoben, daß die Eigentumsgarantie v o n v o r n herein u m die Möglichkeit der Enteignung verkürzt betrachtet w i r d ; dazu Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, S. 453; H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, S. 86; Herzog, A r t . Eigentum, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 520. Vgl. aber BVerfGE 38, 175. 298
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Auch zum Rechtsinstitut der Requisition schweigt der Verfassungstext. I m Gegensatz zur Konfiskation liegt die Erklärung hierfür aber auf der Hand: Die Requisition ist eine Rechtshandlung außer konstitutioneller Provenienz auf völkerrechtlicher Grundlage 299 . Das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht gibt der Besatzungsmacht die Befugnis, von i h r benötigte Güter i m Besatzungsgebiet durch Requisitionszugriff zu beschaffen. Zwar erlaubt der Güterbeschaffungszweck der Requisition i n gewisser Hinsicht die Herstellung einer Parallele zur Enteignung, doch zeigen schon die unterschiedlichen Rechtsquellen, daß es zwischen der an die nationale Rechtsordnung gebundenen Enteignung und der Requisition keine echten Abgrenzungsprobleme geben kann 3 0 0 . Weitere, über dieses rein formelle K r i t e r i u m hinausgehende Erwägungen materieller Natur bekräftigen dieses Ergebnis. So findet beispielsweise das bei der Enteignung i n dem unbestimmten Rechtsbegriff des Wohls der Allgemeinheit umschlossene, sorgfältig abgestimmte und wohlabgewogene Verhältnis der widerstreitenden Interessen des einzelnen und der Allgemeinheit bei der Requisition i m Verhältnis des einzelnen zur Besatzungsmacht keine Entsprechung 301 . Hier muß der Eingriff das Wohl der Allgemeinheit nicht notwendig zur Voraussetzung haben. Schließlich liegen auch i n entschädigungsrechtlicher H i n sicht zwischen Enteignung und Requisition prinzipielle Unterschiede. Eine Entschädigung — sie ist i m Falle der Enteignung schon begrifflich vorausgesetzt 302 — ist zwar nach Art. 52 H L K O auch bei der Requisition zu leisten, ohne jedoch die Qualität des Enteignungsentschädigungsanspruchs auch nur annähernd zu erreichen. Weder vom Umfang der zu gewährenden Entschädigung, bei dem sie weit hinter diesem zurückbleibt, noch von der Gewißheit der Anspruchsdurchsetzung vermag sie diesen zu erreichen, da A r t . 52 H L K O den Anspruchsgegner nicht festgelegt hat 3 0 3 . Die sich daraus ergebende Streitfrage, ob Adressat des Entschädigungsverlangens der requirierende Staat ist 3 0 4 , was naheliegt, oder der besetzte Staat, führt i n der Rechtswirklichkeit nicht selten dazu, daß das Entschädigungsbegehren zwischen den zwei sich jeweils für unzuständig erklärenden Adressaten leerläuft. Die i n den genannten materiellen Aspekten zum Vorschein kommende rechtsstaatliche Unterbilanz einerseits sowie die völkerrechtliche Provenienz der Requisition andererseits führen i m Ergebnis dazu, daß die Requisition i m Verhält299 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 338; Β GHZ 12, 52; B V e r w G E 4, 6. 300 Β GHZ 11, 43; 12, 52 (57, 61 ff.); 13, 145. 301 B V e r w G E 4, 7. 302 So Β GHZ 6, 270; Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 119 f. 303 Β GHZ 12, 57 m. w . N. 304 So Β GHZ 12, 57; Ehlers, N J W 1958, 161.
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nis zur Enteignung allgemein außer Betracht zu bleiben hat und damit erst recht i n bezug auf die i m vorliegenden Zusammenhang interessierende besondere Enteignungsform ohne Belang ist 3 0 5 . Bei der Vielfalt der Möglichkeiten öffentlicher Inanspruchnahme von Grund und Boden erweist es sich zur Präzisierung des rechtlichen U m feldes der transitorischen Enteignung als notwendig, auch auf die Einziehung einzugehen. I m Hinblick auf die geringe praktische Bedeutung, die der Einziehung i n bezug auf Grund und Boden zukommt, soll dies i n aller Kürze geschehen. Bei der Einziehung handelt es sich u m ein Institut der nationalen Rechtsordnung, dessen verfassungsrechtliche Zulässigkeit außer Zweifel steht 306 . M i t i h r werden Gegenstände, die durch eine strafbare oder ordnungswidrige Handlung hervorgebracht wurden 3 0 7 , sog. producta sceleris, oder zur Begehung bzw. Vorbereitung strafbarer bzw. ordnungswidriger Handlungen gebraucht wurden oder gebraucht werden sollten, sog. instrumenta sceleris, dem Täter oder Teilnehmer 3 0 8 unter bestimmten Voraussetzungen 309 auch einem D r i t t eigentümer weggenommen und m i t Rechtskraft der gerichtlichen oder Bestandskraft der ordnungsbehördlichen Entscheidung i n das Eigentum des Staates überführt 3 1 0 . Von den zahlreichen, eine Einziehung gestattenden Vorschriften des Strafgesetzbuches 311 , der strafrechtlichen Nebengesetze 312 und des Ordnungswidrigkeitengesetzes 313 haben lediglich diejenigen enteignenden Charakter, die eine Einziehung bei dem sog. Dritteigentümer erlauben 314 . I m Falle des Täters und des Teilnehmers handelt es sich u m Sanktionierungen gegen das Eigentum, die i m H i n blick auf dessen unrechtmäßigen Gebrauch als nur eigentumskonkretisierende Maßnahme anzusehen sind 3 1 5 . Die nicht mehr eigentumskon305 Ob dagegen die Requisition dem Aufopferungsgedanken nahesteht, was von Ehlers, S. 161 u n d i n B V e r w G E 4, 6 vertreten w i r d , braucht i m vorliegenden Zusammenhang nicht untersucht zu werden. 306 Dazu E. R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 39 ff. ; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 14, Rdnr. 24. 307 Vgl. § 74 Abs. 1 StGB; § 22 Abs. 1 OWiG. 308 Vgl. § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB; § 22 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. 309 Vgl. § 74 Abs. 2 Nr. 2; § 74 Abs. 3; § 74 a StGB; § 230 OWiG. 310 Vgl. § 74 e Abs. 1 StGB; § 26 Abs. 1 OWiG. 311 Vgl. §§ 92 b, 101 a, 109 k, 150, 201 Abs. 5, 282, 285 b, 295, 296 a Abs. 2, 325 a StGB. 312 § 39 Abs. 2 A W G ; § 375 A O ; § 24 KriegswaffenG; § 11 Abs. 6 B M G ; § 34 SprengstoffG. 313 §§ 123, 129 OWiG. 314 Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 14, Rdnr. 24; Dreher / Tröndle, StGB, 40. A u f l . 1981, § 74, Rdnr. 13; Eser, Die strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum, S. 249 ff.; Gelsdorf, J Z 1958, 641. 315 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 14, Rdnr. 24.
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kretisierende, sondern enteignende Einziehung gegenüber unbeteiligten Dritten w i r d dadurch gerechtfertigt, daß es dem allgemeinen Wohl entspricht, wenn Gegenstände, wegen ihrer generellen oder individuellen Gefährlichkeit 316 i m Hinblick auf die künftige Verwirklichung strafbarer oder ordnungswidrig relevanter Tatbestände, sichergestellt werden. Diese zwar strukturell m i t den typischen Enteignungszwecken verwandte, inhaltlich aber gänzlich andersartig ausgerichtete Zwecksetzung zeigt, daß es zwischen diesem Enteignungsfall und der transitorischen Enteignung nicht nur wegen der geringen praktischen Bedeutung der Grundstücke als Einziehungsobjekte keine Abgrenzungsprobleme geben kann. 5. Die Umlegung
Der Umlegung schließlich, die auch i n diesem Zusammenhang Erwähnung finden soll, ermangelt es i m Gegensatz zur Einziehung für eine Gegenüberstellung m i t der transitorischen Enteignung nicht am richtigen Bezugspunkt, denn sie ist ein ausschließlich der Bodenordnung dienendes Rechtsinstitut 317 . Da auch m i t der Enteignung eine Veränderung der Bodenordnung angestrebt wird, ergeben sich von der Identität des zu ordnenden Gegenstandes zwangsläufig Abgrenzungsfragen. Genauer gesagt, handelt es sich u m Konkurrenzfragen, denn von der Sache geht es hier nicht, wie die Bezeichnung Abgrenzungsfrage nahezulegen scheint, darum, daß zwei von ihrer Regelungsintention verwandte Rechtsformen nebeneinander stehend den gleichen Sachverhalt ordnen, sondern darum, daß sie sich gegenseitig ausschließen 318 . Welches sind nun die Voraussetzungen dieses Konkurrenztatbestandes? Nach der eingangs getroffenen Feststellung, daß Enteignung und Umlegung jeweils der Bodenordnung dienen, kann die Konkurrenz nur i n der Methode der Zweckerreichung liegen. Gegenüber der bereits bekannten Enteignungsmethodik lautet daher die Frage, auf welche Weise erreicht die Umlegung eine neue Bodenordnung? Da der Umlegungsbegriff normativ nicht festliegt, Umlegungsverfahren aber bereits seit dem Mittelalter 3 1 9 zunächst i n ländlichen, später 318 Z u m Begriff der generellen oder individuellen Gefährlichkeit, vgl. Dreher, StGB, 37. Aufl., § 74, Rdnr. 15 f. 317 Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Kommentar zum Bonner G r u n d gesetz, Rdnr. 205 f.; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 46 ff.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 337; Ernst, i n : E r n s t / Z i n k a h n / Bielenberg, Bundesbaugesetz, Vorbem. §§ 45—84, Rdnr. 2. 318 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 337; Schack, A r t . Enteignung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 553; Obermayer, A r t . B a u recht, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 130; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 46; Bielenberg, Empfehlen sich weitere bodenrechtliche Vorschriften i m städtebaulichen Bereich?, Gutachten Β zum 49. DJT, Β 19, Β 62 ff.
III. Institutionelle Abgrenzung
103
auch i n städtischen Bereichen durchgeführt wurden und darüber hinaus der Zweck des Verfahrens, sein Ablauf und der zulässige Inhalt der einzelnen Maßnahmen i n Gesetzen 320 normiert sind, ist eine förmliche Definition ohne rechtserhebliche Bedeutung 321 . Die Bestimmung der Konturen dieses Rechtsinstitutes ist aufgrund des vorhandenen Erfahrungsmaterials, wie der gesetzlichen Beispielsfälle ohne weiteres möglich. Umlegung ist sonach ein hoheitliches Grundstückstauschverfahren 322 , i n dessen Verlauf unzulänglich strukturierte Grundstücke zu einer Umlegungsmasse zusammengefaßt werden, aus der dann die einbringenden Eigentümer i m Verhältnis ihrer Einlage m i t zweckentsprechend neu zugeschnittenen Grundstücken bedacht werden. I m Gegensatz zur Enteignung erleiden damit die an einem U m legungsverfahren Beteiligten keinen Rechtsverlust, sondern dem unberührt bleibenden Eigentumsrecht w i r d lediglich ein neuer Gegenstand unterschoben. Die Umlegung ist demnach vom Surrogationsprinzip beherrscht 323 und stellt sich als lediglich den Eigentumsinhalt konkretisierende Maßnahme 324 dar. Als solche schließt sie die Enteignung schon dem Grunde nach aus. Etwas anderes ergibt sich aber dann, wenn eine dem Einwurfswert entsprechende Neuzuteilung von Grundstücken aus der Umlegungsmasse nicht möglich ist, w e i l beispielsweise i m Rahmen einer städtebaulichen Umlegung die für den öffentlichen Bedarf abzuziehenden Flächen dies verhindern. I n diesem Falle t r i t t ein Rechtsverlust ein, der sich beim Betroffenen als Sonderopfer auswirkt. Hierbei spielt es keine Rolle, ob man erst dann von Enteignung spricht, wenn dieser Rechtsverlust so gravierend ist, daß er durch Entschädigungsleistung ausgeglichen werden muß 3 2 5 , oder ob schon der durch die objektive Wertsteigerung aufgefangene Rechtsverlust als Enteignung angesehen wird 3 2 8 . Fest steht, daß der aufgetretene Rechtsverlust enteignenden Charakter hat. Diese Fälle aber, bei denen die Enteignung die notwendige Folge einer vorangegangenen Umlegung ist und damit gleichsam umlegungsakzessorischen Charakter annimmt, gehören typologisch i n den Bereich der oben behandelten klassischen Enteignungsfälle. Sie 819 Ernst, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Bundesbaugesetz, Vorbem. § 45 bis 84, Rdnr. 2. 320 Vgl. §§ 45—84 B B a u G ; §§ 44—55 F l u r B G . 321 So Ernst, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 45, Rdnr. 3. 322 So Ernst, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 45, Rdnr. 3 m. w . N. 323 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 337; Ernst, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 45, Rdnr. 10. 324 B V e r w G E 3, 156; 6, 79; 8, 95; 10, 3; 12, 1; Β G H Z 27, 15; 31, 49. 325 Ernst, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, § 45, Rdnr. 12 m. w . N. 326 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 337 f., A n m . 5.
104
I. Teil: Der neue Enteignungstypus
widerlegen nicht die These von der gegenseitigen Ausschließung von Umlegung und Enteignung, sie bestätigen i m Gegenteil den Grundsatz, daß die Enteignung erst dort anfängt, wo die Umlegung aufhört. 6. Die soziale Umschichtung
Bei den unter Ziffer 1—5 des dritten Abschnittes dargestellten Rechtsformen handelt es sich u m traditionell bekannte Rechtsinstitute, deren Darstellung ein einheitliches System zugrunde liegt: Sie alle sind M i t t e l zur Erreichung von grundstücksbezogenen öffentlichen Zwecken. Ob auch die soziale Umverteilung diesem Muster eingeordnet werden kann, läßt sich nicht auf Anhieb beantworten, denn die verschiedentlich variierenden Bezeichnungen, soziale Umschichtung 827 oder soziale U m verteilung 3 2 8 kennzeichnen einen dynamischen Vorgang, über dessen Ziel der Wortlaut wesentlich mehr aussagt als über die Methode der Zielerreichung. Da aber die Bezeichnung der oben behandelten Rechtsformen ebenfalls wenig Aufschluß über das dahinterstehende Verfahren geboten hat, ist dies noch kein Indiz dafür, daß die soziale Umschichtung aus dem Rahmen der behandelten grundstücksbezogenen Rechtsinstitute herausfallen müßte. Möglicherweise ergibt sich das formal Charakteristische dieser Rechtsform ähnlich wie bei den oben schon behandelten Verfahren, aus dem zu erreichenden Zweck. Vorgegebener Zweck der sozialen Umschichtung ist die Erreichung höherer Verteilungsgerechtigkeit 329 i n bezug auf alle verteilbaren Güter und Leistungen. Die Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit i m Bereich des Grundstücks- und Bodenmarktes, i n dem bereits eine vollständige Güterverteilung besteht, stellt bei einem Rückschluß von Zweck und M i t t e l an das einzuschlagende Verfahren mehrere Anforderungen: Es muß einmal i n bestehende Besitzstände eingreifen; dieser Eingriff muß i m Hinblick auf den angestrebten Erfolg massiv ausfallen, 827 Dazu Friedrich Klein, Vermögensbildung u n d Eigentumsgarantie, S. 51 ff. m. w . N.; Werner Weber, Z u r Problematik von Enteignung u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, N J W 1950, 401 ff.; ders., Eigentum u n d E n t eignung, S. 348 f., 351; ders., Die Entschädigung i n der westdeutschen Bodenreform, D Ö V 1953, 353 ff.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 335 f.; Geiger, Grundrechte u n d Rechtsprechung, S. 47; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 48; Herbert Krüger, Sozialisierung, S. 282; Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 39; Scheuner, V e r fassungsschutz des Eigentums, S. 114; Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 121. 828 Zacher, Z u r Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, D Ö V 1970, 2 ff.; Molitor, Vermögensverteilung als wirtschaftspolitisches Problem, S. 1 ff.; ders., Verteilungspolitik i n Perspektive, S. 77 ff.; Ekkehart Stein, Vermögensp o l i t i k u n d Grundrechte, S. 28 f. 829 So Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 348; Friedrich Klein, Vermögensbildung u n d Eigentumsgarantie, S. 58 m. w . N.; Zacher, Zur Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, D Ö V 1970, 5.
III. Institutionelle Abgrenzung
105
was die gesetzliche Eingriffsform nahelegt; der Eingriff muß sich gegen solche Rechtsträger richten, die, gemessen an einem vorgegebenen Maßstab, über zuviel Grund und Boden verfügen, und schließlich ist das entzogene Gut auf solche Begünstigte zu übertragen, die an dem gleichen Maßstab orientiert als „unterprivilegiert" erscheinen. Reduziert man alle diese Merkmale auf ihren begrifflichen Kern, so ergibt sich folgende Definition: Soziale Umschichtung ist ein hoheitlicher Eingriff i n die als ungerecht vorausgesetzte Vermögens- und Verteilungsordnung zu sozialstrukturverändernden Zwecken. Dabei muß sich das zur Erreichung dieses Zweckes einzuschlagende Verfahren von dem der klassischen Grundstücksenteignung nicht notwendig unterscheiden. Gleichwohl ist die soziale Umschichtung keinesfalls eine Enteignung. Diese kann zwar für eine Vielzahl von öffentlichen Zwecken eingesetzt werden, doch müssen diese nach einhelliger Auffassung 830 sich dadurch auszeichnen, daß sie gegenüber der bisherigen Zweckbestimmung des entzogenen Rechtes eine Veränderung darstellen, und zwar keine beliebige, sondern eine Veränderung zu einem qualitativ höherwertigen Zweck. Solchen Kriterien vermag der Zweck der sozialen Umschichtung offenkundig nicht zu entsprechen, denn er läßt die vorgefundene Nutzungsart unberührt und sorgt lediglich für eine Auswechslung des Rechtsinhabers. Klassische Grundstücksenteignung und soziale Umschichtung müssen deshalb wegen ihrer Zweckunterschiedlichkeit auch institutionell klar unterschieden werden. M i t diesen Feststellungen zur Grundstücksenteignung allgemein ist i n dessen Verhältnis der transitorischen Enteignung zur sozialen Umschichtung noch keine abschließende Stellungnahme gegeben, da die transitorische Enteignung sowohl vom Verfahren wie von den Zwecken eine Sonderstellung einnimmt. Demgemäß muß i n verfahrensmäßiger Hinsicht auch zur sozialen Umverteilung notwendig ein Unterschied bestehen. Er beruht i m oben beschriebenen zweigeteilten Verfahren, das Raum für die zeitlich versetzte Realisierung zweier Verfahrenszwecke enthalten muß, während sowohl die soziale Umverteilung wie die klassische Enteignung dies nur für jeweils einen Zweck erfordern. M i t den Zwecken der transitorischen Enteignung ist der Zweck der sozialen Umschichtung teilidentisch, denn der soziale Umverteilungszweck der transitorischen Enteignung verfolgt genau das gleiche Ziel. 330 Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 29; Scheuner, Der V e r fassungsschutz des Eigentums, S. 94; Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 323; ders. t Eigentum u n d Enteignung, S. 381 ff.; E. R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 23; Kimminich, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Bonner Komm., Rdnr. 270, 273; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 339.
106
I. Teil: Der neue Enteignungstypus
Wiederum andersgeartet ist das Verhältnis der sozialen Umschichtung zur Sozialisierung. Von beiden Rechtsformen ist zwar nur jeweils ein Verfahrenszweck zu verwirklichen, was zur Übereinstimmung der beiden Institute i n verfahrensmäßiger Hinsicht führt, doch i n bezug auf die Rechtsqualität der Verfahrenszwecke setzt sich die Übereinstimmung nicht fort. Denn i m Gegensatz zur Sozialisierung, die eine Veränderung der Wirtschaftsverfassung durch Einführung gemeinwirtschaftlicher Verfügungsstrukturen und damit eine Eigentumskonzentration i n der Hand von Kollektivorganen bezweckt, verfolgt die soziale Umschichtung unter Beibehaltung der bestehenden Wirtschaftsverfassung soziale Korrekturen durch massierte Eingriffe i n die Vermögensverteilung m i t anschließender Neuverteilung auf andere private Rechtsträger. Sie ist damit etwas grundsätzlich anderes als die Sozialisierung 331 und darf m i t ihr ebensowenig verwechselt werden 3 3 2 wie m i t der Konfiskation, die sich von der Sozialisierung hauptsächlich durch die abwertend negative Tendenz unterscheidet, welche bei i h r i n bezug auf den den Rechtsverlust erleidenden Rechtsträger vorherrscht. Da aber die soziale Umverteilung sich nicht nur jeder negativen Beurteilung der von i h r i n Anspruch genommenen Eigentümerposition enthält, sie i m Gegenteil eine ausdrückliche positive Haltung gegenüber dem Umverteilungsbegünstigten erkennen läßt, beweist sie somit auch gegenüber der K o n fiskation ihre institutionelle Selbständigkeit.
331 Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 99 f.; E. R. Hub er, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 49. 2 s» Nicht sauber getrennt werden soziale Umschichtung u n d Sozialisierung bei Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, A r t . 14, Rdnr. 23; desgleichen bei Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgem. Teil, 10. Aufl., S. 335 u n d Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 349.
Zweiter
Teil
D i e Verf assungekonf ormität der transitorischen Enteignung Nach der Klärung ihrer begrifflichen Grundlagen und nach ihrer Abgrenzung von verwandten bzw. der Gegenüberstellung m i t i h r nur scheinbar nahestehenden Rechtsformen der hoheitlichen Inanspruchnahme von Grund und Boden, soll die transitorische Enteignung i m zweiten Teil der Untersuchung auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit, genauer gesagt, die Vereinbarkeit der sie beherrschenden Verfahrenszwecke m i t dem Verfassungsrecht überprüft werden. Eine solche Konkretisierung und Reduzierung des Prüfungsgegenstandes bietet sich an, als Konsequenz aus der i m ersten Teil gewonnenen Erkenntnis, daß die Enteignung ganz allgemein und damit auch die transitorische Enteignung ein ausschließlich zweckbeherrschtes Rechtsinstitut ist 1 , ja daß sie nichts anderes als ein M i t t e l zur Zweckverwirklichung 2 darstellt.
Erstes Kapitel
Die soziale Umverteilung als verfassungsrechtlich zulässiger Enteignungezweck Von diesem Prüfungsansatz ausgehend, liegt es nahe, den die transitorische Enteignung typusmäßig bestimmenden sozialen Umverteilungszweck als ersten, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Da aber die verfassungsrechtliche Beurteilung dieses Zweckes von der abschließenden Bestimmung des begrifflichen Inhalts der sozialen Umverteilung wesentlich abhängt, soll eine Systematik der sozialen Umverteilung der verfassungsrechtlichen Untersuchung vorangestellt werden. 1 Vgl. H.P.Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 88; Gronefeld, Preisgabe u n d Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, S. 14 m. w . N. 2 Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, i n : Neumann / Nipperdey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 2, S. 381; Kimminich, Kommentar zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 267—276; Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, Festgabe f ü r Maunz, S. 100.
108
II. Teil: Verfassungskonformität I . Systematik der sozialen U m v e r t e i l u n g 1. Der Umverteilungsbegriff
Eine Systematik der sozialen Umverteilung muß ihren Ausgang vom Begriff der Umverteilung nehmen, bei dessen weiterer begrifflichen Reduktion sich schließlich der Begriff der Verteilung ergibt. Er bezeichnet eine ökonomische Sachkategorie 3 , die sich der sog. volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 4 zur Ermittlung des Verteilungsgegenstandes und der Verteilungstheorie 5 zur Klärung der Verteilungsmodalitäten bedient. Von diesen Disziplinen spezialwissenschaftlicher Behandlung interessieren hier nur die auf den einfachsten Nenner reduzierten unstreitigen Erkenntnisse. Da jede Verteilung von dem schlichten Sachverhalt auszugehen hat, daß nur etwas vorher Geschaffenes verteilt werden kann, stellt sich zunächst die Frage nach der Verteilungsmasse. I n einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft entsteht aus dem Zusammenw i r k e n aller relevanten Faktoren das Bruttosozialprodukt® als das Ergebnis der volkswirtschaftlichen Gesamterzeugung, das auch definiert w i r d als die Summe der Güter und Leistungen, die ausgedrückt i n einem Zahlenwert ein V o l k innerhalb eines bestimmten Zeitraumes hervorbringt 7 . I n dieser numerischen Größe ist als die Summe der Löhne und Gehälter, also der Produkte des Faktors Arbeit und der übrigen Einkommen — alle A r t e n von Gewinn — das Volkseinkommen 8 enthalten, das wiederum als zahlenmäßige Größe angibt, was die Verteilungsmasse ist. Sie ist Gegenstand des Verteilungsprozesses, der sich nach Bedingungen vollzieht, über die und deren Wirkung die Verteilungstheorie 9 Aussagen trifft. Diese Aussagen fallen jedoch, j e nachdem von welchen der verschiedenen verteilungstheoretischen Standpunkte sie abgegeben werden, unterschiedlich aus, und sie müssen unterschiedlich ausfallen, da die hauptsächlichen Bestimmungsfaktoren des Vertei3
Liefmann-Keil, ökonomische Theorie der Sozialpolitik, 1961, S. 119 ff. m. w . N. 4 Vgl. Helmstädter, A r t . Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2840—2846; vgl. auch J. Heinz Müller / Dorow, A r t . Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Staatslexikon, Bd. 8, 1963, Sp. 363—376; Colm, A r t . Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, H D S W 11, 1961, S. 390—404. 5 Lübbert, A r t . Verteilungstheorie, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2751 bis 2755; Kr eile, Verteilungstheorie, S. 1 ff. 6 Kr eile, Verteilungstheorie, S. 2; Schuster, A r t . Sozialproduktion, H D S W 9, 1956, S. 572—575; Kraus, Sozialprodukt u n d Volkseinkommen, S. 7 ff. 7 Kr eile / Schunck / Siebke, Überbetriebliche Ertragsbeteiligung der A r b e i t nehmer, 1968, S. 4 ff. 8 Kraus, Sozialprodukt u n d Volkseinkommen, S. 37 ff.; Schuster, A r t . Volkseinkommen, H D S W 11, 1961, S. 365—368; vgl. auch Heimstädter, A r t . Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Sp. 2842. 9 Vgl. J. Heinz Müller, A r t . Verteilungstheorie, Staatslexikon, Bd. 8, 1963, Sp. 203—210.
1. Kap., I. Umverteilungssystematik
109
lungsprozesses die personelle und die funktionelle Einkommensverteilung 1 0 nicht i n ein einheitliches, objektiv richtiges gedankliches Konzept eingefügt werden können. Das ergibt sich bezüglich der personellen Einkommensverteilung daraus, daß deren Bestimmung von der Anzahl der w i l l k ü r l i c h gebildeten Gruppen von Einkommensempfängern abhängt und bei der funktionellen Einkommensverteilung von einer ebenfalls nur willkürlich beschränkbaren Vielzahl von Marktfaktoren (ζ. B. Preisbildung auf dem Arbeits- und Kapitalmarkt, Umfang und Zusammensetzung der Produktion) determiniert wird. Erweist sich damit die Verteilungstheorie als i m großen und ganzen ungeeignet zur Erklärung des volkswirtschaftlichen Problems, wie die Verteilung funktioniert, so genügt sie doch den hier gestellten wesentlich bescheideneren A n sprüchen und gibt Auskunft darüber, wovon die Verteilung bestimmt w i r d : I n einer marktwirtschaftlichen Ordnung vollzieht sich die Verteilung des Volkseinkommens nach Gesetzmäßigkeiten des Marktes 11 . a) Umverteilung als gewillkürte Steuerung des Verteilungsprozesses Werden die von den Faktoren des Marktes hervorgebrachten Verteilungsergebnisse nicht mehr hingenommen, sondern durch Eingriffe i n den Marktmechanismus korrigiert, so darf von Umverteilung gesprochen werden 12 . Umverteilung bedeutet damit einen Steuerungseingriff i n die den Verteilungsprozeß bisher regulierenden Faktoren, so daß der Begriff nicht nur bei Abweichungen vom Marktmechanismus, sondern auch von früheren gewillkürten Steuerungsmaßnahmen seine Berechtigung behält. Umverteilung ist daher eine zumindest partielle Außerkraftsetzung der dem Verteilungsmarkt immanenten Kräfte und Dynamik, durch eine Änderung i n den für die Verteilung relevanten Vorgaben. Dadurch unterscheidet sie sich von der als interventionsfrei 10 Vgl. Kr eile, Verteilungstheorie, S. 2 f., 4 ff.; Bornbach, Die verschiedenen Ansätze der Verteilungstheorie, i n : Einkommensverteilung u n d technischer Fortschritt, 1959, S. 96 f., 103 f. 11 Vgl. Kraus, Sozialprodukt u n d Volkseinkommen, S. 74 ff., 92 ff.; v. Mises, A r t . M a r k t , DSW 7, 1961, S. 131—136; Willeke, A r t . M a r k t , Staatslexikon, Bd. 5, 1960, Sp. 538—543; Helmstädter, A r t . Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Sp. 2843. 12 Zacher, Z u r Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, D Ö V 1970, 4; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 67, 74 ff.; Forsthoff, Der E n t w u r f eines zweiten Vermögensbildungsgesetzes, B B 1965, 381 ff.; Nipperdey / Säcker, Z u r verfassungsrechtlichen Problematik v o n Finanzausgleich u n d Gemeinlast i n der Sozialversicherung, S. 44 ff.; Scheuner, Die überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer u n d die Verfassungsordnung, S. 33 ff.; ders., Die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Vermögensbildungsgesetzes, S. 36 ff., 47; Picot, Gewinnumverteilung u n d Verfassungsrecht, 1978, S. 112 f.; Mußgnug, Die zweckgebundene öffentliche Abgabe, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 276 ff.
110
II. Teil: Verfassungskonformität
vorausgesetzten Verteilung 1 3 funktionell, also i m „ w i e " der Verteilung, während das A d j e k t i v „sozial" die Legitimation für die Ursache und die Finalität des Steuerungseingriffs liefert und damit zum „ w a r u m " und „wozu" der Umverteilung Stellung bezieht. M i t dem Steuerungseingriff w i r d ein Kausalablauf i n Gang gesetzt, dem i n seinen verschiedenen Entwicklungsstadien gefolgt werden soll. Unmittelbare Folge der Intervention i n den Verteilungsmarkt ist eine Veränderung i m Bereich der Möglichkeiten der Vermögensbildung dadurch, daß der Verteilungsstrom umdirigiert wird. Gegenständlich ergreifen derartige Steuerungsmaßnahmen aus dem Bereich des Volkseinkommens lediglich den Kapitalfaktor, indem sie dafür sorgen, daß der Strom des Kapitalzuwachses umgeleitet wird. Der Lohn- und Gehaltsfaktor, als zweiter wesentlicher Bestandteil des Volkseinkommens, ist i n seinem Kernbereich gegen derartige Steuerungsinterventionen geschützt. Die hier gleichfalls stattfindende Verteilung verläuft, jedenfalls hinsichtlich der Primärverteilung, u m die es hier ausschließlich geht, interventionsfrei allein nach den von den Tarifpartnern, d. h. den Marktkräften ausgehandelten Bedingungen. Setzt, wie gesagt, die Umverteilung am Kapitalzuwachs an, so folgt daraus weiter, daß auf dem Weg über die U m leitung der Kapitalrendite eine allmähliche Auszehrung des Kapitals selbst einhergeht 14 . I m Ergebnis w i r k t sich somit die Umverteilung als gewillkürte Steuerung des Verteilungsprozesses i n gleicher Weise aus, wie der Eingriff i n das bereits gebildete Vermögen, wenn auch diese ihre Wirkungsweise nur indirekt, allmählich und nicht final ist. b) Umverteilung als polemischer Bezug auf die bestehende Vermögensverteilung M i t dem Eingriff i n bereits gebildete Vermögensbestände ist die andere Erscheinungsform der Umverteilung bezeichnet. Hierbei handelt es sich genau genommen u m einen zweiten Verteilungsvorgang, dem eine Primärverteilung i m oben unter a) beschriebenen Sinne vorausgegangen sein muß und bei der es zur Bildung von Vermögen gekommen ist. Der erreichte Vermögensverteilungszustand muß jedoch als korrekturbedürftig erscheinen, so daß die zweite Verteilung das Ergebnis einer polemisch-kritischen Bezugnahme hierauf darstellt. Die U r sachen, die zu den Verzerrungen i m Verteilungsgefüge geführt haben, interessieren nicht, sondern lediglich i h r Resultat. So ist es unerheblich, ob der für diese Umverteilung vorausgesetzte unbefriedigende Vertei13 Verteilung ist somit der rein nach Marktmechanismen sich ausrichtende Prozeß der L o h n - , Zins- u n d Güterpreisbildung. Dazu Krelle, Verteilungstheorie, S. 1; Zacher, Z u r Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, D Ö V 1970,4. 14 Vgl. Wittig, Der Erwerb von Eigentum u n d das Grundgesetz, N J W 1967, 2185 f.
1. Kap., I. Umverteilungssystematik
111
lungszustand evtl. bereits die Folge unzureichender Primärverteilung war, oder sich erst i m Laufe späterer Veränderungen der Vermögenslage, z.B. durch Erbschaft usw. eingestellt hat. Ohne Bedeutung ist ferner die Dauer der Zeitspanne, die zwischen der ersten und der zweiten Verteilung liegt und das Ausmaß, i n dem eine Verteilungskorrektur vorgenommen wird. Entscheidend ist lediglich, daß i n bestehende Besitzstände eingegriffen w i r d und durch Zuordnung des Eingriffsgewinns zu neuen Rechtsträgern ausgeglichenere Verteilungszustände erreicht werden 15 . c) Umverteilung
als normativer
Rechtsbegriff
Eine Systematisierung der sozialen Umverteilung stößt also sogleich auf das Problem, daß die ökonomischen Tatbestände, die es mit U m verteilung zu t u n haben, nicht einheitlich bestimmbar sind. Umverteilung als die Korrektur eines Ergebnisses, das die Verteilung zur Folge hatte oder zur Folge haben würde, ist somit ein dualistischer Begriff, der entweder einen finalen Eingriff i n den Verteilungsmechanismus oder aber einen finalen Eingriff i n den Verteilungszustand bezeichnet. Beide begegnen sich i n ihrer Finalität insofern, als sie die Überwindung des vermögensrechtlichen status quo anstreben. Sie unterscheiden sich jedoch i n ihrer Methode der Zielerreichung. Die Umverteilung als finaler Eingriff i n den Verteilungsmechanismus setzt an der Wachstumsverteilung an. Diese Form der Umverteilung kann ihr Ziel deshalb nur erreichen, wenn ein möglichst ständiges Wachstum erwirtschaftet w i r d und hiervon für den Bereich der privaten Vermögensbildung auch soviel abgezweigt werden kann, daß dies, gemessen an der bestehenden Vermögensverteilung, auch ins Gewicht fällt. Aber selbst unter diesen keineswegs immer gewährleisteten Voraussetzungen kann dem angestrebten Ziel nur ganz allmählich nähergerückt werden, da die w i r t schaftsverfassungsrechtlichen Prämissen m i t darüber entscheiden, i n welchem Umfang die Verteilungsmechanismen des Marktes außer K r a f t gesetzt werden dürfen. I m Verhältnis dazu scheint die Umverteilung durch finalen Eingriff i n den Verteilungszustand die effektivere Methode zu sein. Dies t r i f f t sicherlich hinsichtlich der ökonomischen Voraussetzungen zu, da einmal die bestehende Vermögensverteilung klar liegt und sich als Folge davon der zeitliche Rahmen und der Umfang des Umverteilungseingriffs ergeben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind dafür u m so schwieriger zu bestimmen, denn ob überhaupt aus dem vermögensrechtlichen status quo umverteilt werden soll, even15 Der hier verwendete Begriff der Umverteilung hat daher nicht n u r die Funktion, bestehende Verteilungsstrukturen aufzubrechen, sondern er hat sich darüber hinausgehend das Z i e l gesetzt, gerechtere Verteilungszustände zu ermöglichen. Hierbei ist i m m e r vorausgesetzt, daß der angestrebte neue Verteilungszustand i n d i v i d u e l l verfügbares Vermögen schafft.
112
II. Teil: Verfassungskonformität
tuell hiervon bestimmte Vermögensgegenstände ausgenommen sein sollen und für durchgeführte Umverteilungen dieser A r t Entschädigung gezahlt werden soll, gehört zu den schwierigsten Fragen der Verfassungspolitik und des Verfassungsrechtes. Rechtliche Kategorien i n Gestalt der Wirtschaftsverfassung bei der Umverteilung als finalen Eingriff i n den Verteilungsmechanismus und vor allem i n Gestalt der Grundrechte bei der Umverteilung als finalen Eingriff i n den Verteilungszustand sorgen somit dafür, daß die ihnen vom Verteilungsbegriff her anhaftenden Qualitäten einer ökonomischen Sachkategorie i n einem dualistisch strukturierten normativen Umverteilungsbegriff aufgehen. Diesem wird, soweit nicht schon seine Qualität als Rechtsbegriff bestritten wird 1 6 , eine evident schwache Aussagekraft bescheinigt 17 . I n dem letzteren Punkt teilt die Umverteilung aber das Los der meisten normativen Rechtsbegriffe. Die Frage nach dem normativen Inhalt des Begriffs läßt sich so beantworten, daß dies der korrigierende staatliche Eingriff i n die Vermögensverteilung oder den verteilungsrelevanten Mechanismus ist. T r i f f t aber zu, daß die soziale Umverteilung ein normativer Rechtsbegriff ist, so erscheint es trotz der geringen normativen Aussagekraft angebracht, den Begriff zu systematisieren und das, was er an normativem Ertrag enthält, aufzuzeigen. 2. Die Umverteilungsgegenstände
Hierzu bietet es sich zunächst an, die Frage nach den Umverteilungsgegenständen zu stellen. Gegenstände der Umverteilung, so kann man als Prämisse vorausschicken, können aus Gründen der Logik keine anderen sein als diejenigen, m i t denen es auch der Verteilungsprozeß zu t u n hat. Ist aber der begriffliche Gegenstandsbereich, wie hier, von rein ökonomischen Fakten bestimmt, so kann bereits jetzt festgestellt werden, daß der normative Gehalt i n diesem begrifflichen Teilbereich am geringsten ausgeprägt ist. a) Das Volkseinkommen Gegenstand der Umverteilung kann, wie bereits oben angedeutet, einmal das Volkseinkommen sein. Diese sich aus dem Bruttosozialprodukt abzüglich der Abschreibungen und indirekten Steuern sowie zuzüglich der Subventionen 18 ergebende rechnerische Größe ist inso16 So beispielsweise Scheuner, Die überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer u n d die Verfassungsordnung, S. 34 ff. ; ders., Die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Vermögensbildungsgesetzes, S. 36 f. 17 So Zacher, Z u r Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, S. 4; vgl. auch Selmer, Steuerinterventionismus u n d Verfassungsrecht, S. 202 f. 18 Vgl. dazu Helmstädter, A r t . Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2846.
1. Kap., I. Umverteilungssystematik
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fern Gegenstand der Umverteilung, als bestimmte hoheitliche Maßnahmen dafür sorgen, daß die Einkommensverteilung i n andere Bahnen gelenkt w i r d und damit andere begünstigt als bei unkorrigiertem Marktmechanismus begünstigt worden wären. Umverteilungen des Volkseinkommens müssen daher losgelöst von jeden Vermögensgegenständen als ein umgesteuerter ökonomischer Prozeß betrachtet werden, der die Möglichkeiten der Vermögens- und Einkommensbildung ergreift. Eine Umverteilung, die gegenständlich am Volkseinkommen ansetzt, hat, wie schon gezeigt, m i t diversen ökonomischen Problemen fertig zu werden 19 , doch i n rechtlicher Hinsicht stößt sie auf die geringsten Widerstände, da i n diesem frühen Stadium, i n dem die Weichen der Verteilung gestellt werden, noch keine rechtlich verfestigten Besitzstände entstanden sind. Der einzigen i m Zusammenhang damit relevant werdenden Frage, inwieweit Umverteilungen dieser A r t eventuell über A r t . 14 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Erwerbsmöglichkeiten tangieren 20 , soll an anderer Stelle 2 1 nachgegangen werden. b) Das bereits gebildete Vermögen Als von der rechtlichen Seite wesentlich problematischer stellt sich die Umverteilung dar, die vom bereits gebildeten Vermögen gegenständlich ausgeht. I n diesem Falle ist der Eingriffsbereich gekennzeichnet von Sachberechtigungen und Forderungsrechten unterschiedlichster A r t , auf die zum größten Teil 2 2 die Eigentumsgarantie 23 Anwendung findet. Als Folge davon kann eine Umverteilung, die hier von ihrer ökonomischen Seite weitgehend unproblematisch ist, nur dann i n Betracht kommen, wenn die Eigentumsgarantie insoweit nicht entgegen19 Vgl. Lübbert, A r t . Verteilungstheorie, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2754 f.; vgl. auch Herzog, A r t . Vermögenspolitik, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2745 f. 20 So Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung u n d Bestandsschutz, S. 24, 37 ff.; bejahend auch Wittig, Der E r w e r b von Eigentum u n d das G r u n d gesetz, N J W 1967, 2185, 2187 f. 21 Vgl. unten I. 4. b). 22 Die nach w i e v o r offene Flanke der Eigentumsgarantie, an der auch i m Falle der bereits erfolgten Vermögensverteilung die Umverteilung ansetzen kann, ist die Möglichkeit der Auferlegung öffentlicher Abgaben. 23 Z u r Kontroverse, ob die Eigentumsgarantie sich zu einer Garantie des Vermögens als solchem entwickelt habe, so Friauf, Steuergesetzgebung u n d Eigentumsgarantie, J u r A 1970, 305 ff.; Rüfner, Die Eigentumsgarantie als Grenze der Besteuerung, i n : Scheuner, Die staatliche E i n w i r k u n g auf die Wirtschaft, 1971, S. 647 f.; Saladin, Grundrechte i m Wandel, 2. Aufl., S. 140 ff.; Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 90; Kloepfer, Die lenkende Gebühr, AöR 97, 1973, 271 f.; w o h l auch Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, A r t . 14, Rdnr. 48; oder aber n u r die durch Normensysteme konstituierten Rechtspositionen umfaßt, so Papier, Beeinträchtigungen der Eigentums- u n d Berufsfreiheit durch Steuern, Der Staat 11, 1972, 489 ff.; braucht hier nicht eingegangen zu werden.
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II. Teil: Verfassungskonformität
steht. Die rechtliche Zulässigkeit der Umverteilung w i r d i n diesen Fällen abhängig vom Umfang und der Intensität des Eigentumsschutzes, so daß i n dem Maße, wie er versagt, der Weg für die Umverteilung frei wird. I m Vergleich zu dem Umverteilungsgegenstand Volkseinkommen folgt daraus, daß der Umfang des rechtlichen Schutzes für das bereits gebildete Vermögen die These bestätigt, daß der Rechtsschutz i n dem Maße zunimmt, wie sein gegenständlicher Anknüpfungspunkt konkretere Formen annimmt. c) Umverteilung
als normativer
Rechtsbegriff
Die Anwendung der vorstehenden These auf den Grund und Boden als Umverteilungsgegenstand müßte notwendig eine weitere Steigerung des Rechtsschutzes signalisieren, da etwas Konkreteres als diese Rechtsgüter sich nicht denken läßt. Und i n der Tat ist i n bezug auf sie der Eigentumsschutz v o l l ausgebildet 24 . Doch unterscheidet sich der Grund und Boden hierin nicht von anderen Sachgütern. Seine Sonderstellung ergibt sich aus einer Reihe anderer Gesichtspunkte, von denen an erster Stelle die Unvermehrbarkeit zu nennen ist. Sie wiederum führt dazu, daß Umverteilungen aus Wert- oder Substanzzuwachs i m oben unter a) bezeichneten Sinn ausgeschlossen sind. Eine weitere Folge ist, daß wegen der schon seit langem abgeschlossenen Verteilung des Bodens nicht nur wegen Umverteilungen, sondern auch aus anderen Gründen, die Eingriffsnotwendigkeit bei diesem Rechtsgut eine enorme Steigerung erfahren hat 2 5 . Dadurch w i r d natürlich auf der anderen Seite für diejenigen, die Berechtigungen an Grund und Boden haben, eine erhöhte Schutzbedürftigkeit ausgelöst, die wiederum die Sonderstellung des Grundstückseigentums nur unterstreicht. I n einem Rechtssystem, das der immanenten Logik dieses Sachverhalts durch entsprechende Ausgestaltung des Eigentumsschutzes Rechnung trägt, sind Bodenreformen schwer zu verwirklichen und aus ökonomischer Sicht ergibt sich, daß das Angebot am Grundstücksmarkt bei hohen Preisen immer knapp bleiben wird. Aus den vorstehend getroffenen Feststellungen ergeben sich für die Umverteilung als normativer Rechtsbegriff folgende Konsequenzen: 24 Die Charakterisierung der Position des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes bei G r u n d u n d Boden i m 19. Jahrhundert, als von minderem Recht — so Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 89 — t r i f f t wegen der vermehrten staatlichen Eingriffsbefugnisse trotz des ausgeprägten verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes i n der Sache unverändert auf die heutigen Verhältnisse zu. 25 Siehe dazu Epping, Bodenmarkt u n d Bodenpolitik i n der Bundesrepublik Deutschland, S. 63 ff., 108 ff. m i t Angaben, w i e sich das Verhältnis zwischen privater u n d öffentlicher Berechtigung am Boden von 1937 bis 1973 verändert hat.
1. Kap., I. Umverteilungssystematik
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Die Umverteilung bezeichnet nicht nur eine ökonomische Sachkategorie, sondern auch einen Rechtsbegriff, denn die Mehrzahl der m i t Umverteilung gekennzeichneten Sachverhalte ist Gegenstand direkter oder indirekter rechtlicher Normierung. Sie weist einen unmittelbaren Bezug zum Eigentumsrecht auf und ist m i t diesem, soweit es u m dessen Bedeutung als Rechtsstellungsgarantie 26 geht, antinomisch verknüpft. Als Rechtsbegriff bezeichnet die Umverteilung ein Verfahren, das Eigentumspositionen m i t dem Ziel höherer Verteilungsgerechtigkeit angreift, ohne das Privateigentum als Rechtsinstitut aufzuheben 27 . Der normative Inhalt des Begriffs der Umverteilung ist somit bestimmt vom Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Eigentumsrechts einerseits und dem Ziel der Herbeiführung von Verteilungsgerechtigkeit andererseits. 3. Die Umverteilungsbeteiligten
I m Anschluß an die nähere Betrachtung der sachlichen Prämissen der Umverteilung sollen nun die Umverteilungsbeteiligten 28 , d. h. die personellen Voraussetzungen dieses Begriffs i n gleicher Weise untersucht werden. a) Der Umverteilungsträger Jede Umverteilung bedarf des Staates unabhängig davon, ob sie sich als Eingriff i n den Verteilungsmechanismus oder aber als Eingriff i n das verteilte Vermögen darstellt. Damit ist aber die Rolle des Staates bei Umverteilungen noch nicht hinreichend qualifiziert, denn eine staatliche Beteiligung ist auch bei Umverteilungsvorgängen zu verzeichnen, die nicht unter den hier verwendeten Begriff gehören, man denke ζ. B. nur an den durch einen Erbgang erzielten Umverteilungseffekt, zu dem der Staat durch die Bereitstellung des Erbrechts beiträgt. Der entscheidende Gesichtspunkt liegt daher nicht i n der staatlichen Beteiligung als solcher, denn sie ist bei jeder Korrektur der Verteilung unverzichtbar, sondern i n der A r t und i m Umfang der Beteiligung. Der Staat muß sowohl Veranlasser der Umverteilung sein, als auch ihre finale Steuerung i n der Hand behalten. 26
Dazu Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 361 ff. Z u r K r i t i k am Eigentum als Institutsgarantie vgl. Ridder, Der G r u n d rechtsschutz des Eigentums, seine Grenzen u n d Beschränkungen i m öffentlichen Interesse, i n : Grundrechtsschutz des Eigentums, 1977, S. 49 ff.; Däubler, Eigentum u n d Recht i n der BRD, i n : Eigentum u n d Recht, 1976, S. 155 f.; zusammenfassend dazu Rolf H. Weber, Eigentum als Rechtsinstitut, ZSR 97, 1978, 161 ff.; 177 ff. 28 Der hier verwendete Begriff der „Beteiligung" bezeichnet gegenüber dem Umverteilungsträger u n d den Umverteilungsbetroffenen eine übersummative Größe, die nichts m i t dem formellen Beteiligungsbegriff der V W G O oder dem materiellen Beteiligtenbegriff des V w V e r f G zu t u n hat. 27
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II. Teil: Verfassungskonformität
Wenn vom Staat die Hede ist, so ist damit zugleich die Frage nach der Form gestellt, i n der der Staat handelnd i n Erscheinung tritt. Die Umverteilung fordert den Staat zunächst i n seiner Eigenschaft als Gesetzgeber heraus, denn jeder Eingriff i n Vermögen bzw. Verteilungsmechanismus bedarf der gesetzlichen Grundlage. Ob der Staat auch als Exekutive i m Zusammenhang m i t der Umverteilung i n Erscheinung treten muß, hängt zunächst davon ab, ob insoweit Vollzugsbedürftigkeit besteht. Die Beantwortung dieser Frage fällt je nach dem betroffenen Umverteilungsgegenstand unterschiedlich aus. Soweit das Volkseinkommen Umverteilungsgegenstand ist, besteht eine Vollzugsbedürftigkeit nicht, da das erforderliche Umverteilungsgesetz lediglich Korrekturen an Marktmechanismen vorsieht, die i m übrigen die Verteilung selbständig besorgen. Bezüglich des bereits gebildeten Vermögens ist die Vollzugsbedürftigkeit evident, denn Eingriff und Neuzuweisung überschreiten die Möglichkeiten normativer Gestaltung. Ob der insoweit erforderlich werdende Normenvollzug ausschließlich i n staatliche Hand gehört, oder unter Einbeziehung der von solchen Maßnahmen Betroffenen eventuell ohne jede staatliche Beteiligung erledigt werden kann, gehört zu den am heftigsten umstrittenen Fragen der gesamten Umverteilungsdiskussion 29 . Hierzu braucht i n der vorliegenden Untersuchung jedoch keine eigene Stellungnahme erarbeitet zu werden, da der kontroverse Gegenstandsbereich i m wesentlichen die Behandlung von Abgaben auf bereits gebildetes Vermögen betrifft, während der Schwerpunkt dieser Untersuchung auf der Inanspruchnahme von Grund und Boden liegt und hier i m Gegensatz zum kontroversen Bereich nicht nur die uneingeschränkte Geltung der Eigentumsgarantie außer Frage steht, sondern auch niemals zweifelhaft war, daß die Umverteilung solcher Güter i n staatlicher Administration zu erfolgen habe. Zusammenfassend darf daher zum Problem Umverteilungsträger festgestellt werden, daß als solcher die staatliche Gesetzgebung und zumindest gegenständlich begrenzt auf Grund und Boden auch die staatliche Verwaltung i n Betracht kommen.
29 So haben Forsthoff, Der E n t w u r f eines zweiten Vermögensbildungsgesetzes, B B 1965, 388 f. u n d i h m folgend Mußgnug, Die zweckgebundene öffentliche Aufgabe, S. 276 f. jede Umverteilung f ü r verfassungswidrig erklärt, die nicht i n der ausschließlichen staatlichen Beherrschung verbleibt; dem sind Nipper dey / Säcker, Z u r verfassungsrechtlichen Problematik von Finanzausgleich u n d Gemeinlast i n der Sozialversicherung, S. 49 f. u n d Scheuner, Die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Vermögensbildungsgesetzes, S. 49 f. entgegengetreten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich dieser von Forsthoff bezüglich des Investitionshilfegesetzes erhobenen Forderung nicht angeschlossen, vgl. BVerfGE 4, 7, 26; vgl. hierzu H.P.Ipsen, Rechtsfragen der Investitionshilfe, AöR 78, 1951, 284 ff., 302 f.
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b) Die Umverteilungsbetroffenen Die Frage nach den Umverteilungsbetroffenen hat zu berücksichtigen, daß es eine Betroffenheit i n zweifacher Hinsicht gibt, einmal bei demjenigen, der den Umverteilungsverlust erleidet und zum anderen bei demjenigen, der den Umverteilungsvorteil davonträgt. Zwischen dem Vorteil des einen und dem Nachteil des anderen besteht notwendig Wertidentität 3 0 . Die exakte Bestimmung des Personenkreises der U m verteilungsbetroffenen erweist sich indessen als schwierig. Es gibt dafür nur wenige, sehr allgemein bleibende Kriterien. Für den auf der Verliererseite stehenden Kreis der Aufbringungsschuldner gilt einmal, daß er etwas haben muß, was Gegenstand der Umverteilung sein kann, also entweder eine Einkommenserwerbschance oder aber Vermögen gleichgültig i n welcher Form. Darüber hinaus muß auf i h n eine der staatlichen Entscheidungsvarianten zutreffen, wonach sein Vermögen nicht mehr oder nur langsamer wachsen soll, bzw. die Vermögenssubstanz verringert werden soll. Diese normativen K r i terien, deren Bezugsgröße aber beliebig veränderbar ist, bestimmen das Maß dessen, was umverteilungsfrei bleiben soll, ebenso wie sie den Umfang der Verteilungsmasse festlegen. Die Anwendung dieser K r i t e rien erlaubt sodann die personale Festlegung des einzelnen Aufbringungsschuldners. Dieser w i r d sich i n einem auf sozialen Ausgleich bedachten Staat i n der Hegel dadurch auszeichnen, daß er entweder über massierte Vermögenswerte, oder über ungleich höhere Einkommenschancen als andere verfügt. Dieser Grundsatz ist bei der Umverteilung durch Auferlegung von Abgabeleistungen auf Vermögen i n Gestalt der proportionalen Belastung der Aufbringungsschuldner berücksichtigt. Die Identität zwischen dem Umverteilungsvor- und -nachteil ermöglicht, wenn auch nur m i t dem gleichen groben Raster wie i m Falle der Aufbringungsschuldner, die typologische Bestimmung des durch die U m verteilung zu begünstigenden Personenkreises. Dieser muß sich begriffsnotwendig dadurch auszeichnen, daß er über alle die Eigenschaften nicht verfügt, die für die Festlegung des Kreises der Aufbringungspflichtigen maßgeblich war. Damit sind alle die angesprochen, die über Vermögen oder Vermögenserwerbschancen i n nennenswertem Umfang nicht verfügen 31 . Selbstverständlich steht es dem Gesetzgeber frei, über diese rein negative Fixierung hinaus, die Begünstigung von weitergehenden 30
Wertidentität meint i n erster Linie, daß i m V o r t e i l des einen der Nachteil des anderen enthalten sein muß, ohne daß V o r t e i l u n d Nachteil auch numerisch gleiche Größen sein müssen. 31 I n vergleichbarer Weise formuliert § 25 Abs. 2 Nr. 1 StBFG, § 59 Abs. 2 S. 2 StBFG, § 89 Abs. 2 S. 2 BBauG. H i e r i n findet die Forderung nach V e r teilungsgerechtigkeit ihren Niederschlag; dazu Zeidler, Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, i n : D u d e n / K ü l z u.a., Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, 1972, S. 11 ff., 28 f.
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positiven Kriterien abhängig zu machen. Diese sind jedoch einer abstrakten Ermittlung nicht zugänglich. c) Die Umverteilungskriterien Die sachlichen Kriterien der Umverteilung, die sich m i t den zur Bestimmung der Umverteilungsbeteiligten maßgeblichen partiell berühren, beantworten die Frage nach der Finalität der Umverteilung. Da die Umverteilung keine originären Zielbestimmungskriterien enthält 3 2 , sondern nur den Weg der Zielerreichung beschreibt, erhält sie die anzusteuernden Ziele vorgegeben. So vielgestaltig und unterschiedlich diese Ziele sein können, so differenziert stellt die Aufgabe der Umverteilung sich dar. I m Verfassungsstaat des 20. Jahrhunderts hat sich die praktische Bedeutung der Umverteilung i m wesentlichen konzentriert auf die Erreichung des Ziels sozialer Gerechtigkeit 33 . Soziale Umverteilung bezweckt ganz allgemein eine gerechtere Verteilungsordnung 34 . Dies setzt einmal voraus, daß die bestehende von diesem Leitbild sich negat i v abhebt und zum anderen, daß eine Korrektur dieses Zustandes unausweichlich ist, w e i l die Bildung von Vermögen 35 und Eigentum einem allgemeinen gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht, von dem ein solcher sozialer Druck 3 6 ausgeht, daß diesem gegenüber kein Gesetzgeber gleichgültig bleiben kann. Besonders bemerkenswert ist i n diesem Zusammenhang, daß seit dem Aufbrechen der sozialen Frage 37 i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 38 dieser soziale Druck trotz vielfältigster Abhilfen i n seiner Inten32
Siehe i n diesem Abschnitt oben 2. a). Hierzu John Rawls , Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975, S. 291 ff., 336 f.; Klüber, Eigentumstheorie u n d Eigentumspolitik, 1963, S. 311 ff., 316 ff. H i n weise auf die Vermögensverteilungsstruktur bei Willgerodt u. a., Vermögen f ü r alle, 1971, S. 64, 82. 34 Vgl. Herzog, A r t . Vermögenspolitik, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2745; Sohmen, Allokationstheorie u n d Wirtschaftspolitik, 1976, S. 363 ff., 368 ff. 35 Vgl. hierzu Froemer (Hrsg.), Vermögensbildung i n weiten Bevölkerungskreisen, 1973; Pulte (Hrsg.), Vermögensbildung, Vermögensverteilung, 1973; Kr eile / Schunck / Siebke, Uberbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer, Bd. I u n d I I , 1968; Krelle / Siebke, Vermögensverteilung u n d Vermögenspolitik, ZgesStW 129, 1973, 478 ff., 491 ff., Weisser, A r t . Vermögen u n d V e r mögenspolitik, HdSW, Bd. 11, 1961, S. 163; i n juristischer Betrachtung: Picot , Gewinnumverteilung u n d Verfassungsrecht, 1978; Friedrich Klein, Vermögensbildung u n d Eigentumsgarantie, 1974; Ekkehart Stein, Vermögenspolitik u n d Grundrechte, 1974. 36 Dazu Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 31 ff., 50. 37 Siehe dazu Carl Jantke, A r t . Soziale Frage, Staatslexikon, Bd. 7, 1962, Sp. 221—225 m. w . N.; Heiner Geißler, Die neue soziale Frage, 1976, S. 13 f., 15 ff. 38 E. R. Hub er, Lorenz von Stein u n d die Grundlegung der Idee des Sozialstaats, i n : Nationalstaat u n d Verfassungsstaat, 1965, S. 127 ff., 136 f.; ders., Vorsorge für das Dasein, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 139 ff. 33
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sität ungebrochen andauert, wenn er sich auch gegenständlich verlagert hat. Dieses Phänomen w i r f t unterschiedliche Fragen auf: Entweder ist der soziale Druck beliebig reproduzierbar, und damit i n seiner Legitimität fragwürdig, oder aber jede Zeit hat ihre speziellen sozialen Fragen. Zur Beurteilung der Legitimität sozialer Umverteilung ist vor allem erforderlich, daß genaue Kenntnisse der Vermögensverteilungsstrukturen aufgegliedert i n gegenständlicher und quantitativer Hinsicht vorliegen. Für den Bereich der Bundesrepublik fehlt es an einer entsprechenden Untersuchung. Lediglich i n bezug auf Teilbereiche (Produktivvermögen) liegen ältere Erhebungen vor 3 9 , die aber sowohl hinsichtlich des Erhebungsverfahrens wie des Ergebnisses und der daraus abgeleiteten Folgerungen auf starken Widerspruch gestoßen sind 40 . Damit leidet die gesamte Umverteilungsdiskussion an einem Mangel, der alle hieraus abgeleiteten Maßnahmen unter den Verdacht der Beliebigkeit und Willkürlichkeit stellt, zumal auch die weiteren Legitimitätskriterien der sozialen Umverteilung die rationale Evidenz nicht erhöhen. Die Antriebskräfte für eine möglichst jedermann berücksichtigende Vermögensverteilung bzw. eine breite Vermögensstreuung 41 sind so vielgestaltig, wie das Problem als solches. Sie reichen von dem christlichen Gebot der Nächstenliebe bis zu der nüchternen Überlegung, daß besitzlose Klassen stets eine Gefährdung von Ruhe und Ordnung darstellen, von der Erkenntnis, daß nur ein gewisses Vermögen dem Menschen jene Unabhängigkeit sichert, die eine funktionierende Demokratie voraussetzt, bis zu ganz einfachen humanitären Gerechtigkeitserwägungen 42 .
89 Vgl. Kr eile ( Schunck l Siebke, Überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer, Bd. 2, 1968, S. 309 ff.; Willgerodt / Bartel / Schillert, Vermögen für alle, 1971, S. 48 ff.; neuere Untersuchungen: Andersen, Einführung i n die Vermögenspolitik, 1976, S. 43 ff. m. w . N.; speziell f ü r den Bereich des Bodenmarktes: Epping, Bodenmarkt u n d Bodenpolitik i n der Bundesrepublik Deutschland, 1977, S. 32 ff. 40 Dies g i l t vor allem f ü r die Untersuchung von Krelle / Schunck / Siebke. Vgl. dazu Schoeck, U m v e r t e i l u n g als Klassenkampf, 1973, S. 14 ff., 25, 47. 41 Die Forderung nach gerechter Vermögensverteilung u n d breiter V e r mögensstreuung w i r d v o n Vertretern unterschiedlichster sozialpolitischer Ordnugsvorstellungen erhoben. Sie finden sich i n den päpstlichen Sozialenz y k l i k e n Rerum no v a r u m (Leo X I I I ) , Quadragismo anno (Pius X I ) , Mater et Magistra (Johannes X X I I I ) — vgl. Klub er, Eigentums theorie u n d EigentumsPolitik, S. 285 ff. — ebenso wie i m Schrifttum des französischen Frühsozialisten Proudhon — vgl. P. J. Proudhon, Theorie des Eigentums, i n : T h i l o Ramm (Hrsg.), P. J. Proudhon, Ausgewählte Texte, 1963, S. 331 — u m n u r zwei extreme Standpunkte zu nennen. 42 So Herzog, A r t . Vermögenspolitik, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2745; vgl. auch v. Nell-Breuning, Einkommen u n d Verteilungsgerechtigkeit, i n : Klose / Schambeck u. a. (Hrsg.), Ordnung i m sozialen Wandel, Festschrift f ü r Johannes Messner, 1976, S. 307 ff., 313 ff.
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Die inhaltliche Offenheit des Ziels „soziale Umverteilung" w i r d jedoch nicht nur durch das Fehlen von rational nachvollziehbaren Legitimitätskriterien gekennzeichnet, sondern auch dadurch, daß die sozialen Probleme keine ein für allemal feststehende Größe, sondern einen i n der Zeit lebenden dynamischen Prozeß darstellen, der jeder Zeit ihre speziellen sozialen Fragen vorlegt. Die totale Offenheit der Zielbestimmung schafft viel Raum für gesetzliche Entscheidungen 43 , gebietet aber besondere Vorsicht und Zurückhaltung dort, wo die soziale Umverteilung m i t gefestigten Rechtspositionen i n Widerspruch gerät. Dies ist, wie oben schon angedeutet, am wenigsten dort der Fall, wo durch Korrekturen am Verteilungsmechanismus lediglich die Umverteilung der Zuwachsraten 44 zu bewirken ist. I n diesem Bereich hat der Gesetzgeber nahezu unbegrenzte Gestaltungsfreiheit 45 . Auch beim Eingriff i n bereits gebildetes Vermögen hat der Gesetzgeber noch beachtliche Gestaltungsmöglichkeiten, sofern er zur Verwirklichung sozialer Umverteilung sich zur Auferlegung von Abgabepflichten 4® entscheidet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt die Eigentumsgarantie nicht das Vermögen gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten 47 . Dieser Grundsatz erfährt eine Durchbrechung erst dann, wenn die Geldleistungspflichten übermäßig werden und die Vermögensverhältnisse des Betroffenen grundlegend beeinträchtigen, also eine Konfiskation darstellen würden 4 8 . Wie man zu dieser auf vielfache K r i t i k gestoßenen Rechtsprechung auch stehen mag 49 , man w i r d schwerlich an der Feststellung vorbeikommen, daß die Realisation des Sozialstaates i n der 43
Es handelt sich nämlich der Sache nach u m die Ausgestaltung des Sozial-· staatsprinzips, eine Aufgabe, die i m wesentlichen dem Gesetzgeber obliegt, vgl. BVerfGE 1, 105; 8, 329; 36, 84. 44 Vgl. Ekkehart Stein, Vermögenspolitik u n d Grundrechte, S. 37 ff., 74; Scheuner, Die überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer u n d die Verfassungsordnung, S. 48, 77. 45 Scheuner, Die überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer u n d die Verfassungsordnung, S. 79; Rasch, Umverteilung des Vermögenszuwachses von Unternehmen i n verfassungsrechtlicher Sicht, B B 1973, 253 ff. 49 So Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, W D S t R L 12, 1954, 8 ff., 32; ders., Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Rechtsstellungen, N J W 1955, 1250; Hettlage, Die Finanzverfassung i m Rahmen der Staatsverfassung, W D S t R L , 14, 1956, 4 f., 33; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 21 ; Badura, Die Rechtsprechung des B V e r f G zu den v e r fassungsrechtlichen Grenzen wirtschaftspolitischer Gesetzgebung i m sozialen Rechtsstaat, AöR 92, 1967, 328 ff., 407. 47 Vgl. BVerfGE 4, 17; 6, 298; 8, 330; 10, 116; 11, 126; 14, 241; 19, 128 f.; 23, 314 f.; 26, 338; 27, 131; 28, 142; 29, 413; 30, 271. 48 Vgl. BVerfGE 14, 241; 19,128 f.; 23, 315; 27,131; 29, 413; 30, 272. 49 Einen Überblick über die kritische Stellungnahme der L i t e r a t u r zu dieser Rspr. des B V e r f G gibt Kimminich, Kommentar zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 64.
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Bundesrepublik zu einem wesentlichen Teil auf dem Wege der A b gabenerhebung gelaufen ist 5 0 und hierzu die Rechtsprechung einen maßgeblichen A n t e i l geleistet hat 5 1 . I m Gegensatz zur Umverteilung durch steuernden Eingriff i n den Verteilungsprozeß fällt i n diesem Falle dem Gesetzgeber die Konkretisierung der Umverteilungskriterien leichter, da er hier m i t berechenbaren Verteilungsfaktoren operieren kann. Die Erzielung eines egalitären Zustandes, der den Tatbestand sozialer Gerechtigkeit kennzeichnet, hängt nämlich i m wesentlichen davon ab, daß einmal die Umverteilungsmasse bestimmbar ist und zum anderen die Anzahl der zu begünstigenden Adressaten feststeht. I n dem Maße, wie dieser sachliche Bestimmungsprozeß infolge konkreter werdender Umverteilungsgegenstände leichter wird, i n dem Maße erschweren sich allerdings die rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Dieser oben angedeutete Zusammenhang stellt sich besonders anschaulich beim Umverteilungsgegenstand Grund und Boden dar. Hier, wo die Anwendbarkeit der Eigentumsgarantie außer Frage steht, ließe sich eine egalitäre Verteilung i m Sinne einer arithmetischen Gleichheit ohne weiteres ermitteln und dazu die entsprechenden Verteilungskriterien aufstellen. Ob sich ein derartiger Erfolg auch rechtlich realisieren ließe, ist eine andere Frage, auf die noch einzugehen ist 5 2 . I m Rahmen der Abhandlung der Umverteilungskriterien soll lediglich darauf hingewiesen werden, wie fragwürdig ein vom Grundsatz der Egalität geprägter Verteilungsmodus sich gerade beim Gegenstand Grund und Boden auswirkt. I n einem Land, i n dem die Knappheit an Grund und Boden besonders ausgeprägt ist, führt eine nach strikten Gleichheitserwägungen durchgeführte Umverteilung dazu, daß ein jeder gleich wenig erhalten muß. Dies ist aber die sicherste Methode, der w i r t schaftlichen und sozialen Bedeutung des Bodeneigentums zu schaden. Soziale Umverteilung von Grund und Boden kann deshalb von der Sache her niemals ein egalitäres Verteilungsziel haben, sondern muß sich auf funktional begrenzte Teilbereiche des Bodenmarktes, wie ζ. B. Bauboden, landwirtschaftlich genutzter Boden beschränken. Hier treten dann bei der Verteilung Sachgesichtspunkte i n den Vordergrund (wie existenzsichernde Betriebsgröße eines Bauernhofs, Bebaubarkeit gewährleistende Grundstücksgröße usw.), die sich naturgemäß einer generalisierenden Darstellung entziehen, die sich aber auch nur schwer 50 Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, W D S t R L 12, 1954, 32; Friedrich Klein, Vermögensbildung u n d Eigentumsgarantie, 1974, S. 33. 51 Richtungweisend f ü r diese Rspr. w a r das Investitionshilfeurteil, BVerfGE 4, 7, 17. 52 Vgl. I I . Teil, 1. Kapitel, I V . ; auf die Grenzen jeder nivellierenden Sozialgestaltung weist Wellner, Grenzen des Sozialstaates, 1977, S. 105 hin. Leisner, Der Gleichheitsstaat, 1980, S. 189 ff.
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als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes (soziale Gerechtigkeit) verstehen lassen. Wer nun angesichts dieser objektiven Schwierigkeiten einer Umverteilung von Bodeneigentum glaubt, daß der soziale Druck hiervon genommen sei, w i r d durch die Realitäten widerlegt. Trotz offener rechtlicher Fragen und i n vielfältiger Weise problematischer Verteilungskriterien bleibt die politische Forderung nach sozialer Umverteilung von Bodeneigentum aktuell 5 3 . 4. Die Umverteilungsmittel
Eine systematische Betrachtung der sozialen Umverteilung darf sich einer Stellungnahme zu den M i t t e l n der sozialen Umverteilung nicht enthalten. Diese M i t t e l können entsprechend der hier vorgenommenen begrifflichen Reduktion der sozialen Umverteilung auf gewillkürte staatliche Steuerungs- und Eingriffsmaßnahmen 54 selbstverständlich auch nur solche des Staates sein. Da es aber einen breiten Fächer staatlicher Handlungsmodalitäten gibt, muß insoweit eine nach Gegenständen und Handlungsformen differenzierte Betrachtung erfolgen. a) Beim Volkseinkommen I n bezug auf das Volkseinkommen als Verteilungsgegenstand ist das Gesetz die adäquate rechtliche Handlungsform 55 . Damit greift der aus seiner wirtschaftspolitischen Neutralität herausgetretene moderne Sozialstaat 56 i n die am M a r k t vorherrschenden Verteilungskriterien ein und strebt auf diese Weise eine i h m sozial gerechter erscheinende Verteilung 5 7 der Zuwachsraten des Volkseinkommens an. Hierbei hat er viel53 Vgl. dazu die Beiträge der politischen Parteien u n d der relevanten gesellschaftlichen Organisationen, i n : Knirsch (Hrsg.), Bodenrecht, Beiträge zur Reform des Grundeigentums, 1972; Epping, Bodenmarkt u n d Bodenpolitik i n der Bundesrepublik Deutschland, 1977, S. 245 ff. 54 Z u den M i t t e l n staatlicher U m v e r t e i l u n g speziell bei G r u n d u n d Boden siehe Epping, S. 275 ff. Umverteilungsmittel, die außerhalb des staatlichen Bereichs zur A n w e n d u n g kommen, bleiben bei dieser Betrachtung unberücksichtigt. 55 Z u r Berücksichtigung längerfristiger Verteilungsvorhaben vgl. Wahl, Notwendigkeit u n d Grenzen langfristiger Aufgabenplanung, Der Staat 11, 1972, 459 ff., 646; Klages, Planungspolitik, 1971, S. 47 f. 56 Der moderne Staat k a n n gerade, w e i l er als Sozialstaat i n erster L i n i e Verteilungsstaat ist, gegenüber den wirtschaftlichen Geschehnissen nicht gleichgültig bleiben. E r muß zum Interventionsstaat werden. Vgl. dazu E. R. Hub er, Rechtsstaat u n d Sozialstaat i n der modernen Industriegesellschaft, i n : ders., Nationalstaat u n d Verfassungsstaat, 1965, S. 249 ff., 256 f.; E. R. Huber, Das deutsche Reich als Wirtschaftsstaat, i n : ders., Bewahrung u n d Wandlung, 1975, S. 37 ff., 48 ff.; vgl. auch Scheuner (Hrsg.), Die staatliche E i n w i r k u n g auf die Wirtschaft, 1971. Das B i l d von der staatlichen I n t e r v e n tionsfreiheit der Wirtschaft i m 19. Jahrhundert korrigiert Scheuner, Die staatliche E i n w i r k u n g auf die Wirtschaft, S. 14 ff.
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fältige Gestaltungsmöglichkeiten, so kann er beispielsweise den Staatsanteil am Volkseinkommen erhöhen und durch staatliche Neuzuteilungen — wie Subventionen — auf indirektem Weg Verteilungspolitik betreiben. I n diesem Fall ist dann i n Gestalt des Haushaltsplanes eine weitere gesetzliche Regelung für die Verteilung erforderlich. Der Staat kann aber auch m i t direkten gesetzlichen Steuerungsmaßnahmen eine Umverteilung herbeiführen, ζ. B. durch Festsetzung von Preisen oder Vorgabe imperativer Lohnleitlinien 5 8 . Weitere gesetzliche oder administrative Umsetzungsmaßnahmen sind hier einmal als Folge des Maßnahmecharakters 59 der gesetzlichen Regelung entbehrlich, aber auch deshalb, weil der Vollzug der Umverteilung nach weiter i n Funktion verbleibenden Modalitäten des Marktes vonstatten geht. Die M i t t e l und Wege, auf denen und m i t deren Hilfe soziale Umverteilung erreicht werden kann, sind damit angesprochen. Ihre Eignung zur Zielerreichung steht außer Frage, so daß die Vermutung naheliegt, daß beide M i t t e l dem Gesetzgeber wahlweise zur Verfügung stehen. Von dieser Annahme ist solange auszugehen, als keine Rechtsverletzung durch das jeweilige Umverteilungsmittel festgestellt werden kann. Damit hängt aber unmittelbar die Frage zusammen, welche Rechte bei einer Umverteilung des Volkseinkommens überhaupt verletzt werden können. Vom Sachzusammenhang her ist lediglich an eine eventuelle Verletzung der Eigentumsgarantie zu denken. Deren Anwendungsbereich beschränkt sich aber nach weitaus herrschender Meinung 8 0 auf gebildetes Eigentum und enthält keinen Schutz der Eigentumserwerbschancen, deren Veränderung eine soziale Umverteilung i m hier angesprochenen Bereich bezweckt. Folgte man der Mindermeinung® 1 , dann verletzte jede unverhältnismäßig schwere Beeinträchtigung der Eigentumserwerbs57 Z u r Problematik der A u f f i n d u n g von Bestimmungskriterien einer gerechten Verteilung vgl. Kriele, K r i t e r i u m der Gerechtigkeit, 1963, S. 57 ff.; Rawls , Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 201 ff., 337 ff.; Lübbe, Die A u f erstehung des Sozialvertrags, John Rawls Gerechtigkeitstheorie, Rechtstheorie 8, 1977, 185 ff., 193 ff. 58 Vgl. dazu Schachtschneider, Imperative L o h n l e i t l i n i e n unter dem G r u n d gesetz, Der Staat 16, 1977, 493 ff. m. w . N. 59 Das B V e r f G hat Maßnahmegesetzgebung als verfassungsrechtlich unbeachtlich bezeichnet, BVerfGE 4, 18 f.; 25, 396; 36, 70. Es hat sich dabei über warnende Stimmen aus der L i t e r a t u r hinweggesetzt; vgl. Forsthoff, Uber Maßnahmegesetze, Rechtsstaat i m Wandel, 2. Aufl., 1976, S. 105 ff.; neuerdings Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 3, Rdnr. 12 bis 15; siehe auch Konrad Hub er, Maßnahmegesetz u n d Rechtsgesetz, 1963, S, 182; Zeidler, Maßnahmegesetz u n d „klassisches" Gesetz, 1961, S. 120 ff. 60 Vgl. dazu auf die Hinweise bei Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung u n d Bestandsschutz, 1970, S. 37 f. 81 So Wittig, Der E r w e r b von Eigentum u n d das GG, N J W 1967, 2185 ff.; Kloepfer, S. 42 ff.
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II. Teil: Verfassungskonformität
chancen die Eigentumsgarantie und begrenzte damit den Spielraum sozialstaatlicher Realisation bis zur Bedeutungslosigkeit, nachdem die Umverteilung vom jährlichen Neuzuwachs eine überdies m i t vielen Unbekannten belastete Gestaltungsmöglichkeit darstellt 6 2 . Daß eine solche Lösung den sozialen Druck auf gebildetes Vermögen ungleich verstärken würde, ist die unausweichliche Folge der sich sonst so eindrucksvoll darstellenden Mindermeinung 6 3 . Es ist deshalb davon auszugehen, daß der Eigentumsschutz i n diesem frühen Stadium der Verteilung noch nicht Platz greift, und daß es dem Gesetzgeber als Folge davon freisteht, ob er auf direktem oder indirektem Wege Verteilungskorrekturen am Volkseinkommen herbeiführen w i l l . b) Bei gebildetem Vermögen Die soeben beschriebenen Umverteilungsmodalitäten sind Grundmuster sozialer Umverteilung, die auch dann zur Anwendung kommen, wenn es u m die Neuverteilung von Gegenständen geht, an denen bereits Vermögen erworben wurde. I n diesem Bereich findet ein staatliches Nehmen, dem keine direkte Gegenleistung entspricht, i n erster Linie durch Auferlegung von Abgabepflichten 64 statt. Ihnen gegenüber versagt nach Auffassung der Rechtsprechung die Eigentumsgarantie, solange gewisse äußere Grenzen nicht überschritten werden 65 . Eine beachtliche Gegenmeinung der Literatur hält dagegen die Eigentumsgarantien auch hier für anwendbar und schließt lediglich die Entschädigung aus 66 . Ein Zugriff auf das Geld des Bürgers ist nach dieser Meinung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig, wobei wegen seiner inhaltlichen Weite dieser Begriff nicht materiell ausgedeutet, sondern formal bestimmt wird. I n diesem Sinne entspricht eine öffentliche Abgabe dem Gemeinwohlerfordernis dann, wenn sie über das dafür vorgeschriebene geordnete Verfahren Bestandteil des Haushaltsplans geworden ist. Dieses Erfordernis g i l t von der Steuer bis zur zweckgebundenen Abgabe für alle Geldleistungspflichten i n gleicher Weise 67 . Wenn aber die A u f 62 M a n denke n u r an die wirtschaftspolitischen Unsicherheitsfaktoren, die ein Wachstum des Bruttosozialprodukts i n Frage stellen können. es w ü r d e auch diese sozialpolitische Gestaltungsmöglichkeit i n den Schutzbereich der Enteignungsgarantie hineingenommen, müßte dies zwangsläufig eine Einengung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zur Folge haben, w e n n m i t dem Eigentumsschutz ernst gemacht w i r d . Bei der Intensität des sozialen Umverteilungsdrucks läuft dies i m Ergebnis auf eine U n t e r minierung des Eigentumsschutzes hinaus. 64
Die Abgabenerhebung i n F o r m v o n Steuern zur Abschöpfung des B r u t t o sozialproduktes ist nach Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, S. 32 die Basis f ü r die sozialstaatliche Realisation. 65 Vgl. oben Fußnote 47. 66 So Mußgnug, Die zweckgebundene öffentliche Abgabe, S. 277 f. 67 So Mußgnug, Die zweckgebundene öffentliche Abgabe, S. 278.
1. Kap., I. Umverteilungssystematik
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erlegung von Geldleistungspflichten m i t der Eigentumsgarantie nur zu vereinbaren ist, wenn eine Etatisierung der vereinnahmten M i t t e l erfolgt, dann begegnen Umverteilungsmethoden, die ohne Etatisierung auskommen, das sind alle sog. direkten Umverteilungen, gravierenden verfassungsrechtlichen Bedenken 68 . Eine über die Darstellung des unterschiedlichen Meinungsstandes hinausreichende Auseinandersetzung m i t diesem Fragenkomplex ist für den Gang der weiteren Untersuchung nicht erforderlich, da nicht Geldleistungspflichten, sondern Immobiliarvermögen Gegenstand der hier interessierenden Umverteilung ist. Damit ist ein Umverteilungsgegenstand m i t Sachqualität angesprochen, von dem noch nicht feststeht, welches Umverteilungsmittel auf i h n Anwendung findet. Eine Methode der Umverteilung von Sachgütern hat der Substanzhaftigkeit dieser Gegenstände Rechnung zu tragen. Aus diesem Grunde kommt i m Gegensatz zur Umverteilung von Valuta der gegenständlichen Bestimmung und Übertragung besondere Bedeutung zu. Leistungen dieser A r t vermag aber das auf abstrakte Regelungen zugeschnittene Gesetz alleine nicht zu erbringen, so daß es zu seiner Konkretisierung i n persönlicher und sachlicher Hinsicht des administrativen V o l l zuges bedarf. Vollzug i n diesem Sinne kann jedoch nur staatlich-hoheitliches Vollzugshandeln sein. I n der Sache setzt sich dieser Vollzug aus zwei Teilhandlungen zusammen, der Wegnahme und der Zuteilung. Sie werden i n der Weise praktiziert, daß der Umverteilungsgegenstand zunächst i n die Verfügungsgewalt der staatlichen Verwaltung gelangt und von dieser sodann dem Zuteilungsbegünstigten übertragen wird 6 9 . Denkbar ist aber auch, daß unter Vermeidung der staatlichen Durchgangsposition der i n Anspruch genommene Gegenstand direkt vom Aufbringungspflichtigen an den Begünstigten transferiert wird. Die dann zu verzeichnende Ähnlichkeit zur Methode der direkten Umverteilung bei Geldleistungen besteht jedoch nur scheinbar, denn ein Vollzugshandeln der öffentlichen Verwaltung ist auch hier erforderlich, w e i l ein unmittelbares Tätigwerden des Begünstigten voraussetzt, daß i h m zuvor Hoheitsgewalt durch die öffentliche Verwaltung verliehen worden ist 7 0 . Damit bleibt das hoheitliche Verwaltungshandeln auch bei dieser Kon68
Dies gilt sowohl f ü r die Investitionshilfeabgabe, Filmabgabe, Abgaben nach dem Vermögensbildungsgesetz, Fischereiabgabe u n d die Überbürdung der sog. Versicherungsaltlast nach dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz v o m 30.4.1963. Vgl. dazu Forsthoff, Der E n t w u r f eines zweiten V e r mögensbildungsgesetzes, S. 388 ff.; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 74 ff. 69 Vgl. dazu die gesetzlichen Beispiele I . Teil, I., 1.—6. 70 Vgl. dazu die Ausführungen zur Enteignung zugunsten Privater, I. Teil, I I I . , 2.
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II. Teil: Verfassungskonformität
stellation der entscheidende Gesichtspunkt, obgleich es sich inhaltlich von der zunächst vorgestellten Umverteilungsmethode von Sachgütern abhebt. Wenn aber ein Verwaltungshandeln i n der einen oder anderen Form unverzichtbar ist, sobald Sachgüter als Umverteilungsgegenstand i n Betracht kommen, dann erhebt sich angesichts des Rationalisierungsstrebens aller Verwaltung 7 1 die Frage, ob i n bezug auf die Umverteilung von Sachen die Verwaltung nicht zu typisierten Handlungsformen gelangt ist. Dies ist nicht der Fall; eine besondere auf die Erfordernisse einer Umverteilung von Sachgütern zugeschnittene administrative Handlungsform hat sich nicht herausgebildet. Zwar ist die soziale Umverteilung von Sachgütern, insbesondere von Grund und Boden, als gesetzliche Aufgabe auch i m allgemeinen Bewußtsein geläufig, doch hat dies auf die verwaltungsmäßige Behandlung nicht zurückgewirkt. Eine administrative Handlungsform „soziale Umverteilung" gibt es nicht. Die Gründe hierfür sind vielgestaltig. Sie dürften einmal darin zu suchen sein, daß soziale Umverteilung ungeachtet ihrer Aufnahme i n den verfassungsrechtlichen Aufgabenkatalog der Gesetzgebung i m wesentlichen Programm geblieben ist 7 2 . War schon ihre Aufnahme i n den Verfassungsurkunden oftmals das Ergebnis dilatorischer Formelkompromisse 73 , so erfolgte die gesetzliche Realisation wiederholt i n Zeiten labiler konstitutioneller Verhältnisse 74 . Hierin liegt möglicherweise eine Voraussetzung der gesetzlichen Realisation sozialer Umverteilung. I m Mittelpunkt der politischen Intention stand das Ergebnis als solches, nicht so sehr die zutreffende A r t und Weise seiner Ermittlung. Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt, der i n der unzureichenden dogmatischen Durcharbeitung anderer, der Verwaltung zur hoheitlichen Inanspruchnahme von Sachgütern zur Verfügung stehender Handlungsformen traditioneller A r t , wie Enteignung, Sozialisierung, Konfiskation zu suchen ist. Die mangelnde Randschärfe dieser Rechtsformen 75 als 71 Max Weber, Wirtschaft u n d Gesellschaft, 3. A u f l . 1947, 2. Halbband, S. 675 ff. 72 Z w a r wurde die Bodenreform nach dem Zweiten Weltkrieg i n allen Besatzungszonen i n A n g r i f f genommen. I m Gegensatz zur sowjetischen Besatzungszone, w o sie vollständig u n d rücksichtslos durchgeführt wurde, blieb der i m Verhältnis dazu maßvolle Reformansatz alsbald stecken; dazu Hartwich, Sozialstaatspostulat u n d gesellschaftlicher Status quo, 1970, S. 90 f. 73 Z u diesem Begriff vgl. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. A u f l . 1965, S. 31 f., 118. 74 So w a r i n Deutschland die Realisierung der Bodenreform n u r während u n d kurz nach dem Ersten Weltkrieg, bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg möglich, nach politischen Umbrüchen, deren Nachwirkungen eine stabilisierte Verfassungslage noch nicht hatte entstehen lassen. 75 Werner Weber, Z u r Problematik von Enteignung u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, N J W 1950, 401 f.; ders., Die Entschädigung i n der westdeutschen Bodenreform, D Ö V 1953, 353 ff.
1. Kap., II. Bodenumverteilung unter der WRV
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solche, aber auch i n der Abgrenzung untereinander bewirkte, daß der Gesetzgeber als Realisierungsmittel sozialer Umverteilung gerade bei Grund und Boden auf das eine oder andere dieser Institute ohne allzu große Bedenken bezüglich der sachlichen Geeignetheit zurückgriff. Dies t r i f f t i n besonderem Maße für die Enteignung zu, die i n den Dienst sozialer Umverteilung sicherlich unter dem Aspekt gestellt wurde, daß sie zur Zweckerreichung geeignet ist. Die andere Frage, ob die Enteignung hierfür auch bestimmt ist, bzw. welche Folgen es nach sich zieht, wenn sie systemwidrig 7 6 eingesetzt wird, wurde entweder überhaupt nicht gestellt, oder aber blieb unbeantwortet. Von daher ergeben sich für die weitere Untersuchung zwei Fragestellungen: Einmal die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit von sozialer Umverteilung i m Sachgüterbereich, vor allen Dingen bei Grund und Boden und zum anderen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Rechtsform der Enteignung zur Verwirklichung dieses Zwecks Verwendung finden kann.
I I · Die soziale Umverteilung von Grund und Boden unter der Weimarer Reichsverfassung Dabei bietet es sich an, die soeben skizzierten Prüfungsgegenstände zu ihrem Ausgangspunkt i n der neueren deutschen Rechtsentwicklung zurückzuverfolgen. Die Prüfung muß daher entsprechend den i m ersten Abschnitt des ersten Teils gewonnenen Erkenntnissen 77 i m Geltungszeitraum der Weimarer Reichsverfassung ansetzen. 1. Die Umverteilungskompetenz (Art. 10 Nr. 4 W R V )
Diese Verfassungsurkunde enthält i n A r t . 10 Nr. 4 die Ermächtigung des Reichsgesetzgebers zur Aufstellung von Grundsätzen 78 für das Bodenrecht, die Bodenverteilung, das Ansiedlungs- und Heimstättenwesen, die Bindung des Grundbesitzes, das Wohnungswesen und die Bevölkerungsverteilung. Damit hat der Gesetzgeber eine Anzahl von 76 Battis , Systemgerechtigkeit, i n : Hamburg, Deutschland, Europa, Festschrift f ü r H. P. Ipsen, 1977, S. 11 ff. 77 Vgl. vorne die Untersuchungen zum Reichssiedlungsgesetz v o m 11. 8.1919 u n d zum Reichsheimstättengesetz v o m 10.5.1920. 78 Die sog. Grundsatzgesetzgebung des Reiches nach A r t . 10 W R V beinhaltete die Befugnis zu einer auf die Regelung der Grundprinzipien beschränkten Gesetzgebung. Die konkrete Ausgestaltung dieser Grundsätze w a r Sache der Länder; vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, A r t . 10, S. 88; die Grundsatzgesetzgebung des Reiches, von der i n der Weimarer Zeit streitig war, ob sie sich n u r an die Länder oder auch an den einzelnen Staatsbürger richtete, ist damit die Vorgängerin der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nach A r t . 75 GG; vgl. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / H e r zog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 75, Rdnr. 6.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Titel i n der Hand, m i t deren Hilfe i h m eine aktive Bodenpolitik möglich, ist. Neben der Ermächtigung zur Bodenverteilung, die selbstverständlich nur i m Sinne einer Umverteilung verstanden werden kann, gestattet diese Vorschrift bodenordnende Aktivitäten, deren Ziel zumindest teilweise i n einer Umverteilung bestehen kann. Das t r i f f t für die Kompetenz des Ansiedlungs- und Heimstättenwesens zu, denn die Errichtung von Siedlungen und Heimstätten setzt die Inanspruchnahme von Grund und Boden ebenso zwingend voraus, wie sie eine Umverteilung zur Folge haben muß, wenn als künftige Rechtsträger nur Private m i t Ausnahme der früheren Rechtsträger 79 i n Betracht kommen sollen. Zwar sind die restlichen Materien des A r t . 10 Nr. 4 WRV kaum umverteilungsrelevant, doch stellen sich i n bezug auf die insoweit einschlägigen Regelungsmaterien Fragen nach ihrer gegenständlichen und umfangmäßigen Begrenzung. Die Notwendigkeit einer Begrenzung und Konturierung folgt hinsichtlich der Intensität der Regelung aus der Norm selbst, insofern als die Landesgesetzgebung zur näheren Ausformung aufgerufen ist 8 0 . Die gegenständlichen Grenzen des A r t . 10 Nr. 4 W R V knüpfen an der Eigentumsgarantie des A r t . 153 Abs. 1 S. 1 WRV an und sind i n A r t . 155 Abs. 1 WRV näher geregelt. Wenn diese Konkretisierungsvorschrift das Ziel der Umverteilung i m Zusammenhang m i t der Sicherung einer gesunden Wohnung oder einer Wohn- und Wirtschaftsheimstätte für alle Deutschen anstrebt, so liegt i h r erkennbar die Tendenz zugrunde, Kleinhausbesitz i n der Hand solcher, von diesen Gütern bisher ausgeschlossener Rechtsträger zu ermöglichen 81 . Hieraus kann i m Gegenschluß gefolgert werden, daß alle diesen gesetzlichen Intentionen bereits entsprechende Grundstücke nicht als Gegenstand für eine Umverteilung i n Betracht kommen. Gegenständlich begrenzt sich damit der Anwendungsbereich von A r t . 10 Nr. 4 WRV auf landwirtschaftlich genutzte Flächen einerseits und städtischen Mietshausbesitz andererseits. Ob die zuletzt genannten Gegenstände aber von A r t . 10 Nr. 4 WRV umfaßt werden, erscheint zumindest i n bezug auf die Objekte zweifel79 Diesem Personenkreis gegenüber bestand i n den während der Weimarer Zeit erlassenen gesetzlichen Umverteilungsgrundlagen noch keine bevorzugte Anbletungspflicht. Andererseits w a r diese Adressatengruppe aus dem Kreis der möglichen Grundstückserwerber auch nicht ausgeschlossen. D a n n liegt aber insoweit keine Umverteilung vor. 80 Vgl. dazu Preußisches Ausführungsgesetz zum Reichssiedlungsgesetz v o m 15.12.1919 (GS 1920, S. 31) u n d Preußisches Gesetz über die Genehmigung von Siedlungen nach § 1 des Reichssiedlungsgesetzes v o m 1.3.1923 (GS 1923, S. 49 ff.) ; Preußisches Ausführungsgesetz zum Reichsheimstättengesetz v o m 18.1.1924 (GS 1924, S. 49). 81 Vgl. dazu §§ 1 u n d 2 des Reichsheimstättengesetzes v o m 10. 5.1920 (RGBl. 1920, S. 962); Erman, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d G r u n d pflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, 1930, A r t . 155, S. 295 ff.; Grünberg, A r t . Heimstättenrecht, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 5, 4. A u f l . 1924, S. 231 f.
1. Kap., II. Bodenumverteilung unter der WRV
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haft 8 2 , die als wirtschaftliche Unternehmungen i m Sinne von A r t . 7 Nr. 13 WRV angesehen werden können, da sie i m Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung zur Vergesellschaftung vorgesehen sind. I m wesentlichen dürfte sich deshalb der gegenständliche Anwendungsbereich von A r t . 10 Nr. 4 WRV auf landwirtschaftlich genutzten oder nutzbaren Boden erstrecken. 2. Das Umverteilungsmittel (Art. 155 Abs. 2 W R V )
I m sachlichen Anwendungsbereich des A r t . 10 Nr. 4 W R V hat der Verfassunggeber als M i t t e l zur Durchsetzung der i n dieser Norm gestellten Aufgabe die Rechtsform der Enteignung i n A r t . 155 Abs. 2 WRV vorgesehen. Er hat damit dem einfachen Reichsgesetzgeber ein Instrument an die Hand gegeben, das i n speziellen Fällen Umverteilungszwecken dient. A r t . 155 Abs. 2 WRV ist damit, obgleich i n dem m i t Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen überschriebenen zweiten Hauptteil der Verfassung stehend, sowohl eine Kompetenzvorschrift 83 wie eine Grundrechtsvorschrift. Was nun den Kompetenzcharakter dieser Vorschrift angeht, so ist er i m Zusammenhang m i t A r t . 7 Nr. 12 WRV zu sehen, wonach dem Reich auf dem Gebiet des Enteignungsrechtes die konkurrierende Gesetzgebung zusteht. Da aber diese rechtliche Gestaltungsmöglichkeit erkennbar i m Zusammenhang m i t der nur als Rahmenkompetenz ausgeformten Umverteilungszuständigkeit des Reichsgesetzgebers steht, ergibt sich für die Enteignungsregelung folgende Rechtslage: I n den i h m von A r t . 10 Nr. 4 WRV gezogenen Grenzen darf der Reichsgesetzgeber als lex specialis gegenüber A r t . 7 Nr. 12 die transitorische Enteignung des A r t . 155 Abs. 2 WRV als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit behandeln. Die kompetenzielle Seite des A r t . 155 Abs. 2 WRV ist deshalb so bedeutsam, w e i l die Anwendungsvoraussetzungen der Enteignung nicht unmittelbar aus der Verfassung, sondern dem einfachen Gesetz entnommen werden, von dessen Möglichkeiten der Gesetzgeber verschiedentlich Gebrauch gemacht hat 8 4 . Fragt man nach den sachlichen Besonderheiten der Verfassungsvorschrift, so gehört hierzu bereits die Existenz der Vorschrift als solche. Hieraus, sowie auch aus der Tatsache, daß die Verfassung über die Enteignung sowie die Sozialisierung i n A r t . 153 und A r t . 156 W R K geson82
Erman, A r t . 155, S. 285 f. So auch Erman, A r t . 155, I V , § 23, S. 302. 84 Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot i n der sung v o m 9.12.1919 (RGBl., S. 1965); Gesetz über ein Enteignungsrecht Gemeinden bei Aufhebung oder Ermäßigung von Rayonbeschränkungen 27.4.1920 (RGBl., S. 697) sowie das bereits erwähnte ReichssiedlungsReichsheimstättengesetz. 83
9 Frey
Fasvon vom und
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130
derte Vorschriften enthält, ist zu schließen, daß die i n A r t . 155 Abs. 2 geregelte Materie nicht von diesen Vorschriften m i t umfaßt sein kann. Auch der isolierte Wortlaut des Art. 155 Abs. 2 erschließt noch nicht den besonderen Charakter der Vorschrift. Der Wortlaut deutet zunächst darauf hin, daß es sich hier u m eine besondere Normierung für die Bodenenteignung handelt. Die Vermutung, der Verfassunggeber habe hiermit einen speziellen Enteignungstatbestand schaffen wollen, hinter dem sich die erhöhte soziale Anfälligkeit des Grundeigentums verbirgt, t r i f f t nur bedingt zu 85 , denn einmal greift die Enteignungsvorschrift nur i n die oben näher behandelten Bereiche des Immobiliarvermögens ein, und zum anderen zählt sie lediglich vier typische Enteignungszwecke auf, so daß unmöglich eine mindere Schutzwürdigkeit des gesamten Bodenrechts i n der Norm ihren Niederschlag gefunden haben kann. Zwar ist bei der Inanspruchnahme von Grundbesitz zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses, zur Förderung der Siedlung und Urbarmachung oder zur Hebung der Landwirtschaft (Enteignungszwecke des A r t . 155 Abs. 2 WRV) die Enteignungsvoraussetzung „ Z u m Wohl der Allgemeinheit" verfassungsmäßig festgelegt 86 , was die praktische Durchführbarkeit einer Enteignung wesentlich erleichtert, doch kann dieser Umstand bei Berücksichtigung der oben genannten Begrenzungen allein eine Dynamisierung des Grund und Bodens nicht zur Folge haben. Dieser Effekt folgt eher aus A r t . 155 Abs. 1 WRV, der der gesamten Vorschrift richtungweisend vorangestellt ist, und der von dem Gedanken getragen ist, die Verteilung und Nutzung des Bodens unter staatliche Überwachung zu stellen, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu sichern. Bei der engen systematischen und sachlichen Verknüpfung zwischen dem ersten und zweiten Absatz dieser Norm und bei Berücksichtigung der übergreifenden verfassungspolitischen 87 Bedeutung des A r t . 155 Abs. 1 WRV kann kein Zweifel daran aufkommen, daß der i n Absatz 1 enthaltene allgemeine sozialpolitische Gestaltungszweck i n den Enteignungstatbestand des Absatzes 2 Eingang gefunden hat. Das ist i n der Weise erfolgt, daß die Enteignung neben den vier typischen Zweckbestimmungen die Erreichung dieser übergeordneten Zielprojektion anzustreben hat. Die Verteilung und Nutzung des Bodens i m Sinne von Absatz 1 w i r d damit zu einem Enteignungszweck, der selbständig neben den i n Absatz 2 auf85
S. 89. 88
So Forsthoff,
Z u r Lage des verfassungsrechtlichen
Eigentumsschutzes,
Erman, A r t . 155, S. 302. A u f die Rolle, die der B u n d deutscher Bodenreformer i n den Beratungen der Nationalversammlung gespielt hat u n d deren Bedeutung f ü r A r t . 155 W R V wurde bereits i m I. Teil, I., 1. u n d 2. hingewiesen; dazu Erman, A r t . 155, S. 287, 297 ff. 87
1. Kap., II. Bodenumverteilung unter der WRV
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gezählten steht. Hierin liegt die Besonderheit dieser Verfassungsvorschrift und auch der Grund für ihre separate Aufnahme i n den Verfassungstext. M i t A r t . 155 WRV hat der Weimarer Verfassunggeber die Rechtsform der transitorischen Enteignung geschaffen 88, u m über ein Durchführungsinstrumentarium für die i n A r t . 10 Nr. 4 eingeräumten Gesetzgebungsmaterien (ausgenommen die Materien Bindung des Grundbesitzes und die Bevölkerungsverteilung) verfügen zu können. Zum anderen geschah dies auch aus der rechtsdogmatisch zutreffenden Einsicht 80 , daß diese Vorhaben der Bodenreform i n qualitativer und quantitativer 9 0 Hinsicht ohne die transitorische Enteignung nur mit Hilfe der normalen Enteignungsvorschrift nicht umzusetzen waren. 3. Art. 155 Abs. 2 als Rechts- oder Programmsatz
Die volle rechtliche Bedeutung dieser neuen Enteignungsform erschließt sich aber weder allein aus dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift, noch w i r d sie von deren systematischer Anordnung i m Verfassungstext vollkommen offengelegt. Vielmehr gebietet ihre Stellung i m zweiten Hauptteil der Verfassungsurkunde über die Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen eine kurze Beleuchtung der grundrechtsdogmatischen Ausgangslage, u m hierin den Standort von A r t . 155 WRV zu bestimmen. Die grundrechtsdogmatische Ausgangslage unter der Weimarer Reichsverfassung war einmal gekennzeichnet von der spezifischen Entwicklung der Grundrechte i n der deutschen Verfassungstradition 91 und zum anderen durch den kompromißhaften Charakter 9 2 vieler Grundrechte i m zweiten Hauptteil. Z u den traditionell bedingten Besonderheiten der deutschen Grundrechtsentwicklung gehört der auf die vollziehende 88 So Erman, A r t . 155, S. 285; Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 99; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl., S. 335 f. 89 Erman, S. 304. 90 I m m e r h i n ist zu bedenken, daß jedem Deutschen die Verheißungen des A r t . 155 Abs. 1 W R V i n Aussicht gestellt wurden. 91 Oestreich, Die E n t w i c k l u n g der Menschenrechte u n d Grundfreiheiten, i n : Bettermann / Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 1, 1. Halbband, 1966, S. 5 ff., 72 ff.; E.R. Huber, Bedeutungswandel der Grundrechte, AöR 62, 1933, I f f . ; Voigt, Geschichte der Grundrechte, 1948, S. 122 ff., 131 ff. 92 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. A u f l . 1965, S. 31 ff.; ders., Grundrechte u n d Grundpflichten, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., 1973, S. 194 f.; Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichs Verfassung, Bd. 1, 1929, S. 8 f.
9*
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II. Teil: Verfassungskonformität
Gewalt begrenzte Wirkungsbereich der Grundrechte 93 . Hierin schlägt sich der Dualismus zwischen monarchischer Exekutive und bürgerliche Legislative des deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts nieder 94 , der i n den Grundrechten lediglich Ausformungen des allgemeinen Grundsatzes des Vorranges des Gesetzes sieht, bzw. vor allem i n der beispielgebenden preußischen Verfassung vom 31.1.1850 dazu neigte, sich nicht auf die Verbriefung eines Mindeststandards persönlicher Freiheit i n Form der Gewährleistung subjektiver Rechte gegenüber dem Staat zu beschränken, sondern darüber hinaus ein Reformprogramm aufzustellen, das weite Bereiche des politischen, wirtschaftlichen und geistigen Lebens umfaßte, ohne auf seine Durchführung dem einzelnen einen Rechtsanspruch einzuräumen 95 . Waren somit bereits die historischen Bedingungen wenig geeignet, die Geltungskraft der Grundrechte zu stärken, so kamen besondere Umstände aus der Entstehungsgeschichte der Weimarer Verfassung hinzu, die diese für eine umfassende Grundrechtsgeltung negative Tendenz weiter verstärkten. I m ursprünglichen von Hugo Preuß erarbeiteten Verfassungsentwurf waren, wie i n der Bismarckschen Verfassung von 1871 Grundrechte nicht enthalten, sondern wurden erst auf Wunsch der Reichsregierung i n 12 fundamentale Rechtsgrundsätze enthaltenden Vorschriften aufgenommen und vorgelegt 96 . I n den Ausschußberatungen wurde hiergegen unter der Führung des Abgeordneten Friedrich Naumann K r i t i k laut. Naumann selbst legte einen 13 A r t i k e l umfassenden Entwurf volksverständlicher politischer Sentenzen vor, denen es aber an juristischer Prägnanz mangelte 97 . Die Diskussion u m Inhalt und Umfang der Grundrechte geriet i m Verlauf der weiteren Beratungen i n zunehmendem Maße unter den Einfluß der kontroversen politischen Wertvorstellungen der Parteien i n der Nationalversammlung. Die getroffenen sachlichen Entscheidungen hatten daher fast durchweg Kompromißcharakter bzw. blieben i n Gestalt von dilatorischen Formelkompromissen 98 aufgeschoben. 93 Dazu Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A u f l . 1933, A r t . 109, S. 525; Oestreich, Die E n t w i c k l u n g der Menschenrechte u n d G r u n d freiheiten, S. 101; Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze, S. 30 f.; Erich Kaufmann / Νawiasky, Die Gleichheit v o r dem Gesetz i m Sinne des A r t . 109 der Reichsverfassung, W D S t R L 3, 1927, 2 ff.; 25 ff.; Leibholz, Die Gleichheit v o r dem Gesetz, 1925; Carl Schmitt, Unabhängigkeit der Richter, Gleichheit v o r dem Gesetz, 1926, S. 20 ff. 94 Dazu Forsthoff, Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 4. Aufl., 1972, S. 108 f. 95 Anschütz, S. 507. 9e Anschütz, S. 508; Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. Aufl., 1964, S. 56, 59, 106 ff.; Voigt, S. 123. 97 So Anschütz, S. 510. 98 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. Aufl., 1965, S. 31 ff.
1. Kap., II. Bodenumverteilung unter der WRV
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Bei diesem Hintergrund war i n bezug auf die i m zweiten Hauptteil der Weimarer Verfassung enthaltenen Vorschriften eine sehr differenzierte grundrechtsdogmatische Behandlung erforderlich. Sie findet i n unterschiedlicher Rechtsqualität und verschiedener Geltungskraft der einzelnen Grundrechtsvorschriften ihren Niederschlag 99 . So enthält der zweite Hauptteil Vorschriften, die den Charakter subjektiv-öffentlicher Rechte haben und aktuelle Wirksamkeit gegenüber der Exekutive entfalten 1 0 0 . Diesen Vorschriften stehen andere gegenüber, die kein subjektives Recht verleihen, sondern lediglich Recht i m objektiven Sinne darstellen 101 , wobei wiederum innerhalb dieser Kategorie unterschieden werden muß zwischen solchen Normen m i t sofortiger aktueller W i r k samkeit 1 0 2 und bloßen Rechtsgrundsätzen oder Programmsätzen 103 , die nicht unmittelbar anwendbar sind, sondern der Aktualisierung durch Ausführungsgesetze bedürfen. I n welche der vorbezeichneten Kategorien gehört nun A r t . 155 WRV? Diese Frage läßt sich nicht für die gesamte Vorschrift einheitlich beantworten, sondern verlangt eine differenzierte Behandlung der einzelnen Absätze. I n bezug auf A r t . 155 Abs. 1 WRV besteht Einmütigkeit 1 0 4 , daß diese Vorschrift wegen der von i h r jedem Deutschen gegebenen weittragenden Verheißung unter die Programmsätze einzuordnen ist. Bei der weiteren i m vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Vorschrift des A r t . 155 Abs. 2 S. 1 W R V sind die Auffassungen geteilt. Während nach der einen Meinung 1 0 5 A r t . 155 Abs. 2 S. 1 nur eine Richtlinie für den Gesetzgeber darstellt, soll er nach anderer Auffassung 106 unmittelbar geltendes Recht (im objektiven Sinne) enthalten. Von den jeweils ohne eine Begründung aufgestellten Thesen überzeugt eher diejenige, die sich für eine unmittelbare Rechtsgeltung ausspricht, denn von der Klarheit und Prägnanz der Formulierung 1 0 7 übertrifft sie 99 Vgl. Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung i m allgemeinen, S. 15 ff., 31 ff. 100 Carl Schmitt, Grundrechte u n d Grundpflichten, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., 1973, S. 206 ff. 101 I n diese Kategorie gehören die sog. institutionellen Garantien, die I n s t i tutsgarantien, A r t . 109 Abs. 2; 119 Abs. 1; 120; 121; 134; 148 Abs. 2; 113; vgl. Carl Schmitt, Grundrechte u n d Grundpflichten, S. 226; Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der Reichsverfassung i m allgemeinen, S. 28 ff. 102 Dazu gehören A r t . 109 Abs. 3, Satz 2, Abs. 4, 5; 139; 145 S a t z l ; vgl. Anschütz, S. 514. 108 Dazu gehören A r t . 151; 155 Abs. 1; 156 Abs. 2; 162; vgl. Carl Schmitt, Grundrechte u n d Grundpflichten, S. 226. 104 Erman, S. 293; Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 2. Aufl., 1920, S. 400. 105 Vgl. die Hinweise bei Erman, S. 291. 108 So zutreffend Erman, S. 291, 302 ff. 107 Erman, S. 290.
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II. Teil: Verfassungskonformität
A r t . 153 Abs. 2 WRV, dessen aktuelle Rechtsgeltung außer Frage steht 108 . Darüber hinaus hatte sich i m Anschluß an Thoma 1 0 9 die Grundrechtsinterpretation dahingehend gefestigt, der Auslegung den Vorzug zu geben, die die juristische Wirkungskraft der betreffenden Norm am stärksten entfaltet. Von allzu großer praktischer Bedeutung ist die Klärung dieser Frage indessen nicht, da selbst bei unmittelbarer Geltung von A r t . 155 Abs. 2 S. 1 WRV ein Enteignungsbeschluß nicht unmittelbar auf diese Vorschrift gegründet werden konnte, sondern ein rechtsstaatlicher Verfassungsvollzug 110 m i t Hilfe eines dazwischengeschalteten Ausführungsgesetzes erforderlich war. Solche Ausführungsgesetze sind aber i m Anwendungsbereich von A r t . 155 WRV zahlreich ergangen 111 , so daß er sogar zu den am meisten ausgeführten Grundrechtsvorschriften der Weimarer Verfassung zählt. Zusammenfassend ist daher zur Geltung von A r t . 155 WRV als Rechtsoder Programmsatz festzuhalten, daß von den hier interessierenden Absätzen 1 und 2 dieser Vorschrift keiner die Bedeutung eines Grundrechts aufweist, da hiermit weder i m Sinne eines klassischen Grundrechts negativ Freiheit gewährleistet, noch i m Sinne eines sozialen Grundrechts positiv ein Teilhabeanspruch eingeräumt wird. Es handelt sich vielmehr u m objektives Recht, dem i m Falle von Absatz 2 Satz 1 aktuelle Geltungskraft und bei Absatz 1 programmatischen Charakter zukommt und das i n beiden Fällen der einzelgesetzlichen Ausgestaltung bedarf. 4. Verhältnis von Art. 155 Abs. 2 zu Art. 153
I n welchem Verhältnis steht die solcherart gekennzeichnete Vorschrift des A r t . 155 Abs. 2 Satz 1 WRV zur Enteignungsmöglichkeit des A r t . 153 Abs. 2 WRV? Herrscht hier der Grundsatz der Spezialität, bzw. besteht überhaupt zwischen beiden Normen ein Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz? A u f diese Frage von mehr systematischem als unmittelbar praktischem Interesse hat der überwiegende Teil des Schrifttums zur Weimarer Verfassung 112 geantwortet unter Anlehnung an Plenaräußerungen des Abgeordneten Sinzheimer zu A r t . 156 WRV, w o r i n dieser die Auffassung vertrat, daß dem A r t . 156 WRV: „Entsprechende Vorschrif108 Scheicher, A r t i k e l 153, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichs Verfassung, Bd. 3, 1930, S. 209 ff. 109 Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung i m allgemeinen, S. 15 f., 20 ff., 31 ff.; vgl. auch Anschütz, S. 517 ff. 110 Carl Schmitt, Rechtsstaatlicher Verfassungsvollzug, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., 1973, S. 452 ff. 111 Vgl. dazu die bei Anschütz, S. 723, aufgeführten Ausführungsgesetze. 112 Anschütz, S. 722; Giese, S. 400; Stier-Somlo, Reichsverfassung, 2. Aufl., 1920, S. 132 ff.
1. Kap., II. Bodenumverteilung unter der WRV
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ten gegenüber dem unbeweglichen Vermögen i n A r t . 155 WRV ausgesprochen seien, und zwar i n der gleichen Weise, wie A r t . 156 WRV es vorsehe." Gegen diese Meinung, die Art. 155 WRV i n die unmittelbare Nachbarschaft der Sozialisierung rückt, haben sich Stimmen erhoben 113 , die zutreffend A r t . 155 WRV als Ausdruck bodenreformerischen Geistes charakterisieren und den hergestellten Zusammenhang zur Sozialisierung als Folge mangelnder Berücksichtigung von Wortlaut und Sinn des A r t . 155 WRV als unschlüssig ablehnen. Damit ist indessen noch keine Klarstellung des Verhältnisses zu Art. 153 Abs. 2 WRV erzielt. Immerhin haben die Autoren, die A r t . 155 Abs. 2 WRV als dem A r t . 153 nahestehend bezeichnen 114 , m i t dem Gesichtspunkt der Bodenreform den richtigen Ansatzpunkt gewählt, der eine Unterschiedsbestimmung ermöglicht. Bodenreform, d. h. die Uberwindung eines Zustandes übergroßer Ansammlung von Grundbesitz i n den Händen einzelner Personen, also eine sozialstrukturverändernde Zielsetzung, w i r d i n A r t . 155 WRV zum Enteignungszweck gemacht. Die Indienstnahme der Enteignung zum Zwecke der sozialen Umverteilung, selbst wenn diese wie i n A r t . 155 Abs. 2 nicht unspezifisch, sondern nur i m Zusammenhang m i t konkretisierbaren Vorhaben verwirklicht werden soll, stellt einen derartig gravierenden Eingriff i n die überkommene Struktur der Enteignungszwecksetzungen dar, daß ohne eine verfassungskräftige Aussage für diesen Zweck nicht hätte enteignet werden dürfen, selbst wenn man davon ausgeht, daß der i n A r t . 153 Abs. 2 WRV verwendete Eigentumsbegriff den sog. klassischen Enteignungsbegriff transzendiert 115 . A l l e Besonderheiten dieses i n A r t . 155 Abs. 2 WRV erstmals entfalteten transitorischen Enteignungsbegriffes folgen aus der Neuaufnahme dieser Zwecksetzung. Das gilt für das nun erforderlich werdende neuartige Enteignungsverfahren ebenso, wie für die verfassungsrechtliche Fiktion des Wohles der Allgemeinheit, die aus einsehbaren Gründen i n jedem Falle des A r t . 155 Abs. 2 das Gemeinwohlerfordernis unwiderlegbar unterstellt 1 1 6 , da die Kriterien eines „öffentlichen Unternehmens" real nicht erfüllbar waren. Schließlich findet das Spezifikum auch bei der Entschädigungsfrage seinen Niederschlag. Zwar ist ein Ausschluß oder eine Minderung der Enteignungsentschädigung dem 113 Erman, S. 285; v. Freytagh-Loringhoven, Die Weimarer Verfassung i n Lehre u n d Wirklichkeit, 1924, S. 367. 114 Erman, S. 284, 291, 302; v. Freytagh-Loringhoven, S. 366 ff.; Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. Aufl., S. 359 f. 115 Vgl. Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., 1973, S. 110 ff.; Anschütz, S. 707 ff.; Scheicher, A r t . 153, S. 210 ff. 116 Anschütz, S. 723; Erman, S. 302 ff.; Giese, S. 401.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Reichsgesetzgeber nach A r t . 153 Abs. 2 Satz 2 WRV — bei Vorliegen sachlicher Gründe, so w i r d man ergänzen müssen — gleichfalls möglich, doch sind eben diese sachlichen Gründe i m Falle der transitorischen Enteignung nach A r t . 155 Abs. 2 WRV i m Regelfall als gegeben anzusehen 117 . Der Zweck der sozialen Umverteilung w i r d nämlich nicht erreicht, wenn der Austausch der Eigentümerstellung nur gegen ein volles Wertäquivalent erfolgt, sondern der Erfolg einer Umverteilung hängt entscheidend davon ab, daß der Erwerb des Umverteilungsgegenstandes möglichst billig für den sozial schwachen Begünstigten vonstatten geht. Fragt man angesichts der Fülle von Unterschiedlichkeiten nach dem juristischen Gehalt der Formel, A r t . 155 WRV stehe dem A r t . 153 WRV nahe, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß m i t dieser bewußt gewählten unscharfen Formulierung kein Spezialitätsverhältnis gemeint sein kann. Sieht man Spezialität dann für gegeben an, wenn der allgemeine Tatbestand i m besonderen enthalten ist, dann müßte, bezogen auf die vorliegende Problematik, bei Wegfall der durch den sozialen Umverteilungszweck bedingten Besonderheiten, eine einfache Enteignung übrig bleiben. Dies ist aber schon i n formeller Hinsicht nicht der F a l l und t r i f f t i m übrigen auch bezüglich einer Reihe weiterer später darzustellender Gesichtspunkte nicht zu 1 1 8 . Die transitorische Enteignung des A r t . 155 Abs. 2 Satz 1 WRV ist daher gegenüber der Enteignungsmöglichkeit des A r t . 153 Abs. 2 Satz 1 WRV als ein aliud zu qualifizieren, das eine selbständige verfassungsrechtliche Position einnimmt. 5. Verhältnis des Art. 155 Abs. 2 zu Art. 156
Die gleichfalls rechtlich bedeutsame Abgrenzungsfrage des Verhältnisses von A r t . 155 Abs. 2 Satz 1 WRV zu A r t . 156 WRV ist i m Zusammenhang m i t der Abgrenzungsproblematik von A r t . 155 und A r t . 153 schon kurz berührt worden. Es war hierbei auf die Feststellung Wert gelegt worden, daß die vom Abgeordneten Sinzheimer gegebene Qualifizierung des Verhältnisses von A r t . 155 WRV zur Sozialisierungsvorschrift des A r t . 156 WRV i m Wortlaut der Verfassung jedenfalls keine Stütze findet. Welche konkreten rechtlichen Gesichtspunkte stehen einer Sachnähe des A r t . 155 WRV zur Sozialisierungsnorm entgegen? Bereits i n bezug auf den jeweiligen sachlichen Anwendungsbereich ergeben sich Abweichungen. Gegenstand der Sozialisierung nach A r t . 156 WRV sind private wirtschaftliche Unternehmungen, also das sog. Pro117 So w i r d nach § 15 Abs. 1 S. 1 RSG u n d § 28 Abs. 2 R H G keine volle sondern n u r noch angemessene Enteignungsentschädigung geschuldet. Nach § 3 Abs. 2 RSG bleibt sie sogar unter dieser Orientierungsmarke. 118 Vgl. unten 2. Kapitel, I V .
1. Kap., II. Bodenumverteilung unter der WRV
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duktivvermögen. Gegenstand von A r t . 155 W R V sind dagegen ausschließlich Grundstücke, wobei hinzuzufügen ist, daß nach Zweck und Entstehungsgrund der Norm i n erster Linie an landwirtschaftlich genutzte Grundstücke gedacht ist 1 1 9 . N u n schließen sich Produktivvermögen einerseits und Grund und Boden andererseits nicht schon begrifflich aus, insofern als der landwirtschaftlich genutzte Grund und Boden auch zum Produktivvermögen gerechnet werden kann. Zieht man jedoch zur Klärung des gegenständlichen Anwendungsbereichs der beiden Vorschriften die Entstehungsgeschichte m i t heran, so stellt man fest, daß der Begriff der wirtschaftlichen Unternehmung landwirtschaftliche Betriebe nicht erfassen sollte 120 , sondern gewerblich oder industriell produzierende Unternehmen ansprach. Nun könnte noch eingewendet werden, daß, soweit es sich u m den Entzug von Produktionsstätten handelt, diese aus Mangel an Sonderrechtsfähigkeit 121 rechtlich als ein Entzug des Grund und Bodens behandelt werden, m i t der Folge, daß doch der Grund und Boden als Gegenstand der Sozialisierung i n Betracht zu ziehen ist. Hierzu ist festzustellen, daß sicherlich i n diesen Fällen aufgrund der Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs über wesentliche Bestandteile eine Wegnahme des Grundstücks erfolgen muß, doch ist von der gesetzlichen Intention nicht das Grundstück, sondern die sich darauf befindende Produktionsstätte der entscheidende Gesichtspunkt. Das Grundstück w i r d als Folge der rechtlichen und tatsächlichen Unmöglichkeit einer Trennung von Boden und Bestandteil gleichsam reflexartig m i t i n Anspruch genommen. Schließlich handelt es sich hierbei aber gerade nicht u m den i n A r t . 155 WRV vorgestellten landwirtschaftlich genutzten Boden, ebenso wie es einen Unterschied macht, ob ein Gegenstand rechtlich nur reflexartig oder intentional beeinträchtigt wird. Es gibt jedoch noch einen weiteren Gesichtspunkt, der der behaupteten rechtlichen Affinität zwischen A r t . 155 WRV und Sozialisierung entgegensteht. Hierbei handelt es sich u m die unterschiedliche Qualität, die die Zwecksetzungen i n den jeweiligen Vorschriften auf weisen. Überführung i n Gemeineigentum bzw. gemeinwirtschaftliche Zusammenschließung bei A r t . 156 WRV einerseits sowie Überführung i n neue private Rechtsträgerschaft bei A r t . 155 WRV andererseits, sind die Stichworte der oben schon näher dargelegten Zweckverschiedenheiten 122 . Es 119
BVerfGE 3, 407 (417); Friedrich Lütge, A r t . Bodenreform, Evangelisches Soziallexikon, Sp. 213 ff.; Erman, S. 285. 120 V o n A r t . 156 W R V werden lediglich Grundstücksgesellschaften umfaßt, so Friedlaender, A r t . 156, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d G r u n d pflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, 1930, S. 330. 121 Sie folgen nämlich nach § 94 B G B dem Recht am Grundstück nach. 122 Vgl. vorne I. Teil, I I I . , 2. u n d 3.
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II. Teil: Verfassungskonformität
handelt sich somit bei der Sozialisierungsvorschrift des A r t . 156 WRV, die diesen Begriff selbst aber nicht verwendet, er findet sich lediglich i n A r t . 165 Abs. 3 Satz 1 WRV angedeutet, u m eine Rechtsnorm m i t einem abgeschlossenen Anwendungsbereich, die sich, sieht man einmal von A r t . 165 Abs. 3 WRV ab, weder an andere Verfassungsnormen anlehnt, noch bei der andere Vorschriften Anlehnung finden können. Die Weimarer Reichsverfassung enthält i m 5. Abschnitt des zweiten Hauptteils ein differenziertes Handlungsinstrumentarium zur Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Neben der einfachen i n A r t . 153 aufgenommenen Enteignung enthält sie i n A r t . 155 die transitorische Enteignung und i n A r t . 156 die Sozialisierung 123 ; alle diese Verfassungsnormen verfügen über einen eigenen Anwendungsbereich und sind i n ihren verfassungshistorischen Wurzeln auch jeweils verschiedenen politischen Strömungen und Tendenzen zuzurechnen: Die einfache Enteignung der Idee des deutschen Konstitutionalismus, die transitorische Enteignung dem geistig-politischen Umfeld der Bodenreformbewegung und die Sozialisierung dem Sozialismus 124 . Neben dem Kompromißcharakter der Verfassung zeigt sich daran die rechtliche Eigenständigkeit der jeweiligen Rechtsform, auf die auch die klar umschriebenen Aufgabenstellungen i m Kompetenzkatalog (Art. 7 Nr. 12 und Nr. 13 sowie A r t . 10 Nr. 4 WRV) hinweisen. Die Kompetenzvorschrift des A r t . 10 Nr. 4 WRV kann demnach nur durch A r t . 155 Abs. 2 Satz 1 WRV verfassungsrechtlich umgesetzt werden, da beide dem Gedankengut der Bodenreformer entstammen und auf deren Drängen Aufnahme i n den Verfassungstext gefunden haben 125 . I I I . Die Umverteilungskompetenzen über Grund und Boden im Bonner Grundgesetz Das i n der Weimarer Verfassung enthaltene geschlossene bodenpolitische Programm erlaubte die Herstellung einer gerechten Bodenverteilung 1 2 8 , indem es die soziale Umverteilung des Bodens aufgrund der 123 So auch Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl., 1973, S. 335 f. 124 Anschütz, A r t . 156, S. 725; Friedlaender, A r t . 156, S. 325; Krüger, Sozialisierung, i n : Bettermann / Nipperdey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 3, 1. Halbband, 1958, S. 267 ff.; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., 1954, S. 141 f. 125 Erman, A r t . 155, S. 285, 287; v. Freytagh-Loringhoven, S. 367. 126 Die Bodenverteilung stand w i e die anderen Grundrechte des 5. A b schnitts über das Wirtschaftsleben unter dem Leitthema „soziale Gerechtigk e i t " u n d „Gewährleistung menschenwürdigen Daseins f ü r alle". Dazu Anschütz, Vorbem. A r t . 151, S. 697; Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. Aufl., 1964, S. 357 ff.; Heinrich Lehmann, A r t i k e l 151, Abs. 1, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, 1930, S. 137 ff.
1. Kap., III. Kompetenzlage unter dem GG
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Vorschriften des A r t . 10 Nr. 4 und A r t . 155 WRV vorsah. Hier schließt sich die Frage an, ob i m Grundgesetz analoge Sozialgestaltungsmöglichkeiten i n bezug auf den Grund und Boden enthalten sind. Diese Frage ist zunächst i m Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes zu stellen. Dabei muß berücksichtigt werden, daß das Grundgesetz die bodenpolitischen Rahmenkompetenz Vorschrift en des A r t . 10 Nr. 4 WRV i n mehrere, dem Bund unterschiedlich starke Gestaltungsmöglichkeiten einräumende Kompetenzvorschriften aufgeteilt hat 1 2 7 , obgleich es vom Grundsatz die schon i n der Weimarer Reichsverfassung vorgezeichnete Dreiteilung der Zuständigkeiten des Gesamtstaates i n ausschließliche, konkurrierende und Rahmenzuständigkeit übernommen hat. Es empfiehlt sich daher, m i t der Kompetenzvorschrift die Prüfung zu beginnen, die dem Bund die stärkste Einwirkungsmöglichkeit bietet. 1. Art. 74 Nr. 18 G G
Dies ist die konkurrierende Gesetzgebungsvorschrift des A r t . 74 Nr. 18 GG, nach der der Bund über die Materien Grundstücksverkehr, Bodenrecht, landwirtschaftliches Pachtwesen, Wohnungswesen, Siedlungs- und Heimstättenwesen verfügt. Aus dieser Palette von Zuständigkeiten interessiert für den vorliegend zu untersuchenden Gegenstand lediglich die Materie Bodenrecht, die allerdings nicht ohne einen wenigstens gelegentlichen Seitenblick auf die Rahmenkompetenzvorschrift des A r t . 74 Nr. 4 — Materie Bodenverteilung — abgehandelt werden kann. Welches ist nun der Bedeutungsinhalt der Materie Bodenrecht? Die Beantwortung dieser Frage gebietet eine Systematisierung des Begriffes. Danach kann Bodenrecht einmal gedeutet werden i m Sinne unterschiedlicher rechtlicher Gegenstandsbereiche als öffentliches oder privates Bodenrecht oder i m Sinne einer mehr funktionell bestimmten Betrachtungsweise als städtisches oder landwirtschaftliches Bodenrecht 128 . Die nach rechtlichen Gegenstandsbereichen vorgenommene Differenzierung läßt offenbar werden, daß das private Bodenrecht nicht von A r t . 74 Nr. 18 GG umfaßt sein kann, da diese Materie bereits Gegenstand der Regelung des A r t . 74 Nr. 1 GG — bürgerliches Recht — ist. Wenn somit A r t . 74 Nr. 18 GG i m Gegensatz zu A r t . 74 Nr. 1 GG nicht die Beziehungen des einzelnen, sondern die des Staates zum Grund und Boden ordnet, so ergeben sich doch aus den privatrechtlich geordneten Tatbestän127 Die i n A r t . 10 Nr. 4 W R V aufgezählten Materien sind, soweit sie i m Grundgesetz aufgenommen wurden, Gegenstand unterschiedlicher Kompetenzvorschriften; die Materie Bodenverteilung w u r d e i n A r t . 75 Nr. 4 G G aufgenommen, die Gegenstände Bodenrecht, Wohnungswesen, Siedlungs- u n d Heimstättenwesen sind i n A r t . 74 Nr. 18 GG eingegangen. 128 Ehrenforth, A r t . Bodenrecht, Ev. Soziallexikon, Sp. 210 ff.; v. Nell-Breuning, A r t . Bodenrecht, Staatslexikon, Bd. 2, 1958, Sp. 90—97.
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II. Teil: Verfassungskonformität
den des Bodenrechts Anhaltspunkte dafür, was Gegenstand der öffentlich-rechtlichen Regelung sein kann. Ist nämlich Gegenstand der privatrechtlichen Regelung das Erwerbs-, Nutzungs- und Verfügungsrecht über den Grund und Boden, so w i r d der Regelungsgegenstand des öffentlichen Bodenrechts zunächst darin bestehen, die insoweit bestehenden privatrechtlichen Befugnisse i m öffentlichen Interesse einzuschränken. Bei dieser mehr negativ defensiv bestimmten Regelungstendenz 129 , die i m wesentlichen auf den Gebrauch des Bodens abzielt, also die Nutzungsrechte betrifft, kann es der moderne Industriestaat angesichts des Mißverhältnisses zwischen Bevölkerung und Bodenbesitzverteilung 130 einerseits und der nach wie vor ungebrochenen A t t r a k t i v i t ä t des Bodens als Grundlage der materiellen und psychischen Wohlfahrt für große Teile der Bevölkerung 1 3 1 , nicht bei dieser Regelungsart bewenden lassen. Er muß vielmehr selbst aktiv gestaltend i n die Bodenrechtsverhältnisse eingreifen, sei es nun zur Ermöglichung einer planvollen Bodennutzung, sei es zur Erzielung einer sozial gerechteren Verteilungsordnung. Die beiden aktiven Gestaltungsaufgaben sowie die oben genannten negativ defensiv bestimmten könnten zusammen den Begriff des öffentlichen Bodenrechts erschöpfen, wenn nicht gerade i n bezug auf die Bodenverteilung das Grundgesetz i n A r t . 75 Nr. 4 GG eine Sonderregelung enthalten würde. Unterstellt man einmal, daß der Begriff „Bodenverteilung" i n A r t . 75 Nr. 4 GG i n dem oben verwendeten Sinne einer sozial gerechteren Gestaltung der Bodenverteilungsordnung zu verstehen ist, dann fällt diese Aufgabe aus der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit heraus. I m Rahmen der konkurrierenden Zuständigkeit kann der Bund sonach nur die Bodennutzung i n negativ defensiver oder aktiver Form (Umlegung, Enteignung, Nutzungsgebote usw.) beeinflussen, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich u m städtischen oder landwirtschaftlich genutzten Grund und Boden handelt. Die Reduzierung der Bundeszuständigkeit auf die Nutzungsrechte könnte aber dem Willen des historischen Verfassungsgebers zuwiderlaufen, der, wie aus den Äußerungen verschiedener Abgeordneter des Parlamentarischen Rates hervorgeht, die Bodenreform von der K o m petenzvorschrift des A r t . 74 Nr. 18 — Bodenrecht — umfaßt sehen wollte. So äußerte sich der Abgeordnete Dr. Strauß (CDU) i n der dritten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses vom 23.9.1948 dahingehend, 129 Sachlich geht es hierbei u m das Problem der Eigentumsbindung, das i n A r t . 14 Abs. 2 GG angesprochen ist. 130 Nachweise dazu bei Epping, Bodenmarkt u n d Bodenpolitik i n der B u n desrepublik Deutschland, 1977, S. 32 ff., 55 f.; Conradi / Dieterich / Häuf, F ü r ein soziales Bodenrecht, 1972, S. 24; Krelle / Schunck / Siebke, Überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer, Band 2, 1968, S. 368 ff. 131 Epping, S. 245 ff.
1. Kap., III. Kompetenzlage unter dem GG
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daß „zu Bodenrecht auch die Bodenreform gehört" 1 3 2 . Dem stimmte der Abgeordnete Blomeyer (CDU) i n der gleichen Sitzung insoweit zu, als er i n dem, dem A r t . 74 Nr. 18 GG als Vorlage dienenden A r t . 36 Ziff. 26 des Chiemseer Entwurfs die „Grundsätze der Bodenverteilung" 1 3 3 m i t umfaßt sehen wollte. I n der neunten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 7.10.1948 war der Abgeordnete Dr. Strauß der Ansicht, daß für die Materie „Bodenverteilung Rahmenvorschriften ausreichend sein würden", denn „das war auch Grundsatzgesetzgebung i n der Weimarer Verfassung" 134 . Zur Materie „Bodenrecht" wurde weiter erläutert, „Bodenrecht ist allgemein, also auch das städtische Bodenrecht. Die Schwierigkeiten, die w i r bei unseren zerstörten Städten haben, sind so groß, daß w i r die Möglichkeit haben müssen, ein geschlossenes Gebiet einheitlich neu aufzuteilen, auch gegen den Willen der Eigentümer" 1 3 5 . Dagegen „ist Bodenverteilung landwirtschaftlich gedacht", so der Vorsitzende des Zuständigkeitsausschusses, der Abgeordnete FriedrichWilhelm Wagner (SPD) 136 . Dieser Ansicht trat teilweise der Abgeordnete Blomeyer (CDU) entgegen und meinte, rein landwirtschaftlich könne man das Problem der Bodenreform nicht sehen, „denn der Grundbesitz der Industrie und der Kommunen muß ebenso einer einheitlichen Bodenverteilung unterstellt werden wie der der Landwirte" 1 3 7 . Dr. Strauß (CDU) erklärte: „Bodenverteilung bezieht sich auf den landwirtschaftlichen Grundbesitz sowohl von Privaten als auch von öffentlichen Körperschaften. Die einzelnen Bodenreformgesetze haben besondere Bestimmungen für öffentlich-rechtliche Körperschaften, insbesondere für Staat und Kirche 1 3 8 ." Schließlich erläutern die Abgeordneten Dr. Laforet (CSU) und Dr. Strauß (CDU): ein Anwendungsfall der Bodenverteilung sei die Agrarreform, einschließlich der Zerschlagung der großen Güter 1 3 9 . I n der zwölften Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 14.10.1948 gab der Abgeordnete Dr. Strauß folgende Interpretation: „Bodenrecht ist städtische Bodenreform. Bodenrecht sind die Gesetze, die sich aus der Zerstörung der Städte ergeben 140 ." Dieser Ausschnitt aus den Beratungen des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates belegt die unterschiedlichen Vorstellungen, die die Ausschußmitglieder m i t dem Begriff der Bodenreform verban182 183 184 135 136 137 138 139 140
Matz, Matz, Matz, Matz, Matz, Matz, Matz, Matz, Matz,
A r t . 74 Nr. 18, JöR N F 1, 1951, 536. S. 536. S. 537. S. 537. S. 537. S. 537. S. 537. S. 537. S. 538.
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II. Teil: Verfassungskonformität
den. Einerseits sollte zur Bodenreform die sog. Agrarreform zählen, wie sie i n den durch die Besatzungsmächte herbeigeführten Bodenreformgesetzen ihren Niederschlag gefunden hat. Insoweit sollte eine bundesgesetzliche Regelungskompetenz i n A r t . 75 Nr. 4 GG — Bodenverteilung — geschaffen werden. Andererseits aber sollte Bodenreform die Reform des städtischen Bodenrechts sein und i n der Kompetenzvorschrift des A r t . 74 Nr. 18 — Bodenrecht — geregelt sein. Der sich hiernach anbietenden Differenzierung, die Agrarreform unter A r t . 75 Nr. 4 GG zu fassen, während die städtische Bodenreform unter A r t . 74 Nr. 18 GG — Bodenrecht — zu subsumieren sei, steht aber die Äußerung des A b geordneten Blomeyer (7.10.1948) entgegen, daß man das Problem Bodenreform nicht rein landwirtschaftlich sehen könne. Der hierauf vom Abgeordneten Dr. Strauß unternommene Klarstellungsversuch, die Bodenverteilung beziehe sich auf den landwirtschaftlichen Grundbesitz sowohl von Privaten als auch öffentlicher Körperschaften, sowie der Hinweis auf die Bodenreformgesetze betrifft nur einen Teilaspekt des erhobenen Einwandes und vermag den Sachverhalt nicht v o l l zu erhellen. I m Gegenteil, es ergeben sich nun folgende Deutungsmöglichkeiten: a) Der Begriff Bodenverteilung i n A r t . 75 Nr. 4 GG bezieht sich auf die Agrarreform und umfaßt die Umverteilung landwirtschaftlich genutzten Bodens unter Beibehaltung seiner Zweckbestimmung. Daraus folgt, daß die Umverteilung nicht landwirtschaftlich genutzten Bodens oder die Umverteilung landwirtschaftlich genutzten Bodens m i t nachträglicher Zweckänderung (ζ. B. für künftige bauliche Nutzung) nicht von dieser Vorschrift gedeckt ist und deshalb zwangsläufig zum Regelungsbereich des A r t . 74 Nr. 18 GG zu rechnen ist. b) Die andere Deutungsmöglichkeit besteht darin, die Umverteilung landwirtschaftlich genutzten Bodens ohne Rücksicht auf seine weitere Verwendungsweise i n A r t . 75 Nr. 4 GG geregelt zu sehen. Daraus folgt dann für A r t . 74 Nr. 18 GG, daß er die Umverteilung des städtischen Bodens und die Regelung der gesamten Bodennutzung beinhaltet. Beide Auslegungsmöglichkeiten vermögen nicht zu überzeugen. Sie weisen eine Anzahl von Schwachstellen auf, die sie unabhängig von den Bedenken, denen eine Interpretation aus dem Willen des historischen Gesetzgebers ohnedies begegnet 141 , für eine historische Interpretation als unbrauchbar erweist. Beide Auslegungsversuche implizieren, daß das Grundgesetz zwei unterschiedliche Begriffe von Bodenverteilung enthält: Einmal i m Sinne der Gegenüberstellung von Agrarreform und städtischer Bodenreform und zum anderen i m Umverteilungsdualismus von städtischem und landwirtschaftlich genutztem Boden. 141 Dazu Larenz, S. 302, 315.
Methodenlehre
der Rechtswissenschaft,
3. Aufl.,
1975,
1. Kap., III. Kompetenzlage unter dem GG
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Eine derartige Begriffsvielfalt ist jedoch der deutschen Bodenreformtradition fremd, obgleich nicht bestritten werden soll, daß Differenzierungskriterien dieser A r t i m Rahmen der Bodenreform ihren Platz haben können. Zwar hat es auch i n Deutschland Repräsentanten einer Bodenbesitzreform gegeben, z.B. Michael Flürscheim, die i n ihrem Programm den agrarreformatorischen Aspekt stark betont haben 142 . Der gesamte Grund und Boden sollte nach seiner Verstaatlichung an einzelne Pächter ausgegeben werden, denen nur die Vergütung für die geleistete Arbeit und die Verfügung über die vom Boden trennbaren Objekte bleiben sollte, während die sog. Grundrente dem Staat anheimfallen sollte. Überlegungen wie diese oder das „Freilandprogramm" des Österreichers Theodor Hertzka 1 4 3 blieben angesichts der überragenden Bedeutung, die der Bund Deutscher Bodenreformer für die Programmatik und die politische Wirkung der Bodenreform i n Deutschland einnahm, periphere Erscheinungen ohne besondere Breitenwirkung. Der Bund Deutscher Bodenreformer, eine überparteiliche Organisation 1 4 4 m i t starker Anhängerschaft 145 , verfolgte unter der Führung Adolf Damaschkes ein Programm, das zwar noch auf die Grundgedanken des Gründers der Bodenreform i m 19. Jahrhundert, des Amerikaners Henry Georges zurückgriff 1 4 8 , das aber i n wesentlichen Punkten abweichende Vorstellungen enthielt. So dachte man nicht mehr an die Einziehung der gesamten Grundrente, sondern wollte n u r noch die Zuwachsrente für die Allgemeinheit gesichert sehen 147 . Daneben enthielt das Programm des Bundes einen Katalog steuerpolitischer Forderungen (Grundsteuerbemessung nicht mehr nach Einheitswerten, sondern dem gemeinen Wert, Wertzuwachsbesteuerung) und befaßte sich schwerpunktmäßig m i t der städtischen Bodenfrage 148 . Hierzu wurde gefordert, den Grundbesitz breit zu streuen und hierauf den sozial schwachen Schichten, die vom Bodenbesitz ausgeschlossen sind, eine gesicherte Existenzgrundlage i n Gestalt einer Wohn- oder Wirtschaftsheimstätte zu ermöglichen. Diese bodenpolitischen Zielsetzungen, die i m Verlaufe des ersten Weltkrieges durch die Kriegerheimstättenbewegung 149 nachhaltig verstärkt worden 142
v. Frauendorfer, A r t . Bodenreform, HdSW, Bd. 2, 1959, S. 336. v. Frauendorfer, A r t . Bodenreform, HdSW, Bd. 2, 1959, S. 336. 144 Karl Heinz Peters, Die Bodenreform, 1971, S. 51 f.; Erman, A r t . 155 WRV, S. 286 ff.; Lütge, A r t . Bodenreform, städtische, Ev. Soziallexikon, Sp. 215; ν . Frauendorfer, A r t . Bodenreform, HdSW, Bd. 2, 1959, S. 336. 145 Erman, A r t . 155 WRV, S. 295 ff. 146 Erman, A r t . 155 WRV, S. 287 f.; v. Frauendorfer, A r t . Bodenreform, HdSW, Bd. 2, 1959, S. 336 f. 147 v Frauendorfer, A r t . Bodenreform, S. 336 f. 143
148 Lütge, A r t . Bodenreform, städtische, v. Frauendorfer, A r t . Bodenreform, S. 337. 149 Dazu Erman, A r t . 155 WRV, S. 295 ff.
Ev. Soziallexikon,
Sp. 213 ff.;
144
II. Teil: Verfassungskonformität
waren, hatten durch ein abgestimmtes bodenrechtliches Instrumentar i u m von Umverteilungs-, Belastungs- und Nutzungsrechten die Trennung von Agrarreform und städtischer Bodenreform überwunden: Die Ausgabe von Wohn- und Wirtschaftsheimstätten verbunden m i t einer sinnvollen Siedlungspolitik war geeignet, sowohl die Probleme des ländlichen Raumes — Seßhaftmachung von Landarbeitern, Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion usw. zu lösen, wie zu einer Behebung der städtebaulich-sozialen Probleme — Herstellung gesunder Lebens- und Wohnverhältnisse, Dämpfung der Bodenpreise durch Herbeiführung eines entsprechenden Bodenangebotes usw. beizutragen. Angesichts dieser historischen Ausgangslage der deutschen Bodenreform, die i n Gestalt des Programmes des Bundes Deutscher Bodenreformer zum Inhalt der einschlägigen Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung geworden ist 1 5 0 , und diese dem Grundgesetz erkennbar als Vorlage gedient hat, bedürfte es selbst i m Hinblick auf die von den westlichen Besatzungsmächten nach dem Zweiten Weltkrieg veranlaßte Bodenreform 151 für die Begründung eines dualistischen Begriffs der Bodenreform überzeugenderer Hinweise als derjenigen, die die A b geordneten des Parlamentarischen Rates gegeben haben. Ob also die oben i n bezug auf A r t . 74 Nr. 18 GG, Materie Bodenrecht, gefundene Auslegung aufgrund von Äußerungen von Abgeordneten des Parlamentarischen Rates zum Gegenstand Bodenreform aufgegeben werden muß, vermag eine Interpretation aus dem historischen W i l l e n des Verfassunggebers nicht zu klären. Aufschluß hierüber könnte jedoch der objektivierte Wille des Verfassunggebers vermitteln. I h m hat, wie bereits verschiedentlich bemerkt wurde, die Weimarer Reichsverfassung i n ihrer Gesamtheit wie i n bezug auf Einzelmaterien ein Beispiel gegeben 152 . Dies zeigt sich beim vorliegenden Problemzusammenhang daran, daß das Grundgesetz sehr weitgehend auf die Begriffe der Reichsverfassung zurückgegriffen hat. So sind beispielsweise die den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildenden Begriffe „Bodenrecht" und „Bodenverteilung" begrifflich unverändert übernommen worden und auch bei den i n ihrem begrifflichen Umfeld angesiedelten Materien hat sich keine ins Gewicht fallende Verschiebung ergeben. Zwar sind i n diesem Bereich neue Zuständigkeitsmaterien hinzugekommen (Grundstücksverkehr, landwirt150 Erman, A r t . 155 WRV, S. 286 ff.; Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, S. 45 ff. 151 Dazu v. Nell-Breuning, A r t . Bodenpolitik, Staatslexikon, Bd. 2, 6. Aufl., 1958, Sp. 83. 152 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Komm., A r t . 74, Rdnr. 99; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Komm., A r t . 75, Rdnr. 6; BVerfGE 3, 414.
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schaftliches Pachtwesen bei A r t . 74 Nr. 18 GG), andere nicht aufgenommen worden (Bindung des Grundbesitzes, Bevölkerungsverteilung aus Art. 10 Nr. 4 WRV), und es wurde eine veränderte Aufgliederung zwischen dem Rahmenkompetenzbereich und dem Bereich der konkurrierenden Vollgesetzgebung vorgenommen; diese Gesichtspunkte vermögen indessen die Annahme nicht zu widerlegen, daß Materien, soweit sie aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen wurden, i m Grundgesetz i m selben Sinn zu verstehen sind, wie dies i n der Weimarer Reichsverfassung der Fall war 1 5 3 . Da die bisher problematisierten Begriffe „Bodenrecht" und „Bodenverteilung" zu diesem unberührt übernommenen Begriffsbestand gehören, ist es sachlich gerechtfertigt, ihre Auslegung i n einem traditionellen Verständnis zu betreiben. I n ihrem traditionellen Verständnis aber bezeichnen diese Begriffe jeweils einen Teilaspekt aus dem Programm der Bodenreformer, das ein Bündel gesetzgeberischer Maßnahmen i n bezug auf Bodenerwerb, Bodenbesitz, Bodennutzung und Bodenverfügung forderte 154 . Da es nicht gelungen ist, die Teilaspekte dieses Programmes i n jeweils randscharfe juristische Begriffe zu fassen, kommt es zu partiellen Überschneidungen der Regelungsbereiche 155 . Das zeigt sich vornehmlich an der Dichte der bodennutzungsbezogenen Aussagen i n der Weimarer Verfassung, an Gegenständen also, bei denen die Sache, bzw. die unmittelbare Beziehung Mensch—Sache i m Mittelpunkt des Regelungsinteresses steht, beispielsweise an der Beziehung des Begriffes Bodenrecht, dem man i n diesem Zusammenhang eine gewisse übergreifende Bedeutung zuerkennen muß, zu den Begriffen Ansiedlungs- und Heimstättenwesen sowie Wohnungswesen. Sicherlich gehört der Begriff „Bodenverteilung", obgleich eine tragende Säule des Programmes der Bodenreformer, nicht i n die gleiche rechtliche Kategorie wie die soeben genannten Begriffe, da i m Mittelpunkt des Regelungsinteresses weniger die Sache, als ihre sozialpolitische Funktion 1 5 6 steht, so daß man zum Verhältnis der Begriffe „Bodenrecht" und „Bodennutzung" feststellen kann, daß hier kein Überschneidungsfall gegeben ist, sondern jeder Begriff einen selbständigen Teilbereich der Bodenreform abdeckt. 153 So der Abgeordnete Dr. Strauß (CDU) i n der neunten Sitzung des Z u ständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates am 7.10.1948; vgl. dazu Matz, A r t . 74, i n : Leibholz / v. Mangoldt (Hrsg.), JöR N F 1, 1951, S.537; BVerfGE 3, 415. 154 Vgl. vorne die Fn. 147 u n d 148. 155 Diese Überschneidungen führen nach BVerfGE 3, 421 zu keiner k r a f t Sachzusamjnenhangs einheitlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes über das gesamte Baurecht. 158 v. Nell-Breuning, A r t . Bodenpolitik, Staatslexikon, Bd. 2, 6. Aufl., 1958, Sp. 83.
10 Frey
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II. Teil: Verfassungskonformität
Dieses Ergebnis belegt, wie historisch verfehlt die Bemühungen einiger Abgeordneter des Parlamentarischen Rates waren, die Bodenreform als Gesamtprogramm unter einen der genannten Begriffe zu zwingen 157 . Es belegt weiterhin die Untauglichkeit des undifferenzierten Gebrauchs des Begriffes „Bodenreform" i m Parlamentarischen Rat aus Anlaß der Konturierungsbemühungen u m die Materien „Bodenrecht und Bodenverteilung", da bodenreformerisches Gedankengut i n beiden Begriffen enthalten ist. Sollte deshalb die Verwendung des Begriffs Bodenreform anläßlich der Beratung von A r t . 74 Nr. 18 GG i m Sinne einer Bodenumverteilung erfolgt sein, so stünde dieser subjektiven Auffassung des historischen Verfassungsgebers sein objektivierter Wille entgegen. Sollte damit aber lediglich zum Ausdruck gebracht werden, wogegen allerdings der Sinnzusammenhang spricht, daß zu A r t . 74 Nr. 18 GG auch die Bodenreform gehöre, wobei die Betonung auf „auch" zu legen ist, dann steht diese Sicht der Sache der hier vertretenen Auslegung nicht nur nicht entgegen, sondern bestärkt sie i m Gegenteil noch. „Bodenrecht" kann deshalb durchaus als Ermächtigung zum Erlaß öffentlich-rechtlicher Vorschriften m i t einem die Beziehung des Rechtsinhabers zum Grund und Boden unmittelbar ordnenden Inhalt verstanden werden, wobei es dann auf der Hand liegt, daß je nach der gesetzlichen Regelungsintention das Bodeneigentum funktionell anders berührt wird. So ist beispielsweise dort, wo die öffentlich-rechtlichen Normierungen von aktiv-gestaltender Natur sind, schwerpunktmäßig die Bodennutzung betroffen, während bei einem mehr negativ-defensiven Regelungscharakter das Bodeneigentum i n einer seiner weiteren Funktionen (ζ. B. dem Verfügungsbereich) tangiert werden kann. Die hier entwickelte Auslegung des Begriffes „Bodenrecht" befindet sich i m Einklang m i t der vom Bundesverfassungsgericht i n seinem Gutachten vom 16. 6.1954 158 dargestellten Sicht des Problems. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, daß zur Materie „Bodenrecht" nur solche Vorschriften gehören, „die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln" 1 5 9 . Eine weitergehende begriffliche Spezifizierung, insbesondere eine abschließende Festlegung des Begriffsinhaltes, brauchte das Bundesverfassungsgericht zur Behandlung der i h m vorgelegten Rechtsfragen nicht vorzunehmen. Es ist jedoch aufgrund der allgemeinen begrifflichen Kennzeichnung davon 157 v g l . die Äußerungen des Abgeordneten Dr. Strauß (CDU) i n der neunten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 7.10.1948 sowie i n der zwölften Sitzung des gleichen Ausschusses am 14.10.1948; ebenso der Abgeordnete Dr. Laforet (CSU) i n der neunten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses; dazu Matz, A r t . 74 Ziff. 18, JöR N F 1, 1951, S. 537. iss BVerfGE 3, 407 ff. is® BVerfGE 4, 424.
1. Kap., III. Kompetenzlage unter dem GG
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auszugehen, daß auch bei einer weitergehenden Befassung m i t diesem Gegenstand das Bundesverfassungsgericht an der strengen Grundstücksbezogenheit der rechtlichen Regelung festgehalten hätte. Diese schließt es aber aus, Sachverhalte, wie den i m konkreten Fall untersuchten unter den Begriff „Bodenrecht" zu subsumieren, da hier der Grund und Boden nur der Anknüpfungspunkt für eine schwerpunktmäßig die Veränderung der Sozialstruktur bezweckende Regelungsabsicht darstellt. Ist somit das vorliegend gewonnene Ergebnis m i t dem Standpunkt der Rechtsprechung durchaus konform, so kann dies nicht m i t gleicher Eindeutigkeit gegenüber den einschlägigen Meinungsäußerungen i n der Literatur behauptet werden. Soweit es hier bei allgemeinen Hinweisen, wonach die Grenzziehung zwischen „Bodenrecht" und „Bodenverteilung" problematisch sei 180 , nicht sein Bewenden hat, w i r d die Auslegung durch eine ihrem tatsächlichen Gewicht inadäquate Behandlung der i m Parlamentarischen Rat ausgetauschten Argumente verzerrt. Insbesondere die auf die Bodenreform bezogenen Aussagen werden, entgegen der oben gegebenen Darstellung, i m Sinne eines einheitlichen Gegenstandsbereiches gedeutet und deshalb i n ihrer Bedeutung verkannt. Maunz beispielsweise bringt die Bodenreform, die er wohl als einheitlichen Gegenstandsbereich versteht, unter Berufung auf die Äußerungen i m Parlamentarischen Rat unter A r t . 74 Nr. 18 GG 1 8 1 . Darüber hinaus lehnt er die Anwendbarkeit von A r t . 75 Nr. 4 GG auf den vorliegenden Sachverhalt auch m i t der Begründung ab, es handele sich bei der Bodenverteilung u m eine Vergesellschaftung, die sich nach A r t . 74 Nr. 15 GG zu richten habe und übersieht dabei, daß Vergesellschaftung und Umverteilung des Bodens zwei Tatbestände von jeweils eingenständiger unverwechselbarer Statur sind. Friedrich K l e i n 1 8 2 nimmt ebenfalls auf Äußerung i m Zuständigkeitsausschuß des Parlamentarischen Rates Bezug, gelangt aber i m Ergebnis dazu, daß sowohl „Bodenrecht" wie Bodenverteilung zur Bodenreform gehörten. Dieses von Maunz als widersprüchlich bezeichnete Ergebnis 183 ist, wie die vorliegenden Ausführungen zu belegen versuchten, dann nicht mehr unverständlich, wenn man den Begriff der Bodenreform der historisch gebotenen funktionellen Betrachtungsweise unterzieht. Nur diese funktionell bestimmte Betrachtungsweise, die sowohl A r t . 74 Nr. 18 wie Art. 75 Nr. 4 GG als 180 So Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 75, Rdnr. 38; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., 1954, S. 49. 161 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Komm., A r t . 75, Rdnr. 38. 182 Siehe v. Mangoldt / Klein, Das Bonner GG, Bd. 2, 2. A u f l . 1966, S. 1633 u n d 1707. 183 So Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, A r t . 75, S. 19, Fußnote 1.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Ausdruck der Bodenreform anerkennt, ist geeignet, beide Vorschriften effektiv zu machen, während beispielsweise die von Maunz vertretene Auslegung zu einem weitgehenden Leerlaufen von A r t . 75 Nr. 4 GG führt. 2. Art. 75 Nr. 4 G G
Die Bodenbesitzreform, d. h. die Umgestaltung der Eigentums- und Besitzverhältnisse, die unter dem Grundgesetz nur von sozialstaatlichen Maximen geleitet sein kann 1 6 4 , ist wie die Abgrenzung zu A r t . 74 Nr. 18 GG — Bodenrecht — gezeigt hat, sonach Gegenstand der Rahmenkompetenzvorschrift des A r t . 75 Nr. 4 GG, Materie Bodenverteilung. Sie umfaßt Umverteilungen des landwirtschaftlich genutzten Bodens ebenso, wie solche des städtischen Bodens und ist daher Ausdruck der Bodenreform wie der Agrarreform 1 6 5 . Dieser Bedeutungsinhalt von A r t . 75 Nr. 4 GG erschließt sich nicht nur i m Wege der Gegenüberstellung m i t dem Begriff Bodenrecht aus A r t . 74 Nr. 18 GG, sondern läßt sich auch m i t Hilfe einer Reihe weiterer, teilweise auch für die Auslegung von A r t . 74 Nr. 18 GG fruchtbarer Argumente positiv nachweisen. So darf eine Auslegung nicht die Tatsache ignorieren, daß der Verfassungstext zwei Bestimmungen enthält, von denen eine jede für den vorliegenden Sachverhalt relevant sein kann, sofern nur eine Interpretation gewählt wird, die keine Vorschrift zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, daß für die Aufnahme einer Formulierung i n den Verfassungstext konkrete Regelungsabsichten ausschlaggebend waren, obgleich die Aufnahme dieser speziellen Regelungen i n das Grundgesetz wohl allein dem Umstand zuzuschreiben ist, daß sich die gleichen Formulierungen bereits i n der Weimarer Verfassung finden und hierüber bei ihrer Wiederverwendung keine klare Vorstellung über die traditionellen Begriffsinhalte mehr vorhanden waren. Es spricht somit eine gewisse Vermutung dafür, daß die beiden Kompetenznormen des A r t . 74 Nr. 18 GG und A r t . 75 Nr. 4 GG jeweils eigenständige, gleichberechtigt nebeneinander stehende Regelungsgegenstände enthalten sollten 166 , insbesondere nachdem dies 184 Andere, insbesondere konfiskatorische u n d Sozialrevolutionäre Zielsetzungen läßt das Grundgesetz nicht zu; dazu Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 348 f., 365 ff. 185 So auch der Abgeordnete Dr. Strauß i n der neunten u n d zwölften S i t zung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates; vgl. Matz, i n : L e i b h o l z / v . Mangoldt (Hrsg.), JöR N F 1, 1951, S. 5371; ebenso Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, A r t . 75, Rdnr. 38. lee BVerfGE 3, 414 anerkennt ausdrücklich die Gleichordnung der Regelungsgegenstände f ü r das Verhältnis der i n A r t . 74 Nr. 18 G G aufgenommenen Materien, so daß dieser Grundsatz u m so mehr f ü r die Relation zwischen A r t . 74 Nr. 18 GG u n d A r t . 75 Nr. 4 GG Geltung beanspruchen kann.
1. Kap., III. Kompetenzlage unter dem GG
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bei ihrer Vorlagenorm i n der Weimarer Verfassung auch der Fall gewesen ist. Angesichts solcher Prämissen ist es naheliegend, für einen Sachverhalt, der als Umverteilung von Grund und Boden bezeichnet wurde, aufgrund der objektiv gegebenen größeren Sachnähe die Einschlägigkeit des Begriffes „Bodenverteilung" anzunehmen. Bei dieser terminologischen Verwandtschaft hat es aber nicht sein Bewenden. Vielmehr spricht die unveränderte Übernahme des Begriffs „Bodenverteilung" aus der Weimarer Verfassung i n das Grundgesetz 167 dafür, daß die Übernahme i n derselben Bedeutung wie damals erfolgen sollte. Zwar stand die traditionelle Bedeutung des Begriffs „Bodenverteilung" den Abgeordneten des Parlamentarischen Rates, wie die Diskussion um die Bezeichnung „Bodenreform" anschaulich belegt, nicht klar vor Augen, doch zeigt die Bezugnahme auf die Agrarreform nach dem Zweiten Weltkrieg 1 6 8 wenigstens die Richtung an, i n die das Begriffsverständnis ging. Berücksichtigt man nun, daß die historische Parallele des Begriffes objektiv vorhanden ist 1 6 9 , wenngleich sie subjekt i v nur sehr unvollkommen reflektiert ist 1 7 0 , sich andererseits aber doch Anhaltspunkte für ein i n die richtige Richtung weisendes Verständnis bieten 171 , so kann man feststellen, daß die m i t der grammatischen Interpretation eingeleitete Sinngebung durch die entstehungsgeschichtlichen Erwägungen erhärtet wird. Das i m Auslegungsweg gewonnene Ergebnis, wonach die Kompetenzvorschrift des A r t . 75 Nr. 4 GG — Bodenverteilung — den Sachverhalt der Umverteilung des Grund und Bodens regelt, hält auch verschiedenen Ergebniskontrollen stand. So führt diese Auslegung der Vorschrift ein Ergebnis herbei, das sie effektiv macht, ohne den A r t . 74 Nr. 18 GG i n seiner Bedeutung zu schmälern. Die Tatsache, daß die Kompetenznorm nur zu Rahmenvorschriften ermächtigt, während A r t . 74 Nr. 18 GG die konkurrierende Vollgesetzgebung ermöglicht, tut der gesetzgeberi187
Dazu BVerfGE 3, 407 (415). Vgl. die Abgeordneten Dr. Laforet (CSU) u n d Dr. Strauß (CDU) i n der neunten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates am 7.10.1948; so Matz, A r t . 74, i n : v. Doemming / Füsslein / Matz, Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des GG, JöR N F 1, 1951, 537. 189 Das ergibt sich einmal daraus, daß die i n A r t . 10 Nr. 4 W R V als A u s druck der Bodenreform verwandten Begriffe n u n auch i n der Beratung des Parlamentarischen Rates auftauchen. Z u m anderen darf nicht übersehen w e r den, daß die A n w e n d u n g der Regelungen der sog. Bodenreform nach dem Zweiten Weltkrieg jedem M i t g l i e d dieses Gremiums gegenwärtig w a r . 170 Siehe dazu die i n den vorausgehenden Anmerkungen zitierten w i d e r sprüchlichen Äußerungen der Abgeordneten des Parlamentarischen Rates. 171 So beispielsweise die Stellungnahme des Abgeordneten Dr. Strauß i n der zwölften Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 14.10.1948, i n : Matz, A r t . 74, S. 538. 188
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sehen Gestaltungsmöglichkeit ebensowenig einen Abbruch 1 7 2 , wie sie die Wahrung der Hechtseinheitlichkeit verhindert. Eine Gesetzgebung, die sich dem Problem einer Umverteilung des Bodens annimmt, muß aus der Natur der Sache sich einer sehr stark typisierenden Betrachtungsweise bedienen, indem sie i n Form eines groben Rasters die verteilungsrelevanten Kriterien festlegt. Diese Kriterien, zu denen beispielsweise die Bestimmung des Verteilungsbegünstigten, der Umfang der zur Umverteilung zu gelangenden Flächen sowie die A r t und Qualität des umzuverteilenden Bodens gerechnet werden können, gewähren trotz eines Mindestmaßes an bundeseinheitlicher Regelung der Landesgesetzgebung noch ausreichenden Spielraum für teilstaatliche Eigentümlichkeiten. Da i m übrigen die weitere Problembewältigung i m wesentlichen eine vollzugspraktische Aufgabe ist, vermag der Bundesgesetzgeber ohnedies außer dem normativen Rahmen hierzu nichts beizutragen, so daß i h m i n der Tat die Rahmenkompetenz das Maß an Rechtsvollmachten einräumt, das er zur sachgerechten Problemlösung benötigt. Gegen dieses i m Ergebnis m i t der Weimarer Verfassungslage völlig kongruente Ergebnis könnte noch eingewendet werden, daß alle sonstigen als Ausdruck der Bodenreform bezeichneten Gesetzgebungsmaterien 1 7 8 , soweit sie i m Grundgesetz übernommen wurden, Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung geworden sind, und daß es keinen rechten Sinn gibt, die Bodenverteilung hiervon auszunehmen. Sicherlich belegt die Aufspaltung der sachlich zusammengehörigen Regelungsmaterien, wie wenig dem Verfassunggeber dieser Zusammenhang präsent war, doch glaubte er andererseits hierfür einen sachlichen Grund zu haben. Zwar hatte noch i n der neunten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses (7.10.1948) der Abgeordnete Dr. Strauß die Auffassung vertreten, daß Rahmenvorschriften für Bodenverteilung, Siedlungs- und Heimstättenwesen ausreichend sein würden, da dies auch Grundsatzgesetzgebung i n der Weimarer Verfassung gewesen sei 174 . I n der ersten 172 Das Ausmaß an gesetzgeberischer Gestaltungsbefugnis, das der Begriff der Rahmenvorschrift gibt, darf nicht zu begrenzt eingeschätzt werden. Wenn der B u n d berechtigt ist, allgemeine, leitende Rechtssätze, Richtlinien zu erlassen — so schon Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, A r t . 10 u n d 11, A n m . 1 u n d i h m folgend BVerfGE 4, 128 —, dann k a n n m i t dieser Befugnis der Kernbereich eines n o r m a t i v zu regelnden Komplexes v o l l erfaßt werden. So sind die Anforderungen des Begriffs „Rahmenvorschrift" gewahrt, w e n n der Bundesgesetzgeber einzelne abschließende Bestimmungen vorgesehen hat, w e n n n u r das Ganze durch die Landesgesetzgebung ausfüllungsfähig u n d ausfüllungsbedürftig bleibt. BVerfGE 4, 129; 25, 152. 173 Vgl. die Materien „Bodenrecht, Ansiedlungs- u n d Heimstättenwesen, Wohnungswesen" aus A r t . 10 Nr. 4 WRV. 174 Dazu Matz, A r t . 74, i n : v. Doemming / Füsslein / Matz, JöR N F 1, 1951, 537.
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Lesung i m Hauptausschuß (23.11.1948) wurden aber gegen die vom Zuständigkeitsausschuß vorgelegte Fassung Bedenken laut. Der Abgeordnete Zinn (SPD) war der Meinung, daß das Reichssiedlungsgesetz weit über Rahmenvorschriften hinausgehe und deshalb die seitherige Reichsregelung unter Umständen nicht aufrechterhalten werden könne, wenn die Abhängigkeit des Siedlungs- und Heimstättenwesens von Rahmenkompetenzvorschriften verfassungsgesetzlich festgeschrieben werde 1 7 5 . Diesen Bedenken glaubte man i m Ausschuß Rechnung tragen zu müssen, indem man aus dem früheren Rahmengesetzgebungsprogramm des A r t . 10 Nr. 4 WRV nun auch noch die Materien „Siedlungsund Heimstättenwesen" i n die konkurrierende Vollkompetenz des Bundes überführte 1 7 6 , so daß innerhalb des neu gefaßten A r t . 75 GG 1 7 7 die Materie „Bodenverteilung" als alleiniger Ausdruck bodenreformerischen Gedankengutes übrig blieb. Die damit zum Abschluß gelangte Entwicklung war für die Erkenntnis der Zusammenhänge zwischen A r t . 74 Nr. 18 GG und A r t . 75 Nr. 4 GG in hohem Maße hinderlich und hat maßgeblich dazu beigetragen, i h r Verständnis zu verdunkeln. Das vorliegend entwickelte Ergebnis, wonach dem Bund für Umverteilungsvorhaben an Grund und Boden eine Rahmengesetzgebungskompetenz zusteht, w i r d jedoch durch diese Entwicklung eher bestätigt als i n Zweifel gezogen. 3. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 G G
Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes folgen indessen nicht ausschließlich aus den A r t . 73—75 GG, da die dortigen Aufzählungen nicht abschließend sind 1 7 8 . Es ist infolge dessen nicht ausgeschlossen, daß sich noch eine weitere Kompetenz des Bundes zur Umverteilung von Grund und Boden an anderer Stelle beispielsweise i m Grundrechtekatalog des Grundgesetzes findet, da eine Reihe von Grundrechten i n Form von sog. Gesetzesvorbehalten 179 dem einfachen Gesetzgeber gestatten, i m W i r kungsbereich des Grundrechts Konkretisierungen und Einschränkungen anzuordnen. 175
Dazu die Nachweise bei Matz, A r t . 74, S. 538. Vollzogen i n der 30. Sitzung des Hauptausschusses am 6.1.1949; dazu Matz, A r t 74, S. 538. 177 Der interfraktionelle Fünferausschuß gliederte die Rahmenkompetenzen aus dem Katalog der Vorranggesetzgebung aus u n d stellte sie i n einem besonderen A r t i k e l 36 a, dem späteren A r t . 75, zusammen, dazu Matz, A r t . 74, S. 538 f. 178 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl., 1982, S. 96 ff.; Bullinger, Die Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung, D Ö V 1970, 761 ff., 797 ff. 179 Dazu eingehend Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 30,108 ff, 176
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II. Teil: Verfassungskonformität
Konkret stellt sich damit bei dem vorliegenden Sachzusammenhang die Frage, ob die i n A r t . 14 GG gewährleistete Eigentumsgarantie eine Ermächtigung zu einer entsprechenden Gesetzgebung des Bundes beinhaltet. A r t . 14 GG enthält i n seiner Gesamtheit keinen Gesetzesvorbehalt 1 8 0 , was aber nicht bedeutet, daß die Eigentumsgarantie schrankenlos wäre. Vielmehr ist es so, daß gerade die Eigentumsgarantie einen weiten Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber läßt 1 8 1 . Dies ergibt sich aus A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Ausformung des Eigentums i n seiner rechtlichen Bedeutung dem Gesetzgeber überträgt und aus A r t . 14 Abs. 2 GG, der dieser Ausformungsgesetzgebung als Maßstab und Richtschnur dient 1 8 2 . I m Zusammenwirken beider Vorschriften w i r d der i n A r t . 14 Abs. 2 niedergelegte Verfassungsauftrag der Sozialpflichtigkeit des Eigentums aktualisiert. Der weitreichende Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber schafft indessen nicht zugleich die Regelungskompetenz, sondern kann nur i m Rahmen anderweitig gegebener Normierungsbefugnisse realisiert werden 1 8 3 . Aus diesem Grunde kommt die Normenkombination der A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 und A r t . 14 Abs. 2 GG als Kompetenzgrundlage nicht i n Betracht. Jedoch, selbst wenn die Vorschriften kompetenzrechtlich relevant gewesen wären, hätten sie eine Umverteilung der Sache nach nicht zu rechtfertigen vermocht, da der den Norminhalt mitprägende Verfassungsauftrag 1 8 4 des A r t . 14 Abs. 2 GG solche Befugnisse nicht hergibt. A r t . 14 Abs. 2 GG zielt, wie sich aus seinem zweiten Satz eindeutig ergibt, auf den Eigentumsgebrauch, also auf die Eigentumsnutzung und setzt dam i t das Haben von Eigentum, auf das die Umverteilung verändernd einzuwirken beabsichtigt, voraus. A r t . 14 Abs. 2 GG entfaltet daher seine Wirkung i m Rahmen der vorgefundenen Eigentumsverteilung und strebt nicht deren Überwindung an, denn der Verfassunggeber hat nicht einmal i m Eigentumsgebrauch die Sozialpflichtigkeit der Privatnützigkeit vorgeordnet, wie die Formulierung „zugleich" i n A r t . 14 Abs. 2 180
So Kimminich, K o m m e n t a r zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 101, 110, 116; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 44, 71 ff. spricht v o n A r t . 14 Abs. 2 als einem Sozial-, oder Gemeinschaftsvorbehalt. Die Befugnis, das Eigentum rechtlich zu verändern, ergibt sich, worauf Leisner, S. 44, zutreffend hinweist, schon aus A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG. 181 So BVerfGE 21, 83; 25, 117; 50, 32 f. 182 Dazu Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, Festschrift f ü r Michaelis, 1972, 324. Daß es ausschließlich Sache des Gesetzgebers ist, das Ausmaß der Sozialgebundenheit des Eigentums zu bestimmen, hebt angesichts der Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes v o n 1976, Doehring, Verfassungsrechtliche Aspekte der Mitbestimmung, B B 1978, 269 zutreffend hervor. 183 A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG ist daher keine Kompetenzvorschrift; die K o m petenz zur Enteignung folgt allein aus A r t . 74 Nr. 14 GG. 184 So auch Kimminich, A r t . 14, Rdnr. 107; Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, 1975, S. 342.
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Satz 2 GG überzeugend belegt 185 . Damit kommt auch aus inhaltlichen Erwägungen die Verbindung von A r t . 14 Abs. 1 S. 2 GG und A r t . 14 Abs. 2 GG als Kompetenzgrundlage für die Umverteilung von Grund und Boden nicht i n Betracht. 4. Art. 14 Abs. 3 G G
Eine Ermächtigung zur Umverteilung von Grund und Boden kann sich auch nicht aus der Enteignungsvorschrift des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ergeben. Zwar w i r d m i t der Enteignung der Eingriff i n das verfassungsrechtlich garantierte Eigentum ermöglicht, doch der Anlaß, aus dem dies geschehen darf, ergibt sich nicht aus dieser Vorschrift. Die Enteignung ist somit nicht mehr als ein verfassungsrechtlich vorgesehenes Instrument zur Verwirklichung von Zwecken. Diese Zwecke trägt sie nicht i n sich, sondern t r i f f t über deren Charakter nur die Feststellung, daß sie i m öffentlichen Interesse 186 liegen müssen. Damit erweist sich die Enteignung als ein zweckakzessorisches Hechtsinstitut, dem die enteignungsrelevanten Zwecke aufgrund anderweitiger Regelung vorgegeben sein müssen. Die erwähnte anderweitige Regelung findet sich i m Grundgesetz i n A r t . 74 Nr. 14, der die generellen Anlässe bestimmt, aus denen heraus der Bundesgesetzgeber dann, sozusagen als zweiten Schritt, den Einsatz der Enteignung i n Erwägung ziehen darf, so daß unabhängig davon, ob die Enteignung inhaltlich für eine soziale U m verteilung dienstbar gemacht werden kann, bereits aus formellen Gründen die Kompetenzfrage zu verneinen ist. 5. Art. 15 G G
Auch bei der i m Grundrechtekatalog unmittelbar nach der Eigentumsgarantie aufgeführten Sozialisierungsvorschrift des A r t . 15 GG, iss Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 324 betont diesen Gesichtspunkt. 186 Dieser Begriff w i r d m i t dem v o n A r t . 14 genannten Begriff „ W o h l der Allgemeinheit" häufig synonym gebraucht; so Schnur, Gemeinwohl u n d öffentliche Interessen i n den Verfassungen u n d Gesetzen des sozialen Rechtsstaates, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, 1968, S. 62; Schulte, Eigentum u n d öffentliches Interesse, 1970, S. 85 ff.; Häberle, öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 37 f.; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 86 ff. Es herrscht jedoch weitgehend Einigkeit darüber, daß i m Zusammenhang m i t A r t . 14 diesen Begriffen eine spezifische Bedeut u n g zukommt, die dahingehend umschrieben w i r d , daß das i n einem k o n kreten Sachzweck enthaltene Gemeinwohl der Position des Eigentümers i m konkreten F a l l überlegen sein muß; vgl. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Kommentar zum GG, A r t . 14, Rdnr. 110; Kimminich, A r t . 14, Rdnr. 272; Ule, Allgemeines W o h l u n d öffentliche Interessen i n der Rechtsprechung der Verfassungs- u n d Verwaltungsgerichte, i n : Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, 1968, S. 130.
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II. Teil: Verfassungskonformität
deren Grundrechtecharakter als problematisch betrachtet wird 1 8 7 , bestehen Bedenken, ob sie i n formeller Hinsicht zur Gesetzgebung ermächtigt und i n materieller Hinsicht zu einer Bodenumverteilung zu legitimieren imstande ist. I m Gegensatz zu den oben behandelten Vorschriften des A r t . 14 GG ist die Sozialisierungsvorschrift aber nicht inhaltlich offen, denn sie nennt sowohl die Sozialisierungsgegenstände wie die anzustrebenden Zwecke abschließend. Dieser Umstand könnte zu der Annahme verleiten, i n A r t . 15 die Ermächtigungsgrundlage für die dort selbst angesprochene gesetzliche Regelung zu erblicken. Eine solche Annahme wäre indessen irrig, da sie unweigerlich m i t der Vorschrift des A r t . 74 Nr. 15 GG i n K o n f l i k t geraten muß, die die kompetenzrechtliche Seite von A r t . 15 bildet 1 8 8 und sie überdies den Zweck der i n A r t . 15 geforderten Gesetzesregelung verkennt. I m Hinblick auf A r t . 74 Nr. 15 GG kann nämlich nicht die Kompetenzbegründung, sondern allein der Verfassungsvollzug Zweck der i n A r t . 15 angesprochenen gesetzlichen Regelung sein, womit von Verfassungswegen klargestellt ist, daß es bei der Sozialisierungsvorschrift des Grundgesetzes keinen „unmittelbaren Verfassungsvollzug" 189 m i t dinglicher Automatik 1 9 0 gibt. Jedoch ist es nicht nur diese Sinngebung, die sicherstellt, daß A r t . 15 nicht als K o m petenzvorschrift anzusehen ist, sondern auch ihr oben bereits vorgestellter 1 9 1 materieller Bedeutungsinhalt, der sie für eine soziale Umverteilung von Grund und Boden untauglich macht. 6. Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG)
Läßt sonach die i n den Grundrechten reflektierte Rechtslage i n bezug auf den vorliegenden Problembereich die verfassungsrechtliche Zuständigkeitsverteilung unberührt, so stellt sich i m Zusammenhang damit abschließend die Frage, ob die tragenden Verfassungsgrundsätze an diesem Ergebnis etwas zu ändern vermögen. Zu den tragenden Verfassungsprinzipien zählen die i n Art. 20 GG niedergelegten Staatsziel187 E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., 1954, S. 149; Herbert Krüger, Sozialisierung, i n : Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 3, 1. Halbband, 1958, S. 313 ff.; Hamann/Lenz, Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 1970, A r t . 15, A Rdnr. 2, S. 300; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Kommentar zum GG, A r t . 15, Rdnr. 3; dem gegenüber zweifelnd H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 103. 188 A r t . 15 G G ermächtigt den Gesetzgeber, v o m M i t t e l der Sozialisierung unter bestimmten Umständen Gebrauch zu machen. E i n Verfassungsauftrag, etwa w i e bei A r t . 14 Abs. 2 GG, liegt h i e r i n aber nicht. Vgl. BVerfGE 12, 363 f. 189 Dazu Carl Schmitt, Rechtsstaatlicher Verfassungsvollzug, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. A u f l . 1973, S. 452 ff. 190 Kimminich, i n : K o m m e n t a r zum Bonner GG (Zweitbearbeitung), A r t . 15, Rdnr. 46 m. w . N. 191 Vgl. oben I. Teil, I I I . , 3.
1. Kap., I I I . Kompetenzlage unter dem GG
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b e s t i m m u n g e n . V o n diesen g e w i n n t i n erster L i n i e das S o z i a l s t a a t s p r i n z i p m a ß g e b l i c h e n E i n f l u ß a u f d i e v o r l i e g e n d e P r o b l e m a t i k . A n dieses r i c h t e n sich deshalb f o l g e n d e b e i d e n F r a g e n : H a t das S o z i a l s t a a t s p r i n z i p k o m p e t e n z i e l l e B e d e u t u n g f ü r d i e soziale U m v e r t e i l u n g v o n G r u n d u n d B o d e n u n d w e n n j a , f ü r w e n w i r k t es k o m p e t e n z b e g r ü n d e n d ? D i e erste d e r b e i d e n F r a g e n l ä ß t sich u n t e r z w e i A s p e k t e n b e t r a c h t e n : E i n e m g r u n d s ä t z l i c h e n A s p e k t , d e r danach f r a g t , ob das Sozialstaatsp r i n z i p ü b e r h a u p t k o m p e t e n z r e c h t l i c h r e l e v a n t sein k a n n 1 9 2 u n d e i n e m daraus a b g e l e i t e t e n z w e i t e n m e h r p r a k t i s c h o r i e n t i e r t e n , d e r sich d a m i t beschäftigt, w a s f ü r d i e soziale U m v e r t e i l u n g insbesondere d i e v o n G r u n d u n d Boden hieraus folgt. W a s n u n d e n e r s t e n d e r b e i d e n angesprochenen A s p e k t e a n b e l a n g t , so i s t seine sachgerechte B e h a n d l u n g a b h ä n g i g v o n d e r I n h a l t s b e s t i m m u n g des Sozialstaatsprinzips. V o n G e l t u n g s b e g i n n des Grundgesetzes a n b i s i n d i e G e g e n w a r t s t e l l t d i e I n h a l t s b e s t i m m u n g des Sozialstaatsp r i n z i p s e i n e n d e r a m m e i s t e n k o n t r o v e r s g e b l i e b e n e n Gegenstandsbereiche d a r 1 9 3 . T r o t z e i n e r V i e l z a h l wissenschaftlicher B e m ü h u n g e n 1 9 4 u n d e i n e r Rechtsprechung, d i e i n z u n e h m e n d e m M a ß e das Sozialstaatsprinzip f ü r die richterliche Rechtserkenntnis einsetzt195, ist lediglich i n 192 Das k a n n n u r dann angenommen werden, w e n n diesem Verfassungsprinzip ein normativer Gehalt zukommt. Z u m Spannungsverhältnis von P r i n zip u n d N o r m vgl. Herbert Krüger, Der Verfassungsgrundsatz, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 187 ff., 192 ff.; H. J. Wolff , Rechtsgrundsätze u n d verfassungsgestaltende Grundentscheidungen als Rechtsquellen, Gedächtnisschrift f ü r Walter Jellinek, 1955, S. 33 ff.; Scheuner, Staatszielbestimmungen, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 325 ff., 335 ff. 193 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1977, S. 685 ff.; ders., A r t . Sozialstaat, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., 1975, Sp. 2405 ff.; Starck, Gesetzgeber u n d Richter i m Sozialstaat, DVB1.1978, 937; Doehring, Sozialstaat, Rechtsstaat u n d freiheitlich-demokratische Grundordnung, 1978, S. 27 ff.; Young Huh, Rechtsstaatliche Grenzen der Sozialstaatlichkeit, Der Staat 18, 1979, 184 ff.; Zacher, Was können w i r über das Sozialstaatsprinzip wissen?, i n : Hamburg, Deutschland, Europa, Festschrift f ü r H. P. Ipsen, 1977, S. 207 ff.; ders., A r t . Sozialstaatsprinzip, H d W W 1977, S. 152 ff.; E. Menzel, Die Sozialstaatlichkeit als Verfassungsprinzip der Bundesrepublik, D Ö V 1972, 537 ff.; vgl. weiter die Veröffentlichungen bei Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit, 1968, sowie Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / H e r zog / Scholz, GG K o m m . A r t . 20, Rdnr. 166. 194 Vgl. dazu die Schrifttumsübersicht bei Stern, das Staatsrecht der B u n desrepublik Deutschland, S. 678 ff. u n d Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG K o m m . A r t . 20, S. 65 ff. 195 K.-A. Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als P r ü fungsmaßstab i m Normenkontrollverfahren, 1975; Rüfner, Das Sozialrecht i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, VSSR 2, 1974, 68 ff.; H. G. Schmidt, Das Sozialstaatsprinzip i n der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Bundesrepublik, Diss. Freiburg, 1971; J. Schneider, Der soziale Rechtsstaat u n d die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, B A r b B l . 1964, 729 ff.; Schreiber, Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes i n der Praxis der Rechtsprechung, 1972; Fritz Werner, Sozialstaatliche Tendenzen i n der Rechtsprechung, AöR 81, 1956, 84 ff.; Zacher, Das Sozialstaatsprinzip i n der
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II. Teil: Verfassungskonformität
einigen Grundfragen der Interpretation des Sozialstaatsprinzips Einvernehmen herzustellen gewesen. Dies kann nicht verwundern angesichts eines Begriffes, der sozial- und geistesgeschichtliche Komponenten so unterschiedlicher Provenienz auf Verfassungsebene zusammenfaßt 198 . Als für die normative Stärkung des Begriffes nicht gerade förderlich dürfte darüber hinaus die Tatsache anzusehen sein, daß der Verfassunggeber den Sozialstaatsgedanken i n A r t . 20 und A r t . 28 GG unter Vermeidung des Begriffes Sozialstaat i n einen so engen systematischen Zusammenhang m i t anderen, i m Laufe der neueren Verfassungsgeschichte bereits profilierten und konturierten Staatszielbestimmungen 197 gebracht hat, daß dadurch der Interpretation eine begriffliche Entfaltung des Sozialstaatsprinzips notwendig erschwert wurde 1 9 8 . Ungeachtet der soeben angesprochenen Schwierigkeiten und der Vielzahl der bei der Inhaltsbestimmung des Sozialstaatsprinzips noch offenen Fragen dürfte indessen die schmale aber gemeinsame Grundlage inhaltlicher Aussagen zur Beantwortung der i m vorliegenden Falle aufgeworfenen Kompetenzproblematik ausreichen. Wenn, worüber weitgehende Einigkeit herrscht, die Sozialstaatsklausel eine Ermächtigung, eine Berechtigung zu sozialgestaltender, leistender und gewährender Tätigkeit des Staates ist 1 9 9 , dann w i r d hiermit i n generalklauselartiger Weise eine Aufgabenbeschreibung vorgenommen, deren Beziehung zur verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung auf der Hand liegt. Wie jedoch das Verhältnis dieses ganz allgemein gefaßten Handlungsauftrages zur verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung beschaffen ist, Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, DVB1. 1972, 525 ff.; ders., Die Sozialstaatsklausel i n der Rechtsprechung des BGH, JR 1973, 227 ff.; ders., Die Sozialstaatsklausel i n der Rechtsprechung des B A G , A u R 1973, S. 33 ff. 196 Dazu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 686 f.; ders., A r t . Sozialstaat, Ev. Staatslexikon, 2. A u f l . 1975, Sp. 2403—2405; Zacher, Was können w i r über das Sozialstaatsprinzip wissen, S. 231 ff.; Hartwig, Sozialstaatspostulat u n d gesellschaftlicher status quo, 1970, S. 54 ff.; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, G G K o m m . A r t . 20, Rdnr. 150. 197 Der Begriff geht zurück auf H. P. Ipsen, Über das Grundgesetz, 1950, S. 14 ff.; ders., Das Grundgesetz i n seiner Vorläufigkeit, i n : Recht — Staat — Wirtschaft, Bd. 2, 1950, S. 182 ff.; vgl. dazu Contiades, Verfassungsgesetzliche Staatsstrukturbestimmungen, 1967, S. 74; Scheuner, Staatszielbestimmungen, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 325 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 411 ff. 198 Interpretatorische Anleihen können auch nicht bei den sozialen V e r heißungen des zweiten Hauptteils der Weimarer Verfassung genommen w e r den. Dazu Werner Weber, Verfassungsrechtliche Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, i n : Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, 1970, S. 253 f.; gleiches dürfte f ü r die sozialen Grundrechte i n der Europäischen Sozialcharta gelten. 199 Dazu Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaates, i n : ders. (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit, 1968, S. 186 f.; Bachof, Beg r i f f u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, i n : Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit, 1968, S. 204 f.; i n diesem Sinne auch BVerfGE 1, 105; 22, 204; 50, 108.
1. Kap., III. Kompetenzlage unter dem GG
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bleibt dabei noch völlig offen. U m die kompetenzrechtliche Wirkung der Sozialstaatsklausel richtig zu erfassen, ist es notwendig, sich ihrer Bedeutung als Verfassungsgrundsatz zu erinnern. I n dieser Eigenschaft durchdringt die Sozialstaatsklausel die gesamte Rechtsordnung 200 und gewinnt insofern eine kompetenzüberwindende Qualität als es gerade Zweck der Kompetenzen ist, Funktionsbereiche voneinander abzuschichten und als solche zu sichern, sei es nun i m Verhältnis von Staat und Gesellschaft und/oder i n einem bundesstaatlich verfaßten Gemeinwesen zwischen den Gliedstaaten und dem Gesamtstaat 201 . Das i n dieser Umschreibung zum Ausdruck kommende Spannungsverhältnis zwischen rechts- und bundesstaatlicher Sicherung und sozialstaatlicher Dynamisierung ist bei folgender Interpretation der Sozialstaatsklausel für die Kompetenzfrage fruchtbar zu machen: Die Sozialstaatsklausel enthält als Verfassungsprinzip die Aufforderung zu aktiver staatlicher Gestaltung der sozialen Wirklichkeit und w i r k t sonach kompetenzbegründend. Die sozialstaatliche Kompetenzbegründung reicht indessen nur soweit, wie es die anderen der Sozialstaatsklausel gleichwertigen Verfassungsprinzipien 2 0 2 und die Grundrechte 203 erlauben. Aus diesem Grunde kann der Staat m i t Hilfe der Sozialstaatsklausel der gesellschaftlichen Selbstregulierungsautonomie nur solche Aufgaben entziehen, deren Wahrnehmung ohne einen Eingriff i n grundrechtsgeschützte Positionen möglich ist 2 0 4 . Hierzu gehört der weite m i t dem Begriff der Daseinsvorsorge 200 Die Sozialstaatsklausel enthält aber auch eine Legitimation dafür, A u f gaben i n die staatliche Erledigung u n d damit i n den Bereich des öffentlichen Rechts zu übernehmen, die bisher dem gesellschaftlichen Bereich i n den F o r men des Privatrechts zur Regelung überlassen waren. D a m i t ist das Problem der Expansion des öffentlichen Bereichs aufgeworfen. 201 Die Folgen der weitreichenden Zuständigkeitsverlagerungen, die der egalitär-sozialstaatliche Druck bei der Kompetenzverteilung zwischen B u n d u n d Ländern b e w i r k t hat, sind m i t t l e r w e i l e erkannt, vgl. dazu Kisker, Neuordnung des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges u n d B u n d - L ä n d e r - P l a nung, Der Staat 14, 1975, 169 ff.; Heinze, Kooperativer Föderalismus u n d die U m b i l d u n g der Verfassung, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 119; zu den Korrekturbemühungen, die die Kompetenzverschiebung zugunsten des B u n des ausgelöst hat, vgl. Schlußbericht der Enquête-Kommission zur Verfassungsreform, Z u r Sache 2/77, Bd. I I , S. 45 ff. 202 Das gilt i n erster L i n i e f ü r das rechtsstaatliche Verfassungsprinzip; so auch Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaates, S. 191; Doehring, Sozialstaat, Rechtsstaat u n d freiheitlich-demokratische Grundordnung, 1978, S. 29. 203 So auch BVerfGE 52, 299. Sind die Grundrechte Ausdruck des sog. rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips, so grenzen sie die private Freiheitssphäre aus der staatlichen Eingriffsbefugnis aus u n d sind somit Schranken staatlicher Kompetenz; dazu Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. A u f l . 1965, S. 126 ff.; Forsthoff, Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, i n : ders., Rechtsstaat i m Wandel, 2. A u f l . 1976, S. 203 ff. 204 Die vorgenannten Schranken aber auch das Subsidiaritätsprinzip setzen der sozialstaatlichen Entfaltung Grenzen; dazu Isensee, Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht, 1968, S. 149 ff., 191 ff., 276; Doehring, Sozialstaat,
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II. Teil: Verfassungskonformität
umschriebene Bereich. I m übrigen hat es bei der Aufgabenverteilung i m Verhältnis von Staat und Gesellschaft so zu verbleiben, wie sie i n der Verfassung niedergelegt ist, wobei i n diesem Falle die Sozialstaatsklausel sich nur über die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte und eine sozialfreundliche Auslegung der Kompetenzvorschriften auszuwirken vermag. Ebensowenig wie die Sozialstaatsklausel i m Eingriffsbereich eine Veränderung des Verhältnisses von staatlichen zu den gesellschaftlichen Aufgaben zu bewirken vermag, kann sie dies bei der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, da anderenfalls die durch das Bundesstaatsprinzip gewährleistete Balance zwischen gesamt- und gliedstaatlicher Verantwortung beliebig verschoben werden könnte 2 0 5 . Wenn somit lediglich i m eingriffsfreien Bereich das Sozialstaatsprinzip kompetenzbegründend w i r k e n kann, bleibt insoweit die Abgrenzung zwischen bundes- oder gliedstaatlicher Zuständigkeit noch offen. Diese w i r d man i n analoger Anwendung der Regelungen zu finden haben, die die Verfassung i m Eingriffsbereich für die konkurrierende Gesetzgebung vorgesehen hat 2 0 6 , d. h. also nach Maßgabe der i n A r t . 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 GG genannten Fälle. Zieht man aufgrund der vorstehenden Thesen eine Bilanz, so stellt man fest, daß das Sozialstaatsprinzip als Handlungsvollmacht kompetenzbegründenden Charakter aufweist. Richtschnur der Kompetenzausübung ist die soziale Gerechtigkeit, die i n ihrer praktischen Bedeutung ein umfassendes Mandat zu staatlicher und sozialer Umverteilung darstellt, so daß die Auffassung vertreten wurde, die Sozialstaatsklausel beinhalte die institutionelle Garantie der sozialen Umverteilung 2 0 7 . Selbst wenn man geneigt ist, der Sozialstaatsklausel so weitgehende Bedeutung beizumessen 208 , w i r d damit nicht automatisch jede soziale Rechtsstaat u n d freiheitlich-demokratische Grundordnung, S. 28 f. m. w . N.; Gerstenmeier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab i m Normenkontrollverfahren, 1975, S. 71; Herzog, A r t . Subsidiaritätsprinzip, Ev. Staatslexikon, 2. A u f l . 1975, Sp. 2591—2597; vgl. auch die Sozialhilfeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 17, 38 (56). 205 Die Gleichwertigkeit der i n A r t . 20 Abs. 1 GG genannten Staatszielbestimmungen schließt eine solche Interpretation von vornherein aus; vgl. dazu auch Doehring, A l t e r n a t i v e n des Sozialstaats, i n : Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 78,1979, S. 137 ff. 208 Auch hier muß sich das Subsidiaritätsprinzip auswirken, das als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang besitzt; so auch Isensee, Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht, 1968, S. 270 ff., 316 f.; zweifelnd Herzog, A r t . Subsidiaritätsprinzip, Sp. 2593 f. 207 So Zacher, Z u r Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, D Ö V 1970, 8. 208 Hartwig, Sozialstaatspostulat u n d gesellschaftlicher status quo, S. 54 ff. e n t n i m m t dem Sozialstaatsprinzip zwei durch die praktische P o l i t i k realisierbare Sozialstaatsalternativen: Den demokratischen Sozialismus oder den sozialen Kapitalismus. Sozialstaatliche Handlungsprogramme nennt auch
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Umverteilung kompetenzrechtlich vom Sozialstaatsprinzip abgedeckt, da, worauf bereits hingewiesen wurde, die kompetenzbegründende Bedeutung der Sozialstaatsklausel sich auf den eingriffsfreien Bereich beschränkt. Als Folge davon ist den eingangs gestellten Fragen eine weitere hinzuzufügen, nämlich die, ob die soziale Umverteilung von Grund und Boden dem eingriffsfreien Bereich zuzurechnen ist. Dies ist unzweifelhaft nicht der Fall, denn die soziale Umverteilung von Grund und Boden setzt zwingend den Eingriff i n eigentumsgeschützte Verteilungspositionen voraus, da es gerade bei Rechtsgütern dieser A r t keine unverteilte Masse mehr gibt. Gehört sonach die Umverteilung von Grund und Boden zum Eingriffsbereich, so scheidet die Sozialstaatsklausel als kompetenzbegründende Vorschrift aus, und es hat bei der auf den Eingriffsbereich bezogenen verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilungsordnung sein Bewenden. 7. Die Wirtschaftsverfassung
Wie verhält sich die der Sozialstaatsklausel gegenüber abschließende verfassungsrechtliche Kompetenzverteilungsordnung i m Verhältnis zu einer i n der Verfassung eventuell getroffenen Gesamtentscheidung über die Wirtschaftsordnung? Sind möglicherweise hieraus für den vorliegenden Gegenstand zusätzliche Kompetenzen zu entnehmen und wenn ja, wem stehen diese zu? Eine A n t w o r t auf diese Fragen setzt voraus, daß Klarheit über den Begriff der Wirtschaftsverfassung hergestellt ist und das Grundgesetz daraufhin untersucht wird, ob und gegebenenfalls welche Wirtschaftsverfassung i n i h m angelegt ist. Bereits die begriffliche Erfassung der Wirtschaftsverfassung bereitet Schwierigkeiten, denn soweit der Begriff als solcher anerkannt ist 2 0 9 , Isensee, Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht, S. 194; zur kompetenzrechtlichen Bedeutung des Sozialstaatsprinzips vgl. Schacht Schneider, Das Sozialprinzip, 1974, S. 71 ff. 209 y g i dazu Franz Böhm, Die Bedeutung der Wirtschaftsordnung f ü r die politische Verfassung, SJZ 1946, 141 ff.; ders., Wirtschaftsordnung u n d Staatsverfassung, 1950; Raiser, Wirtschaftsverfassung als Rechtsproblem, Festgabe f ü r Julius v. Gierke, 1950, S. 181 ff.; G. Strickrodt, Die Idee der Wirtschaf tsverfassung als Gestaltungs- u n d Interpretationsprinzip, J Z 1957, 361 ff.; Nipperdey, Die Grundprinzipien der Wirtschaftsverfassung, D R Z 1950, 193 ff.; ders., Die soziale Marktwirtschaft i n der Verfassung der Bundesrepublik, 1954; ders., Soziale Marktwirtschaft u n d Grundgesetz, 3. A u f l . 1965, S. 39; Hablitzel, Wirtschaf tsverfassung u n d Grundgesetz, BayVB1.1981, 65 ff.; ablehnend gegenüber dem Begriff der Wirtschaf tsverfassung: Krüger, Staatsverfassung u n d Wirtschaftsverfassung, DVB1.1951, 361 ff.; Scheuner, Die staatliche E i n w i r k u n g auf die Wirtschaft, Einleitung, 1971, S. 21 ff.; Ehmke, Wirtschaft u n d Verfassung, 1961, S. 3 ff.; ders., „Staat" u n d „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, i n : Festgabe f ü r Rudolf Smend, 1962, S. 46; Wahl, Der Vorrang der Verfassung, Der Staat 20, 1981, 508 ff.; Scholz, Paritätische Mitbestimmung u n d Grundgesetz, 1974, S. 24 ff.; ders., Identitätsprobleme der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, N V w Z 1982, 337 f.; einen
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II. Teil: Verfassungskonformität
w i r d er i n unterschiedlichem Sprachgebrauch verwendet. Einmal w i r d darin i n Gegenüberstellung zu dem auf die politische Verfassung bezogenen dezisionistischen Verfassungsbegriff die Gesamtentscheidung über die Ordnung des Wirtschaftslebens eines Gemeinwesens verstanden 210 . Ungeachtet der gegen eine solche Begriffsbestimmung aus verfassungstheoretischer Sicht bereits eingewendeten Gesichtspunkte 211 , auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, läßt sich feststellen, daß eine dem Verfassungstext vorausliegende, der politischen Verfassung entsprechende Gesamtentscheidung über die wirtschaftspolitischen Ordnungsvorstellungen sich i m Grundgesetz nicht nachweisen läßt, da es eine dem A r t . 20 GG entsprechende Ordnungsvorschrift für das W i r t schaftsleben nicht gibt. Selbst wenn man i n Abweichung von diesem Bestimmungsversuch die begrifflichen Anforderungen verringert und als Wirtschaftsverfassung die Gesamtheit der öffentlich- und privatrechtlichen Normen bezeichnet, die die wesentlichen Vorschriften zur Regelung der wirtschaftlichen Ordnung enthalten 2 1 2 , bestehen letztendlich auch hiergegen durchgreifende Vorbehalte, denn die Erstreckung der Bezeichnung „Verfassung" auf Vorschriften des einfachen Gesetzesrechtes führt zu einer Verdunkelung der Bedeutung von Verfassungsnormen. Darüber hinaus bleibt zweifelhaft, i n welchem Rang und i n welcher Beziehung die einzelnen Bestandteile einer solchen „Verfassung" zueinander stehen sollen 2 1 3 . Den soeben erwähnten Nachteilen einer Begriffsbestimmung auf breiter normativer Grundlage entgeht ein auf die wirtschaftsrechtlich einschlägigen Verfassungsnormen reduzierter Definitionsversuch 214 . I h m haften jedoch Nachteile anderer A r t an, die insbesondere dann zum Vorschein kommen, wenn, was regelmäßig der Fall ist, die auf VerUberblick geben: E. R. Hub er, Der Streit u m das Wirtschaftsverfassungsrecht, D Ö V 1956, 97 ff., 135 ff., 172 ff., 200 ff.; H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, S. 98 ff.; Zacher, Aufgaben einer Theorie der Wirtschaftsverfassung, Festgabe f ü r Franz Böhm, 1965, S. 63 ff.; Badura, Grundprobleme des Wirtschaftsverfassungsrechts, JuS 1976, 205 ff.; Papier, Unternehmen u n d Unternehmer i n der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, W D S t R L 35, 1977, 71 ff., 74; Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, i n : Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 3, 1958, S. 1 ff. 210 So Euken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 7. A u f l . 1959, S. 93, 127 ff., 143 ff. 211 Dazu H. H. Klein, Fn. 209, S. 105 ff., 108 ff., 118 f.; sowie v o r allem Ehmke, Wirtschaft u n d Verfassung, 1961, S. 4 f., 39 f.; ders., „Staat" u n d „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, S. 41, 46; Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. A u f l . 1966, S. 578. 212 So E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Bd. 1, S. 21; Rinck, Wirtschaftsrecht, S. 19. 218 Vgl. Scheuner, Die staatliche E i n w i r k u n g auf die Wirtschaft, Einleitung, 1971, S. 22. 214 Zacher, Aufgaben einer Theorie der Wirtschaftsverfassung, S. 77 f.
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fassungsebene zusammengeführten Vorschriften wirtschaftsrechtlichen Einschlages keinem einheitlichen ordnungspolitischen Leitbild 2 1 5 folgen. Bei dieser Konstellation liegt die Versuchung nahe, durch Überbetonung einzelner, inhaltlich sich nahestehender Bestimmungen der Verfassung ein wirtschaftspolitisches System zu unterstellen und damit auf interpretativem Wege die vom Verfassungsgeber gerade unterlassene Gesamtentscheidung nachzuholen. Damit aber nicht genug, denn eine solche Gesamtschau von Verfassungsvorschriften, zu denen vornehmlich Grundrechte gehören, kann aus diesen die eine Wirtschaftsverfassung ausmachenden ordnungspolitischen Aussagen nur bei einer starken Hervorkehrung der institutionell-rechtlichen Bedeutung 216 der Grundrechte gewinnen. Die Wirtschaftsverfassung gerät somit i n Abhängigkeit von der jeweils verfolgten Grundrechtstheorie 217 bzw. Grundrechtsinterpretation 2 1 8 und w i r d damit i n begrifflicher Hinsicht i n gewisser Weise beliebig, so daß der Zweck jeder Begriffsbestimmung, nämlich Klarheit über den behandelten Gegenstand herbeizuführen, schon i m Ansatz verfehlt wird. I n Anbetracht dieser Tatsachen erscheint es angebracht, auf den Begriff der Wirtschaftsverfassung zu verzichten, wenn die verfassungsrechtliche Ausgangslage eine solche ist, daß von einer expliziten w i r t 215 Davon gehen aber die Vertreter des sog. Ordo-Liberalismus (Walter Eucken, Franz Böhm, W i l h e l m Röpke) aus. Vgl. dazu Scheuner, Die staatliche E i n w i r k u n g auf die Wirtschaft, 1971, Einleitung, S. 10 ff.; Röpke, Die L a u f bahn der sozialen Marktwirtschaft, Festgabe f ü r M ü l l e r - A r m a c k , 1961, S. 3 ff.; Müller-Armack, A r t . Soziale Marktwirtschaft, HDSW, Bd. 9, 1956, S. 391. 216 Z u r institutionellen Grundrechtsbetrachtung vgl. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, 1962, S. 70 ff.; ders., Grundrechte i m Leistungsstaat, V V D S t R L 30, 1972, 69 ff.; H. H. Rupp, V o m Wandel der G r u n d rechte, AöR 101, 1976, 161 ff., 172 ff.; vgl. auch Friesenhahn, Der Wandel dea Grundrechtsverständnisses, 50. DJT, G I f f . , 10 ff.; H. H. Klein, Die G r u n d rechte i m demokratischen Staat, 1972; Merten, Grundpflichten i m Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, BayVBl. 1978, 554 ff.; Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1529 ff., 1532. 217 Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, N J W 1976, 2089 ff., 2097 ff.; F. Müller, Die Positivität der Grundrechte, 1969; ders., Thesen zur Grundrechtsdogmatik, i n : Rechtsstaatliche Form, Demokratische Politik, 1977, S. 48 ff.; ders., Rechtsstaatliche Methodik u n d politische Rechtstheorie, i n : Rechtsstaatliche Form, Demokratische Politik, 1977, S. 271 ff., 278 f.; Häberle, Demokratische Verfassungstheorie i m Lichte des Möglichkeitsdenkens, i n : Verfassung als öffentlicher Prozeß, 1978, S. 17 ff.; ders., Verfassungstheorie ohne Naturrecht, i n : Verfassung als öffentlicher Prozeß, 1978, S. 93 ff., S. 95 m. w. N.; dazu Henke, Der fließende Staat, Der Staat 20, 1981, 580 ff. 218 Forsthoff, Z u r Problematik der Verfassungsauslegung, 1961; Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, W D S t R L 20, 1963, 55 ff.; Badura, A r t . Verfassung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl. 1975, Sp. 2717 f.; Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, N J W 1976, 2089 ff.; Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, i n : Verfassung als öffentlicher Prozeß, 1978, S. 155 ff.; ders., Verfassungsinterpretation u n d Verfassungsgebung, i n : Verfassung als öffentlicher Prozeß, 1978, S. 182 ff., 189 ff.
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II. Teil: Verfassungskonformität
schaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung abgesehen worden ist, bzw. i h r i m Wege der Gesamtschau kein eindeutiges ordnungspolitisches Leitbild entnommen werden kann. Wie, so ist nun zu fragen, sind i m Grundgesetz diese Probleme geregelt? Dem Verfassungstext kann hierzu entnommen werden, daß eine eindeutige wirtschaftsverfassungsrechtliche Dezision darin nicht enthalten ist 2 1 9 . Das Grundgesetz beinhaltet jedoch eine Reihe von Vorschriften von wirtschaftsrechtlicher und wirtschaftspolitischer Bedeutung. Ob diese aber i n ihrer Summierung Ausdruck eines einheitlichen i n sich widerspruchsfreien Systems sind 2 2 0 , erscheint fraglich, denn hierzu ist bereits der Normcharakter der relevanten Verfassungsvorschriften zu uneinheitlich. I m einzelnen handelt es sich u m die Grundrechtsbestimmungen der A r t . 2 Abs. 1, 9 Abs. 3 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 und 15 Satz 1 GG, die Staatszielbestimmung des Sozialstaates i n den A r t . 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Satz 1 sowie die Haushaltsvorschrift des A r t . 109 Abs. 2 GG. Abgesehen von der normativ unterschiedlichen Bedeutung der jeweils einschlägigen Vorschriften und ihrer Beziehungen untereinander sind diese, zumindest was den Grundrechtskomplex angeht, auch i n sich selbst von gegenläufigen, jedenfalls aber nicht spannungsfreien Tendenzen gekennzeichnet. Hingewiesen sei i n diesem Zusammenhang nur darauf, daß dort klassische Freiheitsrechte und staatliche Sozialisierungsbefugnis unvermittelt nebeneinander stehen, so daß sicherlich die normativen Vorbedingungen einer Wirtschaftsverfassung i n dem vorstehend gekennzeichneten Verständnis als nicht gerade ideal zu bezeichnen sind. Damit ist der Boden bereitet für eine Vielzahl von wirtschaftsverfassungsrechtlichen Ausdeutungsversuchen, deren Spektrum von einer bewußten ordnungspolitischen Nichtentscheidung 221 , über die Festlegung der sozialen Marktwirtschaft 2 2 2 , wirtschaftspolitische Neutralität 2 2 3 bis 219
Dies geht schon daraus hervor, daß bei den Staatszielbestimmungen wirtschaftsverfassungsrechtliche Festlegungen unterblieben sind; vgl. Scheuner, Staatszielbestimmungen, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 325 ff.; Z u r wirtschaftsverfassungsrechtlichen Nichtentscheidung siehe Krüger, Staatsverfassung u n d Wirtschaftsverfassung, DVB1. 1951, 361 ff.; zur „gemischten W i r t schafts Verfassung" vgl. E. R. Hub er, Der Streit u m das Wirtschaftsverfassungsrecht, D Ö V 1956, 97 ff., 135 ff., 172 ff., 200 ff.; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, B a n d 1, 1953, S. 30 f. 220 Gegen eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Offenheit des Grundgesetzes Isensee, Wirtschaftsdemokratie, Wirtschaftsgrundrechte, soziale Gewaltenteilung, Der Staat 17, 1978, 161 ff., 165 ff.; Herzog, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog/ Scholz, GG, Kommentar, A r t . 20, Rdnr. 207—209. 221 So Krüger, Staatsverfassung u n d WirtschaftsVerfassung, DVB1. 1951, 361 ff.; ders., Grundgesetz u n d Kartellgesetzgebung, 1950, S. 5 ff., 10 f. 222 Nipperdey, Die Grundprinzipien der Wirtschafts Verfassung, D R Z 1950, 193 ff.; ders., Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, B B 1951, 593 ff.; Nipperdey / Wiese, Freie Entfaltung der Persönlichkeit, i n : Die Grundrechte, Bd. 4, 2. Halbband, S. 741 ff., 826, 884, 908; Nipperdey ! Adomeit, Die Berufsfreiheit
1. Kap., III. Kompetenzlage unter dem GG
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h i n zu einer zentralen staatlichen Planwirtschaft 2 2 4 reicht. Es ist nicht Aufgabe dieser Untersuchung, zu den kontroversen ordnungspolitischen Modellen Stellung zu beziehen, denn ihre bloße Existenz indiziert, daß den einzelnen Festlegungen des Grundgesetzes zur Wirtschaftsordnung ein durchgängiges System, das als Wirtschaftsverfassung bezeichnet werden könnte, nicht zugrundeliegt. E i n solches ist auch nicht nachträglich durch Verfassungsänderungen, insbesondere durch das 15. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 8. 6.1967 225 und die dadurch bewirkte Änderung des A r t . 109 Abs. 2 GG i m Sinne einer Festlegung der staatlichen Wirtschafts-, Haushalts- und Fiskalpolitik auf die Komponenten des sog. magischen Viereckes, eingefügt worden 2 2 6 , so daß Versuche, dem Grundgesetz eine Wirtschaftsverfassung zu entnehmen, aufgegeben werden sollten 227 , da dieses lediglich einzelne Festlegungen zur Wirtschaftsordnung enthält. Dementsprechend bleibt die i m vorliegenden Zusammenhang interessierende Kompetenzfrage betreffend die Umverteilung von Grund und Boden von wirtschaftsverfassungsrechtlichen Einflüssen unberührt, da das geltende Verfassungsrecht eine Gesamtentscheidung über diesen Gegenstand weder explizit noch implizit enthält und den vorhandenen Teilaspekten keine kompetenzrechtliche Bedeutung zukommt. als ein Grundelement der sozialen Marktwirtschaft, B B 1966, 417 ff.; ähnlich w i e Nipperdey auch Isensee, Wirtschaftsdemokratie, Wirtschaftsgrundrechte, soziale Gewaltenteilung, Der Staat 17, 1978, 165 ff.; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG Kommentar, A r t . 20, Rdnr. 207—209. 223 E. R. Hub er, Der Streit u m das Wirtschaftsverfassungsrecht, D Ö V 1956, 97 ff., 135 ff., 172 ff., 200 ff.; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, S. 30 f.; Scheuner, Die staatliche E i n w i r k u n g auf die Wirtschaft, Einführung, S. 26 f.; ders., Die staatliche Intervention i m Bereich der Wirtschaft, W D S t R L 11, 1954, I f f . ; auch das B V e r f G hat die Vorstellung eines dem Grundgesetz zu entnehmenden wirtschaftsverfassungsrechtlichen Systems verworfen, vgl. dazu BVerfGE 4, 7 ff. (18); 7, 400; 12, 347; 25, 19 f.; 30, 262 f.; 39, 225; DVB1. 1979, 399 f., 401. 224 Abendroth, Die staatliche Intervention i m Bereich der Wirtschaft (Diskussionsbeitrag), W D S t R L 11, 1954, 140 ff.; ders., Z u m Begriff des demokratischen u n d sozialen Rechtsstaates i m Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, i n : Kempen (Hrsg.), Sozialstaatsprinzip u n d Wirtschaftsordnung, 1976, S. 78 ff.; Hartwich, Sozialstaatspostulat u n d gesellschaftlicher status quo, 1970, S. 292 f.; Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, 1975, S. 94 ff. 225 BGBl. I, 581. 226 Scheuner, Die staatliche E i n w i r k u n g auf die Wirtschaft, Einleitung, 1971, S. 19 ff.; Stern, Grundfragen der globalen Wirtschaftssteuerung, 1969, S. 2 f.; Vogel / Wiebel, Bonner Kommentar zum GG, A r t . 109, Rdnr. 83—96; Stern ! Münch, Gesetz zur Förderung der Stabilität u n d des Wachstums der W i r t schaft, 1967, S. 76ff.; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem GG, 1973, S. 250 ff.; 256. 227 Diesen neuerdings wieder von Isensee u n d Herzog (vgl. vorne Fn. 222) unternommenen Bemühungen ist das B V e r f G i n seiner Entscheidung zum Mitbestimmungsgesetz 1976 nicht gefolgt; es hat vielmehr an dem von i h m m i t der Investitionshilfeentscheidung eingenommenen Standpunkt festgehalten; vgl. B V e r f G DVB1. 1979, 401.
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II. Teil: Verfassungskonformität 8. Ergebnis der kompetenzrechtlichen Betrachtung
Als Ergebnis der kompetenzrechtlichen Durchmusterung des Verfassungstextes ist festzuhalten, daß eine soziale Umverteilung von Grund und Boden dem Bund nur aufgrund der Rahmenkompetenzvorschrift des A r t . 75 Nr. 4 GG gestattet ist. Wenn der Bund aber zu diesem Gegenstand lediglich Rahmenvorschriften erlassen darf, dann ist ihm, wie sich schon aus der Natur der Rahmengesetzgebung ergibt, die Einflußnahme auf den Vollzug seiner gesetzlichen Regelung und demgemäß auch auf die Bestimmung des vollzugsnotwendigen Instrumentariums nur i n einer Weise gestattet, daß noch Raum für landesrechtliche Konkretisierung verbleibt 2 2 8 . Dieser Grundsatz schließt indessen nicht aus, daß dem Bund i n Teilbereichen noch weitergehende Einschränkungen auferlegt sind, wie dies beispielsweise beim Einsatz der Enteignung als vollzugsnotwendigem Instrumentarium der Fall ist. Über sie darf der Bundesgesetzgeber nach A r t . 74 Nr. 14 GG nur auf Gebieten verfügen, auf denen i h m die Vollgesetzgebungszuständigkeit nach A r t . 73 oder A r t . 74 i. V. m. A r t . 72 Abs. 2 GG zusteht. Für die der Rahmenkompetenz unterworfenen Gesetzgebungsmaterien bedeutet dies, daß der Einsatz der Enteignung der Landesgesetzgebungskompetenz vorbehalten bleibt 2 2 9 . Dies hat zur Folge, daß der Bundesgesetzgeber überall dort gegen die verfassungsmäßige Kompetenzverteilungsordnung verstoßen hat, wo er für Zwecke der sozialen Umverteilung von Grund und Boden das Rechtsinstitut der Enteignung eingesetzt hat.
I V . Die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG als Mittel für die soziale Umverteilung von Grund und Boden Die fehlende Bundeszuständigkeit zur Verwendung der Enteignung als M i t t e l zur sozialen Umverteilung von Grund und Boden besagt noch nicht notwendig, daß dieses M i t t e l nun von den Bundesländern ohne weiteres zur Erreichung des gleichen Zweckes eingesetzt werden darf. Was jedoch aus diesem Ergebnis zwingend folgt, ist die Tatsache, daß nur die Länder zur Verwendung dieses Mittels berufen sind, sofern dieses von seinem institutionellen Zuschnitt her überhaupt zur V e r w i r k lichung des genannten Zweckes i n Betracht kommt. Ob dies der Fall ist, darüber soll die nachfolgende Prüfung Aufschluß geben.
228 Vgl. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, G G Kommentar, A r t . 75, Rdnr. 24. 229 BVerfGE 8, 119.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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1. Art. 155 Abs. 2 W R V und das Fehlen einer Entsprechung im Grundgesetz
Für die Tauglichkeit der Enteignung zur sozialen Umverteilung von Grund und Boden kann auf A r t . 155 Abs. 2 WRV als verfassungshistorisches Präjudiz verwiesen werden 2 8 0 . Dieses Präjudiz unterliegt jedoch einer durchaus ambivalenten Wertung. Die Aufnahme des A r t . 155 Abs. 2 WRV i n den Verfassungstext kann nicht nur als Beleg für die Eignung dieses Rechtsinstituts zur Erreichung von Umverteilungszwekken herangezogen werden, sondern sie ist auch i n dem Sinne ausdeutbar, daß es gerade des neugeschaffenen Instituts der Umverteilungsenteignung bedurft hat, weil die Enteignung nach ihrem überkommenen Verständnis nicht derartigen Zwecksetzungen gedient hat 2 3 1 . Soweit hiermit auf die spezielle Bedeutung von A r t . 155 Abs. 2 WRV gegenüber A r t . 153 WRV angespielt wird, hat dieses Argument sicherlich seine Berechtigung, denn für die Aufnahme der Vorschrift i n den Verfassungstext waren neben verfassungspolitischen 232 und vollzugspraktischen 233 Überlegungen i n einem nicht unbeträchtlichen Maße enteignungsdogmatische Erwägungen des Inhaltes maßgeblich, daß der Verfassungsgeber i m Hinblick auf die Besonderheit des verfolgten Zweckes die Aufnahme eines speziellen Enteignungstatbestandes für erforderlich ansah 234 . Die erstmalige Aufnahme einer Umverteilungsenteignung i n den Text der Weimarer Reichsverfassung legt somit die Schlußfolgerung nahe, daß das Rechtsinstitut der Enteignung zur Verwirklichung sozialer Umverteilung von Grundstücken sich zwar nicht ohne weiteres 230 Erman, A r t . 155, S. 285; Forsthoff, Zur Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 99 ff.; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A u f l . 1973, S. 335 f. 231 Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 323; ders., Eigentum u n d Enteignung, S. 381; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973, S. 335 m. w . N.; dagegen Frenzel, Das öffentliche I n t e r esse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, S. 163; der unter bestimmten Voraussetzungen auch Umverteilungen m i t Hilfe der Enteignung für zulässig hält. 232 F ü r den B u n d der deutschen Bodenreformer u n d die von i h m initiierte Siedlungs- u n d Heimstättenbewegung w a r die verfassungsrechtliche V e r ankerung eines Enteignungstatbestandes f ü r bodenreformatorische Zwecke ein verfassungspolitisches Postulat ersten Ranges; vgl. i m einzelnen Erman, A r t . 155, S. 296 ff. 233 Die rasche Umsetzung der Programmatik der Bodenreformer, von der maßgeblich der politische Erfolg bestimmt war, machte es notwendig, K o n zessionen institutioneller A r t zugunsten eines beschleunigten Enteignungsverfahrens vorzusehen. Aus diesem Grunde w u r d e i n A r t . 155 Abs. 2 W R V das Erfordernis „ z u m Wohle der Allgemeinheit" verfassungsgesetzlich festgelegt. Vgl. dazu Erman, A r t . 155, S. 302; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A u f l . 1933, S. 723. 234 Dazu die Abgeordneten Dr. Düringer, Hitze, Beyerle, Protokolle des Verfassungsausschusses der Nationalversammlung, A m t l . Ausgabe, S. 384 ff.; Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. Aufl. 1964, S. 339 ff., 358—361; Heilfron, Die deutsche Nationalversammlung 1919/20, Bd. 4, S. 587—596.
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II. Teil: Verfassungskonformität
eignet, daß wegen seiner inhaltlichen Offenheit es aber bei entsprechender verfassungsrechtlicher Normierung auch hierfür tauglich gemacht werden kann 2 3 6 . Unter diesen Voraussetzungen ist zur Klärung der entsprechenden Rechtslage unter dem Grundgesetz lediglich zu prüfen, ob hier die Enteignung i n Anlehnung an A r t . 155 Abs. 2 WRV oder i n anderer Weise ausgestaltet worden ist. Ohne einer näheren Prüfung vorzugreifen, fällt hierbei auf, daß die für die Umverteilungsenteignung unter der Weimarer Reichsverfassung maßgebliche Bestimmung des A r t . 155 Abs. 2 keine Entsprechung i m Grundgesetz gefunden hat. Welches sind die hierfür maßgeblichen Gründe? Das Fehlen einer einschlägigen Verfassungsvorschrift macht es unmöglich, i m Wege einer historischen Interpretation die Vorstellungen des Verfassungsgebers zu diesem speziellen enteignungsdogmatischen Problem aufzuhellen und die zu der i n den Verfassungstext aufgenommenen Enteignungsvorschrift vorhandenen Motive geben hierüber keinen Aufschluß 236 . Es gibt aber für das Fehlen einer dem A r t . 155 Abs. 2 WRV entsprechenden Vorschrift i m Grundgesetz nur zwei denkbare Erklärungen. Entweder es wurde bewußt von einer solchen Regelung abgesehen, oder aber sie wurde vergessen. Da sich die Deutungsmöglichkeiten gegenseitig ausschließen, soll nun die Frage behandelt werden, inwieweit eine bewußte Entscheidung für eine Nichtaufnahme i n Betracht kommt. Hierfür könnten folgende Überlegungen ausschlaggebend gewesen sein: Einmal könnte der Verfassunggeber des Grundgesetzes auf dem Standpunkt gestanden haben, daß bereits unter der Reichsverfassung eine Sondervorschrift wie der A r t . 155 Abs. 2 entbehrlich gewesen sei; zum anderen könnte die zwischenzeitlich eingetretene Entwicklung diesen Tatbestand entbehrlich gemacht haben und schließlich könnte die Meinung vorgeherrscht haben, daß die i m Grundgesetz enthaltene Enteignungsregelung für alle denkbaren Fallkonstellationen ausreichend sei. Der erste Erklärungsgrund mutet befremdlich an, denn wo leitet, so muß gefragt werden, der Verfassunggeber des Grundgesetzes sein Recht ab, sich besserwisserisch zum Zensor über i n der Weimarer Nationalversammlung getroffene Entscheidungen aufzuwerfen? Abgesehen davon, daß eine solche Befugnis keinem nachträglichen Betrachter a limine abgesprochen werden kann, gab es hierfür auch einen 235
D a m i t soll jedoch nicht behauptet werden, daß das Rechtsinstitut der Enteignung beliebig instrumentalisiert werden kann. Solange das Eigentum als Rechtsinstitut anerkannt ist, ergeben sich von daher auch f ü r die E n t eignung unverzichtbare Begriffsmerkmale; dazu Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 119 m. w . N.; vgl. hierzu auch BVerfGE 58, 330 ff. 236 v g L V t Doemming / Füsslein / Matz, JöR N F 1, 1950, 149 ff.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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sachlichen Grund. Wie bereits an früherer Stelle dargelegt 287 , stand die überwiegende Meinung des wissenschaftlichen Schrifttums unter der Weimarer Reichsverfassung auf dem Standpunkt, Art. 155 WRV sei ein Unterfall der Sozialisierungsvorschrift des Art. 156 WRV 2 8 8 , so wie dies von dem Abgeordneten Sinzheimer i n seiner Stellungnahme i n der Nationalversammlung zum Ausdruck gebracht worden war 2 3 9 . Diese überwiegende Auffassung i m staatsrechtlichen Schrifttum, die weder i n dem Wortlaut noch dem Sinn von A r t . 155 Abs. 2 WRV eine ausreichende Stütze findet und die eine Anzahl überzeugender Gegenstimmen hervorgerufen hat 2 4 0 , mag bei den Abgeordneten des Parlamentarischen Rates gleichgeartete Vorstellungen ausgelöst haben, so daß von diesem Standpunkt durchaus folgerichtig, sie die Aufnahme einer A r t . 155 WRV korrespondierenden Vorschrift für entbehrlich halten durften. Dafür sprach weiterhin, daß die unter der Reichsverfassung noch kontroverse Frage der Zugehörigkeit von Grund und Boden zu den sozialisierungsfähigen Gütern 2 4 1 unter dem Grundgesetz durch Erweiterung der sozialisierungsreifen Objekte 2 4 2 i n positivem Sinne entschieden worden ist. Diese den historischen Gesetzgeber des Grundgesetzes möglicherweise leitende, i n sich schlüssige Motivation, h i l f t indessen nicht darüber hinweg, daß diese Sicht objektiv unrichtig ist, da sie, wie zu zeigen ist, auf einer falschen Prämisse aufbaut. Das Grundgesetz enthält demnach i n bezug auf die transitorische Enteignung eine Regelungslücke, wenn es nicht noch sonstige Gesichtspunkte gibt, die das Fehlen einer entsprechenden Normierung zu erklären vermögen. Ein solcher Grund könnte i n der unter der Weimarer Reichsverfassung einsetzenden sog. Auflösung des Enteignungsbegriffes 243 gesehen wer237
Vgl. oben Fn. 112 u n d 113. So Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches, 14. Aufl., S. 722 f.; Giese, Die Verfassung des deutschen Reiches, 2. A u f l . 1920, S. 400; a. A . Erman, A r t . 155, S. 284 f. m. w . Ν . ; v. Freytagh-Loringhoven, Die Weimarer Verfassung, 1924, S. 366 ff. 239 Plenum Sten. Ber., S. 1749; vgl. auch den Hinweis auf Sinzheimer bei Erman, A r t . 155, S. 285. 240 So υ. Freytagh-Loringhoven, S. 367; A r t . 155, S. 284 f. 241 Erman, A r t . 155, S. 285 f.; Friedlaender, A r t . 156, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, 1930, S. 322 ff., 330 f. 242 Krüger, Sozialisierung, i n : Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 3, 1958, S. 267 ff., 302 ff.; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 15 (Zweitbearbeitung), Rdnr. 26—28; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / H e r zog/Scholz, G G - K o m m . A r t . 15, Rdnr. 11 u n d 12; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1954, S. 161 f. 243 Vgl. dazu den Aufsatz von Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffes, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 110 ff.; Kirchheimer, Die Grenzen der Enteignung, 1930, S. 51 ff.; zusammenfassend: Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 340—343 u n d Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, 1975, S. 270 ff. 238
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II. Teil: Verfassungskonformität
den. Hierdurch wurden die bis dahin bestehenden Vorstellungen von der Enteignung i n vielfältiger Weise verändert und i n neue Bahnen gelenkt. So wurde beispielsweise der Eigentumsbegriff, der bislang i n der gesamten Rechtsordnung als i m Sinne der i n § 903 BGB gegebenen Definition verstanden wurde, durch wissenschaftliche Veröffentlichungen 244 , denen die Rechtsprechung des Reichsgerichts gefolgt ist 2 4 5 , auf der Verfassungsebene erweitert, indem i n dessen Schutz die obligatorischen Rechte einbezogen wurden. Weitere entscheidende Veränderungen ergaben sich beim Eingriffsinstrumentarium, wo neben den traditionell hierzu gebrauchten Verwaltungsakt nun das Gesetz als unmittelbares Eingriffsmittel 2 4 6 trat. Schließlich fand die Auflösung des Enteignungsbegriffes auch i n der begrifflichen Systematik ihren Niederschlag. Ausgehend von dem durch den Verfassungstext des A r t . 153 Abs. 2 WRV geschaffenen Abgrenzungsproblem zwischen entschädigungspflichtiger Enteignung und entschädigungsfreier Sozialbindung 247 bildete sich vor allem i n der Rechtsprechung i n Gestalt der sog. Aufopferungsenteignung 2 4 8 ein neuer Begriff aus, der auf das traditionelle Merkmal der Überführung der Enteignungssache 249 verzichtete und hierauf auch ohne weiteres verzichten konnte, weil das die Entschädigungsfolge auslösende Moment nicht i n einer Beeinträchtigung der Rechtsinhaberschaft, sondern der ungehinderten Verfügungsmöglichkeit gesehen wurde. Bei all diesen Auflösungstendenzen, die von dem Bemühen getragen waren, m i t Hilfe der Entschädigungsgewährung den Eigentumsschutz zu verstärken 250 , darf aber nicht übersehen werden, daß an 244 Erstmals Martin Wolff , Reichsverfassung u n d Eigentum, Festgabe für W i l h e l m K a h l , 1923; i h m folgend Triepel, Goldbilanzenverordnung u n d V o r zugsaktien, 1924. 245 RGZ 102, 165; 103, 200; 105, 253; 109, 317; 111, 224, 227; 116, 272; 121, 168; 128, 171; 129, 148 f.; 136, 123; 137, 167; 139, 182. 246 RGZ 103, 200 ff.; 109, 317 f.; 111, 325 f.; 116, 272; 129, 149; 139, 182. 247 Dazu die von Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches, 14. Aufl. 1933, A r t . 163, S. 711 ff. entwickelte „Einzeleingriffstheorie", der sich die Rechtsprechung des Reichsgerichts, RGZ 111, 324 f.; 116, 268 ff.; 127, 281; 128, 171; 129, 149; 133, 125 f.; 136, 124; 137, 170 angeschlossen hat. I h r stand die „ Ü b e r eignungstheorie" M a r t i n Wolffs entgegen, der das R G zunächst gefolgt war, RGZ 107, 269 f.; 109, 318. Walter Jellinek, Eigentumsbegrenzung u n d Enteignung. Gutachten f ü r den 36. DJT, Bd. 1, 1930, S. 292 ff., vertrat i n Abweichung von Anschütz u n d Wolff die „Schutzwürdigkeitstheorie". Gegen Jellinek, Bertram, Das Fluchtlinienurteil des RG, Verw.Arch. 35, 1930, S. 411 ff. 248 Dazu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 339 f.; vgl. hierzu auch Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG Komm., A r t . 14, Rdnr. 73. 249 Hierauf bestehen Martin Wolff , Reichsverfassung u n d Eigentum, S. 5 u n d Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, S. 115 f.; vgl. auch Dürig, Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, J Z 1954, 4 ff. 250 Carl Schfnitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, S. 117 weist überzeugend auf die Gefahren hin, die sich aus einer weitgehenden Freistellung des Richters von der Gesetzesbindung ergeben.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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einem begriffswesentlichen Element, der Zweckorientierung der Enteignung, der Auflösungsprozeß halt machte, genauer gesagt, den von der Reichsverfassung textlich schon vollzogenen Auflösungserscheinungen 2 5 1 von Rechtsprechung und wissenschaftlichem Schrifttum keine weiteren hinzugefügt wurden. Gerade i n diesem Bereich hätte aber die Auflösungstendenz weiter fortschreiten müssen, damit dieser Gesichtspunkt eine tragfähige Grundlage für die Entscheidung hätte bilden können, i m Verfassungstext des Grundgesetzes, auf die Einfügung eines transitorischen Enteignungstatbestandes zu verzichten. Die Argumentation, wonach m i t Rücksicht auf die seit der Weimarer Reichsverfassung eingeleitete enteignungsrechtliche Entwicklung die Aufnahme eines transitorischen Enteignungstatbestandes habe unterbleiben können, erweist sich nach den vorstehenden Ausführungen als nicht stichhaltig. Wenn daher die Nichtaufnahme einer dem Art. 155 Abs. 2 WRV entsprechenden Vorschrift zur V e r w i r k lichung sozialer Umverteilung von Grund und Boden Ausdruck einer bewußten Entscheidung des Verfassungsgebers gewesen sein soll, dann ist erforderlich, daß die vorhandene verfassungsrechtliche Regelung zur Realisierung eines solchen Zweckes ausreicht. Ob dies der Fall ist, soll die nachfolgende eingehende Befassung m i t dem verfassungsrechtlichen Enteignungsbegriff ergeben. 2. Der Enteignungsbegriff des Art. 14 Abs. 3 G G
Die Analyse des verfassungsrechtlichen Enteignungsbegriffes sieht sich mehreren Schwierigkeiten zugleich gegenüber, die alle i n der tatbestandlichen Offenheit 252 des Begriffes ihre Ursache haben. Zwar ist von der Enteignung gemeinhin bekannt, daß sie einen Eingriff i n das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum darstellt, doch schafft ein solcher vulgarisierter Enteignungsbegriff 253 mehr Schwierigkeiten als er 251 Den i n der Rechtsprechung sichtbar werdenden Auflösungserscheinungen hat allerdings die Reichsverfassung v o m 11. 8.1919 kräftigen Vorschub geleistet. E i n m a l muß te die Relativierung der Eigentumsgarantie i n A r t . 153 Abs. 1 S. 2 u n d Abs. 3 W R V mittelbar auf die Enteignung zurückwirken u n d zum anderen brachte auch die Existenz von A r t . 155 Abs. 2 W R V keine begriffliche Klarstellung f ü r A r t . 153 Abs. 2 W R V m i t sich. 252 Kimminich, K o m m e n t a r zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 119; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 43 ff.; Schach, A r t . Enteignung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 552; S endler, Die Konkretisierung der modernen Eigentumsverfassung durch Richterspruch, D Ö V 1971, 16 ff.; zur Offenheit des Verfassungsrechts vgl. Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, V V D S t R L 20, 1963, 53 ff.; Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, J Z 1975, 297 ff.; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1529 ff. 253 Werner Weber, Z u r Problematik von Enteignung u n d Sozialisierung nach neuem Verfassungsrecht, N J W 1950, 401 f.; ders., Die Entschädigung i n der westdeutschen Bodenreform, D Ö V 1953, 353 ff.; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner GG, 2. Aufl., Bd. 1, S. 440.
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II. Teil: Verfassungskonformität
zu lösen h i l f t und entbindet nicht von einer Klarstellung der Probleme i m Detail. Bei einer solchen Betrachtung w i r d dann klar, bezüglich welcher Tatbestandsmerkmale der Enteignungsbegriff ausfüllungsbedürftig ist. Die Ausfüllungsbedürftigkeit bezieht sich einmal auf die Bestimmung des gegenständlichen Anwendungsbereichs der Enteignungsvorschrift, denn die Frage, was Eigentum ist, kann aus der Vorschrift selbst nicht beantwortet werden 2 5 4 . Schließlich besteht Konkretisierungsbedürftigkeit bei den Voraussetzungen des Enteignungseingriffes ebenso, wie bei der Inhaltsbestimmung des Eingriffes. Eine Systematisierung der offenen Tatbestandsmerkmale erlaubt eine Differenzierung einmal nach formal prozeduralen und zum anderen nach materialen Kriterien. a) Die formellen Bestandteile des Enteignungsbegriffes Z u den formellen, da i n einem förmlichen Rechtsetzungsverfahren zu bestimmenden Begriffsmerkmalen gehört das Eigentum als Objekt des staatlichen Eingriffs. Seine inhaltliche Präzisierung w i r d von A r t . 14 Abs. 3 GG vorausgesetzt, doch auch die insoweit angesprochene Vorschrift des A r t . 14 Abs. 1 GG vermag hierzu nicht allzuviel beizutragen, da sie das Eigentum als Rechtsinstitut gewährleistet und eine gegenständliche Sicherung 255 nur nach Maßgabe der i n der Rechtsordnung ausformulierten Eigentumsgarantie enthält. Nun bedeutet dies zwar nicht, daß der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz i n vollem Umfang zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stehe, doch ist diesem bis zu den von A r t . 19 Abs. 2 GG gezogenen Grenzen die inhaltliche Ausgestaltung erlaubt 2 5 6 . Aus der wechselseitigen Bezogenheit von Eigentum und Enteignung folgt, daß sich i m Enteignungsbegriff alle die Entwicklungen widerspiegeln, denen der Eigentumsbegriff unterliegt 2 5 7 . Erlebt 254 Vgl. BVerfGE 58, 335 f.; Bauschke / Kloepfer, Enteignung, enteignungsgleicher Eingriff, Aufopferung, N J W 1971, 1233; Krüger, Die Bestimmung des Eigentumsinhalts, Festschrift f ü r Friedrich Schack, 1966, S. 71 ff.; Kimminich, Kommentar zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 119; Badura, Gutachten 49. DJT, Bd. I I , 1972, T e i l T, S. 16; Maunz, Wandlungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, B a y V B l . 1981, 321 ff.; Scholz, Identitätsprobleme der v e r fassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, N V w Z 1982, 337; Sendler, Wer gefährdet w e n : Eigentum u n d Bestandsschutz den Umweltschutz — oder umgekehrt? U m w e l t - u n d Planungsrecht, 1983, 33 f.; Ossenbühl, Abschied v o m enteignungsgleichen Eingriff, N J W 1983, 2. 255 BVerfGE 14, 293 f.; 24, 389; 31, 239; 42, 77; 50, 339 f.; 52, 1; 58, 300. Z u r Rechtsstellungsgarantie des Eigentums vgl. Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 361 ff. 25β BVerfGE 31, 293; 37, 140; 42, 294; 50, 340 f.; vgl. auch Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, 1975, S. 79 ff. Z u r menschenrechtlichen Substanz eines i n seinem Wesensgehalt geschützten Eigentums vgl. Klaus Dicke, Z u r Begründung eines Menschenrechts auf Eigentum, EuGRZ 1982, 361 ff.; Schwartländer / Willoweit, Das Recht des Menschen auf Eigentum, 1982, S. 129 ff.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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er eine Phase der Ausweitung seines Schutzbereichs, wie dies beispielsweise während der oben angesprochenen „Auflösung des Enteignungsbegriffes" der Fall war, so wächst damit zwangsläufig die Notwendigkeit des Enteignungseingriffes, ebenso wie i n einer Phase reduzierten Eigentumsschutzes die Eingriffshäufigkeit rückläufig sein kann, da dort, wo der Eigentumsschutz aufhört, ein Enteignungseingriff begrifflich ausgeschlossen ist. Angesichts dieses Zusammenhanges stellt sich die Frage, ob der Verfassunggeber möglicherweise deshalb auf eine dem A r t . 155 Abs. 2 WRV entsprechende Vorschrift i m Verfassungstext verzichtet hat, w e i l er den Grund und Boden unter einen minderen Schutz 258 stellen wollte. Immerhin könnte eine solche Entscheidung auf Parallelen aus der Zeit des 19. Jahrhunderts verweisen, als, m i t Rücksicht auf die erhöhte Bedarfssituation, dem Grund und Boden ebenfalls ein nur minderer Schutz zuteil wurde. Setzt man hierzu die vom Verfassungsgeber des Grundgesetzes nach verlorenem Krieg und Vertreibung vorgefundene tatsächliche Situation i n Beziehung, so ist insoweit von einer i n noch ungleich höherem Maße vorhandenen Bedarfslage auszugehen 259 . Gleichwohl hat der Parlamentarische Rat den an sich naheliegenden Weg einer Reduzierung des Eigentumsschutzes nicht beschritten. Er hat vielmehr den Eigentumsschutz umfassend wiederhergestellt und gemessen an dem Vorbild des A r t . 153 WRV sogar noch i n seiner Intensität gesteigert, wofür Junktimklausel und Verbot jedes Entschädigungsausschusses Zeugnis ablegen 260 . Die hiergegen bisweilen vorgebrachten Hinweise auf die verstärkte Sozialpflichtigkeit und den erweiterten Katalog sozialisierungsreifer 257 BVerfGE 24, 367 ff.; 28, 119 ff.; 38, 181; 50, 340; 52, 29; 58, 335; Erwin Stein, Z u r Wandlung des Eigentumsbegriffs, Festschrift f ü r Gebhard Müller, 1970, S. 530 ff.; Sendler, Der Wandel der Auffassung v o m Eigentum, D Ö V 1974, 73 ff.; ders., Wer gefährdet w e n : Eigentum u n d Bestandsschutz den U m weltschutz — oder umgekehrt? U m w e l t - u n d Planungsrecht, 1983, 33 f.; Kimminich, Verfassungsrechtliche Probleme der Reform des Baubodenrechts, Festschrift f ü r Frh. v o n der Heydte, 1977, S. 939; Rengeling, Das Grundeigent u m als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie u n d als Gegenstand v e r w a l tungsrechtlicher Planung, Gestaltung u n d Schrankensetzung, AöR 105, 1980, 433 ff.; Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 1980; Maunz, Wandlungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, B a y V B l . 1981, 322. 258 Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, Festgabe f ü r Theodor Maunz, 1971, S. 89. 259 Vgl. dazu die eindringliche Formulierung, m i t der ff. P. Ipsen, W D S t R L 10, 1952, 74, sein Referat auf der Göttinger Staatsrechtslehrertagung 1951 eröffnete. 260 ff. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 77, 82; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 334; Rittstieg, Eigent u m als Verfassungsproblem, 1975, S. 286 ff.; Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, 1975, S. 109 ff.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Rechtsgüter 261 — auch auf Grund und Boden — i n A r t . 15 GG vermögen diese Schlußfolgerung nicht zu widerlegen, denn auch die Sozialisierung unterliegt der Entschädigungspflicht und die Sozialpflichtigkeit des A r t . 14 Abs. 2 GG zielt nicht so sehr auf die Inhaltsbestimmung als auf die aus dem Eigentum fließenden Nutzungsbefugnisse. Eine derartige Betrachtungsweise w i r d auch einer grundlegenden verfassungspolitischen Intention des Parlamentarischen Rates nicht gerecht, nämlich dem Willen auf Wiederherstellung wahrhaft konstitutioneller Verhältnisse 262 m i t umfassendem Grundrechtsschutz. Dieser Tendenz hätte offenkundig eine Regelung widersprochen, die Rechtsgüter, welche bislang unangefochten zum Kernbestand der Eigentumsgarantie gezählt wurden, nun einer minderen Schutzposition zuweist. Nach alledem ist davon auszugehen, daß der Verfassunggeber den Grund und Boden nach wie vor zum Kernbestand der Eigentumsgarantie rechnete, m i t der Folge, daß seine Inanspruchnahme nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG möglich ist 2 6 3 . Ob i m Rahmen der sonstigen Enteignungsvoraussetzungen dem Problem der sozialen Umverteilung von Grund und Boden Rechnung getragen werden kann, soll nun anhand des weiteren formal bestimmten Begriffsmerkmals, dem Eingriff, untersucht werden. Da weder über dessen Begriffsinhalt noch über den von i h m herbeizuführenden Rechtserfolg Einmütigkeit besteht, ergeben sich i n doppelter Hinsicht Schwierigkeiten. I n bezug auf den Begriffsinhalt besteht sie darin, daß man unter einem Eingriff einmal ein wissentlich und willentlich gegen Vermögenswerte Rechte einzelner gerichtetes Handeln versteht 264 , zum anderen hierin nicht mehr als eine Leerformel sieht, deren Aufgabe sich i n der Erreichung eines bestimmten Zwecks erschöpft 205 . Zwischen diesen beiden extremen Positionen zum Verständnis des Eingriffsbegriffes liegt die gesamte Entwicklung, die mit dem Schlagwort „Auflösung des Enteignungsbegriffes" umschrieben w i r d und die die Herstellung eines umfassenden Vermögensschutzes gegenüber jedem hoheitlichen staatlichen Handeln bezweckte. So begrüßenswert diese Tendenz an sich ist, so w i r d eine Gesamtwürdigung 261 Ridder, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 136 ff.; ders., Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, 1975, S. 100 ff. 262 H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, S. 82; Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, Festschrift f ü r Michaelis, 1972, S. 320; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 8. 263 Dazu Kimminich, A r t . 14, Rdnr. 119. 264 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 359; Gronefeld, Preisgabe u n d Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, 1972, S. 13 m. w. N. 2β5 v g l Bauschke / Kloepfer, Enteignung, enteignungsgleicher Eingriff, A u f opferung, N J W 1971, 1234 f.; Heinz Wagner, Eingriff u n d unmittelbare E i n w i r k u n g i m öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrecht, N J W 1966, 569 f.; Gronefeld, Preisgabe u n d Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, 1972, S. 15, 36 ff. m. w. N.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
173
nicht an der Tatsache vorbeikommen, daß damit ein wesentliches Merkmal zur begrifflichen Konturierung der Enteignung preisgegeben wird 2 6 6 . N i m m t man noch hinzu, daß auch i n bezug auf die Wirkung des Eingriffs nicht mehr als gesichert angesehen werden kann, daß dieser sowohl den Rechtsverlust wie den Rechtsgewinn herbeizuführen habe 267 , dann w i r d die volle Tragweite der unterschiedlichen Positionen deutlich. Zwar gelingt es dem weiten, lediglich noch den Rechtsverlust als konstitutiv behandelnden Enteignungsbegriff, die Einheitlichkeit des Enteignungsbegriffes zu wahren, da m i t dieser weiten Formel auch die Fälle unzumutbar schwerer Eigentumsbeschränkung erfaßt werden können. Der Preis, m i t dem dieser Erfolg bezahlt wird, ist indessen so hoch zu veranschlagen, daß fraglich erscheint, ob nicht der dadurch für das Institut erreichte Vorteil von den i n Kauf zu nehmenden Nachteilen überboten wird. Andererseits w i r f t auch der eng gefaßte Eingriffsbegriff seine Probleme auf. Er eignet sich nicht für die Vielzahl der Fälle unzumutbar schwerer Eigentumsbeeinträchtigung, die sich i n anderer Weise als durch Entzug der Eigentumssubstanz präsentieren und für die deshalb ein selbständiger Begriff, die sog. Aufopferungsenteignung 268 , gebildet worden ist. Ohne nun i m einzelnen Vor- und Nachteile des dualistischen bzw. des einheitlichen Enteignungsbegriffes abschließend gegenüberstellen zu wollen, darf als kleinster gemeinschaftlicher Nenner beider Begriffe i m Falle des V o l l rechtsentzuges, insbesondere bei der Grundstücksenteignung, nicht darauf verzichtet werden, daß durch den Eingriff Rechtsverlust und Neubegründung zwar zeitlich versetzt, aber doch i n einem einheitlichen Verfahren, d. h. unmittelbar 2 6 9 herbeigeführt werden. Beide Elemente gehören zusammen und sind auch traditionell immer als zusammengehörig behandelt worden 2 7 0 . Die Auflösung dieses Zusammenhanges rückt deshalb, zumindest was die formalen Begriffskriterien angeht, die Enteignung i n eine die Unterscheidung kaum mehr erlaubende Nähe 2ββ v g l Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., Vorwort. Gegegenüber der Formalisierung von Begriffen w i r d immer wieder eingewandt, sie vermehre die Gefahr des Entgleitens der Regelungsmöglichkeit i n jenen Konfliktfällen, f ü r die sie ursprünglich geschaffen w u r d e ; dazu Heller, Staatslehre, 4. Aufl., S. 257; Lerche, Stil, Methode, Ansicht, DVB1. 1961, S. 690 ff.; desgleichen w i r d betont, daß starre formale Begriffe die Gefahr des Formenmißbrauchs, der Formenvertauschung u n d Formenflucht erhöhen; dazu Gronefeld, S. 33 m. w . N. 267
So aber Dürig, Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, J Z 1954, 4 ff. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 339; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 350 f., 371; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 120; Zweifel am praktischen Wert dieses Begriffes hat Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG Komm., A r t . 14, Rdnr. 73. 269 Z u r Unmittelbarkeit als Ersatzmerkmal f ü r F i n a l i t ä t vgl. Gronefeld, S. 98 ff. auch m i t Hinweisen auf K r i t i k u n d Rechtsprechung. 270 Vgl. BVerfGE 38, 179. 268
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II. Teil: Verfassungskonformität
zu allen sonstigen einen Vollrechtsentzug voraussetzenden hoheitlichen Eingriffsformen 271 . Eine diesen Zusammenhang nicht berücksichtigende Interpretation gerät daher m i t der ausgeprägten rechtsstaatlichen Tendenz des Grundgesetzes i n Widerspruch 272 , der ein vulgarisierter Enteignungsbegriff sicherlich entgegensteht. Wenn aber i n den angesprochenen Fällen des Vollrechtsentzuges die Essentialia des Eingriffsbegriffes beachtet werden, dann dürfte die weitere Verengung des Begriffes mit Hilfe des Finalitätsmerkmals verzichtbar sein, denn die hierdurch sicherlich erreichbare erhöhte begriffliche Stringenz geht i n vollem Umfang auf Kosten des Vermögensschutzes, der nur m i t Hilfe neuer Rechtsinstitute 273 gewährleistet werden kann. Welche Folgerungen sind aus diesen Erkenntnissen über den Eingriffsbegriff für das Problem der sozialen Umverteilung zu ziehen? Zunächst die, daß auch bei der sozialen Umverteilung der Eingriffsbegriff eine bedeutsame Rolle spielt, w e i l auch hier ein Entzug des Vollrechts notwendig wird. Fraglich erscheint aber, ob der i m Rahmen der sozialen Umverteilung erforderliche Eingriffsbegriff die gleichen Leistungen zu erbringen hat, wie der der Enteignung und damit m i t diesem identisch ist. Deckungsgleich sind die Begriffe insoweit, als es u m die Herbeiführung des Rechtsverlustes geht. I n bezug auf diese Teilfunktion des Eingriffsbegriffs besteht somit Identität. Vom Standpunkt der hier ausdrücklich abgelehnten Meinung, wonach begriffswesentlich nur die Gewährleistung des Rechtsverlustes sei, liegt sogar volle Identität vor. Gehört dagegen auch die Herbeiführung eines Rechtsgewinnes i n der Hand eines bestimmten Rechtsträgers zu den konstitutiven Merkmalen des Eingriffsbegriffes, so vermag i m Falle der Enteignung der Begriff diese Aufgabe ohne weiteres zu erfüllen 2 7 4 . I m Falle der sozialen Umverteilung stellt sich die Gewährleistung der begrifflichen Doppelfunktion des Eingriffs allenfalls als theoretische Möglichkeit dar, praktisch ist sie so gut wie ausgeschlossen. Dies liegt einmal daran, daß der 271 Vgl. die oben i m I. Teil, I I I . dargestellten Formen hoheitlicher I n a n spruchnahme von G r u n d u n d Boden. 272 Dazu Werner Weber, Der deutsche Bürger u n d sein Staat, Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, 3. A u f l . 1970, S. 339 f.; Scheuner, Die Garantie des Eigentums i n den Grundrechten, Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 796. 273 Dazu gehört das Rechtsinstiut der öffentlich-rechtlichen Gefährdungshaftung, das Ernst Forsthoff i n den öffentlich-rechtlichen Sprachgebrauch eingeführt hat; dazu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 359 ff., sowie das V o r w o r t zur 10. Auflage; vgl. auch Rüfner, i n : Erichsen/ Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 455; die Rechtsprechung, aber a u d i das überwiegende Schrifttum sind dem nicht gefolgt, vgl. Β GHZ 54, 336 f.; 55, 232 f.; BGHVersR 1972, 43; Jaenicke / Leisner, Gefährdungshaftung i m öffentlichen Recht, W D S t R L 20, 1963, S. 135 ff. 274 Dazu BVerfGE 38, 179.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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Eingriff zum Zwecke der Umverteilung aus der Natur der Sache auf einen massenhaften Hechtsentzug zugeschnitten ist. Zum anderen scheitert die vom Begriff zu leistende individuelle Hechtszuweisung innerhalb eines einheitlichen Verfahrensablaufs daran, daß die Person, der das Enteignungsobjekt endgültig zugeordnet werden soll, i m Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs grundsätzlich noch nicht individualisierbar ist. Ausschlaggebende Bedeutung kommt schließlich der Tatsache zu, daß das den Eingriff bildende Verfahren akzessorisch zu den das Rechtsinstitut steuernden Zwecken ist und deren Erreichung die Zusammenziehung von Entzug und Überweisung zu einem einheitlichen Verfahren ausschließt. Der doppelfunktionale Eingriffsbegriff, der grundsätzlich das Enteignungsverfahren kennzeichnet, erweist sich somit i m Falle der Umverteilungsenteignung als nicht sachgerecht. Er stößt hier an institutionelle Grenzen. Dies hat dazu geführt, daß die personale Neuzuweisung des entzogenen Rechts einem gesonderten Verfahren i m Anschluß an den Eingriff vorbehalten bleiben muß. Nachdem sich der zur Verwirklichung der sozialen Umverteilung dienende Eingriffsbegriff strukturell von dem unterscheidet, der den bekannten Erscheinungsformen des Enteignungsinstitutes zugrunde liegt und die Regelung des A r t . 14 Abs. 3 GG erkennbar an diesen Vorbildern orientiert ist, ergibt sich für die verfassungsrechtliche Beurteilung folgende Schlußfolgerung: Das geltende Verfassungsrecht entbindet auch unter dem Aspekt des Eingriffsbegriffes nicht davon, den entsprechenden begrifflichen Besonderheiten der Umverteilungsenteignung durch Aufnahme einer ausdrücklichen Ermächtigung i m Verfassungstext gerecht zu werden 2 7 5 . b) Die materiellen
Bestandteile des Enteignungsbegriffes
Nachdem die Analyse der formellen Bestandteile des Enteignungsbegriffes ergeben hat, daß diese ausschließlich auf die mit diesem Institut verfolgbaren Bedürfnisse und Zwecke ausgerichtet und diesen untergeordnet sind, bleibt aus dem institutionellen Zusammenhang von A r t . 14 Abs. 3 GG weiter zu klären, ob die materiellen Elemente der Enteignung diese Vorergebnisse bestätigen. I n diesem Falle müßte davon ausgegangen werden, daß das Grundgesetz jedenfalls i n A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 kein verfassungsrechtlich zulässiges M i t t e l zur sozialen Umverteilung von Grund und Boden bereithält. Der materielle Bestandteil der Enteignungsvorschrift, der i m Gegensatz zu den formellen Bestandteilen nicht zu den Merkmalen des Ent275 A u f diese Tatsache weist auch Werner Weber hin, w e n n er wiederholt die Untauglichkeit der Enteignungsvorschrift zur V e r w i r k l i c h u n g der sozialen Umverteilung hervorhebt; vgl. ders., Eigentum u n d Enteignung, S. 357; ders., Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 323; ders., Die Entschädigung i n der westdeutschen Bodenreform, D Ö V 1953, 354.
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I I . Teil: Verfassungskonformität
eignungsbegriffes z ä h l t , s o n d e r n eine Z u l ä s s i g k e i t s v o r a u s s e t z u n g d e r E n t e i g n u n g d a r s t e l l t 2 7 8 , besteht aus d e n d e m W o h l d e r A l l g e m e i n h e i t 2 7 7 entsprechenden Zwecksetzungen. D i e z u r P r ä z i s i e r u n g d e r s t a t t h a f t e n Enteignungszwecke gebrauchte begrifflich w e i t e F o r m e l r ä u m t den m i t d e r E n t e i g n u n g b e f a ß t e n s t a a t l i c h e n I n s t a n z e n E r m e s s e n 2 7 8 d a r ü b e r ein, w i e u n d u n t e r w e l c h e n V o r a u s s e t z u n g e n der Gegensatz zwischen p r i v a t e m V e r m ö g e n s r e c h t u n d ö f f e n t l i c h e r B e d a r f s l a g e aufgelöst w e r d e n k a n n . E i n e solche K o l l i s i o n s e n t s c h e i d u n g k a n n s e l b s t v e r s t ä n d l i c h n i c h t f ü r a l l e Z e i t e n u n d f ü r a l l e F ä l l e g l e i c h a u s f a l l e n 2 7 9 , da s o w o h l d e r soziale S t e l l e n w e r t des E i g e n t u m s w i e die ö f f e n t l i c h e n B e d a r f s s i t u a t i o n e n v o n e i n e r V i e l z a h l v o n F a k t o r e n a b h ä n g i g s i n d u n d deshalb n o t w e n d i g Schwankungen unterliegen, die durch den B e g r i f f „ W o h l der A l l g e m e i n h e i t " a u f g e f a n g e n w e r d e n k ö n n e n 2 8 0 . A u s dieser f ü r das E n t 276
Dazu Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, S. 22 ff.; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 267, 276; Bauschke / Kloepfer, Enteignung, enteignungsgleicher Eingriff, A u f opferung, N J W 1971, 1233. 277 Stolleis, A r t . Gemeinwohl, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 802—804; Häberle, öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970; ders., Besprechung von Stolleis, Gemeinwohlformeln i m nationalsozialistischen Recht, AöR 101, 1976, 292 ff.; Martens, ö f f e n t l i c h als Rechtsbegriff, 1969; Steiger, Z u r E n t scheidung kollidierender öffentlicher Interessen bei der politischen Planung als rechtlichem Problem, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, 1973, S. 385 ff.; W. Schmidt, Organisierte E i n w i r k u n g auf die Verwaltung, W D S t R L 33, 1975, 194 ff.; W o h l der Allgemeinheit u n d öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, 1968; von Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, Diss, jur., M a r b u r g 1967; von Arnim, Gemeinwohl u n d Gruppeninteressen, 1977; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 267; Badura, Die Tarifautonomie i m Spannungsfeld von Gemeinwohlerfordernissen u n d kollektiver Interessenwahrung, AöR 104, 1979, 246 ff., 252 ff. 278 B V e r w G E 2, 35; 3, 332; 4, 187; Maunz, in: Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, K o m m , zum GG, A r t . 14, Rdnr. 110; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 267, 259; für volle Überprüfbarkeit des Begriffs „ W o h l der A l l gemeinheit" Hamann ! Lenz, K o m m , zum GG, 3. Aufl. 1970, S. 295 m. w . N.; auch E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. A u f l . 1954, S. 54. 279 BVerfGE 42, 64 ff.; 46, 325 ff.; 31, 240; 21, 83; 20, 355 f.; 18, 132; 14, 227 f.; D Ö V 79, 129; J Z 1979, 800; so auch Β GHZ 6, 277; vgl. auch Charlotte Timm, Eigentumsgarantie u n d Zeitablauf, 1977, S. 41 ff.; dazu die Besprechung von Goerlich, Der Staat 19, 1980, 132 ff.; Kloepfer, Verfahrensdauer u n d Verfassungsrecht, J Z 1979, 209 ff.; Sendler, Z u m Funktionswandel des Eigentums i n der planenden Gesellschaft, Gew.Arch. 1975, 353 ff.; ders., Z u m Wandel der Auffassung v o m Eigentum, D Ö V 1974, 73 ff.; Lerche, Ubermaß u n d Verfassungsrecht, 1961, S. 142 ff.; Kimminich, Die Verknüpfung der Rechtsstaatsidee m i t den anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, D Ö V 1979, 765 ff. (768); zum Problem Verfassung u n d Zeit vgl. Schenke, Verfassung u n d Zeit von der „entzeiteten" zur zeitgeprägten Verfassung, AöR 103, 1978, 566 ff. m. w. N. 280 B V e r w G E 19, 171; 19, 85; 3, 335; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 271; Häberle, Gemeinwohl]udikatur u n d Bundesverfassungsgericht, AöR 95, 1970, 86 ff., 260 ff., 295; ders., öffentliches Interesse als j u r i stisches Problem, 1970, S. 369 f.; Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, S. 62 ff.; Scholz, Identitätsprobleme der v e r fassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, N V w Z 1982, 337; Maunz, Wandlungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, BayVBl. 1981, 321.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
177
eignungsinstitut wesentlichen Kollisionslage ergeben sich andererseits für das Verfahren zur Ausfüllung dieses unbestimmten Gesetzesbegriffes konstante und stabilisierende Elemente 281 , die gerade wegen dieser unverwechselbar typischen Situation der Enteignung die Gleichsetzung des Begriffes „Wohl der Allgemeinheit" m i t i n sonstigen Rechtsbereichen durchaus verwandten, bisweilen sogar synonym gebrauchten Begriffsbildungen, wie „Gemeinwohl" oder „öffentliche Interessen" 282 ausdrücklich verbieten 283 . Die soeben erwähnten konstanten und stabilisierenden Elemente enthalten Aussagen positiver oder negativer A r t , wie die für einen Enteignungseingriff brauchbaren Zwecksetzungen auszusehen haben bzw. auf keinen Fall geartet sein dürfen. Positiv sollen sie sich dadurch auszeichnen, daß sie konkret 2 8 4 , rein sachbezogen285 und wiederholbar 28 ® sind und folgende negative Kennzeichnungen sollen ihnen abgehen: Sie sollen weder die Bereicherung der öffentlichen Hand bzw. die Vermehrung des öffentlichen Vermögens zum Ziel haben 287 , ebensowenig, wie sie sich i n der Förderung bestimmter wirtschaftlicher und sozialer Gruppen auf Kosten anderer erschöpfen sollen 288 . Vor der Verfassung 281 Dürig, Die konstanten Voraussetzungen des Begriffs „öffentliches I n t e r esse", Diss. j u r . München 1949; Stolleis, A r t . Gemeinwohl, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 802—804. 282 Schnur, Gemeinwohl u n d öffentliche Interessen i n den Verfassungen u n d Gesetzen des sozialen Rechtsstaates, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, 1968, S. 62; Häberle, öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 37 f.; die h. M. i m enteignungsrechtlichen Schrifttum ist anderer Ansicht, dazu Schulte, Eigentum u n d öffentliches Interesse, 1970, S. 86 m. w. N. 283 Vgl. Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 269, 272. 284 ferner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 382 ff.; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner GG, Komm., 2. Aufl., Bd. 1, A r t . 14 A n m . V I I 6 ; E. R. Huber, W i r t schaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. A u f l . 1954, S. 23 ff., 5 3 1 ; Scheuner, G r u n d lagen u n d A r t der Enteignungsentschädigung, i n : Reinhardt / Scheuner, V e r fassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 94; Schulte, Eigentum u n d öffentliches Interesse, 1970, S. 94; H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 74 ff., 88. 285 Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, Festschrift f ü r Michaelis, 1972, S. 323; ders., Eigentum u n d Enteignung, S. 383; Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat 1, 1962, 450; vgl. auch BVerfGE 24, 403 f.; Leibholz / Rinck, Grundgesetz, Komm., 6. Aufl., A r t . 14, Rdnr. 16. 286 So E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. A u f l . 1954, S. 23 f. 287 So BVerfGE 38, 175; vgl. auch Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 382; Scheuner, Grundlagen u n d A r t der Enteignungsentschädigung, S. 94; Schulte, Eigentum u n d öffentliches Interesse, 1970, S. 86; Kimminich, Komm, zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 275. 288 So ausdrücklich das Sondervotum von Böhmer zum Beschluß des B V e r f G v o m 10.3.1981, B a d Dürkheimer Gondelbahn, BVerfGE 56, 266 ff.; dazu auch Fromm, Die Bad Dürkheimer Gondelbahn, U m w e l t - u n d Planungsrecht, 1983, 46 ff.; Scheuner, Grundlagen u n d A r t der Enteignungsentschädigung, S. 94; Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, S. 450; Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 323.
12 F r e y
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II. Teil: Verfassungskonformität
haben daher nur solche Enteignungszwecke Bestand, die i n zusammenfassender Würdigung der positiven und negativen Elemente des Begriffs „Wohl der Allgemeinheit" ein gesteigertes sachlich-objektiv öffentliches Interesse ergeben. Daß diese erhöhten sachlichen Anforderungen an den Begriff „Wohl der Allgemeinheit" zu stellen sind, w i r d ohne weiteres klar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das den Eingriff rechtfertigende Interesse einen höheren rechtlichen Stellenwert besitzen muß, als er jedem sonst i m öffentlichen Interesse liegenden Vorhaben zukommt 2 8 9 , da anderenfalls bei der Vielzahl der bestehenden und denkbaren öffentlichen Interessen von Eigentumsschutz nicht viel übrig bleiben würde. Wenn die Funktion der Eigentumsgarantie darin besteht, reale Freiheitsräume für den einzelnen m i t Hilfe eines umfassenden Vermögensschutzes zu sichern 290 , dann w i r d bei dem hohen verfassungsrechtlichen Rang der Freiheit 2 9 1 einerseits ersichtlich, wie das öffentliche Interesse beschaffen sein muß, das diesen Schutzbereich überwinden soll. Andererseits w i r d aber auch klar, daß die nur i m Einzelfall durchführbare Abwägung zwischen Freiheit und Bindung zu keineswegs ein für alle M a l feststehenden Ergebnissen gelangen kann, da die Bestimmungsfaktoren i n hohem Maße dem geistigen und sozialen Wandel unterliegen. Hiervon unberührt bleibt jedoch das bei der Abwägung zu beobachtende Verfahren sowie die Struktur und Wirkung der die Enteignung tragenden Anlässe. Sie müssen so geartet sein, daß das Abwägungsverfahren für sie positiv endet, das Wohl der Allgemeinheit sich i n der Sachnutzung konkretisiert und erst über sie personalisierbar wird. Diese formal bestimmten Konstanten verleihen der materiell nicht näher bestimmbaren Enteignungsvoraussetzung jene Berechenbarkeit auf die i n einem rechtsstaatlichen System nicht verzichtet werden kann, ohne ihr damit die Praktikabilität zu nehmen. M i t dieser Charakterisierung des materiellen Bestandteils von A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG w i r d unterstellt, daß das Grundgesetz die Enteignungszwecke i n ihrer traditionellen Typisierung übernommen habe 292 . Daran 289 Dieser Gesichtspunkt t r i t t sehr anschaulich i n der v o n E. R. Huber v e r tretenen „Zweckentfremdungstheorie" hervor; vgl. E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. A u f l . 1954, S. 24; vgl. auch H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 121 (Leitsatz Nr. 5). 290 BVerfGE 24, 389; 31, 239; 41, 150; 42, 76; 46, 334; 50, 290 ff., 339 ff.; dazu Achim Krämer, Die Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, N J W 1977, 1427 f.; Rolf H. Weber, Eigentum als Rechtsinstitut, ZSR 97, 1978, 166 ff. m . w . N.; Rengeling, Das Grundeigent u m als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie, AöR 105, 1980, 428. 291 Vgl. Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG. K o m m . A r t . 2, Rdnr. 2 m. w . N. 292 F ü r eine solche Annahme spricht, daß der Begriff „ W o h l der Allgemeinheit" sowohl i n A r t . 153 Abs. 2 WRV, w i e i n A r t . 17 Abs. 2 des Herrenchiem-
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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ist auch i n Anbetracht der Tatsache festzuhalten, daß diese traditionelle Formgebung nicht ganz ungebrochen überkommen ist und m i t Art. 155 WRV ein Beispiel dafür gesetzt wurde, daß hiervon i n einer einzelnen Verfassungsbestimmung abgewichen wurde. A r t . 155 WRV hat nämlich seinen Ausnahmecharakter immer bewahrt und ist niemals ein fester Bestandteil der allgemeinen enteignungsrechtlichen Dogmatik geworden2®3. Hierzu hat nicht zuletzt die vergleichsweise geringe praktische Bedeutung der Vorschrift m i t beigetragen 294 . Ein weiterer i n diesem Zusammenhang bedeutsamer Aspekt liegt darin, daß das Rechtsinstitut des A r t . 155 Abs. 2 WRV aufgrund seiner entstehungsgeschichtlich engen Verknüpfung m i t dem Gedankengut der deutschen Bodenreform rechtspolitisch i n dem Maße an Bedeutung verlor, wie die Idee der Bodenreform verblaßte. Dies hat die obige Befassung m i t dem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund der Rechtssetzungsmaterie „Bodenverteilung" nach A r t . 74 Nr. 4 GG bereits ergeben. Darauf kann an dieser Stelle verwiesen werden. Demgegenüber hat das Grundgesetz die rechtsstaatliche Tendenz i m allgemeinen 295 und i m Falle der Enteignung i m besonderen stark betont 2 9 6 . Dieses Bestreben findet seinen Ausdruck i n der von Anfang an die Beratungen des Parlamentarischen Rates durchziehenden Absicht, einen umfassenden Vermögensschutz zu gewährleisten und diesem einen effektiven Rechtsschutz sowie die Verpflichtung zu Leistung einer gerechten Entschädigung für den Fall zur Seite zu stellen, daß sich einmal ausnahmsweise ein Eingriff i n geschützte Eigentumspositionen als unbedingt notwendig erweist. Die sodann i n den A r t . 14 Abs. 3 und 19 Abs. 4 GG konkretisierte Absicht hat durch die Verfassungsentwicklung seit Inkrafttreten des Grundseer Entwurfs als auch i n A r t . 14 Abs. 3 GG Eingang fand; vgl. dazu Matz, JöR N F 1, 1951, 149; demgegenüber ist die Eigentumsgarantie als solche nicht ungebrochen aus der Weimarer Zeit überkommen, dazu H. P. Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 84. 299 Dies bestätigt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte von A r t . 14 Abs. 3 GG. Sie gibt keinen Hinweis darauf, daß die Abgeordneten des parlamentarischen Rates sich der besonderen Problematik der Umverteilungsenteignung bewußt gewesen sind, denn auf A r t . 155 Abs. 2 W R V w u r d e i n den Beratungen an keiner Stelle abgehoben; vgl. Matz, i n : v. Doemming / Füsslein / Matz, JöR N F 1, 1951, 144—154; auch die Entstehungsgeschichte zu den Kompetenzvorschriften der A r t . 74 Nr. 14, dazu Matz, S. 523 f., A r t . 74 Nr. 18, dazu Matz, S. 536 ff. u n d A r t . 75 Nr. 4 GG, dazu Matz, S. 560 f., verstärkt diesen Eindruck. 294 Vgl, dazu Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, S. 47 f.; Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, S. 42 f., 51 ff., 156. 295 Dazu Scheuner, Die neuere E n t w i c k l u n g des Rechtsstaats i n Deutschland, i n : Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 185 ff., 205 ff.; Kimminich, Die V e r knüpfung der Rechtsstaatsidee m i t anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, D Ö V 1979, 765 ff. 296 Scheuner, Die Garantie des Eigentums i n den Grundrechten, i n : Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 706; ders., Die neuere E n t w i c k l u n g des Rechtsstaats i n Deutschland, S. 215.
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II. Teil: Verfassungskonformität
gesetzes noch insofern eine Verstärkung erfahren, als die Eigentumsgarantie als spezifische Ausprägung der persönlichen Freiheit i m Bereich der Güterordnung angesehen wird. Vor diesem Hintergrund hat die Auslegung von Eingriffstitel i n Bereiche persönlicher Freiheit grundrechtsfreundlich, d. h. unter weitestgehender Schonung des Freiheitsrechtes zu erfolgen. I n bezug auf die materiellen Begriffselemente der Enteignung ist diesem Erfordernis aber nur dann genügt, wenn nicht jeder irgendwie i m öffentlichen Interesse liegende Eingriffszweck durch den Begriff des Wohles der Allgemeinheit gerechtfertigt wird. Es kommt vielmehr darauf an, daß die Zwecksetzungen zwar nicht von der Sache, aber von ihrer Struktur her verfassungsrechtlich festliegen. Dabei entspricht die vom traditionellen Erscheinungsbild des Enteignungszweckes ausgehende begriffliche Festlegung am meisten dem Gebot der Wahrung eines größtmöglichen Freiheitsraumes. Die materiellen Begriffselemente der Enteignung nach A r t . 14 Abs. 3 GG sind demnach i n diesem Sinne zu verstehen, so daß jedenfalls bei den klassischen Fällen der Grundstücksenteignung kein Zweifel an der traditionellen Zweckorientierung aufkommen kann. Angesichts dieser klaren Ausrichtung der für A r t . 14 Abs. 3 GG relevanten Zwecke ist es ausgeschlossen, daß andere, diesen strukturellen Rahmen sprengende Zwecksetzungen m i t Hilfe des Enteignungseingriffs verwirklicht werden können. Für Zwecke der sozialen Umverteilung ist die Rechtsform der Enteignung i n der soeben umschriebenen Ausrichtung ganz und gar unbrauchbar 297 . U m sie für soziale Umverteilungszwecke dienstbar zu machen, hätte es der Aufnahme eines gesonderten auf diesen Zweck zugeschnittenen Eingriffstatbestandes i n den Verfassungstext bedurft. 3. Auswirkungen der Sozialstaatsklausel auf die Enteignung
Vor einer abschließenden Feststellung, wonach es an einer verfassungsrechtlichen Realisierungsmöglichkeit zur sozialen Umverteilung von Grund und Boden fehlt, ist einem Phänomen des Verfassungsrechts 297 Die Offenheit der enteignungsrechtlichen Gemeinwohlklausel darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine typologische F i x i e r u n g der Enteignungszwecke besteht. Eine Neudefinition der Gemeinwohlvorstellungen k a n n somit bei der Enteignung i m Gegensatz zu anderen gemeinwohlbestimmenden Vorschriften n u r eine sehr eingeschränkte K o r r e k t u r w i r k u n g entfalten. Deshalb ist Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 323, zuzustimmen, w e n n er ausführt: „Enteignende Eingriffe werden i m modernen Verwaltungsstaat Tag f ü r Tag i n zahlreichen Anwendungsfällen nötig. Aber sie können niemals i n den Dienst einer der i m sog. gesellschaftspolitischen Raum erwogenen Eigentumsbegrenzungen oder Eigentumsumschichtungen treten; sie sind als M i t t e l f ü r prinzipielle Depossedierungen u n d Eigentumsumschichtungen v ö l l i g untauglich u n d unzulässig." Merten / Frey, Umverteil u n g ohne Wirtschaftswachstum, 1982, S. 49 f. Unrichtig daher Hartwich, Sozialstaatspostulat u n d gesellschaftlicher status quo, 1970, S. 188 ff.
1. Kap., I V . Enteignung als Umverteilungsmittel
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z u gedenken, das d u r c h dessen i n h a l t l i c h e r O f f e n h e i t 2 9 8 b e s t i m m t i s t : D e m P r o b l e m des V e r f a s s u n g s w a n d e l s 2 9 9 , d. h. d e r n o r m a t i v e n G e l t u n g s f o r t b i l d u n g einer Verfassungsvorschrift bei unverändertem Fortbesteh e n i h r e s W o r t l a u t e s . E i n solcher V e r f a s s u n g s w a n d e l , d e r n a m e n t l i c h b e i i n h a l t l i c h w e i t e n R e c h t s n o r m e n a n z u t r e f f e n ist, k ö n n t e sich b e i d e m hier untersuchten P r o b l e m ausgewirkt u n d i m Bereich der Enteignung z u B e d e u t u n g s v e r ä n d e r u n g e n g e f ü h r t haben, d i e ä h n l i c h w i e d i e „ A u f l ö s u n g des E n t e i g n u n g s b e g r i f f s " i n d e r Z e i t d e r W e i m a r e r Reichsverfassung i m Z e i t p u n k t d e r V e r f a s s u n g g e b u n g noch i n k e i n e r Weise v o r aussehbar w a r e n . D e n A n s t o ß f ü r e i n e n solchen V e r f a s s u n g s w a n d e l k ö n n t e d e r S o z i a l staatsgrundsatz gegeben haben. M i t dieser eine S t a a t s z i e l b e s t i m m u n g 3 0 0 enthaltenden
Generalklausel
kennzeichnenden
werden
die
den
Staatszweckbeschränkungen301
liberalen
Rechtsstaat
aufgehoben
und
die
M ö g l i c h k e i t geschaffen, d i e G r e n z z i e h u n g z w i s c h e n d e m s t a a t l i c h - ö f f e n t l i c h e n u n d d e m g e s e l l s c h a f t l i c h - p r i v a t e n B e r e i c h nach B e d a r f u n d p o l i tischer O p p o r t u n i t ä t n e u v o r z u n e h m e n 3 0 2 . D a d i e E n t e i g n u n g e i n Rechts298
Scholz, Identitätsprobleme der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, N V w Z 1982, 337, 349; Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, N J W 1976, 2089 ff., 2091; ders., Grundrechtstheorie u n d G r u n d rechtsinterpretation, N J W 1974, 1529 ff.; vgl. auch BVerfGE 50, 336 ff. m. w . N. 299 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 1982, S. 19 f., 31; ders., Grenzen der Verfassungswandlung, Festschrift f ü r Ulrich Scheuner, 1973, S. 123 ff.; Lerche, Stiller Verfassungswandel als aktuelles Problem, Festgabe f ü r Maunz, 1971, S. 287 ff.; Maunz, W a n d l u n gen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, BayVBl. 1981, 322 m. w . N.; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, 1962, S. 215 f.; Krüger, Verfassungswandlung u n d Verfassungsgerichtsbarkeit, Festgabe f ü r R. Smend, 1962, S. 151 ff.; Laband, Die Wandlungen der deutschen Reichsverfassung, 1895; G. Jellinek, Verfassungsänderung u n d Verfassungswandlung, 1906; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, 1972, S. 140. eoo D e r Begriff geht auf H. P. Ipsen zurück; vgl. dens., Uber das G r u n d gesetz, 1950, S. 14 ff.; dens., Das Grundgesetz i n seiner Vorläufigkeit, i n : Recht — Staat — Wirtschaft, Bd. 2, 1950, S. 182 ff.; dens., Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 74 ff.; vgl. auch Contiades, Verfassungsgesetzliche Staatsstrukturbestimmungen, 1967, S. 74 f.; Scheuner, Staatszielbestimmungen, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 325 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1977, S. 411 ff.; Krüger, Der Verfassungsgrundsatz, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 187 ff., 192; Achterberg, A n t i n o m i e n verfassungsgestaltender Grundentscheidungen, Der Staat 8, 1969, 159 ff. m. w. N. 301 Dazu Scheuner, Die neuere E n t w i c k l u n g des Rechtsstaats i n Deutschland, S. 195; H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. A u f l . 1977, S. 22 ff.; Matz, i n : Hennis u.a. (Hrsg.), Regierbarkeit, Bd. 1, 1977, S. 82 bis 102; Del Vecchio, Uber die Aufgaben u n d Zwecke des Staates, AöR 88, 1963, 249. 302 Diese Grenzziehung k a n n jedoch nicht beliebig, sondern n u r unter Beachtung der Leitprinzipien des Grundgesetzes vorgenommen werden; vgl. dazu Kimminich, Die Verknüpfung der Rechtsstaatsidee m i t den anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, D Ö V 1979, 765 ff.
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II. Teil: Verfassungskonformität
institut darstellt, das auf der Nahtstelle zwischen dem privaten und dem öffentlichen Bereich angesiedelt ist, müssen Verschiebungen des staatlich-öffentlichen Sektors auf die Enteignung notwendig Auswirkungen haben. Die Tatsache, daß solche Verschiebungen i m Laufe der Geltungsdauer des Grundgesetzes von der Sozialstaatsklausel ausgegangen sind, geht schon daraus hervor, daß dieser präzedenzlose Verfassungsgrundsatz nicht nur seine tatsächliche Entfaltung, sondern auch seine rechtsdogmatische Durchdringung beträchtliche Zeit nach seiner verfassungsrechtlichen Niederlegung nach und nach erfahren hat 3 0 3 . Ob die von dem allmählich entfalteten Sozialstaatsprinzip i n die gesamte Rechtsordnung ausstrahlenden Wirkungen für das oben beschriebene Prüfungserhebnis Bedeutsamkeit erlangen, bedarf näherer Betrachtung. a) Auswirkungen auf die formellen Bestandteile des Enteignungsbegriffes Bezüglich der formal bestimmten Begriffsmerkmale der Enteignung ist festzustellen, daß es unverkennbare Auswirkungen des Sozialstaatsprinzips auf den Enteignungsgegenstand gibt und diese nach der Intention des Grundgesetzes auch gerade i n diesem Bereich zum Tragen kommen sollten. Die Bestimmung des Eigentumsinhaltes, die der Enteignung notwendig vorangehen muß, ist nämlich i n hohem Maße sozialstaatlichen Einflüssen ausgesetzt 304 . Nach A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG obliegt es dem einfachen Gesetzgeber, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen 305 , wobei er bei der Erfüllung dieser Konkretisierungsaufgabe an die spezielle Ausprägung des Sozialstaatsgedankens i n Art. 303 Z u m Sozialgebot des Eigentums, vgl. BVerfGE 37, 140; 52, 29; 58, 338; zur wissenschaftlichen Entfaltung des Sozialstaatsprinzips, vgl. Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, W D S t R L 12, 1954, 8 ff.; ders., Verfassungsprobleme des Sozialstaats, 1954, S. 5 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1977, S. 682 ff.; ders., A r t . Sozialstaat, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 2402—2413; Zacher, Was können w i r über das Sozialstaatsprinzip wissen? Festschrift f ü r H. P. Ipsen, 1977, S. 207 m. w . N.; Scholz / Pitschas, Sozialstaat u n d Gleichheit, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, Bd. 2, 1979, S. 627 ff.; Doehring, Sozialstaat, Rechtsstaat u n d freiheitlich-demokratische Grundordnung, 1978, S. 7 ff.; ders., A l t e r n a t i v e n des Sozialstaats, i n : 30 Jahre Grundgesetz, Schriften der Hochschule Speyer, Bd. 78, 1979, S. 125 ff.; Noack, Sozialstaatsklauseln u n d j u r i s t i sche Methode, 1975, S. 13 ff. 304 Dazu Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 16 ff.; Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 324f.; Forsthoff, Die Sozialgebundenheit des Eigentums, BBauBl. 1952, 175 ff.; Herzog, A r t . Eigentum, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 518—520 m. w . N.; zur sozialstaatlichen Einflußnahme auf die Entschädigung, vgl. Rüfner, Interessen der A l l gemeinheit u n d Enteignungsentschädigung, Festschrift f ü r Scheuner, 1973, S. 516 ff.; BVerfGE 14, 278; 18, 132; 21, 83; 25, 117 f.; 38, 370. 305 BVerfGE 20, 355; 24, 396; 31, 240; 37, 141; 52, 27; 58, 330; Timm, Eigentumsgarantie u n d Zeitablauf, 1977, S. 50 f.; Krüger, Die Bestimmung des Eigentumsinhalts, Festschrift f ü r Schack, 1966, S. 71 ff.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
183
14 Abs. 2 GG gebunden ist 3 0 6 . A u f diese Weise w i r d schon i m Vorfeld der Enteignung, beim Eigentumsbegriff, die staatliche Einflußnahme für Zwecke der allgemeinen Wohlfahrt auf eines der wichtigsten privaten Schutzgüter sichergestellt. I n welchem Ausmaß der Gesetzgeber von dieser Konkretisierungsbefugnis i n der Praxis Gebrauch macht und wie dynamisch er diese Sozialbindung gerade i m Bereich des Grundstücks-, Bau- und Bodenrechts handhabt, w i r d offenkundig bei einem Vergleich des bodenbezogenen Instrumentariums i m Bundesbaugesetz von I960 307 und seiner novellierten Fassung von 1977308. Dieses keineswegs als Einzelfall zu behandelnde Beispiel zeigt einerseits die Schwierigkeiten auf, die i n einem dichtbesiedelten Land von der Eigentumsordnung der V e r w i r k lichung öffentlicher Vorhaben bereitet werden 3 0 9 , andererseits demonstriert es augenfällig, wie weit i n diesem Widerstreit der Rechtsgüter die Dynamik des Sozialstaates sich zu Lasten des Eigentumsschutzes entfaltet hat 3 1 0 . Die Grenze zwischen dem durch das Sozialstaatsprinzip repräsentierten öffentlichen Interesse und dem Eigentumsrecht hat sich kontinuierlich zum Nachteil des Grundrechtes verschoben. Es soll hier nicht untersucht werden, inwieweit diese Tatsache speziell i m Bereich des Grundstücks- und Bodenrechtes Ausdruck der immer ungünstiger verlaufenden Relation von Bevölkerungszahl und Bodenmenge 311 und damit eines stetig schrumpfenden Freiheitsraumes 312 ist, sondern es soll nach der Grenze dieser Entwicklung gefragt werden. 3oe BVerfGE 37, 140; 52, 29; 58, 338; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 115; E.-W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, i n : Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, 1972, S. 217. 307 Vgl. dazu Bonczek, Das Bundesbaugesetz i m Hinblick auf die Bodenwirtschaft u n d Bodenordnung, Z f V 1960, 330 ff., 371 ff.; ders., Bodenordnung i m Bundesbaugesetz, G W W 1961, 89 ff., 205 ff., 251 ff.; Bielenberg, Das D i l e m ma der Bodenordnung, B1GBW 1967, 101 ff.; ders., Fortentwicklung des U m legungsrechts nach dem BBauG, D Ö V 1973, 833 ff.; von der Heide, Z u r E n t stehung des BBauG, Festschrift f ü r Werner Ernst, 1980, S. 185 ff. 308 Bielenberg, Empfehlen sich weitere bodenrechtliche Vorschriften i m städtebaulichen Bereich, Gutachten zum 49. DJT, 1972, Β 62ff.; Bielenberg! Dyong, Das neue Bundesbaugesetz, 2. Aufl. 1977, S. 350 ff. 309 Ganser ! Räch, Ärgerliche Bodenpreise als Ergebnis verfehlter R a u m planung?, Festschrift f ü r Werner Ernst, 1980, S. 119 ff.; Conradi I Dieterich ! Hauff, F ü r ein soziales Bodenrecht, 1972, S. 20 ff.; Epping, Bodenmarkt u n d Bodenpolitik, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 67, 1977, S. 32 ff. 310 Dazu Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 9 ff.; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 10—16; Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 316 ff.; Wipfeider, Die grundrechtliche Eigentumsgarantie i m sozialen Wandel, Festschrift f ü r G. Küchenhoff, 2. H a l b band, 1972, S. 747 ff.; Badura, Die soziale Schlüsselstellung des Eigentums, BayVBl. 1973, 1 f. 311 Vgl. dazu Epping, Bodenmarkt u n d Bodenpolitik, S. 26 ff., 32 ff. 312 Dazu Gehlen, Soziologische Aspekte des Eigentumsproblems i n unserer Gesellschaftsordnung, Veröff. der Walter-Raymond-Stiftung, Bd. 1, 1960,
184
II. Teil: Verfassungskonformität
Die Grenzziehung kann nur m i t Hilfe einer von der Rechtsordnung getroffenen Entscheidung erfolgen, da die geographischen und soziologischen Bedingungen eher auf ein Fortschreiten der angedeuteten Grundrechtserosion hindeuten. I n A r t . 19 Abs. 2 hat das Grundgesetz für Rechtslagen dieser A r t vorgesorgt und den Wesensgehalt des Grundrechtes 313 als die äußerste Grenze bezeichnet, bis zu der Einschränkungsmaßnahmen von der öffentlichen Gewalt vorangetrieben werden dürfen. Angewendet auf die doppelte Schutzfunktion des Eigentumsgrundrechtes 314 als Instituts- und Rechtstellungsgarantie besagt diese Formel, daß es der staatlichen Gewalt untersagt ist, das Eigentum als Bestandteil der Rechtsordnung aufzuheben und daß es i h r verwehrt ist, die vermögensrechtliche Ausstattung jedes Eigentümers so einzuschränken, daß deren Privatnützigkeit 3 1 5 nicht mehr gesichert ist. Darüber hinaus w i r k t sich Art. 19 Abs. 2 GG i n bezug auf die Rechtsstellungsgarantie dahingehend aus, daß auch die vorhandene Vermögenssubstanz, wenn auch eingeschränkt u m die immanente Enteignungsmöglichkeit, gewährleistet ist 3 1 6 . Angesichts des Wesensgehaltsschutzes ist es ausgeschlossen, daß die Eigentumsgarantie 317 durch die stetig um sich greifende Sozialstaatsentwicklung soweit ausgehöhlt werden könnte, daß sie gegen soziale S. 164; Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 42 ff.; ders., V e r fassungsprobleme des Sozialstaats, 1954, S. 6 f.; zum Verhältnis v o n Eigent u m u n d Freiheit, vgl. Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 17 bis 21; Dietze, Z u r Verteidigung des Eigentums, 1978, S. 47 ff. 313 Dazu Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, 1962, S. 234; Krüger, Der Wesensgehalt der Grundrechte i m Sinn des A r t . 19 GG, D Ö V 1955, 597 ff.; Maunz, Die Suche nach den Schranken der Grundrechte, Festschrift f ü r Hans Schäfer, 1975, S. 7 ff.; Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgarantie, 1975. 314 Dazu Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 85—93; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG Komm., A r t . 14, Rdnr. 22, 30; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 355 ff., 361 ff. 315 Z u r Privatnützigkeit des Eigentums, vgl. Reinhardt, Wo liegen f ü r den Gesetzgeber die Grenzen gemäß A r t . 14 GG über I n h a l t u n d Schranken des Eigentums zu bestimmen, i n : Reinhardt / Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. I f f . ; Badura, Eigentumsschutz des Gewerbebetriebs, AöR 98, 1973, 173; ders., Möglichkeiten u n d Grenzen des Zivilrechts bei der Gewährleistung öffentlicher u n d sozialer Erfordernisse i m Bodenrecht, A c P 1976, 126 f., 129 ff., 143 f.; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 131 bis 133. 316 Vgl. dazu Schulte, Z u r Dogmatik des A r t . 14 GG, 1979, S. 22 ff. m i t eingehenden Hinweisen auf die Rechtsprechung; zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentumserwerbs vgl. Kloepfer, Grundrechte als E n t stehungssicherung u n d Bestandsschutz, 1970, S. 37 ff.; Dicke, Z u r Begründung eines Menschenrechts auf Eigentum, EnGRZ 1982, 361 ff.; zur Enteignungsgarantie vgl. Pernthaler, Grundrechtsschutz des Eigentums, 1977, S. 28 ff. 317 Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, 1975, S. 39 ff.; Schulte, Z u r Dogmatik des A r t . 14 GG, 1979, S. 15 ff.; Limpens F u n k t i o n u n d Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums i m Sinne von A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG, Diss. j u r . K ö l n 1973, S. 153 ff.; Witzel, Eigentumsgarantie u n d städtisches Bauland, 1974, S. 26 ff.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
185
Umverteilungen gleichgültig werden würde und hiergegen keine A b wehrfunktionen mehr zu mobilisieren vermöchte. Anderenfalls stünde jede grundrechtlich gesicherte Eigentümerposition einschließlich der eines Umverteilungsbegünstigten grundsätzlich i n Frage und es wäre dem Gesetzgeber möglich, das gesamte verteilungsfähige Vermögen einem permanenten Umverteilungsprozeß zu unterwerfen. Das aber wäre das genaue Gegenteil einer Eigentumsgarantie. Dieses Ergebnis könnte sich i m Hinblick darauf dem V o r w u r f einer petitio principii ausgesetzt sehen, als die soziale Umverteilung die Eigentumsgarantie nur i n ihrer Funktion als Rechtsstellungsgarantie berührt, diese aber unter dem Vorbehalt der Enteignung steht, von der hier gerade geprüft werden soll, inwieweit sie institutionell wandlungsfähig ist. Gleichwohl ginge dieser Vorwurf ins Leere, denn die Enteignung ihrerseits steht i n ihrer strukturellen Verschiedenheit von der sozialen Umverteilung unter dem Wesensgehaltsschutz des A r t . 19 Abs. 2 GG. Ist es demnach nicht möglich, durch eine sozialstaatliche Beeinflussung den Eigentumsbegriff für soziale Umverteilungen zu „öffnen", so ist nun weiter zu untersuchen, ob eventuell das andere begriffsbildende Merkmal der Enteignung, der Eingriffsbegriff, sich hiergegen weniger resistent verhält. Voraussetzung hierfür müßte sein, daß das Sozialstaatsprinzip auf den verfahrensrechtlichen Bestandteil des Enteignungsbegriffes Einfluß zu gewinnen vermag. Sicherlich w i r d die die gesamte Rechtsordnung durchdringende W i r k u n g des Sozialstaatsprinzips 318 hiervor nicht halt machen. Dabei ist aber zu beachten, daß das Ausmaß der Entfaltungsmöglichkeit ein anderes ist, je nachdem, ob es sich u m eine tatbestandlich offene materiell-rechtliche Vorschrift oder u m eine Norm m i t streng verfahrensrechtlichem Charakter handelt. Zwar ist die Enteignung eine Vorschrift des materiellen Verfassungsrechts, doch trägt der die gegenwärtige Untersuchung bildende Eingriffsbegriff ausschließlich formell rechtliche Züge, so daß hier von einer nur eingeschränkten Wirkung des Sozialstaatsgrundsatzes ausgegangen werden kann. Genau genommen besteht die Wirkung darin, daß der Entzugsvorgang als solcher keiner direkten Beeinflussung durch das Sozialstaatsprinzip unterliegt. Er umschreibt einen i n der Rechtswirklichkeit sich vollziehenden Tatbestand, der nur dort Ansatzpunkte für sozialstaatliche Einwirkungen bietet, wo er ohne normative Begriffsbildungen nicht auszukommen 318 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1977, S. 691 ff.; ders., A r t . Sozialstaat, Ev. Staatslexikon, 2. A u f l . 1975, Sp. 2405 ff.; Krüger, Rechtsstaat, Sozialstaat, Staat, 1975, S. 26; Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit, 1968; Schacht Schneider, Das Sozialprinzip, 1974, S. 17; Benda, Rechtsstaat i m sozialen Wandel, AöR 101, 1976, 497 ff., 517 ff.
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II. Teil: Verfassungskonformität
vermag. I n diesen Fällen w i r k t sich über die normativen Begriffe 3 1 9 das Sozialstaatsprinzip reflexartig auf den verfahrensrechtlichen Vorgang aus. I n bezug auf den Eingriffsbegriff der Enteignung ist demnach zu fragen, ob er einer normativen Beeinflussung zugänglich ist. Dies ist zu bejahen, denn Gegenstand des Entzugsverfahrens ist das Eigentum und dieses ist, wie oben gezeigt wurde 3 2 0 , vom Sozialstaatsprinzip vielfältig durchdrungen. A u f dem Wege über das Eigentum besteht somit die Möglichkeit, daß das Sozialstaatsprinzip auf das Entzugsverfahren indirekten Einfluß gewinnt. Wie stark die begriffliche Abhängigkeit des Entzugsverfahrens vom Eigentumsbegriff ausgeprägt ist, zeigen die tiefgreifenden Wandlungen, die der Eingriffsbegriff unter der Weimarer Verfassung erfahren hat. Infolge der Ausdehnung des Eigentumsbegriffes auf alle subjektiven Vermögenswerten Rechte privatrechtlichen U r sprunges büßte das Merkmal der Übertragung seine bisher für den Eingriffsbegriff signifikante Bedeutung ein und schrumpfte zu einem lediglich für die Sachenteignung wichtigen begrifflichen Bestandteil, da i h m nur hier noch eine praktische Funktion zukam. Da diese Entwicklung beim Inkrafttreten des Grundgesetzes bereits abgeschlossen war, wenn man von den durch öffentliches Recht gewährten Vermögenspositionen einmal absieht 321 , ist aus dieser Richtung keine weitergehende reflexartige Beeinflussung des Eingriffsbegriffes mehr zu erwarten. Die Beeinflussung, die das Sozialstaatsprinzip auf den Eigentumsbegriff ausübt, geht i n eine andere Richtung als die i n der Weimarer Zeit einsetzende Erweiterung des Schutzbereiches der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie. M i t der sozialstaatlichen Einbindung des Eigentumsbegriffes w i r d bereits i m Bereich der Eigentumsinhaltsbe319 Die Geeignetheit normativer Begriffe, verfassungsgesetzliche W e r t v o r stellungen aufzunehmen, ist seit der Diskussion u m die D r i t t w i r k u n g der Grundrechte bekannt; vgl. Dürig, Grundrechte u n d Zivilrechtsprechung, Festschrift f ü r Nawiasky, 1956, S. 157 ff.; H. H. Rupp, V o m Wandel der G r u n d rechte, AöR 101, 1976, 168 ff.; a. A. Nipperdey / Wiese, Die Grundrechte, Bd. 4, 2. Halbband, 1962, S. 749; zum Standpunkt der Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 30, 173, 199. 320 v g l die i n ^en A n m . 304 bis 306 verzeichneten Angaben sowie Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 115; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 43 ff., 168 f.; kritisch Ridder, Der Grundrechtsschutz des Eigentums, seine Grenzen u n d Beschränkungen i m öffentlichen Interesse, i n : Spanner / Pernthaler / Ridder, Grundrechtsschutz des Eigentums, 1977, S. 47 ff. 321 BVerfGE 1, 278; 3, 153; 4, 240; 15, 200; 18, 397; 22, 253; 24, 225; 32, 128; 42, 101; 45, 170; Sendler, Die Konkretisierung einer modernen Eigentumsverfassung durch Richterspruch, D Ö V 1971, 20 ff.; Kimminich, K o m m , zum B o n ner GG, A r t . 14, Rdnr. 68—74; Forsthoff, Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Rechtsstellungen, N J W 1955, 1249 ff.; Badura, Eigentumsordnung, Festschrift für das BSG, Bd. 2, 1979, S. 673 ff. m. w . N.
1. Kap., I V . Enteignung als Umverteilungsmittel
187
Stimmung das ö f f e n t l i c h e Interesse i n d e r Weise z u r G e l t u n g gebracht, daß z w a r n i c h t d e r U m f a n g des Eigentumsschutzes
zurückgenommen
w i r d , w o h l aber d i e Grenze f ü r e i n e n e n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t i g e n E i g e n t u m s e i n g r i f f sich w e i t nach außen verschiebt, d a d u r c h d i e e i g e n t u m s i m m a n e n t e n B i n d u n g e n alle die Z u m u t b a r k e i t 3 2 2 nicht übersteigenden Eigentumsbeeinträchtigungen aufgefangen werden. D e r h i e r z u m V o r schein k o m m e n d e W i r k u n g s z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n S o z i a l s t a a t s g r u n d satz, verfassungsrechtlichem E i g e n t u m u n d E i n g r i f f s b e g r i f f e r ö f f n e t d e m Gesetzgeber d u r c h s t ä r k e r e B e t o n u n g d e r S o z i a l b i n d u n g des E i g e n t u m s Steuerungsmöglichkeiten zu einer i m m e r weitergehenden des B e d e u t u n g s g r a d e s des E i n g r i f f s b e g r i f f e s .
Diese
Restriktion
Einwirkungsmög-
l i c h k e i t e r r e i c h t erst d o r t i h r e Grenze, w o d i e Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 A b s . 2 G G d e m Gesetzgeber d i e w e i t e r e
sozialstaatliche
I n p f l i c h t n a h m e des E i g e n t u m s u n t e r s a g t 3 2 3 u n d s o m i t r e f l e x a r t i g
den
E i n g r i f f s b e g r i f f v o r e i n e r v o l l s t ä n d i g e n A u s z e h r u n g b e w a h r t . D i e Frage, w a n n d i e E n t w i c k l u n g d e n f ü r e i n E i n g r e i f e n v o n A r t . 19 A b s . 2 G G m a ß g e b l i c h e n P u n k t e r r e i c h t h a t , l ä ß t sich w e d e r a b s t r a k t noch abschließend b e a n t w o r t e n 3 2 4 . Feststehen d ü r f t e aber, daß eine zulässige V e r f a s 322 Dazu Städter, öffentlich-rechtliche Entschädigung, 1933, S. 214 ff.; ders., Über den Enteignungsbegriff, D Ö V 1953, 97 ff., 100 f.; Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, 1975, S. 82 m i t Hinweisen auf die Rechtsprechung des B V e r w G ; eine zusammenfassende Darstellung des Theorienstreits zwischen formellen u n d materiellen Enteignungstheorien enthält der Aufsatz von Scheicher, Gesetzliche Eigentumsbeschränkung u n d Enteignung, AöR 57, 1930, 321 ff.; zum Meinungsstand unter dem GG vgl. Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 125—137. 323 Z u r absoluten Theorie des Wesensgehalts vgl. BVerfGE 2, 266; 6, 32; 7, 411; 15, 126; 16, 194; 27, 344; 32, 373; 34, 238; B V e r w G E 1, 51; 1, 274; 2, 300; Dürig, Der Staat u n d die Vermögenswerten öffentlich-rechtlichen Berechtigungen seiner Bürger, Festschrift f ü r Apelt, 1958, S. 13 ff.; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 150; Scheuner, Grundlagen u n d A r t der Enteignungsentschädigung, i n : Reinhardt / Scheuner, S. 79 f.; Lerche, "Übermaß u n d V e r fassungsrecht, 1961, S. 79 f.; Eike von Hippel, Grenzen u n d Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte, 1965, S. 23 ff.; Witzel, Eigentumsgarantie u n d städtisches Bauland, 1974, S. 26 ff.; Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, 1975, S. 145 ff.; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG, Komm., A r t . 19, Abs. 2, Rdnr. 3; zur relativen Theorie vgl. Maunz, A r t . 19, Abs. 2, Rdnr. 4 m i t Hinweisen auf die Rechtsprechung; dazu auch Witzel, S. 27 m. w . N.; ein gemäß der L o g i k u n d Unlogik zwangsläufig fehlgeschlagenes Produkt des fatalen Institutsdenkens sieht Ridder, Der Grundrechtsschutz des Eigentums, seine Grenzen u n d Beschränkungen i m öffentlichen Interesse, i n : Spanner/ Pernthaler / Ridder, Grundrechtsschutz des Eigentums, 1977, S. 53 i n der Wesensgehaltsklausel des A r t . 19 Abs. 2 GG. 324 Die A n t w o r t w i r d schon unterschiedlich ausfallen müssen, j e nachdem ob das Eigentum als Institutsgarantie oder als Rechtsstellungsgarantie betroffen ist. Als entscheidend f ü r die Wesensgehaltssperre beim Eigentum w i r d m a n die Erhaltung der zentralen verfassungspolitischen Bedeutung des Eigentums als Rechtsinstitut ansehen müssen. Setzt der Gesetzgeber dazu an, das Eigentum als Grundpfeiler unseres Wirtschaftssystems u n d Garant i n d i v i dueller Freiheit aus seiner Schlüsselstellung zu verdrängen, dann hat sich die Wesensgehaltsgarantie beim Eigentum zu bewähren; vgl. Badura, Die Schlüsselstellung des Eigentums, BayVBl. 1973, I f f . ; Witzel, Eigentumsgarantie u n d
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II. Teil: Verfassungskonformität
sungswandlung den Eingriffsbegriff nicht entbehrlich machen kann, selbst wenn sie über dessen Anwendungsbereich i n gewissem Umfang mitbestimmend ist. Darüber hinaus steht fest, daß die sozialstaatliche Einflußnahme nur i n bestimmtem Umfang auf den Anwendungsbereich des Eingriffsbegriffes einwirkt, daß sie aber an der Struktur des Eingriffsbegriffes wegen dessen formaler Stringenz nichts zu ändern vermag. T r i f f t dies aber zu, so verhindert gerade die formale Strenge des Eingriffsbegriffes, daß die Enteignung i n den Dienst sozialer Umverteilung gestellt werden kann. b) Auswirkungen auf den materiellen des Enteignungsbegriffes
Bestandteil
Hieran zeigt sich, daß das Rechtsinstitut der Enteignung i n seinen formalen begrifflichen Bestandteilen sozialstaatlichen Bedürfnissen zwar weiten Raum gibt 3 2 5 , daß aber die begriffliche Offenheit nicht so weit geht, daß sie zur Konturenlosigkeit gesteigert werden kann 3 2 6 . Diese begrifflich-formalen Sicherungen reichen indessen nicht aus, das Rechtsinstitut vor schrankenloser Instrumentalisierung zu bewahren. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, daß auch der materielle Bestandteil der Enteignung, d. h. die entzugsrelevanten Zwecksetzungen aus bestimmten typologischen Beschränkungen nicht heraustreten. Die Sicherstellung dieser für einen effektiven Eigentumsschutz wesentlichen Aufgabe fällt dem Begriff „Wohl der Allgemeinheit", einer generalklauselartig weiten Formel zu, die, wie keine andere, ideale Voraussetzungen für eine sozialstaatliche Indienstnahme zu bieten scheint 327 . Dies nicht nur wegen ihrer Wertausfüllungsbedürftigkeit, sonstädtisches Bauland, 1974, S. 29 f. m. w . N.; Dürig, Das Eigentum als Menschenrecht, ZStaatsw. 109, 1953, 326 ff., 328. 325 Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, 1975, S. 145 f.; E.-W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, S. 217; Limpens, F u n k t i o n u n d Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums i m Sinne von A r t . 14 GG, Diss. j u r . K ö l n , 1973, S. 145. 326 F ü r Ridder, Der Grundrechtsschutz des Eigentums, seine Grenzen u n d Beschränkungen i m öffentlichen Interesse, k a n n diese Problematik sich nicht stellen, w e n n er, S. 53 ausführt: „ W e n n ,Inhalt u n d Schranken' des Eigentums u n d des Erbrechts ,durch die Gesetze bestimmt' werden, dann heißt das, daß die Verfassung der Schrankenziehung des Gesetzgebers keine Schranken setzt." Z u Recht hat Bundesverfassungsrichter Böhmer i n seinem Diskussionsbeitrag zum Referat Ridders, i n : Spanner / Pernthaler / Ridder, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 63 f. darauf hingewiesen, daß die Auffassung Ridders nicht i m E i n k l a n g m i t dem positiven Recht steht. 327 Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 115; E.-W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, S. 215 ff.; Limpens, F u n k t i o n u n d Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums i m Sinne von A r t . 14 GG, Diss, jur., K ö l n 1973, S. 145; E. R. Huber, Rechtsstaat u n d Sozialstaat i n der modernen Industriegesellschaft, i n : Nationalstaat u n d V e r fassungsstaat, 1965, S. 264 ff.
1. Kap., I V . Enteignung als Umverteilungsmittel
189
d e r n auch deshalb, w e i l sich S o z i a l s t a a t s k l a u s e l u n d W o h l d e r A l l g e m e i n h e i t i n h a l t l i c h sehr n a h e stehen. L e t z t e r e F e s t s t e l l u n g d a r f
aber
n i c h t d a h i n m i ß v e r s t a n d e n w e r d e n , beide B e g r i f f e h a n d e l t e n j e w e i l s v o n d e r g l e i c h e n Sache. D e r B e g r i f f „ W o h l d e r A l l g e m e i n h e i t " b e z i e h t sich a u f eine k o n k r e t e G ü t e r a b w ä g u n g i m E i n z e l f a l l 3 2 8 zwischen d e m verfassungsrechtlich g a r a n t i e r t e n E i g e n t u m u n d e i n e m öffentlichen, a u f Eigentumsinanspruchnahme
angewiesenen Z w e c k . D i e s e r Z w e c k
ent-
spricht dem W o h l der A l l g e m e i n h e i t n u r dann, w e n n er i n der k o n k r e t e n K o l l i s i o n s l a g e als q u a l i t a t i v h ö h e r w e r t i g e r als d i e E i g e n t u m s g a r a n t i e z u v e r a n s c h l a g e n i s t 3 2 9 . I m Gegensatz d a z u b e t r i f f t
die
Sozialstaats-
k l a u s e l k e i n e k o n k r e t e n Hechtsgüter, s o n d e r n A u f g a b e n 3 3 0 , d e r e n E r l e d i g u n g sich d i e staatliche Gemeinschaft i m Interesse sozialer G e r e c h t i g k e i t a n n e h m e n m u ß . H i e r f ä l l t d i e E n t s c h e i d u n g z w i s c h e n gesellschaftlich-privater u n d staatlich-öffentlicher Aufgabenerledigung nicht aufg r u n d e i n e r k o n k r e t e n K o l l i s i o n s e n t s c h e i d u n g , s o n d e r n a u f g r u n d eines d r i t t e n K r i t e r i u m s d e r sozialen G e r e c h t i g k e i t , das e i n e n i m ö f f e n t l i c h e n Interesse l i e g e n d e n W e r t 3 3 1 a n sich d a r s t e l l t . 328 Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 274; Friedrich Klein, Vermögensbildung u n d Eigentumsgarantie, 1974, S. 43 ff.; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 382; vgl. auch B V e r w G E 3, 334. 329 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat 1, 1962, 449 ff., 460; Fremei , Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, S. 72 ff.; J. H. Kaiser, Verfassungsrechtliche Eigentumsgewähr, Enteignung u n d Eigentumsbildung i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Staat u n d Privateigentum, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht u n d Völkerrecht, Bd. 34, 1960, S. 5—46; Schack, Enteignung „ n u r zum Wohle der Allgemeinheit", B B 1961, 74 f.; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. A u f l . 1954, S. 54. 330 Die Bedeutung des Sozialstaatsprinzips zeigt sich einmal i m Bereich der Norminterpretation, vgl. dazu Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab i m Normenkontrollverfahren, 1975, S. 78; Schreiber, Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes i n der Praxis der Rechtsprechung, 1972, S. 86 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1977, S. 715; u n d zum anderen i n seiner F u n k t i o n als L e g i t i m a tionsgrundlage f ü r staatliche Aufgabenerledigung, vgl. dazu Menzel, Sozialstaatlichkeit als Verfassungsprinzip der Bundesrepublik, D Ö V 1972, 537 ff., 542; Scheuner, Die neuere Entwicklung des Rechtsstaats i n Deutschland, Festschrift DJT, Bd. 2, 1960, S. 261 f.; H. P. Ipsen, Diskussionsbeitrag, i n : Gesetzgeber u n d Verwaltung, W D S t R L 24, 1966, 221 f.; Badura, Wachstumsvorsorge u n d Wirtschaftsfreiheit, Festschrift f ü r H. P. Ipsen, 1977, S. 367 ff.; Zacher, Was können w i r über das Sozialstaatsprinzip wissen?, Festschrift für H. P. Ipsen, 1977, S. 207 ff., 229; H. P. Bull, Die Staatsauf gaben nach dem G r u n d gesetz, 2. Aufl. 1977, S. 163 ff.; J. H. Kaiser, Die Verfassung der öffentlichen Wohlfahrtspflege, Festschrift f ü r Scheuner, 1973, S. 241 ff.; Zacher, A r t . Sozialstaatsprinzip, H d W W 7, 1977, S. 153. 331 Z u r Bedeutung des Eigentums f ü r die „ G r u n d w e r t e " vgl. Eißel, Eigentum, i n : Franz Neumann (Hrsg.), Grundwerte, Bd. 2, 1978, S. 11 ff.; dazu auch: Privateigentum — Grundlage unserer Ordnung, Heft 44 der Schriftenreihe des Zentralverbandes der Deutschen Haus-, Wohnungs- u n d Grundeigentümer e.V., 1974, S. 21 ff.; Badura, Die soziale Schlüsselstellung des Eigentums, BayVBl. 1973, I f f . ; Podlech, Wertungen u n d Werte i m Recht, AöR 95, 1970, 185 ff.; Gorschenek (Hrsg.), Grundwerte i n Staat u n d Gesellschaft, 1977.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Beiden Tatbeständen ist zwar gemeinsam, daß sie dem gesellschaftlich-privaten Sektor eine Aufgabenerledigung entziehen und sie dem Bereich des öffentlichen zuführen. Sie heben sich jedoch voneinander ab, hinsichtlich der Methode der Entscheidungsfindung, sowie i n der Legitimation der getroffenen Entscheidung. Diese begriffliche Unterschiedlichkeit gerät bisweilen i n Vergessenheit, da i n anderem Zusammenhang beide Bezeichnungen gleichbedeutend gebraucht werden 3 3 2 . Der Bedeutung des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes w i r d jedoch nur die unterschiedliche Interpretation gerecht 333 . Das bedeutet freilich nicht, daß sie konstante Auslegungsergebnisse sicherstellen könnte, denn die Sozialstaatsklausel vermag auf die Wertschätzung des Eigentums wie auf das Gewicht eventuell hierzu i n Kollision tretender Zwecke einzuwirken und dadurch Verschiebungen i n der Symmetrie der entscheidungsrelevanten Faktoren auszulösen. Entwicklungen dieser A r t verlaufen indessen allmählich und keineswegs spektakulär, so daß Feststellungen hierüber längerfristige Beobachtungen voraussetzen. Bezogen auf die Geltungsdauer des Grundgesetzes kann nicht ausgeschlossen werden, daß gleichgelagerte Sachverhalte nach der Entfaltung des Sozialstaatsgrundsatzes i m Ergebnis anderslautend entschieden wurden 3 3 4 . Dies wäre durchaus folgerichtig, denn die kontinuierliche Uberformung der privaten durch die öffentlichen Interessen, die die zunehmende Komplexität und Interdependenz der Rechtsbeziehungen i n der Industriegesellschaft widerspiegeln, für die die Sozialstaatsklausel den Begriff abgibt, bringt nichts anderes als die Situationsgebundenheit des Eigentums zum Ausdruck. Dadurch w i r d jedoch nur der objektive Schutzgehalt des Eigentums, nicht aber die Schutzwürdigkeit der jeweiligen Eigentümerstellung relativiert. Die durch die Sozialstaatsklausel verursachten divergierenden enteignungsrechtlichen Kollisionsentscheidungen bewirken indessen keine grundlegende Veränderung der Rechtslage, da ihnen eine gleichartige und auch gleichbleibende 332 Schnur, Gemeinwohl u n d öffentliche Interessen i n den Verfassungen u n d Gesetzen des sozialen Rechtsstaats, i n : W o h l der Allgemeinheit u n d öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, 1968, S. 62; Häberle, öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 37 f. 333 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, S. 68 f.; Schulte, Eigentum u n d öffentliches Interesse, 1970, S. 87; Kimminich. K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 273. 334 Die E i n w i r k u n g , die das dynamisch sich entwickelnde Sozialstaatsprinzip auf die eigentumsrechtliche Rechtsprechung genommen hat, zeigt sich bei H. P. Ipsen, Das Bundesverfassungsgericht u n d das Privateigentum, AöR 91, 2966, 86 ff.; ebenso bei Werner Weber, öffentlich-rechtliche Rechtstellungen als Gegenstand der Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung, AöR 91, 1966, 382 ff.; Kr eft, Die Schutzgrenzen des verfassungsmäßig garantierten G r u n d eigentums, Festschrift f ü r Hauß, 1977, S. 203 ff., 207 f.; Rengeling, Das G r u n d eigentum als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie, AöR 105, 1980, 436 ff.
1. Kap., I V . Enteignung als Umverteilungsmittel
191
M e t h o d e i n d e r E n t s c h e i d u n g s f i n d u n g z u g r u n d e l i e g t . M i t i h r ist auch d e m m a t e r i e l l e n B e s t a n d t e i l d e r E n t e i g n u n g e i n stabilisierendes M e r k m a l v e r l i e h e n , das i n n e r h a l b b e s t i m m t e r f o r m a l e r G r e n z e n R a u m f ü r B e w e g u n g u n d E n t w i c k l u n g l ä ß t 3 3 5 , das aber v e r h i n d e r t , daß d i e E n t e i g n u n g als M i t t e l z u r R e a l i s i e r u n g jedes ö f f e n t l i c h e n Zweckes h e r a n gezogen w e r d e n k a n n . D e r ö f f e n t l i c h e Z w e c k d e r sozialen U m v e r t e i l u n g v o n G r u n d u n d B o d e n k a n n , solange a n dieser M e t h o d e d e r E n t s c h e i d u n g s f i n d u n g f e s t g e h a l t e n w i r d , d u r c h das R e c h t s i n s t i t u t d e r E n t e i g n u n g n i c h t v e r w i r k l i c h t w e r d e n , d e n n soziale U m v e r t e i l u n g b e d e u t e t l e d i g l i c h d i e A u s w e c h s e l u n g i n d e r Rechtsträgerschaft. D a aber anders als b e i m o b j e k t i v e n S c h u t z g e h a l t des E i g e n t u m s die V e r f a s s u n g b e i d e r individuellen Schutzwürdigkeit der jeweiligen Eigentümerposition v o m G r u n d s a t z d e r G l e i c h w e r t i g k e i t a u s g e h t 3 3 6 , k a n n d i e soziale U m v e r t e i l u n g n a c h d e n o b i g e n F e s t s t e l l u n g e n 3 3 7 k e i n Z w e c k f ü r eine p o s i t i v e K o l l i s i o n s e n t s c h e i d u n g sein. H i e r a u s f o l g t , daß d i e E n t e i g n u n g auch a u f g r u n d d e r sozialstaatlichen B e e i n f l u s s u n g i h r e r f o r m a l e n B e g r i f f s m e r k male u n d ihrer materiellen begrifflichen Voraussetzungen zu keinem tauglichen Umverteilungsmittel w i r d 3 3 8 .
835 Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, 1975, S. 145 f.; Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, 1975, S. 388 ff., 392 f.; Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, S. 215 ff.; Erich Küchenhoff, Neue Entwicklungsmöglichkeiten zu einem sozialen Bodenrecht, i n : Duden u. a. (Hrsg.), Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, 1972, S. 245 ff.; Bielenberg, Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie u n d Sozialbindung i m Städtebau, DVB1. 1971, 441 ff. 338 Friedrich Klein,, Vermögensbildung u n d Eigentumsgarantie, 1974, S. 43; J. H. Kaiser, Verfassungsrechtliche Eigentumsgewähr, Enteignung u n d Eigentumsbildung i n der Bundesrepublik Deutschland, S. 5 ff.; Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 320; ders., Eigentum u n d E n t eignung, S. 383; zum differenzierten Schutzgehalt bestimmter Eigentumsgegenstände i n der Rspr. des B V e r f G vgl. BVerfGE 14, 277 f.; 21, 83; 31, 242; 36, 292; 37, 140; 42, 294; 50, 340; ungeschmälerten Eigentumsschutz genießt das Eigentum nach der Rspr. des B V e r f G als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen; vgl. dazu auch Achim Krämer, Die Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG i n der Rspr. des BVerfG, N J W 1977, 14271; auf die Gefahren, die diese Rechtsprechung m i t ihrer differenzierten Schutzwürdigkeit bestimmter Eigentumsarten enthält, w i r d neuerdings hingewiesen von Reiner Schmidt, Das Mitbestimmungsgesetz auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, Der Staat 19, 1980, 248 ff.; Rolf H. Weber, Mitbestimmung — Sprengkörper der Verfassungsstruktur, AöR 104, 1979, 521 ff., 531 ff. 337 Dort werden eindeutig höherwertigere Zwecke gefordert; vgl. die vorne bei Fn. 329 gegebenen Nachweisungen. 338 Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, Festgabe f ü r Maunz, 1971, S. 100 f.; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A u f l . 1973, S. 335 f.; Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 383; ders., Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 320, 323; E. R. Hub er, W i r t schaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. A u f l . 1954, S. 48 ff.; Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, S. 133 ff.; Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat 1, 1962, 452.
192
II. Teil: Verfassungskonformität
4. Art. 14 Abs. 3 G G in einem sich wandelnden Grundrechtsverständnis
Das Grundgesetz i n seiner ursprünglichen Fassung von 1949 enthielt dementsprechend keine M i t t e l zur Verwirklichung der sozialen Umverteilung von Grund und Boden 339 . Auch die zahlreichen seit dieser Zeit unternommenen Verfassungsänderungen haben daran nichts geändert 340 , da bei den insoweit einschlägigen Vorschriften der Verfassungstext unberührt blieb. A l l e i n von Verständniswandlungen i m Bereich der als Realisierungsmittel i n Betracht kommenden, sprachlich unverändert gebliebenen verfassungsrechtlichen Vorschriften kann daher die Schließung der insoweit bestehenden Regelungslücke erwartet werden. Da von den i m Verfassungstext bereitgestellten Möglichkeiten zur Verwirklichung von sozialer Umverteilung nur eine i n ihrer Bedeutung gewandelte Enteignung i n Frage kommen kann, andererseits die vorangegangenen Überlegungen ergeben haben, daß eine solche Bedeutungswandlung weder am Wortlaut, noch an Veränderungen des normativen Gehalts von A r t . 14 Abs. 3 GG ihre Stütze findet, kann eine entsprechende Bedeutungswandlung der Enteignung nur noch von normübergreifenden, das Grundrechtsverständnis als solches betreffenden Veränderungen ausgehen. Solche Wandlungen i m Grundrechtsverständnis sind i n der Tat unter der Geltungsdauer des Grundgesetzes i n verschiedener Form zu verzeichnen 341 . Worin diese bestehen und welche Schluß339 Die vor dem I n k r a f t t r e t e n des Grundgesetzes i n verschiedenen Bundesländern durchgeführte Bodenreform, die zu Umverteilungen von l a n d w i r t schaftlich genutztem Boden i n erheblichem Umfang geführt hatte, beruhte weitgehend auf besatzungsrechtlicher Initiative. Die i m Vollzuge dieser I n i t i a t i v e erlassenen Rechtsvorschriften vorkonstitutioneller A r t haben keinen bestimmenden Einfluß auf die enteignungsrechtliche Regelung i m G r u n d gesetz entfaltet. Dem steht nicht entgegen, daß „Enteignungen" i m Rahmen der Bodenreform v o m B V e r f G als w i r k s a m angesehen werden; vgl. BVerfGE 2, 181 ff.; 15, 346; 46, 268 ff. 340 V o n den insgesamt 34 Änderungsgesetzen zum Grundgesetz betrifft keines die Vorschriften, die f ü r eine Umverteilung von G r u n d u n d Boden i n Betracht zu ziehen sind. Das Schwergewicht liegt eindeutig auf der K o r r e k t u r der föderalistischen Strukturen der Verfassung; vgl. dazu Herzog, Wandel des Föderalismus i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : 30 Jahre Grundgesetz, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 78, 1979, S. 41 f. 341 Dazu Bernhardt, Wandlungen der Grundrechte, 1970, S. 3 ff. ; Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, Festvortrag des 50. DJT, 1974, G I f f . m. w. Ν.; Geiger, Die Wandlung der Grundrechte, i n : Imboden (Hrsg.), Gedanke u n d Gestalt des demokratischen Rechtsstaats, 1965; Ramm, Der Wandel der Grundrechte u n d der freiheitliche soziale Rechtsstaat, JZ 1972, 137 ff.; Low, Die Grundrechte i m Wechsel der Generationen, i n : ders. (Hrsg.), 25 Jahre Grundgesetz, 1974, S. 93 ff.; Friauf, Z u r Rolle der G r u n d rechte i m Interventions- u n d Leistungsstaat, DVB1. 1971, 674; Η . H. Rupp, V o m Wandel der Grundrechte, AöR 101, 1976, 161 ff.; Ossenbühl, Die I n t e r pretation der Grundrechte i n der Rechtsprechung des BVerfG, N J W 1976, 2100 ff.; E.-W. Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, N J W 1976, 2089 ff.; ders., Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1529 ff.; Saladin, Grundrechte i m Wandel, 2. A u f l . 1975; Η . H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, 1972; Schwabe, Probleme der
1. Kap., I V . Enteignung als Umverteilungsmittel
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f o l g e r u n g e n h i e r a u s f ü r d i e E n t e i g n u n g z u z i e h e n sind, s o l l n a c h f o l g e n d untersucht werden. a) Das traditionelle
Grundrechtsverständnis
Eine Darstellung der Wandlungen i m Grundrechtsverständnis muß d a m i t b e g i n n e n , d i e B e z u g s g r ö ß e n z u n e n n e n , d i e d e m Sachgebiet d i e M a ß s t ä b e setzen, d a n u r dieser festen G r u n d l a g e V e r ä n d e r u n g e n z u v e r lässig f e s t s t e l l b a r sind. G r u n d l a g e j e d e r V e r g l e i c h u n g u n d A u s g a n g s p u n k t j e d e r g r u n d r e c h t l i c h e n B e t r a c h t u n g m u ß das t r a d i t i o n e l l e b ü r g e r l i c h - l i b e r a l e G r u n d r e c h t s v e r s t ä n d n i s 3 4 2 sein, e i n V e r s t ä n d n i s , das d i e G r u n d r e c h t e i m w e s e n t l i c h e n u n v e r f ä l s c h t seit d e r Z e i t b e g l e i t e t , seit sie i m f r ü h e n 19. J a h r h u n d e r t e r s t m a l s i n D e u t s c h l a n d i n V e r f a s s u n g s u r k u n d e n E i n g a n g f a n d e n u n d das d i e B e r a t u n g e n des p a r l a m e n t a r i schen R a t e s 3 4 3 ebenso w i e d i e G r u n d r e c h t s p r a x i s 3 4 4 u n t e r d e m G r u n d gesetz b e s t i m m t h a t . Dieses t r a d i t i o n e l l e G r u n d r e c h t s v e r s t ä n d n i s 3 4 5 zeichnet sich d u r c h eine R e i h e v o n feststehenden E i n s i c h t e n aus, d i e u n a b h ä n g i g v o n staatstheoretischen u n d verfassungstheoretischen V o r stellungen i h r e Richtigkeit behalten. Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 11 ff., 201 ff., 286 ff.; Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, 1979, S. 156 ff.; Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, Festgabe zum 25jährigen Bestehen des B V e r w G , 1978, S.89ff.; Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 43 ff.; Martens, G r u n d rechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 7 ff.; Haider, Grundfragen eines gewandelten Grundrechtsverständnisses am Beispiel der Freiheit der Berufswahl, Der Staat 18, 1979, 31 ff. 342 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. A u f l . 1965, S. 175 ff.; ders., Grundrechte u n d Grundpflichten, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl. 1973, S.208f.; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1530 f.; H. H. Klein, öffentliche u n d private Freiheit, Der Staat 10, 1971, 164. 343 v g l . dazu Matz, i n : v. Doemming / Füsslein / Matz, Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des Grundgesetzes, JöR N F 1, 1951, 41 ff. 344 Eine erkennbare A b k e h r v o n diesem Grundrechtsverständnis vollzog das B V e r f G m i t dem sog. L ü t h - U r t e i l , BVerfGE 7, 198 ff.; vgl. dazu die K r i t i k v o n Forsthoff, Die U m b i l d u n g des Verfassungsgesetzes, Rechtsstaat i m W a n del, 2. A u f l . 1976, S. 130 ff. 345 Neuere Untersuchungen haben den Nachweis erbracht, daß das liberalrechtsstaatliche Grundrechtsverständnis den frühen Konstitutionen des 19. Jahrhunderts nicht zugrunde gelegt werden kann. Die Grundrechte waren vielmehr Legitimationsfaktoren f ü r den einfachen Gesetzgeber, das grundrechtlich vorgegebene „Programm" zu verwirklichen. Erst i m Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahmen die Grundrechte allmählich den Charakter individueller negatorischer Ansprüche an; vgl. Scheuner, Begriff u n d rechtliche Tragweite der Grundrechte i m Ubergang von der A u f k l ä r u n g zum 19. Jahrhundert, i n : V o n der ständischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gleichheit, Der Staat, Beiheft 4, 1980, 105 ff.; dens., Die rechtliche Tragweite der Grundrechte i n der deutschen Verfassungsentwicklung des 19. J a h r h u n derts, Festschrift f ü r E. R. Huber, 1973, S. 139 ff.; Wahl, Rechtliche W i r k u n g e n u n d Funktionen der Grundrechte i m deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, Der Staat 18, 1979, 321 ff. m. w. N.
1
Frey
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II. Teil: Verfassungskonformität
Es ist dies die Auffassung, daß die individuelle Freiheit prinzipiell unbegrenzt und die staatliche Eingriffskompetenz prinzipiell begrenzt sei 346 . Aus dieser Grundüberzeugung leitet sich ab, daß die Freiheitssphäre des einzelnen, die zugleich auch die Freiheitssphäre der Gesellschaft ist, als vorstaatlich existent 3 4 7 gedacht wird. Diese Freiheit kann daher von staatlichen Zwecken und Aufgaben inhaltlich nicht bestimmt werden, sondern es bleibt allein dem Grundrechtsträger überlassen, i n welcher Weise er von seiner grundrechtlichen Freiheit Gebrauch macht. Weiterhin leitet sich aus dem Verhältnis prinzipiell begrenzter staatlicher Befugnisse zu der prinzipiell unbegrenzten Freiheitssphäre, die ausschließlich dem Staat zugewandte Schutzrichtung der Grundrechte 348 ebenso wie die Forderung ab, daß staatliche Eingriffsbefugnisse den freiheitssichernden vorstaatlichen Charakter der Grundrechte nicht antasten dürfen, so daß neben die Meßbarkeit und Berechenbarkeit der Eingriffsgewalt als solcher die Forderung nach ihrer Aufteilung auf unterschiedliche Träger t r i t t 3 4 9 . Den politisch-historischen Hintergrund dieses Grundrechtsverständnisses gibt der konstitutionelle monarchische Rechtsstaat 350 des 19. Jahrhunderts i n Deutschland ab, der i n der Begrenzung seiner Zwecke auf die Rechtszwecke 351 gegenüber einer i n der Zweckverfolgung grund346
Hieraus resultiert das sog. rechtsstaatliche Verteilungsprinzip, das Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 126 zu den Strukturprinzipien der rechtsstaatlichen Verfassung zählt; dazu auch Forsthoff, Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, Rechtsstaat i m Wandel, 2. Aufl. 1976, S. 202 ff. 347 Vgl. Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 163 f.; E.-W. Böckenförde, G r u n d rechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1530; zu den diesbezüglichen Überlegungen i m parlamentarischen Rat vgl. Matz, Die Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des Grundgesetzes, JöR N F 1, 1951, 42. 348 D a m i t ist die „ D r i t t w i r k u n g " der Grundrechte angesprochen; vgl. dazu Schwabe, Die sog. D r i t t w i r k u n g der Grundrechte, 1971; dens., Bundesverfassungsgericht u n d „ D r i t t w i r k u n g " der Grundrechte, AöR 100, 1975, 442 ff.; dens., D r i t t w i r k u n g u n d k e i n Ende?, N J W 1973, 229; Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, 1979, S. 137 ff. 349 Die Beziehung der Grundrechte zu den formalen Bestandteilen des Rechtsstaatsprinzips ist i m materiellen Rechtsstaatsprinzip aufgehoben; vgl. dazu Scheuner, Die neuere E n t w i c k l u n g des Rechtsstaats i n Deutschland, n u n i n : Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 185 ff., 204 ff.; Kimminich, Die V e r knüpfung der Rechtsstaatsidee m i t anderen Leitprinzipien des Grundgesetzes, D Ö V 1979, 765 ff.; Doehring, A l t e r n a t i v e n des Sozialstaats, i n : 30 Jahre G r u n d gesetz, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 78, 1979, S. 137 ff. k a n n das Verhältnis Grundrechte — Rechtsstaatsprinzip nicht i n gleicher Weise ordnen, da er am formellen Rechtsstaat festhält. 350 Hans Schneider, A r t . Konstitutionalismus, Ev. Staatslexikon, 2. A u f l . 1975, Sp. 1375—1378. 351 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, S. 22 ff.; Scheuner, Staatszielbestimmungen, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 340 ff.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. A u f l . 1966, S. 759 ff.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 107 ff.; Hespe, Z u r E n t w i c k l u n g der Staatszwecklehre i n der deutschen Staatsrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, 1964; E.-W.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
195
sätzlich unbegrenzten gesellschaftlichen Sphäre i n einem anderen höheren Zusammenhang die gleiche dualistische Betrachtungsweise widerspiegelt, die auch die Grundrechtsthematik kennzeichnet. Ein weiterer, allerdings staatsorganisatorischer Dualismus, zwischen monarchischer Regierung und parlamentarischer Gesetzgebung, rundet das B i l d eines Denkens i n säuberlich voneinander geschiedenen Sphären ab. I n diesem von dualistischem Trennungsdenken 352 gekennzeichneten System schützen die Grundrechte den von gesellschaftlicher Freiheit, aber auch Ungleichheit geprägten Bereich, i n dem das Eigentum als Garant einer durch materielle Sicherheit gewährleisteten Freiheit eine hervorragende Rolle spielt 353 . Wenn aber das Eigentum, i n dieser verfassungsgeschichtlichen Epoche i m wesentlichen noch identisch m i t dem Sacheigentum 354 , der vermögensrechtlich vermittelte Garant der Freiheit war, so folgt daraus für den damals vorausgesetzten Freiheitsbegriff, daß diesem die Vorstellung eines jedem einzelnen zustehenden „beherrschten Lebensraumes" 355 zugrunde lag. Dieser von Eigentumsgrundrecht geschützte Freiraum erfuhr i m Verhältnis zu anderen grundrechtlich geschützten Bereichen noch weitergehenden Schutz dadurch, daß hier kein einfacher, i n Gesetzesform getätigter Eingriff genügte, sondern ein durch die verfassungsrechtlichen Enteignungsvoraussetzungen qualifizierter gesetzlicher Eingriff vorgeschrieben war 3 5 6 . A u f diese Weise wurde dem Eigentum Schutz gleichsam Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat u n d Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973, S. 12 f.; zur älteren Staatszwecklehre vgl. Quaritsch, Staat u n d Souveränität, 1970, S. 278 ff. 352 Gegen das Trennungs- u n d Schrankendenken vor allem Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, 1962, S. 134 ff.; ders., Das Gem e i n w o h l als Schrankenschranke, AöR 95, 1970, 617 ff.; auch Bleckmann, A l l gemeine Grundrechtslehre, 1979, S. 227 ff. 353 Scheuner, Begriff u n d rechtliche Tragweite der Grundrechte i m Ü b e r gang von der A u f k l ä r u n g des 19. Jahrhunderts, Der Staat, Beiheft 4, 1980, 110; Wahl, Grundrechte i m deutschen Konstitutionalismus, Der Staat 18, 1979, 339. 354 Dazu Floßmann, Eigentumsbegriff u n d Bodenordnung i m historischen Wandel, 1976, S. 44 ff., 51 ff., 85 ff.; Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, Festgabe f ü r Maunz, 1971, S. 89 f. 355 Forsthoff, Verfassungsprobleme des Sozialstaats, 1954, S. 6 f.; n u n i n : ders., Rechtsstaat i m Wandel, 2. A u f l . 1976, S. 50 f.; H. H. Klein, A r t . Daseinsvorsorge, Leistungsverwaltung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 345. 35β £ ) e r Gesichtspunkt, daß auch v o n einem formalisierten Enteignungseingriff i n gewisser Hinsicht ein Schutz des Eigentumsrechtes ausgehen kann, w i r d vor allem i n der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts betont; vgl. dazu Rolf H. Weber, Eigentum als Rechtsinstitut, ZSR 97, 1978, 162 ff.; Saladin, Grundrechte i m Wandel, 2. A u f l . 1975, S. 157 ff.; demgegenüber k a n n die Rechtsprechung des BVerfG, die wiederholt den engen Zusammenhang zwischen persönlicher Freiheit u n d Eigentum betont hat, vgl. BVerfGE 24, 389; 41, 150; 42, 76; 46, 334; 50, 340, i m Enteignungseingriff kein M e r k m a l des Eigentumsschutzes erkennen. 1*
I I . Teil: Verfassungskonformität
196
i n d o p p e l t e r F o r m z u t e i l . E i n m a l d a d u r c h , daß es z u d e n g r u n d r e c h t s geschützten R e c h t s g ü t e r n gerechnet w u r d e 3 5 7 u n d z u m a n d e r e n dadurch, daß E i n g r i f f e i n diesen Schutzbereich a n besondere
Voraussetzungen
g e k n ü p f t w a r e n 3 5 8 . A n dieser d o p p e l t e n S c h u t z g e w ä h r u n g
zugunsten
des E i g e n t u m s l ä ß t sich d e r h o h e S t e l l e n w e r t ablesen, d e r d e m E i g e n t u m als M e d i u m d e r F r e i h e i t s s i c h e r u n g z u e r k a n n t w u r d e . H i e r a n zeigt sich aber n o c h e t w a s anderes: D i e grundrechtsschützende F u n k t i o n d e r E n t eignung; d a m i t gehört die Enteignung zwar nicht zu den traditionellen Grundrechten m i t positivem wertsetzenden Regelungscharakter,
ihre
B e d e u t u n g l i e g t v i e l m e h r i n e i n e r m e h r n e g a t i v b e s t i m m t e n Schutzr i c h t u n g , d i e E i n g r i f f e , d i e d e r verfassungsrechtlichen F o r m s t r e n g e n i c h t gerecht w e r d e n , als u n z u l ä s s i g v e r w i r f t . A n dieser F o r m s t r e n g e , d i e d e n e i g e n t l i c h e n G r u n d r e c h t s c h a r a k t e r d e r E n t e i g n u n g ausmacht, d a r f nach der
dieser
traditionellen
Grundrechtsvorstellung
zugrundeliegenden
Sicht i m Interesse i h r e r f r e i h e i t s s i c h e r n d e n B e d e u t u n g n i c h t
gerührt
w e r d e n ; D e n a t u r i e r u n g e n d e r E n t e i g n u n g , beispielsweise z u U m v e r t e i l u n g s z w e c k e n , w ä r e n , w e n n sie e r f o r d e r l i c h g e w o r d e n w ä r e n , a u f e n t schiedene A b l e h n u n g gestoßen 3 5 9 .
357 Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums i m 19. J a h r hundert schlägt sich i n den bedeutendsten Verfassungsurkunden nieder; vgl. Verfassungsurkunde f ü r das Königreich Bayern v o m 26.5.1818, T i t e l I V § 8; Verfassungsurkunde f ü r das Großherzogtum Baden v o m 22. 8.1818, § 13; desgleichen die Verfassungen von Württemberg u n d Hessen i n § 24 bzw. § 23; i m Grundgesetz des Königreichs Hannover v o m 26.11.1833 findet sich eine entsprechende Regelung i n § 33; i m E n t w u r f einer Verfassung des Deutschen Reiches v o m 28. 3.1849 befindet sich i n § 164 folgende Regelung: „Das Eigent u m ist unverletzlich. Eine Enteignung k a n n n u r aus Rücksichten des gemeinen Besten, n u r auf G r u n d eines Gesetzes u n d gegen gerechte Entschädigungen vorgenommen werden. Das geistige Eigentum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden." Die preußische Verfassung v o m 31. Januar 1850 enthielt i n A r t i k e l 9 folgende Regelung: „Das Eigentum ist unverletzlich. Es k a n n n u r aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige i n dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden." Sie schloß die Entwicklung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistungen i m 19. Jahrhundert ab. 358 Z u denken ist hierbei an das Erfordernis eines förmlichen Gesetzes sow i e an die Leistung vorgängiger Entschädigung; vgl. Floßmann, Eigentumsbegriff u n d Bodenordnung i m historischen Wandel, 1976, S. 89. 359 Die sog. Sozialentwährungen, m i t denen die ständischen Bevorrechtigungen i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überwiegend entschädigungslos abgetragen wurden, lassen keinen gegenteiligen Schluß zu, da sie ein Vorgang revolutionärer Umgestaltung der Sozialstrukturen bedeuteten; vgl. dazu Wahl, Der Ubergang von der feudal-ständischen Gesellschaft zur staatsbürgerlichen Gesellschaftsordnung als Rechtsproblem, i n : R. Schnur (Hrsg.), Staat u n d Gesellschaft, Studien über L. v. Stein, 1978, S. 339 ff. Ob die Sozialentwährung m i t dem Sozialisierungsvorbehalt i n Zusammenhang gebracht werden kann, w i e Ridder, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L 10, 1952, 138 f., dies tut, scheint i m Hinblick auf den revolutionären Charakter der E n t währungen überaus fraglich.
1. Kap., I V . Enteignung als Umverteilungsmittel
197
Diese F e s t s t e l l u n g k a n n indessen k e i n e abschließende B e w e r t u n g d e r bürgerlich-rechtsstaatlichen Grundrechtstheorie enthalten, da die tiefgreifenden
s t a a t l i c h e n u n d gesellschaftlichen W a n d l u n g e n 3 8 0
die
tat-
sächlichen G e l t u n g s v o r a u s s e t z u n g e n dieser T h e o r i e so n a c h h a l t i g v e r ä n d e r t haben, daß es u n w a h r s c h e i n l i c h erscheint, daß h i e r v o n d e r B e d e u t u n g s g e h a l t dieser T h e o r i e u n b e e i n f l u ß t g e b l i e b e n sein k a n n . D i e i m V e r l a u f e des 19. J a h r h u n d e r t s aufbrechende soziale F r a g e e r s c h ü t t e r t e d e n als v o r s t a a t l i c h
vorausgesetzten
Freiheitsbegriff
mit
dem
nun
erforderlich werdenden System staatlicher Daseinsvorsorge 361 i n v i e l l e i c h t noch n a c h h a l t i g e r e r Weise, w i e dies i n b e z u g a u f d e n S t a a t s b e g r i f f als F o l g e des W e g f a l l s d e r M o n a r c h i e d e r F a l l w a r : D e r G r u n d s a t z d e r T r e n n u n g v o n S t a a t u n d Gesellschaft 3 6 2 , n u n ohne f a k t i s c h e n Bezug, s c h r u m p f t e i n seiner B e d e u t u n g a u f e i n bloßes T h e o r e m 3 6 3 z u s a m m e n . Dessen ungeachtet b e s t a n d d i e einzige dogmatische R e a k t i o n d e r b ü r g e r l i c h - r e c h t s s t a a t l i c h e n G r u n d r e c h t s t h e o r i e zunächst d a r i n , d e n i m k o n s t i tutionellen-monarchischen
Rechtsstaat
auf
die E x e k u t i v e
begrenzten
A n w e n d u n g s b e r e i c h d e r G r u n d r e c h t e n u n auch auf d i e L e g i s l a t i v e z u erstrecken 364. A l l e darüber hinausgehenden B e m ü h u n g e n i m
wissen-
360 Z u den Veränderungen, die sich i m Verhältnis von Staat u n d Gesellschaft m i t A u s w i r k u n g e n auf die Grundrechte ergeben haben, vgl. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 147 ff.; schon die aufbrechende soziale Frage stellte die Prämissen dieses Grundrechtsverständnisses i n Frage, dazu E. R. Hub er, Rechtsstaat u n d Sozialstaat i n der modernen Industriegesellschaft, 1965, S. 249 ff. 361 Forsthoff, Die Daseinsvorsorge als Aufgabe der modernen Verwaltung, i n : ders., Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 22 ff.; ders., Die Daseinsvorsorge u n d die Kommunen, Rechtsstaat i m Wandel, 1. Aufl. 1964, S. 111 ff.; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A u f l . 1973, S. 368 f.; E. R. Hub er, Vorsorge f ü r das Dasein, E i n Grundbegriff der Staatslehre Hegels u n d Lorenz v. Steins, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 139 ff.; H. H. Klein, A r t . Daseins Vorsorge, Leistungs Verwaltung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl. 1975, Sp. 343 ff. m. w . N. 362 Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 21 ff.; ders., Einführung, zu: Lorenz von Stein, Gesellschaft — Staat — Recht, 1972, S. 7 ff.; E.-W. Böckenförde, Lorenz v o n Stein als Theoretiker der Bewegung von Staat u n d Gesellschaft zum Sozialstaat, i n : ders., Staat u n d Gesellschaft, 1976, S. 131 ff.; Angermann, Das Auseinandertreten von „Staat" u n d „Gesellschaft" i m Denken des 18. Jahrhunderts, i n : E.-W. Böckenförde (Hrsg.), S. 109 ff.; Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, Festgabe f ü r Smend, 1962, S. 23 ff.; E.-W. Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat u n d Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973, S. 7 ff.; Hesse, Bemerkungen zur heutigen Problematik u n d Tragweite der Unterscheidung von Staat u n d Gesellschaft, i n : E.-W. Böckenförde (Hrsg.), S. 484 ff. 363 Hiervon spricht Hesse, Bemerkungen zur heutigen Problematik u n d Tragweite der Unterscheidung von Staat u n d Gesellschaft, i n : E.-W. Böckenförde, S. 502. 364 Die Diskussion darüber entzündete sich unter der Weimarer Reichsverfassung an der F u n k t i o n des Gleichheitssatzes (Art. 109 Abs. 1 WRV); vgl. dazu Triepel, Goldbilanzenverordnung u n d Vorzugsaktien, 1924, S. 26 ff.; Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. A u f l . 1959, S. 16 ff.; Aldag, Die Gleich-
198
II. Teil: Verfassungskonformität
schaftlichen Schrifttum der ausgehenden Weimarer Zeit, ein Grundrechtsverständnis zu entwickeln, das den veränderten staatstheoretischen Voraussetzungen gerecht werden sollte, lösten sich gänzlich vom bürgerlich-rechtsstaatlichen Grundrechtskonzept 385 . Aus den grundlegend veränderten Rahmenbedingungen für die Geltung des bürgerlich-rechtsstaatlichen Grundrechtskonzeptes zog das Grundgesetz die notwendigen Konsequenzen, indem es hinsichtlich der Funktionsbereiche von Staat und Gesellschaft neue Akzente setzte 388 . Zwar hielt es an einem vorstaatlichen Freiheitsbegriff fest 387 , wie sich aus A r t . 1 Abs. 1 GG ergibt, doch ist dieser von den Grundrechten konstituierte Bereich gesellschaftlicher Freiheit nicht mehr prinzipiell unbegrenzt, sondern reicht nur soweit, wie der Geltungsbereich der Grundrechte sich erstreckt. Dieser w i r d durch staatliche Aufgabenstellungen, deren Umfang sich infolge des Sozialstaatsprinzips dynamisch entwickeln kann, begrenzt, indem dieses m i t Hilfe des Gesetzes über die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte oder die immanenten Grundrechtsschranken zur Geltung gebracht wird. Die Folgen, die sich hieraus für die bürgerlich-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie ergeben, sind Modifikationen mehr i n quantitativer als qualitativer Hinsicht, d. h. gegenüber den Zeiten des Konstitutionalismus ist nicht die Intensität der Grundrechtsgeltung, sondern deren theoretisch denkbarer Anwendungsbereich geschrumpft. Wenn darin aber der einzige Wandel liegt, der sich auf dem Boden der bürgerlich-rechtsstaatlichen Grundrechtstheorie vollzogen hat, so kann dies für das Eigentum und die Enteignung nur bedeuten, daß diese sich von ihrem traditionellen Bedeutungsinhalt nicht so weit entfernt haben können, daß sie nun für soziale Umverteilungen fungibel werden könnten. heit vor dem Gesetz i n der Reichsverfassung, 1925; a. A . Thoma, Die j u r i s t i sche Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung i m allgemeinen, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, 1929, S. 22 f.; ebenso Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A u f l . 1933, S. 521 f. m i t weiteren Nachweisen zum Meinungsstand. 365 Vgl. dazu Vie, Uber die Auslegung der Grundrechte, AöR 21, 1932, 37 ff.; E. R. Huber, Bedeutungswandel der Grundrechte, AöR 23, 1933, I f f . ; Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung i m allgemeinen, S. 1 ff. 366 Es hat durch das aus dem Sozialstaatsprinzip abzuleitende Interventionsgebot des Staates i n gesellschaftliche Abläufe dafür gesorgt, daß eine zunehmende Verschränkung des staatlichen u n d des gesellschaftlichen Sektors zu verzeichnen ist; vgl. H. P. Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, W D S t R L 25, 1867, 258 ff., sowie den Mitbericht v o n Zacher, W D S t R L 25, 1967, 308 ff.; Badura, Wachstumsvorsorge u n d Wirtschaftsfreiheit, Festschrift f ü r H. P. Ipsen, 1977, S. 367 ff. 367 Dazu Dürig, i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG Komm., A r t . 1, Rdnr. 11 u n d A r t . 2, Rdnr. 1 u n d 2; siehe auch Matz, i n : v. Doemming / Füsslein / Matz, Die Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des GG, JöR N F 1, 1951, 42; Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, 1976, S. 137 ff.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
199
b) Die Grundrechte als Wertordnungssystem Nun sind es aber gerade die Faktoren, die i m Rahmen des traditionellen Grundrechtsverständnisses konstanzbildend gewirkt haben, an denen sich die K r i t i k hauptsächlich entzündet hat. Sie hat dazu geführt, daß heute Grundrechtsauslegung von vielfach verschiedenen Ansatzpunkten aus betrieben werden kann 3 8 8 und i n einer nicht seltenen Zahl von Fällen durch diese Vorentscheidung i m Methodischen das Ergebnis bereits festgelegt wird. Ausgangspunkt der K r i t i k ist einmal der angebliche Mangel der bürgerlich-rechtsstaatlichen Grundrechtstheorie an theoretisch-dogmatischer Wirklichkeitsbeziehung 389 und zum anderen ihre vorgebliche Blindheit gegenüber den tatsächlichen Grundrechtsvoraussetzungen 370 . Konkret verbirgt sich hinter diesen Thesen der Vorwurf, keine ausreichenden grundrechtsdogmatischen Konsequenzen aus dem Wegfall des Dualismus von Staat und Gesellschaft gezogen zu haben. I m Vorhalt mangelnder theoretisch-dogmatischer Wirklichkeitsbeziehung kommt dies unmittelbar zum Ausdruck. I n der Rüge der Blindheit gegenüber den tatsächlichen Grundrechtsvoraussetzungen w i r d eine notwendige Folge dieses Grundrechtsverständnisses zum Anlaß genommen, u m aus der i n dem einen oder anderen Fall zu Tage tretenden mangelnden tatsächlichen Stimmigkeit dieser Grundrechtstheorie die Forderung nach ihrer grundsätzlichen Revision abzuleiten 371 . Es ist hier nicht der Ort, der Frage nachzugehen, inwieweit die oben skizzierten, auf das Grundrechtsverständnis zurückwirkenden Veränderungen eine so weitgehende Neubesinnung i n diesem Bereich notwendig 3β8 vgl E.-W. Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, N J W 1976, 2089 ff. m . w . N.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. A u f l . 1976, S. 24 ff.; Dreier / Schwegmann, Probleme der Verfassungsinterpretation, 1976, S. 13—47; H. J. Koch (Hrsg.), Die juristische Methode i m Staatsrecht, 1977, S. 15 ff.; Friedrich Müller, Juristische Methodik, 2. A u f l . 1976, S. 19 ff.; Forsthoff, Z u r Problematik der Verfassungsauslegung, Rechtsstaat i m W a n del, 2. A u f l . 1976, S. 153 ff.; Peter Schneider / Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, W D S t R L 20, 1963, I f f . , 53 ff.; Scheuner, Z u r Systematik u n d Auslegung der Grundrechte, Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 709 ff.; Schlinck, Bemerkungen zum Stand der Methodendiskussion i n der Verfassungsrechtswissenschaft, Der Staat 19, 1980, 73 ff. m. w . N. 369 y g i , dazu Scheuner, Die F u n k t i o n der Grundrechte i m Sozialstaat, Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 737 ff.; Häberle, Verfassungsinterpretation als öffentlicher Prozeß, i n : ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 1978, S. 121 ff.; ders., Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, S. 155; ders., Verfassungsinterpretation u n d Verfassunggebung, S. 182. 370 So E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1531 f. 371 a. A . Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 11 f. m i t H i n weisen auf die von i h m abgelehnten Ansichten; vgl. auch den Uberblick bei Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, 1979, S. 156 ff.
200
II. Teil: Verfassungskonformität
gemacht haben, denn sie ist als Faktum seit mehr als 50 Jahren existent. Es war Rudolf Smend, der als erster i m Jahre 1928 aus der Vielzahl der kritischen Stimmen am überkommenen staats- und verfassungsrechtlichen System 372 eine neue Theorie sowohl für den Staat als solchen, als auch für die Grundrechte formulierte 3 7 3 . I n Smends staatstheoretischem Denken, das maßgeblich durch die wertphilosophischen Arbeiten Theodor Litts 3 7 4 beeinflußt ist und das i n dem staats- und verfassungstheoretisch aktualisierten Begriff der Integration kulminiert, bilden die Grundrechte neben der Staatsformnormierung, dem Staatsgebiet und den Staatssymbolen den Kernbestand der sachlichen Integration 3 7 5 . Unter sachlicher Integration versteht Smend die einheitsstiftende und identitätsbildende Wirkung, die von einem geschlossenen System von Rechts- und Kulturwerten, als welches die Grundrechte betrachtet werden, auf die Gesamtheit der Angehörigen eines Staatsvolkes ausgeht, und diese i n ihrem Denken und Handeln, gleichsam als Ausdruck eines täglich neuen, zustimmenden Plebiszits 376 zu dieser Wertordnung verbindet 3 7 7 . Diesem neuen grundrechtsdogmatischen Ansatz von Smend ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spätestens seit dem bekannten L ü t h - U r t e i l 3 7 8 gefolgt 3 7 9 und hat diesen Weg aller K r i t i k zum 372 Z u m sog. Richtungsstreit während der Weimarer Zeit vgl. Smend, Die Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer u n d der Richtungsstreit, Festschrift f ü r Scheuner, 1973, S. 575 ff.; Friedrich, Der Methoden- u n d Richtungs-' streit, AöR 102, 1977, 161 ff. m . w . N.; Scheuner, 50 Jahre deutsche Staatsrechtswissenschaft i m Spiegel der Verhandlungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, AöR 97,1972, 349 ff. 373 Seinen grundrechtstheoretischen Standpunkt formulierte Smend u m fassend am 24. März 1927 i n seinem Mitbericht auf der Tagung der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer i n München, vgl. dazu dens., Das Recht der freien Meinungsäußerung, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A u f l . 1968, S. 89 ff. 374 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche A b h a n d lungen, S. 119, weist selbst auf diesen Einfluß hin. 375 Dazu Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 160—170, 260—268; ders., Integrationslehre, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 475 ff.; ders., A r t . Integration, Ev. Staatslexikon, 2. A u f l . 1975, Sp. 1024—1027; ders., Die politische Gewalt i m Verfassungsstaat u n d das Problem der Staatsform, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 68 ff., 85 ff. 376 So die i m m e r wieder zitierte Formel Ernest Renans, bei Smend, V e r fassung u n d Verfassungsrecht, S. 136; Heller, Staatslehre, 4. A u f l . 1970, S. 160. 377 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 264; Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. A u f l . 1966, S. 539 f.; ders., Die Verfassung als Programm der nationalen Integration, Festschrift f ü r Berber, 1973, S. 247 ff.; Hamel, Bedeut u n g der Grundrechte i m sozialen Rechtsstaat, 1957, S. 16 f.; Erich Kaufmann, Grundrechte u n d Wohlfahrtsstaat, i n : Wandersieb (Hrsg.), Recht, Staat, W i r t schaft, Bd. 4, 1953, S. 77 ff. 378 BVerfGE 7, 198 ff. 379 Dazu umfassend Goerlich, Wertordnung u n d Grundgesetz, 1973, S. 15 ff.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
201
Trotz fortbeschritten 380 . Die Konsequenzen, die sich aus dieser geisteswissenschaftlichen Methode für das Staatsrecht ergeben, sind vielgestaltig, sie sind hier aber nur insoweit von Belang, wie sie sich i m Grundrechtsbereich niederschlagen. Die grundrechtliche Freiheit ist nach dieser Betrachtung eine wertgebundene Freiheit und keine Freiheit zur Beliebigkeit 3 8 1 . Daraus ergibt sich, daß der Freiheitsgebrauch aufhört, grundrechtsgeschützt zu sein, wenn er wertantinomische Züge annimmt, denn der Inhalt der Freiheit ist wertdeterminiert. Die Bestimmung des i n einem Grundrecht verkörperten Wertes ergibt sich aus einem Prozeß von Wechselbezüglichkeiten und Bedingtheiten zwischen dem Grundrecht als solchem und dem von i h m Gebrauchmachenden sowie der Gesamtheit des Wert- und Kultursystems, i n das das einzelne Grundrecht eingefügt ist. Dieses Verfahren zur Wertermittlung, das jedem Gebrauch grundrechtlicher Freiheit vorausgehen muß, fördert indessen keine evidenten Ergebnisse zutage, da die oszillierende Bewegung der Wertentwicklung sich jedem einzelnen anders darstellt, so daß die maßgebliche Wertaussage von demjenigen getroffen wird, der i m Verfahren der Wertkontrolle das letzte Wort spricht 382 . Die i m Vergleich zur bürgerlich-rechtsstaatlichen Grundrechtstheorie ins Auge springenden Unterschiede bestehen i m Charakter der Grundrechte als primär objektiver Normen und nicht mehr subjektiver Ansprüche 383 sowie darin, daß über den Wertermittlungsprozeß die tatsächlichen Bedingungen der Grundrechtsverwirklichung i n das Grundrecht mit einbezogen sind. Damit vermeidet zwar die Werttheorie der Grundrechte einen der K r i t i k punkte, der gegen die bürgerlich-rechtsstaatliche Theorie eingewendet 380 Forsthoff, Die U m b i l d u n g des Verfassungsgesetzes, i n : Rechtsstaat i m Wandel, 2. A u f l . 1976, S. 130 ff.; ders., Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 126 ff., 147 ff.; H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, 1972, S. 9 ff.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 11 f.; zweifelnd auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 1982, S. 127 ff.; anders aber Benda, Rechtsstaat i m sozialen Wandel, AöR 101, 1976, 496 ff., 515 f. 381 So das Investitionshilfeurteil, BVerfGE 4, 15 f.; danach ist das Menschenb i l d des GG nicht das eines isolierten souveränen I n d i v i d u u m s ; das GG hat vielmehr die Spannung I n d i v i d u u m — Gemeinschaft i m Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit u n d Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten; dazu die K r i t i k v o n Forsthoff, Zur heutigen Situation einer Verfassungslehre, Rechtsstaat i m Wandel, 2. Aufl., S. 208. 382 Dies ist i m Verfassungssystem der Bundesrepublik das Bundesverfassungsgericht. Die K r i t i k an der Methode des Gerichts muß daher sorgfältig von der K r i t i k der I n s t i t u t i o n „Bundesverfassungsgericht" unterschieden werden; vgl. Carl Schmitt, Die Tyrannei der Werte, i n : ders. / Jüngel / Schelz, Die Tyrannei der Werte, 1979, S. 12 ff.; Forsthoff, Rechtsstaat i m Wandel, 2. A u f l . 1976, S. 243 ff., 254 ff. 383 E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1533; Ossenbühl, Die Interpretation der Grundrechte i n der Rechtsprechung des BVerfG, N J W 1976, 2102.
202
II. Teil: Verfassungskonformität
wurde, schafft dafür aber neue Ansatzpunkte der K r i t i k 3 8 4 dadurch, daß sie einer zuverlässigen Sinnermittlung der Grundrechte den Boden entzieht. I n ihrer konkreten Anwendung auf die vorliegende Problemstellung für das Eigentumsgrundrecht und das Recht der Enteignung ergibt sich hieraus, daß der Eigentumsinhalt nicht allein von dem bestimmt wird, was i n der Rechtsordnung als Eigentum ausgeformt ist, sondern daß über den Prozeß der sachlichen Integration zusätzlich ein weiteres dynamisches Element ins Spiel kommt, von dem der Sinngehalt des Eigentums m i t beeinflußt wird. Hieraus folgt, daß i n allen den Fällen, i n denen der einfache Gesetzgeber die i h m obliegende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (vgl. A r t . 153 Abs. 1 Satz 2 WRV; A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht m i t der nötigen Klarheit getroffen hat, die für wertende Betrachtungen keinen Raum mehr läßt, dem Verfassungsinterpreten Gestaltungsfreiheit zuwächst, deren äußerste Grenze von A r t . 14 Abs. 2 GG gezogen w i r d und deren innerste Grenze die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG bildet. Nun besteht angesichts der Abgewogenheit, die für die eigentumsrechtliche Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts 385 kennzeichnend ist, sicherlich insoweit kein Anlaß zur Klage über eventuellen richterlichen Dezisionismus 386 , es sei denn, daß die hierin zum Ausdruck kommende Zuständigkeitsverlagerung innerhalb der verfaßten Gewalten bereits für beklagenswert angesehen wird 3 8 7 . Auch reicht die Bandbreite des dezisionistischen Entscheidungsspielraumes bei weitem nicht aus, das Eigentumsrecht i n solch intensiver Weise umzuwerten, wie es erforderlich sein würde, u m dessen Schutzfunktionen gegenüber sozialen Umverteilungen aufzuheben. Der von A r t . 19 Abs. 2 GG geschützte M i n destbestand ist zwar keine mathematisch exakte Größe, doch liegt die hiervon gezogene verfassungsrechtliche Grenze m i t der i m Grundsatz 384 H. H. Klein, Grundrechte i m demokratischen Staat, 1972, S. 27 ff.; Forsthoff, Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, Rechtsstaat i m Wandel, 2. Aufl., S. 206 ff.; Podlech, Wertungen u n d Werte i m Recht, AöR 95, 1970, 185 ff., 201 ff.; Goerlich, Wertordnung u n d Grundgesetz, 1973, S. 131 ff. 385 Erstmals Zweifel i n dieser Hinsicht erweckt die Mitbestimmungsentscheidung, BVerfGE 50, 290 ff., obgleich die hier zum Vorschein kommende stärkere Differenzierung des Eigentumsschutzes nach dem Grad der Personenverbundenheit des Eigentums i m F e l d m ü h l e - U r t e i l (BVerfGE 14, 263, 276) schon angelegt ist; zu letzterem vgl. H. P. Ipsen, Das B V e r f G u n d das Privateigentum, AöR 91, 1966, 97; zum Mitbestimmungsurteil vgl. Reiner Schmidt, Das Mitbestimmungsgesetz auf dem verfassungsrechtlichen P r ü f stand, Der Staat 19, 1980, 248 ff. 388 Diese Gefahr sieht E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d G r u n d rechtsinterpretation, S. 1534 bei der Werttheorie der Grundrechte. 387 Vgl. dazu Hans Jochen Vogel, Videant judices, D Ö V 1978, 665 m. w . N.; Eckertz, Die Kompetenz des B V e r f G u n d die Eigenheit des Politischen, Der Staat 17, 1978, 183 f f .
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
203
bestehenden Sicherung des vermögensrechtlichen status quo 8 8 8 und dessen prinzipieller Privatnützigkeit 3 8 9 weit jenseits der umverteilungsrechtlichen Gefahrenschwelle. T r i f f t dieser Befund aber zu, so besteht auch bei Anwendung der geisteswissenschaftlichen Methode keine Gefahr für eine so weitgehende Aushöhlung des Eigentumsgrundrechtes, daß dieses Rechtsgut gegen soziale Umverteilungen keinen Schutz mehr abzugeben vermöchte. Wie stellt sich aber die Anwendung der Werttheorie der Grundrechte i m Falle der Enteignung dar? Sie ist i m Gegensatz zur Eigentumsgarantie für eine wertorientierte Betrachtung wenig disponiert. Hierfür sorgt der verfahrensrechtliche Charakter dieser Vorschrift, der sich einer materiellen Aufladung gegenüber abweisend verhält. Über das Entzugsobjekt Eigentum w i r d indessen i n die Enteignungsvorschrift ein materielles Moment eingeführt, doch bleibt dies auf den Eigentumsbegriff beschränkt und entfaltet i m Rahmen der Enteignung keine eigenständige, die Rechtsnatur dieser Vorschrift verändernde Wirkung. Der verfassungsrechtliche Sinngehalt der Enteignung beruht gerade darin, daß er die Möglichkeit zum Eingriff i n das verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgut Eigentum nur i n den Grenzen eines gesicherten Verfahrens erlaubt 3 9 0 . Behält dieses Verfahren, das, wie sich gezeigt hat, von der wertbezogenen Ausrichtung des Eigentums unberührt bleibt, seinen Charakter auch dann unverändert bei, wenn es als i n ein Gesamtsystem von Werten eingefügt betrachtet und ausgelegt wird? Eine A n t w o r t auf diese Frage setzt voraus, daß Klarheit über den Ansatzpunkt besteht, an dem das Wertsystem seine verändernde Wirkung zur Geltung bringen kann. Er könnte i m Eingriffsbegriff zu finden sein. Dieser Begriff, dem die Vorstellung zugrunde liegt, daß i n eine grundsätzlich unbegrenzte Freiheitssphäre durch den Staat eingegriffen w i r d 3 9 1 , stößt bei den Vertretern der Werttheorie auf entschiedene Ablehnung 3 9 2 . Diese 388 So Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaates, Rechtsstaat i m Wandel, 2. Aufl., S. 75; a. A . Papier, Beeinträchtigung der Eigentums- u n d Berufsfreiheit durch Steuern, Der Staat 11, 1972, 483 ff., 490 m. w . N. 389 So BVerfGE 24, 389; 26, 222; 31, 240; 37, 140; 38, 370; 50, 339; 52, 30; 58, 339; Reinhardt, i n : Reinhardt / Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 14 ff.; Rengeling, Das Grundeigentum als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie, AöR 105, 1980, 430; Maunz, Wandlungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, B a y V B l . 1981, 322. 390 Dazu Frenzel, H e r k u n f t u n d E n t w i c k l u n g des rechtsstaatlichen Verfahrensgedankens a m Beispiel des Enteignungsrechts, Der Staat 18, 1979, 592 ff. 391 Carl Schmitt, Grundrechte u n d Grundpflichten, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 208 f. 392 Krüger, Die Verfassung als Programm der nationalen Integration, Festschrift f ü r Berber, 1973, S. 247 ff.; ders., Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., S. 538 f., 542 f.; Hamel, Die Bedeutung der Grundrechte i m sozialen Rechts-
204
II. Teil: Verfassungskonformität
Betrachtung lasse den „eingreifenden" Staat als die Verkörperung der Unfreiheit erscheinen 393 und pflege ein Denken i n Antinomien 3 ® 4 , das dem Rechts- und Sozialstaat, wie i h n das Grundgesetz errichtet habe, zuwiderlaufe 395 . Freiheit, Recht und Staat seien keine Entgegensetzungen, sondern Bedingtheiten 3 9 6 , so daß es bei der Eingrenzung und Konkretisierung der i n ihrer Bedeutung offenen Grundrechte 397 nur u m ein Denken i n Immanenzen 398 gehen könne. N u n w i r d durch das Immanenzdenken die hinter der Eingriffsproblematik stehende Divergenz zwischen persönlicher Freiheit und Allgemeininteresse nicht gegenstandslos, sondern dieser K o n f l i k t bzw. dieses Spannungsverhältnis verlagert sich i n das einzelne Grundrecht hinein und t r i t t bei der Problematik seiner Inhaltsbestimmung, wenn auch auf einer anderen Ebene, wieder voll i n Erscheinung. Das Schrankenproblem wandelt sich zu einem Inhaltsbestimmungsproblem. Damit aber nicht genug. Liegt bereits nach den bisher zum Immanenzdenken getroffenen Feststellungen die Vermutung nahe, daß dieses der Werttheorie notwendig verbundene Denken i n „Harmonisierungen" 3 9 9 nur eine Fassade, eine „terminologische Manipulation" vorstellt, so gerät diese jeden Eingriff leugnende Theorie i n unüberwindliche Explikationsschwierigkeiten, wenn, wie i m Falle der Enteignung, der Verfassungstext selbst von der Existenz einer Eingriffsmöglichkeit ausgeht. Gleichgültig, ob und wie auch immer vom Boden der Werttheorie und des Immanenzdenkens die Existenz eines Enteignungseingriffs m i t der Leugnung der generellen Eingriffsnotwendigkeit i n den Grundrechtsbereich „harmonisiert" 4 0 0 werden kann, u m die Tatsache, daß es sich bei der Enteigung u m einen Staat, 1957, S. 38 ff.; auch Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 19 f. 393 Dazu Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., V o r w o r t , S. X V I I . 394 Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 232; Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien, W D S t R L 17, 1959, 46 f. 395 Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 27. 396 So Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, 1976, S. 201 f., 205 ff. 397 E.-W. Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, N J W 1976, 2091 f. 398 Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 51 ff.; Hamel, Die Bedeutung der Grundrechte i m sozialen Rechtsstaat, S. 38 ff.; dagegen kritisch Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, 1975, S. 75 ff.; dazu Häberle, „Positivismus" als Historismus, i n : ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 1978, S. 322 ff. 399 Dazu H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, 1972, S. 61 ff.; K l e i n wendet sich gegen Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 150 ff., 224 ff.; hierauf hat Häberle, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, i n : ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 579 ff. repliziert. 400 Insoweit kritisch zu Häberle Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmat i k , 1977, S. 133 ff.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
205
verfassungsgesetzlich anerkannten Eingriff handelt 4 0 1 , ist nicht herumzukommen. A u f diesen ist daher all das, was die Werttheorie und das Immanenzdenken gegen das Eingriffsdenken einzuwenden haben, ohne Belang. Hieraus und aus den oben zum Verhältnis des Eigentumsrechts und der Enteignung i m Lichte der Werttheorie gezogenen Folgerungen ergibt sich dann, daß die Werttheorie auf den verfassungsrechtlichen Enteignungsbegriff weder über das werttheoretisch erfaßbare Eigentum noch über die Verfassung als Wertsystem i m Ganzen, einen Einfluß zu gewinnen vermag, der zu Abweichungen vom traditionellen Verständnis der Enteignung führen könnte. Ist dies aber der Fall, dann hat dieser neue grundrechtstheoretische Ansatz auch nicht zur Folge, daß Eigentum und Enteignung den tatsächlichen Voraussetzungen der Grundrechtsgeltung soweit geöffnet und so sehr dynamisiert werden können, daß m i t Hilfe dieser beiden Verfassungsnormen, jedenfalls aber nicht gegen ihren ausdrücklichen Widerstand, eine soziale Umverteilung von Grund und Boden i n die Tat umgesetzt werden kann. c) Das institutionelle
Grundrechtsverständnis
M i t der Werttheorie der Grundrechte ist die institutionelle Grundrechtstheorie verbunden 4 0 2 durch einen inhaltlich vorbestimmten Freiheitsbegriff 403 . Während aber i m Falle der Werttheorie die Bestimmungskriterien aus letztlich nur wertphilosophisch zu ermittelnden objektiven Bezügen abgeleitet werden, geschieht dies bei der institutionellen Grundrechtstheorie dadurch, daß die Ordnungsidee des Grundrechts aus den Sachgegebenheiten der Lebensverhältnisse, auf die es normativ wirken soll, ihre Bestimmung erhält 4 0 4 , diese i n sich aufnimmt und sie normativ reflektiert. Die inhaltliche Konkretisierung eines 401
So Β GHZ 6, 270; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG K o m m . A r t . 14, Rdnr. 71; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 120; u m fassend m i t einem Uberblick über die Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte u n d des BVerfG; Gronefeld, Preisgabe u n d Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, 1972, S. 13—20. 402 So Ossenbühl, Die Interpretation der Grundrechte i n der Rechtsprechung des BVerfG, N J W 1976, 2103; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1532; Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, 1976, S, 218 ff. m. w . N. 403 Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, S. 228 ff.; Luhmann, Grundrechte als Institution, 1965, S. 12; kritisch Η. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, S. 25; auch Friedrich Müller, N o r m s t r u k t u r u n d N o r mativität, 1966, S. 85 f.; vgl. auch Steiger, Institutionalisierung der Freiheit? Z u r Rechtsprechung des B V e r f G i m Bereich der Grundrechte, i n : Schelsky (Hrsg.), Z u r Theorie der Institution, 1970, S. 92 ff. 404 Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 104 ff.; Steiger, Institutionalisierung der Freiheit?, S. 110 ff.; Scheuner, Die F u n k t i o n der Grundrechte i m Sozialstaat, i n : Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 749 f.; Η . H. Rupp, V o m Wandel der Grundrechte, AöR 101, 1976, 172 ff.
206
I I . Teil: Verfassungskonformität
Freiheitsrechtes v o l l z i e h t sich s o m i t i n F o r m e i n e r wechselbezüglichen Beeinflussung v o n N o r m u n d Realität sowie v o n Realität u n d N o r m 4 0 5 . F r e i h e i t i s t d a h e r e i n o b j e k t i v e s O r d n u n g s p r i n z i p , eine I n s t i t u t i o n 4 0 6 , d i e erst i n d e r n ä h e r e n r e c h t l i c h e n A u s g e s t a l t u n g s o w i e d e r A d a p t i o n v o n O r d n u n g s i d e e u n d Sachgegebenheiten e n t f a l t e t u n d
verwirklicht
wird. I n d i v i d u e l l e F r e i h e i t k a n n es als F o l g e d a v o n n u r nach M a ß g a b e solcher i n s t i t u t i o n a l i s i e r t e r F r e i h e i t s r ä u m e g e b e n 4 0 7 . Sie i s t u m so k o n kreter u n d inhaltsreicher, je stärker durchnormiert die institutionell g e w ä h r l e i s t e t e n L e b e n s v e r h ä l t n i s s e sind. I n dieser F e s t s t e l l u n g t r i t t e i n C h a r a k t e r i s t i k u m des i n s t i t u t i o n e l l e n Rechtsdenkens h e r v o r , das d u r c h z w e i gegenläufige k o m p l e m e n t ä r e T e n d e n z e n gekennzeichnet i s t : D i e A u f n a h m e d e r Sachgesetzlichkeiten d e r L e b e n s v e r h ä l t n i s s e i n d i e G r u n d r e c h t s n o r m schreibt z w a n g s l ä u f i g diese Sachgesetzlichkeiten fest. Dies ist die E n t w i c k l u n g v o n der Freiheit über die institutionelle F r e i h e i t z u m P r i v i l e g 4 0 8 . A u f d e r a n d e r e n Seite i s t s u b j e k t i v e F r e i h e i t n u r nach M a ß g a b e d e r o b j e k t i v i e r t e n i n s t i t u t i o n a l i s i e r t e n F r e i h e i t z u v e r wirklichen. Das ist der W e g v o n der Freiheit über die institutionelle Sinnerfüllung der Freiheit zur Pflicht 409. 405 Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 104 ff., 124 ff.; grundlegend f ü r die Auffassung Häberles w a r Hauriou, Die Theorie der I n s t i t u t i o n u n d der Gründung, i n : Roman Schnur (Hrsg.), Die Theorie der Institution, 1965, S. 35 m i t seinem Begriff der „institutions choses". 408 Dazu Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, S. 229; abweichend H . H . Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, S. 53—59; auch E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1532. 407 Freiheit u n d normative B i n d u n g sind nach diesem Verständnis keine Antinomien, sondern notwendig aufeinanderbezogen; dazu Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 96 ff., 116 ff.; H. H. Rupp, V o m Wandel der Grundrechte, AöR 101, 1976, 172 f.; die Vertreter dieser Auffassung müssen sich folgerichtig nach ihrer Sicht der Freiheit außerhalb v o n norm a t i v durchgeformten Lebensbereichen fragen lassen; auf dieses Problem hat Schnur i n der Besprechung von Häberles Wesensgehaltsgarantie, i n : DVB1. 1965, 490 k l a r hingewiesen; ebenso Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 139 ff.; umfassend dazu Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d Grundrechte, 1975, S. 49 ff. 408 v g l dazu E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1533; Carl Schmitt, Die drei A r t e n des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1935, S. 5 ff.; die privilegierende F u n k t i o n zeigt sich beim Grundrecht der Pressefreiheit u n d bei der Koalitionsfreiheit; vgl. bezüglich der Pressefreiheit Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, 1969, S. 22 ff. ; Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, 1974, G 25 ff.; Werner Weber, Innere Pressefreiheit als Verfassungsproblem, 1973, S. 53 f.; vgl. bezüglich der Koalitionsfreiheit BVerfGE 4, 96 ff.; dazu die K r i t i k von Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 1541; ders., Der V e r fassungsschutz der Zeitungspresse, S. 23 f.; Czajka, Pressefreiheit u n d „öffentliche Aufgabe" der Presse, 1968, S. 98 ff. 409 Vgl. E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1533; das institutionelle Pflichtenmoment ist als „Pflicht" des Staates zur Schutzgewährung w e i t h i n anerkannt; vgl. BVerfGE 39, 1,
1. Kap., I V . Enteignung als Umverteilungsmittel Kein
Freiheitsrecht,
auch n i c h t
das E i g e n t u m s r e c h t ,
207 kann
diesen
K o n s e q u e n z e n des i n s t i t u t i o n e l l e n Rechtsdenkens e n t g e h e n 4 1 0 , o b g l e i c h gerade b e i diesem F r e i h e i t s r e c h t d i e o b j e k t i v r e c h t l i c h e K o m p o n e n t e i n F o r m d e r I n s t i t u t s g a r a n t i e des E i g e n t u m s b e r e i t s seit l ä n g e r e r
Zeit
a n e r k a n n t i s t 4 1 1 . D i e i n s t i t u t i o n e l l e G a r a n t i e des E i g e n t u m s h a t j e d o c h e i n e n anderen, d i e o b j e k t i v - r e c h t l i c h e F u n k t i o n des E i g e n t u m s b e i w e i t e m n i c h t so s t a r k a k z e n t u i e r e n d e n S i n n 4 1 2 . Sie v e r f o l g t d e n Z w e c k , d i e individualrechtliche
F u n k t i o n des E i g e n t u m s d a d u r c h z u
verstärken,
daß sie i m R a h m e n d e r verfassungsrechtlichen E i g e n t u m s g a r a n t i e d e n das E i g e n t u m ausmachenden t r a d i t i o n e l l e n N o r m e n b e s t a n d i n seinem Wesensgehalt u n t e r V e r f a s s u n g s g a r a n t i e stärkungstendenz
414
stellt413. Eine derartige
Ver-
d u r c h i n s t i t u t i o n e l l e A b s i c h e r u n g v o n i n d e r ge-
samten Rechtsordnung ausgeformten S t r u k t u r e n hat bei allen inhaltlich offenen Verfassungsbegriffen i h r e n guten Grund. Nicht n u r b e i m v e r fassungsrechtlichen E i g e n t u m , s o n d e r n auch b e i m B e g r i f f oder des B e r u f s b e a m t e n t u m s
416
w i r d die inhaltliche
der
Ehe415
Konkretisierung
41 ff.; Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, 1979, S. 211 ff.; weniger deutlich t r i t t dies als „Pflicht" des einzelnen hervor, so aber Geiger, G r u n d rechte u n d Rechtsprechung, 1959, S. 53; vorsichtiger Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., S. 546 ff.; eindeutig ablehnend Merten, Grundpflichten i m Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, B a y V B l . 1978, 554 ff., 557; siehe auch Badura, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, DVB1. 1982, 861 ff.; Bethge, Die verdrängten Grundpflichten des Bürgers, D Ö V 1982, 609 ff.; Schuppert, Uber Grundpflichten des Bürgers u n d die Funktionen des Verwaltungsverfahrens, AöR 107, 1982, 614 ff. 410 Calliess, Eigentum als Institution, i n : Schelsky (Hrsg.), Z u r Theorie der Institution, 1970, S. 120 ff. 411 So schon Martin Wolff, Reichsverfassung u n d Eigentum, Festgabe f ü r K a h l , 1923, S. 5 f. 412 Z u den unterschiedlichen Deutungen des institutionellen Rechtsdenkens i m Verhältnis zur Freiheit vgl. Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, S. 218 ff. 413 Das w a r die von Carl Schmitt, Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien der Reichsverfassung, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 140 ff. m i t dem Begriff der institutionellen Garantie verfolgte Absicht. I n der einfachen Legalität ausgeformte Institute erhalten durch die verfassungsgesetzliche Garantie gegenüber dem Z u g r i f f des Gesetzgebers einen gewissen Bestandsschutz, während die verfassungsgesetzliche Garantie durch die Normenkomplexe inhaltlich ausgeformt w i r d . Die Verstärkungsfunktion, die sich damit f ü r subjektive, dem Normenkomplex zugehörige subjektive Rechte ergibt, betont zu Recht BVerfGE 50, 290 ff., 337 unter Bezugnahme auf BVerfGE 7, 205. 414 Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, 1976, S. 218 ff. weist zutreffend nach, daß institutionelles Rechtsdenken nicht n u r eine Verstärkung der i n d i viduellen Freiheit bedeuten kann. 415 Carl Schmitt, Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien, S. 152; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG, K o m m . A r t . 6 Rdnr. 6; Leibholz / Rinck, Grundgesetz, Komm., 6. Aufl. ab 1979, A r t . 6 Rdnr. 1; BVerfGE 6, 72; 24, 135; 31, 67. 416 Franz Mayer, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, Festschrift f ü r A r n o l d Gehlen, 1974, S. 227 f., 229 f.; Lecheler, Die „hergebrach-
208
II. Teil: Verfassungskonformität
des Begriffs aus Normenkomplexen und realen Gegebenheiten bezogen, deren prinzipielle Absicherung durch die institutionelle Garantie eine stabilisierende Funktion 4 1 7 für den Begriff als solchen zur Folge hat. Inhaltliche Konkretisierungen des einfachen Gesetzgebers finden am Wesensgehalt oder am Kernbestand der institutionellen Garantie 4 1 8 ihre Grenze. Der jenseits dieser Grenze liegende eigentumsrechtliche Schutzbereich ist die individualrechtliche Eigentumsgarantie, der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung. I m Falle der institutionellen Grundrechtstheorie liegt dagegen der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung eindeutig auf dem objektiven Hecht 419 . Hinzu kommt, daß die Betonung der objektivrechtlichen Funktion sich auf alle Grundrechte erstreckt 420 und nicht auf wenige inhaltlich offene Begriffe beschränkt ist, wie dies für die institutionellen Garantien kennzeichnend ist 4 2 1 . Die Konsequenzen dieser Grundrechtstheorie für die Grundrechte i m allgemeinen und die Eigentumsgarantie i m besonderen lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß der durch die jeweilige Vorschrift zu sichernde Freiheitsraum eingebunden ist i n die institutionelle Rahmenordnung und der Freiheitsgebrauch nur nach Maßgabe dieser Rahmenordnung erfolgen kann 4 2 2 .
ten Grundsätze des Berufsbeamtentums" i n der Rechtsprechung des B V e r f G u n d des BVerwG, AöR 103, 1978, 349 ff., 353 m. w . N. 417 Es liegt hier eine dialektische Zuordnung von Freiheit u n d I n s t i t u t i o n i m Sinne von Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, 1976, S. 224 f. vor. Vgl. auch Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 116 ff. 418 Dazu Quaritsch, A r t . Institutionelle Garantie, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 1022 ff. 419 So auch Ossenbühl, Die Interpretation der Grundrechte i n der Rechtsprechung des BVerfG, N J W 1976, 2103 f.; Schmitt Glaeser, Die Meinungsfreiheit i n der Rechtsprechung des BVerfG, AöR 97, 1972, 60 ff., 97 ff.; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1532; Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, S. 222; Scheuner, Z u r Systematik u n d Auslegung der Grundrechte, i n : ders., Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 709 ff., 728—732. 420 Scheuner, Z u r Systematik u n d Auslegung der Grundrechte, S. 729; Quaritsch, A r t . Institutionelle Garantie, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 1024; H. H. Rupp, V o m Wandel der Grundrechte, AöR 101, 1976, 165; Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, Festvortrag zum 50. DJT, 1974, G 4; Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 75; ders., Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 70 ff.; H. H. Klein, R u n d funkrecht u n d Rundfunkfreiheit, Der Staat 20, 1981, 185 ff. 421 Carl Schmitt, Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien, S. 149 ff.; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1532; Scheuner, Die institutionellen Garantien des Grundgesetzes, i n : ders., Staatstheorie u n d Staatsrecht, 1978, S. 665 ff., 672 ff.; so auch Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, 92 ff. 422 So überzeugend Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, S. 229 f.; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1532.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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Eine soziale Umverteilung i n Gestalt eines transitorischen Enteignungseingriffes kann der einzelne Grundeigentümer nur dann abwehren, wenn die objektiv-rechtliche Eigentumsgewährleistung Eingriffen dieser A r t nicht zugänglich ist oder anders ausgedrückt, der eigentumsrechtliche Bestandsschutz zum traditionellen, dem einfachen Gesetzgeber entzogenen Kernbestand gehört. Dies kann nicht nur nach der langen Tradition des Eigentumsbegriffes, sondern auch aufgrund der konkreten Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes bejaht werden. Dieses gewährt dem einzelnen Eigentümer Bestandsschutz 425 , vermindert u m die verfassungsrechtlich vorgesehene Enteignungsmöglichkeit. Damit verlagert sich die Problematik vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff auf die Frage, ob die Enteignung unter dem Einfluß der institutionellen Grundrechtstheorie eventuell weitergehende Eingriffsbefugnisse i m Sinne der sozialen Umverteilung vermittelt. Ein derartiger Wirkungszusammenhang ist jedenfalls hinsichtlich des Eigentumsbegriffes zu verneinen. Zwar w i r d der Gestaltungsraum des Gesetzgebers infolge dieser Grundrechtstheorie grundsätzlich erweitert 4 2 4 . Von der Regelungsabsicht dieses grundrechtstheoretischen Ansatzes ist ein Abbau der eigentumsrechtlichen Schutzfunktion jedoch keineswegs bezweckt. Es ist i m Gegenteil ein zentrales Anliegen dieser Grundrechtstheorie, den Grundrechtsschutz durch die Festschreibung von einfachgesetzlichen Normbeständen zu verstärken. M i t dieser Zwecksetzung wäre es nicht zu vereinbaren, wenn m i t Hilfe der institutionellen Grundrechtstheorie bei der Eigentumsgarantie Raum für soziale Umverteilungen geschaffen würde. Was n u n die Anwendung einer institutionellen Betrachtung auf die Enteignung betrifft, so ist festzustellen, daß das mit dem Begriff Enteignung umschriebene Verfahren traditionell unwandelbar festliegt, jedenfalls soweit es sich u m den Totalentzug der Eigentumssubstanz handelt. Für grundrechtstheoretische Erweiterungsmöglichkeiten gibt es demnach insoweit keinen Raum. Eine institutionelle Auslegungsmethode der Grundrechtsvorschriften kann diese Tatsache nurmehr erneut betonen und für eine weitere Festschreibung dieses Tatbestandes sorgen. Eine verfassungsrechtliche Stütze für die transitorische Enteignung vermag die institutionelle Grundrechtstheorie nicht zu bieten.
423
Herzog, A r t . Eigentum, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 517 f. E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1532, r. Sp. 424
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Frey
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I I . Teil: Verfassungskonformität d) Das demokratisch-funktionale
Grundrechtsverständnis
Es b e g r e i f t d i e G r u n d r e c h t e v o n i h r e r ö f f e n t l i c h e n u n d p o l i t i s c h e n F u n k t i o n h e r 4 2 5 . Diese e r h a l t e n nach dieser T h e o r i e i h r e n S i n n u n d i h r e p r i n z i p i e l l e B e d e u t u n g als k o n s t i t u i e r e n d e F a k t o r e n eines f r e i e n P r o zesses 426 d e m o k r a t i s c h e r S t a a t s h e r v o r b r i n g u n g 4 2 7 u n d eines d e m o k r a tischen Prozesses p o l i t i s c h e r W i l l e n s b i l d u n g 4 2 8 . D a m i t i s t d i e A u f g a b e u n d d i e F u n k t i o n d e r G r u n d r e c h t e v e r l a g e r t v o n e i n e m Z u s t a n d der Kompetenzabschichtung zwischen Staat u n d Grundrechtsträgern 429 zu e i n e m i n n e r h a l b des s t a a t l i c h - ö f f e n t l i c h e n Bereiches v e r l a u f e n d e n P r o zeß z u r E r m ö g l i c h u n g u n d L e g i t i m i e r u n g d e m o k r a t i s c h e r H e r r s c h a f t . V o n diesem A n s a t z p u n k t aus v e r b i e t e t sich eine v o r s t a a t l i c h e G r u n d r e c h t s l e g i t i m i e r u n g 4 3 0 ebenso, w i e die B e l i e b i g k e i t i m G e b r a u c h 4 3 1 g r u n d r e c h t l i c h e r F r e i h e i t . D i e Substanz d e r F r e i h e i t i s t r e d u z i e r t a u f die G a r a n t i e eines V e r f a h r e n s , a n d e m t e i l z u n e h m e n d e m e i n z e l n e n n i c h t e i n m a l f r e i g e s t e l l t sein k a n n , d a sonst d i e A u f r e c h t e r h a l t u n g des V e r fahrens nicht m e h r gewährleistet ist432. Die inhaltliche Ausrichtung der 425 Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., S. 542 f.; Smend, Bürger u n d Bourgeois i m deutschen Staatsrecht, i n : ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 309 ff., 319; Ridder, Meinungsfreiheit, i n : Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, 2. A u f l . 1968, S. 243 ff., 259—262; ders., Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, 1975, S. 68 ff.; referierend E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1534 f.; kritisch Forsthoff, Die U m b i l d u n g des Verfassungsgesetzes, Rechtsstaat i m Wandel, 2. Aufl., S. 130 ff., 142 ff.; H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, 1972, S. 27 ff. 426 E i n Grundrechtsverständnis, i n dem das Dynamische, Verfahrensmäßige vorherrscht, begegnet bei Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 80 ff., dazu die Diskussionsbeiträge von Dürig, Böckenförde und Schmitt Glaeser, W D S t R L 30, 1972, 154 f., 162 ff., 172. 427 Dazu Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., S. 542 f.; ders., Die V e r fassung als Programm der nationalen Integration, Festschrift für Berber, 1973, S. 247 ff.; Grimm, Verfassungsfunktion u n d Grundgesetzreform, AöR 97, 1972, 489 ff., 495 f. 428 jr.-W". Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1534. 429 Vgl. d a z u j j H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, 1972, S. 47 ff.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht, 1968, S. 281 ff.; ders., Grundrechte u n d Demokratie, Der Staat 20, 1981, 165 ff. 430 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. Aufl., S. 163 f.; Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, 1976, S. 20 ff., kritisch S. 245; differenzierend H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, 1972, S. 53 ff. 431 Dazu Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. A u f l . 1905, S. 103 ff.; Thoma, Grundrechte u n d Polizeigewalt, Festgabe für das preußische OVG, 1925, S. 183 ff., 187. 432 Wenn der Staat, w i e Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., S. 542 meint, durch die Grundrechte konstituiert w i r d , so k a n n darunter n u r der Grundrechtsgebrauch verstanden werden. Die Entscheidung, von den grundrechtlichen Befugnissen keinen Gebrauch zu machen, richtet sich nach dieser Sicht gegen das Gemeinwesen u n d damit indirekt auch gegen den einzelnen Grundrechtsträger selbst. Bei einem solchen Verständnis der Grundrechte
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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Freiheit, i m Falle der institutionellen Grundrechtstheorie und der Werttheorie noch einigermaßen konkret, gewinnt bei der demokratischfunktionalen Grundrechtstheorie eine Weite und Unbestimmtheit, die kaum mehr zu übertreffen ist 4 3 3 . Sofern nur das demokratische Verfahren eingehalten ist, w i r d damit i m grundrechtsgeschützten Bereich so gut wie jede Regelung zulässig. A m Beispiel des verfassungsrechtlichen Eigentums kommt dies i n besonders eindrucksvoller Weise zum Ausdruck 4 3 4 . Die Offenheit des Eigentumsbegriffes bedarf zu ihrer inhaltlichen Konkretisierung der Ausgestaltung des Gesetzgebers. Ist dieser aber bei seinem Konkretisierungshandeln von inhaltlich-sachlichen Vorgaben freigestellt und nur an die Beachtung bestimmter Prozeduren gebunden, so steht es i n seinem Belieben, welche Konsequenzen er aus dieser Bevollmächtigung ziehen w i l l 4 3 5 . War er i m Falle der institutionellen Grundrechtstheorie an den Kernbestand der traditionell i n der Rechtsordnung ausgeformten Normen gebunden, dem i m Falle der Werttheorie eine wertgebundene Freiheit entspricht, so ist i h m bei konsequenter Anwendung der demokratisch-funktionalen Theorie prinzipiell jede Entscheidung erlaubt. Eingriffe i n den Eigentumsbestand m i t unterschiedlich weitreichender Intensität sind hiernach ebenso gestattet wie Maßnahmen m i t eigentumsverstärkender Tendenz. Angesichts dieser unkoordinierten Regelungsbefugnis des Gesetzgebers kann die Frage, ob er durch die Eigentumsgarantie und die verfassungsrechtliche Enteignungsmöglichkeit an der Einführung einer sozialen Umverteilung i n Form der transitorischen Enteignung gehindert ist, nur verneint werden, wenn nicht verfassungsrechtliche Vorw i r d letztlich aus dem Freiheitsrecht die Pflicht zum Gebrauch des Freiheitsrechts. 433 Zutreffend E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1535 1. Sp., auch H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, 1972, S. 30 f. 434 Gerade w e i l i n den Grundrechten „der Glaube an die wunderbare O r d nungskraft einiger großer Worte lebt", w i e Leisner sagt, u n d diese n u r dort einen können, w o Einigkeit schon besteht, erweisen sich diese i n Zeiten k o n troverser Überzeugungen als besonders anfällig. M a n braucht diese deswegen auch nicht zu ändern, w e i l sie sich flexibel veränderten Lagen anpassen. I n diesem Zusammenhang n i m m t das Eigentum eine hervorragende Position ein. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, den diversen Grundrechtstheorien i n ihren A u s w i r k u n g e n auf das Eigentumsgrundrecht breitere Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu v o r allem Leisner, Der Eigentümer als Organ der W i r t schaftsverfassung, D Ö V 1975, 73 ff., 76 ff.; ders., Demokratie, Selbstzerstörung einer Staatsform, 1979, S. 51 ff.; ders., Die demokratische Anarchie, 1982, S. 362 ff. 435 v g l , dazu Abendroth, Diskussionsbeitrag u n d Leitsatz Nr. 5, W D S t R L 12, 1954, 85 ff., 91; Ridder, Der Grundrechtsschutz des Eigentums, seine Grenzen u n d Beschränkungen i m öffentlichen Interesse, i n : Spanner / Pernthaler / Ridder, Grundrech isschutz des Eigentums, 1977, S. 53 f. 14*
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II. Teil: Verfassungskonformität
kehrungen eine eingeschränkte Anwendbarkeit der Theorie gebieten. I m Grundgesetz ist dies aber der Fall, denn die Einschränkung von Grundrechten ist nur begrenzt möglich und auch nur soweit es ausdrücklich zugelassen ist (Art. 19 Abs. 1 und 2 GG) 43e . Der Umfang solcher Einschränkungsbefugnisse ist sorgfältig abgestuft und für jedes einzelne Grundrecht gesondert und differenziert festgelegt 437 . Daraus geht zunächst hervor, daß die demokratisch-funktionale Grundrechtstheorie, sofern sie diesen Besonderheiten Rechnung trägt, eine dem Grundgesetz konforme Grundrechtstheorie sein kann. Weiterhin ergibt sich hieraus, daß die Respektierung des Wesensgehalts des jeweiligen Freiheitsrechts i m Grundgesetz für jede Grundrechtstheorie, also auch die demokratisch-funktionale, unabdingbare Anwendungsvoraussetzung ist. Damit schrumpft der weite Gestaltungsfreiraum, der m i t Hilfe dieser Theorie dem demokratischen Gesetzgeber verschafft werden könnte, auf das Maß zusammen, das i h m auch bei der liberal-rechtsstaatlichen Theorie zur Verfügung steht. Der Unterschied, der verbleibt, liegt nicht so sehr i m Ausmaß der gesetzlichen Freiheitsgestaltung, als i m Verhältnis von Freiheit und Bindung zueinander. W i r d dieses bei Anwendung der liberal-rechtsstaatlichen Grundrechtstheorie von einem prinzipiell unbegrenzten Freiheitsraum geprägt, dem durch gesetzliche Eingriffe, die bis zum Wesensgehalt des Grundrechts gehen können, Grenzen markiert werden 438 , so w i r d nach dem Verständnis der demokratisch-funktionalen Theorie die Freiheit durch die verfassungsrechtliche Grundrechtsgewährung erst hervorgebracht. Da die so begründete Freiheit eine am demokratischen Gedanken inhaltlich ausgerichtete Freiheit ist 4 3 9 , die auf die 43β stark die Grundrechtstheorie auf Einschränkbarkeit der G r u n d rechte z u r ü c k w i r k t u n d i n welchem Maße der hier vertretene Standpunkt v o n der rechtsstaatlich-liberalen Theorie beeinflußt ist, ergibt sich bei einem V e r gleich m i t Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d Grundrechte, 1975, S. 68 ff.; dazu kritisch Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 30 ff. 437 So E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1537 r. Sp. 438 Hier t r i t t dann das so oft kirtisierte Eingriffs- u n d Schrankendenken hervor; dazu Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht, 1976, S. 24 ff.; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen der Grundrechte, 1970, S. 19 ff.; Krüger, A l l g e meine Staatslehre, 2. Aufl., S. 422; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d G r u n d rechte, S. 66 f.; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 145 ff.; ders., Das Gemeinwohl als Schrankenschranke, AöR 95, 1970, 617 ff. 439 Die Vorstellung von der Einheit der Verfassung — dazu Hesse, G r u n d züge des Verfassungsrechts, 13. Auf1 1982, S. 12; Ehmke, Prinzipien der V e r fassungsinterpretation, W D S t R L 20, 1963, 77 f.; kritisch Friedrich Müller, Die Einheit der Verfassung, 1979, S. 225 f.; dient als Vehikel, u m die G r u n d rechte sozial u n d demokratisch aufzuladen. A u f diese Weise w i r d dem G r u n d gesetz ein inhaltlich strukturierter Freiheitsbegriff zugrundegelegt, so Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d Grundrechte, S. 53 ff., ablehnend E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1537; H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, S. 38 f.
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permanente Neukonstituierung des demokratischen Staates abzielt 440 , ist es nicht erforderlich, Bindungen von außen an sie heranzutragen. Sie trägt vielmehr ihre Bindungen bereits i n sich. Die Antinomie zwischen Freiheit und Bindung w i r d innerhalb des Freiheitsbegriffes neutralisiert, so daß die Wesensgehaltsgarantie auf eine rein deklaratorische Funktion zusammenschrumpft 441 . Wenn somit dem einzelnen Grundrechtsträger nur ein derart verkürzter Freiheitsbegriff dient, dann kehrt sich bei allen Berufungen auf Verletzung seiner individuellen Freiheit die Argumentations- und Beweislast zu seinen Lasten um 4 4 2 . I n dem hierin liegenden formal-rechtlichen Rollenvorteil, der dem Gesetzgeber einen erweiterten Handlungsrahmen verschafft, ist dann auch der substanzielle Unterschied zwischen der demokratisch-funktionalen Theorie und dem liberal-rechtsstaatlichen Grundrechtsverständnis zu erblicken. Das Gewicht dieses Rollenvorteils und der Umfang der hieraus ableitbaren Handlungsvollmachten w i r d sicherlich zu einem wesentlichen Teil von der Kontrollintensität der Verfassungsrechtsprechung bestimmt. Es mag deshalb auch Schwankungen unterliegen, doch sind selbst bei vollständiger Ausnutzung dieses Vorteils derart fundamentale Unterschiede, wie sie zwischen Eigentumsgarantie und Enteignung einerseits und sozialer Umverteilung andererseits bestehen, damit nicht zu verdecken. Die Enteignung kann deshalb auch nicht unter Zuhilfenahme dieser Theorie als ein M i t t e l zur Verwirklichung sozialer Umverteilung dienen. e) Das sozialstaatliche
Grundrechtsverständnis
Der direkte Weg, der von einem demokratisch-funktionalen zum sozial-staatlichen Grundrechtsverständnis führt, ist von Abendroth 4 4 3 schon sehr frühzeitig aufgezeigt worden. I n der Tat kann dieser Schritt auch sehr leicht vollzogen werden, denn wenn es dem demokratischen Gesetzgeber gestattet ist, den Inhalt der grundrechtlichen Freiheit festzulegen, ist es folgerichtig, daß er die Freiheit des einzelnen zugunsten gleicher Freiheit für alle beschränken kann. Ein solcher Schritt erweist sich als unumgänglich, wenn die Verfassung sich nicht m i t der Gewäh440 Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., S. 539—543; Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl., S. 160 ff., 215 ff., 260 ff. 441 So folgerichtig Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, S. 234 ff. 442 Vgl. ff. ff. Klein, öffentliche u n d private Freiheit, Der Staat 10, 1971, 145 ff., 168 ff. 448 Das Sozialstaatsprinzip w i r k t sich i m Bereich der Grundrechte i n der Weise aus, daß diesen Teilhaberechte entnommen werden können, vgl. Abendroth, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, Aussprache, W D S t R L 12, 1954, 87 ff., 91 Leitsatz 4.
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II. Teil: Verfassungskonformität
rung rechtlicher Freiheit begnügt 444 , sondern darüber hinausgehend den realen Freiheitsgebrauch i n ihre Gewährleistung m i t einschließt, wie dies von den Vertretern des sozialstaatlichen Grundrechtsverständnisses behauptet wird. I n diesem Fall ist es nicht nur erforderlich, die Freiheitsgewährleistung unter einen generellen Gemeinschaftsvorbehalt 445 zu stellen, sondern auch Anstrengungen zu unternehmen, u m die tatsächlichen Voraussetzungen zur Grundrechtsverwirklichung zu schaffen. Nach dieser Grundrechtstheorie hat sich nämlich die individuelle Freiheit zu einer Gleichheit i n der Teilhabe an den real geschaffenen Voraussetzungen der Freiheitsverwirklichung reduziert. Die Notwendigkeit staatlicher Sorge für die Verwirklichung grundrechtlicher Freiheiten kann i m Zeitalter der industriellen Massengesellschaft ernsthaft nicht i n Zweifel gezogen werden 4 4 6 . Es ist jedoch eine völlig andere Frage, ob die veränderte Lage eine grundrechtliche Pflicht zum Handeln gründen kann 4 4 7 , oder ihr vom Gesetzgeber aufgrund des Sozialstaatsprinzips i m Rahmen seiner politischen Prioritätenentscheidung Rechnung getragen werden muß 4 4 8 . W i r d diese Pflicht als grundrechtsgeboten betrachtet, so ergeben sich daraus eine Reihe von Schlußfolgerungen: Grundrechte gewähren nicht mehr ausschließlich negatorischen Schutz gegenüber staatlichen Beeinträchtigungen der Freiheitssphäre, sondern berechtigen zur Teilhabe 4 4 9 an den staatlichen bzw. vom 444 Friauf, Z u r Rolle der Grundrechte i m Interventions- u n d Leistungsstaat, DVB1. 1971, 675 ff.; Scheuner, Die F u n k t i o n der Grundrechte i m Sozialstaat, i n : ders., Staatstheorie u n d Staatsrecht, S. 753 ff.; Menzel, Die Sozialstaatlichkeit als Verfassungsprinzip der Bundesrepublik, D Ö V 1972, 537 ff., 543 f.; Martens, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 8 ff.; Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 66 ff.; anders Quaritsch, Neues u n d Altes über das Verhältnis von Kirche u n d Staat, Der Staat 5, 1966, 451 ff., 469; Barion, Feudaler oder neutraler Staat, D Ö V 1966, 361 ff., 367; u m fassend dazu Starck, Staatliche Organisation u n d staatliche Finanzierung als H i l f e n zu Grundrechtsverwirklichungen, Festgabe f ü r das BVerfG, Bd. 2, 1976, S. 484 ff. 445 So sah der Herrenchiemseer E n t w u r f i n A r t . 21 Abs. 4, S. 1 vor, daß die Grundrechte unter dem Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit, Sittlichkeit oder Gesundheit stehen, vgl. Matz, JöR N F 1, 1951, 177. 446 Hierauf zielt der von Forsthoff geprägte u n d wiederholt erläuterte Beg r i f f der Daseinsvorsorge; vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 368; H. H. Klein, A r t . Daseinsvorsorge, Leistungsverwaltung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 343 ff. 447 Martens, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 21 ff., 28 ff.; Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 90 ff. 448 So Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 689 ff.; auch Friesenhahn, Festvortrag zum 50. DJT, 1974, G 31 u n d Martens, W D S t R L 30, 1972, 146; anders Häberle, S. 93, der den Weg über die G r u n d rechte als zweckdienlicher ansieht, da die m i t der Sozialstaatsklausel „festgeschriebenen Dogmen den Weg versperren". I h m folgt insoweit BVerfGE 33, 303 ff. 449 So schon Abendroth, W D S t R L 12, 1954, 87; kritisch zum Teilhaberecht Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, Rechtsstaat i m W a n del, 2. Aufl., S. 75 f.; die Referate von Martens u n d Häberle auf der Regens-
1. Kap., I V . Enteignung als Umverteilungsmittel
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Staat geschaffenen E i n r i c h t u n g e n , d i e d e r R e a l i s i e r u n g g r u n d r e c h t l i c h e r F r e i h e i t dienen. D i e k o n k r e t e G r u n d r e c h t s g e w ä h r l e i s t u n g w i r d s o m i t abhängig v o n staatlichen V o r k e h r u n g e n u n d d a m i t i n i h r e r U n b e d i n g t heit relativiert. Der Grundrechtsvollzug deckt den gesamten Bereich p o l i t i s c h e n H a n d e l n s ab u n d w a n d e l t F r a g e s t e l l u n g e n v o n p o l i t i s c h e r Zweckmäßigkeit zu Rechtsproblemen u m 4 5 0 . Dies eröffnet der gerichtl i c h e n K o n t r o l l e e i n e n w e i t e n R a u m u n d v e r l a g e r t d i e staatliche L e t z t entscheidung i n d e n Z u s t ä n d i g k e i t s b e r e i c h d e r rechtsprechenden G e w a l t 4 5 1 . D e r e n E r k e n n t n i s s e z u G r u n d r e c h t s f r a g e n n e h m e n deshalb r e g e l m ä ß i g die B e d e u t u n g v o n V e r f a s s u n g s a u f t r ä g e n a n 4 5 2 , d i e v o n Gesetzgebung u n d v o l l z i e h e n d e r G e w a l t z u beachten sind. F ü r d e n e i n z e l n e n ergeben sich h i e r a u s k e i n e d u r c h s e t z b a r e n A n s p r ü c h e gegen d e n Staat, da d i e g r u n d r e c h t l i c h e V e r p f l i c h t u n g d e n S t a a t n u r o b j e k t i v rechtlich t r i f f t . burger Staatsrechtslehrertagung 1971 aktivierten die Diskussion u m den Teilhabecharakter der Grundrechte, vgl. Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 7 ff., 43 ff.; Friauf, Z u r Rolle der Grundrechte i m I n t e r ventions· u n d Leistungsstaat, DVB1. 1971, 675 f.; H. H. Rupp, Die verfassungsrechtliche Seite des Umweltschutzes, J Z 1971, 402; dens., V o m Wandel der Grundrechte, AöR 101, 1976, 183 ff.; Bethge, Z u r Problematik der Grundrechtskollisionen, 1977, S. 223 ff.; Betonung auf einen anderen Aspekt der Teilhaberechtsdiskussion, den der aktiven Teilhabe an geordneten rechtsstaatlichen Verfahren, legt Redeker, Grundgesetzliche Rechte auf Verfahrensteilhabe, N J W 1980, 1593 ff. m . w . N.; schon vorher Häberle, Die A k t u a l i t ä t des status activus processualis, i n : ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 1978, S. 677 ff.; Pitschas, Formelles Sozialstaatsprinzip, materielle Grundrechtsverw i r k l i c h u n g u n d Organisation sozialer Dienstleistungen, VSSR 5, 1977, 141, 167 f.; Breuer, Wirksamer Umweltschutz durch Reform des Verwaltungsverfahrens- u n d Verwaltungsprozeßrechts, N J W 1978, 1558 ff.; Blümel, Demokratisierung der Planung oder rechtsstaatliche Planung, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 9 ff., 19 ff.; ders., Masseneinwendungen i m Verwaltungsverfahren, Festschrift f ü r Werner Weber, 1974, S. 539 ff.; kritisch zum Teilhabecharakter der Grundrechte Friesenhahn, Festvortrag zum 50. D J T 1974, G 29 ff.; H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, S. 65 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 730 ff.; Jörg Paul Müller, Soziale Grundrechte i n der Verfassung?, ZSR 107, 1973, 831 ff., 865 f.; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG, K o m m . A r t . 20, Rdnr. 196, 198 ; Wiegand, Sozialstaatsklausel u n d soziale Teilhaberechte, DVB1. 1974, 657 ff. 450 v g l . dazu die Diskussionsbeiträge von Herzog, Kaiser, Böckenförde, i n : Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 147, 156, 164 f.; dazu auch E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1536 1. Sp. 451 Forsthoff, Rechtsstaat oder Richterstaat, Rechtsstaat i m Wandel, 2. Aufl., S. 243 ff.; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1536 1. Sp. 452 Maunz, Verfassungsaufträge an den Gesetzgeber, B a y V B l . 1975, 601 ff.; Kalkbrenner, Verfassungsauftrag u n d Verpflichtung des Gesetzgebers, D Ö V 1963, 41 ff.; Herzog, A r t . Programmsatz, Verfassungsauftrag, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 1934 f.; Denninger, Verfassungsauftrag u n d gesetzgebende Gewalt, J Z 1966, 767 ff.; Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, 1979, S. 207 f. ; Merten, Grundpflichten i m Verfassungssystem der Bundesrepublik, BayVbl. 1978, 555; kritisch Kuli, Verfassung als Parteiprogramm, Festschrift für Forsthoff, 1972, S. 213.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Ansprüche auf Leistungsgewährung bestehen lediglich i m Rahmen der bereits geschaffenen Grundrechtsrealisierungsvoraussetzungen. Z u diesem Ergebnis und zu den vorstehend genannten Folgen ist i m Wege einer sozialstaatlichen Überformung sowohl vom Boden eines inhaltlich determinierten Freiheitsbegriffes aus, als auch von der liberal-rechtsstaatlichen Grundrechtstheorie zu gelangen 453 . Die konkrete Anwendung der sozialstaatlichen Grundrechtstheorie auf das Eigentumsgrundrecht erhält eine zusätzliche Betonung durch die Tatsache, daß dem realen Freiheitsgebrauch die Verfügung über Eigentumsrechte i n besonderer Weise dient 4 5 4 . Der hervorgehobene Rang, der innerhalb der Eigentumsrechte dem Bodeneigentum zukommt, ist ohne weiteres einsichtig. Da aber eigentumsfreier Grund und Boden nicht mehr zur Verfügung steht, erlangt das Postulat einer gerechten Verteilung dieses Rechtsgutes i m Lichte dieser Grundrechtstheorie die Bedeutung eines Verfassungsauftrages zur Umverteilung. Seine Erfüllung, die i n erster Linie vom Gesetzgeber erwartet w i r d 4 5 5 , w i r f t jedoch kaum zu überwindende Schwierigkeiten auf, w e i l die vorhandenen Eigentümerpositionen durch die Verfassung m i t negatorischem Schutz versehen sind, der innerhalb der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums zumindest den gleichen Rang einnimmt wie der sozialstaatliche Verfassungsauftrag zur gerechten Verteilung, der i m gegebenen F a l l nur eine Umverteilung 4 5 8 bezwecken kann. Die Harmonisierung dieser beiden äntinomischen Tendenzen schließt es aus, daß die eine zu Lasten der anderen durchgesetzt wird. Für Umverteilungen ist daher nur auf freiwilliger Grundlage Raum. Als U m verteilungsgegenstand können deshalb nur solche Rechtspositionen i n Betracht kommen, über die der Staat als eigenes Vermögen verfügt, oder aber von denen der private Berechtigte sich f r e i w i l l i g zu trennen bereit ist. Jedes zwangsweise Hinwegsetzen über den Willen des Berechtigten wäre eine Dominierung des negatorischen Grundrechtsschutzes durch die sozialstaatliche Grundrechtstheorie. Dies hätte zur Folge, daß 458 So E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, N J W 1974, 1536 1. Sp. 454 Dazu BVerfGE 24, 389; 31, 239; 42, 76 f.; 46, 334; 50, 290 ff.; Benda, Bedeutung u n d Garantie des Eigentums i n unserem sozialen Rechtsstaat, 1967, S. 13 f.; Leisner, Demokratie, 1979, S. 51 ff. 455 Hierbei darf nicht außer Betracht bleiben, daß das B V e r f G f ü r die E r f ü l l u n g solcher Aufträge Fristen gesetzt hat, vgl. BVerfGE 25, 167; 33, 1; 40, 276; Rupp ν . Brünneck, Verfassungsgerichtsbarkeit u n d gesetzgebende Gewalt, AöR 1977, 1 ff., 20; dies., Darf das B V e r f G an den Gesetzgeber appellieren? Festschrift f ü r Gebhard Müller, 1970, S. 355 ff.; Pestalozza, „Noch v e r fassungsmäßige" u n d „bloß verfassungswidrige" Rechtslagen, Festgabe f ü r das BVerfG, Bd. 1, 1976, S. 519 ff., 558 ff. m. w . N. 456 Dazu Heinze, Autonome u n d heteronome Verteilung, 1970, S. 59 ff.; Merten / Frey, Umverteilung ohne Wirtschaftswachstum?, 1982, S. 4 ff., 9.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
217
es keine gesicherte Eigentümerposition mehr geben kann und eine permanente, allein vom aktuellen Bedürfnis gesteuerte Eigentumsverteilung sich durchsetzen würde 4 5 7 . Vom Kernbestand eines i n allen seinen Funktionen privatnützigen Eigentums bliebe unter solchen Umständen nicht mehr viel übrig, so daß die Grenze des A r t . 19 Abs. 2 GG hiermit überschritten wäre. M i t t e l einer so verstandenen Harmonisierung zwischen negatorischem Eigentumsschutz und sozialstaatlichem Verfassungsauftrag kann sonach nur eine Bodenwirtschaft 458 sein, die sich wiederum zu ihrer V e r w i r k lichung der Umlegung und des Verkaufsrechtes bedient. Demgegenüber scheidet die Enteignung als M i t t e l zur Verwirklichung des sozialstaatlichen Grundrechtsverständnisses i m Eigentumsbereich aus. Sie verlangt, daß der m i t der Eigentumsentziehung verfolgte Zweck höherrangig ist als der von dem bisherigen Rechtsinhaber m i t seinem Eigentum verfolgte Zweck. Hier gibt es nur die klare Entscheidung zwischen den kollidierenden Rechtsgütern kein „sowohl als auch", ganz abgesehen von den strukturellen Unterschiedlichkeiten, welche den Umverteilungszweck von den Enteignungszwecken trennen. Damit erweist sich auch die sozialstaatliche Grundrechtstheorie als eine untaugliche Methode, u m auf hermeneutischem Weg die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Eigentum und Enteignung die Verwirklichungsgrundlage sozialer Umverteilung abgeben. Die sozialen Grundrechte Das die sozialstaatliche Grundrechtstheorie beherrschende Anliegen — Herstellung und Gewährleistung realer Freiheit als grundrechtliches Gebot 459 — verbindet diese m i t den sozialen Grundrechten 400 . I n der 457 D a m i t wäre einer Dynamisierung des Eigentums T ü r u n d Tor geöffnet, was weder m i t der Institutsgarantie noch der Rechtsstellungsgarantie des A r t . 14 G G vereinbar ist; dazu Werner Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 356 ff., 361 ff.; Leisner, Die demokratische Anarchie, 1982, S. 362 f. 458 v g l . dazu Bielenberg, Vorkaufsrecht nach der Novelle zum BBauG, BBauBl. 1976, 458 ff.; dens., Empfehlen sich weitere bodenrechtliche V o r schriften i m städtebaulichen Bereich, Gutachten Β zum 49. DJT, 1972, Β 56 ff.; Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, S. 202 ff., 205; Dyong, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, Bundesbaugesetz, § 24, Rdnr. 4 a. 450 Young Huh, Rechtsstaatliche Grenzen der Sozialstaatlichkeit, Der Staat 18, 1979, 183 ff., 191 ff. 460 Dazu Hernekamp (Hrsg.), Soziale Grundrechte, 1979; Novak, Das Problem der sozialen Grundrechte, 1972, S. 3 ff.; Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19, 1980, 367 ff.; Jörg Paul Müller, Soziale G r u n d rechte i n der Verfassung?, ZSR 107, 1973, 708 ff.; Tomandl, Der Einbau sozialer Grundrechte i n das positive Recht, 1967, S. 5 ff.; Brunner, Die Problematik der sozialen Grundrechte, 1971, S. 3 ff.; Leibholz, Z u r Problematik der sozialen Grundrechte, i n : ders., Strukturprobleme der modernen Demokratie, 3. A u f l . 1967, S. 130; Badura, Grundfreiheiten der Arbeit. Z u r Frage einer K o d i f i k a t i o n „sozialer Grundrechte", Festschrift f ü r Berber, 1973, S. 11 ff.;
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I I . Teil: Verfassungskonformität
M e t h o d e , d i e dieses g e m e i n s a m e Z i e l sicherstellen soll, u n t e r s c h e i d e n sie sich jedoch. W ä h r e n d d i e sozialstaatliche G r u n d r e c h t s t h e o r i e aus d e m G r u n d r e c h t e i n G r u n d r e c h t s p r o g r a m m 4 6 1 e n t n i m m t , das als Verfassungsa u f t r a g 4 6 2 a n d e n Gesetzgeber m i t d e m A p p e l l z u r R e a l i s i e r u n g g e r i c h t e t ist, v e r f o l g e n d i e sozialen G r u n d r e c h t e dieses A n l i e g e n i n d e r Weise, daß sie d e n e i n z e l n e n G r u n d r e c h t s t r ä g e r u n m i t t e l b a r m i t verfassungsk r ä f t i g e n A n s p r ü c h e n a u f b e s t i m m t e staatliche L e i s t u n g e n ausstatten. „ D i e verfassungsrechtliche G e w ä h r l e i s t u n g b e s t i m m t e r s t a a t l i c h e r L e i s t u n g e n i n d e r F o r m i n d i v i d u a l r e c h t l i c h e r V e r b ü r g u n g e n 4 6 3 kennzeichnet d a m i t d e n B e g r i f f d e r sozialen G r u n d r e c h t e . S i e h t m a n e i n m a l v o n A r t . 6 A b s . 4 G G ab, so sucht m a n n a c h R e c h t e n b z w . A n s p r ü c h e n dieser A r t i m Grundgesetz v e r g e b l i c h . W e d e r w i r t s c h a f t l i c h e Sozialrechte, w i e e i n Recht a u f A r b e i t 4 6 4 , a u f W o h n u n g 4 6 5 , a u f soziale S i c h e r h e i t 4 6 6 , noch k u l t u r e l l e 4 6 7 Sozialrechte w i e e i n Recht a u f B i l d u n g 4 6 8 u n d I n f o r m a t i o n ders., Das Prinzip der sozialen Grundrechte u n d seine V e r w i r k l i c h u n g i m Recht der Bundesrepublik Deutschland, Der Staat 14, 1975, 17 ff.; Wildhaber, Soziale Grundrechte, Gedenkschrift für Imboden, 1972, S. 371 ff. 481 Tomandl, Der Einbau sozialer Grundrechte i n das positive Recht, S. 24 ff.; Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, V V D S t R L 30, 112 ff.; umfassend zur Verfassung als ein politisches Programm Krüger, Die Verfassung als Programm der nationalen Repräsentation, Festschrift f ü r E. R. Huber, 1973, S. 95 ff.; ders., Die Verfassung als Programm der nationalen Integration, Festschrift f ü r Berber, 1973, S. 247 ff.; ders., Die Verfassung als Programm der nationalen A k t i o n , Festschrift f ü r H. P. Ipsen, 1977, S. 79 ff. 462 Z u m Verfassungsauftrag allgemein vgl. oben Fn. 452; der Vorschlag von E.-W. Böckenförde, F A Z v. 27.2.1980 Nr. 49, S. 11, soziale Grundrechte als Verfassungsaufträge i n das Grundgesetz aufzunehmen, verschleiert, wie Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19, 1980, 382 f., A n m . 47 nachgewiesen hat, n u r die eigentliche Problematik der sozialen Grundrechte. 463 So J. P. Müller, Soziale Grundrechte i n der Verfassung?, ZSR 107, 1973, 832; Tomandl, Der Einbau sozialer Grundrechte i n das positive Recht, S. 30 f.; Leibholz, Die Problematik der sozialen Grundrechte, S. 131 sieht darin lediglich Bindungen des Gesetzgebers. 464 Vgl. dazu Badura, Grundfreiheiten der Arbeit, Festschrift f ü r Berber, 1973, S. 11 ff.; Hernekamp (Hrsg.), Soziale Grundrechte, S. 111 ff.; Wildhaber, Soziale Grundrechte, Gedenkschrift für Imboden, S. 375; Badura, Das Prinzip der sozialen Grundrechte u n d seine V e r w i r k l i c h u n g i m Recht der Bundesrepublik Deutschland, Der Staat 14, 1975, 17 ff., 37 ff.; J. P. Müller, S. 857 ff. 465 Vgl. A r t . 155 Abs. 1 S. 1 W R V ; Hernekamp (Hrsg.), Soziale Grundrechte, S. 211 ff. 466 Dazu Wildhaber, Soziale Grundrechte, S. 375; J. P. Müller, S. 758 ff.; Badura, Der Staat 14, 1975, 37 ff.; Zacher, Soziale Sicherung i n der sozialen Marktwirtschaft, VSSR 1, 1973, 97 ff. 467 Hernekamp (Hrsg.), Soziale Grundrechte, S. 219 ff.; Wildhaber, Soziale Grundrechte, S. 375; J. P. Müller, S. 864 ff.; Heymann / Ekkehart Stein, Das Recht auf Bildung, AöR 97, 1972, 185 ff. 468 Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19, 1980, 375 f.; Abelein, DÖV 1962, 375; Badura, Soziale Grundrechte i m Recht der Bundesrepublik, Der Staat, 14, 1975, 23, 44; K r i t i k zum Recht auf einen Studienplatz übt Isensee, Der Staat 19, 1980, 376 f.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
219
sind dort berücksichtigt. Dies hat Gründe, die auf die spezifischen deutschen Erfahrungen m i t den sozialen Verheißungen i m zweiten Hauptteil der Weimarer Reichsverfassung zurückzuführen sind 4 6 9 , die aber unabhängig von deutschen Grundrechtsbesonderheiten auch i n Ländern mit völlig anderer Verfassungstradition gemacht werden, bzw. gemacht worden sind und i n der Struktur der sozialen Grundrechte ihre Ursache haben. Die besondere Struktur der sozialen Grundrechte besteht i n einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung darin, daß es dem Staat als Adressaten des grundrechtlichen Leistungsanspruchs meistens an der Dispositionsbefugnis über den Anspruchsgegenstand fehlt 4 7 0 . Hinzu kommt, daß der Anspruchsgegenstand i n der Regel so komplexer Natur ist, daß er sich einer klaren und verbindlichen begrifflichen Kennzeichnung auf der Verfassungsebene entzieht 471 . Schließlich verliefe die A n wendung derart unvollständig konkretisierten Verfassungsrechts nicht ohne Schaden für die Verfassung, insbesondere die Gewaltenteilung. Andererseits würde aber der verfassungskräftig gewährte Anspruch völlig entwertet werden, wenn er unter den Vorbehalt eines konkretisierenden, den Vollzug erst ermöglichenden einfachen Gesetzes gestellt würde 4 7 2 . Diese Besonderheiten der sozialen Grundrechte sind, wenn überhaupt, nur gegen einen sehr hohen Preis zu vermeiden: Der Relativierung der grundrechtlichen Bedeutung bis zum Programmsatz und der Verunklarung ihres traditionellen Verständnisses sowie u m den Preis der D r i t t wirkung. Da aber das Grundgesetz nach eindeutiger Verfassungsentscheidung nicht bereit ist, diesen Preis zu zahlen 478 , verhält es sich allgemein und insgesamt gegenüber sozialen Grundrechten abweisend 474 . 4β9 Werner Weber, Die verfassungsrechtlichen Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, i n : ders., Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, 3. Aufl. 1970, S. 249 ff., 254 ff.; Stern, Das Staatsrecht der B u n desrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 732; Friesenhahn, Der Wandel des G r u n d rechtsverständnisses, Festvortrag, 50. D J T 1974, G 14 ff.; Schambeck, G r u n d rechte u n d Sozialordnung, 1969, S. 95 ff. Vgl. demgegenüber Kap. 4 des E n t wurfs einer Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, insbes. A r t . 26, i n : AöR 104, 1979, 475 ff. 470 So Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19, 1980, 378 f. unter Hinweis auf die T a r i f autonomie; Brunner, Die Problematik der sozialen Grundrechte, S. 14; Tomandl, S. 31. 471 So zutreffend Tomndl, S. 33 f.; Schambeck, Grundrechte u n d Sozialordnung, 1969, S. 103. 472 Tomandl, S. 46; anschaulich dazu Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19, 1980, 376. 473 Dazu Matz, JöR N F 1, 1951, 43 f.; vgl. die Äußerungen der Abgeordneten Heuß u n d Z i n n bei Matz, S. 43 f. 474 So auch Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, Festvortrag 50. D J T 1974, G 14 f.; J. P. Müller, Soziale Grundrechte i n der V e r -
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II. Teil: Verfassungskonformität
Die gleiche abweisende Haltung nimmt gegenüber ihrer Behandlung als soziales Grundrecht die Eigentumsgarantie ein, obgleich diese als M i t t e l der realen Freiheitssicherung ohne weiteres als wirtschaftliches Sozialrecht gedacht werden könnte. Der Grund hierfür liegt i m totalen Antagonismus zwischen dem Eigentumsgrundrecht als Gewährleistung des vermögensrechtlichen status quo 4 7 5 und der Intention der sozialer* Grundrechte. Diese umfassen einen Prozeß dauernder Leistungsgewährung, der bei einem nur i n beschränktem Maße zur Verfügung stehenden Gut vor der bestehenden Verteilungsordnung nicht halt machen kann, wenn er nicht seinen Zweck und damit den Sinn seiner Existenz verfehlen w i l l . Aus diesem Tatbestand folgt zwingend, daß eine Verfassung, die m i t der Eigentumsgarantie ernst macht, die bestehende Verteilungsordnung i m Grundsätzlichen anerkennen muß. Weiterhin ergibt sich hieraus notwendig, daß i n bezug auf das Eigentumsrecht, die für die sozialen Grundrechte geltenden Konsequenzen nicht gezogen werden dürfen, selbst wenn die Verfassung i m übrigen soziale Grundrechte gewährt. Dieser Befund findet Bestätigung durch die Verfassungspraxis i n all den rechtsstaatlich-freiheitlichen Ländern, die soziale Grundrechte ebenso wie das Eigentum verbürgen 4 7 8 . Aus der grundsätzlich abweisenden Einstellung des Grundgesetzes gegenüber sozialen Grundrechten, die i n einem teilweise offenen Gegensatz zu den Verfassungen mancher deutschen Bundesländer steht 477 , aber auch aus der Funktion der Eigentumsgarantie i n einer rechtsstaatlichen Verfassung soziale Grundrechte, selbst wenn sie noch nachträglich i n die Verfassungsurkunde aufgenommen werden sollten, weder verfassungskräftige Ansprüche auf Umverteilung vermitteln noch Spielraum für den Gesetzgeber zur Verwirklichung derartiger Vorstellungen zu schaffen vermögen.
fassung?, ZSR 107, 1973, 825 ff.; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, G G Komm., A r t . 20, Rdnr. 197; offen dazu Stern, A r t . Sozialstaat, Ev. Staatslexikon, 2. A u f l . 1975, Sp. 2405; ders., Das Staatsrecht der Bundesrepublik, Bd. 1, S. 732; Starck, Organisation u n d Finanzierung als H i l f e n der G r u n d rechtsverwirklichungen, Festgabe f ü r das BVerfG, Bd. 2, 1976, S. 480 ff., 516 ff.; bejahend Badura, Soziale Grundrechte i m Recht der Bundesrepublik, Der Staat 14, 1975, 17 ff.; Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30, 1972, 90 ff.; mehr praktische als rechtstheoretische Vorbehalte äußert Wildhaber, Soziale Grundrechte, S. 387, 390 f. 475 So Heinze, Autonome u n d heteronome Verteilung, 1970, S. 61 ; keine u n eingeschränkte Besitzstandswahrung Benda, Bundessozialgericht u n d Sozialstaatsklausel, N J W 1979,1001 ff., 1003. 476 Brunner, Die Problematik der sozialen Grundrechte, S. 13 ff.; zu den Rechten der europäischen Sozialcharta, vgl. Schambeck, Grundrechte u n d Sozialordnung, S. 59 ff.; Novak, Das Problem der sozialen Grundrechte, S. 8 ff.; Tomandl, S. 24 ff. 477 Vgl. dazu Maunz, Landesverfassungen u n d Grundgesetz, i n : 30 Jahre Grundgesetz, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 78.1979, S. 87 ff.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
221
g) Die Grundrechte als Verfahrensgarantien Der Kanon unterschiedlicher grundrechtstheoretischer Interpretationsansätze hat i n jüngster Zeit eine abermalige Erweiterung durch die Betonung der grundrechtlichen Verfahrensgarantie erfahren. Dieser i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 478 zu den großtechnischen Anlagen i m Anschluß an verschiedene wissenschaftliche Publikationen 4 7 9 entwickelte grundrechtstheoretische Ansatz entnimmt den materiellen Grundrechten verfahrensbezogene Gewährleistungsgarantien 4 8 0 , die darauf abzielen, die grundrechtliche Schutzfunktion nicht erst i n konkreten Entscheidungssituationen, sondern bereits i n dem zur Entscheidung führenden Verfahren zu entfalten. Effektiver Rechtsschutz durch Verfahrensteilhabe sowie durch grundrechtsbezogene Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens ganz allgemein ist daher das zentrale Regelungsanliegen dieser Interpretationsmethode 481 . Die Einbeziehung des Verfahrensrechtes i n die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte stellt jedoch i n der Sache nichts grundsätzlich Neues dar 4 8 2 . Die Aufforderung an den einfachen Gesetzgeber, die grundrechtlichen Wertsetzungen i n der Rechtsordnung zu objektivieren, finden sich, wenn auch i n einer überwiegend materiellrechtlichen Orientierung, bereits bei der institutionellen und bei der Werttheorie der Grundrechte. M i t der verstärkten verfahrensbezogenen Ausrichtung des Grundrechtsschutzes verfolgt das Bundesverfassungsgericht die Absicht, die grundrechtlichen Defizite i n den Verwaltungsverfahrensgesetzen einer ausschließlich verfahrensbezogenen verfassungsgerichtlichen Kontrolle zu erschließen 483 . Dieses Bestreben, das i n der Konsequenz der u m Ausweitung ihrer Prüfungsbefugnisse bemühten Verfassungsrechtsprechung liegt, 478 BVerfGE 53, 30 ff., 62 ff. 479 Blümel, Fünftes Deutsches Atomrechts-Symposium, 1976, S. 227 f. ; ders., Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung, i n : Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, 1982, S. 23 ff.; Kimminich, Fünftes Deutsches A t o m rechts-Symposium, 1976, S. 266 f.; dazu a u d i Goerlich, Grundrechte als V e r fahrensgarantien, 1981, S. 217 ff.; ders., Nachbarschutz durch Verfahrensrechte, D Ö V 1982, 633 f.; Redeker, Grundgesetzliche Rechte auf Verfahrensteilhabe, N J W 1980, 1593 ff.; Ossenbühl, Das Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz u n d Rechtsschutzauftrag, N J W 1982, 465; Steinberg, Komplexe Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz u n d Rechtsschutzauftrag, D Ö V 1982, 619 ff.; Schuppert, Uber Grundpflichten des Bürgers u n d die Funktionen des Verwaltungsverfahrens, AöR 107, 1982, 614 ff., 621 ff. 480 Vgl. BVerfGE 37, 132; 40, 325; 49, 220; 53, 65 betreffend die Eigentumsgarantie; BVerfGE 39, 276; 44, 105; 45, 422 betreffend A r t . 12 Abs. 1 GG; sowie BVerfGE 51, 324. 481 Breuer, Wirksamerer Umweltschutz durch Reform des Verwaltungsverfahrens- u n d Verwaltungsprozeßrechts, N J W 1978,1558 ff.; BVerfGE 53, 64 f. 482 Schuppert, U b e r Grundpflichten des Bürgers u n d die Funktionen des Verwaltungsverfahrens, AöR 107, 1982, 623. 483 BVerfGE 37, 141, 148; 46, 334; 49, 225; 53, 65.
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II. Teil: Verfassungskonformität
verdient Anerkennung, wenn dadurch der materielle Gehalt der Grundrechte verstärkt werden soll, wie dies offenkundig die Absicht des Bundesverfassungsgerichts ist 4 8 4 . I h m gebührt Widerspruch, wenn damit zugunsten einer i m einzelnen wie auch immer ausgestalteten Verfahrensteilhabe eine allmähliche Entlehnung der materiellen Gewährleistungsfunktion der Grundrechte eingeleitet werden würde. Grundrechtsschutz nach Maßgabe einfach-gesetzlicher Verfahrensteilhabe entspricht der Grundrechtsfunktion ebensowenig, wie dies bei der materiellrechtlichen Gesetzmäßigkeit der Verfassung der Fall ist 4 8 5 . Entfaltet diese Grundrechtstheorie ihre Wirkungen nach ihrem Sinn und Zweck primär i n Beziehung auf den Gesetzgeber, so w i r f t sie für die Betrachtung der Grundrechte als solche und für den unmittelbaren Grundrechtsvollzug kaum zusätzlichen Ertrag ab. Dies gilt i m besonderen für die hier interessierende Problematik von Eigentum und Enteignung i m Bezug auf die soziale Umverteilung von Grund und Boden. So ist die Befugnis des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken durch die materielle Legalität zu bestimmen, i n A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG bereits festgelegt. Eine ausschließlich verfahrensbezogene Grundrechtsbetrachtung vermag dieser Bestimmung keinen zusätzlichen Erkenntniswert zu vermitteln. Demgegenüber handelt es sich bei der Enteignung des A r t . 14 Abs. 3 GG u m eine verfahrensbezogene Verfassungsnorm, deren Auslegung wie auch deren Ausgestaltung i n Enteignungsgesetzen durch diese Grundrechtstheorie beeinflußt werden kann. Es ist dies jedoch nicht mehr als eine theoretische Möglichkeit. Das Rechtsinstitut der Enteignung liegt nämlich, wie die vorangegangenen Erörterungen anderer grundrechtstheoretischer Ansätze gezeigt haben, i n seinen begriffskonstituierenden Bestandteilen i m wesentlichen fest. Die Enteignungsgesetze, die als erste rechtsstaatlichen Verfahrensanforderungen gerecht geworden sind48®, bedürfen schließlich keiner grundlegenden Umgestaltung unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Grundrechtsschutzes. Sie gehören nicht zu denjenigen, deren Verfahrensgestaltung durch grundrechtliche Defizite geprägt ist. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß diese Grundrechtstheorie ebensowenig wie die zuvor behandelten so weitgehende Bedeutungswandlungen bei Eigentum und Enteignung zu bewirken vermag, daß dadurch Realisierungsmöglichkeiten für soziale Umverteilungen geschaffen werden könnten.
484 BVerfGE 51, 324; 52, 214, 219; 52, 391, 408; 53, 65. Leisner, V o n der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, Recht u n d Staat 286/287, 1964. 48β Fremei, H e r k u n f t u n d E n t w i c k l u n g des rechtsstaatlichen Verfahrensgedankens am Beispiel des Enteignungsrechts, Der Staat 18, 1979, 592 ff. 485
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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5. Ungeschriebenes Recht als Umverteilungsgrundlage
Nachdem die Untersuchung der unterschiedlichen grundrechtstheoretischen Positionen den Nachweis erbracht hat, daß die von den modernen Wandlungen i m Grundrechtsverständnis ausgehenden verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Veränderungen 487 das Begriffspaar Eigentum und Enteignung weitgehend verschont haben, sie insbesondere nicht zu erreichen vermochten, daß hier institutionelle Einbruchsteilen zur sozialen Umverteilung von Grund und Boden entstehen, ist die Feststellung unausweichlich, daß das geschriebene Verfassungsrecht des Bundes kein M i t t e l zur Verwirklichung einer derartigen Zwecksetzung enthält. Daraus folgt, daß dem Bundesgesetzgeber die Durchführung sozialer Umverteilung verwehrt ist, wenn i h m nicht noch aus ungeschriebenem Recht ein Umverteilungstitel erwächst. a) Ungeschriebenes Verfassungsrecht Ist aber eine i n ungeschriebenem Verfassungsrecht wurzelnde Rechtsgrundlage bei Bestehen einer geschriebenen Verfassung überhaupt denkbar? Diese das Vorfeld der eigentlichen Problematik des ungeschriebenen Verfassungsrechtes berührende Frage nach der Existenz solchen Rechtes ist einmal i m Hinblick auf die Offenheit verfassungsrechtlicher Normierung, aber auch wegen der damit zusammenhängenden mangelnden kodifikatorischen Eignung 4 8 8 geschriebener Verfassung zu bejahen. Die Verfassungspraxis bestätigt i m übrigen i n vielfältiger Weise, vornehmlich i m Bereich des organisatorischen Verfassungsrechts, das Vorhandensein ungeschriebener verfassungsrechtlicher Normierungen 489 . Diese legitimieren sich entweder als Verfassungsgewohnheitsrecht aus einer von allgemeinem Rechtsgeltungswillen getragenen Übung, oder als allgemeine, i n rechtsethischen Postulaten wurzelnde verfassungsrechtliche Rechtsgrundsätze 490 . Die generelle Anerkennung von ungeschriebenem Verfassungsrecht vermag jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, daß dieses i m Verhält487 Erscheinungsformen des Verfassungswandels sind auch die oben dargestellten grundrechtstheoretischen Positionen. Es besteht somit ein fließender Ubergang v o m positivierten Verfassungsrecht zum Gewohnheitsrecht, vermittelt durch das I n s t i t u t der VerfassungsWandlung; i m einzelnen dazu Hesse, Grenzen der Verfassungswandlung, Festschrift f ü r Scheuner, 1973, S. 123 ff. 488 Z u m Kodifikationsprinzip vgl. Herzog, A r t . Kodifikation, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 1316 f.; Wieacker, Aufstieg, Blüte u n d Krisis der K o d i fikationsidee, Festschrift f ü r Boehmer, 1954, S. 34 ff.; ders., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A u f l . 1967, S. 323 ff. 489 Dazu Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, 1972, S. 20—44, der die gegenwärtigen Erscheinungsformen des Verfassungsgewohnheitsrechtes aufzählt. 490 Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 48.
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II. Teil: Verfassungskonformität
nis von Staat und Bürger, das durch das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip 4 9 1 grundlegend bestimmt ist, nur schwerlich zu begründen ist. Wie soll sich beispielsweise, nachdem rechtsethische Postulate für die konkrete Fragestellung keinen weiterführenden Ertrag zu bringen vermögen, eine gewohnheitsrechtliche Übung m i t einem den Freiheitsraum eindeutig einschränkenden Inhalt herausbilden, wenn durch ein System grundrechtlicher Gewährleistungen der vorstaatlich gedachte Freiheitsraum und die staatlichen Eingriffsbefugnisse festgelegt und aufeinander abgestimmt sind? Ist die Annahme realistisch, es könne sich zum Nachteil der persönlichen Freiheit und zugunsten staatlicher Eingriffsbefugnisse Gewohnheitsrecht m i t Verfassungsrang bilden? Alle Anzeichen sprechen dagegen, denn das von den Grundrechten bestimmte Verhältnis von Staat und Gesellschaft 492 ist so spannungsreich verfaßt, daß nicht angenommen werden kann, daß eine dieses Verhältnis zum Nachteil der Grundrechtsträger verschiebende Übung von diesen widerspruchslos geduldet werden würde. Selbst für den Fall, daß dies wider Erwarten doch eintreten sollte, könnte nicht davon ausgegangen werden, daß dahinter ein allgemeiner Rechtsgeltungswille steht. Damit scheidet die gewohnheitsrechtliche Entstehung eines Eingriffsinstrumentes zur Verwirklichung sozialer Umverteilung an Grund und Boden aus. Lediglich durch richterliche Entscheidung 498 , ähnlich wie beim Aufopferungsgrundsatz 494 , könnte eine gewohnheitsrechtliche Rechtsfortbildung dieser A r t möglich sein. Eine i n dieser Hinsicht einschlägige Judikatur besteht indessen nicht. Daraus ergibt sich, daß i m Verfassungsrecht des Bundes auch kein auf ungeschriebenem Recht beruhendes Eingriffsmittel zur Erreichung des sozialen Umverteilungszweckes besteht. b) Einfaches Gewohnheitsrecht Dieses Ergebnis veranlaßt zu der weiteren Frage, ob nicht gewohnheitsrechtlich gebildetes einfaches Bundesrecht den Eingriff i n das Grundeigentum zum Zwecke sozialer Umverteilung trägt. Eine positive Beantwortung dieser Frage hängt von zwei Voraussetzungen ab: Einmal, daß ein Grundrecht durch gewohnheitsrechtliche Übung überhaupt 491 Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 126 ff.; Forsthoff, Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, i n : ders., Rechtsstaat i m Wandel, 2. A u f l . 1976, S. 203 ff. 492 Y g i dazu den von E.-W. Böckenförde herausgegebenen Sammelband, Staat u n d Gesellschaft, 1976. 493 Z u m Richterrecht als Rechtsquelle vgl. Osseribühl, i n : Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. A u f l . 1978, S. 98 ff. m . w . N.; Starck, Die B i n d u n g des Richters an Gesetz u n d Verfassung, W D S t R L 34, 1975, 69 ff.; 76 ff. 494 Dazu E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1954, S. 37; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 61.
1. Kap., IV. Enteignung als Umverteilungsmittel
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eingeschränkt werden kann und zum anderen, daß sich ein Gewohnheitsrecht, welches soziale Umverteilung bei Grund und Boden ermöglicht, herausgebildet hat. Von diesen beiden Prämissen ist die Thematik der gewohnheitsrechtlichen Einschränkungsmöglichkeit von Grundrechten vorrangig zu erörtern. Das geltende Verfassungsrecht behandelt die hier einschlägigen Probleme i m Zusammenhang m i t der Vorschrift des A r t . 19 Abs. 1 S. 1 GG 4 9 5 . Nach dieser Vorschrift hat, soweit überhaupt ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einschränkbar ist, dieses Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall 49 ® zu gelten. Demgemäß müssen alle nachkonstitutionellen grundrechtseinschränkenden Gesetze eine bestimmte formale Struktur aufweisen 497 , die es als solche bereits ausschließt, daß sich insoweit Gewohnheitsrecht zu bilden vermag. Dies gilt für alle über einen Gesetzesvorbehalt verfügenden Grundrechte, zu denen die Eigentumsgarantie indessen nicht gerechnet werden kann 4 9 8 , w e i l sie keinen feststehenden Inhalt hat, sondern dieser durch einfachgesetzliche Regelung i n der Rechtsordnung erst ausgeformt werden muß. Eine Einschränkung des Eigentumsgrundrechts über das Maß hinaus, das die Inhaltsbestimmung des Eigentums an Beschränkungen schon enthält, ist somit weder zulässig noch erforderlich 499 . H i n 495 Starck, Der Gesetzesbegriff des GG, 1970, S. 34 f. m. w. N.; Lerche, Grundrechtsbegrenzungen durch „Gesetz" i m Wandel des Verfassungsbildes, DVB1. 1958, 524 ff.; Menger, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 19 Abs. 1 S. 1, Rdnr. 62, 76; Volkmar, Allgemeiner Rechtssatz u n d Einzelakt, 1962, S. 237. 496 Menger, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 19 Abs. 1 S. 1, Rdnr. 92—97; Hans Schneider, Über Einzelfallgesetze, Festschrift f ü r Carl Schmitt, 1959, S. 163; Meessen, Maßnahmegesetz, Individualgesetze u n d Vollziehungsgesetze, D Ö V 1970, 314 ff.; vgl. auch BVerfGE 10, 241 f.; 24, 52; 31, 263 f.; 36, 401. 497 Dieser Umstand schließt es aus, daß Grundrechte durch ungeschriebene Grundsätze w i e das besondere Gewaltverhältnis eingeschränkt werden k ö n nen, so BVerfGE 33, 1 ff.; Erichsen, Besonderes Gewaltverhältnis u n d Sonderverordnung, Festschrift f ü r H. J. Wolff, 1973, S. 219 ff., 238 ff. m . w . N . ; a. A . Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., S. 127. 498 v g l dazu Kimminich, Bonner K o m m , zum GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 98, 101, 251, der zutreffend darauf hinweist, daß die Enteignung bezüglich der Eigentumsgarantie kein Gesetzesvorbehalt darstellt. Daraus ergibt sich, daß alle den I n h a l t u n d die Schranken des Eigentums bestimmenden Regelungen lediglich der F o r m eines materiellen Gesetzes bedürfen, vgl. dazu Starck, Der Gesetzesbegriff des GG, S. 33f. m . w . N . ; n u r insoweit k ö n nen gewohnheitsrechtliche Einschränkungen Bedeutung erlangen. Z u r u m strittenen Frage, ob der Enteignungseingriff eines förmlichen Gesetzes bedarf oder sich m i t einem materiellen Gesetz begnügt, braucht hier keine Stellung genommen zu werden, da Einigkeit darüber besteht, daß i n das Eigentum eingreifende Normierungen positiv-rechtlicher N a t u r sein müssen, es hier aber gerade u m gewohnheitsrechtliche Einschränkungen geht; vgl. zum Streitstand Kimminich, A r t . 14, Rdnr. 252 u n d 253. 499 Vgl. dazu BVerfGE 1, 264; 14, 263; 18, 121; 20, 355; 21, 155; 24, 367; 25, 117; 34, 146; 37, 142.
15 F r e y
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II. Teil: Verfassungskonformität
zu kommt, daß die soziale Umverteilung von Grund und Boden keine Beschränkung, sondern i m Sinne der Rechtsstellungsgarantie die A u f hebung des Eigentumsrechtes erfordert. Hierfür sind aber außer dem verfassungsrechtlich ausdrücklich vorgesehenen M i t t e l der Enteignung keine weiteren Realisierungsmöglichkeiten vorhanden. Die Entstehung von einfachem Bundesgewohnheitsrecht zur Verwirklichung sozialer Umverteilung an Grundstücken ist daher aus einer Mehrzahl von Gründen ausgeschlossen: Einmal, w e i l zu diesem Zweck ein verfassungsrechtlicher Eingriffstitel als Folge der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Eigentumsgarantie erforderlich ist und auch i m Hinblick darauf, daß die soziale Umverteilung den Totalentzug des Eigentumsrechts bedingt. Schließlich würde auch ohne die schon genannten Hinderungsgründe die Bildung von Gewohnheitsrecht daran scheitern, daß seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nur positives Gesetzesrecht als grundrechtseinschränkende Normierung i n Betracht kommen kann 5 0 0 . Eine hinter den Geltungszeitraum des Grundgesetzes zurückreichende Betrachtung der gewohnheitsrechtlichen Einschränkungsproblematik ist entbehrlich, da i n der Vorschrift des A r t . 155 Abs. 2 WRV eine positivierte Realisierungsgrundlage für die soziale Umverteilung vorhanden war, die mit Ausnahme der zweiten Bodenreformgesetzgebung die vorkonstitutionelle Rechtslage abdeckt. Das Argument, daß es ungeschriebene Ermächtigungen des Bundesrechtes zur sozialen Umverteilung von Grund und Boden gäbe 501 , erweist sich somit als nicht stichhaltig. Es bleibt vielmehr dabei, daß es i m Bundesrecht keine Möglichkeit gibt, eine soziale Umverteilung von Bodeneigentum zwangsweise durchzusetzen. V . Folgerungen u n d verfassungspolitischer Ausblick
Aus den Einzelprüfungen unter I I I . und IV. sind eine Reihe von Erkenntnissen hervorgegangen, die nun i n einen Zusammenhang gebracht und aus denen die notwendigen Schlußfolgerungen gezogen werden müssen. Kurz zusammengefaßt lauten diese: Für die dem Bund zustehende Rahmenkompetenz zur Umverteilung von Grund und Boden fehlt i m Bundesrecht ein geeignetes M i t t e l zur zwangsweisen Durchsetzung. 500 Bei allen über einen Gesetzesvorbehalt verfügenden Grundrechten ergibt sich das aus dem Zitiergebot des A r t . 19 Abs. 2 S. 2 GG. I m Falle der Enteignung, die w i e i n BVerfGE 24, 396 richtig ausgeführt ist, k e i n Gesetzesvorbehalt bezüglich der Eigentumsgarantie darstellt, folgt dies aus der Junktimklausel des A r t . 14 Abs. 3 S. 1 GG; vgl. dazu Meng er, Bonner K o m m , zum GG, A r t . 1 S. 2, Rdnr. 188 m. w. N. 501 So aber E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., S. 49.
1. Kap., V. Folgerungen, Ausblick
227
1. Die unvollkommene Verfassungskompetenz
Dieser Befund erweckt Zweifel, w e i l nicht einsichtig wird, aus welchen Gründen der Verfassunggeber i n A r t . 75 Nr. 4 GG die Materie Bodenverteilung vorgesehen hat, ohne zugleich ein rechtliches Instrumentar i u m zur Durchsetzung dieser Aufgabenstellung m i t i n das Verfassungsgesetz aufzunehmen. Dies überrascht vor allem i m Hinblick darauf, daß die eine entsprechende Regelung enthaltende Weimarer Reichsverfassung, der i m allgemeinen eine starke Orientierungsfunktion auf das Grundgesetz zukommt, gerade insoweit ohne Einfluß geblieben ist. Daß dem Verfassunggeber des Grundgesetzes die i n der Reichsverfassung vom 11. August 1919 für die Umverteilungsproblematik gefundene Gesamtlösung zumindest i n Teilbereichen noch geläufig war, zeigt die einschlägige Kompetenz Vorschrift des A r t . 75 Nr. 4 GG, die den gleichen Rechtsbegriff „Bodenverteilung" verwendet wie er i n A r t . 10 Nr. 4 WRV enthalten ist und die auch i n bezug auf die Rechtsnatur der Kompetenzvorschrift der Weimarer Regelung entspricht. Bei A r t . 10 Nr. 4 WRV handelt es sich nämlich um eine sog. Grundsatzkompetenz, die unabhängig von der u m ihre Bedeutung i n der Weimarer Zeit geführten Kontroverse 502 nach heute herrschender Meinung 5 0 3 inhaltlich dem entspricht, was heute als Rahmenkompetenz bezeichnet wird. Hierunter versteht man eine Regelungszuständigkeit des Bundes, nach der der Gegenstand der zu ordnenden Materie vom Bundesgesetzgeber nicht i n erschöpfender Weise normiert werden darf 5 0 4 . Die Rahmenregelung des Bundes muß vielmehr Raum für landesrechtliche Vorschriften lassen 505 . Diesen Anforderungen vermag keines der drei untersuchten nachkonstitutionellen Enteignungsgesetze zu entsprechen, denn dort ist ein Gestaltungsraum für den Landesgesetzgeber schon deshalb nicht vorgesehen, weil der Bundesgesetzgeber seine Regelungskompetenz insoweit auf A r t . 74 Nr. 18 GG glaubte stützen zu können. Damit ist schon aus kompetenzrechtlichen Gründen gegen diese Gesetze der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zu erheben.
502 v g l dazu Triepel, Streitigkeiten zwischen Reich u n d Ländern, Festgabe für W i l h e l m K a h l , 1923, S. 94 ff.; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Komm., 14. A u f l . 1933, S. 88 ff.; Stier-Somlo, Deutsches Reichs- u n d Landesstaatsrecht, Bd. 1, 1924, S. 95. 503 Matz, Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des GG, A r t . 75, JöR N F 1, 1951, 553; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG, Komm., A r t . 75, Rdnr. 4 u n d 6. 504 BVerfGE 4, 129; 8, 193; 25, 142; 36, 202. 505 BVerfGE 4, 129; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG, Komm., A r t . 75, Rdnr. 12 u n d 15.
15*
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II. Teil: Verfassungskonformität
Aus welchen Gründen der Verfassunggeber, trotz der Aufnahme einer die Umverteilung des Bodeneigentums ermöglichenden Kompetenzvorschrift ein vollzugsgeeignetes Instrumentarium, auch i n Anbetracht von A r t . 155 Abs. 2 WRV nicht vorgesehen hat, kann nicht m i t Sicherheit festgestellt werden. Die Entstehungsgeschichte des A r t . 14 Abs. 3 GG gibt hierüber keinen Aufschluß, so daß die These, wonach die tiefgreifenden Auflösungstendenzen des Enteignungsbegriffes während der Weimarer Zeit den Parlamentarischen Rat bewogen hätten, von einer speziellen Umverteilungsenteignung abzusehen, Spekulation bleiben muß. Auch das zunächst über eine gewisse Plausibilität verfügende Argument, daß infolge der nur als Rahmenkompetenz ausgeformten Bundeszuständigkeit der Bund habe auf ein Vollzugsinstrumentarium verzichten und dieses den Ländern zur Regelung überlassen können, stellt sich bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig heraus. Es verkennt nämlich die Grenzen der den Bundesländern verbleibenden Eingriffsbefugnisse i n bundesseitig gewährleistete Grundrechtspositionen 5 0 6 . Markiert w i r d diese Grenze durch die Vorschrift des A r t . 142 GG, die die Relation zwischen den Grundrechtssphären des Bundes und der Länder aus dem Geltungsbereich des A r t . 31 GG herausnimmt und inhaltlich m i t den Bundesgrundrechten übereinstimmende Ländergrundrechte i n K r a f t läßt 5 0 7 . Der Grundrechtstatbestand des Bundes, der gekennzeichnet ist durch die grundrechtliche Gewährleistung als solche, deren Einschränkungsmöglichkeiten sowie den Grundrechtsträger und den Grundrechtsadressaten gewährleistet einen Mindeststandard und muß i n einen Vergleich m i t der entsprechenden Regelung des Landes gebracht werden, u m die nach A r t . 142 GG notwendige Entscheidungsgrundlage zu schaffen. I n Anwendung dieser Voraussetzungen auf die vorliegenden Problematik ergibt sich i n bezug auf den bundesrechtlichen Grundrechtstat506 Die Länder können zwar i m Bereich ihrer Gesetzgebungszuständigkeit prinzipiell i n gleicher Intensität i n i m GG gewährleistete Grundrechte eingreifen w i e der Bundesgesetzgeber, so zutreffend Menger, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 19 Abs. 1 S. 1, Rdnr. 80, doch stoßen diese Kompetenzen an die i n den Grundrechtsstandards des Bundes angelegten Grenzen, d . h . daß die dem B u n d verwehrten Eingriffe i n Bereiche rechtlich geschützter Freiheit auch den Ländern untersagt sind. 507 Dazu v. Doemming, Die Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des GG, A r t . 142, JöR N F 1951, 910 ff.; Maunz, i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG, Komm., A r t . 142, Rdnr. I f f . ; ders., Landesverfassungen u n d Grundgesetz, i n : 30 Jahre Grundgesetz, Schriften der Hochschule Speyer, Bd. 78, 1979, S. 87 ff.; Domcke, Z u r Fortgeltung der Grundrechte der Bayerischen Verfassung, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des bayerischen VerfGH, 1972, S. 311 ff.; Friesenhahn, Z u r Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bundesverfassungsgerichtsbarkeit u n d Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Festgabe f ü r das BVerfG, Bd. 1, 1976, S. 748 ff., 759 ff.
1. Kap., V. Folgerungen, Ausblick
229
bestand, daß die i n A r t . 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentumsgarantie mangels eines entsprechenden Eingriffstatbestandes eine Umverteilung des Bodens nicht erlaubt, der Grundrechtstatbestand also insofern einschränkungsfrei ist. Dies hat zur Folge, daß i n den Länderverfassungen vorgesehene enteignungsrechtliche Eingriffsvorbehalte zur Umverteilung von Bodeneigentum 508 außer K r a f t getreten sind, da sie den grundrechtlichen „Mindeststandard" 5 0 9 des Bundes unterschreiten. Der Mangel an einem bundesrechtlichen Umverteilungsvorbehalt verwehrt deshalb auch den Ländern ein Tätigwerden i n dieser Richtung, so daß weder durch den Bund noch durch die Länder eine Umverteilung des Eigentums an Grund und Boden durchgesetzt werden kann. A r t . 75 Nr. 4 GG bleibt daher solange eine sanktionslose unvollkommene Verfassungskompetenz, solange i m Verfassungsrecht des Bundes kein spezieller Eingriffsvorbehalt zur sozialen Umverteilung aufgenommen wird. 2. Die Enteignung, ein formenmißbräuchliches Umverteilungsmittel?
Wie muß ein derartiger Eingriffsvorbehalt rechtlich beschaffen sein? Die A n t w o r t hierauf w i r d bestimmt von der Qualität der Anforderungen, denen der grundrechtliche Eingriffsvorbehalt entsprechen muß. Er muß einmal dazu geeignet sein, Grund und Boden zu beschaffen und er muß diesen zu Umverteilungszwecken bereitstellen. Nach dem Ergebnis der vorangegangenen Prüfungen ist die Enteignung i n ihrer traditionellen Ausformung sicherlich hierfür kein geeignetes Mittel, obgleich sie auch der Beschaffung von Grund und Boden dient. Eine abschließende Beurteilung des Enteignungsinstituts als adäquate Problemlösung darf nicht die Tatsache unberücksichtigt lassen, daß es ein verfassungshistorisches Präjudiz für die Enteignung als Umverteilungsmittel gibt. Weist nicht die modifizierte Enteignung i n A r t . 155 Abs. 2 WRV darauf hin, daß dieses Rechtsinstitut grundsätzlich auch den hier gestellten Anforderungen gerecht zu werden vermag? Die positive Beantwortung dieser Frage setzt voraus, daß der Vorw u r f ausgeschlossen werden kann, m i t dem Einsatz der Enteignung zu 508 Dies ist lediglich f ü r die Verfassungen v o n Belang, die v o r dem I n k r a f t treten des Grundgesetzes entstanden sind, w i e ζ. B. f ü r A r t . 161 Abs. 1 S. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern v o m 2.12.1946, A r t . 14 Abs. 1, 45 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen v o m 21.10.1947, A r t . 42 der Verfassung des Landes Hessen v o m 1.12.1946, A r t . 63 der Verfassung f ü r Rheinland-Pfalz v o m 18. März 1947. 509 Dieser von Carlo Schmid geprägte Begriff — vgl. dazu v. Doemming, JöR N F 1, 1951, 911 — hat sich i n Rechtsprechung u n d Schrifttum durchgesetzt; vgl. BVerfGE 1, 264, 281; 36, 362 f.; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG, Komm., A r t . 142, Rdnr. 14.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Umverteilungszwecken werde Formenmißbrauch betrieben. Nach der Rezeption dieser i m Zivilrecht gängigen Charakterisierung 510 rechtsfehlerhaften Verhaltens i n das öffentliche Recht 511 sind zunächst dessen tatbestandliche Voraussetzungen zu klären und dann nach deren Auswirkungen auf die Enteignung zu fragen. Der Tatbestand des Formenmißbrauchs w i r d nach einer neueren Untersuchung i m Zivilrecht wie i m öffentlichen Recht einheitlich mit dem Begriff des Auslegungs- oder Subsumtionsfehlschlages umschrieben 512 . Es geht also i m Grunde u m nichts anderes als u m falsche Interpretation und ihre Korrektur. Das Problem eines eventuell syllogistischen Fehlverhaltens erhält i m vorliegenden Fall noch eine besondere Note dadurch, daß nach einem formenmißbräuchlichen Verhalten des verfassungsändernden Gesetzgebers gefragt ist. Hierauf spitzt sich die Fragestellung zu, da eine „Umverteilungsenteignung" nur m i t Hilfe des verfassungsändernden Gesetzgebers eingeführt werden kann. Versagt die syllogistische Operation möglicherweise insoweit nicht schon deshalb, w e i l es keinen feststehenden Obersatz gibt, an dem die Problematik reflektiert werden könnte? Für eine solche Annahme scheint zu sprechen, daß es i n der Skala der staatlichen Normenhierarchie keine dem Verfassungsrecht vorgeordneten Rechtsregeln gibt, und bei dem rechtstechnischen Charakter der Enteignung eine vorstaatliche Fundierung dieses Rechtsinstitutes kaum angenommen werden kann. Wenn demnach die Enteignung i n der Dispositionsfreiheit des Verfassunggebers bzw. des verfassungsändernden Gesetzgebers zu liegen scheint, dann dürfte es diesem auch nicht verwehrt sein, das Umverteilungsproblem an Grund und Boden m i t Hilfe des Enteignungsinstitutes zu lösen. Er würde damit, wenn auch unter Hinwegsetzung über die historische Erscheinungsform der Enteignung über ein M i t t e l verfügen, das es i h m ermöglichen würde, die gesamte Güterverteilungsordnung aufzuheben. Damit w i r d i n der rechtlichen Beurteilung der Problemlage eine Dimension erreicht, die es verbietet, eine auf die Enteignung isolierte Betrachtung vorzunehmen. Es verweist sich vielmehr als unumgänglich, die Eigentumsgarantie i n die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen, da eine Umverteilungseignung wenigstens die individuelle Rechtsstellungsgarantie des Eigentums eliminieren müßte. Die Eigentumsgarantie wäre aber nur mehr als leere Hülse zu bezeichnen, wenn die das Wesen des Eigentums m i t ausmachende individuelle Rechtsstellungsgarantie durch einen Vorbehalt der Umverteilung i n Frage gestellt würde. 510 511 512
Dazu Pestalozzi Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 68 ff. Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, S. 87 ff. m. w . N. Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, S. 62 ff., 66.
1. Kap., V. Folgerungen, Ausblick
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Damit erhebt sich die Frage, ob die Eigentumsgarantie der Dispositionsbefugnis des verfassungsändernden Gesetzgebers Grenzen zu ziehen vermag, oder ob sie ähnlich offen strukturiert ist, wie die Enteignung. Bezüglich der offenen Struktur des Eigentumstatbestandes kann festgehalten werden, daß er sich insoweit nicht von der Enteignung unterscheidet, da der Eigentumsbegriff von den deutschen Verfassungen 513 nicht definiert, sondern von diesen vorausgesetzt wird. Dies kann als Indiz dafür gelten, daß das Eigentumsrecht i n seinen Grundstrukturen als von vorstaatlicher Provenienz gedacht werden kann. Eine weitere Stütze findet diese Auslegung i m Begriff „gewährleisten", den A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG m i t Bedacht verwendet 5 1 4 . Hieraus und aus dem nachfolgenden Satz, daß Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden, ist zu entnehmen, daß die durch das Eigentumsrecht geprägte Beziehung des Menschen zu den Gegenständen vor der Verfassung selbst als i n ihrem „Wesensgehalt" von vorstaatlicher, überpositiver Natur anerkannt wird. Zum Eigentum i n dem so verstandenen Sinne gehört, daß die Herrschaft über die Güterwelt grundsätzlich privat sein muß und daß diese Herrschaft auch dem privaten Nutzen dienen soll 5 1 5 . Damit ist das Eigentum von seiner institutsrechtlichen Seite charakterisiert und festgelegt. Darüber hinaus bedeutet aber die Anerkennung einer vorstaatlichen „Wesensgarantie" auch, daß beim Eintritt i n die staatliche Gemeinschaft die vorfindliche Güterverteilungs513 Vgl. dazu von den Verfassungen des 19. Jh. A r t . I X , § 164 Abs. 1 der V e r fassung des Deutschen Reiches v o m 28. März 1849; § 8 Abs. 1 u n d Abs. 4 der Verfassungsurkunde f ü r das Königreich Bayern v o m 26. 5.1818; A r t . 9 der revidierten Verfassung f ü r den preußischen Staat v o m 31.1.1850; auch i n den Verfassungsurkunden dieses Jahrhunderts w i r d der Eigentumsbegriff sowohl auf Reichs- oder Bundesebene w i e i n den gliedstaatlichen Verfassungsordnungen als bekannt vorausgesetzt. Der starke naturrechtliche Einschlag, den die Grundrechtsordnung der deutschen Bundesländer vor I n k r a f t t r e t e n des GG aufweisen, w i r d besonders deutlich bei A r t . 60 Abs. 1 S. 1 der Verfassung f ü r Rheinland-Pfalz; dort heißt es: „Das Eigentum ist ein Naturrecht u n d w i r d v o m Staat gewährleistet"; Klaus Dicke, Z u r Begründung eines M e n schenrechts auf Eigentum, EnGRZ 1982, 361 f.; Schwartländer / Willoweit, Das Recht des Menschen auf Eigentum, 1982. 514 Zwischen der Fassung des A r t . 14 Abs. 1 S. 1 G G u n d der des A r t . 153 Abs. 1 W R V besteht ein aufschlußreicher Unterschied; die Formulierung „ . . . ,νοη der Verfassung* gewährleistet", dürfte i m Grundgesetz m i t Bedacht unterblieben sein. Da sowohl der Herrenchiemseer E n t w u r f i n A r t . 17 Abs. 1 gleichfalls auf diese Wendung verzichtete u n d diese auch bei keiner der v o r konstitutionellen Länderverfassungen anzutreffen ist; drängt sich diese Schlußfolgerung bei der sonst so ausgeprägten Orientierungsfunktion der W R V geradezu auf. M a n w i r d w o h l nicht fehl i n der Annahme gehen, daß die i n der unmittelbaren Nachkriegszeit zu verzeichnenden starken n a t u r rechtlichen Einflüsse sich hier ausgewirkt haben. 515 Der starken naturrechtlichen Fundierung gerade des Eigentumsrechtes vermag sich selbst ein so liberaler Staatstheoretiker w i e Benjamin Constant , Über die Unverletzlichkeit des Privateigentums, i n : ders., Werke i n 4 Bänden, hrsg. von Blaeschke u n d Gall, Bd. 4, S. 169 f f nicht zu entziehen.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Ordnung grundsätzlich anerkannt wurde und auf sie die institutsrechtlichen Sicherungen Anwendung finden. Die eigentumsrechtliche Institutsgarantie und die aus der Verteilung des Vermögens sich ergebende individuelle Rechtsstellungsgarantie gehören somit zusammen und b i l den den vom Grundgesetz anerkannten vorstaatlichen Eigentumskern. Diesen anzutasten ist auch dem verfassungsändernden Gesetzgeber verwehrt. Was folgt daraus für die Enteignung? Aus der institutionellen A b hängigkeit und der Bezogenheit der Enteignung auf die Eigentumsgarantie, aber auch aus der Folgerichtigkeit 5 1 8 zwischen den verfassungsrechtlichen Normierungen ergibt sich, daß die Enteignung nicht dazu ausersehen sein kann, diese i m Eigentum angelegten Garantien aufzuheben. Solchermaßen von der Eigentumsgarantie strukturiert, erhält die Rechtsform der Enteignung von dort einen Obersatz vorstaatlichen Ursprungs vorgegeben. Dieser lautet: Der enteignende Eingriff i n die eigentumsrechtliche Rechtstellungsgarantie muß i m wesentlichen auf Einzeleingriffe begrenzt bleiben; er darf auf keinen Fall solche Ausmaße annehmen, daß damit das Eigentum i n seinem Kernbestand betroffen wird. F ü r unterhalb dieser Schwelle liegende Eingriffe, auch für solche umverteilender A r t , verbleibt de constitutione ferenda aber noch ein Regelungsspielraum, den der verfassungsändernde Gesetzgeber unter Beachtung des vorgegebenen Obersatzes ausschöpfen kann. Hat angesichts der einschränkenden Befugnis die Umverteilung der Sache nach überhaupt noch einen Sinn? Abstrakt kann diese Frage weder ohne weiteres bejaht noch verneint werden, da der Erfolg einer Umverteilung zwar maßgeblich vom Volumen der Umverteilungsmasse abhängt, dies aber nicht der allein ausschlaggebende Gesichtspunkt ist. Grundsätzlich w i r d man davon ausgehen können, daß die Beachtung der hier vor516
Der Begriff „Folgerichtigkeit" ist materieller Bestandteil der Systemgerechtigkeit, eines ursprünglich v o m B V e r f G i m Zusammenhang m i t seiner Rechtsprechung zum allgemeinen Gleichheitssatz entwickelten Topos, der zwischenzeitlich von der Rechtsprechung dieses Gerichts über den genannten Anwendungsbereich hinaus erweitert u n d auch v o m Schrifttum v o l l rezipiert wurde. Z u m Stand der Rechtsprechung vgl. BVerfGE 1, 208, 246; 6, 90; 9, 243; 11, 293; 11, 362; 13, 339; 15, 120; 21, 64; 21, 349, 353; 25, 206; 25, 403; 27, 127; 34, 130; 36, 336 f.; 40, 120; 50, 290 ff., 324 ff.; zum Stand der L i t . vgl. Canaris , Systemdenken u n d Systembegriff i n der Jurisprudenz, 1969, S. 16 ff.; Lühmann, Rechtssystem u n d Rechtsdogmatik, 1974, S. 20 f.; Degenhart, Systemgerechtigkeit u n d Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976, S. I f f . ; Selmer, Finanzordnung u n d Grundgesetz, AöR 101, 1976, 399 ff., 453 f.; H. H. Rupp, A r t . 3 G G als Maßstab verfassungsgerichtlicher Gesetzeskontrolle, Festgabe f ü r das BVerfG, Bd. 2, 1976, S. 365 ff., 380 f.; Battis, Systemgerechtigkeit, Festschrift f ü r H. P. Ipsen, 1977, S. 11 ff.; zur besonderen Ausprägung der Systemgerechtigkeit i m Städtebaurecht vgl. Schmidt-Aßmann, Probleme des modernen Städtebaus, DVB1.1972, 730; Battis, Die Novelle zum BBauG, DVB1. 1977,160 ff.; ders., Systemgerechtigkeit, S. 25 f
1. Kap., V. Folgerungen, Ausblick
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geschlagenen quantitativen Obergrenze i n einem Flächenstaat für eine ausreichend dimensionierte Umverteilungsmasse beim Grund und Boden sorgen wird, da die Grenze, an der die Hypertrophie der Enteignung i n eine Infragestellung des Eigentums als solchem umschlägt, nicht zu eng gezogen werden darf. A u f diese Weise erscheint es möglich, Korrekturen bei der Verteilungsordnung von Grund und Boden zu realisieren, ohne die Garantie des Privateigentums an diesem Gut i n Frage zu stellen. Bildet sonach die quantitative Obergrenze der Enteignung auch das L i m i t für die soziale Umverteilung, so erweist sich die Auffindung geeigneter Kriterien zur Kennzeichnung dieser Orientierungslinie als ausgesprochen schwierig. I m Gegensatz zur Enteignung fällt nämlich bei der Umverteilung der Zweck als Begrenzungskriterium aus. Er ist tendenziell unbegrenzt und auf die gesamte Verteilungsordnung bezogen. Begrenzungskriterien sind daher vom Zweckansatz der Umverteilung nicht zu gewinnen. Sie ergeben sich allein aus dem institutionellen Rahmen der Enteignung, i n den die zu verwirklichenden Umverteilungszwecke einzuspannen sind. Ein derartiger Versuch, der einerseits darauf angelegt ist, die Dynamik der sozialen Umverteilung durch ihre Verknüpfung m i t dem Enteignungsinstitut zu bändigen und andererseits dadurch gekennzeichnet ist, diesen Zwecken eine praktikable Methode zu ihrer Verwirklichung zu geben, bedarf der verfassungsgesetzlichen Vorentscheidung. Ohne eine entsprechende verfassungsrechtliche Grundlegung wäre es ausgeschlossen, zwei so unterschiedliche Zweckkategorien, wie es die soziale Umverteilung und die enteignungsrechtlichen Sachzwecke sind, i n einem Rechtsinstitut zusammenzuführen, das dann noch den Namen Enteignung verdient. Ohne eine klare Vorentscheidung allein auf der Grundlage begrifflicher Wandlungen der Enteignung kann es keine institutionelle Verknüpfung von solch unterschiedlichen Zwecksetzungen geben. Es gibt dann nur die Enteignung und nur die soziale Umverteilung. Die Kombination beider Zwecke zur transitorischen Enteignung schafft zwar eine neue Form der Enteignung. Diese bewegt sich aber noch auf dem Boden der Enteignung. Der Vorwurf der formenmißbräuchlichen Zweckkombination ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn diese ohne verfassungsrechtliche Legitimation nur vom einfachen Gesetzgeber vorgenommen wird. Einer entsprechenden verfassungsgesetzlichen Regelung kann dieser V o r w u r f nicht gemacht werden, da das Institut der Enteignung gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber nicht unveränderbar festliegt.
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II. Teil: Verfassungskonformität 3. Vorschlag zur Ergänzung und Änderung des Grundgesetzes
Sowohl von seiner kompetenzrechtlichen Ausgangssituation als auch von den verfassungsrechtlich bereitgestellten M i t t e l zur Kompetenzverwirklichung enthält das Grundgesetz keine günstigen Voraussetzungen für die soziale Umverteilung. I n kompetenzrechtlicher Hinsicht ist zwar i n Art. 75 Nr. 4 GG — Materie Bodenverteilung — eine Regelung enthalten, die dem Bundesgesetzgeber eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten sichert. Für eine Umverteilung von Grundeigentum i m Zusammenhang m i t dem modernen Städtebau reicht diese Kompetenzausstattung offensichtlich nicht aus, da sie dem Bund die Normierung eines durch die Ländergesetzgebung ausfüllbaren Rahmens erlaubt. Bezüglich der verfassungsrechtlichen M i t t e l zur Kompetenzverwirklichung ist die Lage noch ungünstiger als i m Kompetenzbereich. Insoweit enthält die Verfassung eine Regelungslücke, die i m Auslegungswege nicht zu schließen ist. Unter diesen Umständen ist die Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes unumgänglich, wenn der Bundesgesetzgeber nicht auf die Umverteilung von Grund und Boden verzichten w i l l . I m Kompetenzbereich ist eine Änderung der bestehenden Verteilungsordnung vorzunehmen. Die Zuweisung der Materie „Bodenverteilung" i n die Rahmenkompetenz ist deren Verwendung i m Zusammenhang m i t städtebaulichen Vorhaben hinderlich. Ursache für die Aufnahme der Materie „Bodenverteilung" i n die Rahmenkompetenzen war das Beispiel der Weimarer Verfassung, die denselben Gegenstand i n A r t . 10 Nr. 4 i n die Grundgesetzgebung eingereiht hatte. Es mag der politisch sozialen Wirklichkeit unter der Weimarer Reichsverfassung angemessen gewesen sein, dem Reich bei der Bodenverteilung nur eine Regelung der Grundsätze zu erlauben und den Ländern die Ausgestaltung der Einzelheiten sowie den Vollzug zu überlassen 517 . Unter den heutigen Bedingungen i n der Bundesrepublik ist die Beibehaltung einer derartigen Regelung nicht mehr sachgerecht. Das gegenüber damals u m die Hälfte verkleinerte Staatsgebiet bei i n etwa gleicher Bevölkerungszahl hat i n der 517 I n der Regelung der W R V über die Grundsatzgesetzgebung k l i n g t die Kontroverse u m den Bundesstaatsbegriff aus dem letzten D r i t t e l des 19. J a h r hunderts nach. Die Systematik i n der Kompetenzverteilungsordnung der R V diente der Weimarer Nationalversammlung als Vorbild. Wenn gleichwohl m i t der Grundsätzegesetzgebung eine neue F o r m der Kompetenzverteilung gefunden wurde, so steht dies der soeben getroffenen Feststellung nicht entgegen. Es bestand i n der Nationalversammlung eine breite Uberzeugung, daß die Länder ihre Gesetzgebungshoheit nicht von der Reichsgewalt ableiten, sondern diese k r a f t eines ihnen verbliebenen historischen Rechts ausüben; dazu Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. Aufl. 1964, S. 145 ff.; die Verknüpfung m i t der Bundesstaatsdiskussion w i r d deutlich bei Doehl, Reichsrecht bricht Landesrecht, AöR N F 12, 1927, 37 ff., 80 f., 87 ff.
1. Kap., V. Folgerungen, Ausblick
235
Raumfrage einen Zwang zu übergreifendem, planmäßig abgestimmten Verhalten geschaffen. Wirtschafliche Veränderungen und soziologische Umschichtungen haben dazu geführt, daß die landwirtschaftliche Bodenverteilung i m Verhältnis zur städtisch-städtebaulichen Bodenverteilung so gut wie keine Rolle mehr spielt. Maßgebliche Veränderungen an der Bodenverteilungsordnung werden heute i n erster Linie durch städtebauliche Maßnahmen bewirkt, die i n ein System örtlicher und überörtlicher Planung 5 1 8 einbezogen sind. Diese Faktoren üben auch bei der Bodenverteilung einen Zwang zur Vereinheitlichung aus, der i m übrigen noch dadurch verstärkt wird, daß die m i t der Bodenverteilung sachlich zusammenhängende Kompetenz der Bodennutzung durch das Grundgesetz i n die zentralstaatliche Vollkompetenz (Art. 74 Nr. 18 GG) überführt wurde, obgleich auch sie unter der Weimarer Verfassung zur Grundkompetenz gehörte 519 . N i m m t man noch hinzu, daß der Bodenverteilung i m Hinblick auf die Eigentumsgarantie nur die für eine verfassungskonforme Handhabung notwendige Begrenzung vermittelt werden kann, wenn sie m i t einem Sachzweck verbunden wird, so ergibt sich aus alledem die verfassungspolitische Forderung, de constitutione ferenda beide aufeinander bezogene Materien (Bodenrecht und Bodenverteilung) i n der Vollkompetenz des Bundes zu vereinigen. Dementsprechend müßte durch verfassungsänderndes Gesetz m i t Zustimmung des Bundesrates der Begriff „Bodenverteilung" i n A r t . 75 Nr. 4 GG gestrichen und i n A r t . 74 Nr. 18 GG hinter dem Begriff „Bodenrecht" eingefügt werden. Die damit dem Bund auf dem Gebiet der Bodenverteilung eröffnete Gesetzgebungszuständigkeit ermöglichte eine sehr elastische Rechtsgestaltung dadurch, daß der Bund dort, wo es erforderlich ist, alle notwendigen Entscheidungen treffen könnte, er aber andererseits, wenn es die Umstände erlauben, sich auf Grundsätze beschränken könnte. A u f diese Weise ist es beispielsweise möglich, trotz der Vollkompetenz des Bundes bei der landwirtschaftlichen Bodenverteilung eine über den Umfang der Rahmenkompetenz nicht hinausgehende Regelung zu treffen. Die Änderung der Kompetenzvorschriften hat gemäß A r t . 74 Nr. 14 GG zur Folge, daß dem Bund für alle die Materien, für die er die Vollkompetenz besitzt, auch die Enteignungskompetenz zusteht. Damit sind natürlich noch nicht die materiellen Hindernisse ausgeräumt, die die Enteignungsvorschrift gegenüber dem Umverteilungseingriff enthält, da A r t . 74 Nr. 14 GG lediglich formelle Bedeutung zukommt. Die 518 Umfassend dazu Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung u n d Landesentwicklung, Bd. 1, 1978, S. 203 ff. 519 Vgl. A r t . 10 Nr. 4 W R V vor allem die bodennutzungsbezogenen Materien Ansiedlungs- u n d Heimstättenwesen, Wohnungswesen, die heute sämtlich Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung nach A r t . 74 Nr. 18 GG sind.
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II. Teil: Verfassungskonformität
materiellen Hürden, welche A r t . 14 Abs. 3 GG gegen die einfach-gesetzliche Einführung einer Umverteilungsenteignung aufbaut, gehen i m wesentlichen vom Begriff des „Wohls der Allgemeinheit" aus. Dieser unbestimmte Begriff, dessen Natur als Rechts- oder Ermessensbegriff umstritten ist 5 2 0 , ist durch die Eigentumsgarantie und die Enteignungstradition i n quantitativer und qualitativer Hinsicht geprägt und i n dieser Prägung i n die Verfassung eingegangen. I n dieser seiner spezifischen Struktur verhält sich der Begriff abweisend gegenüber allen nicht sachzweckbezogenen Vorhaben. Das gleiche gilt gegenüber massierten und massenhaften Eingriffen i n eigentumsgeschützte Positionen. Während jedoch i m Bereich der qualitativen Hindernisse dem verfassungsändernden Gesetzgeber Raum für Umgestaltungen bleibt, sind i h m diese i n quantitativer Hinsicht verwehrt, da er dann notwendig m i t der Eigentumsgarantie i n K o n f l i k t geraten müßte, diese aber wegen ihrer vorstaatlichen Natur nicht unter einem Umverteilungsvorbehalt gestellt werden kann. Gesetzestechnisch w i r d der verfassungsändernde Gesetzgeber auf dem Gebiet der qualitativen Ausgestaltung der Enteignungsvorschrift m i t der Rechtsfigur der Fiktion arbeiten müssen, da der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Wohl der Allgemeinheit" nur i m Hinblick auf die Bodenverteilung erweitert, i m übrigen aber unverändert bleiben soll. Wenn somit die Enteignung zum Zwecke der Bodenverteilung verfassungsgesetzlich als dem „Wohl der Allgemeinheit" entsprechend ausgewiesen werden soll, so ist weiter zu fragen, ob damit ein Hinweis auf die Vorhaben verbunden sein soll, deren Realisierung m i t der Bodenverteilung regelmäßig einhergehen soll: Die städtebauliche Entwicklung oder die Hebung der L a n d w i r t schaft? Dies erscheint zu Klarstellungszwecken empfehlenswert und betont den Sachzweckcharakter dieser Vorhaben, von denen ein limitierender Effekt auf die Umverteilungsenteignung ausgeht. Materielle Hindernisse gegenüber der Umverteilungsenteignung könnten sich auch aus der Entschädigungspflicht des A r t . 14 Abs. 3 S. 3 GG ergeben, insofern als daran, insbesondere an deren Umfang, Umverteilungseingriffe aus tatsächlichen Gründen scheitern könnten. I m Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung, die für Enteignungsgesetze des Reiches die Möglichkeit des Entschädigungsausschlusses enthielt, hat das Grundgesetz die Entschädigungspflicht ohne Einschränkung verwirklicht. Ohne Verfassungsänderung gilt sie somit auch für die Umverteilungsenteignung. Gleichwohl empfiehlt sich nicht, für diesen Tatbestand einen Entschädigungsausschluß verfassungsgesetzlich einzufüh520 Vgl. dazu Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG, K o m m . A r t . 14, Rdnr. 110; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 269.
1. Kap., V. Folgerungen, Ausblick
237
ren, denn die Entschädigungspflicht leistet ebenso wie die m i t der Umverteilungsenteignung deklaratorisch zu verbindenden Sachzwecke gute Dienste bei der Konturierung dieser Rechtsform und ihrer U m setzung i n die gesetzliche Wirklichkeit. Sie hat andererseits keine so einschränkende Wirkung, daß dadurch der gesetzliche Zweck vereitelt werden könnte, denn der gleiche Effekt, der die Umverteilungsenteignung unmöglich machte, müßte dann für die Enteignung ganz allgemein Gültigkeit haben, was ganz eindeutig durch die Enteignungspraxis widerlegt wird. Auch der Umfang der zu leistenden Enteignungsentschädigung stellt i m Hinblick auf eine eventuell einzuführende Umverteilungsenteignung kein ernsthaftes Hindernis dar, da das Ausmaß der Entschädigungsleistung durch eine i m gesetzlichen Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und denen des Betroffenen festzulegen ist 5 2 1 . Bei diesem Abwägungsprozeß ist der Gesetzgeber nicht auf eine am Marktwert orientierte Entschädigung fixiert 5 2 2 . Er kann j e nach den Umständen auch eine darunter liegende Entschädigung bestimmen 523 . A u f diese Weise w i r d Gerechtigkeit gegenüber dem einen Rechtsverlust erleidenden Eigentümer geübt bei gleichzeitiger Wahrung der Belange der Allgemeinheit. Es empfiehlt sich daher auch nicht, an der bestehenden Regelung über den Entschädigungsumfang Veränderungen vorzunehmen. Die an A r t . 14 Abs. 3 GG notwendigen Veränderungen betreffen eine verfassungsgesetzliche Erweiterung von A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG, wonach die Enteignung zum Zweck der Bodenverteilung einen dem „ W o h l der Allgemeinheit" entsprechenden Eingriff darstellt. Demgemäß ist Art. 14 Abs. 3 GG durch verfassungsänderndes Gesetz m i t Zustimmung des Bundesrates wie folgt zu ändern: Hinter A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 w i r d folgender Satz 2 eingefügt: „Dem Wohl der Allgemeinheit entspricht die Enteignung zum Zwecke der Bodenverteilung, soweit diese für den Städtebau und die Landwirtschaft erforderlich ist." Der bisherige Satz 2 w i r d Satz 3. Das Pronomen „sie" w i r d durch „eine Enteignung" ersetzt. Satz 3 w i r d Satz 4 und Satz 4 w i r d Satz 5.
521 Rüfner, Die Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung, Festschrift f ü r Scheuner, 1973, S. 511 ff.; Opfermann, Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz, 1974, S. 9; Dietlein, Verfassungsrechtliche Probleme der Enteignungsentschädigung, D Ö V 1973, 259; Bielenberg, Ist die Bemessung der Enteignungsentschädigung nach dem Verkehrswert i m B B a u G verfassungswidrig?, DVB1. 1974, 116; BVerfGE 24, 420 f. 522 So BVerfGE 24, 421 unter Hinweis auf BVerfGE 4, 235 f.; vgl. auch BVerfGE 46, 285; anders aber Β G H Z 6, 295 u n d i n st. Rspr. 523 So BVerfGE 24, 421; auch Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14, Rdnr. 355 u n d 356.
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II. Teil: Verfassungskonformität Zwischenergebnis
Die verfassungsrechtliche Untersuchung des sozialen Umverteilungszweckes als ein die transitorische Enteignung mitbeherrschender Verfahrenszweck hat i n formeller Hinsicht zu folgenden Ergebnissen geführt: Die soziale Umverteilung von Grund und Boden unterfällt nach bestehendem Verfassungsrecht der Rahmenkompetenzvorschrift des Art. 75 Nr. 4 GG. Entstehungsgeschichte und systematischer Standort bestätigen diese Annahme. I m Bereich der Rahmenkompetenzen darf der Bundesgesetzgeber die zu ordnende Materie nicht erschöpfend regeln, sondern muß den Ländergesetzgebungen Raum für eigenständige Normierung belassen. Zu den Bereichen, die der Bundesgesetzgeber den Ländern vorbehalten muß, gehört i m Falle einer zur Rahmenkompetenz gehörenden Materie auch die Enteignung (Art. 74 Nr. 14 GG). Demnach handelte der Bundesgesetzgeber ohne Kompetenz, als er Enteignungsvorschriften zur Bodenverteilung erließ. I n materieller Hinsicht ist die Enteignung des A r t . 14 Abs. 3 GG kein zur Bodenverteilung geeignetes Mittel. Dem Begriff des „Wohls der Allgemeinheit", so wie er einerseits durch die Eigentumsgarantie und andererseits durch eine lange Enteignungstradition geprägt ist, entsprechen strukturell nur die auf eine höherwertige Eigentumsnutzung ausgerichteten Zwecksetzungen. Da die soziale Umverteilung aber personenbezogen und nicht sachbezogen ist, kann sie nicht zu dieser Zweckkategorie gezählt werden. Die dessen ungeachtet zu ihrer V e r w i r k lichung eingesetzte Enteignung ist somit solange als verfassungswidrig zu betrachten, als nicht i m Wege der Verfassungsänderung die besonderen Strukturen des Umverteilungszweckes m i t den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit auf der Grundlage des Enteignungsinstituts i n Einklang gebracht sind.
Zweites Kapitel
Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Verwaltungszwecke der transitorischen Enteignung Gegenstand der weiteren Betrachtung des Rechtsinstituts der transitorischen Enteignung werden die Verwaltungszwecke 1 sein. Sie stehen, wie bereits mehrfach betont wurde, typusbildend neben dem sozialen Umverteilungszweck. Während diesem eine bemerkenswerte gegenständliche Geschlossenheit eignet, sind die Verwaltungszwecke durch Heterogenität und ein diffuses Erscheinungsbild hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausrichtung geprägt. Diese Tatsache erschwert zwangsläufig die verfassungsrechtliche Durchleuchtung der Verwaltungszwecke, da eine systematische Betrachtung zu Abstraktionen nötigt, deren Ertrag für die hier vorzunehmende Prüfung erkennbar gering bleiben muß. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die Verwaltungszwecke bei der Enteignung i n einen institutionellen Zusammenhang hineingestellt sind, der vom Begriff „Wohl der Allgemeinheit" geprägt ist und der bei aller Unbestimmtheit i m Einzelfall doch für eine gewisse Konturierung der enteignungsrechtlichen Verwaltungszwecke 2 sorgt. Verwaltungszwecke i n diesem Verständnis betreffen Gegenstände, deren Erledigung i m Rahmen der Staatszwecke 3 der Verwaltung vorbehalten ist, wobei diese Zuständigkeitszuweisung nicht allein als ein formales Kompetenzabschichtungskriterium verstanden werden darf, sondern i n einem materiellen Sinne aufgefaßt werden muß. Verwaltungszwecke i m Rahmen der Enteignung betreffen somit öffentliche Aufgabenstellungen, die von der Verwaltung wahrzunehmen sind und 1 Vgl. dazu Badura, Die Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck der L e i stungsVerwaltung u n d der soziale Rechtsstaat, D Ö V 1966, 624 ff. 2 Selbstverständlich k a n n eine K o n t u r i e r u n g nicht ohne ein begrifflich w e i t gespanntes Raster auskommen. I n sachlich inhaltlicher Hinsicht liegt dabei fest, daß die den Verwaltungszweck prägenden K r i t e r i e n sämtlich von der zu beanspruchenden Sache abgeleitet, also sachbezogen, sein müssen. I n formeller u n d verfahrensmäßiger Hinsicht erfolgt die K o n t u r i e r u n g i n der Weise, daß der m i t der Sache konkret verfolgte Zweck m i t dem verglichen w i r d , der nach dem Eingriff damit verfolgt werden soll. Dabei ist der E i n g r i f f n u r bei höherwertigerer Sachnutzung legitimiert. 3 Umfassend dazu Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, S. 230—265; vgl. auch Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 105 ff.; E.-W. Böckenförde, Der Staat als sittlicher Staat, 1978, S. 13; ders., Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat u n d Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973, 12 f.
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II. Teil: Verfassungskonformität
die als vollzugsbedürftige Sachzwecke so strukturiert sind, daß sie nur von der Verwaltung erledigt werden können. I n dieser Qualifizierung entziehen sie sich weitgehend den Schwankungen, denen die Staatszwecke allgemein, vornehmlich aber i n ihrer Auswirkung auf die Funktion der Verwaltung, i n den letzten zweihundert Jahren unterlagen 4 . Leistungsstaatliche Ausgriffe 5 lassen die hier erwähnten Verwaltungszwecke qualitativ ebenso unberührt wie die rechtsstaatliche Reduktion 6 des staatlichen Aufgabenspektrums. Die ausgeprägte typologische Festigkeit der Verwaltungszwecke hängt bei der Enteignung, vor allem bei der Grundstücksenteignung, m i t dem gegenständlichen Anliegen des Rechtsinstituts 7 zusammen: Der Überwindung einer konkreten Mangellage i m Bereich der Güterordnung durch einen Eingriff i n die vorgefundene Verteilungsstruktur. Die konstante Finalität der Eignung verdeckt indessen nicht die Vielgestaltigkeit der Anlässe, die zur Anwendung von Enteignungsmaßnahmen durch die Verwaltung führen. Da über die Rechtmäßigkeit eines Enteignungseingriffs aber nur befunden werden kann, wenn der konkrete Enteignungsanlaß i n Beziehung gesetzt w i r d zu den abstrakten rechtlichen Anforderungen der typologisch feststehenden Verwaltungszwecke, hat i m Falle der transitorischen Enteignung die rechtliche Analyse und Überprüfung der Verwaltungszwecke nur einen Sinn, wenn sich einmal erweisen sollte, daß es hierbei bestimmte typische Anlässe geben sollte, die die Notwendigkeit der Enteignung rechtfertigen und diese zudem als Verwaltungszwecke eingeordnet werden können. I . Die Verwaltungszwecke als Planungszwecke Was zunächst das Typizitätserfordernis anbetrifft, so zeigt sich, daß die meisten der gesetzlichen Erscheinungsformen der transitorischen Enteignung, vornehmlich die aus jüngerer Zeit, dieser Anforderung genügen 8 . Einmütig präsentieren sich hier die Verwaltungszwecke der Enteignung als Planungszwecke. Dabei bedarf noch einer näheren 4 Vgl. dazu Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., S. 246 ff.; H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. A u f l . 1977, S. 22 ff., 29 ff.; Scheuner, Staatszielbestimmungen, Festschrift f ü r Forsthoff, 1972, S. 340 ff. 5 So Badura, Die Daseins Vorsorge als Verwaltungszweck der Leistungs Verw a l t u n g u n d der soziale Rechtsstaat, D Ö V 1966, 627. 6 Z u r rechtsstaatlichen Reduktion der M i t t e l vgl. Merten, Rechtsstaat u n d Gewaltmonopol, 1975, S. 35 f.; zur rechtsstaatlichen Beschränkung der Staatszwecke siehe Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 22. 7 Dazu Carl Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, i n : ders., V e r fassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl., S. 122. 8 Das Baulandbeschaffungsgesetz v o m 3. 8.1953 (BGBl. I , S. 720) machte den Anfang einer Reihe von Enteignungsgesetzen, deren Verwaltungszwecke i n einem raumbedeutsamen Plan zusammengefaßt sind.
2. Kap., I. Verwaltungszwecke / Planungszwecke
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Klärung, ob es sich bei den Planungszwecken der Sache nach wirklich um Enteignungszwecke handelt. Dies verlangt eine wenigstens kursorische Beschäftigung m i t der Eigenart der Planung. I n einem allgemeinen sozialwissenschaftlichen Verständnis beinhaltet Planung das Bemühen u m Bewältigung und Berechenbarkeit der Zukunft durch rationales Zusammenordnen von Erfahrungen der Vergangenheit und Information der Gegenwart 9 . Planung ist somit nicht nur eine Methode u m eine Handlungsform, sondern auch der Ausdruck eines bestimmten, geistig kulturellen Entwicklungsstandes 10 . Während dem vom Rationalismus geprägten Menschen die vorausschauende zweckbestimmte Ordnung seiner privaten Rechtssphäre i n gewisser Weise wesensimmanent geworden ist, ist Planung i n einem umfassenden Verständnis 11 , unter Einbeziehung von Großorganisationen, insbesondere den Staat, eine Erscheinung der jüngsten Vergangenheit. Hieri n kommt die Abkehr vom rein individualistischen politischen Denken zum Ausdruck 12 , auf das die Zerschlagung der institutionellen Lebensformen und die Auflösung der natürlichen Ordnungszusammenhänge zurückführt. Demgegenüber stellt Planung die Rückbesinnung auf Rationalität und Ordnung dar 1 3 . Planung i m staatlich-politischen Raum hat jedoch noch andere, ideelle Ursachen: Die Komplexität der modernen Sozialstrukturen m i t ihren vielfältigen Interdependenzen 14 , die Fülle der hierfür bedeutsamen Informationen, deren Verwertung ein geeignetes Verfahren bedarf) und nicht zuletzt die Erkenntnis, daß Mangelerscheinungen 15 i m Bereich der Güterordnung zu einem planmäßigen Vorgehen zwingen. So ist es vor allem der zuletzt erwähnte Gesichtspunkt, der die raumbedeutsamen staatlichen Planungsmaßnahmen ausgelöst hat. Aber auch all die anderen Aspekte haben jeweils auf ihre Weise dazu beigetragen, daß die modernen demokratischen Verfassungsstaaten i m Verlauf der vergangenen dreißig Jahre i n allen Bereichen staatlicher A k t i v i t ä t zum Einsatz von Planungsmethoden übergegangen sind. 9 Vgl. Herzog, A r t . Planung, Ev. Staatslexikon, 2. Aufl. 1975, Sp. 1818 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, S. 700 ff.; Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, 1979, S. 38 f. 10 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, S. 701. 11 Dazu J. H. Kaiser, Planung I I I , 1968, S. 7; Forsthoff, Lehrbuch des V e r waltungsrechts, 10. Aufl., S. 304. 12 Dazu Guilleaume, Politische Entscheidungsfunktion u n d politisches Denken, Der Staat 19, 1980, 517 ff. m. w. N. 13 Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 115 ff. 14 Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 30 ff. 15 J. H. Kaiser, Planung I I I , 1968, S. 7; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, S. 701.
16 F r e y
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II. Teil: Verfassungskonformität
Innerhalb der verfaßten staatlichen Gewalten haben sich vornehmlich diejenigen, denen die politische Gestaltung obliegt, und dies ist neben der Legislative nur die Exekutive, m i t großem Nachdruck der Planung angenommen. Über Jahre beherrschte der Glaube an die Planbarkeit der politisch administrativen Abläufe die öffentliche Diskussion. Die Erfahrung der letzten zehn Jahre hat jedoch erkennen lassen, daß auch die Planung nur ein M i t t e l von begrenzter Tauglichkeit darstellt, von dem keine umfassenden Antworten auf die Probleme der modernen Welt erwartet werden können 16 . Die Rückschläge, die die Planung m i t der sog. Regierungsplanung 17 und der Verbundplanung i m Bund-Länder-Verhältnis 1 8 erlebt hat, haben ihr gegenüber zu einer gewissen Ernüchterung geführt. Unbestreitbare Erfolge konnte die Planung dagegen auf den überschaubaren und politisch weniger kontroversen Feldern der Verwaltungsplanung erzielen. Unabhängig davon, ob es sich nun u m Organisations-, Personal- oder Raumplanung handelt, ist dem Staat m i t der Planung auf diesen Gebieten ein neuartiges und eigenständiges Handlungsinstrumentarium erwachsen, das durchaus gleichgewichtig neben die traditionellen staatlich-administrativen Handlungsformen t r i t t 1 9 . Planung ist somit auch eine Aufgabe, die, soweit sie der Verwaltung gestellt ist, einen Verwaltungszweck darstellt. Andererseits fällt auf, daß Gegenstand der verschiedenen i n der Verwaltung ausgeübten Planungsaktivitäten selbständige Verwaltungszwecke sind, für die mit der Planung lediglich eine Methode bereitgestellt wird, u m anderweitig bestimmte Sachzwecke zu koordinieren und zu systematisieren. Insoweit bedeutet Planung ein sachzweckakzessorisches Instrumentarium. A u f der anderen Seite ist Planung nicht nur eine Methode, sondern hat auch ein Ergebnis, den Plan. Blickt man auf dieses Ergebnis, i n dem die verschiedenen Sachzwecke nach einem übergreifenden Konzept zusammengeordnet sind, so w i r d man die Erzielung eines solchen Ergebnisses 18 Vitzthum, Parlament u n d Planung, 1978, S. 22 f.; Ernst-Hasso Ritter, Theorie u n d Praxis parlamentarischer Planungsbeteiligung, Der Staat 19, 1980, 413 ff. m. w . N. 17 Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, 1979, S. 146 ff.; E.-W. Böckenförde, Planung zwischen Regierung u n d Parlament, Der Staat 11, 1972, 429 ff.; Vitzthum, Parlament u n d Planung 1978, S. 113 ff. 18 Dazu Beratungen u n d Empfehlungen zur Verfassungsreform I I , Z u r Sache 2/77, S. 95 ff.; Barbarino, Z u r Revision des Grundgesetzes: Planerische u n d finanzielle Aspekte des Bund-Länder-Verhältnisses unter besonderer Berücksichtigung der Gemeinschaftsaufgaben, D Ö V 1973, 19 ff.; Wahl, Empfehlungen zur Verfassungsreform, AöR 103, 1978, 477 ff., 510 ff. 19 Ossenbühl, Gutachten Β zum 50. DJT, 1974, Β 45 ff.; Schmidt-Aßmann, Rechtsfragen der Landesplanung u n d Landesentwicklung u n d das Allgemeine Verwaltungsrecht, Der Staat 19, 1980, 108 ff.; zweifelnd Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik, Bd. 2, S. 711.
2. Kap., I. Verwaltungszwecke / Planungszwecke
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durchaus als ein selbständiges Verwaltungsanliegen ansehen können. Der Plan repräsentiert mehr als die Summe der i n i h m enthaltenen und verarbeiteten Verwaltungszwecke, er ist unter planungspolitischen Aspekten betrachtet ein Verwaltungszweck an sich 20 . Dieser Verwaltungszweck entsteht aus der methodischen Verarbeitung anderer, zum Aufgabenbereich der Verwaltung gehörender Zwecke und kann somit als derivativ bezeichnet werden. Er entsteht zudem erst, nachdem die Verwaltung eine Reihe von zum Teil kostspieligen und arbeitsintensiven Vorleistungen erbracht hat. Aus diesen Besonderheiten ergibt sich die Tendenz zur Verfestigung der Planung, m i t der die Erschwerung der Plankontrolle einhergeht 21 . Es ist deshalb danach zu fragen, wie sich die Planungszwecke i n den vom Verfassungsrecht gezogenen Rahmen einfügen. 1. Planungszwecke und Verfassungsrecht
Wenn danach gefragt wird, wie sich die m i t der Planung verfolgten Zwecke zum Verfassungsrecht verhalten, so kann der Beantwortung einmal die Verfassung und zum anderen die Planung als Ausgangspunkt der Überlegung zugrunde gelegt werden. Geht man von der Verfassung aus, dann muß ermittelt werden, welche Aussagen sie zur Planung trifft. Eine klare Aussage zur Planung enthielt das Grundgesetz i n seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahre 1949 nur i n bezug auf den Haushaltsplan, einem längst bekannten Rechtsinstitut 22 . Andeutungsweise sichtbar w i r d die Planung i n der Materie Raumordnung des A r t . 75 Nr. 4 GG. Später wurde m i t der Aufnahme von sog. Grundsatzgesetzgebungskompetenzen 23 die Möglichkeit für den einfachen Gesetzgeber vorgese20 Der Planungsprozeß durchläuft mehrere unterschiedlich bestimmbare Phasen, von denen eine jede ihre eigenständige Bedeutung hat, vgl. dazu Schmidt-Aßmann, Planung unter dem Grundgesetz, D Ö V 1975, 541 ff., 545; Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, S. 68 ff. 21 Dazu Blümel, Raumplanung, vollendete Tatsachen u n d Rechtsschutz, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 133 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 724 f.; Breuer, Wirksamerer Umweltschutz durch Reform des Verwaltungs verfahr ens- u n d Verwaltungsprozeßrechts, N J W 1978, 1558 ff.; Lorenz, Der grundrechtliche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, AöR 103, 1980, 623 ff., 631 f. 22 Dazu Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, 1976; Hettlage, Z u r Rechtsnatur des Haushaltsplanes, Festschrift für Werner Weber, 1974, S. 391 ff.; Friauf, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, W D S t R L 27, 1969, I f f . ; Heinz Wagner, Öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, W D S t R L 27, 1969, 47 ff.; grundlegend Lab and, Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der preußischen Verfassungsurkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des norddeutschen Bundes, 1871, S. 6 ff. 23 Vgl. dazu A r t . 91 a Abs. 2 Satz 2, A r t . 109 Abs. 3, A r t . 140 GG i. V. m. A r t . 138 Abs. 1 S. 2 W R V ; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 590 ff.
16·
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II. Teil: Verfassungskonformität
hen, Rahmenplanungen 24 einzuführen. Aus diesen Tatsachen darf gefolgert werden, daß die Verfassung a priori keine ablehnende Haltung gegenüber der Planung einnimmt 2 5 . Es wäre jedoch verfehlt, daraus weitgehende Schlüsse i m Sinne einer unter jedem Aspekt bestehenden verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Planung zu ziehen. W i r d die K l ä r u n g des Verhältnisses von der Planung her i n Angriff genommen, so ist zu berücksichtigen, daß es die Planung oder den Planungszweck als eine geschlossene rechtliche Einheit nicht gibt. Daraus folgt, daß Aussagen zu diesen Gegenständen jeweils nur für den einzelnen Planungstypus und nicht übergreifend Gültigkeit beanspruchen können. Hinzu kommt, daß auch die geistigen Grundlagen des Phänomens Planung nicht einheitlich ausgerichtet sind. Sie leiten sich, wie oben schon angedeutet wurde, aus unterschiedlichen Wurzeln ab, zu denen das Verfassungsrecht überwiegend keine Stellung nimmt. Zu einer geistigen Antriebskraft der Planung, dem Problem der Bewältigung der Güterknappheit, liegen indessen verfassungsgesetzliche Wertungen vor 2 8 . Zwar beziehen sich diese Aussagen nur auf einen Teilbereich der Planung, der, u m i n der Diktion Ernst Forsthoffs 27 zu bleiben, m i t der Befindlichkeit von Sachen zu t u n hat. Da es aber gerade dieser Teilbereich ist, auf den sich das Interesse konzentriert, das die vorliegende Untersuchung m i t der Planung verbindet, sollen nachfolgend die aus der Verfassung deduzierbaren Gesichtspunkte dargestellt werden. Unmittelbar dem Problem der Güterknappheit wendet sich das Grundgesetz m i t dem Rechtsinstitut der Enteignung i n A r t . 14 Abs. 3 und der hierauf bezogenen Kompetenzvorschrift des A r t . 74 Nr. 14 GG zu. Damit stellt es eine Möglichkeit zur rechtlichen Regelung des Problems der Güterknappheit dar: Die Problemlösung durch staatlichen Eingriff. Dieser Eingriff unterliegt dem Gesetzesvorbehalt, der darüber hinaus i n besonderer Weise formalisiert ist 2 8 . Er muß eine Entschädi24 Vitzthum, Parlament u n d Planung, 1978, S. 122 ff.; Barbarino, Z u r Revision des Grundgesetzes, D Ö V 1973, 19 ff.; Marnitz, Die Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91 a G G als Versuch einer verfassungsrechtlichen Institutionalisierung der bundesstaatlichen Kooperation, 1974, S. 88 ff.; Beratungen u n d Empfehlungen zur Verfassungsreform, Z u r Sache 2/77, S. 127,135 ff. 25 Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, 1979, S. 103 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1977, S. 706 f. 26 Tomuschat, Güterverteilung als rechtliches Problem, Der Staat 12, 1973, 433 ff., 446 ff. 27 Forsthoff, Uber M i t t e l u n d Methoden moderner Planung, i n : J. H. Kaiser (Hrsg.), Planung I I I , 1968, S. 27. 28 Die funktionelle Zuordnung der Planung zur Legislative oder zur E x e k u tive ist kontrovers. F ü r die parlamentarische Zuordnung hat sich der Z w i schenbericht der Enquête-Kommission f ü r die Verfassungsreform, Z u r Sache 1/73, S. 76 ff. ausgesprochen; so auch Vitzthum, Parlament u n d Planung,
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gungsregelung vorsehen, deren Umfang deutlich macht, daß dem Eigentümer lediglich die Substanz, nicht aber der Wert seiner Sache genommen werden darf. N i m m t man noch hinzu, daß nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Enteignung nur als ultima ratio eingesetzt werden darf, so w i r d offenbar, daß i m Falle einer unabweisbaren Bedarfssituation der Eingriff zwar nicht abgewehrt werden kann, aber mit einer Vielzahl von Sicherungen versehen ist, die einen umfassenden Rechtsgüterschutz gewährleisten. I n dieser rechtlichen Gestaltung liegt die direkte A n t w o r t der Verfassung zum vorliegenden Problem. Danach ist es verfassungsgesetzlich geboten, das Güterknappheitsproblem sachspezifisch und nicht personenspezifisch zu lösen und hierbei ein Optimum an Verfahrensgerechtigkeit und Billigkeit i m Einzelfall m i t zu verwirklichen. Reagiert die Verfassung auf akute Mangellagen i n der vorstehend beschriebenen Weise, so sind brauchbare Aufschlüsse zur Einstellung der Verfassung zum Güterknappheitsproblem mittelbar auch von solchen Tatbeständen zu gewinnen, die vom Normalfall eines zureichenden Güterangebotes ausgehen. Hier zeigt sich, daß die Verfassung das Faktum weitestgehender Kommerzialisiertheit 2 9 aufgenommen und das Problem der Güterverteilung m i t der Kodifizierung der Vertragsfreiheit dem privaten Arrangement überlassen hat. Diesen Steuerungs- und Verteilungsmechanismus, bei dessen Anwendung der wirtschaftlich Schwache notwendig auf der Strecke bleiben muß, läßt die Verfassung i n seinen negativen Auswirkungen nicht v o l l zur Entfaltung kommen. M i t Hilfe des Sozialstaatsgrundsatzes werden die dem marktwirtschaftlichen Verteilungssystem immanenten Steuerungsprinzipien partiell außer K r a f t gesetzt, u m sozial unerwünschte Verteilungsergebnisse zu verhindern. Umsteuerungsmaßnahmen dieser A r t sind aber ohne Kenntnis der systemimmanenten Abläufe nicht denkbar und verlangen deshalb ein planvolles Gegensteuern. Nach dem System des Grundgesetzes gehört die Planung sonach zu den vom Sozialstaatsprinzip gebotenen Handlungsformen des Staates 30 , und zwar i n Bereichen der Güterordnung, die durch ein ausreichendes Angebot oder auch relative Güterknappheit gekennzeichnet sind. Die insoweit von der Verfassung erteilte A n t w o r t ist eine personenspezifische, da sie dem Schutz sozial schwacher Schichten i m Verteilungsprozeß dient. Über die Feststellung hinaus, daß S. 242 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik, Bd. 2, 1980, S. 713 ff.; Scheuner, Z u r E n t w i c k l u n g der politischen Planung i n der Bundesrepublik, Festschrift f ü r Werner Weber, 1974, S. 369 ff. 29 Tomuschat, Güterverteilung als rechtliches Problem, Der Staat 12, 1973, 434 f. 80 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. A u f l . 1982, S. 86, 203; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, S. 706 ff., Bd. 2, S. 700.
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II. Teil: Verfassungskonformität
die Verfassung Planung nicht nur nicht verwirft, sondern vielmehr zuläßt, vielleicht sogar gebietet und daß i m Mittelpunkt dieser Planung das Interesse bestimmter sozialer Gruppen steht, sind weitere Differenzierungen erforderlich. So hat die Gegenüberstellung von Enteignung und Planung gezeigt, daß damit die Verfassung abgestufte Reaktionsmöglichkeiten zum Problem der Güterknappheit bereithält. Planung erweist sich nur bei einer Lage relativer Güterknappheit als tauglich, da Planung ein Denken i n Alternativen voraussetzt, solche aber i m Falle akuter Güterknappheit, wie sie für die Enteignung typisch ist, gerade entfallen. Damit ist bereits die Frage nach dem gegenständlichen Anwendungsbereich der Planung und auch nach den Grenzen der Planung gestellt. Wenn Planung i m Bereich relativer Güterknappheit, i n dem alternative Dispositionen noch möglich sind, aufgrund des Sozialstaatsprinzips zulässig ist, dann ist zu präzisieren, ob diese Zulässigkeitsbestimmung i m Sinne einer Kompetenz oder eines Verfassungsgebotes 31 zu verstehen ist. Das Sozialstaatsprinzip läßt eine Ausdeutung i n einer jeden dieser unterschiedlichen Sinngebungen zu. Beurteilt man dieses Problem von der zu ordnenden Materie her, so w i r d es von der Intensität des bestehenden Mangels abhängen, ob die rechtliche Möglichkeit der Kompetenz zur unausweichbaren Pflicht des Verfassungsgebotes gesteigert ist. Ob ein Lebensbereich staatlicherseits durch Planung erfaßt werden darf bzw. erfaßt werden muß, hängt somit von der zutreffenden Beurteilung der diesen Lebenssachverhalt kennzeichnenden Knappheitslage ab. I n dem Maße, wie sie an Intensität zunimmt, verdichtet sich die Planungskompetenz zum Planungsauftrag. Zum gegenständlichen A n wendungsbereich der Planung gehören somit alle Felder unseres W i r t schaftssystems, auf denen Verteilungsengpässe verhindert werden müssen. I n einer Zeit, i n der die Distanz bis zur Erschöpfung der natürlichen Ressourcen einigermaßen verläßlich bestimmt werden kann, entspricht die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Planung nicht nur einem normativen Gebot, sondern auch dem der Vernunft und der Verantwortung vor den Lebenschancen künftiger Generationen. Man w i r d unterstellen dürfen, daß sich die Einsicht i n die Notwendigkeit staatlicher Planung i m Hinblick auf die konkreten Lagen i m Bereich der Güterordnung allgemein durchgesetzt hat. ai Vgl. zum Charakter des Sozialstaatsprinzips als Verfassungsgebot Contiades, Verfassungsgesetzliche Staatsstrukturbestimmungen, 1967, S. 72 ff.; das Verfassungsgebot ist begrifflich zu trennen von dem Verfassungsauftrag, der sich aus bestimmten Grundrechten ergeben kann, vgl. dazu Denninger, Verfassungsauftrag u n d gesetzgebende Gewalt, JZ 1966, 767 ff.; Maunz, V e r fassungsaufträge an den Gesetzgeber, BayVBl. 1975, 601 ff.; Merten, G r u n d pflichten i m Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, B a y V B l . 1978, 554 f.
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Problematischer liegen die Dinge dort, wo es, über die abstrakte Einsicht i n Notwendigkeiten hinaus, darum geht, zu bestimmen, ob das Bedürfnis nach Planung konkret gegeben ist und welche staatliche Instanz hierüber befindet. Da das Vorhandensein eines Planungsbedürfnisses erst nach umfangreichen Sachverhaltsermittlungen festgestellt werden kann, die ihrerseits ganz oder teilweise kontroverser Würdigung unterliegen, bietet es sich i n einem demokratisch verfaßten Gemeinwesen an, die Entscheidung über das „ob" der Planung dem Gesetzgeber zu überlassen 32 . Ein anderer i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelter Gedanke bestätigt die Kompetenzzuweisung an den Gesetzgeber. Da diesem i m demokratischen Staat die politisch wesentlichen Entscheidungen vorbehalten sind, kann i m Hinblick auf die oben angedeutete Tragweite der m i t der Planung verbundenen Folgen, eine andere Kompetenzzuweisung nicht i n Betracht kommen. Die Planungsentscheidung dem Parlamentsvorbehalt zu unterwerfen, rechtfertigt sich noch aus einem weiteren Grund. Da Planung nicht umhinkommt, grundrechtlich geschützte Positionen zu tangieren 33 , selbst wenn die Planung mit Ossenbühl als grundrechtlich ambivalent eingestuft wird, d. h. sie sich i m Einzelfall auch einmal grundrechtsfördernd auswirken kann 3 4 , unterliegt sie, soweit sie eingreifenden Charakter hat, dem Gesetzesvorbehalt. Es bleibt somit dem Gesetzgeber überlassen, welche Planungszwecke er definiert, wen er zum Planungsträger bestimmt und auf welche Weise er die m i t der Planung i n Berührung kommenden Interessen m i t dieser zu einem schonenden Ausgleich bringt. Bei der Gestaltung des „ w i e " der Planung hat der Gesetzgeber selbstverständlich die sich aus der Verfassung ergebenden Grenzen zu beachten. Definiert er seine Planungsziele, so hat er die sich aus den Grundrechten ergebenden Einschränkungen seiner Gestaltungsfreiheit zu berücksichtigen. Dem Demokratieprinzip 3 5 hat er insoweit Rechnung zu 32 So auch Vitzthum, Parlament u n d Planung, 1978, S. 242 ff.; Würtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, 1979, S. 238 ff.; Scheuner, Z u r E n t w i c k l u n g der politischen Planung i n der Bundesrepublik, Festschrift f ü r Werner Weber, 1974, S. 384; demgegenüber w i r d die Planung als ausschließlich dem Bereich der Exekutive zugehörig angesehen von Friauf, Öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, W D S t R L 27, 1969, 24; Liesegang, Uber die Möglichkeiten parlamentarischer Einflußnahme bei der Aufstellung haushaltsabhängiger Regierungspläne, DVB1. 1972, 847 f.; Fricke, Z u r M i t w i r k u n g der Parlamente bei der Regierungsplanung, D Ö V 1973, 406 ff.; v e r m i t t e l n d Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 718 f. 33 H. P. Ipsen, Rechtsfragen der Wirtschaftsplanung, i n : J. H. Kaiser (Hrsg.), Planung I I , 1966, S. 93 ff. 34 Häberle, „Leistungsrecht" i m sozialen Rechtsstaat, Festschrift f ü r G. K ü chenhoff, 1972, S. 459; Ossenbühl, Gutachten Β zum 50. DJT, 1974, Β 153; Schmidt Glaeser, Planung u n d Grundrechte, D Ö V 1980, 1 ff. 35 Ossenbühl, Gutachten Β zum 50. DJT, 1974, Β 122.
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II. Teil: Verfassungskonformität
tragen, daß er eine ausreichende Bürgerbeteiligung bei der Planaufstellung vorsehen muß. I n der Auswahl des Planungsträgers hat der Gesetzgeber zu bedenken, daß Planaufstellung und Planvollzug materiell Aufgabe der Verwaltung sind, so daß hierbei die sich aus der bundesstaatlichen Ordnung ergebenden Verwaltungskompetenzzuweisungen zugunsten der Länder, aber auch das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung beachtet werden müssen. Schließlich ist Rücksicht auf die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips zu nehmen 86 . Dies gilt sowohl bei der rechtsförmlichen Ausgestaltung des Planungsverfahrens, als auch dann, wenn es darum geht, m i t Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen gerechten Ausgleich zwischen dem öffentlichen Planungsanliegen und diesem entgegenstehenden Interessen zu finden. Schließlich muß das Rechtsstaatsprinzip noch i n der Weise zur Geltung gebracht werden, daß ein effektiver Rechtsschutz gegen Planungen gewährleistet ist 3 7 . Der vorstehend beschriebene Katalog dürfte i n etwa die rechtlichen Kriterien wiedergeben, die die Verfassung für Planungsgesetze bereithält. 2. Planungszwecke und ihr Verhältnis zu den Enteignungszwecken
Die Klärung des Verhältnisses der Planungszwecke zu den Enteignungszwecken setzt voraus, daß der Begriff des Planungszweckes noch etwas deutlicher herausgearbeitet wird. Wenn i m vorangehenden Kapitel davon die Rede war, daß es Aufgabe des Gesetzgebers sei, die Planungszwecke zu bestimmen, so ist darauf hinzuweisen, daß diese gesetzlichen Feststellungen den Begriff des Planungszweckes keinesfalls erschöpfen. Sie bilden gewissermaßen nur das Programm 3 8 , das dann vom Träger der Planung m i t der Planaufstellung auf einen konkreten Sachbereich angewendet werden muß. Schließlich stellt sich m i t der Umsetzung des Planes i n die soziale Wirklichkeit eine Aufgabe, die gleichfalls einen spezifischen Planungszweck darstellt. Hinter dem Begriff des Planungszwecks verbirgt sich sonach eine Mehrzahl von differenziert zu betrachtenden Zwecksetzungen, die auf verschiedenen rechtlichen Ebenen angeordnet sind und die i n einer bestimmten chronologischen Reihenfolge miteinander verbunden sind. Daher sind die 86
Osseribühl, Gutachten Β zum 50. D J T , 1974, Β 143 ff. Ossenbühl, Gutachten Β zum 50. D J T , 1974, Β 167 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, S. 724 f.; Hoppe, Planung u n d Pläne i n der verfassungsgerichtlichen Kontrolle, Festschrift f ü r das BVerfG, Bd. 1, 1976, S. 663 ff. m. w . N.; Lorenz, Der grundrechtliche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, AöR 105,1980, 623 ff. 88 Hier k o m m t zum Ausdruck, daß eine Einbeziehung des Gesetzgebers nur, i m Sinne einer Rahmenfestlegung zweckmäßig ist. Dies k o m m t auch i n dem von der Enquête-Kommission f ü r die Verfassungsreform i n i h r e m Schlußbericht vorgeschlagenen A r t . 28 a Abs. 2 S. 1 zum Ausdruck, w o es heißt: „Die gemeinsame Planung ist Rahmenplanung", vgl. dazu Z u r Sache 2/77, S. 98. 87
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Besonderheiten der verschiedenen Ebenen planungsrechtlicher Gestaltung 8 9 gesondert zu ermitteln und deren Verhältnis zum Enteignungszweck zu bestimmen. Bei dieser A r t des Vorgehens sind zunächst die vom Gesetzgeber unmittelbar festgelegten Planungszwecke zu überprüfen. Unabhängig vom jeweiligen Planungsgesetz kann dazu festgestellt werden, daß sie weder von ihrer sachlich-inhaltlichen Aussage, noch von ihrer rechtlichen Qualifizierung berechenbar und systematisierbar sind, sondern daß sie Globalaussagen darstellen, die nur auf dem Hintergrund des vom Gesetzgeber zu verwirklichenden Programms verständlich werden. Schon daraus geht hervor, daß die vom Gesetzgeber zur Erreichung eines bestimmten Programmes ausgewählten Planungszwecke enteignungsrechtlich Probleme aufwerfen. Wie soll der konkret auszufüllende Begriff des „Wohls der Allgemeinheit" durch planungsrechtliche Globalaussagen vollziehbar gemacht werden, die ihrerseits der Ausfüllung bedürfen? N u n werden die vom Gesetzgeber definierten Planungszwecke nicht speziell unter dem Gesichtspunkt ihrer Enteignungstauglichkeit, sondern nach Kriterien ihrer Eignung zur Erreichung des Planungszieles bestimmt. Hinzu kommt, daß die auf der gesetzlichen Ebene angesiedelten Planungszwecke i n aller Regel nicht unmittelbar enteignungsrelevant zu w i r k e n bestimmt sind, sondern erst auf der nächsten Stufe der Zweckkonkretisierung, i m Rahmen der Planaufstellung, für die Enteignung Bedeutung erlangen. Unabhängig davon entfalten aber die gesetzlichen Planungsaussagen Vorwirkungen auf die nächste Ebene der Zweckkonkretisierung, das Stadium der Planaufstellung, so daß eine gewisse Verbindlichkeit dieser Zwecksetzungen nicht i n Abrede gestellt werden kann. Daraus ergibt sich, daß jedenfalls der von diesen Zwekken gezogene Planungsrahmen m i t den verfassungsgesetzlichen Vorgaben der Enteignung nicht i n Widerspruch stehen darf. Denn wenn schon dieser Rahmen den Anforderungen der Verfassung nicht entspricht, dann muß der Mangel an Verfassungskonformität notwendig auf die rahmenausfüllenden Zweckkonkretisierungen der nachfolgenden Planungsebenen durchschlagen. Es ist deshalb ausgeschlossen, daß Fehler dieser A r t i m weiteren Verlauf der Planung geheilt werden können. Bezieht man diese allgemeinen Erwägungen auf gesetzliche Erscheinungsformen der Raumplanung, so erkennt man, daß überall dort, wo 89 F ü r deren Einteilung gibt es unterschiedlich strukturierte Modelle, die sich aber n u r i n der Differenzierung der Planungsschritte unterscheiden, vgl. dazu Frido Wagener, A r c h i v f ü r Kommunalwissenschaften 1970, 51; sowie Schmidt-Aßmann, Planung unter dem Grundgesetz, D Ö V 1975, 545; weniger ausdifferenziert das Planungsmodell v o n H. P. Ipsen, Rechtsfragen der W i r t schaftsplanung, i n : J. H. Kaiser (Hrsg.), Planimg I I , 1966, S. 69.
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II. Teil: Verfassungskonformität
der Gesetzgeber sozialstrukturelle Zielvorstellungen formuliert, er dam i t eine abschließende Aussage trifft, die keinen Raum für planerische Ausfüllung läßt. Gänzlich anders liegen die Dinge dort, wo der Gesetzgeber Sachzwecke als Planungszwecke aufgenommen hat. Da diese Zwecke sich auf die Befindlichkeit von Sachen beziehen, die dem Gesetzgeber i n ihrer konkreten Erscheinung unbekannt sind, bleibt bei diesen Zwecken für den Planungsträger genügend Raum, u m die gesetzlichen Vorgaben auf die zu beplanende Wirklichkeit anzuwenden. Eine unmittelbare Wirkung kommt diesen Zwecken deshalb enteignungsrechtlich nicht zu. I h r Rahmencharakter w i r k t sich enteignungsrechtlich dahingehend aus, daß auf der Gesetzesebene auch nur dieser Rahmen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen werden kann. Dort aber, wo auf der Gesetzesebene mehr als nur ein Rahmen bestimmt wird, also bei den Planungszwecken, die unverändert i n der vom Gesetz fixierten A r t die Stufen der Planungszweckkonkretisierung durchlaufen, besteht kein Grund, die Überprüfung auf den Rahmen zu beschränken. I m Gegenteil erscheint es sachgerecht, das Ausmaß der Prüfung der rechtlichen Tragweite anzupassen, die dieser Kategorie von Planungszwecken auf der Ebene des Gesetzes zukommt. A u f diese Weise kann erreicht werden, daß die Wirksamkeit der Planaufstellung nicht durch Zwecksetzungen gefährdet wird, die bereits auf der Gesetzesebene als verfassungsrechtlich bedenklich erkannt sind. Gegen dieses Ergebnis kann nicht eingewandt werden, es nötige dazu, Zwecksetzungen isoliert zu beurteilen, obgleich diese später i n einen Planungsverbund eingehen, und es schalte solche Zwecke aus, die dem eng definierten Gemeinwohlbegriff des A r t . 14 Abs. 3 GG nicht konform seien, obgleich damit ein Planungsziel verfolgt werde, das einem weiten begrifflichen Verständnis der „öffentlichen Interessen" durchaus entspreche. Beide Einwendungen greifen nicht durch. Der gegen eine isolierte Beurteilung der gesetzlich festgelegten Zwecke erweist sich schon deshalb als unhaltbar, weil ein bei isolierter Bewertung verfassungsgesetzlich mißbilligter Zweck nicht dadurch gesetzeskonform werden kann, daß er m i t anderen rechtmäßigen Zwecksetzungen kombiniert wird. Grundsätzlich kommt es dabei auch nicht auf die A r t der Zweckkombination i m Sinne von Haupt- und Nebenzwecken an, da regelmäßig jede Zwecksetzung enteignungsrelevant ist. I m übrigen t r i f f t es zu, daß der Begriff des „Wohls der Allgemeinheit" i m Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG nicht jeden dem Gemeinwohl entsprechenden Zweck abdeckt, da er von einem gesteigerten Gemeinwohlbedürfnis ausgeht 40 , so daß sich hieraus gewisse Restriktionen für den Planungsgesetzgeber 40 Vgl. dazu Kimminich, Kommentar zum Bonner GG (Drittbearbeitung), A r t . 14, Rdnr. 271 u n d 272 m. w. N.
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ergeben. Der Widerspruch, der hier zwischen den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG an einen Enteignungszweck und denjenigen des Gemeinwohls an einen Planungszweck zum Vorschein kommt, kann nur i m Sinne der strengeren Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG aufgelöst werden, wenn der Planungszweck zugleich als Enteignungszweck dienen soll. Zusammenfassend können die vom Gesetzgeber definierten Planungszwecke und ihr Verhältnis zu den Enteignungszwecken folgendermaßen qualifiziert werden: Die gesetzlich bestimmten Planungszwecke sind, jedenfalls bei allen Fällen der Raumplanung, dahingehend zu überprüfen, ob sie sachbezogene Aussagen enthalten und damit der Konkretisierung i m Verlauf des nachfolgenden Planungsverfahrens zugänglich sind, oder aber personenbezogen und sozialstrukturell ausgerichtet sind, woraus sich i h r abschließender Charakter schon auf der Gesetzesebene ergibt. Das Verhältnis der Planungszwecke zur Enteignung bestimmt sich dann unterschiedlich, je nach dem Ergebnis der vorzunehmenden Zweckdifferenzierung. Handelt es sich u m einen Sachzweck, so stellt dieser lediglich einen Rahmen für die nachfolgende Planung auf. Er hat deshalb für die Enteignung ebenfalls nur eine Rahmenfunktion, so daß auch nur dieser Rahmen auf seine Vereinbarkeit m i t Art. 14 Abs. 3 GG überprüft werden kann. Soweit die Planungszwecke als abschließende Festsetzungen eingestuft werden müssen, sind sie als solche unmittelbar enteignungsrelevant. Sie decken sich m i t dem Enteignungszweck und unterliegen somit i n vollem Umfang den Anforderungen, die A r t . 14 Abs. 3 GG an Enteignungszwecke stellt 4 1 . Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich Rückschlüsse auf die den I n halt bildenden konkretisierten Zwecksetzungen. Sie zählen wie die vom Gesetzgeber vorformulierten Zwecke begrifflich zu den Planungszwecken, haben aber sowohl rechtlich wie sachlich eine eigenständige Bedeutung. I n rechtlicher Hinsicht kommt diese einmal darin zum Ausdruck, daß es hier die Verwaltung ist, die den Zweck inhaltlich definiert und seinen Vollzug steuert. Über diesen formalen Aspekt hinaus dokumentiert sich die Eigenständigkeit auch materiell rechtlich. Zwar haben sich die Planungszwecke der Konkretisierungsebene i m gesetzlich gezogenen Rahmen zu halten; das dem Planungsträger zustehende Planungsermessen 42 sowie die Methodik der Planung beinhalten jedoch einen größeren Gestaltungsfreiraum, als er dem ein Rahmengesetz ausfüllen41
Vgl. dazu oben. Dazu B V e r w G E 34, 301; 45, 309; 47, 144; 48, 56; Hoppe, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen u n d anderen Verkehrsanlagen, 1971, Rdnr. 138 ff.; ders., DVB1. 1977, 136; Badura, Das Planungsermessen u n d die rechtsstaatliche F u n k t i o n des allgemeinen Verwaltungsrechts, Festschrift f ü r B a y V e r f G H 1972, 158 ff.; Weyreuther, D Ö V 1977, 419. 42
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II. Teil: Verfassungskonformität
den nachgeordneten Gesetzgeber zukommt 4 3 . Die Anpassung der gesetzlichen Vorgaben an die Wirklichkeit unter Berücksichtigung der Ziele eventuell vorhandener übergeordneter Planungsstufen kann nicht i n einem der Subsumtion vergleichbaren Verfahren vonstatten gehen 44 . Hierfür ist ein Abwägungsverfahren eigener A r t notwendig, das die methodische Besonderheit der Planung ausmacht 45 . Festsetzungen, die i n einem Verfahren unter Berücksichtigung von i n normativen Begriffen verborgenen Zielprojektionen getroffen werden, sind aber i n Wahrheit eigenständige Planzweckdezisionen. Ein weiterer Gesichtspunkt belegt die These von der selbständigen Bedeutung dieser Kategorie von Planungszwecken. Sie prägen den Inhalt des Planes, der wiederum als spezifische Handlungsform der öffentlichen Verwaltung A n erkennung genießt. I m Plan als dem Ergebnis der Planung sind die einzelnen Zwecksetzungen zu einer Einheit verbunden, der bei der Raumplanung gelegentlich Normcharakter zukommt 4 6 . Der Plan als Ergebnis der Planung und die seinen Inhalt bestimmenden Zwecke stellen jeweils eigenständige rechtliche Phänomene dar, die als Planungszweck bezeichnet werden können. Kommen diese Zwecke auch als Enteignungszwecke i n Betracht? Was die den Planinhalt ausmachenden Zwecksetzungen betrifft, so ist bei ihnen auf der Stufe der gesetzlichen Planungszwecke bereits eine enteignungsrechtliche Vorsortierung erfolgt. Es kommt daher für die enteignungsrechtliche Unbedenklichkeit der konkretisierten Planungszwecke nur darauf an, ob das Abwägungsverfahren fehlerfrei verlaufen ist und damit ein Sachzweck begrifflich erfaßt wurde, der den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit entspricht. Diese konkrete Feststellung ist i n bezug auf jede der planungsrechtlichen Aussagen zu treffen. Erweist sich eine Zweckbestimmung als enteignungsrechtlich bedenklich, so stellt der Plan insoweit keine hinreichende Enteignungsgrundlage dar, selbst wenn die anderen Planungsaussagen keinen A n 43
Vgl. dazu BVerfGE 4, 127; 7, 41; 25, 142 ff. Vgl. dazu Forsthoff, Über M i t t e l u n d Methoden moderner Planung, i n : J. H. Kaiser (Hrsg.), Planung I I I , 1968, S. 23 ff.; ders., Lehrbuch des V e r w a l tungsrechts, 10. A u f l . 1973, S. 311 ff. 45 Dazu Badura, Das Planungsermessen u n d die rechtsstaatliche F u n k t i o n des allgemeinen Verwaltungsrechts, Festschrift f ü r den B a y V e r f G H 1972, 158 ff.; Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, W D S t R L 30, 1972, 245 ff.; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit, W D S t R L 34, 1976, 145 ff., 221 ff.; Schmidt-Aßmann, i n : E r n s t / Z i n k a h n / B i e l e n b e r g , Bundesbaugesetz, K o m m . § 1, Rdnr. 305 ff. 48 Vgl. dazu etwa § 10 B B a u G ; zu den speziellen enteignungsrechtlichen Problemen, die sich aus dem Normcharakter gewisser raumordnender Pläne ergeben, vgl. Blümel, Z u r inhaltlichen Überprüfung des Bebauungsplanes i m nachfolgenden Enteignungsverfahren, D Ö V 1965, 297 ff. 44
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laß zu Beanstandungen bieten 47 . Aus dieser Tatsache können Schlußfolgerungen über die enteignungsrechtliche Bedeutung des Planes als solchen gezogen werden. Wenn es auf die enteignungsrechtliche Unbedenklichkeit eines jeden einzelnen Zweckes ankommt, dann kann der Plan als das Produkt der Planung keinen zusätzlichen Enteignungszweck abgeben 48 , da sonst Mängel des Planungsinhaltes durch den einen Selbstzweck darstellenden Plan geheilt werden können. Das Verhältnis von Plan und Enteignung läßt sich somit folgendermaßen bestimmen: Der auf unmittelbaren Vollzug angelegte Plan verwirklicht ein Handlungsprogramm und ist somit ein M i t t e l zur Erreichung von Zwecken. Eine vergleichbare Funktion kennzeichnet die Enteignung i n ihrer Beziehung zum Enteignungszweck. Plan und Enteignung verhalten sich daher zueinander wie ein M i t t e l zu einem anderen. Sie unterscheiden sich lediglich i n der A r t der Zweckverwirklichung. Der Plan bedarf des Rechtsinstitutes der Enteignung dort, wo das i h m immanente Vollzugspotential nicht mehr ausreicht. Er benötigt sie aber regelmäßig nur sektoral, d. h. zur Verwirklichung einzelner konkretisierter Planungszwecke und nicht global, da kaum Fälle praktisch werden dürften, bei denen eine Enteignung zur Verwirklichung aller i m Plan enthaltener Zwecke erforderlich werden wird. Indessen kann die Realisierung eines gesamten Planes daran scheitern, daß ein einziger zum Planinhalt gehörender Zweck m i t dem dem Plan eigenen Vollzugsmechanismus nicht umgesetzt werden kann. Es stellt sich deshalb die Frage, nachdem der Plan als solcher kein Enteignungszweck sein kann, ob möglicherweise die Planvollziehung einen rechtlich zulässigen Enteignungszweck darzustellen vermag. 3. Planverwirklichung als Wohl der Allgemeinheit?
Die Funktion eines legitimen Enteignungszweckes kommt der Planverwirklichung nur zu, wenn sie als eigenständiger Zweck eingestuft werden kann, der dem Wohl der Allgemeinheit entspricht. Was das Erfordernis der Zweckqualität der Planverwirklichung betrifft, so ist an Feststellungen zu erinnern, die i m vorausgehenden Kapitel getroffen wurden. Dort wurde der Plan als ein rechtliches Instrumentarium geschildert, das Verwaltungszwecke zusammenordnet 47 Dazu Blümel, Z u r inhaltlichen Uberprüfung des Bebauungsplanes i m nachfolgenden Enteignungsverfahren, D Ö V 1965, 299 ff.; anders Katzenstein, Enteignungsrechtsprechung beim Übergang zum Bundesbaugesetz, D Ö V 1961, 581 ff.; Bielenberg, Neue Rechtsgrundlagen f ü r den Bau unterirdischer V e r kehrsanlagen i n Hamburg. Z u m neuen Hamburgischen Enteignungsgesetz, DVB1. 1964, 501 ff., 504; umfassend dazu Fröhler / Oberndorf er, Positivplanung u n d Eigentumsrecht, 1979, S. 53 ff. 48 Blümel, Z u r inhaltlichen Überprüfung des Bebauungsplanes i m nachfolgenden Enteignungsverfahren, D Ö V 1965, 299 f. m. w. N.
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II. Teil: Verfassungskonformität
und ein Verfahren zu deren Verwirklichung bereithält. Plan und Planverwirklichung gehören deshalb zusammen, sie bilden eine Einheit. Diese Einheit trägt primär den Charakter eines Mittels zur V e r w i r k lichung der i n ihr enthaltenen Zwecke. Als den Anforderungen der Gemeinwohlklausel des A r t . 14 Abs. 3 GG entsprechend kann dieser Eigenwert, der oben als derivater Verwaltungszweck gekennzeichnet wurde, indessen nicht angesehen werden. I m Rahmen von A r t . 14 Abs. 3 GG zählen nur materielle die Eigentumsnutzung betreffende Zwecksetzungen. Ein Verfahrenszweck, wie i h n die Planverwirklichung darstellt, hat keinen Bezug zur Eigentumsnutzung. Als Enteignungszweck kann er deshalb vor A r t . 14 Abs. 3 GG keinen Bestand haben. Eine Ausnahme davon ließe sich i n dem Fall eventuell rechtfertigen, daß der Plan wie i m BBauG als Satzung und damit als Rechtsnorm ergeht. Dieses rechtliche Gewand, i n das die Planungszwecke gehüllt sind, schafft eine gewisse Distanz zwischen der Enteignungsmaßnahme und der ihr zugrundeliegenden Planungszweckbestimmung. Dem Plan als dem Verbindungsstück zwischen Zwecksetzung und Enteignungszugriff ist somit von Gesetzes wegen ein Gewicht beigelegt worden, dessen Relevanz für die Enteignung bedacht werden muß. Für das Rechtsinstitut der Enteignung könnte sich dies dahingehend auswirken, daß die Enteignungsbehörde den Plan und die i n i h m enthaltenen Zwecke ohne weitere Überprüfung als Enteignungsvoraussetzung hinzunehmen hätte 49 . Der Plan und seine Verwirklichung wäre dann eine hinreichende Legitimationsgrundlage für die Enteignung. Überlegungen dieser A r t erweisen sich auf dem Boden des geltenden Enteignungsrechts lediglich als Hypothesen für den Fall, daß die spezifische Zweckbindung i n A r t . 14 Abs. 3 GG durch verfassungsänderndes Gesetz aufgegeben werden würde. Es gibt deshalb keine Veranlassung zu der Annahme, der Normcharakter des Planes werte dessen Vollzug zu einem eigenständigen Enteignungszweck auf. Auch das enorme faktische Gewicht und der von der Existenz eines Planes ausgehende Vollzugszwang rechtfertigen keine gegenteilige Annahme 5 0 . Die öffentliche Verwaltung als ein Repräsentant des Gemeinwohls investiert zwar i n der Regel beachtliche Summen Geldes und erhebliche Arbeitsleistungen i n die Planung. Auch geraten diese Leistungen nicht selten i n Gefahr zu verfallen, wenn der i m Plan angelegte Vollzugsablauf aufgehalten wird. I n besonders ausgeprägter 49 Katzenstein, Enteignungsrechtsprechung beim Ubergang zum Bundesbaugesetz, D Ö V 1961, 582 f.; Bonczek l Halstenberg, B a u — Boden, Bauleitplanung u n d Bodenpolitik, 1963, S. 348, 352; Dittus, E i n f ü h r u n g i n das Bundesbaugesetz, 1961, S. 35. 50 So auch Fröhler / Oberndorf er, Positivplanung u n d Eigentumsrecht, 1979, S. 54.
2. Kap., I. Verwaltungszwecke / Planungszwecke
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Weise t r i t t dies bei der sog. Entwicklungsplanung 5 1 zutage, wo die Faktoren Raum, Zeit und Geld i n einem Vollzugsablauf zusammengefaßt sind. A u f diese Weise werden Sachzwänge geschaffen, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Die Bereitschaft, eine Planung, die aufgrund so weitgehender Vorleistungen zustande gebracht worden ist, an rechtlichen Gesichtspunkten scheitern zu lassen, ist zugegebenermaßen gering. Andererseits handelt es sich hierbei u m Risiken der Planung, die i n der Sphäre desjenigen verbleiben müssen, der die Planung i n Gang gesetzt hat. Dies wäre jedoch dann nicht mehr gewährleistet, wenn eine Kollision zwischen Rechtsordnung und Planung zu Lasten des Rechts und damit der Allgemeinheit bereinigt werden würde. Der enteignungsrechtliche Begriff des „Wohls der Allgemeinheit", der nicht gleichgesetzt werden darf mit dem des Staates oder eines sonstigen Trägers staatlicher Gewalt, hat sich i n seiner strengen Sachzweckorientierung gerade angesichts solcher Herausforderungen zu bewähren. Die Planverwirklichung, isoliert von den sachlichen Planungszwecken, kann nach alledem nicht als legitimer Enteignungszweck angesehen werden. 4. Zusammenfassung: Planungszwecke, Verwaltungszwecke, Enteignungszwecke
Für die zu Beginn des zweiten Teils aufgestellte Behauptung, daß die zweite Kategorie der transitorischen Enteignungszwecke, die sog. Verwaltungszwecke, typologisch als Planungszweck i n Erscheinung treten und sich somit für eine vom jeweiligen Enteignungsgesetz abgehobene übergreifende Betrachtung eignen, hat die nachfolgende Untersuchung unter den Punkten 1. bis 3. i m wesentlichen den Nachweis erbracht. Hinsichtlich ihrer inhaltlich-qualitativen A r t u n g haben die Planungszwecke erhebliche Unterschiedlichkeiten erkennen lassen, die nach einer differenzierten rechtlichen Bewertung verlangen. Auch i m Verhältnis zwischen Planungs-, Verwaltungs- und Enteignungszwecken ließ sich nur partiell Deckungsgleichheit herstellen. M i t einem Überblick über die Struktur und die gegenseitigen Bezüge von Planungs-, Verwaltungsund Enteignungszwecksetzungen soll deshalb die Behandlung der Zweckproblematik fortgesetzt werden. 51 Dazu Ossenbühl, Gutachten Β zum 50. DJT, 1974, Β 30 ff.; Schmidt-Aßmann, Gesetzliche Maßnahmen zur Regelung einer praktikablen Stadtentwicklungsplanung — Gesetzgebungskompetenz u n d Regelungsintensität, i n : Raumplanung — Entwicklungsplanung, Veröff. der Akademie f ü r Raumforschung u n d Landesplanung, Forschungs- u n d Sitzungsberichte, Bd. 80, 1972, S. 102 ff.; Frido Wagener, F ü r ein neues I n s t r u m e n t a r i u m der öffentlichen Planung, i n : Raumplanung — Entwicklungsplanung, Veröffentlichungen der Akademie f ü r Raumforschung u n d Landesplanung, Forschungs- u n d Sitzungsberichte, Bd. 80, 1972, S. 23 ff.; ders., V o n der Raumplanung zur E n t wicklungsplanung, DVB1. 1970, 93 ff.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Bei der Analyse der Planungszwecke haben sich drei Ebenen rechtlicher Relevanz ermitteln lassen: Die Gesetzesebene, die Planungsebene und die Vollzugsebene. Das Spezifische dieser Ebenen ist m i t ihrer begrifflichen Kennzeichnung bereits angedeutet. Lediglich bezüglich der Gesetzesebene ist zu präzisieren, daß dort Zwecksetzungen sowohl i n personen- wie sachspezifischer Prägung auftauchen. Die personenspezifische Spielart findet auf der Gesetzesebene ihre abschließende Ausprägung, so daß sie sich auf der Vollzugsebene unverändert wiederfindet, sofern die Zwecksetzung vor den normativen Kontrollmaßstäben Bestand hat. Definiert man Verwaltungszwecke, so wie dies oben geschehen ist, als Zwecksetzung sachspezifischer A r t , die der Verwaltung innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens i n formeller wie materieller Hinsicht einen eigenen Entscheidungsraum beläßt, so kommen von den drei Ebenen der Planungszwecke als Verwaltungszwecke lediglich die Planungs- und die Vollzugsebene i n Betracht. Enteignungstauglich wiederum sind nach dem Ergebnis der obigen Prüfung von den Verwaltungszwecken nur diejenigen der Planungsebene. Die Vollzugsebene scheidet als Enteignungszweck aus. Andererseits können die Planungszwecke der Gesetzesebene, die nicht zugleich Verwaltungszwecke sind, nicht schon deshalb aus dem Kreis der Enteignungszwecke ausgeschieden werden. Sind sie personenspezifisch geprägt, was regelmäßig der Fall sein wird, scheiden sie als Enteignungszwecke aus. Vom Ergebnis her betrachtet ergibt sich i n bezug auf die betroffenen Zweckkategorien folgende Situation: Der Enteignungszweck ist teilidentisch m i t dem Verwaltungszweck. Teilidentisch nur deshalb, w e i l hierzu auch noch die Vollzugsebene gerechnet wurde. Der Verwaltungszweck wiederum ist teilidentisch m i t dem Planungszweck der Planungsebene, da diese darüber hinausgehend die gesetzlich bestimmten Planungszwecke und die Vollzugsebene umfaßt. Aufgrund dieses soeben geschilderten Konnexes ergibt sich eine feststehende wechselbezügliche Beeinflussung zwischen Planungszwecken und Enteignungszwecken: Letztere sind zwar eindeutig planungszweckakzessorisch orientiert, prägen aber die Planungszwecke der Struktur nach vor, entsprechend den Anforderungen der Gemeinwohlklausel des A r t . 14 Abs. 3 GG.
I I . Die dauerhafte Sicherung der Enteignungszwecke Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Verwaltungszwecke der transitorischen Enteignung hat, wie oben schon angedeutet wurde, m i t der Schwierigkeit zu kämpfen, daß gerade diese Zweckkategorie über nur wenige, durchgehende Strukturen verfügt, die eine von der Einzelfallbetrachtung losgelöste, übergreifende Befassung gestatten. Hierzu gehört einmal die raumbedeutsame Planung, die, obgleich sie einen
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hohen Stellenwert innerhalb der Verwaltungszwecke einnimmt, diese bei weitem nicht erschöpft. Der Rechtscharakter der Verwaltungszwecke, insbesondere deren Vollzugsbedürftigkeit und Vollzugsfähigkeit, zeigen aber den Weg zu einem weiteren, allgemein verbindlichen Strukturmerkmal dieser Zwecksetzungen: Dem Problem der Zweckverwirklichung auf Dauer 52 . Dauernde Zweckverwirklichung setzt einmal voraus, daß der Enteignungszweck i n die Rechtswirklichkeit umgesetzt, also vollzogen worden ist. Das ist die logische Konsequenz der als Verwaltungszwecke strukturierten Enteignungszwecke. Die Vollziehung als solche gewährleistet jedoch nicht i n jedem Falle, daß der die Enteignung rechtfertigende Zweck über den Augenblick des Rechtsentzuges fortwirkt. Das kann daran liegen, daß der Zweck als solcher nicht auf Dauer angelegt ist, was bei der Enteignung von beweglichem Vermögen häufig der Fall ist, oder aber der durch die Zweckverwirklichung erreichte Zustand sich i m Laufe der Zeit so verändert, daß er dem vom Enteignungszweck gebotenen nicht mehr entspricht. Ob aus diesen Umständen rechtliche Schlußfolgerungen zu ziehen sind, hängt von der Beantwortung der Vorfrage ab, ob und wenn ja, wodurch die dauerhafte Sicherung des Enteignungszweckes rechtlich gefordert wird. 1. Institutsimmanenz der Zwecksicherung
Dauerhafte Sicherung des Enteignungszweckes heißt, daß der mit der Vollziehung des Enteignungszweckes erreichte Zustand so fortgesetzt wird, daß darin der für die Enteignung maßgebliche Zweck jederzeit wiedererkannt werden kann. Eine derartige Qualifizierung der Rechtsfrage läßt Raum für alle i n der Situationsgebundenheit des Eigentums 53 liegenden Wandlungen, da diese jeden Eigentümer unabhängig vom Erwerbsgrund seines Eigentums treffen. A l l e sonstigen, von der Zweckbindung abweichenden Zustandsänderungen, insbesondere solche, die der Eigentümer absichtlich herbeiführt, stehen m i t der Zwecksicherung i n Widerspruch und sind deshalb unstatthaft. Dauerhaft kann eine Zwecksicherung nur dann genannt werden, wenn sie solange gewährleistet ist, als der Zweck objektiv erreicht werden kann, d. h. bezogen auf die Enteignung von Grund und Boden, solange das Grundstück i m Rechtssinne besteht und dieses eine zweckkonforme Nutzung erlaubt. 62 Dazu schon Lay er, Principien des Enteignungsrechts, 1902, S. 372 ff.; n u n auch Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat 1, 1962, 457, 472 f.; Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, Festgabe f ü r Maunz, 1971, S. 99; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A u f l . 1973, S. 336. 63 Dazu B V e r w G E 3, 335; 4, 57; 5, 143; 32, 173; B G H Z 23, 30; 30, 338; Leisner Λ Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 210; Maunz, Bodenrecht vor den Schranken des Grundgesetzes, D Ö V 1975, 3; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), 1976, Rdnr. 114 m . w . N . ; Schulte, Z u r Dogmat i k des A r t . 14 GG, 1979, S. 13.
17 F r e y
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II. Teil: Verfassungskonformität
Die vorstehend charakterisierte Sicherung des Enteignungszweckes w i r d durch das Rechtsinstitut der Enteignung und dessen Verknüpfung m i t der Eigentumsgarantie rechtlich gefordert 54 . Dabei ist i m einzelnen daran zu erinnern, daß der für die Grundstücksenteignung charakteristische Sachsubstanzverlust, der die Eigentumsgarantie als Rechtsstellungsgarantie i n ihrer die Innehabung des Rechts schützenden Funktion trifft, enteignungsrechtlich damit gerechtfertigt wird, daß eine andere ebenfalls eigentumsrechtlich geschützte Funktion, nämlich die Nutzungsfunktion des Eigentums, den Entzug rechtfertige 55 . Die Enteignung w i r d somit durch die Eigentumsgarantie selbst legitimiert, indem sich deren Nutzungsfunktion zu Lasten der Bestandsschutzfunktion durchsetzt. Das Gleichgewicht der eigentumsrechtlichen Schutzfunktionen 56 , das nur i m Ausnahmefall der Enteignung durchbrochen werden darf, w i r d i n der Person des Enteignungsbegünstigten nur wiederhergestellt, wenn die höherwertige Nutzungsfunktion eine dauernde ist. Nur dann geraten die Eigentumsfunktionen gewissermaßen auf höherer Ebene wieder i n eine Gleichgewichtslage. W i r d der Enteignungszweck nicht erreicht oder entfällt er später, so stört dies die Symmetrie der Eigentumsfunktionen, sie treten untereinander i n Widerspruch, der die Strukt u r der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie auf der Erwerberseite sprengt. Andererseits w i r d die frühere Eigentümerposition des Enteigneten diskriminiert, w e i l seine Rechtsposition ohne sachlichen Grund von der Rechtsordnung als weniger schutzwürdig eingestuft wurde. Das Rechtsinstitut der Enteignung denaturiert unter diesen Voraussetzungen zu einem auf Vermögenserwerb ausgerichteten Instrument 5 7 . Die Gemeinwohlklausel läuft leer. A l l e die vorstehend genannten Gesichtspunkte bilden einen Rechtfertigungszusammenhang, der sich aus der wechselseitigen Bezogenheit von Eigentum und Enteignung ergibt. Darin ist die dauerhafte Sicherung des Enteignungszweckes institutionell eingebettet. E i n kurzer historischer Rückblick bestätigt die These von der Institutsimmanenz der Zwecksicherung. Sowohl i n der Gesetzgebung 58 als auch i m wissenschaftlichen Schrifttum des 19. Jahrhunderts 59 kommt die Zweckdomi54
Vgl. BVerfGE 38, 175, 179 ff. Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, Festschrift f ü r Michaelis, 1972, S. 318 f.; Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung u n d Bestandsschutz, 1970, S. 42 ff. 56 Dazu BVerfGE 24, 389 f. 57 Dagegen m i t Nachdruck Werner Weber, Das Eigentum u n d seine Garantie i n der Krise, S. 323, 325; so auch BVerfGE 38, 179. 58 Siehe dazu §§ 16 ff. des preußischen Gesetzes über die Eisenbahn-Unternehmungen v o m 3.11.1838 (GS S. 505); § 141 des Allgemeinen Bergbaugesetzes f ü r die Preußischen Staaten v o m 24.6.1865 (GS S. 705); A r t . 42 des Enteignungsgesetzes f ü r das Herzogthum Oldenburg v o m 21. 4.1897 (GBl., S. 541). 55
2. Kap., II. Zwecksicherung
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nanz der Enteignung klar zum Ausdruck. Darüber hinaus ist unstreitig anerkannt, daß der Enteignungszweck verwirklicht und i n der Verwirklichung dauerhaft gesichert sein muß. Dieses Ergebnis erscheint um so überraschender, als die rechtstheoretischen Grundlagen der Enteignung i n dieser Zeit keineswegs eindeutig geklärt waren. Die Auseinandersetzung u m die sog. publizistische oder die privatrechtliche Natur des Enteignungsinstitutes berührte das hier interessierende Problem indessen nicht 60 . Unabhängig davon, ob die Enteignung als Zwangskauf und Zwangsabtretung konstruiert, oder aber als staatlicher Hoheitsakt angesehen wurde, blieben die Schlußfolgerungen aus der Zweckbindung die gleichen. Die These von der Institutsimmanenz der Zwecksicherung behält sogar i n doppelter Hinsicht ihre Richtigkeit. 2. öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Zwecksicherung
Wenn es zutrifft, daß die Sicherung des Enteignungszwecks vom Enteignungsinstitut zwingend gefordert wird, dann könnte man davon ausgehen, daß es einerlei sei, ob die Enteignung als öffentlich-rechtliches oder als privatrechtliches Institut konstruiert wird. I n jedem Fall ist die Zwecksicherung institutsimmanent. Gleichwohl sind die beiden Konstruktionen i n ihren Auswirkungen keineswegs gleich, was sich vornehmlich am Beispiel der transitorischen Enteignung offenbart. A m deutlichsten treten die Unterschiedlichkeiten bei den gesetzlichen Methoden der Zwecksicherung hervor, auf die i m nachfolgenden Kapitel i m einzelnen eingegangen wird. I n erster Linie dieser Gesichtspunkt, aber auch ein theoretisches Erkenntnisinteresse rechtfertigen es, heute noch zum Gegenstand der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Zwecksicherung Stellung zu nehmen, obgleich die Theorie vom staatsrechtlichen Charakter der Enteignung heute unangefochten gilt. Danach ist die Enteignung ein schwerer und unzumutbarer hoheitlicher Eingriff i n als Eigentum geschützte Rechte zur Erreichung eines besonderen öffentlichen Zwecks gegen angemessene Entschädigung®1. Wenn diesem Rechtsinstitut die Zwecksicherung immanent ist, was bereits i m einzelnen nachgewiesen wurde, so kann es sich hierbei logisch zwingend gleichfalls nur u m eine öffentlich-rechtliche Zwecksicherung handeln. Juristisch konstruktiv stellt sich diese folgendermaßen dar: Das durch den Enteignungseingriff erlangte Eigentum ist und bleibt privatrechtliches Eigentum. Die dem Erwerber zugewach59 Georg Meyer, Das Recht der Expropriation, 1868, S. 163 ff.; Layer, P r i n zipien des Enteignungsrechts, 1902, S. 373. 60 Z u diesem Theorienstreit vgl. Georg Meyer, Das Recht der Expropriation, 1868, S. 163 ff., 245 ff. 61 Ä h n l i c h auch die Definition v o n Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, K o m m . A r t . 14, Rdnr. 71.
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II. Teil: Verfassungskonformität
sene private Rechtsmacht ist aber durch eine öffentlich-rechtliche Zweckbindung überlagert. Sie w i r k t sich je nach der Beschaffenheit des Zweckes bei unterschiedlichen Eigentumsfunktionen aus. Einmal kann sie die Veräußerungsbefugnis einschränken, ein anderes M a l kann sie sich i m Bereich der Nutzungsbefugnis auswirken. I n jedem Falle sorgt sie dafür, daß die Privatnützigkeit des Eigentums eingeschränkt wird 8 2 . Da diese Beschränkung der Rechtsposition des Enteignungsbegünstigten von Anfang an anhaftet, w i r d damit gleichsam automatisch sichergestellt, daß der öffentliche Zweck unabhängig von der Person des Rechtsinhabers zur Geltung gebracht wird. Solange der öffentliche Zweck an sich besteht, ist damit bei der öffentlich-rechtlichen Konstruktion der Zweckbindung auch für seinen Fortbestand gesorgt. I n den Fällen der transitorischen Enteignung erlangt das Problem der Zwecksicherung praktische Bedeutung, da hier der Träger der Enteignung m i t dem Enteignungsbegünstigten nicht identisch ist. Die Notwendigkeit einer rechtsgeschäftlichen Übertragung der enteigneten Sache83 birgt keine Risiken für die Zwecksicherung, solange diese öffentlich-rechtlicher Natur ist. A u f einen Gesichtspunkt ist aber i n diesem Zusammenhang noch hinzuweisen: Die öffentlich-rechtliche Zwecksicherung i n dem soeben umschriebenen Wirkungszusammenhang setzt Zwecke voraus, die an den eigentumsrechtlich geschützten Funktionen anknüpfen können. Andere nicht eigentumsfunktionell reflektierte Zwecke, wie z. B. die Bekämpfung der Bodenspekulation oder die Erzielung von breit gestreutem Grundeigentum können auf diese Weise nicht gesichert werden, da ihnen der Konnex zur Sache fehlt, sie also keine Sachzwecke darstellen. Zwar stellt sich bei Zwecken dieser A r t nach der hier vertretenen Auffassung die Frage der Zwecksicherung nicht, da diese Zwecke gerade wegen ihrer fehlenden Sachzweckqualität für die Enteignung untauglich sind; andererseits dient die aus der öffentlichrechtlichen Zwecksicherung gewonnene Erkenntnis als weiteres Indiz für die Richtigkeit der Annahme, daß nur Sachzwecke legitime Enteignungszwecke sein können. Die gleichen Probleme sind grundlegend anders gelagert, wenn ihnen die privatrechtliche Enteignungstheorie zugrundegelegt wird. Wenn von der privatrechtlichen Enteignungstheorie gesprochen wird, so t r i f f t dies den K e r n der Sache nur sehr unvollkommen, da es mehrere Spielarten davon gibt, die allein durch ihre Zugehörigkeit zum Privatrecht verbunden sind 84 . Die bis ins späte 19. Jahrhundert m i t Abstand am häufig62 Dazu BVerfGE 24, 389 f.; Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 30,117,131 ff. 63 Umfassend dazu Lohr, Privatisierung u n d Reprivatisierung i m Städtebaurecht, N J W 1979, 2169 ff. m. w . N. 64 Vgl. Georg Meyer, Das Recht der Expropriation, S. 245—259.
2. Kap., III. Methoden der Zwecksicherung
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sten vertretene Variante war die Theorie von der Enteignung als Zwangskauf und als Zwangsabtretung® 5 . Danach war zum Erwerb der benötigten Sache die Herstellung eines dinglichen Rechtsgeschäftes erforderlich, das seinerseits durch ein vorausgehendes obligatorisches Rechtsverhältnis vermittelt sein mußte. Da beides vom rechtsgeschäftlichen Willen getragene Erklärungstatbestände sind, der Enteignete solche Erklärungen gegenüber dem Enteignungsbegünstigten i n aller Regel nicht freiwillig abgegeben haben dürfte, griff die Theorie zu konstruktiven, dem gemeinen Recht entlehnten Aushilfen. Damit sollte der rechtsgeschäftliche Charakter belegt und dargetan werden, daß für die Ingangsetzung der Enteignung die gleichen Anlässe maßgeblich sind, die auch für die Initiierung von Obligationen von Bedeutung sind. Durch die Entscheidung der Enteignungsbehörde w i r d für den Fall, daß ein beiderseits konsentiertes Geschäft nicht zustandegebracht werden kann, eine rechtsgeschäftsähnliche Obligation — eine obligatio quasi ex contractu — hergestellt. Sie bildet den Rechtsgrund für die Zwangsabtretung, m i t der die dingliche Rechtsänderung vollzogen wird. A u f diesem von zivilrechtlichen Konstruktionen geprägten Hintergrund kann es nicht verwundern, wenn auch die Zwecksicherung m i t den M i t t e l n des Zivilrechtes erstrebt wird. Beim Zwangskauf als dem obligatorischen Geschäft setzen alle diese Maßnahmen an, m i t dem Ziel, den Kaufvertrag rückgängig zu machen, wenn der m i t diesem verfolgte Zweck fehlschlägt. Konstruktionen dieser A r t gebührte angesichts der heute unangefochten geltenden öffentlich-rechtlichen Enteignungstheorie keine besondere Aufmerksamkeit mehr, wenn nicht der Gesetzgeber noch i n diesem Jahrhundert gesetzliche Methoden der Zwecksicherung festgelegt hätte, die eindeutig Relikte der zivilrechtlichen Zwecksicherung sind. Ihnen sowie den wichtigsten anderen Formen der gesetzlichen oder administrativen Zwecksicherung soll i m folgenden Abschnitt nachgegangen werden. I I I . Gesetzliche oder verwaltungsmäßige Methoden der Zwecksicherung Die Methoden der Zwecksicherung hängen entscheidend davon ab, ob der Enteignungsvorgang öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet ist. Da diese Frage nach dem heute geltenden Recht eindeutig zugunsten des öffentlich-rechtlichen Charakters der Enteignung entschieden ist, bietet sich für die Untersuchung dieses Gegenstandes folgende Vorgehensweise an: Zunächst sollen die der Zwecksicherung dienenden gesetzlichen Institute öffentlich-rechtlichen Ursprungs be65
Layer, Prinzipien des Enteignungsrechts, S. 318 ff.
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II. Teil: Verfassungskonformität
handelt werden. Sodann werden die privatrechtlichen Sicherungsmethoden dargestellt und schließlich richtet sich das Interesse auf die Möglichkeiten administrativer Zwecksicherungen. 1. Die Rückenteignung
Von den auf hoheitlicher Grundlage beruhenden Methoden der Zwecksicherung nimmt die Rückenteignung die m i t Abstand wichtigste Position ein. Das w i r d schon durch die Häufigkeit ihres Vorkommens i n den einschlägigen Gesetzen®6, aber auch durch ihre bis weit i n das 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition 6 7 belegt. Gleichwohl handelt es sich bei der Rückenteignung u m ein Rechtsinstitut, m i t dem sich noch viele offene Fragen verbinden. Hierzu zählt schon der Zweifel an der begrifflich exakten Bezeichnung. Rückenteignung bedeutet nämlich dem Wortlaut nach die Enteignung des Enteignungsbegünstigten 68 , m i t dem Ziel der Rückführung des enteigneten Gegenstandes auf den früheren Eigentümer. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, dann gebietet es der Vorbehalt des Gesetzes wegen des i n der Rückenteignung liegenden Eingriffes, eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hierfür zu schaffen. Ohne sie darf eine so verstandene Rückenteignung nicht durchgeführt werden. Da i n einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Enteignungsgesetzen keine Rückenteignungstatbestände vorgesehen sind, muß die durch Enteignung geschaffene Eigentumslage unverändert aufrecht erhalten bleiben, obgleich der Enteignungszweck fehlgeschlagen ist. Eine Zwecksicherung kann unter diesen Umständen nicht verwirklicht werden. Dort aber, wo der Gesetzgeber eine Rückenteignung vorgesehen hat, w i r d ein Verfahren i n Gang gesetzt, das den Anschein erweckt, als hätte der Enteignungsbegünstigte völlig lastenfreies Eigentum erworben, das nur unter Zuhilfenahme eines echten Enteignungszugriffs rückführbar ist. Eine derartige juristische Beurteilung zieht aus der Theorie der öffentlich-rechtlichen Zwecksicherung nicht die gebotenen Konsequenzen. Diese Theorie legt eine wesentlich andere rechtliche Beurteilung des Phänomens der Rückenteignung nahe. Der Sache nach handelt es sich hierbei u m keinen selbständigen Enteignungstatbestand, sondern es w i r d ein fehlgeschlagener Enteignungsvorgang 69 rückgängig gemacht ββ Vgl. § 57 A u f b a u G Rheinland-Pfalz v o m 1. 8.1949 (GVB1. I, S. 317); § 46 Abs. 8 A u f b a u G Nordrhein-Westfalen v o m 29.4.1950 (GVB1., S. 78); § 51 B a u landbeschaffungsG v o m 3. 8.1953 (BGBl. I, S. 270); § 43 BundesleistungsG v o m 19.10.1956 (BGBl. I, S. 815); § 57 LandbeschaffungsG v o m 23. 2.1957 (BGBl. I, S. 134); § 102 B B a u G etc. 67 Vgl. dazu BVerfGE 38, 181 f. 68 So B V e r w G 38, 183; umfassend dazu v. Mutius, Eigentumsgarantie u n d Anspruch auf Rückübereignung bei NichtVerwirklichung des Eigentumszwecks, Verw.Arch. 66, 1975, 283 ff.
2. Kap., III. Methoden der Zwecksicherung
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m i t der Folge, daß das enteignete Recht auf den früheren Rechtsinhaber zurück zu übertragen ist. Den Rechtsgrund für diese Maßnahme bildet bereits die Enteignung, insbesondere die dieser innewohnende öffentlich-rechtliche Zweckbindung, nicht aber das Institut der Rückenteignung, das lediglich das Verfahren zur Realisierung dieses Rechtsgedankens bereitstellt 70 . Die Rückenteignung, oder begrifflich zutreffender die Rückübertragung, stellt somit die Kehrseite der Enteignung dar und hängt mit dieser untrennbar zusammen. Daraus folgt, daß die Regelungszuständigkeit bezüglich der Rückenteignung einen Annex 7 1 zu den Enteignungszuständigkeiten darstellt. Der Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes ist für die Rückenteignung nicht einschlägig, da hiermit eine i m enteigneten Eigentum angelegte Pflichtenlage, eine immanente Grundrechtsschranke rechtlich erfaßt w i r d und kein selbständiger Grundrechtseingriff gegeben ist. Eine Rückenteignung kann somit auch vollzogen werden, wenn der Enteignungsgesetzgeber das Verfahren nicht i m einzelnen geregelt hat 7 2 . Welche der beiden die Rückenteignung betreffenden Sichtweisen ist nun die zutreffende, oder treffen eventuell beide zu? Letzteres ist eindeutig zu verneinen. Die m i t dem Sinn und Zweck des A r t . 14 Abs. 3 GG allein zu vereinbarende rechtliche Konstruktion ist die sog. Kehrseitentheorie 73 der Rückenteignung, da nur sie der öffentlich-rechtlichen 69
So BVerfGE 38, 193 f.; Kimminich, D Ö V 1975, 314 ff.; Werner Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszwecks (Rückenteignung), Diss, jur., F r a n k f u r t / M . 1976, S. 66 f.; zweifelnd v. Mutius, Eigentumsgarantie u n d Anspruch auf Rückübertragung bei NichtVerwirklichung des Enteignungszwecks, Verw.Arch. 66, 1975, 2881; der Hinweis von v. Mutius, S. 288, der Gesetzgeber könne die A r t u n d Weise der Rückführung i n einer dem konkreten Zusammenhang angepaßten F o r m insbesondere auch durch privatrechtliche Ansprüche auf Rückenteignung bestimmen, geht bezüglich der letzteren Behauptung an der W i r k l i c h keit vorbei. Enteignungszwecke, die fehlgeschlagen sind, können unter den heutigen konstitutionellen Bedingungen n u r durch Rückenteignung korrigiert werden u n d diese ist zwingend öffentlich-rechtlich ausgestaltet. 70 So BVerfGE 38, 181; Schmidt-Aßmann, i n : E r n s t / Z i n k a h n / Bielenberg, BBauG, Komm., § 102, Rdnr. 7—12; ablehnend Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, K o m m . A r t . 14, Rdnr. 92: ablehnend aus der Rspr. BVerwG, D Ö V 1968, 362. 71 Dazu Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, K o m m . A r t . 70, Rdnr. 32. 72 Dazu Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat 1, 1962, 469 auch m i t weiteren Hinweisen auf die ältere L i t . ; f ü r Österreich vgl. Bydlinski, Rückübereignungsvergütungsansprüche bei Enteignung, JB1.1972, 129; Fr öhler / Oberndorf er, Positivplanung u n d Enteignungsrecht, 1979, S. 64 f.; umfassend Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, 1978, S. 26 ff. 7S So die Bezeichnung v o n Schmidt-Aßmann, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, BBauG, Komm., § 102, Rdnr. 11, der i n A n l e h n u n g an eine Entscheidung des B G H v o m 30.1.1961 — W M 1961, 539 ff., 542 f. — von Kehrseitentheorie spricht.
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II. Teil: Verfassungskonformität
Zweckbindung des Enteignungsinstituts entspricht. Die gesetzlich geregelten Tatbestände, die die Rückenteignung wie einen neuen Enteignungsfall behandeln, bedürfen dagegen der verfassungskonformen Auslegung. Damit soll der dauernden Zweckbindung Rechnung getragen werden, die verfassungsgesetzlich geboten ist. Bei Zugrundelegung der Theorie vom echten Enteignungseingriff der Rückenteignung wäre sie aber nur i n den Fällen gewährleistet, i n denen eine entsprechende gesetzliche Regelung besteht. Hinzu kommt eine weitere Überlegung: Wäre die Rückenteignung ein echter Enteignungsfall, dann setzte ihre Verwirklichung das Vorliegen eines dem Allgemeinwohl entsprechenden Zwecks voraus. I m Falle der Rückenteignung würde dieser bei der Enteignung sachgerecht erscheinende Legitimationszusammenhang vom Ergebnis her geradezu pervertiert werden, denn der m i t der enteignungsrechtlichen Zweckbestimmung i n Widerspruch befindliche Enteignungsbegünstigte würde durch die Anwendung der Enteignungsvoraussetzungen noch prämiiert werden, obwohl er durch sein Verhalten erst die Notwendigkeit für eine Rückübertragung geschaffen hat. I n einer weder m i t der Eigentumsgarantie noch dem Enteignungsinstitut zu vereinbarenden systemwidrigen Weise würde bei einer derartigen Problemlösung der Enteignungsbegünstigte doppelt bevorzugt, der Enteignungsbetroffene doppelt benachteiligt werden. Es sprechen daher nicht nur die genannten positiven Argumente für die Richtigkeit der Kehrseitentheorie, auch die negativen Folgen der echten Rückenteignungstheorie tragen dazu bei, die Rückenteignung nicht als Enteignung, sondern als contrarius actus einer fehlgeschlagenen Enteignung zu qualifizieren. Die spezifische Sichtweise über den Gegenstand der Rückenteignung, die i n der Kehrseitentheorie zum Ausdruck kommt, bewährt sich auch bei komplexer gelagerten Enteignungstatbeständen, wie ζ. B. der transitorischen Enteignung. Als contrarius actus löst die Rückenteignung hier folgendes Rückabwicklungsverfahren aus: Der Enteignungsbetroffene wendet sich an die Enteignungsbehörde, damit diese den Enteignungsgegenstand vom materiell Enteignungsbegünstigten zurückholt. Dabei läuft i m Stadium der Rückabwicklung das gleiche zweistufige Verfahren, das für die transitorische Enteignung charakteristisch ist, i n entgegengesetzter Richtung ab. M i t diesem Verfahren werden die notwendigen Konsequenzen aus der Tatsache gezogen, daß der materiell Enteignungsbegünstigte, i m Gegensatz beispielsweise zur Enteignung zugunsten Privater, nicht selbst am förmlichen Enteignungsverfahren A n t e i l hat. Juristisch konstruktiv beruht dieses Verfahren auf einem subjektiv-öffentlichen Recht des früheren Eigentümers gegenüber der Enteignungsbehörde auf Rückverschaffung des Eigentums. E i n auto-
2. Kap., III. Methoden der Zwecksicherung
265
matischer Rückfall des Eigentums kann schon i m Hinblick auf die grundbuchrechtlich geschaffenen Fakten nicht i n Betracht kommen, obgleich dem Enteignungsbegünstigten nur beschränkt privatnütziges Eigentum zusteht. Das Gesetz mutet dem früheren Eigentümer somit zu, daß er die Einhaltung des Enteignungszweckes i n seinem eigenen Interesse verfolgt. Auch ohne eine entsprechende spezialgesetzliche Regelung kann dieser Anspruch unmittelbar A r t . 14 Abs. 3 i. V. m. A r t . 14 Abs. 1 GG entnommen werden. Anlaß für die Durchführung des Rückenteignungsverfahrens ist das Fehlschlagen des Enteignungszweckes. Dieser Tatbestand w i r f t bei komplexen Zweckbestimmungen, wie sie bei den modernen Erscheinungsformen der transitorischen Enteignung üblich sind, eine Reihe von klärungsbedürftigen Fragen auf. Hierzu zählt als erste die nach den Kriterien des Fehlschlagens des Enteignungszweckes. Da m i t der Enteignung ein nutzungsspezifischer Zweck verfolgt wird, kann ein Fehlschlagen erst dann festgestellt werden, wenn die für den Eigentumsentzug maßgebliche Nutzung für keinen der Zweckbindung unterworfenen Beteiligten mehr möglich ist. Dies gilt für Fälle objektiver Unmöglichkeit, wie beispielsweise bei Aufhebung oder wesentlicher, den Enteignungszweck ergreifender Planänderung, es gilt aber auch für alle Unvermögenstatbestände. Ohne Bedeutung bleibt dagegen, ob der Enteignungsbegünstigte die Zweckverfehlung zu vertreten hat 7 4 und ob diese i m Falle der transitorischen Enteignung sich bereits i n der Rechtssphäre der Gemeinde, oder erst später i n derjenigen des privaten Begünstigten aktualisiert. Der Enteignung geht es nämlich ausschließlich um die Erreichung objektiver Rechtserfolge. Subjektive Verhaltensweisen der am Verfahren beteiligten Rechtsträger bewertet sie nicht. Andererseits kann von Zweckverfehlung noch keine Rede sein, wenn die Enteignung von einer nur zeitlich versetzt realisierbaren Zweckkombination beherrscht wird, von der erst ein Teil i n das Stadium der Verwirklichung eingetreten ist. Hier w i r d das Erfolgskriterium durch einen Zeitfaktor ergänzt, so daß eine Rückenteignung erst i n Betracht zu ziehen ist, wenn die Erreichung der noch offenen Zwecke der Sache nach oder i n einem zumutbaren zeitlichen Rahmen entfällt. Die auf der Grundlage der Kehrseitentheorie konstruierte Rückenteignung erbringt nach alledem einen überzeugenden Nachweis für die dominierende Funktion des Zweckes innerhalb der Gesamtproblematik der Enteignung.
74 So eindeutig Schmidt-Aßmann, Komm., § 102, Rdnr. 25.
i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, BBauG,
266
II. Teil: Verfassungskonformität 2. Das Heimfallsrecht
Ein weiteres, wenn auch i n seiner praktischen Bedeutung i m Vergleich zur Rückenteignung eindeutig zurücktretendes M i t t e l der Zwecksicherung stellt das Heimfallsrecht dar. Obgleich es i n der Enteignungsgesetzgebung bei weitem nicht so häufig i n Erscheinung t r i t t wie die Rückenteignung, nimmt es doch unter den Zwecksicherungsmitteln einen gesicherten Rang ein 75 . Zweifelhaft erscheint indessen, ob dieser Rang einer spezifisch enteignungsrechtlichen Funktion dieses Rechtsinstituts ist, oder er sich nicht i n gleicher Weise aus Regelungsaufgaben rechtfertigt, die das Heimfallsrecht i m Rahmen des Zivilrechts erfüllt. Das Heimfallsrecht ist nämlich eine Rechtsfigur, die sowohl dem Z i v i l recht wie dem öffentlichen Recht zugehörig ist. Aus dieser Feststellung leitet sich die Frage nach dem Rechtscharakter des Heimfallsrechtes ab. Da es sich hierbei u m ein Zwecksicherungsmittel handelt, w i r d die Rechtszugehörigkeit des Heimfallsrechts entscheidend von der Eigenart des Rechtes geprägt, dem die gesetzlich vorgegebenen Zwecke angehören. Sind diese Zwecke i n einen zivilrechtlichen Regelungszusammenhang eingebettet, so ist das Heimfallsrecht entsprechend ausgestaltet. Bildet den Bezugspunkt eine öffentlichrechtliche Normierung, gehört auch das Heimfallsrecht dem öffentlichen Recht an. Bezogen auf die hier zu behandelnde enteignungsrechtliche Problematik folgt daraus, daß das Heimfallsrecht sowohl auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen wie der der privatrechtlichen Enteignungstheorie verwendet werden kann. Untersucht man, ausgehend von der öffentlich-rechtlichen Enteignungstheorie die Wirkungen des Heimfallsrechtes i m einzelnen, so fällt zunächst auf, daß auch dieses keinen automatischen Rückfall des Enteignungsgegenstandes auf den ehemaligen Eigentümer unter der Voraussetzung der Zweckverfehlung nach sich zieht, was die Bezeichnung des Rechtsinstitutes nahezulegen scheint. Es begründet vielmehr einen Anspruch gegen den neuen Rechtsinhaber auf Rückübertragung 78 . Ebenso wie bei der Rückenteignung dürfte auch hierfür das Bestreben, Rechtsklarheit herzustellen 77 , maßgeblich gewesen 75 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat 1, 1962, 374, A n m . 75; i h m folgend Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 99 f.; zum Heimfallsanspruch i n der Rechtsordnung vgl. § 36 WEG, §§ 3, 4 ErbbRVO. 76
Vgl. § 14 RHG, der dem Heimfallsrecht die W i r k u n g einer V o r m e r k u n g zuschreibt. Da diese eine Forderung voraussetzt, zu der sie akzessorisch ist, liegt eindeutig fest, daß das Heimfallsrecht einen Anspruch auf Rückübertragung gewährt u n d nicht k r a f t Gesetzes u n m i t t e l b a r Rechtswirkungen erzeugt, vgl. Β GHZ, Der Betrieb 1976, 671. 77 Sie w i r d schon i m H i n b l i c k auf die Eintragung i m Grundbuch gefordert; zu den Funktionen des Grundbuchs vgl. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 10. Aufl. 1978, S. 119.
2. Kap., III. Methoden der Zwecksicherung
267
sein. Sie gebietet eine Rückführung i n einem stufenweise geordneten Verfahren. Abgesehen von dieser formalen Übereinstimmung gibt es jedoch zwischen Heimfallsrecht und Rückenteignung keine juristisch konstruktiven Gemeinsamkeiten. So ist das Heimfallsrecht anders als die Rückenteignung keine aus der Struktur der Enteignungszwecke sich ergebende zwingende rechtliche Folgerung, sondern stellt ein Sicherungsmittel dar, das zwar funktionell m i t dem zu sichernden Zweck verknüpft ist, zu diesem aber i n keiner sachlich-rechtlichen Beziehung steht. Schon aus der Tatsache, daß das Heimfallsrecht zur Sicherung von Zwecken unterschiedlichsten materiellen Zuschnittes i n unserer Rechtsordnung verwendet wird, ergibt sich seine Abstraktion von der Struktur des zu sichernden Zweckes. Anders als die Rückenteignung ist es deshalb nicht auf die Sicherung von Enteignungszwecken monopolisiert und kann somit auch nicht durch die begriffliche Struktur des Eigentums und der Enteignung geprägt werden. Das hat auf der einen Seite für den Gesetzgeber den Vorteil, daß das Heimfallsrecht vielseitig als Zwecksicherungsmittel eingesetzt werden kann. Andererseits folgt aber auch daraus, daß dieses Sicherungsmittel ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht angewendet werden darf. Wenn das Enteignungsrecht i n bezug auf das Heimfallsrecht nur einen Anwendungsfall unter mehreren darstellt, so drängt sich i n Anbetracht der Rückenteignung die Frage nach der sachlichen Notwendigkeit einer Verwendung dieses Rechtsinstitutes auf. Eine systemgerechte Betrachtung dieses Problems muß i n der Tat zu dem Ergebnis gelangen, daß zur Sicherung der Enteignungszwecke die Rückenteignung das am speziellsten ausgeprägte Sicherungsmittel ist. Andererseits vermag die Rückenteignung aufgrund ihrer Verknüpfung mit den Enteignungszwecken nur Zwecksetzungen i n einem enteignungstechnischen Sinne zu sichern, so daß der Spezialitätsvorrang nur insoweit gilt. Dort wo die verfassungsgesetzliche Lage die Verfolgung auch anderer als enteignungstechnischer Zwecke gestattet, wie beispielsweise unter der Geltung von A r t . 155 Abs. 2 WRV, versagt die Rückenteignungstechnik als Methode der Zwecksicherung. Hier besteht für das Heimfallsrecht ein Anwendungsbereich, aus dem durch die Rückenteignung nicht verdrängt werden kann. I m Geltungsbereich des Grundgesetzes kann nach dem hier bezogenen Standpunkt eine derartige, die Enteignung betreffende Konstellation ohne vorherige Verfassungsänderung nicht auftreten, so daß gegenwärtig, wie die Gesetzgebungspraxis belegt, das Heimfallsrecht als Zwecksicherungsmittel bei der Enteignung ohne Bedeutung bleibt 7 8 . 78 Die Bedeutungslosigkeit des Heimfallrechts ist jedenfalls f ü r Enteignungszwecke erwiesen. E i n außerhalb der Enteignung stehender sozialer U m -
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II. Teil: Verfassungskonformität 3. Das Wiederkaufs- bzw. Vorkaufsrecht
Beim Wiederkaufs- oder Vorkaufsrecht des Enteigneten handelt es sich u m ein gesetzlich geregeltes Zwecksicherungsmittel, das m i t dem Vorkaufsrecht der Gemeinden als einem Bestandteil des modernen bodenrechtlichen Instrumentariums, nicht verwechselt werden darf 7 9 . Beide Rechtsinstitute verfolgen zwar das gleiche Ziel, nämlich den Erwerb privaten Bodeneigentums, sie unterscheiden sich jedoch sowohl i n bezug auf die Person des Berechtigten als auch hinsichtlich der Richtung, i n der der Rechtserwerb vonstatten geht. Was zunächst die Person des Berechtigten anbelangt, so ist dies i m Falle des Wiederkaufsrechts der ehemalige private Rechtsträger, der sein Recht durch die Enteignung verloren hat. Berechtigte aus dem öffentlichen Vorkaufsrecht sind dagegen die Kommunen als Träger der Planungshoheit. Z u m zweiten Unterscheidungskriterium ist anzumerken, daß der private Berechtigte einen Rückerwerb vollzieht, die Gemeinde m i t dem kommunalen Vorkaufsrecht dagegen einen Neuerwerb tätigt. Von seiner Rechtsnatur ist das Wiederkaufsrecht, das auch als Vorkaufsrecht des Enteigneten bezeichnet werden kann, eine typische Ausprägung einer privatrechtlichen Zwecksicherung i m Enteignungsrecht. I n i h r lebt die Idee von der Enteignung als Zwangskauf weiter und obgleich diese Vorstellung spätestens i m letzten Viertel des 19. Jahrhunderts als überholt angesehen werden 8 0 kann, taucht das Wiederkaufsrecht noch i n bedeutsamen gesetzlichen Regelungen zu Anfang der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts 8 1 auf. Daran zeigt sich, wie lange die Strukturen der privatrechtlichen Enteignungstheorie nachverteilungszweck könnte bei entsprechender ges. Normierung heute durchaus v o m Heimfallsrecht gesichert werden. Würde A r t . 14 Abs. 3 GG i n eine dem A r t . 155 Abs. 2 W R V angenäherte F o r m gebracht u n d somit die Kategorie der legitimen Enteignungszwecke erweitert, so wäre n u n auch Raum f ü r die öffentlich-rechtliche Spielart des Heimfallsrechtes; der Gesetzgeber hat insoweit auch unter dem geltenden Verfassungsrecht noch einen gewissen Gestaltungsfreiraum; i h n spricht v. Mutius, Eigentumsgarantie u n d Anspruch auf Rückübereignung bei NichtVerwirklichung des Enteignungszwecks, S. 288 an. 79 Dazu Bielenberg, Vorkaufsrecht nach der Novelle zum BBauG, BBauBl. 1976, 458; Dietzel, Genehmigungsnotwendigkeiten u n d Ausübungsfristen beim Vorkaufsrecht nach § 24 B B a u G u n d § 17 StBFG, JR 1975, 12; Schmitt, Bodenverkehrsgenehmigung u n d Vorkaufsrecht, B a y V B l . 1973, 337; Ziegler, Z u m Vorkaufsrecht f ü r einen Grundstücksteil, l i m i t i e r t e n Vorkaufsrecht u n d V o r kauf s verfahrensrecht, DVB1. 1974, 744; Kurze, Das gesetzliche Vorkaufsrecht der öffentlichen H a n d i n seiner F u n k t i o n als Bodenbeschaffungsinstrument, 1975, S. 72. 80 So Layer, Prinzipien des Enteignungsrechts, S. 318 f. m. w . N. 81 Vgl. § 21 RSG sowie dazu Kurze, Das gesetzliche Vorkaufsrecht der öffentlichen H a n d i n seiner F u n k t i o n als Bodenbeschaffungsinstrument, 1975, S. 31 ff.
2. Kap., III. Methoden der Zwecksicherung
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gewirkt haben. Z u m anderen w i r d offenbar, i n welch geringem Maße die dogmatischen Zusammenhänge zwischen der rechtlichen Zugehörigkeit des Enteignungszweckes und der Methode seiner Sicherstellung i n der Vorstellung des Gesetzgebers, der hier sogar die verfassunggebende deutsche Nationalversammlung war, verankert waren. Hier ist nicht der Ort, u m i n eine Erörterung der Konsequenzen einzutreten, die sich aus der Verknüpfung einer öffentlichen Zwecksetzung m i t einem privatrechtlichen Sicherungsmittel ergeben, entscheidend ist hier allein das Faktum, daß das Wiederkaufsrecht ein privatrechtliches Zwecksicherungsinstrument 82 , abgeleitet aus der privatrechtlich Enteignungstheorie darstellt. Wie alle bisher kennengelernten Zwecksicherungen legitimiert sich auch das Wiederkaufsrecht aus der Verfehlung von Zwecken, und zwar insoweit i n Übereinstimmung m i t dem Rückenteignungsrecht ausschließlich von Enteignungszwecken 83 , während das Heimfallsrecht zur Sicherung auch anderer Zwecke dient. Liegt der Tatbestand einer solchen Zweckverfehlung vor, so folgt alleine daraus noch nicht die Wiederverschaffungspflicht des Enteignungsbegünstigten 84 . Den Anlaß zu ihrer Aktualisierung bildet i n bestimmten Fällen neben der Zweckverfehlung der Verkauf der enteigneten Sache. Wie auch immer die tatbestandlichen Voraussetzungen i m einzelnen aussehen mögen, eindeutig ist, daß die Rechtsfolge des Wiederkaufsrechts i n einem Anspruch auf dingliche Belastung des enteigneten Grundstücksrechts i m Grundbuch besteht. Da diese somit erst durch Konsensualakte geschaffen werden muß, steht fest, daß die Zweckverfehlung als solche keine dingliche Auswirkung haben kann. Weiterhin ergibt sich von daher, daß ein auf privatrechtlicher Grundlage konstruiertes Enteignungsinstitut dogmatisch nicht selbst die Gewähr dafür bieten kann, daß der aus seiner rechtlichen Zuordnung gelöste Gegenstand wieder dorthin zurückkehrt, wenn die Voraussetzungen für seinen Entzug nachträglich entfallen. Die allein verbleibende Sanktion für den Fall der Zweckverfehlung besteht i n einem vom allgemeinen Durchsetzungsrisiko behafteten obligatorischen Anspruch. Der direkte Zugriff auf den Gegenstand selbst w i r d erst nach Eintragung des dinglichen Sicherungsrechtes i m Grundbuch eröffnet. Vergleicht man die Wirkungsweise des Wiederkaufsrechts m i t der des Heimfallsrechtes und der Rückenteignung, so stellt man eine i n der 82
Vgl. dazu Mezger, B G B — R G R K , Band I I , 2. Teil, § 497, Rdnr. 2 u n d 4. Diese Feststellung g i l t selbstverständlich n u r dort, w o das Wiederkaufsrecht i m Rahmen der Enteignung Sicherungsfunktion übernimmt. Die p r i v a t rechtliche Bedeutung des Wiederkaufsrechts, § 497 B G B bleibt davon unberührt. 84 Vgl. § 20 Abs. 1 RSG; er setzt darüber hinaus noch als weiteres Erfordernis die betätigte Verkaufsabsicht des Ansiedlers voraus. 83
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II. Teil: Verfassungskonformität
Intensität fortschreitende Lockerung der unmittelbaren Zweckbindung fest. Sie w i r k t am unmittelbarsten und intensivsten bei der Rückenteignung m i t der Folge, daß die Zweckverfehlung den contrarius actus auch ohne gesetzliche Ermächtigung auslöst. Dieser spezifische Zusammenhang w i r d beim Heimfallsrecht unterbrochen. Maßgeblich dafür ist, daß es sich hierbei u m ein vom Enteignungszweck losgelöstes Sicherungsmittel handelt, das auch zur Sicherung anderer als Enteignungszwecke zu gebrauchen ist, dem aber i n seiner Wirkung als relatives Verfügungsverbot eine quasidingliche Rechtsnatur 85 unmittelbar kraft Gesetzes zukommt. Unmittelbare dingliche Wirkung kraft Gesetzes kann dagegen beim Wiederkaufsrecht nicht festgestellt werden, w e i l dieses auf privatrechtlicher Grundlage beruht und dort Rechtswirkungen erst eintreten, wenn sie von einem rechtsgeschäftlich maßgeblichen Willen getragen sind. Setzt man die Wirkungsweise und die Zweckkonnexität der oben vorgestellten Zwecksicherungen i n Beziehung zu den aus der Eigentumsgarantie und dem Enteignungsrecht abzuleitenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine dauerhafte Zwecksicherung, so w i r d man allein dem Institut der Rückenteignung, i n der Gestalt, wie es sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes erhalten hat 8 6 , die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit zuerkennen können. Heimfallsrecht und Wiederkaufsrecht fallen i m Hinblick auf die relevanten Beurteilungskriterien eindeutig ab, so daß diesen unter den heute bestehenden verfassungsrechtlichen Bedingungen das Enteignungsrecht nicht mehr länger als Anwendungsfeld dienen kann. 4. Verwaltungsmäßige Sicherungsmethoden
Das verfassungsgesetzliche Postulat nach Erreichung und Sicherung der Enteignungszwecke könnte möglicherweise auch ohne eine spezielle gesetzliche Sicherungsmethode durch rein administrative Maßnahmen erfüllt werden. Nachdem es sich bei den hier behandelten Enteignungsformen ausnahmslos u m sog. Administrativenteignungen 8 7 handelt, ist daran zu denken, den Enteignungsverfügungen als Verwaltungsakte belastende Nebenbestimmungen anzufügen. Als solche könnten die i m Verwaltungsrecht gängigen Formen der Bedingung, Auflage und des Widerrufsvorbehalts i n Betracht kommen. 85 Z u r Rechtsnatur der V o r m e r k u n g vgl. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 10. Aufl. 1978, S. 182 ff. 80 Vgl. BVerfGE 38, 175. 87 Sie sind i m Gegensatz zur Legalenteignung der enteignungsrechtliche Regeltypus; dazu Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 260.
2. Kap., III. Methoden der Zwecksicherung
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Voraussetzung dafür ist zunächst, daß der Enteignungsbeschluß als begünstigender Verwaltungsakt angesehen werden kann. I n den Fällen der klassischen Enteignung und den ihnen verwandten modernen Erscheinungsformen der Grundstücksenteignung kennt das Recht einen Enteigneten und einen Enteignungsbegünstigten neben dem Staat als dem Träger des Enteignungsrechtes. Der Enteignungsbeschluß, durch den Grundstückseigentum entzogen und anschließend neu zugeteilt wird, stellt somit gleichzeitig einen Eingriff und eine Begünstigung dar. Es handelt sich u m einen Verwaltungsakt m i t Doppelwirkung. Demnach besteht grundsätzlich die Möglichkeit, i n allen den Fällen eine der Zwecksicherung dienende Nebenbestimmung dem Enteignungsbeschluß hinzuzufügen, i n denen die begünstigende Rechtsposition durch Verwaltungsakt erlangt wird. Weiterhin ist zu klären, ob der Enteignungsbeschluß i m Rahmen gebundenen Verwaltungshandelns oder als Ermessensentscheidung ergehen muß, denn von dieser Vorentscheidung hängen Voraussetzung und Zweck der Nebenbestimmungen ab 88 . Ist die Enteignungsverfügung Ausdruck gebundenen Verwaltungshandelns, so können Nebenbestimmungen nur nach Maßgabe einer gesetzlichen Ermächtigung oder zur Sicherung der gesetzlichen Voraussetzungen der Verfügung beigegeben werden. Liegt dagegen ein Tatbestand freier Verwaltung vor, so entscheiden Ermessenserwägungen darüber, ob eine belastende Nebenbestimmung dem begünstigenden Verwaltungsakt hinzugefügt werden kann. Qualifizierung der Administrativenteignung als Tatbestand gebundener oder freier Verwaltung hängt, worauf oben schon hingewiesen wurde, von der umstrittenen Frage ab, ob der Begriff des „Wohls der Allgemeinheit" als Voraussetzung der Enteignung ein Ermessensbegriff oder ein unbestimmter Rechtsbegriff ist 8 9 . I m Sinne eines Ermessensbegriffs ist hierzu bereits i n anderem Zusammenhang Stellung bezogen worden. Eine erneute Befassung mit dieser Frage erübrigt sich an dieser Stelle, weil der m i t den Nebenbestimmungen verfolgbare Zweck, die Sicherung der gesetzlichen Voraussetzungen der Enteignung, bei Zugrundelegung eines jeden der kontroversen Standpunkte erreicht wird. Dieses für die klassische Enteignung und die Enteignung zugunsten Privater geltende Ergebnis kann indessen auf die transitorische Enteignung nicht übertragen werden, denn hier vollzieht sich der Rechtserwerb i n zwei Etappen, wobei lediglich i n der ersten auf die Rechts88
Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. A u f l . 1978, S. 175 ff. Dazu Kimminich, K o m m , zum Bonner GG, A r t . 14 (Drittbearbeitung), Rdnr. 269—-276. 89
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II. Teil: Verfassungskonformität
form des Verwaltungsaktes zurückgegriffen werden kann. Nachdem jedoch die endgültige Zuordnung des Enteignungsgegenstandes das Ergebnis einer rechtsgeschäftlichen Übertragung ist, scheiden administrative Zwecksicherungsmaßnahmen gegenüber dem privaten Enteignungsbegünstigten bei der transitorischen Enteignung aus. Es zeigt sich somit, daß verwaltungsmäßige Zwecksicherungsmethoden nur bei bestimmten Erscheinungsformen der Enteignung zu sachgerechten Ergebnissen führen. I V . Die Auswirkung der institutionellen Verbindung von Zweckkategorien unterschiedlicher Rechtswirksamkeit Nachdem i n den vorausgegangenen Abschnitten die das Rechtsinstitut der transitorischen Enteignung beherrschenden unterschiedlichen Zweckkategorien einer jeweils isolierten Betrachtung unterzogen worden sind, ist es nun erforderlich, unter Berücksichtigung der dabei gewonnenen Erkenntnisse wieder das Rechtsinstitut als Ganzes i n den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. Dabei geht es vornehmlich u m die Folgen, die sich für die Rechtsform der transitorischen Enteignung daraus ergeben, daß das institutionelle Zusammenspiel zwischen dem sozialen Umverteilungszweck und den sog. Verwaltungszwecken aufgrund der verfassungsrechtlichen Zweifel gegenüber dem sozialen Umverteilungszweck unterbunden ist. Mögliche Konsequenz dieses Tatbestandes könnte die Nichtigkeit oder auch die Teilnichtigkeit dieser Enteignungsform sein. 1. Nichtigkeit des Gesamtinstituts
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 90 sind zwei Gesichtspunkte hierfür maßgebend: Totalnichtigkeit soll einmal die Folge sein, wenn sich aus dem objektiven Sinn des Gesetzes ergibt, daß die übrigen verfassungskonformen Bestimmungen keine selbständige Bedeutung mehr haben; ferner, wenn die nichtige Vorschrift Teil einer Gesamtregelung ist, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlieren würde, nähme man einen ihrer Bestandteile heraus, wenn also die verfassungswidrige Norm m i t den restlichen Normen so zusammenhängt, daß sie eine untrennbare Einheit bilden. Diese gerichtlich herausgearbeiteten Topoi sind ersichtlich auf die Problematik der Nichtigkeit von Gesetzen bezogen, sie werden aber sinngemäß auch auf die Nichtigkeit einzelner gesetzlicher Vorschriften angewendet 91 . 90 BVerfGE 2, 406; 27, 399; Skouris, Teilnichtigkeit v o n Gesetzen, 1973, S. 30 ff. 91 Skouris, Teilnichtigkeit v o n Gesetzen, S. 30.
2. Kap., IV. Nichtigkeits- bzw. Teilnichtigkeitsfragen
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Die von der Rechtsprechung geprägten Topoi können begrifflich verkürzt auch als Dependenz- bzw. Interdependenzthese 92 bezeichnet werden. I n der Sache läuft die Dependenzthese darauf hinaus, daß die Unwirksamkeit des normativen Kerns eines Gesetzes oder einer einzigen gesetzlichen Vorschrift notwendig die Totalunwirksamkeit bedingt. Andererseits beeinträchtigen Mängel, die lediglich die i n ihrer Bedeutung nachrangigen Vorschriften erfassen, aus den gleichen einleuchtenden Gründen den Bestand der Regelung bzw. der Vorschrift nicht. Ausschlaggebende Bedeutung kommt sonach der Frage zu, wie die beiden unterschiedlichen Zweckkategorien innerhalb der transitorischen Enteignung sich zueinander verhalten. Liegt etwa ein Dependenztatbestand vor, weil das Institut nur bei voller Wahrung seiner ursprünglichen Form seine Bedeutung behält? Diese Frage ist ohne ein näheres Eingehen auf eine bestimmte Gesetzeslage nicht abschließend zu beantworten. Grundsätzlich ist sie aber zu verneinen. Der nicht dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit unterliegende Verwaltungszweck behält nämlich auch ohne den sozialen Umverteilungszweck seine eigenständige Bedeutung. I n diesem Falle bleibt sowohl der formale Rahmen wie der sachliche Gehalt der klassischen Grundstücksenteignung bestehen. Umgekehrt könnte der soziale Umverteilungszweck ohne die Verwalungszwecke nicht aufrechterhalten bleiben, da er, u m überhaupt i m Rahmen des Enteignungsinstitutes Wirksamkeit entfalten zu können, der spezifischen Zweckkombination der transitorischen Enteignung bedarf 93 . Die Interdependenzthese gilt für Gesetze, die aus mindestens zwei voneinander abhängigen, dem Sinn und der Bedeutung nach gleichwertigen eine untrennbare Einheit bildenden Teilen bestehen, von denen der eine rechtswidrig ist. Totalnichtigkeit w i r d i n diesem F a l l ohne Rücksicht darauf ausgelöst, welcher Teil den rechtlichen Mangel trägt, da die Herausnahme eines Bestandteiles den gesamten Normkomplex ungültig macht. Aus diesem Grunde ist zunächst nach der Gewichtung der das Rechtsinstitut tragenden Zwecke zu fragen. Daß es sich hierbei u m gleich bedeutsame miteinander verknüpfte Zwecksetzungen handelt, ist bereits dargelegt worden. Es ist weiter ausgeführt worden, daß die Zweckverknüpfung keine wechselbezügliche ist, sondern eine einseitige Abhängigkeit des sozialen Umverteilungszwecks von den Verwaltungszwecken 94 besteht. Daher führt die Unzu92
Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 31. Ohne sie w ü r d e der soziale Umverteilungszweck n u r als soziale U m schichtung v e r w i r k l i c h t werden können; vgl. oben I. Teil, II., 4. 94 Die Verwaltungszwecke können durchaus isoliert fortbestehen. Sie bedürfen keiner anderen Zweckkategorie, u m i m Rahmen der Enteignung rechtlich bestehen zu können, vgl. oben I. Teil, II., 4. 98
18 F r e y
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II. Teil: Verfassungskonformität
lässigkeit des sozialen Umverteilungszwecks unter Anwendung der Interdependenzthese nicht schon zwangsläufig zur Gesamtnichtigkeit des Rechtsinstitutes. Sie ist nur anzunehmen, wenn gerade die Zwecksetzung, auf die sich die Verknüpfung bezieht, i n Wegfall gerät. Das t r i f f t bei der transitorischen Enteignung aber nicht zu. Die Struktur der für die Enteignung maßgeblichen Zwecksetzungen und die A r t ihrer Verknüpfung bewirken daher bei Unwirksamkeit des Umverteilungszwecks nicht bereits die Gesamtnichtigkeit des Rechtsinstituts. Diese hängt daher ausschließlich davon ab, ob das allein auf die Verwaltungszwecke ausgerichtete Enteignungsinstitut i n seiner konkreten Erscheinungsform noch eine sinnvolle Regelung darstellt. Dies ist zu bejahen, denn eine u m den Umverteilungszweck reduzierte transitorische Enteignung bleibt sowohl i n bezug auf ihren institutionellen Zuschnitt, als auch von ihrer Ausrichtung auf die traditionellen Enteignungszwecke her gesehen als klassische Enteignungsform eine sinnvolle Einheit. Neben diesen spezifisch enteignungsrechtlich ausgerichteten Argumenten spricht noch eine weitere Überlegung für die Möglichkeit, die beiden Zweckkategorien zu trennen: Der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung 95 . I n der Ausprägung, wie er sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes erfahren hat 9 6 , besagt er, daß eine rechtliche Regelung nicht für nichtig zu erklären ist, solange sie i m Einklang m i t der Verfassung ausgelegt werden kann. Es spricht nämlich eine Vermutung 9 7 dafür, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist und der i n dieser Vermutung zum Ausdruck kommende Grundsatz verlangt i m Zweifel eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes. Das Prinzip der Normerhaltung, das die verfassungskonforme Auslegung durchzieht, weist eine erstaunliche Parallelität zum Problem der Teilnichtigkeit auf: Ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung eine der Norm anhaftende negative Deutungsmöglichkeit i m Interesse der Normerhaltung interpretativ ausschaltet, so w i r d von der Nichtigkeitsfolge nur der Bestandteil eines Gesetzes oder einer Rechtsnorm betroffen, der sich unter keinem Aspekt mehr rechtlich halten läßt 9 8 . Nach alledem kann die grundsätzliche Vermutung für die Verfassungskonformität einfachen Rechts durch die Vermutung seiner Teilnichtigkeit 9 9 i m 95 Dazu Zippelius, Festgabe f ü r das BVerfG, Bd. 2, S. 108; Bogs, Die verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, S. 151—164. 96 BVerfGE 19, 16; 21, 301 ff.; 22, 208 f., 216 ff.; 23, 348; 25, 211 ff.; 26, 196 f.; 27, 150 ff.; 28, 134; 20, 148; 31, 132; 32, 226; 32, 373 ff.; 33, 52 ff.; 36, 126 ff. a. A. Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 96 ff.; zweifelnd auch BayVerfG H 5, 19, 29; 10, 113; 41, 54. 97 So BVerfGE 2, 282; anders Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 97 f. 98 Es g i l t das Prinzip des favor legis; das hierin zum Ausdruck kommende Günstigkeitsprinzip findet sich wieder i m favor testamenti des § 2085 B G B u n d i n § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz. 99 So Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 106 ff.
2. Kap., IV. Nichtigkeits- bzw. Teilnichtigkeitsfragen
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Falle eines Verfassungsverstoßes ergänzt werden. Diese Vermutungswirkung i n Verbindung m i t der Tatsache, daß die Zwecksetzungen der transitorischen Enteignung einer separaten Beurteilung zugänglich sind, führen zu dem Ergebnis, daß die Unwirksamkeit des sozialen Umverteilungszweckes nicht die Totalnichtigkeit des Rechtsinstituts nach sich zieht. 2. Teilnichtigkeitsprobleme
Die Vermutung zugunsten der Teilnichtigkeit, von der soeben die Rede war, gilt nur i m Regelfall. Sie kann durch eine abweichend davon gestaltete Gesetzeslage widerlegt werden. Daher ist nun eine weitere Prüfung darüber erforderlich, welche Bedeutung dem übriggebliebenen Normbestand noch zukommt, insbesondere, ob diesem noch eine sinnvolle normative Aussage erhalten bleibt. I n dieser Umschreibung drückt sich die sog. objektive Teilnichtigkeitstheorie aus, die die Frage des Fortbestehens einer Norm, anders als die subjektive Theorie, die auf den Willen des Gesetzgebers oder sogar einzelner am Gesetzgebungsverfahren beteiligter Organe abstellt, ausschließlich nach dem i m Gesetzestext objektivierten Willen des Gesetzgebers entscheidet. Die Vorzugswürdigkeit dieser von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gebrauchten objektiven Auslegung ist wiederholt gewürdigt worden 1 0 0 . Demgegenüber hätte zwar die auf voluntative und damit auf subjektive Elemente abstellende analoge Anwendung von § 139 BGB den Vorteil, daß eine einheitliche Behandlung der Nichtigkeitsproblematik i n unserer Rechtsordnung ermöglicht würde 1 0 1 . Andererseits darf aber nicht verkannt werden, daß nicht nur der personale Anknüpfungspunkt der subjektiven Theorie, sondern auch die sachliche Ermittlung des Willens des Gesetzgebers praktisch unlösbare Schwierigkeiten aufwirft, wie sich i n anderem Zusammenhang bei der historischen Interpretationsmethode gezeigt hat. Schließlich kommt auch die objektive Theorie nicht ganz ohne subjektive Momente aus. Sie bezieht aber nur solche subjektiven Momente i n die Betrachtung ein, für die es i m Wortlaut der gesetzlichen Regelung einen Anknüpfungspunkt gibt. So fragt die objektive Theorie nicht nach einer isolierten Sinnbewertung des normativen Restbestandes, sondern sie bezieht die Zwecke des Gesetzes und die rechtspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers 102, die darin ihren Ausdruck finden, i n die Beurteilung ein. Es findet also eine ganzheitliche Betrachtung statt. 100 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, K o m m . A r t . 93, Rdnr. 43. 101 Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 75 ff. 102 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, K o m m . A r t . 93, Rdnr. 42.
18*
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II. Teil: Verfassungskonformität
Nach alledem w i r d dem verbleibenden Restbestand der transitorischen Enteignung nur dann eine sachgerechte Behandlung zuteil, wenn dieser zu den zentralen gesetzlichen Zielen, zu deren Verwirklichung diese Rechtsfigur dienen sollte, i n Beziehung gesetzt wird. Nachdem die transitorische Enteignung Bestandteil einer Mehrzahl von Gesetzen ist, verspricht eine übergreifende Bewertung nur Erfolg, wenn die gesetzlichen Ziele strukturell vergleichbar sind. Hiervon ist aufgrund der i m ersten Teil dieser Untersuchung angestellten Überlegungen auszugehen. So sind sämtliche der Enteignung vorgegebenen Ziele bodenordnender A r t und stehen i m Zusammenhang m i t aktuellen Problemen des Wohnungsund Siedlungswesens. Hinzu t r i t t eine sozialpolitische, mit bodenpolitischen M i t t e l n i n Angriff genommene Komponente. A u f diesem rechts- und gesellschaftspolitischen Hintergrund lassen sich rechtliche Zielsetzungen i m einzelnen bestimmen: Die rasche Verwirklichung eines raumplanerischen Programmes 108 , das städtebauliche und siedlungspolitische Anliegen i n einem Plan oder unmittelbar i n gesetzlichen Bestimmungen zusammenfaßt. Ein weiteres zentrales A n liegen aller Gesetze ist die breite Streuung des Bodeneigentums i n privater Rechtsträgerschaft 104 sowie i n gewisser Weise m i t dem vorgenannten Ziel zusammenhängend, die Verhinderung öffentlicher, insbesondere kommunaler Bodenbevorratung 105 . Bleibt nun der normative Restbestand angesichts dieser gesetzlichen Zielsetzungen eine sinnvolle rechtliche Regelung? Der zügigen Verwirklichung des raumplanerischen Programmes t u t der Wegfall des sozialen Umverteilungszweckes nicht den geringsten Abbruch. Dieser Zweck wäre auch bei völlig intakter transitorischer Enteignung für die Realisierung dieses speziellen gesetzlichen Anliegens nicht ursächlich geworden. Diesem Ziel dienen ausschließlich die Verwaltungszwecke, und deren institutioneller Rahmen bleibt vollständig erhalten, so daß i m Hinblick auf das raumplanerische Programm der normative Rest der transitorischen Enteignung uneingeschränkt sinnvoll bleibt. Problematischer liegen die Dinge, wenn die Frage nach dem Sinn einer Teilregelung i m Hinblick auf das Ziel breitgestreuten Eigentums i n privater Hand gestellt wird. Dieses Ziel wäre bei intakter transitorischer Enteignung durch den Umverteilungszweck und die nachfolgende Veräußerung, gleichsam i n einer Verfahrensautomatik, erreicht worden. Dies gilt jedenfalls für alle die Grundstücksrechte, die i m Enteignungs103 104
Dazu Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, S. 63 ff. Lohr, Privatisierung u n d Reprivatisierung i m Städtebaurecht, N J W 1979,
2169. los Opfermann, Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz, 1974, S. 238 ff.; Schmidt-Aßmann, N J W 1976, 1917.
2. Kap., IV. Nichtigkeits- bzw. Teilnichtigkeitsfragen
277
zugriff erworben worden sind. Wenn nun das Ziel einer breiten Streuung von Grund und Boden nicht enteignungstauglich ist, so w i r d es damit als rechtspolitische Aufgabe aber noch nicht hinfällig. Formell dient diesem Ziel i n erster Linie ohnedies die Weiterübertragung i n einem rechtsgeschäftlich vereinbarten Verfahren, während der Enteignung die Aufgabe zufällt, die Umverteilungsmasse aufzubringen. Sofern die Umverteilungsmasse ausreicht, die nun allerdings i n anderer Form als durch Enteignung aufgebracht worden sein muß, ist der breiten Eigentumsstreuung durch Rechtsgeschäfte keine Grenze gesetzt. Schließlich muß füglich bezweifelt werden, ob der von der Enteignung m i t ihrer ultima ratio-Funktion überhaupt zu mobilisierende A n t e i l an der Verteilungsmasse stark ins Gewicht fallen würde, denn nur unter dieser Voraussetzung wäre das Gesetzesziel i n Frage gestellt. Hätte aber, was zu vermuten ist, der Enteignungsanteil an der Umverteilungsmasse auch unter der Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des Rechtsinstitutes nur einen bemessenen A n t e i l gehabt, so kann durch sein Wegfallen das Gesetzesziel nicht i n Frage gestellt werden. Zusammenfassend ist daher zu dem gesetzlichen Ziel einer breit gestreuten Eigentumsbildung festzustellen, daß dieses von einem Enteignungsinstitut, aus den dargelegten Gründen, keine nachhaltige Förderung erwarten kann, daß es als solches erreichbar bleibt, und daß der Restbestand der transitorischen Enteignung die Verwirklichung dieses Zieles nicht behindert. Das dritte zentrale gesetzliche Anliegen, die Verhinderung öffentlicher Bodenbevorratung, wäre bei unveränderter Anwendung der transitorischen Enteignung als negativer Reflex des Zieles breiter Eigentumsstreuung i n privater Hand zwangsläufig m i t abgefallen. Andererseits w i r d dieses Ziel durch die Teilnichtigkeit des Enteignungsinstitutes aber nicht unerreichbar, da es mehr von der Veräußerung, also der Verteilungsseite, als von der Aufbringungsseite abhängt. I m übrigen stellt die transitorische Enteignung i m Hinblick auf das Ziel der Verhinderung einer Bodenbevorratung nur ein M i t t e l unter mehreren dar, so daß dieses m i t der Enteignung weder steht noch fällt. Hinzu kommt, daß, solange die Veräußerungspflicht besteht — und gegen sie ist solange nichts einzuwenden, wie die enteignungsrechtliche Zwecksicherung funktioniert —, dieses gesetzgeberische Interesse v o l l gewahrt bleibt, da die Unwirksamkeitsfolge nicht die Verteilungsseite erfaßt. Die Gegenüberstellung der gesetzlichen Ziele mit dem von der Nichtigkeitsfolge verschont gebliebenen Teil des Rechtsinstituts hat ergeben, daß der normative Restbestand m i t keinem dieser Ziele i n Widerspruch steht. Insgesamt erfüllt der Restbestand der transitorischen Enteignung somit noch eine sinnvolle Funktion, so daß gegen sein Fortbestehen als Teilregelung keine Bedenken durchgreifen.
Dritter
Teil
Die Verfassungsmäßigkeit der einzelnen Erscheinungsformen transitorischer Enteignung im geltenden Recht I m dritten Teil der Untersuchung wendet sich die rechtliche Betrachtung, wie schon i m Anfangsteil der Arbeit, wieder den einzelnen gesetzlichen Ausprägungen der transitorischen Enteignung zu. Nun allerdings m i t der Einschränkung, daß nur noch den Erscheinungsformen dieser Rechtsfigur Aufmerksamkeit zuteil wird, die i n aktueller Geltung stehen. A u f sie sollen die Erkenntnisse angewandt werden, die i m ersten Teil i n systematischer und i m zweiten Teil i n verfassungsrechtlicher Hinsicht gewonnen wurden, u m zu einer abschließenden Bewertung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu gelangen.
I . Das Reichssiedlungs- u n d das Reichsheimstättengesetz
Beide Gesetze aus der Anfangsphase der Weimarer Republik 1 verband ein gemeinsames bodenpolitisches Ziel: Die Verwirklichung der Bodenreform i m ländlichen wie i m städtischen Bereich 2 . Bodenreform bedeutete i m K l a r t e x t eine Reform der Bodenverteilungsstrukturen. Sie wurde zugleich auf den neuralgischsten Bereichen des Bodenrechtes, i m Siedlungs- und Wohnungswesen, i n Angriff genommen. Dies muß als ein durchaus kluger politischer Schachzug angesehen werden, denn der Zwang der Verhältnisse i n diesen Bereichen des Bodenrechtes verlangte ein Eingreifen des Gesetzgebers. Die Bodenbesitzreform, als ein politisch hoch kontroverses Thema, konnte auf diese Weise m i t einem Anliegen verknüpft werden, das auf breite öffentliche Zustimmung zählen konnte. Es liegt i n der Konsequenz dieser gesetzestechnischen Konstruktion, daß bei der Enteignung, dem klassischen Instrument zum Eingriff i n das Grundeigentum, das Zusammentreffen einer bodennutzungsbezogenen m i t einer auf bodenpolitische Neuordnung ausgerichteten Zweck1 Das Reichssiedlungsgesetz datiert v o m 11. August 1919 (RGBl., S. 1429); das Reichsheimstättengesetz datiert v o m 10. M a i 1920 (RGBl., S. 962, 1218). 2 Dazu Erman, i n : Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, 1930, S. 288 ff., 295 ff.
I. Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetz
279
kategorie zu institutionellen Verschiebungen führen mußte. Daraus ging die transitorische Enteignung hervor, die formell i n zwei Rechtsakte der Enteignung und dem Veräußerungsgeschäft gespalten ist, sachlich aber von der Zweckseite zu einer Einheit verbunden ist. A n einer Betonung dieser neuartigen Struktur der Enteignung scheint der Weimarer Gesetzgeber kein besonderes Interesse gehabt zu haben, denn der soziale Umverteilungszweck w i r d weder i n den einschlägigen Enteignungsvorschriften des Reichssiedlungsgesetzes3 noch i n der des Reichsheimstättengesetzes4 ausdrücklich angesprochen. Gleichwohl ist dieser Zweck der Sache nach vorhanden und auch nachweisbar. Einmal kann der Nachweis aus dem institutionellen Zusammenhang der gesetzlichen Regelungen, sodann aus dem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund und schließlich am überzeugendsten anhand von A r t . 155 Abs. 2 WRV erbracht werden, der die verfassungsgesetzliche Absicherung dieser Enteignungsform darstellt. Nach der Außerkraftsetzung der Weimarer Reichsverfassung fiel für den i m Siedlungs- und Heimstättengesetz angelegten Umverteilungszweck die verfassungsrechtliche Legitimation weg. Das Fortbestehen dieses Zweckes unter neuen konstitutionellen Bedingungen w i r d damit zu einem Problem der weiteren Prüfung. 1. Der vorkonstitutionelle Umverteilungszweck
Dieses Problem bedarf i n doppelter Hinsicht der Differenzierung: Einmal danach, ob die i m Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetz enthaltenen Umverteilungszwecke vorkonstitutioneller Natur sind. Daran anschließend ist zu fragen, wie vorkonstitutionelle Vorschriften unter der Geltung des Grundgesetzes behandelt werden. Zur Frage der vorkonstitutionellen Natur der Zwecksetzung ist als erstes festzuhalten, daß der Entstehungszeitpunkt beider Gesetze eindeutig vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes liegt. Damit ist jedoch die vorkonstitutionelle Provenienz der Umverteilungszwecke noch nicht endgültig festgelegt. Vielmehr ist zusätzlich die negative Feststellung erforderlich, daß der nachkonstitutionelle Gesetzgeber die fragliche Regelung nicht i n seinen Willen aufgenommen hat 5 . Eine Rezeption ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der nachkonstitutionelle Gesetzgeber sich m i t den einschlägigen Rechtsvorschriften befaßt und diese i n Form und Inhalt unverändert belassen hat. Hierin liegt ein klarer Hinweis dafür, daß eine Fortgeltung unter dem neuen Verfassungszustand beabsichtigt war. Zwar mußten sich das Reichssiedlungs- wie 3
Vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 RSG, § 24 Abs. 1 S. 1 RSG. § 28 RHG. 5 Vgl. dazu Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, K o m m . A r t . 123, Rdnr. 7. 4
280
III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht
das Reichsheimstättengesetz i m Verlauf ihrer Geltung fünf bzw. zwei Novellierungen unterziehen, von denen i m Falle des Reichssiedlungsgesetzes drei 8 , i m Falle des Reichsheimstättengesetzes eine 7 i m Geltungszeitraum des Grundgesetzes liegen. Sämtliche Novellierungen betrafen jedoch Einzelvorschriften und änderten nicht das institutionelle Gefüge der jeweiligen gesetzlichen Regelungen, aus denen die Umverteilungszwecke hervorgehen. Somit kann ohne weiteres von der Annahme ausgegangen werden, daß die Novellierungsabsichten des nachkonstitutionellen Gesetzgebers sich nicht auf die i n beiden Gesetzen enthaltene Umverteilungsproblematik erstreckt haben. Diese verblieb daher i n der aus der vorkonstitutionellen Zeit überkommenen Gestalt. Nach A r t . 123 Abs. 1 GG gilt Recht aus der Zeit vor dem Zusamment r i t t des ersten Bundestages fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. E i n Widerspruch zum Grundgesetz kann durch formale und verfahrensmäßige Gesichtspunkte verursacht werden, ebenso wie er aus sachlich-inhaltlichen Divergenzen begründet sein kann. Nach der vom Grundgesetz i m Verhältnis zwischen Bund und Ländern geschaffenen Kompetenzverteilungsordnung gehört die hier zur Diskussion stehende Bodenverteilungsfrage zu den Materien der Rahmengesetzgebung, für deren Verwirklichung, wie sich aus einem Gegenschluß zu A r t . 74 Nr. 14 GG ergibt, die Rechtsform der Enteignung dem Bunde nicht zur Verfügung steht. Damit wäre ein Grundgesetzverstoß schon aus formalen Gesichtspunkten zu bejahen, wenn sich nicht aus Sinn und Zweck von A r t . 123 Abs. 1 GG Bedenken dahingehend einstellen würden, ob überhaupt eine formale Kongruenz gefordert werden darf 8 . Entspräche eine solche Lösung dem Sinn von A r t . 123 Abs. 1 GG, dann wäre das gesamte, aus der nationalsozialistischen Zeit stammende Reichsrecht 9 m i t dem Grundgesetz aus formellen Gründen unvereinbar, w e i l die zentralstaatliche Kompetenz der föderalen Kompetenzverteilungsordnung zuwiderläuft. Auch wäre ein nicht unwesentlicher Teil des aus der Weimarer Zeit überkommenen Rechts von der Unwirksamkeit bedroht, da trotz eines übereinstimmenden bundesstaatlichen Charakters die damalige und die heutige Kompetenzverteilung nicht v o l l identisch ist. 6 Novelle v o m 15. M a i 1953, BGBl. I , S.201; Novelle v o m 28. J u l i 1961, B G B l . I, S. 1091; Novelle v o m 23. Dezember 1966, B G B l . I, S. 702. 7 Vgl. § 58 Abs. 2 Baulandbeschaffungsgesetz v o m 3. 8.1953 (BGBl. I , S. 720); vgl. auch Wormit / Ehrendorf, Reichsheimstättengesetz, Komm., 4. A u f l . 1967, Vorwort. 8 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog/ Scholz, Grundgesetz, K o m m . A r t . 123, Rdnr. 9. 9 Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, K o m m . A r t . 123, Rdnr. 9; die Zugehörigkeit v o m Besatzungsrecht zu dem Bereich des v o r konstitutionellen Rechts ist zu verneinen; dazu Leibholz / Rinck, Grundgesetz, 6. A u f l . Einführung, Rdnr. 32 ff.
I. Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetz
281
Solche Erwägungen führen dazu, das Übereinstimmungsgebot des A r t . 123 Abs. 1 GG auf den materiell-rechtlichen Bereich zu beschränken. Aber auch hier ist keine Übereinstimmung zu verzeichnen, weil das Grundgesetz, i m Gegensatz zu A r t . 155 Abs. 2 WRV, den Umverteilungszweck bezüglich des Grund und Bodens nicht als einen legitimen Enteignungszweck akzeptiert. Wie oben 10 i m einzelnen ausgeführt wurde, enthält die Verfassung auch kein anderes zur Realisierung dieses Zwekkes dienliches Mittel, so daß die Fortgeltung der Umverteilungszwecke als Enteignungszwecke an den Voraussetzungen des Grundgesetzes scheitert. 2. Zweck- und verfahrensspezifische Folgerungen
Aufgrund der i m zweiten Teil sowie i m vorausgegangenen Kapitel dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse ergeben sich eine Reihe von zweck- und verfahrensspezifischen Folgerungen für die Enteignungsvorschriften des Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetzes. So steht eindeutig fest, daß der vorkonstitutionelle Umverteilungszweck als Enteignungszweck unter den gegenwärtigen verfassungsgesetzlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen ist. Das hat nachhaltige Auswirkungen zweckspezifischer A r t auf die Enteignung. Sah diese bisher eine Kumulation und Kombination unterschiedlicher Zwecktypen vor, so greift nun eine monotypische Zweckausrichtung Platz. Die i n §§ 3 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 bzw. § 15 Abs. 1 S. 1 RSG und i n § 28 Abs. 1 RHG vorgesehenen Verwaltungszwecke bleiben zwar auch als Enteignungszwecke sinnvoll, ebenso wie die Textstruktur der beiden Gesetze i m Hinblick darauf unverändert fortbestehen kann, daß der inkriminierte Umverteilungszweck darin ausdrücklich nicht angesprochen wird. Gleichwohl hat das Rechtsinstitut Enteignung damit eine Veränderung seines Charakters erfahren. Ein Tatbestand transitorischer Enteignung ist zu einem längst bekannten Fall der klassischen Grundstücksenteignung zusammengeschrumpft. I n dieser Form bleibt der Enteignungstatbestand sinnv o l l und ist folglich aufrecht zu erhalten. Aber auch das Ziel einer Umstrukturierung der Bodeneigentumsverteilung verliert nicht dadurch seinen Sinn, daß es als Enteignungszweck nicht akzeptabel ist, und damit dieses Rechtsinstitut als V e r w i r k lichungsmittel ausfällt. Dieser Zweck darf außerhalb des institutionellen Rahmens der Enteignung m i t dafür geeigneten M i t t e l n weiterverfolgt werden. Dabei taucht allerdings eine Gefahr auf, deren Brisanz beim Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetz vergleichsweise gering zu veranschlagen ist, w e i l dort dafür vorgesorgt ist, daß sämtliche Verwaltungszwecke innerhalb des Enteignungsverfahrens i m engeren Sinne, 10
Siehe oben I I . Teil, 1. Kapitel, V., 1., 2.
282
III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht
d.h. i n der Terminologie der transitorischen Enteignung gesprochen, beim vorläufigen Enteignungsbegünstigten endgültig erreicht werden; das Risiko besteht folglich darin, daß eine Weiterübertragung des enteigneten Rechtes stattfindet, ohne daß dem Enteignungszweck i n vollem Umfange genügt ist und auf diese Weise de facto der gleiche Zustand eintritt, wie er bei v o l l wirksamem Umverteilungszweck eintreten würde. U m diese Aushöhlung der enteignungsrechtlichen Stringenz zu verhindern, muß Gewähr dafür geboten werden, daß alle Enteignungszwecke vor der Weiterübertragung realisiert sind. Aber selbst dann, wenn dies, wie bei den hier behandelten Gesetzen der Fall ist, muß mit Nachdruck auf die Zwecksicherung geachtet werden. A u f sie w i r d i m nachfolgenden Kapitel näher eingegangen werden. I m Gegensatz zu den soeben behandelten zweckspezifischen Folgen sind die verfahrensspezifischen Folgen wesentlich weniger spektakulär. Der Wegfall des sozialen Umverteilungszweckes hinterläßt am formalen Geschehensablauf kaum erkennbare Spuren. Wie bei der transitorischen Enteignung bleibt es dabei, daß Enteignung und Weiterübertragungsgeschäft förmlich getrennt sind. Während aber bei der transitorischen Enteignung diese beiden selbständigen Teilbereiche durch den beide übergreifenden Umverteilungszweck zusammengehalten wurden, liegen nun, nachdem das Umverteilungsziel außerhalb der Enteignung angestrebt werden muß, beide Verfahrensabschnitte isoliert nebeneinander. Sie folgen zwar sachzwangbedingt zeitlich versetzt aufeinander, doch ist dies die einzige Übereinstimmung, die zum Geschehensablauf bei der transitorischen Enteignung besteht. Es liegen daher, trotz scheinbarer Übereinstimmung i m formellen Bereich, zwei rechtlich völlig verschieden zu bewertende Sachverhalte vor, je nachdem, ob der Umverteilungszweck inkorporiert oder lediglich angehängt ist. 3. Die Zwecksicherung
Zu sichernde Enteignungszwecke i n dem diesen beiden Reichsgesetzen zugrunde liegenden Verständnis waren sowohl der Umverteilungs- wie die Enteignungszwecke i m technischen Sinne. Demnach liegt die A n nahme nahe, daß ein für beide Zweckkategorien einheitliches Sicherungsmittel genügen sollte. Dem ist aber nicht so, wie §§ 11 und 12 RHG sowie §§ 20 und 21 RSG klar belegen. Beide Gesetze differenzieren nach der A r t des zu sichernden Zweckes und weisen dem Umverteilungszweck ein anderes Sicherungsmittel zu, als den technischen Enteignungszwecken. I m Hinblick darauf bietet es sich an, die Bewertung der Zwecksicherung i n den beiden Reichsgesetzen getrennt nach den Enteignungszwecken i m engeren Sinne und dem Umverteilungszweck vorzunehmen.
I. Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetz
283
M i t t e l zur Sicherung der technischen Enteignungszwecke sind i m Reichssiedlungsgesetz das Wiederkaufsrecht des früheren Eigentümers gegen das Siedlungsunternehmen gemäß § 21 und i m Heimstättengesetz das Heimfallsrecht gemäß § 12. Bei beiden Konstruktionen handelt es sich u m dem Zivilrecht entnommene oder doch zivilistischen Strukturen stark angenäherte Formen, die noch i n hohem Maße unter dem Einfluß der Theorie vom enteignungsrechtlichen Zwangskauf stehen. Die unangefochtene Geltung der öffentlich-rechtlichen Enteignungstheorie gibt Veranlassung, die Frage der Fortgeltung dieser dem vorkonstitutionellen Recht zugehörigen Zwecksicherungsmethoden aufzuwerfen. Gemäß A r t . 123 Abs. 1 GG kann ihre Weitergeltung nur dann als gesichert angesehen werden, wenn sie i n materieller Hinsicht dem Grundgesetz nicht zuwiderlaufen. Eine materielle Diskrepanz zu der von A r t . 14 Abs. 1 i. V. m. A r t . 14 Abs. 3 GG gebotenen Zwecksicherungsart w i r d man schon i m Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Theorie nicht von der Hand weisen können. Sie ist aber u m so mehr anzunehmen, seitdem das Bundesverfassungsgericht als Methode der Zwecksicherung die unmittelbar aus der Eigentumsgarantie und dem Enteignungsinstitut abzuleitende „Kehrseitentheorie" aufgestellt hat. Damit sind die hier vorgestellten Sicherungsmethoden auch bei verfassungskonformer Auslegung nicht zu vereinbaren. Sie sind damit, soweit sie die Verwaltungszwecke sichern, seit dem Zusammentritt des ersten deutschen Bundestages außer Kraft getreten. A n ihrer Stelle w i r d die Zwecksicherung von dem unmittelbar aus A r t . 14 GG abgeleiteten Rückenteignungsrecht besorgt. Was nun die Sicherung des Umverteilungszweckes angeht, so ist zunächst zu fragen, ob dieser überhaupt der Sicherung bedarf. Die sachliche Sicherungsbedürftigkeit folgt aus der gleichen Notwendigkeit wie bei den Verwaltungszwecken, u m einem zweckwidrigen Gebrauch entgegenzuwirken. Dabei ergäbe sich ein rechtlicher Zwang zur Zwecksicherung aus der Eigentumsgarantie und der Enteignung, wenn dieser Zweck als Enteignungszweck eingestuft werden könnte. Nachdem diese Möglichkeit ausscheidet, könnte die Notwendigkeit zur Zwecksicherung aus dem Gedanken der Systemgerechtigkeit hervorgehen. Dieser aus Art. 3 Abs. 1 GG ableitbare Topos 11 besagt, daß eine gesetzliche Regelung, die das i h r vorgegebene Ziel m i t untauglichen M i t t e l n ansteuert, bzw. die Beibehaltung des Ziels nicht zu gewährleisten imstande ist, eine gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des A r t . 3 Abs. 1 GG verstoßende Vorschrift darstellt. Dem Gebot der Systemgerechtigkeit ist, wie sich aus A r t . 123 Abs. 1 GG ableiten läßt, auch vorkonstitutionelles Recht zu unterwerfen. Da die Herstellung einer gerechteren Bodenverteilung, 11 Dazu Battis , Systemgerechtigkeit, Festschrift für H. P. Ipsen, 1977, S. 11 ff. m. w . N.
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III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht
insbesondere die Heranführung von sozial schwachen Schichten an Grundeigentum ein zentrales gesetzliches Anliegen bedeutet, hat der Gesetzgeber darauf hinzuwirken, daß dieses Ziel nicht wieder zunichte gemacht werden kann. Er muß also auch für den Umverteilungszweck Sicherungsmittel vorsehen. Dies hat er i m Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetz getan. M i t dem Vorkaufsrecht 12 und dem Heimfallsrecht 13 i m Heimstättengesetz und dem Wiederkaufsrecht 14 i m Siedlungsgesetz hat er zivilrechtliche Formen gewählt, die als solche solange systemkonform gestaltet sind, als der Umverteilungszweck losgelöst von der Enteignung i n einem eigenständigen zivilrechtlichen Veräußerungsgeschäft verwirklicht wird. Die Zwecksicherung ist demnach lediglich beim sozialen Umverteilungszweck verfassungskonform ausgestaltet. Die Sicherung der Enteignungszwecke trägt dagegen der öffentlichen Enteignungstheorie und der i n i h r angelegten Kehrseitenbetrachtung keine Rechnung. Sie ist deshalb nicht Bestandteil des geltenden Bundesrechtes geworden. 4. Ergebnis
Die den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung betreffenden Vorschriften des Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetzes sind vorkonstitutionellen Ursprungs. Als solche müssen sie, u m Bestandteil des geltenden Rechtes zu werden, den Maßstäben des Grundgesetzes genügen. Dabei ergibt sich, daß der vorkonstitutionell als legitimer Enteignungszweck geltende soziale Umverteilungszweck unter dem Grundgesetz nicht mehr diese Qualität hat. Als wichtiges gesetzliches Anliegen darf dieser Zweck jedoch außerhalb der Enteignung weiterverfolgt werden. Der Wegfall dieser Zweckkategorie hat die Verwaltungszwecke als Voraussetzung der Enteignung nicht berührt. Das ihrer V e r w i r k lichung dienende Verfahren ist identisch m i t dem förmlichen Enteignungsverfahren, der Umverteilungszweck verwirklicht sich zeitlich versetzt und formal isoliert i n einem bürgerlich-rechtlichen Veräußerungsgeschäft. Der bei der transitorischen Enteignung begrifflich vorausgesetzte, durch den Umverteilungszweck als Enteignungszweck vermittelte Zusammenhang ist gelöst. Beide Zweckkategorien bedürfen, wenn auch m i t unterschiedlicher rechtlicher Begründung, der Zwecksicherung. Diese ist hinsichtlich des Umverteilungszweckes bei den beiden Reichsgesetzen nicht zu beanstanden. Die Sicherungsmethode i n bezug auf die technischen Enteignungszwecke hält dagegen den modernen verfassungsrechtlichen Ansprüchen nicht mehr stand. 12 13 14
§ 11 RHG. § 12—14 RHG. §§ 20, 21 RSG.
II. Bundesbaugesetz
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Π . Das Bundesbaugesetz Das am 29. 6.1960 verkündete Bundesbaugesetz, m i t dem sich das fast vierzig Jahre lang vergeblich verfolgte Streben nach einer einheitlichen städtebaulichen Rechtsordnung verwirklichte, reicht i n seinen Anfängen i n die frühen fünfziger Jahre zurück. Es stand daher bezüglich seiner bodenrechtlichen Konzeption noch unter dem unmittelbaren Einfluß der katastrophalen Wohnungsnot und der Aufgabe, Millionen von Vertriebene dauerhaft sozial zu integrieren. Bei diesen Rahmenbedingungen liegen die bodenpolitischen Ziele, nämlich die rasche Bereitstellung von ausreichendem Wohnraum sowie die Verbindung breiter Volksschichten m i t Bodeneigentum, geradezu auf der Hand. Sie stehen i n einer über diesen zeitlichen Rahmen hinausreichenden Tradition und auch die zur Zweckerreichung eingesetzten M i t t e l sind durchaus bekannt. Das gilt auch für die Enteignungsregelung, die i m Gesetz Eingang gefunden hat, für die aber dessen ungeachtet eine Besonderheit besteht: Die Zwecke der Enteignung sind Bestandteil eines raumordnenden Planes. Jedenfalls i n der Mehrzahl der Fälle t r i f f t diese Feststellung zu, denn die i n § 85 Abs. 1 Nr. 2—5 BBauG aufgeführten Zwecksetzungen treten i n ihrer praktischen Bedeutung hinter den Tatbestand des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG zurück. Betrachtet man die sachlich-inhaltliche Qualität der Enteignungszwecke bzw. der als Enteignungszwecke dienenden Planungszwecke näher, so erkennt man neben einer Fülle von sachzweckbezogenen Planungsaussagen, den sog. Verwaltungszwecken, noch eine weitere gesetzliche Zweckvorgabe, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung, die als Grundsatz der Bauleitplanung gemäß § 1 Abs. 6 S. 2 BBauG Bestandteil des Bebauungsplanes ist. Da diese als Umverteilungszweck zu bezeichnende Planaussage erforderlichenfalls durch Enteignung verwirklicht werden darf, erscheinen hier die längst bekannten Zweckkategorien der transitorischen Enteignung i n neuem formalen Zuschnitt wieder. Dieser ändert indessen nichts daran, daß vorgeordnete Gründe des Verfassungsrechtes den Umverteilungszweck nicht als Enteignungszweck gelten lassen. 1. Zweck- und verfahrensspezifische Folgerungen
Diese Tatsache macht es erforderlich, die Auswirkungen auf die enteignungsgesetzliche Regelung insgesamt zu bedenken und die notwendigen Schlußfolgerungen für die Verwaltungszwecke hieraus zu ziehen. I n den vergleichbar gelagerten Fällen des Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetzes wurde der Nachweis erbracht, daß Beeinträchtigungen der Verwaltungszwecke infolge des Ausfalles des U m -
III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht Verteilungszweckes als Enteignungszweck nicht zu befürchten sind. Die Verwaltungszwecke bleiben als isolierte Zweckkategorie sinnvoll und sie vermögen auch allein das Enteignungsinstitut zu tragen. Auch bei der zweiten Frage nach dem Fortbestehen und der Realisierungsmöglichkeit des Umverteilungszweckes können die Erfahrungen aus den beiden Reichsgesetzen verwertet werden. Das Ziel des Bundesbaugesetzes, die Eigentumsbildung i n breiten Kreisen der Bevölkerung zu fördern, ist außerhalb des Enteignungsrahmens nicht nur nicht zu beanstanden, sondern aus sozialstaatlichen Gesichtspunkten sogar erwünscht 15 . Die Umsetzung dieses Zweckes i n die Rechtswirklichkeit kann durch eine streng von der Enteignung zu trennende, unmittelbar zeitlich an sie anschließende Veräußerung vonstatten gehen, wobei auch hier die bei den Reichsgesetzen schon angesprochene Problematik der enteignungsrechtlichen Zweckerreichung, aber auch der Zwecksicherung zu bedenken sind. Die zweckspezifischen Folgerungen haben ihrerseits Auswirkungen auf konkrete Vorschriften des Bundesbaugesetzes. So muß der Gesetzgeber eine klare Entscheidung darüber treffen, ob der Umverteilungszweck nach § 1 Abs. 6 S. 2 BBauG als Grundsatz der Bauleitplanung erhalten bleiben, oder aber dieses Ziel außerhalb der Planung weiterverfolgt werden soll. W i r d an der derzeitigen Regelung festgehalten, dann gehört dieser Zweck als Gegenstand der Bauleitplanung zu denjenigen, die § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG als Enteignungszweck bestimmt. § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG begegnet unter diesen Umständen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zur Herstellung verfassungskonformer Zustände gibt es daher zwei Möglichkeiten. Entweder die Umverteilung w i r d als unmittelbar der Planung obliegende Aufgabe gestrichen, was den Vorteil hätte, daß dann i m wesentlichen nur noch sachnutzungsbezogene Zwecke zum Inhalt des Planes gemacht werden könnten, oder aber § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG muß bei der Definition der Enteignungszwecke von dem globalen Hinweis auf die Planfestsetzungen absehen und eine nähere positiv oder negativ abgegrenzte Zweckbestimmung erhalten. § 89 BBauG als die unmittelbar m i t der Verwirklichung des Umverteilungszweckes befaßte Vorschrift kann, da der Zweck als solcher außerhalb des Enteignungsverbundes fortbesteht, aufrechterhalten werden, doch erscheint es notwendig, die strenge Abschichtung der Zweckkategorien dadurch sichtbar zu machen, daß § 89 BBauG aus dem systematischen Zusammenhang m i t den Enteignungsvorschriften gelöst w i r d und einen anderen Standort zugewiesen erhält. 15
Vgl. dazu Schrödter, Bundesbaugesetz, Komm., 3. A u f l . 1973, § 1, Rdnr. 9, S. 119; Schlichter, i n : Schlichter / Stich/ Tittel, Bundesbaugesetz, Komm., 2. A u f l . 1977, § 1, S. 171; Schmidt-Aßmann / Frenzei, i n : Ernst / Z i n k a h n / Bielenberg, BBauG, Komm., § 89, Rdnr. 3 m. w. N.
II. Bundesbaugesetz
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Einen Problemfall bilden auch die m i t der sog. Nutzungsvorbereitung befaßten Enteignungstatbestände der §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt., 85 Abs. 1 Nr. 2, 2. A l t . BBauG insofern, als Enteignung zur Nutzungsvorbereitung notwendig die Weiterübertragung an den Nutzer bedingt. Dieser Enteignungszweck ist m i t dem Typus der transitorischen Enteignung unlösbar verknüpft. Aufgrund der Tatsache aber, daß die Enteignung zum Zweck der Weiterübertragung unstatthaft ist, selbst dann, wenn damit noch weitere an sich statthafte Zwecksetzungen mitverfolgt werden, kann die Erreichung dieser Zwecksetzung nicht über den unmittelbaren Enteignungsvorgang hinaus verschoben werden. Die Zweckerreichung muß vielmehr i m Rahmen der Enteignung erfolgen. Erst dann darf bei entsprechender Zwecksicherung eine Weiterveräußerung i n Betracht kommen. Die Enteignung zur Nutzungsvorbereitung dynamisiert das Bodeneigentum, indem sie die Verwirklichung des Enteignungszweckes aus dem Enteignungsverfahren herausverlagert. Dies entspricht nicht einmal dem Regelfall der transitorischen Enteignung, da hier die Zweckverwirklichung auf zwei zeitlich verschobene Verfahren verteilt ist. U m wieviel mehr schlagen dann Bedenken dieser A r t bei der klassischen Grundstücksenteignung durch, die trotz anderer Absichten des Gesetzgebers i m Bundesbaugesetz die allein zulässige ist. Gegen die hier vertretene Ansicht kann eingewendet werden, die Nutzungsvorbereitung sei ein Enteignungszweck, der von der endgültigen Nutzung abspaltbar sei 18 . Demnach wäre er mit Abschluß des Enteignungsverfahrens i n der Person des Zwischenerwerbers erreichbar. Die Weiterübertragung zur eigentlichen Nutzung könne sowohl als Zweck wie als Verfahren losgelöst von der Enteignung gesehen werden. Auch eine ergebnis- und folgenorientierte Betrachtung könnte dafür sprechen. Anderenfalls würden die Gemeinden genötigt, die hohen Kosten, die mit der Erzielung v o l l nutzungsgerechter Zustände beständig verbunden sind, aufzubringen. Diesen Einwänden ist jedoch i m Sinne 18 So w i r d die Ansicht vertreten, es gehe hier darum, das Grundstück baureif zu machen, vgl. Stich, i n : Schlichter / Stich / Tittel, Bundesbaugesetz, Komm., 2. Aufl. 1977, § 85, Rdnr. 11, S. 796; Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, S. 217 f.; eine andere Bedeutung von § 85 Abs. 1 Nr. 2 B B a u G nehmen an Oestreicher, Bundesbaugesetz, Komm., Bd. 1, B a u planungsrecht, 1980, S. 458; Schrödter, Bundesbaugesetz, Komm., 3. Aufl. 1973, § 85, Rdnr. 3, S. 481 f.; es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die Baureif machung als ein eigenständiger Verwaltungs- u n d Enteignungszweck angesehen w e r den kann, denn f ü r die zur Baureifmachung dienenden Schritte hat das B B a u G m i t der Umlegung u n d dem Erschließungsrecht ein ausreichendes Instrumentarium bereitgestellt, neben dem die Enteignung nicht mehr erforderlich ist. K a n n demnach die Baureifmachung nicht als Enteignungszweck angesehen werden, so rückt der Umverteilungszweck i n den Vordergrund der rechtlichen Regelung, m i t der Folge, daß kein Tatbestand transitorischer E n t eignung mehr angenommen werden kann, die bei diesem die Zwecke i n einer hier nicht eingehaltenen Abfolge stehen.
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III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht
der hier gefundenen Lösung entgegenzuhalten, daß das verfassungsrechtliche Enteignungsrecht Eingriffe dieser A r t nur zur Erreichung einer höherwertigeren Nutzungsart gestattet. Davon kann allerdings bei einer Nutzungsvorbereitung noch keine Rede sein. Nicht einmal eine Veränderung der rechtlichen Qualität des enteigneten Bodens ist mit einer solchen Maßnahme zwingend verknüpft. Bei § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG geht es ersichtlich u m Grundstücke des innerörtlichen Bereichs, die i n aller Regel schon Bauland oder aber Bauerwartungsland sind. Hinzu kommt, daß Nutzungsvorbereitung und Nutzung als solche sachlich nicht getrennt werden können, daß man sie zwar bei einem Denken i n Verfahrenskategorien 17 i n zeitlich aufeinander folgende Abschnitte teilen kann. Damit fallen aber keine eigenständigen isolierbaren Enteignungszwecke an. Eine Enteignung zum Zwecke der Nutzungsvorbereitung kann daher verfassungsrechtlich nur hingenommen werden, wenn der Eingriff i n der Form der transitorischen Enteignung zulässig ist, und auch dann sind noch nicht alle Bedenken ausgeräumt, w e i l abweichend vom Regeltypus der transitorischen Enteignung sowohl der Verwaltungs- wie der Umverteilungszweck auf den zweiten Verfahrensabschnitt verlagert sind. Aus der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit der Umverteilung als Enteignungszweck ergeben sich für das Verfahren zunächst einmal die gleichen Folgerungen, die oben bezüglich des Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetzes genannt wurden, d. h. Aufrechterhaltung des Umverteilungszweckes nur außerhalb des Enteignungsverfahrens. Dieses reduziert sich auf die klassische Grundstücksenteignung m i t einheitlicher, von den Verwaltungszwecken bestimmter Ausrichtung. Darüber hinaus kennt das Bundesbaugesetz weitere verfahrensmäßige Besonderheiten. Sie resultieren daraus, daß i n diesem Gesetz die Enteignungszwecke Gegenstand eines doppelten Verfahrens, nämlich des Enteignungs- und des Planungsverfahrens sind. Da zwischen Planung und Enteignung ein Subsidiaritätsverhältnis besteht und die Enteignung ein M i t t e l der Planverwirklichung ist, muß die für die Enteignung zentrale Frage der Zwecktauglichkeit schon auf der Planungsebene vorentschieden werden. Das enteignungsrechtliche Wohl der Allgemeinheit w i r d nunmehr i m Zusammenhang m i t der Planung und den dieser vorgegebenen Zwecke entschieden. A u f diese Weise w i r d das Feld der planungstauglichen Zwecke unter Enteignungsgesichtspunkten eingeengt. Tauglich für die Planung sind n u r solche Zwecksetzungen, die auch Enteig17 Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, W D S t R L 30, 1972, 245 ff., 254 ff.; Schmidt-Aßmann, Die Grundgedanken des Verwaltungs verfahr ens u n d das neue Verwaltungs verfahrensrecht, J U R A 1, 1979, 505 ff.; Frenzel, H e r k u n f t u n d Entwicklung des rechtsstaatlichen Verfahrensgedankens am Beispiel des Enteignungsrechts, Der Staat 18, 1979, 592 ff.
II. Bundesbaugesetz
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nungsvoraussetzung sein können. Da unter diesen Gegebenheiten der Umverteilungszweck nicht Gegenstand der Planung sein kann, besteht zwischen geeigneten Planungszwecken und enteignungsrechtlichen Verwaltungszwecken Identität. Verfahrensmäßig können deshalb auch nur Planung und Enteignung aufeinander bezogen sein. Die Umverteilung durch Weiterveräußerung ist davon streng getrennt zu sehen. 2. Die Zwecksicherung
Von der Notwendigkeit und der rechtsdogmatischen Grundlegung der enteignungsrechtlichen Zwecksicherung wurde schon verschiedentlich gehandelt. Hier geht es lediglich noch darum, festzustellen, wie die Zwecksicherung i m Bundesbaugesetz ausgestaltet ist und ob die A r t der Ausgestaltung verfassungsrechtlich unbedenklich ist. I m Gegensatz zum Reichssiedlungs- und Reichsheimstättengesetz, wo die Zwecksicherungsmethoden auf die unterschiedlichen Zweckkategorien abgestimmt sind, herrscht i m Bundesbaugesetz eine einheitliche Methode der Zwecksicherung vor: Sowohl die Verwaltungszwecke als auch der Umverteilungszweck werden durch das Institut der Rückenteignung gesichert, wie sich aus § 102 Abs. 1 BBauG ergibt. Eine derartige gesetzliche Regelung ist für die Verwaltungszwecke angemessen. Insoweit hat der Gesetzgeber die Mittel-Zweck-Relation rechtlich einwandfrei ausgestaltet. Bedenken ergeben sich jedoch i m Blick auf den Umverteilungszweck. Dieser soll m i t derselben Methode gesichert werden, die auch für die technischen Enteignungszwecke Geltung beansprucht. E i n solches Vorgehen wäre nur dann als sachgerecht anzusehen, wenn das Modell der transitorischen Enteignung unter dem Grundgesetz zu verwirklichen wäre. Nachdem aber die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung m i t Hilfe der Enteignung zulässigerweise nicht zu erreichen ist, bedarf es hierzu eines speziellen Verfahrens, das der Gesetzgeber als zivilrechtliches Veräußerungsgeschäft festgelegt hat. Darauf kann und darf das Institut der Rückenteignung sich aber nicht beziehen, insbesondere nachdem m i t der Kehrseitentheorie ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen Enteignung und Rückenteignung hergestellt worden ist. Der Gesetzgeber hätte andere, dem Privatrecht entstammende Zwecksicherungen für den Umverteilungszweck vorsehen müssen. Zur Zwecksicherung kann zusammenfassend festgestellt werden, daß sie aufgrund der geltenden Verfassungsrechtslage nur hinsichtlich der Verwaltungszwecke einwandfrei funktioniert. Die die Umverteilung betreffende Regelung des § 102 Abs. 1 Nr. 2 BBauG verstößt gegen A r t . 14 Abs. 1 i. V. m. A r t . 14 Abs. 3 GG und ist somit nichtig. 19 F r e y
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III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht 3. Ergebnis
Der enteignungsrechtlichen Regelung des Bundesbaugesetzes liegt ersichtlich der Typus der transitorischen Enteignung zugrunde. Darauf deuten die Zweckbestimmungen von § 85 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie § 102 Abs. 1 BBauG hin. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die diesem Enteignungstypus i n kompetenzieller wie i n materiell-rechtlicher H i n sicht entgegenstehen, haben Rückwirkungen auf die einschlägigen baurechtlichen Normierungen. Weder § 85 Abs. 1 Nr. 1 noch § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG haben eine verfassungskonforme Fassung, solange der soziale Umverteilungszweck dort m i t als Enteignungszweck firmiert. Für A b hilfe kann auf zweierlei A r t gesorgt werden: Entweder § 85 Abs. 1 Nr. 1 1. A l t . BBauG erhält unter Aufgabe des globalen Hinweises auf die Planung eine genau abgegrenzte Aufzählung der Enteignungszwecke unter Ausschluß des Umverteilungszweckes, oder aber § 1 Abs. 6 A l t . 7 w i r d als Zweck der Bauleitplanung aufgegeben und als soziale Aufgabe i m Anschluß an die Bauleitplanung deklariert. Die Enteignung zum Zweck der Nutzungsvorbereitung ist nach der hier vertretenen Ansicht verfassungsrechtlich nur als transitorische Enteignung zu rechtfertigen. Die beiden Alternativtatbestände von § 85 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BBauG sind daher gleichfalls verfassungswidrig. Während es aber dem Gesetzgeber möglich ist, i m Falle von § 85 Abs. 1 Nr. 1, 1. A l t . BBauG selbst für eine verfassungskonforme Regelung zu sorgen, ist i h m dies bei der Enteignung zur Nutzungsvorbereitung, § 85 Abs. 1 Nr. 1, 2. A l t . und § 85 Abs. 1 Nr. 2, 2. A l t . BBauG verwehrt. U m diese Normierungen zu halten, müßten zuerst die verfassungsgesetzlichen Voraussetzungen geändert und der Typus der transitorischen Enteignung dort verankert werden. Auch soweit bei der Zwecksicherung Beanstandungen am Bundesbaugesetz zu erheben sind, ist der einfache Gesetzgeber imstande, für verfassungskonforme Zustände zu sorgen. Die Sicherung des Umverteilungszweckes ist auf privatrechtlicher Grundlage außerhalb des systematischen Zusammenhanges m i t der Enteignung vorzunehmen. Demgemäß ist § 102 Abs. 1 Nr. 2 BBauG zu streichen und an anderer Stelle sowie i n anderer Rechtsform unmittelbar beim Umverteilungszweck neu aufzunehmen. I I I . Das Städtebauförderungsgesetz Ähnlich wie das Bundesbaugesetz hat auch das am 1. 8.1971 i n Kraft getretene Städtebauförderungsgesetz eine fast zehnjährige Entstehungsgeschichte. Z u seinem Geltungsbereich zählen nicht die allgemeinen städtebaulichen Vorhaben, sondern diejenigen i n besonders neuralgischen Bereichen unseres Städtebaurechtes, den Sanierungs- bzw. den Entwicklungsgebieten. Von daher ergeben sich für das bodenrechtliche
III. Städtebauförderungsgesetz
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Instrumentarium des Gesetzes Sachzwänge, die auch bei einer typischen Rechtsform zur Neuordnung des Bodeneigentums, der Enteignung, Auswirkungen haben. Wenn es darum geht, städtebauliche Mißstände rasch, umfassend, ökonomisch, i n einem vertretbaren zeitlichen Rahmen und unter für den Betroffenen zumutbaren Bedingungen zu beheben, bzw. unter ähnlichen Bedingungen ein neues Siedlungsgebiet entstehen zu lassen, dann liegt auf der Hand, daß hierbei der Enteignung eine maßgebliche Bedeutung zuwächst. Wer jedoch eine gegenüber den bisher kennengelernten Enteignungsformen wesentlich verändertes Institut erwartet hat, w i r d überrascht werden, denn außer einigen verfahrensbezogenen Erleichterungen t r i f f t man das Institut der transitorischen Enteignung i m wesentlichen unverändert an. I m übrigen finden, jedenfalls für den Sanierungsbereich, die enteignungsrechtlichen Vorschriften des BBauG kraft gesetzlicher Verweisung 1 8 Anwendung, so daß insgesamt gesehen die Vermutung naheliegt, daß einige der dortigen Erkenntnisse auf die Enteignungstatbestände des Städtebauförderungsgesetzes übertragbar sind. 1. Die Regelung i m Sanierungsbereich
I m städtebaulichen Sanierungsbereich sind §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 und Abs. 2 StBFG sowie § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG die einschlägigen Vorschriften zur Regelung der Enteignung. A u f diesen Normenbestand w i r ken die verfassungsrechtlichen Vorgaben der transitorischen Enteignung ein. Von den Wirkungen i m einzelnen soll nachfolgend gehandelt werden. a) Zweck-
und verfahrensspezifische
Folgerungen
Bevor auf die zweckspezifischen Folgerungen eingegangen wird, die sich für die Enteignung i m Sanierungsbereich aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage ergeben, bedürfen die enteignungsrechtlichen Zwecksetzungen einer kurzen Darstellung i m Überblick. Ausdrücklich erwähnt das Gesetz den sozialen Umverteilungszweck i n § 25 Abs. 1 und 2 StBFG. Die Verwaltungszwecke als weitere Zweckkategorie werden nicht angesprochen. Sie ergeben sich aus § 22 Abs. 2 StBFG, der auf die Enteignungszwecke des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BBauG bezogen ist, so daß die dem Sanierungsplan gemäße Nutzung sowie die entsprechende Nutzungsvorbereitung die andere enteignungsrechtliche Zweckkategorie erschöpfen. Insgesamt gesehen stimmen die maßgeblichen Zweckbestimmungen i m städtebaulichen Sanierungsbereich m i t denen des allgemeinen Städtebaurechtes überein; auf die Verwaltungszwecke t r i f f t diese Feststellung sowohl sachlich wie numerisch zu, während beim sozialen Umvertei18
19*
Vgl. §§ 86 Abs. 1 S. 1, 22 Abs. 1 StBFG.
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III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht
lungszweck trotz anderer Bezifferung sachliche Kongruenz besteht. Bei einer solch weitreichenden Übereinstimmung der jeweiligen gesetzlichen Zweckbestimmungen liegt die Annahme nahe, daß auch die verfassungsrechtlichen Folgerungen für beide Gesetze die gleichen sind. I m einzelnen bedeutet dies, daß der institutionelle Verbund von Verwaltungsund Umverteilungszweck innerhalb der transitorischen Enteignung nicht von Bestand ist. Beide Zweckkategorien bestehen i n jeweils eigenem institutionellen Rahmen fort. Bezüglich der verfassungsgesetzlich gebotenen Änderungen der einschlägigen Vorschriften ist zunächst einmal festzuhalten, daß das Städtebauförderungsgesetz anders als das Bundesbaugesetz den sozialen Umverteilungszweck nicht ausdrücklich als Zweck der Planung nennt, obgleich es, wie die enge Verwobenheit der beiden Gesetze erkennen läßt, die Eigentumsbildung i n breiten Kreisen der Bevölkerung als Ziel der Sanierungsplanung verstanden wissen w i l l . Unter diesen Umständen wäre es für die Herstellung verfassungskonformer Zustände schon ausreichend, wenn klargestellt würde, daß die Enteignung zur V e r w i r k lichung der Sanierungsplanung diene, die Eigentumsbildung i n breiten Bevölkerungskreisen aber nicht Gegenstand dieser Planung ist. § 25 StBFG könnte dann unverändert weiterbestehen, weil dadurch die Nichtzugehörigkeit des sozialen Umverteilungszweckes zur Enteignung dokumentiert würde. Andererseits könnte aber auf eine Änderung am Städtebauförderungsgesetz ganz verzichtet werden, wenn die zum § 85 Abs. 1 Nr. 1,1. A l t . BBauG angeregte Änderung vollzogen würde. Was nun die Enteignung zur Sanierungsvorbereitung betrifft, so liegt dieser Tatbestand i n jeder Hinsicht parallel zur Enteignung gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 1, 2. A l t . BBauG, so daß auf die Ausführungen dazu Bezug genommen werden kann. Eine i n jeder Hinsicht parallel liegende Problematik zwischen Bundesbaugesetz und Städtebauförderungsgesetz kennzeichnet auch die verfahrensspezifischen Folgerungen, denn hier wie da sind zwei Verfahrensabschnitte notwendig, um die i n einem Plan verbundenen Zwecke zu verwirklichen. Alles zu diesen Verfahrensabschnitten Maßgebliche sowie alles Bedeutsame zum Verhältnis Planung und Enteignung wurde anläßlich der Darstellung dieser Problemlage i n den beiden Reichsgesetzen und i m Bundesbaugesetz schon erwähnt. Hierauf soll an dieser Stelle verwiesen werden. b) Die
Zwecksicherung
Z u diesem Gegenstand enthalten die sanierungsrechtlichen Vorschriften des Städtebauförderungsgesetzes i n § 52 Abs. 1 und Abs. 6 S. 1 eine Regelung. Danach besteht ein Rückübertragungsanspruch des früheren Eigentümers, wenn sich die Sanierung gemäß § 51 Abs. 2 StBFG als
III. Städtebauförderungsgesetz
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undurchführbar erweist und daneben unter den Voraussetzungen des § 102 BBauG der Anspruch auf Rückenteignung. Das Rückübertragungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 i. V. m. § 51 Abs. 2 StBFG taucht hier erstmals auf, ist aber der Sache nach keineswegs neu. Damit w i r d nämlich ein Rechtsgedanke, der aus dem Enteignungsrecht gut bekannt ist, auf einen Tatbestand außerhalb der Enteignung übertragen: Die Rückgabe bei Zweckverfehlung. I m Falle von § 52 Abs. 1 StBFG liegt ein Fall globaler Zweckverfehlung vor, denn m i t der A u f hebung der Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes fällt die Voraussetzung für die Entstehung des örtlich und zeitlich begrenzten Sonderrechts für das Sanierungsgebiet weg 19 . A l l e n sanierungsrechtlichen Maßnahmen w i r d gleichsam die Grundlage entzogen. Das Rückübertragungsrecht w i r k t somit global i n bezug auf alle Rechtsakte und verdrängt dort, wo seine Voraussetzungen gegeben sind, die Rückenteignung, die nicht die generelle rechtliche Voraussetzung der Sanierung als solche sichert, sondern konkrete Zwecke, die Gegenstand der sanierungsrechtlichen Enteignung waren. Aufgrund von § 52 Abs. 6 S. 1 StBFG kommt die Rückenteignung des Bundesbaugesetzes auch i m Sanierungsgebiet zur Anwendung. Das bedeutet, daß die enteignungsrechtlichen Verwaltungszwecke i n sachgerechter A r t und Weise gesichert sind. Anders als i m Bundesbaugesetz w i r d der soziale Umverteilungszweck i m Städtebauförderungsgesetz vom Gesetzgeber nicht geschützt, denn die Rückenteignung des § 102 Abs. 2 Nr. 2 BBauG vermag i m Sanierungsbereich deshalb keine Wirkung zu entfalten, weil § 22 Abs. 1 S. 3 StBFG § 89 BBauG ausdrücklich für unanwendbar erklärt 2 0 . Auch ist § 25 StBFG nirgends als Gegenstand der Zwecksicherung aufgeführt. Für diese „Regelungslücke" gibt es indessen eine einleuchtende Erklärung. Nach § 25 Abs. 2 StBFG soll i m Sanierungsbereich enteigneter Grund und Boden i n erster Linie reprivatisiert werden, d. h. an den früheren Eigentümer zurückübertragen werden, so daß insofern eine Zwecksicherung nicht erforderlich ist. Erforderlich wäre sie aber bei dem wohl zahlenmäßig nicht mehr stark ins Gewicht fallenden A n t e i l von Grundstücken, die privatisiert, d. h. an Dritte weitergegeben werden müssen. Offensichtlich hat der Gesetzgeber insoweit eine Regelung nicht für erforderlich gehalten. Diese Entscheidung kann jedoch nicht gebilligt werden, denn eine systemkonforme Normierung erfordert die Aufnahme einer Zwecksicherungsregelung 21 . Zwar kommt hier aus den gleichen Gründen wie 19 Vgl. dazu Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, K o m m . § 52, Rdnr. 1; der Anspruch auf Rückübertragung nach § 52 ist n u r i n den Fällen p r i v a t rechtlicher Natur, i n denen ein freihändiger Grundstückserwerb vorausgegangen ist. 20 Vgl. dazu Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, K o m m . § 22, Rdnr, 7.
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III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht
beim Bundesbaugesetz die Rückenteignung zur Sicherung des Umverteilungszweckes nicht i n Betracht, doch ein anderes Sicherungsmittel erscheint rechtlich geboten. I m Hinblick auf A r t . 3 Abs. 1 GG unterliegt diese Unterlassung des Gesetzgebers verfassungsrechtlichen Bedenken. c)
Ergebnis
Die transitorische Enteignung findet sich als enteignungsrechtlicher Typus i n der sanierungsrechtlichen Regelung des Städtebauförderungsgesetzes wieder. Daher tauchen hier die meisten der vom Verfassungsrecht ausgelösten Probleme wieder auf, die bereits i m Zusammenhang m i t anderen gesetzlichen Regelungen dieser Enteignungsart bekannt geworden sind. Dennoch gibt es sowohl bei den zweckspezifischen Folgerungen als auch bei der A r t der Zwecksicherung interessante Divergenzen. So würde i m Sanierungsrecht bereits eine m i t wenig Aufwand verbundene Klarstellungsregelung, dergestalt, daß die Umverteilung nicht Bestandteil der Planung ist, ausreichen, u m die Trennung von Enteignung und Weiterveräußerung hinreichend klar hervortreten zu lassen. I m Bereich der Zwecksicherung konkurrieren zwei Sicherungsmittel. Eines, das die generellen rechtlichen Voraussetzungen der Sanierung betrifft und die Rückenteignung, die am Fehlschlagen der Enteignungszwecke ansetzt. Soweit ihre Regelung reicht, ist sie rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Sicherung des Umverteilungszweckes ist i n bezug auf die Privatisierungsfälle unterblieben. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots einer systemkonformen Regelung kann dies nicht gebilligt werden. Eine privatrechtliche Zwecksicherung muß gesetzlich für die Privatisierungsfälle zur Verfügung stehen. I m übrigen sind die Erkenntnisse, die als Ergebnisse der bereits untersuchten Erscheinungsformen transitorischer Enteignung gewonnen wurden, i n vollem Umfang auf die sanierungsrechtlichen Vorschriften des Städtebauförderungsgesetzes übertragbar. 2. Die Regelung im Entwicklungsbereich
Sobald die Landesregierung durch Rechtsverordnung den Entwicklungsbereich förmlich festgelegt hat, gelten folgende enteignungsrechtlich maßgebenden Vorschriften: § 57 Abs. 3 i. V. m. § 54 Abs. 1 bis 3 StBFG. Sie bestimmen, daß die Gemeinde alle i m Entwicklungsgebiet belegenen Grundstücke erwerben soll und dort ohne einen Bebauungsplan die Voraussetzungen für die Entstehung eines lebensfähigen ört21 Hier gelten die gleichen Erwägungen, die bei der Erörterung der gleichen Problematik beim Reichssiedlungs- u n d Reichsheimstättengesetz maßgeblich waren.
I I I . Städtebauförderungsgesetz
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liehen Gemeinwesens zu schaffen hat. Die solchermaßen aufbereiteten Grundstücke hat die Gemeinde gemäß § 59 Abs. 1 StBFG zu veräußern, wobei sie gemäß § 1 Abs. 6 und § 59 Abs. 2 StBFG weite Kreise der Bevölkerung, insbesondere solche ohne nennenswerten Grundbesitz, bei der Verteilung bevorzugt zu berücksichtigen hat. M i t dieser gesetzlichen Zielsetzung gehört die enteignungsrechtliche Regelung des städtebaulichen Entwicklungsbereiches zu den prägnantesten Erscheinungsformen des transitorischen Enteignungsmodells. Die bodenordnende Komponente der gesetzlichen Zweckbestimmungen, also der soziale Umverteilungszweck, erwächst i n Dimensionen, die dem bekannten Modell der Zonenenteignung 22 ebenbürtig sind und i n quantitativer Hinsicht den Vergleich zu allen anderen modernen transitorischen Enteignungstatbeständen sprengen. Zwar soll die Gemeinde das gesamte Bodeneigentum i m Entwicklungsbereich nur äußerstenfalls durch Enteignung erwerben, doch ist sie bei Vorliegen der Voraussetzungen dazu auch befugt, so daß die enteignungsrechtliche Gesamtinanspruchnahme des Bodeneigentums i m Entwicklungsgebiet kein theoretischer Fall bleiben muß. Unter diesen Voraussetzungen wiegen die Folgen besonders schwer, die sich für das Enteignungsinstitut aus der verfassungsgesetzlichen Unzulässigkeit des sozialen Umverteilungszweckes ergeben. a) Zweck-
und verfahrensspezifische
Folgerungen
A l l e bisher behandelten, dem geltenden Recht angehörende Formen transitorischer Enteignung verkrafteten die aus der Unzulässigkeit des Umverteilungszweckes für die Enteignung sich ergebenden Auswirkungen i n der Weise, daß die Zwecke nunmehr aus dem institutionellen Verbund der Enteignung gelöst und selbständigen Verfahrensabschnitten zugeteilt wurden: Die Verwaltungszwecke der Rechtsform der Enteignung, der Umverteilungszweck dem auf die Enteignung folgenden Veräußerungsgeschäft. Eine solche Lösung war jedoch nur deshalb möglich, w e i l die i n der transitorischen Enteignung vorgesehene Reihenfolge der Zweckrealisierung die hier gefundene Aushilfekonstruktion ermöglichte.
22 Vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 253; Sellmann, Neue bodenrechtliche Vorschriften f ü r die städtebauliche Sanierung, Schriften des Zentralverbandes der Deutschen Haus- u n d Grundeigentümer e.V., Heft 25, 1969, S. 63f.; Franz Mayer, Rechtsgutachten zu einigen grundlegenden Fragen des Entwurfs eines Städtebau- u n d Gemeindeentwicklungsgesetzes des Bundes, insbesondere zu den dort vorgesehenen V e r f ü gungsbeschränkungen v o n Privateigentümern, 1969, S. 85; vgl. auch Bredt, Die Zonenenteignung u n d ihre Zulässigkeit i n Preußen, 1909, S. 202 ff.
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III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht
I m städtebaulichen Entwicklungsbereich funktioniert diese Aushilfskonstruktion erstmals nicht mehr. Das hängt damit zusammen, daß die Realisierungsphasen der jeweiligen Zweckbestimmungen hier i n eine andere Reihenfolge gebracht wurden. I m Vordergrund und zeitlich an erster Stelle steht n u n der Zweck, das gesamte Bodeneigentum zu erwerben, u m es später weiterzuübertragen. Der soziale Umverteilungszweck ist zeitlich vorverlagert und bestimmt die Enteignung 23 . Die Verwaltungszwecke stehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, sie existieren lediglich als ein Programm, weil die Aufstellung von Bebauungsplänen erst für die Zeit nach dem Erwerb des Grundeigentums vorgesehen ist. Das nachträglich konkretisierte Programm kann dann aber als Enteignungszweck sich nicht mehr auswirken, w e i l dieses Verfahren zu dem Zeitpunkt schon abgeschlossen ist. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellte, das städtebauliche Entwicklungsprogramm solle neben dem Umverteilungszweck den Enteignungseingriff rechtfertigen, so kann man nicht davon ausgehen, daß die hier verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe genügend Aussagekraft haben, u m eine Überprüfung anhand der Kriterien des Wohls der Allgemeinheit vornehmen zu können. Es bleibt daher dabei, daß lediglich der soziale Umverteilungszweck enteignungsmotivierend ist. Da i h m de constitutione lata als Enteignungszweck die Anerkennung zu versagen ist, vermag die Regelung des § 57 Abs. 3 i. V. m. § 54 Abs. 1—3 StBFG keinen Bestand zu haben. b) Die
Zwecksicherung
Unabhängig davon, i n welcher zeitlichen Abfolge die Zwecke verwirklicht werden, bedürfen sie als Enteignungszwecke der Sicherung. Z u diesem Gegenstand findet sich jedoch i m Recht der städtebaulichen Entwicklung keine Normierung. Es ist daher an § 86 StBFG zu denken, der eine Generalverweisung auf das Bundesbaugesetz enthält. Das dort i n § 102 Abs. 1 BBauG vorgesehene Sicherungsmittel ist die Rückenteignung. Sie soll sowohl Verwaltungs- wie Umverteilungszwecke sichern, was unter der Voraussetzung der verfassungsrechtlichen B i l l i gung der transitorischen Enteignung völlig korrekt und sachgerecht erschiene. Unter den geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen vermag die Rückenteignung allenfalls zur Sicherung der Verwaltungszwecke beizutragen. Wenn das Städtebauförderungsgesetz die Sicherung des Umverteilungszweckes i m Entwicklungsbereich durch Rückenteignung nicht angeordnet hat, so handelt es enteignungsrechtlich konsequent, weil dieser Zweck als Enteignungszweck nicht zulässig ist. Andererseits beruht dieses konsequente Ergebnis nicht auf einer bewußten 23 Vgl. dazu Klaus Meyer, Betrachtungen über das Städtebauförderungsgesetz i m Spannungsfeld des Grundgesetzes, AöR 97, 1972, 12 ff., 21 f.
III. Städtebauförderungsgesetz
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gesetzgeberischen Entscheidung, sondern ist die zufällig günstige Folge eines anderweitigen Versehens. Da der Umverteilungszweck unter den i m Entwicklungsbereich bestehenden rechtlichen Konstellationen nicht bestehen bleiben darf 2 4 , erübrigt sich für i h n eine Zwecksicherung. Die Verwaltungszwecke sind einer Zwecksicherung durch Rückenteignung an sich zugänglich. Ob § 102 Abs. 1 Nr. 1 BBauG auf die Verwaltungszwecke i m vorliegenden Fall angewendet werden kann, hängt davon ab, ob diesen Zwecken als Enteignungszwecke noch eine eigenständige Bedeutung zuerkannt werden kann. Nach den vorstehenden Ausführungen ist dies zu verneinen, so daß keine Sicherung der Verwaltungszwecke rechtlich geboten ist. c)
Ergebnis
Die starke Betonung des bodenordnenden Aspektes i m städtebaulichen Entwicklungsbereich des Städtebauförderungsgesetzes sowie die damit zusammenhängende Umkehrung der zeitlichen Abfolge der Zweckrealisierung bewirkt, daß die verfassungsgesetzlichen Vorgaben i n voller Strenge auf diesen Enteignungstatbestand durchschlagen. Während i n den meisten Fällen transitorischer Enteignung eine rechtliche Aufspaltung der Zwecke auf verschiedene Rechtsformen möglich ist, scheidet ein derartiges Vorgehen bei den Enteignungstatbeständen des Entwicklungsbereiches aus. § 57 Abs. 3, § 54 Abs. 3 und § 59 StBFG sind daher wegen Kollisionen m i t formellem und materiellem Verfassungsrecht unwirksam. Eine Zwecksicherung ist unter diesen Umständen entbehrlich, da die Verwaltungszwecke nicht enteignungsrelevant sind und der soziale Umverteilungszweck keinen rechtlichen Bestand hat. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß bezüglich der Zwecksicherung Beanstandungen auch unter der Voraussetzung hätten erhoben werden müssen, daß die maßgeblichen Zwecksetzungen rechtlich einwandfrei gewesen wären. Nach § 86 Abs. 1 S. 1 StBFG findet hinsichtlich der Zwecksicherung eine Verweisung auf § 102 Abs. 1 BBauG statt. Diese Vorschrift hat i m Bundesbaugesetz die Aufgabe, auch den sozialen Umverteilungszweck zu sichern, denn i n § 102 Abs. 1 Nr. 2 BBauG w i r d auf diesen i n § 89 BBauG enthaltenen Zweck eindeutig Bezug genommen. Da aber § 89 BBauG gemäß § 57 Abs. 3 S. 3 StBFG i m Entwicklungsbereich ausdrücklich keine Anwendung finden soll und nirgendwo ein Hinweis gegeben ist, daß § 59 StBFG als lex specialis zu § 89 BBauG Gegenstand der Rückenteignung sein soll, muß davon aus24 E r k a n n deshalb keinen Bestand haben, w e i l er dort nicht m i t V e r w a l tungszwecken zur transitorischen Enteignung v e r k n ü p f t ist. Dieses Ziel hat der Gesetzgeber dadurch verfehlt, daß er die V e r w i r k l i c h u n g der sozialen Umverteilung v o m zeitlichen Ablauf, w i e von der Intensität her, an die erste Stelle gerückt hat. A u f diese Weise hat er aus der transitorischen Enteignung eine soziale Umschichtung gemacht.
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III. Teil: Transitorische Enteignung im geltenden Recht
gegangen werden, daß der soziale Umverteilungszweck, mit dem unter anderem auch die Spekulation eingedämmt werden sollte, ungesichert bleibt. I n gleicher Weise wie schon bei der Regelung i m städtebaulichen Sanierungsbereich ist deswegen gegen diese Unterlassung der Vorwurf systemwidrigen Verhaltens zu erheben 25 . Der Typus der transitorischen Enteignung, die m i t i h m verbundene verfassungsrechtliche Problematik sowie die Ergebnisse, die bei einer verfassungsrechtlichen Überprüfung der Erscheinungsformen dieses Enteignungstypus i m geltenden Recht zu Tage treten, vermitteln ein anschauliches Beispiel von der überragenden Funktion, die der Zweck i m Recht besonders i m Enteignungsrecht einnimmt. Sie vermitteln darüber hinausgehend aber auch, daß der moderne Gesetzgeber diese von Rudolph v. Jhering so überzeugend beschriebene Funktion 2 6 i n zunehmendem Maße weniger beachtet.
25 Dieser V o r w u r f muß jedenfalls dann erhoben werden, w e n n m a n sich auf den Standpunkt stellt, es handele sich i m städtebaulichen Entwicklungsbereich u m eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Enteignung. Nach dem hier eingenommenen Standpunkt ist eine Zwecksicherung ohne Bedeutung, da es keinen sicherungsfähigen Zweck gibt. 26 Rudolph von Jhering, Der Zweck i m Recht, Bd. 1, 4. A u f l . 1904 steht unter dem Motto: Der Zweck ist der Schöpfer des ganzen Rechts. Vgl. dazu Langemeijer, Jherings „Zweck i m Recht" i m Lichte der seitherigen Wertlehren, i n : Wieacker / Wollschläger (Hrsg.), Jherings Erbe, Göttinger Symposion zur 150. Wiederkehr des Geburtstags von Rudolph v o n Jhering, 1970, S. 127 ff.
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