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German Pages 292 Year 2002
SOPHIA POMMER
Bahnreform und Enteignung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 885
Bahnreform und Enteignung Die Rückkehr der privatbegünstigenden Enteignung im Eisenbahnwesen
Von Sophia Pommer
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pommer, Sophia:
Bahnreform und Enteignung : die Rückkehr der privatbegünstigenden Enteignung im Eisenbahnwesen / Sophia Pommer. Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 885) Zugl.: Bielefeld, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10724-1
D 361 Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10724-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Wegen des Landbedarfs, wie er für eine flächenbezogene Unternehmung typisch ist, wird das Rechtsinstitut der Enteignung seit der Entwicklung der Eisenbahn eng mit ihr verbunden. Und noch heute stellt die Enteignung für expansionswillige Netzgesellschaften eine existenznotwendige Voraussetzung dar. Sie sind angewiesen auf die (in Art. 14 Abs. 3 GG) verfassungsrechtlich gebilligte Möglichkeit, die Rechtsordnung im Wege der Enteignung ausnahmsweise zu durchbrechen, wenn die enteignungserheblichen Vorhaben dem „Wohle der Allgemeinheit" dienen. Die privatrechtsförmige Eisenbahn nach dem Rechtsregimewechsel ist aber anders als einst die Deutsche Bundesbahn von vornherein keinem Gemeinwirtschaftlichkeitsauftrag unterstellt, sondern ein Wirtschaftsunternehmen, das auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet ist. Unter welchen Voraussetzungen dennoch zugunsten der privaten Bahn enteignet und damit der systemimmanente Widerspruch zwischen Förderung eines wichtigen infrastrukturellen Vorhabens auf der einen und Gleichbehandlung der Privatrechtssubjekte im Wettbewerb auf der anderen Seite gelöst werden kann, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, die im Wintersemester 2000/2001 als Dissertation von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld angenommen wurde. Ich bin sehr froh, daß mich die Wege zu meinem Doktorvater Prof. Dr. Joachim Wieland nach Bielefeld führten. Er hat mich vielseitig in meinem Dissertationsvorhaben unterstützt und in juristischen Fragen wie kein anderer ermutigt. Er motivierte mich, die Arbeit, so wie ich sie ihm vorgestellt hatte, fertig zu schreiben und mir dabei die notwendige wissenschaftliche Freiheit zu gönnen. Ihm danke ich besonders herzlich. Freundlich danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Armin Hatje. Durch sein Seminar wurde ich ans Europarecht herangeführt. Er hat außerdem das Zweitgutachten erstellt und Hinweise gegeben, die ich vor allem in der Zusammenfassung am Ende der Arbeit gerne für die Veröffentlichung berücksichtigt habe. Dank sagen möchte ich meinen Eltern, die das Dissertationsvorhaben ganz selbstverständlich geistig sowie finanziell unterstützten und mir zutrauten, das Böckle nicht hinten, sondern vorne an die „schwäb'sche Eisenbahne" zu binden (Schwäbisches Volkslied, Tübinger Kommersbuch von 1853). Weiterhin bin ich all jenen Freunden und Kollegen aus der Zeit meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Mainz und Leipzig dankbar, die den Entstehungsprozeß der Arbeit in einem seiner vielen Stadien begleitet, mir zugehört und Anregungen gegeben oder sonst - insbesondere bei den Korrekturen - mitgeholfen haben: Doris Armbruster, Claudia Blanchard, Angela Göllnitz, Susanne Knips, Gisela Ostwald,
Vorwort
6
Ulrich Repkewitz, Cornelia Schwarz und den Mitgliedern des Arbeitskreises Geschichte, Methodik und Dogmatik des Öffentlichen Rechts. In der Aufzählung nicht erwähnt, weil er einen Ehrenplatz verdient, habe ich meinen Mann Christoph Enders. Ihm danke ich von ganzem Herzen für das Besondere, das er zum Gelingen der Arbeit von Anfang an beigetragen hat. Ferner gilt mein Dank Prof. Dr. h. c. Norbert Simon für die Aufnahme der Doktorarbeit in die Reihe „Schriften zum Öffentlichen Recht" und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die mit einer Beihilfe den Druck des Werkes finanziert hat. Und schließlich versprochen, ihn zu erwähnen, habe ich einst auch meinem Sohn Paul für sein geduldiges Abwarten. Er kam vier Tage nach Fertigstellung des Manuskripts zur Welt. Leipzig im Oktober 2001
Sophia Pommer
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
17
Teil 1 Von der privatbegünstigenden zur staatsbegünstigenden Enteignung Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte § 1 Erste Eisenbahnen und erste Enteignungen
22 22
I. Die Organisation der Eisenbahnunternehmen
23
II. Der Einfluß des Staates auf die Eisenbahnen
26
III. Die Enteignungsmöglichkeiten
§ 2 Die Konsequenzen der Verstaatlichung für das Enteignungsrecht I. Der lange Weg bis zur Reichseisenbahn
30
36 36
1. Bismarcks Reichsbahnpolitik
36
2. Bismarcks Alternative: Die Verstaatlichung der preußischen Privatbahnen ..
38
3. Der Durchbruch - Die Schaffung der Reichseisenbahn
39
II. Die neue Gemeinwirtschaftlichkeit der Eisenbahn III. Die Vereinfachungen im Enteignungsrecht und die Aufweichung der ursprünglichen Eigentumsdogmatik
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn I. Die Bundesbahn als unmittelbare Staatsverwaltung
40
41
44 45
1. Das Wesen der Eisenbahnhoheit
45
2. Die verfassungsrechtliche Verankerung von Hoheitsrechten für die Deutsche Bundesbahn
46
8
nsverzeichnis 3. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. als Aufgabenzuweisung a) Art. 87 GG als Organisations- und Aufgabennorm
46 47
b) Das Gebot der Erwerbswirtschaftlichkeit
51
c) Die Auflösung des Konflikts zwischen Wirtschaftlichkeit und Aufgabe ..
54
II. Das Enteignungsrecht der Deutschen Bundesbahn zum Zwecke des Bahnanlagenbaus
56
1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Eisenbahnenteignungsrecht als Teil der Eisenbahnhoheit
56
2. Der Träger des Enteignungsrechts
57
3. Die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 14 Abs. 3 GG
58
a) Das Gemeinwohlerfordernis
58
b) Das enteignungsfähige Vorhaben: Der Bau oder die Änderung von (Bundes-)B ahnanlagen
58
c) Die Verhältnismäßigkeit der Enteignung
61
III. Die Reform der Deutschen Bundesbahn und die Aufgabe der vordergründigen Gemeinwohlorientierung des Unternehmens - eine These
62
Teil 2 Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform § 4 Beweggründe, Ziele und Inhalte der Bahnreform
64 65
I. Die Verdrängung leistungsstaatlicher Erklärungsmuster durch ökonomische Zwänge: Die nationalen Reformgründe
65
II. Der europäische Einfluß - Die Richtlinie der EG vom 29. 07. 1991 (91 /440/ EWG)
73
III. Die Trennung zwischen Netz und Betrieb als „Herzstück" (wesentliches Merkmal) des Strukturwandels
78
§ 5 Die privatwirtschaftliche Grundkonzeption und ihre verfassungsgesetzliche Umsetzung - Art. 87 e i. V. m. Art. 143 a GG
85
I. Die Trennung von Dienstleistung und Verwaltung II. Die Bahn als Wirtschaftsunternehmen III. Die Organisation in privater Rechtsform
86 89 92
nsverzeichnis § 6 Aufgaben und Rechtsstellung des privatisierten Infrastrukturunternehmens vor dem Hintergrund der Privatisierungsschranke des Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG I. Formelle und materielle Beschränkungen der Veräußerungsfreiheit
97 99
1. Die formelle Privatisierungsschranke
99
2. Die materielle Privatisierungsschranke
100
II. Die gegenständliche Reichweite der Beschränkung - „Bau, Unterhaltung und Betrieb von Schienenwegen" 102 1. Einfachgesetzliche Ausformungen des Infrastrukturbegriffs und seiner Teile
102
a) Die Eisenbahninfrastruktur
102
b) Die Betriebsanlagen der Eisenbahn und Schienenwege
103
c) Die Bahnanlagen
104
2. „Bau, Unterhaltung und Betrieb von Schienenwegen" (Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG)
105
a) Der Wortsinn und die durch ihn gesetzten Grenzen
106
b) Die Bedeutung entsprechend der systematischen Einordnung
107
c) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift
108
d) Teleologische und funktionelle Aspekte der Interpretation
110
e) Die Vereinbarkeit mit dem Europarecht
116
3. Die Auswirkung der Verfassungsinterpretation auf die einfachgesetzlichen Ausformungen des Infrastrukturbegriffs und seiner Teile a) Die Eisenbahninfrastruktur
119 119
b) Die Betriebsanlagen der Bahn
119
c) Die Bahnanlagen
122
III. Die Auswirkungen der materiellen Privatisierungsschranke des Art. 87 e Abs. 3 Satz 3, Halbsatz 2 GG auf Aufgaben und Rechtsstellung des Unternehmens ... 122 1. Gesellschaftsrechtliche Konsequenzen des Vorbehalts
123
a) Vorrang des Gesellschaftsrechts
123
b) Schutz vor Aushöhlung
125
c) Beachtung der Zuwachsgrenze
126
2. Öffentlich-rechtliche Wirkungen
126
a) Von der Leistungs- zur Gewährleistungsverwaltung - Art. 87 e Abs. 4 GG 127 (1) Übertragung, Aufgabe und Umwandlung staatlicher Aufgaben
128
(2) Der Regelungsauftrag - Art. 87 e Abs. 4 Satz 2
136
(3) Instrumente zur Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung . 139
10
nsverzeichnis b) Abschied von der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft
143
(1) Keine Widmung neuer Infrastruktureinrichtungen
145
(2) Öffentliche Sache kraft Enteignungsprivileg?
147
(3) Entwidmung bereits gewidmeter Infrastruktureinrichtungen
149
c) Verwaltungsprivatrechtliche Grundrechtsbindung und Grundrechtsberechtigung (1) Grundrechtsbindung des Unternehmens
150 151
(a) Die klassische Theorie vom Verwaltungsprivatrecht
152
(b) Zwei Versuche einer Zwischenlösung
154
(c) Die Kritik an den spezifisch öffentlich-rechtlichen Bindungen des Unternehmens 156 (2) Grundrechtsberechtigung des Unternehmens
158
Teil 3 Die Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn AG als Problem der privatbegünstigenden Enteignung §7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
163 164
I. Die Voraussetzungen rechtmäßiger Enteignung im Sinn des Art. 14 Abs. 3 GG - eine Bestandsaufnahme 165 1. Die Gemeinwohldienlichkeit und die Normierung des Enteignungszwecks a) Zur abstrakten Funktion des Allgemeinwohlbegriffs in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG (1) Das Defizit bloßer Negativbegrenzung
165 165 166
(2) Die Offenheit des positiv bestimmten Gemeinwohlbegriffs in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG b) Der materiell-rechtliche Inhalt des Gemeinwohlbegriff s
167 168
(1) Zur Stichhaltigkeit einzelner traditioneller und modernistischer Begriindungsansätze 168 (a) Daseinsvorsorge
169
(b) Öffentliches Verkehrsbedürfnis: Der infrastrukturelle Expansionsauftrag Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG (c) Volkswirtschaftlich
interessante
174
Wirtschaftsunternehmungen:
Die Präsentation neuer Technologien (2) Der gesetzlich funktionalisierte Gemeinwille c) Die Bestimmtheit der gesetzgeberischen Gemeinwohlfeststellung
175 176 178
2. Die Normierung der weiteren Enteignungsvoraussetzungen
184
3. Die Anforderungen des Übermaß Verbots an den Enteignungsakt
186
II. Die private Unternehmensführung und das Allgemeinwohl
189
nsverzeichnis III. Die spezifischen Gemeinwohlanforderungen der privatbegünstigenden Enteignung 190 1. Die gesetzliche Normierung des Enteignungszwecks und die Gemeinwohldienlichkeit der enteignungserheblichen Unternehmung 191 a) Der Unternehmensgegenstand als Anknüpfungspunkt für die Gemeinwohldienlichkeit 191 (1) Die Realisierung des Allgemeinwohls als unmittelbarer Unternehmensgegenstand - Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 11 Abs. 1 EnWG a. F.
192
(2) Die Verschärfung der Anforderungen bei nur mittelbarer Realisierung des Allgemeinwohls - Die Boxberg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 196 b) Der gesetzliche Tatbestand als Anknüpfungspunkt unmittelbar gemeinwohldienlicher Unternehmenstätigkeit 198 2. Die Realisierung des Enteignungszwecks
201
a) Der Rückübertragungsanspruch
202
b) Der Enteignungsbetroffene als Inhaber des Anspruchs
204
c) Die einfachgesetzliche Verankerung des Anspruchs
205
3. Von der freiwilligen Bereitschaft des Privaten, das gemeine Wohl zu fördern, zur dauerhaften Verpflichtung? 208 a) Gegen eine Unterscheidung von staatlichem und privaten Enteignungsbegünstigten 209 b) Zwischen verfassungsrechtlichem Gebot und gesellschaftspolitischer Wunsch Vorstellung
211
c) Die Dauer des Vorhabens als Problem der Verhältnismäßigkeit
213
§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren I. Die Zuordnung der planerischen Gestaltungsfreiheit
217 219
II. Die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Plans - privat- oder gemeinnützige Planfeststellung? 225 III. Das Planrechtfertigungsgebot
228
1. Das Interesse an einer bedarfsgerechten Vorhaltung von Eisenbahnbeförderungsleistungen 230 a) Die beste Verkehrsbedienung, § 1 Abs. 2 AEG
230
b) Die Förderung des öffentlichen Verkehrs
230
c) Für Zwecke des Baus und des Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn, § 22 Abs. 1 Satz 1 AEG
232
2. Gesetzlich konkretisierte Bedarfsfestlegung
233
3. Rechtfertigung durch andere Vorhaben
238
12
nsverzeichnis
§ 9 Die Anwendung auf Enteignungen im Bahnbereich
238
I. Enteignungen zum Zwecke des Baus oder Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn 239 II. Enteignungen zum Zwecke des Baus oder Ausbaus sonstiger Bahnanlagen
240
1. Keine fachplanungsrechtliche Privilegierung
240
2. Das Problem zusammentreffender und konkurrierender Planungen
241
3. Die baugesetzlichen Enteignungszwecke
245
a) Anlagen im Bereich der Festsetzungen eines Bebauungsplans, § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
246
b) Anlagen auf Grundstücken innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile, § 85 Abs. 1 Nr. 2 BauGB
249
c) Anlagen im Außenbereich
249
III. Enteignungen zum Zwecke zwingender Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen ... 249 1. Die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses
252
2. Teleologie und Praktikabilität: Die weite Interpretation des „festgestellten Bauvorhabens", § 22 Abs. 1 AEG
253
3. Die Defizite landesrechtlicher Enteignungsgrundlagen
257
Ergebnis
260
Literaturverzeichnis
261
Sachwortregister
288
Abkürzungsverzeichnis AbfG
Abfallgesetz
Abi.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
AEG
Allgemeines Eisenbahngesetz
AG
Aktiengesellschaft
AktG
Aktiengesetz
ALR
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten
Alt.
Alternative
Anm.
Anmerkung
AnwBl.
Anwaltsblatt
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
Archiv PT
Archiv für Post und Telekommunikation
Art.
Artikel
Auflg.
Auflage
Bad.-Württ.
Baden-Württemberg
BauGB
Baugesetzbuch
BauR Baurecht.
Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht
Bay.
Bayern, bayerisch
Bbg.
Brandenburg, brandenburgisch
BbG
Bundesbahngesetz
Bd.
Band
BENeuGIG Beschl.
Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen Beschluß
BFStrG
Bundesfernstraßengesetz
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
Β GHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
BHO
Bundeshaushaltsordnung
BNatSchG
Bundesnaturschutzgesetz
BR-Drucks.
Bundesratsdrucksache
BSchwAG
Bundesschienenwegeausbaugesetz
BT-Drucks.
Bundestagsdrucksache
14 Buchholz
Abkürzungsverzeichnis Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, herausgegeben v. Karl Buchholz, 1966 ff.
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
DB
Deutsche Bahn
DBGrG
Deutsche Bahn Gründungsgesetz
DDR
Deutsche Demokratische Republik
ders.
derselbe
d. h.
das heißt
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
DVB1.
Deutsches Verwaltungsblatt
E
Amtliche Entscheidungssammlung des jeweiligen Gerichts
EBO
Eisenbahn- Bau und Betriebsordnung
EG
Europäische Gemeinschaft(en)
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
ENeuOG
Eisenbahnneuordnungsgesetz
EntG
Enteignungsgesetz
EnWG
Energiewirtschaftsgesetz
etc.
et cetera
EuR
Europarecht
EV
Einigungsvertrag
EVerkVerwG
Eisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
f.
folgende; für
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
ff.
fortfolgende
FlurbG
Flurbereinigungsgesetz
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift, Festgabe für
FStrAG
Bundesfemstraßenausbaugesetz
GewArchiv
Gewerbearchiv
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
HdStR
Handbuch des Staatsrechts
Hess.
Hessen, hessisch
HGrG
HAushaltsgrundsätzegesetz
Hrsg.
Herausgeber
Int.
International(es)
i. V. m.
in Verbindung mit
JöR
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart
Jura
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
Abkürzungsverzeichnis JZ
Juristenzeitung
KG
Kommanditgesellschaft
LG
Landschaftsgesetz
LKV
Landes- und Kommunalverwaltung
LPflG
Landschaftspflegegesetz
LSA
(Land) Sachsen-Anhalt
LuftVG
Luftverkehrsgesetz
MMR
Multimediarecht
M.-V.
Mecklenburg-Vorpommern
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
Nds.
Niedersachsen, niedersächsisch
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nordrh.-Westf.
Nordrhein-Westfalen
Nr.
Nummer
NuR
Natur und Recht
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NVwZ-RR
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungsreport
OLG
Oberlandesgericht
OVG
Oberverwaltungsgericht
PVS
Politische Vierteljahresschrift
RdE
Recht der Energiewirtschaft
RG
Reichsgericht
RGBl.
Reichsgesetzblatt
Rh.-Pf.
Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch
Rn.
Randnummer, Randzeichen
S
Saarland, saarländisch
S.
Seite
Sächs.
Sachsen, sächsisch
SZ
Süddeutsche Zeitung
Thür.
Thüringen, thüringisch
TransportR
Transportrecht
u. a.
und andere; unter anderem
UPR
Umwelt- und Planungsrecht
Urt.
Urteil
UVPG
Gesetz über die Umweltverträglichkeit
v.
vom
VB1.
Verwaltungsblätter
VerwArchiv
Verwaltungsarchiv
VG
Verwaltungsgericht
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
Abkürzungsverzeichnis
16 VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
WHG
Wasserhaushaltsgesetz
WiVerw
Wirtschaft und Verwaltung
WM
Wertpapiermitteilungen
WRV
Weimarer Reichsverfassung
z.B.
zum Beispiel
ZfBR
Zeitschrift für Baurecht
ZfVerkehrswiss.
Zeitschrift für Verkehrswissenschaft
ZGR
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
ZögU
Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmungen
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZUR
Zeitschrift für Umweltrecht
Einleitung Die Privatisierung der Bahn ist ein Vorgang ohne Vorbild: Schon wegen seiner Komplexität unterscheidet er sich von der heute vielfach praktizierten Überführung einer behördlich verwalteten Stadt- oder Schwimmhalle in die private Rechtsform, für die es inzwischen genügend Vorbilder gibt. 1 Seine spezifischen verfassungsrechtlichen Festlegungen und die Eigenart der Materie trennen ihn im Detail aber auch von anderen parallelen Großprivatisierungen der jüngsten Zeit - etwa Post/Telekom oder Lufthansa. Die Privatisierung der Bahn ist ein Prozeß, den man in Deutschland nicht vorab proben und deshalb von vornherein nicht bis ins letzte austarieren konnte. Was da, als „Jahrhundertwerk,, gekrönt, aus der Taufe gehoben wurde, beschreibt einen Regimewechsel, der vielleicht gar nicht in aller Konsequenz gewollt war 2 , zumindest aber in Kauf genommen wurde, um ein hehres Ziel zu erreichen: Der „Bahn (soll,) vom Staat befreit ( , ) . . . die für den Wettbewerb erforderliche Flexibilität" gegeben werden.3 Dazu müssen alte, über Jahrzehnte geprägte Strukturen eines vormals von staatlicher Gesetzgebungsfreude stark betroffenen Sektors der Volkswirtschaft, bei dem Wettbewerb lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt hat4, entweder gelockert oder ganz verlassen werden. Und selbst wenn die Deutsche Bahn ungeachtet des Beharrungsvermögens eingelebter Organisationsstrukturen komplexer Gebilde der Veränderung nicht völlig unzugänglich sein wird, muß mit dem Widerstand von vielfältig interessierter Seite gerechnet werden: von Gewerkschaften 5, politischer Opposition und nicht zuletzt von Seiten der Rechtswissenschaft 6. Der Systemwechsel findet seine verfassungsrechtliche Verankerung vor allem in Art. 87 e GG, der im Zuge der Verfassungsnovellierung von 1993 ins Grundgesetz aufgenommen wurde. 7 Allein diese neue Verfassungsbestimmung wirft eine Reihe 1
Vgl. zu weiteren Beispielen aus der Hochzeit der Privatisierung Bauer, VVDStRL 54 (1995), 245 f. 2 Anlaß zu dieser Vermutung geben die vielzähligen Einwände insbesondere der Länder gegen die umfassende Privatisierung der Bahn, vgl. Uberblick bei Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 64 ff. 3 So der damalige Bundeskanzler Kohl anläßlich der Festveranstaltung zum Führungswechsel bei der Bahn am 22. 7. 1997, zitiert nach FAZ v, 23. 7. 1997, Nr. 168, S. 13. Vgl. auch die Zielvorstellung in § 1 Abs. 2 AEG. 4 Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. XV. 5 Vgl. FAZ v. 8. 3. 2000, Nr. 57, S. 18, der Bahnvorstand solle nach Ansicht der Gewerkschaft der Eisenbahner aufhören, das Unternehmen ständig umzukrempeln. 6 Vgl. Wilkenloh, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 155 f. 2 Pommer
Einleitung
18
von Fragen auf, die neben eisenbahnrechtlichen Details vorrangig das grundlegende Verhältnis des Staates zum neugegründeten Eisenbahnunternehmen umkreisen.8 Unsicherheit besteht - wie allgemein bei Privatisierungen 9 - vor allem darüber, inwieweit dem Staat auch künftig Verantwortung verbleiben und wie er diese wahrnehmen soll. Der Rückzug des Staates führt in erster Linie dort zu Schwierigkeiten, wo vormals unproblematisch aufgrund hoheitlicher Trägerschaft auch hoheitlicher Zwang ausgeübt werden konnte - zum Nutzen des gemeinen Wohls und zum Vorteil der staatlichen Unternehmung. 10 Das gilt insbesondere für den zwangsweisen Zugriff auf privaten Grund und Boden, wenn das Infrastrukturnetz erweitert werden soll, aber die freiwillige Überlassung des Eigentums im Wege des freihändigen Erwerbs gescheitert ist. 11 Denn solange (noch) keine unter- oder überirdischen Räume unbegrenzter Nutzung offen stehen12, kennzeichnet leitungsgebundene Infrastrukturnetze gegenüber raumbeanspruchenden Vorhaben der Industrie, die gleichermaßen auf die nicht mehr vermehrbare Ressource Boden angewiesen sind 13 , eine Besonderheit: Der Bodenbedarf ist aufgrund der Netzkonfiguration weitestgehend ortsgebunden und kann nur in engen Grenzen frei gewählt werden. 14 Werden deshalb in der Regel ganz bestimmte Flächen benötigt, um eine Strecke zu realisieren, ließe sich diese darum häufig nicht erbauen, wäre ein zwangsweiser, finaler Zugriff auf private Eigentumsrechte zugunsten des Eisenbahnunternehmens generell verboten. Ein Eisenbahnunternehmen ist deshalb regelmäßig darauf angewiesen, solche rein hoheitlichen Befugnisse zu seinen Gunsten brauchbar machen zu können.15 Dieser Zusammenhang hat sich seit Jahrhunderten herausgebildet: 7 40. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. 12. 1993, BGBl. I, 2089. Daneben existiert der Umwandlungsartikel 143 a GG. 8 Seit Jahren ständiges Gesprächsthema beim „Speyerer Forschungsseminar zum Eisenbahnrecht", vgl. Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, jährlich seit 1997; dazu auch Stüer/Hermanns, DVB1. 1999, 29 und DVB1. 2001, 179 ff. 9 Vgl. König, DÖV 1999, 322. 10 Vgl. Teil 1 § 3. 11
Vgl. auch Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 99. Dazu insb. Teil 3. Dieser Gedanken findet sich bei Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 345: Mit dem Wegfall von Kapazitätsgrenzen und der damit einhergehenden Öffnung eines unbegrenzten Raumes (man denke etwa an Funkfrequenzen; gleiches gilt aber auch, wenn man die unterirdische Aufnahmekapazität von Wegen für Telekommunikationsleitungen aufgrund deren ausgesprochen geringen Platzbedarfs als unbegrenzt ansieht) verlieren einzelne Infrastrukturnetze ihre traditionelle, spezifische Eigenschaft, indem sie die fortentwickelte Technik ausnutzen. In der Folge sind sie auf staatliche Fürsorge und staatliche Zwangsanwendung zur Realisierung von Infrastrukturvorhaben nicht mehr angewiesen. 12
13 Auch dessen schutzwürdige Verteilung fordert unabhängig von konkret betroffenen Eigentumsrechten staatliche Fürsorge, allgemein Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 345. 14 In diesem Sinne bereits Otto Mayer, AöR 16 (1901), S. 72: „Um seinen Zweck zu erfüllen, muß der Weg diese Linie einhalten, hier laufen, er kann kein Stück entbehren". 15 Vgl. schon Hansemann, Die Eisenbahnen und deren Aktionäre in ihrem Verhältnis zum Staat, S. 84.
Einleitung
19
Die technische Entwicklung einer Dampflokomotive und ihre anschließende Anwendung als Zugkraft der Eisenbahn schoben die Entwicklung einiger weniger enteignungsrechtlicher Ansätze hin zu einem gesetzlich formulierten Expropriationsrecht an, weil ohne dieses der Aufbau eines verzweigten Eisenbahnnetzes wiederum nicht denkbar gewesen wäre. 16 Spätestens mit der Verstaatlichung der Eisenbahn wurde die Enteignungsmöglichkeit zugunsten der Bahn zur Selbstverständlichkeit.17 Obwohl die Anfang der 90er Jahre eingeleitete Privatisierung das Unternehmen Bundesbahn seines hoheitlichen Charakters beraubt hat, geht man in der Literatur heute nach wie vor überwiegend fraglos davon aus, daß zugunsten der Netzbetreiber vollzogene Enteignungen statthaft sind. Dabei wird nicht gefragt, ob auch künftig dem nunmehr privaten Unternehmen Deutsche Bahn das Instrument der Enteignung dienstbar gemacht werden dürfe und folglich nicht erwogen, inwieweit die von Art. 14 Abs. 3 GG zur Voraussetzung verfassungsmäßiger Enteignung deklarierte Gemeinwohldienlichkeit von diesem Unternehmen auch unter privatwirtschaftlicher und gewinnorientierter Unternehmensführung dauerhaft sichergestellt werden müsse und könne. Statt dessen leitet man umgekehrt aus der Behauptung, daß die Enteignungsmöglichkeit stets vorhanden zu sein habe18, die Notwendigkeit der trotz Privatisierung fortgesetzten generellen Allgemeinwohlbindung des Unternehmens ab. 19 Für diese Bindung an das gemeine Wohl könne zwangsläufig nur der Staat (weiterhin) verantwortlich zeichnen, da andernfalls die von Art. 14 Abs. 3 GG zwingend vorgegebene Ausrichtung am allgemeinen Wohl auf dem Spiel stehe. Ein Blick in die Geschichte beweist jedoch, daß sich das Gemeinwohl seinem Inhalt nach nicht dauerhaft festschreiben läßt, weil sich auch die wirtschaftlichen und politischen Grundforderungen nicht auf Dauer festzurren lassen. Die Beurteilung dessen, was dem gemeinen Wohl dient, und die Schlußfolgerungen, die aus dieser Einschätzung für die Eisenbahnverfassung (als eine Ordnung, mittels derer die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse der Eisenbahn mit den politischen Zielvorstellungen des Staatswillensträgers in Einklang gebracht werden können,) zu ziehen sind, wandeln sich entsprechend den jeweiligen Einstellungen zur Verfassungs-, Staats- und Wirtschaftspolitik. 20 Deshalb führt eine Sichtweise in die Irre, die ausgehend von der allgemeinen Versorgungsfunktion eines Infrastrukturnetzes auch nach dem Wechsel der Rechtsträgerschaft des Netzunternehmens vom öffent16
Insbesondere Teil 1, § 1. π Dazu Teil 1, §§ 2, 3.
is Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 333, 380, 445. Mit anderer Begründung - punktuelle Korrektur des Marktversagens bei Kettengütern Engel, Die Verwaltung 31 (1998), 546 ff. 19 Fehling, AöR 121 (1996), 88 f.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 371 ff. (375). Kritisch dazu Büdenbender, DVB1. 2000, 1369. 20 So die Einschätzung bei Bennemann, Die Bahnreform - Anspruch und Wirklichkeit, S. 23; auch schon Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 452. 2*
20
Einleitung
lich-rechtlich verwalteten Sondervermögen zur privatrechtlich organisierten Aktiengesellschaft 21 wie eh und je annimmt, alle infrastrukturellen Vorhaben desselben seien generell gemeinnützig. Die verfassungsrechtliche Verschreibung privater Untçrnehmensformen, die Verpflichtung zum Wettbewerb und die Aufgabe all dessen, was an öffentliche Verwaltung erinnert, muß vielmehr dazu führen, die grundsätzliche Bindung des Unternehmens an das allgemeine Wohl zunächst einmal anzuzweifeln. Macht der freihändige Erwerb Schwierigkeiten, wird allerdings nur zu gerne auf das Zwangsmittel der Enteignung zurückgegriffen, und sei es nur als Druckmittel. 22 Gleichwohl bestimmt nicht das Enteignungsrecht den Charakter des von der Behördenbahn zum innovativen Wirtschaftsunternehmen 23 gewandelten Betriebes. Schon der Vorrang der Verfassung gebietet, daß chronologisch betrachtet, zuerst das - wie andere auch - am Markt agierende Wirtschaftsunternehmen existiert. Dessen privatwirtschaftliches Aktionspotential entspricht der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG und muß als bestimmendes Charakteristikum Ausgangspunkt der Überlegung sein. Wenn das Wirtschaftssubjekt seinen Grundstücksbedarf auf dem Wege der Enteignung zu decken sucht, wird gerade diese rechtlich wesensbestimmende Eigenschaft der Privatheit generell bedroht. Nach dem hier verfolgten Ansatz ist sie deshalb aber noch nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern als existentielle Basis des Unternehmens ernst zu nehmen. Allein die einfachgesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer Enteignung zugunsten gesetzlich benannter unternehmerischer Vorhaben kann nicht den privaten Charakter des Unternehmens modifizieren. Denn erst wenn das Unternehmen den zwangsweisen Entzug des Eigentums Dritter konkret beansprucht, ist gemäß dem verfassungsrechtlichen Rechtfertigungskanon einer Enteignung zu fragen, ob das nun mal private Wirtschaftssubjekt von Fall zu Fall bereit und in der Lage ist, in bezug auf den Gegenstand der Enteignung sein Privatsein wieder aufzugeben, um „als Treuhänder des öffentlichen Interesses zu wirken" 24 . Nur dann kann sich der Anspruch realisieren und das Unternehmen, soweit weitere objektive Bedingungen erfüllt sind, in den Genuß enteigneten Grund und Bodens gelangen. Diese Reihenfolge der Fragestellung führt unweigerlich in die Problematik privatbegünstigender Enteignungen.25 Sie ist gekennzeichnet durch die Suche nach einem Ausgleich im Spannungsfeld zwischen dem Allgemeinwohl auf der einen Seite, das die Enteignung rechtfertigen muß, und der privatautonomen Verfolgung eines 21 Dazu Teil 2. 22
Bereits Bullinger, Der Staat 1 (1962), 449 in seinem vielzitierten Aufsatz über „Die Enteignung zugunsten Privater". 23 Haase, Int. Verkehrswesen 46 (1994), 292. 24 Bullinger, Der Staat 1 (1962), 477. 25 Stellvertretend für die zahlreichen Aufsätze und Abhandlungen sollen an dieser Stelle zunächst nur die beiden Dissertationen von Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, 1989 und Jakisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, 1996 genannt werden. Zum ganzen Teil 3.
Einleitung
bestimmten Ziels mit Hilfe des enteigneten Gegenstandes durch den privaten Enteignungsbegünstigten auf der anderen Seite.26 Der Untersuchungsgegenstand der Arbeit ist damit umrissen: In welchem Verhältnis steht der verfassungsrechtlich verankerte und somit legitimierte Zweck der privatisierten Unternehmung Bahn, Gewinne zu erzielen, zu der im Falle notwendiger Enteignungen von Art. 14 Abs. 3 GG geforderten Ausrichtung des Unternehmens am gemeinen Wohl? Inwieweit darf der Staat privates Eigentum dem einen entziehen und dem anderen zuweisen, wenn der Begünstigte mit Hilfe des Enteignungsgegenstandes zwar eine Leistung erbringt, an der ein öffentliches Interesse besteht, er dazu aber in erster Linie nur wegen der dabei erzielten Gewinne bereit ist? 27 An welche Zulässigkeitsvoraussetzungen sind solche Enteignungen geknüpft? Begründen auch Vorhaben, wie etwa die Errichtung von Paralleltrassen in bereits erschlossenen Gebieten, die besonders hohe „Systemwirkung" besitzen, sich deshalb also auch mehrmals an verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmer „verkaufen" lassen, die enteignungsrechtfertigende Gemeinwohldienlichkeit?28 In Anbetracht des Volumens geplanter künftiger und nicht zuletzt auch zur Gesundung des Unternehmens zu erwartender Aus- und Neubauvorhaben29, deren Umsetzung mancherorts von einer Enteignung des Grund und Bodens abhängen wird, scheint eine Klärung dieser Fragen geboten. Die Arbeit gliedert sich in drei große Teile. Gegenstand des ersten ist ein historischer Abriß unter den Stichworten Eisenbahn und Enteignung, die - wie gezeigt werden soll - in einer symbiotischen Beziehung zueinander stehen. Teil Zwei beschäftigt sich mit der Bahnstrukturreform des Jahres 1993 - in Kraft getreten am 1.1. 1994. Nach einer kurzen Zusammenfassung der durch die Reform bedingten Veränderungen dient der Teil insbesondere dazu, die materielle Privatisierungsschranke in Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG sowie ihre Auswirkungen auf Aufgaben und Rechtsstellung des neuen Unternehmens zu beleuchten. Der dritte Teil widmet sich sodann ganz der Enteignungsproblematik.
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Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 371,444 f. Und gerade wegen dieses Anreizes der Gewinnerzielung den öffentlichen Interessen in der Hand des privaten Unternehmens effektiver und damit letztlich für den Leistungsempfänger günstiger Rechnung getragen werden könnte als in der Form hoheitlicher Verwaltung, vgl. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 445. 27
28 Vgl. die differierenden Ansichten von Kempf und Fromm auf der Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1993 in Speyer, zusammengefaßt bei Bülow, in: Blümel, Verkehrswegerecht, S. 83; Fromm, DVB1. 1994, 192. 2 9 Bereits 1995 und 96 wurden 18 Milliarden DM, 1997 rund 8,67 Milliarden DM für die Schieneninfrastruktur aufgewandt (davon entstammten 16,4 Milliarden dem Bundeshaushalt), und bis zum Jahr 2001 sollen einschließlich der Eigenmittel der Deutsche Bahn AG voraussichtlich weitere 43 Milliarden DM in den Aus- und Umbau der Schieneninfrastruktur investiert werden, Woche im Bundestag 13/97 vom 10. 9. 1997, 58.
Teil 1
Von der privatbegünstigenden zur staatsbegünstigenden Enteignung Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte Die Geschichte der Eisenbahn von ihren Anfängen bis zu dem Zeitpunkt, als sie sich auf dem Verkehrsmarkt etabliert hat, ist eng mit der Geschichte der Enteignung verknüpft. Sie entwickelte sich in dieser Zeit zu einem anerkannten Institut des konstitutionellen Rechtsstaats. Das Expropriationsrecht 1 verdankt der Verkehrsrevolution durch die Eisenbahn seine wesentlichen Impulse.2 Diesen engen Zusammenhang zwischen Eisenbahnentwicklung und Ausformung des Enteignungsrechts belegt auch das Zahlenmaterial: Zu Beginn der Enteignungsgesetzgebung gab es in Deutschland 500 km Eisenbahnwege, zehn Jahre später bereits das Zehnfache. Schließlich, am Ende der als Industrialisierungszeitalter charakterisierten Epoche, existierten Schienen auf rund 50 000 km Länge.3
§ 1 Erste Eisenbahnen und erste Enteignungen Nach der Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt 1769 gelang es 1814 dem Engländer George Stephenson eine funktionstüchtige Dampflokomotive, getauft „Blücher", zu konstruieren. 4 Nachdem Initiativen, diese Entwicklung aus dem technisch weit fortschrittlicheren England auf deutschem Boden auszuprobieren, zunächst daran gescheitert waren, daß die jeweiligen Landesregierungen ihre Zustimmung verweigerten, erhielten sie durch den aus Amerika zurückgekehrten 1
Der Ausdruck, den auch das Preußische Eisenbahngesetz v. 3. 11. 1838 benutzt, wurde durch das französische Enteignungsgesetz v. 8. 3. 1810 eingeführt, das trotz des Endes der französischen Herrschaft für das Gebiet des rheinischen Rechts fortgalt, vgl. Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 52 (1929), 1417 f., 1428, 1431 mit Fn. 1; vgl. auch Schwab, in: Brunner/ Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, S. 98 und Fn. 181. 2 Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 52 (1929), 1428 ff.; Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. V, 4. 3
Zahlen von Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 129. 4 Cugnot, Murdock, Trevithick und Blenkinsop scheiterten dabei, die Dampfmaschine einer Lokomotive zu Grunde zu legen.
§ 1 Erste Eisenbahnen und erste Enteignungen
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Eisenbahnunternehmensgriinder List (1789-1846) Aufwind. 5 I m Jahre 1835 fuhr zwischen Nürnberg und Fürth, einer Strecke, die zunächst nur als Pferdebahn geplant war 6 , zum ersten M a l eine Eisenbahn auf deutschem Boden. 7 Bald darauf brachen auch in Sachsen 8 , dem Preußen auf dem Fuß folgte, die politischen Widerstände 9 und konnten die Grundsteine für den Aufbau eines Eisenbahnnetzes gelegt werden. Die Nützlichkeit der Eisenbahnen schien allgemein erkannt.
I. Die Organisation der Eisenbahnunternehmen Von Anfang an stand die Organisation der Eisenbahnunternehmungen vor der Frage: „Staatsunternehmen oder Actienbau?" 1 0 In den Anfangsjahren plädierte die Mehrheit für die privatwirtschaftliche Organisation des Unternehmens - nach englischem und amerikanischen Vorbild 1 1 - in Form von Aktiengesellschaften. 12 In den Ländern, in denen private Investoren vorhanden waren und diese selbst die Initiative ergriffen, wie anfänglich in Sachsen und Preußen, mit zwischenzeitlichen Unterbrechungen auch i n Bayern 1 3 , in Hessen 14 , der Pfalz sowie Mecklenburg, lag es schon deshalb für den Staat nahe, das dem englischen Wirtschaftsliberalismus 5 Hervorzuheben ist insbesondere Friedrich Lists Abhandlung aus dem Jahre 1833: „Über ein sächsisches Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen EisenbahnSystems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden". Zu seinen Rentabilitätsüberlegungen Fn. *) S. 34: „Der gemeinste Tagelöhner verdient täglich 8 Groschen, versäumt also auf einer Hin- und Herreise (zu Fuß - Anm. d. A.) von 5 Tagen einen Verdienst von 40 Groschen. Seine Zehrung unterwegs bestreitet er nicht unter 8 Groschen täglich ... Folglich kostet ihn die Fußreise wenigstens 3 Thaler 8 Gr. Auf der Eisenbahn bezahlt er: Fuhrlohn hin und her 1 Thlr. 12 Gr...". Zu anderen Verfechtern der Eisenbahn, Josef Ritter, von Baader und Friedrich Harkort, ausführlich Stumpf, Geschichte der deutschen Eisenbahnen, S. 5 ff.; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 379 ff. 6 Entwurf von Baader (1764-1835), 1814, Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 381. 7 Privileg für die Strecke von Nürnberg nach Fürth vom 19. 2. 1834, RegBl. Sp. 169.
s Sächsisches Gesetz vom 3. 7. 1835, GVB1. S. 371. Grimm, Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, S. 270 f. 10 Umfassend Arzberger, Eisenbahnen als Staats- und als Gesellschaftsunternehmungen. n Haase, Int. Verkehrswesen 46 (1994), 292 (296). 12 Arzberger, Eisenbahnen als Staats- und als Gesellschaftsunternehmungen, S. 56; Fritsch, Das Deutsche Eisenbahnrecht, S. 17; Hansemann, Über die Ausführung des Preußischen Eisenbahn-Systems, S. 1. 13 Vgl. die Verordnung der bayrischen Regierung von 1855, die angesichts der von bayrischen Staatsbahnen eingefahrenen geringen Renditen vorsah, den Bahnbau wieder vollkommen Privaten zu überlassen. Daraufhin baute eine Aktiengesellschaft mehr als 500 km der bayrischen Ostbahnen, Seidenfus, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, S. 244; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 391. 14 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 386 f. 9
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Teil 1 : Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
entlehnte Dogma von der Nützlichkeit der freien Konkurrenz zu beschwören und seine Aktivitäten, den Einsatz größerer finanzieller Mittel bzw. eine neuerliche Staatsverschuldung und damit auch sein Risiko 15 zu minimieren. 16 Lieber protegierte man das sich etablierende Privatbahnsystem, als staatliche Hand anzulegen. Außer Braunschweig, das zuerst und ausschließlich auf das Staatsbahnsystem setzte17, begannen auch die anderen deutschen Kleinstaaten mit ebendiesem System der privaten Bahnen. Erst weitere Umstände zwangen in der Folgezeit zu der Erwägung, die privaten Bahnlinien durch staatlich finanzierte und betriebene Bahnen zumindest zu ergänzen oder ganz zu ersetzen. Solche Überlegungen zielten sämtlich aber weniger auf eine allgemeine staatliche Vormachtstellung ab, die durch Einfluß auf die für alle Wirtschaftszweige, die Landesverteidigung und den nationalen Zusammenhalt wichtige Eisenbahnunternehmung zu sichern wäre. Sie waren vielmehr politischen Zufälligkeiten geschuldet: In Württemberg hatte der Staat großen Domanialbesitz, in Baden ließen sich die Anlagekosten leicht gewinnen, und in Hannover war es die Abneigung im Volk und bei der Regierung gegen das beherrschende Vordringen des beweglichen Besitztums.18 Auch wo das private Kapital nicht vorhanden und wegen fehlender Sicherheiten nicht zu erwerben war, ließ sich der Vorsatz von der staatlichen Zurückhaltung nicht aufrechterhalten, wollte man den Anschluß an die verkehrstechnische und damit einhergehend industrielle sowie marktpolitische Entwicklung, insbesondere auch die Anbindung an benachbarte Staaten nicht verpassen.19 Soziale, auf Integration des Staatsvolkes gerichtete Zielsetzungen, wie sie gemeinhin als Grund für die staatliche Organisation der Eisenbahnen angeführt werden, standen in dieser Phase der Eisenbahnentwicklung noch lange nicht im Zentrum des Interesses und das, obwohl schnell auch die nachteiligen Veränderungen bekannt wurden 20 , die die Erfindung der schienengebundenen Bahn in den sozialen Verhältnissen der Bevölkerung, in die sie eindrang 21, bewirkte. 15 Hierzu das Resümee des Departementchefs für Handel, Fabrikation und Bauwesen, Rother, an König Friedrich Wilhelm III. v. 16. 8. 1835 über Pläne zur Anlegung von Eisenbahnen im allgemeinen und im Interesse der preußischen Monarchie (zitiert nach Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 [1963], 388): „Die Staatsregierung hat jetzt noch keine Veranlassung, Eisenbahnen, welche als Handelsstraßen dienen sollten, auf eigene Kosten anzulegen, durch Beteiligung mit verhältnismäßig ansehnlichen Summen zu unterstützen oder ihnen andere namhafte Opfer zu bringen und Vorrechte einzuräumen". 16
Kruchen, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 35; ausführlich Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 386 ff. 17
Seidenfus, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, S. 244. Knies, Die Eisenbahnen und ihre Wirkungen, Braunschweig 1853, S. 35 (zitiert nach Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 [1963], 390, Fn. 28). 19 Vgl. parallel für sonstige kapitalintensive Wirtschaftsunternehmen im Merkantilismus Wieland, in: Blaurock, Recht der Unternehmen in Europa, S. 11 f. 20 Zu den „misglückten, oft sogar verkehrsverpestenden Versuche(n)...", Arzberger, Eisenbahnen als Staats- und als Gesellschaftsunternehmungen, S. 57. 21 So die Charakterisierung der ersten Epoche der Eisenbahnentwicklung bei Hansemann, Uber die Ausführung des Preußischen Eisenbahn-Systems, S. 42. 18
§ 1 Erste Eisenbahnen und erste Enteignungen
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Zwar existieren - wie gezeigt - Gegenbeispiele, tendenziell aber hielten sich die Staaten zunächst aus dem Eisenbahngeschäft heraus. So hatten sie Zeit, sich vorerst als „stille Beobachter" von der Nützlichkeit und Rentabilität dieses neuen Verkehrszweiges zu überzeugen.22 Davon profitierte die private Wirtschaft. Wo sich der Staat wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeiten 23 oder auch aus Furcht vor Agiotage zurückhielt 24, kamen die Impulse, die die neue Verkehrstechnologie ausstrahlte, der Entwicklung der Banken zugute.25 Denn diese gaben und beschafften regelmäßig das zur Finanzierung der hohen Einstiegskosten erforderliche Kapital, das von Privaten nur selten aufgebracht werden konnte. Die großen Aktiengesellschaften refinanzierten sich über Depositen und waren so in der Lage, die Eisenbahnunternehmen mit großzügigen Kontokorrentkrediten auszustatten, die wiederum später über Emissionen von Eisenbahnpapieren überwiegend in Form von festverzinslichen Wertpapieren entsprechend konsolidiert wurden. Um einerseits den Eisenbahnbau anzukurbeln, andererseits sich als Gegenleistung ein Vorkaufsrecht und damit mögliche spätere Beteiligungen zu sichern 26, kam es auch vor, daß der Staat unter bestimmten Bedingungen Zinsgarantien auf die Eisenbahnpapiere lieferte. 27 Das entsprach seiner Rolle, der ordnungs- und aufsichtsrechtlichen Steuerung der Eisenbahnunternehmungen - eine Aufgabe, die man heute als gewährleistungsrechtliche Verantwortung, als Ersatzfunktion des Staates bezeichnen würde. Dieser war er sich nicht zuletzt aufgrund entgegengesetzter Forderungen der Eisenbahnunternehmer schnell bewußt geworden. So lehnte beispielsweise die bayrische Regierung zunächst die Forderung der Eisenbahnunternehmer ab, die bayrische Enteignungsverordnung von 1815 zugunsten von Eisenbahnunternehmen so zu ergänzen, daß „das Unternehmen nach Vollendung des Bauplans von den benötigten Grundstücken sogleich Besitz ergreifen" dürfe, und reagierte mit dem Erlaß eines Enteignungsgesetzes, das 1837 in Kraft trat. 28 Weitere solche Belege, wie sich der Staat zumindest zunächst finanzieller Beteiligung entzog, ohne das System privater Bahnen gänzlich seiner Obhut zu 22 So auch die Einschätzung von Arzberger, Eisenbahnen als Staats- und Gesellschaftsunternehmungen, S. 56. 23 Für Preußen ζ. B. war aufgrund eines Dekrets von König Friedrich Wilhelm III. (die künftige Behandlung des gesamten Staatsschuldenwesens betreffend) v. 17. 1. 1828, Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten S. 9, die Aufnahme neuer Staatsdarlehen nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen reichsständischen Versammlung möglich, deren Mitwirkung man aber gerade vermeiden wollte, vgl. Arndt, AöR 11 (1896), 378. 24
Hansemann, Uber die Ausführung des Preußischen Eisenbahnsystems, S. 42. Rath, Möglichkeiten und Grenzen der Durchsetzung neuer Verkehrstechnologien, S. 257. 26 Rath, Möglichkeiten und Grenzen der Durchsetzung neuer Verkehrstechnologien, S. 257 f. und Fn. 56. 27 Seidenfus, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, S. 239 f. 28 Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 128. 25
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Teil 1: Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
entlassen, fanden sich auch in anderen Staaten, die sich um privates Engagement und entsprechende private Investitionen in die Eisenbahn nicht sorgen mußten. So gestattete beispielsweise das Sächsische Enteignungsgesetz vom 3. 7. 183529 den Bau der Leipzig-Dresdener Eisenbahn und erleichterte eigens zu diesem Zweck den Bodenerwerb durch „Verleihung" des Expropriationsrechts an das Unternehmen. 30 Aber erst per Dekret aus dem Jahre 1843 bekannte sich die sächsische Regierung ausdrücklich zum Bau von Privatbahnen und bot bei Bedarf eine finanzielle Unterstützung an. 31 Und in Preußen hatte man im Gegensatz zur sächsischen Einzelfallgesetzgebung 32 bereits vor der Errichtung der ersten größeren Eisenbahnlinie das berühmte Preußische Eisenbahngesetz entworfen. 33 Das Gesetz, das wesentliche Konzessionsbedingungen staatlicherseits vorab zu regeln gedachte, um die bei der Konzessionsvergabe aufgetretenen Konflikte zwischen den verschiedenen oberen Staatsbehörden zu schlichten34, stützte sich ansonsten auf die Vorteile privater Organisationsformen. 35 Zugeschnitten auf das reine Privatbahnsystem, legte es jede Initiative, ihre Verwirklichung, aber auch jedes Risiko allein in die Hände der Eisenbahngesellschaften und beschränkte die staatliche Tätigkeit auf die Genehmigung von Anträgen und Plänen sowie die Aufsicht über die Betriebsführung.
II. Der Einfluß des Staates auf die Eisenbahnen Staatliche Einflußnahme drückte sich in der Entwicklungsphase der Eisenbahnen, die im vorangegangenen Abschnitt beispielhaft beschrieben wurde, sowohl in neuerlichen Gesetzgebungsaktivitäten und staatlichen Aufsichtsmaßnahmen vor allem darin aus, daß die Tätigkeit der Eisenbahnunternehmen wie die anderer industrieller oder gewerblicher Unternehmen konzessioniert wurde. 36 Anders als die später bekannte gewerbliche Konzession nach Art der Polizeierlaubnis, die 29 Nebst den dazugehörigen Ausführungsverordnungen v. 3. 7. 1835 und v. 14. 3. 1836. 30
Zur rechtlichen Charakterisierung dieser „Verleihung" unten § 1II. 31 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), S. 387. 32 Als Basis dienten zwar weiterhin die Sondervorschriften zum Bau der Leipzig-Dresdener Eisenbahn; sie mußten jedoch jedesmal im Wege besonderer, auf vorher eingeholter ständischer Ermächtigung beruhender Regierungsverordnungen für anwendbar erklärt werden, Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. 33 f. 33 Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. 11. 1838, Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten S. 505 ff. 34 Hansemann, Uber die Ausführung des Preußischen Eisenbahn-Systems, S. 71. 35 Arzberger, Eisenbahnen als Staats- und Gesellschaftsunternehmungen, S. 56; Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 333; Seidenfus, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, S. 237. 36 Zum Prüfungsverfahren, das der Konzessionserteilung voranging Fritsch, in: Handbuch der Staatswissenschaften, Bd. 3: Eisenbahnrecht, S. 821 f.
§ 1 Erste Eisenbahnen und erste Enteignungen
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aufgrund eines Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt erteilt wurde und dem Bürger bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Ausübung seines Rechts auf wirtschaftliche Betätigung freigab, begründete diese Konzession in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein orginäres Recht des begünstigten Unternehmens. Denn der Freiheitsrechtsgedanke, demgemäß alles erlaubt ist, was auf horizontaler Ebene nicht ausdrücklich (durch Gesetz) verboten wird, war noch nicht als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt. Die individuelle Freiheit gegenüber staatlicher Herrschaft, die ihren Ursprung in den ersten Menschen- und Bürgerrechtserklärungen fand, begann sich erst ganz allmählich durchzusetzen.37 Vor diesem Hintergrund, daß im Polizeistaat des frühen 19. Jahrhunderts noch als verboten galt, was nicht erlaubt war 38 , bedurfte die neuartige wirtschaftliche Betätigung als Eisenbahnunternehmer genauso wie die Ausübung eines sonstigen Gewerbes - was häufig verkannt wird - einer Erlaubnis. Diese erging in der Regel durch die Vergabe einer Konzession. Sie erlaubte dem Begünstigten die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit. Sofern daher nur diese rechtliche Erlaubnis verschafft und damit nicht „mehr als die bloße merkantilistische Speculation verkauft, verpachtet oder verliehen" wurde 39 , bedeutete die Erteilung der Konzession keineswegs, wie Otto Mayer unter Übernahme des Konzessionsbegriffs aus dem französischen Verwaltungsrecht gerade mit Blick auf die Eisenbahnunternehmungen behauptete40, einen Verwaltungsakt auf Unterwerfung. 41 Denn ebensowenig wie die Erlaubnis zum Betrieb einer gewerblichen Anlage aus diesem ein öffentliches Unternehmen machte, befähigte die Konzession das Eisenbahnunternehmen zur Führung öffentlicher Verwaltung. 42 Die demgemäß für die vorrechtsstaatliche Zeit verfehlte Unterscheidung zwischen der gewerblichen Erlaubnis / Genehmigung und der Vergabe einer Konzession hat aber auch im Verfassungsrechtsstaat seit der zweiten Hälfte des 19. Jahr37 Vgl. zum historischen Uberblick die Zusammenfassung bei Enders, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Vor Art. 1, Rn. 1 ff. 38 Vgl. z. B. § 2 des Edikts über die Einführung einer allgemeinen Gewerbe-Steuer v. 28. 10. 1810, Preußisches Gesetz- und Verordnungsblatt v. 1810, S. 79: „Der Gewerbeschein giebt demjenigen, auf dessen Namen er ausgestellt ist, die Befugniß, ein Gewerbe fortzusetzen oder ein neues anzufangen. Eins und das andere, ohne Gewerbeschein, ist strafbar 39
Arzberger, Eisenbahnen als Staats- und Gesellschaftsunternehmungen, S. 47. Zu den Fehlvorstellungen, zu denen die Übertragung der zentralen Begriffe „le service public" und „la concession" des französischen ins deutsche Verwaltungsrecht führt, Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 90 ff., 96 ff. Kritisch auch Steiner, DÖV 1970, 527 ff. 41 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 248 f. 42 Anders Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 243 ff., 261 ff. Im Anschluß daran Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 347. Noch die Unterschiede von „echten Wirtschaftskonzessionen" und bloßen Gewerbeerlaubnissen entsprechend der historischen Vorbilder herauszuarbeiten versucht Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 121 f. Für die Aufrechterhaltung der Differenzierung kämpfen auch Bullinger, Der Staat 1 (1962), 461 ff.; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 539. Richtig dagegen Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 97 f. 40
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hunderts keine Entsprechung gefunden. Zwar handelte die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes43 ähnlich unserer heutigen Gewerbeordnung sowohl von der Erlaubnis und der Genehmigung als auch von der Konzession. Die Erteilung letzterer knüpft das Gesetz nach der Eigenart der konzessionspflichtigen Tätigkeit typischerweise an die persönliche Zuverlässigkeit der Gewerbetreibenden. Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen, vor allem auch der Ausübung des behördlichen Ermessens bei der Gestattung oder Untersagung sind jedoch keine Unterschiede zu bemerken. Vielmehr nennen die Gesetze die verschiedenen Ausdrucksformen der Gestattung stets in ein und demselben Zusammenhang.44 Verfehlt ist infolgedessen insoweit auch die Einschätzung, daß durch die - ipso iure (vgl. § 8 Preußisches Eisenbahngesetz45) oder konstitutive (beispielsweise in Sachsen) - „Verleihung" des Enteignungsrechts mit der Konzessionsvergabe dem privaten Unternehmen ein „Stück öffentliche Verwaltung" aufgebürdet wurde. 46 Daß der Staat als Hoheitsträger sich des Enteignungsprivilegs nicht wirksam entäußern konnte, erweist sich daher aus heutiger Sicht nicht einfach als Konsequenz einer imperialen Staatsauffassung. Er konnte auch dann nicht aus dieser Position ausscheiden, wenn ein Privatunternehmer aus der „Verleihung" heraus entsprechende Ansprüche geltend machte.47 Vielmehr befreite die auch als Abtretung oder Überlassung bezeichnete48 Verleihung des Enteignungsrechts an ein privates Rechtssubjekt den Staat nicht von seiner Pflicht, die Gemeinnützigkeit des Unternehmens, für das enteignet werden durfte, als die zentrale Enteignungsvoraussetzung zu prüfen und gegebenenfalls abzulehnen. Denn in diesem Punkt entsprachen sich die Tatbestände der Konzessionserteilung und der sogenannten Verleihung des Enteignungsrechts49: Bis zur Feststellung der konkreten, einzelfallabhängigen Ent43 V. 21. 6. 1869, BGBl, des Norddeutschen Bundes S. 245. 44 Vgl. z. B. §§ 49 Abs. 1 GewO des Norddeutschen Bundes, 49 Abs. 1 GewO des Deutschen Reiches (v. 26. 7. 1900, RGBl. S. 142) und 15 Abs. 2 GewO. 45 1874 durch § 57 Enteignungsgesetz, als eine § 2 Enteignungsgesetz widersprechende Vorschrift, aufgehoben, Gesetz v. 11.6. 1874, Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, S. 22Iff. Vgl. auch Fritsch, Handbuch der Eisenbahngesetzgebung, S. 74, Fn. 20; ders., Das Deutsche Eisenbahnrecht, S. 95 f.; Radecke-Rehling, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 311, Fn. 5. 46 Im einzelnen zu dieser Auffassung Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 348 m. w. N.) 47
So die Begründung bei Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 325. 48 Vgl. Bullinger, Der Staat 1 (1962), 463. 49 Dazu Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. 17, insb. Auch Fn. 30 mit dem Hinweis, daß der „eigentliche Enteigner" schon deshalb „immer die Staatsgewalt als solche" sei, „gleichviel ob die Befugnis zur Enteignung dem Staate ... oder einer... Privatperson eingeräumt ist", weil daneben immer „eine besondere, die Enteignung vollziehende Verwaltungsbehörde thätig wird"; speziell für das sächsische Expropriationsrecht ders., S. 36 ff. In diesem Sinne auch Stein, Die Verwaltungslehre, S. 325: „Es versteht sich dabei von selbst, daß wenn dieß Recht auf Enteignung als selbstverständlich für die Unternehmung erscheint, wie bei den Eisenbahnen, die Genehmigung der Enteignung nicht ausdrücklich hervorgehoben zu werden braucht, sondern das Enteignungs-
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eignungsberechtigung handelte es sich bei dem Unternehmen 50 um ein normales privates Wirtschaftssubjekt, in dessen Macht es allenfalls stand, die Entscheidung über die Enteignungswürdigkeit herbeizuführen und zu beeinflussen. Somit beschränkte sich die „Beleihung" auf die Wahrnehmung der Rechtsfolgen, die von der stets staatlichen Entscheidung über die Tatbestandsmäßigkeit der Konzession sowie die Tatbestandsmäßigkeit künftiger Enteignungen, kurzum den Rechtsgrund bedingt und ausgelöst wurden. Verwaltungs- im Sinne von Entscheidungsverantwortung oblag damit dem Eisenbahnunternehmen nicht. 51 Lediglich dessen privatrechtlicher Handlungsspielraum wurde erweitert. Das Unternehmen vermochte selbständig zu planen, zumal eine behördliche Planfeststellung als Ausfluß staatlicher Planungshoheit bis zum Preußischen Enteignungsgesetz von 1874 (vgl. §§4, 14) unbekannt war. Hoheitliche Befugnisse erhielt es jedoch nicht. Allenfalls kann von einem Anspruch des Eisenbahnunternehmers gegen den Staat auf Durchsetzung seines erworbenen Anspruchs die Rede sein. 52 Von der heutigen Konstruktion 53 unterscheidet sich die Rechtslage vor 150 Jahren somit vor allem dadurch, daß damals - mangels schlechter Erfahrungen und mangels eines dem heutigen vergleichbar strengen Eigentumsschutzes - der Beschluß über die generelle Enteignungsrechtfertigung in die Entscheidung über die Konzessionsvergabe für den Betrieb eines Eisenbahnunternehmens einging. Denn Bau und Betrieb der Eisenbahnlinie galten als untrennbar miteinander verbunden. 54 Praktisch mußte stets der Bau einer bestimmten Linie ihrem Betrieb vorangehen, so daß der für die Konzessionsvergabe vorzulegende Bau- und Betriebsplan einschließlich der statistischen Berechnungen das potentiell enteignungserhebliche Vorhaben bereits umriß.
verfahren hier sogleich unter den Punkt fällt". Ohne historische Herleitung, aber im Ergebnis ähnlich Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 75 f.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 68 ff., 81 f. 50 „Unrichtigerweise Enteigner, Expropriant genannt", Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. 17. 51 Vgl. dazu Fritsch, Handbuch der Eisenbahngesetzgebung, S. 3, Fn. 9, der bezugnehmend auf den Staatsgerichtshof (v. 30. 6. 1923, RGZ 107, 409) zum Enteignungsrecht des Unternehmers im Vergleich zur staatlichen Enteignungsbefugnis Stellung nimmt. Seiner Ansicht nach umfaßt das Recht des Staates „die Befugnis, zu enteignen, d. h. hier die rechtl. Macht d. Reichs, f. seine Eis(enbahn)Zwecke gewisse ... Gegenstände dem ... Eigentümer wegzunehmen u. das Eigentum auf sich übertragen zu lassen* ... - geht also üb. das (subj.) ,Enteignungsrecht' des Unternehmers hinaus; sie umfaßt alle in Ent(eignungs)Sachen ergehenden Staatsakte, die sich als rechtsgestaltende Akte, nicht nur als lediglich durchführende Verwaltungsakte darstellen..." 52 Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 327 f.; Fritsch, in: Handbuch der Staatswissenschaften, Bd. 3: Eisenbahnrecht, S. 822; Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 253. 53 Dazu ausführlich Teil 3 insb. §§ 8, 9. 54 Vgl. zur heute vollzogenen Trennung von Infrastruktur und Betrieb Teil 2 §4 III.
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I I I . Die Enteignungsmöglichkeiten Die Geburt sowie das stetige Wachstum einer neuen raumbeanspruchenden Technologie durch die Entwicklung der Dampflokomotive förderte nicht nur einen bislang unbekannten Unternehmenszweig zu Tage. Auch das Enteignungsrecht, das bis dato nur schwach ausgeprägt war, erhielt einen Wachstumsschub. Denn die Bereitschaft der Grundeigentümer, ihr Land von der Eisenbahntrasse zerschneiden zu lassen und im gütlichen Wege zugunsten des Eisenbahnbaus abzugeben, stand nicht immer im Einklang mit dem allseits geforderten, wirtschaftspolitisch hochrangigen Interesse am Ausbau des Eisenbahnnetzes. Wenn die gütliche Einigung deshalb scheiterte, verhalf nur die enteignende Zwangsmaßnahme der jungen Unternehmung Eisenbahn zur Realisierung. Von daher lag die Behauptung nahe, das Enteignungsrecht sei einzig und allein für die privaten Eisenbahnen geschaffen worden. 55 Indessen reicht die Enteignungshistorie auf deutschem Rechtsgebiet hinsichtlich der Festlegung bestimmter Grundprinzipien - iusta causa sowie Entschädigung bis ins 17. Jahrhundert zurück. 56 Das klassische Anwendungsgebiet war der Bereich des Bergbaus. 57 Bergwerke konnten nicht betrieben werden, ohne die Besitzer der Oberfläche zu enteignen. Das Bergwerksregal erschien daher rückblickend als der erste Sieg einer volkswirtschaftlichen Unternehmung über das Einzeleigentum 58 , wobei jedoch mitgedacht werden muß, daß man zu damaliger Zeit noch das Eigentum im engeren Sinne, das lediglich als Recht „in bezug auf andere", als Zuständigkeitsordnung rangierte, von der allgemeinen Befugnis, die Güter zu gebrauchen und gegebenenfalls zu verbrauchen, unterschied. Letztere galt (lediglich) als von Gott geschenktes und gewährtes Recht 59 und war vielfältigen Belastungen unterworfen. 60 Im Codex Maximilianeus bavaricus civilis aus dem Jahre 175661 fanden die von der Naturrechtslehre anerkannten Prinzipien der Enteignung, die auch beim Bau von Chausseen, Festungen und Kanälen zum Tragen kommen sollten, erstmals Anerkennung - freilich zunächst nur zivilgesetzlich. Bereits auf den grundlegenden Konflikt im Verhältnis von Einzelnutzen und Gemeinwohl zugeschnitten, formulierte die Rahmenformel des § 74 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht, daß die Rechte und Vorteile der Mitglieder des Staates 55 In diesem Sinne Beschorner, Das deutsche Eisenbahnrecht, 1858; Koch, Deutschlands Eisenbahnen I, 1858, S. 8-133, vgl. auch Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 52 (1929), 1405 ff.; Frisahn, Demokratie und Offentlichkeitsbeteiligung, S. 60. 56 Stein, Die Verwaltungslehre, S. 301. Zu den römisch-rechtlichen Ursprüngen Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Recht, S. 5 f. 57 Vgl. Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 34 f. 58 Stein, Die Verwaltungslehre, S. 302. 59 Hecker, in: Böckenförde-FS, S. 385. 60
Vgl. auch Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 2. 61 Teil IV, Kap. 3, § 2. Vgl. auch Sächsisches Straßenbaumandat vom 28. 4. 1781, Chausseebauedikt für die Kurmark vom 18. 4. 1972, NCC IX, S. 934.
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hinter die Rechte und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls zurücktreten müssen, „wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch (Collision) auftritt" 62 . Die Pflicht, dem gemeinschaftlichen Wohl nachstehen zu müssen, im anschließenden § 75 der Einleitung durch eine Entschädigung als Gegenleistung ergänzt 63, nährte die Vorstellung von der Enteignung als (Zwangs-) Kauf. 64 Den äußeren Merkmalen des Kaufgeschäfts - Überlassung einer Sache gegen einen bestimmten Preis - wurde der durch Gesetz fingierte Veräußerungswillen des Enteignungsbetroffenen zur Seite gestellt, um dem Haupterfordernis im Vertragsrecht, dem Konsens durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, zu genügen. Die Rechtslage änderte sich im Kampf um die Realisierung der aufklärerischen Idee von den bürgerlichen Freiheitsrechten. Hier kam dem Eigentum als Ausprägung individueller Freiheit eine führende Rolle zu. Im Zuge der Revolution von 1789-1795 erhoben zunächst die Franzosen das individuelle Eigentum vom Rechtsaxiom zu einem Grundsatz des verfassungsmäßigen Staatsbürgerrechts. Daraufhin durfte die Enteignung nicht mehr lediglich kraft Verordnung (ordonnance), sondern nur noch kraft eines Gesetzes (loi) erfolgen. Da dieser Verfassungsgrundsatz allein nicht den behördlichen Mißbrauch des Instituts verhinderte 65, bedurfte es eines „loi sur les expropriation pour cause d'utilité publique", eine Vorgabe, die mit dem französische Enteignungsgesetz von 1810 umgesetzt wurde. Als erstes allgemeines Enteignungsgesetz regelte es neben der Verantwortung des Staatsoberhauptes für die Feststellung des Enteignungsumfangs und der zu enteignenden Gegenstände die verfahrensrechtlichen Formen, die beim Erlaß der Enteignungsentscheidung zu beobachten waren und garantierte deren gerichtliche Überprüfung. Während Preußen und Österreich sich noch länger allein auf die Zivilgesetzbücher stützten, ließen sich bereits im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts einige deutsche Staaten anregen, in ihren Verfassungen ähnliche, letztlich den zivilgesetzlichen Regelungen entlehnte Grundsätze zu verankern. 66 Längst überholt von den 62 Ähnlich ebenfalls § 365 des Österreichischen bürgerlichen Gesetzbuches, vgl. Stein, Die Verwaltungslehre, S. 305. Allgemein zum Stand des Enteignungsrechts zu Beginn des Zeitalters der Industrialisierung Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 121 ff. 63
Vgl. ferner die Anwendungen der soeben bezeichneten Grundsätze in §§ 4-11,1. Teil, 11. Titel ALR auf Enteignungen zum Zwecke des Festungs-, Straßen- und Kanalbaus sowie bei Getreidemangel. 64 Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 52 (1929), 1417, 1429; Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 122. Anknüpfend an diese Vorstellung hat Lege nach dem Vorbild der klassischen Enteignung einen heutigen Enteignungsbegriff entwickelt, siehe dazu: Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 15 mit Fn. 18, S. 73 ff. Zur zwischenzeitlich überwiegenden Abkehr von diesem Gedanken aufschlußreich RGZ, Urt. v. 9. 6. 1905 - VII.237/05, E 61, 102; zur Kritik auch Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. 7. 65 Vgl. Stein, Die Verwaltungslehre, S. 307 ff.
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gewandelten Lebensumständen, zogen die übrigen deutschen Staaten mit den Revolutionstagen 1848/49 nach und verpflichteten sich verfassungsrechtlich dem Eigentumsschutz.67 Damit war auch hier das Ende des schlicht-hoheitlichen Entzugs des Eigentums gekommen. Auch wenn also niemand das Enteignungsrecht für die privaten Eisenbahnen neu erschuf, so stellte doch das Eisenbahnwesen den wichtigsten68 und zugleich neuesten Anwendungsfall der Enteignung im Zeitalter der Industrialisierung dar. Die Rechtswissenschaft begann die Enteignung erst ab dem Zeitpunkt ernstlich zu behandeln, da die Eisenbahn von Utopisten und Vordenkern wie Friedrich List wissenschaftlich literarisiert wurde. 69 Das allgemeine wirtschaftliche Interesse am Schienenwegeausbau, das mit der Realisierung erster Schienenstrecken erwachte, beflügelte auch den Gesetzgeber. Und in der aufstrebenden bürgerlichen Gesellschaft wuchs das Begehren nach einer Enteignung zu ihren Gunsten, zugunsten ihrer allgemeinen privaten Unternehmungen. Hier galt die Enteignung zugunsten der Eisenbahnunternehmer als Beispiel eines neuen wirtschaftlichen Liberalismus. Diese breite Anerkennung verhalf dem Rechtsinstitut der Enteignung, sich von dem Makel eines „widerwillig geduldeten Eingriff(s) des absoluten Monarchen" zu befreien und „zu einem anerkannten Institut des liberalen Rechtsstaats" zu avancieren. 70 Daß die Enteignung nicht nur dem Staat und den Gemeinden zugute kommen sollte, sondern ganz selbstverständlich auch private Unternehmungen generell in den Kreis potentiell Begünstigter einbezogen wurden, war im Grundsatz bereits im Bereich der Chaussee- und Kanalbauten anerkannt, bevor mit dem Bau der ersten Eisenbahnlinie begonnen wurde. 71 Das verdeutlicht exemplarisch § 2 des badischen Enteignungsgesetzes von 1835, der den öffentlichen Nutzen der Unterneh66
§ 8 Abs. 4 der Bayrischen Verfassung von 1818, im gleichen Jahr Baden mit § 14 Abs. 4 der Verfassung; gefolgt von § 30 der Württembergischen Verfassung von 1819 und § 27 der Verfassung Hessen-Darmstadts aus dem Jahre 1820. Im Zehnjahresabstand folgten § 31 der Sächsischen Verfassung von 1831, § 33 der Braunschweiger Verfassung von 1832, §§ 54, 55 der Altenburger Verfassung desselben Jahres und schließlich Hannover 1840 mit § 35 seiner Verfassung. 67 1849 Schwarzburg-Sondershausen mit § 38, Art. 9 der Preußischen Verfassung von 1850, ebenfalls 1850 § 41 der Anhalt-Bernburgischen Verfassung; Lübeck und Oldenburg folgten im Jahr darauf mit § 53 und Art. 60. Aus dem Jahre 1852 stammen § 22 der Verfassung Hessen-Kassel, § 49 der Verfassung von Coburg-Gotha und Neuß mit § 24. Den Schluß bildet Bremen 1854. Allgemein zur Periodisierung der Entstehungsphase des Verfassungsstaats Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 54. 68 Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 79. 69 Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. 4; Stein, Die Verwaltungslehre, S. 317. 70 Bullinger, Der Staat 1 (1962), 460 f. Ausführlich zum gesellschaftspolitischen Hintergrund der Entwicklung des Enteignungsrechts seit dem 19. Jh. Kirchheimer, Die Grenzen der Enteignung, S. 14 ff. 7
1 Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 72, 79, 331 f.
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mung verwirklicht sah, „ . . . nicht nur, wenn er dem Staat unmittelbar, sondern auch wenn er demselben bloß mittelbar zugute kommt" 72 . Am privatbegünstigenden Charakter solcher Enteignungen änderte sich auch nichts, als das Preußische Enteignungsgesetz 1874 den Begriff des Unternehmens einführte. Die damalige Lehre und Praxis betrachteten das Unternehmen unabhängig vom Begriff des öffentlichen Wohls und schlugen allein wegen der unternehmerischen Absicht, auch privatnützige Gewinne zu erzielen, die Zulässigkeit der Enteignungsbegünstigung des Privaten nicht aus.73 Wie intensiv die Eisenbahnentwicklung das Eigentums- und Enteignungsrecht beeinflußte, wird nicht zuletzt an den inhaltlichen Veränderungen deutlich, die es im Laufe der Zeit erfuhr. Bildeten ursprünglich - angelehnt an die französische Gesetzgebung - Grundstücke, deren Eigentum vollständig entzogen werden sollte 74 , den einzigen Gegenstand der Enteignung, so verdeutlichte der Eisenbahnund Straßenbau, daß nicht stets der vollständige Entzug erforderlich wurde, sondern auch eine vorübergehende Beeinträchtigung - ζ. B. zur Materialablagerung ausreichen konnte, um den Zweck zu erreichen. Bereits im Preußischen Eisenbahngesetz von 1838 schlug sich dieser Gedanke nieder. Zwar wurde zunächst das Eigentum vollständig entzogen (§ 8 Nr. 3). Sobald aber der Zweck weggefallen war, der eine vorübergehende Inanspruchnahme des Grundstücks notwendig machte, überließ es § 10 des Eisenbahngesetzes dem ehemaligen Grundstücksinhaber, optional die Enteignung zu besiegeln oder aber das Grundstück gegen Ersatz der Wertminderung gemäß § 9 desselben Gesetzes zurückzuverlangen. Obwohl somit die Eigentumsbeschränkung noch als Unterfall der Enteignung ausgestaltet war 75 , differenzierte interessanterweise die Entschädigungsregelung des § 9 bereits zwischen dem Expropriationsrecht und „dem Recht zur vorübergehenden Benutzung fremder Grundstücke Behufs der Einrichtung von Interims-Wegen" und formulierte damit zum ersten Mal das Merkmal der Dauerhaftigkeit der Enteignung.76 72 Vgl. Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 132. 73 Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 62 ff., 78 m. w. N. parallel zur heute vorherrschenden Auffassung, vgl. Teil 3 § 7 II.', einschränkend Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 1, 10f., 268 f.: nur öffentliche Unternehmen, gleichgestellt einer öffentlichen Anstalt. 74 Vgl. auch §§4-11 Titel 11 Teil I ALR, die, ausgehend von der Enteignung als Kauf, nicht die Fälle der bloßen Eigentumsbeschränkung erfassen konnten. In diesem Zusammenhang auch § 10 Titel 11 Teil I ALR: Lediglich der notwenige Verkauf war der Entschädigung des Staatsoberhauptes vorbehalten; ausführlich Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 52 (1929), 1429 f. Zum Streit, inwieweit der vollständige Eigentumsentzug vom späteren Begriff der „klassischen Enteignung" gedeckt ist, Jakisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, S. 28, Fn. 12 m. w. N. 75 Grimm, in Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 129. ™ Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 52 (1929), 1432.
3 Pommer
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Wegen dieser Abhängigkeit der Enteignungsdogmatik von der Entwicklung der Eisenbahnen77 ist das Enteignungsrecht als „typische Erscheinung" des 19. Jahrhunderts gewertet worden. Diese Einschätzung, die angesichts der vorgelagerten Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert nur bedingt richtig ist 7 8 , trifft aber insofern zu, als sich in dieser Epoche aus der Enteignung als Zwangs(ver-)kauf, angeordnet vom absolut herrschenden Staatsoberhaupt, ein System des gesetzmäßigen Enteignungsrechts in nahezu allen deutschen Staaten herausbildete.79 Seine Grundlage fand es in der jeweiligen Verfassung und seine verfahrensrechtliche Ausgestaltung zumeist in einfachen Gesetzen.80 Allen diesen Regelungen gemeinsam war der Grundgedanke: Die Enteignung sollte an das gemeine Wohl gebunden werden. Diesem vormals eher im militärischen Bereich gebrauchten Begriff des Gemeinwohls verlieh die verkehrspolitische Prägung aufgrund des erweiterten Anwendungsfeldes eine neue Facette.81 Seine rechtliche Gestaltung und Konkretisierung in den einzelnen deutschen Staaten unterschied sich - vielleicht gerade dadurch - allerdings erheblich: In Sachsen ζ. B. bedurfte jedes einzelne Eisenbahnenteignungsvorhaben vergleichbar der englischen Regelung einer gesonderten gesetzlichen Genehmigung82, weil man nicht von vornherein ein öffentliches Interesse an jedweder Eisenbahn annahm, sondern dieses von Fall zu Fall parlamentarisch festzustellen trachtete. 83 Für andere bodenbeanspruchende Anlagen hingegen sollte eine Generalermächtigung ausreichen.84 In Bayern fand man dagegen unabhängig vom Einzel vorhaben die Eisenbahnen auf Nr. 11 der 14 enumerati ν aufgelisteten und für zulässig erachteten Enteignungszwecke.85 Und noch eher an der überkommenen Tradition hafteten Gesetze, die lediglich generalklauselartig 77 Ausführlich Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 52 (1929), 1405 ff. und 53 (1930), 65 ff., 317 ff. 78 Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 121. 79 Stein, Die Verwaltungslehre, S. 306. so Zur Abkehr von den rein „civilistischen" Expropriationstheorien seit Laband, AcP 52 (1869), 169 ff., abgedruckt in: ders., Abhandlungen, Beiträge, Reden und Rezensionen, Teil 1, S. 113 ff., Scheicher, Die Rechts Wirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. 11 ff. si Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 86 ff., 92. 82 Anders nur für die bereits anerkannten Fälle der Enteignung, für die Sondergesetze erlassen wurden, im einzelnen Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Recht, 1893, S. 32f.: Wegeanlagen (Sächsisches Straßenbaumandat v. 28. 4. 1781, §§ 1, 2. 10, 12 und Gesetz v. 11. 6. 1868), bergbauliche Anlagen (Allgemeines Berggesetz v. 16. 6. 1868, §§ 122-138). 83 Zur Rechtfertigung dieser Vorgehensweise angesichts der noch mangelhaften Erfahrungen auf diesem Gebiet, Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Recht, 1893, S. 34, insb. Fn. 44. 84 Beispiele bei Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 130. 85 Vgl. vor allem Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 129 f.
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die Enteignung zu „Staatszwecken", im Interesse des „öffentlichen Wohls", zu „allgemeinen Staats- und Kooperationszwecken" erlaubten. 86 Hier behielt die Verwaltung, in der Regel die oberste Administrativbehörde 87, die Bestimmung des gemeinen Wohls in der Hand. Ungeachtet dieser in der gesetzlichen Beschreibung verhafteten Unterschiede gliederte sich aber das der Enteignung vorangehende Verfahren im wesentlichen überall in drei Phasen88: (1) Genehmigung des Bauvorhabens durch den Landesherrn oder sein Ministerium, (2) Ermittlung der konkret betroffenen Grundstücke durch lokale Behörden, öffentliche Auslegung des Plans und Anhörung der betroffenen Eigentümer vor einer staatlichen Kommission und schließlich (3) die Abwägung und Entscheidung durch die Kommission. Als Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung der Kommission war - ähnlich unserem heutigen Widerspruchsverfahren - lediglich die Anrufung der höheren Verwaltungsbehörde vorgesehen. Daß man die gerichtliche Klärung der Fragen, ob die Unternehmung überhaupt im öffentlichen Interesse lag und ob die Enteignung dieses bestimmten Grundstükkes auch als notwendig erachtet werden durfte, noch nicht für erforderlich hielt 89 , mag damit zusammenhängen, daß man meinte, schon mit der gesetzlichen Formulierung des Verfahrens die Frage beantwortet zu haben, wo die Grenze zwischen den Forderungen des allgemeinen Wohls, die eine Enteignung rechtfertigen, und dem unantastbaren Bestand privaten Eigentums, der die unverzichtbare Quelle individueller Selbständigkeit für die erstarkende bürgerliche Gesellschaft bildete 90 , verläuft. Weder die Enteignungswürdigkeit noch die Enteignungsnotwendigkeit im konkreten Fall galten als Rechtsfragen, für deren Beantwortung ein Gericht zuständig war. 91
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Zitiert nach Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 129 f. Für das preußische Enteignungsgesetz v. 11. 6. 1874 (vgl. Fn. 45) instruktiv Frisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 66 f. 87 Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 131. 88 Ausführliche Darstellung bei Stein, Die Verwaltungslehre, S. 324 ff. 89 Anders dagegen Bayern, das bereits mit der Einfühning einer unabhängigen Verwaltungsrechtspflege in den dreißiger Jahren die gerichtliche Überprüfung der Zulässigkeit von Enteignungen regelte, vgl. Art. XVIII des Enteignungsgesetzes von 1837. Viel später folgten Hessen, Art. 44 des Enteignungsgesetzes von1884, und Württemberg, Art. 25 des Enteignungsgesetzes von 1888. 90 Vgl. zur philosophischen Begründung des Eigentums Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 234 ff. 91 In Baden wurde der Rechtsweg selbst noch im zweiten Enteignungsgesetz von 1899 ausgeschlossen. Vgl. zum ganzen ausführlich Grimm, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. IV, S. 132 f. und Fn. 45. Vgl. auch parallel dazu die Entscheidung des PrOVG vom 3. 3. 1883, Eisenbahnentscheidung III, S. 22.
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§ 2 Die Konsequenzen der Verstaatlichung für das Enteignungsrecht I. Der lange Weg bis zur Reichseisenbahn Die dem privaten Eisenbahnwesen zugeschriebenen Vorteile 92 , die auch in der heutigen Privatisierungsdebatte fast wortgleich wieder auftauchen, vermochten das Privatbahnensystem jedoch nur bis zu Bismarcks Verstaatlichungspolitik zu rechtfertigen. Als der Erfolg der Eisenbahnen, die noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein zu Land konkurrenzloses Fortbewegungsmittel darstellten, die anfängliche Verunsicherung verdrängt hatte, gleichzeitig Preußens politische Macht dank Bismarcks Expansionspolitik größer war denn je, sollten die Eisenbahnen in staatliche Hände verbracht werden. Die positiven Effekte eines einheitlichen deutschen Eisenbahnsystems, das der kleinstaaterischen Zersplitterung trotzte, lagen auf der Hand. Dennoch läßt sich keine klare Linie in Form einer fortlaufenden Kette von Ursachen feststellen, aus der notwendig die Umwandlung der privatbetriebenen Bahnen zur Staatsbahn folgt. 93 Vielmehr spricht insbesondere mit Blick auf die heutige Reprivatisierungspolitik viel für eine Relativierung der öffentlichen Aufgabendiskussion. Die Aufgabe bestimmt sich seit jeher politisch; und der Inhalt politischer Entscheidung ist eine Frage der politischen Macht, des Einflusses und wird nicht zuletzt - auch das hat die Geschichte gezeigt - vom Geld diktiert.
1. Bismarcks Reichsbahnpolitik
Die Reichsverfassung von 1871 räumte zwar dem Reich die Kompetenz zur Enteignungsgesetzgebung auf dem Gebiet des Kriegs- und Eisenbahnwesens ein 9 4 und billigte ihm in den Art. 41-47 sogar umfassende Regelungsbefugnisse in bezug auf die Eisenbahnen zu, die zum Teil Verfassungsnormen des Norddeutschen Bundes und der Verfassungsentwürfe von 1849 rezipierten. Dennoch vermochte sie selbst noch nichts an der überkommenen Praxis des losen Nebeneinanders verschiedener kleinerer und größerer Eisenbahngesellschaften zu ändern 95, die teilweise von landesstaatlicher, überwiegend aber durch private Hand jeweils unter verschiedenen Betriebs- und Sicherheitsvorschriften errichtet wurden. Denn die Verfassungsvorschriften sprachen stets nur von Pflichten der Bundesglieder. Die Rechte des Reiches, ζ. B. ein einheitliches Reglement für ganz Deutschland zu 92 Zusammengetragen von Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 397; vgl. auch Seidenfiis, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, S. 232. 93 Seidenfiis, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, S. 232; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 409. 9 * Art. 4 Nr. 8 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. 4. 1871 (BGBl. 1871, S. 64 ff.). 9 5 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 395.
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erlassen, fanden hingegen keine Erwähnung. 96 Selbst die wichtigste programmatische Regel des Art. 42 9 7 , durch die die Regierungen verpflichtet werden sollten, die Deutschen Eisenbahnen „im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz" zu verwalten, vermied es, auf die Reichsgewalt Bezug zu nehmen. Folglich ließen sich einheitliche Reglementierungen nur im Zusammenwirken mit den einzelnen Bundesstaaten einführen. 98 Das Reichseisenbahnamt, das 1873 zur Durchführung der Reichsaufsicht 99 zunächst ins Leben gerufene worden war 1 0 0 , galt von vornherein als machtlos und verkam zur „begutachtenden, beratenden, bittenden Behörde" 101 . Trotz der durch die Reichsgründung politisch veränderten deutschen Situation blieb für die Eisenbahnen zunächst alles beim Alten. Die Eisenbahn, eigentlich auf zentral koordinierte Planung angewiesen, war weiterhin den Zufälligkeiten der privaten Initiative sowie der regionalen Interessenpolitik ausgeliefert. Vereinheitlichungen schuf man nur mühsam über Absprachen. Hervorzuheben sind dabei vor allem die Aktivitäten des privatrechtlichen Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen. 102 Ihm gehörten 33 deutsche Privateisenbahnen und bereits 17 staatliche Β ahn Verwaltungen an, wovon 11 Staatsbahndirektionen auf preußischem Gebiet, die übrigen in Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Braunschweig und Oldenburg angesiedelt waren. Der Verein bemühte sich insbesondere um Abkommen, die den durchgehenden Verkehr auf den Linien der beteiligten Eisenbahnunternehmen ermöglichen sollten, um der territorialen Zersplitterung Deutschlands entgegenzuwirken. Bismarcks Plan, alle bei Reichsgründung vorhandenen Eisenbahngesellschaften zu einem einzigen Reichsinstitut in Gestalt eines Unternehmens mit dem Namen „Reichsbahnen" zu verbinden, entsprang der Idee nach einer deutschen Verkehrsund Eisenbahneinheit, die schon die nationale Einheitsbewegung der Jahre 1848 / 49 verfolgt hatte 103 , und gründete nicht zuletzt auf der Erkenntnis, daß auch das 96 Arndt, AöR 11 (1896), 367. 97 Vgl. zur wohl umstrittensten Vorschrift des ganzen Kataloges Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 407 und m. w. N. in Fn. 83. 98 Dazu Laband, Jahrbuch der Gehe-Stiftung zu Dresden, 1895, Bd. I, S. 152 ff., abgedruckt in: ders., Abhandlungen, Beiträge, Reden und Rezensionen, Teil 1, S. 577 ff. Vgl. aber die Konstruktion eines konkurrierenden Verordnungssystems bei Arndt, AöR 11 (1896), 373. 99 Arndt, AöR 11 (1896), 365. 100 Gesetz v. 27. 6. 1873, RGBl. S. 164f. aufgrund der dem Reich in Art. 4 Ziff. 8 der Reichs Verfassung eingeräumten Gesetzgebungsrechts. 101
Seidenfiis, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, S. 362. Wieder aufgelöst bei Vereinheitlichung der deutschen Staatsbahnen am 1. 4. 1920, Sarter/Kittel, Die neue deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, S. 10. 102 Der Verein, hervorgegangen aus dem Verband preußischer Eisenbahndirektionen, 1847 gegründet, war der erste Wirtschaftsverband im Bereich des Verkehrswesens, ausführlich Fritsch, Das Deutsche Eisenbahnrecht, S. 17 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1002, 1058, Fn. 22. 103 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 392 f.
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Reich wirtschaftlicher Macht bedurfte, um sich über seinen alten überlieferten Bereich staatlicher Gewalt hinaus Einfluß und Geltung zu verschaffen. 104 Da Art. 41 der Reichsverfassung den zwangsweisen Bau eigener Eisenbahnen vorsah, hätte man wenig Mühe gehabt, im Umkehrschluß daraus auch den Erwerb der Eisenbahnen für das Reich - notfalls im Wege des Zwangs - abzuleiten.105 Da Bismarck von Zwangsozialisierung aber nichts wissen wollte, blieb es vorerst seine Vision, die Eisenbahnen der Länder im Wege des freihändigen Erwerbs komplett ins Reich zu überführen und sie damit „zu einer wahrhaft nationalen Verkehrsanstalt" zu erheben. 106 Denn dem Einfluß und der Macht obstruierender Privatbahngesellschaften 107 und der politische Überzeugung nichtpreußischer Regierungen von der Eisenbahnhoheit als unantastbares Kleinod partikularer Staatlichkeit 108 stand die unüberwindbar erscheinende finanzielle Belastung von 2 Milliarden Mark zur Seite 109 , die das Reich durch den Ankauf der Eisenbahnen hätte auf sich nehmen müssen.110
2. Bismarcks Alternative: Die Verstaatlichung der preußischen Privatbahnen Die nach dem Scheitern der Reichsbahnidee vom Reichskanzler stattdessen erfolgreich durchfochtene Verstaatlichung wesentlicher preußischer Eisenbahnen 111 wurde zwar nicht billiger, sondern kostete schlichtweg das Doppelte 112 , was jedoch angesichts des enormen Erfolgs der Bismarckschen Politik für Preußen schon bald vergessen war. 113 Mit der Expansion Preußens wuchs das staatliche Eisenbahnnetz, umfaßte Verkehrswege an Rhein und Ruhr, in Oberschlesien genauso wie in Elsaß-Lothringen und deckte bald Dreiviertel des deutschen Staatsbahnnetzes insgesamt ab. 1 1 4 Durch diese neu errungene Wirtschaftskraft drängte 104 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 120. 105 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1060. 106 Bismarck in seiner Eisenbahn-Denkschrift vom 8. 1. 1876, zitiert nach Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1061. io? Und ihres großen Verfechters Eugen Richter, Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1063; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 396, 399. 108 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1062. 109 Vgl. z u den Kostenschätzungen Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1063 und Fn. 44. no Umfassend zu den auf Reichsebene gescheiterten Gesetzentwürfen für eine einheitlichen Eisenbahnpolitik Bismarcks von 1874, 1875 und 1879 sowie dem Gesetz vom 4. 6. 1876 zur Veräußerung aller preußischen Bahnen an das Reich, dessen Umsetzung ebenfalls nie erfolgt, Albrecht, Bismarcks Eisenbahngesetzgebung. m 1880 waren 6.049 km, um 1900 bereits 33.015 Streckenkilometer in staatlicher Hand, Sarter/Kittel, Die neue deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, S. 10. 112 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1063 und Fn. 44. h 3 Ausführlich Seidenfiis,
in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 363 ff.
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der preußische Staat somit indirekt die umliegenden Bundesstaaten zu eben den Angleichungen und Vereinheitlichungen, die sie durch die Ablehnung der Reichsgesetzentwürfe in Frontstellung gegen die preußische Hegemonialmacht gerade bremsen und verhindern wollten. Sie hatten den ungeheuren preußischen Einflüssen kein entsprechendes Gewicht mehr entgegenzusetzen.115 Ihnen blieb nur die bittere Erkenntnis, daß die bundesweite Realisierung der Bismarckschen Visionen im Sinne einer unitarischen Lösung dem deutschen Föderalismus wohl weit mehr gedient hätte. 116
3. Der Durchbruch - Die Schaffung der Reichseisenbahn
Bismarcks Idee von der Zusammenführung aller Eisenbahnen zu einer Reichseisenbahn erlebte mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges ihre Renaissance. Die Kriegsvorbereitungen ließen die Vorteile einer einheitlichen Reichseisenbahn zumindest für den militärischen Sektor deutlich zu Tage treten. Bei der Mobilmachung 1914 gelangte erstmals Art. 41 Abs. 1 der Reichsverfassung zur Anwendung: Innerhalb von 14 Tagen wurden 3 Millionen Soldaten sowie 860.000 Pferde in ca. 11.000 Transporten an Ost- und Westfront verschickt. 117 Im Verlaufe des Krieges von dem im übrigen fortexistierenden kleinstaatlichen Eisenbahnwesen behindert, verordnete die Oberste Heeresleitung am 1. 3. 1917 im Rahmen ihrer militärischen Kompetenzen eine gesamtstaatliche „Kriegsbetriebsleitung" für die Eisenbahn118, während der zeitgleich unternommene Versuch einer demokratischen Wiederbelebung von Bismarcks Reichseisenbahngedanken für den zivilen Sektor im Reichstag scheiterte. Erst im Zuge der Diskussion der Weimarer Reichsverfassung lebten die Vereinheitlichungsvorstellungen für den Eisenbahnsektor wieder auf. 119 Mit den Art. 89 ff., 171 schenkte der Verfassungsgeber dem Reichseisenbahngedanken wesentliche Beachtung: Neben der dem Reich in Art. 7 Nr. 19 verliehenen Gesetzgebungskompetenz sollten alle dem allgemeinen Verkehr dienenden und bereits verstaatlichten Eisenbahnen, Haupt- und Nebenbahnen, vom Reich in sein Eigentum und seinen Betrieb gegen Entschädigung übernommen werden. 120 114 Zu den Verstaatlichungsgesetzen der Jahre 1879-1882 vgl. Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1882, S. 21 ff.; 1880, S. 20ff.; 169ff.; 1879, 635 ff.; umfassend Albrecht, Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, S. 99 ff.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1063 ff. 115 Zur Verstaatlichungspolitik der übrigen Länder Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 404 ff. 116 So die Wertung von Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1063 ff. Ähnlich Albrecht, Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, S. 112 ff., insbesondere S. 114. 117 Albrecht, Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, S. 115. 118 Albrecht, Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, S. 115 f. 119 Fritsch, Das Deutsche Eisenbahnrecht, S. 24.
Teil 1: Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
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Nachdem das Reich diesem Auftrag nachgekommen war und den entsprechenden Staatsvertrag vom 20. 4. 1920 121 fristgemäß vollzogen hatte 122 , verfügte es über einen Wirtschaftskörper, dessen Anlagekapital 23,2 Mrd. Reichsmark betrug, der einen Schienenumfang von rund 52.000 km besaß und ca. 1,1 Millionen Beschäftigte umfaßte. Organisiert war die Reichsbahn entsprechend dem starren Prinzip der Regieverwaltung als unselbständige, an den Haushaltsplan des Reiches gebundene 123 , öffentliche Anstalt, als ein „Bestand von Mitteln, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt waren" 124 .
II. Die neue Gemeinwirtschaftlichkeit der Eisenbahn Damit war der Streit um das System mit den meisten Vorteilen, der seit der Erfindung der Eisenbahn Politik und Eisenbahnunternehmer beschäftigte, zumindest vorerst zugunsten der Staatsbahnen entschieden. Die Staatsbahn half, den gesamtdeutschen Staatsgedanken zu konsolidieren. Außerdem versprach der staatliche Monopolbetrieb eine bedeutende Finanzquelle, die zur Deckung des allgemeinen Staatsbedarfs sowie zum Ausgleich der staatlichen Haushaltskasse herangezogen werden konnte; er diente zur Unterstützung der Zoll- und Handelspolitik und hielt den Einfluß ausländischen Kapitals zurück. 125 Mit der Verstaatlichung wechselte nicht lediglich die Trägerschaft der bislang volkswirtschaftlich wichtigen und ertragreichen Unternehmung Eisenbahn, es veränderte sich auch die Betreibermotivation. Von nun an regierte das staatswirtschaftliche Prinzip des gemeinen Nutzens den Betrieb. Statt mit kaufmännischem Kalkül Einkünfte für die öffentlichen Haushalte zu erzielen, bildete die optimale Erfüllung der staatlichen, sowohl Verkehrs- als auch verteidigungspolitischen Aufgabe das oberste Gebot. In das Prinzip der Gemeinwirtschaftlichkeit eingeschlossen war die Verpflichtung des Trägers der Eisenbahn, die wirtschaftliche Förde120 Vgl. Art. 171 WRV: „über die Bedingungen der Übernahme"; zu dem im Vorentwurf vorgesehenen privatrechtlichen Ankauf der Eisenbahnen durch das Reich („im Wege des Vertrages") Anschiitz, WRV, Art. 89, Anm. 1. 121
RGBl. S. 773, der „Geburtsurkunde" der Reichsbahn, Schmidt-Aßmann/Fromm, gaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 60.
Auf-
122 Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches, Art. 89, Anm. 2 und Art. 171. Zu den Einzelheiten des umgestalteten deutschen Eisenbahnrechts Fritsch, Das Deutsche Eisenbahnrecht, S. 25 f. 123 So daß Einnahmen und Ausgaben als verbindlich festgelegt galten, wenn sie alljährlich in einem ausgeglichenen Haushaltsplan veranschlagt und parlamentarisch bewilligt wurden, Ottmann, Int. Archiv f. Eisenbahnen, S. 42 f. 124
Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 410 nach der Definition von Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 268. 125 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 451.
§ 2 Die Konsequenzen der Verstaatlichung für das Enteignungsrecht
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rung der entwicklungsbedürftigen Randzonen (umfassende Betriebspflicht) ebenso wie die soziale Förderung des Massengüterverkehrs (Beförderungspflicht) voranzutreiben. Immer lauter drang die Forderung nach sozialstaatlicher Tarifpolitik durch. Der von Bismarck und Maybach 126 favorisierte Gemeinwirtschaftlichkeitsgedanke im Eisenbahnwesen hatte bereits dazu geführt, daß die preußischen Staatsbahnen kein staatliches Profitunternehmen mehr, sondern ein „gemeinwirtschaftliches Organ zur Förderung des öffentlichen Nutzens und des staatlichen Wohls" waren. Ungeachtet dessen, daß im einzelnen Verluste drohten, galt die Erfüllung einer öffentlichen Verkehrsaufgabe als selbstverständliche Pflicht staatlicher Verkehrseinrichtungen. Trotz der durch ermäßigte Wirtschafts- und Sozialtarife, die Verkehrsbedienung wirtschaftsschwacher, marktferner und grenznaher Gebiete und andere subventionsbedürftige Eisenbahnverkehrsleistungen eintretenden Gewinnminderung oder gar Verluste aber bewertete man den Grundsatz der Gemeinwirtschaftlichkeit in der „klassischen" Eisenbahnepoche (noch) „als eine Ehre, nicht als eine Last" 1 2 7 .
III. Die Vereinfachungen im Enteignungsrecht und die Aufweichung der ursprünglichen Eigentumsdogmatik Ein wesentliches Argument in der Verstaatlichungsdebatte war nicht selten das der Notwendigkeit von Enteignungen128: Da man gerade den Gemeinwirtschaftlichkeitsgedanken durch den Staat am besten, sichersten und umfassendsten verwirklicht wähnte 129 , stand das Enteignungsrecht zugunsten der aus dem Kreis privater Enteignungsbegünstigter fast vollständig ausgeschiedenen Eisenbahnen nicht mehr in Frage. Damit erstarb nicht gleich gänzlich die seit nahezu einem Jahrhundert übliche Praxis der Enteignung zugunsten Privater. Für bodenintensive private Unternehmungen, deren Umsetzung nach einer Enteignung verlangte, insbesondere Industrieanlagen und ihre Erschließung, blieb es vorerst bei der bewährten Konzessionslösung. Diese erfuhr jedoch seit Kriegsbeginn 1914 aufgrund der militä126 Ursprünglich Direktor des Reichseisenbahnamtes, 1879 von Bismarck ins Kabinett geholt und dem Preußischen Handelsministerium vorangestellt, so daß Bismarck und Maybach zusammen den entscheidenden Einfluß auf alle für die Eisenbahnangelegenheiten zuständigen Ressorts besaßen, vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1064. 127 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, S. 1067 f. 128 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 397. 129
Vgl. die „Begründung des Gesetzentwurfs, betreffend den Erwerb mehrerer Privateisenbahnen für den Staat" v. 29. 10. 1879, Anlagen zu den Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses, Session 1879-80, Bd. I, S. 34ff.: „Unmittelbare Fürsorge des Staates für die beteiligten öffentlichen Interessen, welche in der Betriebsleitung der Eisenbahnen durch gewinnsuchende Privatunternehmer Schutz und Förderung in genügendem Maße dauernd nicht finden" (Hervorhebung d. Α.).
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Teil 1: Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
rischen und wirtschaftlichen Lage erhebliche Abänderungen. Anknüpfungspunkt sollte nicht mehr einzig und allein das konzessionierte Unternehmen sein. Die aufkeimende neue Lehre begnügte sich damit, daß das konkrete Unternehmen, für das eine Enteignung zulässig sein sollte, nicht schlichtweg nur privaten Interessen, sondern auch dem Gemeinwohl zugute kam. 1 3 0 Da alles der Rüstungsindustrie Nützliche dem gemeinen Besten diente 131 , durfte beispielsweise in den Kriegsjahren für die Ansiedlung von Arbeitern der Elektrowerke-AG Berlin 1 3 2 , Erweiterungen der Fabrikanlagen bei Bayer 133 und eine Geschoßpresserei der FriedrichKrupp A G 1 3 4 privater Grundbesitz enteignet werden. Das enteignungstaugliche Unternehmen wurde nicht ausschließlich technisch im Sinne von Eisenbahn- oder Kanalisationsbauten, sondern ebenso untechnisch verstanden, so daß beispielsweise auch der Krieg oder die Durchführung einer Agrarreform als das im öffentlichen Interesse befindliche Unternehmen Anerkennung finden konnten. 135 Die allgemeine Bedeutung eines Unternehmens für das örtliche Wirtschaftsleben 136 rechtfertigte von nun an - nicht nur zu Kriegszeiten, sondern auch in den Nachkriegsjahren - die nicht unerheblich erweiterte Enteignungsmöglichkeit. Unterstützt wurde diese Entwicklung in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von der übersteigerten Forderung nach Freiheit des privaten Eigentums, die sich gegen die gewitterte Gefahr sozialistischer Eigentumsverhältnisse richtete. Mit weiten Teilen der Rechtswissenschaft artikulierten auch Verwaltung und Rechtsprechung darin ihr Mißtrauen gegenüber der jungen parlamentarischen Demokratie. 137 Indem, ausgehend von Martin Wolffs Definition, nach der zum Eigentum im Sinn des Art. 153 Abs. 1 W^RV jedes private Vermögensrecht gehörte 138 , der Eigentumseingriff eine Ausweitung erfuhr, galten alle Eingriffe staatlicher Gewalt in ein solches von Abs. 1 geschütztes Recht, betrafen sie nur einen größeren oder kleineren Kreis von Individuen, als Enteignungen gemäß Abs. 2 des Artikels. Sie waren damit nur bei
130 Vgl. Bullinger, Der Staat 1962,467 und Fn. 53 m. w. N. 131
Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 36. 1 32 Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1915, S. 148. 1 33 Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1917, S. 76. 134 Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1915, S. 142. 1 35 Zum Begriff des enteignungstauglichen „Unternehmens" Scheicher, in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Art. 153, S. 221 f.; Wolff, in: Festgabe Kahl, IV, S. 14. 136 Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1918, S. 2; 1929, S. 183; weitere Nachweise bei Bullinger, Der Staat 1962, 467, Fn. 51. Interessant ist auch das Urteil des OLG Jena, Urt. v. 20. 3. 1925, JW 1925, 1476, nach dem Arbeitsplatzbeschaffung und Arbeitsplatzerhaltung bereits als Enteignungszweck anerkannt wurden. 1 37 Aus Charakter und Zweck ließe sich eine Schutzrichtung des Eigentums i. S. d. Art. 153 WRV nicht nur gegen die Verwaltung, sondern auch gegen die Gesetzgebung begründen, Scheicher, in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Art. 153, S. 211 m. w. N. 1 38 Wolff, in Festgabe Kahl, IV, S. 5 f.; unter Änderung der früheren Ansicht ihm folgend selbst Anschütz, WRV, Art. 153, Anm. 7 ff.
§ 2 Die Konsequenzen der Verstaatlichung für das Enteignungsrecht
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angemessener Entschädigung zulässig. Jedes Landesgesetz, das nach überkommener Auffassung lediglich eine soziale Eigentumsbeschränkung enthielt, gelangte auf den Prüfstand der Verfassungsmäßigkeit. 139 Damit schwand die Bedeutung der (gesetzlichen) Einzelsicherungen des besonderen, enteignungsrechtfertigenden öffentlichen Interesses; die Wirtschaft hatte sich mehr und mehr staatlicher Kontrolle und politisch willkürlicher Einschätzungsmacht zu unterwerfen. 140 Diese Entwicklung vermochte die im Verlauf des 19. Jahrhunderts gefestigte Enteignungsdogmatik, die der Weimarer Reichsverfassung als Grundlage diente, zu erschüttern. 141 Selbst die verfassungsrechtlich vorgesehene und letztlich unausweichlich gewordene Notgesetzgebung des Reichspräsidenten gem. Art. 48 WRV konnte dem kein entsprechendes Gewicht mehr entgegensetzen142: Nach überkommenen Vorbildern der Weimarer Reichs Verfassung sollte nicht jede Vermögensbeeinträchtigung, jede Beschränkung „wohlerworbener Rechte" entschädigt werden, sondern nur derjenige Akt staatlicher Verwaltung, durch den das Privateigentum an bestimmten Sachen dem Rechtsinhaber entzogen und im Interesse eines gemeinnützigen Unternehmens dem Staat oder einem anderen übertragen wurde. 143 Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz nach der ursprünglichen Konzeption der Weimarer Reichsverfassung gestattete demnach die Enteignung als den zwangsweisen Entzug oder die Belastung des Eigentums zugunsten der planmäßigen und wirtschaftlich vernünftigen Durchführung eines Unternehmens, das dem öffentlichen Interesse diente, gegen Entschädigung. Und er kannte daneben die gesetzliche Verfügung über den Inhalt des Eigentums und die verwaltungsmäßige Realisierung dieser Eigentumsschranken, die entschädigungslose Einschränkung des Eigentums.
139 Letztlich dauerte es - von diversen Modifikationen abgesehen - 60 Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht mit dem Naßauskiesungsbeschluß v. 15. 7. 1981-1 BvL 77/78, E 58, 300 ff. die Abkehr von diesem einst beschrittenen Weg wies. 140 Vgl. zu den Tendenzen der Weimarer Verfassung hin zu einer starken staatlichen Wirtschaftslenkung und -kontrolle Kirchheimer, Die Grenzen der Enteignung, S. 29 f. Im übrigen die Einschätzung bei Bullinger, Der Staat 1962, 471 f. Vgl. außerdem Böhmers Zitat von Klickovic, Deutsche Rechtswissenschaft 1940, S. 139 f. (Sondervotum zu BVerfGE 56, 249 [289]): „Ein (totalitärer) Staat... muß folglich total, d. h. auf allen Gebieten und für alle ohne Rücksicht auf die Unterscheidung von öffentlich und privat, das Enteignungsrecht ausüben können.". 141
Zu den Ursachen zusammenfassend Meyer/Thiel/Frohberg, Enteignung von Grundeigentum, Einl. Α., Anm. III 1; zu den Folgen Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954, S. 113 ff. 142 Dazu Apelt, Geschichte der Weimarer Reichsverfassung, S. 339. Zur de facto Blockade des Gesetzgebers auch Brandt, in: Böckenförde, Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich, S. 215 f. ι « Vgl. Anschütz, WRV, Art. 153, Anm. 6.
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Teil 1 : Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn I m Zeitalter der Deutschen Bundesbahn 1 4 4 basierten die i m Bahnbereich vorzunehmenden Enteignungen auf inzwischen ausgefeilter fachplanungsgesetzlicher Grundlage. Vergleicht man deren äußeres Gewand mit dem derzeit geltenden fachplanungsrechtlichen Enteignungsrecht, scheint sich heute gegenüber damals nichts wesentlich verändert zu haben (III.). Gleichwohl ist entsprechend der einleitend aufgestellten These zu zeigen, daß die Privatisierung der Bahn auch an den Möglichkeiten einer Enteignung zugunsten der Bahn nicht spurlos vorüber gegangen ist. Dazu muß zunächst noch der Blick auf die Epoche der Deutschen Bundesbahn gerichtet werden, die für die kurze Phase zwischen der Vereinigung beider deutschen Staaten und der Bahnstrukturreform auch die Deutsche Reichsbahn einschloß. 1 4 5 Sie steht in der Rückschau für die bislang kontinuierlichste, aber auch verlustreiche Zeit der Eisenbahnen. Denn letztlich waren es die Defizite dieser Organisationsform (I.), die den nachfolgenden Strukturwandel bedingten. Gerade i m Zusammenhang mit dem Enteignungsrecht (II.) hat man sich in dieser Phase des staatlichen Eisenbahnwesens an Vorzüge gewöhnt, von denen man sich so gern und schnell nicht verabschiedet.
144 Hervorgegangen aus dem ehemaligen Sondervermögen „Deutsche Reichsbahn", beschränkt auf das Bundesgebiet, vgl. Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn vom 2. 3. 1951, BGBl. I, S. 155, vgl. auch § 1 BbG vom 13. 12. 1951, BGBl. I S. 955. Das Vermögen der ehemaligen Deutschen Reichsbahn in Westberlin war gem. Art. I I a ) MilRegG Nr. 52 beschlagnahmt. Soweit es unmittelbar dem Eisenbahnbetrieb diente, durfte es von der DDR-Staatsbahn genutzt werden. Vgl. dazu Finger, AEG/BbGKommentar, § 1 DB Vermögensgesetz, Anm. la); Mayer, DÒV 1952, 14; Wessel, DVB1. 1952, 219. 145 Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland durch den völkerrechtlichen Vertrag vom 31.8. 1990 (BGBl. I I S. 889 ff.) über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) blieben im wiedervereinten Deutschland zunächst beide Staatsbahnen nebeneinander bestehen. Art. 26 Abs. 1 des Einigungsvertrages bestimmte, daß das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn mit dem Beitritt in das Vermögen der Bundesrepublik überzuleiten sei, die Reichsbahn an sich samt ihrem Sondervermögen als weitere „Bundesbahn" i.S. des Art. 87 Abs. 1 a. F. aber fortbestehen solle. Durch Abs. 3 des Artikels 26 im Einigungsvertrag waren die Vorstandsvorsitzenden jedoch verpflichtet, darauf hinzuwirken, beide Bahnen sowohl rechnerisch als auch organisatorisch in Bälde zusammenzuführen, ohne daß der Einigungsvertrag dafür einen konkreten Zeitpunkt festschrieb. Reichlich drei Jahre später war das Ziel erreicht: Im Zuge der umfangreichen Bahnreform verschmolzen beide Sondervermögensmassen, und die Deutsche Bundes- und Reichsbahn wurden in ein gesamtdeutsches Unternehmen, die Deutsche Bahn AG, überführt wurden, vgl. Teil 2. Da es sich bei dem Sonderstatus der Deutschen Reichsbahn nach der Vereinigung beider deutscher Staaten lediglich um ein Übergangssystem handelte, bleibt er im folgenden außer Betracht.
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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I. Die Bundesbahn als unmittelbare Staatsverwaltung 1. Das Wesen der Eisenbahnhoheit
Der Begriff der Eisenbahnhoheit hat eine lange Geschichte: Aus den ursprünglich als regalia maiora bezeichneten, unveräußerlichen Hoheitsrechten entwickelte sich im Laufe der Scheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht die Staatshoheit. In Verbindung mit bestimmten Tätigkeitsfeldern umschreibt der Begriff bis heute einen Sektor absoluter Staatsgewalt; dem Staat obliegt die Kompetenz, jedem Privaten bestimmte Tätigkeiten zu untersagen bzw. Sonderrechte für die Ausübung dieser Tätigkeiten verleihen zu können 146 - im heutigen Verfassungsstaat jedoch begrenzt durch den Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Für die Bereiche Land- und Wasserstraßen hatte sich, bereits bevor die Eisenbahn auftrat, die Wege- bzw. Verkehrshoheit als Teil staatlicher Hoheitsgewalt aus dem ursprünglichen Wegeregal herausgebildet. 147 Schon bald nach Einsatz der ersten Eisenbahn in Deutschland erkannte man die Parallele zwischen der allgemeinen Bedeutung der Schienenwege und den sonstigen öffentlichen Verkehrswegen und leitete daraus die Notwendigkeit ab, daß der Staat auch im Bereich des Eisenbahnwesens, unabhängig davon, welche Organisationsform er für die Eisenbahnunternehmen favorisierte, die Fähigkeit besitzen mußte, hoheitliche Gewalt auszuüben. 148 Die Schienenstrecken bedurften der gleichen staatlichen Obhut wie die Land- und Wasserstraßen, abweichende Sonderbedürfnisse des Schienenwegs149 setzten sich von ganz allein in der eiligst einsetzenden besonderen Eisenbahngesetzgebung durch. 150 Aus der Abstammung der Eisenbahnhoheit vom allgemeinen Wegeregal erklärt sich bereits, daß ebensowenig wie die Wegehoheit des Staates durchweg Staatsstraßen verlangte, kein Zwang existierte, die Bahn staatlich zu organisieren. Der geschichtliche Abriß hat gezeigt, daß der Staat selbst die Eisenbahnverkehrs146 Ausführlich Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 341 f., insbesondere auch Fn. 2 sowie S. 348 f. 147 Die Notwendigkeit staatlicher Fürsorge in diesem Bereich war lange Zeit unbestritten, vgl. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 266 mit weiteren Nachweisen in Fn. 91. 148 Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 71 ff.; Kruchen, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 41, 43 mit Beispielen: In der kaiserlichösterreichischen Privilegiumsurkunde über die Errichtung einer Eisenbahnlinie zwischen Donau und Moldau vom 7. 9. 1824 wurde das Enteignungsrecht „im gleichen Umfang wie bei öffentlichen Straßen" erteilt; im Konzessionsgesuch für die Eisenbahnlinie NürnbergFürth bat man um „die Rechte und den Schutz der Staatsstraßen". Vgl. auch Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 116, Fn. 35. 14 9 Dazu Durniok, Archiv f. Eisenbahnwesen 53 (1930), 74 ff. 150 Kruchen, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 44; dazu schon oben § 1II.
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Teil 1: Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
leistung gar nicht zu erbringen trachtete. Charakteristisch für die Eisenbahnhoheit vor Anerkennung des allgemeinen Freiheitsprinzips war vielmehr, daß der Staat das gesamte Eisenbahnwesen in seinem Machtbereich erfaßte, gleichgültig, ob er die Eisenbahn selbst betrieb oder nicht. Unter Zuhilfenahme der Machtmittel, die ihm kraft Hoheitsgewalt zustanden, hatte er die ihm anvertrauten öffentlichen Interessen hinsichtlich verkehrstechnischer Sicherheit und ordnungsgemäßer Verkehrsbedienung zu wahren. Deshalb beschrieb der Begriff der Eisenbahnhoheit von Beginn an keinesfalls nur eine im Polizeistaat noch unbegrenzte Befugnis, sondern ebenfalls die Pflicht - die Verpflichtung zur verkehrstechnischen und - je nach staatlicher Willensrichtung - auch sozialökonomischen Aufsicht über die Eisenbahnen an sich. 151
2. Die verfassungsrechtliche Verankerung von Hoheitsrechten für die Deutsche Bundesbahn Die Eisenbahnverfassung des Bonner Grundgesetzes regelte die Rechtsverhältnisse der Deutschen Bundesbahn im wesentlichen durch zwei Vorschriften: Zum einen übertrug Art. 73 Nr. 6 GG a. F. dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis für den Bereich der Bundesbahn.152 Zum anderen verpflichtete Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. den Bund, die Bundeseisenbahnen in bundeseigener Verwaltung zu führen. 153 Indem die Grundgesetzväter und -mütter dem Bund Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnis für die ehemalige gesamtdeutsche Reichsbahn auf bundesdeutschem Gebiet verliehen hatten, besaß er über das notwendige Minimum hinausreichende Hoheitsgewalt über seine Eisenbahnen.154
3. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. als Aufgabenzuweisung Auch wenn sich die Bundesbahn beim Abschluß und bei der Durchführung von Beförderungsverträgen auf privatrechtlichem Gebiet bewegte 155 , war sie organisa151 Vgl. auch Finger, AEG / BbG-Kommentar, § 5 AEG, Anm. 1. Einen historischen Abriß der Eisenbahnaufsicht liefert Grupp, DVB1. 1996, 591 f. 152 Zur nicht unumstrittenen Entstehungsgeschichte Füsslein, JöR 1 n. F. (1951), 476. Die Regelungsbefugnisse für „Schienenbahnen, die nicht Bundeseisenbahnen sind (waren), mit Ausnahme der Bergbahnen" befanden sich hingegen im Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung, Art. 74 Nr. 23 GG a. F. Dem nachgebildet ist im wesentlichen der heutige Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG, wobei Bundeseisenbahnen durch „Eisenbahnen des Bundes" ersetzt wurden. 153
Zur Entstehungsgeschichte dieses Artikels Füsslein, JöR 1 n. F. (1951), 644 ff. Zum Ausdruck des Hoheitscharakters der Bundesbahn im einfachen Recht, Bischoff, AöR 81 (42 n. F.) 1971, 63 f. Die nichtbundeseigenen Eisenbahnen unterlagen nicht der Aufsicht des Bundesministers für Verkehr, Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F., § 14 BbG, sondern wurden von dem Land beaufsichtigt, in dessen Gebiet sie sich befanden, § 5 AEG a. F. 155 Aufschlußreich schon RG, Urt. v. 6. 10. 1939 - III 2/39, RGZ 161, 341 (347). 154
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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torisch als eine staatliche Einrichtung rein öffentlich-rechtlich ausgestaltet.156 Wie das für sie deshalb geltende öffentliche Recht Wirtschaftsführung und Planung der Bundesbahnen prägte, ist Gegenstand dieses Abschnitts. Anknüpfend an die Überlegung, daß Bundeskompetenz und Bundesverantwortung unteilbar miteinander verbunden sind 157 , stellt sich zunächst die Frage, ob zusätzliche Aufgaben mit den gegenüber der geänderten Weimarer Reichsverfassung erweiterten Hoheitsrechten korrespondierten, die über die bloße wirtschaftslenkende oder anlagentechnische Überwachung - die Gewährleistungsverantwortung für die Eisenbahnen - hinausgingen. Verpflichtete Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. neben seiner unbestreitbaren Funktion als Zuständigkeitsnorm für das Verhältnis von Bundes- und Landesverwaltung 158 den Bund zu einer bestimmten Vorhaltung der Bahnverwaltungsleistungen, schrieb er insbesondere eine bestimmte Organisationsform vor (a.)? Wenn ja, inwieweit barg dann das Nebeneinander von verfassungsrechtlicher Aufgabe einschließlich eines spezifischen Organisationsgehalts und dem verfassungsrechtlichen, vor allem aber dem unternehmerischen Wirtschaftlichkeitsgebot einen Konflikt (b.), den es im Kollissionsfall nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entscheiden galt (c.)?
a) Art. 87 GG als Organisations- und Aufgabennorm Mit Blick auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit reicht es aus, die wesentlichen Positionen zum aufgaben- und organisationsrechtlichen Gehalt des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. seit seiner Existenz im Grundgesetz wiederzugeben: Daß Aufgabenaspekte im Bereich des Eisenbahnwesens bereits frühzeitig in den deutschen Verfassungen verankert waren, zeigt die Untersuchung von Schmidt-Aßmann/Fromm. 159 Art. 41, 42 der Reichsverfassung von 1871 beschrieben die Aufgabe des Reiches so: Durch Verwaltung „wie ein einheitliches Netz" (Art. 42) müsse ein die Bundesstaaten umgreifendes Verkehrssystem sowohl „im Interesse der Vertheidigung Deutschlands" (Art. 41) als auch „im Interesse des allgemeinen Verkehrs" (Art. 41, 42) gewonnen und gesichert werden. 160 Auch Art. 89 der Weimarer Reichsverfassung erwähnte ausdrücklich die aufgabenrechtliche Seite der
156 Vgl. Bischoff, AöR 81 (42 n. F.) 1971, 64; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 379. In diesem Sinne auch BVerwG, Urt. v. 6. 11. 1981 - 4 C 66.78, E 64, 202 (205). Ein Katalog der hoheitlichen Tätigkeiten bei Finger, DÖV 1985, 230. 157 Steiner, in: Isensee / Kirchhof, HdStR III, § 81, Rn. 12. Den Gedanken äußerte bereits Schmidt-Aßmann, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 63, allerdings eher im Hinblick auf die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen, von denen die Leistungsfähigkeit der Pflichtigen Institution nicht abstrahiert betrachtet werden darf. 158 Maunz, in: Scupin-FS, S. 616. 159 Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 59 ff.; vgl. auch Schmidt, NJW 1964, 2390, insbesondere 2391 ff. 160
Zur Wirksamkeit dieser Verfassungsbestimmung §21.1.
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Teil 1 : Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
Eisenbahnkompetenzen, an die die Art. 90-96 WRV ein komplexes Regelungsfolgensystem knüpften. 161 Im Vergleich zu diesem ausdifferenzierten Regelungskanon in der Weimarer Reichsverfassung nahm sich Art. 87 Abs. 1 Satz 1 im Grundgesetz von 1949 eher karg aus. Sein Wortlaut, nach dem die Bundesbahnen in „bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau" zu führen gewesen seien, beschränkte den Normtext auf einen Zuständigkeitsgehalt: Als Ausnahme von den Grundsätzen der Art. 30, 83 GG verwaltete der Bund anstelle der Länder die Bundeseisenbahnen. Bereits die damit zusammenhängenden organisatorischen Konsequenzen blieben aber anders als bei Art. 87 Abs. 2 GG a. F., der die obligatorische mittelbare Staatsverwaltung regelte, zweifelhaft. 162 Was verbarg sich hinter dem Ausdruck „bundeseigene Verwaltung" 163 ? Obwohl die Herrenchiemseer Entwürfe zum Grundgesetz deutlich zeigten, daß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. trotz der überaus schlanken Formulierung die Grundlinien des überkommenen Eisenbahn Verfassungsrechts rezipieren 164 und im Gegensatz zu Art. 87 Abs. 3 a. F. dem Bund die enumerati ν aufgelisteten Sachaufgaben und Verantwortungsbereiche der Leistungsverwaltung nicht fakultativ, sondern obligatorisch zuweisen sollte 165 , schrieben manche Art. 87 Abs. 1 Satz 1 a. F. lediglich die Funktion bloßer Kompetenz Verteilung zu. 1 6 6 Bereits die Unterscheidung in Art. 116 des ersten Herrenchiemseer Entwurfs für ein Grundgesetz zwischen bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau (Abs. 1) und bundesunmittelbaren Selbstverwaltungseinrichtungen (Abs. 3 ) 1 6 7 deutete objektiv-rechtlich auf eine Auslegung des späteren, fast wortgleichen Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. in Richtung einer staatsnahen Organisation 1 6 8 , die von der herausragenden staatspolitischen und sozialen Bedeutung der 161 §213. 162
Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 86. 3 Zur heute noch in bundeseigener Verwaltung geführten Eisenbahnverkehrsverwaltung (Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG), Teil 2 §51. 16
164
Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 61 ff. Vgl. auch Füsslein, JöR 1 n. F. (1951), 646, 648. 165 Vgl. auch die Materialien zum Regierungsentwurf eine Bundesbahngesetzes, in denen sich mehrmals der ausdrückliche Hinweis auf die durch Art. 87 GG im Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung veränderte Rechtslage finden läßt. Die neue Rechtslage fordere gerade eine effektive organisatorische Anbindung der Deutschen Bundesbahn an die Bundesregierung, BT-Drucks. 1/1341, S. 68 ff.; Giese/Schunck, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (1949), Art. 87, Anm. III Nr. 2,4. 166 Fromm, Archiv f. Eisenbahnwesen 70 (1960), 229; Haustein /Mayer, Jahrbuch des Eisenbahnwesens 1950, S. 16 ff.; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 540; Krüger, DÖV 1949, 468; trotz Zweifel tendenziell zustimmend Schäfer, DÖV 1958, 242 f., 244; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 429. In sich widersprüchlich Dehler im Gutachten des Bundesministers der Justiz vom 19. 1. 1950-741/1-1783, abgedruckt im Anhang zu Fromm, 230-232. 167 Vgl. Füsslein, JÖR 1 n. F. (1951), 644.
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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Eisenbahnen für den Gesamtstaat169 getragen wird. Schon dieser Artikel differenzierte durch seine Absätze zwischen den verschiedenen Organisationsformen der Bundesverwaltung und ordnete ihnen jeweils spezifische Aufgabenbereiche zu. Eine solche Aufgliederung aber wäre sinnlos gewesen, hätte sich daraus nicht zweierlei ableiten lassen: Die Wahl der Organisationsform sollte gerade nicht dem Belieben des einfachen Gesetzgebers überlassen sein, sofern die jeweilige Spezifik einer Aufgabe gerade diese oder jene Art der Bundesverwaltung nahelegte. Interessant an der gegenteiligen Auffassung vom bloßen Zuständigkeitsgehalt ist, daß diese wohl weniger von derlei dogmatischen und staatstheoretischen Uberzeugungen, sondern überwiegend von rein wirtschaftlichen Erwägungen getragen war, die die juristischen Argumente in den Hintergrund drängten 170 : Die mit Blick auf die Gewinne der Deutschen Reichsbahngesellschaft aufgestellte Prämisse des Parlamentarischen Rates, die Aufgabe der Verkehrsbedienung würde dem Bund erhebliche Einnahmen zuführen können, hatte sich nicht bewahrheitet. Die Quelle, die Art. 122 des Chiemseer Entwurfs noch an erster Stelle nannte, um die Bundesausgaben zu bestreiten, die „Ablieferungen der Bundesbahn und der Bundespost" 1 7 1 , war schon bald versiegt. 172 Mit der Theorie vom bloßen Zuständigkeitsgehalt des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG bezweckt war deshalb, den Bundesbahnen größere wirtschaftliche Freiräume fern bundesstaatlicher Einflußnahme zu sichern. 173 Dafür schreckte man nicht zurück, mit einem gewandelten, weil von der ökonomischen Realität bezwungenen Verständnis der Verfassungsnorm des Art. 87 Abs. 1 GG a. F. zu argumentieren. 174 Aber die Bundesbahn als „Goldesel" konnte im Zeitalter des sozialen Leistungsstaats, dem sich das Grundgesetz verschrieben hat, niemals der einzige Ausgangspunkt einer solchen Regelung gewesen sein. Durch staatsunmittelbare Organisation und Ausgestaltung sollte den !68 Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 161 u. 163; ohne nähere Ausführungen auch Steiner, in: Isensee/Kirchhof, HbdStRIII, § 81, Rn. 12. 169 Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 161; ausführlich Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 94 ff. 170 Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 162; vgl. zu den wirtschaftlichen Eckwerten die Darstellungen bei Bennemann, Die Bahnreform - Anspruch und Wirklichkeit, S. 18; Irsfeld/ Posselt, Die Verwaltung 1978, 335 ff. 171 Füsslein, JöR 1 n. F. (1951), 763: „Der Bund bestreitet seine Ausgaben aus: 1. den Ablieferungen der Bundesbahn ...". 172 Vgl. Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 62, 89; vgl. ebenfalls Finger, DÖV 1984,712. 173 Ausführliche Erläuterungen des Autonomiegedankens bei Fromm, BB 1966,297 ff.; 16 Jahre später ders., DVB1. 1982, 288. M Fromm, BB 1966, 299; ders., DVB1. 1982, 292 unter Berufung auf den vom BVerfG (im Urt. v. 1. 7. 1953-1 BvL 23/51, E 2, 381 [401] und Rechtsgutachten über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes v. 16. 6. 1954-1 PBvV 2/52, E 3, 407 [422]) für möglich gehaltenen Bedeutungswandel bestimmter Verfassungsbestimmungen, „wenn in ihrem Bereich neue, nicht vorausgesehene Tatbestände auftauchen oder bekannte Tatbestände durch ihre Einordnung in den Gesamtablauf einer Entwicklung in neuer Beziehung oder Bedeutung erscheinen".
4 Pommer
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Teil 1: Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
Bürgern nicht in erster Linie eine Wettbewerbsmöglichkeit verwehrt werden, um dem Staat ergiebige Einnahmequellen zu erschließen. Im Vordergrund stand vielmehr, die Funktionsfähigkeit jener für das Gemeinwesen unabdingbaren Einrichtungen einheitlich zu gestalten und sie für alle nutzbar zu machen.175 Gerade der einst durch den Dawes-Plan erzwungenen Aussonderung der Reichsbahn zu Weimarer Zeiten 176 sollte durch eine enge Verknüpfung mit dem Bund begegnet werden. 177 Dieser Aspekt aber beschreibt ein staatspolitisches Programm, das sich - allein durch die ökonomische Schieflage des riesigen Staatsunternehmens bewirkt - nicht dem ursprünglichen Sinn diametral entgegengesetzt abwandeln ließ. Die bundeseigene Verwaltung, die Art. 87 Abs. 1 GG a. F. forderte, fand ihr Pendant in der ersten Alternative des Art. 86 GG und stand in Abgrenzung zu den drei sonstigen Arten der Bundesverwaltung 178 (Bundesaufsichtsverwaltung, Art. 84 GG, Bundesauftragsverwaltung unter Weisung des Bundes, Art. 85 GG, und Vollzug von Bundesgesetzen durch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts - mittelbare Staatsverwaltung, Art. 86, 2. Alternative, Art. 87 Abs. 2 und 3 GG a. F.) für eine Verwaltung, bei der der Bund selbst als Träger des Behördenapparates fungierte, also durch eigene Organisationseinheiten unterschiedlicher Art ohne selbständige Rechtspersönlichkeit handelte 179 (unmittelbare Staatsverwaltung). Genau dem entsprach die Führung der Deutschen Bundesbahn in Form eines Sondervermögens ohne eigene Rechtspersönlichkeit. 180 175 Vgl. Schmidt, NJW 1964, 2393. 176 Dazu ausführlich Teil 2 §4 III. 177 „Wenn jetzt die Feindmächte auf die Idee kämen, wieder die Eisenbahn als Reparationstopf zu verwenden, und es müßte eine eigene Rechtspersönlichkeit geschaffen werden, dann müßte hier die Verfassung geändert werden", Laforet, 6. Sitzung v. 30. 9. 1948, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 3, S. 274. 178 Ergänzend zu erwähnen ist die Mitwirkung des Bundes in der sogenannten Verbundverwaltung bei verfassungsrechtlich ausdrücklich benannten Sonderfällen, vgl. Art. 87b Abs. 2, 120a GG, dazu Maunz, in: Scupin-FS, S. 617. 179 Sachs, in: ders., GG-Kommentar, Art. 86, Rn. 13. 180 Umfassend Stumpf, Die Deutsche Bundesbahn im Haushaltsrecht, S. 20 ff. Die haushaltsrechtliche Absonderung, die in § 1 BbG verankerte Führung als haushaltsrechtlich selbständiges „Sondervermögen" (eingeführt seit 1939), wurde im Interesse einer funktionsgerechten und beweglichen Verwaltungsführung mit dem Grundgesetz für vereinbar erachtet, Finger, DÖV 1985, 228; ebenso Schmidt, NJW 1964, 2393. Die Gliederung als Sondervermögen stand dem Gesetzgeber aufgrund der Zuweisung der Gesetzgebungskompetenz in Art. 73 Nr. 6 GG a. F. im Rahmen des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG frei, vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 11. 3. 1960 - VII C 50.59, E 10, 219 (221). Sie verschaffte der Deutschen Bundesbahn eine Art „Teilautonomie", Finger, AEG/BbG-Kommenar, § 1 BbG, Anm. 5.a.; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 421 f., 426,427 ff.). Ferner zum Begriff des Sondervermögens Bischojf, DVB1. 1956, 187 ff. (am Beispiel der Deutschen Bundespost); Stumpf, Die Deutsche Bundesbahn im Haushaltsrecht, S. 8 f.; Viaion, DÖV 1951, 113 ff., insb. 114 und sonstigen Besonderheiten Finger, AEG/BbG-Kommenar, § 1 BbG, Anm. 5.b; ebenso Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 165; Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 106 f. Die Deutsche Bundesbahn besaß aus praktischen Er-
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. gestattete dem Bund demzufolge nicht lediglich, Kompetenzen wahrzunehmen. Zumindest in dem Bereich, der unmittelbar 1 8 1 der Erfüllung öffentlicher Aufgaben d i e n t e 1 8 2 , war der Bund zur Wahrnehmung auch verpflichtet. 1 8 3 Das heißt, die Verwaltungsaufgabe entsprach nicht deckungsgleich der unter umgekehrten Vorzeichen stehenden Zuständigkeit des Bundes, die aus den weiten Gesetzgebungskompetenzen abgeleitet w u r d e 1 8 4 , sondern mußte als aliud mit eigenen Interpretationsanforderungen charakterisiert werden. 1 8 5 Unabhängig vom genauen Umfang der Verwaltungsverpflichtung - Kernbereich oder darüber hinaus Eisenbahnleistungen „ i m herkömmlichen S i n n " 1 8 6 - folgte damit aus der Verfassung die verpflichtende Aufgabe für den Bund, den Eisenbahnbetrieb - zumindest i m Kern - aufrechtzuerhalten.
b) Das Gebot der Erwerbswirtschafilichkeit Gegenüber dem Verpflichtungscharakter des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. stellten Wirtschaftlichkeitsüberlegungen zwar kein ausschlaggebendes Argument dar. wägungen trotz der mit dem Bund identischen Rechtspersönlichkeit eine eigene Prozeßfähigkeit, § 2 Abs. 1 BbG; handelte sie formell unter eigenem Namen, geschah das sachlich für und gegen die Bundesrepublik, Finger, AEG/BbG-Kommenar, § 2 BbG, Anm. l.b. 181 Vgl. zur notwendigen Differenzierung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Verwaltung durch Bundesbehörden auch BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1983-2 BvL 23/81, E 63, 1 (36). Allerdings irritierend ist die Bezeichnung der mittelbaren Bundesverwaltung mit „bundeseigener Verwaltung im weiteren Sinne". Etwas undeutlicher eine frühere Entscheidung des BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962-2 BvF 4, 5/61 u. a., E 14, 197 (210). Gegen eine differenzierende Interpretation des Begriffes „Bundeseisenbahn" i. R. d. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG je nach dem, ob der Zuständigkeits- oder der Aufgabenaspekt angesprochen ist, weil damit auch Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG den Unsicherheiten der Kernbereichslehren ausgesetzt gewesen wäre, Lecheler, NVwZ 1989, 835 f., zur Kritik an Schmidt-Aßmann/Fromm vgl. ders., Fn. 10. Ebenso die Kernbereichslehren ablehnend Maunz, in: Scupin-FS, S. 618 ff. 182 Eine öffentliche Aufgabe in diesem Sinne soll dann vorgelegen haben, wenn die Allgemeinheit an ihrer Erfüllung maßgebliches Interesse zeigte - die Befriedigung des allgemeinen Verkehrsbedürfnisses, Maunz, in: Scupin-FS, S. 621 f.; nicht dagegen die rein bedarfsdeckenden und erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten der Bahn, Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 100 f., beispielhafte Auflistung S. 102. 183 So Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 160ff.; Lecheler, NVwZ 1989, 834ff.; Magiern, Bundesbahnreform und Europäische Gemeinschaft, in: Blümel, Verkehrswegerecht im Wandel, S. 47; Maunz, in: Scupin-FS, S. 616 f. 184
Vgl. dazu ausführlich und mit weiteren Nachweisen Schulz, Das Eisenbahnwesen des Bundes, S. 39 ff. 18 5 Zum Beispiel begrenzt auf die Erbringung überörtliche Verkehrsleistungen, SchmidtAßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 63 ff.; in diesem Sinne auch Schulz, Das Eisenbahnwesen des Bundes, S. 55. Vgl. auch Finger, AEG/ BbG-Kommentar, § 4 AEG, Anm. 2 hinsichtlich der einfachgesetzlichen Umsetzung des Aufgabenbereichs öffentlicher Eisenbahnen. 186 Maunz, in: Scupin-FS, S. 619 f. 4*
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Teil 1 : Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
Dennoch konnten sie aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht gänzlich außer acht bleiben, und so suchte man zeitlebens nach einer rechtlichen Verankerung dieses Erfordernisses. Das Grundgesetz enthielt keine Aussage über die Wirtschaftsführung der Bundeseisenbahnen, sondern überließ diese Fragen dem einfachen Gesetzgeber. Seinem Willen gemäß sollte die Deutsche Bundesbahn nach kaufmännisch-wirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden (§ 4 Abs. 1 des BbG von 1951). 187 Da er in Ausführung des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. in dieser Vorschrift aber zugleich die Gemeinwirtschaftlichkeit besonders herausgestrichen hatte, reduzierte sich die Obligation kaufmännischer Geschäftsführung auf die Wirtschafts- und Rechnungsführung, ohne daß die Deutsche Bundesbahn zu einem fiskalischen Unternehmen des Bundes geworden wäre. 188 Im Außenhandeln der Organe der Bundesbahn mußten deshalb die eigenwirtschaftlichen Interessen hinter den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zurücktreten. 189 Nach den Verkehrsgesetzen von 1961 190 und 1969 191 modifizierte der neugestaltete § 28 Abs. 1 BbG 1 9 2 die Grundsätze der Geschäftsführung: Unter Verantwortung ihrer Organe war die Deutsche Bundesbahn nicht mehr nur nach kaufmännischen Grundsätzen zu verwalten, sondern darüber hinaus wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen mit dem Ziel, daß die Erträge die Aufwendungen einschließlich der erforderlichen Rückstellungen deckten, die für die „beste Verkehrsbedienung" notwendig waren. Weiterhin wurde eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals angestrebt. Diese Formulierung, als Festlegung des Grundsatzes der Eigenwirtschaftlichkeit 193 gepriesen, änderte freilich nicht wesentlich die äußeren Grenzen, die der staatlichen Bundesbahnverwaltung im Hinblick auf freies Wirtschaften gezogen waren. Ähnlich wie in § 6 HGrG (§ 7 BHO), der über den engeren Bereich der Haushaltskontrolle, Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, hinausreicht 194, wurde ein
187
Dazu Forsthoff, in: Berkenkopf/ders., Die gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung der Deutschen Bundesbahn, S. 23. iss Bischoff, AöR 81 (42 n. F.) 1971, 62. 189 Finger, DÖV 1984, 712f.; Forsthoff, in: Berkenkopf/ders., Die gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung der Deutschen Bundesbahn, S. 23. 190 Gesetz v. 1. 8. 1961, BGBl. I, S. 1161. 191 Gesetz v. 6. 3. 1969, BGBl. I, S. 191. 192 „Die Deutsche Bundesbahn i s t . . . wie ein Wirtschaftsunternehmen mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung nach kaufmännischen Grundsätzen ... zu führen ... In diesem Rahmen hat sie ihre gemeinwirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen". Vgl. in engem Zusammenhang damit auch die Regelung der Ausgleichsleistungen in § 28 a BbG. 193 Zu begründeten Zweifeln an der Funktionstauglichkeit dieser Verbindung Konow, DÖV 1973, 82 f. 194 Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 88; Wintrich, NVwZ 1989, 897 f. Zu Änderungen und Änderungsvorschlägen dieser Vorschriften vgl. den Überblick bei Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, S. 51 f.
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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haushaltspolitisches Gebot von Verfassungsrang 195 näher ausgestaltet, demgemäß staatliches Entscheiden von parlamentarischer Haushaltsaufstellung bis zu exekutivischer Haushaltsführung an die Wirtschaftlichkeit (und Ordnungsmäßigkeit) gebunden ist. 1 9 6 Diese Bindung an den ökonomischen Rationalitätsgrundsatz verschweißte Nutzenmaximierung und Kostenminimierung mit der Sorge um ein angemessenes Verhältnis zwischen öffentlichem Mitteleinsatz und sozialem Nutzen. 197 Folglich mußten die Maßnahmen der Bundeseisenbahnverwaltung so gestaltet sein, daß die mit ihnen beabsichtigte Weitsteigerung durch die Realisierung des Zieles „beste Verkehrsbedienung" den dafür erforderlichen Mitteleinsatz zu rechtfertigen vermochte. 198 Das Verkehrsbedürfnis stellte die notwendige Verknüpfung mit dem Markt her. Solange die Leistungen der Verwaltung diese allgemeinen Bedürfnisse befriedigten, war die Nutzenseite des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes ausgeglichen.199 Jenseits des „Rationalitätsprinzips der Wirtschaftlichkeit" und jenseits eines erkennbaren Verkehrsbedürfnisses bestand deshalb für den Bund keinerlei Verpflichtung 200 , die „Bundeseisenbahnen", welche ihm gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. als Verwaltungsleistung überschrieben waren, vorzuhalten. Eigenständige Bedeutung sollte der Grundsatz der Eigenwirtschaftlichkeit jedoch darüber hinaus idealiter dadurch erlangen, daß nach Neufassung des § 28 BbG der Aufgabenumfang der Deutschen Bundesbahn und die Art und Weise ihrer Erfüllung ihre Grenze in den selbst erwirtschafteten Erträgen zu finden hatten. Mit den vom „Unternehmen" Deutsche Bundesbahn unter Berücksichtigung gemeinwirtschaftlicher Belange erzielten Erträgen sollte möglichst weitgehend kostendekkend die gemeinwirtschaftliche Aufgabe erfüllt werden. Für den Fall, daß sich eine defizitäre Rechnungslegung abzeichnete, hätte demnach dem Bund grundsätzlich das Recht zugestanden, seine im Interesse des Gemeinwohls zu erfüllende Aufgabe einzuschränken. 201
195
Schmidt-Aßmann/Fromm,
Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn,
S. 91. 196
Fischer-Menshausen, in: v. Münch /Kunig, GG-Kommentar, Art. 114, Rn. 3 und 17; Wintrich, NVwZ 1988, 897. Zur Durchbrechung der Haushaltsgrundsätze infolge der Organisation als Sondervermögen Stumpf, Die Deutsche Bundesbahn im Haushaltsrecht, S. 16 ff. w „Kosten-Ertragsausgleich", vgl. Böttger, ZfVerkehrswiss. 42 (1971), 178. 198 Fischer-Menshausen, v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 114, Rn. 18; SchmidtAßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 89. i " Ausführlich dazu Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 90. 200 Letztlich auch kein Recht, vgl. Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 91, Fn. 222 und S. 112. 201 Konow, DÖV 1973, 79.
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Teil 1 : Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
c) Die Auflösung des Konflikts
zwischen Wirtschaftlichkeit
und Aufgabe
Fast schon ein Charakteristikum der Bundesbahn war somit der Konflikt zweier widerstreitender Pflichtenkreise - einerseits staatliche Leistungsverwaltung mit besonderem Daseinsvorsorgeauftrag 202, andererseits das Gebot zu (erwerbs-)wirtschaftlicher, zumindest defizitminimierender „Unternehmensführung". Sollten „die Wirtschaftslast zum Nachteil der Benutzer" oder „die Aufgaben der Daseinsvorsorge zum Nachteil des allgemeinen Bundeshaushalts" Vorrang haben?203 Bereits bei den Beratungen zur Weimarer Reichsverfassung hatte man darüber gestritten, welche Bedürfnisse vornehmlich und maßgeblich für die Verwaltung sein sollen, ob „die Bahnen mehr als gemeinnützige Anstalt oder als Einnahmequelle des Reiches zu behandeln seien" 204 . Von Art. 92 WRV, der die Verwaltung der Reichseisenbahnen „als selbständiges wirtschaftliches Unternehmen..., das Ausgaben ... selbst zu bestreiten ... hat", festschrieb, eindeutig zugunsten der Wirtschaftlichkeit gelöst, lebte der Konflikt unter dem Grundgesetz nicht zuletzt wegen der zwiespältigen Regelung in § 28 BbG wieder auf und verlieh der Deutschen Bundesbahn einen realiter nicht zu handhabenden Doppelcharakter 205, der sie von einer Entpolitisierung, wie sie bei der Deutschen Reichsbahngesellschaft vollzogen wurde 206 und dieser zu Erfolg verhalf, weit entfernte. 207 Zu Recht wurde das Bundesbahngesetz deshalb als ein Gesetz kritisiert, das es stillschweigend unterließ, Verantwortungsbereiche abzugrenzen und der Deutschen Bundesbahn letztlich „den Schein einer Autonomie, aber auch nur den Schein" verlieh. 208 Daß sich während der reichlich vierzigjährigen Existenz der Konflikt zwischen dem staatlichen Leistungsauftrag und dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht recht bändigen ließ, hängt wohl eng mit der schon geschilderten Auffassung zusammen, die grundgesetzliche Eisenbahnverfassung a. F. habe lediglich eine generelle Kompetenzzuweisung statuiert. Manche wollten sich nicht damit abfinden, daß der Grundgesetzgeber, indem er die Bundesbahnen der unmittelbaren Bundesverwaltung unterstellte, sich gegen die zweite Alternative der bundesmittelbaren Verwaltung „durch ... Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts", Art. 86 Satz 1 GG, und damit auch gegen die typischen Formelemente mittelbarer Staats202 Vgl. zusammenfassend Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 242 f. Vgl. auch Teil 3 §71.1. b. (1) (a). 203 Die Frage wurde in regelmäßigen Zeitabständen immer wieder gestellt: Schmidt, NJW 1964, 2390ff.; Finger, DOV 1984, 712ff. „Gemeinwirtschaftlichkeit und Eigenwirtschaftlichkeit..."; ders., DÖV 1985, 227ff. „...Spannungsfeld..."; Lecheler, NVwZ 1989, 834 ff. „.. .Art. 87 11 GG - Fessel oder Richtschnur...". 204
Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 92, Anm. 1. „Janusköpfige Rechtsgestalt" tituliert Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 166. 206 Hierzu und zu weiteren Vorzügen der „neuen Organisationsformen" Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 121 f. 2 07 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 443. 2 08 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 444. 205
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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Verwaltung: Selbstverwaltung, kein Weisungsrecht, sondern bloße Rechtsaufsicht 209 entschieden hatte. Deshalb wurde auch die Lösung des Streits, die das Grundgesetz vorschrieb, gerne negiert: Anders als die Verfassung der Weimarer Republik hatte sich das Grundgesetz eindeutig zugunsten der gemeinwohlorientierten Zielverfolgung der Bahn entschieden: Das implementierte bereits die Wahl der mit dem Bund am engsten verwobenen Form der Bundesverwaltung. Denn die gerade beschriebene Möglichkeit, das Leistungsspektrum der Bundesbahn im Interesse der Wirtschaftlichkeit zu reduzieren 210, fand seine Grenze stets dort, wo die VerwaltungsVerpflichtung begann.211 Das öffentliche Interesse, das regelmäßig mit der Aufnahme staatlicher Eisenbahnbetriebe bekundet wurde 212 , hatte damit nach 100 Jahren endgültig die Gewinnerzielungsabsicht verdrängt. Im Vordergrund stand stattdessen die Fürsorge für eine zeitgemäße Verkehrsbedienung als unentbehrliche Grundlage des modernen Gemeinschaftslebens. 213 Kam es also bei der Durchführung der der Bundesbahn übertragenen Aufgaben zum Widerstreit der beiden Pflichtenkreise, Sonderhaushalt und öffentliche Daseinsvorsorge, so mußte dieser - grundsätzlich - zugunsten der politischen und sozialen Verpflichtungen der Bundesbahn gelöst werden. 214 Die Aufgabe herkömmlicher Verwaltungsleistungen durfte nicht mit Argumenten der Erwerbswirtschaftlichkeit begründet werden. 215 Damit war dem politisch vielleicht oftmals erwünschten Vorrang des Wirtschaftlichkeitsgedankens vor der Aufgabe, die Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG beschrieb, dauerhaft der Boden entzogen.
209 Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 86, Rn. 40: „typischerweise", „in Regelfällen"; Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 104, Fn. 251. 210 Vgl. §31.3. b.
211 Vgl. §31. 3. a. 212 Vgl. bereits oben Fn. 129. 213 Kruchen, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 58; Lecheler, NVwZ 1989, 835; Schmidt, NJW 1964, 2390; Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. l l l f . : „Leistungsmaximierung" anstelle von „Gewinnmaximierung". 214 Schmidt, NJW 1964, 2393f. Vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 24. 8. 1987-4 Β 129/87, DVB1. 1987, 1267 (1268): „Durch die Aufgabenzuweisung wird die vorrangige Ausrichtung ... der DB auf Gründe des gemeinen Wohls bekräftigt." Die „gemeinwirtschaftliche Aufgabe im Rahmen einer an kaufmännischen Grundsätzen orientierten Wirtschaftsführung zu erfüllen ... die möglichst zu verbessernde Rentabilität der Deutschen Bundesbahn ist nicht Selbstzweck, sondern dient der Sicherung ihres Bestandes im Interesse des gemeinen Wohls". 215 Lecheler, NVwZ 1989, 835.
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Teil 1: Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
II. Das Enteignungsrecht der Deutschen Bundesbahn zum Zwecke des Bahnanlagenbaus 1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Eisenbahnenteignungsrecht als Teil der Eisenbahnhoheit Die Enteignungshoheit und darin eingeschlossen die Befugnis des Staates, die Enteignungen gesetzlich zu regeln, selbst zu enteignen sowie die Berechtigung zur Enteignung zu verleihen, stand entwicklungsgeschichtlich bedingt ursprünglich nur den Ländern zu. Erst die Weimarer Reichsverfassung räumte dem Reich im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Kompetenz ein, Enteignungsnormen zu schaffen (Art. 7 Nr. 12 WRV). Für den Bereich der Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs 216, die vom Reich gemäß Art. 89 Abs. 1 WRV übernommen wurden, wies Art. 90 Satz 1 WRV dem Reich gesondert die „Enteignungsbefugnis" 217 (neben sonstigen staatlichen Hoheitsrechten) zu. Inzwischen umfaßte der Begriff zugunsten staatlicher Machtausübung auch die dem einzelnen Eisenbahnunternehmen nicht übertragenen, vorbereitend rechtsgestaltenden Verwaltungsakte. In Ausführung dieser Vorschriften entstand die fachplanungsrechtliche Enteignungsregel des § 38 im Reichsbahngesetz von 1924 218 , die sich an das in § 37 geregelte eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren anschloß. Da sich der Reichsgesetzgeber damit jedoch darauf beschränkte, nur Teilbereiche des Eisenbahnenteignungsrechts zu kodifizieren, galten im übrigen die Enteignungsgesetze der Länder fort. 2 1 9 Daran änderte sich vom Grundsatz her auch unter dem Grundgesetz zunächst nichts. Ebenso wie in der Weimarer Republik besaß der Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Kompetenz, die Enteignung zu normieren (Art. 74 Nr. 14 GG a. F.) 2 2 0 , soweit ein Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung bestand (Art. 72 Abs. 2 GG). 2 2 1 Unter Bezugnahme auf die Kompetenztitel Art. 73 Nr. 6 GG a. F. sowie Nr. 23 in Art. 74 GG a. F. war dem Bund somit grundsätzlich 216
Dazu Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reichs, Art. 90, Anm. 2. Zu dem im preußischen und Reichsrecht bis dahin unbekannten Begriff der Enteignungsbefugnis und dessen umfassender Interpretation zugunsten des Reiches, Staatsgerichtshof des Deutschen Reiches v. 30. 6. 1923, RGZ 107,409, 6 f. 217
218
Zu den Vorgängervorschriften und den Besonderheiten im Zusammenhang mit der später gegründeten, rechtlich selbständigen Reichseisenbahn-Gesellschaft, vgl. Fritsch, Handbuch der Eisenbahngesetzgebung, S. 45, Fn. 142 ff. 219 Ein im Dritten Reich geplantes Reichsenteignungsgesetz ist nie zur Ausführung gekommen, Radecke-Rehling, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 308. 220 „ . . . soweit sie auf den Sachgebieten der Art. 73 und 74 in Betracht kommt." Heutige Parallelvorschrift: Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG. 22 1 Ausführlich zu Art. 72 Abs. 2 GG Calliess, Die Justitiabilität des Art. 72 Abs. 2 GG vor dem Hintergrund von kooperativem und kompetitven Föderalismus, DÖV 1997, 893 ff.
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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die Enteignungsgesetzgebung im Bereich der staats- und - bei entsprechendem Bedürfnis - auch der nichtbundeseigenen Bahnen übertragen worden. Für die Bundeseisenbahnen machte der Bund von dieser Kompetenz in § 37 BbG Gebrauch, regelte dabei jedoch ähnlich dem früheren Reichsbahngesetz (§ 38) nur Teilbereiche des Eisenbahnenteignungsrechts, mit der Folge, daß auch hier im übrigen und ergänzend die Enteignungsgesetze der einzelnen Bundesländer anzuwenden waren. 222 Bezug genommen wurde wiederum auf das traditionell ebenfalls bundesrechtlicher Regelungskompetenz unterfallende Planfeststellungsverfahren 2 2 3 , das wie schon im Weimarer Reichsbahngesetz stets einer Enteignung vorzuschalten war.
2. Der Träger des Enteignungsrechts Gemäß § 37 BbG „hat(te)" die Deutschen Bundesbahn „das Enteignungsrecht" 224 . Aufgrund dieser Regelung behauptete sich die aus einer Fehlinterpretation der Enteignungsgeschichte225 gewonnene Auffassung 226, es werde das Enteignungsrecht von der Bundesrepublik Deutschland an die Deutsche Bundesbahn verliehen. 227 Per definitionem versteht die deutsche VerwaltungsWissenschaft seit Otto Mayer 228 unter der Verleihung, daß einem außerhalb der öffentlichen Verwaltung stehenden privaten Rechtssubjekt ein Stück öffentlicher Verwaltung übertragen ist, damit dieses es in eigenem Namen ausübt. 229 Da die unmittelbar vom Bund verwaltete Deutsche Bundesbahn keine eigene Rechtspersönlichkeit besaß, bildeten Staat und Staatsbahn realiter folglich nur ein einziges Rechtssubjekt. Demnach war die Deutsche Bundesbahn kein Privater, dem öffentliche Verwaltung aufgebürdet wurde. Und die ohnehin schon bundeseigene Verwaltung mit einem Teil der öffentlichen Verwaltung zu beleihen - ein Ding der Unmöglichkeit. Träger des Enteignungsrechts war damit allein der Bund. § 37 BbG, der die Ausführung der Enteignung lediglich auf eine rechtlich unselbständige Untergliederung delegierte, änderte daran nichts. 222
Insbesondere hinsichtlich des Verfahrens sowie Art und Ausmaß der Entschädigung mußten die Landesenteignungsgesetze ergänzend herangezogen werden. 223 Zur Herleitung BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1969-2 BvF 1/64, E 26, 339 (370 f., 373 ff.). 224 Hier das aktive, nicht das passive Enteignungsrecht; zum passiven Enteignungsrecht, den Bestimmungen zum Enteignungsschutz des Bundesbahnvermögens, Koch, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 176 mit Verweis auf S. 149 ff. 22 5 Dazu §1 vgl. auch Teil 3 §7 III 1. a. (1). 226 Vgl. nur Radecke-Rehling, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 310 f. 227 Unkritisch Born / Herrlein, Die Bundesbahn 1986, 201.
228 Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 243. 229
Maurer, abgaben, S. 97.
Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 56ff.; Wieland,
Die Konzessions-
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Teil 1: Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
3. Die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 14 Abs. 3 GG a) Das Gemeinwohlerfordernis Ausdrückliche Erwähnung fand die Voraussetzung, daß das enteignungserhebliche Vorhaben gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 dem gemeinen Wohl dienen muß, in der einfachgesetzlichen Enteignungsermächtigung des § 37 BbG nicht. Stattdessen nahm der Bundesgesetzgeber in § 37 Abs. 1 Satz 1 BbG auf die Aufgabe der Deutschen Bundesbahn Bezug, indem er nur „zur Erfüllung" derselben überhaupt Enteignungen vorsah. Diese der Bundesbahn bereits durch ihre Verankerung in Art. 87 Abs. 1 GG übertragene Aufgabe ließ sich wegen der allseits staatlichen Trägerschaft als eine öffentliche charakterisieren, die in bundeseigener leistender Verwaltung besorgt werden mußte. Da entscheidendes Begriffsmerkmal der öffentlichen Aufgabe stets die Verwirklichung des gemeinen Wohls darstellt, indizierte also bereits die Bezugnahme auf die Aufgabe, daß sich das Wohl der Allgemeinheit bei der Aufgabenerfüllung realisierte. 230 Dieses der Aufgabe zu entnehmende Gemeinwohl rechtfertigte in Umfang und Intensität - lagen die sonstigen Enteignungsvoraussetzungen231 vor - eine Enteignung.
b) Das enteignungsfähige Vorhaben: Der Bau oder die Änderung von (Bundes-)Bahnanlagen § 37 BbG formulierte zum einen das Erfordernis, daß das enteignungsnotwendige Vorhaben für die Erfüllung von Aufgaben der Bundesbahn bestimmt sein müsse. Zum anderen knüpfte die Vorschrift das Enteignungsrecht an den Abschluß eines Planfeststellungsverfahrens nach § 36 BbG und begrenzte somit den Umfang des Rechts zur Enteignung: Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BbG durfte nur für solche Vorhaben enteignet werden, die den Bau bzw. den Ausbau von „ Anlagen der Deutschen Bundesbahn " (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BbG) zum Gegenstand hatten. Der Begriff der Bahnanlage spielte nicht nur für die Frage der Enteignung seit den Anfängen der Eisenbahn eine entscheidende Rolle. 232 Ließ sich ein Vorhaben unter diesen Begriff subsumieren, so war es der üblichen bauplanungsrechtlichen Prüfung enthoben (§ 38 BauGB) und konnte im Rahmen des bundesbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens überprüft sowie gegen entgegenstehende Be230 Bischoff, AöR 81 (42 n. F.) 1971, 76; Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 37 BbG, Anm. lb): „wird in § 37 Abs. 1 Satz 1 i.S. von Art. 14 Abs. 3 GG authentisch festgestellt 231 Im folgenden §3 II 3 b. und c., vgl. auch Teil 3 §71. 232 Einen kompakten historischen Überblick zur Entwicklung des Bahnanlagenbegriffs geben Kühlwetter, in: Blümel / Kühl wetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 14 ff.; Ronellenfitsch, in: Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts II, S. 217 ff.
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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lange abgewogen werden. Am Ende stand ein Planfeststellungsbeschluß mit umfassender Konzentrationswirkung, § 75 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwVfG. 2 3 3 Von Interesse ist der Begriff der Bahnanlage im Zusammenhang der Fachplanung auch in Abgrenzung zu dem heute gebräuchlichen Begriff der Betriebsanlage der Eisenbahn (§18 Abs. 1 AEG n. F.). Auffällig ist, daß der Bahnanlagenbegriff in der Praxis gestützt durch die Rechtsprechung traditionell weit ausgelegt wurde. 2 3 4 Eine Erklärung findet diese weite Auslegung des Bahnanlagenbegriffs wohl rechtstechnisch in der friedensstiftenden und bestandsschützenden Wirkung des Planfeststellungsbeschlusses 235, sachlich aber im Gemeinwohlauftrag (vgl. Art. 87 Abs. 1 GG a. F.). Das Bundesverwaltungsgericht 236 hielt im wesentlichen an der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht 237 geprägten Praxis fest. 238 So fielen unter Bahnanlagen nicht nur solche Anlagen, ohne die kein Bahnverkehr stattfinden konnte, die also ganz unmittelbar der Abwicklung des Fahrbetriebs dienten, sondern wissenschaftliche Literatur und Rechtsprechung zählten weitestgehend auch alle Anlagen dazu, die der Abwicklung des „äußeren Eisenbahndienstes" nützlich waren 239 , also nur gegebenenfalls für den Betrieb der Bahn benötigt wurden, ihm aber potentiell zu dienen bestimmt waren: vom Schienenkörper und den Bahnstromleitungen 240 angefangen über Bahnhofshallen 241, Fahrkartenausgaben, Gepäck- und Güterabfertigungsstätten 242 bis hin zu Zufahrtswegen 243, Park- 244 und Lagerplätzen 245 233
Zu den Rechtswirkungen Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 36 BbG, Anm. 17. Abgesehen von den in jüngerer Vergangenheit insbesondere im Verhältnis zum gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht und der darin enthaltenen Selbstverwaltungsgarantie aufgetretenen neuen Abgrenzungsschwierigkeiten, vgl. BVerwG, Beschl. v. 23. 3. 1993-7 Β 126.92, DÖV 1993, 826f.; ebenso Urt. v. 16. 12. 1988-4 C 48.86, E 81, 111 (115ff.); Vgl. auch VGH München, Beschl. v. 19. 11. 1985-20 CS 85 A.2304 u. a., NVwZ 1986, 679 f.; außerdem Birk, NVwZ 1989, 905 ff. 235 Vgl. daneben auch die Bedeutung des Begriffs der Bahnanlage im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht, § 38 BbG. 23 6 BVerwG, Urt. v. 29. 8. 1961 - 1 C 167/59, DVB1. 1962,178. 237 Vgl. PrOVG, Urt. v. 6. 10. 1932 - IV C 78/32, E 90,400 (402 f.). 238 BVerwG, Urt. v. 29. 8. 1961 - 1 C 167/59, DÖV 1962, 142 (144). 234
239
Bender, VerwArchiv 83 (1992), 581 f.: Nicht lediglich „innerer Eisenbahndienst"; Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 36 BbG, Anm. 2a); Koch, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 160; Wegener, DÖV 1996, 308. 24 0 So VGH Kassel, Urt. v. 7. 1. 1986-2 UE 2855/84, NVwZ 1986, 680ff.; VGH München, Beschl. v. 19. 11. 1985-20 CS 85 A.2304 u. a., NVwZ 1986, 679 f. 241 Die Zugehörigkeit des Bahnhofs zu den Bahnanlagen vorausgesetzt hat BVerwG, Beschl. v. 23. 3. 1984-4 Β 43/84, NVwZ 1984,723. 242 Differenziert dazu Bender, VerwArchiv 83 (1992), 583 ff. 243 Sich auf den Grundsatz der Problembewältigung berufend BVerwG, Urt. v. 6. 11. 1988-4 C 66/78, E 64, 202 (207). 244 Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 36 BbG, Anm. 2b); Schirmer, BayBVl. 1992, 514f. insbesondere auch zu dem Problem des bahnfremden Gebrauchs von Park+Ride-Fläche. Ihre
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Teil 1: Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
sowie den für den Güterumschlag notwendigen Flächen 2 4 6 . Als für die Zuordnung zur Bahnanlage maßgeblich sah man vor allem die Verkehrsfunktion und den räumliche Zusammenhang der Anlage mit dem Eisenbahnbetrieb a n 2 4 7 , allgemein auch als Eisenbahnbetriebsbezogenheit bezeichnet. 2 4 8 Nur wo diese tatsächlich nicht zu konstruieren war, bei Vorhaben, die in keinerlei direktem funktionalen Zusammenhang mit dem Bahnbetrieb standen und sich von den Bahnanlagen sowohl tatsächlich als auch rechtlich trennen l i e ß e n 2 4 9 , wie ζ. B. Bahnhof sVorplätze 250 , Spielhallen 2 5 1 und Schrottplätze bzw. die funktionell vorgelagerte Zerkleinerungsanlage für den Schrott 2 5 2 , erfuhren eine andere Beurteilung. Sie mußten folglich bauplanungsrechtliche Genehmigungsverfahren durchlaufen. 2 5 3 Wegen dieser rein funktionsgeleiteten Interpretation des Bahnanlagenbegriffs blieb eine theoretisch bedeutsame Frage stets unbeantwortet. Denn abschließend geklärt wurde nie, ob mit den von § 36 Abs. 1 Satz 1 BbG für die Planfeststellungsfähigkeit des Vorhabens vorausgesetzten „Anlagen der Deutschen Bundesbahn", an die wohlmerklich auch § 37 BbG hinsichtlich der Enteignungsbefugnis anknüpfte, tatsächlich nur solche gemeint waren, die i m Eigentum der Deutschen ausschließliche Nutzung durch Bahnkunden als eine Voraussetzung des Bahnanlagenbegriffs lehnt er im Ergebnis jedoch ab und plädiert somit ebenfalls für einen weiten Bahnanlagenbegriff. Enger dagegen VGH Mannheim, Urt. v. 24. 2. 1989-5 S 958/88, NVwZ 1990, 585. Parkplatzanlagen ließen sich nach Auffassung des Senats nur dann unter den Bahnanlagenbegriff subsumieren, " wenn sie ersichtlich von der Deutschen Bundesbahn betrieben werden, in räumlicher Nähe zu einem Personenbahnhof stehen und dazu bestimmt sind, Kraftfahrzeuge von Reisenden aufzunehmen". 245 OVG Münster, Beschl. v. 15. 3. 1974 - Χ Β 32/74, DÖV 1974,564 (565). 246 BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988-4 C 48.86, E 81, 111 (113f.). 247 Kühlwetter, in: Blümel/ders., Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 20 f. insbesondere auch zur Ausweitung des Tatbestandselements der dienenden Funktion durch die Einführung eines zweiten Anlagebegriffs - Nebenbetriebe, § 41 Abs. 1 BbG. 248 Ferraz, in: Blümel, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, S. 234. 249 Ronellenfitsch, in: Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts II, S. 242. 250 OLG Oldenburg, Urt. v. 21,11,1972-1 Ss 245/72, NJW 1973, 291; OLG Hamm, Urt. v. 7. 8. 1973-3 Ss 56/73, NJW 1973, 2117; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7. 7. 1977-3 Ss (Β) 2/77, NJW 1978, 284; a.A. Dernbach, NJW 1975, 679f. 251 OVG Münster, Urt. v. 6. 10. 1988-4 A 2966/86, GewArchiv 1989, 128 (130): „Der geplanten Spielhalle fehlt der funktionale Bezug zum Betrieb der Eisenbahn, weil Spielbetrieb - mögen sich hieran durchaus auch Bahnreisende beteiligen können - in keinem inneren Zusammenhang mit der Funktion ... als Transport- und Verkehrsunternehmen steht ... Eisenbahnbetriebsspezifische Bedürfnisse werden durch den Spielhallenbetrieb ungeachtet der gestiegenen Ansprüche des Bahnreisenden an das in einem Bahnhof befindliche Warenund Dienstleistungsangebot nicht befriedigt". 252 BVerwG, Urt. v. 7. 6. 1977 - I C 21.75, DÖV 1978, 49 (50). Dazu auch Bender, VerwArchiv 83(1992), 582 f. 253 Vgl. ζ. B. SB-Lebensmittelladen, BVerwG, Beschl. v. 15. 4. 1987-4 Β 60/87, NVwZ 1987, 1080, wenn er nicht von der fachplanungsrechtlichen Zweckbindung der Nachbaranlagen geprägt wurde, ebenso BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988-4 C 48/86, E 81, 111 ff.
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
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Bundesbahn stehen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 1 BbG, der von Anlagen der Deutschen Bundesbahn sprach, die selbst in § 1 desselben Gesetzes als nichtrechtsfähiges, von der Bundesrepublik Deutschland verwaltetes Sondervermögen definiert wurde, liegt es nahe, bei der „Anlage der Deutschen Bundesbahn" eine tatsächlich im Eigentum der Deutschen Bahn stehende Einrichtung (von Grundstücken über Bauten bis hin zu sonstigen ortsfesten technischen Anlagen) zu vermuten. Statt aber die eigentumsrechtlichen Verhältnisse zu erörtern, genügte es der Praxis, nur an die auf den Bahnbetrieb bezogene Funktion der Anlage abzustellen, so daß selbst Anlagen Dritter den Status einer solchen Bahnanlage hätten erlangen können. 254 Mangels konkurrierender anderer, bundesgesetzlich mit einer solchen Befugnis ausgestatteten nichtbundeseigenen Eisenbahnen blieb dieses Prüfungsdefizit jedoch ohne praktische Auswirkungen.
c) Die Verhältnismäßigkeit
der Enteignung
Das Bundesbahngesetz verlangte für die Enteignungsfähigkeit eines Vorhabens nicht nur einen Planfeststellungsbeschluß hinsichtlich des Baus, Ausbaus oder Betriebs von Bahnanlagen. § 37 Abs. 1 Satz 2 BbG enthielt mit der Klausel „soweit ... notwendig" eine weitere Begrenzung der Enteignungsbefugnis durch die Erforderlichkeit, die in dreierlei Richtungen wirkte: Zum einen war eine Enteignung nur insoweit für notwendig zu erachten, als der freihändige Erwerb und damit ein milderes, gleich geeignetes Mittel, scheiterte. 255 Die gütliche Einigung mußte zumindest versucht worden sein. 256 Soweit die Möglichkeit eines fairen Verhandlungsergebnisses über den freihändigen Erwerb unausgeschöpft blieb, bewirkte das den Ausschluß des Enteignungsrechts. Zum anderen - auch das eine Ausprägung der zweiten Stufe (Erforderlichkeit) des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - bedeutete „soweit ... notwendig", daß die Zwangsanwendung nur auf den Grund und Boden ausgedehnt werden durfte, der nach gescheiterter gütlicher Einigung über den zivilen Verkauf für das festgestellte Vorhaben tatsächlich unabdingbar war. 257 Schließlich sollte die Zweck-Mittel-Relation ferner dann nicht gewahrt sein, wenn dem Zweck auf andere Art und Weise als durch Entziehung des Eigentums Rech254 Für die Unbeachtlichkeit der Eigentumslage: Bender, VerwArchiv 83 (1992), 586; Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 36, Anm. 2.a); ders., Eisenbahngesetze - 4. Aufig., § 36 BbG, Anm. l.c); Koch, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 160: maßgeblich seien stattdessen Zweckbestimmung und Ortsfestigkeit der Anlage; Wegener, DÖV 1996, 308. Vgl. auch Kühlwetter, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 21; BVerwG, Urt. v. 28. 8. 1961 - I C 167/59, DÖV 1962, 142 (144). 2 55 Zum Flurbereinigungs verfahren als milderes Mittel Born/Herrlein, Die Bundesbahn 1986, 202. 2 56 Sog. „Verhandlungsgebot" Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 37 BbG, Anm. 2c). Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1977-1 BvR 514/68 u. a., E 45, 298 (338). 2 57 Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 37 BbG, Anm. 2d).
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Teil 1 : Eisenbahngeschichte als Enteignungsgeschichte
nung getragen werden konnte, etwa durch die Einräumung dinglicher oder obligatorischer Rechte, sofern diese Maßnahmen den Betroffenen geringer belastet hätten. 258
I I I . Die Reform der Deutschen Bundesbahn und die Aufgabe der vordergründigen Gemeinwohlorientierung des Unternehmens - eine These Nachdem in den ersten einhundert Jahren zunächst die Verfechter privater Eisenbahnunternehmungen, später mehr die Protagonisten des öffentlich-rechtlichen Eisenbahnsystems ihre Interessen stärker durchzusetzen vermochten und nicht zuletzt dadurch auch das Gesetzessystem zur Regelung der Enteignungsmöglichkeiten weitgehend unabhängig von dem Umstand blieb, ob die Eisenbahn sich gerade in privater oder öffentlicher Trägerschaft befand, brachte das 20. Jahrhundert für die staatlich verwalteten und betriebenen Eisenbahnen eine jahrzehntelange Kontinuität. In der Bundesrepublik setzte sich das einst von Bismarck erträumte und zu Weimarer Zeiten für das Reich realisierte Staatsbahnensystem fort. Der Konflikt, der von Beginn an seinen Ausdruck in den widerstreitenden Gründen gefunden hat, die zugunsten des rein privaten oder des öffentlichen Systems vorgetragen wurden, schwelte jedoch als Konflikt zwischen der von Art. 87 Abs. 1 GG gewollten Gemeinwohldienlichkeit und der unter diesem Vorzeichen unerreichbaren Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn weiter. Kam es zur offenen Konfrontation der Interessen, mußte er wegen der Verpflichtung der öffentlichen Hand, dem gemeinen Wohl uneingeschränkt zu dienen, stets zugunsten der Gemeinwohldienlichkeit gelöst werden. Da sich diese aus der Verfassung ergab und deshalb auch der fachplanungsgesetzlichen Zielsetzung entsprach, war die Enteignungsmöglichkeit für die im weitgefaßten und insbesondere auch extensiv interpretierten Fachplanungsprivileg bezeichneten Anlagen der Deutschen Bundesbahn unproblematisch. Auf der einfachgesetzlichen Ebene weicht der im vorangegangenen Abschnitt thematisierte fachplanungsrechtliche Vorschriftenkanon, kraft dessen reichlich 40 Jahre zugunsten der Deutschen Bundesbahn privater Grund und Boden enteignet werden konnte, äußerlich nicht wesentlich von den in Teil 3 dieser Schrift eingehend zu besprechenden Neuregelungen des AEG ab, die nach dem tiefgreifenden Strukturwandel der Bahn 1993/1994 der Deutsche Bahn AG ein ebensolches „Handwerkszeug" zur Verfügung stellen sollten. Doch Teil 2 wird sogleich zeigen, daß die Veränderung der gesamten bisherigen Bahnstruktur nicht lediglich einen Organisationswandel bewirkte, sondern einem verfassungsrechtlich erzwungenen Regimewechsel gleichkommt, der zu einer gänzlich neuen Sicht des nunmehr geschaffenen Wirtschaftsunternehmens Deutsche Bahn AG führen muß. Denn die 258 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638/64 u. a., E 24, 368 (405).
§ 3 Enteignung als Hoheitsinstrument der Deutschen Bundesbahn
63
Strukturreform gründet auf einer Änderung des Verfassungsrechts, die eine Neuzuordnung innerhalb der zwei Grundfesten des deutschen Rechtssystems, dem öffentlichen und dem privaten Recht erforderte. Der überkommene rein öffentlichrechtliche Charakter des Eisenbahnwesens nämlich schien durch die veränderte wirtschafts- und gesellschaftspolitische Lage überholt, die staatliche Ressource Deutsche Bundesbahn259 nach reichlich vier Jahrzehnten reiner Gemeinwohldienlichkeit verbraucht. Ob und inwieweit diese Veränderung der gesamten Bahnstruktur hinsichtlich Führungsregime, Organisation und konkretem Aufgabengehalt auf verfassungsrechtlicher Ebene das einfach-gesetzliche Enteignungsrecht, das äußerlich weitgehend unverändert geblieben ist, beeinflußt, ob die der einst hoheitlichen Bundesbahn wegen ihrer Gemeinwohlfunktion zu Gebote stehende Enteignungsmöglichkeit inhaltliche Einschränkungen hinnehmen muß und inwieweit das einfache Recht sich dabei lediglich als ein verwaltungstechnisches Instrumentarium erweist, das konkreter inhaltlicher Anfüllung bedarf, sind Fragen, die im folgenden erörtert werden sollen. Sie stellen sich, weil die Entwicklung des Eisenbahnwesens einer Welle gleicht, auf der der Grundsatz der Gemeinwirtschaftlichkeit reitet. Empfindet man ihn staatlicherseits als Ehre, schwingt er sich empor. Doch er fällt zurück ins Wellental, wenn er, mehr gemeinwohlorientiert als wirtschaftlich verstanden, zur Last wird. Dann kann ihm theoretisch nur eine Umkehrung des Prinzips wieder auf die Beine verhelfen, die lautet: weniger Orientierung am allgemeinen Wohl, dafür aber verstärkte Übung in betriebswirtschaftlicher Unternehmensführung. Denn bis auf wenige Ausnahmen sind, wie die Geschichte erwiesen hat, Gemeinwohl und wirtschaftlich vernünftige Gewinnerzielung zwei widersprüchliche und schwer optimierbare Prinzipien. Eine Ausgleichslösung, bei der beide Interessen gleich gewichtet sind, existiert nicht. Die neue, grundgesetzlich verankerte Betonung der privatwirtschaftlichen Unternehmensführung müßte demnach etwas an der bislang alles überlagernden Gemeinwohldienlichkeit (der Eisenbahnen des Bundes) geändert haben. Selbst wenn die enteignungsrechtliche Regelungstechnik nahezu unverändert erscheint, können die inhaltlichen Anforderungen an Enteignungen, die heute zugunsten des reformierten Unternehmens durchgeführt werden, davon nicht unberührt bleiben.
259
Vgl. noch Art. 122 des Herrenchiemseer Entwurfs zum Grundgesetz, dazu Fn. 195.
Teil 2
Von der Staatsbahn zur Privatbahn Die Bahnreform Wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt, hatte sich der Staat im Laufe der Zeit der Eisenbahnversorgung als Staatsaufgabe angenommen. Auf Grundlage florierender Wirtschafts- und Finanzverhältnisse wurden Leistungssysteme und -angebote des Bundes, der Länder und Kommunen ausgebaut. Bedingt durch die finanzpolitische Realität, der die Bundesrepublik Deutschland insbesondere seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gegenübersteht, ist aber seit geraumer Zeit ein Wandel im Denken eingetreten; man besinnt sich, daß nicht notwendig alle Lebensbereiche, für die bisher staatliche Träger sorgten, auch weiterhin von staatlicher Seite bedient werden müssen. Vielmehr appelliert die Realität, in der der Staat insbesondere auch in den Bereichen der Grundversorgung an seine Kapazitätsgrenzen stößt, an ein dem liberalen Rechtsstaat ureigenstes Prinzip: stets ein Höchstmaß an gesellschaftlicher und bürgerlicher Freiheit, an Eigenverantwortung und Selbststeuerung zu fordern. 1 Dieser Grundphilosophie liberaler Rechtsstaatlichkeit gemein ist, daß es einer Kompetenz-Kompetenz eines übergeordneten Organs bedarf, das letztlich darüber entscheidet, ob im jeweiligen Einzelfall die Zuständigkeit des Staates zurückgedrängt oder zumindest begrenzt werden soll.2 Diese Rolle steht - abgesehen vom Bundesverfassungsgericht - in Anbetracht des Demokratieprinzips in der Regel nur dem Gesetzgeber, bei verfassungsrechtlich verankerten Aufgaben der Hoheitsverwaltung sogar nur dem verfassungsändernden Gesetzgeber zu.3 Wie Verfassungs- und Gesetzgeber die Rückkehr zu den Grundsätzen einer stärker staatsfreien Wirtschaftsordnung im Eisenbahnwesen eingeleitet und gestaltet haben, welche Verpflichtungen des Staates übrig geblieben sind, ist Gegenstand dieses Kapitels. Im Zentrum der Darstellung des Reformprozesses und der Interpretation der (verfassungs-) rechtlichen (Sonder-) Bestimmungen steht der infrastrukturelle Bereich der Eisenbahn, der Sektor des neu gegründeten Unternehmens, der im Falle unternehmerischer Expansion Boden beansprucht und deshalb direkt mit möglichen Enteignungsvorhaben in Zusammenhang zu bringen ist. 1 Vgl. zum Gedanken der staatlichen Subsidiarität Dürig, JZ 1953, 198; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassung, 1968, S. 288 f. 2 Denn das Grundgesetz ist grundsätzlich wirtschaftsverfassungsrechtlich neutral, Erdmann, DVB1. 1998, 14 f., vgl. dazu auch Teil 3 § 71. l.b.(l) (c). 3 Vgl. Abschlußbericht „Schlanker Staat" Bd. 1, S. 46, 49.
§ 4 Beweggründe, Ziele und Inhalte der Bahnreform
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§ 4 Beweggründe, Ziele und Inhalte der Bahnreform I. Die Verdrängung leistungsstaatlicher Erklärungsmuster durch ökonomische Zwänge: Die nationalen Reformgründe Mit den Worten ,je mehr die Bahn fahrt, desto größer wird ihr negatives Geschäftsergebnis" beschrieb im Jahre 1992 der damals designierte Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahnen, Heinz Dürr, die aktuelle Situation der Deutschen Bundesbahn.4 Das Staatsbahnenkonzept ließ sich angesichts der durch die deutsche Einheit verursachten, zusätzlichen Kosten nicht mehr halten. Schon die Deutsche Bundesbahn hatte sich von den Altlasten des Zweiten Weltkrieges nie richtig erholt. Mit dem Zusammentreffen von Bundes- und Reichsbahn aber schien der Schuldenberg endgültig nicht mehr abbaubar, denn gerade letzterer waren im DDR-Staat Altlastensanierung und -Vorsorge weitgehend unbekannt geblieben. Hinzu gesellten sich Produktivitätsrückstände und Personalüberschuß 5, um nur einige der aus der Vereinigung erwachsenen Belastungen zu nennen. Die unaufhaltsam steigenden Finanzmittelzuweisungen des Bundes an seine Eisenbahnen hielten das wirtschaftliche Desaster nicht auf. Die Verschuldung war 1993 auf fast 70 Milliarden D M 6 angewachsen. Die Verluste bezifferten sich 1991 auf 11,8 Milliarden DM. Bei gleichbleibenden Strukturen prognostizierte man sogar eine Steigerung derselben bis zum Jahr 2000 auf 42 Milliarden DM. 7 Obwohl der Personenverkehr seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts insgesamt enorm zugenommen hatte, war der Schienenverkehr zu einem Nischenprodukt geworden. Der Marktanteil betrug im Personennahverkehr 1989 nur noch 4 %, im Fernverkehr ganze 6 %. Im Güterverkehr mußte die Bahn beispielsweise zwischen 1979 und 1989 12 % der Marktanteile an andere Konkurrenten abgeben.8 Finanzieren ließ sich das Projekt Bahn nur noch über immer höhere Kredite und folglich „zu Lasten künftiger Generationen": „Früher oder später (hätte) die Erfüllung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Eisenbahnaufgaben gegen Null tendiert." 9 Trotz aller Reformversuche 10 war die Bahn zu einem enormen „Haushaltsrisiko" 11 geworden. Der „Staat als Unternehmer" schien hier gescheitert zu sein. 12 4 Zitiert nach Lindenblatt/Gierse, ZfVerkehrswiss. 65 (1994), 149. 5 Reinhardt, ZGR 1996, 375. 6 Stand Jahresende1993, Benz, Die Verwaltung 28 (1995), 349, Fn. 46. Sie lag 1988 noch bei 43 Milliarden DM, Reinhardt, ZGR 1996, 375. 7 Gellner, Int. Verkehrswesen 44 (1992), 471; Graichen, ZögU 1994, 238. Dazu der Kommentar von Aberle, Int. Verkehrswesen 44 (1992), 465. 8
Die Zahlen sind dem Bericht der Regierungskommission Bundesbahn 1991, S. 8-10 entnommen. 9 Reinhardt, ZGR 1996, 378. 10 Ein Abriß wesentlicher bahnpolitischer Aktivitäten findet sich im Anhang bei Ellwanger, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 198 f. (140 f.).
» Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, 5 Pommer
ZHR 160 (1996), 525.
Teil 2: Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform
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Aus der Umkehrung dieses Desasters ergaben sich zwangsläufig die ökonomischen Ziele 13 , die mit der Strukturreform verfolgt wurden. Es galt, die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen durch ein wirksames Kostenmanagement zu erhöhen, das zu Einsparungen sowohl bei den Personal- als auch den Sachmitteln führen mußte, gleichzeitig aber auch die endogenen Potentiale der Gesellschaft mobilisieren sollte. 14 Mit Hilfe der Reformen gedachte man, die ehemaligen Staatsbahnen in die Lage versetzen zu können, am zu erwartenden, künftigen Verkehrswachstum stärker als bisher teilzuhaben. Nur im Vertrauen auf ökonomische Mechanismen sah man eine Chance, den Staat zu entlasten und die dem Bund durch die Eisenbahnen erwachsende Haushaltsbelastung auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. 15 Mit „Kostenentlastung" und „Leistungserstellung unter Wettbewerbsbedingungen" wollte man versuchen, die Enttäuschung über die nicht erfüllten Erwartungen an die Leistungsfähigkeit des Staates zu überwinden. Gerade den Folgen der Machbarkeitseuphorie der späten sechziger und frühen siebziger Jahre im Glauben, gesellschaftliche Prozesse seien planbar 16, und der in ihr begründeten Überforderung des Staatswesens wollte die Reform also nun entgegentreten. Diskutiert wurde sie bereits seit den frühen achtziger Jahren. 17 Richtig in Schwung kam sie aber erst wieder durch die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die der Beitritt der fünf neuen Länder herbeiführte, als der Staat auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gezwungen war, Produktivvermögen aus Volkseigentum in Privateigentum zu verwandeln. 18 Das Rezept war einfach: Man übertrug das Dogma des „marktwirtschaftlichen laissez-faire", das die Überführung des Volkseigentums in private Hände beherrschte 19, auf das Sanierungskonzept der Staatsbahnen.20 Auf diese Weise prägte die ganze Debatte - anders als 12 Reinhardt, ZGR 1996, 378. 13
Zu den rein politischen Zielen Ambrosius, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1994, 418. Bei den von Kilian/Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 189 genannten „Zielen" handelt es sich hingegen um Mittel, die notwendig sind, um die hier beschriebenen Ziele zu erreichen. 14
Vgl. Voßkuhle, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 50, der allerdings letztere Voraussetzung der Strukturverbesserung nur mit dem der heutigen Technisierung und Globalisierung nicht mehr gewachsenen Staat in Verbindung bringt, dem es an Expertenwissen und der Fähigkeit mangelt, mit grenzüberschreitenden Problemlagen fertig zu werden. - Richtigerweise ist das aber keine Frage der generellen (intellektuellen) Grenzen des Staates an sich, sondern seiner knappen Finanzlage geschuldet. Denn spräche man dem Staat die Fähigkeit, solcher Probleme Herr zu werden, vollständig ab, wäre seine legislative, der Gesellschaft den Überblick schuldende Kraft grundsätzlich in Frage gestellt. is Begründung des Gesetzentwurfes zum ENeuOG, BT-Drucks. 12/4609, S. 55. 16 Vgl. Hoppe, in: Isensee / Kirchhof, HdStR III, § 71, Rn. 2. 17 Vgl. dazu noch zurückhaltend Haar, ZögU 5 (1982), 151 ff. is Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 315. Zur Privatisierung des Volkseigentums Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IX, § 212, Rn. 6 ff. 19 Budäus, in: Gabler-Wirtschafts-Lexikon, SP-Z, S. 2468. 20 Vgl. dagegen noch die in den 50er Jahren entschiedene Abkehr von der rechtlichen Sicherung einer staatsfreien Sozial- und Individualsphäre, durch die der Staat in die „Lassallesche Nachtwächterrolle" schlüpfe, ζ. B. bei Dürig, JZ 1953,194.
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es noch zu Beginn der 80er Jahren möglich gewesen wäre 21 - ein wirtschaftsliberaler Leitgedanke, der auf Selbstregulierungsansätze baute.22 Motivation war neben dem Auf- und Ausbau des privaten Dienstleistungssektors nicht zuletzt auch, die politischen Entscheidungsträger zu entlasten, indem die Defizite von nun an zumindest ein Stück weit Bürgern und privater Wirtschaft zugewiesen werden konnten.23 Demgemäß gebührte grundsätzlich privater Initiative sowie privatem Eigentum der Vorrang vor staatlicher Zuständigkeit und staatlichem Eigentum und sollte marktgesetzlichen Mechanismen vertraut werden. 24 Aus dieser Sicht beschränkte jede Betätigung der öffentlichen Hand die Freiheit Privater und nahm ihnen faktische Handlungsmöglichkeiten. Deshalb war privates Wirtschaften nach Marktgesetzen effizienter als staatliches. Deshalb durften wirtschaftliche und politische Macht nicht in einer Hand sein, da sonst die für den Markt notwendige „Gewaltenteilung" zwischen Wirtschaft und Staat gefährdet war. Und deshalb konnten nach dieser Auffassung öffentliche Unternehmen auch nicht mit dem Ziel politisch instrumentalisiert werden, einen dritten Weg zwischen Markt- und Planwirtschaft zu erschließen.25 Da allein eine einmalige oder auch eine kontinuierliche Befreiung von finanziellen und personellen Altlasten bei unveränderter Struktur der Bundeseisenbahnen als Sondervermögen und Teil der öffentlichen Verwaltung zu keiner längerfristigen Sanierung der finanziell mehr als nur angeschlagenen Bahnen geführt hätte, hielt man eine solche irreguläre Entlastung nur unter der Prämisse für erfolgversprechend und damit auch rechtfertigungsfähig, wenn ein Unternehmen gebildet würde, das am Markt bestehen, wachsen und aus eigener Kraft verbesserte Bilanzen erwirtschaften könnte. 26 Von dieser Erkenntnis gefordert, suchten Bund als Bahneigentümer und Gesetzgeber nach den für einen Strukturwandel notwendigen Rahmenbedingungen, um Innovation und Leistungskraft des Schienenverkehrs nachhaltig zu steigern. 27 Freilich stand klar vor Augen, daß nicht eine unwesentliche, sondern nur eine komplette Umstrukturierung dem Verkehrsträger Schiene eine (letzte) Chance geben konnte.28
21
Zu den 80er Jahren aus wirtschaftspolitischer Sicht, insbesondere vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Strukturwandels Ambrosius, in: Voigt, Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat, S. 267 ff. 22 Voßkuhle, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 51. 23 Voßkuhle, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 50. Vgl. auch § 5 III. 24 Vgl. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 316. 25 Monopolkommission, Hauptgutachten 1988/89, Wettbewerbspolitik vor neuen Herausforderungen, 1990, Tz. 64 ff. 2 6 So die Vorschläge der Regierungskommission Bundesbahn 1991, S. 15. 2i BT-Drucks. 12/4609, S. 55. 28 Bericht der Regierungskommission Bundesbahn 1991, S. 12f.; Reinhardt, ZGR 1996, 383.
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Teil 2: Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform
Gleichzeitig traten wesentliche Gründe für die staatsunmittelbare Verwaltung der Bahnen - die Sicherheit des Verkehrs, die Sorge um die ausreichende Sonderbehandlung des natürlichen Monopols der Bahn sowie die Sicherung der ausreichenden und gleichen Verkehrsversorgung als Teil der Daseinsvorsorge - in den Hintergrund 29: teilweise, weil sich die marktpolitische Realität verändert hatte, zum Teil aber auch getragen von der wieder auflebenden Erkenntnis, daß Leistungserbringung durch Wahrnehmung staatlicher Regulierungsverantwortung ersetzt werden kann. Die gängigen Einwände konnten unter dem neuerdings geschärften Blick nicht mehr aufrechterhalten werden: So war regelmäßig mit Rücksicht auf die Sicherheit des Verkehrs 30 der Staatsbetrieb für vorteilhaft, wenn nicht sogar unabdingbar gehalten worden. Jedoch versteht sich von selbst, daß die verkehrstechnischen Sicherheitsstandards, speziell des Eisenbahnverkehrs unabhängig von strukturellen, organisatorischen Veränderungen des Betriebs immer oberstes Gebot der für die Erbringung von Verkehrsleistungen verantwortlichen Leistungsträger bleiben müssen.31 Doch schon die augenblickliche Diskussion um die Privatisierung von Polizeidienstleistungen auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr 32 zeigt beispielhaft, daß die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen bei Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen33 auch auf wettbewerblicher Ebene wirksam überwacht werden kann und im „kooperativen Rechtsstaat" des Grundgesetzes34 nicht mehr notwendig an staatliche Trägerschaft gekoppelt ist. Beweise dafür, daß bestimmte Sicherheitsstandards durch reine staatliche Regulierungsmaßnahmen gewahrt werden können, 29 Deregulierungskommission 1990/91, Anm. 144. In Anlehnung an die gesetzliche Einordnung des öffentlichen Verkehrs als zentrale öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge Steiner, in: Isensee/Kirchhof, HdStR III, § 81, Rn. 8, S. 1092. Allerdings sei dies keine aus dem Grundgesetz herzuleitende Notwendigkeit, vielmehr verhalte sich die Verfassung „verkehrspolitisch neutral", insbesondere handelt es sich bei dem Angebot von Verkehrsleistungen nicht um eine „genuine Staatsaufgabe" (Rn. 9); ders., in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht BT 2, § 10, Anm. 11. Isensee, in: ders. / Kirchhof, HdStR III, § 57, Rn. 153 und Fn. 273, macht deutlich, daß das Sozialstaatsprinzip ein Ziel des Staates markiert, nicht aber seine Aufgaben garantiert. Diese sind dem demokratischen Prozeß überantwortet. Allerdings zählt auch er den Verkehrsweg zur Erschließung des Staatsgebietes zu den heute (noch?) anerkannten notwendigen Staatsaufgaben (unter Berufung auf Krüger, Gegen eine Entstaatlichung der öffentlichen Wege, S. 36 f., der auf die existentielle Bedeutung des Weges für den Staat abhebt: „Ohne Wege wäre ein Staat überhaupt nicht vorhanden"). Dazu unten § 6 III. 2. a. 30 Als Regulierungsgrund bereits erwähnt in der „Begründung zum Gesetzentwurf, betreffend den Erwerb mehrerer Privateisenbahnen für den Staat" v. 29. 10. 1879, Anlage zu den Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses, Session 1879-80, Bd. I, S. 34 ff. Vgl. Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 401. 31 Vgl. dazu auch Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht BT 2, § 10, Anm. 6. 32 Grundlegend Krölls, GewArchiv 1997, 445ff.; Schulte, DVB1. 1995, 130ff.; Stober, NJW 1997, 889 ff. 33 Zum Stand der gesetzgeberischen Bemühungen Pitschas, DÖV 1997, 393 ff. 34 Vgl. dazu Ritter, in: Grimm: Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 73 ff.
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bieten die Flughafenkontrollen, die gemäß der gesetzlichen Anordnung zur Absicherung der Luftfahrt durchgeführt werden. Da ein Verkehrsdienstleister, der durch mangelnde Sicherheitsmaßnahmen auffällig geworden ist, sofort seine Reputation verliert, kann der Wettbewerb über die gesetzlich mögliche Gewährleistung bestimmter Sicherheitsanforderungen hinaus sogar zur Förderung der Sicherheit des Verkehrs auf der Schiene beitragen. Auch die faktische Monopolstellung der Bahn als schienengebundenes Transportmittel 35 und das damit begründete Marktversagen galten lange Zeit als Argumente für Leistungserbringung in staatlicher Eigenregie. Kennzeichen des sog. natürlichen Monopols sind spezifische Kostenstrukturen: Wegen der Komplexität und Unteilbarkeit des Produkts kann ein Anbieter die gesamte an einem Markt nachgefragte Menge kostengünstiger produzieren als mehrere Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen.36 Träten mehrere Anbieter auf, würden Ressourcen unnötig verschwendet; volkswirtschaftlich wären parallele Investitionen in diesem Bereich unsinnig. Dieser Umstand verbunden mit den hohen Markteintrittskosten schreckt prinzipiell Anbieter ab, die potentiell dem Markt beitreten würden. Die Folge dieser vereinfacht dargestellten Ausgangslage ist, daß es an der disziplinierenden Wirkung der Konkurrenz fehlt. Wegen des nicht vorhandenen Wettbewerbs besteht die Gefahr, daß sich die vereinzelten Anbieter, die sich trotz der Eintrittshürde den Zutritt zum Markt verschaffen können, entsprechend der sog. „Rosinenpickertheorie" 37 lediglich auf lukrative Teilmärkte konzentrieren und Leistungen innerhalb dieser deshalb kostengünstiger als das gesamtwirtschaftlich agierende Unternehmen anbieten. Eine Regulierung dieses möglicherweise wohlfahrtsschädigenden Marktphänomens 38 liegt deshalb nahe, um den durch hohe Markteintrittsinvestitionen (versunkene Kosten) schon verengten Marktzutritt entweder zu erweitern oder aus volkswirtschaftlichen Effektivitätsgesichtspunkten so zu beschränken, daß aus dem natürlichen auch ein rechtliches und damit ein kontrolliertes Monopol entsteht. Dann muß der vor Konkurrenz gut gesicherte (Monopoi-) Anbieter außerdem gehindert werden, Marktmacht auszuüben. Das heißt, daß neben dem Marktzutritt auch z. B. das Preissetzungsverhalten, gegebenenfalls die angebotene Menge und Qualität des Produkts etc. einer staatlichen Kontrolle unterworfen werden müssen.39 35 Ebenfalls als Regulierungsgrund bereits erwähnt in der „Begründung zum Gesetzentwurf, betreffend den Erwerb mehrerer Privateisenbahnen für den Staat" v. 29. 10. 1879, Anlage zu den Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses, Session 1879-80, Bd. I, S. 34 ff. Vgl. Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 73 (1963), 401. 36
Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 59; Mankiw, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 339. Ausführlich zum natürlichen Monopol Windisch, Privatisierung natürlicher Monopole, 1 ff. 37 Klös, Öffentliches Infrastrukturmonopol - noch zeitgemäß?, S. 18. Dazu auch Montada, Int. Verkehrswesen 44 (1992), 477 f. 38 Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 61. 39 Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 60; vgl. auch zum Begriff des natürlichen Monopols Dichtl/Issing, Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, S. 1512; Woll, Wirtschafts-
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Teil 2: Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform
Die Frage, inwieweit die öffentliche Eisenbahn heute noch den das natürliche Monopol typisierenden Kostenverläufen (sinkende Durchschnittskosten i m Bereich des Schnittpunkts mit der Nachfragekurve und starke Verbundvorteile) unterliegt, ist wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen vorbehalten 4 0 und braucht hier nicht abschließend beantwortet zu werden. Die Antwort wird nicht zuletzt von der gebotenen Sichtweise abhängen, ob man ζ. B. die Eisenbahn als alleinigen Transporterbringer oder als Bestandteil der i m intermodalen Wettbewerb stehenden anderen Verkehrsträger, der Schiff- oder Luftfahrt, und des (Individual-)Verkehrs auf der Straße betrachtet. Definiert man einen relevanten Markt nur hinreichend eng, so steigt die Zahl der Unternehmen, die für bestimmte, eng umgrenzte Outputniveaus als natürliche Monopole anzusehen sind. Es mag deshalb wettbewerbspolitisch zweifelhaft sein, wie zahlreiche Studien allein auf die „economies of density", also auf die Auslastung des Schienennetzes als Kriterium, abzustellen. 41 Aus diesem Blickwinkel, der von technologischen Innovationen, die unter günstigen Umständen die ursprünglichen Kosten zu Kapitalgütern verwandeln können 4 2 , generell abstrahiert, fällt der Substitutionswettbewerb durch andere Verkehrsträger von vornherein heraus; als relevanter Markt gilt nur derjenige für Eisenbahnleistungen.
lexikon, S. 499. Zur Subadditivität der Kostenfunktion und den versunkenen Kosten Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 317 f. 40 Zum Beispiel Schneider, Die Privatisierung der Deutschen Bundes- und Reichsbahn, S. 118 ff. 41 Vgl. Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 68; kritisch auch Schneider, Die Privatisierung der Deutschen Bundes- und Reichsbahn, S. 117. Anders Ewers/Meyer, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 1994, 187 f.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 319. Zu den Gründen begrenzter Marktfähigkeit materieller Infrastruktur Michelbach, Probleme der Sanierung der deutschen Bundesbahn durch die Änderung institutioneller Rahmenbedingungen, 1984, S. 284ff.: Immobilität, Unteilbarkeit, erhebliche Ausmaße, Langfristigkeit der Anlage und überwiegende Irreversibilität sowie hoher Landschafts- / Ressourcenverbrauch. Anders noch § 27 des Preußischen Eisenbahngesetzes von 1838 (Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1838, S. 505, Nr. 35), der das Handelsministerium nach Ablauf einer Schonfrist von drei Jahren ermächtigte, konkurrierende Bahnen auf fremden Strecken zu konzessionieren, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen war, die Eisenbahnschiene sei eine durch diverse Unternehmer benutzbare Straße (Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 87). Da sich gemäß der zu damaliger Zeit aufkeimenden Lehre vom natürlichen Monopol keine Interessenten fanden, wurde eine solche Konzession jedoch nie erteilt, Fehling, AöR 121 (1996), S. 68. Bald galt deshalb als „gewohnheitsrechtlich anerkannt, daß nur ein Eisenbahnunternehmer den Betrieb auf der Schiene führte", Haustein, S. 87. 42 Beispiel Bahnoberstromleitungen: Die Stromversorgung der Bahn wird inzwischen eigenständig von einer GmbH übernommen, die ihr Netz derart zu erweitern beabsichtigt, daß durch einstige Bahnoberleitungen auch Strom für andere Abnehmer fließen kann. Damit könnte aus einem vormaligen Teil der Eisenbahninfrastruktur ein Energienetzkonkurrent werden. Es ist volkswirtschaftlich klug, ihm diese Möglichkeit nicht im Hinblick auf den Monopolschutz der Netzbetreiber zu untersagen. Zu den Konsequenzen der Mischnutzung von Leitungen Krüger, in: Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 57 ff.
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Jedoch verkennt diese Auffassung die tatsächlich marktbestimmenden Gegebenheiten: Vernachlässigt man die Binnenschiffahrt, die schon immer regulierend auf die Eisenbahnpreisgestaltung einwirkte 43 , entspricht die Beschränkung des Vergleichsparameters auf die Schiene allenfalls den Verhältnissen bis ca. 1920. Ab diesem Zeitpunkt beraubte der erste global ernst zu nehmende Substitutionswettbewerber, der Kfz-Individualverkehr, die Eisenbahnen der Möglichkeit, als alleiniger Transportanbieter monopolistisch überhöhte Preise zu diktieren, Verlader im Güterverkehr durch Werttarifierung zu diskriminieren und die Konsumenten abzuschöpfen, ohne Wettbewerbsdruck fürchten zu müssen. Auf dem Verkehrssektor allgemein aber haben die öffentlichen Eisenbahnen seither tatsächlich ihre Monopolstellung mehr und mehr an die Substitutionskonkurrenz verloren. 44 Es ist deshalb an der Zeit gewesen, daß sich die durch rein staatliche Organisation und Verwaltung protegierten und geschützten Eisenbahnen diesem Wettbewerb stellen 45 , die durch die rechtliche Monopolisierung hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden und der Wettbewerb unter den Verkehrsträgern intensiviert wird. 46 Eine Disziplinierung des gesamten Eisenbahnverkehrswesens ist aus dieser Perspektive nicht mehr gerechtfertigt. 47 Inwieweit trotz dieser Entwicklung die Sorge um volkswirtschaftlich unsinnige Parallelinvestitionen im Schienenwegebereich als Ausgangspunkt der Regulierung des natürlichen Monopols aus wettbewerbspolitischer Sicht begründet bleibt, kann an dieser Stelle dahinstehen. Es ist nicht mehr Gegenstand dieser Arbeit, den Streit auszutragen, ob auch fehlerhafte Parallelinvestitionen grundsätzlich einfach zum Markt gehören und es einem Willkürakt gleichkäme, diese hoher Fixkosten wegen von vornherein zu unterbinden 48 oder ob unsinnige, volkswirtschaftlich ineffektive und umweltpolitisch bedenkliche Doppelinvestitionen im Infrastrukturbereich durch spezifische Regulierungsmaßnahmen einzudämmen sind. Entscheidend ist hier lediglich, daß es funktionsfähige, akzeptable Lösungen außerhalb der staatlichen Leistungsverwaltung gibt 49 , wie die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs durch die Einführung von Mitbenutzungs43
Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 69 f. Interessant der von Finger, DÖV 1985, 229, in diesem Zusammenhang angestellte Vergleich von Bundesbahn und Bundespost. 45 Dazu, daß Beeinträchtigungen und selbst grobe Verstöße des europäischen Wettbewerbsrechts durch die nationalen Eisenbahnunternehmen der Mitgliedstaaten bis weit in die 80er Jahre hinein unbeanstandet blieben Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 27. Bereits Irsfeld/Posselt, Die Verwaltung 1978, 336. Vgl. auch die neue Verpflichtung des Bundes und der Länder in § 1 Abs. 2 AEG: (1) Angleichung der Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger, (2) Ermöglichung einer volkswirtschaftlich sinnvollen Aufgabenteilung durch lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger. 47 So und mit weiterführenden Nachweisen Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 71 ff. 48 Klös, Öffentliches Infrastrukturmodell - noch zeitgemäß, S. 19 f. 4 9 Lindenblatt/Gierse, ZfVerkehrswiss. 65 (1994), 151. 44
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Teil 2: Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform
rechten Dritter 50 bzw. die Mißbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes, um Monopolrenten bei der Trassenvergäbe zu verhindern 51 und die neuen Investitionen somit zu steuern 52, mit denen der längst fällige Übergang von der Monopol- zur Konkurrenzwirtschaft 53 zu bewerkstelligen ist. 54 Schließlich vermag auch der dritte Einwand gegen die Entstaatlichung des Eisenbahnwesens, die ausreichende und gleiche Verkehrsversorgung der Bevölkerung, nicht mehr zu überzeugen. Zwar harmonisierten Infrastruktureinrichtungen als „öffentlich gebundenes Kapital" hervorragend mit einer an der regionalpolitischen Zielsetzung der Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in Stadt und Land orientierten und vom Sozialstaatsprinzip getragenen Verteilungspolitik: Die Peripherie sollte infrastrukturell genauso gut bedient werden wie Ballungsgebiete. Die höheren Kosten, die dafür anfielen, mußten durch interne Umverteilungsprozesse, denen insbesondere Flächendeckungs-, Kontrahierungs- und Betriebspflichten 55 sowie eine Gebühreneinheit im Raum (§ 6 AEG, § 6 Abs. 3 EVO a. F.) diente, von allen mitgetragen werden. 56 Die Erhebungen der Deregulierungskommission ergaben jedoch, daß die Betriebspflicht „gerade dort gegenstandslos (wurde)..., wo sie eine Rolle spielen" konnte - nämlich im ländlichen Raum. Aus diesem hatte sich die von Defiziten gedrängte Bundesbahn mehr und mehr zurückgezogen.57 War die Verkehrsversorgung durch die Bahn eingestellt, half aber auch die Tarifeinheit im Raum nichts mehr. Staatliche Verwaltung bei leeren Kassen garantierte somit auch keinen Erfolg. Im übrigen hatten viele - im Ergebnis durch50 Fehling, AöR 121 (1996), 68. 51 Der ursprüngliche Gedanke des Bundes, über Art. 80 Abs. 2 GG ein hoheitliches Steuerungsinstrument für Benutzungsbedingungen und Entgelte und somit für eine faktisch staatliche Tarifierung zu erhalten, erwies sich als Trugschluß; Art. 80 Abs. 2 GG enthält keine Aussage zum Inhalt staatlicher Regelungsbefugnisse, sondern thematisiert lediglich die Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Vorschriften, Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 80, Rn. 30. Einer staatlichen Preisgestaltung steht bereits Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der EG-Richtlinie 91/440 entgegen, der den Betreiber zur Entgelterhebung berechtigt. Die Mitgliedsstaaten bestimmen lediglich die Modalitäten dieser Entgeltfestsetzung, also das Verfahren, nicht jedoch alle Einzelheiten hinsichtlich des zu erhebenden Nutzungsentgeltes, Schmuck, TransportR 1992, 47. Damit bestehen staatlicherseits Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tarife nur im Rahmen einer Wettbewerbsaufsicht hinsichtlich des diskriminierungsfreien Zugangs, Pieroth, in: Jarass/ders., Grundgesetzkommentar, Art. 80, Rn. 17; SchmidtAßmann/Röhl, DÖV 1994, 583. 52 Fehling, AöR 121 (1996), 60. 53 Beispielhaft der Wettbewerb im schienengebundenen Personennahverkehr in Niedersachsen FAZ Nr. 198 vom 27. 8. 1997, S. 6. 54 Fehling, AöR 121 (1996), 68. 55 Vgl. § 4, AEG sowie § 4 BbG, Kommentierungen dazu bei Finger, AEG/BbG-Kommentar unter den jeweiligen Paragraphen. 56 Klös, Öffentliches Infrastrukturmonopol - noch zeitgemäß?, S. 11. 57 Abgeordneter Daubertshäuser in der letzten Lesung der Grundgesetzänderung und des ENeuOG, Stenographische Berichte des Deutschen Bundestages, 12. Wahlperiode, 196. Sitzung, S. 16958 ff. (16963 A) „der ländliche Raum (ist) völlig vernachlässigt worden".
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aus begrüßenswerte - Sondertarife diese bereits derart stark untergraben, daß es schwerfiel, hier noch einen breiten ordnungspolitischen Grundsatz zu erkennen. 58 Erwähnenswert ist auch, daß in staatlicher Obhut Strecken stillgelegt wurden, jedoch für innovative Verkehrskombinationen, die wechselbezügliche Nutzung von Eisenbahn und Sammeltaxen, Bussen, Lastwagen etc., die gegebenenfalls in ländlichen Gebieten an die Stelle des ineffizienten schienengebunden Verkehrs hätten treten können, der Anreiz fehlte. 59 Allein die Absicht, die Bevölkerung flächendeckend mit Verkehrsangeboten zu versorgen, rechtfertigt nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte folglich ebenfalls nicht mehr die rein staatliche Leistungsverwaltung. Insgesamt ist festzustellen, daß eine ökonomischen Leitprinzipien folgende Verkehrsbewirtschaftung auch des ländlichen Raumes diesem Ziel - etwa mit Hilfe bestimmter Regularien für die Streckenstillegung 60 - ebenso gerecht wird. Dem besonderen Interesse an der Aufrechterhaltung einzelner Strecken läßt sich durch andere Instrumentarien - vor allem direkte Transfers, streckenbezogene Subventionen statt generellen öffentlichen Kapitaleinsatzes61 - Rechnung tragen.
II. Der europäische Einfluß Die Richtlinie der EG vom 29.07.1991 (91/440/EWG) Parallel zum Umdenken des deutschen Gesetzgebers gaben die europäischen Determinanten Anlaß für einen Strukturwandel. Mit der Richtlinie 91 /440 6 2 hatte die Europäische Gemeinschaft ein „Basisprogramm" aufgestellt, das als Leitfaden für das Reformprojekt diente 63 und hinter dessen Vorgaben man nicht zurückbleiben durfte. 64 Anfangs begegnete die Gemeinschaft ihrer verkehrspolitischen Aufgabe, verankert in Art. 3 f. (früher e), Art. 70-80, (ex-Art. 74-84) EGV, mit wenig Inter58
Deregulierungskommission 1990/91, Anm. 147. So verschiedentlich hervorgehoben in der 3. Lesung der Reformgesetze Stenographische Berichte des Deutschen Bundestages, 12. Wahlperiode, 196. Sitzung, S. 16958 ff. Vgl. auch Bahnvorstand Mehdorn zu den jüngsten Plänen, schlecht ausgelastete Zugverbindungen durch Busse zu ersetzen, FAZ v. 27. 1. 2000, Nr. 22, S. 22. 60 §6III.2.a, (3). 59
61
Klös, Öffentliches Infrastrukturmodell - noch zeitgemäß?, S. 12. Ausführlich zu den Steuerungsmöglichkeiten des Staates § 6 III. 2. a. (3). 62 Vom 29. 07. 1991, ABl. Nr. L 237/25 (24. 8. 1991), vgl. auch die Änderungsvorschläge der Kommission v. 19. 9. 1995, ABl. Nr. C 321/10f. (1. 12. 1995), v. 13. 12. 1997, ABl. Nr. C 124/25 (21. 4. 1997), v. 25. 11. 1999, KOM (1999) 616 endg., Vol I; zum Überblick Riegger, Wettbewerb im Eisenbahnverkehr, S. 98 ff.. 63 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 578; Seitz, EuZW 1994, 33. Zum Stand der Umsetzung in den Mitgliedstaaten eineinhalb Jahre später siehe Mitteilung der Kommission v. 19. 7. 1995, KOM (1995) 337 endg., Anhang B. 64 Wohl aber wollte das Gemeinschaftsrecht über das Geforderte hinausgehende Maßnahmen nicht verhindern, Magiera, in: Blümel, Verkehrswegerecht im Wandel, S. 47 ff.
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esse.65 Erst die vom Europäischen Parlament erhobene Untätigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof 66, dessen daraufhin gesprochenes Urteil den Rat verpflichtete, Maßnahmen zu ergreifen, um das Dienstleistungsfreiheitsgebor und somit auch das Diskriminierungsverfotf im Verkehrssektor zu verwirklichen, blies plötzlich Wind in die Segel einer gemeinsamen, aufeinander abgestimmten europäischen Verkehrspolitik (Art. 3 Abs. 1 f. [ursprünglich e] EGV) als Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinn des Art. 2 EGV. 67 Außerdem trieb bald darauf der in der einheitlichen Europäischen Akte vom 28. 02. 198668 festgeschriebene gemeinsame EG-Binnenmarkt 69 die Entwicklung an und stellte neue Anforderungen an den Verkehrssektor, weil dieser zum einen als Integrationsm/fte/ dient, das hilft, die Vertragsfreiheiten, insbesondere den freien Personen- und Warenverkehr zu verwirklichen. Seines bedeutenden Anteils an der Wirtschaftsleistung der Gemeinschaft wegen stellt er zum anderen aber auch einen wichtigen Integrationsgegenstand dar. 70 Und nicht zuletzt hat auch die Einführung des Abschnitts über die transeuropäischen Netze für die Bereiche Verkehr, Telekommunikation und Energie (Art. 154 ff. - Ex-Art. 129 b ff EGV) im Zusammenhang mit dem Maastrichter Unionsvertrag zu einer Änderung der Situation beigetragen.71 Ursprünglich standen freilich nur die Bereiche Straßenverkehr, Binnen- und Seeschiffahrt sowie die Luftfahrt im Mittelpunkt der von der Gemeinschaft angestrebten Liberalisierung. Weil Anreize für die europäischen Eisenbahnunternehmen fehlten, ihre technische Entwicklung im Sinne eines gemeinsamen europaweiten Verkehrsmarktes voranzutreiben und die historisch begründete Begrenzung der Eisenbahn auf die nationalstaatlichen Territorien 72 zu überwinden, boomte zwar der grenzüberschreitende Straßenverkehr; die Marktanteile der Eisenbahnen dage65 Grabitz, in: ders./Hilf, Kommentar zur EU, Art. 3 EWGV, Rn. 13; Jürgensen, UPR 1998, 12 f.; „ewige(s) Sorgenkind" Kilian/Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), S. 193, Fn. 64. Ein Überblick über die einzelnen verkehrspolitischen Aktivitäten der Gemeinschaft findet sich bei Frohnmeyer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU, Art. 74 EGV, Rn. 17 ff.; vgl. auch die Zusammenfassung bei Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 3 ff. 66 Rs 13/83 - Verkehrspolitik - , Slg. 1985, 1513. Urteil vom 22. 5. 1985, Slg. 1985, 1603. Im einzelnen dazu Grabitz, integration 1985, 103 ff.; zur verkehrspolitischen Bedeutung Erdmenger, EuR 1985, 378 ff. 67 Zusammenfassend Basedow, in: Herber, Das Deutsche Transportrecht an der Schwelle zum Europäischen Binnenmarkt, S. 155 ff. 68 ABl. Nr. L 169/1 vom 29. 06. 1987. 69 Zur Definition Art. 14 (ex-Art. 7 a) Satz 2 EGV. 70 Mit dem entsprechenden Zahlenmaterial Magiera, in: Blümel, Verkehrswegerecht im Wandel, S. 40. Zur mangelnden Eignung der nicht reformierten Bahnen für den europäischen Binnenmarkt Freise, in: Herber, Das Deutsche Transportrecht an der Schwelle zum Europäischen Binnenmarkt, S. 72 f. 71 Auch zu den unterstützend ergangenen Entscheidungen sowie der neuen Leitlinienentscheidung 1626/96 v. 23. 7. 1996 Jürgensen, UPR 1998, 13 ff. 72 Magiera, in: Blümel, Verkehrswegerecht im Wandel, S. 36.
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gen sanken stetig 73 , obwohl die Systemstärken der Bahnen gerade im sicheren Transport über mittlere bis längere Distanzen und damit im grenzüberschreitenden europäischen Verkehr liegen. 74 Dem Gemeinschaftsgedanken zum Trotz fielen noch in dieser Zeit Entscheidungen für völlig verschiedenartige elektrische Antriebsarten 75, anstatt das System Schiene zu vereinheitlichen. Erst als das immens gestiegene Verkehrsaufkommen auf Europas Straßen eine allgemeine Sensibilisierung für Umweltschutzfragen bewirkte, gleichzeitig die Bereitschaft der Staaten sank, die immer größer werdenden Verluste der Eisenbahnen aus dem ohnehin strapazierten Staatshaushalt zu decken76, befaßte sich die Gemeinschaft wieder mit dem Schienenverkehr und versuchte, die zögerlichen Zeichen des Umdenkens zu strukturieren. Die entscheidenden Impulse kamen von der Kommission. Sie trat angesichts der nachteiligen Wettbewerbsposition der Eisenbahnen in ihrer Mitteilung vom 1. 12. 1989 mit innovativen Vorschlägen für eine neue Eisenbahnverkehrspolitik an den Rat heran. 77 Ihre Ideen bildeten somit die Basis der nach einer umfassenden Eisenbahnstrukturreform strebenden Richtlinie 91 /440, die neben der Verordnung 1893/91 zur Änderung der Verordnung 1191 / 69 7 8 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßenund Binnenschiffs Verkehrs 79 1991 vom Rat verabschiedet wurde. Die Richtlinie 91/440 8 0 wandte sich gemäß ihrem Art. 16 an alle Mitgliedstaaten; bis zum Beginn des Jahres 1993 hatten diese die zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht notwendigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen (Art. 15 der Richtlinie). Als Ziel wurde deklariert, durch bestimmte struk73 Gegen Ende des 20. Jahrhunderts beläuft sich der Anteil der Eisenbahnen am Personenverkehr auf rund 6 %, am Güterverkehr auf 16 %, vgl. Weißbuch v. 30. 7. 1996, KOM (1996), 421 endg., S. 8.
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Schmuck, Die Eisenbahnen in der Gemeinsamen Verkehrspolitik der EG, TransportR 1992, 42. 75 Mitteilungen über eine Eisenbahnentwicklung der Gemeinschaft, abgedruckt im Rahmen der Beschlußempfehlungen und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, BT-Drucks. 12/701,12 und 18 (Abschnitt B: Kommissionsprogramm). 7 6 So die Einschätzung der Kommission, Weißbuch v. 30. 7. 1996, KOM (1996), 421 endg., S. 9, Anm. 14. 77
ABl. Nr. C 34/8 v. 14. 02. 1990, geändert in ABl. Nr. C 87/7 v. 04. 04. 1991. Vom 26. 6. 1969, ABl. Nr. L 156/1 v. 28. 06. 1969. 79 Vom 20. 6. 1991, ABl. Nr. L 169 (29. 08. 1991). Auf die Verordnung wird im Rahmen der Abhandlung nicht näher eingegangen, eine umfangreichere Erläuterung ihrer Wirkungen für das Eisenbahntransportrecht bieten F reise, in: Herber, Das Deutsche Transportrecht an der Schwelle zum Europäischen Binnenmarkt, S. 74 f.; Fromm, TransportR 1992, 256 ff.; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 12 ff. 78
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Die gemäß ihrem Art. 13 zur Aufhebung der Entscheidung des Rates 75/327, ABl. 1975 L 152/3, führte, vgl. zur Frage der Aufhebung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft Haratsch, EuR 33 (1998), 387 ff.
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turelle Veränderungen die bis dato überwiegend öffentlich-rechtlich ausgestalteten Bahnen der Mitgliedstaaten81 an die Erfordernisse des Binnenmarktes anzupassen, ihre Aktionsmöglichkeiten im Binnenmarkt zu erleichtern und gleichzeitig ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen (vgl. Art. 1 der Richtlinie). 82 Über die Formelemente, die die strukturellen Veränderungen letztlich tragen und die im einzelnen notwendig werden sollten, traf das in der Richtlinie gesetzte EG-Recht keine Entscheidung.83 Die Richtlinie hat den Staaten das Recht zur Nationalisierung genauso wie das Recht zur Privatisierung gelassen. Wohl um nicht in Widerspruch zu Art. 295 (ex-Art. 222) EGV zu geraten, der die Mitgliedstaaten berechtigt, ihre Eigentumsordnung beizubehalten84, forderte sie keine Organisations- oder Aufgabenprivatisierung der Bahnen85, sondern beließ für die Unternehmensformen des öffentlichen Rechts ebensoviel Raum wie für die Wahl der privaten Rechtsform (Art. 2 der Richtlinie). 86 Sie hätte damit auch einer Fortsetzung staatlicher Trägerschaft nicht im Wege gestanden. Neben der unabhängig von Organisationsanforderungen vehement durchgesetzten staatlich zu garantierenden unternehmerischen Eigenständigkeit der Eisenbahnbetriebe 87 und der Erörterung von Mechanismen zur Sanierung der Finanzen bzw. einer entsprechenden Entschuldung88 zielte die Richtlinie im Kern auf die Trennung zwischen dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur auf der einen und der Erbringung von Verkehrsleistungen durch die Eisenbahnunternehmen auf der anderen Seite.89 Denn den wirkungsvollsten Weg, eine gegenüber anderen Verkehrsträgern wettbewerbsfähige Eisenbahn zu schaffen, sah die Kommission zu Recht darin, Marktkräfte zu mobilisieren. 90 Da ein Markt aber Wettbewerber voraussetzt, kommt es darauf an, potentiellen Wettbewerbern überhaupt erst einmal einen diskriminierungsfreien Zugang zum Netzsystem der einzelnen Mitgliedstaaten zu ermöglichen.91 Basis dafür war ein vom Transportbetriebsbereich getrenntes Infra81 Kurzer Abriß über den Stand der Privatisierung in den einzelnen Mitgliedsstaaten bei Cornet , Int. Verkehrswesen 45 (1993), 519 f. 82 Zu den Details der Auslegung dieser Richtlinie Schmuck, Die Eisenbahnen in der Gemeinsamen Verkehrspolitik der EG, TransportR 1992,42 ff. 83 Zum Charakter einer Richtlinie Art. 249 (ex-Art. 189) Satz 3 EGV. 84 Jedenfalls Vermögensprivatisierung läßt sich deshalb nicht kraft Gemeinschaftsrechts anordnen, vgl. Kämmerer, JZ 1996, 1045. ss Fromm, DVB1. 1994, 189. S6 Vgl. auch Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 582. 87
Abschnitt II, 3. Erwägungsgrund der Richtlinie 91 / 440Λ Abschnitt IV, 7. Erwägungsgrund der Richtlinie 91 /440Λ 89 Art. 1 Gedankenstrich 2,4. Erwägungsgrund und Abschnitt III der Richtlinie 91 /440. 9 0 Weißbuch v. 30. 7. 1996, KOM (1996), 421 endg., S. 6; zurückhaltender die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 23. /24. 4. 1997, S. 6. 88
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Art. 8 und 10, 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 91/440. Ergänzt durch die Richtlinie 95/18 des Rates vom 19. 6. 1995 über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen, ABl. Nr. L 143/70 und die Richtlinie 95/19 des Rates vom 19. 6. 1995 über die
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Strukturmanagement. Diese beiden eng miteinander verwobenen Verpflichtungen die Trennung von Netz und Betrieb sowie die Gewährleistung des diskriminierungsfreien Zugangs Dritter - kreierten den „neuen Rahmen" der gemeinsamen Verkehrspolitik. Schon die bislang nur beschränkten Fahrwegzugangsrechte für den internationalen Verkehr bedeuteten einen ersten, wenn auch noch erweiterungsbedürftigen Schritt in die richtige Richtung. 92 Denn damit waren die Mitgliedsstaaten nicht mehr auf den engen Sektor traditionell nationaler Infrastruktur verwiesen, sondern wurde ihren Eisenbahnen erstmals eine länderübergreifende europaweite Dimension eröffnet. 93 Die Trennung von Fahrweg und Betrieb, für die auf europäischer Ebene die schon 1988 in diese zwei Sparten gegliederte schwedische Eisenbahn Patin stand94, hat nicht zuletzt durch die damit verbundene Transparenz die für diese Entwicklung notwendige Klarheit geschaffen. Der Kommission, die diese Teilung vorgeschlagen hatte, schwebte - ähnlich übrigens wie einst den Verfassern des ersten preußischen Eisenbahngesetzes95 zunächst eine Parallele zum Straßenverkehr vor, wo das von der öffentlichen Hand finanzierte und verwaltete Wegenetz allgemein den Nutzern zur Verfügung steht.96 Da sich die Kommission mit diesem Gedanken nicht vollständig durchzusetzen vermochte, taucht er in der Richtlinie zunächst nur in abgeschwächter Form auf. Die Richtlinie zwingt gerade nicht dazu, Weg und Verkehrsdienste vollständig voneinander zu separieren, sondern gibt sich (vorerst) mit einer getrennten Rechnungsführung zufrieden. 97 Sollten die jüngst geplanten Änderungen der Richtlinie 9 8 in Anbetracht dessen, daß die vollständige Liberalisierung des VerkehrsZuweisung von Fahrwegkapazitäten der Eisenbahn und die Berechnung von Wegeentgelten, ABl. Nr. L 143/75, umgesetzt durch die EIBV v. 12. 12. 1997, BGBl. I, 3153, in Kraft seit 24. 12. 1997. Änderungsvorschläge der Kommission für Art. 10 v. 19. 9. 1995, ABl. Nr. C 321/10f. (1. 12. 1995) und 13. 12. 1997, ABl. Nr. C 124/25 (21. 4. 1997). Vorschläge zur Änderung der RL 95/18 EWG und für die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten, die Erhebung von Wegeentgelten im Eisenbahnverkehr und Sicherheitsbescheinigung v. 22.7.1998, KOM (1998) 480 endg.; abermals geänderte Vorschläge v. 25. 11. 1999 und Stellungsnahme des Ausschusses der Regionen v. 18. 11. 1999, KOM (1999) 616 endg. VOL II, III. Vgl. zu den Mitbenutzungsrechten und ihren Formen vom Transitrecht zum Common Carriage Fehling, AöR 121 (1996), 60f., 71 ff. 92 Mitteilung der Kommission und Vorschlag zur Änderung der RL 91/440 EWG v. 19. 7. 1995, KOM (1995) 337 endg., S. 7, 20; Weißbuch v. 30. 7. 1996, KOM (1996), 421 endg., S. 38 f. 93 Cornei , Int. Verkehrswesen 45 (1993), 519. Zu den Anlaufschwierigkeiten Mitteilung der Kommission v. 19. 7. 1995, KOM (1995), 337 endg., S. 6; zu den Grenzen Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 11 f. 94 Vgl. Mitteilung der Kommission v. 19. 7. 1995, KOM (1995) 337 endg., S. 5. 9 5 Vgl. Teil 1 §1 /., §31. und oben Fn. 41. 9 6 v. Loesch, ZögU 14 (1991), 186; Schmuck, TransportR 1992,45. 97
Magiera, in: Blümel, Verkehrswegerecht im Wandel, S. 40; Montada, Int. Verkehrswesen 44 (1992), 457. 98 Vgl. Änderungsvorschläge der Kommission v. 25. 11. 1999, KOM (1999) 616 endg., Vol. I, S. 3, 8.
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marktes das Endziel der Reformbestrebungen markiert", demnächst Realität werden, bleibt eine darüber hinausgehende organisatorische und/oder institutionelle Trennungen der Bereiche 100 wohl nicht länger fakultativ (vgl. Art. 1, 2. Gedankenstrich). Anfang der 90er Jahre jedoch lag es noch in der alleinigen Entscheidungsgewalt der Mitgliedstaaten, welcher Weg eingeschlagen werden mußte, um einerseits die sektorale Leistungsfähigkeit der Bereiche Netz und Betrieb zu erhöhen 101 und andererseits den diskriminierungsfreien Zugang zum Netz für Dritte zu ermöglichen. 102 Ihnen blieb überlassen, ob sie allein die obligatorisch vorgeschriebene buchhalterische Trennung der beiden Bereiche für ausreichend erachteten, oder ob sie - wie inzwischen auch von der Kommission angenommen weitere Umstrukturierungsmaßnahmen, insbesondere weiterreichende Privatisierungen für notwendig hielten, um die Ziele der europäischen Richtlinie wirksam zu verfolgen.
I I I . Die Trennung zwischen Netz und Betrieb als „Herzstück" (wesentliches Merkmal) des Strukturwandels Auf deutschem Boden maß man der Separierung von netzbedingter Infrastruktur und eigentlichem Verkehrsbetrieb vorausschauend größere Bedeutung zu als auf europäischer Ebene. 103 Sie schien als vielleicht der wichtigste Schritt auf dem Weg, strategisch-politischen und operativ-unternehmerischen Entscheidungsbereichen auf dem Gebiet der Bahn hinreichend Spielraum zu geben. 104 Mit der zum 1.1. 1999 erfolgten Ausgliederung und Gründung einer eigenständigen Fahrweggesellschaft, der Netz-AG, sowie einer Gesellschaft „Personenbahnhöfe" gemäß den §§ 25, 2 DBGrG, die neben verschiedenen Verkehrsdienste- und Serviceanbietern stehen, wurden die Bereiche nicht lediglich rechnerisch, sondern überdies auch organisatorisch-institutionell voneinander getrennt. 105 Damit trug man bereits 99 Kommissionsvorschlag zur Änderung der RL 91/440/EWG v. 25. 11. 1999, KOM (1999) 616 endg., Vol. I, S. 3, 8. 100 Zur Auflösung des Widerspruches zwischen Art. 1, 2. Gedankenstrich und dem 4. Erwägungsgrund („und" getrennte Verwaltung) vgl. Schmuck, TranspR 1992, 45. Unproblematisch eine nur „buchtechnische Trennung" als Vorgabe der Richtlinie sieht Fehling, AöR 121 (1996), 62. ιοί Vgl. die Überlegungen bei Schmuck, TransportR 1992, S. 46. 102 Nach Aberle /Hedderich, Int. Verkehrswesen 45 (1993), 16 bestehe die geringste Gefahr einer Benachteiligung Dritter bei der institutionellen Trennung. Vgl. aber auch zu den Schwierigkeiten Eiermann, NJW 1998, 1846 f.
103 Zu der bei konsequenter Fortsetzung dieses Weges notwendigen Neuorganisation des Verkehrsbereichs nimmt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Verkehrswesen 45 (1993), 625 f. Stellung. Vgl. schon § 4 IL Zu parallelen Überlegungen bei anderen Infrastrukturen Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 330 ff. 104 Eine kurze Übersicht der Vorteile bei Basedow, in: Herber, Das Deutsche Transportrecht an der Schwelle zum Europäischen Binnenmarkt, S. 160.
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den Änderungsvorschlägen der Kommission die Richtlinie 91/440 betreffend Rechnung, die mittlerweile eine eigene Rechtspersönlichkeit für Netz und Betrieb fordern. 106 Daß die Aufspaltung des einheitlichen Eisenbahnbetriebs in den infrastrukturellen und den Transportbetriebsbereich in Deutschland so bereitwillig vollzogen wurde, hängt sicherlich damit zusammen, daß zumindest der Gedanke einer solchen Trennung in der deutschen Eisenbahntradition nicht unbekannt war. Schon das Preußische Eisenbahngesetz des Jahres 1838 war im Grundsatz davon ausgegangen, die Schiene sei ein von vielen nutzbarer Weg. Es forderte allerdings für die Anfangsjahre zum Schutz des neuen Eisenbahngewerbes, daß zunächst sowohl der Bau und die Unterhaltung der Schienenwege als auch der Transport auf diesen Wegen durch ein und denselben Eisenbahnunternehmer erfolgen müsse, wobei es regelmäßig dann auch blieb. 107 Andere verlangten dagegen gleich in Anlehnung an die rechtliche Ordnung von Straßenbau und -nutzung, die Schienenwege dem Staat zu überantworten, der sie ohne eigenwirtschaftliches Interesse, nämlich allein gegen Aufwendungsersatz, einem privaten Eisenbahnunternehmer zur Verfügung zu stellen habe. 108 Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts angestrengte Verstaatlichung dagegen fügte beide Bereiche, Netz und Betrieb, entgegen allen Vorbehalten eng zusammen, und verzahnt waren von nun an auch noch Aufsicht und Leitung der Eisenbahnen. Als bald nach Ende des Ersten Weltkrieges sich aber die Inflation der Reichsmark aufgrund der gebundenen Tarife auf die Eisenbahnen mit ihrer haushaltsrechtlich gesteuerten Regieverwaltung gefährlich auswirkte und obendrein die Last der Reparationsverpflichtungen drückte, gab es hinreichenden Bedarf, an dem überkommenen System zu rütteln. Ohne den außenpolitischen Zwang jedoch, unter dem Deutschland im Zeichen der Wiedergutmachung erhebliche Reparationsleistungen zu erbringen hatte, für die nach Art. 248 des Versailler Vertrages der gesamte Reichsbesitz haftete, wäre es wohl nicht zu der Teilablösung der Reichsbahn von der staatlichen Regieverwaltung gekommen, da sie innenpolitisch zunächst überwiegend auf Ablehnung stieß. 109 Denn ein von der Reparations105
Ebenso in Großbritannien mit der Gründung der Gesellschaft „Railtrack", Cornet, Int. Verkehrswesen 45 (1993), 521. 106 Kritisch zur organisatorischen Unabhängigkeit und wettbewerbspolitischen Neutralität wegen weiterhin zulässigen gemeinsamen Gewinn- und Verlustrechnung gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 DBGrG Aberle /Brenner, Bahnstrukturreform in Deutschland, S. 28 ff.; Schaufler, Von der Bahnreform zur Verkehrsreform, S. 12; Stertkamp, Int. Verkehrswesen 52 (2000), 197. 107 Zur gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit späterer Konkurrenzangebote vgl. oben Fn. 41. 108 Hansemann, Die Eisenbahnen und deren Aktionäre im Verhältnis zum Staat, S. 41 ff. 109 Verhandlungen des Reichstags, II. Wahlperiode 1924, Bd. 383, Anlage zu den Stenographischen Berichten Nr. 452, S. 14: „Die deutsche Regierung ... hält... fest, daß die Bildung einer besonderen Körperschaft des öffentlichen Rechts ... zur Erreichung des Ziels ausgereicht haben würde. Wenn nunmehr der weitere Schritt zur Bildung einer Gesellschaft getan wird, so hat die Reichsregierung dieser Maßnahme, abgesehen von der Unmöglichkeit, die Reparationsfrage in anderer Weise zu lösen, auch deshalb zustimmen können ..
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kommission unter Leitung des Amerikaners Dawes erarbeitetes Gutachten110 sah vor, daß auch die Reichsbahn einen erheblichen Beitrag zum Abbau der Kriegsschulden zu leisten habe. Da diese mit ihren alten Strukturen nur noch Defizite erwirtschaftete, im Falle der Nichtleistung aber der Verkauf der Reichsbahn an das Ausland drohte 111 , erarbeitete der Reichstag mit dem Gesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz) vom 30. 8. 1924 112 folgende - wie sich erweisen sollte - glückliche Lösung: Bei fortbestehendem Eigentum des Reiches an Bahnanlagen und -fahrzeugen (§ 6 RbG) wurde der Reichsbahn allein das Recht der „kaufmännischen" Betriebsführung übertragen (§§ 2, 5, 9 RbG), abgerundet durch die Pflicht zur Bilanzierung (§ 30 RbG), was die Eigenart des finanziellen Aufbaus der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft ähnlich einer Aktiengesellschaft bedingte. 113 Dem Reich verblieb lediglich die Aufsicht, Reichstag und -rat hatten sich von ihren Einflußnahmemöglichkeiten im wesentlichen verabschiedet. Ihrem Gesetz zufolge sollte die Bahn „auf eigenen Füßen stehen" 114 . Die Trauer um den verlorenen Einfluß hielt nicht lange an. Der durch die Entpolitisierung der kaufmännischen Leitung eingetretene Erfolg konnte sie vertreiben und bestätigte letztendlich auch die Tauglichkeit der Konstruktion 115 : Das Streckennetz wurde kontinuierlich erweitert und modernisiert, Fahrzeuge sowie die gesamte Betriebstechnik wurden auf den neusten Stand der Technik gebracht, gleichzeitig konnten die Reparationsabgaben pünktlich gezahlt, Tarife günstiger gestaltet und die sozialen Bedingungen für die Mitarbeiter verbessert werden. 116 Was der voll110 Sachverständigengutachten eines von der Reparationskommission eingesetzten Ausschusses, der die Mittel zum Ausgleich des Haushalts und notwendige Stabilisierungsmaßnahmen für die Währung untersuchte. Insbesondere die Eisenbahnsachverständigen Sir William Acworth und der Franzose Leverve befaßten sich mit der Frage, in welcher Weise die Reichsbahn zur Erbringung der Reparationslasten herangezogen werden konnte, und kamen in dem am 9. April 1924 vorgelegte Bericht zu dem Ergebnis, daß die von der Eisenbahn zu erbringende Leistung bei 11 Milliarden Reichsmark mit 5 prozentiger Verzinsung und einer Die neue deutsche Reichsbahn-Geselljährlichen Tilgungsrate von 1 % liege, Sarter/Kittel, schaft, S. 17. 111 Die festgelegte Reparationsforderung war durch eine erstrangige Hypothek gesichert, vgl. auch § 4 RBahnG, Sarter/Kittel, Die neue deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, S. 17; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 1963,417. 112 RGBl. II, 272. Gleichzeitig mit dem Reichsbahngesetz wurden die Satzung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft (Gesellschaftssatzung, Anlage zu § 1 Abs. 2 des Reichsbahngesetzes) sowie das Gesetz über die Personalverhältnisse bei der Deutschen ReichsbahnGesellschaft (Reichsbahn-Personalgesetz, RGBl. II, 287) erlassen. Zu den vorangegangenen Autonomiebestrebungen der Reichsbahn, insbesondere der Notverordnung vom 24. 2. 1924 Sarter/Kittel, Die neue deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, S. 13 ff. 113 Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 1963, 416. Zur umstrittenen Frage der Rechtsnatur der Reichsbahn-Gesellschaft, ders., 419 f. Ottmann, Int. Archiv f. Verkehrswesen 12 (1960), 89. us Fromm, DVB1. 1982, 289; ders., Int. Verkehrswesen 46 (1994), 100.
i 1 6 Stumpf, Geschichte der deutschen Eisenbahnen, S. 54. Als wesentlichen Grund für den Erfolg wertete man die gelungene „Trennung von Aufsicht und Leitung". Sehr viel verhaltener, die Erfolge der Gesellschaft negierend Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 1963,418 f.
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zogene Strukturwandel bewirkte, schlug alle Erwartungen. Es glich einem Wunder, welche Wirkungen die - vom Ausland geforderte - Entpolitisierung und Entparlamentarisierung der Gesellschaft entfaltete. Um die Trennung von Aufsicht und Leitung vollkommen zu gewährleisten, existierte für Streitigkeiten zwischen Reichsregierung und Gesellschaft außerdem ein besonderes Gericht, das Reichsbahngericht (§ 44 RbG). Indem die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft nach Hitlers Machtergreifung veranlaßt wurde, durch „Ausleihen" von Fachpersonal den Autobahnbau zu organisieren und in Höhe von 50 Millionen Reichsmark mitzufinanzieren, war sie gezwungen, ihren eigenen Ruin zu unterstützen. 1937 holte man die Reichsbahn durch simple Verordnung wieder in die unmittelbare Staatsverwaltung zurück. 117 Die Glanzepoche der Bahn war damit abrupt abgebrochen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand die Bundesbahn im Dienst politischer Zielsetzung, der Ausführung wirtschaftlicher und sozialer Aufgaben. 118 Wieder jagte eine Finanzkrise die andere. Schon im Jahre 1957 erinnerte man sich seitens der sogenannten Brandkommission, die wegen des erwarteten hohen Defizits von 800 Millionen D M 1 1 9 eingesetzt wurde, der These von der Trennung zwischen Infrastruktur und Transportgeschäft. Entgegen befürwortenden Stellungnahmen120 verwarf man sie jedoch als geeignetes Sanierungsinstrument mit der Begründung, es mangele an einer für den Sonderfall geeigneten Form. 121 Dabei wurde durchaus schon zu dieser Zeit im Trennungsmodell eine sinnvolle Kombination der historisch erprobten Möglichkeiten erblickt. Ottmann, als der wohl populärste Vertreter dieser Richtung, plädierte damals dafür, die Schienenwege samt aller ortsfesten Anlagen in die Hände der staatlichen Haushaltsverwaltung zu legen, den Verkehrsbetrieb jedoch nach marktwirtschaftlichen Regeln zu organisieren, damit dieser im Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern zu gleichen Bedingungen stünde. 122 Sein Programm griff aber auch die nächste externe Prüfungskommission nicht auf, die im Auftrag der Deutschen Bundesbahn verschiedene Trennungsmodelle von der rein fiktiven buchtechnischen bis zur vollständigen rechtlichen und wirtschaftlichen Trennung - erforschte. 123 Sie hielt vielmehr im Ergebnis allenfalls eine rechnerische Trennung der beiden Bahnsektoren für durchsetzbar, von der sie 117 Stumpf, Geschichte der deutschen Eisenbahneri, S. 58. Ausführlich Wilhelmi, Eisenbahnwesen 1963,420 ff. 118 Stumpf, Geschichte der deutschen Eisenbahnen, S. 92 ff. 119 So Kilian/Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 187. 120 Ottmann, Int. Archiv f. Verkehrswesen 12 (1960), 90.
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121 Ausführliche dazu Ottmann, Int. Archiv f. Verkehrswesen 12 (1960), 90; Wilhelmi, Archiv f. Eisenbahnwesen 1963,446. 122 Int. Archiv f. Verkehrswesen 12 (1960), 90. 123 BT-Drucks. v. 10. 7. 1979, 8/3049, 2. Die Modelle 1 und 2 (die handelsrechtliche Fahrweg in Bundesverwaltung, Betrieb durch selbständige^] Unternehmen - und öffentlichrechtliche Lösung - Fahrweg in Bundesverwaltung, Betrieb als Sondervermögen des Bundes) wurden wegen Realisierungsschwierigkeiten insbesondere im Personalbereich sofort verworfen. 6 Pommer
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indessen keinerlei Verbesserung gegenüber dem Istzustand erwartete. Obwohl man angesichts dieser Prognose im Verkehrsministerium deshalb nur die über die rechnerische hinausreichende institutionelle Trennung der Bereiche für sinnvoll hielt, sich allerdings zu sehr vor den damit verbundenen „sozialen und politischen Konflikten" scheute124, entschied man sich vorerst für die kleine Lösung und führte im Jahre 1980 die interne Trennungsrechnung bei der Bundesbahn ein. 1 2 5 Selbst wenn dieser Schritt klein bemessen war, ließ sich auf diese Weise wenigstens nachweisen, daß der überwiegende Teil des Jahresfehlbetrages von der vollen Belastung mit dem Fahrweg herrührte. 126 Die Forderung, den Verkehrsbereich von dieser finanziellen Verantwortung zu lösen, bekam dadurch mehr Gewicht. Wie die hier exemplarisch vorgeführte historische Entwicklung in bezug auf den Trennungsgedanken zeigt, dominierte trotz aller bekannten positiven Effekte eine erstaunliche Skepsis davor, den natürlichen Systemzusammenhang von Schiene und Eisenbahn, der enger ist als der von Straße und Auto, zu zerreißen. Die Gründe sind nicht von der Hand zu weisen. Denn wie ein Schienenfahrzeug nichts ohne Schiene ist, taugt die Schiene nun einmal lediglich zu Fortbewegung von speziellen schienengebundenen Fahrzeugen. Die durch die enge Verbindung der Sektoren Netz und Betrieb an sich vorhandenen Verbundvorteile 127, vor allem die aus der Integration entstandenen Synergieeffekte 128, zu denen beispielsweise die nun durch Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 91 / 440 verbotenen Quersubventionen 129 und eine übergreifende unternehmerische Planung anstelle der heute kosten- sowie zeitintensiven Koordination 130 zählten, sind durch die Trennung zum Teil verlorengegangen, im übrigen zumindest erheblich reduziert worden. Die Abtrennung macht neue Schnittstellen im Bereich Vorschriften, Buchführung und Rechnungswesen erforderlich, erschwert manche Arbeitsweise und verursacht dadurch auch zusätzliche Kosten. 131 Doch abgesehen von der gemeinschaftsrechtlich geforder124 Stellungnahme des Bundesministers für Verkehr, BT-Drucks. 8/3049, 3. Vgl. auch die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, Berichterstatter Eichhorn, Zur Situation der Deutschen Bundesbahn, S. 46 ff. (Rz. 85 ff.), 64 f. (Rz.131). 125 Gegen die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, Berichterstatter Eichhorn, Zur Situation der Deutschen Bundesbahn, S. 65 (Rz. 132); vgl. ferner im Detail Ellwanger, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 192 f. (134 f.). 126 Die der Verkehrsleistung gegengerechnete Größe ergab sich aus ihrem entsprechenden Anteil am Gesamtfahrweg, also einem Durchschnittswert der Nutzkosten in Anspruch genommener und der Leerkosten freier Kapazitäten. Somit wurden auch Transportdienstleistungen, die bei getrennter Betrachtung wirtschaftlich rentabel waren, mit den ineffektiven Strecken belastet und somit ebenfalls zum negativen Geschäftsergebnis, Ellwanger, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 193 (135).
™ Seidenfuß, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 79 (21). ™ Cornet, Int. Verkehrswesen 45 (1993), 521. 129 Instruktiv dazu Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), 44 f. 130 Fehling, AöR 121 (1996), 69.
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ten 1 3 2 Kostentransparenz, die globaler Defizitdeckung entgegenwirkt und deshalb zu begrüßen ist 1 3 3 , stehen diesen Kosten Effizienzsteigerungen durch ein auf beiden Seiten marktgerechteres Verhalten gegenüber, das diese kompensieren kann. 134 Für den Transportbereich sollen sich dadurch die Rahmenbedingungen, um dem Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern standzuhalten, verbessern. 135 Denn weder der Straßenverkehr noch die Schiffahrt kannten je eine dem Bahnwesen vergleichbare Personal- und Sachunion. Um diese mit Effizienzsteigerung besonders positiv hervorgehobenen Vorteile zu konkretisieren, ließen sich weitere Beispiele anführen; von ihnen soll hier nur noch exemplarisch die Preisbildung im Bereich Netz genannt sein: Bei der Bundesbahn mußten wegen des mengenmäßig sehr ungleich genutzten Schienennetzes 94 % der Gesamtleistung, die die Kosten nur zu 60 % deckte, auf weniger als 50 % des Gesamtnetzes erbracht werden. Auf über 50 % des gesamten Streckennetzes wurden demnach lediglich Gesamtverkehrsleistungen von 6 % erbracht. Folglich stiegen die Durchschnittskosten für den Fahrweg überproportional; sie lagen zum Schluß bei 40-50 % der für eine Leistungseinheit angesetzten Grundkosten. 136 Im neu aufkeimenden Wettbewerb können dagegen die Trassen zur Nutzung vermietet 137 und darf dabei von einheitlichen Netzpreisen zugunsten einer marktgerechten Festsetzung des Entgelts Abstand genommen werden (Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/19 v. 19. 6. 1995 1 3 8 ). 1 3 9 Wie auf dem Wohnungsmarkt schnellen deshalb die Mieten in Ballungsräumen in die Höhe, während sich der Mietzins auf dem flachen Land moderat ausnimmt. 140 Die neue Preisgestaltung richtet sich
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Cornet , Int. Verkehrswesen 45 (1993), 521, so bereits Häusler, Die Bundesbahn, 54. Jg. (1978), 937 f. 132 Zu den im einzelnen aus dem europäischen Recht resultierenden Wettbewerbsregeln und Verpflichtungen sowie den sich in letzter Zeit wegen Wettbewerbsverstößen mehrenden Verfahren ausführlich die Darstellung bei Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 26 ff. 133 Cornet, Int. Verkehrswesen 45 (1993), 520f. Ottmann, Int. Archiv f. Verkehrswesen 12 (1960), 91 f. 134 y. Loesch, ZögU 14 (1991), 186 f.; Fehling, AöR 121 (1996), 69; Seidenfuß, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 79 (21). 1 35 „Chancengleichheit" Kilian, Nebenhaushalte des Bundes, S. 945. So bereits aber auch schon Ottmann, Int. Archiv f. Verkehrswesen 12 (1960), 91. 136 Zahlen aus Lindenblatt/Gierse, ZfVerkehrswiss. 65 (1994), 150. 137 Vgl. die Ankündigung in FAZ v. 27. 1. 2000, Nr. 22, S. 22. 138 ABl. Nr. L 143/75 v. 27. 6. 1995; vgl. dazu die Zusammenfassung bei Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 18. Zu den zwischenzeitlichen Änderungsvorschlägen der Kommission diese Richtlinie betreffend v. 25. 11. 1999, KOM (1999) 616 endg. Vol. III. 139 Vgl. zu einer wettbewerbskonformen Preispolitik schon Hamm, ZfVerkehrswiss. 42 (1971), 113 ff.. 140 Hierzu insbesondere Art. 8 Abs. 4 des Änderungsvorschlags der Kommission v. 25. 11. 1999, KOM (1999) 616 endg. Vol. III: „Das Wegeentgelt kann einen Entgeltbestand6*
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dann danach, wie sich die Kosten für die jeweilige Trasse unter Berücksichtigung und Ausnutzung von Kapazitätsengpässen decken lassen.141 Sie ist damit imstande, in gewissem Umfang eine Lenkungsfunktion zu erfüllen 142 , was zu einer Veränderung bei der Preiskalkulation der Verkehrsunternehmen führen wird und letztlich auch die Wettbewerbschancen gegenüber anderen Transportmodi verschieben kann. Nicht zuletzt beruht die Idee der europarechtlich angestoßenen Trennung zwischen Netz und Betrieb auch auf den Unterschieden, die sich bei der Erstellung des in den Wettbewerb einzubringenden Angebots in beiden Sektoren ergeben. Denn im Bereich Netz kommt es naturgemäß immer wieder zur Konfrontation mit dem Problem der Bewirtschaftung und insbesondere der Verteilung des knappen Gutes Boden. Der bisherige Netzbestand bewirkt bei einer notwendigen Erweiterung der Wege bestimmte Zwangspunkte, die gegebenenfalls auch einen zwangsweisen Zugriff auf private Rechte notwendig werden lassen. Dieser Zwang aber steht nur dem Staat als Träger hoheitlicher Gewalt zu Gebote; folglich bedarf die Netzbewirtschaftung einer durchaus stärkeren staatlichen Fürsorge. Im Bereich der Transportdienstleistung treten dagegen in Anbetracht der durch Hinzutreten der Zeitdimension größeren Flexibilität des Produkts vergleichbare, unabänderliche Zwangspunkte nicht auf, kann demnach der Zugang zur Infrastruktur durch gesetzliche Regulierung allein wirksam offen gehalten werden. Durch die Trennung beider Bereiche sind die Rechte, die Dritten einen diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur sichern können, formulierbar geworden und bewahren Neueinsteiger davor, daß etablierte Schienenverkehrsunternehmen ihre „Erstgeburtsrechte" durchsetzen. 143 Trotzdem sind die organisatorische und somit auch rechnerische Trennung weder Naturgesetz, noch fußen sie auf allein der Beobachtung, daß der Netzbetrieb in der Regel unter stärkerem staatlichen Einfluß in einer Hand liegt, während um das Angebot von Dienstleistungen verschiedene Anbieter konkurrieren. Daß im Zuge der Bahnreform die Aufspaltung verfassungsrechtlich angeordnet wurde, ist vor allem aus dem politischen Willen geboren, erhebliche Allokationspotentiale zu mobilisieren. Sie ist Gegenstand eines Ordnungsrahmens und somit Ergebnis demokratisch zu legitimierender Entscheidungen.144
teil umfassen, der die Knappheit und Kapazität auf bennbaren Fahrwegabschnitten zu Zeiten mit Kapazitätsengpässen widerspiegelt". 141 Lindenblatt/Gierse, ZfVerkehrswiss. 65 (1994), 151 f.; Seidenfuß, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 79 (21); Soukup, ZögU 19 (1996), 169 f. 142 Ottmann, Int. Archiv f. Verkehrswesen 12 (1960), 92. 143 Seidenfuß, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 79 (21), vgl. auch Fehling, AöR 121 (1996), S. 70. 144 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 333.
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§ 5 Die privatwirtschaftliche Grundkonzeption und ihre verfassungsgesetzliche Umsetzung Art. 87 e i. V. m. Art. 143 a GG Das Dach der gesamten Reform ist die Änderung des alten Art. 87 und die Einfügung des neuen Art. 87 e in das Grundgesetz, der die Unternehmensverfassung der ehemaligen Bundesbahn neu definiert hat. Die wesentlichen Maßgaben wurden von der unabhängigen145 Regierungskommission Bundesbahn gesetzt.146 Nach ihr sollte nur ein „sehr kleine(r) Teil hoheitlicher Aufgaben und Zuständigkeiten" beim Bund verbleiben. Ferner war klarzustellen, daß „Bau und Betrieb der Bundeseisenbahnen sich außerhalb der öffentlichen Verwaltung bewegen und juristischen Personen des Privatrechts übertragen werden" konnten. 147 Welche konkrete Ausformung diese Vorschläge unter Berücksichtigung der Interessen des Bundesrates 148 und gestützt auf den Bericht des Rechtsausschusses149 gefunden haben, ist Gegenstand der folgenden Darstellung. Der Privatisierungsgedanke bildet den eigentlichen Kern der Reform und ist wohl aus diesem Grunde ähnlich wie bei dem ebenfalls neugeschaffenen Telekommunikationsartikel 87 f 1 5 0 ausdrücklich im Grundgesetz, in Abs. 3 Satz 1 des neuen Eisenbahnartikels, festgeschrieben worden. Der Privatisierungsentscheidung lassen sich zwei Forderungen entnehmen: Zum einen sollen die Eisenbahnen des geführt werden. Zum anderen wird diese Bundes als Wirtschaftsunternehmen modale Vorgabe durch eine organisationsrechtliche dergestalt ergänzt, daß zukünftig die Eisenbahnen in privatrechtlicher Form zu führen sind. 151 Auf eine so dezidierte, über die bloße Entlassung der Bundesbahn aus der bundeseigenen Verwaltung weit hinausreichende Verfassungsänderung hätte man durchaus verzichten und das Nähere zu regeln dem einfachen Gesetzgeber überlassen können, soweit man (nur) die Eisenbahnen aus dem verfassungsrechtlichen Katalog der bundeseigenen Verwaltung in Art. 87 Abs. 1 a. F. gestrichen hätte. Den Fall, daß der Bundespräsident wegen tiefgreifender verfassungsrechtlicher Bedenken die Autonomieentscheidung zugunsten der „neuen Bahn" gefährden und das Gesetz - wie 145 Weder „Maulkorb" noch „Denkverbot" hinsichtlich der Rechtsform der Bahn, vgl. Fromm, DVB1. 1994, 190. 1 46 Kritisch, weil die „verfassungsrechtliche Dimension" vernachlässigt wurde, Loschelder, Strukturreform der Bundeseisenbahnen, S. 7 ff. 1 47 Bericht der Regierungskommission Bundesbahn, S. 28. 1 48 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 12/5015. 149 BT-Drucks. 12/6280. 150 Art. 87 f. Abs. 2 Satz 2 GG. 1 51 Aus dem Formulierungsunterschied „privatrechtlich" (Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG) und „privatwirtschaftlich" (Art. 87 f. Abs. 2 Satz 1 GG) kann kein Gegensatz abgeleitet werden. So Lerche, in: Maunz /Diirig, Art. 87 f., Rn. 54, Fn. 4.
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einst beim Gesetz zur Organisationsprivatisierung der Flugsicherung - nicht ausfertigen k ö n n t e 1 5 2 , hätte man dann nicht fürchten müssen. 1 5 3 Da jedoch der verfassungsändernde Gesetzgeber die Privatisierungsentscheidung für so wichtig hielt, daß er sie in die Verfassung aufnahm, ist sie - unabhängig von der Frage, ob die Privatisierungsentscheidung an systematisch zutreffender Stelle i m Grundgesetz verankert w u r d e 1 5 4 - als Richtschnur für die nachrangigen Gesetze zu beachten.
I. Die Trennung von Dienstleistung und Verwaltung U m der Bahn den für die Privatisierung erforderlichen Freiraum zu geben, wurden zunächst die einst umfänglichen Bundesverwaltungskompetenzen des alten Art. 87 G G 1 5 5 beschnitten. Übrig geblieben ist die Verwaltung i m traditionellen, 152 Vgl. zur Verweigerung des ehemaligen Bundespräsidenten v. Weizsäcker, das Gesetz zur Organisationsprivatisierung der Flugsicherung auszufertigen, BR-Drucks. 37/91. Stellvertretend für die dadurch bedingt nachfolgende Verfassungsänderung und ihre Ungereimtheiten Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 d, Rn. 32 ff. 153
Selbst darauf zu verzichten hielten für möglich: Deregulierungskommission 1990/91, Anm. 153. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 170: " Eine Verselbständigung der DB ... in Formen des Privatrechts wäre durch Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG ... nicht von vornherein ausgeschlossen". Dagegen ablehnend aber Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 245; Konow, DÖV 1973, 82; Lecheler, NVwZ 1989, 834; Maunz, in: Scupin-FS, S. 623: „Staatsverwaltung einerseits und privatrechtliche Gesellschaften andererseits decken sich nicht und überschneiden sich auch nicht... Die weitere ... Folgerung geht... dahin, daß bundeseigene Verwaltung nicht einmal durch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts geführt werden darf, geschweige denn durch privatrechtliche Rechtssubjekte."; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 53; Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 63; Tofaute, Die Übertragung öffentlicher Leistungen und Funktionen auf Private (Privatisierung), S. 45; Wenger, Die öffentlichen Unternehmungen, 1969, 380; Wiechert, ZRP 1973, 208 f.; Windhorst, in: Sachs, GG-Kommentar, Art. 87 e, Rn. 5. 154 Lerche, Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 f., Rn. 1, kritisiert, daß die zentrale Grundentscheidung, die eine der großen Reformen des Jahrhunderts einleitet,,»nicht an die Spitze (ge)riickt", sondern erst in der Mitte verankert wurde. Bei aller Freude über das Reformprojekt läßt Lerche aber mit seiner Kritik die Stellung des Grundgesetzartikels im Abschnitt „Ausführung der Bundesgesetze und Bundesverwaltung" unberücksichtigt. Diese legt es nahe, Regelungen über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern bei der Ausführung der Bundesgesetz, den administrativen Teil also - und nur dieser entspricht eigentlich der Überschrift des gesamten Abschnitts - an erste Position zu rücken und die letztlich nur für den Übergang zum privatwirtschaftlichen Unternehmen so grundlegende, später allenfalls konstatierende Privatisierungsentscheidung anzuschließen. Vielleicht wäre sogar noch konsequenter gewesen, die Privatisierungsentscheidung neben den in Art. 143a getroffenen Regelungen im XI. Teil des Grundgesetzes „Übergangs- und Schlußbestimmungen" zu verankern. 155
Vgl. hierzu ausführlich Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn, S. 53 ff.; Studenroth, VerwArchiv 87 (1996), 99; Wahl, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 91 ff.
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materiellen Rechtsverständnis, eine auf bloße Eisenbahnverkehrsverwaltung, also verwaltungsmäßige Ausführung der Gesetze156 beschränkte obligatorische bundesunmittelbare Verwaltung, Art. 87 e Abs. 1 Satz 1 GG. Denn angesichts der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für die Privatisierung kommt lediglich eine Privataufsicht in Betracht, die darauf beschränkt ist, die Rechtmäßigkeit zu kontrollieren und nicht staatliche Lenkung nach Zweckmäßigkeitserwägungen sein darf. 157 Damit ist der Bund in Abkehr von der im Eisenbahnwesen überkommenen Rechtslage158, strukturell aber ähnlich zur Verwaltung anderer Verkehrsbereiche (Luftverkehr, Bundeswasser- und -fernstraßen) 159 und damit gleichwohl in Fortführung einer alten Tradition 160 nun nicht mehr zur Leistungserbringung auf dem System Schiene/Rad verpflichtet. Das lange Zeit einheitlich als Verwaltung bezeichnete Aufgabenfeld des Bundes, den Verkehr durch die Bundeseisenbahn zu besorgen, ist durch die Verfassungsänderung in einerseits administrative, andererseits real-leistende und dem Bund nunmehr entzogene Tätigkeiten auseinandergefallen. 161 Die Vorteile der strikten Trennung von Administration und Leistungserbringung bestehen zum einen darin, daß das Eisenbahnwesen künftig nicht mehr unter dem Problem der „institutionellen Befangenheit" der sich letztlich selbst beaufsichtigenden ehemaligen Bundeseisenbahnen162 leiden muß. 163 Zum anderen kann dadurch freilich auch der Konflikt zwischen Administration und Wirtschaftlichkeit, nämlich zwischen Gemeinwohlbindung und unternehmerischer, nicht notwendig am allgemeinen Wohl ausgerichteter Tätigkeit der ehemaligen Bundesbahnen weiter entschärft werden. 156 Regierungsbegründung BT-Drucks. 12/5015, 7; Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 13. Im einzelnen hierzu Studenroth, VerwArchiv 87 (1996), 102 ff. 157 Grupp, DVB1. 1996, 592 158 Vgl. dazu Grupp, DVB1. 1996, 591. 159 Pieroth, in: Jarass/ders., Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 1; Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 13. 160 Vgl. bereits § 46 des Gesetzes über Eisenbahnunternehmungen v. 3. 11. 1838, Königlich-Preußische Gesetzessammlung S. 505, die Überwachung von Privatunternehmen durch die Eisenbahnaufsicht, die sich im Sinne einer „allgemeinen Untertanenaufsicht" vornehmlich auf die Beachtung der Sicherheitsvorschriften und technischen Regelwerke, den Schutz der Aktionäre sowie die Förderung des öffentlichen Verkehrs, weniger auf die wirtschaftlichen Aspekte des Eisenbahnbetriebs erstreckte. 161 Schmidt-Aßmann/Röhl,
DÖV 1994, 583; Studenroth, VerwArchiv 87 (1996), 101.
1 62 Insbesondere Fromm, DVB1. 1994, 192; ders., in: Blümel, Verkehrswegerecht im Wandel, S. 72 f. jeweils unter ausdrücklicher Aufgabe der in DÖV 1988, 1036 f. geäußerten Ansicht; Studenroth, VerwArchiv 87 (1996), 105, 107. 1 63 Vgl. aber die in Satz 1 des § 4 EVerkVerwG vorgesehene Möglichkeit der Beleihung anderer öffentlicher oder privater Träger (insoweit auch die Eisenbahnen des Bundes, Satz 2) mit der technischen Aufsicht über Betriebsanlagen und Fahrzeuge von Eisenbahnen des Bundes.
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Der vormals bestehenden Leistungsverantwortung enthoben, lastet heute auf dem Bund lediglich der in Abs. 4 verankerte Gewährleistungsauftrag - eine „Residualverantwortung" 164. Inwieweit deshalb der Bund, solange er das Mehrheitseigentum an den Eisenbahnen hält 1 6 5 und seine Aufgaben nicht wie von Art. 87 e Abs. 1 Satz 2 GG zugelassen auf die Länder überträgt 166 , kraft seiner Verwaltungszuständigkeit verpflichtet ist, nicht nur ein „Minimalprogramm" zu absolvieren, das auf Gefahrenabwehr reduziert ist, sondern ordnende, kontrollierende und in begrenztem Umfang auch wirtschaftslenkende Funktionen zu erfüllen 167 , ist - abgesehen von der Frage nach seinen Einwirkungspflichten als Eigentümer 168 - Gegenstand der Aufgaben, wie sie im einzelnen Art. 3 des ENeuOG, Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (EVerkVerwG) regelt (§ 3 EVerkVerwG). 169 Diese Aufgaben obliegen für die Eisenbahnen des Bundes 170 , selbst soweit in § 3 Abs. 2 Nr. 4 und 6 EVerkVerwG i. V. m. § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) 1 7 1 die Aufgabenwahrnehmung unter dem Vorbehalt der „Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen" steht, nunmehr dem Eisenbahnbundesamt, das per Organisationserlaß vom 31. 12. 1993 als dem Verkehrsministerium des Bundes unmittelbar nachgeordnete Bundesoberbehörde mit einstufigem Verwaltungsaufbau und Sitz in Bonn geschaffen wurde (vgl. § 1 Abs. 1 EVerkVerwG) und gemäß dem Organisationserlaß zur dezentralen Aufgabenwahrnehmung über 15 Außenstellen verfügen kann. 172 Zwei Konsequenzen des Verwaltungsrückbaus sind festzustellen: Die Bundesbahn mußte mit der Privatisierung aus der Gesetzes- und Rechtsbindung der exekutivischen Gewalt und somit unweigerlich aus der unmittelbaren, fachaufsichtZHR 160 (1996), 527. Im einzelnen unten § 6 III. 2. a. 164 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, 165 Vgl. Art. 73 Nr. 6 a GG. So auch Heinze, BayVBl. 1994, 267 f.; Studenroth, VerwArchiv 87 (1996), 101 f.; Wegener, DÖV 1996, 306. 166 So durch Art. 4 des ENeuOG (Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs - Regionalisierungsgesetz) für den Bereich des schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs bereits geschehen, wobei allerdings die finanzielle Mehrbelastung der Länder durch den Bund auszugleichen ist (Art. 106a GG). Die zur Aufgabenwahrnehmung notwendigen Liegenschaften mußten auf Verlangen von der Bahn AG auf die Gebietskörperschaften übertragen werden (§ 26 Abs. 1 Zusammenführungs- und Neugliederungsgesetz). 167 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 526; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 583. 168 Vgl.§6111. 1. und2. c. (l)(c). 169 Zur detaillierten Beschreibung der Aufgaben im Rahmen der Eisenbahn verkehrsverwaltung Preise /Wittenberg, Gew Archiv 1996, 354 f.; Studenroth, Verw Archiv 87 (1996), 100 ff. 1 70 Oder die Eisenbahnunternehmen mit Sitz im Ausland für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EVerkVerwG. 171 Art. 5 des ENeuOG. 172 Auf die umstrittene Zulässigkeit eines solchen Verwaltungsunterbaus hinweisend Heinze, BayVBl. 1994,268. Dagegen Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 19; vgl. auch Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 d a. F., Rn. 15.
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liehen Kontrolle durch übergeordnete Behörden entlassen werden. 173 Folgerichtig ist das Eisenbahnbundesamt als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde an die Stelle der Behörden DB und DR in ihrer Hoheitsfunktion getreten. Und da der Bahnverwaltung mit den Gesellschaften der Deutschen Bahn AG nunmehr eigenständige juristische Personen des Privatrechts gegenüberstehen, denen in Ausformung der verfassungsrechtlich garantierten unternehmerischen Handlungsspielräume einfachgesetzlich subjektive Rechtspositionen eingeräumt wurden, bedarf es selbst dann, wenn sich die Unternehmen nicht auf die Grundrechte berufen können 174 , wegen des Vorbehalts des Gesetzes einer Befugnisnorm, die das Eisenbahnbundesamt zu bestimmten, auf Handeln, Dulden oder Unterlassen gerichteten Anweisungen ermächtigt. Denn als Maßnahmen gegenüber Personen des Privatrechts setzen sie Rechtsfolgen im Außenverhältnis. 175
II. Die Bahn als Wirtschaftsunternehmen Bevor der Bund aus der staatlichen Eisenbahnleistungsverwaltung ausscheiden konnte, hatte er gemäß Art. 143 a Abs. 1 Satz 1 G G 1 7 6 die zur Installation der privatrechtlichen Unternehmensführung notwendigen Regelungen zu schaffen, die zeitgleich mit der Reduktion der Bundesverwaltung in Kraft traten. Mit seiner Gesetzgebung, seinem Regierungs- und Verwaltungshandeln trug er Sorge und schuf die Berechtigung dafür, daß die Eisenbahnen des Bundes zukünftig als normales Wirtschaftsunternehmen (Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG) organisiert und geführt werden können. 177 Die von der Grundgesetzänderung für die Bahn erschlossenen wirtschaftlichen Freiräume wollten konkretisiert und mit Leben ausgefüllt werden, was im einzelnen hieß, daß die Bahn als gewinnorientiertes Unternehmen am Markt etabliert und ihre privatautonome Veräußerungsfreiheit gesichert werden mußte. Die Frage, inwieweit wirtschaftliche Betätigung des Staates überhaupt zulässig ist, ist heftig umstritten. 178 Sie braucht hier aber nicht gestellt zu werden. 179 Denn 173 BVerwG, Beschl. vom 13. 10. 1994-7 VR 10/94, DÖV 1995, 198 (199). 174 Näher § 6 III. 2. c. (2). 175 Frotscher/Kramer, NVwZ 2001, 28 f.; Studenroth, VerwArchiv 87 (1996), 108 f. Bedenklich ist allerdings die Annahme, § 3 Abs. 2 EVerkVerwG enthalte „gleichsam stillschweigend die Ermächtigung zur Vornahme entsprechender Maßnahmen" (so Frotscher/ Kramer, 29) bzw. die Berufung auf einen erweiterten Gesetzesvorbehalt (so Studenroth). Auch das BVerwG, Beschl. v. 13. 10. 1994-7 VR 10/94, DÖV 1995, 198 (199) verstand die Zuständigkeitsnorm des § 3 Abs. 2 EVerkVerwG als Ermächtigung. Dagegen zu Recht Grupp, DVB1. 1996, 595 f. 176 Eingeführt durch 40. Gesetz zur Änderung des GG vom 20. 12. 1993, BGBl. 12089. 177 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 532. 178 Einen Überblick vermittelt Ronellenfltsch, in: Isensee / Kirchhof, HdStR ΙΠ, § 84, Rn. 32 ff.
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die in Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG enthaltene Verpflichtung zur wirtschaftlichen Unternehmensführung stellt anders als gegebenenfalls verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftige, einfachgesetzliche Privatisierungsmaßnahmen ein Verfassungsgebot dar, das selbst keiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. 180 Bereits die Zielsetzungen und Motive für die Bahnstrukturreform 181 lassen erkennen, daß die umstrukturierte Eisenbahn primär wirtschaftlich agieren und Gewinne erwirtschaften soll. Als Mittel zum Zweck dient das Wirtschaftsunternehmen 1 8 2 , ein Wirtschaftssubjekt, das nicht nur reagiert, sondern Marktpositionen zurückerobern, verteidigen, ausbauen und verfestigen, das Initiativen entwickeln, starten und etablieren soll. Es sind daher nicht nur die angestammten Leistungsangebote der Bahn hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Attraktivität ständig zu überprüfen, gegebenenfalls zu modernisieren oder bei Unrentabilität aus dem Programm zu streichen. Auch eisenbahn-unspezifische Märkte und Marktsegmente müssen durch entsprechende Innovationen erschlossen werden. Daß der verfassungsändernde Gesetzgeber genau diese Ausrichtung im Auge hatte, belegt sein Rekurs auf die Weimarer Verfassungslage: Unter dem Regime des alten § 28 Abs. 1 Satz 1 BbG war die Deutsche Bundesbahn lediglich „wie ... ein Wirtschaftsunternehmen zu führen". Damit sollte sie nach allgemeiner Auffassung anders als ein echtes kaufmännisches Unternehmen nicht auf Gewinn-, sondern vorrangig als gemeinwirtschaftliches Unternehmen auf Leistungsmaximierung ausgerichtet sein. 183 Die flächendeckende, optimale Versorgung der Bevölkerung sowie der verladenden Wirtschaft mit Verkehrsdienstleistungen stand im Vordergrund, Gewinne waren nur soweit zu erwirtschaften, als sie zur Kostendeckung und angemessenen Eigenkapital Verzinsung gebraucht wurden. 184 Die Weimarer Reichsverfassung hatte dagegen den Pflichtenwiderspruch zwischen ökonomischer Leistungsmaximierung und Gemeinwohlgerichtetheit in Art. 92 Satz 1 WRV einseitig zugunsten der Erwerbs Wirtschaftlichkeit gelöst. 185 Indem der heutige Grundgesetztext in Abs. 3 Satz 1 anordnet, daß die Eisenbahnen „als ... Wirtschaftsunternehmen zu 179 Vgl. dagegen die ausführliche Erörterung zu den Schranken des wirtschaftlichen Engagements des Bundes unter Rückgriff auf die Lehre vom mittelbar-faktischen Grundrechtseingriff bei Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 100 ff. 180 Unzutreffend deshalb Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 111. 181
Vgl § 4L.
182 Vgl. zum Begriff auch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 26 ff. 183 Kilian/Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 184. Umfassende Erfüllung öffentlicher Zwecksetzung als entscheidendes Merkmal der Leistungsverwaltung, z. B. BVerfG, Beschl. v. 7. 6. 1977-1 BvR 108 u. a./73 u. a., E 45, 63 (80); zusammenfassend v. Danwitz, AöR 120 (1995), 599 m. w. N. 184 Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 28 BbG, Anm. 2c). Vgl. schon oben Teil 1, § 3 /. 3. c. 185 Vgl. zu den Entwurfsdiskussionen Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 92, Anm. 1.
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führen" sind, greift der verfassungsändernde Gesetzgeber auf die Formulierung in Art. 92 Satz 1 WRV zurück. So steht auch bei der neuen Bahn „als ... Wirtschaftunternehmen" nicht notwendig mehr die auskömmliche Deckung der allgemeinen Verkehrsbedürfnisse und damit die Führung des Unternehmens im öffentlichen Interesse an erster Stelle. 1 8 6 Indem sich das geänderte Grundgesetz für ein rein erwerbswirtschaftlich geprägtes Unternehmensziel entschied187, ist das öffentliche Interesse nur noch Bestandteil der separaten, von den Verpflichtungen des Unternehmens zunächst geschiedenen Gewährleistungsklausel in Abs. 4 . 1 8 8 Gleichwohl ist davon auszugehen, daß das Unternehmen im funktionierenden Wettbewerb die Nachfrage nach Verkehrsleistungen auch optimal zu befriedigen sucht, um die Marktanteile zu halten. Allenfalls aus Effizienzgründen werden gewisse Nachfragesegmente bewußt nicht vollständig abgedeckt.189 Die verfassungsrechtliche Vorgabe bleibt nicht ohne Folgen für die Einflußnahme des Bundes. Um als Marktteilnehmer leistungs- und gewinnorientiert agieren zu können, bedarf das Unternehmen privatautonomer Handlungsfreiheiten. Denn ein Unternehmen nimmt nur dann langfristig am Wettbewerb teil, wenn es seine Ressourcen, beispielsweise die Eisenbahninfrastruktur und das Personal, sowohl rechtlich als auch tatsächlich marktorientiert und effizient einzusetzen vermag. 190 Das Unternehmen Bahn kann folglich nicht auf unabsehbare Zeit verpflichtet werden, ζ. B. unrentabel gewordene Strecken weiterzubetreiben. 191 Würde der Bund das Schienenwegeunternehmen dazu veranlassen wollen, so verstieße er gegen die modale Führungsvorgabe aus Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG. 1 9 2 Gleiches gilt für den Personaleinsatz. Auch hier existieren nur die für alle in der Privatwirtschaft tätigen Arbeitnehmer entworfenen Schutzbestimmungen des Betriebsverfassungs- und Kündigungsschutzrechtes, eine weitergehende Beschränkung marktorientierter 186 Regierungsbegründung BT-Drucks. 12/5015,7,5. 187
Ausführlich Heiermann, BauR 1996, 450 ff. gerade auch in Abgrenzung von den gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen, die nur ausnahmsweise und aufgrund eines gesonderten Rechtsaktes zu erbringen sind; i.E. ebenso Fromm, DVB1. 1994, 191 f.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 427; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 581. Allgemein zum Gewinnerzielungszweck einer Gesellschaft als Automatismus Schön, ZGR 1996,440. Gegen eine solche an die Formulierung gebundene exemplifizierte Gegensätzlichkeit Menges, Die Rechtsgrundlagen für die strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 62 ff. 188 Im einzelnen § 6 III. 2. a. 189 Zum ganzen Hommelhoff/Schmidt-.Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 535 f. 190
Hommelhoff/Schmidt-Aßmann erläutern die Verfassungsvorgabe so: Der Bund sei angewiesen, „sich wie ein normaler Eigentümer zu verhalten, der nicht tatenlos zusieht, wie sein Vermögen, weil nicht markterfolgreich einsetzbar, zusehends dahinschmilzt", ZHR 160 (1996), 534. Wie Bahnchef Mehdorn diesen Vorschlag umzusetzen beabsichtigt FAZ v. 28. 1. 2000, Nr. 23, S. 24. 191 § 6 III. 2. a. (3). 192 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 534.
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Personalpolitik etwa aus sozialpolitischen oder volkswirtschaftlichen Erwägungen heraus aber steht dem Bund nicht zu. 1 9 3 Von einer an solchen Unternehmensführung, die sich an den Maximen der Erwerbswirtschaft orientiert, profitiert nicht nur das jeweilige Bahnunternehmen, sondern auch der Bund als derzeitig alleiniger Anteilseigner. Je erfolgreicher die Bahnleitung im Wettbewerb agiert, um so mehr fließt dem Bund über den Mehrzuwachs seines Bahnvermögens und die Dividendenausschüttungen zu. Die Bundesrepublik gelangt somit in die Stellung eines normalen Unternehmenseigners. 194 Und wie Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG dem privaten Eigentümer sichert die eingefügte Verfassungsnorm des Art. 87 e Abs. 3 GG dem Bund dafür die grundsätzliche Verfügungsfreiheit bezüglich seiner Unternehmensanteile zu. Die einzige wirksame Grenze unternehmerischer Freiheit setzen die Sätze 2 und 3 des Art. 87 e Abs. 3 GG. 1 9 5
I I I . Die Organisation in privater Rechtsform Die Vorgabe, daß die Bahn „als Wirtschaftsunternehmen" zu führen sei, indiziert - für sich genommen - keine Organisationsform. Denn auf Gewinnerzielung ausgerichtete Wettbewerbsteilnahme läßt sich mit Mitteln des Gesellschaftsrechts und damit privatrechtlich, ebensogut aber auch öffentlich-rechtlich organisieren. Das belegt das Beispiel der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt oder zeigt aus vergangener Zeit das Beispiel der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft. 196 Eben dies ist auch der Grund, warum die neue Verfassungsvorschrift mit der Ergänzung „in privatrechtlicher Form" klarstellen wollte, „daß" die private Rechtsform für das Unternehmen Bahn zwingend ist. Die politische Erwartung, die mit dieser verfassungsrechtlichen Verlagerung der Organisation in das Gesellschaftsrecht in der Verfassung Ausdruck findet 197, knüpft an das von Ballerstedt so genannte „spezifisch privatrechtlich-unternehmerische Moment" an. 1 9 8 Nicht mehr die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, sondern 193 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, 194 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann,
ZHR 160 (1996), S. 534 f. ZHR 160 (1996), S. 536 f.
195 Ausführlich § 6. 196 Vgl .§4 III 197 Dazu schon § 4 1. Vgl. in diesem Zusammenhang noch die Änderung des § 7 BHO durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms v. 21. 12. 1993, BGBl. I, 2353, der zur Prüfung verpflichtete, inwieweit „staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können". 198 Ballerstedt, DÖV 1951, 451. Allerdings sah es Ballerstedt gerade für die Bundesbahn als sachgemäß an, daß dort dieses Moment zurücktritt. Er sprach sich somit gegen eine rechtliche Verselbständigung der Bundesbahn aus und begründete seine Auffassung damit, daß jede wesentliche Maßnahme der Bundesbahnleitung unmittelbar an dem Gemeinwohl orien-
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ein privatautonom agierendes Wirtschaftssubjekt bestimmt das Handeln. Die ökonomische Realität überholt die kameralistische Buchführung, und an die Stelle der Demokratie tritt Effizienz. 199 Nicht zuletzt zählt die Anordnung einer privaten Organisationsform auf jene positiven wirtschaftlichen Effekte 200 , die man schon bald als „AG-Effekte" 201 bezeichnet hat. Sie gründen in erster Linie darin, daß die Geschäftsführung vom Unternehmenseigentum getrennt wird. Die eigentliche Unternehmensleitung obliegt ausschließlich einem geschäftsführenden Organ, das zum einen von den Gesellschaftern als Eigentümern separiert und zum anderen aufgrund der Professionalität seiner Mitglieder mit den notwendigen unternehmerischen Erfahrungen ausgestattet ist. 2 0 2 Die Bedeutung dieser Entscheidung wird vor dem Hintergrund des abgelösten Systems erst richtig deutlich: Bei der Bundesbahn besaß neben dem Vorstand auch der Verwaltungsrat sehr weit reichende Zuständigkeiten und Initiativrechte (vgl. § 12 Abs. 1, 2 und § 9 Abs. 1 Satz 2 BbG). 2 0 3 Die Kompetenzvermischung zwischen dem Geschäftsführungsorgan der Bahnen und der Bundesrepublik als Eigentümerin führte zu einer verstärkt unternehmensfremden Einflußnahme des Staates (etwa zum Nutzen der Wirtschaft, § 10 Abs. 4 Satz 1 BbG) und hinderte den Vorstand nicht selten, wettbewerbspolitisch gebotene unternehmerische Entscheidungen zu treffen. 204 Je nach Wahl der Gesellschaftsform hält die geänderte Verfassung nun die Möglichkeit offen, hier eine strenge Trennungslinie zu ziehen. Denn nur so kann die unternehmerische Planung aus der Abhängigkeit der politischen tiert sein muß, weshalb die Dringlichkeit des öffentlichen Interesses für eine öffentlich-rechtliche Gestaltung der Bahn spricht. In diesem Sinne auch Hettlage, in: Schmidt-Rimpler-FS, S. 292, sich darauf beziehend Schön, ZGR 1996,430. Allgemein zu den Gründen, ein öffentlich-rechtliches in ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen umzuwandeln Leisner, WiVerw. 1983, 215 f. 199 So Leisner, WiVerw. 1983, 225. Deutlich die Divergenzen und gegensätzlichen Orientierungen von öffentlicher Verwaltung und zum Unternehmensrecht gewandeltem Gesellschaftsrecht aufzeigend v. Danwitz, AöR 120 (1995), 598; Schön, ZGR 1996,430. 200 Zurückhaltender Gaentzsch, DÖV 1998,952: „vermeintliche Wirtschaftlichkeit". 201 Begriff bei Reinhardt, ZGR 1996, 380. Der - gegebenenfalls auch alleinige - Aktionär kann nur dort über die Hauptversammlung initiativ werden oder dem Vorstand bzw. Aufsichtsrat Vorgaben machen, wo das Aktienrecht der Hauptversammlung Zuständigkeiten zuweist. Das sind im wesentlichen die in § 119 Abs. 1 AktG enumerativ festgelegten Entscheidungsgegenstände (zu den ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen vgl. BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 - II ZR 174 / 80, Β GHZ 83,122 (137 ff.). Eine Erweiterung der Zuständigkeiten durch eine ad hoc - Ergänzung der Satzung ist wegen der gesetzlichen Kompetenzanordnung, § 23 Abs. 5 AktG, ausgeschlossen. M. w. N. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 543 f.; ausführlich zu den gesellschaftsrechtlichen Einflußnahmemöglichkeiten und ihren Grenzen § 6 III. 1. 202 Eine Aufstellung und differenzierte Diskussion der für die private Rechtsform sprechenden Gründe bei Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 801 ff. 203 „Kompetenz-Kompetenz" des Verwaltungsrates, Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 12 BbG, Anm. 3. 204 Hommelhoff/Schmidt-.Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 543, 544f.
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Entscheidungsorgane des Bundes gelöst werden. 205 Umgekehrt dürfen dann freilich auch mangelhafte Leistungen nicht mehr automatisch dem Bundeshaushalt oder dem Steuerzahler angelastet werden. Das wiederum fördert selbständiges und unabhängiges unternehmerisches Handeln der Verantwortlichen. 206 Damit wird der Bund aus seiner Rolle des im wesentlichen verantwortlichen Entscheidungsträgers entlassen; diese Funktion übt ab sofort ein hierzu befähigtes Geschäftsführungsorgan aus. Die Frage, welche gesellschaftsrechtlich typisierte Form für das - seit Realisierung der 2. Stufe der Bahnreform zum 1.1. 1999: die - Unternehmen zu wählen ist, hat die Verfassung nicht ausdrücklich beantwortet. Daß die Verfassung zu diesem Punkt schweigt, mag damit zusammenhängen, daß die durch Verweis auf die privatrechtlichen Organisationsformen eröffneten spezifischen Freiheiten des Gesellschaftsrechts 207 nicht über das notwendige Maß eingeschränkt werden sollten. war nur insoweit Schranken unterworfen, als mit dem Bund Die Typenwahlfreiheit als alleinigem Gesellschafter von der gesamten Bandbreite möglicher privater Organisationsformen von vornherein denklogisch diejenigen ausscheiden mußten, die mehr als einen Gesellschafter forderten: die echte Personengesellschaft 208, die Genossenschaft 209 und natürlich auch die Stiftung. 210 Daß unter den ansonsten noch in Betracht kommenden privatrechtlichen Unternehmensträgern (GmbH, Kapitalgesellschaft & Co. oder - wenn die „Einmann"GmbH sowohl die Funktion des Komplementärs als auch die des Kommanditisten erfüllt - GmbH & Co. K G 2 1 1 sowie insbesondere AG) die Aktiengesellschaft zum favorisierten Typus aufstieg, liegt sicher nicht allein daran, daß die Regierungskommission Bundesbahn - überwiegend allerdings aus Gründen der Anschaulichkeit - in ihrem Bericht hin und wieder auf diese Rechtsform zurückgegriffen hatte. 212 Für die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft sprach jedoch, daß sie sich am besten von den (nach dem Grundgedanken der Reform abzuwendenden) unternehmensexternen Einflußnahmen distanzieren kann 213 , nicht zuletzt auch weil die Rechtsform der Aktiengesellschaft der ansonsten nahezu unbeschränkten Ausgestaltungsfreiheit hinsichtlich des Gesellschaftsstatuts (Satzung) durch § 23 Abs. 5 AktG klare Grenzen setzt. 214 205 Vgl. Kilian, Nebenhaushalte des Bundes, S. 409. 206 Reinhardt, ZGR 1996, 379. 207 Ausführlich Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 538. 208 Voraussetzung sind mindestens zwei Gesellschafter. 209 Vgl. § 7 GenG: mindestens 7 Genossen. 210 Gem. §§ 80 ff. BGB hätte dem Bund dann das Eisenbahnvermögen weder wirtschaftlich noch rechtlich gehört. 211 Vgl. zur GmbH & Co. KG als im Zuwachs begriffene Gesellschaftsform Grunewald, Gesellschaftsrecht, I.C., Rn. 63 ff. 212 Vgl. Bericht der Regierungskommission Bundesbahn, 1991, S. 15 ff. 213 Gellner, Int. Verkehrswesen 44 (1992), 472. 214 z u den möglichen Sonderregelungen vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 540.
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Vor allem ist sie als juristische Person selbständig und Trägerin eigener Rechte sowie Pflichten. Ihr können Vermögensgegenstände direkt zugeordnet werden, und sie besitzt die Fähigkeit zu eigener Wirtschafts- und Haushaltsführung. 215 Als interessanter Vorzug gerade im Hinblick auf die Perspektive eines künftigen Börsenganges 216 stellt sich die Möglichkeit einer relativ mühelosen Übertragung von Aktien auf Dritte gem. § 186 Abs. 3 AktG dar. 217 Die neben der Typenwahlfreiheit dem Eigentümer zustehende Gründungsfreiheity die in positiver und normalerweise auch in negativer Richtung den Entschluß sichert, ein Unternehmen in Gesellschaftsform zu gründen, beschränkte das Grundgesetz bereits insoweit, als die Gesellschaftsgründung selbst nicht mehr zur Disposition stand. Auch die Zahl der zu gründenden Gesellschaften, legte die Verfassung auf mindestens zwei fest. Denn zum einen gebraucht sie den Begriff des Wirtschaftsunternehmens im Plural. 218 Zum anderen zwingen die Sätze 2 und 3 des Art. 87 e Abs. 3 GG dazu, Bau, Betrieb und Unterhaltung von Schienenwegen als den mit Veräußerungsbeschränkungen belegten Teilbereich des Eisenbahnwesens von den übrigen Bereichen, die uneingeschränkt privatem Kapital zugänglich gemacht werden können, abzuspalten. In Ausfüllung dieser danach verbliebenen gesellschaftsrechtlichen Spielräume wurde am 3.1. des Jahres 1994 auf der Grundlage des Deutsche Bahn Gründungsgesetz (DBGiG) 2 1 9 , der zuvor im „Bundeseisenbahnvermögen" 220 (neben dem weiterhin verwaltenden) zwischengelagerte unternehmerische Bereich ausgegliedert (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen 221) und eine Aktiengesellschaft mit dem Namen „Deutsche Bahn AG" gegründet (§ 1 DBGrG). Diese hatte mit dem Tag ihrer Eintragung ins Handelsregister am 5. 1. 1994 222 (§21 des Gesetzes über die Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen) einen Anspruch auf Übertragung aller unmittelbar und ausschließlich bahnnotwendigen Liegenschaf215
Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 580, Bericht der Regierungskommission Bundesbahn, S. 15. 216 Freise, Eisenbahngesetze, Einführung S. 22; Reinhardt, ZGR 1996, 384. Jüngst FAZ v. 27. 1. 2000, Nr. 22, S. 22; v. 28. 1. 2000, Nr. 23, S. 24. 2" Hommelhoff/Schmidt-Aßmann,
ZHR 160 (1996), S. 539 f.
218
"..als Wirtschaftsunternehmen... Diese.." Anders Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 11 : Der wechselnde Gebrauch von Singular und Plural in Abs. 3 Sätze 1 und 2 - folglich dann auch in Satz 3 - hat „keine Bedeutung", „er indiziert keine festen Anweisungen"; ebenso Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 580. ™ Art. 2 des ENeuOG. Ein in der berühmten juristischen Sekunde vom 31. 12. 1993 zum 1.1. 1994 aus Deutscher Reichs- und Deutscher Bundesbahn zusammengesetztes, nicht rechtsfähiges Sondervermögen, dessen Auflösung frühestens zum Ende des Jahres 2003 ansteht (§ 30 Abs. 1 BENeuglG). 220
22
1 Art. 1 des ENeuOG. Eingetragen beim Amtsgerichtes Berlin-Charlottenburg unter HRB-Nr. 50.000.
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t e n 2 2 3 aus dem Bundeseisenbahnvermögen (§ 20 Abs. I ) . 2 2 4 Darüber hinaus forderte § 2 Abs. 1 DBGrG, um der verfassungsrechtlich gebotenen Einschränkung hinsichtlich der Zahl der zu gründenden Gesellschaften gerecht zu werden, daß die Deutsche Bahn A G gemäß § 18 Abs. 1 A k t G einen Unterordnungskonzern mit mindestens vier Tochtergesellschaften zu bilden habe. Die Regelung, die zwar nicht die Beteiligungs- wohl aber die Gründungs- und letztlich auch die Konzernierungsfreiheit 225 als gesteigerte Form der Beteiligungsfreiheit einschränkt (vgl. Art. 18 Abs. 1, 2 A k t G 2 2 6 ) , führte dazu, daß seit dem 1. 1. 1999 die gemäß § 25 D B G r G organisatorisch und rechnerisch voneinander zu scheidenden Bereiche Personennahverkehr, Personenfernverkehr, Güterverkehr und Fahrweg, ergänzt durch den Unternehmensbereich Personenbahnhöfe, aus der Gesamt-AG ausgegliedert worden sind und jeweils selbständig in Form der Aktiengesellschaft - denn auch die Typenwahlfreiheit wurde vom Gesetzgeber beschnitten - betrieben werden. 2 2 7 Die Deutsche Bahn A G , der die Dienstleistungs- (Bildung und Personalservice) und Kompetenzzentren (DB Anlagen und Hausservice - AHS, D B Arbeit, D B Gastronomie, D B Informatik Dienste, D B Tank Service) zugeordnet sind, fungiert von da ab als Holding mit eigenständigen Tochtergesellschaften. 2 2 8 223
Die Verpflichtung erstreckt sich auf weitere Liegenschaften, soweit der Nachweis einer entsprechenden Bahnnotwendigkeit geführt wurde, § 20 Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen. Am 5. 8. 1996 beschlossen die Bundesregierung, die Deutsche Bahn AG sowie das Bundeseisenbahnvermögen eine letzte Rahmenvereinbarung, um die noch verbleibenden Liegenschaften verbindlich aufzuteilen. 224 Dem verbleibenden verwaltenden Bereich des Bundeseisenbahnvermögens oblagen von da ab Verwaltung und vor allem auch Verwertung der nicht bahnnotwendigen Liegenschaften sowie die Abwicklung der durch die Bahnreform notwendig gewordenen personalrechtlichen Besonderheiten - § 12 DBGrG, wie ζ. B. die Fortführung betrieblicher Sozialund Selbsthilfeeinrichtungen der ehemaligen Bundes- und Reichsbahn (vgl. § 1 Abs. 2 des Zusammenführungs- und Neugliederungsgesetzes). 225 Die gesellschaftsrechtliche Konzernierungsfreiheit definiert sich als Freiheit, mit anderen Gesellschaften einen durch gesellschaftsrechtliche Beteiligung fundierten Gleich- oder Unterordnungskonzern zu bilden, § 18 Abs. 1, 2 AktG. Hiervon abzugrenzen ist die kartellrechtliche Fusionsbeschränkung. Diese enthält gem. § 23 GWB bzw. nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben aus Art. 86 EGV in Verbindung mit der Fusionskontrollverordnung Regeln zur Fusionskontrolle für die Beteiligungs- und Konzernierungsfreiheit. 226 Vgl. weiterführend hierzu Krimphove, Europäische Fusionskontrolle, S. 81 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 446 ff. Davon zu unterscheiden sind die kartellrechtlichen Freiheitsbeschränkungen gemäß den Regeln zur Fusionskontrolle nach §§ 23 ff. GWB bzw. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, Art. 86 EGV i. V. m. der Fusionskontrollverordnung, dazu Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 138 ff. 227 ins Handelsregister wurden am 1. 6. 1999 eingetragen: DB Regio (Personennahverkehr), DB Reise & Touristik (Fernverkehr), DB Cargo (Güterverkehr), DB Netz (Fahrweg) und DB Station und Service (Personenbahnhöfe); vgl. auch Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), S. 541 f. 228 Zu geplanten Verschiebungen innerhalb der Holdingstruktur FAZ v. 28. 1. 2000, Nr. 23, S. 24; v. 26. 2. 2000, Nr. 48, S. 16; SZ v. 20. 3. 2000, Nr. 66, S. 9.
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Seit ihrer Verstaatlichung vor rund 100 Jahren ist damit durch die verfassungsrechtliche Entscheidung für die im Eigentum des Bundes stehenden Eisenbahnen erstmals wieder der Weg zu privatrechtlicher Organisation und Funktionsweise eröffnet worden. Daß sich das Parlament in Zeiten leerer Kassen, als die Bahn zum Haushaltsrisiko wurde, der für die Eisenbahnen schon erprobten Privatrechtsform erinnert und mit wenigen Einschränkungen 229, die mit der historischen Entwicklung und den Unwägbarkeiten des Ubergangs in Zusammenhang stehen, konsequent umsetzt, bestätigt, was sich schon oben (Teil 1) mit Blick auf die der Bundesbahn vorangegangene Entwicklung konstatiert wurde: Die Antwort auf die Frage „Staatsunternehmen oder Actienbau?" ist eine politische. 230 Darin, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber einen der einst volkswirtschaftlich wichtigsten Wirtschaftskörper der Privatwirtschaft zurückgegeben und sich zugleich für ein „Weniger" - wieviel wird noch zu klären sein - an staatlicher Einflußnahme entschieden hat, liegt mehr als der Hinweis auf die Grenzen des öffentlichen Rechts. Man mag hoffen, und der mit der Verfassungsänderung beschrittene Weg deutet darauf hin, daß das Eingeständnis an die beschränkte Leistungsfähigkeit des Staates zu einer wirklichen Rückbesinnung auf seine Kernfunktionen führt: die Überwachungs-, Aufsichts- und auch die freilich durch gemeinschaftsrechtliche Maßgaben relativierte Lenkungsfunktion.
§ 6 Aufgaben und Rechtsstellung des privatisierten Infrastrukturunternehmens vor dem Hintergrund der Privatisierungsschranke des Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG Die dritte wesentliche Novität im neuen Grundgesetzartikel und ein zentraler Punkt im Reformkonzept der Regierung ist die Sonderbehandlung des Schienenwegebereichs in Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG. Dieser umfaßt gemäß dem vorangehenden Satz 2 „den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen". Die Regelung schränkt die autonome Veräußerungsfreiheit, die zu einem Wirtschaftsunternehmen in privater Rechtsform (Satz 1) eigentlich gehört, durch ein doppeltes, sowohl formell- als auch materiell-rechtlich wirkendes Sicherungssystem ein, ohne sie aber ganz aufzuheben. Gesetzgebungstechnisch bediente sich der Verfassungsgeber hierzu des Schrankenvorbehalts 231 (sogenannter Schienen229 Schmidt-Aßmann/Röhl Grundpositionen des neuen Eisenbahnverfassungsrechts, DÖV 1994, 578: „Übergangsstatut mit Zeitperspektive". 230 Vgl. Teil 1 §111.
231 Dagegen sprechen Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 527; Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 39 von einem Regel-/ Ausnahmeprinzip. Regel sei, alle Eisenbahnunternehmen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in 7 Pommer
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Teil 2: Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform
wegevorbehält): Diesem zufolge kann sich der Bund nur unter Einhaltung bestimmter formeller (Gesetzesvorbehalt) sowie materieller Kautelen (Mindestbeteiligungsklausel) seiner Anteile entledigen (I.). Der Schienenwegevorbehalt bedingt deshalb noch nicht zwingend zwei völlig verschiedene Rechtsregime für das Schienenwegeunternehmen auf der einen und die übrigen Eisenbahnunternehmen auf der anderen Seite (obwohl auch ein solches System mit den europäischen Vorgaben in Einklang stünde 2 3 2 ). Vielmehr handelt es sich um eine „asymmetrische" Ausformung ein und desselben Konzepts: Führung der Eisenbahnen (des Bundes) als Wirtschaftsunternehmen in Privatrechtsform. Das bedeutet - für alle Unternehmen - gleiche Handlungskompetenzen, gleiche Gestaltungsmöglichkeiten und vor allem, daß die Bahn des überkommenen Gemeinwirtschaftlichkeitsauftrags ledig i s t . 2 3 3 Einzig die Einflußnahmeverpflichtung des Bundes als Anteilseigner könnte j e nach Unternehmen verschieden zu Buche schlagen, muß aber nicht notwendig die Unternehmen unterscheiden (ΙΠ.). Zuvor ist jedoch zu prüfen, wo die Grenze
privater Rechtsform geführt, ausgenommen das (die) Schienenwegeunternehmen soweit es (sie) entsprechend der Verfassungsvorschrift mehrheitlich im Eigentum des Bundes verbleiben müsse(n). Da es aber in Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG nicht heißt, die Eisenbahnen werden als Wirtschaftsunternehmen ... geführt, sondern dort nur Regelungen für einen Teil der Eisenbahnen getroffen wurden (die „Eisenbahnen des Bundes legaldefiniert in Art. 73 Nr. 6 a GG als „Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen"), erscheint die von Hommelhoff/Schmidt-Aßmann und Windhorst zur systematischen Erläuterung herangezogene Regel-/Ausnahmetypik unangebracht. Denn Satz 3, 2. Halbsatz fordert lediglich, daß es im Bereich der Schienenwege bei dem Mehrheitseigentum des Bundes, das auch in Satz 1 für die Anwendbarkeit der Regel vorauszusetzen wäre, zu bleiben hat. Satz 1 in dem Sinn zu interpretieren, daß nur im Fall der mehrheitlichen Veräußerung des Unternehmens das gleichzeitig enthaltende Gebot zur privaten Wirtschaftsführung im Sinne der Verfassung realisiert werde (so aber Windhorst: Führen „als Wirtschaftsunternehmen" beinhaltet das Gebot zur Aufgabenprivatisierung, dem ein auf Dauer angelegtes Mehrheitseigentum des Staates entgegensteht; so zumindest für die Transportbereiche auch Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 115 f. unter Hinweis auf die „Aushilfszuständigkeit" des Bundes), läßt den genauen Wortlaut außer Acht. Eine mehrheitliche Veräußerung der Eisenbahnunternehmen (aufgrund der privatrechtlichen Organisationsform zwar generell möglich mit der Folge, daß die Eisenbahnen nicht mehr solche des Bundes und damit auch nicht mehr von Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG erfaßt sind), ist nicht zwingend vorgeschrieben. Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG, der lediglich die Anforderungen an eine Veräußerung in diesem Bereich erhöht und ihr Grenzen setzt, kann deshalb auch keine Ausnahme von (welcher?) Regel sein. 232 Vgl. § 4II. 233 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 581; vgl. auch die Selbsteinschätzung der DB Holding im Internet: „Keine Orientierung der Geschäftsführung der Bahn mehr nach makroökonomischen Kriterien am Wohl der Bundesrepublik Deutschland, sondern ... denken in Kosten und streben nach Gewinn" (www.bahn.de/db...holding_reform_040_erste_stufe.smhtl). In diesem Sinne auch schon Berkenkopf, in: ders. / Forsthoff, Die gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung der Deutschen Bundesbahn, S. 9: „Freiwillige gemeinwirtschaftliche Leistungen ... sind ... von privaten Verkehrsbetrieben nicht zu erwarten". Dagegen Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 66 ff. mit einer rein historischen, den Wortlaut verfremdenden Interpretation der verfassungsrechtlichen Prädisposition des Infrastrukturbereichs.
§ 6 Rechtsstellung des privatisierten Infrastrukturunternehmens
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zwischen vorbehaltloser und der Privatisierungsschranke unterworfener Tätigkeit der Eisenbahnen des Bundes verläuft (IL).
I . Formelle und materielle Beschränkungen der Veräußerungsfreiheit 1. Die formelle Privatisierungsschranke In formeller Hinsicht beschränkt ein in Art. 87 e Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz GG verankerter Gesetzesvorbehalt die freie Veräußerung von Anteilen am Schienenwegeunternehmen. Es liegt in der Natur der Sache, ist aber überdies in Art. 73 Nr. 6 a GG festgehalten, daß es in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Bundes fällt (Art. 71 GG), wenn dieser das Eigentum an seinen Eisenbahnen per Gesetz an den Markt bringen will. Aus föderalen Gesichtspunkten unterliegen diese Bundesgesetze jedoch gemäß Art. 87 e Abs. 5 Satz 1 GG dem Zustimmungserfordernis durch den Bundesrat. 234 Gesetzesfreie, private Veräußerungsgeschäfte von Anteilen der vom Schienenwegevorbehalt betroffenen Unternehmen sind gemäß § 134 BGB nichtig, stellt doch Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG ein Verbotsgesetz im Sinn dieser Vorschrift dar. 235 Jede Veräußerung von Anteilen dieses Sektors darf damit nur auf der Grundlage eines Bundesgesetzes erfolgen. Die Veräußerungsregeln stehen im übrigen zur Disposition des einfachen Gesetzgebers. Dieser kann allerdings die Veräußerung nur insoweit fördern oder hemmen, als sein Verhalten den Einklang mit der Verfassung wahrt. Das heißt auch, daß der Freiheit zur Veräußerung, die von Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur zugestanden, sondern selbst gefordert wird, als Ausdruck des verfassungsrechtlich verordneten privatautonomen Wirtschaftens zu maximaler Durchsetzung verholfen werden muß. Die den Eisenbahnen generell, aber auch dem Schienenwegebereich zurückgegebene Privatautonomie genießt schon mit Rücksicht auf den Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) 2 3 6 eine gewisse Be234 Bei der Annahme einer Regel-/Ausnahmetypik, die nur dann funktioniert, wenn der Anteilsverkauf der Umwälzung zwangsläufig folgt (vgl. oben Fn. 231) liegt es jedoch näher, die Bundeskompetenz aus Art. 143 a Abs. 1 Satz 1 GG herzuleiten. Denn der Wortlaut des Art. 143 a Abs. 1 GG umschließt nicht lediglich die durch das ENeuOG vom 27. 12. 1993 mit Wirkung vom 1.1. 1994 innerhalb von 10 Tagen nach Inkrafttreten der Verfassungsänderung (23. 12. 1993) vollzogene Umwandlung der einstigen Bundeseisenbahn in Wirtschaftsunternehmen, sondern erfaßt auch die sich „aus der Umwandlung" ergebenden Folgeprobleme, die spezifisch durch die Veränderungen bedingt sind und in späteren Gesetzen einer Regelung bedürfen (Uerpmann, in: v. Münch /Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 143a, Rn. 2). Da auch für Gesetze gestützt auf Art. 143 a Abs. 1 Satz 1 GG wegen der Verweisung auf Art. 87 Abs. 5 (i. V. m. Art. 143 Abs. 1 Satz 2) GG die Zustimmung des Bundesrates einzuholen ist werden muß, ergeben sich im Vergleich zu einer Kompetenz aus Art. 73 Nr. 6a GG keine faktischen Änderungen. 235 Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 45. 236 Sachs, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 20, Rn. 61. 7*
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Teil 2: Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform
standsgarantie. 237 Ein Verstoß gegen die Grenzen der verfassungsrechtlichen Veräußerungsbeschränkung führt zur Nichtigkeit des Gesetzes.
2. Die materielle Privatisierungsschranke Unter dem Aspekt der Privatisierung und ihrer materiellen Grenzen ist der materiell-rechtliche Umfang des partiellen Veräußerungsverbots des Bundes an dem Bereich (Art. 87 e Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz GG), den das Grundgesetz mit Bau, Unterhaltung und Betrieb von Schienenwegen charakterisiert (Art. 87 e Abs. 2 Satz 2 GG), den Schienenwegeunternehmen 23*, von Interesse. Nach der grundgesetzlichen Vorgabe müssen mehr als 50 % der Anteile an diesen Unternehmen in der Hand des Bundes verbleiben, wobei bereits die mittelbare Beteiligung, z. B. über eine Holding, diesem Erfordernis hinreichend Rechnung trägt. 239 Auch Schachtelbeteiligungen wären somit nicht ausgeschlossen, soweit sie sich auf Kapitalmehrheiten des Bundes „zurückrechnen" lassen, die ihm die Stimmenmehrheit in der Haupt- oder Gesellschafterversammlung sichern. 240 Damit stellt der Schrankenvorbehalt inhaltlich sicher, daß der genannte Schienenwegebereich immer Eisenbahn des Bundes im Sinne der Definition des Art. 73 Nr. 6a GG bleibt. Die im Regierungsentwurf 241 erstmals explizit erwähnte und von Kommentatoren nicht selten aufgegriffene Möglichkeit, diesen Vorbehalt im Wege der Verfassungsänderung (Art. 79 GG) abzuändern 242, deutet zwar darauf hin, daß es sich um eine 237 Inwieweit das Privatrechtssubjekt Schienenwegeunternehmen als Wirtschaftsunternehmen i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG darüber hinaus grundsätzlich dem Schutz der Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG unterfällt, unten § 6 III. 2. c. (2). 238 Ob wegen der pluralen Verwendung des Begriffs Unternehmen („an den Unternehm en ... an diesen Unternehmen ") in Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG der verpflichtende Auftrag steckt, den Bereich „Bau, Unterhaltung und Betrieb von Schienenwegen" nicht nur auf eines, sondern auf mindestens zwei Unternehmen zu verteilen (vgl. bereits die Ausführungen im Zusammenhang mit der Gründungsfreiheit, Fn. 218) oder ob die Verwendung des Plurals als bloße fakultative Option begriffen werden muß (so wohl Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 177 und § 9 Fn. 92), braucht hier nicht geklärt zu werden. Denn die Frage trägt nichts zum Ergebnis bei, sondern wirft lediglich Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 25 DBGrG auf. 239 Degenhart, in: Sachs, Art. 73, Rn. 27; Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 525; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 579; kritisch Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 57, 178 ff. mit dem Hinweis, daß bei der von § 2 Abs. 1 DBGrG anstelle der Abspaltung gewählten Ausgliederung nach dem reformierten UmwG (Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts v. 28. 10. 1994, BGBl. I 3210) alle Aktien an dem neugegründeten Unternehmen der Deutschen Bahn AG und nicht dem Bund zufallen. 240 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 582; Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 14. 241 BT-Drucks. 12/5015,7. 242 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 578; Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 46: „keine institutionelle Garantie dergestalt, daß der Bund für immer Eigentümer der... Infrastrukturunternehmen sein und diese betreiben muß".
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- wenn auch zunächst unverzichtbare - Übergangsregelung handelt, deren Geltungsende schon - wenngleich bisher nur undeutlich - absehbar ist. Damit wird ein Motiv des verfassungsändernden Gesetzgebers kenntlich. Für die Auslegung der Vorschrift spielt indessen die auch bei jeder anderen Verfassungsnorm bestehende Option der Änderung unterhalb der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG keine durchschlagende Rolle. Eine dem Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG vergleichbare Schranke hat der verfassungsändernde Gesetzgeber der Privatisierung der Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht vorgeschoben. Die Verkehrsbetriebsunternehmen können deshalb durch Anteilsverkauf ihre Eigenschaft, Eisenbahn des Bundes zu sein, verlieren. 243 Teilweise wird in dem Fehlen einer solchen Schranke darum ein (innerer) Widerspruch zu Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG erblickt: Eine vollständige Veräußerung, mit der die gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes verloren gingen, entziehen dieser Vorschrift das Substrat. 244 Angesichts der bewußten Differenzierung des verfassungsändernden Gesetzgebers läßt sich aus Abs. 4 Satz 1 gleichwohl keine konkludente Veräußerungsschranke für die Verkehrsunternehmen herleiten. Auch der ungeschriebene institutionelle Gesetzesvorbehalt245 - möglicherweise in Kombination mit Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG - kann die für die Verkehrsunternehmen in Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG getroffene positive Entscheidung nicht konterkarieren. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat den ausdrücklich geregelten Schrankenvorbehalt eben nur für einen Teilbereich der Eisenbahnen notwendig erachtet. Selbst wenn man ungeachtet dessen für den Verkehrsbereich eine Veräußerungsgrenze konstruieren wollte, dürfte diese aus systematischen Gründen niemals so weit reichen wie der explizit verankerte Schienenwegevorbehalt, so daß allenfalls eine Verpflichtung in Betracht käme, einfache oder qualifizierte Minderheiten des Bundes für bestimmte gesellschaftsrechtliche Einflußnahme aufrecht zu erhalten. In keinem Fall aber besteht eine Pflicht des Bundes, seine Dominanz vergleichbar der im Schienenwegebereich zu bewahren. 246
243 Mit der Folge weiterer Kompetenzverschiebungen: konkurrierende Gesetzgebung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG und Landesverwaltung mit der Möglichkeit, sie durch zustimmungspflichtiges Gesetz (Art. 87 e Abs. 2, 5 Satz 1 GG) auf den Bund zurückzuübertragen. 244 So Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 17 ohne weitere Konsequenzen aufzuzeichnen. 24 5 Vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdStR ΙΠ, § 69, Rn. 58 f.; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG-Ko, Art. 87, Rn. 78 ff. 246 Zu den jedenfalls verbliebenen staatshoheitlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auch im Betriebssektor unten § 6 III. 2. a. (3).
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II. Die gegenständliche Reichweite der Beschränkung „Bau, Unterhaltung und Betrieb von Schienenwegen" Die Frage nach der gegenständlichen Reichweite des Teiles der Gesamtunternehmung Eisenbahn, der von der Privatisierungsschranke betroffen ist, läßt sich nur dadurch beantworten, daß man den Umfang des Wegebereichs der Eisenbahn klärt, den die Verfassung mit Schienenwege bezeichnet. Von dieser von der Verfassung gewählten Formulierung weichen die einschlägigen Begriffe im europäischen, einfach- oder untergesetzlichen Eisenbahnrecht ab, die alle gleichfalls den Wegebereich oder einen Teil desselben umschreiben: Eisenbahninfrastruktur, Bahnanlage, Betriebsanlage der Eisenbahn247 - von weiteren Synonymen wie Fahrweg, Netz etc., die in den Kommentierungen benutzt werden, ganz zu schweigen. An alle gesetzlichen Termini knüpft die Rechtsordnung verschiedene Rechtsfolgen. Alle werden aber von Rechtsprechung und wissenschaftlicher Literatur auch zur Abgrenzung einander gegenübergestellt bzw. parallelisiert. Deshalb sollen zunächst die Ausdrucksformen des Wegebereichs benannt und kurz beschrieben werden (1.), die neben der verfassungstextlichen Form Eingang in die Gesetzessprache gefunden haben, bevor untersucht wird, welchen Bereich die Verfassung mit „Bau, Unterhaltung und Betrieb" von Schienenwegen erfaßt (2.). Abschließend sind die eingangs erläuterten Bezeichnungen zu der Verfassungsvorgabe in Beziehung zu setzen und einander gegenüberzustellen (3.).
1. Einfachgesetzliche Ausformungen des Infrastrukturbegriffs und seiner Teile a) Die Eisenbahninfrastruktur Es steht außer Frage, daß die Schienenwege ein wesentlicher Bestandteil der Eisenbahninfrastruktur sind. Wer eine Eisenbahninfrastruktur betreibt, der baut, betreibt und unterhält Schienenwege und führt Betriebsleit- und Sichersysteme (so § 2 Abs. 3 AEG). Kürzt man aus dieser Definition den aktivischen Teil heraus, bleiben die objektiven Begriffsmerkmale. Danach setzt sich Eisenbahninfrastruktur aus den Schienenwegen und den Betriebsleit- sowie Sicherheitssystemen zusammen. Ob die dort zum Teil durch Verweisung auf eine Kommissionsverordnung 248 247 Daß hier nur zu den unmittelbar den Wegebereich und damit das Enteignungsrecht berührenden Vorschriften Stellung genommen wird, begründet sich aus dem Gegenstand der Untersuchung. Ausführlicher dazu Kühlwetter, in: Blümel/ders., Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 30-38. Es sei vorweggenommen, daß dieser in der Antwort auf Diskussionsbeiträge zu seinem Vortrag zu Recht bemerkt, „hier ist unsaubere gesetzliche Arbeit geleistet worden", S. 43. 2 48 Anlage 1 Teil A, 6. Anstrich der VO der Kommission vom 18. 12. 1970 1108/70, ABl. Nr. L 278/1. Zu den Gründen für die eigene Definition des Begriffs der Eisenbahninfrastruktur auf europäischer Ebene: Gleichstellung der Sachanlagenrechnungen und Bilanzen der
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genannten Anlagen (wie ζ. B. Grundstücke, Bahnkörper und Planum, Kunstbauten, schienengleiche Ubergänge einschließlich der zur Sicherung des Straßenverkehrs notwendigen Anlagen, Dienstgebäude des Wegedienstes einschließlich des Teils, der auf die Einrichtungen zur Erhebung der Beförderungspreise entfällt, die zur Infrastrukturverwaltung notwendigen Gebäude sowie Gebäude, in denen sich Verkaufs- und Abfertigungseinrichtungen 249 für den Personen- und Güterverkehr befinden) darüber hinaus den Eisenbahninfrastrukturbegriff anfüllen sollen oder aber nur in irgendeiner Weise die in Satz 1 zur Erläuterung auserwählten Schienenwege und die Betriebsleit- sowie Sicherheitssysteme exemplifizieren, läßt sich allein aus dem Gesetzeswortlaut nicht erschließen. Erkennbar ist jedoch, daß Anlagen wie Straßenanlagen auf Bahnhofsvorplätzen, Dienstgebäude des Wegedienstes und Gebäude für Verkaufs- und Abfertigungseinrichtungen, die § 2 Abs. 3 Satz 2 und 3 AEG in den Eisenbahninfrastrukturbegriff einbezieht, die Grenze des altbekannten Bahnanlagenbegriffs 250 sprengen und folglich mit der Bezeichnung Eisenbahninfrastruktur eine neue, keinesfalls mit dem Begriff der Bahnanlage deckungsgleiche Kategorie geschaffen haben.
b) Die Betriebsanlagen der Eisenbahn und Schienenwege Der auch von der Verfassung gebrauchte Begriff der Schienenwege definiert im einfachen Gesetzesrecht die Betriebsanlagen der Eisenbahn. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG versteht der Gesetzgeber unter Betriebsanlagen der Eisenbahn Schienenwege „einschließlich der für den Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen und Bahnstromfernleitungen". Die Erläuterung der Schienenwege in § 8 Abs. 5 des (bereits mit Blick auf die bevorstehende Bahnreform im November 1993 erlassenen) Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (BSchwAG) 251 kehrt lediglich diese Betriebsanlagendefinition des § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG um. Daraus geht zumindest hervor, daß sich die Bedeutung dieser Ausdrücke deckt. Die Auffassung des Bundesministeriums für Verkehr 252 , nur die Schienenwegedefinition schließe die Betriebsanlagen gemäß § 18 Abs. 1 AEG ein, in umgekehrter Richtung könne das aber nicht gelten, weil vom Schienenwegebegriff im Sinne des BSchwAG darüber hinaus auch Anlagen erfaßt würden, verschiedenen nationalen Eisenbahnen, um die Buchführung der Eisenbahnen der Gemeinschaft vergleichen zu können, Kühlwetter, in: Blümel/ders., Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 30. 249 Geht man davon aus, daß mit „Verkauf 4 lediglich die Veräußerung der Dienstleistung, nicht der sonst inzwischen in Bahnhofsgebäuden übliche Verkauf von Reiseutensilien, Proviant etc. gemeint ist, wiederholt Satz 3 nur den 10. Anstrich der Anlage (Fn. 248). 250 Teil 1 §311. 251 Gesetz vom 15. 11. 1993 BGBl. I S. 1874, angepaßt durch ENeuOG vom 27. 12. 1993 BGBl. I S. 2378 (2423). 2 52 Vermerk E 13/34. 10. 00 ν. 25. 11. 1994, S. 5 (zitiert nach Kühlwetter, ders., Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 34, Fn. 93).
in: Blümel/
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die keine Außen- und damit keine Planungsrelevanz besäßen253, findet keinen Rückhalt im Gesetz. Indem der Begriff der Schienenwege durch den der Betriebsanlagen erläutert wird und umgekehrt, ist jedoch noch keiner der Begriffe vom Gesetzgeber tatsächlich erklärt. Lediglich eine Negativabgrenzung läßt sich aus dem Regelungszusammenhang des Bundesschienenwegeausbaugesetzes entnehmen, das künftige Erweiterungsprojekte durch Zusicherung einer Investitionshilfe sichern soll. Wenn gemäß § 8 Abs. 6 BSchwAG für Investitionshilfen auf ortsfeste Betriebsleitsysteme, „die die Kapazität der Schienenwege steigern und andere aufwendigere Investitionen in diese ersetzen oder vermeiden die für die Schienenwege (Abs. 5) maßgeblichen vorgenannten Absätze 1 bis 4 nur in entsprechender Anwendung gelten, hebt der Gesetzgeber damit hervor, daß der Schienenwege- und damit auch der Betriebsanlagenbegriff zumindest diese kapazitätssteigernden Systemergänzungen selbst nicht mehr beinhalten.
c) Die Bahnanlagen Bislang knüpften sich Rechtsfolgen in erster Linie an den mit „Bahnanlagen" umschriebenen Bereich der Eisenbahnen; er stand folglich auch zu Bundesbahnzeiten im Mittelpunkt des Interesses von Rechtsprechung und Literatur. Dieser von der Gesetzgebung schon seit 1835 gebrauchte Begriff, der zeitweilig lediglich durch wechselnde Eigentumspräfixe wie „Reichs-" oder „Bundes-" ergänzt wurde, ist bereits im historischen Teil im Zusammenhang mit der Enteignungsbefugnis der Deutschen Bundesbahn, die an ihn anknüpft, ausführlich erörtert worden. 254 Er umfaßt auch noch nach der Reform gemäß dem in seiner Substanz unveränderten § 4 Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung (EBO) 2 5 5 „alle Grundstücke, Bauwerke und sonstigen Einrichtungen einer Eisenbahn, die zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs auf der Schiene erforderlich sind". Als dazugehörig nennt Satz 2 schließlich noch die „Nebenbetriebsanlagen sowie sonstige Anlagen einer Eisenbahn, die das Be- und Entladen sowie den Zu- und Abgang ermöglichen oder fördern" 256 .
253 Vgl. auch zu den Bedenken, die einen angesichts dieser Ausweitung gesetzlich abgegrenzter Subventionstatbestände mittels administrativer Weisung befallen Kühlwetter, in: Blümel/ders., Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 35, Fn. 94. 2 54 Teil 1 §311. 2 55 Ursprünglich vom 8. 5. 1967 (BGBl. II, S. 1563), zuletzt geändert durch das ENeuOG am 27. 12. 1993 (BGBl. I, S. 2422). Vgl. bereits die Definition in § 6 der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung v. 17. 7. 1928, RGBl. II, 541 ff.: „alle zum Bau und Betriebe einer Bahn erforderlichen Anlagen mit Ausnahme der Fahrzeuge". 256 Die in Satz 3 enthaltene Differenzierung zwischen den Bahnanlagen der Bahnhöfe, der freien Strecke und sonstigen hat innerbetriebliche Bedeutung, ist für den Anlagenbegriff unbeachtlich, Kühlwetter, in: Blümel/ders., Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 19.
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2. „Bau, Unterhaltung und Betrieb von Schienenwegen" (Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG) In Anbetracht der unterschiedlichen gesetzlichen Umschreibungen des Wegebereichs, die - ihre Verschiedenheit beim Wort nehmend - in ihrer Reichweite differieren können, fragt sich, inwieweit sie jeweils mit dem vom Privatisierungsvorbehalt des Art. 87 e Abs. 3 Sätze 2 und 3 GG umschlossenen Bereich identisch sind. Obwohl man Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG zu Recht die Funktion einer Definitions- und Grundsatznorm zuschreibt 257 , finden sich in der Literatur nur wenige Interpretationsversuche.258 Meist wird schlichtweg vom „Unternehmen, das ... Infrastrukturaufgaben wahrnimmt" 259 , oder vom „Fahrweg" 260 bzw. von beidem gesprochen. Dabei bleibt offen, inwieweit Schienenweg und Eisenbahninfrastruktur deckungsgleich sind, ob die Bezeichnungen Fahrweg und/oder Netz als Synonym für den Schienenweg oder für die Infrastruktur gebraucht werden können, vor allem aber warum der verfassungsändernde Gesetzgeber, wenn er denn - wie behauptet wird - die gesamte Eisenbahninfrastruktur meinte 262 , bloß von Schienenwegen spricht. Die nachfolgende Auslegung des verfassungsrechtlichen Vorbehalts soll hier Klarheit schaffen. Dabei dürfen sich die Bemühungen nicht auf die Auswertung der Materialien zur Entstehungsgeschichte oder den Rückgriff auf das einfache Recht beschränken. Denn Ziel der Auslegung kann selbst unter Einbeziehung der konkreten Regelungsabsichten des Normgebers 263 nur die Ermittlung des heute maßgeblichen, normativen Sinnes des Gesetzes sein. 264 257
Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 11. Überdurchschnittlich viele Gedanken finden sich bei Wegener, DÖV 1996, 309 f. 259 Pieroth, in: Jarass/ders., Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 4; Schmidt-Aßmann/ Röhl, DÖV 1994, 579; Schulz, Eisenbahnwesen des Bundes, S. 87. 260 Dürr, in: Blümel, Verkehrswegerecht, 23 [27, 30] Fahrweg im Sinne von Schienennetz; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 5. 2 i Fromm, DVB1. 1994, 192 „Fahrweg". Der gleichzeitig auftauchende Begriff „Infrastruktur" (S. 192 f.) wird wohl im Sinne von „Eisenbahninfrastruktur" verstanden (S. 191); Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 43 „Fahrweg und Fahrwegkapazitäten", Rn. 44 „Eisenbahninfrastruktur". 258
262
Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Bd. 3, Art. 87 e, Rn. 11. *3 Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Aufig., S. 207: „Der Wille des Gesetzgebers fällt zusammen mit dem Willen des Gesetzes"; vgl. zum Widerstreit zwischen subjektiver und objektiver Auslegungstheorie Larenz, Methodenlehre, S. 316 ff. 2 64 BVerfG, Beschl. v. 17. 5. 1960-2 BvL 11/59 u. a., E 11, 126 (130). Die für die Gesetzesinterpretation entwickelten Gedanken können für die Verfassung allerdings nur soweit gelten, als nicht auf ihre im offenen Normtext begründete Eigenart Rücksicht zu nehmen ist. Anders als bei der Gesetzesinterpretation muß es bei der Auslegung der Verfassung Aufgabe sein, dem wechselnden politischen Gestaltungswillen Raum zu lassen, Böckenförde, NJW 1976, 2091, 2099; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 189 ff. 2
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a) Der Wortsinn und die durch ihn gesetzten Grenzen Der Kern des Wegebereichs der Eisenbahnen, der aus dem Gesamtunternehmen „Eisenbahnen des Bundes" auszugrenzen ist, wird begrifflich durch den Ausdruck „ Schienenwege " markiert. Bis zur Neustrukturierung der Eisenbahn war dieser Begriff im Eisenbahnwesen eher ungebräuchlich, verwendete man dort als terminus technicus doch vorrangig das Wort „Fahrweg". Selbst wenn man hinter dem Gesetzeswortlaut diese fachspezifische Terminologie vermutet, gibt das aber noch keinen Aufschluß darüber, ob der Schienenweg tatsächlich nie mehr sein kann als das Gleis, welches (mindestens zwei) Orte miteinander verbindet. 265 Neben dieser schlichten „Ubersetzung" der zwei zusammengefügten Substantive „Schiene" und „Weg", kann unter Einbeziehung des Wortsinns der Begriff auch für eine Wegeanlage stehen, die - ob mit dem Boden fest verbunden oder nicht - in ihrer Gesamtheit die Voraussetzung und Gewähr für den verkehrstechnisch sicheren Verkehr eines schienengebundenen Fahrzeugs bietet. So verstanden, ist das Wort grundsätzlich auch offen für eine extensive Interpretation: Die durch den Begriff gezogene äußere, unüberwindliche Grenze der Auslegung 266 ließe es zu, selbst die mit Eisenbahninfrastruktur beschriebenen Einrichtungen vom Verfassungstext erfaßt anzusehen. Auch „Bau" und „ Unterhaltung" von Schienenwegen läßt sich sprachgebräuchlich leicht fassen. Zum Ausdruck gebracht wird damit, daß zumindest Errichtung und Wartung der für den Eisenbahnbetrieb notwendigen Schienenwege vom Vorbehalt eingeschlossen sein sollen, wobei im einzelnen „Bau" sowohl den Neu- als auch den Ausbau der Schienenwege umfaßt 267 und der Begriff „Unterhaltung" für Maßnahmen steht, die regelmäßig anfallen, um diese neu- bzw. ausgebauten Schienenwege in verkehrsgeeignetem Zustand zu bewahren. 268 Schwieriger gestaltet sich die Antwort auf die Frage, in welchen äußeren Grenzen sich die Auslegung dessen bewegen muß, was die Verfassung schlicht mit „Betrieb" charakterisiert hat. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist damit eine Tätigkeit bezeichnet, die darauf ausgerichtet ist, die gebauten, ferner zu unterhaltenden Schienenwege zu nutzen. Da im „Betreiben" keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der spezifischen Art und Weise der Nutzung stecken, kann dazu ausgehend vom Wortlaut von der bloßen Vermarktung der Schienenwege bis zu einer auf den Schienenwegen organisierten Verkehrsbedienung jedes Tätigkeitsspektrum gehören.
265 So Duden, Wörterbuch, Bd. 6, S. 2919, rechte Spalte. 266
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2, Rn. 77: „keine freie Wahl der topoi", was das Wort des Gesetzes nicht enthält, ist Rechtsfortbildung; Larenz, Methodenlehre, S. 322. 267 Und seiner wesentlichen Bestandteile, ζ. B. Signaltechnik, Zugleitungen etc. Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 43. 268 Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 43.
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b) Die Bedeutung entsprechend der systematischen Einordnung Die in Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG verwendete Formulierung taucht noch einmal wortlautidentisch an anderer Stelle im Grundgesetz, in Art. 73 Nr. 6 a GG auf. 269 In der ebenfalls mit der Verfassungsänderung 1993 neugeschaffenen Kompetenznorm für ausschließliche Bundesgesetzgebungszuständigkeiten stehen „Bau, Unterhaltung und Betrieb von Schienenwegen" (der Eisenbahnen des Bundes) grammatikalisch im Sinne einer Aufzählung gleichgeordnet neben dem „Verkehr von Eisenbahnen" (die sich ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes befinden). Da separat aufgelistete Kompetenzbereiche regelmäßig einander ergänzen, aber nicht deckungsgleich sind, kann jedenfalls für die in Art. 73 Nr. 6 a GG enthaltene Textgruppe gefolgert werden, daß das „Betreiben" von Schienewegen nicht den „Verkehr von Eisenbahnen" einschließt. Wenn der Verkehr von Eisenbahnen all die Tätigkeiten bezeichnet, die den Transport von Personen und Gütern in Eisenbahnen und auf Schienen betreffen 270, reduziert sich der Betrieb der Schienenwege darauf, die Schienenwege anzubieten, zu vermakeln, zu vermieten, kurzum: den Verkehr auf der Schiene organisatorisch zu ermöglichen. Die Durchführung des Verkehrs bleibt anderen Bereichen überlassen. Für Art. 87 e Abs. 3 GG ist diese für Art. 73 Nr. 6a GG eindeutige Auslegung jedoch nur dann zwingend 271 , wenn dort - wie in der Kompetenznorm des Art. 73 GG - ,3au, Unterhaltung und Betrieb der Schienenwege" grundsätzlich neben der Leistungserbringung auf den Schienenwegen steht. In Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG fehlt es dem Bereich der Schienenwege zwar an einem wie in Art. 73 Nr. 6 a GG explizit benannten Pendant für die auf der Schiene zu erbringenden Dienstleistungen. Anzeichen dafür, daß aber auch hier eine solche Separierung Ausdruck finden soll, liefert die plurale Verwendung der für die Eisenbahnen vorgesehenen Organisationsform „als Wirtschaftsunternehmen" in Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG. Daraus kann zumindest geschlossen werden, daß mehrere Unternehmen zu installieren sind. Daß nicht jedes der zu gründenden Wirtschaftsunternehmen den Schienenwegebau und -betrieb zum Geschäftsgegenstand hat, sondern es auch Unternehmen gibt, die sich den sonstigen eisenbahnspezifischen Tätigkeiten widmen, folgt daraus, daß dem Bund nur das Mehrheitseigentum zu erhalten ist, „soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt" (Satz 2). Das Wort „soweit" hätte andernfalls keinerlei Bedeutung. In Anwendung der Regel, daß unter mehreren denklogisch akzeptablen Auslegungsvarianten diejenige den Vorrang genießt, die die sachliche Übereinstimmung mit anderen Bestimmungen am besten 269 Vgl. außerdem Art. 80 Abs. 2 GG. 270 Zur Abgrenzung der zwei Aspekte Degenhart, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 73, Rn. 28. 271 Zur „Relativität der Rechtsbegriffe" Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 78, 161.
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wahrt 272 , ist folglich die in Art. 73 Nr. 6 a GG gefundene Beschränkung dessen, was zum Betreiben eines Schienenweges gehören soll, verfassungssystematisch auf Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG übertragbar. 273
c) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift Auch wenn der Wille des historischen Gesetzgebers nicht absolut gilt, sondern jede Norm aufgrund der gesellschaftlichen und technischen Veränderungen Wandlungen unterworfen ist 2 7 4 , ist gerade bei einer derart jungen Verfassungsnorm wie dem Art. 87 e GG, für deren Auslegung sich noch keine festen Grundsätze haben bilden können, der subjektive Wille des Gesetzgebers von nicht zu unterschätzender Bedeutung 275 : In der Begründung zum ersten Entwurf eines das Grundgesetz ändernden Gesetzes vom 23. 3. 1993 276 verweist die Bundesregierung hinsichtlich der damals nur in Art. 73 Nr. 6a GG genannten Schienenwege 111 auf die im Recht der Europäischen Gemeinschaft benutzte Spaltung in Transportunternehmen und „Unternehmen, die eine Eisenbahninfrastruktur betreiben". Genau diese Trennungsthese habe man ihrer vielfältigen Funktionen wegen 278 und insbesondere „vor dem Hintergrund der Öffnung der Eisenbahninfrastruktur für andere Eisenbahnverkehrsunternehmen" aufgegriffen. Das bestätigt die soeben bereits durch systematische Auslegung erforschte Begrenzung dessen, was zum Betreiben der Schienenwege gehört: Wenn die Gesamttätigkeit der Eisenbahnen in Transport- und Netzbereich geschieden werden soll, so kann ersterer nur die Verkehrsbedienung umfassen, der Betrieb der Schienenwege dagegen steht für die organisatorische Bereitstellung der Schiene. Aufschluß über den Umfang des Ausdrucks „Schienenweg" vermag die Entstehungsgeschichte jedoch nicht zu verschaffen. Die Dokumente aller drei am Verfah272
Larenz, Methodenlehre, S. 324f.; „bis zum Nachweis des Gegenteils" Schoch, Übungen im Öffentlichen Recht II, S. 36. 273 Mit der Annahme einer Regel-/Ausnahmesystematik (vgl. oben Fn. 231) gelangt man zu keinem klareren Ergebnis. Daß nach der Rechtsprechung die Ausnahme regelmäßig restriktiv zu interpretieren ist (vgl. in bezug auf Art. 79 Abs. 3 GG BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1970-2 BvF 1 /69 u. a., E 30, 1 [25], ferner BGH, Urt. v. 6. 11. 1953 - 1 ZR 97/52, BGHZ 11, 135 [143]), löst nicht das Problem, wie eng die Ausnahme inhaltlich zu fassen ist, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 355; Müller, Juristische Methodik, S. 210. 274 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Aufig., S. 208; ähnlich auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 88f.; BVerfG, Urt. v. 16. 2. 1983-2 BvE 1, 2, 3, 4/84, E 62, 1 (45) mit Verweis auf E 11,126 (130); 13, 261 (268); 54, 277 (298 f.). 27 5 Vgl. BVerfG, Urt. v. 16. 2. 1983-2 BvE 1, 2, 3,4/84, E 62,1 (45). 27 6 BT-Drucks. 12/4610, 5; ebenfalls abgedruckt als Anlage 1 in BT-Drucks. 12/5015, 5. 277 Die Schienenwegeklausel in Art. 87 e Abs. 3 GG ist erst durch Beschluß des Rechtsausschusses in seiner 100. Sitzung am 24. 11. 1993 vorgeschlagen worden, um den Konflikt mit dem Bundesrat zu entschärfen, vgl. BT-Drucks. 12/6280,7 f. 278 Vgl. oben § 4 III.
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ren der Verfassungsänderung beteiligten Institutionen (Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuß) hinterlassen ein Durcheinander erläuternder Formulierungen, denen es an juristischer Exaktheit mangelt. Sie wurde durch die von überwiegend politischen Erwägungen geprägte Diskussion in den Hintergrund gedrängt. Im Entwurf des verfassungsändernden Gesetzes zu Art. 87 GG wurde zur Erläuterung des verfassungsrechtlichen Terminus „Schienenweg" neben dem Begriff Eisenbahninfrastruktur nur die in der Eisenbahnfachsprache gebräuchliche Bezeichnung „Fahrweg" verwandt. 279 Zwischenzeitlich stützte sich der Bundesrat auf den Begriff „Schieneninfrastruktur" 2* 0, um das Phänomen, das er nicht dem marktbeherrschenden, freien Spiel der Kräfte überantworten wollte, zu charakterisieren. An anderer Stelle, im Zusammenhang mit dem nach seiner Auffassung vollständig beim Bund zu belassenden Eigentum an den Schienenwegen, wählte er dann aber die Beschreibung „SchienennetzSchließlich unternahm der Rechtsausschuß des Bundestages, von dem die endgültige Fassung des verfassungsändernden Gesetzes stammt 281 , noch einen letzten, dürftigen Erklärungsversuch: In seiner Begründung zu Art. 80 Abs. 2 GG wollte er unter „Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes" den Fahrweg mit seinen dazugehörigen Anlagen verstanden wissen. 282 Zum Schienewegevorbehalt wurde lediglich bemerkt, daß der Bund das Mehrheitseigentum am Fahrweg behalten müsse. Einmal mehr bewahrheitet sich deshalb hier, daß den Verfassungsmaterialien „ausschlaggebende Bedeutung ... in der Regel nicht zu(kommt)" 283 . Will man die Erläuterungen in den Materialien trotzdem zusammenfassen, so scheint der verfassungsändernde Gesetzgeber ursprünglich den Begriff der „Schienenwege" auf keinen Fall im engsten, also lediglich auf Gleisbauten zwischen zwei Orten bezogenen Sinne, verstanden zu haben. In der Tendenz neigte er eher dem von der EGRichtlinie geprägten Begriff der Eisenbahninfrastruktur, d. h. einer weiten Schienenwegedefinition zu. Die späteren Ausführungen des Rechtsausschusses aber lassen an einer solchen Begriffsbestimmung schon wieder Zweifel aufkommen, denn sie beschränkten sich auf den Gebrauch des Begriffes „Fahrweg", von „Infrastruktur" oder den zum Fahrweg gehörigen Anlagen war nicht die Rede. Der bloße „Fahrweg" aber schließt von sich aus eindeutig nicht alle betriebsnotwendigen Anlagen der Eisenbahninfrastruktur wie Güterumschlag- und Bahnhofsvorplätze einschließlich der Zufuhrwege und Ladestraßen, Bahnhofshallen mit Fahrkartenverkaufseinrichtungen sowie Empfangsgebäuden, Kunstbauten, wie ζ. B. Tunnel, Brücken etc. 2 8 4 mit ein. Der Rechtsausschuß unternahm keinerlei Anstrengungen, 279 „Der ... Begriff »Eisenbahnen' soll beide Bereiche des Rad/Schiene-Systems (Transport und Fahrwegbztàéb) erfassen", BT-Drucks. 12/5015,5 f. 280 Ablehnende Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 12/4810, 5 f.; 12/5015, 9. 2
81 Vgl. Beschlüsse in BT-Drucks. 12/6280,4-6. BT-Drucks. 12/6280, 7. 283 BVerfG, Urt. v. 16. 2. 1983-2 BvE 1, 2, 3,4/84, E 62, 1 (45). 284 Vgl. Darstellung bei Freise/Wittenberg, GewArchiv 1996, 357. 282
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das bis dahin vorherrschende weitere Begriffsverständnis früherer Gesetzentwürfe aufzugreifen, aber er widersprach ihm auch nicht. Vielmehr erschienen dem Rechtsausschuß wie auch den vorab am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten nähere Ausführungen zu diesem Bereich wohl als überflüssig. Die Annahme, daß die wiederholte Nutzung des Begriffs „Fahrweg" in der Begründung des Rechtsausschusses ebenso wie die Begriffswahl im übrigen eher zufällig als mit Bedacht geschah, liegt nach all dem sehr nahe. 285 Letztlich meinte man wohl das Infrastrukturunternehmen, ohne näher zu konkretisieren, ob im weiten, die gesamte Eisenbahninfrastruktur einschließenden, oder engeren, europarechtlich orientierten Sinne.
d) Teleologische und funktionelle
Aspekte der Interpretation
Danach kann nur der teleologische Blick auf den objektiven Sinn der Regelung im Zusammenhang mit ihrer Funktion das für die Schrankenregelung maßgebliche Tatbestandsmerkmal konkretisieren. 286 Einen ersten Anknüpfungspunkt bildet die vieldiskutierte Schnittstelle zwischen Netz und Betrieb als Zentrum der Auslegung und Kern des Problems. 287 Denn diese europarechtlich vorgegebene Trennung zeichnete, das läßt sich der Chronologie der Entstehungsgeschichte sicher entnehmen, den Hintergrund der fraglichen Grundgesetzregelung. Die Probleme der Trennung von Netz und Betrieb gründen nicht so sehr im theoretischen Ansatz. Sie stecken vielmehr in den unzähligen Details, die dadurch entstehen, daß ein historisch mehr und mehr zu einem einheitlichen System gewachsenes Eisenbahnwesen288 aufgespaltet werden soll. 2 8 9 Dabei sind - wie bereits die vorangegangenen Auslegungsansätze zeigen - alternative Modelle denkbar. Sie reichen von einer engen Konstruktion des Netzbereichs, begrenzt auf Schienenwege und die schienenbezogenen notwendigen Anlagen, bis hin zum wei285
Die Zufallsthese wird dadurch bestärkt, daß es der Rechtsausschuß grundsätzlich nicht so genau genommen haben kann, denn unter II. „Inhalt der Beschlußempfehlung" heißt es in Nr. 5 fälschlich: „Im Falle der Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen muß jedoch die Mehrheit der Unternehmensanteile beim Bund verbleiben." (BT-Drucks. 12/ 6280, 8) Dies ist in seiner Absolutheit nicht richtig. Der Anteile am Verkehrsunternehmen kann sich der Bund bei Bedarf sogar komplett entledigen, vgl. Heinze, BayVBl. 1994, 269, Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 582. 286 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2, Rn. 60ff.: Verfassungsinterpretation ist Konkretisierung durch die „Herausarbeitung von Konkretisierungselementen". 287 Vgl. Fromm, DVB1. 1994, 192. Zu den bereits vor der Verfassungsänderung angestellten Trennungsüberlegungen grundsätzlicher Art Brenck, Privatisierungsmodelle für die Bundesbahn, S. 134f.; Göhringer, Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungsproduktion im Bereich des Schienenverkehrs, S. 38 ff. 288 Vgl.§4111. 289 Brenck, Privatisierungsmodelle für die Bundesbahn, S. 134; Göhringer, Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungsproduktion im Bereich des Schienenverkehrs, S. 38; Häusler, Die Bundesbahn, 54 (1978), 937; Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 260.
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ten funktionellen Verständnis, wie es in Art. 2c) der Richtlinie des Rates vom 19. 6. 1995 (EWG) 95/19 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Berechnung von Wegeentgelten290 (zu konkretisieren durch Art. 3 Anstrich 3 der Richtlinie 91/440/EWG unter Bezugnahme auf Anhang I A. der EG-Verordnung 2598/70) zum Ausdruck gelangt, wenn man die Grenze nicht sogar erst dort ziehen möchte, wo sie § 2 Abs. 3 AEG gesetzt hat. Die jeweilige Definition zeitigt erhebliche ökonomische Folgen. Es liegt in der Natur des Betriebes, der an die bereitgestellten Anlagen gekoppelt ist, daß dieser eine „Restgröße" ausmacht, die sich nach Abzug des so oder so definierten Schienenweges vom Eisenbahnwesen insgesamt ergibt. Die Transportunternehmen als Träger des Betriebsbereichs sind interessiert daran, den auszugliedernden Schienenwegebereich, d. h. das Netz, möglichst weit zu fassen, um dadurch finanziell um so stärker entlastet zu werden. 291 Je weiter man den Schienenwegesektor faßt, um so mehr können Betriebskosten in den Wegebereich übertragen und dort abgerechnet werden. 292 Eine Reihe von mehr oder weniger scharfen Konkretisierungen des fraglichen Begriffes hält das einfache Gesetzesrecht bereit. Allerdings ist „äußerste Vorsicht" 2 9 3 geboten, will man bei der Auslegung auf diese zugreifen, denn die Bezugnahme auf einfachgesetzliche oder sogar untergesetzliche Konkretisierungen ist nichts anderes als eine Interpretation der Verfassung im Lichte des einfachen Gesetzes. Trotzdem dient das einfache Gesetzesrecht anerkanntermaßen hin und wieder zumindest als Anhalt, um einzelne Merkmale eines Verfassungstatbestandes zu bestimmen.294 Hier legt die spezifische Interpretationslage einen solchen Rückgriff auf einfachgesetzliche Normierungen nahe, denn die Verfassung wurde fast zeitgleich mit den einschlägigen Normen des einfachen Rechts, insbesondere dem Eisenbahnneuordnungsgesetz beraten und beschlossen.295 Selbst in den Beratungsprotokollen lassen sich deshalb Querverweise auf das einfache Recht finden 296, die
290 ABl. Nr. L 143/75 v. 27. 6. 1995. 291 Göhringer, Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungsproduktion im Bereich des Schienenverkehrs, S. 39; Meyer, Internationale Transport-Zeitschrift 1979, 1961; Seidenfus, ZfVerkehrswiss. 60 (1989), 79 (21). 292 Göhringer, Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungsproduktion im Bereich des Schienenverkehrs, S. 39. 293 Schmidt-Aßmann /Röhl, DÖV 1994, 578. 294 Erinnert sei beispielsweise an Rückgriffe auf Erläuterungen des Gebots der Friedlichkeit in Art. 8 Abs. 1 GG, durch die negative Umschreibung „gewalttätig oder aufrührerischer Verlauf 4 in den §§ 5 Nr. 3, 13 Abs. 1 Nr. 2 des VersG, vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 8, Rn. 23. 295 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. 12. 1993, Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. 12. 1993 (berichtigt am 1. 9. 1994, BGBl. I, 2439). Kurzer inhaltlicher Überblick bei Bennemann, Die Bahnreform - Anspruch und Wirklichkeit, S. 42 ff. 296 BT-Drucks. 12/5015, 5 unter I; BT-Drucks. 12/6280, 8 zu Art. 1 Nummer 5.
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die Tendenz stützen, die Verfassung ebenfalls anhand der einfachen Gesetze zu deuten 297 : Einen Anhaltspunkt für die Auslegung des Verfassungstextes könnten wegen der Zeit- und Sachnähe der Regelungen die §§ 25, 2 DBGrG liefern. Denn darin ist vorgesehen, nach Ablauf von spätestens 5 Jahren mindestens vier eigenständigen Aktiengesellschaften 298 aus der Muttergesellschaft Deutsche Bahn AG auszugliedern. Geht man davon aus, daß sich der Gesetzgeber am verfassungsrechtlichen Rahmen orientieren wollte 2 9 9 , müßte eine der in § 25 DBGrG benannten Bereichsgesellschaften hinsichtlich ihres Aufgabenbereiches dem in der Verfassung unter Privatisierungsvorbehalt stehenden Unternehmen entsprechen. Sowohl Personennah- und -fernverkehr als auch der Güterverkehr beschreiben Verkehrsdienstleistungen und unterfallen somit den Eisenbahnverkehrsunternehmen i. S. d. § 2 Abs. 2 AEG; übrig, um den verfassungsrechtlichen Vorbehalt auszufüllen, bliebe nur die Fahrweggesellschaft, der folglich der gesamte Bereich der Infrastruktur i. S. d. § 2 Abs. 3 AEG zufallen müßte, weil alle sonstigen Gesellschaften mit der Erbringung von Verkehrsleistungen befaßt und damit dem Betriebsbereich zuzuschlagen sind. Diese Überlegung wurde jedoch durch die in der Praxis vorgenommene Ausgliederung von fünf eigenständigen Aktiengesellschaften überholt. Denn § 25 DBGrG hat die Deutsche Bahn nicht auf (maximal) vier Gesellschaften verpflichtet, sondern diese Zahl markiert lediglich die Untergrenzen („mindestens"). Mit dieser (und jeder weiteren) Abwandlung verliert die Bestimmung somit ihre Bedeutung für die Auslegung der Verfassungsbestimmung. Als die entscheidende Maßgabe, um den Schienenwegevorbehalts verbindlich konkretisieren zu können, wird teilweise die in § 2 Abs. 3 AEG definierte Eisenbahninfrastruktur begriffen. Zur Infrastruktur der Eisenbahn im Sinne dieser Regelung zählen die Schienenwege samt den notwendigen Betriebsleit- und Sicherheitssystemen, § 2 Abs. 3 Satz 1 AEG. Wer diese baut, unterhält und betreibt, ist Infrastrukturunternehmer, § 2 Abs. 1 AEG. Der Umfang des Infrastrukturunternehmens ist damit jedoch noch nicht abschließend benannt, denn § 2 Abs. 3 AEG kann insgesamt im Sinne einer Aufzählung verstanden werden, und Satz 2 ergänzt den Begriff um weitere Einrichtungen. 300 Würde man die verfassungsrechtliche Wegebeschreibung durch den einfachgesetzlichen Eisenbahninfrastrukturbegriff ersetzen, unterfielen alle Unternehmen, die zumindest auch Tätigkeiten im Sinne des extensiven Infrastrukturunterbegriffes, so wie er in § 2 Abs. 3 AEG verankert ist, wahrnehmen, nach dieser Auffassung dem grundgesetzlichen Veräußerungsvorbehalt. 301 Diese Perspektive erweist sich indessen als einseitig, wenn man berücksichtigt, daß die Verfassung nicht schlichtweg nur Norm, sondern zugleich Programm sein 297 298 299 300
Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 578. Dazu schon § 4 III. So die Vermutung von Schmidt-Aßmann/Röhl, Vgl. §611. 1. a.
DÖV 1994, 578.
301 Uerpmann, in: v. Münch /Kunig, Grundgesetzkommentar, Bd. 3, Art. 87 e, Rn. 11.
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soll. 3 0 2 Beachtet man diese weitere Verfassungsfunktion nämlich nicht und interpretiert die Verfassung nur noch aus dem einfachen Gesetz heraus - weil einzig dieses die vagen Begrifflichkeiten der Verfassung zu deuten vermag - so droht die Gefahr einer ebenfalls nur noch aus dem einfachen Gesetz heraus verständlichen Verfassung. Dies hätte zur Folge, daß das Grundgesetz den Charakter einer Grundentscheidung und damit die eigene inhaltliche Kraft des Höheren, das zur niederen Normsetzung legitimiert, verlieren würde. 303 Es mag sein, daß der Verfassungsgeber beim Begriff „Schienenwege" die gesamte Eisenbahninfrastruktur, so wie sie dann auch das Allgemeine Eisenbahngesetz definiert, im Blick hatte und nur einen Teil, nämlich den tatsächlich bedeutsamsten, prägendsten Bereich der Gleisanlagen als Basis des Eisenbahnverkehrs begrifflich verankern zu müssen glaubte. Doch allein dies rechtfertigt nicht, den Verfassungstext mit den Begrifflichkeiten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes aufzufüllen. Die Bedeutung der Verfassung als höherrangiges Recht bleibt nur gewahrt, wenn man ihr eine eigenständige, über das einfache Recht hinausreichende Bedeutung zuschreiben kann. Folgt man der aus Furcht vor der puren „Gesetzmäßigkeit der Verfassung" aufgestellten Regel, so darf nicht der Norminhalt des einfachen Gesetzes, das ausschließlich einer bestimmten, gar der verfassungsgebenden Epoche angehört, übernommen werden. 304 Der Vorrang der Verfassung gebietet eine Distanz zwischen den Normebenen. Eine nicht zu leugnende inhaltliche und genetische Abhängigkeit zwischen ihnen darf nicht zu einer Wechselbezogenheit von Verfassung und einfachem Recht führen mit der Folge, daß sich damit nicht nur die Normen, sondern auch die Kompetenzen durchdringen würden. 305 Art. 20 Abs. 3 GG hat die Rangfolge, nach der das einfache Gesetz an der Verfassung zu messen ist, explizit festgelegt. 306 Durch den neuen Art. 87 e im Grundgesetz soll der Umstrukturierung der Boden
302 Leisner, JZ 1964, 202; ders., Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, S. 5, 8 f., 61 spricht treffend von „Selbststand"; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HdStR III, § 61, Rn. 27f.; Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 513 f. 303 Vgl. hierzu ausführlich die mahnenden Worte bei Leisner, JZ 1964, 201 ff. In diesem Sinne auch Wahl, Der Staat, 486 f., 502, 514: Die einseitige Gerichtetheit „von der Verfassung zum Gesetz" muß erhalten bleiben. 304 Leisner, JZ 1964, 205 f. 305 Wahl, Der Staat 20 (1981), 502, 514. Anders Hesse, der gerade aus der unproblematisch im Lichte einer einheitlichen Rechtsordnung zu vollziehenden gesetzeskonformen Auslegung der Verfassung die Wechselwirkung von Verfassung und Gesetz bestätigt wissen will. Sie ist als Rückwirkung der verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts ein mittelbares, nur totgeschwiegenes „Prinzip der Verfassungsinterpretation" (Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2, Rn. 85 und Fn. 56). Letztlich rechtfertigt aber auch nicht diese Hesse sehe Ansicht Uerpmanns Rückschluß auf die überschießende Definition des § 2 Abs. 3 AEG. Denn es widerspricht dem Gebot der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, wenn ein und - angeblich - dieselbe Institutionenbeschreibung zwei unterschiedliche Termini, Eisenbahninfrastruktur im einfachen und Schienenweg im Verfassungsrecht, erhält. 306 Der in Art. 20 Abs. 3 GG statuierte Vorrang des Gesetzes schließt - anders als in der Weimarer Reichsverfassung - den Vorrang der Verfassung ein, vgl. Schnapp, in: v. Münch/ Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 20, Rn. 39.
8 Pommer
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bereitet und ihr Rahmen abgesteckt werden. 307 Die letztlich für die Umsetzung dieses in Art. 87 e GG beschriebenen Wandels vorerst gefundenen Modelle jedoch dürfen die Verfassung nicht zementieren. Sie bieten maximal Anschauungsmaterial für das, was unter den einzelnen Novellierungen des Verfassungstextes verstanden werden kann. Daß das spezifische Verfassungsrecht gegenüber dem gleichzeitig entstandenen einfachen Recht seine Selbständigkeit bewahren muß, darf dabei nicht aus dem Auge verloren werden. 308 Aus diesem Grunde kann eine Formulierung des wortlautidentischen Regelungsgegenstandes sicherlich eine Orientierung, aber keinen abschließenden Maßstab für die Begriffsinterpretation bieten. Die weitreichende Anlehnung an das Allgemeine Eisenbahngesetz ist deshalb als Interpretation der Verfassung nach Maßgabe des einfachen Gesetzes abzulehnen, da die Neufassung dieses Gesetzes die Privatisierungsentscheidung in einer, aber nicht notwendig der einzigen verfassungskonformen Weise umsetzen wollte. Mit gleicher Wortwahl sind die „Schienenwege" Gegenstand der Regelung des § 8 Abs. 5 BSchwAG. In dieser Vorschrift, die der Grundgesetzänderung zeitlich wenn auch nur geringfügig - vorausging, bezieht sich der Begriff auf die „für den Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen", „deren Bau oder Änderung grundsätzlich Gegenstand einer Planfeststellung nach § 18 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ... sein können". Das Bundesschienenwegeausbaugesetz verfolgt damit eine eher restriktive Ausprägung des Begriffs. Schon die ortsfesten Betriebsleitsysteme sollen - wie vorstehend erläutert - nicht mehr vom Schienenwegebegriff gedeckt sein (vgl. § 8 Abs. 6 BSchwAG). 309 Auch die bereits verschiedentlich angesprochenen Besonderheiten des Netzes aufgrund seiner Abhängigkeit von der nicht vermehrbaren Ressource Boden und der Zwangspunkte, die durch bestimmte Netzkonfigurationen vorgeben sind, sprechen eher für eine restriktive Interpretation des den verfassungsrechtlichen Veräußerungsbeschränkungen unterliegenden Netzbereichs. Denn es ist anzunehmen, daß die Unternehmungen, die in Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG benannt sind, gerade nur den Bereich erfassen sollen, der durch diese spezifische Eigenschaft eines Netzes gekennzeichnet ist. Schließlich ist unbestreitbar, daß sowohl Verkaufseinrichtungen für Reisebedarfsartikel als auch Fahrkartenautomaten und Wartehallen weniger konkret ortsgebunden sind als eine Streckenführung aufgrund der natürlichen und bereits bestehenden infrastrukturellen Gegebenheiten. Wenn man deshalb versucht, unabhängig von einfachgesetzlich vorgegebenen Definitionen die 307 Die Verfassung ist ihrer Struktur nach fragmentarisch, ihr geht die normativ-inhaltliche Struktur eines Gesetzes ab. Sie ist deshalb „nur" eine Rahmenordnung, legt also „Rahmenbedingungen und Verfahrensregeln für den politischen Handlungs- und Entscheidungsprozeß fest und trifft Grundsatzentscheidungen für das Verhältnis einzelner, Gesellschaft und Staat". Sie „enthält aber keine in einem judiziellen oder verfassungsmäßigen Sinne schon vollzugsfähige Einzelregelungen, Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 58, 86 f. 308 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 578. 309 Vgl. §611. 1. b.
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Schnittstelle nicht nur institutionell, sondern auch funktionell zu bestimmen, lassen sich die Bereiche Netz und Betrieb grob folgendermaßen einteilen: Ausgehend von der Institution Netz ergibt sich zunächst ein weiter Netzbereich, der alle ortsfesten Anlagen umfaßt, insbesondere die Haupt- und Dienstgleise, d. h. Grundstücke, Schienenunter- und -oberbau, Sicherungs-, Signal- und Fernmeldeanlagen und Beleuchtung. Dazu gehören ferner auch die Stromzuführung über Oberleitung oder Stromschiene 310 sowie entsprechende Dienstgebäude des Wegedienstes, aber grundsätzlich auch Personenbahnhöfe und Umschlageinrichtungen, nicht zu vergessen die notwendigen Verwaltungsgebäude. Für den Betriebsbereich als Restgröße bliebe dann lediglich das gesamte rollende Material. Der Netzsektor entspräche hier als Auffangbecken in etwa dem Infrastrukturbegriff des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Bei reiner Funktionsanalyse des Netzbereichs ergibt sich dagegen, daß das Netz zur Erfüllung seiner Aufgaben - Bereitstellung, Unterhaltung und Erneuerung des Fahrwegs, die Vorhaltung und Bedienung der Anlagen zur Sicherung sowie die Zuführung elektrischer Energie 311 - tatsächlich nur der direkt zum Eisenbahnverkehr notwendigen Sektoren einschließlich der Bahnsteige als notwendige Zustiegs- und Verladerampen bedarf. Deshalb muß die institutionelle Aufteilung bei funktioneller Betrachtung teilweise korrigiert werden: Wenn dem Betriebsbereich die Transportaufgabe einschließlich aller komplementären betriebswirtschaftlichen Funktionen obliegt, ist es sinnvoll, ihm auch die zur Verwaltung erforderlichen Gebäude sowie die Instandhaltungseinrichtungen für das rollende Material zuzurechnen. Keine konkret fahrwegbezogene Funktion erfüllen demnach die Bahnhöfe und Umschlagplätze sowie Verwaltungsgebäude, die nicht lediglich der Fahrwegverwaltung dienen. Hier scheinen Funktion und institutionelle Zugehörigkeit auseinanderzufallen. Funktionelle Bedeutung haben diese Einrichtungen allein für die Transportdurchführung. Nur durch entsprechende Wartehallen und Fahrkartenverkaufs- sowie Service- und Beratungsstellen können die Verkehrsunternehmer ein umfassendes Beförderungsangebot formulieren. Gleiches gilt im Bereich des Güterverkehrs. Nur wenn sie die Kapazitäten für einen reibungslosen Güterumschlag anbieten, wird auch ihr Transportangebot Nutzer finden. Institutionell betrachtet aber, gehören diese Einrichtungen aufgrund ihrer stationären Bedeutung und der damit begründeten allgemeinen Vorhaltefunktion für alle Transportunternehmen dagegen eher zum Netzbereich. Aus dieser Diskrepanz zwischen Funktion und institutioneller Zugehörigkeit dieser Bereiche ergeben sich drei verschiedene Auslegungsvarianten: 310 Das entspricht zum Beispiel der Trennung von Infrastruktur und Betrieb im Straßenverkehr, speziell bei dem Autobahnbau. Auf Wegen, auf denen der Benutzer aufgrund der Richtungsfahrbahnen in seiner Bewegungsrichtung eingeschränkt ist, fallen die Tankstellen obschon regelmäßig an private Betreiber verpachtet - in die Fahrwegdefinition. 311 Zusammengefaßt bei Göhringer, Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungsproduktion im Bereich des Schienenverkehrs, S. 75; Laaser, Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 261. *
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(1) Anknüpfend an Funktion und Nutzen werden all die Einrichtungen, die sich hinter dem als unbedingte Zugangsvoraussetzung erforderlichen Bahnsteig befinden und nicht zu den notwendigen Betriebsleit- und Sicherheitssystemen zählen, dem Transportbereich zugeschlagen. Der Netzbereich bleibt beschränkt auf die Gleisanlagen mit den notwendigen Betriebs Vorrichtungen. 312 (2) Spiegelbildlich zu (1) könnten der Schienenwegebereich aber auch um alle nicht eindeutig zuordnungsfähigen Infrastruktureinrichtungen bereichert werden. 313 Denkbar ist schließlich auch noch (3), daß die Institutionen „Schienenweg" und „Betrieb" aus den eindeutig zuordenbaren Einrichtungen bestehen. Abfertigungshallen, Fahrpreiserhebungseinrichtungen und Güterumschlagplätze als nicht „schienenwege-notwendige"314 Einrichtungen werden in separater Form privatrechtlich organisiert. 315
e) Die Vereinbarkeit
mit dem Europarecht
Die Trennungsidee hat ihre eigentliche Notwendigkeit in den bereits oben beschriebenen europäischen Determinanten, die letztlich einer Aufspaltung des Gesamtsystems „Eisenbahn" in die Bereiche Netz und Betrieb die Dringlichkeit verliehen haben. An die Verselbständigung des Bereiches Netz sind zwei wesentliche Folgen geknüpft: Zum einen ist es die Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsbetriebe, zum anderen soll der diskriminierungsfreie Zugang Dritter zum Netz ermöglicht werden. Gleichzeitig sollen damit die bisher bei den Schienenwegen bestehenden nationalen Streckennutzungsmonopole gelockert werden. 316 312 Im Ergebnis so Göhringer, Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungsproduktion im Bereich des Schienenverkehrs, S. 75; vgl. schon Michelbach, Probleme bei der Sanierung der Deutschen Bundesbahn durch die Änderung der institutionellen Rahmenbedingungen, 278 ff. Nach beiden sollen die Terminals vom Netzbereich getrennt und dem Betriebssektor zugeschlagen werden. 313 Dem entspricht Laasen, Vorschlag (Wettbewerb im Verkehrswesen, S. 262): Nach seiner Ansicht ist es nicht einzusehen, warum nicht auch die Terminalbenutzung gegen Gebühren an Betriebsgesellschaften vergeben werden kann. Ein Blick auf die parallele Verfahrensweise bei der gemeinsamen Flughafennutzung bestätigt seiner Ansicht nach diese These. Laaser geht damit über die europäische Vorgabe hinaus. Seine Fahrwegdefinition entspricht vielmehr dem neu gefaßten § 2 Abs. 3 AEG, der auch die „Verkaufs- und Abfertigungseinrichtungen für den Personal und Güterverkehr, ... sofern sie jedem Eisenbahnunternehmen zur Verfügung stehen", der Infrastruktur zurechnet Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 549. 31 5 So Brenck, Privatisierungsmodelle für die Bundesbahn, S. 135, der einen eigenständig zu privatisierenden Bereich vorschlägt, wie er sich inzwischen auch mit der ausgegliederten Gesellschaft „Personenbahnhöfe & Service" zu realisieren scheint. 316 Schmuck, TranspR 1992, 44, 45. Zu den Schwierigkeiten Eiermann, NJW 1998, 1846 f.
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An dieser Absicht der normsetzenden Gemeinschaftsorgane kann die Auslegung nicht vorbeigehen. 317 Denn die europarechtlich, zur Errichtung eines gemeinsamen Marktes veranlaßten Liberalisierungen gehen dem nationalen Verfassungsrecht in den Grenzen der Vorrangregelungen der Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und 79 Abs. 2 und 3 GG vor. 3 1 8 Demgemäß muß die Verfassung europarechtskonform ausgelegt werden 319 : Ausgehend von dem Zugangsrecht dritter Verkehrsunternehmer, das diskriminierungsfrei zu gewähren ist und das wegen der Pflicht zur Umsetzung europarechtlicher Vorgaben in nationales (Verfassungs-)Recht nicht zuletzt durch den Schienenwegevorbehalt gesichert werden soll, darf der Schienenwegebegriff nicht zu eng ausfallen. Denn der Zugang zum Netz ist Dritten schließlich nur über die bahnbetriebsnotwendigen Anlagen (Einstiegsvoraussetzungen) möglich. Ferner bedarf der Dritte aber auch der nicht Schienenwege-notwendigen Infrastruktureinrichtungen, um sein Angebot zu komplettieren und somit konkurrenzfähig zu bleiben. Legt man diese nicht in die Hand eines Trassenunternehmens, das an alle Transportunternehmer seine Kapazitäten nach den Regeln des Marktes veräußert, sondern als Annex in die Hand der Deutsche BahnVerkehrsgesellschaften, so wäre der Dritte gezwungen, vertragliche Beziehungen sowohl mit dem Fahrwegunternehmer als auch mit den die sonstigen Anlagen betreibenden Verkehrsunternehmern aufzunehmen. Das aber würde den diskriminierungsfreien Zugang zu (Güter-)Bahnhöfen, Fahrkartenverkaufsstellen und Umschlageinrichtungen bedrohen. 320 Eine Auslegung, die solche Einrichtungen dem Transportbereich zuschlägt (1), kann somit dem Erfordernis, einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Infrastruktureinrichtungen zu ermöglichen, nicht umfassend gerecht werden. Diese Probleme tauchen nicht auf, wenn man alles was der Eisenbahninfrastruktur im weitesten Sinne unterfällt, dem Netzbereich zurechnet (2). Hier spielt die Frage nach der Europarechtskonformität allerdings in anderem Zusammenhang eine Rolle. Das europäische Verständnis vom Schienenweg, dort als Fahrweg bezeichnet, ist enger, als die Schienenwegdefinition dieser zweiten Interpretationsmöglichkeit. Europarechtlich wird der „Fahrwegbetreiber" in der Richtlinie des Rates vom 19. 6. 1995 (EWG) 95/19 in Art. 2c) wie folgt definiert: „jede öffentliche Einrichtung oder jedes Unternehmen, dem insbesondere die Einrichtung und die Unterhaltung der Eisenbahninfrastruktur sowie die Führung der Betriebsleit- und Sicherheitssysteme übertragen sind". Eisenbahninfrastruktur wiederum umfaßt nach Art. 3 Anstrich 3 der Richtlinie 91/440 alle in der Anlage I A. der EG-Verordnung 2598/70 aufgezählten Bahnbetriebsanlagen mit der Ein317
Freise, Eisenbahngesetze, Einführung S. 24. 318 BVerfG, Urt. v. 12. 10. 1993-2 BvR 2134 u. a./92, E 89, 155 (181 ff., 207ff.), dazu Enders, Festschrift Böckenförde, S. 34ff.; ders., in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Vor Art. 1, Rn. 126 f.; Hatje, Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, S. 383 ff. 319 Lerche, in: Maunz /Dürig, Art. 87 f., Rn. 66, Fn. 39. 320 Vgl. Aberle /Hedderich, Int. Verkehrswesen 45 (1993), 16.
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Teil 2: Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform
schränkung, daß im letzten Anstrich der Teil der Dienstgebäude, „der auf die Einrichtungen zur Erhebung der Beförderungspreise entfällt", ausgenommen sein soll. Diese Ausgliederung des funktionell schwer einzuordnenden Bereichs durch den Richtliniengeber entspricht den Diskrepanzen zwischen Institution und Funktion. Deshalb hat er den Sektor der nicht schienen- / fahrweg-notwendigen Anlagen dem Ideenreichtum der Gesetzgeber in den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Zudem spricht die Ausgrenzung dafür, daß die Richtlinie kein lediglich über- aber nicht unterschreitbares Minimalprogramm, sondern ein Maximum an Einrichtungen aufstellen wollte, die dem Fahrwegsektor zugeordnet werden dürfen. Demzufolge läßt sich auch die weite Auslegungsvariante 2 nicht mit dem Europarecht in Einklang bringen. Denn diese macht letztlich nichts anderes, als auf den in § 2 Abs. 3 AEG geformten Infrastrukturbegriff abzustellen, der aber über die Richtlinie 91 /440 hinausreicht. Genau in die europäischen Vorgaben hinein paßt die dritte Interpretationsmöglichkeit, nach der eine separate Gesellschaft, die neben Schienenwege- und Transportunternehmen steht und die restlichen, die nicht Schienenwege-notwendigen Infrastruktureinrichtungen betreibt. Diese eigenständige Gesellschaft unterfällt dann - obwohl Infrastrukturunternehmen gem. § 2 Abs. 1, 3 AEG - nicht dem Schienenwegevorbehalt, Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG. Sie ist demzufolge wie die Verkehrsunternehmen frei veräußerbar. Der auf diese Weise auf bestimmte Infrastruktureinrichtungen begrenzte Schienenwegebegriff - nicht starr, sondern mit Rücksicht auf die fortlaufende Änderung der Verkehrstechnik entsprechend variabel definiert 321 - deckt sich mit der Formulierung in Art. 87 e GG, ohne diese zu überdehnen. Diese Auslegungsvariante hat zudem den praktischen Vorteil, daß zwei relativ gleichgewichtige Organisationseinheiten entstehen und dies einem Interessenausgleich grundsätzlich förderlich ist. Auch im Hinblick auf die vorab dargestellte Kostenfolge erscheint diese Lösung sinnvoll. Es ist nicht einzusehen, daß einer infolge des dauerhaft nachwirkenden Infrastrukturmonopols sowieso finanziell stets benachteiligten Schienenwegegesellschaft zusätzlich ein Bereich aufgebürdet werden soll, der ihrer ureigensten Funktion nicht dienlich ist. Die realen Folgen, die sich aus dieser Interpretation von der Reichweite des Schienenwegevorbehalts ergeben, sehen so aus: Die Fahrweg AG, die gem. §§2, 25 DBGrG zu gründen ist, darf einzig den auch europarechtlich erfaßten Bereich der Eisenbahninfrastruktur zum Unternehmensgegenstand haben, weil nur dieser Teil der gesamten Eisenbahninfrastruktur vom Privatisierungsverbot des Art. 87 e Abs. 3 Satz 3 GG umschlossen wird. Darüber hinaus muß eine weitere Gesellschaft (gegebenenfalls auch mehrere) gegründet werden, die die übrigen Einrichtungen der Eisenbahninfrastruktur betreibt, die bisher nicht zuordnungsfähig, aber auch in § 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 und 3 AEG verankert sind. Es gibt mehrere, mindestens zwei Infrastrukturunternehmen, von denen nur eines dem Schienenwegevorbehalt des Grundgesetzes unterfällt. 321 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann,
ZHR 160 (1996), 549.
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3. Die Auswirkung der Verfassungsinterpretation auf die einfachgesetzlichen Ausformungen des Infrastrukturbegriffs und seiner Teile a) Die Eisenbahninfrastruktur Der Begriff der Eisenbahninfrastruktur ist legaldefiniert in § 2 Abs. 3 AEG und insoweit unabhängig von der Verfassungs- und europarechtlichen Interpretation. Verfassungsrechtlich deckt sich der Eisenbahninfrastrukturbegriff i. S. d. § 2 Abs. 3 AEG nicht mit dem, was das Grundgesetz unter Bau, Unterhaltung und Betrieb von Schienenwegen versteht, sondern reicht weit darüber hinaus. Ebenso verhält es sich mit dem europarechtlichen Netzbegriff. Folglich erschöpft sich seine Bedeutung darin, den Bereich zu umschreiben, für den der Betreibungswillige einer Infrastrukturunternehmergenehmigung bedarf.
b) Die Betriebsanlagen der Bahn Die Definition der Betriebsanlagen in § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG weist allein bei Betrachtung des Wortlautes mit dem in Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG umschriebenen Wegebereich erstaunlich viele Gemeinsamkeiten auf. In beiden Texten dienen die Schienenwege als Zuordnungsgegenstand, beide Passagen zwingen, neben Bau und Änderung der Schienenwege, in der auch die Unterhaltung aufgeht, das Hauptaugenmerk auf den Betrieb der Schienewege zu legen. Angesichts dieses Befundes verwundert es, daß der fachplanungsgesetzliche Ausdruck „Betriebsanlagen der Eisenbahn" von der Praxis und weiten Teilen der Literatur in Anlehnung an die Erläuterungen des Reformgesetzgebers 322 nicht durch Bezugnahme auf die Parallelen im höherrangigen Recht zu erläutern gesucht wird. Vielmehr knüpfen diese an den Begriff der Bahnanlage an, so wie er in der planungsrechtlichen Vorgängerregelung des § 36 Abs. 1 BbG a. F. maßgeblich war 3 2 3 und wie er in der alten, durch Art. 6 Abs. 131 ENeuOG weitgehend unverändert gebliebenen Fassung des § 4 Abs. 1 EBO definiert ist. 3 2 4 Aus dieser 322 Vgl. Entwurfsbegründung v. 23. 3. 1993, BR-Drucks. 131/93, S. 102 einschließlich der daran anknüpfenden Richtlinie 3 der Richtlinien für die Planfeststellung und Plangenehmigung von Betriebsanlagen der Deutschen Bahn AG v. 1. 1. 1994, abgedruckt bei Ronellenfitsch, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts II, S. 228. 323 Ronellenfitsch, VerwArchiv 90 (1999), 588 f. 324 So BVerwG, Urt. v. 27. 11. 1996-11 A 27/96, UPR 1997, 150 (151); Ferraz, in: Blümel / Kühl wetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, S. 234. Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 32 f. Vgl. auch die Diskussion im Anschluß an den Vortrag von Kühlwetter zum Anlagenbegriff, in: Blümel/ders., Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts III, S. 41 ff. Ebenfalls ohne die unterschiedlichen Begriffe klar auseinanderzuhalten Ronellenfitsch, in: Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, S. 43 f.; Steenhoff, DVB1. 1996, 1237. Undifferenziert auch Thoma/Pätzold/Wittenberg, Kommentar zur EBO, § 4, Rn. 3 ff.
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Perspektive sind Einschränkungen der fachplanungsrechtlichen Privilegierung (vgl. § 38 BauGB) durch das neue Allgemeine Eisenbahngesetz gegenüber der früheren Rechtslage nicht zu begründen. Folglich greifen die Vertreter dieser Ansicht weiterhin auf die Rechtsprechungskasuistik325 zurück 326 , die sich bis 1991 in bezug auf § 4 Abs. 1 EBO zugunsten eines weiten Bahnanlagenbegriffs entwickelt hatte. Der an dieser, in Teil 1 erläuterten Rechtsprechung orientierte weite Betriebsanlagenbegriff umschließt beispielsweise im Bahnhofsbereich neben den rein betriebstechnischen Einrichtungen auch Bahnreisezentren, Fahrscheinverkaufsstellen und -automaten, Wartesäle, Gepäckannahmestellen und Schließfächer, Bahnhofsgaststätten sowie Verkaufseinrichtungen für Artikel des täglichen Reisebedarfs. 327 Bereits bei Betrachtung des Wortlauts fällt jedoch auf, daß der von § 4 EBO geprägte Bahnanlagenbegriff in funktionaler Hinsicht weiter gefaßt ist als die mit konkretem Bezug zu dem „Betrieb " der Schienenwege definierte „Betriebsanl&ge der Eisenbahn". Bei einem Vergleich des überkommenen Begriffs der Bahnanlage und dem der Betriebsanlage der Eisenbahn drängt sich folgende terminologische Gliederung auf: Die „Bahnanlage" bzw. „Anlage der Eisenbahn" bildet den Oberbegriff, der sich - einmal abgesehen von der in § 4 Abs. 1 Satz 3 EBO benannten Unterteilung - in die in § 18 Abs. 1 AEG erwähnten Betriebs- und sonstigen (unbenannten) Anlagen untergliedert. Bezieht man die Aufteilung der Bahnanlagen in § 4 Abs. 3 EBO mit ein, so versteht sich die „Betriebsanlage" als Teilmenge der Bahnanlagen der Bahnhöfe sowie der freien Strecke. Daneben existieren die sonstigen Bahnanlagen, zu denen auch der Teil der bahnhofsbezogenen Bahnanlagen gezählt werden muß, der nicht unmittelbar mit dem rein technischen (Eisenbahn-) Verkehrsbetrieb in Verbindung zu bringen ist. 325 Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 16. 12.1988-4 C 48.86, E 81, 111 (114) und Teil 1 § 3 IL 3. b. 326 Auch das Eisenbahnbundesamt ist in seinen Richtlinien für die Planfeststellung und Plangenehmigung von Betriebsanlagen der Deutschen Bahn AG von der Übertragbarkeit der Rechtssprechung zu den Bahnanlagen ausgegangen, vgl. Wegener, DÖV 1996, 308. 327 Herausgegriffen sind hier nur die zweifelhaftesten Bereiche. Eine umfangreiche Aufstellung findet sich bei Ferraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, S. 235 f., vgl. ebenfalls Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 33 ff., der zumindest teilweise Zweifel hegt. Ernste Zweifel an dieser herrschend praktizierten Auslegung bekunden im Hinblick auf die neue Formulierung auch Degenhart/Krüger, Sächs.VBl. 1997, 27, ohne aber einen Definitionsvorschlag für den enger gefaßten Betriebsanlagenbegriff zu geben. Für eine „potentiell engere Auslegung" auch Wegener, DÖV 1996, 308. In der neueren Rechtsprechung, die sich bisher nicht konkret zu der Frage äußern mußte, heißt es beiläufig, man sei sich darüber klar, daß die frühere Regelung des Planfeststellungsverfahrens in § 36 Abs. 1 Satz 1 BbG nur die Planfeststellung von Bahnanlagen kannte, ohne zwischen den Schienenwegen und ihren Nebeneinrichtungen zu differenzieren, wohingegen § 18 AEG den Bau von Bahnstromfernleitungen gesondert als planfeststellungsbedürftiges Vorhaben kennzeichnet. Das BVerwG läßt es jedoch dann dahinstehen, ob der Gesetzgeber damit die Bahnstromfernleitungen (und gegebenenfalls weitere, nicht wie die Bahnstromfernleitungen privilegierte Vorhaben) auch aus dem für den Betrieb von Schienenwegen notwendigen Anlagenbereich ausklammern wollte, Beschl. v. 9. 2. 1996-11 VR 45.95, DÖV 1996, 514.
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Daß der Begriff der Bahnanlage im neuen Allgemeinen Eisenbahngesetz weggefallen ist, rechtfertigt es nicht, diese Differenzierung aufzuheben. Schon das Bundesbahngesetz unterschied zwischen dem vom Bedeutungsgehalt engeren Betriebsanlagen- (§ 36 Abs. 3 Satz 1 BbG a. F.) und dem umfassenden Bahnanlagenbegriff (§ 36 Abs. 1 BbG). 3 2 8 Insoweit kann auch ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers ausgeschlossen werden, da dieser mit beiden Begriffen vertraut war. Wo genau die begrifflich veranlagte Trennlinie zwischen Betriebs- und sonstigen Bahnanlagen zu ziehen ist, läßt sich nur unter Rückgriff auf den Zweck dieser Regelung in § 18 Abs. 1 AEG ermitteln. Dieser ist darin zu sehen, daß sich die Anlagen, die hier genannt und für die fachplanungsrechtliche Privilegierung relevant sind, deutlich von all jenen Einrichtungen absetzen müssen, die gemäß § 2 Abs. 3 AEG zwar den Begriff der Eisenbahninfrastruktur ausfüllen, für den planfeststellungsfähigen technischen Bereich der Eisenbahnwege aber ohne Bedeutung sind. Für die Betriebsanlagen in § 18 Abs. 1 AEG gilt deshalb die in der Definition hervortretende strenge Begrenzung auf die Schienenwege. Nur die für ihren Betrieb notwendigen Anlagen sollen in den Genuß fachplanungsrechtlicher Privilegierung kommen. Legt man die Struktur der reichen, vom Preußischen Oberverwaltungsgericht vorgeprägten Rechtsprechungskasuistik des Bundesverwaltungsgerichts und der Landesobergerichte 329 dieser Überlegung zugrunde, sind lediglich solche Anlagen ganz sicher Betriebsanlagen, die von der Rechtsprechung für den reinen Fahrbetrieb für notwendig erachtetet worden sind, d. h. Anlagen, die erforderlich sind, um die Schienenwege so zu aktivieren, daß auf diesen Verkehr stattfinden kann. Solche des äußeren Eisenbahndienstes330 dagegen erfüllen die Merkmale der sonstigen Bahnanlage: Sie sind nicht zwingend erforderlich, um den Fahrbetrieb aufrecht zu erhalten, dienen diesem aber gleichwohl durch bestimmte Serviceangebote. Nicht zuletzt weil bereits heute und zukünftig erst recht Bahnhöfe nicht mehr nur aus Gleis und Wartebank bestehen, sondern sich die Bahnhöfe 2000 331 in Erlebniscenter und Shoppingmals verwandeln, erscheint diese Begrenzung auf rein fahr- und verkehrstechnisch notwendige Anlagen, die in den Genuß fachplanungsrechtlicher Privilegierung kommen, zwingend geboten. Denn selbst Verfechter der großen Lösung, deren Ansicht nach die Betriebs- mit den Bahnanlagen identisch sind, mußten zugeben, daß schon in der an technischer Raffinesse und Dienstleistungsangeboten schwächeren Vergangenheit die Abgrenzung von hier mit „sonstigen" titulierten Bahnanlagen und gänzlich bahnfremden Nutzungen
328
Anders Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 32: „Dem Absatz 3 dieser Vorschrift (§ 36 BbG a. F.) eine Beschränkung auf ,Betriebsanlagen' zu entnehmen, ist abzulehnen". Ebenso erläutert Finger, AEG/BbG-Kommentar, § 36 BbG, Anm. 2 den Begriff der „Betriebsanlage" mit dem allgemeinen Bahnanlagenbegriff. 329 Nachweise in Teil 1, § 3 II. 3. b. 33 0 OVG Münster, Beschl. v. 15. 3. 1974 - Χ Β 32/74, DÖV 1974, 564 (565). 331 Zur Vision Ronellenfitsch, in: Blümel / Kühl wetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts II, S. 214; ders., VerwArchiv 88 (1997), 196. Erläuterungen auch bei Kraft, DVB1. 2000, 1326.
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nur schwerer möglich ist und selbst die dazu ergangene Rechtsprechung kein einheitliches Bild hinterläßt 332 , wohingegen die Trennlinie zwischen Betriebs- und sonstigen Bahnanlagen leichter zu ziehen ist. Demzufolge reichen die „Betriebsanlagen der Eisenbahn" nicht weiter als die Schienenwege, die gemäß Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 GG zu bauen, zu betreiben und zu unterhalten sind. Die Begriffe decken sich inhaltlich. Die Regelungen unterscheiden sich jedoch dadurch, daß die Grundgesetznorm vergleichbar den vormals im Planungsrecht maßgeblichen Anlagen der Deutschen Bundesbahn eine Eigentumszuordnung enthält, auf die hingegen im Allgemeinen Eisenbahngesetz vom einfachen Gesetzgeber verzichtet wurde. Anders als nach der früheren Rechtslage erstreckt sich das Fachplanungsprivileg somit grundsätzlich auf sämtliche Betriebsanlagen von Eisenbahnen unabhängig davon, in wessen Eigentum sie sich befinden. c) Die Bahnanlagen Dagegen bleibt der (allgemeine) Terminus „Bahnanlage", so wie er in § 4 EBO geregelt ist, Synonym für Anlagen im Bereich des weiten, durch § 2 Abs. 3 AEG geprägten Eisenbahninfrastrukturbegriffs. Er wird zwischen der Betriebsanlage und der Eisenbahninfrastruktur seinen Platz finden und vielleicht schon bald vom Gesetzgeber mit weiteren Rechtsfolgen bedacht werden.
I I I . Die Auswirkungen der materiellen Privatisierungsschranke des Art. 87 e Abs. 3 Satz 3, Halbsatz 2 GG auf Aufgaben und Rechtsstellung des Unternehmens Neben der Reichweite des Schrankenvorbehalts wirft die Frage nach den gesellschaftsrechtlichen und vor allem den öffentlich-rechtlichen Konsequenzen und damit die Einordnung von Wirkung und Folge in bestehende systematische Kategorien Probleme auf. Ist mit dem Zuwachs an gesellschaftsrechtlichen Aktionsmöglichkeiten (1.) - spiegelbildlich - ein Verlust des staatlichen Einflusses auf das Schienenwegeunternehmen verbunden oder bleibt es, zumindest solange das mehrheitliche Eigentum des Bundes nicht zur wirtschaftlichen Disposition steht, bei den althergebrachten Beziehungen zwischen Staat und Eisenbahn des Bundes (2.)?
332 Ronellenfltsch, S. 235 f.
in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts II,
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1. Gesellschaftsrechtliche Konsequenzen des Vorbehalts Es gehört nicht zum Untersuchungsgegenstand der Arbeit, an dieser Stelle alle gesellschaftsrechtlichen Einflußnahmemöglichkeiten eines - entsprechend der Wahl der Rechtsform durch den Bundesgesetzgeber - aktiengesellschaftlichen Mehrheitseigners aufzulisten. 333 Einige Bemerkungen soll aber die Frage wert sein, inwieweit sich durch geschickte Veräußerungsstrategien der Veräußerungsvorbehalt für das betroffene Unternehmen untergraben läßt (b) und welche Vorsicht Unternehmen, die von Hause aus nicht von der Einschränkung betroffen sind, walten lassen müssen, um diesem Vorbehalt nicht plötzlich zu unterfallen (c). Wenn und solange der Bund - wie vom Grundgesetz vorgeschrieben mehr als 50 % der Anteile hält, selbst wenn sich die Bahn vollständig im Eigentum des Bundes befindet, kann die mit der Wahl der privaten Rechtsform betretene Ebene des privaten Rechts nicht mehr verlassen oder öffentlich-rechtlich überlagert werden. Auch vom öffentlichen Eigentümer ist das Gesellschaftsrecht - vorbehaltlich spezialgesetzlicher Bundesregelung - so hinzunehmen, wie es ist. 3 3 4 Diesen Vorrang des Gesellschaftsrechts illustriert paradigmatisch 335 die Unabhängigkeit der von der Gebietskörperschaft entsandten Aufsichtsratsmitglieder (a).
a) Vorrang des Gesellschaftsrechts Das private Kooperationsrecht gebietet aus Gründen der Verwirklichung gesellschaftsvertraglicher Zwecksetzungen und des damit einhergehenden Verkehrsschutzes verschiedentlich bestimmte Verhaltensmuster für die Gesellschaften und ihre Akteure. Dazu gehören aus dem hier maßgeblichen Aktienrecht beispielsweise die unternehmerischen Mitbestimmungsrechte für Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft genauso wie der Grundsatz der NichtÖffentlichkeit für Sitzungen der Unternehmensorgane oder die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder. 336 Wenn infolge einer demokratisch legitimierten Entscheidung des Gesetzgebers gezielt - wie für die Eisenbahnen des Bundes von der Verfassung - die privatrechtliche Form vorgeschrieben ist, versteht es sich von selbst, daß dieses mit den Erfahrungen unternehmerischen Handelns gewachsene System des Gesellschaftsrechts 337, das stetig an Ausgewogenheit gewonnen 333 Vgl. überblicksweise für die Einflußnahmemöglichkeiten bei Allein-, qualifizierter und einfacher Mehrheitsbeteiligung Scholz/Aulehner, Archiv PT 1993, 244. 33 4 Püttner, DVB1. 1986, 751. 33 5 Schmidt, ZGR 1996, 353. 33 6 Überblicksweise Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C. Rn. 56 ff., 77 ff.; Schmidt, ZGR 1996, 351 ff. 337 Relativierend Wahl, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 330.
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hat, nicht durch den Einbruch öffentlicher Eigentümer einschließlich ihrer gegenüber sonstigen Privaten besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen verwässert oder gar überwuchert werden darf. Dieser Vorwurf trifft noch nicht gelegentliche Sonderregelungen im hier einschlägigen Aktienrecht, die überwiegend zugunsten der öffentlichen Hand genutzt werden, wie ζ. B. die, daß die Gebietskörperschaft Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden kann (§ 101 Abs. 2 AktG), anstelle daß diese - wie sonst üblich - von der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit gewählt werden (§§ 101 Abs. 1, 119 Abs. 1 Nr. 1, 133 Abs. 1 AktG). 3 3 8 Von einer systemfremden Uberlagerung aber könnte man sprechen, wenn von der öffentlichen Hand entsandte Aufsichtsratsmitglieder gegenüber ihrem Entsender weisungsgebunden und dementsprechend handlungsverpflichtet wären. Dann nämlich würde der Aufsichtsrat nicht die zur Uberwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten gebotene Distanz zwischen Eigentümer und Geschäftsführung 339 vergrößern 340, sondern die Interessen der Gesellschaft zugunsten eines unternehmensfremden öffentlichen oder staatlichen Ziels gefährden, sobald Gesellschafts- und Aktionärsinteressen auseinanderfielen. Um also die Kapitalgesellschaft als Organisationstypus funktionsfähig zu erhalten, etwaige private Minderheitsaktionäre zu schützen341, aber auch außenstehende Gläubiger, die im Vertrauen auf die mit einer Aktiengesellschaft regelmäßig einhergehenden rechtsformimmanenten Bindungen kontrahieren 342, muß die gesellschaftsrechtliche Forderung, daß am Grundsatz der höchstpersönlichen Amtsausübung festgehalten wird und jedes Aufsichtsratsmitglied weisungsungebunden eigenen, freien Entscheidungen folgt 3 4 3 , Vorrang genießen vor einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber dem öffentlichen Eigentümer. 344 Gleiches gilt selbstverständlich auch deshalb, weil die Effizienzvorteile, die mit der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion erstrebt werden, nicht durch eine - zwar vordergründig ausgeschlossene, nun aber über die Hintertür hereingelassene öffentlich-rechtliche Interessengemengelage sogleich wieder verspielt und damit die die Privatisierung tragenden Überlegungen 345 ad absurdum geführt werden 338 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C. Rn. 62. 339 V g l . § 5 III. 340 Dazu auch Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 547. 341 Schwintowski, 342 Schwintowski,
NJW 1995, 1318. NJW 1995, 1319.
343 Lutter/Grunewald, W M 1984, 396. 344 Zusammenfassung der Argumente bei Schön, ZGR 1996, 448 ff.; Zeichner, AG 30 (1985), 69; vgl. aus der öffentlich-rechtlichen Literatur Berg, GewArchiv 1990, 229; Leisner, WiVerw 1983, 221; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 236 f. Daß der Vorrang des Gesellschafts- und Konzernrechts auch dem politischen Willen entspricht, bestätigt Reinhardts Diskussionsbeitrag, referiert bei Kleindiek, Bericht über die Diskussion, ZGR 1996, 399. 345 § 5 III.
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sollen. 346 Denn der Staat hat die Privatrechtsform aus freier Entscheidung, zum Wohl des Ganzen verfassungskräftig gewählt. 347
b) Schutz vor Aushöhlung Der Vorbehalt des Art. 87 e Abs. 3 Sätze 2 und 3 GG taugt natürlich nur, wenn er vor gesellschaftsrechtlicher Aushöhlung sicher ist. Das heißt, daß die hier empfohlene gesellschaftsrechtliche Entkoppelung und Verselbständigung bestimmter Bereiche der Infrastruktur von den orginär dem Schienenwegeunternehmen zugehörigen, insbesondere den für den Schienenwegebetrieb notwendigen Anlagen nicht dazu führen darf, daß es dem eigentlichen Schienenwegeunternehmen, das unter dem Schrankenvorbehalt des Grundgesetzes steht, unmöglich gemacht wird, für die Schienenwege lenkend und koordinierend Verantwortung zu übernehmen. Das gilt zumindest solange, bis die aus dem Eigentum folgende, sachenrechtliche Beherrschungsmöglichkeit durch eine funktionsfähige, gesellschaftsrechtliche Struktur ersetzt ist und für enge gesellschaftsrechtliche Bindungen oder schuldrechtliche Lieferbeziehungen sorgfältig forensisch durchdachte Vertragswerke geschaffen sind, die die mit dem Schienenwegevorbehalt bezweckte Steuerung und Kontrolle auf ihre Art ermöglichen. 348 Der Vorbehalt hätte andernfalls seinen Zweck verfehlt, und das Schienenwegeunternehmen würde zum bloßen Handlanger degradiert. Sinn und Zweck des Vorbehalts muß es deshalb sein, wesentliche Leistungsbereiche, die das Herz des Schienenwegeunternehmens bilden, vor Aushöhlung zu schützen. Verfassungsrechtlich unproblematisch erscheint es dagegen, Unternehmensbereiche auszugliedern, die für den Bereich, der vom Vorbehalt umfaßt ist, lediglich untergeordnete Bedeutung haben. 349 Hier kann auf die vorab angestellten Überlegungen zurückgegriffen werden, die gerade zwischen den für den schlichten Betrieb auf den Schienen unabdingbaren und den sonstigen Anlagen differenzieren. Danach muß von Verfassungs wegen dem Schienenwegevorbehalt des Art. 87 e Abs. 3 Sätze 2 und 3 GG unterfallen, was zu den Betriebsanlagen der Eisenbahn zählt. Im übrigen ist die zukünftige Fahrweg AG frei, die Geschäftsbereiche auszugliedern.
346 Vgl. Schwintowski, NJW 1995, 1319 zum „Pferdefuß" gängiger Methoden staatlicher Einflußnahme innerhalb des gesellschaftsrechtlichen Regelungskanons, wie Satzungspräzision und Beherrschungsvertrag. 347
Die „Entschiedenheit, Geschlossenheit, Durchsichtigkeit und unerbitterliche Konsequenz" dieser Auffassung lobend, meldet zugleich Zweifel an Wahl, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 329. 348 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 551. 349 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 551.
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c) Beachtung der Zuwachsgrenze Ferner müssen die Unternehmen, deren Bundesanteile verfassungsrechtlich unbeschwert und frei veräußerbar sind, auch zukünftig einen „Sicherheitsabstand" einhalten, damit ihre Unternehmenstätigkeit sich nicht dahin entwickelt, daß sie die Funktion eines Schienenwegeunternehmens wahrnehmen, für das der verfassungsrechtliche Veräußerungsvorbehalt gilt. 3 5 0
2. Öffentlich-rechtliche Wirkungen Die Verwendung des mehr heuristischen als rechtsdogmatischen Begriffs der Privatisierung bringt noch keine Klarheit über das Phänomen, das sich eigentlich dahinter verbirgt. Als „Chiffre für Umverteilungsprozesse" 351, für eine ordnungspolitische Weichenstellung im Sinne liberaler Konzeptionen, die auf eine tiefgreifende Veränderung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft aufmerksam macht, ist der Begriff mit seinen Untergruppen zwar allgemein akzeptiert 352 ; die teilweise höchst komplexen Rechtsgestaltungsformen, die er kennzeichnen soll, aber werden hinsichtlich ihrer Bedeutung und Auswirkungen immer wieder sehr differierend beschrieben 353 und den Fällen der Praxis zugeordnet. Bestes Beispiel ist die unterschiedliche Qualifizierung der Bahnprivatisierung, sei es des Verkehrsbetriebs- oder des Wegebereichs. Was bei dem einen sich als schwächste Form der Privatisierung, der Organisationsprivatisierung und als Unterfall der formellen Privatisierung darstellt 354 , wird von anderen mit „unechter Aufgabenprivatisierung" tituliert und im Bereich zwischen reiner Organisationsprivatisierung und vollständig materieller Privatisierung angesiedelt, jedenfalls als Variante der materiellen Privatisierung gekennzeichnet.355 Das Hauptaugenmerk dieses Abschnitts wird deshalb nicht darauf gerichtet sein, die Privatisierungsterminologie auszuloten. Vielmehr sollen die Wirkungen des Umstrukturierungsvorgangs und des Wechsels der Rechtsform im Hinblick auf die in der Einleitung zu diesem Kapitel aufgeworfenen, hier zu präzisierenden Fragen beleuchtet werden: Welche Aufgabe ist nach dem Wegfall der Leistungsverwaltung beim Staat verblieben (a)? Was ist aus seiner öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft geworden und benötigt man ferner das Recht der öffentlichen Sachen im Bahnbereich überhaupt noch (b)? Und inwieweit gelten vormalige staatliche Ver350 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 551. 351 Bauer, VVDStRL 54 (1995), 251. 352 Vgl. allerdings zu den Auswüchsen Bauer, VVDStRL 54 (1995), 250, insb. Fn. 34. 353 Hierzu beispielhaft Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204ff.; Schoch, DVB1. 1994, 962 ff. 354 Statt vieler Lecheler, BayVBl. 1994,559. 355 Krölls, GewArchiv 1995, 131; Noch, DÖV 1998, 626.
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pflichtungen insbesondere im Hinblick auf die Grundrechte für das/die neue(n) Unternehmen der Eisenbahn des Bundes fort (c)?
a) Von der Leistungs- zur Gewährleistungsverwaltung Art. 87 e Abs. 4 GG
-
Mit weniger Staat und mehr Freiheit, weniger hoheitlicher Fremdbestimmung und der Schaffung von Entfaltungsräumen für den einzelnen 356 , mit der Entlastung der öffentlichen Haushalte und der europarechtlichen Öffnung bislang verschlossener Märkte wird der „schlanke Staat" charakterisiert, der die Privatisierungspolitik bestimmt. Gerade im Bereich der öffentlichen Infrastrukturen wird diese Entwicklung flankiert von der Tendenz, öffentliche Investitionen privat zu finanzieren 357, weil die private Finanzkraft die des Staates übersteigt und es dem gemeinen Ganzen förderlich ist, um vom status quo wegzukommen, sich ihrer zu bedienen.358 Die Privatisierung ist Ausdruck eines Vorgangs, in dessen Verlauf Angelegenheiten, die bisher die öffentliche Hand selbst wahrnahm, in den privaten Rechtsbereich überführt werden 359 , wobei nahezu alle Formen von der vollständigen Übertragung eines Staatsunternehmens bis hin zur privaten Finanzierung öffentlicher Investitionen gemeint sind. 360 Der hier von Verfassungs wegen angeordnete Abschied aus der Bundesverwaltung sowie die Überführung staatlichen Vermögens einschließlich behördlicher Organisation in eine Privatrechtsform, vielmals nur als (nicht zwangsläufiges) Übergangsstadium bis zur vollständigen Übertragung auf den „echten" Privaten angesehen361, makieren die eindeutige Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers gegen das bloße Wirtschaften nach dem Kostendeckungsprinzip und für eine gewinnorientierte Unternehmensführung. 362 Trotz der einschneidenden Veränderungen, die dieser umfassende Strukturwandel mit sich bringt, verstehen manche darunter immer noch lediglich den „Wechsel des Rechtskleides". Mit diesem soll man einerseits aufgrund der staatlichen Anteilseignerschaft auch weiterhin staatliche Aufgaben erfüllen und dabei anderseits unkonventioneller insbesondere im Verhältnis zu anderen Verwaltungsträgern oder im Verhältnis Bund und Länder vorgehen und „gelegentlich freilich auch die grundgesetzliche Kompetenzordnung ... unterlaufen" können. 363 Nimmt man 356 Schmidt-Jortzig vor dem Deutschen Bundestag am 14. 3. 1996, Das Parlament 46 (1995), Nr. 13/14, S. 4. 357 Jürgensen, UPR 1998, 13 ff. 3
58 Krölls, GewArchiv 1995,133 f. 59 Bauer, VVDStRL 54 (1995), 250; Benz, Die Verwaltung 28 (1995), 342. 360 Scholz/Aulehner, Archiv PT 1993, 238. Beispiele bei Benz, Die Verwaltung 28 (1995), 347. 3
3
61 Vgl. Kämmerer, JZ 1990, 1044.
362 3 3
*
Vgl. §5. Vgl. bereits Ossenbühl, VVDStRL 29 (1970), 147.
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jedoch - was vorliegend interessiert: bei dem im Zuge der Bahnreform privatisierten Schienenwegeunternehmen - die Privatrechtsform ernst, muß trotz der Schranken, die der Anteilsveräußerung durch die Verfassung gesetzt sind, die Selbständigkeit der vom Verwaltungsträger gegründeten Gesellschaft geachtet und eine Vermischung unternehmerischer und hoheitlicher Funktionen vermieden werden. 364 In seiner Eigenschaft als Anteilseigner ist der Bund hoheitlicher Funktionen gänzlich beraubt. Hier verpflichtet ihn die Wirtschaftlichkeit zumindest insoweit, als sich in dieser Rolle Unternehmens-/ gesellschaftsfremde Interessen nahezu nicht verwirklichen lassen. Dagegen beschreiben Art. 87 e Abs. 4 GG oder auch die in Abs. 1 verbliebenen Eisenbahnverwaltungskompetenzen des Bundes eine Verantwortung des Bundes für den Eisenbahnsektor, der er weiterhin in hoheitlicher Funktion nachkommen kann. Die dem Staat in diesen Vorschriften überantwortete Steuerung ist nicht der Rest, der übrig blieb von der durch ihren Doppelcharakter geprägten früheren Staatsbahn (Verwaltungsbehörde, Art. 87 GG a. F., und Verkehrsunternehmer, § 28 Abs. 1 Satz 1 BbG, in einem). Im Zuge der Privatisierung und nicht zuletzt auch der Aufspaltung der Leistungsbereiche sind ganz andere, nicht notwendig einfachere Aufgaben auf den Staat zugekommen. Außer im Falle der hundertprozentigen, „echten" aufgabenbezogenen Privatisierung, des Entfallens einer Aufgabe, was hier - insoweit herrscht Ubereinstimmung - vorerst nicht anzunehmen ist, beschreibt der Vorgang der Privatisierung unabhängig von den sonstigen Formen, die man gefunden zu haben glaubt, um die verschiedenen Erscheinungsarten der Privatisierung zu kategorisieren, den Weg von der traditionellen Leistungsverantwortung hin zu einer neuen, durch Umschichtung entstandenen Verantwortungsform. 365
(1) Übertragung, Aufgabe und Umwandlung staatlicher Aufgaben Wohin führt der Weg weg von leistender Staatsgewalt? Da selbst für den Fall, daß die Annahme zutrifft, es handle sich bei der Privatisierung des Schienenwegebereichs um eine unechte Aufgabenprivatisierung, der Staat nicht gänzlich aus seiner Verantwortung entlassen ist, führt diese Frage zu einer Suche nach der neuen Wahrnehmungsform staatlicher Fürsorgepflichten und ihrem Umfang. 366 364 Vgl. § 5 L Leisner, WiVerw. 1983, 220. 365 Grande, in: Voigt, Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, S. 388 f.: „vom ,Leistungsstaat' zum ,Regulierungsstaat'; Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 436: „hoheitlich regulierte gesellschaftliche Selbststeuerung"; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 582, 584: „Verfassungspflichten ... umstrukturieren"; Stern, DVB1. 1997, 312 f. für den parallelen Fall des Art. 87 f. GG: „vom Leistungsträger zur Regulierungsinstanz"; Voßkuhle, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 49: „partielle Verantwortungs(rück)Verlagerung". 366 Kämmerer, JZ 1996, 1048, vgl. auch Osterloh, VVDStRL 54 (1991), 207 ff.
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Staatliche Verantwortung ist Synonym für eine öffentliche, auch Staats- und Verwaltungsaufgabe. 367 In Literatur und Rechtsprechung werden die Begriffe „öffentliche" und „staatliche" Aufgabe unterschiedlich, teils sogar mit differierender inhaltlicher Bedeutung gebraucht 3 6 8 , teilweise aber auch bewußt gleichgesetzt, manchmal nur, um auf den Gemeinwohlbezug einer Tätigkeit hinzuweisen und gerne auch, um eine Befugnis oder Pflicht zu rechtfertigen, die aus dem geltenden Recht anderweit nicht überzeugend abzuleiten g e l i n g t . 3 6 9 Praktisch kann jede öffentliche Aufgabe zu einer staatlichen werden. 3 7 0 Damit soll nur angedeutet werden, daß die Kasuistik zwar reich, aus dem Blickwinkel desjenigen, der wissen möchte, was daraus folgt, aber nicht sehr ergiebig i s t 3 7 1 und die Schlüsselfunktion des Aufgabenbegriffs 3 7 2 i m Dunkeln läßt. Die Charakterisierung der Aufgabentypen kann aus diesem Grunde auf das Wesentliche beschränkt b l e i b e n 3 7 3 : Die staatlichen Aufgaben sind von den statuierten Staatszielen her zu bestimmen; sie verleihen den Zielen Bodenhaftung 3 7 4 und müssen deshalb durch das geltende R e c h t 3 7 5 so bestimmt sein, daß sich aus ihnen 367 Vgl. zum Uberblick Sobota, in: Engel/Morlok, Öffentliches Recht als ein Gegenstand ökonomischer Forschung, S. 287 ff. 368 Was daher rührt, daß Staat und Gesellschaft trotz zahlreicher gegenseitiger Verschränkungen nicht identisch sind. Der Staat verkörpert ein eigenes Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten. Aber auch durch die Bezeichnung „öffentlich" wird eine Beziehung zum Staat ausgedrückt. Die weitere Zuweisung der Aufgabe entweder an den Staat oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts hängt vielfach nur von organisatorischen oder Effizienzüberlegungen ab, sagt aber über die Qualität der auszuübenden Aufgabe wenig aus, Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 48, siehe dort auch Fn. 42. 369 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. 5. 1964-1 BvL 8/62, E 17, 371 (376ff.): Hier wird aus der öffentlichen Aufgabe bestimmter Berufe, z. B. Notare (oder Hebammen - BVerfG, Beschl. v. 16. 6. 1959-1 BvR 71/57, E 9, 338 [347f.]), eine Berechtigung zu berufsregelnden Maßnahmen hergeleitet. Kritisch dazu Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 49 m. w. N. in Fn. 46. 370 Voßkuhle, m. w. N.
in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 58
371 So auch die Einschätzung von Voßkuhle, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 57 f. Zur unpräzisen Verwendung der Begriffe im breiten methodischen Spektrum von hochabstrakter Verfassungstheorie und konkreter verfassungsrechtlicher Interpretation Schulze-Fielitz, in: Grimm, Wachsende Staatsauf gaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 11 ff. Stellvertretend für die zahlreich zu diesem Thema erschienenen Beiträge Grimm, Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 7 f.; ders., Die Zukunft der Verfassung, S. 159ff.; Häberle, AöR 111 (1986), 595ff.; Isensee, in: ders./Kirchhof, HbdStR III, § 57, Rn. 132ff.; Peters, in: Nipperdey-FS, S. 877ff. 372 Schuppert, VerwArchiv 71 (1980), 309 ff. 373 Zur Abgrenzung von öffentlicher Aufgabe und Verwaltungsaufgabe vgl. nur Roer, Die Nachfolgeunternehmen von Bahn und Post in der Bauleitplanung, S. 9. 374 Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 44 f. Vgl. zur Verbindung von Staatsziel und -aufgabe auch Schulze-Fielitz, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 21. 375 „Staat als Gesetzgeber" Schulze-Fielitz, in: Grimm, Staatsaufgaben, S. 17. Auf eine vor- oder außerrechtliche Bestimmung der Aufgaben entsprechend der „herrschenden staats9 Pommer
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Handlungsanweisungen für Staatsorgane ableiten lassen, die verschiedene Ausführungsarten einschließen können. Die notwendige Konkretisierung ergibt sich allein aus der tatsächlichen Problemlage und den jeweils vorhandenen Alternativen. Der Bestand an Aufgaben des Staates ist grundsätzlich offen 376 , was dem Umstand Rechnung trägt, daß sich die Zuordnung derselben zum privaten bzw. öffentlichen Bereich im Verlauf der Zeit wandeln kann. 377 Da die Staatsaufgabe mit dem Staat als Körperschaft untrennbar verknüpft ist und dieser zur Gesellschaft in einem dialektischen Verhältnis steht, ist sie als solche nicht privatisierungsfähig. Deshalb beschreibt Privatisierung eben auch nicht einfach den Vorgang der Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private, sondern bedeutet, daß der Staat der neugegründeten juristischen Person des Privatrechts Rechtsmacht einräumt, die er selbst abgegeben hat. Es geht folglich bei der Privatisierung - unabhängig von ihrer Charakterisierung als formell oder materiell um Befugnisse, derer sich der Staat entledigt, damit sie das private Rechtssubjekt auf der Ebene der Gleichordnung gegenüber anderen Privaten wahrnehmen kann. 378 Die bisher schlagwortartig übliche Erklärung, bei der materiellen Privatisierung werde die Aufgabe, bei der formellen lediglich die Organisationsform privatisiert, muß daher, damit sie richtig wird, um den gemeinsamen Nenner ergänzt werden: In beiden Fällen tritt an die Stelle des Staates eine (juristische) Person des Privatrechts, die dank der übertragenen Rechtsmacht zukünftig seine Funktionen wahrnimmt. Je nachdem, wieviel Rechtsmacht der Staat vergesellschaftet, verringert sich seine Rechtsmacht. Selbst bei der hundertprozentigen Organisationsprivatisierung verliert er trotz der alleinigen Eigentümerstellung deshalb in dem Maße an Befugnissen, als er, der Privatisierungsadressat, „sich in seinen Rechtsbeziehungen zu Privaten grundsätzlich nur noch des Privatrechts bedienen darf' 3 7 9 . Unabhängig von diesem mit der Privatisierung einhergehenden Verzicht auf hoheitliche Befugnisse durch die Neuorganisation einerseits, existiert aber andererseits in der Mehrzahl der Fälle - abhängig von der verfassungsrechtlichen Regelung (vgl. Art. 87 e Abs. 1, 2 und 4 GG) - die staatliche Aufgabe weiter. Der politischen Anschauungen" wird bei dieser Definition verzichtet, vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 250, Fn. 33 m. w. N. 376 Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 207. 377 Zur variablen Staatsaufgabe Bauer, VVDStRL 54 (1995), 250, Fn. 33 m. w. N; Sobota, in: Engel/Morlok, Öffentliches Recht als ein Gegenstand ökonomischer Forschung, S. 305; Wallerath, JZ 2001, 215 ff. 378 Kämmerer, JZ 1996, 1045. 379 Kämmerer, JZ 1996, 1045, wenngleich sein zustimmender Verweis auf das Urt. d. VG Leipzig v. 18. 1. 1995-4 Κ 187/94, LKV 1995, 407 zweifelhaft erscheint, da hier nicht die private Abfallentsorgungsgesellschaft D.mbH den für unstatthaft erklärten Gebührenbescheid erlassen hat, sondern das Landratsamt. Dieses bediente sich der D.mbH als technische Erfüllungsgehilfin. Somit bestand das Rechtsverhältnis nicht zwischen der D.mbH und den Bürgern, sondern zwischen Landkreis und Bürgern.
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unmittelbaren materialen Leistungserbringung beraubt, bleiben dem Staat neben der - wie gezeigt geringen - privatrechtlichen Einflußnahme entsprechend der beibehaltenen Gesellschaftsanteile für die Wahrnehmung seiner Aufgabe nur die staatlichen Anreiz- und Förderinstrumente sowie in erster Linie natürlich überwachende und kontrollierende Hoheitsmaßnahmen. Inwieweit er die ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen darf und muß, hängt maßgeblich von Umfang und Intensität der neuen (Steuerungs-)Verantwortung 380 ab. Für den Bereich der Bahn ist diese Verantwortung über die traditionell staatlicher Domäne anheimfallende Eisenbahnverkehrsverwaltung hinaus in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG publiziert. Diese Verfassungsnorm macht den Bund 3 8 1 dafür verantwortlich, daß beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes und dem darauf organisierten Verkehr dem Wohl der Allgemeinheit, in concreto vor allem den Verkehrsbedürfnissen, Rechnung getragen wird. Weder in bezug auf die begriffliche Einordnung der Verpflichtung herrscht Ubereinstimmung, noch gibt es Klarheit darüber, mit welchen Handlungsformen der Bund dieser Verfassungsbestimmung gerecht wird. Ja man streitet sogar darüber, ob es sich lediglich um eine „Übergangsregel" 382 oder um die Statuierung dauernder staatlicher Reserveverantwortung 3 8 3 handelt. Die Varianten rechtsdogmatischer Einordnung für Art. 87 e Abs. 4 GG, der erst auf Drängen des Bundesrates unter Vermittlung des Rechtsausschusses des Bundestages in den gänzlich neuen Grundgesetzartikel eingefügt wurde 384 , reichen vom Programmsatz 385 über die Staatszielbestimmung bis zur Staatsaufgabe. 386 Sowohl Programmsatz als auch Staatszielbestimmung387 wollen per definitionem Staatsaufgaben materiell-verfassungsrechtlich verankern. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich des Grades ihrer rechtlichen Bindungswirkung und der inhalt380 Zum Begriff der Verantwortung Voßkuhle, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem" Staat, S. 54 f. m. w. N.; unter den Vorzeichen der kommunalen Daseinsvorsorge auch Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, S. 150 f.
381 Nicht die Bahn als Unternehmen - so aber BVerwG, Urt. v. 27. 11. 1996-11 A 2/96, UPR 1997, 150; vgl. auch Teil 3 §71. l.b. (b). 382 So die Schwerpunktsetzung bei Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 584 unter Berufung auf die Bundesratsbegründung, BT-Drucks. 12/5015, S. 11 zu Nr. 7. Daran anknüpfend Pielow, Grundstrukturen der öffentlichen Versorgung in Europa (Manuskript), § 12 I. 3. c., auch Fn. 51. 383
Fehling, AöR 121 (1996), 81. Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 11; SchmidtAßmann/Röhl, DÖV 1994, 584. 385 „ . . . in die Form einer Rechtsnorm gegossen", so Fromm, Int. Verkehrswesen 46 (1994), 101 f. 386 Grupp, in: Verkehrsministerium Baden-Württemberg, Von der Bahnreform zur Verkehrsreform, S. 114. 387 Zu weiteren ähnlich gelagerten Bezeichnungen, die sich durch die Art ihrer Verbindlichkeit unterscheiden schon Scheuner, in: Forsthoff-FS, S. 328. 384
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liehen Aufgabenerfassung. Verbreitet werden Programmsätze als eher allgemein programmatische „welfare clauses" mit überwiegend rein deklaratorischem, moralischem, nicht verpflichtendem Charakter verstanden. Damit nimmt der Programmsatz eine Position im Bereich der eher bindungsschwachen Aufgabenfestsetzungen ein, die durch einen vagen inhaltlichen Umriß des Aufgabenbereichs gekennzeichnet sind, keine spezifischen Verhaltensanforderungen stellen 3 8 8 , vielmehr Erwartungen wecken, „die bei realistischer Betrachtungsweise unerfüllt bleiben müssen" 389 . Im Gegensatz dazu zeichnen sich Staatszielbestimmungen ähnlich den Gesetzgebungsaufträgen 390 als eine spezifische Form der Regelung einer Staatsaufgabe aus. Sie gelten als sachliche Richtschnur der Verfassung für die Auswahl und Erfüllung der Staatsaufgaben und sind deshalb in der Verfassung so normiert, daß sie dem Staat vorschreiben, bestimmte sachliche Aufgaben in Form von einzulösenden Direktiven und Richtlinien fortlaufend zu beachten oder zu erfüllen 391 (vgl. beispielsweise Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatsprinzip, Art. 20 a GG - Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen). Indem sie anders als Programmsätze mit verfassungsrechtlich verbindlicher Wirkung ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit umreißen, steuern sie zum einen das staatliche Handeln. Ferner strahlen sie auf die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften aus. Mißachtet ein Gesetz oder eine sonstige Rechtsvorschrift die Staatszielbestimmung, so ist sie verfassungswidrig. 392 Inwieweit, in welcher Art und Weise, aber auch zu welchem Zeitpunkt der Gesetzgeber die Staatsaufgabe normativ erfüllt, die ihm gleichermaßen wie den anderen Gewalten obliegt, ihm teilweise aber auch durch Verweis des Verfassungsgebers speziell überantwortet wurde und dabei - als Folge - Ansprüche einzelner auf staatliche Leistung entstehen läßt, liegt innerhalb seiner politischen Gestaltungsfreiheit. Die Verpflichtung, die Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG anspricht, zielt auf den Erhalt und die angemessene Erweiterung der Verkehrswege, die heute als die „Lebensadern" eines föderativ gegliederten Staatswesens und einer arbeitsteiligen Gesellschaft 393 der Integrationsfunktion des Staates394 dienen. Damit gehören sie zu den Bedingungen, die geeignet sind, die Bildung einer gemeinsamen relevanten Wirklichkeit zu schaffen und zu fördern. 395 Zurückgeführt auf diese wichtigste Staats388 Badura, Staatsrecht, Abschnitt D, Rn. 42, S. 263. 389 Fromm, Int. Verkehrswesen 46 (1994), 102. 390 Zur Abgrenzung Scheuner, in: Forsthoff-FS, S. 333 ff. 391 Badura, Staatsrecht, Abschnitt D, Rn. 42, S. 263 f. 392 Badura, Staatsrecht, Abschnitt D, Rn. 42, S. 263 f. 393 Steiner, in: Isensee / Kirchhof, HbStR III, § 81, Rn. 1. 394 Dazu allgemein Huber, in: Forsthoff, Rechtstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 599, 603 ff.; speziell zur Bedeutung raumüberwindender Infrastrukturen für die Integrationsfunktion Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 8. 395 Vgl. in seinem Vorwort Hesse, Staatsaufgaben (1979), S. 9.
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aufgabe, die schon wegen des hohen Abstraktionsniveaus, auf dem sie angesiedelt ist, kaum zu bestreiten ist 3 9 6 , trägt die Regelung des Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG eher den Charakter einer Staatszielbestimmung, 397 Dafür sprechen zudem Wortwahl und grammatikalische Form. Denn es wird nicht von Staats wegen generell angestrebt, den Verkehrsbedürfnissen Rechnung zu tragen. Vielmehr heißt es in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG, „der Bund gewährleistet, daß ... insbesondere den Verkehrsbedürfnissen ... sowie ... deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz ... Rechnung getragen wird". Als erstes hat also der verfassungsändernde Gesetzgeber verbindlich das Subjekt des AuftraΛΛΟ
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ges bestimmt: den Bund. Politisch vage Programmatik stets vermeidend , wählte er gleichzeitig die aktive Präsensform des Verbes „gewährleisten", um deutlich zu machen, daß hier keine programmatische Zukunftsvision 400 Ausdruck findet, sondern der Bund Gewähr zu bieten hat. Darin ist angelegt, daß Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG mehr als nur eine „politische Verpflichtung" statuiert. 401 Die Formulierung läßt darüber hinaus rechtsverbindliche Wirkungen 402 dergestalt anklingen, daß der Bund in einem nicht eindeutig bestimmten Umfang und in nicht näher konkretisierter Art und Weise für das durch Verkehrsbedürfnis spezifizierte „Wohl der Allgemeinheit" einzustehen hat (Infrastrukturverantwortung und Sicherstellungsauftrag). Um darzustellen, welchen Grad der Verpflichtung die sogenannte Gewährleistungsverantwortung des Bundes erlangt, entschied sich der verfassungsändernde Gesetzgeber für die aus der Staatszielbestimmung des Art. 109 Abs. 2 G G 4 0 3 bezüglich des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bekannte und nach mancher Expertenmeinung auch bewährte Wendung 404 : „Rechnung tragen", was so viel 396
Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 325. 397 Schön, ZGR 1996, Fn. 13; Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 50. 39 8 Vgl. ausführlich Lerche, in: Maunz /Diirig, Art. 87 f., Rn. 73, 81; Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 2, § 10 IV Rn. 60; Uerpmann, in: v. Münch/ Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 16. 399 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 584; vgl. zu den parallelen Bedenken im Hinblick auf Art. 87 f Abs. 1 GG Rottmann, Archiv PT 1994, 194; Stern, DVB1. 1997, 313. 400
In der Tendenz aber so Fromm, Int. Verkehrswesen 46 (1994), 101 f.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 206; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-B leibtreu / Klein, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 6. 401 Vgl. BT-Drucks. 12/6280, 8: „Abs. 4 ist die Sicherstellung einer politischen Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur der Eisenbahnen des Bundes und dem Gemeinwohl dienende Verkehrsangebot der Eisenbahnen des Bundes." 402 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 178, Fn. 95; Fehling, AöR 1996, 78; vorsichtig Pieroth, in: Jarass/ders., Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 4; Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 50. 403 Scheuner, in: Fortshoff-FS, S. 337. 404 Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 206.
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bedeutet wie den Belang zu „berücksichtigen". Eine Abwägung mit anderen gleichrangigen Zielen ist folglich erlaubt. 405 Und wegen der Ermessensspielräume, die einer solchen Abwägungsentscheidung regelmäßig innewohnen, ist ihre gerichtliche Überprüfbarkeit begrenzt. 406 Das paßt in das Bild von der offenen und dennoch verbindlichen Beschreibung einer Staatsaufgabe, die letztlich darin besteht, Sorge zu tragen, daß der Verkehrszweig Eisenbahn am Leben erhalten bleibt und damit einen stetigen - unter guten Bedingungen auch wachsenden - Beitrag zur allgemeinen Infrastrukturversorgung leistet. Durch die Konkretisierung des Allgemeinwohls mit dem Begriff des Verkehrsbedürfnisses deutet die Klausel auf das Fortbestehen einer Verantwortung hin, die zur Kompensation der jetzt privaten Rechtsform der Netzträgerschaft 407 an der Schnittstelle von Entwicklungs-, Raum- und Finanzplanung angesiedelt ist, um deren verkehrspolitische Risiken zu reduzieren 408 und die zusätzlich zu der Situation des Schienenverkehrs auch die der anderen Verkehrsträger einbezieht.409 Sie entstammt dem von der staatsökonomischen Entwicklung inzwischen allerdings modifizierten Bild vom Staat als Infrastrukturversorger der Industriegesellschaft, das auch noch den alten Art. 87 GG prägte. Was davon nach der Privatisierung fortbesteht, bleibt einerseits deutlich hinter diesem zurück 410 , weil nicht zurückgeholt werden kann, was durch Art. 87 e Abs. 3 GG gerade aufgegeben werden sollte 411 , geht andererseits aber auch bei weitem über die Einflußnahme des Bundes als Unternehmenseigner 412 hinaus. Anders, als wenn ein Subventionszweck einzuhalten und im Interesse des fairen Wettbewerbs vom Bund zu kontrollieren ist, läßt sich aber die konkrete, dauerhafte öffentliche Zwecksetzung des Unternehmens durch den Bund nicht unbedingt kontrollieren oder gar erzwingen; er kann sie allenfalls anmahnen.413 Was Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG verlangt, ist, daß der Bund mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln hoheitlicher Gewaltausübung die Unternehmen zwingt, ein existentielles
405 Jarass, in: ders. /Pieroth, Grundgesetzkommentar, Art. 109, Rn. 6. So auch für Art. 87 e Abs. 4 Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 51. 406 BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1989-2 BvR 436/88, NVwZ 1990, 356 [357]: Verstoß gegen das Gebot des Art. 109 Abs. 2 GG kann erst dann festgestellt werden, wenn offensichtlich Belange desselben nicht beachtet und dadurch selbiges beeinträchtigt wurde. Vgl. auch Mahrenholz, in: Wassermann, AK-GG, Bd. 2, Art. 109, Rn. 30. m Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 179, 337 ff. 408
Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 2, § 10IV Rn. 60. ^ Vgl. insbesondere auch § 3 Abs. 2 BSchwAG. In diesem Sinne auch Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 584. 410 Pieroth, in: Jarass/ders., Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 4. Andererseits „mehr als bei Straße und Wasserstraße", Graichen, ZögU 1994, 239. 411 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 584. 4 12 Vgl.§6111. 1. 4
13 Berg, GewArchiv 1990, 229; vgl. auch § 6 III. 1 a.
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Minimalprogramm zu bedienen.414 „Bedürfnis"-Befriedigung im Sinne einer optimalen Verkehrsversorgung braucht der Bund keinesfalls zu gewährleisten. 415 Deshalb steht die Gewährleistungsverantwortung, solange die gesetzlich (noch) nicht definierte Minimal- bzw. Grundversorgung nicht unterschritten wird, auch einer vom Unternehmen betriebenen Reduzierung des Versorgungsumfangs nicht im Wege. 416 Da sich jedoch weder eine Befristung noch eine auflösende Bedingung hinsichtlich der Existenz dieser verfassungsrechtlich normierten Verantwortung des Bundes aus Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG herauslesen läßt, steht die Verantwortung nicht unter dem Vorzeichen des Ubergangs. Die These, daß die in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG statuierten Pflichten des Bundes mit der (nach der 2. Stufe der Bahnreform vielleicht schon hinreichend vollzogenen?) Umstellungsphase enden, findet keinen Rückhalt im Verfassungstext. 417 Die in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG als Ersatz für die Leistungsverwaltung von der Exekutive auf die Legislative umgeschichtete GewährleistungsVerantwortung des Bundes 418 ist damit nicht lediglich eine Vorhalteverantwortung, um die holprigen Wege des Übergangs von einem zum anderen Rechtsregime zu glätten. Sie ist mehr als eine bloße „Folgeverantwortung des Staates" im Anschluß an die Privatisierung. 419 Sie ist stetig und die Mittel zu ihrer Wahrnehmung müssen selbstverständlich - ebenso wie die Entscheidungen nach Art. 109 Abs. 2 GG - regelmäßig an die ökonomische sowie technische Realität angepaßt werden. 414 Nach dem staatstheoretischen Ansatz leitet sich ein Grundversorgungsauftrag für die Bereitstellung entsprechender Infrastruktur aus dem Sozialstaatsprinzip ab, Fehling, AöR 121 (1996), 82. Interessant ist auch hier die Parallele zum Rundfunk, wo zwar keine staatliche, aber eine öffentlich-rechtliche Grundversorgung gefordert wird, weil diese staatsnotwendige Kommunikation darstellt, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend ist, BVerfG, E 73, 118 (157 f.); Urt. ν. 5. 2. 1991-1 BvR 1/85 u. a.,E83, 238 (297 f.). 415 Unklar Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 16: Zwar keine Bestandsgarantie, sondern Entscheidung für den Erhalt des Netzes als solches mit der tendenziellen Forderung nach Vergrößerung und Verbesserung (Wortlaut: „Ausbau"). Gegen eine Bestandsgarantie spricht bereits der Wortlaut in Art. 87 e Abs. 5 S. 2 GG - auch Streckenstillegungen sind erwähnt. 4 16 Fehling, AöR 121 (1996), 78; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 584; Stern, DVB1. 1997, 313. Hoffmann-Riem spricht in diesem Zusammenhang von „Mindestergebnissen" und „Auffangverantwortung", DÖV 1999, 221. 417
Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 179, Fn. 106; Pieroth, in: Jarass/ ders., Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 4; Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 17; Windhorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 50. 418 So bereits für den Bereich von Post und Telekommunikation Wieland, in: König /Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 235 [246 f.]; ders., Die Verwaltung 28 (1995), 332. Ebenfalls Grande, in: Voigt, Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, S. 388 f.,; Hoffmann-Riem, DÖV 1999, 221 f.; Pielow, Grundstrukturen der öffentlichen Versorgung in Europa (Manuskript), § 121.3.c. 4 19 So aber Stern, DVB1. 1997, 311, 312.
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Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, betrachtet man den Inhalt der gerade umschriebenen Verantwortung näher. Sie soll bewahren und verbessern, was allgemein als „nicht hinreichende aber notwendige Existenzbedingung moderner Staatlichkeit" 4 2 0 bezeichnet wird und als „staatliche Infrastrukturverantwortung" 421 der Rest dessen sein soll, was Forsthoff einst der Daseinsvorsorge zurechnete. 422 Zwar erwächst den Schienenwegen heute wohl nicht mehr „herrschaftliche" Bedeutung in dem Sinne, daß sie als Teil der Infrastruktur, wie von Krüger allgemein postuliert, Gewähr für staatliche Allgegenwart und Omnipräsenz bieten. Wenn Krüger aber daneben ein Mindestmaß an verkehrstechnischer Infrastruktur zur Voraussetzung für ein „Minimum derjenigen Kenntnisnahme voneinander" und „damit derjenigen Verständigung miteinander" erklärt, die Grundlage für die Bildung eines Staates, einer Nation sind 423 , so sind die Schienenwege zwar nur ein Baustein, als solcher aber nichts anderes als ein sozialstaatliches Integrationsmedium, um die sozialen Konflikte im sozialen, kommunikativen Kontakt zu bändigen. 424 Da Integration eine Bewegung, kein Zustand ist, muß auch diejenige Verantwortung, die im Dienste dieses, auf die Schienenwege und ihre Nutzung begrenzten Teils der Integrationsaufgabe steht und in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG ihren Ausdruck gefunden hat, beweglich bleiben.
(2) Der Regelungsauftrag - Art. 87 e Abs. 4 Satz 2 Art. 87 e Abs. 4 GG überläßt es nicht allen drei Gewalten auf Bundesebene gleichermaßen, für sich und andere die Verantwortung auszugestalten, sondern weist die durch die Integrationsaufgabe gebotene Intervention in Satz 2 vorrangig dem demokratisch gewählten Bundesgesetzgeber zu. 4 2 5 Denn der Vorrang der im Parlament gewonnenen, in der Regel gerechtigkeitskonkretisierenden Mehrheitsentscheidung entspricht der in der juristischen Dogmatik vorherrschenden Vorstellung einer Hierarchie des positiven Rechts (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) einschließlich seiner Quellen. 426 Deshalb muß der Gesetzgeber innerhalb des ihm zugedachten 420 421
Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 324. Fehling, AöR 121 (1996) 81; Hermes, Freiburger Habilitationsschrift dieses Titels,
1998. 422
Zum Begriff der Daseinsvorsorge §7 III. 1. 1. (2) (a). Marktwirtschaftliche Ordnung und öffentliche Vorhaltung der Verkehrswege, S. 6; für die Schienenwege auch Ottmann, Archiv f. Int. Verkehrswesen 12 (1960), 89 f. Zur Bestätigung durch historische und sozialwissenchaftliche Analysen Fehling, AöR 121 (1996), 76 ff.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 326. 423
424
Huber, in: Forsthoff, Rechtstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 604 f. Anders unter Berufung auf die Wirkungsweise einer Staatszielbestimmung Stern, DVB1. 1997, 313 f. 425
426 Zur Störung dieser rechtsformorientierten Sichtweise durch die schlechterdings konstitutive Funktion der Rechtsprechung Schulze-Fielitz, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 22.
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weiten Gestaltungsspielraums427 die Einwirkungsmöglichkeiten wahrnehmen, die zum einen geeignet und erforderlich sind, die in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 dem Bund auferlegte Verantwortung umzusetzen, um den verselbständigten Trägern ihren autonomen, eigenregulativen Spielraum zu belassen und sie dabei gleichzeitig in Ausfüllung des Spielraums an staatliche Vorgaben zu binden. 428 Diese mit der Umsetzung einer Wertvorstellung verbundene, gerechtigkeitswirksame Detailarbeit zu leisten, ist zum anderen aber auch nur der Gesetzgeber imstande. Nur er kann die von der Verfassung pauschal formulierte Bundesverantwortung unterhalb, auf der Ebene des einfachen Rechts allgemeinverbindlich feinstrukturieren 429 und sie der Entwicklung der neuen Verantwortung kontinuierlich anpassen.430 Selbstverständlich sind auch der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Grenzen gesetzt. Gestaltet er objektiv-rechtliche Wertvorstellungen des Verfassungsgebers aus, hat er entgegenstehende, zugunsten des privatisierten Unternehmens aufgestellte Verfassungsaufträge als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung zu achten (Art. 20 Abs. 3 GG) - unabhängig von der Frage, ob sich der Profiteur derselben im personellen Schutzbereich der Grundrechte befindet 431 und dadurch einer selbständigen Gegenwehr fähig ist. 4 3 2 Als solcher, vom Gesetzgeber nicht außer Acht zu lassender Grundsatz muß auch der Privatisierungsauftrag in Art. 87 e Abs. 3 GG ins Spiel gebracht werden, zumal zu befürchten ist, daß dieser durch ein extensives Verständnis der Verantwortung des Bundes konterkariert werden könnte. Denn die Gefahr besteht, daß die von der Regelung gewollten Marktmechanismen um so mehr in den Hintergrund treten, je effektiver Regulierungsziele durchgesetzt werden. 433 Da es sich bei dem Privatisierungsgebot auf der einen und der Infrastrukturgewährleistung auf der anderen Seite aber um gleichrangige Verfassungssätze handelt, tritt nicht von vornherein der eine hinter dem anderen zurück. Es bleibt der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers überlassen, den einen oder den anderen mehr zu betonen. 434 Jedoch ist die äußerste Grenze gesetzgeberischer Freiheit überschritten, wenn mit Hilfe der von Art. 87 e Abs. 4 GG geforderten gesetzgeberischen Intervention der provozierte Konflikt zwischen
427 Vgl. Scheuner, in: Forsthoff-FS, S. 339 f. 428 Hoffinann-Riem, DÖV 1997, 436. 429 Schulze-Fielitz, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 22, 39 f. 430 Wegen des flächendeckenden Charakters der infrastrukturellen Maßnahmen (vgl. Lerche, in: Maunz /Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 87 f., Rn. 84) bedürfen die Regulierungsgesetze der Zustimmung des Bundesrates, Art. 87 e Abs. 5 Satz 1. 431 Dazu § 6 III. 2. c. (2). 432 Vgl. §51. 433 Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), S. 333 und 334. 434 So auch Windthorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 51. Inwieweit hier der Grundsatz praktischer Konkordanz, das Prinzip maximaler Verhältnismäßigkeit zur Wirkung kommen müssen, Stern, DVB1. 1997, 315; zu den Grenzen des Begriffs der Verhältnismäßigkeit Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 354.
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einer an betriebswirtschaftlichen Effizienzmaximen ausgerichteten Unternehmensführung (anstelle eines Wirtschaftens nach dem nur öffentliche Unternehmen beherrschenden Angemessenheitsprinzip 435) und der öffentlichen Aufgabenerfüllung bei bilanzierender Betrachtung faktisch nur noch zugunsten der öffentlichen Aufgabe und damit der Bundesverantwortung entschieden würde. 436 Wirtschaftliche Unternehmensführung - bereits in der Anlage egoistisch geprägt - steht tendenziell in latentem Widerspruch zu gemeinwohlbegründeter Infrastrukturverantwortung. Hatte die Deutsche Bundesbahn Leistungen in ihrem Angebotskatalog, die aus unternehmerischer Sicht nicht zu vertreten waren, hielt das Gemeinwohl als Grund und Rechtfertigung her; schließlich war die Bahn nur „wie" ein Wirtschaftsunternehmen zu führen. 437 Wenn nun seit der Novellierung die Verfassung mehr an Unternehmertum will, als einst zulässig war (Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG) und die Bahn, in ein Wirtschaftsunternehmen überführt, sich an Marktgesetzen orientieren muß und aus Rentabilitätserwägungen Leistungen nur bei entsprechender Gewinnerwartung anbieten darf 4 3 8 , kommt dem Gemeinwohl heute eine andere Funktion zu. Denn der von der unternehmerischen Leistungserbringung abgekoppelte Verweis auf Gründe des gemeinen Wohls in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG kann keinesfalls mehr zur Erzwingung von Verkehrsleistungen herangezogen werden, die unternehmerisch nicht zu vertreten sind. Seine rechtfertigende Kraft reicht nicht so weit. Denn es liegt in der Logik eines privatwirtschaftlichen Ordnungsmodells begründet, daß im Interesse des allgemeinen Wohls weiter gehende Versorgungsaufträge einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit darstellen und deshalb nicht nur gesetzlicher Normierung unterliegen. Sie bedürfen insbesondere auch eines Ausgleichs, der die zusätzlichen Aufwendungen abdeckt, die dem Unternehmen daraus entstehen, daß es durch Gesetz gezwungen ist, überobligationsmäßige Leistungen zu erbringen. Unrentable Versorgungsleistungen im Interesse der Allgemeinheit sind demzufolge allenfalls für eine entsprechende Gegenleistung des Bundes vom Unternehmen Deutsche Bahn AG zu fordern. 439
«s Vgl. Gabler-Wirtschafts-Lexikon, A-E, S. 126. 436 Lerche, in: Winkler-FS, S. 587 f., insb. auch Fn. 26. Zur Sicherung der für das Fahrwegunternehmen notwendigen Freiräume, hatte man eigens auf die von einigen Seiten geforderte Einrichtung einer Fahrwegbehörde verzichtet, Reinhardt, ZGR 1996, 381. Gegen eine Modifikation der Grundentscheidung in Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG auch Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 2, § 10IV Rn. 60. 437 Vgl. schon Teil 1 §31. 3. und Teil 2 § 5II. Außerdem zur Charakterisierung der Deutschen Bundesbahn als „öffentliches Unternehmen" Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 39 f. 438 Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 332. Aus der Praxis bestätigt durch Bahnvorstand Mehdorn, SZ v. 11. 5. 2000, Nr. 108, S. 17. 439 So Reinhardt, ZGR 1996, 381 verallgemeinernd im Rahmen seiner Erörterung der Vorzüge einer Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs. Auch Heiermann, BauR 1996, 451 f.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 178; Fromm, DVB1. 1994, 192f.; Soukup, ZögU 19 (1996), 167; Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 332.
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(3) Instrumente zur Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG schreibt selbst nur ein Rahmenprogramm vor, dessen diffizile Ausgestaltung gemäß Satz 2 i. V. m. Art. 73 Nr. 6 a GG dem Bundesgesetzgeber obliegt. Es wird dadurch ergänzt, daß nach Art. 87 e Abs. 1 Satz 1 GG die hoheitlichen Befugnisse, die Verkehrsverwaltungsfunktionen betreffen, beim Bund verblieben sind. 440 Wenn Presseberichten immer wieder umfassende Streckenstillegungsabsichten der Deutschen Bahn AG zu entnehmen sind 441 , die zu Bundesbahnzeiten stets als großes Geheimnis gehandelt wurden, so erscheint diese Möglichkeit des Unternehmens, sich von unrentablen Altbeständen zu trennen, als eine sichtbare Konsequenz der neuen Entwicklung. Das Verfahren, das hinter der Streckenstillegung in § 11 AEG steht, ist ein interessantes Beispiel dafür, wie der Gesetzgeber versucht hat, den oben beschriebenen Konflikt zwischen privatwirtschaftlicher Infrastrukturleistung im Wettbewerb und staatlicher Gewährleistungsverantwortung zu lösen. 442 Der Gesetzgeber hat sich hier des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt 443 , wie es aus anderen Regelungszusammenhängen von privater Aktivität und staatlicher Kontrolle bekannt ist, bedient und die Deinvestitionsfreiheit in bezug auf eisenbahnbetriebene Strecken 444, wichtige Bahnhöfen sowie deutliche Kapazitätsverringerungen 445 einer wirtschaftsaufsichtlichen Kontrolle unterworfen. Dadurch wird die Streckenstillegung im Ergebnis zwar erschwert, sie kann aber nicht gänzlich und auf Dauer unterbunden werden. Möchte das Infrastruktur440 Vgl. § 5 1. Zur Durchsetzung gemeinwohlerforderlicher Verkehrsbedienung durch behördliche Auflagen Windthorst, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 87 e, Rn. 55. 441 Jüngst FAZ v. 28. 1. 2000, Nr. 23, S. 24 zum Abbau von Übervernetzungen. Vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage von Abgeordneten im Bundestag zu den bis dahin laufenden bzw. bereits abgeschlossenen Stillegungsverfahren, BT-Drucks. 13/ 2569. Ferner Spoerr, DVB1. 1997, 1309 zu beabsichtigten Stillegungen von 4897 km Schienenweg und drohenden Stillegungen von weiteren 6749 Streckenkilometer, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht verbesserungsfähig ist; Stüer/Hermanns, DVB1. 2001, 180 f. 442 Frotscher/Kramer, NVwZ 2001, 30; Spoerr, DVB1. 1997, 1309 und 1315.
443 Spoerr, DVB1. 1997, 1311. Allgemein zum präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Gromitsaris, DÖV 1997,401 ff. 444 Die Einstellung des Zugbetriebs auf der Strecke ist von § 11 AEG nicht erfaßt, Spoerr, DVB1. 1997, 1310; vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage von Abgeordneten und Bündnis 90/Die Grünen bezüglich des Vorhabens, die Direktverbindung auf der Strecke Berlin-Kopenhagen aufzugeben, BT-Drucks. 13/2854. Zur öffentlichen Ausschreibung gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Bereich der Eisenbahnverkehrsleistungen (vgl. § 15 Abs. 2 AEG) Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 552f.; Schulz, Das Eisenbahnwesen des Bundes und die Stellung der deutschen Bahnen auf dem Europäischen Binnenmarkt, S. 343, Fn. 44. 445 Darunter versteht man einen spürbaren und nachhaltigen Rückgang der Kapazität, z. B. wenn eine zweigleisige Strecke nur noch eingleisig unterhalten wird, wenn gesicherte Bahnübergänge durch ungesicherte ersetzt werden oder eine Strecke nur noch für den Güterverkehr, nicht mehr für den Personen- und Güterverkehr betriebsbereit gehalten wird, Frotscher/Kramer, NVwZ 2001, 31; Spoerr, DVB1. 1997, 1310.
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unternehmen eine der von § 11 AEG erfaßten unternehmerischen Stillegungsmaßnahmen ergreifen, bedarf es der Erlaubnis, die wiederum an zwei Voraussetzungen geknüpft ist, für die das Unternehmen die Darlegungslast trägt 446 : Erstens muß sich der Betrieb der Infrastruktureinrichtung gemessen am unternehmerischen Konzept und auf Basis der unternehmerischen Grundlagendaten des Antragstellers als nicht mehr zumutbar erweisen. Zweitens setzt die Stillegungserlaubnis voraus, daß das Infrastrukturunternehmen die Übernahme der Infrastruktureinrichtung einem Dritten angeboten hat, ohne daß die Verhandlungen zu einem Verkaufserfolg geführt hätten. 447 Der unternehmerischen Freiheit wird in verfahrensrechtlicher Hinsicht zunächst durch eine zeitliche Begrenzung des Entscheidungsverfahrens Rechnung getragen. Nach drei Monaten gilt die Genehmigung als erteilt (§11 Abs. 3 Satz 1 AEG). Auch wenn die materielle Prüfungsbefugnis durch die von § 11 Abs. 1 AEG geforderte Darlegung grundsätzlich nicht beeinträchtigt ist, so ist der Prüfungsumfang der Aufsichtbehörde mit Rücksicht auf die autonomen unternehmerischen Entscheidungen, die dem Zugriff des Gesetzgebers grundsätzlich entzogen sind, doch insoweit beschränkt, als die Voraussetzungen in sich schlüssig dargelegt wurden. Bei der Überprüfung der ersten Voraussetzung kommt es folglich nur auf die Richtigkeit der zugrundegelegten Kostenstrukturen an, nicht aber auf die Kostenstruktur an sich. 448 Wird die Genehmigung versagt, kann dies die Stillegung maximal ein Jahr aufschieben (§ 11 Abs. 5 AEG) und dient deshalb lediglich dem Zweck, Zeit zu gewinnen, um entsprechende Alternativwege für den Erhalt der Strecke zu suchen: Übertragung auf den regionalen Schienenpersonenverkehr oder Abschluß von Verträgen zur Aufrechterhaltung einzelner Strecken gegen entsprechende Kostenerstattung 449. Sie kommt nur in Betracht, wenn die verkehrlichen Belange überwiegen, die gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AEG in gleichem Umfang wie die wirtschaftlichen Kriterien berücksichtigt werden müssen. Selbst dann aber gewährt der Gesetzgeber den betroffenen Eisenbahnunternehmen einen Anspruch auf vollen Ausgleich der Kosten, die ihnen aus der Versagung entstehen (§11 Abs. 3 AEG). Damit hat das Unternehmen keine weiteren Lasten als die des Verfahrens selbst zu tragen. Neben der Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen kommt der Bund seiner Gewährleistungsverantwortung auch durch Zahlungen nach, zu denen er sich zum Beispiel im Schienenwegeausbaugesetz des Bundes verpflichtet hat und mit denen ganz bestimmte, vorgezeichnete Streckenbauprojekte finanziell unterstützt, Schienenwege also aus Steuermitteln ermöglicht werden, wenn sich das private Unternehmen aus Rentabilitätsgründen dazu nicht in der Lage sieht. 450 Beschränkt sind 446 Ausführlich Frotscher/Kramer, NVwZ 2001, 31; vgl. auch Spoerr, DVB1. 1997, 1311. 447 Zur Überprüfbarkeit dieser vage formulierten Voraussetzung vgl. Spoerr, DVB1. 1997, 1311 f. 448 Zutreffend Spoerr, DVB1. 1997, 1311. 449 Graichen, ZögU 1994, 242. Zum „Bestellerprinzip" Dürr, Strukturreform der Bahn, in: Blümel, Verkehrswegerecht im Wandel, S. 28; Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 552 f.; Reinhardt, ZGR 1996, 382.
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die gesetzlich geschuldeten Finanzhilfen 451 gemäß § 8 Abs. 1 BSchwAG durch die „zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel". Die Leistungsbereitschaft des Bundes ist somit nicht grenzenlos und wegen der im voraus nicht zu bestimmenden Haushaltslage für das Unternehmen nur noch ein eingeschränkt sicherer Kalkulationsfaktor. 452 Daß es sich bei dieserart Finanzierungshilfe außerdem nicht nur um ein „Geschenk" des Bundes an die in seinem Eigentum stehenden Unternehmen handelt, sondern das unternehmerische Interesse der Eisenbahnunternehmen einbezogen wird und verpflichtend wirkt, beweist die Klausel zur Mitfinanzierung in Form von Rückzahlungen der vom Bund vorfinanzierten Investitionen und Zinszahlungen in Höhe der Abschreibungsgegenwerte 453, sofern der Bund die Baumaßnahmen „auf Antrag und im Interesse" der Eisenbahn in den Bedarfsplan aufgenommen hat (§10 BSchwAG), es sich also um ein betriebswirtschaftlich lohnendes Projekt handelt. 454 Ferner ließen sich Subventionen denken, mit denen konkrete Strecken zumindest vorübergehend erhalten werden können. 455 Hier stellt sich jedoch neben dem bereits für die Finanzierungshilfen geschilderten haushaltsrechtlichen 456 ein weiteres Problem: Wegen der Wettbewerbs- und damit konkurrenzregulierenden Wirkung von Subventionen sind solcherart staatliche Hilfen zum einen nur in den engen Freiräumen möglich, die das europäische Beihilferecht beläßt. 457 Zum anderen stehen sie freilich auch nach der deutschen Rechtsordnung unter dem Vorbehalt
450 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, BT-Drucks. 12/ 6269, S. 146; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 354. Zum Zwang notwendige Vereinbarungen gem. § 9 BSchwAG durchzuführen, Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 88 f. 451
Zu den Formen der Finanzhilfe (vertraglich vereinbarte Zuschüsse oder zinslose Darlehen bzw. eine Kombination beider Möglichkeiten), Graichen, ZögU 1994, 242. Nach dem BSchwAG muß ein Fünftel der vom Bund aufgewendeten Mittel in die Strecken investiert werden, die dem Schienenpersonennahverkehr dienen, § 8 Abs. 2 BSchwAG. Die Kosten der Unterhaltung und Instandsetzung von Anlagen muß das Schienenwegeunternehmen tragen, § 8 Abs. 4 BSchwAG. Daneben ist die „Förderung" (vgl. die Unterscheidung zur Finanzhilfe) durch andere Gebietskörperschaften und Dritte denkbar, vgl. §§8 Abs. 3, 9 BSchwAG. 452 Vgl. zu der jüngsten Konfliktlage, die in einem vom Vorstand ausgesprochenen Ausschreibungs- und Vergabeverbot gipfelte; sie entstand, weil die Vorfinanzierung des Bundes (Globalvereinbarung 2000) ins Stocken geraten ist, SZ v. 18. 2. 2000, Nr. 40, S. 5. Zu vagen Dementia seitens der Bahn AG die Pressemitteilung v. 18. 2. 2000 (www.bahn.de/db_holding / news / db_holding_20000218.shtml). 453
Ewers/Ilgmann, Zwischenbilanz der Bahnreform, S. 9. Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 89. 4 55 Dazu mit weiterführenden Hinweisen Soukup, ZögU 19 (1996), 167. 4 56 Die Frage, ob die Subventionsvergabe durch Parlamentsgesetz geregelt sein muß, soll hier keine Rolle spielen, vgl. dazu knapp Scherer, Jura 1985, 15. 454
457 Als mit den europäischen Wettbewerbsregeln vereinbar stufte die Kommission die Förderung mittels sogenannter Track Access Grants in Großbritannien ein, Mitteilung der Kommission über die Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft und die Durchführung der Richtlinie 91 /440/EWG v. 19. 7. 1995, KOM (1995) 337 endg., S. 10.
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der Rechtmäßigkeit, müssen vor allem den speziellen, die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) tangierenden und ihr deshalb auch zuzuordnenden Aspekten der Gleichbehandlung Rechnung tragen. 458 Schließlich könnte der Gesetzgeber, selbst wenn er den Vorrang vom Gesellschaftsrecht anerkennt 459, auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, die dem Bund verbliebene gesellschaftsrechtliche Einflußnahme zu instrumentalisieren, indem er der Exekutive gesetzlich vorgibt, wie sie die dem Bund im Rahmen aktienrechtlicher Handlungsspielräume zustehendenden Eigentümerrechte auszuüben hat. 4 6 0 Tut er das nicht, bleibt zu fragen, ob die Verfassung selbst eine bestimmte Art und Weise der Einwirkung gebietet 461 , die sich in erster Linie aus dem Demokratieprinzip und dem Argument des Formenmißbrauchs der Verwaltung speisen könnte 462 und die ihre Grenze dort finden müßte, wo das von der Verfassung selbst angeordnete Gesellschaftsrecht Vorrang beansprucht. Allein die verfassungsrechtliche Option, nahezu die Hälfte der Anteile (< 50 %, vgl. Art. 87 e Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz GG) veräußern zu können, bewirkt zwar - gesellschaftsrechtlich betrachtet - durchaus eine Minderung der Einflußrechte 463, indiziert indessen aber keine solche Einwirkungspflicht. Denn eine Verselbständigung des Beteiligungsunternehmens ließe sich gesellschaftsrechtlich nur dadurch wirksam verhindern, daß der Bund die satzungsändernde Dreiviertelmehrheit inne hätte. Eine derartige gesellschaftsrechtliche Herrschaftsstellung ist aber durch die Verfassung gerade nicht vorgeschrieben. Von Verfassungs wegen gibt es daher kein Hindernis, wenn sich der Bund mit Hilfe des Gesetzgebers (Art. 87 e Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz GG) dieser wichtigen Einflußnahmemöglichkeit 464 berauben würde. Daß die Öffnung des Schienenwegeunternehmens auch für rein private Beteiligungen in der Verfassung angelegt ist, spricht gegen die Annahme, das nach der Vorgabe in privater Rechtsform gegründete Unternehmen sei eine reine Verkleidung der öffentlichen Hand und seine Entscheidungsrationalität weiterhin an gemeinwirtschaftlichen Gesichtpunkten ausgerichtet. Eine spezielle Einwirkungspflicht als ein reguläres Instrument zur Steuerung der Geschäftspolitik ist deshalb von der Verfassung von
458 Hösch, Die Verwaltung 30 (1997), 225 f. 459 Dazu §6111.1. a. 460 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 179; Schmidt-Aßmann/Röhl, 1994, 585.
DÖV
461 Vgl. dazu umfassend Püttner, DVB1. 1975, 353 ff. 462 Zur Einwirkungspflicht ergänzend auch aus dem Blickwinkel grundrechtlich gebotener Schutzpflicht, Spannowsky, DVB1. 1992, 1074. 463 Zu vielen wesentlichen Entscheidungen im Gesellschaftsrecht ist eine 75 % Mehrheit erforderlich: Insb. Satzungsänderung, § 179 Abs. 2 AktG; grundsätzliche Kapitalerhöhung, § 182 Abs. 1 Satz 1 AktG; bedingte Kapitalerhöhung, § 193 Abs. 1 Satz AktG 1; Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft, § 274 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG; Abschluß von Unternehmensverträgen (Beherrschungsvertrag), § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG; Verschmelzung, § 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG; Spaltung, § 125 Satz 1 i. V. m. § 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG. 464 Vgl. Spannowsky, DVB1. 1992, 1074 und 1075.
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vornherein nicht begründet. 465 Vielmehr gilt die in Art. 87 e GG eigens ausdifferenzierte Systematik zwischen Distanz und Nähe als Spezialregelung gegenüber einer möglicherweise allgemein bestehenden Einwirkungspflicht. 466
b) Abschied von der öffentlich-rechtlichen
Sachherrschaft
Ein Blick auf das Recht der öffentlichen Sachen und seine Bedeutung im neuen Eisenbahnrecht verdeutlicht die eben dargestellte Entwicklung vom leistenden zum gewährleistenden Staat. Zwar hat das öffentliche Sachenrecht unter dem Rechtsstaat des Grundgesetzes, abgesehen von den noch traditionell überkommenen öffentlichen Sachen, soweit es nicht gesetzlich begründet ist, weitgehend an Bedeutung verloren. 467 Es dient aber weiterhin als Ordnungsmodell öffentlichrechtlicher Rechtsverhältnisse insbesondere dort, wo der Staat in privatrechtlichen Organisationsformen handelt. Da das Recht der öffentlichen Sachen nicht den rechtlichen Status der Sache ändert, sondern lediglich deren spezifisch öffentlichrechtliche Einbindung beschreibt, kann grundsätzlich auch eine private Sache oder Sachgesamtheit als öffentliche Sache charakterisiert werden 468 , soweit auf dieser eine „Dienstbarkeit" des öffentlichen Rechts lastet. 469 Die mit dieser Dienstbarkeit einhergehende besondere öffentlich-rechtliche Herrschaft über die private Sache ist einerseits durch ein spezifisches Nutzungsregime der öffentlichen Sache gekennzeichnet, andererseits durch Unterhaltungs- und Sicherungspflichten 470 des öffentlichen Rechts geprägt. Die Befugnisse des Eigentümers sind in dem Umfang, in dem die Sache in diesem Sinne spezifisch öffentlich-rechtlich genutzt und nach diesen Regeln unterhalten wird, durch die des öffentlichen Sachherrn verdrängt. 471 Interessanterweise überlegte Fleiner bereits in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, als - zur jetzigen Privatisierungstendenz entgegengesetzt - die öffentliche Hand mehr und mehr in die private Wirtschaft eindrang 472 , wie die Unternehmen sachenrechtlich einzuordnen wären, die der Staat aus privaten Händen erworben und in staatliche Verwaltung überführt, aber nach dem Vorbild bestehender Betriebe von Privatpersonen und Privatgesellschaften strukturiert hatte. Nur wenn die Gewinnerzielung unbeachtetes, zufälliges Nebenprodukt war, während die Er465 Schmidt-Aßmann/Röhl, 466 Schmidt-Aßmann/Röhl, 1996,403.
DÖV 1994, 585. DÖV 1994, 585; so in der Tendenz auch Spannowsky, ZGR
467 Zusammenfassend Ehlers, NWVB1. 1993, 232. 468 Vgl. zum öffentlich-rechtlichen Sachbegriff in Abgrenzung von dem des Zivilrechts (§§ 90 ff. BGB) Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2. 469 Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, 1028. 470 Dazu sehr plastisch Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 507. 471 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 10. 472 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 326, vgl. auch § 8, S. 120 ff.
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wägung im Vordergrund stand, die durch die Anstalt erzeugten Leistungen allen und zu gleichen, billigen Bedingungen zuteil werden zu lassen, sollte nach Fleiner von einer nichtgewerblichen und somit öffentlich-rechtlichen Prinzipien unterworfenen Anstalt die Rede sein, auch wenn diese grundsätzlich dem Privatrecht unterstellt war. Übernahm oder gründete der Staat dagegen die Unternehmung in erster Linie in der Absicht, Gewinne zu erzielen, und diente folglich der Betrieb derselben nur dazu, der öffentlichen Kasse eine Einnahmequelle zu verschaffen, so sollte ein reines Gewerbe vorliegen. 473 Wenn schon damals bei gerade verstaatlichten Unternehmungen die öffentlichrechtlichen Sonderbindungen angezweifelt wurden, weil sich der Staat als Kaufmann gerierte 474 , so muß erst recht die bislang bestehende Bindung der Deutschen Bundesbahn an das öffentliche Sachenrecht 475 nach der Bahnstrukturreform überdacht werden. Denn seitdem die Transportdienstleistungen und der Betrieb der Eisenbahninfrastruktur aus dem Bereich bundeseigener Verwaltung ausgegliedert wurden und statt dessen gemäß Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG von Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form erbracht werden, stellen die Sachen und Sachgesamtheiten der Eisenbahn keine Gegenstände mehr dar, die von einem Träger öffentlicher Verwaltung unmittelbar zur Erfüllung seiner Aufgaben gebraucht werden. 476 Darüber können auch die mehr oder minder zufälligen Begrifflichkeiten des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht hinwegtäuschen.477 Denn wenn der europäische Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Aufbau transeuropäischer Netze von einzelstaatlichen Netzen spricht 478 und die Netzträger als Einrichtungen qualifiziert, die „innerhalb eines administrativen oder gesetzlichen Rahmens tätig sind, der sie 473
Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 324 f. Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 323 m. w. N. 475 Koch, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 154; ders., Die Bundesbahn 1955, S. 748; BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988-4 C 48/86, E 81, 111 (113). Es soll hier dahinstehen, ob diese als öffentliche Sachen zur Verfügung gestellten Infrastruktureinrichtungen in Verbindung mit den rechtlichen und personellen Mitteln eine nach alter Terminologie öffentliche Anstalt darstellten, Bischoff, AöR 81 (42 n. F.) 1971, 74; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 322; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 507; Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 1 u. 268; sich schon deutlich von Mayer abgrenzend Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd. [AT], S. 412 ff., 542, was nach heute überwiegender Auffassung einer öffentlichen Einrichtungen gleichkommt, Becker, in: Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht - Teil 2, S. 71; Papermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 128 ff. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 27 f., oder ob es sich - ohne auf die Allgemeinheit als Nutzer abzustellen - um öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch handelte. 476 Vgl. zur Abgrenzung von Sachen des staatlichen Finanzvermögens Ehlers, NWVB1. 1993, 328, der allerdings wegen des in der Regel rein inneradministrativen Widmungsakts Sachen im Verwaltungsgebrauch nicht als öffentliche Sachen ansieht, 330. 477 Vgl. aber Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 381. 47 » Art. 154 Abs. 2 Satz 1 EGV (ex-Art. 129b Abs. 2 Satz 1 EGV). 474
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öffentlichen Einrichtungen ähnlich macht" 479 , bleibt die Eigentumsordnung in den Mitgliedsländern doch unangetastet480 und vor allem ihnen selbst überantwortet. 4 8 1 Ist von „einzelstaatlichen Netzen" die Rede, können also nur rein geographisch die in den einzelnen Mitgliedsländern vorhandenen Netze gemeint sein. 482 Auch aus der vorsichtigen Bezugnahme auf das Institut der öffentlichen Einrichtung läßt sich nicht gleichzeitig auf eine vielleicht dem Staat obliegende Verbindlichkeit zur Errichtung schließen. In dieser Formulierung drückt sich vielmehr die dem Staat auf jeden Fall verbliebene Gewährleistungsverantwortung aus.
(1) Keine Widmung neuer Infrastruktureinrichtungen Für die Charakterisierung als öffentliche Sache im Einrichtungs-/ Anstaltsgebrauch heute maßgeblich ist neben der tatsächlichen Indienststellung allein die Widmung 483 als Legislativ- 484 oder Administrativmaßnahme. 485 Erst der in ihr liegende Publizitätsakt begründet - in Abgrenzung zu Otto Mayer 486 - den öffentlich-rechtlichen Status der Sache und damit das öffentlich-rechtliche Nutzungsregime. Sie konkretisiert die Benutzungsregelungen, indem sie festlegt, welcher näher umschriebene Personenkreis unter welchen Voraussetzungen die Sache nutzen darf. Daraus erwächst dann für den jeweiligen Benutzer ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Zulassung zur Einrichtung. 487 479 Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2236/95 des Rates vom 18. 9. 1995 über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze, ABl. Nr. L
228/1.
480 Art. 295 EGV (ex-Art. 222 EGV). 481 Vgl. bereits § 4 II. 482 Pielow, Grundstrukturen der öffentlichen Versorgung (Manuskript), § 13 III 1. 483 Vgl. z u den kommunalrechtlichen Besonderheiten Axer, NVwZ 1996, 115 f. 484 OVG Münster, NWVB1. 1993, 348 (349 f.); Ehlers, NWVB1. 1993, 328. 485 Vgl. Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, Kapitel 7, Rn. 1.3; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 39; ders., in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 42 Rn. 7. Dagegen Ehlers, NWVB1. 1993, 328 unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981-1 BvL 77/78, E 58, 300 (335 f.) zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Wege des privaten und des öffentlichen Rechts; Schmidt-Jorzig, NVwZ 1987, 1028 m. w. N: Öffentliche Sachenrechte dürfen nur durch oder aufgrund eines Gesetzes begründet, nicht kraft Anordnung geschaffen werden. Zur Begründung wird zunächst der konkrete Eingriff in die Eigentumsposition angeführt, aber auch losgelöst von der Eingriffssituation bei Grundrechtsfähigen auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Wesentlichkeitstheorie abgestellt. Vgl. mit Negativbeispielen Pielow, Grundstrukturen der öffentlichen Versorgung (Manuskript), § 13 III l.a. 486 Vgl. AöR 16 (1901), 38 ff.; Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 1 u. 268. Vg. dazu auch Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen, S. 31 f., 33 f. 487 Ggf. Verschaffungsanspruch: Anspruch auf Einwirkung auf die dem öffentlichen Träger unterstehende privatrechtliche Betriebsgesellschaft, vgl. BVerwG, Beschl. v. 29. 5. 19907 Β 30/90, Buchholz 415.1 Allg.KommR. Nr. 103; Beschl. v. 21. 7. 1989-7 Β 184/88, Buchholz 415.1 Allg.KommR. Nr. 91. 10 Pommer
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Da es heute nicht anders als früher bei der Inbetriebnahme einer infrastrukturellen Einrichtung der Eisenbahn an einem Administrativakt fehlt, der diese dem öffentlichen Sachenrecht unterstellt 488 , könnten die Anlagen der Deutschen Bahn AG mangels ausdrücklichen Widmungsakts489 nur noch durch einen konkludenten, legislativ begründeten Widmungsakt dem öffentlichen Sachenrecht unterstellt sein, wenn der Gesetzgeber beispielsweise einen öffentlich-rechtlichen Benutzungsanspruch statuiert hätte. Ausgangspunkt für die Suche nach einem solchen konkludent-legislativen Widmungsakt ist wieder die neue Verfassungsregelung, Art. 87 e GG. Ihr Abs. 4 Satz 1 beauftragt den Bund, das Wohl der Allgemeinheit zu gewährleisten und insbesondere die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse im Auge zu behalten. Allein aus dieser Obligation kann indessen keine Aussage über die Rechtsverhältnisse der Deutschen Bahn AG gewonnen werden. Wie sich aus dem Erörterten bereits ergibt, hat der Verfassungsgeber hier keine subjektiven öffentlichen Rechte des einzelnen gegenüber dem Bund beispielsweise auf Beförderung durch die Eisenbahn gesetzt. Er hat lediglich den Bund verpflichtet, im Rahmen der Gesetze (vgl. Satz 2) der Realisierung des gemeinen Wohls Rechnung zu tragen und somit alle anderen auf das einfache Recht verwiesen. Anders als beim früher einheitlichen Staatsunternehmen Deutsche Bundesbahn vermag aber die Summe der im einfachen Eisenbahnrecht dem Betreiber auferlegten Pflichten 490 unabhängig von ihrer konkreten Rechtsnatur die öffentliche Aufnicht mehr zu begründen. 491 gabe des (netzbezogenen) Infrastrukturunternehmens Aufgrund der Trennung von Infrastruktur und Betrieb betreffen solche BetreiberPflichten nur noch den vom Strukturanbieter getrennten Transportdienstleister. Dem Netzbetreiber hat der Bundesgesetzgeber demgegenüber lediglich die Pflicht übertragen, sein Netz auch für die sonstigen (konkurrierenden) Anbieter von Eisenbahnverkehrsleistungen offenzuhalten (§ 14 AEG). Der öffentlich-rechtliche Charakter dieser Pflicht ist jedoch fraglich, denn Träger der Infrastruktur nach der Privatisierung ist gemäß § 2 Abs. 1 AEG der Infrastrukturunternehmer. Dieser bedarf, um öffentliche Eisenbahninfrastruktur (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AEG) betreiben zu können, der Unternehmergenehmigung (§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 AEG). Als Antragsteller dieser Genehmigung kommt jede natürliche, einem EG-Mitgliedsstaat angehörige Person (§ 6 Abs. 5 Satz 1 AEG) oder jede innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ansässige und rechtmäßig zustande gekommene Gesellschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 2 AEG) in Betracht. Da Gleiches für die Eisenbahnverkehrsunternehmen gilt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AEG), besteht der Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang zu Eisenbahninfrastrukturen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AEG, vgl. auch Abs. 2) folglich auch nur zwischen Privatrechtssubjekten und ist somit
488 Hoeren, MMR 1998, 2. 489 Vgl. zu dem Befund auch Kühlwetter, in: Blümel-FS, S. 324. 490 Zum Beispiel § 10 AEG: Beförderungspflicht; § 11 Abs. 1 EVO, § 12 AEG: Tarifpflicht. 491 Vgl. Pielow, Grundstrukturen der öffentlichen Versorgung (Manuskript), § 13 III 1. a.
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nicht öffentlich-rechtlicher Natur. 492 Denn weder berechtigt noch verpflichtet § 14 Abs. 1, Abs. 2 AEG einen Träger öffentlicher Gewalt als solchen 493 ; der Zugang besteht vielmehr ganz unabhängig von der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Eigentümerstellung. 494 Demzufolge existiert auch kein subjektives öffentliches Recht der Konkurrenten auf Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Weitere eisenbahngesetzliche Anhaltspunkte für öffentlich-rechtliche Zugangs- und Benutzungsregelungen, denen die Funktion einer dinglich wirkenden Widmung zukommen könnte, die der Eisenbahninfrastruktur das Qualitätssiegel der „öffentlichen Sache" verleiht, gar eine dem § 2 BFStrG vergleichbar differenzierte Regelung, existieren nicht. Die nach Änderung der rechtlichen Grundlagen in Betrieb genommenen Eisenbahnanlagen sind folglich keine öffentlichen Sachen.
(2) Öffentliche Sache kraft Enteignungsprivileg? Angesichts dieser Begründungsschwierigkeiten scheint es reizvoll, den Anknüpfungspunkt für die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in einem von der öffentlichen oder privaten Netzträgerschaft unabhängigen Enteignungsprivileg des Netzbetreibers zu erblicken 495 und dafür das Enteignungsrecht ohne Prüfung - als selbstverständlich gegeben - vorauszusetzen 496: Weil wegen dieser unbeschränkten Enteignungsmöglichkeit das private Netzunternehmen gemäß Art. 14 Abs. 3 GG in besonderer Weise verpflichtet sei, das Gemeinwohl zu fördern, müsse es als Enteignungsbegünstigter weitgehenden öffentlich-rechtlichen Bindungen unter492 Vgl. parallel dazu den Anspruch eines Jedermann zur Teilnahme an einer gewerblichen Veranstaltung gem. § 70 GewO, dessen Zuordnungsobjekt nicht notwendigerweise ein Träger öffentlicher Gewalt ist, Hess. VGH, Urt. ν. 29. 11. 1993-8 TG 2735/93, DÖV 1994, 438 (439); a.A. Frotscher, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 237; Spoerr, DVB1. 1997, 1309. 493
Zur Sonderrechtstheorie/modifizierten Subjektstheorie vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 17 f. 494 Parallel dazu die Benutzung der Flugplätze, über die der Gemeingebrauch am Luftraum ausgeübt wird. Teilweise wird wegen § 43 LuftVZO (Benutzungs- und Entgeltordnung der Flugplätze aufgrund des staatlich angeordneten Flugplatzzwangs) angenommen, es bestehe ein öffentlich-rechtliches Nutzungsregime; das Verhältnis von Flughafenbetreiber zu den Benutzern ist öffentlich-rechtlich (Schwenk, Handbuch des Luftrechts, S. 416 f. m. w. N. aus der BGH-Rechtsprechung). In der Regel handelt es sich aber bei den Flughafenbetreibern um private Rechtspersonen. Ihrer Monopolstellung kann vergleichbar der großer Schienenwegeunternehmen mit kartellrechtlichen und somit zivilrechtlichen Mitteln Rechnung getragen werden. Auch hier ist weder ein Hoheitsträger ausschließlich berechtigt noch verpflichtet; Flugplätze sind folglich ebenfalls nicht notwendig als öffentliche Sachen zu widmen, Greiner, BayVBl. 1994, 452; eindeutig gegen die Einordnung als kommunale öffentliche Einrichtung Horn, VB1BW 1992, 9. 49
5 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 380 f.; vgl. auch den Ansatz bei Spoerr, DVB1. 1997, 1310. Nochmal anders Steenhojf, UPR 1998, 182 ff., der allein an den öffentlichen Zweck öffentlicher Eisenbahnen anknüpft. 496 Vgl. dazu bereits Einleitung. 10*
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liegen. Gleichen Bindungen unterläge aber auch der Eigentümer einer öffentlichen Sache oder Einrichtung. Mit der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft belastet, dürfe dieser sein Eigentum ebenso nur zur Förderung und Wahrung öffentlicher Interessen einsetzen, und ohne Zweifel würde dann eine so gebundene Unternehmung auch die von Art. 14 Abs. 3 GG geforderte Gemeinwohldienlichkeit indizieren. Auf den nach allgemeiner Auffassung erforderlichen konstitutiven Widmungsakt wird verzichtet. Er erscheint angesichts der Gemeinwohlbindungen, die konkludent 497 die Widmung zur öffentlichen Sache ersetzen 498, als Förmelei. 499 Diese Überlegungen sind in ihrer Anlage bereits zirkulär. 500 Ließe sich tatsächlich von der Enteignungsbefugnis auf die öffentliche Sache schließen, müßte die von Art. 14 Abs. 3 GG geforderte Bindung an das Wohl der Allgemeinheit das Ausmaß annehmen, das dem für die Charakterisierung als öffentliche Sache maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Nutzungsregime entspräche. Das hieße, daß der enteignungsbegünstigte Private gleichsam durch den ihn begünstigenden Enteignungsakt wieder eines Teils seiner Eigentumsrechte beraubt, im Zuge der begünstigenden Wirkungen der Enteignung selbst ein Stück enteignet werden müßte. 501 Weil im öffentlichen Sachenrecht an die Stelle der privaten Eigentümerbefugnisse die staatliche Sachherrschaft tritt, könnte der private Enteignungsbegünstigte die privatrechtliche Verfügungsbefugnis über das Enteignungsobjekt niemals ganz 502 , sondern nur soweit erlangen, wie durch sie nicht der öffentliche Zweck beeinträchtigt wird. 5 0 3 Das führt notwendig zu einem inneren Widerspruch, der gegen die Anknüpfung der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft an das Enteignungsprivileg spricht. Ob sich der Beweis, daß diese kausale Verknüpfung von privatbegünstigender Enteignung und öffentlichem Sachenrecht unhaltbar ist, bereits eindeutig mit dem Hinweis führen läßt, das Enteignungsprivileg müsse ausnahmsweise auch einem Privaten eingeräumt werden können, damit dieser mit seinem (erweiterten) Eigentum einen öffentlichen Zweck erfülle und Gemeinwohlbelangen diene 504 , kann offenbleiben. Denn selbst wenn man im Hinblick auf wichtige Gemeinwohlbelange das Enteignungsprivileg des Netzbetreibers postuliert und - gleichfalls zur Wahrung des Gemeinwohls - weitgehende Bindungen fordert, bleibt fraglich, ob 497 Kritisch zur konkludenten Widmung durch Außenrechtsakt, Ehlers, NWVB1. 1993, 330. 498 Zur Problematik dieser These Fehling, AöR 121 (1996), 83 f. 499 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 381, Fn. 238. Ebenfalls unscharf Lorenz, NVwZ 1989, 814: „der Übergang zur öffentlichen Sache (ist) fließend". 500
Pielow, Grundstrukturen der öffentlichen Versorgung (Manuskript), § 13 III 1. 501 Vgl. zur Widmung als Enteignung Ehlers, NWVB1. 1993, 328; Pielow, Grundstrukturen der öffentlichen Versorgung, (Manuskript), § 13 III l.a. 502 Vgl. zu den Beschränkungen der privaten Herrschaftsordnung durch öffentlich-rechtliche Sachherrschaft Ehlers, NWVB1. 1993, 329; Lorenz, NVwZ 1989, 815. 503 Keine res extra commercium, Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 80. 504 Lorenz, NVwZ 1989, 815.
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das die Enteignung legitimierende Gemeinwohl stets identisch ist mit den öffentlichen Interessen, die mit Hilfe der öffentlichen Sache gefördert werden sollen. Wie bereits dargelegt, ist für die öffentliche Sache der öffentlich-rechtliche Charakter der Sonderbindung maßgeblich. Die dem Enteignungsbegünstigten überantwortete Sorge für einen Teil des gemeinen Wohls aber muß nicht notwendig öffentlich-rechtlich geregelt sein. Das Gemeinwohl, das die Enteignung rechtfertigt, ist der Allgemeinheit zugeordnet und kommt dem einzelnen regelmäßig nur als Reflex zugute. Aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der öffentlichen Sache im Bürgergebrauch hingegen folgt stets ein subjektives öffentliches Recht des einzelnen auf Nutzung bzw. Zulassung zur Nutzung der Sache. Folglich lassen sich aus der rechtfertigenden Gemeinwohldienlichkeit im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG und dem öffentlichen Zweck der Sache keine zwangsläufig kongruenten Schnittmengen finden, die zur Begründung einer öffentlichen Sache führen. Deshalb muß dem Reiz widerstanden werden, Infrastruktureinrichtungen als öffentliche Sachen im Zivilgebrauch einzustufen, um die staatlicher Regelung bedürftigen Netze einem öffentlich-rechtlichen Nutzungsregime zu unterwerfen und gleichzeitig aus der formalen Klassifizierung als öffentliche Sache die Befugnis zu staatlicher Regelung abzuleiten und ζ. B. Mitbenutzungsrechte Dritter zu legitimieren. 505
(3) Entwidmung bereits gewidmeter Infrastruktureinrichtungen Bei den vorstehenden Überlegungen ausgeschlossen geblieben sind bislang die Liegenschaftsteile, die notwendig sind, um eine Eisenbahninfrastruktur zu betreiben, und die gem. § 21 BENeuglG, § 1 DBGrG aus dem Bundeseisenbahnvermögen 506 auf die Deutsche Bahn AG übertragen worden sind. Sie wurden vor Gründung der Deutschen Bahn AG und ihren Untergliederungen wegen der für sie bestehenden widmungsbegründenden gesetzlichen Benutzungsansprüche als öffentliche Sachen eingestuft. 507 Angesichts ihrer Ausgliederung aus dem Bundeseisenbahnvermögen und Übertragung auf die Deutsche Bahn AG fragt sich, ob ihr nach alter Rechtslage begründeter sachenrechtlicher Status noch heute fortbesteht, mit der Folge, daß die Nutzung derselben durch die Deutsche Bahn AG eine gemeingebräuchliche Nutzung ist. 5 0 8 Oder wurde die Widmung im Zusammenhang mit der Bahnreform aufgehoben, beziehungsweise ist sie auf sonstige Weise entfallen? 505 Vgl. auch Fehling, AöR 121 (1996), 83 f. und Fn. 89 mit seiner Kritik an Lorenz, NVwZ 1989, 815 ff. 506 Vgl. § 1 BENeuglG. 507 Ausführlich zur Widmung in der Geschichte des Eisenbahnrechts Kühlwetter, in: Blümel-FS, S. 314 ff. 508 So die überwiegende Auffassung, vgl. nur BVerwG, Urt. v. 27. 11. 1996-11 A 27/96, UPR 1997, 150; zusammenfassend Blümel, Fragen der Entwidmung von Eisenbahnbetriebsanlagen, S. 12 ff.; Kühlwetter, in: Blümel-FS, S. 328 ff.; Stüer/Hermanns, DVB1. 2000, 1437.
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Für eine Entwidmung dieser Anlagen, die als actus contrarius 509 zur Widmung denselben förmlichen Anforderungen unterliegt, bietet die junge Geschichte der Eisenbahnneugliederung zwei Anknüpfungspunkte, die beide den förmlichen Voraussetzungen entsprechen: Die Entwidmung kann bereits darin erblickt werden, daß die Anlagen und Einrichtungen des Bundesbahnvermögens von Gesetzes wegen in das Eigentum der neugegründeten Deutschen Bahn AG übergegangen sind. 510 Schließlich handelt es sich dabei nicht bloß um eine nur vorübergehende Überlassung des ehemaligen Bundesbahngeländes an Dritte zur Nutzung 511 , sondern um einen im Bundesgesetzblatt512 hinreichend publizierten Akt öffentlicher Gewalt. 513 Darüber hinaus wurde die Entwicklung auch administrativ durch den konkreten Übergabebescheid gemäß § 23 Abs. 1 BENeuglG besiegelt, der den gesetzlich bereits vollzogenen Übergang von Liegenschaften aus dem Bundeseisenbahnvermögen auf die Deutsche Bahn AG feststellte. Dem feststellenden Bescheid kam insoweit aber auch Regelungscharakter zu, als mit ihm im Gesetz nicht konkretisierbare Zweifelsfälle entschieden wurden und das Gesetz daran Rechtsfolgen wie die Vollziehung (§ 23 Abs. 2 Satz 1 BENeuglG) knüpfte. Es erscheint deshalb keineswegs abwegig, in dem Übergabebescheid einen - zudem hinreichend bekanntgemachten - Verwaltungsakt zu erblicken, der auch selbst die formellen Voraussetzungen erfüllen würde, um die Bundesbahnanlagen zu entwidmen. Ganz gleich, ob man - um den Rang des gesetzlichen Widmungsakts zu wahren - für die Entwidmung auf den Legislativakt abstellt oder an den Übergabebescheid anknüpft, auf jeden Fall ist die öffentliche Sachherrschaft dadurch beendet worden, daß das Sondervermögen der Deutschen Bundesbahn aufgelöst und via Bundeseisenbahnvermögen auf die Deutsche Bahn AG übertragen wurde.
c) Verwaltungsprivatrechtliche Grundrechtsbindung und Grundrechtsberechtigung Auch der Staat ist nur berechtigt, in die Eigentumssphäre anderer, privater Rechtssubjekte einzugreifen, soweit seine Rechte reichen, und zwar unabhängig davon, ob ihm als Eigentümer die überwiegenden oder sogar alle Anteile des Unter509 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 20, S. 388; insoweit übereinstimmend Kort h Pereira Ferraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts Π, S. 178, 189. 510 Vgl. § 21 BENeuglG. su Vgl. BVerwG, Beschl. v. 5. 2. 1990-4 Β 1/90, Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 17. 512 BGBl. 1993 I, S. 2378, berichtigt 1994 I, S. 2439, verkündet als Art. 1 des ENeuOG vom 27. 12. 1993, BGBl. I, S. 2378. 513 Vgl. zur Notwendigkeit der hinreichenden Bekanntmachung BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988-4 C 48/86, E 81, 111 (118); Beschl. ν. 5. 2. 1990-4 Β 1 /90, Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 17, juris S. 2.; Urt. v. 31. 8. 1995-7 A 19/94, E 99,166ff.
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nehmens gehören. Da - wie eben erläutert - die privaten und der Wirtschaftlichkeit verpflichteten Unternehmen der Deutschen Bahn AG nicht dem öffentlichen Sachenrecht unterliegen und folglich keinem öffentlich-rechtlichen Nutzungsregime unterworfen sind, stellt sich nun parallel das Problem der grundrechtlichen Bindungen: Bleiben die Unternehmen weiterhin an die Grundrechte gebunden? Wenn ja - inwieweit? Wenn nein - können sie sich jetzt sogar auf sie berufen? Bleibt der Staat „irgendwie im Spiel" 5 1 4 , liegt die Annahme nahe, die allgemeinen Pflichten und Bindungen des in staatlichem Eigentum stehenden Unternehmens ließen sich mit dem Stichwort Verwaltungsprivatrecht hinreichend umschreiben. Eine verwaltungsprivatrechtliche Bindung des privatisierten Staatsunternehmens würde bedeuten, daß es Geschäftspartnern oder sonstigen Dritten keine weiteren Rechtsbeschränkungen auferlegen darf, als sie bei öffentlich-rechtlicher Gestaltung zulässig wären; ferner dürfte das Unternehmen wegen der unmittelbaren Bindung an Art. 3 GG bei Abschluß privatrechtlicher Verträge hinsichtlich der Einräumung von Chancen und hinsichtlich der Leistungsbedingungen keine sachlich ungerechtfertigten Unterschiede machen. 515
(1) Grundrechtsbindung des Unternehmens Aber Art. 87 e Abs. 4 GG schweigt 516 zu der Frage, welche Normen für das neue Schienenwegeunternehmen und erst recht die nicht vom Vorbehalt der Veräußerungsschränke erfaßten Unternehmen zu gelten haben: Ob die Grundrechte sowie die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts 517 maßgeblich sein sollen? Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG, der eher unverbindlich bestimmte allgemeine Interessen gewährleisten will, richtet sich seinem Wortlaut nach ausschließlich an den Bund, nicht an die Unternehmen der Bahn Holding. Will man die Frage für die Unternehmen beantworten, ist auf den Ausgangspunkt der ganzen Problematik, die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht, zurückzukommen. 518 Zwar mag man den funktionellen Sinn einer solchen Zweiteilung gerade im Rahmen der Europäisierung des Rechts grundsätzlich in Zweifel ziehen, die Verfassung legt diese Zweiteilung gleichwohl zugrunde. 519 514 Lerche, in: Winkler-FS, S. 582 515 Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23, Rn. 32. 516 Vgl. nur Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f., Rn. 62 und die zahlreichen Fragen bei Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 119 ff. 517 Bullinger, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 256. 518 Zur Apriorität von öffentlichem und privatem Recht Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Aufig., § 16, S. 220ff. 519 Zur historischen Entwicklung im einzelnen Bullinger, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 239 ff.; für ein Festhalten an der Unterscheidung Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 84.
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Trotzdem kann sich die Rechtswissenschaft heute eines neuen Trends kaum erwehren, der dazu neigt, diese klare Scheidung von öffentlichem und privatem Recht zu verwischen. Anstatt daß man die infolge der Privatisierung und Verantwortungsverschiebung /-Verlagerung entstehenden neuen Akteure, Institutionen, Verfahren und Verpflichtungen entweder dem Staat oder der Privatwirtschaft zuordnet und - wo dies wegen innerer Widersprüche nicht möglich ist - auf Konstruktionsfehler aufmerksam macht, entwirft man Zwischenlösungen. Letztlich rechtfertigt man dieses Vorgehen damit, daß die Verfassung auf die - wohlgemerkt aus ihr heraus und in anerkannter Übereinstimmung mit ihr geborenen - Kreationen nicht eingerichtet ist, weil sich diese nicht anhand der Grenzlinie zwischen Staat und Gesellschaft erklären lassen. 520 (a) Die klassische Theorie vom Verwaltungsprivatrecht Das Verwaltungsprivatrecht im Sinne seiner ursprünglichen Begriffsbestimmung 521 bezieht sich nur auf solche Tätigkeiten des Staates in Privatrechtsform, die unmittelbar öffentlichen Verwaltungszwecken dienen, also nicht rein bedarfsdeckender 522 und nichterwerbswirtschaftlicher Natur sind. Entwickelt hat sich die Theorie deshalb auch nicht in dem hier maßgeblichen Dreiecksverhältnis Staat - in staatlichem Eigentum stehendes Unternehmen - Dritter, sondern geschaffen wurde sie einst für das Verhältnis Gebietskörperschaft - Privater 523 , die auf der Ebene des gleichgeordneten Privatrechts miteinander Verträge schlossen. Erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten, bei denen der Staat bzw. die Verwaltung selbst als Unternehmer auftritt, sollen aus diesem Begriff ausgeklammert sein und erscheinen geradezu als Gegenpol 524 , weil bei anderer Betrachtung doch das unverkennbare Eigengewicht 520 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 83; ähnlich Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen. 521 In Lerche s Terminologie Verwaltungsprivatrecht „im engeren Sinn", in: Maunz/Dürig, Art. 87 f, Rn. 62, Fn.21. 522 Für eine unmittelbare Grundrechtsbindung auch für die Bedarfsdeckungsgeschäfte, weil der Zusammenhang mit materiellen Verwaltungszwecken so eng ist, daß es kein wirksames Abgrenzungskriterium gibt, um diese vom Verwaltungsprivatrecht abzuheben, Stern, Staatsrecht III/1, § 74IV 5, S. 1416f. m. w. N. in Fn. 487.
523 Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 122 mit dem Hinweis auf die Zweistufentheorie als „Alternative" zum Verwaltungsprivatrecht. Richtigerweise müßte diese wohl eher als Ausprägung der Theorie vom Verwaltungsprivatrecht verstanden werden. 524 Anders Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23, Rn. 22; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 214 ff., 246; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 346 ff. (347): „Es gibt keine fiskalische Aufgabe, deren sachgemäße Bewältigung einen Dispens von den Freiheitsrechten erfordert. Dasselbe gilt für den Gleichheitssatz des Art. 3 GG"; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 639 f.; dagegen Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 10 für mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Mit dem Durchgriff auf den Staat hinter seinem in privater Rechtsform geführten Werkzeug argumentieren Stern, Staatsrecht III /1, S. 1421.
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erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der sich in staatlicher Hand befindlichen Unternehmungen mit seinen von der Leistungsstaatlichkeit verschiedenen Spezifika und Funktionen unbeachtet bliebe. Damit wird anerkannt, daß sich die Verwaltung des Privatrechts keinesfalls immer nur „als eines technischen Normenkomplexes" bedienen kann, ohne daß sich ihre grundsätzlichen Rechte und Pflichten wandeln. 525 Allein das an solchen Tätigkeiten möglicherweise allgemein bestehende öffentliche Interesse qualifiziert sie noch nicht als Ausübung öffentlicher Verwaltung. 526 Nur die tatsächlich unmittelbare öffentliche Aufgabenerfüllung rechtfertigt die öffentlich-rechtliche Sonderbindung. Dieses, den Veränderungen der staatlichen Aufgabenordnung unterliegende, deshalb eher unbestimmte Kriterium 527 ist nach überwiegender, nur im Detail umstrittener Auffassung erfüllt, wenn der Staat als Träger existentieller Leistungen auftritt oder rechtliche bzw. faktische Monopole innehat und zugleich substantiell öffentliche Gewalt ausübt. 528 Ganz unbestritten ist die Grundrechtswirkung auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge 529, soweit diese als Verwaltungszweck die Leistungs Verwaltung legitimiert. 530 Die im Dienste der Daseins Vorsorge stehende Bundesbahn war deshalb unabhängig von der zudem unselbständigen Organisationsform generell grundrechtsgebunden. Nachdem sich der Bund mit der Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers aus der direkten Leistungserbringung verabschiedet hat und diese privatrechtlichen Aktiengesellschaften überläßt, muß offenkundig über die einst eindeutige GrundrechtsVerpflichtung der Unternehmung Bahn neu nachgedacht werden. Zu berücksichtigen ist dabei, daß sogar von Verfassungs wegen die Gewinnerzielung seitens der die Leistung erbringenden Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundesbahn in den Vordergrund rückte. Demgegenüber liegt die Gewährleistungsverantwortung, die für ein Verkehrsangebot auf der Schiene steht, das den Verkehrsbedürfnissen Rechnung trägt, von der unternehmerischen Erbringung der Verkehrsleistungen gänzlich abgekoppelt531, beim Bund. 5 3 2 Damit dienen die Deutsche Bahn-Aktiengesellschaften zwar im weitesten Sinne öffentlichen Interessen, erfüllen selbst aber in erster Linie keine öffentlichen Aufgaben, sondern sind ausschließlich der „Lehre vom Unternehmensinteresse" verschrieben. Ihre 525
So aber Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 77. 526 v. Danwitz, AöR 120 (1995), 596 f. 527 Kritisch Gusy, DÖV 1984, 872 ff., 878; Krebs, VVDStRL 52 (1993), 273 f.; Pitschas, VerwaltungsVerantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 638; Röhl, VerwArchiv 1995, 574. 528 Vgl. m. w. N. Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof, HbStR III, § 84, Rn. 47. 529 Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 370; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof, HdStR III, § 84, Rn. 48; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HbStR III, § 80. 530 So Badura, DÖV 1966, 629 ff. Ausführlich zur Daseinvorsorge im dritten Teil, § 7 III. 1. a. (l)(a). 531 Vgl. Röhl, VerwArchiv 1995, 574; Steiner, in: Salger-FS, 573. 532 § 6 III. 2. a.
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Aufgabe besteht im Kern darin, das Unternehmen zu erhalten und als Wertschöpfungseinheit fortbestehen zu lassen.533 Primäres Instrument, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Rentabilität unternehmerischen Handelns. 534 Von den Anwendungsfällen der klassischen Regeln vom Verwaltungsprivatrecht sind diese derart liberalisierten Unternehmen weit entfernt. (b) Zwei Versuche einer Zwischenlösung Um diesen rechtlichen Konsequenzen einer strikten Privatisierung und d. h. dem Abschied vom öffentlichen Recht zu entgehen, modifiziert Lerche das Verwaltungsprivatrecht im engeren zum Verwaltungsprivatrecht im weiteren Sinne. Zwar betont er den mit der Privatisierung einhergehenden und gesetzlich verankerten erwerbswirtschaftlichen Faktor bei der Erbringung von Verkehrs- und Telekommunikationsleistungen, hält aber trotzdem daran fest, daß die die Leistungsstaatlichkeit ablösenden Unternehmen zusätzlich zu den Schranken der allgemeinen Rechtsordnung und insbesondere denen des Zivilrechts 535 den Anforderungen genügen müssen, die „naturgemäß" speziell für staatliches Handeln gelten, zumindest solange, wie der Staat (Bund) im Wege seiner Eigentümerbefugnisse die Unternehmen beeinflußt, wobei es nicht auf die durch Mehrheitseigentum begründete Dominanz, sondern darauf ankommt, daß der Staat selbst handelt und seine Anteilsrechte ausübt. 536 Die damit zu beachtenden öffentlich-rechtlichen Rechtssätze „überformen", überlagern, modifizieren und ergänzen das Zivilrecht, sofern es nicht selbst hinreichende Mechanismen bereithält, um auf die besonderen Situationen reagieren zu können. 537 Selbstverständlich möchte Lerche die verfassungsrechtlich vorgesehene staatliche Einflußposition nicht so verstanden wissen, daß im Endeffekt die Bahn wiederum nur auf ein primär leistungsstaatlichen Grundsätzen verpflichtetes Unternehmertum festgelegt wird. Das Ziel der Verfassungsänderung, mehr Beweglichkeit, primär also Kommerzialisierung zu erlangen, wäre sonst konterkariert. 538 „Wohlverstanden" aber lasse die Grundrechtsbindung des Staates genügend Raum für die angestrebte wirtschaftliche Freiheit i.S. grundsätzlicher Kommerzialisierung und fordere keine prinzipielle Leistungsstaatlichkeit.539 533
Vgl. zu den 4 Kernaufgaben des Unternehmens: Zielverwirklichung, Integration, Anpassung und Selbsterhaltung Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969, S. 105 ff. 534 y. Danwitz, AöR 120 (1995), 612. 53
5 Die Mechanismen des Zivilrechts sind zuvörderst zu aktivieren, Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 87 f., Rn. 62, Fn. 20; ders., in: Winkler-FS, S. 592. 556 Lerrhe, in: Winkler-FS, S. 593. 537 Lerche, in: Winkler-FS, S. 592 f. unter Hinweis auf die allgemeine Beobachtung, „daß die Grundrechtsinhalte, soweit sie auch im Verhältnis der Privatrechtspersonen untereinander gelten, dem Privatrecht im allgemeinen nicht von außen eingepflanzt sind", sondern selbst allgemeines Recht zum Ausdruck bringen. ™ Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f., Rn. 66. 5 39 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f., Rn. 67.
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Handele der Staat nach erwerbswirtschaftlichen Prinzipien, seien deshalb Modifikationen und Lockerungen des normalen Verwaltungsprivatrechts angebracht. Ganz auf das Verwaltungsprivatrecht könne man aber trotz allem nicht verzichten, weil hier eine Rechtsschicht betroffen sei, in der Kollisionen, die zwischen privatgesellschaftlichem Gewinnstreben und staatlicher Gemeinwohlbindung auftreten, nicht schlicht übergangen werden könnten, sondern ausgeglichen werden sollten. 5 4 0 Einen anderen, im Ergebnis wesentlich klareren Ansatz verfolgt Röhl, der ebenso wie Lerche zunächst davon ausgeht, daß die mögliche Einflußnahme des Staates als Eigentümer auf das Unternehmen nicht unberücksichtigt bleiben darf. Er knüpft dafür an die für das Unternehmen maßgebliche Privatrechtform an, will aber, obwohl bei rechtswirksamen Handlungen des Unternehmens Rechtsfolgen im Privatrecht erzeugt werden, nicht auch das Handeln des Unternehmens privatrechtlich einstufen. Vielmehr seien die Willenserklärungen des Unternehmens nach öffentlichem Recht zu beurteilen, so daß bei einem zivilrechtlichen Vertragsschluß eine öffentlich-rechtliche Handlung vollzogen würde, die, weil sie sich nach außen als eine vom Privatrechtssubjekt getätigte Willenserklärung darstelle, den Tatbestand einer Privatrechtsnorm erfülle und damit äußerlich zivilrechtliche Folgen, etwa den Abschluß eines Vertrages, nach sich ziehe. Die allgemeinen und besonderen Vertragsregeln des privaten Rechts stellen somit bei Röhl nur Handlungsinstrumente zur Verfügung; ein Anspruch auf Vertragsschluß - außerhalb bestehender Vertragsverhältnisse - ließe sich darüber hinaus aus dem öffentlichen Recht herleiten. 541 Diese von Röhl vollzogene künstliche Trennung zwischen öffentlichem Recht im Inneren und privatem Recht im Außenverhältnis könnte dazu führen, daß ein Vertrag zwar zivilrechtlich aufgrund der zwei sich deckenden Willenserklärungen rechtmäßig zustande käme, gleichzeitig die vom staatlich beeinflußten Unternehmen abgegebene Willenserklärung aber, das öffentlich-rechtliche Verhalten, eben wegen Verstoßes gegen die Anforderungen, die das öffentliche Recht diktiert, rechtswidrig ist und wie ein rechtswidriger Verwaltungsakt kassiert werden müßte. Wenn Röhl diesen Systemkonflikt nun zugunsten des Vorrangs der privatvertraglichen Bindung löst 5 4 2 , da andernfalls die Befugnis, privatrechtliche Verträge abzuschließen durch die Geltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften entwertet werde 543 , bleibt vom Verwaltungsprivatrecht nichts mehr übrig. Vielmehr wird das hinter dem Begriff des Verwaltungsprivatrechts stehende spezifische Rechtsgefüge, nachdem die öffentlich-rechtlichen Sonderbindungen das allgemeine zivile Recht überlagern, in sein Gegenteil verkehrt. Denn bei Röhl überwindet die Sonderbindung des zu beachtenden Privatrechts die allgemeinen öffentlich-rechtlichen Bindungen. 540 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f., Rn. 62 f., Fn. 21. 541 Röhl, VerwArchiv 1995, 535 f. 542 Röhl, VerwArchiv 1995,541. 543 Röhl, VerwArchiv 1995, 540.
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(c) Die Kritik an den spezifisch öffentlich-rechtlichen Bindungen des Unternehmens Die soeben vorgestellten Versuche, die im Zuge der Privatisierung entstandenen Kreationen von privater Unternehmensführung und öffentlicher Verantwortung außerhalb des bekannten Rechtsformen- und -folgensystems zu positionieren, sind mit Bedacht gewählt, denn sie stimmen in einem wesentlichen Punkt überein: Beide meinen, die in der Praxis nach solchen tiefgreifenden, regimeverändernden Reformen wie der Neugliederung der Bahnen auftretenden Einordnungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten abmildern zu müssen, indem sie vorhandene und bewährte Systeme ausdehnen oder gar ein neues schöpfen. Dadurch, daß sie das Recht der Praxis anzugleichen versuchen, schaffen sie aber keine Rechtsklarheit, sondern gefährden vielmehr die Steuerungsfunktion des Rechts. Das Recht spiegelt dann die Abgrenzungsschwierigkeiten der Praxis bloß wider: Zwar bleibt das Unternehmen an Grundrechte gebunden, eine „übertriebene Rückbindung an öffentliche Zwänge" aber ist abzulehnen544; zwar hat jede staatlich veranlaßte Tätigkeit dem Gemeinwohl zu dienen, einer Gemeinwohlbindung im engeren Sinne „muß aber widerstanden werden", sie kann deshalb nur sehr weit verstanden werden. 545 Und trotz Bindung des Unternehmens an das Willkürverbot muß den besonderen Aktivitäten des Staates Rechnung getragen, darf die neue unternehmerische Freiheit nicht strapaziert werden. 546 Was bleibt dann also von der unmittelbaren Grundrechtsbindung des im staatlichen Eigentum stehenden Unternehmens gegenüber der allgemeinen (herrschend angenommenen) mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte 547 zwischen Privatrechtssubjekten übrig? Warum bekennt man sich nur unter Zuhilfenahme „einer privatrechtlichen Sonderbindung der Verwaltung" als einer Art Sonderrecht zu den spezifischen Folgen wie Wettbewerbsgleichheit, unternehmerische Freiheit und Risiko, die gerade durch die Wahl der privaten Rechtsform und die Verschreibung der Wirtschaftlichkeit und gewinnorientierten Unternehmensführung bezweckt sind? Erklärt sich ihr Vorrang nicht letztlich nur dadurch, daß es sich dabei in Wahrheit eben gerade um das allgemeine 548 , hier anzuwendende Privatrecht handelt? 549 Die Funktion, die - wie Bullinger jüngst beweist - dem Privatrecht aus historischer Perspektive im System der Zweiteilung zwischen öffentlichem und privatem 544 Lerche, in: Winkler-FS, S. 587. 545 Lerche, in: Winkler-FS, S. 591. 546 Lerche, in: Winkler-FS, S. 594. 547 BVerfG, Urt. v. 15. 1. 1958-1 BvR 400/51; E 7, 198 (205ff.); vgl. statt aller Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 355 ff.; außerdem die Nachweise bei Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 173 ff.; zur Kritik aus neuerer Zeit Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 315 ff., 455, 489; Hager, JZ 1994, 373 ff.; Hesse/Kaufmann, JZ 1995, 219 ff.; Hillgruber, AcP 191 (1991), 69ff.; Oeter, AöR 119 (1994), 529ff. 548 Zum Begriff des allgemeinen Rechts Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 85. 549 So zu Recht die Kritik Lerches an Röhl, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f., Rn. 62, Fn. 21.
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Recht zukam, bestand in erster Linie darin, die Beweglichkeit zu fördern. Das Privatrecht fungierte als flexibles Reservestatut für Staat und Gemeinden auf den Gebieten der herrschaftsfreien Wirtschaftsförderung und Daseinsvorsorge. 550 Flexibilität, Beweglichkeit und dadurch Effektivitätssteigerung aber sind auch heute die Beweggründe für die Bahnprivatisierung. Deshalb hat es keinen Sinn, „das Privatrecht für anwendbar zu erklären, im gleichen Augenblick aber der Sache nach wieder ganz oder weitgehend auszuschließen". Ein überwiegend von öffentlich-rechtlichen Prinzipien bestimmtes Verwaltungsprivatrecht kann folglich nicht modifiziert und für anwendbar erklärt, sondern muß überdacht werden. Ziel der Privatisierung des Leistungsbereichs Bahn ist - gesetzlich festgeschrieben - neben der Gewinnerzielung auch die Förderung des Wettbewerbs innerhalb der EG, d. h. öffentliche Anbieter müssen grundsätzlich versuchen, ihre Leistungen auch - soweit möglich, bei den Infrastrukturunternehmen allerdings ein eher schwieriges Unterfangen - auf EG-Nachbarstaaten auszudehnen. Das wiederum kann gar nicht in der Form des öffentlichen Rechts geschehen, denn Hoheitsgewalt endet an der eigenen Territorialgrenze. Mit öffentlichem Recht aufgeladenes Sonderprivatrecht muß dann wegen des Schwerpunkts als öffentliches Recht gelten und verliert seine Grenzgängigkeit. 551 Ebenso die Schutzbedürftigkeit der Bürger fordert bei näherem Hinsehen keine Grundrechtsbindung. 552 Die Unternehmen gehören nur noch mittelbar zur Verwaltung, denn „die selbständige Gesellschaft ist - rechtlich betrachtet - nicht nur eine Maske, die man sich überstülpt und hinter der man dieselbe Person bleibt wie zuvor". Sie ist eine eigene Rechtspersönlichkeit, die vom Wechsel ihrer Gesellschafter unabhängig und einer gesetzlich festgelegten Ordnung unterworfen ist, die auch das Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft einschließt. Sie besitzt als juristische Person einen eigenen personalen Status und ein eigenes rechtliches Dach, ihr rechtlicher Status wird durch die rechtlichen Verhältnisse ihrer Gesellschafter nicht beeinflußt. 553 Folglich kann auch der Staat, wenn er diese Rechtsform mit dieser Absicht wählt, nur der gesellschaftsrechtlichen Ordnung verpflichtet sein und darf für die Verwirklichung seiner Zwecke mittels des Unternehmens nicht das staatliche Zwangsprivilegium beanspruchen. 554 Es ist deshalb nur konsequent, die neu-
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Bullinger, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 244, 256. 551 Bullinger, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 256 f. 552 Bullinger, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 257: „denn der Staat verkleidet sich nur als Privatmann, ohne seine hoheitliche Stellung aufzugeben". 553 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119. 554 In diesem Sinne Bettermann, in: Hirsch-FS, 1968, S. 2 f. Vgl. bereits Anschütz, Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat, 1912, Art. 9, S. 157: „Wer in die Freiheits- und Eigentumssphäre eines anderen eindringen will, muß ein Recht dazu haben. Von diesem Erfordernis ist die Staatsgewalt nicht ausgenommen". „Mangelt es solcher Ermächtigung,
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gegründeten Unternehmen als juristische Personen des Privatrechts wie Private und nicht wie juristische Personen des öffentlichen Rechts zu behandeln, wenn sogar der Verfassungsgeber die private Rechtsform für ausreichend erachtet hat. 555 Daß es bei hundertprozentiger Staatsbeteiligung an dem gesellschaftstypischen Moment der Auseinandersetzung mit den Interessen von Mitgesellschaftern fehlt 5 5 6 , stellt keinen Einwand dar, denn die gleiche Situation findet sich bei der privaten Einmanngesellschaft. Auch dort kann der Alleingesellschafter die Unternehmensziele selbständig definieren. Die pauschale Gleichsetzung der Unternehmensinteressen mit den Interessen des Staates557, wobei nicht erläutert wird, welche das sind, kann diese Differenzierung nicht aufheben. 558 Der Staat, selbst als Allein- oder Mehrheitsaktionär ist über Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Dazu gehört seit der Verfassungsnovellierung auch Art. 87 e GG. Zwar enthält dieser in Abs. 4 einen Gewährleistungsauftrag des Bundes, der Artikel beinhaltet aber gerade für den Eigentümer Bund auch die Verpflichtung zu privatrechtlichem Handeln. Das heißt die Verfassung geht nicht von einer oktroyierten Bindung an die Grundrechte aus, die zur Abwehr von solchen Maßnahmen geschaffen sind, die im Subordinationsverhältnis ergehen. Sondern sie statuiert die Verpflichtung des Bundes, den Verfassungsauftrag privatrechtlich im Wege der Gleichordnung, gebunden an die gesellschaftsrechtliche Ordnung 559 durchzusetzen.
(2) Grundrechtsberechtigung des Unternehmens Neben der Problematik der ungeschriebenen Verpflichtung und Bindung des Unternehmens durch die Grundrechte steht die ähnlich gelagerte und gleiche Zusammenhänge berührende Frage, die dennoch von ersterer zu unterscheiden ist 5 6 0 , ob das Schienenwegeunternehmen als staatlich beherrschtes Unternehmen seinerseits selbst grundrechtsfähig i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG ist. soll die öffentliche Gewalt nicht besser stehen als ein Privater", Enders, Die Verwaltung 30 (1997), 38. 555 Pieroth, NWVB1. 1992, 88; im Ergebnis so auch Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 128 f., wenngleich hier die Herleitung dieser Lösung basierend auf den vorab aufgestellten Prämissen inkonsequent ist. 556 y. Arnauld, DÖV 1998,443. 557 So aber v. Arnauld, DÖV 1998, 443; Koppensteiner, NJW 1990, 3109. 558 Pieroth, NWVB1. 1992, 88. 559 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119; vgl. § 6 III. 1. 560 „Im praktischen Effekt kann beides auf dasselbe hinauslaufen; jedenfalls dann, wenn der Staatseinfluß beherrschender Natur ist", Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f., Rn. 69. Von der Grundrechtsberechtigung als dem bloß umgekehrten Fall zur Grundrechtsverpflichtung spricht auch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 120. Dagegen zu Recht der Einwand bei Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 146, Fn. 227.
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Anerkanntermaßen trennt man hinsichtlich der Grundrechtsfähigkeit gem. Art. 19 Abs. 3 GG zwischen den juristischen Personen des Privat- und des öffentlichen Rechts. Für letztere stellt der Grundrechtsschutz die Ausnahme dar, weil ein Grundrechtsschutz für Staatsfunktionen in der Tat eine „Verkehrung rechtsstaatlicher Gewährleistungen" bedeutet und deshalb die teleologische Reduktion des zu weit geratenen Art. 19 Abs. 3 GG notwendig erscheint. 561 Demgegenüber galt bislang für juristische Personen des Privatrechts, insbesondere wenn es sich um solche mit körperschaftlicher Struktur und eigener Rechtsfähigkeit handelte, mit der Rechtsform im Regelfall die abstrakte Frage der Grundrechtsberechtigung für positiv entschieden.562 Ebenso ist freilich als selbstverständlich erachtet worden, daß eine juristische Person des Privatrechts, deren alleiniger Aktionär eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist (Eigengesellschaft) und die einzig und allein dazu dient, Aufgaben und Funktionen der öffentlichen Verwaltung zu erfüllen, sich trotz der privaten Rechtsform bezüglich der Organisationsvorgänge, die sich ausschließlich im inneradministrativen Bereich abspielen, ebensowenig wie ein Hoheitsträger auf die Grundrechte berufen kann. Ihr fehle es solange am personalen Substrat 563, wie nicht Unternehmensanteile verkauft und echte Private in die Gesellschaft eingetreten seien. 564 Neuerdings weicht das Bundesverfassungsgericht von seiner bisherigen Senatsrechtsprechung leicht ab und versucht für die Frage der Grundrechtsfähigkeit der 561
Schmidt-Aßmann, BB-Beilage 34/1990, 7. Differenzierend Zimmermann, Der grundrechtliche Schutzanspruch juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S. 135 ff., der von der regelmäßig wesensmäßigen Anwendbarkeit der Grundrechte auch auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeht (S. 143), ihren grundrechtlichen Schutz mit Blick auf die Quantität aber als Ausnahme bezeichnet (S. 136, 148 ff.). 562 Vgl. so zumindest BVerfG, Beschl. v. 2. 5. 1967-1 BvR 578/63, E 21, 362 (368f.); Beschl. v. 9. 4. 1975-2 BvR 879/73, E 39, 302 (312); Beschl. v. 14. 4. 1987-1 BvR 775/ 84, E 75, 192 (196); Beschl. v. 6. 6. 1989-1 BvR 727/84, E 80, 124 (131). In diesem Sinne auch Bethge, Die Grundrechtsbindung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz, S. 36; Krüger, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 19, Rn. 55; Schmidt-Aßmann, BB-Beilage 34/1990, 10. Vgl. ders., a. a. O., 7 f. dazu, daß der Durchgriffsgedanken des BVerfG als ein „besonderes, weiteres Wesensmerkmal" der Grundrechtsfähigkeit einer juristischen Person nicht lediglich im Blick auf die in der juristischen Person vereinigten Individuen zu verstehen ist, sondern ihm auch eine auf das Wesen der juristischen Person als solche zuführende institutionenbezogene Bedeutung zukommt; die juristischen Personen des Privatrechts „sind vielmehr auch selbst Elemente einer freiheitlichen Ordnung. Vgl. zu den Ausnahmen von der Regel: BVerfG, Beschl. v. 7. 6. 1977-1 BvR 108 u. a./73 u. a., E 45, 63 (80); BVerfG, Beschl. v. 20. 12. 1979-1 BvR 834/79, NJW 1980, 1093; BVerfG, Beschl. v. 31. 8. 1984-1 BvR 35 u. a./82, E 68, 193. 563 Dazu Isensee, in: ders. / Kirchhof, HdStR V, § 118, Rn. 24; dagegen unter Einbeziehung europarechtlicher Wertungen Fehling, AöR 121 (1996), 90 f. An diesem Kriterium zweifelnd, letztlich aber indifferent Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 116, Rn. 81. 564 So im Ansatz zu verstehen BVerfG, Beschl. v. 7. 6. 1977-1 BvR 108 u. a./73, E 45, 63 (80); BVerfG, Beschl. v. 20. 12. 1979-1 BvR 834/79, NJW 1980, 1093, ergänzend Schmidt-Aßmann, BB-Beilage 34/1990, 9. Dagegen verneint selbst bei bloß 72%iger Staatsbeteiligung die Grundrechtsfähigkeit BVerfG, Beschl. v. 16. 5. 1989-1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783.
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staatlichen Beteiligungsgesellschaft nicht von der bloßen Anteilsverteilung auf Private und die öffentliche Hand auszugehen, sondern an die öffentliche Aufgabe des staatlich beherrschten Unternehmens anzuknüpfen. In der Funktion, in der das Unternehmen öffentliche Aufgaben wahrnehme, könne es sich - auch als juristische Person des Privatrechts - nicht auf die Grundrechte berufen, weil staatliche Versorgungspflicht und -bedingungen derart starke Bindungen bewirkten, daß von einer privatrechtlichen Selbständigkeit nahezu nichts übrigbliebe. In allen sonstigen Funktionen gelte diese Einschränkung nicht und sei die Grundrechtsfähigkeit des Unternehmens einer anderen Beurteilung zugänglich. 565 Der Kammerbeschluß ersetzt damit den einst in der Organisationsform erblickten Regelanknüpfungspunkt dadurch, daß nun die Grundrechtsfähigkeit aller juristischen Personen einer speziellen Rechtfertigung nach Maßgabe ihrer Aufgaben bedarf. Was ergibt sich unter Anlegung dieser Maßstäbe für die Grundrechtsfähigkeit der privater Beteiligung offenstehenden bzw. auf sie angelegten Deutsche Bahn AG? Nicht wegzureden ist, daß sie sich zumindest im Moment noch zu einhundert Prozent in staatlichen Händen befinden. Solange nicht wenigstens einige Prozente der Anteile an „echte" Private gelangen, sollen die Gesellschaften der Bahn sich nach überwiegender Ansicht somit nicht auf Grundrechte berufen dürfen. Der „Durchgriff" auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen, als deren Ausdruck freier Entfaltung sich die Bildung und Betätigung der juristischen Person darstellt, sei demnach - neben all den anderen dann noch für die Grundrechtsfähigkeit der Unternehmen sprechenden Aspekte 566 - erst im Fall des für die Jahre 20032005 angekündigten Börsengangs der Unternehmen sinnvoll und erforderlich. 567 Daß dem Verharren bei irgendwelchen Prozentzahlen bloße Alibifunktion zukommt, der es letztlich an Überzeugungskraft fehlt 5 6 8 , wird anhand der vielgestellten Frage deutlich, ab welcher Prozentzahl denn nun der Grundrechtsschutz zu gewähren ist. Argumente ließen sich für jede Stufe unterhalb der 100-%-Grenze finden: 99 %, 75 %, 66,6 % usw. Insoweit scheint die Forderung berechtigt, weitere Anknüpfungspunkte zu suchen und zu überlegen, inwieweit die Unternehmen Funktionen öffentlicher Verwaltung erfüllen oder öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Daß sie nicht direkt Verwaltungsaufgaben zu erledigen haben, erschließt sich bereits aus Art. 87 e Abs. 1 GG. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat bewußt die neuen Unternehmen nicht mit derlei Funktionen betrauen wollen, sondern den gesamten Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung für die Eisenbahnen des Bundes beim Bund belassen. 565 BVerfG, Beschl. v. 16. 5. 1989-1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 unter Hinweis auf die Ausnahme, der Berufung auf Verfahrensgrundrecht Art. 103 Abs. 1 GG. 566 Kühne, JZ 1990, 336; Schmidt-Aßmann, BB-Beilage 34/1990, 2 ff. 567 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. 4. 1987-1 BvR 775/84, E 75, 192 (196). 568 „Versuche, die Problematik der Grundrechtsberechtigung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen dadurch zu lösen, daß nach dem Grad der Beteiligung ... unterschieden wird mit der Konsequenz eines »gleitenden Grundrechtsschutzes'", sind zum Scheitern verurteilt und schaffen unlösbare Abgrenzungsprobleme, Pieroth, NWVB1. 1992, 88.
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Weniger eindeutig läßt sich die Frage beantworten, inwieweit die Unternehmen durch Bau, Unterhaltung und Bereitstellung von Infrastruktur oder durch die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen öffentliche Aufgaben erfüllen. Selbstverständlich liegt die Erbringung dieser Leistungen im öffentlichen Interesse. Das allein besagt noch nichts, denn nichts anderes gilt beispielsweise auch für die Produktion von Lebensrnitteln oder ähnlichen Gütern. Klar ist ebenfalls, daß die gemäß Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG dem Bund überantwortete Gewährleistung eines bestimmten Verkehrsangebotes als staatliche und damit auch öffentliche Aufgabe angesehen werden kann. Dieser Aufgabe kommt der gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Art. 87 e Abs. 3 und 4 GG gebundene Gesellschafter Bund aber weniger durch gesellschaftsrechtliche Einflußnahme, als durch entsprechende Gesetzgebung und schlicht-hoheitliches Handeln nach. 569 Jedenfalls sind die Organe einer Aktiengesellschaft allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet und insbesondere nicht den Weisungen des (Mehrheits-)Aktionärs unterworfen. 570 Die Verfassung will und kann daher nur den Bund, nicht aber die leistungserbringenden Unternehmen mit der Last einer öffentlichen Aufgabe beschweren, damit diese ihre in privater Rechtsform zu erbringende Tätigkeit voll und ganz in den Dienst der Wirtschaftlichkeit stellen können. Das heißt, daß die Unternehmen in erster Linie rein private Wirtschaftsunternehmen ohne öffentlichen Auftrag sind und die öffentliche Aufgabe ohne entsprechenden gegenleistungspflichtigen Auftrag zur Erbringung von gemein wirtschaftlichen Verkehrsleistungen 571 allenfalls nebenbei verwirklichen helfen. Dem Unternehmen aufgrund der verbleibenden, allenfalls reflexhaften Erfüllung der öffentlichen Aufgabe die Grundrechtsfähigkeit abzusprechen, erscheint nicht mehr dem ursprünglichen Zweck der Maßgabe zu entsprechen, dem Staat, der sich lediglich in privatrechtliche Gewänder hüllt, um seine öffentliche Aufgabe wahrzunehmen, bei der Erfüllung seiner ureigensten Aufgaben Grundrechtsschutz (gegen sich selbst) zu gewähren. Daß sich die rechtlich selbständigen Unternehmen gemäß Art. 87 e Abs. 3 GG, ihrer eigenen Wirtschaftlichkeit verpflichtet 572 , gegen hoheitliche Maßnahmen wehren können müssen, die im Rahmen der hoheitlichen Gewährleistungspflicht gemäß Abs. 4 ergehen und die in Rechte des Unternehmens z. B. aus Art. 12, 14 oder 2 Abs. 1 GG eingreifen 573 , liegt bereits in der Verfassungsbestimmung des 569
Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer das Privatrecht modifizierenden Spezialgesetzgebung oben § 6 III. 2. a. (2) und (3). 570 BGH, Urt. v. 29. 1. 1962 - II ZR 1 / 61, BGHZ 36, 296 (306) m. w. Ν aus der früheren Rechtsprechung; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 61 ff.; Kühne, JZ 1990, 336; Schwintowski., NJW 1995, 1318. 571 Vgl. Heiermann, BauR 1996, 451 f. 572 Schmidt-Preuß, RdE 1996, 3. 573 Rottmann, Archiv PT 1994, 194. Vgl. ferner BGH, Beschl. v. 15. 11. 1994 - KVR 29/ 93, NJW 1995, 2718 (2723) - auch einem marktbeherrschenden (gemischt-wirtschaftlichen) Unternehmen steht ein unternehmerischer Freiraum zu; Art. 12 und Art. 14 GG sind in die Abwägung, ob die grundsätzliche Betätigungsfreiheit mit einer Durchleitungsverpflichtung belastet werden darf, einzubeziehen. 11 Pommer
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Teil 2: Von der Staatsbahn zur Privatbahn - Die Bahnreform
Art. 87 e GG begründet. Diese differenziert nämlich selbst zwischen dem Träger der Verantwortung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe und den wirtschaftlich möglichst effektiven Leistungserbringern. Andernfalls stünden die Unternehmen rechtlos auch gegenüber kompetenzwidrig oder sonst verfahrensfehlerhaft erlassenen Gesetzen574: Weder hätten sie den Abwehranspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG, noch die Chance, sich auf die grundgesetzlichen Kompetenzgarantien (Art. 30, 70 GG) zu berufen. Nur dieses Ergebnis entspricht schließlich dem Umstand, daß die Deutsche Bahn europarechtlich gleichen Anforderungen unterliegt wie sonstige Unternehmen auch. Selbst wenn man davon ausgehen will, daß es sich bei der Deutsche Bahn Holding als Mutter der Bereichsgesellschaften um ein öffentliches Unternehmen im europarechtlichen Sinn des Art. 86 (ex-Art. 90) EGV handelt 575 , was freilich angesichts der verfassungsmäßig vorgegebenen strikten Trennung zwischen der an den Bund als Hoheitsträger gerichteten Verpflichtung und der erwerbswirtschaftlichen Unternehmenstätigkeit 576 durchaus anders beurteilt werden kann 5 7 7 , ist diese einschließlich ihrer Bereichsgesellschaften den europäischen Wettbewerbsvorschriften ausnahmslos unterworfen. Denn es fehlt - wie andernorts erörtert - an einem förmlichen Akt der öffentlichen Inpflichtnahme des Unternehmens zugunsten der „besonderen Aufgabe" von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die einzig und allein eine solche Sonderbehandlung gemäß Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV rechtfertigen könnte, und der Bund muß sich mit seiner Einflußnahme auf das Unternehmen zurückhalten. 578 Daß vor diesem Hintergrund der Deutschen Bahn AG für die gleichberechtigte Teilnahme am Wettbewerb nicht gleicher Grundrechtsschutz gewährt werden soll, läßt sich kaum begründen. 579
574 Stern, Staatsrecht ΙΠ/1, § 71 VU 7, S. 1170. 575 So Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 36 gestützt auf die Vermutung eines öffentlichen Unternehmens bei mehrheitlicher Staatsbeteiligung. 576 Dazu § 6 III. 2. a. 577 Vgl. Püttner, ZögU 1980, 27, 30: Das Eigentum der öffentlichen Hand am Unternehmen sei notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung; zu der aus der Transparenzrichtlinie (ABl. Nr. L 195 v. 29. 7. 1980, S. 35) nicht ohne weiteres übertragbaren Definition der öffentlichen Unternehmen Pernice, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 90, Rn. 17; ablehnend auch Soukup, ZögU 19 (1996), 167. Weniger streng dagegen Ehricke, EuZW 1993,211 f.; Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, S. 96 ff. 578 Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 44. 579 So auch Fehling, AöR 121 (1996) 91.
Teil 3
Die Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn AG als Problem der privatbegünstigenden Enteignung Was mit dem Wechsel der Form staatlicher Aufgabenerfüllung begann, bedingte sogleich einen Regime Wechsel1 innerhalb der Rechtsordnung, der inzwischen bereits mehr als nur im Ansatz vollzogen ist (Teil 2). Nun gilt es zu untersuchen, inwieweit sich dieser Regimewechsel auf das Enteignungsrecht2 der Unternehmung Bahn auswirkt. Wegen des mit der flächenbezogenen Unternehmung Bahn typischerweise einhergehenden Landbedarfs seit eh und je eng mit der Entwicklung der Eisenbahn verbunden (Teil 1), stellt es für die expansionswillige Bahn noch heute eine existenznotwendige Voraussetzung dar. Trotz der ringsum veränderten eisenbahnrechtlichen und -tatsächlichen Verhältnisse wird das Recht der Bahn AG auf sie begünstigende Enteignungen im Bahnbereich deshalb in der neueren wissenschaftlichen Literatur kaum hinterfragt. Dort dient es dieser vielmehr als festes Fundament weiterer Überlegungen und Schlußfolgerungen. 3 Daß die Enteignungsbefähigung der nunmehr privatisierten Bahn in Gänze den Veränderungen trotzen soll, aber erscheint nicht nur angesichts der beschriebenen Verschiebung von Rechts- und Pflichtenkreisen in Bereichen, die wie das Enteignungsrecht untrennbar mit dem Infrastrukturnetz verbunden scheinen (Teil 2 § 6 III.), unwahrscheinlich. Denn gerade die Enteignung als verfassungsrechtlich gebilligte Möglichkeit, die Rechtsordnung ausnahmsweise zu durchbrechen, ist einem anderen Spannungsverhältnis ausgesetzt, wenn ihre Voraussetzungen nicht von einem Träger öffentlicher Gewalt, sondern einem privaten Rechtssubjekt erfüllt werden müssen. Im Grunde ist unbestritten, daß die Enteignung als klassisches Instrument hoheitlichen Zwangs dem privatrechtsförmig ausgerichteten Wirtschaftsunternehmen nicht gleichermaßen zur Verfügung stehen kann wie der (einstigen) öffent1
Von Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 6 als „Systemwechsel" bezeich-
net. 2
Gegenstand der Untersuchung ist die tatbestandliche Zulässigkeit der Enteignung, insbesondere die gesetzliche Konkretisierung enteignungsrechtfertigender Gemeinwohlzwecke. Die Entschädigungsproblematik infolge zulässiger Enteignungen bleibt ausgeklammert. 3 Siehe schon Einleitung. 11
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
lich-rechtlichen Unternehmung4 (Deutsche Bundesbahn), die bereits dadurch, daß sie eine öffentliche Aufgabe ausführt(e) und damit einen öffentlichen Zweck verwirklicht(e) (wobei sowohl Aufgabe als auch Zweck oftmals schon aus der Verwaltungsträgereigenschaft abgeleitet werden) den Eingriff in Rechte Dritter rechtfertigte). Wollen private Rechtssubjekte auf öffentlich-rechtlicher Grundlage mit Hilfe öffentlich-rechtlicher Instrumente in Rechte Dritter eingreifen, um eigenbetriebliche Vorhaben umsetzen zu können und damit ein eigenwirtschaftliches Interesse zu verfolgen, ist schon im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG Vorsicht geboten. Daher drängt sich die Schlußfolgerung auf, daß auch die enteignungsbedürftigen Unternehmen der Deutschen Bahn AG-Holding, die für investive Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen des Geschäftsbereichs grundsätzlich auf das Instrument der Enteignung angewiesen sind, jetzt, nachdem sie durch die Wahl der Privatrechtform mit anderen natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts gleichgestellt sind, sich wie diese behandeln und mit gleichen Darlegungslasten beschweren lassen müssen. Es leuchtet nicht ein, warum Enteignungen zugunsten eines Automobilkonzerns nach Ablauf eines Flurbereinigungsverfahrens 5 anderen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen sollen als Enteignungen, die heute zugunsten der Deutschen Bahn AG durchgeführt werden. Denn die Gemeinwohldienlichkeit des Vorhabens muß, wenn sie nicht mehr länger durch die öffentliche Aufgabe vermittelt wird, aus der gesetzlichen Konkretisierung des enteignungsrechtfertigenden Zwecks folgen.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung Wie Schmidbauer in seiner Regensburger Dissertation gezeigt hat, ist „die Geschichte der Enteignung ... auch die Geschichte der Enteignung zugunsten Privater" 6. Dieser ursprüngliche Regelcharakter der Enteignung aber verlor sich in dem Maße, indem die anfänglich überwiegend zugunsten privater Unternehmungen durchgeführten Enteignungen im Laufe des vergangenen Jahrhunderts immer mehr durch rein staatsbegünstigende Zwangsmaßnahmen, gerichtet auf den finalen Entzug konkreter Eigentumspositionen, ersetzt wurden. Die privatbegünstigende Enteignung wurde zu einer eher seltenen Ausnahme, die stets besonderer verfas4 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/ 266 (271). 5 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (279): hier Unternehmensflurbereinigung gemäß der ehemaligen Vorschriften des § 144 f. BBauG i. V. m. 87 Abs. 1 FlurbG. Die Frage, inwieweit die Regelflurbereinigung gemäß §§ 28, 44 Abs. 1, 4 FlurbG ihrer Rechtsnatur nach eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oder eine Enteignung darstellt, ist weiterhin ungeklärt, Beschl. v. 8. 7. 1998-1 BvR 851/87, NVwZ 1999, 62. 6
Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 34 ff. mit weiteren Nachweisen aus dem Bereich des Berg- und Eisenbahnbaus, dem Industrieanlagensektor sowie dem Bereich des Wohnungs- und Siedlungswesens.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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sungsrechtlicher Rechtfertigung bedurfte 7, wenn ihre Zulässigkeit nicht sogar grundsätzlich angezweifelt wurde. Mit der Privatisierung raumbeanspruchender Infrastrukturbetriebe wird man sich wieder verstärkt an das Institut der privatbegünstigenden Enteignung8 gewöhnen müssen. Deshalb fällt hier zunächst ein Blick auf die generell für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung9 wesentlichen Voraussetzungen (I.), bevor die Spezifika der privatbegünstigenden Enteignung herausgearbeitet werden (II., III.).
I. Die Voraussetzungen rechtmäßiger Enteignung im Sinn des Art. 14 Abs. 3 GG - eine Bestandsaufnahme 1. Die Gemeinwohldienlichkeit und die Normierung des Enteignungszwecks
Unabhängig von der Person des Begünstigten bedarf die Enteignung eines Gesetzes, das seine gesamte oder auch nur einen Teil seiner Tätigkeit als so bedeutsam für das Gemeinwohl einstuft, daß diese oder dieser generell geeignet wäre, eine Enteignung zu rechtfertigen. Bleibt zu fragen, welche gemeinwohldienlich gestempelte Tätigkeit kann je enteignungserheblich sein? Welchen aus der Verfassung zu folgernden Anforderungen unterliegt der Gesetzgeber?
a) Zur abstrakten Funktion des Allgemeinwohlbegriffs in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Versuche, einem abstrakten Begriff wie dem Gemeinwohl im Sinn des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG klare Konturen und Tiefenschärfe, damit Subsumtionsfähigkeit zu verleihen, beginnen in der Regel damit, diesem sowohl in negativer als auch in positiver Richtung Grenzen zu ziehen, um so das Feld möglicher Deutungen abzustecken. Nur indem man den Begriff Funktion in dem jeweiligen Regelungszusammenhang möglichst genau bestimmt, kann die ihm zugrunde liegende Sinnbeziehung auf die maßgeblichen Prinzipien reduziert und er dadurch für das soge7 Vgl. Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/266 ff.; überblicksweise Büchs, Handbuch des Eigentums- und Entschädigungsrechts, Rn. 1134. 8 Zum Begriff unten § 7 II.. 9 Damit die Rechtmäßigkeit einer Enteignung überhaupt überprüft werden kann, darf die Rechtmäßigkeit nicht schon Bestandteil des Enteignungsbegriffs sein, Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 70; in diesem Sinne auch Jarass, in: ders. / Pieroth, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 63; mit plastischem Beispiel Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 75; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rn. 54. Dagegen Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 553 f. m. w. N.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
nannte „innere System", das System allgemeiner Rechtsprinzipien 10 verwertbar werden. (1) Das Defizit bloßer Negativbegrenzung Grundsätzlich kann ein Vorhaben schon dann „zum Wohl der Allgemeinheit" gereichen, wenn es das Gemeinwohl nicht beeinträchtigt. n Bei dieser Erklärung besitzt der Begriff lediglich eine negative, ausgrenzende Funktion: Ein bestimmtes (unternehmerisches) Vorhaben darf das gemeine Wohl nicht einschränken, nicht schmälern. Die Mehrung des gemeinen Wohls ist keine zwangsläufige Folge des so verstandenen Gemeinwohlbegriffs. Sicherheit vermag er nur in bezug auf den Erhalt bislang verwirklichter Gemeinwohlinteressen zu geben; sein Schutzgut ist die Wahrung ihres Bestandes. Ob diese Interpretation, gerichtet auf bloß gefahrenabwehrende Nichtbeeinträchtigung des gemeinen Wohls, bereits den Gemeinwohlbegriff des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ausfüllt, ist mehr als zweifelhaft. Denn als Tatbestandsmerkmal in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hat das gemeine Wohl die Ausnahme von der Regel zu begründen und den zwangsweisen Entzug privaten Eigentums, den das Grundgesetz nur ausnahmsweise vorsieht, zu rechtfertigen. Damit kommt ihm eine aktive, nämlich doppelt rechtfertigende Funktion zu. Wenn „zum Wohle der Allgemeinheit" gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG enteignet wird, so impliziert das zum einen, daß das Vorhaben für die Allgemeinheit so wichtig ist, daß ihm im Einzelfall mehr Bedeutung beigemessen wird als den entgegenstehenden Rechten des Grundrechtsträgers. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt damit aber nicht nur einen mehr oder weniger weitgehenden Eigentumseingriff, sondern es setzt die Grenze, ab der der Wechsel von der im Grundgesetz als Regelfall vorgesehenen Bestands- zur besonders rechtfertigungsbedürftigen Wertgarantie 12 ausnahmsweise gestattet sein soll. 13 Dieser doppelten Rechtfertigungslast genügt das Tatbestandsmerkmal aber nur, wenn dem für das Vorhaben sprechenden allgemeinen Wohl nicht lediglich die io Dazu Larenz, Methodenlehre, S. 474 ff. u Vgl. die Formulierungen in § 8 Abs. 1 Satz 1 und insbesondere Abs. 3 Nr. 1 AbfG (v. 27. 8. 1986, BGBl. I v. 30. 8. 1986,1410, berichtigt in BGBl. 1,1501). ι2 Schmidt-Aßmann, NJW 1987, 1588. Immer wieder in Abgrenzung zur Eigentumsgarantie unter der Weimarer Reichsverfassung hervorgehoben vom BVerfG, vgl. ζ. B. Beschl. v. 12. 11. 1958-2 BvL 4 u. a./56 u. a., E 8, 274 (330); Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./ 64 u. a., E 24, 367 (397, 400); Beschl. v. 3. 7. 1973-1 BvR 153/65, E 35, 348 (361); Urt v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249 (261); vgl. auch Breuer, DVB1. 1981, 972; v. Brünneck, NVwZ 1996,42 ff. 13 Daraus folgt bei Zweckverfehlung der Enteignung erstens ein Anspruch auf Rückgewähr des entzogenen Eigentums, zweitens ein Anspruch auf effektiven, den Bestand des Eigentums in der Hand des einzelnen sichernden Rechtsschutzes, Böhmer, Der Staat 24 (1985), 179 Fn. 64, in Abkehr von dem Grundsatz „dulde und liquidiere" als Ausdruck der Eigentums- als Vermögenswertgarantie.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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Funktion zukommt, allgemeine Gefahren von dem geschützten Bestand an Gemeininteressen abzuwehren und es damit die Wahrung der Rechtsordnung umschreibt. Solche Maßnahmen sind nichts anderes als Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. 14 Sie durchbrechen niemals in dem für die Enteignung charakteristischen Sinne die Rechtsordnung.15 Der gesetzlich konkretisierte Gemeinwohlzweck muß vielmehr der Qualität sein, daß mit seiner Verwirklichung durch ein ihm entsprechendes und damit enteignungsfähiges Vorhaben ein Zustand herbeigeführt werden kann, der dem Allgemeinwohl besser entspricht, als wenn die Ausführung unterbliebe. Allein den Status quo aufrechtzuerhalten, gestaltet, verbessert und fördert noch nicht das allgemeine Wohl. 16 Deshalb reicht zur Legitimation die Verträglichkeit mit dem Gemeininteresse eines funktionsfähigen Gemeinwesens nicht.
(2) Die Offenheit des positiv bestimmten Gemeinwohlbegriffs in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Nicht Allgemeinwohlerhalt, sondern Allgemeinwohl dienlichkeit 11 verbirgt sich folglich hinter dem Begriff „zum Wohle der Allgemeinheit" im Sinn des Art. 14 Abs. 3 GG, der damit ein positives Moment der Förderung des gemeinen Wohls verkörpert. In Abgrenzung zur bloß reaktiven Gemeinwohlpflege als Gefahrenabwehr ist „Dienen" im soeben beschriebenen Funktionszusammenhang nicht im Sinne bloßer Allgemeinwohlverträglichkeit zu verstehen, sondern steht für ein in positive Richtung zunächst unbeschränktes Moment der Steigerung des gemeinen Wohls. 18 Dem allgemeinen Wohl dient in diesem Sinne alles, was es nicht nur nicht beeinträchtigt oder stört, sondern in irgendeiner Weise - und sei es auch nur minimal - fördert. Denn selbst - wie hin und wieder überlegt wurde - erforderlich im Sinne dessen, daß das gemeine Wohl die Enteignung regelrecht for-
14
Vgl. Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 76 ff. Schon Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. 2 f. Fn. 2; nachfolgend auch BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 1985-1 BvL 57/79, E 70, 191 (199 f.); Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./ 71, E 56, 249/266 (271): „Die Enteignung ist ein staatliches Instrument zur zwangsweisen Überwindung grundrechtlicher Schranken vgl. zu Durchbrechung der Rechtsordnung auch Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 238, dem das allein allerdings noch nicht zur Abgrenzung auszureichen scheint, weil er daneben noch materielle Kriterien berücksichtigen will. 16 Murswiek, DVB1. 1994, 85: „Gemeinwohldienlich ist die Unterlassung von (Umwelt-) Beeinträchtigungen nur in demselben Sinne, in dem jemand dem Wohl der Banken dient, wenn er keinen Banküberfall begeht." π Vgl. parallel § 8 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Nr. 3 des alten AbfG (v. 27. 8. 1986, BGBl. I v. 30. 8. 1986, 1410, berichtigt in BGBl. I, 1501): „wenn das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit dient". 15
18 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 370 fordert eine „sinnvolle und die Allgemeinwohlnützlichkeit... erhöhende Funktion".
168
Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
dem muß 19 , kann die Enteignung bereits zu minimalen Förderung des dringlichen Gemeinwohls sein. 20 Problematisch ist, daß der Begriff selbst allein nichts dazu sagt, in welcher Quantität das gemeine Wohl zu steigern ist. Insoweit bleibt von Verfassungs wegen unklar, ob bereits jede noch so geringe Mehrung des gemeinen Wohls eine Enteignung rechtfertigt oder ob der Nutzen für das gemeine Wohl ein bestimmtes Maß 21 erreichen muß und an die Rechtfertigungsschwelle gewisse gesteigerte Qualitätsanforderungen stellt. 22 Denn für eine solche Qualitätsstufe gibt es im Verfassungstext keine Anhaltspunkte. Folglich überläßt der Verfassungsgeber neben der Konkretisierung des Gemeinwohls auch das Maß der (Mindest-) Förderung der Regelungsbefugnis des einfachen Gesetzgebers.
b) Der materiell-rechtliche
Inhalt des Gemeinwohlbegriffs
(1) Zur Stichhaltigkeit einzelner traditioneller und modernistischer Begründungsansätze Um die formellen Anforderungen an eine zulässige Enteignung abzuschwächen, insbesondere die konkrete Ausformung des Enteignungszwecks im Ermächtigungsgesetz23 nicht für jeden der vielfältigen und irgendwann einmal potentiell enteignungserheblichen Lebenssachverhalte verlangen zu müssen, hat man immer wieder versucht, mit und ohne theoretisches Begriffsgerippe im Hintergrund den Terminus des allgemeinen Wohls mit Inhalten aus der Verfassung selbst zu füllen. 24 Hier sollen exemplarisch einige Erklärungsmuster beleuchtet werden, die 19 Die Frage wurde aufgeworfen von BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968 -1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (404). Aufgegriffen, aber ebenfalls nicht beantwortet Battis, B / K / L , BauGB-Kommentar, § 87, Rn. 3. 20
Insoweit wird auch Böhmer genügt, dem im Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 - 1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/266 (276) die Anforderungen an das Gemeinwohl mit „dienen" zwar zu schwach umschrieben schienen. Seiner Auffassung nach müsse vielmehr „der Zugriff auf das Eigentum ... zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich sein". 21 Für eine bestimmte Art, die „unumgänglich gebotene staatliche Aufgabe" Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/266 (292, 278f., 280); dagegen Breuer, DVB1. 1981, 974. 22 Einen „unzweifelhaft erheblichen Nutzen für das gesamte Volk" forderte der Bad. Staatsgerichtshof, Urt. v. 3. 7. 1950 - StHG 1/50, VerwRspr. 2, 411 (416); sich anschließend Grämlich, JZ 1986, 275 mit Hinweis auf den hergebrachten republikanischen Zusammenhang; ebenso Kimminich, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14, Rn. 395, der ein „gesteigertes, sachlich-objektiv öffentliches Interesse" fordert. 2 3 Vgl. §711. 24
Zahlreiche (weitere) Erklärungsversuche finden sich zumeist nur angerissen auch bei Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 172 ff. (m. w. N.). Vgl. zur Möglichkeit kontextkonformer Interpretation des Gemeinwohls Isensee, in: ders. / Kirchhof, HdStR III, § 57, En. 114.
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gerade im Verkehrssektor stets zur Begründung des allgemeinen Wohls in Anschlag gebracht wurden. (a) Daseinsvorsorge Weit verbreitet ist die Überzeugung, daß es zu den verkehrspolitischen Traditionen in Deutschland gehört, ein mehrgliedriges Verkehrssystem zu Wasser, zu Luft wie auch auf Straße und Schiene aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren und dieses der Allgemeinheit als Leistung der Daseinsvorsorge zur Verfügung zu stellen. 25 Alle dem öffentlichen Verkehr dienenden Unternehmen (unabhängig von ihrer - öffentlich- oder privatrechtlichen - Organisationsform) nehmen deshalb selbstverständlich auch nur diese staatliche Daseinsvorsorgeaufgabe wahr. Und da die Einrichtungen der Daseinsvorsorge aufgrund ihres wohlfahrtspflegerischen Charakters 26 dem gemeinen Wohl dienen, führt bereits diese Überlegung, eingebettet in Begründungsansätze des Bundesverfassungsgerichts 27 und der Literatur 28 , dazu, daß Enteignungen zugunsten der öffentlichen Verkehrsbetriebe zumindest nicht schon an der gemeinwohlorientierten Zweckrichtung scheitern, sondern - soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen - generell für zulässig zu erachten sind. Der von Forsthojf 9 seinerzeit mit Leben erfüllte Daseinsvorsorgebegriff erläuterte die zweckgebundene Leistungsverwaltung; er überdauerte die nationalsozialistische Verwaltungslehre, der er entstammte30, und prägte somit entscheidend die Lehre vom Verwaltungsrecht im sozialen Rechtsstaat des Grundgesetzes.31 Der Begriff der Daseinsvorsorge erlebte eine kometenhafte Karriere, galt fortan als „Allgemeingut" 32 und avancierte - trotz dezidierter Kritik 3 3 - schnell zu einem noch heute oft gebrauchten Begriff, an den nur zu bereitwillig rechtliche Folgen geknüpft werden: Alles, was dem inzwischen aus- und überdehnten Daseinsvorsorgebegriff zuordenbar ist, soll - gleichgültig in welcher Rechtsform der Daseinsvorsorge gedient wird - als öffentliche Verwaltung gelten, die demgemäß natürlich den öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt. 34 Mit den Besonderheiten der 25 Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht - Besonderer Teil 2, 1996, § 10, S. 133 f. 26 Rüfner, in: Isensee/Kirchof, HdStR III, § 80, Rn. 3 ff. 27 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257). 28 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/ 266 (287); Haberkorn, Staats- und Kommunalverwaltung 1961, 172. 29
Forsthojf, Die Verwaltung als Leistungsträger, S. 5 ff. 30 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 94f.; Kohl/Stolleis, 2854 f.
NJW 1988,
31 Beispielgebend Badura, DÖV 1966, 629 ff. 32 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 6. 33 Vgl. Ossenbühl, DÖV 1971, 513 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 31 f. (jeweils m. w. N.).
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
Daseinsvorsorge werden darüber hinaus auch Ausnahmen und Modifikationen des Wettbewerbsrechts bei der Anwendung des Konzernrechts und insbesondere auch Durchbrechungen des Gesellschaftsrechts begründet, wenn ein öffentlicher Zweck mittels des Einflusses öffentlich-rechtlich Beteiligter auf die Unternehmensführung durchgesetzt werden soll. 35 Wofür aber steht dieser heute selbst der Gesetzessprache nicht mehr fremde 36 und mit einer Vielzahl rechtlicher Folgen überfrachtete Begriff? Man könnte damit beginnen, die in jeder privaten Bäckerei gebackenen Brötchen zu den Gütern zu zählen, welche für ein sinnvolles menschliches Dasein notwendig sind; sie stellen in diesem Fall sogar eine zwingende Existenzvoraussetzung dar. 37 Aber gerade diese existentiell notwendigen Leistungen, die vollständig privater Initiative überlassen sind 38 , ihrer daseinsvorsorgenden Bedeutung wegen durch öffentlich-rechtliche Überlagerungen der öffentlichen Verwaltung zuordnen zu wollen, erscheint absurd und macht es notwendig, zum historischen Kontext jener Erwägungen und Beobachtungen zurückzukehren, aus denen heraus der einst nur phänomenologische Begriff geboren wurde. Angesichts des historischen Zusammenhangs seiner Entstehung war es die Intention des Forsthoff sehen Begriffs, eine funktional durchaus begrenzte Erscheinung zu beschreiben: Bedingt durch den technischen Fortschritt ist der Mensch auf bestimmte Leistungen der öffentlichen Hand angewiesen39, die er selbst nicht mehr besorgen kann, weil ihm die technische Entwicklung einzelne Teile seines bis dahin selbst beherrschbaren Lebensraums entriß und ihn in einer gewissen Hinsicht sozial bedürftig werden ließ. 40 Aufgrund des technischen Fortschritts diente nicht mehr der Brunnen vor dem Haus der allgemeinen Versorgung mit täglich lebensnotwendigem Frischwasser im Wege des geregelten Gemeingebrauchs41, sondern es bedurfte dazu eines komplizierten Rohrleitungs- und Wasserwirtschaftssystems, 34 Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 530f.; Badura, in: SchlochauerFS, S. 6 f.; Klein, in: Evangelisches Staatslexikon, Bd. I, Sp. 431 f.; Köngen, in: Deutscher Juristentag I - FS, S. 583; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof, HdStR III, § 84, Rn. 48; BGH, Urt. v. 23. 9. 1969 - V I ZR 19/68, BGHZ 52, 325 (328). Kritisch dagegen Zimmermann, Der grundrechtliche Schutzanspruch juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S. 235. 35 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 101 (m. w. N.). 36 Vgl. § 1 Abs. 1 RegionalisierungsG (v. 27. 12. 1993, BGBl. I, 2395, verkündet als Art. 4 des ENeuOG v. 27. 12. 1993, BGBl. I, 2378): „Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge". 37 Ossenbühl, DÖV 1971, 515. 38 Mal abgesehen von den Bewirtschaftungsmaßnahmen im Notfall, Herzog, in: Isensee/ Kirchhof, HdStR ΙΠ, § 58, Rn. 74. 39 Ossenbühl, DÖV 1971, 516. 40 Vgl. zur Autonomie des Menschen im Hinblick auf seine Bedarfsdeckung im 19. Jahrhundert Dürig, JZ 1953,194. 41 Fischerhof, DÖV 1960,44.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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das weit über das der eigenen Beherrschbarkeit zuzuordnende Aktionsfeld hinausreichte. Ebenso verhielt es sich mit dem Abwasser. Auch die selbst beschaffte Kerze und Gaslampe hatten ausgedient, statt dessen bedurfte man der regelmäßigen Energiezufuhr über allgemeine Leitungsnetze.42 Die daraus erwachsene soziale Bedürftigkeit abzusichern, wurde Aufgabe des Staates. Der Staat der bürgerlichen Gesellschaft aber kannte nunmehr die Gefahrenabwehr als Aufgabe, nachdem er den polizeistaatlichen Wohlfahrtszweck einmal hinter sich gelassen hatte. Mit dieser jedoch vermochte er die im Verlaufe seiner Mutation zum Staat der industriellen Gesellschaft ihm von neuem zuwachsende soziale Verantwortung, die subsidiäre Verantwortung für allgemeinen Wohlstand und konjunkturelle Entwicklung nicht zu fassen. Die Verwaltungsrechtslehre, wie sie Otto Mayer entwickelt hatte, war durch die zunehmende Konfrontation mit Aufgaben der Leistungsverwaltung überfordert. In diesem Zusammenhang diente die Daseinsvorsorge neben ihrer heuristischen Anregungs- und Anstoßfunktion, um die Verwaltungsrechtslehre wieder an die Verwaltungswirklichkeit heranzuführen, in erster Linie als soziologischer Begriff 43 für Veranstaltungen, welche zur Befriedigung des Appropriationsbedürfnisses der Gesellschaft getroffen wurden. 44 Aus dieser Perspektive seiner historischen Wurzeln reduziert sich das Anwendungsfeld des Daseinsvorsorgebegriffs und fallen die Verkehrseinrichtungen wie selbstverständlich heraus. Das nicht schon deshalb, weil sie nicht zu dem engen Bereich von Leistungen gehören, von denen die Existenz des Menschen tatsächlich abhängt.45 Die existentielle Dringlichkeit einer Leistung für die Vitalsphäre des einzelnen sagt allein nichts über ihre Zugehörigkeit zur Daseinsvorsorge im Sinne Forsthoffs aus. 46 Sonst hätte - eventuell auch noch vor der Abwasserbeseitigung die eingangs beispielhaft angesprochene Lebensmittelversorgung in erster Linie zur Daseinsvorsorge gezählt werden müssen. Vielmehr kommt es darauf an, welche existentiell notwendige Leistung der einzelne in der durch technische Entwicklung arbeitsteiligen Welt plötzlich nicht mehr selbst überblicken und bewerkstelligen kann, wann er also in vollkommene Abhängigkeit vom Erbringer der Leistung gerät 47, die für sein modernes Leben unabkömmlich geworden ist. Weil es sich um 42 Zur maßgeblichen Entwicklung im Zeitalter der Hochindustrialisierung Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, S. 20 ff. 43 So auch heute Ossenbühl, DÖV 1971, 516; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 31. Gegen diese Reduktion des Begriffs schon Badura, DÖV 1966, 628; Ronellenfltsch, in: Isensee/Kirchhof, HdStR III, § 84, Rn. 48. 44 Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 26. 45 So aber Herzog's Begriffseingrenzung, in: Isensee/Kirchhof, HdStR ΠΙ, § 58 Rn. 71; dagegen anders ders., Allgemeine Staatslehre, S. 116, Fn. 81; Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 17. 46 Schon Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Vorbem. vor § 20, S. 370, wenngleich er die Dringlichkeit trotzdem für rechtlich bedeutsam hält; Ossenbühl, DÖV 1971, 516. 47 Vgl. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 31 (8. Abdruck der 5. Aufig. Berlin 1979).
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
die Existenzvoraussetzungen aller gesellschaftlichen Teile handelt, muß dieses Abhängigkeitsverhältnis seitens des dem Sozialstaatsprinzip unterworfenen Staates sozial verträglich gestaltet werden: In der Regel übernimmt deshalb der Staat selbst die Erbringung dieser Daseinsvorsorgeleistungen. Und wenn er sie aus seiner Obhut entläßt, unterstellt er diese daseinssichernden Leistungen zumindest umfänglichen staatlichen Garantien. Das heißt aber noch nicht umgekehrt, daß es sich überall dort, wo der Staat gewährleistende Verantwortung für grundsätzlich privater Initiative unterstellte Tätigkeiten trägt, die der Versorgung der Bevölkerung zugute kommen, um Aufgaben der Daseinsvorsorge handelt.48 Nur solange die Leistungen der Daseinsvorsorge in dem soeben hergeleiteten klassisch engen und vor allem auch durch das Merkmal der eigenen Beherrschbarkeit abgrenzbaren systematischen Zusammenhang verstanden werden, behält der Begriff ein Substrat, an das sich gegebenenfalls auch Rechtsfolgen knüpfen lassen. Die Bereitstellung von Verkehrsleistungen allgemein, zu denen freilich auch die auf der Schiene gehören, paßt anders als die flächendeckende Versorgung mit Strom nicht in dieses Bild von der dem Bereich eigenmenschlicher Bewirtschaftung enthobenen Leistung. Nicht nur gab es den öffentlichen schienengebundenen Verkehr schon hundert Jahre, bevor Forsthoff eine seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts und verstärkt seit dem Ende des Ersten Weltkriegs aufgetretene neue gesellschaftsrelevante Erscheinung ausmachte, die er mit dem Begriff der Daseinsvorsorge einzufangen suchte. Der Transport von Menschen und Gütern war auch schon lange vor der Eisenbahn auf allgemeine Systeme angewiesen (Postkutschen), es sei denn, man zog - entsprechend begütert - den Individualverkehr vor. An diesen Verhältnissen im Verkehrssektor hat sich bis heute nichts geändert. 49 Es ist im Verkehrsbereich somit kein Strukturwandel zu verzeichnen, der nur mit dem Begriff der Daseinsvorsorge sinnvoll bewältigt werden könnte. 50 Das erstarkende Engagement des Staates für die Eisenbahnen ist folglich anderer Natur. Es knüpft vorwiegend an ihre integrative Funktion an 51 und entspringt damit einem dem föderalistischen Bundesstaat anhaftenden Streben nach wirtschaftlicher und sozialer Einheit. 52 Erst wenn der Individualverkehr beispielsweise aus Gründen des Umweltschutzes dem einzelnen weit höhere Kosten als der öffentliche Verkehr abverlangen oder gar vollkommen zum Erliegen gebracht werden würde, könnte 48 So aber Rendtdorff, Der Staat 1 (1962), 410 in bezug auf die Sozialgesetzgebung als Ausdruck für das „Bewußtsein der öffentlichen Verantwortung für die Lebensprobleme, die dem einzelnen in der modernen Gesellschaft entstehen". Vgl. im Ergebnis auch Klein, Die wirtschaftliche Betätigung des Staates, S. 19. 49 Die Bemerkung sei erlaubt, daß sich lediglich das Preisverhältnis mit der Zeit ins Gegenteil zu wenden scheint und man heute in der Regel für die Fortbewegung mit der Bahn begüterter sein muß als für die Teilnahme am Individualverkehr. 50 So auch die Einschätzung von Fromm, DVB1. 1994, 191 f. und Fn. 39. Anders Forsthoff, Verwaltung als Leistungsträger (1938), S. 7 f. 51 Teil 2, § 6 III. 2. a. (1 ). 52 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 8; vgl. auch Teil 2, § 6 III. 2. a. (1).
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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man eventuell erneut über eine Zuordnung zur Daseinsvorsorge in dem hier verstandenen Sinne nachdenken. Abgesehen davon liegt eine solche Entwicklung zwar durchaus im Bereich des Möglichen, ist aber zumindest im Moment noch nicht einmal schemenhaft erkennbar. 53 Das heute allgemein zugrundegelegte Konzept der Daseinsvorsorge dagegen hat die von Forsthojf zunächst proklamierte Differenzierung zwischen existentiell notwendigen Dienstleistungen und Gütern auf der einen Seite und anderen, nicht mehr der Daseinsvorsorge zugehörigen Versorgungsleistungen auf der anderen Seite 54 aufgegeben. 55 Die Bedeutung des Begriffs der Daseinsvorsorge reicht darüber inzwischen weit hinaus. Sie umschreibt jenen Bereich, in dem die Bedürfnisse nicht schon allein durch allgemeine Marktmechanismen, gesellschaftliche Selbststeuerung oder funktionstüchtigen Wettbewerb angemessen befriedigt werden. In ihm ist es nahezu unmöglich geworden, rein staatliche und bloß öffentliche Aufgaben voneinander zu lösen und abzuschichten.56 Nur die Versorgungstätigkeiten, bei denen der Bürger zwischen mehreren konkurrierenden Leistungsanbietern wählen kann, werden aus dem Daseinsvorsorgekonzept ausgegrenzt.57 Doch selbst unter dieses eher deskriptive Verständnis der Daseinsvorsorge ohne normativen Anspruch 58, dem es unmöglich ist, die daseinsvorsorgende von der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit zu scheiden59, paßt die Eisenbahn in Gestalt der Deutschen Bahn AG heute nicht mehr. Abgesehen davon, daß sie eindeutig der Wirtschaftlichkeit und Gewinnerzielung verpflichtet ist und sich dies nicht mit einem rein öffentlich geprägten Zweck einer solchen Tätigkeit vertragen würde, ist sie auch einer zunehmenden Konkurrenz durch gleiche und andere, inzwischen ebenso gewinnorientiert fungierende Verkehrsträger ausgesetzt, die den Wettbewerb fördern wird. Wie unüberlegt der Versuch ist, das Daseins vorsorgekonzept auch für die jetzige Situation als Erklärung heranzuziehen, in der der Staat seine leistende Tätigkeit auf eine bloß noch gewährleistenden Verantwortung gedrosselt hat (vgl. Art. 87 e Abs. 4 GG), wird schließlich daran deutlich, daß es entstehungsgeschichtlich genau den 53
Vgl. im Ergebnis auch Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 375: „das Konzept der Daseinsvorsorge (kann) diese Anforderung (Präzisierung der Aufgabenqualität) entgegen der Hoffnung des Bundesverfassungsgerichts aber nicht erfüllen". 54 Forsthojf, Die Verwaltung als Leistungsträger, S. 7; vgl. daran anschließend BGH, Urt. v. 23. 9. 1969 - V I ZR 19/68, BGHZ 52, 325 (328f.). 55 Badura, Verwaltungsmonopol, S. 188; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 102; Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 17. 56 Ossenbühl, DÖV 1971, 517. 57 Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 18 f., 90; Hermes sieht deshalb die „staatliche Infrastrukturverantwortung" (gleichnamiger Titel, S. 341) als Fortentwicklung des Konzepts der Daseinsvorsorge, weil dieses gerade nicht vermochte zu erklären, daß daseinsnotwendige Leistungen im Wettbewerb auch von privaten Unternehmen angeboten werden können. 58 Berg, GewArchiv 1990,225; Fischerhof, DÖV 1957, 312 ff.; ders., DÖV 1960,44; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 341 f.; Ossenbühl, DÖV 1971, 517. 59 Berg, Gew Archiv 1990, 225.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
umgekehrten Fall erfaßte 60: der sich in die Anbieterrolle drängende Staat sollte durch Grundrechtsbindung und die Regeln des Verwaltungsprivatrechts diszipliniert werden. (b) Öffentliches Verkehrsbedürfnis: Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG
Der infrastrukturelle
Expansionsauftrag
Näher als der Rückgriff auf die Daseinsvorsorge liegt es dann schon, das öffentliche Verkehrsbedürfnis als der Verfassung immanenten Enteignungszweck zu rekrutieren. Schließlich hat dieses speziell für den Eisenbahnsektor auch in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG explizit Erwähnung gefunden. Dort steht es sogar ausdrücklich für eine verfassungsunmittelbare Konkretisierung des Gemeinwohls, dem beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes - also den bodenbeanspruchenden und damit enteignungsrelevanten Maßnahmen - Rechnung getragen werden soll. Was will man mehr, mag man sich ganz euphorisiert durch diesen Befund fragen. Es scheint, als fordere Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG gerade zu Enteignungen zum Zwecke des Ausbaus der Schienenwege heraus; dann würde den Verkehrsbedürfnissen und damit dem verfassungsrechtlichen Auftrag genügt. Die Ernüchterung folgt auf dem Fuß. Die dazu führenden Gründe wurden allesamt bereits dargelegt und sollen deshalb hier nur kurz zusammengefaßt werden: Zunächst darf man nicht verkennen, daß sich Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG an den Bund richtet und damit nur an den hinter dem potentiell Enteignungsbegünstigten stehenden Eigentümer. Wie aber ebenfalls bereits erläutert, wendet sich dieser Gewährleistungsauftrag wegen der auf gesellschaftsrechtliche Mittel beschränkten Einflußnahmemöglichkeiten des Eigentümers (Bund) auf die selbständige Aktiengesellschaft 61 in erster Linie an den Bund. Er ist als Gesetzgeber Adressat der Gewährleistungspflicht. Die in dieser Verfassungsvorschrift zum Ausdruck kommende Verantwortung ist deshalb eben gerade nicht die des Leistungserbringers. 62 Sondern erst die Verantwortung desjenigen, der kraft seiner Befugnisse die Möglichkeiten hat, entsprechendes durch andere, nämlich die Verkehrsunternehmen, zu gewährleisten, indem deren Handlungs- und Aktionsräume innerhalb des verfassungsrechtlich Möglichen gesetzlich reguliert werden. Zu diesen Regularien kann auch ein Enteignungsrecht gehören, das seinen Beitrag leistet, damit den Verkehrsbedürfnissen Rechnung getragen wird. Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG formuliert damit nur eine besonders hervorgehobene Legitimation des Gesetzgebers, aber keinesfalls die generelle Rechtfertigung staatlicher Zwangsmaßnahmen, auf die sich das Unternehmen berufen kann, das die Enteignung potentiell begehrt.
60 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 342. 61 Teil 2, §6 III. l.a. 62 Anders BVerwG, Urt. v. 27. 11. 1996-11 A 2/96, UPR 1997,150.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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(c) Volkswirtschaftlich interessante Wirtschaftsunternehmungen: Die Präsentation neuer Technologien Gerade in konjunkturell schwachen Zeiten und hoher gebietsbezogener Arbeitslosigkeit mutet es für eine strukturschwache Region überaus reizvoll an, wenn ein großes Wirtschaftsunternehmen oder ein der Hochtechnologie entwachsenes Vorzeigeprojekt gerade dort seinen Standort einzurichten gedenkt.63 Da es für diesen Sektor in der Regel 64 an spezialgesetzlichen Regelungen fehlt, die eine solche volkswirtschaftlich interessante Unternehmung als Enteignungszweck normieren 65 , bleibt hier nur der Rückgriff auf die Verfassung. Anders als in der Weimarer Verfassung (Art. 151-165) und einigen Landesverfassungen 66 findet sich im Grundgesetz nur eine Zuständigkeitsregelung für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. Art. 72 GG), ansonsten hat das Wirtschaftsleben keinen Eingang in den Verfassungstext gefunden. Trotzdem spricht man dem Staat eine Gesamtverantwortung für die Wirtschaft nicht ab. 67 Da sich die Enteignung als Instrument, das Fehlentwicklungen im wirtschaftlichen Geschehen abbremsen oder bereits aufgetretene Störungen auch zu korrigieren vermag, durchaus als eine Maßnahme von mittelbar wirtschaftslenkendem Charakter verstehen läßt 68 , könnte sie im Rahmen der dem Staat unumstritten obliegenden sozial- und wirtschaftspolitisch motivierten Einflußnahme auf das private Wirtschaftsgeschehen ihre Rechtfertigung finden. 69 Dafür ist es notwendig, zum einen die verfassungsrechtlichen Grenzen zu markieren, innerhalb derer der Staat die Wirtschaft lenken darf, und zum anderen die Instrumentarien zu bestimmen, die ihm dafür zur Verfügung stehen. Herrschte in den Anfangszeiten des Bonner Grundgesetzes noch Unklarheit über dessen Wirtschaftsordnung 70, so gilt inzwischen die vom Bundesverfassungs63 Allgemein zur öffentlichen Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und ihren verfassungsrechtlichen Bezügen Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 250ff.; Forsthojf, VVDStRL 12 (1954), S. 8 ff.; Bachof VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff.; Saladin, VVDStRL 35(1977), S.7ff. 64
Normiert war die „Verbesserung der Wirtschaftsstruktur" als Enteignungszweck in § 33 Abs. 1 des Kohleanpassungsgesetzes aus dem Jahre 1968 (BGBl. I, 365 ff. [376]), vgl. zur Bestimmtheit dieses dort gesetzlich verankerten Enteignungszwecks Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 103 ff.; Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 94. 65 Ein Überblick der wenigen gesetzlichen Festlegungen findet sich bei Stengel, Enteignungen zugunsten privater Unternehmen, S. 53 ff.; Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 97 ff. 66 Vgl. z. B. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nordrhein-Westfälische Verfassung: „Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen"; Art. 27 Hessische Verfassung: „Die Sozial- und Wirtschaftsordnung beruht auf der Anerkennung der Würde und der Persönlichkeit des Menschen". 67 Vgl. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 252 f., 254 ff.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 144; Wagner, VVDStRL 27 (1969), zusammengefaßt auf S. 78 ff. 68 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 109. 69 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 110.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
gericht verbindlich aufgestellte Formel von der „wirtschaftspolitischen Neutralität" des Grundgesetzes insoweit, als sich der Verfassungsgeber für kein bestimmtes Wirtschaftssystem ausdrücklich entschieden hat. 71 Das heißt innerhalb der Verbote eines ungebundenen und deshalb mit dem Sozialstaatsprinzip unverträglichen Wirtschaftsliberalismus einerseits und einer mit Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und Art. 14 GG unvereinbaren Zentralwirtschaft andererseits ist jede Wirtschaftspolitik möglich, die der öffentlichen Gewalt sachgemäß erscheint, soweit selbstverständlich die Kompetenzordnung, das Rechts- und Sozialstaatsgebot sowie die grundrechtlichen Gewährleistungen beachtet werden. Das aber bedeutet auch, daß - möchte man die Enteignung zum Wirtschaftslenkungsinstrument erheben - erst der Gesetzgeber tätig werden muß. Das bloße allgemeine öffentliche Interesse an der privaten Wirtschaftstätigkeit reicht für eine Enteignung bei weitem nicht als Rechtfertigung aus.72
(2) Der gesetzlich funktionalisierte Gemeinwille Wie gerade an ausgesuchten Exempeln festgestellt, läßt sich aus dem abstraktgenerellen und funktionsbestimmten Begriff des Gemeinwohls im Verfassungsgefüge kein allgemeines Gemeinwohlkonzept deduzieren und damit nicht ableiten, ob alle oder nur einzelne Gemeinwohlideen den materiellen Gehalt des Gemeinwohls gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG bestimmen.73 Denn die Ansätze müssen allesamt am fragmentarischen Charakter des Verfassungsgesetzes scheitern. 74 Heuristisch betrachtet, ist kaum jemals die Verwirklichung eines konkreten Vorhabens zum Wohle der Allgemeinheit „a limine zwingend geboten". Vielmehr geht jeder Enteignung eine Zweckmäßigkeitsentscheidung zugunsten des Vorhabens auf der der juristischen Stufe vorgelagerten politischen Ebene voraus. 70 Vgl. die Darstellung der gegensätzlichen Positionen insbesondere von Nipperdey und Hartwich bei Karpen, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 39 ff.; Huber, DÖV 1956, 97 ff., 135 ff., 172 ff., 200 ff. und Krüger, Von der reinen Marktwirtschaft zur gemischten Wirtschaftsverfassung, S. 15 f.; ders. DVB1. 1951, 361 ff.; dazu der Überblick bei Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 110. 71 BVerfG, Urt. v. 20. 7. 1954-1 BvR459 u. a./53 u. a., E4, 7 (17f.); Urt. v. 1. 3. 19791 BvR 532 u. a./77 u. a., E 50, 290 (338). Daran vermochte auch der Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik v. 18. 5. 1990, BGBl. II, 537, nichts zu ändern, ausführlich Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, S. 161 f. 72
So aber die Schlußfolgerung bei Haberkorn, Staats- und Kommunalverwaltung, S. 172 und Hamann, BB 1957, 1259. 73 Nach Schmidt-Aßmann, NJW 1987, 1588 ist gerade diese materielle Frage für die Fortentwicklung des Enteignungsrechts von zentraler Bedeutung. 74 Isensee, in: ders. / Kirchhof, HdStR III, § 57, Rn. 112. Zum Grundgesetz als Typus der Rahmen- im Gegensatz zur Vollverfassung Böckenförde, AöR 106 (1981), S. 597ff.; ders., in: Gmür-FS, S. 16ff.
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Damit wird die bereits formal aus der Verfassung hergeleitete These bestätigt75, daß eine positive, abstrakt-generelle Definition dessen, was im Sinn des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG zum Wohl der Allgemeinheit gehört, allein aus der Verfassung nicht zu gewinnen ist. 76 Den Versuchen, den Begriff durch verfassungstextkonforme Auslegung inhaltlich anzufüllen, muß widerstanden werden. Die Verfassung selbst hat auf einen sogleich für den Rechtsanwender subsumtionsfähigen Gemeinwohlterminus in diesem Zusammenhang bewußt verzichtet. 77 Es ist Sache des Gesetzgebers78, aus der Vielfalt der Lebenssachverhalte diejenigen Vorhaben auszuwählen, die er als gemeinwohldienlich charakterisieren und zu deren Realisierung er das Zwangsinstrument der Enteignung eingesetzt wissen möchte.79 Deshalb ist davon auszugehen, daß alle diejenigen Ideen des Gemeinwohls, die in einem dafür geschaffenen Legitimations- und Entscheidungsverfahren hervorgebracht und in die Rechtsordnung in Gesetzesform durch den demokratischen Gesetzgeber eingeführt werden, eine Enteignung grundsätzlich rechtfertigen können.80 Damit entscheidet das durch die Wahl der Abgeordneten legitimierte Parlament im Zusammenwirken mit den anderen Organen, die am Gesetzgebungsverfahren beteiligt sind, allein und abschließend über die enteignungswürdigen Unternehmungen. Es ist dabei völlig frei, weil der einzelne Abgeordnete nur seinem Gewissen unterworfen ist (Art. 38 Abs. 1 GG). Gleichwohl mutet es auf den ersten Blick befremdlich an, daß der Gesetzgeber dadurch in der Lage ist, Gemeinwohlanliegen zu „erfinden" oder ein beliebiges öffentliches Interesse zu diesem zu machen. Doch im strikten Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG treffen Grundsätze wie Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, Gewaltenteilung und Rechtsschutzgarantie gem. Art. 19 Abs. 4 GG zusammen.81 Hält der Gesetzgeber seine gesetzgeberische „Erfindung" nur im Rahmen dieser allgemeinen verfassungsrechtlichen Grenzen, ist sie und vor allem 75 §71.1. a. (2). 76 So auch Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 508; Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 93. 77 Parallel zu fehlenden Definitionen von Staatsaufgaben, Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 93. 78 Vgl. hierzu vor allem BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 - 1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249 (262, 263): „Die Zuständigkeitsvorschriften ... bestimmen damit nicht nur, welcher Gesetzgeber (Bund oder Land) zum Erlaß einer Regelung zuständig ist, sondern legen auch den Umfang der gesetzlichen Regelungsbefugnis fest". 79 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (403f.); Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249 (261) - vgl. dazu entgegengesetzt die Stellungnahme von Bundesregierung, Land Rheinland-Pfalz und Gondelbahn GmbH, nach deren Rechtsauffassung es wg. der Unschärfe des Begriffs Wohl der Allgemeinheit zu begrüßen wäre, wenn dieser allein von staatlicher und kommunaler Verwaltung ausgefüllt und damit der Justiziabilität entzogen würde; schließlich sei es Aufgabe jener Organe, sich für das gemeine Beste zu betätigen BVerfGE 56, 249 (257). so Vgl. Murswiek, DVB1. 1994, 86; Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 93. 8i Gerhardt, in: Zeidler-FS, S. 1664f.; Grämlich, JZ 1986, 275. 12 Pommer
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nur sie als verbindliche Festlegung des Enteignungszwecks zu akzeptieren. Die Legislative ist damit frei darin, die Eigentumsgarantie auch dem Wandel der Zeit und der Anschauungen zu unterwerfen und neben klassischen ebenso sogenannte „moderne", weil sozialstaatlich- und wirtschaftspolitisch wünschenswerte Anliegen als Enteignungszwecke zu legalisieren. 82 Denn Gemeinwille ist Gesetzeswille 8 3 ; das entspricht der traditionellen Funktion des Gesetzes im modernen, auf individuelle Freiheit verpflichteten Staat. Somit ist das im Gesetz verankerte Gemeinwohl der funktionalisierte Gemeinwille. Juristisch überprüfbar ist nicht, ob die vom Gesetzgeber benannten öffentlichen Interessen bei objektiver Betrachtung die betroffenen privaten Rechte überwiegen 84 , sondern nur ob die politische Zweckmäßigkeitsentscheidung auf einer der Ausführung eines konkreten Vorhabens vorgelagerten Planungsstufe die Grenzen des Abwägungsgebots einhält. 85 Dann erfüllt ihre Durchsetzung im Wege der Enteignung die Sondervoraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG. 8 6 Letztlich ist und bleibt es also Sache des parlamentarischen Gesetzgebers entsprechend seinem politischen Standpunkt gesetzlich festzulegen, was dem gemeinen Wohl dient.
c) Die Bestimmtheit der gesetzgeberischen Gemeinwohlfeststellung Häufig haben Bundes- oder Landesgesetzgeber konkrete Zielsetzungen, die potentiell geeignet sein sollen, die Verfassungsvorgabe - einen konkreten Gemeinwohlzweck im Sinn des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG - zu erfüllen, in Fachplanungs-87 oder sonstigen Spezialgesetzen verankert und hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen auf das jeweilige Landesenteignungsgesetz verwiesen. 88 Findet sich kein spezialgesetzlich anerkannter Enteignungszweck im Bundes- oder Landesrecht, und handelt es sich um einen Sachbereich, für den der Landesgesetzgeber zumindest auch zur Regelung befugt ist (Art. 72 Abs. 1, 74, 70 GG), wird allgemein von der Möglichkeit einer Enteignung auf der Basis des jeweiligen Landesenteignungsgesetzes ausgegangen, die eigene Enteignungszwecke neben 82 Vgl. Gerhardt, in: Zeidler-FS, S. 1664. 83 „Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens", Art. 6 Satz 1 der „Déclaration des Droits de l'Homme et du citoyen" ν. 26. 8. 1789. 84 So aber wohl Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Teil 1, § 10, Rn. 62; Leisner, in: Isensee, W. Leisner - Eigentum, S. 159 „mehr ... Bestimmungsrecht denn ... Gestaltungsrecht" (= ders., in: Isensee/ Kirchhof, HdStR VI, § 149, Rn. 171; Wendt, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 160. 85 Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 93. 86 Breuer, DVB1. 1981, 974. 87 Beispielsweise § 19 BFStrG, § 22 AEG. 88 Diese Regelungsvariante hat sich auch in den Landesenteignungsgesetzen niedergeschlagen, vgl. exemplarisch § 2 Nr. 1 B.-W. LEntG; Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayEG; § 2 Abs. 1 Nr. 1 BbgEntG; § 3 Nr. 4 HessEG; § 2 Abs. 1 Nr. 1 N.-W. EEG.
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den sonstigen Enteignungsvoraussetzungen normieren. Nur selten sind diese allerdings konkret gefaßt und enumerativ aufgelistet 89; meist werden sie durch eine enteignungsrechtliche Generalklausel, deren Wortlaut der Verfassung entlehnt ist, gerade offengehalten. 90 Auch wenn die nur abstrakt umschriebenen Enteignungszwecke regelmäßig durch beispielhafte Benennung einzelner, zentraler und möglicherweise enteignungserheblicher Vorhaben ergänzt werden 91, bleibt bei dieser unpräzisen, der ungenausten aller aus der historischen Rechtspraxis bekannten Techniken der Konkretisierung der konstitutionellen Eigentumsgarantie 92 die Bestimmung des Enteignungszwecks letztlich Sache der Verwaltung. Denn sie ist an die Beispiele nicht gebunden, ihr dienen diese lediglich als Richtschnur. Dahinter steht der Gedanke des Gesetzgebers, daß es dem Staat nicht von vornherein verwehrt sein soll, gestützt auf diese offene Regelung morgen, übermorgen zugunsten von Vorhaben enteignen zu können, die noch nicht zu den heute enteignungsrechtlich anerkannten Fällen gehören, weil sie im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch außerhalb des Erfahrungs- und Vorstellungshorizonts lagen und deshalb namenlos bleiben mußten. Da mit solchen offenen Tatbeständen dem Enteignungsbetroffenen die rechtsstaatlich garantierte Vorhersehbarkeit und Meßbarkeit staatlicher Eingriffe verwehrt wird 9 3 , erscheint zweifelhaft, ob diese allgemeinen Normierungen von Enteignungszwecken in den Landesenteignungsgesetzen dem vom Verfassungsgeber vorgesehenen Gesetzesvorbehalt genügen. Wenn schon der Gesetzgeber Schwierigkeiten mit der Konkretisierungslast des Allgemeinwohls hat, die ihm die Verfassung in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG überträgt, so daß man sich fragt, ob sie ihm überhaupt aufgebürdet werden darf 94 , ist die Behörde erst recht damit überfordert 95. Wie sollte es ihr gelingen, justiziable Kriterien für den konkreten und - wegen der Bindung der Verwaltungspraxis - alle folgenden Enteignungsfälle aufzustellen? Das Bundesverfassungsgericht hat sich zur Enteignungsgesetzgebung eher am Rande, also auch außerhalb eines Normenkontrollverfahrens allgemein dahingehend geäußert, daß einzig der parlamentarische 96 Gesetzgeber97 nach dem „Sinn 89 So beispielsweise § 2 Abs. 1 Nr. 2 a)-c) BbgEntG; § 2 Abs. 1 Nr. 2 N.-W. EEG, wobei die Frage offen bleiben soll, ob die hier festgelegten Enteignungszwecke bereits hinreichend bestimmt sind. 90 Vgl. § 2 Nr. 2 B.-W. LEntG; Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayEG § 3 Nr. 1 HessEG; § 2 Abs. 1 ThürEG. 91 Vgl. § 2 Nr. 2 a)-f) B.-W. LEntG; Art. 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1-6 BayEG; § 2 Abs. 1 Nr. 2 a)-i) ThürEG: „insbesondere". 92 Vgl. Teil 1, § 1 III. 93 Vgl. Obermayer, BayVBl. 1971, 213. 94 Papier, JZ 1987, 620. 95 Jakisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, S. 93. 96 Weder die den Gemeinden zugewiesene Aufgabe der Bauleitplanung, noch das Selbstverwaltungsrecht geben den Gemeinden die Befugnis, Enteignungszwecke festzulegen, BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 - 1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249 (261 f.); jüngst BVerwG, Urt. v. 12*
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und Kompetenzgefüge des Grundgesetzes" legitimiert sei, die eine Enteignung rechtfertigenden Gemeinwohlaufgaben in entsprechenden Rechtsvorschriften getreu dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot98 festzulegen. Keinesfalls - so das Bundesverfassungsgericht - dürfe es der staatlichen und kommunalen Verwaltung obliegen, das Wohl der Allgemeinheit durch eigenmächtige Bezeichnung von Allgemeinwohlzwecken zu konkretisieren; dem stünde der Gesetzes vorbehält entgegen. Diesen Vorgaben entsprächen daher nur Gesetze, welche Zwecke und Vorhaben einschließlich der sie konkretisierenden Voraussetzungen bestimmten." Damit ist nicht geklärt, ob sich der Gesetzgeber seiner Präzisierungsfunktion entzieht, wenn er lediglich die verfassungsrechtliche Generalklausel an die Exekutive weitergibt. 100 Die Formulierung in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG selbst ist in bezug auf diese Frage offen; explizit wird vom Wortlaut die Enteignung nur an ein Gesetz gebunden („durch oder aufgrund"), welches Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Selbst wenn die Forderung nach gesetzlicher Definition des Gemeinwohlzwecks im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG nicht eindeutig von Art. 14 Abs. 3 GG formuliert wird, lassen sich aus dem Umstand, daß lediglich die Entschädigungsfragen als Regelungsinhalt des Ermächtigungsgesetzes konkret benannt sind, andere, weitere Inhalte des für die Enteignung grundlegenden Gesetzes noch nicht von vornherein ausschließen. Dann hätte Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG von einem Gesetz sprechen müssen, das nur Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Dagegen deuten die gewählte Formulierung und der systematische Zusammenhang eher darauf hin, Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG in einem auch die Entschädigung einschließenden Sinne zu verstehen, weil der gleichzeitige Wertausgleich eben auch - also zusätzlich - zur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Enteignung erhoben werden soll. Daß daneben das „Wohl der Allgemeinheit" gesetzlich geregelt, d. h. präzisiert sein muß, ergibt sich nämlich bereits selbstverständlich aus dem vorangehenden Satz, der den finalen Eingriff in das von der Eigentumsgarantie des Absatzes 1 geschützte Eigentum legitimiert i. V. m. den Bestimmungen der Art. 20 Abs. 3, 1 Abs. 3 GG, dem traditionellen Bestimmtheitsgebot des Gesetzmäßigkeitsgrund3. 7. 1998-4 CN 5/97, NVwZ 1999,407 (408); Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 556 m. w. N. in Fn. 1419; nach a. A. reicht auch der materielle Rechtssatz aus, Weber, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, 1954, S. 380 f. 97 Grundsatz Art. 70 GG: Länder; gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG kann aber auch der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis für die in Art. 73 und 74 GG aufgezählten Sachmaterien Gebrauch machen 9 8 Dazu grundlegend BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1958-2 BvL 4 u. a./56 u. a., E 8, 274 (325 f.). 99
BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a. /71, E 56, 249 (261 f.) mit Verweis auf Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (403f.); Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38, 175 (180). Ferner Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (268, 285, 288). Vgl. auch zusammenfassend Rittstieg, in: Wassermann, Alternativkommentar zum GG, Art. 14, Rn. 194 ff. 100 So Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 173; Scharf, BayVBl. 1965, 333.
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satzes. Ansonsten bedürfte nur die Entschädigung einfachgesetzlicher Präzisierung, während hinsichtlich der übrigen Enteignungsvoraussetzungen101 unmittelbar auf Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG als konkrete Ermächtigung zurückgegriffen werden könnte. 102 Für die Annahme, daß der Enteignungszweck als maßgebliches Rechtfertigungskriterium für den Eigentumseingriff aus dem Tatbestand herausfallen soll, den der einfache Gesetzgeber exakt zu fassen hat, besteht aber kein Anlaß. Denn auch aus der historischen Perspektive läßt sich die dogmatische Entwicklung des Gesetzesvorbehalts gerade an dem durch ihn bezweckten Schutz der privaten Freiheits- und Eigentumssphäre festmachen. 103 Seine Funktion besteht darin, daß der Gesetzgeber selbst regeln soll, ob und wie die Verwaltung zu handeln hat 1 0 4 , damit das Handeln der Verwaltung zum einen für den Betroffenen prognostizierbar wird und zum anderen im gerichtlichen Verfahren aufgrund des gemäß Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes überprüfbar ist. Folglich muß das Gesetz, durch welches oder aufgrund dessen enteignet werden kann, neben der Regelung von Art und Ausmaß der Entschädigung selbstverständlich auch aus dem vielfältigen Bereich der Gemeinwohlaufgaben diejenigen Sachgebiete auswählen, für die es generell die zwangsweise Verwirklichung durch Enteignungen zulassen oder anordnen will. Die Enteignungsbefugnis in Abs. 3 bedarf schon allein wegen der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) einer gesetzlichen Konkretisierung wie jede andere im Grundgesetz vorgesehene Grundrechtsschranke auch. Denn es wäre nicht einzusehen, warum ein Eingriff in die Eigentumsgarantie im Wege der Enteignung, dessen finaler Charakter den ursprünglich garantierten Eigentumsbestand sogar in seiner Substanz trifft, so daß dieser zu einer Wertgarantie modifiziert 105 , anders als eine bloß präventive Verbotsregelung mit Erlaubnisvorbehalt 106 keiner ausdrücklichen einfachgesetzlichen Konkretisierung bedürfe. Gerade weil der durch die Klausel als gesetzliche Grundlage ermöglichte Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Betroffenen den konkreten Bestand im Ergebnis teilweise bis vollständig reduziert, kann auch der Eigenart solcher Sachverhalte nicht mehr viel Beachtung geschenkt werden: Die Bestimmtloi Vgl. unten 2. ι 0 2 Anders die Prüfungsreihenfolge bei Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/266 (267): Zunächst ist die verfassungsrechtliche Legitimation durch das Wohl der Allgemeinheit als die wichtigste verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung zu prüfen. Erst danach „kommt es darauf an, ob der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Enteignung beachtet ist". 103 Vgl. Obermayer, BayVBl. 1971, 210. 104 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1958-2 BvL 4 u. a./56, E 8, 274 [325]; Beschl. v. 3. 2. 1959-2 BvL 10/56, E 9, 137 [147f.]; Beschl. v. 7. 4. 1964-1 BvL 12/63, E 17, 306 [313ff.]; Beschl. v. 3. 6. 1992-2 BvR 1041/88 u. a., E 86, 288 [311]. 105 BVerfG, Beschl. v. 7. 6. 1977-1 BvR 108 u. a./73 u. a., E 45, 63 (76) wieder unter Bezugnahme auf Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (397). Zur Entwicklungsgeschichte Schwab, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, S. 98. 106 Vgl. dazu BVerfG, Urt. V. 5. 8. 1966-1 BvF 1/61, E 20, 150 (158); ausführlich Gromitsaris, DÖV 1997, 401 ff.
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heit, die Eindeutigkeit und Klarheit der Norm 1 0 7 genießt Vorrang vor gesetzgeberischen Praktikabilitätserwägungen, daß nicht jeder in der Zukunft mögliche Enteignungszweck vom Gesetzgeber erfaßt werde kann, und der damit zusammenhängenden Absicht des Gesetzgebers, die Regelung für bislang unerkannte, möglicherweise aber später Gemeinwohlrelevanz erlangende Fallkonstellationen offen zu halten. Bloße generalklauselartige Wiederholungen der Verfassungsvorschrift des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG reichen folglich noch nicht als konkrete Enteignungsermächtigungen aus. Gegen dieses Ergebnis sprechen auch nicht die offen formulierten Tatbestände der als solche von der Rechtsprechung anerkannten, entschädigungspflichtigen Eingriffe in die Eigentumsgarantie. 108 Nach diesen soll, wenn der Eingriff enteignenden Charakter trägt, der grundrechtliche Schutz des Eigentums einen Ausgleich fordern. Die Einschätzungsprärogative liegt hier aber in der Hand der Verwaltung. - Warum diese in der Rechtspraxis für zulässig gehalten, die einfachgesetzlichen, enteignungsrechtlichen Generalklauseln aber als mit der Verfassung nicht vereinbar einzuschätzen sein sollen, vermag erst auf den zweiten Blick zu überzeugen. Denn der erste wird noch von dem parallel zur Enteignung ausgleichspflichtigen Eigentumseingriff geblendet. Da aber von der Ausgleichspflicht nicht auf den Charakter der Maßnahme geschlossen werden kann, fällt das Auge schon gleich auf die Art der Eigentumsbeeinträchtigung. Die sogenannten „salvatorischen Entschädigungsklauseln", die ausgleichspflichtige Eigentumsbeschränkungen legitimieren, die als Enteignungstatbestände für „irgendwelche" Enteignungen keinesfalls der grundgesetzlichen Bestimmtheitsanforderung genügen würden 109 , sind ein Überbleibsel der alten Schwellentheorien 110. Diese dienten zur Abgrenzung von Inhalts-/ Schrankenbestimmung des Eigentums und Enteignung, als noch der Aufopferungsgedanke den Enteignungsbegriff beherrschte. 111 Sie rechtfertigen bei näherem Hinsehen nur das grundsätzlich gegenüber jedermann ergangene, allgemeine Verbot, ζ. B. eine Wiese aus Gründen des Naturschutzes nicht mehr zu betreten, auch gegenüber demjenigen, den es in seiner Eigenschaft als Eigentümer besonders hart trifft. Denn als Eigentümer kann er sein Eigentum - wie im Beispiel aus Gründen des Naturschutzes - nicht mehr wirtschaftlich nutzen, während dem Nichteigentümer damit nur eine bestimmte Form der Freiheitsausübung versagt ist. io? Vgl. beispielhaft BVerfG, Beschl. v. 27. 11. 1990-1 BvR 402/87, E 83, 103 (145) und Urt. v. 24. 4. 1991 - 1 BvR 1341/90, E 84, 133 (149). i° 8 Zusammenfassend zur Kritik an der h.M. Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 23 f.; Pietzcker, JuS 1991, 369ff. 109 Breuer, DVB1. 1981, 972; ders., Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie (1976), S. 69 f. no Vgl. dazu die Schweretheoùe des BVerwG, seit Urt. V. 27. 6. 1957 - I C 3/46, E 5, 143 (145). In der Regel mit am Ende gleichem Ergebnis stellte der BGH dagegen auf das Sonderopfer des Eingriffs ab, Beschl. v. 10. 6. 1952 - GSZ 2/52, BGHZ 6, 270 (375 ff.). Zusammenfassende Darstellungen der Rechtsprechung bei Maurer, in: Dürig-FS, S. 299f.; Weber, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 375 ff. in Aufschlußreich die Darstellung bei Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 18 ff..
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Spätestens seit in der Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 112 klargestellt wurde, daß Inhalts- und Schrankenbestimmung sowie Enteignung nicht lediglich durch die Schwelle der für den einzelnen ohne Ausgleich unzumutbaren Eigentumsbeschränkung getrennt, sondern zwei voneinander völlig verschiedene Rechtsinstitute sind, bleibt eine abstrakt generelle Regelung der Rechte und Pflichten des Eigentümers eine Inhalts- und Schrankenbestimmung und ist die Ausgleichsmöglichkeit in besonders harten Fällen nicht dem enteignungsrechtlichen Junktim des Wertersatzes, sondern neuerdings der Verhältnismäßigkeit geschuldet.113 Folglich entscheidet die Exekutive in diesen Fällen, anders als bei Generalklauseln, die zum finalen Eingriff, dem Entzug konkreter subjektiver Eigentumspositionen ermächtigen, auch nicht über die Enteignungswürdigkeit des Vorhabens als eine Frage, die vor der Zumutbarkeit im Einzelfall zu beantworten ist, sondern lediglich über die Zumutbarkeit der jedermann treffenden Eigentumsbeschränkung. Daß Schmidbauer für die Überraschungsfälle, denen die „Schwerfälligkeit des Gesetzgebers" nicht gerecht wird 1 1 4 , eine Ausnahme machen will vom Grundsatz der gesetzlichen Präzisierung des Enteignungszwecks, wirkt als Reminiszenz an die letztlich der Weimarer Zeit entlehnte Eigentumsdogmatik, als offene Flanke, die der Enteignungsbehörde im Einzelfall doch das gesamte Entscheidungspotential aufbürdet. Verlangt man die gesetzliche Verankerung des konkreten Enteignungszwecks, so kann nicht ein Hintertürchen für die unbekannten Fälle offen gehalten werden. Außerdem wird es der Enteignungsbehörde niemals zweifelsfrei gelingen herauszufinden, ob es sich bei dem „unvorhergesehenen" Vorhaben tatsächlich um ein solches handelt, das gegebenenfalls im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG dem gemeinen Wohl dienen kann, so daß eine Enteignung gerechtfertigt ist. Daß sich für das spezifische Vorhaben kein gesetzlicher Enteignungszweck finden läßt, kann nämlich genausogut Indiz für bewußte Zurückhaltung des Gesetzgebers sein, der gerade dieses Vorhaben von denen unterscheiden wollte, die er im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG für ausreichend gemeinwohldienlich befindet. Dem Gesetz, das den Enteignungszweck präzisiert, kommt somit eine Doppelfunktion zu: Es ist nicht wegzudenkende Grundlage jeder rechtmäßigen Enteignung, und es begrenzt gleichzeitig die Fälle rechtmäßiger Enteignungen, indem 112 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981-1 BvL 77/78, E 58, 300 (317ff.); vgl. ferner Beschl. v. 30. 11. 1988-1 BvR 1301/84, E 79, 174 (191 ff.); Beschl. v. 9. 1. 1991-1 BvR 929/89, E 83, 201 (211 ff.); Beschl. v. 2. 3. 1999-1 BvL 7/91, DVB1. 1999, 1498 (1499); vgl. auch den dieser Entscheidungssequenz vorangegangenen Beschluß zum Kleingartenrecht v. 12. 6. 1979-1 BvL 19/76, E 52, 1, (27f., 31), aus dem deutlich hervorgeht, daß auch die Berührung der Substanz zur Abgrenzung von Inhalts-/ Schrankenbestimmung zur Enteignung unbrauchbar ist. Wohl wichtig(st)er Vorreiter dieser Entwicklung ist Dürig, JZ 1954, 4 ff. Zum Überblick Eschenbach, Jura 1997, 519 ff. 113 BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 1999-1 BvL 7/91, E 100, 226 (244ff.); vgl. ausführlich Papier, DVB1. 2000, 1402 ff. 114 Enteignung zugunsten Privater, S. 60; in diesem Sinne auch Grämlich, JZ 1986, 275.
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es - ohne die Zahl ihrer Anwendungen zu kennen - die möglichen Enteignungszwecke abschließend benennt.115 Schließlich macht dies die Enteignung auch von sonstigen eigentumsentziehenden Maßnahmen unterscheidbar, die nicht gezielt einen im gesetzlich konkretisierten Enteignungszweck zum Ausdruck kommenden spezifischen Gemeinwohlauftrag, sondern nur ein allgemeines öffentliches Interesse verfolgen. 116
2. Die Normierung der weiteren Enteignungsvoraussetzungen Wie bereits erwähnt, muß der Gesetzgeber nicht nur den Enteignungszweck präzisieren; bei der Variante der Enteignung aufgrund eines Gesetzes hat er auch die verwaltungsrechtliche Grundlage zu beschreiben und festzulegen, unter welchen weiteren Voraussetzungen, in welchem Verfahren die Enteignung zulässig sein und wie der Enteignungszweck dauerhaft gesichert werden soll. 1 1 7 Daß die Enteignung in mehreren Gesetzen geregelt werden darf, so daß damit Enteignungszweck und -verfahren auseinandergerissen werden, ist vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden. 118 Der Gesetzgeber ist aber nicht unter allen Umständen darauf verwiesen, den Enteignungszweck zunächst generell-abstrakt festzulegen. 119 Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG sieht ähnlich anderen Grundrechtsnormen den Eingriff in das Grundrecht ebenfalls unmittelbar durch Gesetz vor (Legal- oder Legislativenteignung).120 Diese Enteignungsvariante wurde ursprünglich als „Ausnahmefall" 121 gekenn115 Dörr, NJW 1988, 1053; Jakisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, S. 93; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 349. 116 So dient die Zwangsvollstreckung nicht der Erfüllung von Staatsaufgaben, sondern den Interessen privater Gläubiger. Ebenso verhält es sich mit den auf Eigentumsentzug gerichteten Vollstreckungsakte zur Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten. Auch Einziehungen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht und nach umstrittener Auffassung Umlegungen und Rurbereinigungen werden herrschend nicht als Enteignungen gesehen, Papier, in: Maunz /Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 659; Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 75. Vgl. auch schon Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Rechte, S. 2 f. 117 BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249 (261 m. w. Ν.); Breuer, DVB1. 1981, 972; Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 8. Zum letzten Punkt vgl. § 7 III 3. 118 So wurde die Aufsplittung einer materiell-rechtlichen Enteignungsregelung auf das LandeseisenbahnG Rheinland-Pfalz und das LandesenteignungsG Rheinland-Pfalz für zulässig erachtet, BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249 (264 f.); vgl. auch Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 56. 119 BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 1996-2 BvF 2/93, E 95, 1 (26). 120 Zur Abgrenzung von der Enteignung „aufgrund" eines Gesetzes und der Enteignung „durch" Gesetz BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1977-1 BvR 514/68 u. a., E 45, 297 (325 ff.). 121 So insbesondere BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (398 ff., 402 f.); jünger BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 1996-2 BvF 2/93, JZ 1997, 302.
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zeichnet, weil hier der Eigentümer mittels eines Hoheitsaktes in Gesetzesform, der tatsächlich wie ein sonst regelmäßig abwehrfähiger Vollzugs(einzel)akt wirkt, in seinen Rechtsschutzmöglichkeiten eingeschränkt wird. 1 2 2 Sie ist indessen durch das Bundesverfassungsgerichts gerade für den Fall einer privatbegünstigenden Enteignung (Boxberg) 123 in einem obiter dictum von sämtlichen restringierenden Vorurteilen befreit worden. 124 Ein prinzipielles, auf enge Ausnahmetatbestände beschränktes Verbot der Legalenteignung kann damit nicht mehr aus Art. 14 Abs. 3 GG begründet werden. 125 Vielmehr scheint eben die Legalenteignung von Fall zu Fall das Instrument sein zu können 126 , um die bei weichen Enteignungszwecken unvermeidlichen Kriterien für die konkrete Interessenabwägung bereits gesetzlich zu verankern, damit diese Rechtfertigungszwecke tatsächlich den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie genügen.127 Selbstverständlich muß das enteignungsermächtigende Gesetz neben Art. 14 Abs. 3 GG auch die sonstigen Grundrechte Dritter beachten. Das gilt natürlich nur insoweit, als das inhaltlich bestimmte Gesetz, das auch im übrigen allgemeinen Verfassungsgrundsätzen sowie den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügt, aufgrund seiner inhaltlichen Regelung Grundrechte Dritter überhaupt berühren 128 und in sie eingreifen kann. Da bei enteignungsermächtigenden Gesetzen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG eine finale Einschränkung grundrechtlich geschützter Freiheiten Dritter 129 regelmäßig ausscheidet, ließe sich eine grundrechtliche Betroffenheit Dritter schon nur unter Annahme des mittelbar faktischen Grundrechtseingriffs durch bloße Nichtbegünstigung130 denken. Diese könnte allerdings nur 122
Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 10, Rn. 60; Leisner, in: Isensee, Eigentum, S. 159; „schlechthin verneint" werden müsse deshalb die (echte) Legalenteignung, Maurer, in: Dürig-FS, S. 307. Dagegen hält Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 240, Fn. 154 die Rechtsschutzvorbehalte für übertrieben. BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264. Kritisch dazu Papier, JZ 1987, 621, nach dessen Ansicht die „Schlußbemerkung besser unterblieben" wäre. 125 Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 563 ff.; Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 86 ff.; zu den Problemen Schmidt-Aßmann, NJW 1987, 1589. 126 Vgl. z u den Nachteilen, die beim Einsatz desselben natürlich zu bedenken sind Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 67. 124
ι 2 ? Vgl. BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (296f.). 128 Zum Beispiel Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG, weil einem vom Gesetzgeber für förderungsbedürftig befundenen Industriezweig ein Enteignungsrecht für bestimmte Zwecke eingeräumt wird, es anderen aber versagt bleibt. 129 Vgl. zu den Voraussetzungen des klassischen Grundrechtseingriffs Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 238. 130 Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 40; BVerwG, Urt. v. 18. 10. 1990-3 C 2/88, E 87, 37 (43 ff.); vgl. zur Folgeproblematik des erweiterten Eingriffsbegriffs Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 242 ff. Die Frage überschneidet sich mit der nach den Grenzen wirtschaftlicher Betätigung privatrechtlich /-wirtschaftlich agierender hoheitlicher Träger, Uberblick
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geltend gemacht werden, wenn jede Grundrechts Widrigkeit den grundrechtlichen Gesamtzusammenhang beeinträchtigt, weil die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte des einzelnen gegen gezielte Eingriffe, sondern objektive Wertmaßstäbe der gesamten Verfassungsordnung sind. Selbst das Bundesverfassungsgericht jedoch, das überwiegend vom Doppelcharakter der Grundrechte ausgeht, hat eine derart weitreichende Überprüfung abgelehnt131, weil sie den Schutzzweck der Grundrechte, der auf den einzelnen, den in seiner Freiheitsausübung Betroffenen bezogen ist, überdehnt. 132
3. Die Anforderungen des Übermaßverbots an den Enteignungsakt Für die Rechtmäßigkeit der Enteignung reicht es nach überwiegender Auffassung noch nicht aus, daß das enteignungserhebliche Vorhaben mit der verhältnismäßigen gesetzlichen Festlegung übereinstimmt. 133 Weil Details des Eingriffs in das Eigentum des Betroffenen, die sich insbesondere auch aus der Situationsgebundenheit des Eigentums ergeben, auf der gesetzgeberischen Ebene zwangsläufig nur unvollkommen geregelt werden können, muß dann im untergesetzlichen Einzelakt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Zuge kommen. Als Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Eigentümers muß die Enteignung geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das grundsätzlich dem gesetzlich anerkannten Wohl der Allgemeinheit dienende Vorhaben durchführen zu können. 134 Dem Übermaßverbot 135 kommt für die Zulässigkeit der Enteignung im konkreten Einzelfall deshalb besondere Bedeutung zu. 1 3 6 dazu bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 7 ff. Im Ergebnis den faktischen Eingriff ablehnend Gusy, DÖV 1984, 875 ff.; Höfling, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 1, Rn. 94; kein Grundrechtsschutz vor staatlicher Konkurrenz Ramsauer, VerwArchiv 72 (1981), 102; differenzierend Starek, in: v. Mangoldt/Klein, Grundgesetzkommentar, Art. 1, Rn. 196 ff.; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 107 f.; Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares" Einwirken, S. 368 ff. Den Eingriff über seine Quantifikation schließt weitgehend auch das BVerwG aus, Beschl. v. 21. 3. 1995-1 Β 211/94, DVB1. 1996, 152 (153 f.). 131 Vgl. auch Häberle, AöR 95 (1970), 279 ff. 132 Vgl. BVerfG, Urt. v. 29. 11. 1961-1 BvR 758/57, E 13, 230 (233ff.); daran anknüpfend mit eigenem Begündungsansatz Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 353 ff. Vgl. auch Bethge, VVDStRL 57 (1997), 25 f. 133 BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1977-1 BvR 514/68 u. a., E 45, 297 (321 f.); Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 65; a. A. Börner, BayVBl. 1976, 645. 134 So schon BVerwG, Urt. v. 26. 3. 1955 - 1 C 149/53, E 2, 36 (38); Urt. v. 27. 9. 1961 I C 37/60, E 13, 75 (77); Urt. v. 28. 5. 1965 - V I I C 59/64, E 21, 191 (193) u. v. a. 135 Zum Grundsatz selbst und seiner Ableitung aus dem Rechtsstaatsprinzip BVerfG, Beschl. v. 5. 3. 1968-1 BvR 579/67, E 23, 127 (133); Jakisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, S. 193 m. w. N. Fn. 525; zur Ableitung aus dem Wesen der Grundrechte BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1965-1 BvR 513/65, E 19, 342 (348f.); Schnapp, JuS 1983, 852 f.; ders., in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 20, Rn. 27. ; richtigerweise folgt er aus Art. 1 Abs. 3 GG i. V. m. den Einzelgrundrechten BVerfG, Urt. v.
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Die Frage der Geeignetheit der Eigentumsentziehung wird regelmäßig keine Probleme aufwerfen. 137 Diese ist bereits dann anzunehmen, wenn die Prognose des Kausalverlaufs die Enteignung nicht als absolut ungeeignet erscheinen läßt, um das gesetzlich konkretisierte Allgemeinwohl zu verwirklichen. Daß es in der Regel keine absolute Sicherheit einer vollständigen Zielerreichung geben kann, enteignende Maßnahmen vor Fehlschlägen im Einzelfall also auch nicht gefeit sind, stellt die grundsätzliche Tauglichkeit der Maßnahme nicht in Frage. 138 Aufwendiger gestaltet sich die Prüfung, ob die Enteignung im Einzelfall erforderlich ist, um das dem Wohl der Allgemeinheit dienende Vorhaben durchführen zu können. Das Kriterium darf nicht verwechselt werden mit der Erforderlichkeit der Vorhabenrealisierung als solcher. Diese wird bei der Erforderlichkeitsprüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vorausgesetzt, soweit es sich nicht um absolut verbotene Zwecke handelt. Hier geht es allein darum, daß die Enteignung ultima ratio sein muß. 139 Dem damit zum Ausdruck kommenden Prinzip des Interventionsminimums 140 genügt die Enteignung nur, wenn es außer ihr keine sonstige rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Lösung gibt, kraft derer dem Wohl der Allgemeinheit in gleicher Weise gedient wäre. 141 Der Eingriff im Wege der Enteignung darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Gemeinwohlbelange zu erfüllen. 142 Dabei gilt es nachzuweisen, daß sich der Enteignungsbegünstigte ernsthaft um den freihändigen Erwerb des in Anspruch zu nehmenden Grundeigentums 143 bzw. um die freiwillige Belastung mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit 144 bemüht hat. Auch andere, auf langfristige Gebrauchsüber11. 6. 1958-1 BvR 596/56, E 7, 377 (403 f.); Enders, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Vor Art. 1, Rn. 122. 136 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 85 m. w. N. 137 Vgl. v. Brünneck, NVwZ 1986, 429; Jakisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, S. 194; Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 149. 138 BVerwG, Urt. V. 3. 7. 1998-4 CN 5/97, NVwZ 1999,407 (408f.). 139 Vgl. BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (405). 140
In diesem Sinne auch Jakisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, S. 201; Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 149, der allerdings die Erforderlichkeit der Vorhabenrealisierung bereits in einem der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgelagerten Schritt überprüft wissen möchte. Für solche außerhalb des üblichen Verfahrens liegende Schritte besteht keine Notwendigkeit: Ob die mit dem enteignungserforderlichen Vorhaben verfolgten Interessen stark genug sind, um die entgegenstehenden privaten Eigentümerrechte aus dem Feld zu schlagen, ist allein eine Frage der auf die Erforderlichkeitsprüfung folgenden Angemessenheitsüberlegungen. 141 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (404 f.); Beschl. v. 10. 5. 1977-1 BvR 514/68, E 45, 297 (321 f.); Beschl. v. 9. 6. 1987-1 BvR 418/87, DVB1. 1987, 895 (896); BVerwG, Urt. v. 18. 4. 1964 - 1 C 48/63, E 19, 171 (172f.); Breuer, DVB1. 1981, 974; Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 120. 1 42 Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 597. 1 43 Umfassend und mit vielen praxisnahen Erläuterungen Gassner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, insb. S. 114 ff. 1 44 Stuchlik, UPR 1998, 2.
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lassung ausgerichtete Rechtsgeschäfte, wie beispielsweise die Pacht, erfüllen diese Funktion. 145 Bei der anschließend zu erstellenden Bilanz sind die widerstreitenden Interessen in Ausgleich zu bringen. Es handelt sich um eine Gesamtabwägung zwischen dem mit dem Eingriff in die Eigentumssphäre erstrebten Gewinn für das allgemeine Wohl und der Schwere, den Auswirkungen des Eingriffs auf den Betroffenen. Zu wahren ist das angemessene Verhältnis von Ausmaß des dem Betroffenen infolge des Eingriffs zugefügten Nachteils zum Nutzen, den das Vorhaben und indirekt damit auch das gemeine Beste aus der Enteignung ziehen soll. 1 4 6 Der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne kommt dabei die schwierige Aufgabe zu, herauszufiltern, ob das vom Gesetzgeber mittels der Enteignung für förderungswürdig erkannte und in der Festsetzung des Enteignungsrechts benannte Gemeinwohl durch das konkrete Vorhaben tatsächlich so nachhaltig verbessert wird, daß die Enteignung gerechtfertigt ist. 1 4 7 Nicht ausreichend ist ζ. B., daß U-Bahnen generell dem Allgemeinwohl förderlich sind, wenn das konkrete Grundstück, das zum Zwecke des U-Bahnbaus enteignet werden soll, nur für die vorübergehende Materialablagerung aus Anlaß des Netzausbaus benötig wird. 1 4 8 Die Möglichkeit, durch das konkrete Vorhaben das vom Gesetz bezeichnete Wohl der Allgemeinheit zu fördern, muß gewichtig genug und seine Schmälerung im Falle der Unterlassung erheblich sein, um den finalen Eingriff in den konkreten Eigentumsbestand als zumutbar einstufen zu können. Je besser das Vorhaben geeignet ist, das gemeine Wohl zu fördern, um so sicherer kann die Enteignung für zulässig erachtet werden. Vorsicht ist allerdings bei den rein abwägenden Entscheidungsformeln geboten. Seit der Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 149 kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Enteignung nicht mehr argumentiert werden: „Je gewichtiger" das durch die Enteignung geförderte Wohl ist, „um so weiter kann auch der Eingriff in das Eigentum gehen". 150 Bei der Enteignung gibt es kein
145 Vgl. BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (407). 146 Papier, in: Maunz /Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 597. 147 Stellt sich die Prognose nachträglich als falsch heraus, ändert das allerdings nichts am Bestand der Enteignung, vgl. Gerhardt, in: Zeidler-FS, S. 1672. 148 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1977-1 BvR 514/68, E 45, 297 (321 f.). 149 Beschl. v. 15.7. 1981 - 1 BvL 77/78, E 58, 300ff. (insb. 323f.). 150 So aber Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 150; am alten Schwerekriterium haftend auch Gornig/Jahn, JuS 1995, 622; Leisner, in: Isensee, W. Leisner - Eigentum, S. 148 (= ders., in: Isensee/Kirchhof, HdStR VI, § 149, Rn. 148 ff.; Wendt, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 150, 155. Wenn dagegen jüngst das BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 1999-1 BvL 7/91, DVB1. 1999, 1498 (1500) ungeschickterweise von einer „Zumutbarkeitsgrenze" der hinzunehmenden Inhalts- und Schrankenbestimmung spricht und fortfährt, daß nur noch eine Enteignung den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen vermag, so kann es hier nur eines meinen: Die Inhalts- und Schrankenbestimmung ist unverhältnismäßig, denn selbst eine Ausgleichsregelung kann nicht kompensieren, was der Eingriff bewirkt - eine Verletzung des Wesensgehalts (Art. 19 Abs. 2 GG) des in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Eigentums, nämlich die nahezu vollständige Beseitigung
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weniger und mehr, kein schwerer und leichter, kein mehr oder weniger an Aufopferungswürdigkeit 151; die Enteignung bedeutet entsprechend ihrem Umfang den einmaligen finalen Entzug der gesamten Eigentümerbefugnisse, und nur diesen gravierenden Einschnitt in das nicht nur materielle, sondern zugleich soziale Gefüge des Betroffenen 152 gilt es in die Abwägung einzustellen.
II. Die private Unternehmensführung und das Allgemeinwohl Übereinstimmung herrscht heute außerdem dahingehend, daß der Person des Enteignungsbegünstigen153 keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. 154 Allein die privatrechtliche Organisationsform des Enteignungsbegünstigten führt somit per se noch nicht zur Unzulässigkeit der Enteignung. 155 Denn das Wohl der Allgemeinheit zu realisieren obliegt hoheitlichen Trägern nicht als Monopol. 156 Wie schon aus der in Teil 1 dargestellten historischen Entwicklung ersichtlich wird, würde das Gemeinwesen zusammenbrechen, könnten nicht privatrechtliche Organisationen das Gemeinwohl rechtsproblemlos und sogar alltäglich bewährt verwirklichen, ohne daß sie deshalb uneingeschränkt staatlicher Ingerenz unterworfen wären. 157 Die Organisationsformen des privaten Rechts schließen folglich eine - gegebenenfalls auch nur begrenzte oder bloß mittelbar zu Tage tretende Gemeinwohlorientierung nicht aus. Allerdings sind private Wirtschaftssubjekte - anders als öffentlich-rechtliche Unternehmensformen - nicht als solche dem gemeinen Besten verpflichtet. 158 Oftmals verwirklicht sich der gemeine Nutzen des Unternehmens nur nebenbei, als der den Begriff kennzeichnenden Qualitätsmerkmale (Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis). 151 Eindeutig Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 66; Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 88, 95 f. 152 Zum elementaren Charakter des Eigentumsgrundrechts im Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Freiheit BVerfG, Urt. V. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (389). 153 Zur Kritik der herrschenden Auffassung anknüpfend an diesen Begriff Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 - 1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/266 (271 f.); dagegen Breuer, DVB1. 1981, 975. 154 Vgl. neben BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (285) schon Knoll, AöR 81 (1971), 160. 155 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257); BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (285); BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1953 - I C 100/53, E 1,42 (43); BVerwG Urt. v. 14. 3. 1985-5 C 130.83, E 71, 108 (124). 156 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 372. So bereits Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 14 ff., 126. 157 Heinze, Eisenbahnplanfeststellung, S. 30. 158 Zu den daraus erwachsenden Gefahren des Mißbrauchs zu Lasten des Schwächeren Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 96, vgl. auch 98.
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Reflex des ganz egoistischen Motiven folgenden Wirtschaftens. 159 Inwieweit der Unternehmer, strebt er eine Enteignung zu seinen Gunsten an, davon Abschied nehmen muß, bleibt späteren Erörterungen vorbehalten. Unantastbar ist zumindest der Grundsatz, der sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ableiten läßt: „Die Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig". 160 Eine Enteignung, die ausschließlich privaten Interessen zum Vorteil gereicht, wie bedeutsam sie auch immer sein mögen 161 , genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG. 1 6 2
III. Die spezifischen Gemeinwohlanforderungen der privatbegünstigenden Enteignung Wenn es für die Entscheidung, ob eine Enteignung zulässig ist oder nicht, nicht in erster Linie auf die Person des Begünstigten ankommt, steht zu fragen, welche Spezifika es sind, die die privatbegünstigende von der staatsbegünstigenden Enteignung abhebt und welche besonderen Voraussetzungen für sie daraus erwachsen. Denn weil Art. 14 Abs. 3 GG nicht nach dem Begünstigten der Enteignung differenziert, müßten seine Voraussetzungen dem Wortlaut nach gleichermaßen für staats- und privatbegünstigende Enteignungen gelten. Eine Verschiedenbehandlung beider ist allein aus dem Text des Grundgesetzes nicht ableitbar. Nun ist die Enteignung grundsätzlich aber nicht dafür gedacht, die Privatrechtsordnung durch Umverteilung zu verändern oder zwischen Privatrechtssubjekten auftretende Probleme zu lösen, indem eine mit Mitteln des Privatrechts zu erstrebende Güterneuzuordnung schlicht durch Hoheitsakt vollzogen wird. 1 6 3 Beim typischen Fall der Enteignung geht die öffentliche Gewalt aus „eigenem Interesse aktiv, offensiv" gegen den Privateigentümer vor, weil sie sein Eigentum für einen öffentlichen, dem Wohl der Allgemeinheit dienenden Zweck in irgendeiner Weise nutzen w i l l . 1 6 4 Der Staat als Enteignungsbegünstigter bringt dabei eine in Art. 14 159
Siehe Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 113, 151 ff. auch zu den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Allgemeinwohl und Privatinteressen durch Überlagerung im Einzelfall. 160 Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 112; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 20. 161 Bullinger, Der Staat 1962,450 f. 162 Vgl. nur Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 584; Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 151; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 127. 163 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38, 175 (179ff.); Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/266 (290); Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 239, Fn. 142 stellt deshalb zur Abgrenzung auf die öffentliche Rechtsnatur des Rechtssatzes ab. 164 BVerfG, Beschl. v. 17. 11. 1966-1 BvL 10/61, E 20, 351 (359).
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Abs. 3 GG vorausgesetzte Konstante von selbst mit: Er ist bereits von Hause aus dem Gemeinwohl verpflichtet und bleibt es auch. 165 Diese Gewißheit gibt es - wie im vorangegangenen Abschnitt bereits angedeutet - beim Privaten nicht. Aus dieser Diskrepanz resultieren keine inhaltlich anderen Voraussetzungen für die Enteignung zugunsten des Privaten und zugunsten des Staates, dagegen stünde der Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 GG. Auszumachen sind aber - zum Teil nur graduelle - Unterschiede bei der Umsetzung und den Modalitäten zur Sicherstellung des Gemeinwohlzwecks, die im Umgang mit den Voraussetzungen bei rechtmäßiger staats- und rechtmäßiger privatbegünstigender Enteignung deutlich werden. Denn die Gemeinwohldefizite, die in der Natur des enteignungsbegünstigten Privaten begründet liegen, bedürfen eines Ausgleichs, der durch entsprechende gesetzlich auferlegte Verpflichtungen einerseits und staatliche Kontrolle und Überwachung andererseits erfolgen kann. Wie weit die Verschiedenbehandlung im Einzelfall bezogen auf die Enteignungsvoraussetzungen reichen muß, soll nachfolgend analysiert werden (1.-3.), um in einem weiteren Schritt kontrollieren zu können, ob die vom Gesetzgeber im Eisenbahninfrastrukturbereich getroffenen Festlegungen diesen Ansprüchen genügen (§§ 8 und 9).
1. Die gesetzliche Normierung des Enteignungszwecks und die Gemeinwohldienlichkeit der enteignungserheblichen Unternehmung a) Der Unternehmensgegenstand als Anknüpfungspunkt für die Gemeinwohldienlichkeit Das Bundesverfassungsgericht hat sich in zwei inzwischen legendären Entscheidungen zur Zulässigkeit von privatbegünstigenden Enteignungen geäußert. 166 In beiden bestätigt es nochmal, daß allein der Person des Begünstigten keine ausschlaggebende Bedeutung für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Enteignung zukommt, vielmehr der Enteignungszweck, das Wohl der Allgemeinheit, für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit maßgeblich ist. 1 6 7 Ausgehend davon knüpft das Bundesverfassungsgericht in beiden Entscheidungen seine Überlegungen, ob im jeweiligen Fall der materiell-rechtlichen Anforderung einer Enteignung gem. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG genügt und das gemeine Wohl gefördert wird, an den Unternehmensgegenstand und unterscheidet danach, ob dieser die Sorge für das Wohl der Allgemeinheit unmittelbar beinhaltet 168 oder die Allgemeinwohl165
Ausführlich, insbesondere auch zu den Wirkungen des Subsidiaritätsprinzips Isensee, in: ders. / Kirchhof, HdStR III, § 57, insb. Rn. 79, 165 ff. 166 Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248ff.; Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/ 85, E 74, 264 ff. 167 Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (285). 168 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257), vgl. auch BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (284).
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
dienlichkeit nur mittelbare Folge der im Geschäftsgegenstand beschriebenen Unternehmenstätigkeit darstellt. 169
(1) Die Realisierung des Allgemeinwohls als unmittelbarer Unternehmensgegenstand - Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 11 Abs. 1 EnWG a. F. Im Verfahren der konkreten Normenkontrolle entschied das Bundesverfassungsgericht zunächst, § 11 Abs. 1 En WG a. F. stünde mit dem Grundgesetz in Einklang, soweit er für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung die Enteignung für zulässig erkläre. Denn einzig entscheidend sei, daß das Vorhaben einem „besonderen" 1 7 0 , im öffentlichen Nutzen liegenden Zweck diene. Selbst bei einem privatrechtlich organisierten Unternehmen liege diese Voraussetzung vor, wenn durch oder aufgrund eines Gesetzes dem Unternehmen die Erfüllung einer dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe 171 zugewiesen und zudem sichergestellt sei, „daß es zum Nutzen der Allgemeinheit geführt" werde. 172 Unter diese Voraussetzungen hat das Bundesverfassungsgericht sodann subsumiert, daß die Energieversorgung zum Bereich der Daseinsvorsorge gehört und daher eine öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung ist, die auch privaten Energieversorgungsunternehmen gem. § 2 Abs. 2 EnWG a. F. zugewiesen sein kann. Die Entscheidung weist in dreifacher Hinsicht Mängel auf: Eher am Rande fällt auf, daß das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der theoretischen Vorüberlegungen einmal von dem „besonderen " und ein anderes Mal von dem „ bestimmten " Zweck spricht, der im öffentlichen Nutzen liegt, und diesen sodann definiert als „Erledigung einer dem Staat oder den Gemeinden obliegenden Angelegenheit" 173 . Da es sich hierbei um die Erläuterung jedes im öffentlichen Nutzen liegenden Zwecks handelt, bleibt im Dunkeln, was das Besondere, Bestimmte dieses öffentlichen Zwecks sein soll. Schwerer wiegen die weiteren Ungenauigkeiten.174 Sowohl auf Seite der Voraussetzungen als auch auf Subsumtionsebene hantiert das Bundesverfassungsgericht mit unscharfen Begrifflichkeiten. Indem es zunächst darauf abstellt, daß 169 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (285 f.). 170 An anderer Stelle „bestimmten", vgl. BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257). 171 Vgl. auch Böhmen Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/266 dringende (279), unumgänglich gebotene staatliche Aufgabe (292). 172 BVerfG, Urt. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257). 173 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257). 174 Nach Hermes (Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 437 f.) handelt es sich sogar um „Widersprüche", die sich nicht durch sprachliche oder sonstige Ungenauigkeiten erklären lassen.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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dem Unternehmen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eine öffentliche Aufgabe zugewiesen wurde, bindet es die mit der Enteignung zu verfolgenden Gemeinwohlzwecke daran, daß vom Begünstigten der Enteignung Aufgaben wahrgenommen werden, die eigentlich dem Staat obliegen. Als Enteignungsbegünstigter kommt somit in erster Linie der Staat oder eine Selbstverwaltungskörperschaft als regelmäßiger Träger derselben in Betracht. Möglich ist aber auch, daß ein Beliehener 175 oder ein Unternehmen in den Genuß des enteigneten Gutes kommt, dessen privatrechtlicher Struktur nur noch untergeordnete Bedeutung zukommt, weil es darauf angelegt ist, eine an sich dem Staat oder der Kommune obliegende Angelegenheit, ein Stück öffentlicher Verwaltung anstelle der öffentlichen Hand zu erledigen. 176 Nimmt man dies zur Voraussetzung, so ist die Realisierung des Allgemeinwohls zumindest abstrakt gesichert: Alle Träger öffentlicher Verwaltung ziehen nämlich ebenso wie der Staat ihre Existenzberechtigung nicht aus dem Selbstzweck, sondern nur daraus, den Nutzen der Allgemeinheit zu mehren. Sie fördern also das Wohl der Allgemeinheit ex officio. 177 Das entspricht in etwa dem historisch unzutreffend zugrunde gelegten Modell der echten Wirtschaftskonzession, durch die einem Eisenbahnunternehmen das Enteignungsrecht verliehen wurde. Indem es dieses ausübe, nehme es - so die These - ein Stück öffentlicher Verwaltung wahr. Diese weit verbreitete, dennoch verfehlte historische Vorstellung, die sich das Bundesverfassungsgericht hier zu eigen macht, mag seinem Modell Uberzeugungskraft geben 178 , diese gewisse Plausibilität ist aber dessen ungeachtet gleichwohl historisch verfehlt. 179 Doch ganz unabhängig von der unzutreffenden historischen Grundlage der Begründung, erscheint an dieser Argumentation des Gerichts problematisch, daß es, um die wichtigste Rechtfertigungsvoraussetzung der Enteignung zu konkretisieren, einen Terminus wählt, der nicht abschließend bestimmt, viehlmehr dem Wechsel der Zeiten unterworfen und selten genau gesetzlich festgelegt ist. Denn der Katalog der öffentlichen, verstaatlichten Aufgaben ist keine statische Größe, sondern kann beliebig entsprechend der politisch empfundenen Verantwortung, den finanziellen Möglichkeiten des Staates und seiner Verwaltung erweitert oder reduziert werden. 180 Wie schon von Frenzel beklagt, mangelt es an einer verfassungsrecht175
Schlußfolgerung von Breuer, DVB1. 1981, 974 aus dem Sondervotum von Böhmer (BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 - 1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/266). 176 Insoweit schon Bullinger, Der Staat 1 (1962), 466. 177
Bullinger, Der Staat 1 (1962), 457; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 22, 127. i™ So die Argumentation bei Bullinger, Der Staat 1962,472. ™ Vgl. Teil 1,§1 II. 180 Zusammenfassend Grimm, in: ders., Staatsauf gaben, S. 771 ff. Von Böhmer als Schwierigkeit erkannt, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 - 1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249/ 266 (277); von Breuer, DVB1. 1981, 974 bereits als Gegenargument angeführt. Vgl. auch schon Teil 2, § 6 II. 2. a. (1). 13 Pommer
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
lieh vorgeprägten Staatsaufgabenlehre, die eine Richtschnur liefern könnte, an der die öffentliche Bedeutung privatwirtschaftlichen Handelns abzulesen wäre. 181 Erhebt man diese variable Größe „Staatsaufgabe" trotzdem zum Maßstab, so könnten Staatsaufgaben jeweils kurzfristig deklariert werden, um ein politisch interessantes, weil populäres Vorhaben zu realisieren. 182 Ein Maßstab aber muß wie ein fester Anker vorhanden sein und darf nicht nachträglich erfunden werden. 183 Dagegen relativiert das Bundesverfassungsgericht die Enteignungsvoraussetzung „Gemeinwohldienlichkeit" über den Begriff der Daseinsvorsorge. Ohne daß es darauf ankommen soll, ob das Unternehmen „aus Gründen des Gemeinwohls errichtet", wenn es nur „zum Nutzen der Allgemeinheit geführt" wird, darf zwar das privatwirtschaftliche Erwerbsstreben niemals Motiv und Hauptzweck des Betriebes sein. Diese noch im Rahmen der Voraussetzung für die gemeinwohlbezogene Aufgabe aufgestellten Indizien für einen auf die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ausgerichteten Unternehmensgegenstand bleiben vom Bundesverfassungsgericht bei der Subsumtion unberücksichtigt, da sich mit dem Schlagwort Daseinsvorsorge alle weiteren Untersuchungen erübrigt haben. Obwohl die Verfassung nur ansatzweise Hinweise enthält, in welchen Bereichen ein Funktionieren der Wirtschaft unverzichtbar ist und private Wirtschaftstätigkeit aus diesem Grunde der staatlichen Förderung und Fürsorge bedarf, bemüht sich das Gericht nicht, nach klaren verfassungsrechtlichen Kriterien speziell für die Energiewirtschaft zu suchen. Es greift statt dessen im weiteren für die Energieversorgung den „Allerweltsbegriff" der Daseinsvorsorge auf, „mit dem man alles und deshalb nichts beweisen kann" 1 8 4 , subsumiert alles unter den Begriff der öffentlichen Aufgabe und raubt diesem dadurch vollends die Kontur. Ohne den als Rechtsterminus weitgehend abgelehnten Daseinsvorsorgebegriff zu bemühen, wäre statt dessen der Gemeinwohlbezug des Unternehmensgegenstandes schon allein an der besonderen Zielrichtung „öffentliche Energieversorgung" zu erkennen gewesen, die diese den Energieversorgungsunternehmen gibt: Sie kann die privatrechtliche Struktur des Unternehmens „überlagern". 185 Kumulativ dazu muß die Gewinnerzielung als wesentlicher Unternehmenszweck in den Hintergrund treten. 186 Daß das Unternehmen Gewinne abwirft, darf folglich nicht die primäre Ausrichtung des Unternehmens, sondern nur beiläufiger Reflex
181 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 98. 182 So ζ. B. BVerwG, Urt. v. 14. 3. 1985-5 C 130/83, E 71,108 (125), das bereits Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftstruktur eines bestimmten Gebiets oder die Reduktion sektoraler Arbeitslosigkeit als Aufgabe bewertet hat, „deren Erledigung dem Staat oder den Gemeinden obliegt". 183
Ähnlich Schmidtbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 124 f. 1 84 So schon die Befürchtung des „Schöpfers" der Daseins Vorsorge Forsthojf, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, Vorwort. Vgl. zur Daseinsvorsorge § 7 /. 1. b. (1) (a). iss BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257). 186 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257).
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Ob die privatrechtlich strukturierten Energieversorgungsunternehmen diesen Voraussetzungen tatsächlich entsprochen hätten, braucht an dieser Stelle nicht abschließend untersucht zu werden. Hier interessiert vielmehr, inwieweit das der Deutschen Bundesbahn nachfolgende Eisenbahninfrastrukturunternehmen diesen Kriterien genügen könnte. Daß selbst die Tätigkeit des Schienenwegeunternehmens wie die der sonstigen potentiell enteignungserheblichen und nicht dem verfassungsrechtlichen Schrankenvorbehalt unterworfenen Infrastrukturunternehmungen als solche nicht von vornherein dem gemeinen Wohl verpflichtet ist, ergibt sich schon aus Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG. Denn die Führung als Wirtschaftsunternehmen schließt grundsätzlich eine gewinnorientierte Ausrichtung des Unternehmens ein, zumal die Orientierung an Maximalgewinnen an keiner Stelle eingeschränkt worden ist. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, daß das Unternehmen auch Gemeinwohlinteressen dienen kann, keinesfalls überlagern diese aber prinzipiell die Gewinnorientierung, so daß diese hinter die Gemeinwohlausrichtung zurückträte. Auch Art. 87 e Abs. 4 GG verlangt nicht, daß der Bund auf einzelne, konkrete Unternehmensentscheidungen einwirkt. Die in dieser Verfassungsvorschrift enthaltenen Begriffe Gemeinwohl und Verkehrsbedürfnis sind nicht isoliert auf bestimmte Wege und Strecken zu beziehen. Aus ihnen kann deshalb z. B. keine Einzelentscheidung für den Bau, Ausbau oder die Unterhaltung bestimmter Schienenstrecken abgeleitet werden. 188 Für dieses Verständnis der beim Bund verbliebenen Gewährleistungsverantwortung steht § 11 AEG, der das Stillegungsverfahren von Eisenbahninfrastrukturen beschreibt. Die Stillegungsvorschrift spiegelt die Verfassungsrechtslage insofern plastisch wider, als in ihr zum Ausdruck gelangt, wie wenig das Infrastrukturunternehmen selbst für die Zwecke des gemeinen Wohls einstehen muß: Sofern das Unternehmen einen Stillegungsantrag gestellt hat, muß die prüfende Behörde gleichberechtigt verkehrliche und wirtschaftliche Kriterien in ihre Entscheidung einstellen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AEG). Hält die Behörde auch nach Prüfung der Sachlage den Weiterbetrieb für notwendig, geschieht dies ohne finanziellen Mehraufwand des Unternehmens, da diesem die Kosten, die aus der Versagung entstehen, zu ersetzen sind (§11 Abs. 3 Satz 2 AEG), bis nach einem Jahr die Versagung von Gesetzes wegen ohnehin wirkungslos wird und die Stillegungsgenehmigung als erteilt gilt (§ 11 Abs. 5 AEG). 1 8 9 Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob der Bund - vorausgesetzt, es gibt ein bestimmbares Mindestmaß an Gewährleistungsverantwortung - insbesondere mit § 11 Abs. 5 AEG seinem Verfassungsauftrag (Art. 87 e Abs. 4 GG) genügt. Denn für die vorliegende Frage kommt es nicht darauf an, ob der Bund durch seine Regelungen dem allgemeinen Wohl ausreichend Rechnung 187 Vgl. Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 325: „zufälliges Nebenprodukt". iss Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 584. 189 Siehe schon Teil 2, §6111 2. a. (3). 1*
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getragen, sondern in welchem Maße die öffentliche Versorgungsaufgabe, die von dem Unternehmen per gesetzlicher Anordnung wahrzunehmen sind, die genuinen Unternehmensinteressen überlagert hat. Inwieweit der selbstgewählte Unternehmensgegenstand des Infrastrukturunternehmens, in § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung der Deutschen Bahn AG mit dem „Betreiben und Vermarkten" von Eisenbahninfrastruktur beschrieben, dem Strukturunternehmen über die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben hinaus eine besondere Zielrichtung verleiht, nach der die privatrechtliche Unternehmensorganisation öffentlich-rechtlich überlagert wird, ist eine dem öffentlichen Sachenrecht entlehnte Frage. Denn dort modifiziert das an einer öffentlichen Sache bestehende öffentliche Nutzungsregime die private Sachherrschaft. Anders als wenn man von dem Enteignungsprivileg und der deshalb notwendigen Gemeinwohlbindung auf die öffentliche Sache schließt 190 , ist diese vom Bundesverfassungsgericht angestellte Überlegung nicht zirkulär, weil bei einer öffentlich beherrschten Sache zumindest eine gewisse, zwar nicht notwendig an Art. 14 Abs. 3 GG ausgerichtete, so doch allgemeine Gemeinwohlorientierung vorausgesetzt werden kann. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, besitzen aber die Struktureinrichtungen der Deutschen Bahn AG gerade nicht den Status einer öffentlichen Sache. Demzufolge ist auch die private Organisationsstruktur des Unternehmens nicht von vornherein öffentlich-rechtlich beschwert. 191 Ist aber die privatrechtliche Struktur des Eisenbahnunternehmens weder infolge der aus dem Unternehmensgegenstand ableitbaren Zielsetzung, noch deshalb öffentlich-rechtlich überlagert, weil der Unternehmensgegenstand von Rechts wegen die Gewinnerzielungsabsicht verdrängt, wäre folglich der Unternehmensgegenstand nicht unmittelbar dem Gemeinwohl verpflichtet und eine Enteignung zugunsten des Eisenbahninfrastrukturunternehmens nach dieser Konstruktion der unmittelbaren Gemeinwohldienlichkeit nicht mit Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG in Einklang zu bringen.
(2) Die Verschärfung der Anforderungen bei nur mittelbarer Realisierung des Allgemeinwohls Die Boxberg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht in einer späteren Entscheidung auch die mittelbare Verwirklichung des Gemeinwohls grundsätzlich für die Rechtfertigung der Enteignung genügen lassen. Sind einem Unternehmen nicht unmittelbar öffentliche Aufgaben zur Wahrnehmung überwiesen, so kann es trotzdem mit spezifischen Vorhaben Gemeinwohlbelange realisieren: Beispielsweise nehmen auch private Unternehmen häufig Versorgungsaufgaben wahr, erhalten oder verbessern 190 Vgl. Teil 2, §6111.2. b. (2). 191 Teil 2, §6 III. 2. b.
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durch Industrieansiedelung die Struktur einer Wirtschaftsbranche oder eines Wirtschaftsraumes oder wirken regionaler oder sektoraler Arbeitslosigkeit entgegen. Zu denken ist ferner auch an die Realisierung von sozialpolitischen Zielen im Bereich der Bodenordnung (Eigentumsstreuung und gemeindliche Bevorratungspolitik). 1 9 2 Deshalb widerspricht nach dem Boxbergurteil eine derart weitgehende Auslegung des „Wohles der Allgemeinheit" nicht von vornherein der Verfassung. Liege der Nutzen für das allgemeine Wohl nicht unmittelbar im Unternehmensgegenstand selbst, so könne er sich grundsätzlich nur mittelbar, als Folge der Unternehmenstätigkeit einstellen. Diese Konstellation der Enteignung aber, bei der Eigentum zwangsweise von einem auf den anderen Privaten übertragen wird, obwohl die Unternehmung nur mittelbar dem Gemeinwohl dient, birgt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts - besonders im Hinblick auf den Mißbrauch zu Lasten des Schwächeren - nicht unerhebliche Gefährdungspotentiale. 193 Deshalb reiche es hier nicht aus, an die öffentliche Aufgabe anzuknüpfen, die durch das spezifische Vorhaben verfolgt werde, sondern es müßten besondere Vorkehrungen getroffen werden, um etwaigen Mißbrauch abzuwenden und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Enteignung nicht gänzlich in die Hände der Verwaltung zu geben. Nach Ansicht des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes rechtfertige folglich nicht jede öffentliche Zielsetzung eine Enteignung Privater zugunsten anderer Privater. Zum Tragen sollen all diese Belange des gemeinen Wohls im Rahmen der Enteignung aus diesem Grunde nur kommen dürfen, wenn der entsprechende Enteignungszweck durch Gesetz eine Konkretisierung erfahren hat, durch die gleichzeitig seine langfristige Sicherung gewährleistet wird. 1 9 4 Das Bundesverfassungsgericht hat sodann in seiner Entscheidung zur DaimlerBenz-Teststrecke Boxberg an das enteignungsrechtfertigende Vorhaben neue, besondere Anforderungen gestellt: Äußerlich schwächt das Gericht zunächst die Voraussetzungen an die Gemeinwohlverwirklichung im Vergleich zur vorab behandelten EnWG-Entscheidung ab. Denn es soll ausreichen, wenn dem Gemeinwohl mittelbar durch die Unternehmenstätigkeit gedient wird. Dafür aber zieht das Gericht die materiell-rechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Konkretisierung des lediglich mittelbar erfüllten und „daher nicht von vornherein handgreiflichen Enteignungszwecks" an und formuliert strenger 195: Erstens muß der Enteignungszweck eine genaue gesetzliche Beschreibung erfahren haben. Zweitens bedarf es differenziert materiell-verfahrensrechtlicher Normierungen, die die grundlegenden Enteignungsvoraussetzungen im übrigen sowie das zu ihrer Ermittlung erforderliche Verfahren festlegen. Diese Rechtsvorschriften müssen drittens dem Grund192 Papier, Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 591 f. 193 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (285). Vgl. Schmidt-Aßmann, NJW 1987, 1588: Der Mißbrauch durch private Enteignungsbegünstigte wegen zu großer Interessenvermischung unterscheidet sich nicht von dem öffentlicher Träger aufgrund einer Interessenverfehlung; dazu auch schon Schach, BB 1961, 76. 194 So Bay. VGH, Urt. v. 20. 12. 1988-20 A 88.40072, DÖV 1989,401 (403). 195 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (286 f.).
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
satz der Verhältnismäßigkeit und der Gleichheit vor dem Gesetz im „Interessendreieck Gemeinwohl-Enteigneter-Begünstigter" Rechnung tragen und vor allem sicherstellen, daß die Erforderlichkeit der Enteignung einer sorgfältigen Prüfung unterzogen wird. Das Gericht will damit die dauernde, effektive rechtliche Bindung des begünstigten Privaten an das Gemeinwohl gesichert wissen.
b) Der gesetzliche Tatbestand als Anknüpfungspunkt unmittelbar gemeinwohldienlicher Unternehmenstätigkeit Inwieweit das spezielle Eisenbahnrecht dieser formell zwar schwächeren, materiell hingegen strengeren Vorgabe genügt, ist dezidiert anhand jedes in Betracht kommenden Vorhabens zu prüfen (vgl. unten § 9). Unabhängig von diesen auf den Eisenbahnsektor beschränkten Schlußfolgerungen fragt sich zuvor auf der noch abstrakten Ebene, ob diese vom Bundesverfassungsgericht in den zitierten Entscheidungen vorgenommene Differenzierung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Gemeinwohlverwirklichung durch die Unternehmenstätigkeit nicht eher die eigentlichen Sachgesetzlichkeiten der Enteignung verwässert 196, als daß es sie handhabbar werden läßt, und ob sie letztlich nicht ganz dahinstehen kann. Gerade die Tatsache, daß private Unternehmungen heutiger Zeit und insbesondere auch privatisierte Staatsunternehmen ihre Wirtschaftstätigkeit meist nicht mehr lediglich auf ein Gebiet begrenzen, macht eine pauschalen Würdigung des gesamten und damit notwendig pauschalierten Unternehmensgegenstandes regelmäßig unmöglich. Sollte nicht ein stärkeres Augenmerk auf die Qualität dessen gerichtet sein, was mit der konkreten enteignungserheblichen Unternehmung, die freilich auch nur einen kleinen Teil des gesamten Wirtschaftsbetriebs darstellen kann, angestrebt wird? Folgt nicht gerade aus der in der Boxbergentscheidung geforderten gesetzlichen Verknüpfung des gemeinen Wohls mit einem Vorhaben, daß dessen betriebliche Ausführung und damit die konkrete, gegebenenfalls sächlich begrenzte Unternehmenstätigkeit ebenso unmittelbar dem gemeinen Wohl dient? Freilich wird ein Unternehmen, das nicht von vornherein mit einer öffentlichrechtlichen Sachherrschaft belastet ist, vorrangig dem rein privaten Wirtschaftserfolg verpflichtet sein und eher beiläufig gegebenenfalls auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen. In dem Augenblick aber, wo die konkrete gesetzliche Festschreibung des Enteignungszwecks erfolgt ist und der Gesetzgeber - inzident - die Gemeinwohldienlichkeit eines zu diesem Zweck unternommenen Vorhabens für so wichtig erachtet hat, daß es im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG eine Enteignung rechtfertigen kann, dient zumindest dieser Teil der Unternehmenstätigkeit kraft Gesetzes - genauso unmittelbar dem Gemeinwohl, als wäre der Unternehmensgegenstand (von selbst) auf das gemeine Wohl gerichtet. Andernfalls bliebe die gesetzliche Festlegung wirkungslos. 196 Vgl. auch die Kritik bei Gerhardt, in: Zeidler-FS, S. 1663 ff.
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Deshalb erweisen sich sämtliche Versuche, der Enteignung zugunsten Privater verschiedene feststehende Spielarten abzugewinnen und sie damit abstrakt nach bestimmten Enteignungstypen zu kategorisieren, wie es das Bundesverfassungsgericht unternommen hat, als inhaltlich unschlüssig, weil das Differenzierungskriterium bei näherem Hinsehen entfällt. Auch bei neuen Fallkonstellationen kann es darum stets nur auf die vom Gesetzgeber getroffenen Einschätzung ankommen, welche privatrechtlich organisierte Wirtschaftstätigkeit er für so bedeutsam hält, daß eine Enteignung zugunsten derselben in Frage kommt. 197 Dazu kann er mal das gesamte Tätigkeitsspektrum eines Unternehmens und damit den Unternehmensgegenstand an sich, mal nur eine Unternehmenssparte auswählen.198 Maßgeblich ist, daß der Umfang der privilegierten Tätigkeit aus dem Gesetzestext hervorgeht. Vergleicht man die Regelungen in § 11 Abs. 1 Satz 1 EnWG a. F.: „für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung" und § 12 Abs. 1 EnWG η. F.: „zum Zwecke der Energieversorgung" mit der in § 22 Abs. 1 Satz 1 AEG: „für Zwecke des Baus und des Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn", so unterscheiden sie sich lediglich hinsichtlich des Umfangs der Enteignungszwecke: Einmal ist nur einem Teil der Unternehmenstätigkeit, nämlich dem Bau und Ausbau von Betriebsanlagen der Eisenbahn, ein anderes Mal der Unternehmenstätigkeit als ganzes - der Energieversorgung - die von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte enteignungsrechtfertigende Gemeinwohldienlichkeit zuerkannt. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG zu genügen, kommt es bei alledem nicht darauf an, ob das gemeine Wohl durch die gesamte Tätigkeit oder nur einen Teil derselben realisiert wird, entscheidend ist, daß das Vorhaben zum Nutzen des gemeinen Besten gereicht und sich somit der Gemeinwohlauftrag - wohlgemerkt in der Einschätzung des Gesetzgebers, nicht der die Regel anwendenden Verwaltung 199 - verdichtet hat. Bleibt zu fragen, wie dieser gemeinwohlkonkretisierende gesetzliche Tatbestand auszusehen hat. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, muß der Gesetzgeber seine Gemeinwohlkonkretisierung so gestalten, daß sie der Verfassung als höherrangigem Recht nicht widerspricht und - als die notwendige Folge - einer eventuellen Normenkontrolle standhält. Von großer Relevanz für solche Verfassungskonkretisierungen ist der vom Gesetzgeber zu wahrende Grundsatz der Bestimmtheit des grundrechtsbeschränkenden Gesetzes als unmittelbare Folge aus dem Gesetzesvorbehalt (Art. 20 Abs. 3 GG). 2 0 0 Die potentiellen Adressaten - hier Enteignungs197 Dazu § 7 L L b. (2); Gerhardt, in: Zeidler-FS, S. 1668: „Das Bild des Enteignungsrechts ist nur vollständig bei seiner Erwähnung". 198 Unnötig ist deshalb die Differenzierung zwischen Unternehmensgegenstand und Unternehmenstätigkeit bei Battis, in: ders./Krautzberger/Lohr, BauGB, § 85, Rn. 2. Eine solche Trennung der Begriffe wird auch schon vom BVerfG selbst nicht vorgenommen, als es die Ergebnisse der EnWG-Entscheidung zitiert, vgl. Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (286). 199 So wohl aber Schmidt-Aßmann, NJW 1987,1588. 200 Anders, als Ausprägung des dem Rechtsstaatsprinzip entlehnten Gebots der Rechtssicherheit Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetzkommentar, Art. 20, Rn. 61.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
begünstigte ebenso wie Enteignungsbetroffene - müssen den Maßstab möglicher Eingriffe klar erkennen können. 201 Dabei erhöhen sich die an die Bestimmtheit der Norm gestellten Anforderungen „mit der Intensität, mit der auf der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden kann" 2 0 2 . Ein zur Enteignung ermächtigendes Gesetz hat folglich höchsten Ansprüchen zu genügen, weil ein darauf gründender Eingriff nicht nur die Grundrechtsausübung definiert bzw. beschränkt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), sondern darauf gerichtet ist, die grundrechtlich geschützte Eigentümerstellung des Betroffenen ganz oder teilweise zugunsten des Begünstigten aufzuheben. Wie im Zusammenhang mit den Generalklauseln der Landesenteignungsgesetze schon dargestellt, darf in diesem Falle auch auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts und den Normzweck weniger Rücksicht genommen werden. Die Normklarheit und damit die Erkennbarkeit der Rechtsfolgen für den normunterworfenen Betroffenen, der sein Verhalten entsprechend ausrichten muß 2 0 3 , genießt trotz möglicher Auslegungsspielräume 204 Priorität. Ein Beispiel verdeutlicht das eben Gesagte: Eine Vorschrift etwa des Wortlauts: „Um dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis Rechnung zu tragen, sind Enteignungen zulässig" 205 , würde den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen und müßte als zu unbestimmt verworfen werden. Denn weder „Verkehrsbedürfnis", noch „Rechnung tragen" sind der eindeutigen Auslegung im Einzelfall ohne weiteres zugängliche Begriffe, sie fordern geradezu eine eigene Gemeinwohlwerteinschätzung des Gesetzesanwenders heraus. Zu dieser aber ist nicht der Anwender des Gesetzes, sondern nur der Gesetzgeber befugt. Er wäre mit einem so unbestimmten Gesetz seiner Ausgestaltungsaufgabe (vgl. Art. 87 e Abs. 4 Satz 2 GG) nicht nachgekommen, sondern hätte - wie überwiegend in den Landesenteignungsgesetzen mit der enteignungsrechtlichen Generalklausel geschehen - die Formulierung der Verfassung in Art. 87 e Abs. 4 Satz 1 GG übernommen. Hingegen läßt die Bestimmung in § 7 Abs. 1 MBP1G: „Für Zwecke des Baus und Ausbaus von Betriebsanlagen der Magnetschwebebahnen ist die Enteignung zulässig" 206 , deutlich erkennen, welche konkreten Projekte potentiell enteignungserheblich sein können, nämlich Betriebsanlagen der Magnetschwebebahnen, soweit diese gebaut bzw. erweitert werden - alles der Subsumtion ohne weiteres zugängliche Begriffe. Selbst wenn also mancher im Falle des Transrapids „das Eigentum der Bürger ... für die Chancen der Industrie" geopfert sieht, denn diese würde mit Hilfe des Prestigeobjekts „eigennützige Gewinne" im Ausland machen 201 Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 20, Rn. 79, 82. 202 BVerfG, Beschl. v. 27. 11. 1990-1 BvR 402/87, E 83, 130 (145). 203 BVerfG, Urt. v. 24. 4. 1991 - 1 BvR 1341 /90, E 84,133 (145). 204 Vgl. BVerfG, Urt. v. 24. 4. 1991 - 1 BvR 1341/90, E 84, 133 (149).
205 Ahnlich: „Für Einrichtungen der Daseinsvorsorge -" oder „für wichtige wirtschaftliche Unternehmungen ist die Enteignung zulässig". 206 Der zweite Halbsatz mit seinem Verweis auf die Planfeststellung wurde hier der beispielhaften Vereinfachung wegen weggelassen.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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können 207 , so wird ein nicht in dieser Art privilegierter anderer Industriezweig das Gesetz nicht zu Fall bringen. Und sieht man dem Gesetz noch so sehr an, daß der hier konkretisierte Gemeinwohlzweck letztlich wohl nur einem erlesenen kleinen Kreis von Industriellen und zahlungskräftigen Fahrgästen zugute kommen wird, anstatt der populär verstandenen Gemeinschaft zu dienen; es entsprang der Definitionsgewalt des Gesetzgebers, die innerhalb der Grenzen des Art. 20 Abs. 3 GG unbegrenzt ist. Deren rechtlich nicht mehr faßbaren Defizite sind der parlamentarischen Demokratie geschuldet.
2. Die Realisierung des Enteignungszwecks Über die Zuweisung der gemeinnützigen Aufgabe hinaus muß schließlich nach allgemeiner Auffassung auch die Realisierung des Enteignungszwecks hinreichend durch Gesetz gesichert sein. Deutlich abgesetzt von der Haltung des Reichsgerichts 208 soll nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 209 nicht mehr nur die Intentionalität des Eingriffs ausreichen, sondern folgt aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG unabdingbar, daß der Erfolg eintreten und das Gemeinwohl tatsächlich gefördert werden muß. Die auf den Entzug des Grundrechts gerichteten Maßnahmen des Art. 14 Abs. 3 GG sind nur gerechtfertigt, wenn das Vorhaben realisiert wird, durch welches der Zweck der Enteignung - die Gemeinwohldienlichkeit - eintritt und das Enteignungsobjekt dafür auch tatsächlich benötigt wird. 2 1 0 In Bezug auf die privatbegünstigende Enteignung finden sich bislang Überlegungen zur erstmaligen Verwirklichung des Enteignungszwecks allerdings oftmals nur vermengt mit dem Problem der Dauerhaftigkeit der Enteignung, also der dauerhaften Sicherung des bereits verwirklichten Enteignungszwecks.211 Hier sollen die Fälle voneinander unterschieden und nur erörtert werden, wie zu garantieren ist, daß das Vorhaben überhaupt realisiert wird, bzw. umgekehrt, wie die mangelnde Ausführung des Vorhabens zu sanktionieren ist.
207 Berkemann, zitiert nach Spiegel Nr. 13,1997, S. 71. 208 Vgl. RGZ, Urt. v. 1. 3. 1924-V 129/23, E 107, 370 [375]; Urt. v. 4. 11. 1925-V 621/ 24, E 111, 320 [326]; Urt. v. 24. 11. 1932 - IV 245/32, E 139, 6 [9 f.]. 209 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BrR 32/68, E 38, 175. 210 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38, 175 (180f.). Vgl. zu einer in die Enteignungsentscheidung einbezogenen Möglichkeit, daß nicht alle enteigneten Deichflächen benötigt werden BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 [407 ff.]. 211 Dazu § 7 III. 3.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
a) Der Rückübertragungsanspruch Unabhängig davon, ob das Unternehmen der öffentlichen oder der privaten Hand zuzuordnen ist, folgt aus dem Inhalt und dem Wesen der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 3 GG, daß das gemeinwohldienliche Vorhaben nicht nur beabsichtigt, sondern mit Hilfe des enteigneten Objekts ausgeßhrt werden muß. 212 Die rechtmäßige Enteignung schafft einerseits durch Eigentumsentzug und -Übertragung nur die notwendigen Voraussetzungen, um den Zweck überhaupt erfüllen zu können, sie ist damit Mittel zum Zweck. Solange die enteignete Sache dem Zweck nicht zugeführt wurde oder sie aus anderen Gründen nicht zur Realisierung desselben gereichte, fehlt es andererseits an der materiell-rechtlichen Legitimation des in der Enteignung zum Ausdruck kommenden Wechsels von der Bestands- zur Wertgarantie des betroffenen Eigentums, ist der die Enteignung rechtfertigende Zweck nicht vollzogen. 213 Da die Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG in einem semantischen Gegensatzverhältnis zu der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesicherten Eigentumsgarantie steht 214 , muß der Enteignungsbetroffene den Zugriff auf sein Eigentum nur dulden, wenn das Vorhaben - mit oder ohne Erfolg, das ist hier nicht ausschlaggebend - durchgeführt und damit das Enteignungsziel erreicht wird. Denn die durch die Enteignung erlangte - wegen der Gemeinwohlbelastung wohlgemerkt von vornherein sozial gebundene - Rechtsposition rangiert nicht vor der verfassungsrechtlich geschützten Position des enteigneten Bürgers. Problematisch ist jedoch, daß der mit der Umsetzung des Vorhabens angestrebte Erfolg in dem Moment regelmäßig noch in weiter Ferne steht, wenn der Enteignungsvorgang formal-gesetzestechnisch abgeschlossen ist und frühestens mit der Umsetzung begonnen werden kann. Bleibt die Realisierung des Vorhabens aus, entfällt also für die Enteignung der Rechtsgrund. Dann lebt die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG für den Enteignungsbetroffenen insoweit wieder auf, als sie ihre Schutzfunktionen auch noch im Nachgang entfaltet, auf die der Enteignungsbetroffene frei ist zurückzugreifen. Die Erfüllung des Enteignungszwecks stellt sich gegenüber dem betroffenen Eigentümer gewissermaßen als auflösende Bedingung seines Bestandsschutzes dar. Tritt die Bedingung nicht ein, kann er gestützt auf die nachwirkende Bestandsgarantie für sein Eigentum verlangen, daß der verfassungsmäßige Zustand wiederhergestellt wird, indem das Grundstück auf ihn zurückübertragen wird. 2 1 5 Macht der Enteignete von seinem Recht keinen Ge212 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38, 175 (180); Leisner, in: Isensee/ Kirchhof, HdStR VI, § 149, Rn. 170. 213 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38,175 (180f.). 214 „Komplementärverhältnis" BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38, 175 (181); Enders, Kompensationsschutzregelungen im Immissionsschutzrecht, S. 119, vgl. insbesondere auch Fn. 453. 215 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38, 175 (181); Papier, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 598. Dagegen BVerwG, Urt. v. 8. 11. 1967-4 C 101/65, E 28,184(190).
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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brauch, versäumt er - soweit vorhanden - die Frist 2 1 6 oder sind die Rückübertragungsvoraussetzungen aus anderen Gründen nicht gegeben, so wird die Sache frei. 2 1 7 Diese häufig als Rückenteignung bezeichnete und deshalb auch zum Teil falsch verstandene 218 Beseitigung der zwangsweise auferlegten Belastung verfassungsrechtlich anerkannter Eigentumspositionen, ein bereits in früheren Rechtsregimen anerkanntes verfassungsrechtliches Institut 219 , folgt im Ansatz somit unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 G G 2 2 0 in Verbindung mit der konkreten Enteignungsvorschrift. Der vollständige Entzug des enteigneten Guts, wenn der Begünstigte es nicht zum Wohle der Allgemeinheit verwendet hat, stellt die schärfste Sanktionsmöglichkeit dar, kraft derer die Gemeinwohldienlichkeit repressiv gesichert werden kann. Damit wird das verfassungsrechtlich verankerte Rückerwerbsrecht allerdings nicht zur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Enteignung, wie man angesichts der eingangs geschilderten allgemeinen Forderung des Bundesverfassungsgerichts glauben mag 2 2 1 , denn eine mögliche Rückübertragung des Eigentums setzt - wie gerade gezeigt - den im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG rechtmäßigen Enteignungsakt gerade voraus. 222 Der Rückübertragungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn die Enteignung von vornherein rechtswidrig war und mit Rechtsmitteln angegriffen werden konnte. 223
216
Ob ansonsten der Rückübertragungsanspruch irgendwann verwirkt sein kann, bleibt angesichts der vom Bundesverfassungsgericht (vgl. ζ. B. Urt. v. 7. 7. 1971 - 1 BvR 765/66, E 31, 229 [240 ff.]) als zeitlich unbegrenzt eingeschätzten Eigentumsgarantie fraglich. 217 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 102. 2 18 Vgl. BVerwG, Urt. v. 8. 11. 1967-4 C 101/65, E 28, 184 (188ff.), geändert BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989-4 C 29/88, NJW 1990,2400ff.; siehe auch Bay. VGH, Urt. v. 5. 2. 1973 - Nr. 195 I I 71, BayVBl. 1973, 493. Vgl. zur Untauglichkeit des Präfixes „Ent-" im Zusammenhang mit der Enteignung, um kenntlich zu machen, daß ein Vorgang rückgängig gemacht wird Kimminich, Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38, 175 (183 ff.). 2 19 Vgl. den historischen Gesetzgebungsüberblick bei BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 19741 BvR 32/68, E 38, 175 (181 ff.) und Schmidt-Aßmann, in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 102, Rn. 1-5. 22 0 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974-1 BvR 32/68, E 38, 175 (181). Vorausgesetzt, die Enteignung ist bereits unter Geltung des Art. 14 GG erfolgt: BVerfG, Urt. v. 9. 12. 19971 BvR 1611/94; E 97, 89 (96); Beschl. v. 26. 2. 1998-1 BvR 1114/86, NVwZ 1998,724. 221 So aber Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 134 ff., insb. S. 138 ff.; dagegen Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 99. 222 BVerfG, Urt. v. 9. 12. 1997-1 BvR 1611/94; E 97, 89 (97). 22 3 BGHZ, Urt. v. 29. 4. 1982 - ΙΠ ZR 154/80, E 84, 1 (5f.). So auch Jarass, in: ders./ Pieroth, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 71; Wendt, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 165.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
b) Der Enteignungsbetroffene
als Inhaber des Anspruchs
Als Institut nachwirkenden Eigentumsschutzes dient die RückÜbertragung einzig den Interessen des Betroffenen, des ursprünglichen Eigentümers. 224 Angesichts des Komplementärverhältnisses von der auf Bestand ausgerichteten Eigentumsgarantie und der Enteignung eignet sich der Rückübertragungsanspruch des Betroffenen hervorragend, um seine von der Enteignung betroffenen Rechte abzusichern. 225 Weder korrespondiert mit ihm ein Rückgaberecht des Begünstigten226, denn Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit der allgemeinen Eigentumsordnung regelt (bislang) nur die Nutzung des Eigentums, nicht dagegen die Pflicht zur Übernahme von Eigentumspositionen. Noch kann die öffentliche Hand die Rückübereignung von sich aus zur Wahrung des gemeinen Besten erzwingen, wenn sie vom Enteigneten nicht begehrt wird. Denn auch wenn Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG die zwangsweise Eigentumsverlagerung „nur zum Wohle der Allgemeinheit" zuläßt, ist damit nicht umgekehrt verbunden, daß den einzelnen Mitgliedern der Allgemeinheit bei einer unzulässigen Enteignung Rechte auf Realisierung des Gemeinwohlzwecks erwachsen und die Behörde „Dritten aus der Allgemeinheit heraus unmittelbare Ansprüche gegen den Enteignungsbegünstigen" einräumt. 227 Insbesondere ist die Enteignungsverfügung kein drittbegünstigender Verwaltungsakt. 2 2 8 Das zum Wohl der Allgemeinheit gesteigerte öffentliche Interesse darf nicht im Sinne einer Drittberechtigung überbewertet werden. Nur weil das Eigentum des Betroffenen in anderer Hand für die verfaßte Gesamtheit nutzbringender verwendet wird und sich deshalb im Interesse derselben gegen das Privatinteresse des Eigentümers durchsetzt 229, ist der Einsatz staatlicher Macht in Form hoheitlicher Zwangsmittel gerechtfertigt. Warum sollen aus dem Entzug der Rechte eines einzelnen unmittelbare Rechte für Dritte erwachsen? Deren rechtlicher Status bleibt im einzelnen gänzlich unangetastet. Für subjektiv-öffentliche Rechte aufgrund der Enteignung eines anderen ist folglich kein Raum. Die Vorteile des einzelnen als Glied der Allgemeinheit sind lediglich Rechtsreflexe. 230 In diesem Zusammenhang 224
Schmidt-Aßmann, in: Ernst /Zinkhahn/ Bielenberg / Krautzberger, BauGB, § 102, Rn. 12a, vgl. die ebenfalls allgemein gültige Rn. 14 zum Träger des Anspruchs. 225 Anders Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 129; Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 194 f. 22 6 Vgl. BGHZ, Urt. v. 5. 5. 1978 - V ZR 193/76, E 71, 293 (294f.); Battis, in: ders./ Krautzberger/Lohr, BauGB, § 102, Rn. 1; Schmidt-Aßmann, in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg / Krautzberger, BauGB, § 102, Rn. 12a für die öffentliche Hand als Enteignungsbegünstigte. 227
So aber Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 192. Anders Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 167. 228 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 167. Dagegen Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 193. 229 Vgl. zu diesem Begriff und Verständnis des öffentlichen Interesses Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 68 f.; folgend Anschütz, VerwArchiv 5 (1897), S. 1, 109; ebenso Enders, Kompensationsschutzregelungen im Immissionsschutzrecht, S. 71. 230 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 67 ff.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
205
auf die Kontrahierungspflichten und die Tarifbindung etc. hinzuweisen231, hat mit der Enteignung und daraus folgenden Rechten Dritter nur am Rande etwas zu tun. Zwar weisen derartige Pflichten auf eine gemeinwohlorientierte Tätigkeit des Unternehmens hin, doch bestehen sie unabhängig davon, ob das Unternehmen mit Hilfe enteigneter oder freihändig erworbener Grundstücke expandiert oder nicht. Es handelt sich dabei folglich um eine eigenständige Beziehung zwischen Konsumenten oder Nutzer und dem nur zufällig durch eine Enteignung begünstigten Unternehmen.
c) Die einfachgesetzliche
Verankerung des Anspruchs
Soweit der Rückübertragungsanspruch hinsichtlich Voraussetzungen, Verfahren und Folgen gesetzlich geregelt ist, gibt es keine Probleme. Detaillierte Vorschriften, die beispielsweise Fristen für die Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs setzen oder die Auswirkungen von Verwendungen auf die Sache regeln, gestalten die Rechtsposition, die beim Enteigneten verblieben ist, genauso abschließend aus 232 wie die des Enteignungsbegünstigten im Hinblick auf seine Duldungsverpflichtung. 233 Bedenken wirft aber die sogenannte „gesetzesfreie" Konstellation auf 2 3 4 , bei der es entweder keine einfachgesetzliche Grundlage für den Rückübertragungsanspruch gibt oder der Anspruch nur schemenhaft im Gesetzeswortlaut angedeutet wurde. 235 Schließlich handelt es sich wegen des dazwischen stehenden Zwangsaktes der Enteignung bei der Durchsetzung des Rückübertragungsanspruchs des Betroffenen nicht um einen Anspruch zwischen Privaten, zwischen Betroffenen und Begünstigten der Enteignung. Sondern richtet sich der Rückübertragungsanspruch des Enteignungsbetroffenen, der nachwirkenden Grundrechtsschutz genießt, gegen den Staat als Enteigner auf Eingriff in die Rechte des Begünstigten und ebenfalls Grundrechtsträgers in bezug auf seine neuerworbene Eigentümerposition. 231
Vgl. Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 132; Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 192; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 166 f. 232 BVerwG, Urt. v. 18. 7. 1986-4 C 21/84, NVwZ 1987, 49; Urt. v. 15. 12. 1989-4 C 29/88, NJW 1990, 2400. Vgl. richtungsweisend schon v. Mutius, VerwArchiv 66 (1975), 288 f. 233 So regelt z. B. § 102 Abs. 1 Nr. 1 BauGB genau diesen Fall, daß das Vorhaben nicht realisiert wird, und legt in Anknüpfung an § 113 Abs. 2 Nr. 3 und § 114 BauGB den Entstehungszeitpunkt des Anspruchs auf Rückübertragung ebenso wie die Frist desselben (§ 102 Abs. 3 BauGB) fest. 234 Ohne Problembewußtsein in diesem Punkt Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 283. 235 Vgl. §§ 22 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 20 Abs. 4 Satz 1 AEG, die nur bestimmen, daß mit der Durchführung des Plans, der der Enteignung zugrunde gelegt wird, innerhalb von fünf Jahren nach der Unanfechtbarkeit begonnen bzw. die Planfeststellungsbehörde um Verlängerung ersucht worden sein muß.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
Aus Sicht des betroffenen Alteigentümers bedarf der Anspruch auf Rückübertragung nicht zwingend einer einfachgesetzlichen Grundlage. Er ergibt sich, wie oben schon erläutert, unmittelbar aus der ausgestaltungsbedürftigen Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG im Zusammenspiel mit dem die grundgesetzliche Enteignungsregelung konkretisierenden einfachen Gesetz. 236 Da die Durchsetzung des Anspruches gegenüber dem Enteignungsbegünstigten nur darauf gerichtet sein kann, die Bestandskraft des enteignenden Aktes zu überwinden, bedarf die Rückübertragung ihm gegenüber aber wegen Art. 20 Abs. 3, 1 Abs. 3 GG einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung in Form einer Eingriffsgrundlage. Daraus folgt, daß eine Rückübertragung ohne Gesetz verfassungswidrig und daher unmöglich ist. Für den Enteignungsbegünstigten wäre dies kein Schaden, seine Rechtsposition würde sich vielmehr verfestigen. Wie aber wirkt sich das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für die Rückübertragung auf die Rechtsstellung des Enteigneten aus? Hier ist zwischen Legal- und Administrativenteignung zu unterscheiden. Im letzteren Fall, der Enteignung durch Verwaltungsakt, hält das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht eine bereits von Bullinger allgemein ins Spiel gebrachte 237, von seinen Kritikern jedoch als unzweckmäßig, ungeeignet und unzulässig verworfene 238 Möglichkeit bereit, die fehlende gesetzliche Eingriffsgrundlage durch entsprechende Anordnungen im Rahmen der Enteignungsbewilligung zu ersetzen und damit dem Anspruch des Enteigneten gegen den Staat auf Eingriff in die Rechte des Enteignungsbegünstigten trotz fehlender gesetzlicher Grundlage nicht die Durchsetzungskraft zu nehmen: Dafür muß der die Enteignung anordnende Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG unter der auflösenden Bedingung erlassen werden, daß der Enteignungszweck nicht realisiert wird, somit der Rechtsgrund für die Enteignung entfällt und der Enteignete, sich darauf berufend, die Rückübertragung verlangt. 239 Selbstverständlich bedürfen auch Bedingungen wegen des ihnen anhaftendenden belastenden Charakters gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG einer sie zulassenden und damit die Verwaltungsbehörde ermächtigenden Rechtsvorschrift (§ 36 Abs. 1 VwVfG). Diese Bedingungsermäch236 Jüngst wiederholt von BVerfG, Urt. v. 9. 12. 1997-1 BvR 1611/94, E 97, 89 f. Ohne daß dadurch die Grenzen richterlicher Tätigkeit gesprengt werden, siehe Schmidt-Aßmann, in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB-Ko., § 102, Rn. 8. Vgl. zum Rückübertragungsanspruch nach pseudofreihändigem Erwerb Gaßner, Der freiwillige Grunderwerb der öffentlichen Hand, S. 165 ff. 237 Der Staat 1 (1962), 449 (470), vgl. auch sein Beispiel aus dem Patentgesetz (§ 24 Abs. 1) S. 475. 238 Bei Gleichsetzung der Enteignung mit der Auflassung und unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 925 Abs. 2 BGB ablehnend Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 130. Ebenso nicht überzeugend Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 152 f. Einschränkend Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 253. 239 Zu bedingungsfeindlichen Verwaltungsakten und Nebenbestimmungsverboten Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 128 f.
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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tigung kann aber anders als der Gesetzesvorbehalt für die Wiederentziehung des Eigentums schon in der verfassungskonform zu interpretierenden allgemeingesetzlichen Enteignungsgrundlage erblickt werden. Denn es ist ein Unterschied, ob der Begünstigte von Beginn an ein Weniger an Rechtspositionen erlangt mit der Option, wenn er sich entsprechend verhält, entfallen die Beschränkungen, oder ob ihm ein unbedingtes Vollrecht 240 übertragen wurde, das rückwirkend wieder eingezogen werden soll. 2 4 1 Im ersten Fall nämlich reicht der Anspruch des Begünstigten nur soweit, wie ihn das Gesetz nach verfassungskonformer Reduktion gewährt. Dem Enteignungsbegünstigten kann von vornherein nur verschafft werden, was ihm das Enteignungsgesetz in verfassungskonformer Interpretation des Art. 14 GG an Rechtspositionen in Aussicht stellt: das mit dem Rückübertragungsanspruch des früheren Eigentümers belastete Eigentum. 242 Soweit, wie hier gezeigt, eine verfassungskonforme Interpretation der Enteignungsermächtigung möglich ist, trifft die Einschätzung nicht zu, alle zur Administrativenteignung ermächtigenden Enteignungsgesetze ohne Normierung des Rückübertragungsanspruchs seien verfassungswidrig. 243 Vielmehr leidet nur der Gestattungsakt selbst an einem Rechtmäßigkeitsmangel, wenn er die Umsetzung des Vorhabens nicht als Bedingung enthält. Anders zu beurteilen ist der Fall der Legalenteignung. Im Gegensatz zur Enteignung durch Verwaltungsakt bewirkt hier das Gesetz bereits unmittelbar den finalen Entzug des bestandsgeschützten Eigentums. Wenn das Enteignungsgesetz keine Rückübertragungsklausel enthält, läßt sich deshalb der unmittelbar verfassungsrechtlich begründete Anspruch des Enteignungsbetroffenen nicht mehr durchsetzen. Die von Verfassungs wegen garantierte Eigentümerposition des Alteigentümers ist geschmälert. Es verbietet sich anzunehmen, daß der Gesetzgeber, der die Regelung der Rückübertragung bei Nichtrealisierung des Vorhabens unterlassen hat, den Rückübertragungsanspruch des Enteignungsbetroffenen als Inhaltsund Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG ausschließen wollte. Denn gemäß Art. 20 Abs. 3 Satz 1,1. Halbsatz GG ist der Gesetzgeber der Verfassung verpflichtet. Ihm ist es nicht erlaubt, einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch zu vereiteln. Ein unmittelbar enteignendes Gesetz ohne Rückübertragungsklausel für den Fall, daß das Vorhaben nicht realisiert wird, ist demnach verfassungswidrig.
240 Vgl. Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 202. 241 Anders aber gerade BVerwG, Urt. v. 8. 11. 1967-4 C 101/65, E 28, 184 (188). 242 Vgl. auch BVerfG, Urt. v. 9. 12. 1997-1 BvR 1611/94; E 97, 89 (96ff.); SchmidtAßmann, in: Ernst /Zinkhahn/ Bielenberg / Krautzberger, BauGB-Ko., § 102, Rn. 11. 243 So Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 99.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
3. Von der freiwilligen Bereitschaft des Privaten, das gemeine Wohl zu fördern, zur dauerhaften Verpflichtung? Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 244 und dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum 245 ist der zwangsweise Eigentumsentzug grundsätzlich nur bei einer auf Dauer ausgerichteten Unternehmung gerechtfertigt, denn der mit dem Unternehmen realisierte Vorteil für das Wohl der Allgemeinheit soll der Allgemeinheit nicht wieder genommen, sondern dauerhaft erhalten werden. Sogar beim zwangsweisen Eigentumsentzug zugunsten der öffentlichen Hand sieht das Bundesverfassungsgericht den dauerhaften Dienst im Interesse der Allgemeinheit in der Form, wie er als Enteignungsrechtfertigung dargelegt und für verfassungsmäßig befunden wurde, als Voraussetzung verfassungsmäßiger Enteignung an. 2 4 6 Dort hat es dieses Merkmal jedoch niemals in Zweifel gezogen. Denn die gesamte Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Träger dient ex officio selbstredend der Förderung des gemeinen Wohls, da die öffentliche Verwaltung nicht um ihrer selbst willen existiert 247 , sondern bestimmungsgemäß allgemein nützliche Lenkungs-, Ordnungs- und Verwaltungstätigkeit oder auch bestimmte Leistungen zu erbringen hat. Also wird die zur Erfüllung ihrer Aufgaben enteignete Sache in ein System eingegliedert, dessen Regeln sich per se am Wohl der Allgemeinheit orientieren. 248 Diskutiert wurde das Problem bislang folglich nur im Zusammenhang mit der privatbegünstigenden Enteignung. Dort wird wiederum differenziert, je nach dem, ob der Geschäftsgegenstand des privaten Unternehmens unmittelbar dem allgemein anerkannten Bereich der Daseinsvorsorge zuzuordnen oder das allgemeine Wohl nur mittelbare Folge der Unternehmenstätigkeit ist. Um den Enteignungszweck dauerhaft zu gewährleisten, soll es im ersten Fall genügen, wenn hinreichende Vorkehrungen vorhanden sind, um die selbst gesetzte, öffentliche Aufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen. 249 Denn bei diesen ergeben sich bereits aus der unabhängig von der Enteignung für ein solches privatrechtlich organisiertes Unternehmen charakteristischen Bindung an das öffentliche Sachenrecht vielfältige öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, aufgrund derer die Versorgung aller oder der Zugang aller und damit das die Enteignung rechtfertigende Gemeinwohl gesichert wird - solange das Unternehmen besteht. Dagegen fordert das Bundesverfassungsgericht in der anderen Konstellation der 244 Am deutlichsten BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-lBvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (407 ff.); Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66, 248 (257); Urt. v. 24. 3. 2987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (286). 245 Bullinger, Der Staat 1 (1962), 477; Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 196; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 126; Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 50. 246 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968-1 BvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (407). 247 Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 199. 248 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 22. 249 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984-1 BvL 28/82, E 66,248 (258).
§ 7 Das Institut der privatbegünstigenden Enteignung
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seiner Ansicht nach bloß mittelbaren Gemeinwohldienlichkeit, daß der Gemeinwohlbezug der „werbenden Tätigkeit des Unternehmens kein bloßer tatsächlicher Reflex bleibt, sondern auf Dauer garantiert ist" 2 5 0 .
a) Gegen eine Unterscheidung von staatlichem und privaten Enteignungsbegünstigten Im Bereich der privatbegünstigenden Enteignung erhält das Problem dauerhafter Sicherung des Enteignungszwecks seine spezifische Nahrung aus dem Umstand, daß man durch die Enteignung gerade nicht die privatrechtliche Güterordnung desavouieren, sondern ausnahmsweise dem durch ein gesetzlich anerkanntes und somit förderungswürdiges Gemeinwohlinteresse gerechtfertigten Vorhaben zur Realisierung verhelfen will. Ausgehend von dem gemeinwohlkonkretisierenden Gesetz ist es zunächst Zufall, ob Träger dieses Vorhabens die öffentliche Hand oder ein Privater ist. Wird aber letzterer begünstigt, drängt die herrschende Auffassung, selbst wenn er das enteignungswürdige Projekt schon umgesetzt hat, zu Sicherungsmaßnahmen; andernfalls müsse man sich sorgen, vom primär profitorientierten Privatrechtssubjekt, das an Erhalt und Mehrung des eigenen Nutzens interessiert ist, um den gemeinen Vorteil, die Einhaltung des „Versprechens" gebracht zu werden. 251 Eine solche Sicht verkennt, daß das Vorhaben des privaten Enteignungsbegünstigten nicht darauf abzielt, altruistisch dem allgemeinen Wohl zu dienen. Sondern indem sich das Privatrechtssubjekt nach den Regeln des Marktes ausdehnen will, um entweder auf eine bestimmte Art und Weise oder in einer bestimmten Sparte tätig werden zu können, fördert es dabei mit der gesamten oder nur einem Teil der Unternehmenstätigkeit Allgemeinwohlinteressen. Hat der Gesetzgeber eines (oder mehrere) dieser Interessen als besonders förderungswürdig herausgehoben, indem er dafür die Enteignung gesetzlich zugelassen hat, so bewirkt diese, allen Genehmigungsentscheidungen vorangehende, gesetzgeberische Wertung, daß der Gebrauch des privaten Eigentums, um dem vom Gesetzgeber auserkorenen Allgemeininteresse verstärkt zu dienen, das gewöhnliche, jeder untergeordneten Tätigkeit im Wirtschaftsprozeß regelmäßig innewohnende Maß an Gemeinwohldienlichkeit (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG) unter bestimmten Voraussetzungen übersteigt. Es ist ein innerer Widerspruch anzunehmen, der Private müsse ab dem Enteignungszeitpunkt dauerhaft sein Unternehmerverhalten, das auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, ändern. Denn nur dieses ermöglicht ihm, die dem gemeinen Wohl nützliche und sogar förderliche Leistung auch effizient zu erbringen. 252 Ist das Vorhaben erst einmal verwirklicht, kann meist nur dauernde Unrentabilität oder 250 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (286). 251 Vgl. Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 198. 252 In diesem Sinne auch Bahls, DVB1. 1972, 451 f. 14 Pommer
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eine dauerhaft veränderte Marktlage dazu führen, den Unternehmensgegenstand, der in der Regel mit hohen Einstiegsinvestitionen verbunden ist, zu verändern oder ganz einzustellen253, zumindest solange die Investitionen nicht abgeschrieben sind. Denn umgekehrt genießt der Begünstigte auch nur bis zur fiktiven Schwelle der Amortisation getätigter Investitionen Vertrauensschutz für seine regelmäßig mit der Genehmigung seines Vorhabens verbundenen individuellen Verhaltensbefugnis. 254 Daß der dauerhafte Erhalt des Enteignungszwecks allein ein Problem der privatbegünstigenden Enteignung ist, kann angesichts der Diskussion über den „Schlanken Staat", die das heutige öffentliche Leben beherrscht, einschließlich des mit ihr einhergehenden gewachsenen Vertrauens in die gesellschaftliche Selbstregulierung nur eingeschränkt aufrechterhalten werden. Ineffektivität des mit dem enteigneten Objekt tätigen Bereichs kann sich auch die öffentliche Hand nicht auf Dauer leisten. 255 Gebunden an das Gesetzmäßigkeitsprinzip darf sie sich zwar wirtschaftlich nur im Rahmen der Gesetze verhalten. 256 Gerade die Privatisierungswellen der vergangenen Jahrzehnte aber zeigen, daß der Gesetzgeber jederzeit den gesetzlichen Rahmen verändern und einstige öffentliche Verwaltungsaufgaben aus dem öffentlich-rechtlichen Regime ausscheiden kann, um ein Wirtschaften im Sinne der marktbezogenen Betriebswirtschaft zu ermöglichen. Damit können sich Staat und Verwaltung nämlich auch ein Stück weit ihrer dauerhaften Garantenstellung für die Gemeinwohldienlichkeit des enteigneten Gutes begeben. Bestes Beispiel bietet das Stillegungsszenario, das jetzt, 7 Jahre nach der Bahnreform, angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten am Horizont erscheint 257 und von dem auch Strecken betroffen sein können, die auf Flächen liegen, welche einst im Wege der Enteignung erworben wurden. Spätestens in dem Moment also, in dem der enteignungsbegünstigte staatliche Träger zum Regimewechsel aufgefordert und damit seiner Garantiefunktion enthoben ist, stellt sich auch hier das Problem des dauerhaften Erhalts des Enteignungsobjekts zugunsten der Allgemeinheit.
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Anders Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 201. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 267; der Gedanke findet sich auch bei v. Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente des Umweltschutzes, S. 22; Salzwedel, in: Gesellschaft für Umweltrecht, Dokumentation zur 5. wissenschaftlichen Fachtagung, S. 33, 58, 73, 85. 2 55 Gaentzsch, DÖV 1998, 952; zur Wirtschaftlichkeit der Verwaltung als nichtökonomisches Prinzip im marktwirtschaftlichen Sinn Wahl, VVDStRL 41 (1983), 157; ausführlich dazu Luhmann, VerwArchiv 51 (1960), 97 ff. 254
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56 Gaentzsch, DÖV 1998, 955. 57 SZ v. 20. 3. 2000, Nr. 66, S. 9 ist untertitelt: „Der neue Bahnchef Hartmut Mehdorn nimmt den größten Kahlschlag im Streckennetz seit den 70er Jahren in Kauf*. 2
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b) Zwischen verfassungsrechtlichem Gebot und gesellschaftspolitischer Wunschvorstellung Bevor die These von den Unterschieden zwischen staats- und privatbegünstigender Enteignung weiter entkräftet wird, steht im Hinblick auf das vielfach geforderte Merkmal der Dauerhaftigkeit der Enteignung zu klären, inwieweit Art. 14 Abs. 3 GG Gesetzgeber und Enteignungsbehörden überhaupt verpflichtet, durch verfahrensrechtliche oder sonstige Sicherungen Sorge zu tragen, daß der Enteignungszweck erfüllt wird. 2 5 8 Insbesondere ist zu prüfen, ob die Erfüllung des Enteignungszwecks neben der Umsetzung des enteignungsrechtfertigenden Vorhabens durch den Begünstigten259 verlangt, daß sich, wie man häufig ohne konkrete Herleitung annimmt 260 , der Begünstigte dauerhaft verpflichtet hat, das Gemeinwohl in der die Enteignung legitimierenden Art und Weise zu fördern oder ob es weiterer Festlegungen bedarf. Es versteht sich von selbst, daß die dauerhafte Verbesserung des Gemeinwohls, welches dadurch insgesamt ein neues Qualitätslevel erreichen kann, erstrebenswert ist. Hinter der Forderung, der Enteignungszweck müsse dauerhaft gesichert sein, steckt deshalb der verständliche Wunsch, im Interesse aller eine gewisse Kontinuität sozialer und allgemein zivilisatorischer Standards zu wahren. Zwischen dem, was gesellschaftspolitisch wünschenswert und was verfassungsrechtlich geboten ist, besteht aber ein Unterschied. Im ersteren Falle kann der Gesetzgeber im einzelnen Sicherheitsregelungen schaffen, um den Enteignungsbegünstigten möglichst langfristig und effektiv an das gemeine Wohl zu binden; im anderen Falle muß er Vorsorge treffen, da er sonst seinen Verfassungsauftrag nicht erfüllt. Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist - auch aus dieser Blickrichtung offen formuliert: Denn „zum Wohle der Allgemeinheit" schließt nicht aus, mit dem enteigneten Gut die dauerhafte Verpflichtung für das gemeine Beste übernommen zu haben. Obwohl die grundgesetzliche Formulierung selbst keine konkrete zeitliche Vorgabe enthält, könnte sich eine solche gleichwohl konkludent aus dem Verfassungstext ergeben. Allerdings weisen auch die Materialien zur Entstehung des Grundgesetzes keinerlei Überlegungen zu einer temporären Dimension des Gemeinwohls auf, das mit der Enteignung zu fördern ist. Sinn und Zweck dieses Eingriffs in die Eigentumsgarantie des Betroffenen einerseits und die Begünstigung des Vorhabenträgers andererseits bedingen, daß das Projekt realisiert werden muß, weil nur so das gemeine Wohl im verfassungsrechtlichen Sinn überhaupt gefördert wird. Wie im vorangegangenen Kapitel ausführlich dargelegt, findet dieses auf Verwirklichung des Vorhabens gerichtete Ver-
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So Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 128. 259 § 7 III. 2.. 2 60 Über die herrschenden Begründungsarmut der Forderung dauernder Sicherung des Gemeinwohlzwecks klagt schon Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 196, 233. 14*
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fassungsgebot seinen Ausdruck in dem unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GG abgeleiteten Rückübertragungsanspruch, wenn der Enteignungszweck nicht unter Einbeziehung des enteigneten Guts umgesetzt wird oder gänzlich entfallen ist. Ob das Vorhaben langfristig oder sogar dauerhaft aufrechtzuerhalten ist, wird entgegen den einschlägigen Äußerungen 261 mit dem Erfordernis seiner Verwirklichung nicht schon automatisch impliziert. Bereits anderweit wurde festgestellt, daß die Verfassung zur Quantität der Förderung und damit zur Nachhaltigkeit nichts aussagt.262 Auch der zeitlich begrenzte Betrieb eines gemeinwohldienlichen Vorhabens steigert bereits das gemeine Wohl. 2 6 3 Gegen die These, Art. 14 Abs. 3 GG gebiete einen dauerhaften Erhalt des einmal realisierten Enteignungszwecks, spricht ferner, daß der unmittelbare verfassungsrechtliche Anspruch auf Rückübertragung (aus der Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit der Enteignungsbefugnis in Abs. 3 GG) dann nicht mehr anerkannt wird, wenn der Enteignungszweck, für den seinerzeit enteignet wurde, zunächst realisiert und einige Zeit verfolgt worden ist. Wird die Verfolgung der Gemeinwohlaufgabe später wieder eingestellt, behält zumindest die Änderung der Eigentumszuordnung ihre Rechtfertigung. 264 Verfassungsrechtlich geboten ist damit „nur", daß das Vorhaben dem allgemeinen Wohl dient. Ob das der Fall ist, ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Enteignung; sie muß feststehen, bevor der Grundeigentümer enteignet und der Vorhabenträger begünstigt wird. Die Unsicherheit darüber, ob das Gemeinwohl nach dem enteignenden Akt tatsächlich mit Hilfe der enteigneten Eigentumspositionen gefördert wird, ist ein natürlicher und somit immanenter Mangel jeder Prognoseentscheidung. Da für die Zukunft maximal nach dem Maßstab der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit entschieden werden kann, fordert auch die Verfassung nicht das Unmögliche, die absolute Sicherheit. 265 Und je länger die Zeit261 Umfassend Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 196 ff., der allerdings dabei auch dem Fehler unterliegt, zwischen der schlichten Realisierung des Vorhabens und der darüber hinaus reichenden Sicherung nur ungenügend zu differenzieren. 2 2 * §71.1. a. (2). 263 Vgl. im Ergebnis so auch Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 235 i. V. m. S. 137 ff. 264 BVerwG, Beschl. v. 11. 11. 1993-7 Β 180/93, NJW 1994, 1749; Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 102. In anderem Zusammenhang selbst Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 194. Natürlich ist der Gesetzgeber frei, eine solche Rückenteignung wie ζ. B. einst Preußen in § 16 EisenbahnG zu verankern („Hat die Gesellschaft ein nach § 8 der Expropriation unterworfenes Grundstück, sei es durch Expropriation oder durch freien Verkauf erworben, so soll für dasselbe ein Anspruch sowohl auf Wiederkauf, als auch auf Vorkauf eintreten, wenn in der Folge entweder die Anlage dieser Eisenbahn aufgegeben oder das Grundstück zu ihren Zwecken entbehrlich wird."). Eine dem vergleichbare Regelung enthält das AEG nicht. 2
65 Im Ergebnis stellt auch Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, fest: „An die Sicherung des Allgemeinwohls sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (S. 199) ... Nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG muß der Enteignungszweck lediglich nach menschlichem Ermessen ausreichend gesichert sein (S. 206)... Eine absolute Sicherheit für zukünftige Ent-
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spanne, die überplant werden soll, gewählt wird, um so höher ist die Fehlerquote, um so ungenauer wird das Ergebnis. Trotzdem sind aber gerade für Planungen Prognoseentscheidungen in der Rechtspraxis üblich, weil trotz des bestehenden Gewißheitsmangels verbindliche Vorabentscheidungen notwendig sind. Dem steht das Interesse des Staates gegenüber, sich abzusichern. Denn gibt er sein hoheitliches Zwangsinstrument der Enteignung her, um in einer grundsätzlich für staatliche Gewalt tabuisierten Zone die private Güterordnung zu überwinden, so darf er das nur ausnahmsweise, im Dienste des gemeinen Wohls. Ihm kann deshalb nicht daran gelegen sein, daß die Rechtfertigung seines Eingriffs durch eine nur kurze Dauer der Förderung des Allgemeinwohls nachträglich ein Stück weit entwertet wird. Je klarer deshalb das Enteignungsziel im Zeitpunkt der Enteignung feststeht, um so leichter läßt es sich unter die abstrakt-generelle Festlegung subsumieren und desto sicherer ist dadurch, daß das Gemeinwohl tatsächlich im Sinne des Gesetzgebers gefördert wird. Es ist folglich auch dem Gesetzgeber anheimgestellt, ob er seinerseits den Gemeinwohlzweck noch durch weitere Maßgaben ergänzen will, die auf seine dauerhafte Sicherung zielen. Andernfalls hat die Enteignungsbehörde abzuwägen, wie der Enteignungszweck zu sichern ist, damit sie die Enteignungsentscheidung verantworten kann. 266 Sieht sie dazu keine Möglichkeiten, kann nicht enteignet werden. Wie dauerhaft die Enteignung zu sein hat, wird damit zu einem Problem der Verhältnismäßigkeit. 267
c) Die Dauer des Vorhabens als Problem der Verhältnismäßigkeit Im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Enteignung stellt sich die Frage, wie die Dauerhaftigkeit der Enteignung gesichert sein kann und muß, um überhaupt abwägungsrelevantes Gewicht erhalten zu können. Das folgende Szenario illustriert die Problemlage, die durch die Einbeziehung der Dauerhaftigkeit der Enteignung bewältigt werden muß: Die zur Umsetzung der Transrapidstrecke notwendigen Grundstücke werden auf Basis eines entsprechenden Enteignungsgesetzes im Wege der Enteignung zugunsten der Deutschen Bahn beschafft; anschließend baut das Unternehmen die Strecke aus und betreibt sie kurze Zeit. Das Wegeunternehmen stellt aber nach Ablauf des entsprechenden Streckenstillegungsv erfahr ens den Betrieb wieder ein, weil die erwarteten Gewinne durch die Bewirtschaftung der Strecke ausbleiben. Wicklungen (kann es) nicht geben und eine derartige absolute Sicherheit (wird von der) Verfassung auch nicht gefordert (S. 208)". 266 Es würde den Rahmen der Arbeit sprengen, im einzelnen auf die verschiedenen Sicherungsmittel einzugehen, vgl. dazu ausführlich Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 189 ff.; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 143 ff. 267 Vgl. bereits § 71. 3. So auch ohne weitere Begründungen v. Brünneck, NVwZ 1986, 430; wohl auch Börner, BayVBl. 1976, 646; dagegen Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 203, der dieser Ansicht vorhält, sie unterschätze den durch Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gewährten Rechtsschutz.
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Um die eingeschwebten Verluste zu kompensieren, verkauft nun das Wegeunternehmen, welches einst auch die betroffenen Grundstückseigentümer entschädigt hat, die Strecke an ein stiftungsfinanziertes Technikforschungsinstitut. Dieser fiktive Fall, der das Risiko der Zweckentfremdung des enteigneten Objekts verdeutlich, wirft drei Fragen auf: Was kann dauerhafte Sicherung des Enteignungszwecks rechtlich in einer Welt bedeuten, die vom schnellen Wechsel der Zielsetzungen lebt und nur durch flexible Anpassungen des Angebots an die Nachfrage fortexistieren wird? Kann eine gemeinwohldienliche Unternehmenstätigkeit überhaupt effizient öffentlich-rechtlich gesichert werden, ohne dadurch die private Rechtsautonomie zu knebeln, die für das Funktionieren eines Marktunternehmens lebensnotwendig ist? Und wenn die Sicherung durch öffentlich-rechtliche Bindung des Unternehmens nicht möglich ist, welche Schutzvorkehrungen fangen dann die eintretenden Unsicherheiten auf oder federn sie wenigstens ab? Die wissenschaftlichen Ausführungen zur Dauerhaftigkeit der Enteignung umschiffen das Problem, ob in dieser Überlegung über den Wunsch nach Kontinuität und Rechtfertigung staatlicher Zwangsanwendung hinaus ein rechtstechnisch faßbares, weil verallgemeinerungsfähiges und somit nachprüfbares Merkmal steckt, welches mehr Sicherheit bieten kann als eine bloße Beschwörungsformel zur Gewissensberuhigung, die in eine Absichtserklärung mündet. So bleibt dann auch nach der Proklamation der Notwendigkeit dauerhafter Sicherung 268 keine positive Aussage, ab welcher Dauer der Unternehmung die Waage zugunsten des Eingriffs in die Eigentumsposition des Betroffenen ausschlägt. Allenfalls kann man die positiv formulierten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zum Hamburger Deichordnungsgesetz in ihr Gegenteil verkehren. Danach wäre ein Unternehmen im Sinn des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG als auf Dauer angelegt anzusehen, wenn es für eine im Zeitpunkt der Enteignung nicht absehbare Zeit besteht 269 , d. h. auf einen nicht prognostizierbaren Zeitraum angelegt ist, dessen genaues Ende nicht von vornherein feststeht. Diese Aussage, bezogen auf den Sachverhalt der Boxbergentscheidung, wo es mangels anderer Voraussetzungen zu dieser Frage tatsächlich nicht mehr kam, würde zu Folgendem führen: Die Enteignung zugunsten der Firma Daimler-Benz AG in Boxberg, grundsätzlich gerechtfertigt durch den (tatsächlich eben nicht vorhandenen, hier aber hypothetisch unterstellten) enteignungsgesetzlich verankerten Zweck der Schaffung einer bestimmten Zahl (und Art) von Arbeitsplätzen, darf nach Abwägung der einander gegenüber stehenden Interessen nur erfolgen, wenn das Unternehmen, nachdem es das Vorhaben realisiert und das Kfz-Prüfgelände gebaut hat, bis zum jüngsten Tag der behördlicherseits angeordneten und regelmäßig kontrollierten Verpflichtung nachkommt, mit der gleichbleibenden Zahl von Angestellten auf dem enteigneten Grund Kraftfahrzeuge zu prüfen. 270 - Bereits dieses Beispiel ist unweigerlich ein 268 Trotz historischer Herleitung i. E. auch Bullinger, Der Staat 1 (1962), 477. 269 Vgl. BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968- lBvR 638 u. a./64 u. a., E 24, 367 (407). 270 Vgl. dazu Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 234.
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Hinweis dafür, daß die Unendlichkeit ein irrwitziger, völlig unrealistischer Orientierungspunkt ist. Denn wer kann heute, wo die Entwicklungslinien des rasanten technischen Fortschritts von niemandem zwanzig Jahre vorauszudenken sind, schon wissen, welchen wirtschaftlichen Anforderungen die Automobilindustrie dann unterliegt, welche umweltfreundlichen Alternativen sie eventuell verdrängt haben etc.? Daß ein Vorhaben, das der technischen Fortentwicklung unterliegt, ursprünglich pauschal dauerhaft konzipiert wurde, genügt deshalb regelmäßig noch nicht, um dem Wunsch nach Kontinuität einen realistischen Anstrich zu geben. Eine vorausbestimmte Zeitspanne, für die der Gemeinwohlbezug des Unternehmens auf jeden Fall erhalten bleiben muß 2 7 1 , erscheint hingegen realistisch. Angesichts der vielfältigen Umstände jedoch, die in eine solche Entscheidung einzubeziehen sind, wird es in der Regel für den Gesetzgeber unmöglich sein, zusammen mit dem Enteignungszweck einen Zeitraum gesetzlich festzulegen, über den das Grundstück für das konkrete Vorhaben in Anspruch genommen werden soll, und damit ein verläßliches, abstrakt-generelles Kriterium zu schaffen. 272 Hat sich der Gesetzgeber aus diesem Grunde zurückgehalten, obliegt allein der Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung die Gewichtung dieses Aspekts. Da ihr gerade keine vom Einzelfall unabhängigen Jahreszahlen zur Verfügung stehen, hat sie zu entscheiden, inwieweit sie dem Unternehmen zur Kompensation des gesetzgeberischen Defizits weitergehende öffentlich-rechtliche Bindungen auferlegt. Hierfür kann die Enteignungsbehörde die Quantität des Einsatzes staatlicher Hoheitsgewalt nur ins Verhältnis dazu setzen, inwieweit das Unternehmen für eine bestimmte Zeit realistischerweise verpflichtet werden kann und muß, den im Allgemeininteresse liegenden Enteignungszweck konstant zu verwirklichen. Dabei hat sie wiederum zu beachten, daß das Unternehmen mit der Umsetzung des enteignungserheblichen Vorhabens in die Tat eigentlich seine vom Gesetzgeber als Enteignungszweck anerkannte Aufgabe erfüllt hat, es sei denn, der Gesetzgeber selbst hat weiterreichende öffentliche Bindungen speziell aus Gründen der Enteignung vorgesehen. Wie im Fallbeispiel gezeigt, wird dann regelmäßig dem Enteignungszweck in dem enteignungsbegünstigten Unternehmen Rechnung getragen und damit der Erfolg für das gemeine Wohl garantiert, solange der enteignungserhebliche Unternehmensbereich funktioniert und die vom Gesetzgeber als gemeinwohldienlich erkannte Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird. Im erfolgreichen Unternehmen erhält sich der Enteignungszweck folglich von selbst. Der eine Enteignung begehrende Privatunternehmer würde aus betriebswirtschaft271 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 132; Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 593. Vgl. zu einzelnen Zeitansätzen zusammenfassend Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 228 ff., wobei wegen der Vermischung nicht klar wird, ob es sich lediglich um Fristen für den Rückübertragungsanspruch oder für „dauerhafte" Sicherungen handeln soll. 272 „Nur allein der Mensch vermag das Unmögliche: ... Er kann dem Augenblick Dauer verleihen", Goethe, Das Göttliche, 1785.
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licher Sicht auf die Enteignung und das dadurch erwirkte Nutzland verzichten, könnte er mit diesem nicht wirtschaftlich erfolgreich arbeiten. Nur dadurch erzeugt er die Synergieeffekte, die neben seinem Gewinn auch das Gemeinwohl steigern. Jede zur Sicherung des Enteignungszwecks zusätzliche öffentlich-rechtliche Verpflichtung beeinflußt sein Unternehmerverhalten. Schlimmstenfalls könnten solche Sonderlasten sogar das Gegenteil bewirken, nämlich wirtschaftliche Knebelung und infolgedessen eine Reduktion der Unternehmenstätigkeit. Ist das Unternehmen aber zugrunde gewirtschaftet, so kann der Enteignungszweck mit und ohne öffentliche Bindungen nicht mehr gesichert werden, wird der Allgemeinheit sogar noch die Förderung des Teiles ihrer Interessen entzogen, den das Unternehmen ohne öffentlich-rechtliche Einflußnahme zu leisten imstande gewesen wäre. Ist also die enteignungsrechtfertigende Gemeinwohldienlichkeit gerade mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens verknüpft, so wäre es sinnwidrig 273 , das Unternehmen behördlicherseits durch öffentlich-rechtliche Bindungen mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu überlasten. Bei einem privatisierten Staatsunternehmen ist das nicht anders. Auch dort würden übertriebene öffentlich-rechtliche Bindungen die positiven privatwirtschaftlichen Effekte, die mit der Privatisierung beabsichtigt sind, faktisch rückgängig machen. 274 Trotzdem werden, insbesondere weil andernfalls der Eingriff wegen Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle zugunsten des Eigentumsbetroffenen häufig untersagt werden müßte, vom Begünstigten im Einzelfall bestimmte Lasten zu tragen sein. Dann bietet der Enteignungsbehörde immerhin das allgemeine Verwaltungsrecht genügend Möglichkeiten, die von ihr für die Zumutbarkeit des Eingriffs notwendig erachtete Dauer durch bestimmte, den Begünstigten beschwerende rechtliche Vorkehrungen abzusichern - eventuell auch durch Verwaltungsakt 275 oder verwaltungsvertragliche Vereinbarung. 276 Die Rechtsgrundlage für solche im behördlichen Ermessen stehenden, anspruchsbeschränkenden ein- oder zweiseitigen Verfügungen findet sich - wie für die Bedingung der Realisierung des Enteignungszwecks277 - in der Enteignungsermächtigung.
273 Vgl. auch Gerhardt, in: Zeidler-FS, S. 1667. 274 in diese Richtung zielen auch die Fragen in der Urteilsanmerkung zur Boxbergentscheidung von Grämlich, DÖV 1987, 596: Handelt es sich um einen zulässigen Grundrechtsverzicht, wenn der neue Eigentümer angesichts langfristiger, effektiver rechtlicher Bindungen nicht mehr frei disponieren kann? Wird die Unternehmensleitung „einen solchen Weg ins Ungewisse überhaupt beschreiten mögen"? 275 So der Vorschlag Papiers, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 593. 276 Da eine Auflistung der im einzelnen möglichen Handlungsvarianten den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, vgl. zu den Sicherungsvarianten im einzelnen, allerdings unter dem Vorbehalt, daß nicht zwischen Realisierung und darüber hinaus reichender Sicherung unterschieden wird: Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 189 ff., 238 ff.; SchmidtAßmann, NJW 1987, 1588; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 143 ff. 277 § 7 III 2. c.
§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren Die Planfeststellung verkörpert im Bereich der bodenbeanspruchenden, projektbezogenen Vorhabenplanung das klassische verfahrensrechtliche Instrument des Fachplanungsrechts278, um die vielzähligen Konflikte einander berührender und zu koordinierender Belange zu bewältigen. Sie ist damit auch maßgeblich für einen Großteil der im Bereich Eisenbahn planungsrelevanten Vorhaben (Bau, Ausbau der Betriebsanlagen, § 18 AEG). 2 7 9 Das weitgehend richterrechtliche geformte Fachplanungsrecht stellt das Abwägungsgebot, das sich nach allgemeiner Auffassung unabhängig von einer gesetzlichen Positivierung allein schon aus dem Wesen rechtsstaatlicher Planung ergeben und deshalb allgemein gelten soll 2 8 0 , in den Mittelpunkt des materiellen Entscheidungsprogramms: Öffentliche und private Belange müssen vollständig erfaßt, sodann gewichtet und letztlich gegeneinander abgewogen und zu einem optimalen Ausgleich verbracht werden. 281 Dabei kommt der Planfeststellung neben der Verortung des Vorhabens in der räumlichen Umgebung und der Bewältigung der dabei auftretenden Konflikte in der Umwelt in der Regel auch die Aufgabe zu, die Flächen zu bestimmen, die für das Vorhaben benötigt werden. 282 Das bedeutet, daß im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Planungs- und Verteilungsentscheidungen insbesondere bei raumbeanspruchenden Vorhaben neuer Streckenverlegung 283, notwendig sind, die der Enteignung vorangehen müssen. Der Plan, der in diesem vorangegangenen förmlichen Verfahren entwickelt worden ist, legt das mit der Enteignung zu realisierende Vorhaben bereits im Raum fest und löst in diesem Zusammenhang die zahlreichen, vielfältigen Konflikte, die durch die Verortung und geplante Verwirklichung der Netzstruktur auftreten. Sie reichen von der Beeinträchtigung individuell zugeordneter Rechte und Interessen bis zum Schutz der Umwelt vor außerordentlichen Umweltbelastungen. Mit der fachplanungsrechtlichen Feststellung wird die grundlegende Entscheidung getroffen, welche Grundstücke in welchem Umfang für das vom Vorhabenträger geplante sowie von ihm durchzuführende Unternehmen benötigt werden. 284 278 Wahl, NVwZ 1990,426. 279 Weitere gesetzlich vorgeschriebene Fachplanungsvorhaben sind ζ. B. die überörtliche Planung von Straßen (§ 17 BFStrG) oder Gewässern (§ 31 Abs. 1 WHG), die Abfallplanung (§31 Abs. 2 KrW-/AbfG), die Verlegung von Breitbandkabeln und verteidigungspolitische Landbeschaffungsmaßnahmen. 280 BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 - IV C 105/66, E 34, 301 (303ff.); Urt. v. 5. 7. 1974IV C 50/72, E 45, 309 (314ff.); Urt. v. 14. 2. 1975 - IV C 21/74, E 48, 56 (59ff.); Hoppe, in: Isensee/Kirchhof, HdStR III, § 71, Rn. 96. 281 Kühling, in: Sendler-FS, 392. 282 Wahl, NVwZ 1990, 429. 283 Hermes, Staatliche Infrastrukturplanung, S. 347.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
Die Enteignung steht ganz am Ende dieser langen Kette von Verfahrensteilen. Als letztes Glied dient sie - an den Inhalt der vorangegangenen Planungsentscheidungen gebunden - der Realisierung des Plans. Sie wird dadurch zu einem sog. Planverwirklichungsinstrument. Das Fachplanungsrecht basiert auf dem Gedanken, daß erst eine planerische Konzeption in der Lage ist, den unverzichtbaren Zusammenhang herzustellen zwischen dem im Gesetz bezeichneten generellen Ziel, zu dessen Verwirklichung das Gesetz die Inanspruchnahme privaten Eigentums abstrakt erlaubt, und dem in concreto betroffenen Enteignungsobjekt.285 In dieser Planakzessorietät aber kommt der Enteignung nicht mehr primär die Funktion zu, Grund und Boden für die gemeinwohlbezogene Aufgabe zu beschaffen, sondern eine den Planfestsetzungen (die aber ihrerseits bestimmte Zielvorgaben verfolgen) entsprechende Grundstücksnutzung durchzusetzen. 286 Bei den hier interessierenden bodenbeanspruchenden Vorhaben treffen im Eisenbahnplanfeststellungsbeschluß die eigentliche Eisenbahnplanfeststellung und die Enteignungsplanfeststellung zusammen. Erstere bezieht sich auf die Gestaltung im Raum. Dem Enteignungsplan, mit dem sich wegen der Bindung an die vorangegangene Planung keinerlei Gestaltungsabsichten hinsichtlich des Sachkörpers im Räume mehr durchsetzen lassen (§ 20 Abs. 2 AEG) 2 8 7 , bleibt, den Umfang eines für die Enteignung in Betracht kommenden Grundstückes festzulegen. Die Eisenbahnplanfeststellung hat also gewissermaßen eine „sachgestaltende", die Eisenbahnenteignungsplanfeststellung eine „sachabgrenzende" Tendenz. Beide treffen sich im Substrat des festzustellenden (Gesamt-) Planes, im Gegenstand der räumlichen Gestaltung bzw. Abgrenzung mit der Folge, daß sich beide Pläne letzten Endes decken müssen (Bauplan- und Enteignungsplanordnung). 288 Im Bereich der Kompetenz des Eisenbahnbundesamtes, das auf jeden Fall für die Eisenbahnplanfeststellung zuständig ist, solange es sich um Eisenbahnen des Bundes handelt (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 EVerkVerwG), kann folglich nur ein Akt für die räumliche Festlegung in beiden Verfahren bestimmend sein. Insoweit setzt sich das (Betriebs-) Anlagenrecht der (öffentlichen) Eisenbahnen gegen das Landesenteignungsrecht ( § 2 2 Abs. 4 AEG) durch, das im übrigen gilt. Die Einordnung der Enteignung als letztes und an die Vorentscheidung gebundenes Glied des komplexen Planungs- und Planrealisierungsvorgangs im Fachplanungsrecht, der sich innerhalb der letzten Jahrzehnte stetig erweiterte, geht inzwischen - anders als bei der ersten gesetzlichen Fixierung des Rechtsinstituts 284 Die Darstellung erfolgt in den festzustellenden Plänen über den Grunderwerb (Grunderwerbsplan und - Verzeichnis, Lageplan der bauzeitlichen Inanspruchnahme) Ronellenfitsch, in: Blümel, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, S. 41 und Fn. 57. 285
Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 443. Gassner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, S. 112. 287 Vgl. dagegen noch § 37 Abs. 4 Reichseisenbahngesetz v. 30. 8. 1924, RGBl. II, 272: „In allen Fällen gilt die Feststellung der Baupläne, soweit eine Enteignung erforderlich ist, als eine vorläufige." 286
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Koch, in: Haustein, Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 177, Rn. § 81.
§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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der Planfeststellung 289 - davon aus, daß die für das abschließende Enteignungsverfahren bindende planerische Gestaltung grundsätzlich einem hoheitlichen Träger obliegt. 290 Bei diesem kann man davon ausgehen, daß er mit den entsprechenden institutionellen Voraussetzungen ausgestattet ist, um die gestaltenden Abwägungen berührter öffentlicher und privater Belange zu treffen, die das Verfahren kennzeichnen. Das mit der Bahnreform in Kraft getretene Allgemeine Eisenbahngesetz läßt textlich keinerlei wesentliche Veränderungen zur vormaligen Regelung der Planfeststellung im Bundesbahngesetz erkennen. Trotzdem drängt sich aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen der Verdacht auf, daß auch das Verfahren der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung von den Neuerungen nicht unberührt geblieben ist, deren Auswirkungen weder vollständig erfaßt, noch in ihrem Umfang bereits gänzlich abschätzbar sind. 291 Denn mit der Privatisierung der Bahn können früher in einer (öffentlichen) Hand zusammengefaßte Plangestaltung und Planfeststellung zwischen einem privatrechtlichen und einem öffentlich-rechtlich organisierten Träger aufgeteilt werden.
I . Die Zuordnung der planerischen Gestaltungsfreiheit Ausgangspunkt jeder Planfeststellung ist der vorläufige Plan. Der Entwurf jedes neuen Vorhabens bedarf der planerischen Gestaltung, die - und das ist die landläufige Vorstellung von der Planfeststellung - im förmlichen Verfahren konkretisiert wird. Fraglich ist bloß, wer während des Verfahrens den Plan gestalten darf. Schließlich handelt es sich um einen Vorgang, der von der fehlenden gesetzlichen Rangbestimmung der Interessen gekennzeichnet ist und der deshalb den Gestalter zunächst zu einer eigenen Ordnung der Interessen und eventuellen Kompensationsmöglichkeiten zwingt. 292 Wie teilen sich das Privatrechtssubjekt Deutsche Bahn AG als Trägerin des Planvorhabens und die öffentliche Hand in Gestalt des Eisenbahnbundesamtes als die Planfeststellungsbehörde im Bereich der Eisenbahnen des Bundes in diese Aufgabe? Entsprechend dem überkommenen Typ der Planfeststellung, bei dem der Plan von einem Träger hoheitlicher Gewalt aufgestellt und ins Verfahren eingebracht wird 2 9 3 , wäre allein das Eisenbahnbundesamt funktionell in der Lage, planerisch gestaltend tätig zu werden. Der Planvorhabenträgerin 289 § 4 des Preußischen Eisenbahngesetzes; vgl. auch Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung (Manuskript), S. 70, Fn. 149. 290 Hösch, ZfW 36 (1997), 82; Wahl, DVB1. 1982, 53. 291 Teil 1 §3111. 292 Schmidt-Aßmann, in: Schlichter-FS, S. 11. 293 Dazu anschaulich Wahl, DVB1. 1982, 53 ff.; vgl. zur früheren Rechtslage § 37 BbG, nachdem der Deutschen Bundesbahn sowohl die Rolle der Enteignungsbehörde als auch die des Enteignungsbegünstigten zugewiesen war, dazu auch BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1979-4 C 10/77, E 59, 253 (256ff.); Beschl. v. 24. 8. 1987-4 Β 129/87, DVB1. 1987, 1267 (1268f.).
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käme dann lediglich die Rolle des Plannehmers zu, wenn die Planfeststellungsbehörde die des Plangebers besetzt hält. Unabhängig von den reformbedingten Novitäten berührt diese Frage der planerischen Gestaltungsbefugnis einen Grundsatzstreit im Planfeststellungsrecht, der seit dem Β 42 - Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 294 zwischen den Anhängern der Doktrin von der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde und ihren Gegnern gährt. Seine Auswirkungen werden aber erst dann in vollem Umfang sichtbar, wenn das Planvorhaben nicht mehr von der öffentlichen Hand, sondern von einem privaten Rechtssubjekt getragen wird und somit der Antragsteller nicht mehr derselben juristischen Person angehört wie die Planfeststellungsbehörde bzw. nicht mehr in einem direkten Weisungsverhältnis zu ihr steht. 295 Damit entfaltet die Planfeststellung, insbesondere der sie abschließende Planfeststellungsbeschluß nicht mehr nur gegenüber den betroffenen Dritten Außenwirkung. 296 Auch der Antragsteller gehört nicht mehr zum Rechtskreis der planfeststellenden Behörde, sondern steht zu ihr in einer ebensolchen Außenrechtsbeziehung. Sein Verhältnis zur Planfeststellungsbehörde wird deshalb nicht vom Recht inneradministrativer Beziehungen bestimmt, das anders als bei nach außen gerichteter Verwaltungstätigkeit nicht von subjektiven Rechten, sondern von Kompetenzen geprägt ist. 2 9 7 Infolge dieses bewußten Entkoppelungsprozesses müssen die einst in den Hintergrund gedrängten Ansprüche des Antragstellers wieder stärker ins Gewicht fallen. 298 Inwieweit der Planfeststellungsbehörde eigene planerische Gestaltungsspielräume offen stehen, bestimmt sich in erster Linie nach dem jeweiligen Fachrecht. Als Anknüpfungspunkt dafür, daß der Planfeststellungsbehörde planerische Gestaltungsfunktion zukommen soll, dient einer stark vertretenen Auffassung zufolge die für das Planfeststellungsrecht typische Abwägungsklausel, wie sie sich beispielsweise in § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG niedergeschlagen hat. 2 9 9 Sie sei im Sinne einer Ermächtigung zu gestaltendem Abwägen 300 zu verstehen; Planung fordere mehrdimensionales Abwägen im Geflecht öffentlicher und privater Belange, das Kom294 BVerwG, Urt. v. 14.2. 1975-4 C 21.74, E 48, 56ff. (insb. 59, 63 f.); daran anknüpfend Urt. v. 14. 12. 1979-4 C 10.77, E 59, 253 (vgl. insb. 256f.); Beschl. v. 20. 7. 1979-7 C Β 21/79, NJW 1980, 953ff.; Urt. v. 29. 1. 1991-4 C 51 /89, DVB1. 1991, 1142(1144). 295 Zu den Problemen dieser Konstellation Sendler, in: Schlichter-FS, S. 74. 296 Vgl. nur beispielsweise BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1975-4 C 21.74, E 48, 56 (66). 297 Vgl. Wahl, DVB1. 1982, 54. 298 Zusammenfassend Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 39, Rn. 8, S. 335. 299 Gaentzsch, in: Schlichter-FS, S. 521 f. In Fällen, in denen der Planfeststellungsbeschluß unmittelbar Grundstücke erfasse, die im Anschluß gegebenenfalls zu enteignen seien, solle schon die enteignungsrechtliche Vorwirkung die Planungsbefugnis/Planungspflicht der Behörde erfordern, weil die Beschränkung der Planfeststellungsbehörde auf bloße Rechtskontrolle bedenklich sei, S. 531. 300 Vgl. die Differenzierung zwischen nachvollziehendem und gestaltendem Abwägen bei Wahl, DVB1. 1982, 55 f.
§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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pensationsmöglichkeiten im Falle divergierender Interessen eröffne. Nachteile und unerwünschte Zustände in Teilbereichen könnten somit ausgeglichen werden. Maßgeblich sei letztlich der positive Gesamtsaldo.301 Die auf diese Weise regelmäßig 302 bei der Planfeststellungsbehörde verankerte Gestaltungsbefugnis entspringt einer Rechtsentwicklung, bei der Grundsätze auf das Planfeststellungsrecht übertragen wurden, die man ursprünglich für die Bauleitplanung entwickelt hatte 303 : Der planenden Gemeinde kommt - unterstützt durch ihre von Art. 28 Abs. 2 GG garantierte Planungshoheit - umfassende Gestaltungsbefugnis zu. Nur führt sie sowohl die Planung als auch die diese bestätigenden Beschlüsse selbst in eigener Regie durch, vgl. §§ 1 Abs. 3, 10 BauGB. Antragsteller und Beschlußorgan sind also - wie in der Regelkonzeption von der Planfeststellung - identisch. Weil „Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich" sei 3 0 4 , folgt nach dieser weit verbreiteten Ansicht die planerische Gestaltungsbefugnis der Planfeststellungsbehörde trotz fehlender ausdrücklicher Erwähnung bereits daraus, daß der Behörde die Befugnis zur Planfeststellung übertragen worden sei. 305 Und die Befugnis schließe zwangsläufig 306 einen mehr oder weniger ausgedehnten Spielraum an Gestaltungsfreiheit ein. 3 0 7 Das Planfeststellungsverfahren setze das vom Vorhabenträger begonnene Planungsverfahren auf Grundlage einer „kombinierten Planungsbefugnis" 308 „mit - nunmehr - der Planfeststellungsbehörde als verantwortlichem Planungsträger" 309 oder - feiner formuliert einer Trägerschaft von ursprünglichem Plangeber und der zur Planfeststellung berufenen Behörde „zur gesamten Hand" 3 1 0 fort.
301 wie schnell der nun naheliegenden Vorstellung, „damit sei die Verwaltung lediglich den zurückhaltenden Handlungs- bzw. Kontrollmaßstäben der Abwägungsfehlerlehre (i.e.S.) unterworfen", wegen der Anforderungen der sog. „relativen Priorität" Grenzen gesetzt sind, vgl. Erbguth, DVB1. 1992,400. 302 Anders ζ. B. im Atomrecht, vgl. § 9 b AtomG. 303 BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1975-4 C 21.74, E 48, 56 (60); Wahl, NVwZ 1990, 426. Nach Weidemann, DVB1. 1994, 265 ein „Kardinalfehler der Rechtsprechung". 304 BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1975-4 C 21.74, E 48, 56 (59), vgl. auch BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 - IV C 105/66, E 34, 301 (304). 305 Fouquet, VerwArchiv 87 (1996), 230.: „Der fachgesetzlichen Anordnung des Planfeststellungsverfahrens ist somit zutreffend eine materielle Planungsermächtigung der Planfeststellung für alle Arten von Planfeststellungen zu entnehmen"; Paetow, in: Sendler-FS, S. 429. 306 Gaentzsch, in: Schlichter-FS, S. 524 spricht von „Planungspflicht". 307 Zur Bestimmung der der Planfeststellungsbehörde in bezug auf ihre Gestaltungsfreiheit gesetzten Grenzen vgl. z. B. die Bindung an die vom Bundesminister getroffene Linienbestimmung gem. § 16 Abs. 1 BFStrG, das Planrechtfertigungsgebot, die Maßgaben gesetzlicher Planungsleitsätze, die Anforderungen des Abwägungsgebots, BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1975-4 C 21.74, E 48, 56 (59ff.); vgl. auch Fouquet, VerwArchiv 87 (1996), 215ff.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rn. 4 ff., S. 384ff. 308 Sendler, in: Schlichter-FS, S. 81. 309 Gaentzsch, in: Schlichter-FS, S. 519 f. 310 Sendler, in: Schlichter-FS, S. 81.
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Diese Vorstellung ist unter den Voraussetzungen der Privatisierung nicht (mehr) haltbar: Aufgabe der den Plan feststellenden Behörde kann es nicht sein, selbst zu planen. Wenn Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG der Deutschen Bahn AG grundsätzlich die volle rechtliche Selbständigkeit und Verantwortung für den Ausbau des Schienennetzes überträgt, kann nur sie gestaltend tätig werden und den Plan für ihre Anlagen aufstellen. Der Planfeststellungsbehörde bleibt lediglich zu prüfen, ob der von dem in seinen Dispositionen freien Antragsteller eingereichte Plan 311 mit dem materiellen und formellen Recht in Einklang steht. Aus der Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Planvorhabenträgers resultiert, daß, sofern Belange der planerischen Gestaltungsfreiheit überlassen sind, das Eisenbahnbundesamt als Planfeststellungsbehörde für die Eisenbahnen des Bundes nicht ihre Wahl an die Stelle derjenigen des Antragstellers setzen darf. Sie kann allenfalls versuchen, auf den Vorhabenträger einzuwirken, damit dieser den Plan abändert. 312 Allein aus dem öffentlichen Interesse an der Eisenbahnplanung wächst der für die Eisenbahnplanung zuständigen Behörde keine über die Ermächtigung zur Erteilung von Auflagen· oder Bedingungen hinausreichende generelle Gestaltungsbefugnis zu, die ihr gestattet, gegen den Willen des Eisenbahnunternehmens einen vom Eingabeplan abweichenden Plan festzustellen. Die Planfeststellungsbehörde ist lediglich Adressatin der Anforderungen aus den einschlägigen Rechtsvorschriften und dem Abwägungsgebots, die das Planvorhaben und damit die Planfeststellung betreffen. 313 Und Abwägung in diesem Sinne kann - vergleichbar anderen Ermessensentscheidungen - keinesfalls mehr sein als das, was die Behörde auf der letzten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) zu tun berechtigt ist. 3 1 4 Innerhalb dieses Rahmens kommt der Planfeststellungsbehörde als Verkehrsverwaltungsbehörde die Kontrollfunktion zu. Sie kann - parallel einer Genehmigungsbehörde - Auflagen und Bedingungen erteilen oder den Plan gänzlich ablehnen. Trotz der fehlenden Gestaltungsbefugnis bleibt die Behörde und damit der Staat aufgrund dieser bestehenden Kontroll- und Legitimierungsfunktion (auch 311
Die Planfeststellungsbehörde darf nur auf Antrag tätig werden, vgl. §§73 Abs. 1 S. 1, 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG. 312 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 39, Rn. 8, S. 336. 313 Erbguth, DVB1. 1992, 401 ff.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 443; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 39, Rn. 8, S. 336 sowie § 41, Rn. 10 ff., S. 388 ff.; vorsichtiger Heinze, Eisenbahnplanfeststellung, S. 30f.: unabhängig davon kann im Einzelfall eine beschränkte gesetzliche Gestaltungsbefugnis für das EBA begründet sein, S. 31 f.; Jarass, DVB1. 1998, 1203: Die „originäre Planung" liegt beim Antragsteller, die Planfeststellungsbehörde ist auf die „nachvollziehende Planung" beschränkt; SchmidtAßmann, in: Schlichter-FS, S. 14 f.: Der den Planfeststellungsbehörde belassene „Ausgestaltungsspielraum" ist „enger als die planerische Gestaltungsbefugnis". 314 Kastner, VerwArchiv 80 (1989), 78; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht § 41, Rn. 12, S. 390. Vgl. auch eine frühe Entscheidung des 4. Senats des BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1979-4 C 10.77, E 59, 253 (258), nachdem das Abwägungsgebot „in seinem Anwendungsbereich in einer spezifischen Weise dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt".
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bei einer geplanten weiteren Verfahrensprivatisierung hinsichtlich bestimmter Teilabschnitte) letztverantwortlich. 315 Die Planfeststellungsbehörde darf den Plan folglich nur dann feststellen, wenn er mit dem primären sowie sekundären materiellen Recht in Einklang steht. Den Plan mit dem materiellen Recht in Einklang zu bringen, steht ihr nur innerhalb des durch die jeweiligen Fachgesetze eingeräumten Ermessens316 zu, das sie nach den Grundsätzen des § 40 VwVfG auszuüben hat. 3 1 7 Für den privaten Vorhabenträger ist schließlich noch von Interesse, inwieweit er einen Rechtsanspruch auf Feststellung des von ihm eingereichten Plans gegen die planfeststellende Behörde geltend machen kann. Weder das Allgemeine Eisenbahngesetz, das die Planfeststellung fordert, noch das Verwaltungsverfahrensgesetz gewähren dem Vorhabenträger und Antragsteller, ζ. B. der Deutschen Bahn AG, ausdrücklich einen Anspruch auf die Planfeststellungsentscheidung der Behörde. Korrespondierend mit der Ansicht, die Behörde besäße eine eigene Planungsbefugnis und -kompetenz, könnte ein solcher Anspruch des Vorhabenträgers auf Feststellung seines Plans abzulehnen sein. 318 Ein anderes Ergebnis drängt sich dagegen auf, folgt man mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung der allgemeinen Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht. 319 Sie setzt für die Annahme eines Rechtsanspruchs des einzelnen voraus, daß die von der Behörde für ihre Entscheidung anzuwendenden zwingenden Regeln des objektiven Rechts zumindest auch den Interessen des Rechtsinhabers vom Gesetz zu dienen bestimmt sein müssen. 320 Es stört deshalb nicht, daß die planfeststellungsrechtlichen Vorschriften in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit zur Seite stehen. Von ihr sollen Nachteile und Belästigungen, die das neue Vorhaben mit sich bringt, abgewendet werden. Dem Antragsteller und Vorhabenträger dienen sie ebenso321 nicht un315 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 347; Wahl, DVB1. 1993, 521. 316 für die Zuordnung der Abwägung zum (Verwaltungs-) Ermessen, Erbguth, DVB1. 1992, 399,403. 317 Entschließungs- und Auswahlermessen: Die Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob und wenn ja unter Auferlegung welcher Maßnahmen sie den vom Vorhabenträger vorgelegten Plan feststellen soll, Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rn. 14 ff., S. 392 f. 318 Hösch, ZfW 36 (1997), 82; ebenso Sendler, in: Schlichter-FS, S. 82: „mit Funktion und rechtlichen Auswirkungen der Planfeststellung unvereinbar, weil diese ... eine verbindliche Raumnutzungsentscheidung enthält". Uneindeutig BVerwG, Urt. v. 24. 11. 1994-7 C 25/93, E 97, 143 (149) für den Fall einer privaten Abfallentsorgungsanlage: Zwar lehnt es einen Zulasungsanspruch des privaten Vorhabenträgers ab, bejaht aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ausübung des weiten Planungsermessens. 319 Vgl. schon Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 51, auch S. 79, 83. Zum subjektiven öffentlichen Recht als rechtlich zuerkannte Willensmacht Remmert, Die Verwaltung 29 (1996), 466 ff. 320 Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, S. 9ff., 21, 58, 60; Ruffert, DVB1. 1998, 74f. zur Schutznormlehre unter dem Einfluß des europäischen Gemeinschaftsrechts. 321 Dazu, daß es reicht, wenn die Rechtsnorm zumindest „auch" objektiv dem Schutz einzelner dient, vgl. schon Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der
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wesentlich, indem sie ihn dank der Konzentrationswirkung von weiteren Antragstellungen für sonstige erforderliche Genehmigungen verschonen. Ist der Plan rechtsbeständig, so schirmt ihn dieser außerdem vor weiteren Einwänden aus der Nachbarschaft ab und beeinflußt insoweit die privatrechtliche Situation. 322 Der mit der gebundenen Befugnis der Planfeststellungsbehörde korrespondierende Anspruch des Vorhabenträgers 323 richtet sich mindestens auf fehlerfreie Ermessensentscheidung bei der Feststellung seines Plans 324 , im konkreten Einzelfall sogar auf Feststellung des vorgelegten Plans, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist, weil dringende Gründe des Gemeinwohls für die Verwirklichung des Plans sprechen, die entgegenstehenden Belange in concreto aber nur von sehr geringem Gewicht sind. 325 Drei Aspekte kennzeichnen nach dem gerade Erörterten die neue Entwicklung im Eisenbahnrecht. Ihrer Bedeutung wegen sollen sie nochmals kurz zusammengefaßt werden: Erstens hat sich die Ausgangslage, so wie sie zu Zeiten bestand, als die Deutschen Bundesbahn existierte, grundlegend verändert. Plangestaltung und Planfeststellung mit abschließendem Beschluß liegen weder in ein und derselben (öffentlichen) Hand, noch besteht ein direkter Weisungszusammenhang (etwa kraft Auftragsverwaltung bei der Bundesfernstraßenplanung). Damit mutierte die vorher sogenannte „Ausnahme", die Planfeststellung zugunsten eines privaten Vorhabenträgers, wie sie aus dem Wasserrecht bekannt ist, zum „Regelfall". Zweitens handelt es sich bei der Planfeststellung (im Bereich der Eisenbahnen des Bundes) um ein qualitativ nicht von sonstigen Anlagenzulassungsverfahren zu unterscheidendes Verfahren. Wegen der Vielzahl der Belange, die zu berücksichtigen sind, bestehen jedoch quantitative Differenzen zu sonstigen Anlagengenehmigungsverfahren. Allein aus diesem Grund war es bislang von unschätzbarem Vorteil, daß der (vormals) hoheitliche Vorhabenträger, gemäß Art. 20 Abs. 3, Art. 1 deutschen Verwaltungsrechtsprechung, S. 509. In dem Sinne auch Bachof, in: Jellinek-GS, S. 287, 301, 303, 305 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 8. 322 So auch Hösch, ZfW 36 (1997), 82; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 9, Rn. 5; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rn. 18, S. 395. 323 Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 9 Rn. 4: „Der Anspruch des Unternehmers auf öffentlich-rechtliche Zulassung seines Vorhabens ... ist bei der Planfeststellungsbehörde in die ... Abwägung ... der betroffenen öffentlichen und privaten Interessen eingefügt". 324 Wahl, DVB1. 1982, 58 Fn. 50. 325 Schmidt-Aßmann, in: Schlichter-FS, S. 15. Nach Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rn. 18, S. 396 soll bei einem grundrechtsfähigen Träger zugunsten der Ermessensreduzierung und damit des Anspruchs stets auch die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in die Waagschale fallen. Gemeint sein kann damit nur das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Doch selbst wenn dieses unter die Eigentumsgarantie gefaßt wird, vermittelt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keinen Schutz für zukünftige Erwerbschancen, sondern soll lediglich den vorhandenen Bestand des Privaten sichern, vgl. Wendt, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 14, Rn. 41, 44, 47. Allenfalls ein Plangewährleistungsanspruch sei bei Vorliegen eines besonderen Vertrauenstatbestandes denkbar, Wendt, Rn. 50.
§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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Abs. 3 GG an Recht und Gesetz, insbesondere die Grundrechte gebunden, bereits Aspekte des gemeinen Wohls in seine gestaltende Planung einfließen ließ, und diese deshalb von der Behörde und gegebenenfalls dem Gericht nur noch einer nachvollziehenden Abwägungskontrolle unterworfen werden mußte. 326 An dieser „Vorarbeit" fehlt es, wenn die abwägend nachzuvollziehende Planungsentscheidung ein Privater auf Grundlage seiner legitimen Gewinnerzielungsabsichten getroffen hat, da er als Privatunternehmer durch nichts verpflichtet oder veranlaßt ist, seine in der Planung zum Ausdruck gelangenden Wertungen und Abwägungen am Allgemeinwohl zu orientieren. 327 Deshalb wird drittens die bisher wegen der Identität von antragstellendem Unternehmen und Verwaltungsträger unnötige und fehlende Orientierung der Planfeststellung am Antragsteller bzw. Berechtigten zum entscheidenden Faktor. An Stelle dessen, daß wie bei der Verwirklichung eines Amtsauftrags 328 an einem Strang gezogen wird, können sich nun differierende Pflichten und Rechte von Planfeststellungsbehörde und Vorhabenträger gegenüberstehen. Die unternehmerischen Einschätzungen darüber, welcher Nutzen oder Schaden aus einer Maßnahme zu ziehen ist, in welcher anderen Weise das Vorhaben gegebenenfalls auch zu realisieren ist oder nicht 3 2 9 , können noch nicht die behördliche Prüfung des Nutzens für das allgemeine Wohl ersetzen, auch wenn sie noch so vernünftig scheinen und methodisch einwandfrei zustande gekommen sind. Denn sie sind anders als bei einem hoheitlichen Vorhabenträger noch keine Garantie für die Gemeinwohldienlichkeit des Vorhabens im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG. Wohlgemerkt kann es so sein, muß aber nicht. Die Privatisierung beschert der Behörde folglich nicht eine Reduktion von Prüfungspflichten, sondern intensiviert vielmehr die am Gesetz orientierte Prüfungslast. Nur über eine genaue Kontrolle kann das Defizit an allgemeinwohlverträglicher Planung großer Infrastrukturvorhaben privater Träger ausgeglichen werden.
I I . Die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Plans privat- oder gemeinnützige Planfeststellung? Da mit der Planfeststellung nicht bereits begriffsnotwendig Eingriffe in Rechte Dritter verbunden sind, ist sogar eine rein privatnützige Planfeststellung 330 grundsätzlich denkbar. Auch über sie kann durch Abwägung aller einschlägigen Belange 326 BVerwG, Urt. v. 17. 1. 1986-4 C 6 u. a./84, E 72, 365 (367); Erbguth, DVB1. 1992, 403. 327 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 443; vgl. auch Seilmann, DVB1. 1987, 226. 328 Wahl, DVB1. 1982, 53. 329 Vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 1. 1986-4 C 6, 7/84, UPR 1986, 267. 330 Zum Begriff Viertel, ZfW 29 (1990), 434. 15 Pommer
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entschieden werden 3 3 1 , und was i m Rahmen des öffentlichen Nachbarrechts nicht die Grenzen zumutbarer Beeinträchtigungen sprengt, muß hingenommen werden. Allerdings vermag eine rein privatnützige Planfeststellung keine Eingriffe in Rechte Dritter zu rechtfertigen, schon gar nicht solche, die sich an Art. 14 Abs. 3 GG messen lassen müssen. 3 3 2 Entgegenstehende Rechte Dritter können i m Rahmen der Abwägung nur dann überwunden werden, wenn das Vorhaben neben dem privaten Nutzen zugleich dem Gemeinwohl dient und es sich folglich um eine sogenannte ( a u c h 3 3 3 ) gemeinnützige Planfeststellung (zugunsten Privater) handelt. 3 3 4 Gemeinnützig ist die Planfeststellung dann, wenn das Vorhaben dem Gemeinwohl Vorteile b r i n g t 3 3 5 und damit ein öffentliches Bedürfnis zugrunde l i e g t . 3 3 6 Die Privatheit des Vorhabenträgers spielt also i m Planfeststellungsverfahren ebenso wie i m Enteignungsverfahren an sich noch keine Rolle. Auch hier kommt es entscheidend nur auf das die Planung rechtfertigende Wohl der Allgemeinheit an, das i m Planfeststellungsbeschluß seitens der Behörde objektiviert zum Ausdruck gelangen m u ß . 3 3 9
331 Entwickelt von BVerwG, Urt. v. 10. 2. 1978-4 C 25/75, E 55, 220 (226ff.); vgl. auch Urt. v. 7. 7. 1978-4 C 79/76 u. a., E 56,110 (119); Urt. v. 18. 5. 1990-7 C 3/90, E 85, 155 (156 ff.). 332 Deshalb ist sie „ihrem wesentlichen Entscheidungsgehalt nach nicht Eingriffsakt, sondern nimmt - jedenfalls für den Antragsteller - die Funktion einer Genehmigung ein." BVerwG, Urt. v. 10. 2. 1978-4 C 25/75, E 55, 220 (227); Urt. v. 18. 5. 1990-7 C 3/90, DVB1. 1990, 1170; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 7. 8. 1989, ZfW 29 (1990), 430 (431 f.); auch Viertel ZfW 29 (1990), 433; vgl. Wahl NVwZ 1990, 430; ders. DVB1. 1982, 58 Fn. 50 zum Anspruch des Antragstellers. 333 Eine rein gemeinnützige Planfeststellung zugunsten privater Vorhabenträger wird es wohl ebensowenig wie eine rein gemeinnützige Enteignung zugunsten Privater geben, weil korrespondierend dem Duktus der Marktwirtschaft - systemimmanent - zumindest immer auch ein privater Zweck hinter dem Vorhaben steht. 334 Dem entspricht die Entscheidung des BVerwG zur abfallrechtlichen Planfeststellung, Urt. v. 79. 3. 1990-7 C 21 / 89, E 85,44 (45 ff.) Kritisch zu dieser Entscheidung Murswiek in seiner Freiburger Antrittsvorlesung, DVB1. 1994, 78 ff. Vgl. auch Kühling, in: Sendler-FS, 397. 335 Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 39, Rn. 10. 336 So BVerwG, Beschl. v. 20. 8. 1987-7 Β 156/87, juris S. 4 zur Charakterisierung der Gemeinnützigkeit einer abfallrechtlichen Planfeststellung. §7 IL 338 So auch Bay. VGH, Urt. v. 23. 4. 1985-8 Β 83 A.3018, DÖV 1986, 112 (113); Fou quet, Verwaltungsarchiv 87 (1996), 230; Seilmann, DVB1. 1987, 224. Deshalb soll umgekehrt auch nicht aus dem Umstand, daß eine öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtung Träger des Vorhabens ist, generell gefolgert werden, es handle sich dann auch um die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, Murswiek, DVB1. 1994, 78. So aber BVerwG, Beschl. v. 9. 3. 19907 C 21 / 89, E 85, 44 (48) „Ist Träger des Vorhabens ... eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, liegt die gemeinnützige Zielrichtung auf der Hand". 337
339 Da das Planfeststellungsrecht nur insoweit Gegenstand dieser Arbeit ist, als sie sich auf das nachfolgende Enteignungsverfahren auswirkt, kann hier nicht im Detail erörtert werden, inwieweit - wie bei der Enteignung zugunsten Privater, vgl. § 7 III. 3. - eine dauerhafte
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Die behördlicherseits objektivierte Gemeinwohldienlichkeit der Planung im Planfeststellungsbeschluß reicht jedoch in dem Moment nicht mehr aus, in dem klar ist, daß die Grundstücke, die für die Umsetzung des Planungsvorhabens notwendig sind, nicht bereits vorhanden, sondern gegebenenfalls im Wege eines sich an das Planfeststellungsverfahren anschließenden Enteignungsverfahrens beschafft werden müssen. Wenn diesem nämlich, wie in § 22 Abs. 2 AEG angeordnet, der festgestellte Plan als Rechtfertigung zugrunde gelegt wird (Satz 1) und für die Enteignungsbehörde Bindungswirkung entfaltet (Satz 2), ist bereits das Planfeststellungsverfahren enteignungserheblich. Es entfaltet, weil es „einer weiteren Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung nach Planfeststellung" nicht bedarf (§ 22 Abs. 1 Satz 2 AEG), sogenannte enteignungsrechtliche Vorwirkungen. 340 Das hat zur Folge, daß bereits im Rahmen der Planfeststellung, sofern eine Enteignung erforderlich wird, die Zulässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen sind und ein Planfeststellungsbeschluß letztlich nur ergehen kann, soweit die Enteignung sachlich gerechtfertigt ist (Art. 14 Abs. 3 GG). Die besondere Bedeutung dieser Vorwirkung äußert sich nicht zuletzt in der besonderen Stellung des enteignungsbetroffenen Grundeigentümers im Hinblick auf die Wirkung seiner Rechtsmittel.341 Zu seinem Schutz vor einer gesetzeswidrigen und schon deshalb dem Wohl der Allgemeinheit nicht entsprechenden Enteignung führt seine Anfechtungsklage nämlich anders als die der sonstigen Betroffenen zur vollständigen Überprüfung von Fachplanungsentscheidungen sowohl im Hinblick auf materielle als auch formelle Fehler. 342 Kann der durch die weiteren Vorhabenwirkungen (mittelbar) Betroffene lediglich verlangen, daß überprüft wird, ob seine eigenen Belange ordnungsgemäß abgewogen, also richtig erkannt und angemessen gewichtet worden sind 343 , ermöglicht das Tatbestandsmerkmal des Art. 14 Abs. 3 Sicherung dieser Verpflichtung zugunsten des gemeinen Wohls erforderlich ist. Ausgehend von der Überlegung, daß die Planfeststellung an sich noch keine dauerhafte Änderung der Eigentumsordnung zum Gegenstand hat, ist dieses Erfordnernis hier wohl eher zu verneinen, vgl. dazu aber Seilmann, DVB1. 1987, 226. 340 Vgl. parallel dazu auch die Unternehmensflurbereinigung, § 187 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Auch wenn ihre bloße Anordnung noch nicht zum konkreten Eigentumsentzug führt, geht das Verfahren doch dem Enteignungsverfahren im engeren Sinne voran und befindet mit Bindungswirkung über verfassungsrechtliche Anforderungen gemäß Art. 14 Abs. 3 GG (Wortlaut der Vorschrift: „Ist ... eine Enteignung zulässig, ... so kann ... ein Flurbereinigungsverfahren eingeleitet werden"). Die Entscheidung ist deshalb auch an Art. 14 Abs. 3 GG zu messen (BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1977-1 BvR 514/68 u. a., E 45, 297 [320]; Urt. v. 10. 3. 1981 - 1 BvR 92 u. a./71, E 56, 249 [264]; Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 [282f.]: „soweit... enteignungsrechtliche Vorwirkung reicht, muß es genügen, daß sie die Privatrechtsordnung nur potentiell und noch nicht aktuell berührt"). Zusammenfassend Maß, in: Bauer/Herber, Recht und Technik, S. 106 f. Zu einzelnen Planfeststellungen ohne enteignungsrechtliche Vorwirkung vgl. Hoppe/Schiarmann, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, S. 27 Fn. 127. 341 Kastner, VerwArchiv 80 (1989), 79. 342 Wahl, NVwZ 1990, 925. 343 Zusammenfassend Vallendar, UPR 1999, 121 ff. Wahl, NVwZ 1990, 925. 15*
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
GG 'Wohl der Allgemeinheit' dem Enteignungsbetroffenen ebenso die Rüge einer Verletzung öffentlicher, bloß objektiv-rechtlich geschützter Belange. Denn auch die Vernachlässigung von Gemeinwohlbelangen kann kausal für die Inanspruchnahme seines Grundstücks werden. 344 Dabei ist die Kausalität immer schon dann anzunehmen, wenn auch eine andere Trassenführung, durch die das Grundstück des Betroffenen verschont geblieben wäre, außer Betracht geblieben ist. 3 4 5
I I I . Das Planrechtfertigungsgebot Das Erfordernis der Rechtfertigung des planerischen Vorhabens 346 ergibt sich wiederum in sinngemäßer Übereinstimmung mit einem ähnlichen Prüfungskriterium bei der Bauleitplanung aus der Erwägung, „daß hoheitliche Planung ihre Rechtfertigung nicht etwa schon in sich selbst trägt, sondern im Hinblick auf die von ihr ausgehenden Einwirkungen auf Rechte Dritter für die jeweils konkrete Planungsmaßnahme rechtfertigungsbedürftig ist". 3 4 7 In Fällen, in denen die Realisierung des Vorhabens eine Enteignung erfordert und die Planung deshalb mit der enteignungsrechtlichen Vorwirkung belastet ist, stehen dabei der Schutz des privaten Eigentums Dritter i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und die Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG im Vordergrund. Die hier angesprochene Notwendigkeit der Rechtfertigung von Planungsvorhaben, die den Bau bzw. Ausbau von Betriebsanlagen der Deutschen Bahn betreffen, ist weder im Allgemeinen Eisenbahngesetz noch im Verwaltungsverfahrensgesetz ausdrücklich geregelt, sondern ergibt sich wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Planfeststellung aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG und ist ein aus dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip, der Subsidiarität solcher Eingriffe und des für sie geltenden Gesetzesvorbehalts folgender Grundsatz. 348 344 BVerwG, Urt. v. 2. 7. 1990-4 C 26/87, NVwZ 1991, 781 (784); Gaentzsch, in: Schlichter-FS, S. 534; vgl. auch Stucklick, UPR 1998, 7. 345 BVerwG, Urt. v. 18. 3. 1983-4 C 80/79, E 67, 74 (78). 346 Nach BVerwG, Urt. v. 8. 6. 1995-4 C 4/94, E 98, 339 (345); Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 50 handelt es sich bei der Planvorhabenrechtfertigung noch immer um eine eigenständige Prüfungsstufe. Dagegen halten Fouquet, VerwArchiv 87 (1996), 221, 232; Jarass, DVB1. 1998, 1205; Kühling, in: Sendler-FS, S. 395 ff.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rn. 5; Wahl, NVwZ 1990, 434f.; ders., NVwZ 1999, 613 die Planvorhabenrechtfertigung für entbehrlich und sehen in ihr nur lediglich einen abwägungserheblichen Belang. - Das Problem, ob die Planrechtfertigung unter einem eigenen Prüfungspunkt oder im Rahmen der Erforderlichkeit zu prüfen ist, soll hier nicht eigentlich interessieren. Mangels wirklicher inhaltlicher Diskrepanzen kann hier auf eine Einordnung ins Prüfungsgerüst verzichtet werden. Der Titel des Abschnitts steht insoweit auch nicht für eine bestimmte Entscheidung in dieser Streitfrage, sondern für die Kennzeichnung eines rein materiell-rechtlichen Problems. 347 BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1975-4 C 21.74, E 48, 56 (60f.); Urt. v. 7. 7. 1978-4 C 79/76 u. a., E 56, 110(118); vgl. auch Urt. v. 22. 3. 1985-4 C 15/83, E 71, 166(168).
§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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Hiermit ist die Frage nach der enteignungstauglichen Erforderlichkeit des Planvorhabens aufgeworfen. 349 Die Planungsentscheidung, bei deren Vollzug privater Grundbesitz notfalls im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden muß, soll - so die Rechtsprechung - schon dann erforderlich und damit gerechtfertigt sein, wenn das Vorhaben allein gemessen an den Zielen des zugrundeliegenden Fachplanungsgesetzes nicht notwendig „unausweichlich", aber „vernünftigerweise geboten" 350 und damit objektiv erforderlich erscheint. Das heißt, das Projekt muß generell geeignet sein, die Ziele des Fachplanungsgesetzes zu fördern, es muß aber nicht das allein geeignete, insoweit unvermeidliche Instrument darstellen. Denn ob das bei der Verwirklichung des Vorhabens verfolgte Gemeinwohl die konkrete Enteignungsmaßnahme letztlich rechtfertigt, ergibt sich erst durch die abschließende konkrete Abwägung der durch die Planung berührten öffentlichen und privaten Belange untereinander. 351 Ihr sind die vielen praktisch bedeutsamen Aspekte der Eignung und Erforderlichkeit des Vorhabens vorbehalten. 3 5 2 Maßgeblich ist im Rahmen der Planrechtfertigung somit nicht, wie der Planende die Frage, ob das konkrete Vorhaben den fachplanungsgesetzlichen Enteignungszielen mit hinreichender Plausibilität dient 353 , selbst beantwortet hat, sondern ob sich nach der objektiven Rechtslage für das geplante Vorhaben hierauf bezogene „vernünftige" Gründe ergeben. 354 „Vernünftig" im Gesetzessinne ist nur ein Vorhaben, das die verfassungskonform ermittelten Anforderungen der Gemeinwohldienlichkeit erfüllt. Diese hier geforderte Objektivierung im Hinblick auf die für den Einzelfall maßgebliche Gesetzeslage erscheint als zwingende Konsequenz aus den besonderen, enteignungsrechtlichen Planungsgrenzen. Ein bodenbeanspruchendes Vorhaben ist eben wegen Art. 14 Abs. 3 GG nur zulässig, wenn es zunächst generell geeignet ist, dem enteignungserheblichen Gemeinwohl, so wie es der Gesetzgeber konkretisiert hat, zu dienen. Nur die Frage, ob diese Grenze eingehalten wurde, ist Gegenstand der Planrechtfertigung. Um die Prüfung im Lichte des grundgesetzlichen Enteignungsartikels richtig durchführen zu können, müssen sich die von der Praxis in Übereinstimmung mit den Zielen der Fachplanung herausgearbeiteten „vernünftigen" Gründe im Bereich des Allgemeinen Eisenbahngesetzes als eine - im Sinne der schon an anderer Stelle ausführ-
348 BVerwG, Urt. v. 6. 12. 1985-4 C 59/82, E 72, 282 (284f.); Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 50; Hösch, ZfW 36 (1997), 83 Kästner, VerwArchiv 80 (1989), 78. 349 Es ist deshalb nur konsequent, wie von Jarass, DVB1. 1998, 1205 gefordert, auf die Prüfung der Planrechtfertigung zu verzichten, „wenn bei einer bestimmten Planfeststellung generell oder im Einzelfall eine solche Vorwirkung nicht auftritt". 350 BVerwG, Urt. v. 6. 12. 1985-4 C 59/82, E 72, 282 (285); Urt. v. 27. 7. 1990-4 C 26/87, NVwZ 1991, 781 (783); Beschl. v. 30. 12. 1996-11 VR 21/95, NVwZ-RR 1998, 284 (286). 351 BVerwG, Urt. v. 22. 3. 1985-4 C 15/83, E 71, 166(170). 352 Jarass, DVB1. 1998, 1204. 353 Wahl, NVwZ 1990,434. 354 BVerwG, Urt. v. 27. 7. 1990-4 C 26/87, NVwZ 1991, 781 (783).
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
lieh erörterten Anforderungen - hinreichende gesetzliche Konkretisierung des Gemeinwohls erweisen 355 :
1. Das Interesse an einer bedarfsgerechten Vorhaltung von Eisenbahnbeförderungsleistungen Die gesamte Rechtsprechung geht davon aus, daß sich das enteignungsrechtfertigende Gemeinwohl regelmäßig nicht in einer Vorschrift allein verbirgt, sondern daß das die Planung tragende Gesetz einen bestimmten Allgemeinwohlbelang herausgegriffen hat, dem alle Einzelregelungen des Gesetzes dienen wollen 3 5 6 , in dessen Licht folglich auch die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen zu lesen und anzuwenden sind.
a) Die beste Verkehrsbedienung,
§ 1 Abs. 2 AEG
Anders als beim Fernstraßengesetz des Bundes, wo bereits in den §§1,3 und 4 die Bildung und der stetige, weiträumige Ausbau eines Verkehrsnetzes sowie die Förderung der Verkehrssicherheit als Zielvorstellungen benannt werden 357 , auf die im Rahmen der Planrechtfertigung zurückgegriffen wird, ist das Allgemeine Eisenbahngesetz, was ähnliche Formulierungen anbelangt, zurückhaltender. Einzig § 1 Abs. 2 AEG spricht von dem Ziel bester Verkehrsbedienung, indem die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger angeglichen und durch lauteren Wettbewerb volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilungen ermöglicht werden sollen. Nur ist Adressat dieser mit einer konkreten Aufgabenstellung verknüpften Zielvorgabe nicht der Träger des hier maßgeblichen Planungsvorhabens, sondern es sind die Regierungen des Bundes und der Länder. Damit ist dieser Regelung kein allgemeiner Zweck des Gesetzes zu entnehmen, der bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzestextes beachtet werden muß. Selbst wenn die Netzerweiterung durch den Ausbau der Strecken die Verkehrsbedienung verbessern würde, läge folglich darin noch keine hinreichende generelle Rechtfertigung des zwangsweisen Zugriffs auf Eigentumspositionen.
b) Die Förderung des öffentlichen
Verkehrs
Als eine auch an den Träger von Eisenbahnplanungsvorhaben gerichtete eisenbahnrechtliche Zielvorgabe des Allgemeinen Eisenbahngesetzes könnte aber die 355 Vgl. §71.1. 356 Vgl. statt aller BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1990-7 C 5/90, E 87, 241 (246f.); Hösch, ZfW 36 (1997), 84. 357 Vgl. dazu z. B. auch BVerwG, Urt. v. 6. 12. 1985-4 C 59/82, E 72, 282 (283).
§8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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Förderung des öffentlichen Verkehrs (vgl. zum Begriff § 3 Abs. 1 AEG) angesehen werden. Da sich das Allgemeine Eisenbahngesetz einem solchen Ziel nicht ausdrücklich verschrieben hat, vielmehr gemäß seinem § 1 Abs. 1 Satz 1 allgemein für Eisenbahnen gilt, ohne zwischen solchen des privaten und des öffentlichen Verkehrs zu differenzieren, müßte sich der Wille des Gesetzgebers, mit diesem Gesetz die Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs besonders privilegieren zu wollen, aus Text sowie Systematik des Gesetzes erschließen. Ein solcher Gedanke liegt deshalb nahe, weil das Allgemeine Eisenbahngesetz, obwohl es seinem Grundsatz nach für alle Eisenbahnen gelten soll, den öffentlichen Verkehr verschiedentlich besonders betont und hervorhebt. Das geschieht dadurch, daß nichtöffentliche Eisenbahnen gelegentlich explizit vom Anwendungsbereich ausgenommen werden 358 und Einschränkungen hinnehmen müssen 359 oder aber auch freier in ihrer Betriebsgestaltung sind. 360 Selbst wenn aus diesen Sonderregelungen eine Tendenz des Allgemeinen Eisenbahngesetzes sichtbar wird, den öffentlichen Verkehr erstens zu fördern und zweitens öffentlich, also allgemein zugänglich zu halten, so ist damit noch kein allen Vorschriften des Gesetzes vorauszusetzendes allgemeines Ziel des Inhalts erklärt, daß besonders der öffentliche Verkehr gefördert werden soll. 3 6 1 Gerade für das hier maßgebliche Verfahren der Planfeststellung fehlt nämlich eine solche Differenzierung. Nach § 18 Abs. 1 AEG sind Schienenwege von Eisenbahnen unabhängig von ihrer öffentlichen / nichtöffentlichen Eigenschaft planfeststellungsfähig. Öffentliche und nichtöffentliche Eisenbahnen werden hier keineswegs zufällig gleichbehandelt. Denn nichtöffentliche Eisenbahnvorhaben lösen ebenso wie öffentliche 358
So in § 6 Abs. 1 Satz 2 AEG: „Die Genehmigungspflicht für Eisenbahnen, die nicht dem öffentlichen Verkehr dienen, richtet sich nach Landesrecht". 359 Vgl. § 14 Abs. 2 AEG: „Nutzen Eisenbahnen, die nicht dem öffentlichen Verkehr dienen und die sowohl Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen als auch eine Eisenbahninfrastruktur betreiben, die Eisenbahninfrastruktur von öffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmen, so steht ihnen das Recht nach Abs. 1 (auf diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur) nur insoweit zu, als sie die Benutzung ihrer Eisenbahninfrastruktur anderen ... zu vergleichbaren Bedingungen gewähren". 360 Nach § 9 AEG ζ. B. gilt die Verpflichtung zu getrennter Rechnungsführung bei Unternehmen, die sowohl Verkehrsdienstleistungen erbringen als auch eine Infrastruktur betreiben, für nichtöffentliche Eisenbahnen nur, „sofern sie ihre Eisenbahninfrastruktur anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Nutzung für den öffentlichen Verkehr gegen Entgelt zur Verfügung stellen". Selbstverständlich unterfallen nichtöffentliche Eisenbahnen auch nicht der in § 10 AEG statuierten Beförderungspflicht. 36 1 Anders Blümel, Fragen der Entwidmung von Eisenbahnbetriebsanlagen, S. 3, der die Zweckbestimmung in § 3 Abs. 1 Nr. 2 AEG verankert sieht. Dagegen spricht jedoch, daß die Vorschrift lediglich das öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen definiert und gerade nicht auf eine allgemeine, gesetzesimmanente Zielsetzung abstellt, sondern nur die eigene Zweckbestimmung des Unternehmens für die Kategorisierung maßgeblich ist: „wenn sie als (2.) Eisenbahninfrastrukturunternehmen ... betrieben werden und ihre Schienenwege nach ihrer Zweckbestimmung von jedem Eisenbahnverkehrsunternehmen benutzt werden können".
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
die Drittbetroffenheit angrenzender Eigentümer aus und berühren genauso öffentliche, insbesondere naturschutzrechtliche Belange.
c) Für Zwecke des Baus und des Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn, § 22 Abs. 1 Satz 1 AEG Solange sich die Suche nach einem Gesetzes-, der zugleich Enteignungszweck sein könnte, an die frühere Rechtsprechung zum Bundesbahngesetz anlehnt, versperrt sie sich selbst den Blick auf den Ausgangspunkt für die Annahme eines Enteignungsrechts, der in § 22 Abs. 1 AEG zu sehen ist. In dieser Vorschrift, die die Enteignung generell für zulässig erklärt, hat der Gesetzgeber konkret und ohne Mangel der Bestimmtheit festgehalten, welche Maßnahmen mittels der Enteignung durchgesetzt werden können, um dem über allem stehenden Ziel, der Befriedigung des allgemeinen Verkehrsinteresses an einer bedarfsgerechten Eisenbahnbeförderungsleistung, zu dienen. Hier muß die das Gemeinwohl fördernde Unternehmenstätigkeit nicht mehr von der rechtsanwendenden Planfeststellungsbehörde oder dem kontrollierenden Gericht erfunden werden. Soweit es sich bei den Vorhaben um Anlagen im Sinne des Gesetzes handelt, liegt ein vernünftiger Grund vor, der generell geeignet ist, entgegenstehende Rechtspositionen zu überwinden. Ob er sie letzten Endes tatsächlich überwinden kann, ist eine Frage der Abwägung. Unter dem Vorzeichen der Abwägung ist zu fragen, ob die generell zulässige Enteignung verhältnismäßig, d. h., ob sie tatsächlich das letzte Mittel ist, um der Gemeinwohlaufgabe gerecht zu werden. 362 Wie bereits für die Planfeststellung erörtert, enthält das Gesetz darüber hinaus keine generelle Einschränkung zugunsten der öffentlichen Eisenbahnen. Selbst bezüglich der enteignungstauglichen Vorhaben differenziert der Gesetzgeber nicht zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Bahnprojekten, weshalb zunächst einmal davon ausgegangen werden muß, daß sogar ein finaler Zugriff auf private Rechtspositionen im Wege der Enteignung auch zugunsten nichtöffentlicher Eisenbahnen keineswegs ausgeschlossen ist. Allerdings wird eine Enteignung zugunsten von Eisenbahnen, die ihre Infrastruktur nicht öffentlich zur Verfügung stellen, im Rahmen des Fachplanungsrechts, bei dem das Enteignungsrecht an den festgestellten Plan anknüpft, schon deshalb nie zur Entscheidung anstehen, weil solche rein privatnützigen Vorhaben von vornherein nicht planfeststellungsfähig sind, es also nie einen festgestellten Plan geben wird. Unabhängig von einer enteignungsrechtlichen Vorwirkung können nämlich im Verfahren der Planfeststellung - wie schon oben beschrieben 363 - zugunsten eines Vorhabens, das nur dem privaten Nutzen dient, keine ihm entgegenstehenden privaten Belange weggewogen werden, wenn die Beeinträchtigung die Schwelle übersteigt, bis zu der anderen Duldungspflich362 Vgl. jüngst BVerfG, Beschl. v. 18. 11. 1998-1 BvR 21/97, NJW 1999, 1176. 363 §811.
§ 8 Die Enteignungsoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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ten obliegen. Allein die Feststellung, ob diese Grenzwerte überschritten oder ob die Beeinträchtigungen entsprechend ausgeglichen und deshalb zu dulden sein werden, ist in diesem Falle Gegenstand der Planfeststellung. Sie vermag aber keinesfalls den finalen Entzug der privaten Rechtsposition zu rechtfertigen, um das privatnützige Vorhaben zu realisieren. Eine Enteignung scheidet folglich aus systemimmanenten Gründen aus. 364 Deshalb können Infrastruktureinrichtungen im weiteren herausgehalten werden, die nicht in irgendeiner Weise dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dienen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AEG). Entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 365 folgen sie reinen privaten Sonderinteressen und nützen damit nicht (weder unmittelbar noch mittelbar) dem Allgemeinwohl. Damit kommen als generell rechtfertigungsfähige Vorhaben einer Enteignung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 AEG grundsätzlich nur Bahnanlagen öffentlicher Eisenbahnen in Betracht.
2. Gesetzlich konkretisierte Bedarfsfestlegung Neben der fachgesetzlichen Zielvorgabe dient als weiterer Anknüpfungspunkt für die Rechtfertigung des Planvorhabens nach weit verbreiteter Auffassung die im BSchwAG samt Anhang vom Bundesgesetzgeber konkretisierte Bedarfsfestlegung. Schließlich erklärt das BSchwAG den Bedarfsplan für Neu- und Ausbaustrecken, der sich in seinem Anhang befindet, als für die Planfeststellung verbindlich, vgl. § 1 Abs. 1 und 2 BSchwAG, was so viel heißen könnte wie: alle dort aufgeführten Streckenvorhaben stehen im öffentlichen Interesse und sind - unabhängig von einer enteignungsrechtlichen Vorwirkung - generell geeignet, den Zugriff auf privates Eigentum zu rechtfertigen. 366 Das könnte sich aus einem Vergleich mit dem Fernstraßengesetz des Bundes ergeben. Zwar wurde, bevor der Gesetzgeber erstmals durch Art. 27 des 3. Rechtsbereinigungsgesetzes vom 28. 6. 1990 367 § 1 FStrAG 368 neu faßte, um die bisher 364 Vgl. z u den parallelen Überlegungen beim Bau von Straßen durch Private Wendrich, BauR 1985, insb. S. 164 ff. 365 Vgl. dazu die Entscheidung des BVerwG, Beschl. v. 7. 11. 1996-4 Β 170.96, UPR 1997, 106 f. zu der parallelen Fragestellung: Enteignung für einen nicht dem allgemeinen Verkehr zugänglichen Sonderlandeplatz nach § 28 Abs. 1 LuftVG, § 49 Abs. 2 Nr. 2 LuftVZO. 366 BVerfG, Beschl. v. 19. 7. 1995-2 BvR 2397/94, NVwZ 1996, 261; daran anschließend BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1998-1 BvR 650/97 u. a., NVwZ 1998, 1060f.; BVerwG, Beschl. v. 30. 12. 1996-11 VR 21/95, NVwZ-RR 1998, 284 (286); Beschl. v. 30. 12. 199611 VR 24/95, LKV 1997, 209 (210); Beschl. v. 30. 12. 1996-11 VR 25/95, NVwZ-RR 1997, 525 (527). Auch Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 52 zumindest für „Strecken vordringlicheren und weiteren Bedarfs". Warum die länderübergreifenden Projekte (Anlage zu § 1 Nr. 3) - die Vereinbarungen mit den jeweils betroffenen Nachbarländern vorausgesetzt - ausgeschlossen bleiben sollen, bleibt offen und unverständlich, da § 1 Abs. 2 BSchwAG die Bedarfsfestlegung entsprechend dem Anhang generell für verbindlich erklärt hat. 367 BGBl. I, 1221.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
nicht gesetzlich verankerte Verbindlichkeit der Bedarfsfeststellung zu verdeutlichen und sicherzustellen 369, die generelle Rechtfertigungsfunktion einer gesetzlich konkretisierten Bedarfsfestlegung grundsätzlich mit der Begründung verneint, ihr fehle es an einer eigenen fachgesetzlichen Zielbestimmung. Auch die Aufnahme in eine bestimmte Dringlichkeitsstufe konnte nicht über die generelle Rechtfertigung des Vorhabens entscheiden. Dem Regelungsgehalt der Bundesbedarfsplanung wurde keine Bedeutung beigemessen, die über die bloß interne Bindung der Verwaltung vor allem im Hinblick auf die haushaltsmäßigen und zeitlichen Prioritäten hinausreichte; die Bedarfsplanung entfaltete nach damaliger Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung etwa im Sinne einer gesetzgeberischen (Teil-)Aussage über die Zulässigkeit eines konkreten Vorhabens und der durch sie bedingten Enteignung. 370 Aber nachdem der Bundesgesetzgeber den Bedarf im Sinne der Planrechtfertigung 371 mit bindender Wirkung auch für die zur Rechtmäßigkeitskontrolle von Planfeststellungen berufenen Gerichte konkretisiert hat 3 7 2 und diese Bindungswirkung somit auch auf den Verkehrsbedarf als in die Abwägung einzustellenden öffentlichen Belang erstreckt wurde 373 , ist gleichzeitig die Zielkonformität der Planungsvorhaben gesetzlich festgeschrieben und damit verbindlich, die im Anhang zum Bedarfsgesetz verzeichnet sind. 374 Die Rechtsprechung sieht aufgrund der gleichlautenden Klausel in § 1 Abs. 2 BSchwAG keine Probleme, diese zur Bedarfsfeststellung im FStrAG entwickelten Überlegungen auf die eisenbahnrechtliche Bedarfskonkretisierung zu übertragen 3 7 5 : Auch hier ist die Kompetenz des Bundesgesetzgebers im gewaltenteilenden Bundesstaat376 (vgl. Art. 20 Abs. 2, Art. 73 Nr. 6a i. V. m. Art. 71 GG) nicht 368 Das erste Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971-1985 stammt aus dem Jahre 1971 (BGBl. I, 873), geändert durch Gesetze v. 25. 8. 1980 (BGBl. I, 1614), v. 21. 4. 1986 (BGBl. I, 557) 369 Vgl. zu den Motiven Rinke, Erläuterungen zum FStrAbG (in der Fassung der Bekanntmachung v. 15. 11. 1993, BGBl. I, 1878, ber. BGBl. I [1995], 13), in: Das Deutsche Bundesrecht, S.4f. 370 BVerwG, Urt. v. 22. 3. 1985-4 C 15/83, E 71, 166 (169). 371 So die an die Neufassung des FStrAG angepaßte Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urt. v. 8. 6. 1995-4 C 4/94, E 98, 339 (345ff.); Urt. v. 21. 3. 1996-4 C 26/94, E 100, 388 (390); Urt. v. 18. 6. 1997-4 C 3/95, NVwZ-RR 1998, 292 (293). 372 BVerwG, Urt. v. 8. 6. 1995-4 C 4/94, E 98, 339 (345f.). 373 Rinke, Erläuterungen zum FStrAbG, in: Das Deutsche Bundesrecht, S. 5; BVerwG, Urt. v. 21. 3. 1996-4 C 26/94, E 100, 388 (390); Urt. v. 18. 6. 1997-4 C 3/95, NVwZ-RR 1998, 292 (293). Das heißt aber nicht, „daß es ... nicht Belange geben könnte, die so gewichtig sind, daß sie in der Abwägung den kraft gesetzgeberischer Entscheidung feststehenden Bedarf überwinden können". 374 BVerwG, Urt. v. 21. 3. 1996-4 C 26/94, E 100, 388 (390). 375 BVerfG, Urt. v. 19. 7. 1995-2 BvR 2397/94, NVwZ 1996, 261; Beschl. v. 8. 6. 19981 BvR 650/97 u. a., NVwZ 1998, 1060f.; BVerwG, Beschl. v. 30. 12. 1996-11 VR 21/95, NVwZ-RR 1998, 284 (286); Beschl. v. 30. 12. 1996-11 VR 24/95, LKV 1997, 209 (210); Beschl. v. 30. 12. 1996-11 VR 25/95, NVwZ-RR 1997, 525 (527). 376 Vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 3. 1996-4 C 26/94, E 100, 388 (390).
§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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überschritten. 377 Mit dem in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten umfassenden und effektiven Rechtsschutz tritt die gesetzliche Bedarfsfeststellung nicht in Konflikt. Denn daß die gesetzliche Bestimmung des Bedarfs gegenüber einer bloßen exekutivischen Planung ein Weniger an Rechtsschutz bedeute, weil dem Bürger kein direktes Rechtsschutzinstrument gegen Gesetze an die Hand gegeben ist, vermag nach Auffassung der Rechtsprechung schon deshalb nicht zu überzeugen, weil auch eine Planungsentscheidung der Exekutive nicht unbedingt leichter als die gesetzliche Planung daraufhin überprüft werden kann, ob sie „vernünftigerweise geboten" ist. Unabhängig davon, daß erst die weitere Konkretisierung dieser grundsätzlichen Bedarfsentscheidung ergibt, ob ein Vorhaben überhaupt durchgeführt wird und welche Grundstücke dafür gegebenenfalls in Anspruch genommen werden müssen, handelt es sich bei der Bedarfsfestlegung um eine „verkehrspolitische Leitentscheidung auf einer der individuellen Betroffenheit weit vorgelagerten Ebene", die von vielen politischen und wirtschaftlichen Faktoren bestimmt wird und auf eine lange Frist ausgerichtet ist. Ihre gerichtliche Kontrolle, egal ob sie in der Rechtsform eines Gesetzes oder einer von weitem Ermessensspielraum geprägten Verwaltungsentscheidung ergeht, stößt daher an die „Funktionsgrenzen der Rechtsprechung" 378. Wenn freilich die Behörde die gesetzliche Feststellung des Aus- und Neubaubedarfs als generelle Rechtfertigung einer Enteignung heranzieht, so setzt das voraus, daß es sich dabei um eine Konkretisierung des enteignungstauglichen Gemeinwohls im Sinn des Art. 14 Abs. 3 GG handelt. Eigenständige Bedeutung kommt ihr nur zu, wenn sie über die in Art. 22 Abs. 1 AEG (Bau und Ausbau von Betriebsanlagen) vorhandene Präzisierung hinausgeht. Diese Annahme legt die Kette gesetzlicher Verweisungen nahe, die bei Art. 22 Abs. 1 AEG beginnt. Sie führt über § 22 Abs. 2 AEG zur Bindung der Enteignung an den festgestellten Plan (§18 AEG), bei dessen Feststellung wiederum der im Bedarfsplan niedergelegte Bedarf als verbindlich zu Grunde zu legen ist (§ 1 Abs. 2 BSchwAG). 379 Diese jeweiligen Bindungsverpflichtungen, Bindung der Enteignung hinsichtlich ihrer Voraussetzungen an die Planfeststellung und Bindung der Feststellung des Plans an die des Bedarfs, sprechen dafür, daß der Gesetzgeber auch subjektiv davon ausging, mittels der gesetzlichen Festlegungen die Konkretisierung des Gemeinwohls in § 22 Abs. 1 AEG noch zu spezifizieren: Indem der Gesetzgeber seine Festlegung des Bedarfs mit der eigentlichen Enteignungsermächtigung verknüpft, wollte er die in dieser bereits vorhandene Gemeinwohlkonkretisierung weiter ausgestalten. Andernfalls hätte er auf die verbindliche Wirkung der Bedarfsgesetzgebung für die Enteignung verzichten können. Trotzdem entfaltet die Bedarfsfestlegung allein - wie allgemein wohl zu Recht angenommen wird - noch keine ent377 Dazu auch BVerwG, Beschl. v. 21. 12. 1995-11 VR 6/95, 896 (899). 378 BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1998-1 BvR 650/97 u. a., NVwZ-RR 1998, 1060 (1061). 379 Zu den Begriffen Teil 2, § 6 II. Der Bedarfsplan ist dem Bundesschienenwegeausbaugesetz, das die Schienenwege mit Betriebsanlagen der Eisenbahn definiert (§ 8 Abs. 5 BSchwAG), als Anlage beigefügt (§ 1 Abs. 1 BSchwAG).
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
eignungsrechtliche Vorwirkung, weil über die parzellenscharfe Inanspruchnahme bestimmter Grundstücke 380, um den ausgewiesenen Bedarf zu realisieren, erst im Planfeststellungsverfahren durch die Bestimmung des genauen Trassenverlaufs entschieden wird. 3 8 1 Erst vom Planfeststellungsbeschluß ist der einzelne konkret betroffen, folglich ist auch nur die Vereinbarkeit des Beschlusses mit dem verfassungsmäßigen Ermächtigungsgesetz rechtlich kontrollierbar. 382 Als Spezifikation jedoch hat die gesetzliche Bedarfsfestlegung, die den mit Bau und Ausbau von Betriebsanlagen in § 22 Abs. 1 AEG abgesteckten Rahmen generell enteignungstauglicher Vorhaben enger zieht und damit als die speziellere Norm gelten muß, in objektiv materiell-verfassungsrechtlicher Hinsicht den gleichen Anforderung zu genügen, die an die gesetzliche Rahmenkonkretisierung des enteignungstauglichen Gemeinwohls in § 22 Abs. 1 AEG gestellt sind. 383 Das heißt, alle im Bedarfsplan aufgeführten Streckenvorhaben müßten öffentlichen, das Gemeinwohl in der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Art und Weise widerspiegelnden Interessen dienen. Denn nur diese fördern das gemeine Beste in Abgrenzung zu den Belangen, die der Gesetzgeber selbst nur als rein unternehmerische kennzeichnete und damit nicht als im Sinn des Art. 14 Abs. 3 GG gemeinwohldienliche verstanden wissen wollte. Bei näherem Hinsehen enthält indessen der Bedarf, der im Anhang zum Bundesschienenwegeausbaugesetz aufgelistet ist, nicht vollumfänglich Streckenvorhaben, deren Umsetzung dem Gemeinwohl geschuldet ist. 3 8 4 Was der Gesetzgeber dort als Bedarf an Schienenwegen festgelegt hat, wird, wie sich aus § 10 Abs. 1 BSchwAG ergibt, nicht nur von allgemeinwohldienlichen Belangen bestimmt. 385 Diese Norm, die sich auf den ersten Blick nur mit der Finanzierung und der Lastenverteilung zu beschäftigen scheint 386 , legt wie ein Geständnis die Motivation des Gesetzgebers offen: In ihr bekennt der Gesetzgeber selber, welche unterschiedlichen Interessen die Planung des Aus- und Neubaus von Schienenwegen beeinflussen können. So spielen neben rein öffentlichen Interessen des Bundes rein unternehmerische Interessen (vgl. § 10 Abs. 1 S. 2 BSchwAG) der Eisenbahn und damit insbesondere der Deutschen Bahn AG eine Rolle und verwässern den gemeinwohlförderlichen Charakter der sonstigen Bedarfskonkretisie380 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 1996-2 BvF 2/93, E 95,1 (17). 381 Gaentzsch, in: Schlichter-FS, S. 533 f.; Jarass, DVB1. 1998, 1210. 382 Vgl. parallel dazu die Rechtsprechung zur Nichtbeanstandungserklärung nach § 4 Abs. 2 EnWG a. F. BVerwG, Beschl. v. 29. 6. 1994-1 Β 189/93, RdE 1994, 232 (233). 383 Dazu $ 7/. L, §8111. 1. c. 384 Anders BVerwG, Beschl. v. 21. 12. 1995-11 VR 6/95, 896 (899); Steenhoff, DVB1. 1996, 1238 f. 385 Insoweit ist auch die schlichte Übertragung der zur Bedarfsfestlegung im Rahmen des FStrAG entwickelten Grundsätze ungenau, da es dort keine dem § 10 BSchwAG entsprechende Regelung gibt. 386 Dazu Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 89, vgl. auch Stertkamp, Int. Verkehrswesen 52 (2000), 196.
§ 8 Die Enteignungsvoraussetzungen im Planfeststellungsverfahren
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rungen. Anders als die Interessen des Bundes an einer flächendeckenden Versorgung beziehen sich die Investitionsentscheidungen der Deutschen Bahn AG nämlich darauf, nicht beliebig vermehrbare finanzielle Ressourcen nur für Vorhaben einzusetzen, durch die das „Gesamtsystem den größten Effekt erfährt". Ziel soll es sein, „mit jeder investierten Mark den höchstmöglichen Kundennutzen zu erreichen" 387 , weil höchstmöglicher Kundennutzen höchstmögliche Gewinne verspricht. 388 Daneben finden sicherlich auch entsprechende Mischformen von öffentlichen, gemeinwohlorientierten und unternehmerischen Belangen Berücksichtigung. Der Bedarfsplan in Form des Gesetzes läßt nicht mehr erkennen, welches in ihn eingestellte Vorhaben von welchen Interessen getragen wird. Ob sich der gemeinwohlorientierte Einfluß des Bundes, für den es eine gewisse Darlegungslast im Sinne einer vernünftigen Begründung gibt 3 8 9 , oder ob sich die vom konkreten Vorhaben entfernten Konzernbelange, bei denen die Auswirkung des Vorhabens auf die betroffene Region von untergeordneter Bedeutung sind, durchgesetzt haben, ist im Bedarfsplan nicht ausgewiesen. Die im einzelnen dahinterstehenden Interessen herauszufiltern, kann aber auch der - nur beschränkten - Rechtskontrolle der Bedarfsgesetzgebung (ggf. durch Vorlage beim Bundesverfassungsgericht im Wege des Verfahrens gem. Art. 100 Abs. 1 GG) auf evidente Unsachlichkeit h i n 3 9 0 nicht gelingen. Sie vermag allenfalls den Bedarfsplan an sich aufgrund der ihm möglicherweise fehlenden ausreichenden Berücksichtigung öffentlicher Belange anzuzweifeln. Will man den Bedarfsplan nicht gänzlich zur Disposition stellen, kann lediglich eine verfassungskonforme Interpretation des § 1 Abs. 2 BSchwAG im Lichte des Art. 14 Abs. 3 GG über das soeben beschriebene Defizit hinweghelfen: Verbindlich ist der Bedarfsplan nur insoweit, als er die überhaupt planfeststellungsfähigen Vorhaben abschließend benennt. Die Verbindlichkeit hat damit eine Negativfunktion. Alles, was nicht im Bedarfsplan aufgenommen ist, kann auch nicht im Wege der Planfeststellung konkretisiert werden. Für die Planrechtfertigung ist dagegen die Bedarfskonkretisierung insoweit unverbindlich, als nicht bedingungslos jedem dort verzeichneten Bedarf auch gleichzeitig planrechtfertigende Funktion zukommt. Deshalb bleibt es bei der bloßen Indizwirkung, auf die nach alter Gesetzeslage die 387 Christian Simon als Vorstand für Finanzen und Controlling der DB-Netz AG in einer Pressemitteilung, www.db-ag.de/...ws/pressemit/db_netz_990715.shtml, v. 26. 10. 1999, S. 2 388 Beispielsweise bleiben hinter diesen Überlegungen die jetzt gestoppten Neubaustrekken Nürnberg-Erfurt sowie Halle-Leipzig-Erfurt wegen ihrer „kapazitiven und qualitativen Netzwirkungen" zurück und müssen alternativen Korridorausbauten weichen, www.db-ag.de/ ...ws/pressemit/db_netz_990715.shtml, v. 26. 10. 1999, S. 3. Zur Wandelung des Investitionsengagements der Bahn Rothengatter, in: Verkehrsministerium Baden-Württemberg, Von der Bahnreform zur Verkehrsreform, S. 105. 389 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 17. 2. 1997-4 VP 17/96, NuR 1998, 305 (309); Wahl, NVwZ 1999, 614. 39 0 BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1998-1 BvR 650/97 u. a., NVwZ-RR 1998, 1060.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
Bedarfsklausel beschränkt war. 391 Stellt man den gesetzlich konkretisierten Bedarf als Belang in die Abwägung ein, handelt es sich folglich nicht von vornherein um einen rein öffentlichen; untersucht werden muß zunächst der Anteil des unternehmerischen Interesses, das dazu geführt hat, das konkrete Vorhaben in den vordringlichen oder weiteren Bedarf einzubeziehen.392
3. Rechtfertigung durch andere Vorhaben Schließlich werden zur Rechtfertigung des Planvorhabens auch andere bereits gerechtfertigte Vorhaben ins Feld geführt, die mit dem zu rechtfertigenden Planungsprojekt zusammentreffen, weil dieser Umstand bewirkt, daß sie einander bedingen.393 Eine solche Rechtfertigung entspricht aber niemals den von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG diktierten Anforderungen an eine Enteignung, denn dafür muß das sie rechtfertigende, das allgemeine Wohl verkörpernde Interesse gesetzlich konkretisiert sein. 394 Die rein faktische Verknüpfung mit einem anderen Vorhaben kann deshalb niemals einen Rechtfertigungsgrund darstellen.
§ 9 Die Anwendung auf Enteignungen im Bahnbereich Die vorangegangenen Überlegungen haben im Detail gezeigt, welche enormen Veränderungen die vollständige Umorganisation und Umstrukturierung der Deutschen Bundesbahn als eine der vormals größten Staatsunternehmungen bewirkte. Für das, was da geschehen ist, hat sich mit „Bahnreform" ein Begriff eingebürgert, der in seiner Schlichtheit gar nicht vermuten läßt, wie kompliziert sich die dahinter verborgenen Vorgänge für Praxis und Wissenschaft gleichermaßen darstellen. Abschließend ist nun zusammenfassend zu untersuchen, wie sich die veränderten Anforderungen, die neuen systemischen Zusammenhänge auf die Enteignungen für bodenbeanspruchende Vorhaben, deren Bedeutung für das Gesamtsystem Schiene nach wie vor unbestritten ist, zugunsten der Deutschen Bahn Holding auswirken. Entsprechend ihren Besonderheiten lassen sich diese in drei Kategorien aufteilen:
391 Vgl. dazu die frühere Rechtsprechung BVerwG, Urt. v. 22. 3. 1985-4 C 15/83, E 71, 166 (170). 392 Insoweit kein Widerspruch zu BVerfG, Beschl. v. 19. 7. 1995-2 BvR 2397/94, NVwZ 1996, 261. 393 So Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 53 f. 394 Vgl. §71.
§ 9 Die Anwendung auf Enteignungen im Bahnbereich
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I . Enteignungen zum Zwecke des Baus oder Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn Zu den enteignungsrelevanten Vorhaben zum Bau/Ausbau von Betriebsanlagen der Eisenbahn, die aufgrund ihrer flächenaufwendigen Streckenführung die Projekte mit dem größten Bodenbedarf im Eisenbahnsektor sind, braucht hier allerdings nicht mehr umfänglich Stellung genommen zu werden. Die Voraussetzungen ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit, die wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsverfahrens bereits in diesem zu prüfen sind, wurden bereits ausführlich erörtert (Teil 2 § 8). Zusammenfassend sei aber dennoch hervorgehoben: Diese Vorhaben unterfallen generell der fachplanungsgesetzlichen Gemeinwohlkonkretisierung in § 22 Abs. 1 AEG. Ihre erstinstanzliche Planung, ihre Konzeption obliegt der Deutschen Bahn als Trägerin des Vorhabens. Der Plan wird maßgeblich durch ihre selbständige unternehmerische Entscheidung bestimmt. Daß damit in der Praxis vielfältige Abstimmungsvorgänge mit sonstigen Planungsträgern zusammenhängen, die letztlich dazu führen, daß die Planung in unternehmerischer Entscheidung an (konzerneigene oder -fremde) Planungsgesellschaften ausgegliedert wird 3 9 5 , ist ohne Belang. Die Planfeststellungsbehörde ist auf die nachvollziehende Planung beschränkt, das Planfeststellungsverfahren folglich rechtssystematisch auf der Zulassungsebene anzusiedeln.396 In bezug auf die Enteignung hat die Planfeststellungsbehörde zuvörderst zu prüfen, ob es sich bei den im Plan ausgewiesenen Vorhaben tatsächlich um solche des Baus und Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn handelt, denn nur diese unterfallen begrifflich der fachplanungsgesetzlichen Gemeinwohlkonkretisierung. Im Rahmen der weiteren Prüfung, inwieweit das Vorhaben den Rechtfertigungsanforderungen einer Enteignung genügt, hat sie ferner den Bedarfsplan als Hilfsmittel zur Negativabgrenzung im Rahmen der Planrechtfertigung heranzuziehen. Nur die dort verzeichneten Vorhaben können grundsätzlich ein enteignungsrelevantes Vorhaben gegenüber dem Gemeinwohl rechtfertigen. Vorsicht ist aber in positiver Hinsicht geboten, da nicht alle dort festgestellten Vorhaben tatsächlich dem Interesse, das Gemeinwohl bestmöglich zu fördern, entsprungen sind. Insoweit kommt der Planfeststellungsbehörde die wichtige Aufgabe zu, die rein privatnützigen Interessen, die in die Bedarfsfestlegung eingeflossen sind, herauszufiltern, wozu sie sich zum einen der Gesetzesmaterialien bedienen muß, zum anderen sich jedoch auch auf gegenwärtige Hinweise stützen kann. Es mag sein, daß diesem Vorgang das eine oder andere im Bedarfsplan enthaltene Ausbauvorhaben zum Opfer fällt.
395 Vgl. zur Praxis die Anmerkung von Blümel, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 56 (1996), S. 335 f. 396 Im Ergebnis so auch Erbguth, DVB1. 1992,403.
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Bedeutung erlangt schließlich auch die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der planungsrechtlich vorgeschriebenen Abwägung (§18 Abs. 1 Satz 2 AEG). Allerdings darf in keinem Fall die vom Gesetzgeber getroffene Konkretisierungsentscheidung bezüglich des Gemeinwohls im Sinn des Art. 14 Abs. 3 GG durch ein gegeneinander Wiegen und Gewichten verloren gehen. Hier ist unter der Maßgabe, daß die Enteignung nur ultima ratio sein kann, zu berücksichtigen, inwieweit eine andere Umsetzung des Plans in Betracht kommt, ob die geplante Inanspruchnahme dem Grundsatz des Interventionsminimums genügt und ob schließlich das den gesetzlich verankerten Gemeinwohlzweck erfüllende Vorhaben mittels der Enteignung dem konkretisierten Gemeinwohlziel in einer Art und Weise dient, daß der Eingriff in die Eigentumsposition des Betroffenen hinsichtlich Ausmaß und Schwere dazu in einem angemessenen Verhältnis steht. Zu der Frage, wie lange das enteignungsträchtige Vorhaben nach seiner Realisierung bestehen muß, nimmt das Fachplanungsgesetz keine Stellung. Es hindert nicht die Streckenstillegung, indem es diese lediglich dem Erfordernis der Anzeige unterstellt. 397 Folglich gibt es hier gegebenenfalls Handlungsbedarf für die Verwaltung, durch ihr zur Verfügung stehende Mittel eine gewisse Dauer für den Betrieb des Vorhabens durchzusetzen. 398
II. Enteignungen zum Zwecke des Baus oder Ausbaus sonstiger Bahnanlagen 1. Keine fachplanungsrechtliche Privilegierung Die sonstigen Anlagen der Bahn sind infrastrukturelle Einrichtungen, denen es an der unmittelbaren Betriebsbezogenheit fehlt und die aus diesem Grunde nicht mehr den Betriebsanlagen der Eisenbahn angegliedert werden können. 399 Deshalb gilt für sie nicht die generelle Anordnung des Planfeststellungsverfahrens gemäß § 18 AEG. In der Folge scheiden sie - unabhängig von der Frage, inwieweit den Anlagen überhaupt überörtliche Bedeutung beizumessen i s t 4 0 0 - von vornherein aus der baugesetzlichen Privilegierung der Fachplanung in § 38 BauGB aus. 401 Ebensowenig können Anlagen den Schutz des Fachplanungsprivilegs beanspruchen, die unter dem öffentlich-rechtlichen System der Bundesbahn oder früher als 397 Vgl. Teil 2, §6 III. 2. a. (3). 398 Vgl. dazu § 7 III. 3. c. 399 Diese Bahnanlagen werden daher zur Abgrenzung von den Betriebsanlagen als „sonstige" Bahnanlagen bezeichnet. Der insoweit erfaßte Bereich muß sich nicht mit den „sonstigen Bahnanlagen" i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EBO decken. 400 Dazu Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. I, S. 312. 401 Lohr, in: Battis/Krautzberger/ders., BauGB, § 38, Rn. 14, allerdings unter Zugrundelegung einer leicht abweichenden Begriffsdefinition für Betriebsanlagen, vgl. dazu ausführlich Teil 2, § 6 II. 3.
§ 9 Die Anwendung auf Enteignungen im Bahnbereich
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Betriebsanlagen gewidmet waren, inzwischen jedoch zur Fremdnutzung oder zum Verkauf an Dritte zwecks Eigennutzung vorgesehen sind. 402 Denn wie oben dargestellt, ist bereits im Zuge der Privatisierung die ursprünglich bestehende Widmung einer einst zum Eisenbahnbetrieb genutzten Anlage durch einen actus contrarius aufgehoben worden. 403 Damit muß - anders als nach früherer Rechtslage404 - die einstige Widmung im Rahmen der planungsrechtlichen Zulassung der Anlage nicht mehr in jedem Einzelfall durch einen entgegengesetzten Planfeststellungsbeschluß rückgängig gemacht werden. Existiert für die Zulassung der sonstigen, nicht unmittelbar betriebsbezogenen Anlagen kein fachplanungsrechtliches Zulassungsverfahren, fehlt es folglich an der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses und bedarf ihre Errichtung nach Landesrecht einer bauaufsichtsrechtlichen Zulassungsentscheidung. Wegen des Wechsels der Planungshoheit ist dafür nicht mehr das Eisenbahnbundesamt, sondern die jeweils nach Landesrecht vorgesehene Baubehörde zuständig.405 Sie beurteilt die Zulässigkeit des Vorhabens, die Errichtung oder Änderung einer sonstigen Bahnanlage, auf Grundlage des Bauordnungsrechts der Länder und des Bauplanungsrechts des Bundes. Da § 38 BauGB als materiell-rechtliche Vorrangregelung nicht zur Anwendung gelangt, sind auch die bauplanungsrechtlichen Zulassungsregelungen der §§ 29 ff. BauGB nicht überlagert.
2. Das Problem zusammentreffender und konkurrierender Planungen Gerade im Zusammenhang mit Restaurierungs- und Neubauvorhaben der BahnInfrastrukturgesellschaften kann es nun allerdings dazu kommen, daß neben- oder auch übereinanderliegende Anlagen (ζ. B. Verwaltungsgebäude über Gleisanlagen) unterschiedlichen, zum einen bauplanungs- und zum anderen fachplanungsrechtlichen Regelungen unterworfen sind, deren Einhaltung von verschiedenen Behörden zu beurteilen ist. Zwei Fallkonstellationen sind zu unterscheiden: In der ersten berühren sich die planfeststellungsfähige Betriebsanlage und die sonstige Bahnanlage, deren Zulässigkeit sich nach Bauplanungsrecht beurteilt, nicht unmittelbar. Die Berührungspunkte beider Anlagen entstehen aufgrund ihrer räumlichen Nähe lediglich durch die Auswirkungen, die bei der Nutzung der Anla402
Anders die heutige Praxis (vgl. die Nachweise oben bei Teil 2, § 6 III. 2. b.), die mit ihrem Festhalten an der Eigenschaft der Betriebsanlagen als öffentliche Sache dem Mißbrauch des Fachplanungsprivilegs zu kommerziellen Zwecken Tür und Tor öffnet, dazu Kraft, BauR 1999, 839 f. 403 Ausführlich dazu Teil 2, §6111. 2. b. 404 Instruktiv BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988-4 C 48/86, E 81, 111 (117f.). 405 Anders beim Antrag auf Enteignung (§ 105 BauGB), der durch den Antragsteller (§ 106 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) bei der entsprechenden Gemeinde einzureichen ist. Hier bestimmt sich die Zuständigkeit der höheren Verwaltungsbehörde nach § 104 Abs. 1 BauGB. 16 Pommer
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
gen entstehen. Beide Vorhaben sind deshalb in diesem Fall getrennt voneinander zum einen gemäß der fachplanungsrechtlichen Vorschriften, zum anderen im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen. Materiell-rechtlich gilt im Innenverhältnis der beiden nebeneinander liegenden Planungen, solange das bauplanungsrechtlich zu beurteilende Vorhaben nicht zeitliche Priorität beanspruchen kann und deshalb besondere kompetentielle Rücksichtnahmepflichten (§ 38 Satz 1, 2. Halbsatz, Satz 2 BauGB) auslöst 406 , was das Bundesverwaltungsgericht schon zum Verhältnis von § 36 BbG a. F. und §§ 29 ff. BauGB in Auslegung des § 38 BauGB, der Vorrangregelung für die Fachplanung, ausführte: Wenn und solange ein dem allgemeinen Baurecht unterfallendes Vorhaben „mit der Fachplanung nicht vereinbar ist, scheitert es bereits an § 38 BauGB, der der Fachplanung insoweit Vorrang einräumt" 407 . Nach außen, im Verhältnis zur übrigen Bauleitplanung müssen die allgemeinen Grundsätze beachtet werden. Komplizierter gestaltet sich das Verhältnis der zusammentreffenden Planungen in der zweiten Fallkonstellation. Hier ist ein Vorhaben einheitlich konstruiert, seine Teile bilden auch sicherheitstechnisch eine Einheit und hängen deshalb unmittelbar miteinander zusammen. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Funktion, und diese wiederum ist ausschlaggebend dafür, nach welcher planungsrechtlichen Regelung die Frage der Zulässigkeit der einzelnen Bestandteile zu beurteilen ist. Das Verwaltungsverfahrensgesetz hält für zusammentreffende Planungen mit den §§75 Abs. 1 Satz 1,1. Halbsatz und 78 zwar Kollisionsregelungen bereit. Nur scheitert ihre direkte Anwendung jeweils daran, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen hier nicht vorliegen: Für § 75 Abs. 1 Satz 1,1. Halbsatz VwVfG fehlt es daran, daß der nicht planfeststellungsfähige Teil des Gesamtvorhabens keine notwendige Folgemaßnahme darstellt. Zwar stehen beide Anlagen allein schon durch die gemeinsame Konstruktion in einer Wechselbeziehung, die Betriebsanlage ließe sich funktionsgerecht, d. h. ohne Einbuße ihrer abstrakten Funktionsfähigkeit, aber ebenso ohne die sonstige Bahnanlage (und umgekehrt) errichten. Letztere ist demzufolge nicht für den Betrieb der Schienenwege „notwendig" im Sinn des § 18 Abs. 1 AEG und demnach auch keine bloße Fö/gemaßnahme im Sinne des § 75 Abs. 1 VwVfG. § 78 VwVfG, der seinem Wortlaut und seinem Sinn und Zweck nach von zwei einander generell gleichberechtigten Planfeststellungsverfahren ausgeht, kann unabhängig von der unklaren rechtlichen Selbständigkeit der Anlagenteile und unabhängig davon, ob für die Vorhaben aus praktischen Gründen 408 nur eine einheitliche Entscheidung getroffen werden müßte (§ 78 Abs. 1 VwVfG) - schon deshalb nicht angewandt werden, weil vorliegend die Planfeststellung lediglich einem bauaufsichtlichen Verfahren gegenübersteht. Denn entweder ist in diesem Falle § 75 VwVfG einschlägig, wenn es sich um ein planfeststellungsfähiges Vorhaben und 406 Dazu Brohm, Öffentliches Baurecht, § 12, Rn. 26. 407 BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1988-4 C 48/86, E 81, 111 (119). 408 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 44, Rn. 3, S. 437.
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eine unselbständige Folgemaßnahme handelt, was hier - wie gesehen - nicht in Betracht kommt. Oder die Zulassungsverfahren beider Vorhaben erfolgen eben nebeneinander. Auch eine analoge Anwendung der besagten Vorschrift scheidet aus. Hierzu bedarf es einer planwidrigen Regelungslücke sowie einer vergleichbaren Interessenlage. 409 Weder das eine noch das andere liegt vor. Angesichts dessen, daß der Gesetzgeber beide Verfahrenstypen, das Planfeststellungsverfahren und das Baugenehmigungsverfahren geregelt hat, mangelt es bereits an der unbewußten Lücke im Vorschriftenkanon. Lediglich mit dem Argument, daß der Gesetzgeber so zwar für die nebeneinanderliegenden und kollidierenden Planungen eine verfahrensrechtliche Lösung bereit hält, damit aber noch nicht die Planungen erfaßt, die sich bewußt berühren und von Seiten des Vorhabenträgers aufeinander abgestimmt sind, könnte man einen planwidrigen Riß im Normengefüge erkennen. Dann jedoch fehlt es immer noch an der vergleichbaren Interessenlage. Zwar liegt die Annahme nahe, daß, wenn ein selbständiges Planfeststellungsverfahren ein anderes ebenfalls selbständiges ebenbürtiges Verfahren soll verdrängen können, dies erst recht bei einem einfachen Baugenehmigungsverfahren möglich sein muß. Nur wäre damit die Intention des Gesetzgebers mißverstanden. Denn § 78 VwVfG bevorzugt nicht die eine Planung gegenüber der anderen aus formalen Gründen, sondern geht vielmehr von ihrer generellen formellen Gleichberechtigung aus. Jede von ihnen kann grundsätzlich die Gesamtzuständigkeit erlangen, was, wenn Planfeststellung und Baugenehmigungsverfahren zusammentreffen, gerade ausscheidet. Denn entschiede man sich für die Dominanz des Baugenehmigungsverfahrens, könnte die Baugenehmigung - anders umgekehrt der Planfeststellungsbeschluß - diesen niemals ersetzen. Für eine analoge Anwendung des § 78 VwVfG fehlt also jeder Grund. Solange folglich nicht eine Anlagenfunktion die andere überwiegt, sondern betriebsbezogene und sonstige Bahnnutzung funktional gleichberechtigt nebeneinander stehen, muß deshalb für den einen Teil der Gesamtanlage § 18 AEG Anwendung finden, für den anderen Teil gilt allgemeines Baurecht. 410 Das könnte zur Folge haben, daß die Zulassungsentscheidungen, die von verschiedenen Behörden zu treffen sind, divergieren, obwohl sich die Planungen bei objektiver Betrachtung durch einen Dritten nicht widersprechen. Diese Verfahrensweise wird als Trennungsmodell bezeichnet. Obwohl sich das „Kondominium zweier Genehmigungsbehörden"411 aus dem Gesetz zwingend zu ergeben scheint und an parallele Genehmigungsverfahren im Anlagenzulassungsrecht erinnert, ist sie von der Literatur heftig kritisiert worden. Ihre Vorteile, der Zeitgewinn durch parallele Entscheidungsverfahren und der geringe Beteiligungsaufwand, würden ihre Nachteile nicht überwiegen können. Die Zweigliedrigkeit des Trennungsmodells führe zu Doppelprüfungen und erschwere den Rechtsschutz. 4
09 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 147 ff. 410 Eindeutig insoweit auch Jade, BayVBl. 1999, 150.
411 Jäde, BayVBl. 1999, 150. 1*
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
Materiell-rechtlich beklagt man, daß auf diese Weise dem Gebot der Problembewältigung als Folge des Abwägungsgebotes nicht hinreichend Rechung getragen wird. Dieses erfordere eine umfassende Abwägung und damit eine einheitliche Entscheidung, die sich im Gebot der einheitlichen Entscheidung412 fortsetze. 413 Die Kombination von „Einheitsmodell" und Verbundlösung, die Ronellenfitsch deshalb für solche Fälle vorschlägt, beruht im wesentlichen auf dem in § 38 BauGB vorgeschriebenen materiell-rechtlichen Vorrang der Fachplanung. Der deshalb erforderlichen einheitlichen Entscheidung wegen ist es seiner Auffassung nach kompetenzrechtlich sinnvoll, daß der Planfeststellungsbeschluß alle behördlichen Entscheidungen ersetzt. 414 Bei einer solchen Verfahrensweise allerdings fehlt für den Teil, der eigentlich bauplanungsrechtlicher Beurteilung unterliegt, die Rechtfertigung dafür 415 , daß die kommunale Planungshoheit schlichtweg zurücktreten muß. Ronellenfitsch' s Kunstgriff, die Planung im Verbund 416 , soll darüber erhaben sein. Denn um der Planung auch zur Wirkung zu verhelfen, besteht in diesem Verbund seiner Ansicht nach verfahrensrechtlich eine überschießende Prüfungskompetenz der Planfeststellungsbehörde kraft Sachzusammenhangs.417 Aufgrund dieser prüfe das Eisenbahnbundesamt das gesamte Vorhaben: einmal jedoch nur mit der Kompetenz einer Bauordnungsbehörde, d. h., es muß die bauplanungsrechtlichen Vorgaben beachten und das gemeindliche Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 1 BauGB einholen 418 , weil insoweit kein Vorrang der Fachplanung greift; zum anderen in seiner eigentlichen Funktion als Planfeststellungsbehörde. Diese von Ronellenfitsch angebotene Umgehung der gesetzlich gebotenen, getrennten Verfahrensweise erscheint ergebnisorientiert. Eine Kompetenz des Eisenbahnbundesamtes als Planfeststellungsbehörde für die bauaufsichtliche Genehmigung der sonstigen Bahnanlagen aus einer Rechtsanalogie herzuleiten und mit der Kraft des Sachzusammenhangs zu begründen, ist rechtsdogmatisch nicht haltbar. Bereits der Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 78 V w V f G 4 1 9 überzeugt wegen der verschiedenen Interessenlage 420 nicht. Davon abgesehen, fehlt es aber auch schon an der Notwendigkeit einer ungeschriebenen Verwaltungskompetenz. Die Konstruktion der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs entstammt ursprünglich der Auslegung des Verfassungsrechts. Sie hat ihre Ursache im Rahmencharak412 413 414 415 416 417
Verweis auf BVerwG, Urt. v. 9. 3. 1979-4 C 41 /75, E 57, 297 (301 f.). Ronellenfitsch, VerwArchiv 90 (1999), 591. Ronellenfitsch, VerwArchiv 88 (1997), 197. Ronellenfitsch, VerwArchiv 88 (1997), 197. Ronellenfitsch, VerwArchiv 90 (1999), 591. Ronellenfitsch, VerwArchiv 90 (1999), 593, 595.
418 Vgl. auch Bay. VGH, Urt. v. 20. 10. 1998-20 A 98.40022, BayVBl. 1999, 147 (148). 419 Ronellenfitsch, VerwArchiv 90 (1999), 593, 595. Dabei würde zur Natur des Sachzusammenhangs schon eher eine Parallele zu der für unselbständige Vorhaben vorgesehenen Kollisionsregelung des § 75 VwVfG passen. 420 Darauf weist Ronellenfitsch, VerwArchiv 90 (1999), 592, Fn. 153 selber hin.
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ter des Grundgesetzes und in den dadurch auftretenden Lücken innerhalb der abgeschlossenen verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung nach dem Regel(Länder)-Ausnahme (Bund bei ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Regelung)-Prinzip, weil sich nicht jeder Sachbereich im Rahmengefüge detailliert erfassen läßt. Der Sachzusammenhang dient auf verfassungsrechtlicher Ebene somit als Argumentationstopos, der die wegen Art. 70 ff. GG notwendige Begründung einer Kompetenz zugunsten des Bundes sinnvoll stützen kann. Auf der Ebene des einfachen Rechts ist dagegen allein auf die positive Regelung des Gesetzgebers abzuheben (Art. 20 Abs. 3 GG), diese entsprechend auszulegen und eine nach Auslegung verbleibende Nicht-Regelung als solche zu akzeptieren. Denn beim einfachen Gesetzgeber muß davon ausgegangen werden, daß er den jeweiligen Sachbereich vollständig geregelt hat. Das ist auch hier der Fall: Beide Zulassungsformen - die Planfeststellung und das Baugenehmigungsverfahren - sind gesetzlich verankert. Für beide Verfahren existiert eine klare behördliche Zuständigkeitszuweisung. Es bleibt also ein Geheimnis, wo die kompetenzlose Sachmaterie ist, deren Nichtregelung verhindern würde, daß die kompetentiell eindeutig geregelte (Haupt-)Materie selbst nicht wahrgenommen werden könnte und deren Mitregelung die Hauptmaterie nicht substantiell bzw. ohne Gesetzesverstoß erweitern würde. 421 Folglich kann auch im Falle der unmittelbaren Verknüpfung zweier planungsrechtlich verschieden zu behandelnder Vorgänge - vorbehaltlich gesetzlicher Neuregelung - nur an der grundsätzlich getrennten Prüfung derselben auf ihre Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht festgehalten werden. Daß selbstverständlich aus den Abwägungsgeboten jeweils Kooperationspflichten für beide Behörden folgen, die einer Abstimmung und damit letztlich einer einheitlichen Entscheidung den Weg ebnen, bedarf keiner weiteren Erwähnung.
3. Die baugesetzlichen Enteignungszwecke Sind die sonstigen Bahnanlagen nicht planfeststellungsfähig, scheidet das Fachplanungsrecht auch als Grundlage aus, um eventuelle Enteignungen, die der Verwirklichung der Anlage zwingend vorausgehen müßten, zu rechtfertigen. Es gibt somit für diese Anlagen keine spezifischen eisenbahnrechtlichen Enteignungszwecke. Eine Enteignung zum Zwecke der Errichtung solcher sonstigen Bahnanlagen zugunsten der Deutschen Bahn kommt deshalb im wesentlichen nur noch auf bundesbaugesetzlicher Grundlage, und zwar dann in Betracht, wenn das jeweils beanspruchte Grundstück nicht lediglich für die bauliche Nutzung vorzubereiten oder der baulichen Nutzung zuzuführen ist (ansonsten sind gemäß § 87 Abs. 3 BauGB Enteignungsberechtigte lediglich die Gemeinde oder sonstige öffentliche Bedarfs- oder Erschließungsträger). Wichtig ist, daß das Vorhaben dann nicht 421 Vgl. zu den Voraussetzungen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhang Degenhart, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art. 70, Rn. 38 mit entsprechenden Verweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG.
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Teil 3: Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten der Bahn
allein eisenbahneigenen Zwecken dienen darf, sondern zugleich einschlägige städtebauliche Bedeutung entfalten muß. 422 Nur wenn mit der Realisierung der Anlage einer der in § 85 BauGB verankerten städtebaulichen Enteignungszwecke erfüllt wird, kann - soweit die sonstigen Enteignungsvoraussetzungen vorliegen zugunsten der Bahn nach dem Baugesetzbuch enteignet werden. Denn die baugesetzlichen Enteignungszwecke dienen allesamt primär der Verwirklichung einer städtebaulichen Ordnung 423 , für die es an der freiwilligen Bereitschaft der Alteigentümer fehlt und die deshalb im äußersten Fall den Entzug des Grundeigentums und seine Übertragung auf einen Dritten fordert. 424 Folglich kommt es darauf an, wann die Deutsche Bahn AG in diesem bauplanungsrechtlichen Sinne überhaupt Dritte sein kann. Wegen des breiten Spektrums sonstiger Bahnanlagen können die Ausführungen hierzu jedoch nur kursorisch bleiben.
a) Anlagen im Bereich der Festsetzungen eines Bebauungsplans, § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Da der Bebauungsplan selbst trotz seiner rechtssatzmäßigen Bindung (§ 10 Abs. 1 BauGB) 425 , aber mangels enteignungsrechtlicher Vorwirkung 426 noch nicht als gesetzliche Grundlage einer Enteignung fungieren kann, bedarf es des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift kommt die Enteignung in Betracht, wenn das Grundstück entsprechend den Festsetzungen eines qualifizierten, einfachen oder vorhabenbezogenen Bebauungsplans genutzt werden soll, der spätestens im Zeitpunkt des Enteignungsbeschlusses auch wirksam ist. 4 2 7 Voraussetzung für die planakzessorische Enteignung ist demzufolge, daß der Bebauungsplan eine bestimmte Nutzung des Grundstücks festschreibt (§ 8 Abs. 1 BauGB), der Eigentümer selbst diese aber nicht verwirklicht oder nicht verwirklichen kann. 428 § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, der somit lediglich auf die Festlegungen des Bebauungsplanes zurückgreift 429 , setzt damit voraus, daß diese planerischen Festsetzungen 422 BGH, Urt. v. 7. 7. 1988 - III ZR134/87, NJW 1989, 216. Zur Unschädlichkeit des Zusammentreffens verschiedener privater und/oder öffentlicher Interessen außerdem schon oben § 711 423 Battis , in: ders./Krautzberger/Lohr, BauGB, Vorb. §§ 85-122, Rn. 10. 424 Krebs, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Abschn., Rn. 165. 425 Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 4. 11. 1966 - IV C 36/65, E 25, 243 (250 f.); BVerwG, Urt. v. 1. 11. 1974-IV C 38/71, DVB1. 1975,492 (493). 426 BVerwG, Urt. v. 30. 4. 1969 - IV C 6/68, DVB1. 1969,697 (698f.); VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13. 11. 1975 - Π 650/75, BauR 1976, 180 (181). Für eine „geminderte enteignungsrechtliche Vorwirkung des Bebauungsplans", weil die städtebauliche Abwägung bereits die für die Enteignung notwendige, wenngleich nicht hinreichende Entscheidung über die planungsrechtliche Zumutbarkeit des Eigentumszugriffs beim Planvollzug durch Enteignung enthält, Dolde, in: Sendler-FS, S. 233 m. w. N. 427 Battis, in: ders./Krautzberger/Lohr, § 85, Rn. 2. 428 Zu seiner Abgabeberechtigung bei Fremdnutzung § 40 BauGB.
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hinreichend bestimmt sind, um die aus städtebaulichen Gründen vom Eigentümer geforderte Nutzung seines Grundeigentums für diesen auch deutlich hervortreten zu lassen. 430 Damit ist aber noch nicht gesagt, daß bereits jede gemeindliche Vorstellung von der Nutzung eines Grundstücks, die den Anforderungen der baugesetzlichen Bauleitplanung entspricht und deshalb zu einer zulässigen Festsetzung im Bebauungsplan geführt hat, eine Enteignung gemäß Abs. 1 Nr. 1 rechtfertigt. 431 Denn selbst wenn die Festsetzungen dem gesetzlichen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB genügen und die zur allgemeinen städtebaulichen Ordnung getroffenen Festsetzungen von überwiegenden öffentlichen Interessen getragen werden, muß im Einzelfall dieses Wohl der Allgemeinheit noch nicht zwingend den gegenwärtigen Entzug des konkreten Grundstücks erfordern. 432 Die Erwähnung allein der abwägungserheblichen öffentlichen Belange, die im Rahmen der Bauleitplanung Berücksichtigung gefunden haben (vgl. ζ. Β. § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB: Belange der Wirtschaft, Verkehr), hat ausschließlich planungs-, nicht enteignungsrechtliche Bedeutung. 433 Die aus der Abwägung resultierenden Festsetzungen im Bebauungsplan, die an den Rahmen des § 9 BauGB in Verbindung mit den Regelungen der Baunutzungsverordnung bezüglich der typisierten Baugebietsumschreibungen gebunden sind und insoweit bereits eine Einschränkung der gemeindlichen Gestaltungsbefugnis darstellen, sind deshalb zwar notwendige Voraussetzung für eine rechtmäßige Enteignung, können selbst jedoch für sich allein eine derartige Zwangsmaßnahme noch nicht rechtfertigen, weil das enteignungsrechtfertigende Gemeinwohl auf dieser Stufe der Planung noch gar keine Rolle spielt. 434 Andernfalls bliebe für die weiterreichende gesetzliche Konkretisierungsmacht des Gesetzgebers für das enteignungsrechtfertigende Wohl der Allgemeinheit, die neben § 85 BauGB insbesondere in den §§ 87 Abs. 1 und 2, 92 BauGB ihren Ausdruck gefunden hat, kein Raum mehr. 435 Diese zusätzlichen Anforderungen sind gekennzeichnet durch den Verweis auf die strikte Beachtung des Ubermaßverbots zur Durchsetzung des Gemeinwohlgebots sowohl in qualitativ-zeitlicher 436 (§ 85 i. V. m. § 87 Abs. 1 BauGB) als auch in quantitativer Hinsicht (§ 92 Abs. 1, 3 und 4 429
Kritisch Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 176: „blankettartige Verweisung". «ο BGH, Urt. v. 28. 5. 1984 - III ZR 100/83, NVwZ 1986, 506f. 431
So auch Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 178. BGH, Urt. v. 27. 1. 1977 - III ZR 153/74, NJW 1977, 955; Battis, in: ders./Krautzberger/Lohr, BauGB, § 85, Rn. 2. 432
433 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (289); vgl. allerdings oben Fn. 426. 434 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (289 f.). 435 Vgl. z u dieser verfassungsrechtlichen Voraussetzung §71. 1. 43
* Vgl. BGH, Urt. v. 27. 1. 1977 - III ZR 153/74, NJW 1977,955 (956); Urt. v. 7. 7. 1988 - III ZR 134/87, BGHZ 105, 94 (97). Mit Beispiel u.w.N. dazu Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, BauGB, § 87, Rn. 3; Brohm, Öffentliches Baurecht, § 25, Rn. 14.
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BauGB). 437 Damit hat der parlamentarische Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Eigenart der Planung entschieden, wann, wo und wie er geprüft haben möchte, ob erstens die für das Vorhaben streitenden Belange als enteignungsrechtfertigendes Wohl der Allgemeinheit zu qualifizieren sind und zweitens die konkrete Maßnahme erforderlich ist, um diesen Belangen Rechnung zu tragen. 438 So muß aus § 85 i. V. m. § 87 Abs. 1 BauGB in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (verfassungskonform einschränkend 439) herausgelesen werden 440 , daß die gemeindliche bauplanungsrechtliche Festsetzung, die sich darin erschöpft, die zulässige Benutzungsart zu bestimmen, von der Enteignungsbehörde folgendermaßen zu hinterfragen ist: Erfüllt sie als „eng gefaßte bodenordnende Maßnahme" „rein städtebauliche Belange" 441 und damit den enteignungsrechtfertigenden Tatbestand dem Grunde nach 442 oder ist sie unterhalb der gesetzlichen Enteignungsrechtfertigung lediglich von beliebiger Relevanz für die städtebauliche Entwicklung 443 , weil sie beispielsweise in erster Linie davon bestimmt ist, Arbeitsplätze zu schaffen und damit die regionale Wirtschaftsstruktur zu verbessern. 444 Unter dieser Einschränkung zwingender städtebaulicher Notwendigkeit kommt die Enteignung nur für eine Anlage in Betracht, die in einem besonders engen funktionalen Zusammenhang zur örtlichen Gemeinschaft steht. Inwieweit das in bezug auf die jeweilige Bahnanlage der Fall ist, kann hier angesichts der breiten Palette denkbarer Sachverhaltskonstellationen nicht beantwortet werden, sondern bedarf der genauen Prüfung im Einzelfall.
437 Zur dreistufigen Gemeinwohlkonkretisierung durch (1) den parlamentarischen Gesetzgeber, der durch § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB die zulässigen Enteignungszwecke festgelegt hat, (2) die Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplans durch Ausübung ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit innerhalb der vom parlamentarischen Gesetzgeber normierten Schranken, (3) die Enteignungsbehörde, die gem. § 87 Abs. 1 BauGB beurteilen muß, ob die gemeindlich formulierten Gemeinwohlziele eigentumsverdrängende Bedeutung haben, Brugger,: ZfBR 1987, 62; Dolde, in: Sendler-FS, S. 234 f. 438 Brugger, ZfBR 1987, 63. Im Ergebnis so auch Grämlich, NVwZ 1990, 34 f. 439 So OLG München, Urt. v. 28. 9. 1989 - U 8/88, NJW 1990, 519. Umfassend dazu, insbesondere auch zu den umstrittenen Grenzen möglicher verfassungskonformer Auslegung Brohm, Öffentliches Baurecht, § 25, Rn. 20. Auf das Problem der Bestimmtheit des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB reduzierend Dolde, in: Sendler-FS, S. 238. 440 Für die unheilbare Verfassungswidrigkeit der Vorschrift Labbé, AnwBl. 1989, 531.
441 OLG München, Urt. v. 28. 9. 1989 - U 8/88, NJW 1990, 519. 442 in diesem Sinne auch BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92 u. a./71, E 56, 246 (265); Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (287 ff.). 443 BGH, Urt. v. 27. 1. 1977 - III ZR 153/74, NJW 1977, 955; OLG München, Urt. v. 28. 9. 1989 - U 8 / 88, NJW 1990, 519. 444 Vgl. BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987-1 BvR 1046/85, E 74, 264 (287 ff.).
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b) Anlagen auf Grundstücken innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile, § 85 Abs. 1 Nr. 2 BauGB Im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) sind die Anforderungen nicht geringerer Natur. Hier kommt eine Enteignung generell nur in Betracht, wenn das betroffene Grundstück nicht mehr als nur geringfügig bebaut ist 4 4 5 und nach den baurechtlichen Vorschriften genutzt werden soll. Typischerweise dient dieser Enteignungszweck dazu, vorhandene Baulücken zu schließen446, um nicht neues Bauland ausweisen und erschließen sowie in Infrastruktureinrichtungen investieren zu müssen, bevor die vorhandenen baulichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. 447 Zur Bahn selbst und ihren Nutzungen bestehen hier nun tatsächlich keine vorausgedachten Bezüge mehr. Es ist deshalb vom Zufall abhängig, ob die sonstige Bahnanlage gerade an einer Stelle errichtet werden soll, die den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Nr. 2 BauGB entspricht.
c) Anlagen im Außenbereich Für den Außenbereich selbst sieht § 85 BauGB keine speziellen Enteignungszwecke vor. Das heißt, solange nicht spezielle Tatbestände existieren, die das enteignungsspezifische Wohl der Allgemeinheit konkretisieren, fehlt es Enteignungen zugunsten der Deutschen Bahn zur Verwirklichung von sonstigen Bahnanlagen außerhalb der Grenzen eines Bebauungsplans oder des Innenbereichs bereits an einer gesetzlichen Grundlage. Angesichts dessen, daß in diesem Bereich mit großer Wahrscheinlichkeit nie ein besonderes Interesse an der Errichtung von sonstigen Bahnanlagen bestehen wird, weil im Außenbereich überwiegend Betriebsanlagen vorstellbar sind, für die § 22 AEG die einschlägige Norm ist, wirkt sich das Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Enteignungsgrundlage nicht weiter aus.
I I I . Enteignungen zum Zwecke zwingender Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen Das Verfahren der Planfeststellung, welches dem Aus- oder Neubau von Betriebsanlagen der Eisenbahn vorauszugehen hat, verlangt gem. § 18 Abs. 1 AEG, daß die von dem Vorhaben betroffenen öffentlichen und privaten Belange ermittelt und - soweit sie nicht zwingend zu beachten sind - gegeneinander abgewogen werden. Das bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und dem von ihm geprägten Grundsatz der Konfliktbewältigung, daß alle 445
Andernfalls ist die Enteignung nur gem. § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB möglich, wofür es jedoch der Aufstellung eines Bebauungsplanes bedarf. 446 Battis, in: ders./Krautzberger/Lohr, BauGB, § 85, Rn. 3. 447 Brohm, Öffentliches Baurecht, § 25, Rn. 22.
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Gesichtspunkte in die planerischen Überlegungen einzubeziehen sind, die die von der Planung zu lösende Aufgabe berühren und für ihre Bewältigung bedeutsam erscheinen. Dazu gehören auch die (Folge-) Probleme, die es ohne die entsprechende Planung gar nicht gegeben hätte, die sie also selbst aufwirft. 448 Insbesondere hat die planaufstellende Behörde die Veränderungen des Natur- und Landschaftsbildes schon wegen § 3 Abs. 2 i. V. m. § 4 BNatSchG zu berücksichtigen. Kommt die Behörde im Rahmen ihrer Abwägung aller Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG) zu dem Ergebnis, daß gemäß § 8 Abs. 10 i. V. m. § 3 Abs. 1 (Anlage Nr. 9) UVPG die Eingriffe in Natur und Landschaft gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG auszugleichen oder bei nicht ausgleichbaren, vorrangigen Eingriffen nach Maßgabe des Landesrechts 449 im Sinne des § 8 Abs. 9 BNatSchG anderweitig zu kompensieren sind 4 5 0 , so ordnet sie die entsprechenden Maßnahmen im Planfeststellungsbeschluß (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) an. Für planerische Abwägungsentscheidungen bleibt kein Raum mehr, wenn Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft im räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Eingriff ausgleichbar sind oder ein möglichst gleichwertiger Zustand im Wege von Ersatzmaßnahmen wiederhergestellt werden kann. Von der Rechtsprechung 451 wird diese naturschutzrechtliche Notwendigkeit, Beeinträchtigungen des Natur- und Landschaftshaushaltes durch das geplante Vorhaben auszugleichen, deshalb nicht als Optimierungsgebot 452, das im Rahmen der planerischen Abwägung durch die Planfeststellungsbehörde überwunden werden kann 453 , sondern als Planungsleitsatz454 verstanden, der von der Behörde strikt zu 448 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20. 2. 1992-5 S 2064/91, NVwZ 1993, 595 (596). 449 Vgl. § 14 Satz 1 Bbg.NatSchG; § 6 b Abs. 1, 3 und 4 HessNatSchG; 15 Abs. 5 NatSchG M-V; § 12 Abs. 1 NdsNatSchG; § 5 Abs. 1 Satz 1 LG Nordrh.-Westf.; § 5 Abs. 3 PhPfLPflG; § 11 Abs. 3 SNatSchG; § 9 Abs. 3 SächsNatSchG; § 13 Abs. 1 NatSchG LSA; § 7 Abs. 5 Satz 1 ThürNatSchG. 450 § 8 BNatSchG enthält ein 4-Phasen-Modell: (1) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz sind vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen, (2) Unvermeidbare Beeinträchtigungen nach Halbsatz 2 auszugleichen oder soweit dies nicht in dem erforderlichen Maße möglich ist, (3) der Eingriff gemäß Abs. 3 zu untersagen, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung Vorrang genießen. Es sei denn, die Landesgesetze haben gemäß § 8 Abs. 9 BNatSchG Ermächtigungen für entsprechende Ersatzmaßnahmen geschaffen (4), vgl. BVerwG, Urt. v. 23. 88. 1996-4 A 29/95, NVwZ 1997,486 (487). 451 BVerwG, Urt. v. 30. 10. 1992-4 A 4/92, NVwZ 1993, 565 (568); Urt. v. 28. 2. 19964 A 27/95, NVwZ 1996, 1011 (1014); Beschl. v. 30. 12. 1996-11 VR 21/95, NVwZ-RR 1998, 284 (287); dazu auch Wahl/Dreier, NVwZ 1999, 615 f. Vgl. schon Breuer, NuR 1980, 93. Anders dagegen VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20. 2. 1992-5 S 2064/91, NVwZ 1993, 595 (596). 452 Vorschrift, die nur eine Berücksichtigung oder Optimierung bestimmter öffentlicher Belange fordert, jedoch innerhalb der planerischen Abwägung zugunsten anderer Belange Einschränkungen zuläßt, dazu BVerwG, Beschl. v. 21. 8. 1990, Buchholz 406.401 § 8 Nr. 8 S. 8. 453 Mit Beispielen Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rn. 6. 454 Klarstellend BVerwG, Urt. v. 22. 3. 1985-4 C 73/82, E 71,163 (165).
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beachten ist. Liegen die spezialgesetzlichen Voraussetzungen vor, stellen die daraufhin zu erlassenden Maßnahmen, die für die positive Gestattungswirkung der Planfeststellung zwingend sind, verwaltungsrechtlich spezielle, in § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als „Vorkehrungen" 455 bezeichnete (Schutz-)Maßnahmen der Planfeststellungsbehörde dar. Sie machen das Hauptvorhaben erst erlaubnisfähig. 456 Der fachrechtlich gebilligte Standort des Hauptvorhabens bestimmt den räumlichen Bereich der Ausgleichs- und häufig - wenn auch gelockert - der Ersatzmaßnahme. 457 Folglich steht und fällt die Realisierung einer neuen Bahntrasse mit der Möglichkeit, die für die naturschutzrechtlich geforderten Maßnahmen zwangsläufig notwendigen Grundstücke zu erwerben. Was passiert aber, wenn es dem Vorhabenträger nicht gelingt, die Ausgleichsoder Ersatzflächen freihändig zu erstehen? Bietet der unter Auflagen von Ersatzund/oder Ausgleichsmaßnahmen ergangene Planfeststellungsbeschluß, aufgrund dessen gem. § 22 Abs. 1 AEG unumstritten für das Hauptvorhaben selbst enteignet werden darf, tatsächlich, wie in der von bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung geprägten Praxis überwiegend angenommen wird, eine hinlängliche Basis auch für die nachfolgende Enteignung zum Zwecke dieser besonderen naturschutzrechtlichen Maßnahmen? Auf den ersten Blick mutet merkwürdig an, daß ein Planfeststellungsbeschluß, der in der Verwaltungspraxis mit einem konkreten Hauptvorhaben überschrieben ist, enteignungsrechtliche Vorwirkung gleichfalls für die in ihm angeordneten naturschutzrechtlichen Projekte entfalten soll, die im Titel aber gar nicht benannt sind und in der Projektbeschreibung ebenfalls nicht existieren. Verwirklicht sich bei einer solchen Betrachtungsweise nicht, wovor Martin Bullinger schon 1962 gewarnt hat, nämlich daß sich das Institut des Plans zu einer Gefahr für die rechtsstaatlichen Grenzen der privatbegünstigenden Enteignung auswächst?458 Die Enteignung, um naturschutzrechtlichen Ausgleich und Ersatz zu schaffen, wirkt gleichsam wie ein Nebenprodukt geringerer Eingriffsintensität. Tatsächlich aber sind die betroffenen Grundstücke genauso belastet, als
455 Vgl. zum Begriff BVerwG, Urt. v. 11. 11. 1988-4 C 11/87, Buchholz 316 § 74 Nr. 6 S. 11; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rn. 27 ff. 456 Andernfalls würden wohl der Nutzen des Eingriffs inklusive seiner unvermeidbaren oder nicht im erforderlichen Maße physisch-real ausgeglichenen Beeinträchtigungen die entgegenstehenden naturschutzrechtlichen und landschaftspflegerischen Aspekte kaum mehr überwiegen können mit der Folge, daß das Vorhaben gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG untersagt werden müßte. 457 Vgl. z. B. § 6 b Abs. 3 HessNatSchG: „Die Ersatzmaßnahmen sollen im räumlichen Zusammenhang mit dem Eingriff stehen"; § 7 Abs. 5 Satz 1 ThürNatSchG: „in dem vom Eingriff betroffenen Landschaftsraum " - ähnlich § 12 Abs. 1 NdsNatSchG; § 5 Abs. 1 Satz 1 LG Nordrh.-Westf.; § 11 Abs. 3 SNatSchG; § 9 Abs. 3 SächsNatSchG; § 13 Abs. 1 NatSchG LSA; geringer sind die Anforderungen in Mecklenburg-Vorpommern, § 15 Abs. 5 NatSchG: „möglichst in der vom Eingriff betroffenen Großlandschaft" und in Rh.-Pf., § 5 Abs. 3 LPflG: „die durch den Eingriff gestörten Funktionen der Landschaft an einer anderen Stelle zu gewährleisten". 458 Bullinger, Der Staat 1 (1962), 474.
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würden sie für das Hauptvorhaben selbst enteignet. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum für die im Planfeststellungsverfahren angeordneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die nur im Wege der Enteignung durchzusetzen sind, andere Anforderungen gelten sollen, als die, die Art. 14 Abs. 3 GG generell für Enteignungen festschreibt. Auch sie können daher aus Perspektive des Art. 14 Abs. 3 GG nur bestehen, wenn eine geeignete gesetzliche Grundlage gegeben ist, die den Gemeinwohlzweck, der eine absolute Zwangsmaßnahme rechtfertigen soll, in der Deutlichkeit bezeichnet459, die für sonstige Enteignungen ebenso gefordert wird.
1. Die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses Keiner langen Erörterung bedarf, warum die von der Praxis vorausgesetzte Enteignungsmöglichkeit sich keinesfalls bloß mit der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 1 VwVfG) begründen läßt und allein die Ausweisung der für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erforderlichen Grundstücke im Plan noch keine Rechtsgrundlage für eine eventuelle Enteignung der notwendigen Grundstücksflächen schafft. 460 Denn mittlerweile hat sich mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für die materielle Konzentrationswirkung der Planfeststellung 461 die Auffassung durchgesetzt, daß die Planfeststellung lediglich eine sogenannte verfahrensrechtliche, d. h. eine formelle Konzentration entfaltet: einmal bezüglich des Verfahrens insoweit, als sekundäres Verfahrensrecht nicht beachtet werden muß 4 6 2 , und zum anderen in bezug auf die Alleinzuständigkeit der Planfeststellungsbehörde. 463 An das sekundäre, fachplanungsfremde materielle Recht aber - und das ist die negative Konsequenz der verfahrensrechtlichen Konzentration - bleibt die Planfeststellungsbehörde selbstverständlich nach Maßgabe des Regelungsanspruchs der jeweiligen Rechtsvorschrift gebunden.464 Demzufolge können die rechtlichen Gestattungsmöglichkeiten der Planfeststellungsbehörde im Hinblick auf die Rechtfertigung von Enteignungen zu naturschutzrechtlichen Zwecken nicht weiter reichen, als die der Naturschutzbehörde, die normalerweise von Gesetzes wegen zuständig ist. 4 6 5
459 Vgl. §71.1. 460 So aber Fickert, BayVwBl. 1978, 690. 461 BVerwG, Beschl. v. 26. 6. 1992-4 Β 1-11/92, NVwZ 1993, 572 (576). 462 Vgl. z u r früheren, im Verlauf der Zeit stillschweigend aufgegebenen Rechtsprechung BVerwG, Urt. v. 29. 6. 1967-4 C 36/66, E 27, 253 (256). 463 Dazu bereits BVerwG, Urt. v. 27. 9. 1990-4 C 44/87, E 85, 348 (352). 464 Vgl. statt aller BVerwG, Beschl. v. 26. 6. 1992-4 Β 1-11/92, NVwZ 1993, 572 (575) m. w. N.; Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rn. 13 f. 465 BVerwG, Urt. v. 14. 4. 1989-4 C 31/88, E 82, 17 (21 ff.); eindeutig auch de Witt/Burmeister, NVwZ 1994, 39.
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2. Teleologìe und Praktikabilität: Die weite Interpretation des „festgestellten Bauvorhabens", § 22 Abs. 1 AEG Überwiegend wird die jeweilige fachplanungsrechtliche Enteignungsermächtigung als die gesetzliche Grundlage auch für die naturschutzrechtlichen Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen herangezogen. So wie § 19 Abs. 1 Satz 2 BFStrG die Enteignung seinem Wortlaut nach nur für zulässig erachtet, soweit sie „zur Ausführung eines nach § 17 festgestellten oder genehmigten Bauvorhabens notwendig ist", legitimiert auch § 22 Abs. 1 Satz 1 AEG, der an diese ältere Vorschrift angelehnt ist, die Enteignung nur zum Zwecke des Baus von Betriebsanlagen der Eisenbahn, „soweit sie zu Ausführung eines nach § 18 festgestellten oder genehmigten Bauvorhabens notwendig ist". Bestimmt damit in der fachplanungsrechtlichen Enteignungsermächtigung das festgestellte Bauvorhaben den Umfang möglicher Enteignungen, so deckt der Ermächtigungsrahmen auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, wenn nur das Tatbestandsmerkmal „festgestelltes Bauvorhaben" entsprechend weit interpretiert wird: Dient es nämlich als Umschreibung des gesamten Inhalts der Planfeststellung und meint nicht nur die bauliche Anlage als solche, sondern „das planfestgestellte Vorhaben in seiner Gesamtheit" 466 , so sollen zum festgestellten Bauvorhaben ebenfalls die Vorkehrungen gehören, die gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG im Planfeststellungsbeschluß anzuordnen sind. Als solche werden die naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Bestandteil des von der jeweiligen Enteignungsermächtigung des Fachplanungsgesetzes gedeckten Planungsvorhabens.467 Parallel zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall, in dem es naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen von der zur Durchführung einer Entwicklungssatzungen vorhandenen Enteignungsermächtigung des § 169 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfaßt sah, obwohl diese nicht im Aufgabenkatalog städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen (vgl. § 165 Abs. 2 Satz 2 BauGB) vorkommen, wird auch hier der Anwendungsbereich der fachgesetzlichen Enteignungsermächtigung über den Wortlaut hinaus mittels zweckgerichteter Argumentation erweitert. Was im ähnlich gelagerten Fall der bauplanungsrechtlichen Entwicklungssatzung vom Bundesverwaltungsgericht der „Herzensentscheidung" anheimgestellt wurde 468 , will das Gericht hier mit dem Tatbestand der eigentlichen Planfeststellungsregel 466 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20. 2. 1992-5 S 2064/91, NVwZ 1993, 595 (597). 467 BVerwG, Beschl. v. 21. 12. 1995-11 VR 6/95, NVwZ 1996, 896 (899); Urt. v. 23. 8. 1996-4 A 29/95, NVwZ 1997, 586 (487f.); Urt. v. 1. 9. 1997-4 A 36/96, E 105, 178 (180f.); Urt. v. 28. 1. 1999-4 A 18/98, NVwZ-RR 1999,629; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20. 2. 1992-5 S 2064/91, NVwZ 1993, 595 (596); auch Dürr, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, Kapitel 34, Rn. 46.26; Kuschnerus, DVB1. 1986, 80 f.; Schroeter, DVB1. 1979, 17. 468 Die Gemeinde/der Zweckverband dürfe sich „durch eine zu engherzige Entwicklungsplanung nicht selbst in die Zwangslage versetzen", bei der Bauleitplanung „die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zurückstellen zu müssen". Es verstünde sich deshalb von selbst, daß Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gegenständlich von § 165 Abs. 2 BauGB mitumfaßt seien, BVerwG, Urt. v. 3. 7. 1998-4 CN 5/97, NVwZ 1999, 407 (410).
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(§ 18 Abs. 1 AEG, § 17 Abs. 1 BFStrG) begründen, auf den sich die Formulierung des Enteignungsparagraphen bezieht, obwohl dieser als Gegenstand der Planfeststellung nur das Vorhaben bezeichnet, das dem jeweiligen Fachplanungsgesetz seinen Titel gibt. Doch sollen wegen der in Satz 2 der §§ 18 Abs. 1 AEG, 17 Abs. 1 BFStrG enthaltenen Maßgabe zur umfassenden Abwägung 469 gleichfalls solche Maßnahmen im Sinne der sich anschließenden Enteignungsermächtigung „zur Ausführung ... notwendig" sein, die sich aufgrund der Prüfung zusätzlicher, nämlich naturschutzrechtlicher Rechtfertigungsvoraussetzungen aufzwingen. Das ist der Fall, wenn (sekundäre) bundes- oder landesnaturschutzrechtliche Regelungen zusätzliche Maßnahmen anordnen, von deren Kompensationsfunktion die fachplanerische Zulässigkeit abhängt. 470 Dabei anerkennt das Bundesverwaltungsgericht die öffentlichen Belange, die die Planfeststellungsbehörde für das Vorhaben ins Feld führt 471 , als von Art. 14 Abs. 3 GG geforderte Gemeinwohlbelange, die den Zugriff auf Grundstücke zur Durchführung naturschutzrechtlicher Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen rechtfertigen. Eine solche von rein teleologischen Überlegungen getragene Konstruktion, die vom Wortlaut des einfachen Gesetzes abweicht, ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Zu sehr merkt man ihr den Wunsch an, das planfestgestellte Vorhaben in Gänze durchsetzen zu wollen, und zu wenig beachtet sie die von der Verfassung an eine rechtmäßige Enteignung gestellten Anforderungen. Ihren Ausgang nimmt die zielorientierte Konstruktion bei der Grundüberlegung, daß das jeweilige Planvorhaben „Anlaß und Grund" für die Inanspruchnahme der Flächen für den naturschutzrechtlich gebotenen Ausgleich und Ersatz bildet. 472 Richtigerweise werden die Naturschutzmaßnahmen durch die Errichtung, den Bau der jeweiligen Anlage veranlaßt. Ihren Grund aber finden sie darin nicht. Dieser liegt einzig und allein im Natur- und Landschaftsschutz. Ihm dienen diese Maßnahmen; sie sind von der Planfeststellungsbehörde nur aufgrund seiner gesetzlichen Ausprägungen im Bundes- und Landesrecht anzuordnen. Die geringe dogmatische Substanz des Begründungsversuchs im weiteren zeigt sich zunächst daran, daß die angeführten Vorschriften an keiner Stelle in ihrem Wortlaut ernst genommen werden: Daß § 14 Satz 1 BbgNatSchG 473 , demgemäß 469 Die „von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange ... (sind) im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen". 470 BVerwG, Urt. v. 23. 8. 1996-4 A 29/95, NVwZ 1997, 486 (487); Beschl. v. 13. 3. 1995-11 VR 4/95, NVwZ-RR 1995, 631 f.; Beschl. v. 21. 12. 1995-11 VR 6/95, NVwZ 1996, 896 (899); VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20. 2. 1992-5 S 2064/91, NVwZ 1993, 595 (596). 471 BVerwG, Urt. v. 23. 8. 1996-4 A 29/95, NVwZ 1997, 486 (487). 472 Gaentzsch, NuR 1986, 91. 473 § 6 b Abs. 1, 3 und 4 HessNatSchG; 15 Abs. 5 NatSchG M.-V; § 12 Abs. 1 NdsNatSchG; § 5 Abs. 1 Satz 1 LG Nordrh.-Westf., § 5 Abs. 3 LPflG Rh.-Pf.; § 11 Abs. 3 SNatSchG; § 9 Abs. 3 SächsNatSchG; § 13 Abs. 1 NatSchG LSA; § 7 Abs. 5 Satz 1 ThürNatSchG.
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der Verursacher des Eingriffs in die Natur und Landschaft die zerstörten Werte und Funktionen des Naturhaushalts an anderer Stelle in ähnlicher Weise wiederherzustellen hat, nicht, wie vom Bundesverwaltungsgericht behauptet, als „Rechtsgrundlage" für die Inanspruchnahme fremder Grundstücke dienen kann 474 , versteht sich von selbst. Handelt es sich hierbei doch lediglich um eine Handlungsverpflichtung, gerichtet an den Verursacher eines Eingriffs in Natur und Landschaft. Die Vorschrift des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Konfliktbewältigung ermächtigt und verpflichtet bei Vorliegen der Voraussetzungen die planfeststellende Behörde, zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die Rechte anderer Schutzmaßnahmen anzuordnen, deren Realisierung in der Hand und dem Aufgabenbereich des Vorhabenträgers liegt. Sie dient aber nicht zugleich als gesetzliche Grundlage für die im Planfeststellungsbeschluß teilweise angelegte, aber erst dem Planfeststellungsverfahren nachfolgende Enteignung. Die Festsetzung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durch die Behörde im Planfeststellungsbeschluß einerseits, die auf § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in Verbindung mit dem jeweiligen Fachplanungsgesetz gestützt wird, muß von der (privatbegünstigenden) Enteignung für entsprechende Schutzmaßnahmen zugunsten des Vorhabenträgers andererseits 475 rechtlich strikt unterschieden werden. Durch den aufgrund naturschutzrechtlicher Vorschriften angeordneten Ausgleich und Ersatz erfüllt der Vorhabenträger eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung seines eigentlichen, planfestgestellten Vorhabens. Auch die fachplanungsgesetzliche Grundlage verlangt nichts anderes, wenn sie die Behörde verpflichtet, alle öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG, ebenso § 17 Abs. 1 Satz 2 BFStrG). Für eine gebotene Abwägung aller Belange i. S. d. § 18 Abs. 1 AEG reicht aus, daß im landschaftspflegerischen Begleitplan 476 Umfang und Qualität der Ausgleichsmaßnahmen festgeschrieben werden. Von weiteren, dem Planfeststellungsbeschluß nachfolgenden Verfahrensschritten, gar einer Enteignung, um die entsprechenden Schutzvorkehrungen realisieren zu können, sprechen weder die eine noch die andere Regelung. Sie stellen somit noch keine hinreichenden Ermächtigungsnormen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG dar, um Enteignungen zum Zwecke von Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen zu rechtfertigen. Da liegt es schon näher, sich wie das Bundesverwaltungsgericht als Grundlage derartiger Enteignungen auf die Enteignungsregelung des § 22 Abs. 1 AEG zu stützen. Gemäß der fachplanungsgesetzlichen Enteignungsregelung soll die Enteignung zum Zwecke des Ausbaus der Betriebsanlage der Eisenbahn (oder gemäß § 19 Abs. 1 BFStrG der Bundesfernstraße) zulässig sein. Obwohl in der Regelung 474 BVerwG, Urt. v. 23. 8. 1996-4 A 29/95, NVwZ 1997,486. 475 Insoweit ungenau auch de Witt/Burmeister, NVwZ 1994, 39, nach deren Auffassung die naturschutzrechtlich gebotenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen schon keine Vorkehrungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG darstellen. 476 Dazu Gassner, DVB1. 1991, 355 ff.
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über Enteignung zum Zwecke naturschutzrechtlich gebotener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen kein Wort fällt, legt das Bundesverwaltungsgericht die Vorschrift so aus, daß sie mit dem Begriff Bauvorhaben alle im Rahmen der Planfeststellung mitzuentscheidenden Vorhaben umfaßt. Wie bereits dargestellt, verlangen der Vorbehalt des Gesetzes sowie der Bestimmtheitsgrundsatz eine konkrete gesetzliche Verankerung der Gemeinwohlzwecke477, die bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen, insbesondere wenn das Übermaßverbot beachtet wurde 478 , die an diesen Zwecken orientierte Enteignung rechtfertigen. Entsprechend dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 AEG kann deshalb die Feststellung des Bauvorhabens nicht nur unabhängig von der konkreten Feststellung der naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme erfolgen, sie muß es sogar. Denn weder ist in § 22 Abs. 1 AEG von mehreren festgestellten Bauvorhaben die Rede, noch heißt es dort, die Enteignung sei zum Zwecke des planfestgestellten Vorhabens und der Erfüllung seiner Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen durchzuführen. Zudem reicht die Ermächtigung nur, „soweit sie zur Ausführung" der Anlage überhaupt „notwendig ist". Im Lichte des Art. 14 Abs. 3 GG, der die Enteignung nur als ultima ratio unter besonders strengen Voraussetzungen akzeptiert, ist dieser zweite Halbsatz in § 22 Abs. 1 Satz 1 AEG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BFStrG) entgegen dem Bundesverwaltungsgericht verfassungskonform gerade nicht als Erweiterung, sondern als Einschränkung der gesetzlichen Enteignungsermächtigung zu interpretieren. Damit wird die vom Gesetzgeber allein zum Zwecke des Baus und des Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn (bzw. von Bundesfernstraßen) zugelassene Enteignung auf das absolut Notwendige reduziert. Darüber hinausgehende, nicht zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des gemeinnützigen Vorhabens selbst, sondern anderweit gebotene Maßnahmen, also auch der Schutz von Natur und Landschaft durch Ausgleichs· und Ersatzmaßnahmen bleiben als enteignungsrechtfertigende Gemeinwohlzwecke nicht nur unbenannt, sie sind folglich auch teleologisch unbegründet. Sie mit Hilfe des Erfordernisses der Planfeststellung, bei der vor allem naturschutzrechtliche Belange als für sich stehende und insoweit selbständig zu beurteilende Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen zu berücksichtigen sind, über die Hintertür in die fachplanungsgesetzliche Enteignungsermächtigung hineinzulesen, sprengt deren Aussagekraft und entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. 479 Allein die Wichtigkeit der Belange, die für das Planfeststellungsvorhaben sprechen, hilft über die im Fachplanungsrecht fehlende Enteignungsermächtigung für naturschutzrechtliche Maßnahmen nicht hinweg. 480 Daß die naturschutzrechtlichen Regelungen im Planfeststellungsverfahren zwingend zu berücksichtigen sind, führt deshalb allenfalls dazu, daß das komplette Vorhaben zu untersagen ist, lassen sich die für rechtlich unabdingbare kompensatorische Naturschutzmaßnah477 Vgl. §71.1. 478 Insoweit wieder zu Recht die anschließende Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 23. 8. 1996-4 A 29/95, NVwZ 1997,486 (487f.). 479 in diesem Sinne auch de Witt/Burmeister, NVwZ 1994, 39. 480 So aber Gaentzsch, NuR 1986, 91.
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men erforderlichen Flächen nicht beschaffen - unabhängig davon, ob der freihändige Erwerb oder mangels hinreichender gesetzlicher Grundlage die Enteignung scheitelte.
3. Die Defizite landesrechtlicher Enteignungsgrundlagen Wenn, wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, die fachplanungsspezifische gesetzliche Enteignungsermächtigung in § 22 Abs. 1 Satz 1 AEG nicht den zwangsweisen, finalen Eingriff in Eigentumspositionen zum Zwecke des naturschutzrechtlich gebotenen Ausgleichs abdeckt, so kommt allenfalls noch eine landesrechtliche Regelung als Enteignungsermächtigung in Betracht. Denn dem Bund sind im Naturschutzrecht weitgehend die Hände gebunden, da ihn das Grundgesetz nur befugt, dieses Sachgebiet rahmenrechtlich zu regeln (Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG). Die Zuweisung lediglich der Rahmenkompetenz aber wiederum gestattet ihm aufgrund des eindeutigen Wortlauts in Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG nicht, Enteignungen für Gegenstände dieses Kompetenztitels und damit auch solche naturschutzrechtlicher Art zu regeln. 481 Die Enteignungsermächtigungen in den einzelnen Landesnaturschutzgesetzen sind, wenn sie nicht von vornherein fehlen, weil das Naturschutzrecht nur den Ausgleich von Inhalts- und Schrankenbestimmungen (salvatorische Klausel) 482 , nicht aber das enteignungsentschädigungsrechtliche Junktim kennt 483 , unterschiedlich formuliert. Bis auf eine Ausnahme - § 49 Abs. 1 LNatSchG M-V - ist ihnen aber gemeinsam, daß keine der landesrechtlichen Normen konkret die Enteignung zum Zwecke der gebotenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorsieht, sondern dort stets nur von Zielen des Natur- und Landschaftsschutzes die Rede ist. Zwar lassen sich die Vorkehrungen zum naturschutzrechtlich gebotenen Ausgleich und Ersatz problemlos unter die gesetzliche Konkretisierung des Enteignungszwecks „Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege" 484 subsumieren. Zweifel drängen sich aber auf, ob die so offen formulierte gesetzliche Ermächtigung überhaupt dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot im Hinblick auf den von Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG vorgeschriebenen Gesetzesvorbehalt485 genügt. 481 Pieroth, in: Jarass/ders., Grundgesetzkommentar, Art. 74, Rn. 34; vgl. auch schon §711. 482 Zum Beispiel § 47 Bad.-Würt.NatSchG, § 37 SaarlNatSchG, vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 18. 2. 1993 - III ZR 20/92, NJW 1993, 2095 (2096). 4
83 Beides nebeneinander findet sich im LNatG M-V, §§ 49, 50 und in § 39 LPflG Rh.-Pf.
484
Zum Beispiel § 49 Abs. 1 Nr. 1 NdsNaturschutzG; § 37 Abs. Nr. 2 SächsNatSchG; § 41 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG LSA; ähnlich ist die Umschreibung des Enteignungszwecks mit „Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege" in § 38 Abs. 1 Satz 1 HENatSchG, § 41 Abs. 1 SchlHNatSchG oder die Verweisung auf die Ziele des Gesetzes (§ 1 RhPfLPflG) in § 39 Abs. 4 RhPfLPflG. 48 5 Vgl. ausführlich §71. 1. 17 Pommer
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In der Regel steht für eine Enteignung aufgrund der naturschutzrechtlichen Regelungen die gesamte Sachmaterie des vom Landesgesetzgeber normierten Naturund Landschaftsschutzes zur Verfügung, vorausgesetzt, die Maßnahmen genügen dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Die von der Verfassungsregel des Art. 14 Abs. 3 GG in Verbindung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen geforderte Meß- und Vorhersehbarkeit finaler Zugriffe auf Eigentumspositionen ist für den Betroffenen dadurch aber nicht gegeben. Vielmehr muß er gleich allen anderen Inhabern eigentumsrechtlicher Positionen anläßlich aller naturschutzrechtlichen Maßnahmen die zwangsweise Wegnahme dieser Bestände befürchten. Die konkrete Maßnahme zu bestimmen, die eine Enteignung auszulösen vermag, wird damit vom Gesetzgeber auf die Behörde delegiert. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat des Grundgesetzes aber ist die Abgabe solcher Kompetenzen ohne Gesetz, sondern aufgrund reiner faktischer Notwendigkeit nicht vorgesehen und deshalb ein Verstoß gegen die Verfassung. Ist das der Fall, hat es sich der Gesetzgeber folglich zu leicht gemacht, den gesamten Sachkatalog des Naturschutzes zum enteignungsfähigen Gemeinwohlzweck zu erklären. Einzig in Mecklenburg-Vorpommern, wo eines der jüngsten Naturschutzgesetze gilt, ließe sich die Vorschrift des § 49 Abs. 1 LNatSchG M-V aufgrund ihres Satzes 2 zumindest bezüglich der hier problematisierten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen als hinreichend bestimmte Enteignungsermächtigung ansehen. Denn dort sollen „insbesondere das Eigentum oder andere Rechte an Grundstücken, auf denen in einem Fachplan oder in einem landschaftspflegerischen Begleitplan Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen festgesetzt werden", enteignet werden können. Doch auch in Mecklenburg-Vorpommern schließt das Landesnaturschutzgesetz parallel zu den meisten anderen Landesnaturschutzgesetzen den Privaten aus dem Kreis möglicher Enteignungsbegünstigter von vornherein aus, indem es nur bestimmte, überwiegend öffentliche Rechtsträger potentiell privilegiert. 486 Selbst wenn man einen geringeren Maßstab an die Bestimmtheit des Gesetzesvorbehalts stellen wollte, kann die Bahn AG schon aus diesem Grund in der Mehrzahl der Bundesländer nicht in den Genuß einer Enteignung für die ihr auferlegten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen kommen. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß eine Ermächtigung zur Enteignung für naturschutzrechtlich gebotene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zugunsten der Bahn fehlt. Die Mehrzahl der heutigen landesnaturschutzrechtlichen Enteignungsregelungen spiegeln noch prototypisch das Verständnis vom Institut der Enteignung wider, wie es sich über die Jahre der staatlichen Leistungserbringung entwickelt hat. Die Enteignungszwecke sind weit und allumfassend beschrieben, um für unvorhergesehene Notfälle mit der das gesamte Sachgebiet umschließenden 486 Vgl. z. B. § 49 Abs. 1 LNatG M-V; § 48 Abs. 2 ThürNatG; unter Einbeziehung anerkannter Verbände im Sinn des § 29 Abs. 2 BNatSchG § 49 Abs. 2 NdsNaturschG; § 37 Abs. 2 SächsNatSchG; § 13 Abs. 2 NAtSch LSA. Hinsichtlich der potentiellen Enteignungsbegünstigten offen sind hingegen die Ermächtigungen in Hessen, Rheinland-Pfalz formuliert.
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Eingriffsgrundlage gerüstet zu sein. Von staatlichen Trägern, die nach dem Gesetz vorrangig in den Genuß seiner Anwendung kommen sollten, hat man keinen Mißbrauch hinsichtlich des nur schwach konturierten Gemeinwohlzwecks erwartet, da diese ohnehin dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Daß ein solches, private Leistungserbringer gänzlich ausschließendes Regelungssystem in den Landesnaturschutzgesetzen angesichts der aktuellen Entwicklung, die weg von staatlicher Leistungsverwaltung hin zu privater Initiative führt, einer Reform bedarf, liegt auf der Hand. Es ist allerdings nicht damit getan, den Enteignungszweck Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die in einem Fach- oder landschaftspflegerischen Begleitplan angeordnet werden, einzufügen. 487 Das System muß gänzlich umgekehrt werden. Der Kreis der Enteignungsbegünstigten ist in Anlehnung an Art. 14 Abs. 3 GG offen zu halten. Vom Gesetzgeber überdacht werden müssen aber im Gegenzug die Enteignungszwecke. Möchte man die Enteignungsmöglichkeiten reduzieren, so muß hier angesetzt und detailliert beschrieben werden, welche konkreten naturschutzrechtlichen Maßnahmen - gegebenenfalls unter welchen weiteren Voraussetzungen - Zwangszugriffe auf Eigentumspositionen anderer rechtfertigen können. Ob Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gemeinwohldienlich im Sinn des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG sind, kann nur der Gesetzgeber entscheiden. Da auch ein Rückgriff auf die ohnehin noch offener formulierten Landesenteignungsgesetze wegen der verfassungsrechtlichen Bedenken ausscheidet, die bereits an anderer Stelle erörtert wurden, bleibt für die Bahn AG deshalb vorläufig - solange die Landesgesetzgeber entsprechenden Handlungsbedarf nicht erkannt haben 488 - nur die Möglichkeit des freihändigen Erwerbs der Ausgleichs- oder Ersatzflächen.
487
So der Vorschlag von deWitt/Burmeister, NVwZ 1994, 39. Ein Formulierungsvorschlag findet sich bei deWitt/Burmeister, NVwZ 1994, 39. Im Falle der Deutschen Bahn AG aber müßte zudem in manchen Ländern der Kreis potentieller Enteignungsbegünstiger erweitert werden. 488
17*
Ergebnis Die hier überwiegend aus dem spezifischen Blickwinkel des zwangsweisen Eigentumsentzugs zugunsten bodenbeanspruchender Vorhaben der Deutschen Bahn gewonnenen Erkenntnisse belegen, daß sich die Handlungsmöglichkeiten des Unternehmens durch die Privatisierung im Zuge der Bahnreform vermehrt haben. Die neugegründeten Unternehmen sind weder an das öffentliche Sachenrecht noch die Grundrechte gebunden. Sie bezahlen ihre privatrechtlichen Handlungsspielräume zwangsläufig mit dem Wegfall der bislang lieb gewonnenen hoheitlichen Eingriffsbefugnis. Denn das bürgerliche Recht ist privilegienfeindlich. Sein Grundsatz ist die Gleichheit der Rechtsgenossen. Die Bahnreform kommt damit einem Regimewechsel gleich, im Zuge dessen auch die generelle Bürgschaft der Unternehmung Eisenbahn schwindet, in erster Linie dem gemeinen Wohl zu dienen. Gerade das Enteignungsrecht ist ein sensibler Gradmesser, wenn in dieser Weise am tradierten Verständnis vom Staat, seinen Aufgaben und ihrer Erfüllung gerüttelt wird. Hier stehen sich nunmehr die Förderung eines enteignungserheblichen infrastrukturellen Vorhabens auf der einen und das Gebot, die Privatrechtssubjekte im Wettbewerb gleich zu behandeln, mit gleichen Voraussetzungen und Darlegungslasten zu beschweren, auf der anderen Seite gegenüber. Die Anforderungen, denen genügt werden muß, damit für Neubau- und Erweiterungsmaßnahmen der Eisenbahn notfalls auch zwangsweise auf das Eigentum Dritter zugegriffen werden kann, können deshalb keine anderen sein, als die, die an die Enteignung zugunsten Privater gestellt werden. Die voranschreitende Privatisierung raumbeanspruchender Infrastrukturen wird somit zu einer Renaissance dieses Rechtsinstituts führen. Diesen tiefgreifenden Wandel nicht vollständig beim Wort nehmen zu wollen, kann dazu führen, daß Voraussetzung und Folge verkehrt werden. Keinem aber ist damit gedient, das Rechtssystem und seine Kategorien der Wirklichkeit anzupassen und auf diese Weise Stimmigkeit zu erzielen, denn sie kann sich nur irgendwann als trügerisch erweisen. Subsumiert man deshalb die neue Situation unter das bestehende Gesetzessystem, kann die vorhandene Gesetzeslage durchaus zu einer ungewollten Entscheidung führen, wie beispielsweise der Ablehnung eines Enteignungsanspruchs für sonstige Bahnanlagen oder naturschutzrechtliche Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen. Ihr darf jedoch nicht durch Konstruktion ungeschriebener Zwischenlösungen begegnet werden. Vielmehr muß auch die unliebsame, vielleicht nicht bedachte Folge hingenommen werden, bis der Gesetzgeber den Mißstand aufgreift und ζ. B. durch die genaue Festschreibung solcher Vorhaben als enteignungstaugliche Gemeinwohlzwecke Abhilfe schafft.
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Sachwortregister Allgemeinwohl s. Wohl der Allgemeinheit Badisches Enteignungsgesetz von 1835 32 f. Bahnanlage 58 ff., 103, 104, 122, 240 ff. Bahnreform 66, 77 f., 84, 90, 157, 219, 238 ff. s. a. Regimewechsel, rechtlicher Bedarfsplan - als Enteignungsrechtfertigung 239
235 ff.,
- Verbindlichkeit nach BSchwAG 234 f. - Verbindlichkeit nach FStrAG 233 f. Bergwerksregal 30 Betriebsanlage der Eisenbahn 59, 103 f., 119 ff., 199,217,228, 232 f., 239 f., 255 f. bundeseigene Verwaltung 47 ff., 87 Bundesschienenwegeausbaugesetz s. Bedarfsplan BVerfGE 24, 367 - Hamburger Deichordnungsgesetz - Entscheidung 214 BVerfGE 58, 300 - Naßauskiesungsentscheidung 183, 188 f. BVerfGE 66, 248 - EnWG-Entscheidung 191 ff., 197, 199 BVerfGE 74, 264 - Boxbergentscheidung 185,191,196 ff., 214 BVerwGE 48, 56 - Β 42-Urteil 220
Deutsche Bahn - Aktiengesellschaften 20, 78, 94 ff., 123 ff., 142 f., 153, 173 - Enteignungsberechtigung 168 ff., 196, 228 ff., 238 ff. - planerische Gestaltungsbefugnis 219 ff. - Preisbildung 83 f. - private Rechtsform 89, 92 ff., 164 - Wirtschaftsunternehmen 20, 62, 85, 89 ff., 98, 137 f., 144, 195, 209 f. s. a. Gewinnerzielung Deutsche Bundesbahn 44 ff. s. a. bundeseigene Verwaltung - Enteignung 56 ff., 163 f. - Gebot der Erwerbswirtschaftlichkeit 51 ff., 54 f., 62, 90 - Hoheitsträger 19, 63, 89,128 - Preisbildung 83 - Reformbestrebungen 81 f. - Überführung in DB AG 44, 85, 87 - Verschuldung 65 Deutsche Reichsbahn s. a. Deutsche Reichsbahngesellschaft - Gründung 39 ff. - öffentliche Anstalt 40 - Reichsbahngericht 81 - Reparationslast 79 ff. - Überführung in DB AG 44, 65 Deutsche Reichsbahngesellschaft 49, 54, 80 f., 92 diskriminierungsfreier Zugang Dritter s. Mitbenutzungsrechte
Daseinsvorsorge 24, 54 f., 68, 136, 153, 157, 169 ff., 192, 194, 208 Dauerhaftigkeit der Enteignung 19, 33, 184, 198, 201, 208 ff., 240 Eigentum 30 f. 5. a. Enteignung - Beschränkung 33, 35,43, 182 f. s. a. Enteignungsgegenständ, Realisierung - im engeren Sinn 30 s. a. Verhältnismäßigkeit der Enteignung - i. S. d. Art. 153 WRV 42 ff., 183 Dawes-Plan 50, 80 - unter dem GG 176, 200, 202, 207 Demokratie-Defizit 201 - verfassungsrechtlicher Schutz des ~ 31 f.
Sachwortregister Einwirkungspflicht 124, 142 f. Eisenbahnaufsicht 25 f., 35, 46,47, 80, 97 s. a. Gewährleistungsverantwortung - Privataufsicht 87 ff., 139 - Reichseisenbahnamt 37 Eisenbahnbetrieb - s. a. Eisenbahnverkehrsunternehmen - Bewirtschaftung 84, 95, 111, 116 - Trennung vom Netz 77 f., 78 ff., 108,146 Eisenbahnbetriebsbezogenheit 60 Eisenbahnbundesamt 88 f. - als Träger der Eisenbahnverkehrsverwaltung 88 f. - im Planfeststellungsverfahren 218 ff. Eisenbahngeschichte 22 ff., 34, 172 Eisenbahnhoheit 38,45 f. Eisenbahnnetz 30, 36 s. a. Infrastruktur s. a. Schienenwege - Bewirtschaftung 84, 111, 196 - Trennung vom Betrieb 77 f., 78 ff., 108, 146 Eisenbahnorganisation 45 f., 62, 76, 85, 92, 97 - Aktiengesellschaft 23 ff., 80 - Staatsunternehmen 23, 38 ff., 44, 68 ff. Eisenbahn Verfassung 19, 54, 63, 85 Eisenbahnverkehrsunternehmen 21, 45 f., 101 s. a. Eisenbahnbetrieb Eisenbahnverkehrsverwaltung 86 ff., 128, 131 s. a. Eisenbahnbundesamt Enteignung 18 ff., 43 s. a. Enteignungsprivileg s. a. Enteignungsverfahren - Drittbegünstigung 204 - Gemeinnützigkeit 28 5. a. Wohl der Allgemeinheit - Legalenteignung 184 f., 207 - Recht der ~ 20, 22, 25, 30 ff., 34 f., 163 s. a. Enteignungsgeschichte s. a. Enteignungsgesetzgebung - Rechtfertigung der ~ 20 f., 29, 42, 58, 61 f., 163, 186, 203, 207 s. a. Dauerhaftigkeit der Enteignung s. a. Verhältnismäßigkeit der Enteignung
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- zugunsten Privater s. privatbegünstigende Enteignung Enteignungsbegünstigter 190 ff., 193, 199 f., 204, 206 s. a. Enteignung s. a. privatbegünstigende Enteignung enteignungserhebliches Vorhaben s. Enteignungsgegenständ enteignungsfähige Vorhaben 58 s. a. Enteignungs gegenständ Enteignungsgegenstand - Begriff, Umfang 18,21,33,197 ff., 238 f., 240 ff., 249 ff. - Realisierung 210 ff., 211 s. a. Rückübertragungsanspruch Enteignungsgeschichte 22 ff., 34, 163, 164 f., 183, 189 s. a. Enteignung, Recht der ~ s. a. Enteignungsgesetzgebung Enteignungsgesetze der Länder 178 ff., 200, 218, 257 ff. Enteignungsgesetzgebung 25, 30 ff., 34 f., 43 s. a. Wohl der Allgemeinheit, Bestimmtheit, gesetzliche Konkretisierung - Fachplanungsrecht 44, 56 f., 62 f. - Gesetzgebungskompetenz 36, 56 Enteignungshoheit 56 Enteignungsprivileg s. a. Enteignung - Entäußerung 28 - öffentliche Sache 147 ff. - Verleihung 28,57, 193 enteignungsrechtliche Vorwirkung der Planfeststellung s. Planfeststellung, als Enteignungsvoraussetzung Enteignungs verfahren 35, 184, 202 ff., 206 f., 211 ff. Entpolitisierung 93 f. s. a. Vorrang des Gesellschaftsrechts Entschädigung 31,43, 180 f., 182 f. Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen, naturschutzrechtliche 249 ff. Expropriation 22 s. a. Enteignung
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Sachwortregister
Fahrweg s. Eisenbahnnetz s. Infrastruktur s. Schienenwege faktischer Grundrechtseingriff 185 f. Finanzhilfen 140 f. Französisches Enteignungsgesetz von 1810 30 freihändiger Erwerb 20, 61 f., 187 f., 251 Gefahrenabwehr 166 f., 171 Gemeinwirtschaftlichkeit der Eisenbahn 40 f., 52, 54 f., 59, 62, 90 f., 137 f. Gemeinwohl s. Wohl der Allgemeinheit getrennte Rechnungsführung 77, 78, 81 f., 96 Gewährleistungsverantwortung 25 f., 47, 88, 91, 127 f., 133 ff., 135 f., 137 f., 139 ff., 145, 146, 153, 161, 174,195 Gewinnerzielung 21, 55, 63, 90 f., 92, 127, 143, 173, 194, 195, 196, 209 f. Grundrechtsbindung 151 ff. s. a. Daseinsvorsorge s. a. Monopol, faktisches s. a. Verwaltungsprivatrecht Grundrechtsfähigkeit 159 ff. Infrastruktur 18 f., 64 - europäische ~ 76 f. - Begriff 102 f., 105, 108 f., 119 - -unternehmen 112, 146,195 - Unternehmensressource 91 - Versorgungsfunktion 19,134 ff. Infrastrukturverantwortung s. Gewährleistungsverantwortung s. Infrastruktur, Versorgungsfunktion Konzession - gewerbliche ~ 27 f. - von Eisenbahnunternehmen im 19. Jh. 26 ff., 70, 193 s. a. Enteignungsprivileg, Verleihung - von Industrieunternehmungen Anfang des 20. Jh. 41 f. Magnetschwebebahnplanungsgesetz 200 Mitbenutzungsrechte Dritter 71 f., 76 f., 84, 116 f., 146 f.
Monopol, faktisches 69 ff., 153 Norddeutscher Bund - Gewerbeordnung 28 - Verfassung 36 öffentliche Aufgabe 36, 41, 47 ff., 58, 128 ff., 153, 160 f., 193 f., 197 öffentliche Sachen - Begriff 143 f. - Enteignungsprivileg 147 ff., 196, 208 - Entwidmung 149 f., 240 f. - Widmung 145 ff., 240 f. öffentliches Unternehmen (Art. 86 EGV) 162 öffentliches Verkehrsbedürfnis 174, 196, 200 Paralleltrasse 21, 71 f. Planfeststellung s. a. Bahnanlage s. a. Betriebsanlage der Eisenbahn s. a. Enteignungsgesetzgebung - Abwägungsgebot 217, 220 f., 255 - als EnteignungsVoraussetzung 58, 217 f., 227, 228 ff. - Anspruch auf ~ 223 f. - eisenbahnrechtliche ~ 29, 56, 218, 231 f., 240 ff. - gemeinnützige ~ 226 - Konzentrationswirkung 241, 252 - planerische Gestaltungsbefugnis 219 ff., 239 - planrechtfertigendes Gemeinwohl 226 f., 239 - privatbegünstigende ~ 224, 226 - privatnützige ~ 225 f., 232 f. - Prognoseentscheidung 212 f. - Zuständigkeit 218 f. Planrechtfertigung 228 ff. Planungshoheit 29, 217, 241 ff. Polizeierlaubnis 27 f. Preußisches Allgemeines Landrecht 30 f. Preußisches Eisenbahngesetz von 1838 26, 45, 70, 77, 79, 87 Preußisches Enteignungsgesetz von 1874 29, 33 Privatbahn s. Eisenbahnorganisation
Sachwortregister
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privatbegünstigende Enteignung 20, 41 ff., Steuerungsfunktion des Rechts 156 163 ff., 189 f., 191 ff., 208 ff. Streckenstillegung 91,139 f., 195,210,240 a. BVerfGE 66, 248 und 74, 264 subjektiv-öffentliches Recht 204, 223 f. s. a. Enteignung Subventionen 141 f. s. a. Enteignungsgeschichte Systemwirkung 21,75, 82 s. a. Wohl der Allgemeinheit - unmittelbar durch Gesetz 184 f. Transrapid 200 f., 213 f. - Zulässigkeit 32 f., 190 f. Privatisierung 17, 19, 36 Verbot (präventives) mit Erlaubnisvorbehalt - Begriff 126, 127 f., 130 27,139 - Gründe 65 ff. s. a. Konzession, gewerbliche - Schranke der ~ 21, 89 f., 92,97 ff., 105 ff., Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen 37 122 ff. Verhältnismäßigkeit der Enteignung 61 f., s. a. wirtschaftliche Betätigung des Staa- 186ff., 213 ff., 240 tes Verkehrssicherheit 68 f. - Verfassungsänderung 64, 85 f., 90, 137 f. Verstaatlichung 19, 36 ff., 62, 68 f., 69 ff., Programmsatz 131 f. 72 f., 79, 97, 143 Quersubventionsverbot 82 Rechtsschutz gegen Enteignungen 35, 227 f. Regimewechsel, rechtlicher 17, 19, 62 f., 78 f., 85 ff., 97, 127 f., 156 ff., 163, 210, 219 Reichsverfassung von 1871 36 Richtlinie 91 /440 73, 75 ff., 116 ff. Rückenteignung s. Riickübertragungsanspruch Rückübertragungsanspruch 202 ff., 211 f. - Anspruchsinhaber 204 f. - Ausschluß 203, 212 - Durchsetzbarkeit 206 s. a. Enteignungsverfahren - Erzwingbarkeit 204 Schienenwege 45,102, 103 f. s. a. Eisenbahnnetz 5. a. Infrastruktur - -unternehmen 100, 105 ff. - -vorbehält 97 ff., 122 ff. Selbstregulierung, gesellschaftliche 66 f., 210 Sondervermögen 20,44, 50, 61, 67 Sozialstaatsprinzip 72, 136, 176 Staatsaufgabe 129 ff., 134,194 Staatsbahn s. Eisenbahnorganisation Staatszielbestimmung 129 ff., 133
Verwaltungsprivatrecht 152 f., 154 ff., 169 Vorbehalt des Gesetzes 89, 138, 177, 179 f.,
206, 228
Vorrang des Gesellschaftsrechts 123 ff., 142, 153 f., 157 f., 170 Wechsel des Rechtsregimes s. Regimewechsel, rechtlicher Wegeregal 45, 79 Wettbewerb 24, 50, 66, 69 ff., 76,93 wirtschaftliche Betätigung des Staates 89 f., 92, 152 ff. Wohl der Allgemeinheit im enteignungsrechtlichen Sinn 19 ff., 30 f., 33 ff., 42 ff., 58, 62, 148 f., 164, 165 ff. - bei privater Unternehmensführung 189 f., 191ff., 209 ff. s. a. privatbegünstigende Enteignung - Bestimmtheit 178 ff., 199 ff. - Gemeinwohldienlichkeit 167 f., 188 f., 201, 211 ff. - gesetzliche Konkretisierung des Enteignungszwecks 164, 165, 174,175 f., 177 f., 197, 199, 201, 232, 239, 255 ff. - Verbot der Verwaltungskonkretisierung 179 f., 183, 197, 199 f. - Vollzug und Sicherung 202 ff., 209,211 ff. s. a. Enteignungsgegenstand, Realisierung s. a. Dauerhaftigkeit der Enteignung s. a. Rückübertragungsanspruch